Kunststudium und Weltgeschehen: Die Briefe der Malerin Julie Hagen aus München 1847–1851 [1 ed.] 9783412519742, 9783412519728

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Kunststudium und Weltgeschehen: Die Briefe der Malerin Julie Hagen aus München 1847–1851 [1 ed.]
 9783412519742, 9783412519728

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Christin Conrad (Hg.)

Kunststudium und Weltgeschehen Die Briefe der Malerin Julie Hagen aus München 1847–1851

Quellen zur deutschen Kunstgeschichte vom ­ lassizismus bis zur Gegenwart, Band 8 K Deutscher Verein für Kunstwissenschaft e. V.

Herausgegeben von Bernhard Maaz

Christin Conrad (Hg.)

KUNSTSTUDIUM UND WELTGESCHEHEN Die Briefe der Malerin Julie Hagen aus München 1847–1851

Böhlau Verlag wien köln weimar

Die wissenschaftliche Editionsarbeit und die Drucklegung wurden finanziert von der ars & studium-Stiftung

Der Deutsche Verein für Kunstwissenschaft e.V. wird gefördert durch die Kulturstiftung der Länder

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. KG, Lindenstraße 14, D-50674 Köln und den Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung  : Julie Hagen Schwarz, Selbstbildnis, um 1848, Öl auf Leinwand, 43,5 × 35,4 cm, Tartu Art Museum (Inv.Nr. TKM 726M) © Tartu Art Museum Korrektorat  : Elena Mohr, Köln Einbandgestaltung  : Guido Klütsch, Köln Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51974-2

Inhalt

Familienverbund – Lebenserfahrung – Kunstkontakte · Bernhard Maaz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 Vorwort der Vorsitzenden der ars et studium-Stiftung · Christina von Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   10

EINFÜHRUNG Die Malerin Julie Hagen · Christin Conrad. . . . . . . . . . . . . . . .  11 München um 1850 – Stadt der Künste, Stadt der Bilder · Herbert W. Rott. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   18

DIE BRIEFE Editorische Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   30 A. Ankunft und Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   33 B. Revolution in München.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99 C. In der Malschule Joseph Bernhardts.. . . . . . . . . . . . . . . 158 D. Die Begegnung mit Moritz Rugendas. . . . . . . . . . . . . . . . 243 E. Ausstellungsdebüt und Atelierwechsel. . . . . . . . . . . . . . 394 F. Erfolge als Porträtistin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 G. Der Kampf mit dem Vater um Selbstbestimmung. . . . . . . . 517

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Inhalt

H. Nach Rom  ! Vorbereitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 I. Sicherung der finanziellen Mittel  : ein Stipendium vom Zaren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 J. Aufbruch nach Rom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 Farbtafeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689

NACHBETRACHTUNG Julie Hagens Porträt von Moritz Rugendas in Bild und Wort · Pablo Diener.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705

ANHANG Kurzbiografie der Künstlerin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718 Verwandtentafel (Grosseltern, Eltern, Geschwister). . . . . . 722 Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (zu Lebzeiten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 Vorläufige Werkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 Literatur- und Quellenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 803 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 Personenindex der Briefedition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 Bildnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831

Anstelle eines Vorwortes Familienverbund – Lebenserfahrung – Kunstkontakte  : Die Briefe Julie Hagens

»Meine ausgestellten Bilder«, schrieb die in ihren Zwanzigern stehende junge Malerin Julie Hagen mit berechtigtem Stolz am 3. April 1851 an ihre Eltern, »haben Epoche gemacht«, und das hieß nach dem damaligen Sprachgebrauch, sie haben Furore gemacht oder recht eigentlich »ein neues Zeitalter eingeleitet«, nichts Geringeres  ! 1851, das war das Jahr der ersten Weltausstellung, die in London stattfand, und es war eine Zeit der großen Umbrüche und des Aufbruchs in die künftige Industrialisierung mit all ihrem Pro und Contra. Die Jahre um 1850 waren gekennzeichnet von der Vorherrschaft der Männer, sei es in den Unternehmen und Verwaltungen, an den Kunsthochschulen und im Kunstbetrieb oder auch in der Politik. Das Wahlrecht war 1848 eingeführt worden – für Männer. Jenes für Frauen ließ noch bis ins 20. Jahrhundert auf sich warten. Dieser Umstand allein erhellt schon die Rolle der Frauen in jener Zeit, aus der Julie Hagens hier erstmals veröffentlichte und reich kommentierte Briefe verfasst wurden. Natürlich kann man auf die Salondamen und Dichterinnen seit der Aufklärung verweisen, auf Sophie von La Roche, auf Madame de Staël, Bettina Brentano, Annette von Droste-Hülshoff und auf viele andere  ; natürlich gab es einzelne Künstlerinnen. Aber viele von ihnen – gerade die Malerinnen und Zeichnerinnen – lebten in einer großen Unfreiheit und im Schatten der Männerwelt. Für die Literatur war der Freiraum leichter zu erreichen als für die bildende Kunst, denn die Welt der Akademien mit ihrem Aktstudium war stets auch eine Welt der Körperlichkeit, und das wurde aufgrund einer orthodoxen (Schein-)Moral allzu leicht mit Verführbarkeit verbunden. Vor diesem Hintergrund müssen diese Briefe gelesen werden, dann versteht man, welch beachtliche Person hier in Erscheinung tritt. Sie war eine Frau, die sich eine bestechende Integrität erarbeitete, die sich zwar nicht den Normen entzog, aber sie doch in Frage stellen konnte. Sie wirkte mit an dem Heraustreten der Frauen ihrer Generation aus der Rolle der häuslichen und dienenden Gattin. Die Biografie der Julie Hagen, die in diesem Band auch in kurzer und konziser Weise tabellarisch dargestellt wird, ist unentbehrlicher Hintergrund der Briefe  : Jeder Mensch entwickelt sich, und diese Briefe zeigen, wie die junge Künstlerin ihre Kreise buchstäblich immer weiter zog. Die Briefe werden getragen von einer erstaunlichen Vitalität und einer selbstvertrauenden Authentizität. Mögen sie mitunter plaudernd erscheinen, so sind sie doch Teil eines familiären Gedankenaustausches. In ihnen wird referiert und reflektiert, mal relevant und mal re-

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Anstelle eines Vorwortes

dundant  : Würde man heutige Telefonate aufzeichnen, wäre der Grundton wenig davon verschieden, denn es geht in beiden Fällen darum, trotz großer räumlicher Distanzen miteinander im Gespräch zu bleiben. Und eben dieses Nicht-Abreißen des Gesprächs manifestiert sich in der Art des Schreibens, der stetig fortgesetzten und von jeder literarischen Erwartungshaltung befreiten Mitteilung. Dabei stehen nicht Heimweh, Erinnerung und Emotion im Vordergrund, sondern eine Fülle von Fakten  : Kunst, Architektur, Skulptur und Lektüre, Reiseerfahrungen und Atelierbesuche, gemeinsame Bekannte und einsame Unbekannte scheinen auf, Orte und Wege. Aus der Gesamtheit ergibt sich ein kulturgeschichtliches Bild, das weit über die kunsthistorische Relevanz hinaus lesenswert ist. Julie Hagens Briefe ziehen ein Netzwerk von Kontakten ans Licht  ; das war ihr als einer selbständig reisenden Künstlerin möglich, die sich am 8. Januar 1849 beschwert, dass das Atelier überheizt war, weil das Aktmodell die Wärme brauchte. So ist eben diese Erfahrung einer jungen Künstlerin ein sicheres Indiz dafür, dass sie an den modernen Entwicklungen alle ihr im Rahmen der Normen zugänglichen Chancen ausgeschöpft hat. Julie Hagen war Malerin. Im Rahmen dieser Veröffentlichung kann das erstaunlich umfangreiche Lebenswerk nicht im Vordergrund stehen. Damit dennoch darauf hingewiesen wird, enthält das Buch auch eine Werkliste. Sie ist als Hilfsmittel zu verstehen, nicht als Endergebnis einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Möge manches Werk, das bislang im Verborgenen oder unerkannt existierte, sich dadurch finden lassen. Und möge dank einer späteren Förderung auch jenes Werk gelingen, ein wissenschaftlich recherchiertes Werkverzeichnis. Denn die Briefe schreibende Malerin hätte nicht anders gehandelt  : Man kann nicht das eine tun, ohne das andere zu lassen. Bernhard Maaz Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München

Vorwort Die Stiftung ars et studium hat sich zum Ziel gesetzt, Forschungsprojekte und deren Autorinnen und Autoren zu fördern, die sich mit herausragenden Arbeiten im Bereich der Kunstgeschichte, Archäologie und der Kulturwissenschaften dafür einsetzen, dass wichtige Themen bearbeitet werden. Dabei geht es vorrangig um Projekte, die ohne eine solche Unterstützung kein ausreichendes Forschungsinteresse oder auch keinen Niederschlag in einer angemessenen Publikation finden würden. Die 2017 gegründete Stiftung freut sich, mit Christin Conrad ihre zweite Stipendiatin und deren grundlegendes Werk über die Malerin Julie Hagen (1824–1902) öffentlich zugänglich machen zu können, indem sie zunächst die mehrjährige Arbeit an der Edition und nunmehr auch die Publikation finanziell ermöglicht hat. Bearbeitet wurden die Briefe der Künstlerin aus dem Zeitraum zwischen 1847 und 1851, also jene Briefe, die sie während ihrer prägenden Zeit in München schrieb. Erweitert wurde diese quellengeschichtlich im Bereich der Forschungen über Künstlerinnen im 19. Jahrhundert zentrale Arbeit durch eine Werkliste der Gemälde und Zeichnungen, die den Schaffenshorizont Julie Hagens hervorragend dokumentiert. So entsteht vor den Augen der Leserschaft ein hochinteressantes Beziehungsgeflecht, welches die Welt der Künstlerinnen und Künstler im 19. Jahrhundert trefflich beleuchtet. Frau Conrad sei Dank und große Anerkennung für diese gründliche und umfassende Arbeit ausgesprochen, die wir gerne gefördert haben und deren Ergebnis nun hiermit vorliegt. Der Dank der Stiftung gebührt dem Stiftungsrat der ars et studium Stiftung, dem Deutschen Verein für Kunstwissenschaft e.V. mit dem Reihenherausgeber Bernhard Maaz und der auf Seiten des Vereins immer hilfreichen Dorothee Kemper, dem Böhlau Verlag mit Kirsti Doepner sowie der Lektorin Elena Mohr und allen, die sich um das Projekt in irgendeiner Weise verdient gemacht haben. Augsburg, im März 2020 Christina von Berlin Stiftungsratsvorsitzende

Dank Es ist mir ein besonderes Anliegen, Christina von Berlin und der ars et studium-­ Stiftung zu danken, deren Unterstützung die Bearbeitung und Herausgabe dieser einzigartigen kunsthistorischen Quelle ermöglicht hat. Christina von Berlin war von Beginn an von diesem Projekt begeistert, ihrem Einsatz für seine Durchführung während der gesamten Bearbeitungsdauer gebührt mein erster und herzlichster Dank  ! Daneben sei Bernhard Maaz mein ganz besonderer Dank ausgesprochen für seine spontane Begeisterung und die Bereitschaft, die Briefe Julie Hagens in die Reihe der Quellenschriften des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft aufzunehmen und diese Publikation mit seinem Beitrag zu bereichern. Nächst dieser elementaren Förderung sind es die vielen Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der wissenschaftlichen Einrichtungen und Museen im In- und Ausland gewesen, die mir mit ihrem Fachwissen und ihrer inspirierenden Korrespondenz zur Seite standen und behilflich waren, diese Briefedition zu realisieren. Ohne namentlich jeden Einzelnen nennen zu können, mögen sich all jene angesprochen fühlen, die mir in so freundlicher und bereichernder Weise ihre Unterstützung zukommen ließen, indem ich ihnen meinen vielfachen Dank ausspreche. Gleichfalls bedankt seien all jene, die mir den Zugang zu den zugrundeliegenden Manuskripten, zu den vielen wichtigen unpublizierten Quellen und zu privatem Bildmaterial ermöglicht haben, insbesondere die Nachfahren Julie Hagens und August Riedels sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bestandshaltenden Archive und Bibliotheken in München, Augsburg, Tallinn, Tartu und Riga. Namentlich möchte ich Bärbel Kovalevski nennen, der ich – ebenso wie den nächstgenannten Kollegen – besonders wertvolle Hinweise und Anregungen verdanke und daher, insbesondere für ihr beeindruckendes Fachwissen zur Künstlerinnengeschichte des 19. Jahrhunderts, zu großem Dank verpflichtet bin. In gleicher Weise bedanke ich mich bei meinen Ko-Autoren Pablo Diener und Herbert Rott für ihre interessanten Beiträge und den stets zuverlässigen und ergiebigen Gedankenaustausch. Last but not least danke ich Julie, der fleißigen Schreiberin, und ihren Kindern, die mit Umsicht dieses einzigartige Material hüteten, damit es uns Nachgeborenen von diesem ungewöhnlichen Lebensweg erzählt. Christin Conrad

Einführung Die Malerin Julie Hagen Christin Conrad Julie Hagen (1824–1902) gehört zu den wenigen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geborenen, professionell tätigen Malerinnen des deutschsprachigen Raumes, deren Leben und Schaffen anhand ihrer überlieferten Werke und ihres schriftlichen Nachlasses gut dokumentiert und nachvollzogen werden können (Abb. 1). Sie entstammte einer Künstlerfamilie – wie seinerzeit viele als Malerinnen tätige Frauen –, wodurch sie Zugang zu einer künstlerischen Ausbildung erhielt. 1824 wurde sie als älteste Tochter des Landschaftsmalers und Universitätszeichenlehrers August Matthias Hagen (1794–1878) in der Nähe von Dorpat, dem heutigen Tartu in Estland, geboren. Das Baltikum, die damaligen sogenannten Ostseeprovinzen Estland, Kurland und Livland (die heutigen Gebiete Litauens, Lettlands und Estlands), war damals durchweg deutschsprachig, gehörte aber zum Zarenreich. Julie Hagen war kulturhistorisch Deutsche, staatsbürgerlich war sie Russin, sie reiste mit russischem Pass. Ihre Mutter war die aus Passau stammende Johanna Maria von Paumgarten (1802–1885), deren väterliche Wurzeln in Oberösterreich lagen. Julie Hagen hatte neun Geschwister, von denen in den Briefen immer wieder die Rede ist. Der älteste Bruder Carl war 1823 noch in Bayern geboren worden. August Matthias Hagen (Abb. 2) hatte sich, der Mode der Zeit entsprechend, 1820 als junger Maler auf Wanderschaft durch Deutschland, Österreich und die Schweiz begeben und den Winter 1820/21 in Passau verbracht, wo er Johanna von Paumgarten (Abb. 3) kennenlernte und 1823 im Passauer Dom heiratete. 1824 kehrte er mit ihr und dem kleinen Carl in seine Heimat zurück. Kurz darauf wurden die Zwillinge Wilhelm und Juliana, genannt Julie, geboren. Alexander, der später Maler wurde, folgte 1827, 1829 die Schwester Emilie, genannt Mieze, kurz darauf ein weiterer Sohn, Friedrich, genannt Fritz, dessen Lebensdaten nicht bekannt sind. Fritz war das »schwarze Schaf« der Familie, er lebte schon als Jugendlicher nicht mehr im Haus der Eltern, sondern war zur Besserung aufs Land zu den väterlichen Verwandten gebracht worden. Nach Fritz folgten noch weitere vier Töchter  : Marie (1834), Gotton (1837), Bertha (1843) und Johanna (1845).1 1 Einen Überblick über die Familie Julie Hagens und die Lebensdaten der Geschwister, Eltern und Großeltern gibt die Verwandtentafel im Anhang auf S. 722/723.

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Einführung Abb. 1  : Julie Hagen Schwarz, Selbstbildnis, 1849, Fotografie nach verschollenem Gemälde, Familienbesitz

Dass der Vater die älteste Tochter für die künstlerische Ausbildung freistellte, ist als besonderer Umstand zu werten. Die Rolle der häuslichen Tochter und Erzieherin der jüngeren Geschwister fiel der Schwester Emilie zu, der der Vater später eine Ausreise nach Deutschland untersagte, sie war als Unterstützung der Mutter im Haus unentbehrlich. Julie war des Vaters erklärtes Lieblingskind, ähnlich im Charakter, zielstrebig, begabt, energisch. Er setzte sich für ihre künstlerische Ausbildung ein, unterrichtete sie und warb erfolgreich um ein Stipendium für sie, allerdings ohne Nennung ihres Namens, denn eine Bewerbung war ausschließlich männlichen Kunstjüngern vorbehalten. Der Sohn Alexander hatte als angehender Maler einen schwereren Stand beim dominanten Vater, Julie wurde – die Briefe dokumentieren es – seine Fürsprecherin. Alexander verbrachte später einige Jahre gemeinsam mit Julie in Rom und schiffte sich mehrmals als Reisemaler nach Südamerika ein, wo er 1869 an den Pocken erkrankte und verstarb. Ohne das Engagement und die befürwortende Haltung des Vaters hätte Julie Hagen als Malerin keine Ausbildung erhalten. Andererseits war der Umstand, dass der Vater bis zur Verheiratung ihr Vormund war, problematisch. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen, wenn er aus dem fernen Dorpat in die Lebensumstände Julie Hagens eingriff. In Rom, wo August Matthias Hagen sie im Frühjahr 1853 besuchte, eskalierten die Konfrontationen zwischen beiden bis

Die Malerin Julie Hagen 

Abb. 2  : August Matthias Hagen, der Vater der Künstlerin, um 1850, Fotografie, Privatbesitz

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Abb. 3  : Die Mutter der Künstlerin Johanna Hagen mit ihrer jüngsten Tochter Johanna, um 1850, Fotografie von August Matthias Hagen, Familienbesitz

zum völligen Bruch. Der Streit führte zu einer hochbelastenden Situation für die Malerin Hagen, die sich zur Lebenskrise ausweitete. 1840 erwarb Julie Hagen die Berechtigung, »im Lesen und Schreiben der deutschen Sprache und im Rechnen« privaten Elementar-Unterricht zu erteilen, auch Gouvernanten-Examen genannt, eine Art erweiterter Schulabschluss.2 Danach lebte sie – vielleicht als Hauslehrerin – offenbar einige Zeit in Riga, wo sie den späteren Rigaer Bürgermeister Otto Müller (1813–1867) kennenlernte. Mit ihm verband sie eine unglückliche Liebesaffäre, Müller löste die Beziehung. Nach eigener Aussage war der Vorfall einer der Auslöser für ihre konsequente Hinwendung zur Kunst. In Riga fanden auch die ersten Ausstellungen ihrer Werke statt, bereits im Jahr 1842 zeigte sie einige Blumenstillleben im Schwarzhäupterhaus, ebenso 1845. Neben der Förderung durch den Vater, dem großen Talent Julie Hagens und den mangelnden Möglichkeiten einer fundierten künstlerischen Ausbildung in Dorpat oder Riga, war wohl auch die Affäre Müller einer der 2 Das Prüfungszeugnis vom 26.2.1840 befindet sich im Digitalisat des Hagen-Schwarz-Nachlasses, Estland (Kopie im Besitz der Verfasserin).

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Einführung

Gründe für ihre Reise nach Deutschland im Jahr 1846, die ihre Ausbildung zur Malerin im Ausland einleitete. Zunächst war lediglich ein Jahr in Dresden vorgesehen, in dem vor allem durch das Kopieren alter Meister in der Gemäldegalerie die Technik verbessert und das Auge geschult werden sollte. Mit der Ausreise aus Livland setzte der Briefwechsel an die Eltern und an Freunde – erhalten sind die Briefe an Ludwig Schwarz, ihren späteren Ehemann – ein, den die Künstlerin in steter Regelmäßigkeit über den gesamten Zeitraum ihres Auslandsaufenthalts bis zum Jahr 1854, als sie aus Rom nach Dorpat zurückkehrte, beibehielt. Fast alle diese Briefe sind erhalten geblieben. Einem glücklichen Umstand verdankte Julie Hagen die Möglichkeit, in München ab Herbst 1847 weiter studieren zu können, denn der Bruder der Mutter, Carl von Paumgarten (»Onkel«), erklärte sich bereit, die Nichte bei sich aufzunehmen und die Ausbildung zu finanzieren. Carl von Paumgarten wird im Münchner Adressbuch als »Partikular« bzw. als »Privatier« geführt, d. h., er verfügte über genügend Mittel aus einem vorhandenen Vermögen und war ohne Amt und Beruf. Wodurch er sich dieses Vermögen erworben hatte, ist nicht bekannt. Seine Frau, Ottilie von Paumgarten, geb. Rehrl (»Tante«), und er lebten in der vornehmen Königinstraße am Englischen Garten in direkter Nachbarschaft des Prinzen Karl. Die »herrlich glänzende Residenz« stand in voller Schönheit, als Julie Hagen im Herbst 1847 in München ankam. Die Kunst erlebte eine Blütezeit durch das Mäzenatentum Ludwigs I., etliche Bauwerke und Monumente wurden in der Zeit ihres Aufenthalts in München erbaut oder eingeweiht. München zog Kunstjünger aus ganz Europa an. Die Ateliers großer Meister standen den Besuchern offen, die prächtigen, traditionellen Münchner Künstlerfeste waren legendär, neue Zusammenschlüsse von Künstlervereinigungen konstituierten sich, das Kunstleben pulsierte. In ihren Briefen ist sie aber nicht nur Chronistin der Kunstereignisse und Künstlerkreise, in die sie eingeführt wurde. Die Jahre, in denen Julie Hagen in München lebte, waren eine Zeit des politischen Umbruchs, der gesellschaftlichen Veränderungen und des technischen Fortschritts. Sie erlebte die Revolution 1848 hautnah mit und schilderte sie in Augenzeugenberichten den Eltern, die von den Ereignissen womöglich nur wenig in den Zeitungen lesen konnten. Für sie persönlich war nach ihrer Ankunft in München die wichtigste Frage die nach einem adäquaten Lehrer oder einer geeigneten Einrichtung, an der sie ihre Ausbildung fortsetzen konnte. Im frühen 19. Jahrhundert hatte in München für Künstlerinnen eine einzigartige Möglichkeit bestanden  : Sie fanden aufgrund besonderer Empfehlungen Aufnahme an der Kunstakademie und konnten gleichberechtigt mit den Männern studieren. Julie Hagen hatte vielleicht davon gehört. Mit der letzten Aufnahme einer Elevin im Jahr 1839 aber endete faktisch

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das akademische Kunststudium für Frauen in Deutschland im 19. Jahrhundert.3 Auch das Kopieren in der Gemäldegalerie war in München nicht gestattet. Dem Rat des ihr in Dresden empfohlenen Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) folgend trat sie in die Malschule des Porträtisten Joseph Bernhardt (1805–1885) ein, der Schnorr zufolge der Einzige in München sei, der Schülerinnen unterrichte.4 Julie Hagen nahm diese Möglichkeit dankbar an, sie bedeutete eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu ihrer Ausbildungssituation in Dresden. Den Unterricht Bernhardts schätzte sie stets außerordentlich. Als Mentor der Malerin trat jedoch ab Herbst 1848 der kurz zuvor aus Südamerika heimgekehrte Moritz Rugendas (1802–1858) auf. Er war die prägende Künstlerpersönlichkeit in dieser Zeit für Julie Hagen und der Wegbereiter ihres Erfolges. Auf seine Initiative hin konnte sie 1851 nach Rom reisen mit der Zusage des von ihr hochverehrten August Riedel (1799–1883) im Gepäck, sie zu unterrichten. Rugendas wirkte nicht nur als Künstler mit seiner langen Erfahrung und seinen zahlreichen Kontakten positiv auf die Laufbahn der Malerin ein, er erwies sich auch im Zwischenmenschlichen im besten Sinne als wahrer Freund. Ein Landsmann Julie Hagens, der Geologe und Forschungsreisende Gregor von Helmersen (1803–1885), der den Augsburger Maler seit den frühen 1830er Jahren kannte, schildert ihn mit folgenden Worten  : »Rugendas war ein hervorragender Mensch. Seine einnehmenden Züge verriethen neben einer gemässigten Sinnlichkeit viel Geist und einen feinen Humor, sein Benehmen war gewandt und würdig, seine Rede wohlklingend und geistvoll.«5 Die Briefe Julie Hagens bieten eine Fülle von neuen Informationen zur Spätzeit des Künstlers. Sie enthalten für die Rugendas-Forschung einzigartiges Material. Rugendas selbst korrespondierte mit dem Vater der Malerin, einige dieser Briefe sind erhalten geblieben und hier mitabgedruckt.

3 Als letzte Frau – und als absoluter Sonderfall – wurde die Bildhauerin Elisabet Ney (1833–1907) im November 1852 probeweise an der Münchner Akademie aufgenommen und im März 1853 immatrikuliert, sie studierte als einzige Frau in der Bildhauerklasse von Max von Widnmann (1812–1895). 4 Durch die Aufzeichnungen anderer Malerinnen wissen wir, dass angehenden Künstlerinnen in München auch andernorts ein Unterricht möglich war. Helisena Girl (1831–1916) fand ab 1850 Aufnahme im Atelier Gisbert Flüggens (1811–1859), der allerdings keine Schule unterhielt. Die Engländerin Mary Anna Howitt (1824–1884) wurde 1850 an die Kunstschule des von ihr nicht näher benannten »B.« verwiesen. Oelwein (vgl. Howitt, 2002, S. 224) vermutet hinter dem Kürzel nicht Bernhardt, sondern den Historienmaler Johann Baptist Berdellé (1813–1876), der 1850 in München eine Kunstschule gründete. In derselben Kunstschule ist auch Elisabet Ney 1852 unterrichtet worden, bevor sie an der Akademie zugelassen wurde. 5 Zitiert nach  : Gregor von Helmersen, Ernst Hofmann, Nekrolog, Separat-Abdruck aus der »Baltischen Monatsschrift«, Heft 9 u. 10, Riga 1874, S. 10.

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Dass sich die Briefe der Malerin in diesem Umfang geschlossen erhalten haben, ist der Gewissenhaftigkeit einer ihrer Schwestern, vermutlich Emilies und dann Maries, und später ihrer Töchter Sophie und Wilhelmine zu verdanken. Ludwig Schwarz, der spätere Ehemann der Künstlerin, sammelte ebenfalls mit Behutsamkeit alle empfangene Korrespondenz. Sogar die Briefe, die er während seiner von 1849 bis 1853 währenden abenteuerlichen Expeditionsreise durch Ostsibirien empfing, sind erhalten geblieben, darunter einige Briefe von Julie Hagen, die hier mitabgedruckt sind. Auch Briefkladden legte er in seine Sammlung, wodurch ein an Julie Hagen gerichteter Brief von ihm aus der Münchner Zeit der Malerin erhalten ist. Andere von Julie Hagen empfangene Briefe aus dieser Zeit konnten bisher nicht ausfindig gemacht werden. Ludwig Schwarz hatte während seiner Dorpater Studentenzeit im Haus der Familie Hagen gewohnt, wo ihn auch Julie kennengelernt hatte. Er verliebte sich in Emilie Hagen, die er nach seiner Rückkehr aus Sibirien 1853 heiratete  ; es war ein kurzes Glück nach jahrelangem geduldigem Warten, denn Emilie und ihr frühgeborenes Kind starben Anfang 1854 kurz nach der Niederkunft. Im Sommer 1854 kehrte Julie Hagen nach Dorpat zurück und heiratete Anfang 1855 ihren verwitweten Schwager, dem sie seit langem in enger Freundschaft verbunden war, wie die Münchner Briefe bezeugen. Kurz nach der Heirat trat das Paar gemeinsam eine zweite Sibirienreise an. 1855 und 1856 wurden zwei Söhne geboren. Julie Hagen Schwarz lebte bis 1857 in Irkutsk und kehrte dann mit ihrer Familie für immer nach Dorpat zurück. 1860 und 1864 folgten die Geburten der beiden Töchter. Briefmaterial hat sich aus der gesamten Lebenszeit der Malerin erhalten. Während der durch die beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts verursachten Wirren und der daraus resultierenden Flucht und Umsiedlung der Deutschbalten wurde der Nachlass geteilt. Ein Teil, darunter die Briefe aus der Münchner Zeit, verblieb im Besitz der Nachfahren, ein anderer Teil gelangte 1944 kriegsbedingt als Depositum in das Archiv des Kunstmuseums Tartu, wo es sich geschlossen bis 2011 erhalten hat. Das Material lag dort einige Jahrzehnte weitgehend unbeachtet. 2011 ließ ein durch die Tochter Wilhelmine angeheirateter Familienzweig den Nachlass aus dem Museum abholen  ; ein Rechtsstreit entbrannte, führte aber nicht dazu, dass der physische Verbleib des Nachlasses wieder bekannt wurde. Glücklicherweise hatten die Museumsmitarbeiter, als sich der Verlust abzeichnete, in Windeseile den überwiegenden Teil des Bestandes digitalisieren lassen, so dass das Konvolut als Digitalisat noch vorhanden ist. Die Verfasserin dankt dem Kunstmuseum Tartu für diese Geistesgegenwart und für die Überlassung einer Kopie des Digitalisats zum Zwecke der wissenschaftlichen Auswertung. Der Briefwechsel der vorliegenden Publikation setzt mit der Reise Julie Hagens gemeinsam mit ihren Verwandten von Dresden nach München im September

Die Malerin Julie Hagen 

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1847 ein. Um das umfangreiche Briefkonvolut zu strukturieren, wurde es in mehrere inhaltlich sinnvolle Kapitel unterteilt. Jedem Kapitel geht ein einleitender Text voran, der dem Leser einen Überblick über das Folgende ermöglicht. Da die Malerin in regelmäßigen Abständen Briefe begann und an diesen in der Regel mehrere Wochen schrieb, bevor sie sie absandte, sind diese in Tagebuchform gehalten. Julie Hagen mischte Privates und Berufsmäßiges in schnell wechselnder Folge, sie erzählte persönlich und lebendig – mitunter intim – von ihrem Alltag. Nur am Rande sei erwähnt, dass sie sich – ungeachtet einiger regional bedingter grammatikalischer Schwächen – höchst virtuos ihrer Sprache bediente, ihre Schilderungen sind stets gewählt, respektvoll und treffend. Alles, was sie innerlich bewegte, brachte sie zu Papier, nichts ist gefiltert durch eine literarische Absicht oder eine stilistische Überarbeitung, denn es handelt sich eben nicht um ein Tagebuch, sondern um die Briefe an ihre Liebsten, die über Jahre das einzige Medium waren, um zu der schmerzlich vermissten Familie daheim Verbindung zu halten. Es sind gleichzeitig die Bulletins an den ersten Lehrmeister der jungen Malerin, August Matthias Hagen. Dieser verlangte als Vater und als Maler genaue Berichte über die Lehrinhalte des Unterrichts und die Ergebnisse und Fortschritte der künstlerischen Bemühungen der Tochter. Der Leser lernt eine erstaunlich reife, reflektierte junge Frau kennen, die ein festes Ziel vor Augen hatte  : als Künstlerin zu bestehen. »Ich muss, ich will, ich werde Höheres erreichen … als mein Geschlecht es sonst thut«, schrieb sie am 18. Januar 1851 an ihren Vater. In der Schilderung des Werdegangs als Malerin vor allem liegt der hohe Wert der Briefe. Die Handschriften verdienen besondere Aufmerksamkeit, weil mit ihnen eines der wenigen umfangreichen Zeugnisse eines Künstlerinnenlebens um 1850 überliefert ist. Die Erforschung der Künstlerinnengeschichte ist nach wie vor ein Desiderat in der Geschichte der Kunst. Besonders die Malerinnen dieser Zeit sind der Kunstgeschichtsschreibung bisher entgangen. Ein Grund dafür ist der mangelnde Zugang zu ihren Lebensgeschichten und Werken. Mit dem hier publizierten Briefkonvolut erhalten wir Einblicke in die Biografie einer jungen, angehenden Malerin um 1850 mit all ihren Höhen und Tiefen. Wir erfahren von den – ich möchte es betonen  : charakteristischen – Barrieren und Rückschlägen, mit denen sie zu kämpfen hatte, aber auch von einem Netzwerk von (männlichen) Unterstützern, die die Leistungen der jungen Konkurrentin nicht nur anerkannten, sondern sie in tatkräftiger Weise auf dem Weg in eine erfolgreiche, professionelle Kunstausübung begleiteten. Hier öffnet sich ein weites Feld bisher unbearbeiteter Aspekte und neuer Blickwinkel, die auch die Frage zulassen sollten, warum uns bis heute in der Fachliteratur und in den Museen kaum Malerinnen des 19. Jahrhunderts begegnen und wie diese Lücke zu schließen ist.

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München um 1850 – Stadt der Künste, Stadt der Bilder Herbert W. Rott Als Julie Hagen im September 1847 in München eintraf, kam sie in eine Stadt, die sich in den drei Jahrzehnten zuvor bemerkenswert verändert hatte. Die im Kern mittelalterliche, barock überformte Hof- und Residenzstadt war durch König Ludwig I. und seine Architekten Leo von Klenze und Friedrich Gärtner zu einer Stadt des 19. Jahrhunderts geworden. Bauten des Klassizismus und frühen Historismus prägten die neuen Straßenzüge und Platzanlagen. Die neuen Bauten waren vor allem der Kunst und Kultur gewidmet  : die Museen und Ausstellungsgebäude am Königsplatz und in der Maxvorstadt, die königliche Bibliothek in der Ludwigsstraße, die Um- und Erweiterungsbauten der königlichen Residenz. Ludwig I. war damit zielstrebig einer Maxime gefolgt, die er in seiner Ansprache anlässlich der Grundsteinlegung der Neuen Pinakothek im Oktober 1846 geäußert hatte  : »Des Staatsmannes Werke werden längst vergangen sein, wenn die des ausgezeichneten Künstlers noch erhebend erfreuen«.1 Den Anfang machte die Glyptothek (1816–1830), die für Ludwigs Sammlung von griechischen und römischen Skulpturen errichtet wurde. Dann folgte die Alte Pinakothek (1826–1836) für die Sammlung von Altmeistergemälden der Herzöge, Kurfürsten und Könige von Bayern, die Ludwig selbst bereits als Kronprinz durch bedeutende Erwerbungen von italienischen Gemälden erweitert hatte. Am Königsplatz, gegenüber der Glyptothek, entstand von 1838 bis 1848 ein Gebäude für wechselnde Kunstausstellungen, in dem zunächst die Akademie der bildenden Künste ihre regelmäßigen Ausstellungen veranstaltete. Die Neue Pinakothek schließlich war für Ludwigs eigene Sammlung von zeitgenössischer Malerei bestimmt. Eröffnet wurde sie 1853. Die Hauptattraktionen waren Wilhelm Kaulbachs Monumentalgemälde der Eroberung Jerusalems durch Kaiser Titus, das Julie Hagen während der Entstehung im Oktober 1847 in Kaulbachs Atelier gesehen hatte, und der Saal der griechischen Landschaften des von der jungen Malerin sehr bewunderten Carl Rottmann. Bemerkenswert sind nicht nur die Vielzahl der Projekte, sondern auch die Bildprogramme, mit denen diese neuen Gebäude am Äußeren und im Inneren geschmückt waren  : mit Gemälde- und Skulpturenzyklen, die dem Betrachter die Welt der antiken Mythologie, aber auch die Kunstgeschichte der Vergangenheit und der Gegenwart vor Augen stellten. Den Anfang machte auch hier die Glyptothek mit der Ausmalung der beiden Festsäle im Nordflügel durch Peter Cornelius. Die Fresken stellten im Göttersaal die griechische Götterwelt dar, 1 Zur Bau- und Kunstpolitik Ludwigs I. vgl. zuletzt Putz, 2014.

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im Heldensaal die Ereignisse des Trojanischen Krieges.2 Die Bilder fungierten als farbiges Kompendium zur antiken Mythologie und ergänzten auf sinnliche Weise die in der Glyptothek ausgestellten antiken Plastiken. Durch die Beschädigungen des Zweiten Weltkriegs und die anschließende Beseitigung der Fresken ist diese ursprüngliche Einheit von antiken Originalen und romantischer Inszenierung für heutige Besucher verloren gegangen. Am Außenbau der Glyptothek erweiterten überlebensgroße Figuren der bedeutendsten Bildhauer der Antike, der Renaissance und der damaligen Gegenwart dieses Bildprogramm.3 Dem Besucher begegneten außen am Gebäude die Porträts der Künstler, deren Werke ihn im Inneren erwarteten. Die Reihe reicht von Phidias bis zu Canova und Thorvaldsen, da im »Saal der Neueren« der Glyptothek bis 1920 auch Skulpturen des Klassizismus ausgestellt waren. Diese Verknüpfung von Museumsinhalt und Bildprogramm wurde in der Alten Pinakothek fortgesetzt. Zur ursprünglichen, heute verlorenen Ausstattung von Klenzes Galeriegebäude gehörte ein Zyklus von überlebensgroßen Künstlerfiguren auf der Attika nach Entwürfen von Ludwig Schwanthaler. Diese Ahnengalerie der europäischen Malerei von Memling und Van Eyck bis Dürer und Rubens verwies auf die Gemäldeschätze im Inneren.4 Dort wurde dieses Künstlerbildprogramm fortgeführt und weiter ausdifferenziert. In den Loggien auf der Südseite des Gebäudes malte Clemens Zimmermann nach Entwürfen von ­Peter Cornelius eine an den großen Künstlerpersönlichkeiten exemplifizierte Geschichte der europäischen Malerei – der nördlichen Schulen von Van Eyck bis Dürer und Rubens auf der einen und der südlichen Schulen von Giotto bis R ­ affael und Tizian auf der anderen Seite.5 Die Fresken der Loggien vermittelten ein zusammenhängendes Bild von der Kunstgeschichte, so wie die Bestände der Alten Pinakothek den Besuchern einen Gang durch die Malereigeschichte von den Anfängen bis in die Blütezeit des 16. und 17. Jahrhunderts ermöglichen sollten. Für den Außenbau der Neuen Pinakothek entwickelte der Akademiedirektor Wilhelm Kaulbach einen Wandgemäldezyklus, der das aktuelle Kunstgeschehen in München unter dem Patronat Ludwigs I. in monumentalem Format darstellen sollte (Farbabb.  1). Kaulbach malte dazu fein ausgeführte Entwürfe in Öl, die vom König gebilligt und anschließend von Christoph Friedrich Nilson als 2 Frank Büttner, Peter Cornelius. Fresken und Freskenprojekte, Bd. 1, Wiesbaden 1980, S. 125 ff. 3 Hinrich Sieveking, Materialien zu Programm und Entstehung des Skulpturenschmucks am Außenbau der Glyptothek, in  : Glyptothek München 1830–1980, hrsg. von Klaus Vierneisel, Gottlieb Leinz, Ausst.-Kat. (Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München), München 1980, S. 234–255. 4 Die Alte Pinakothek in historischen Fotografien, Ausst.-Kat. (Alte Pinakothek, München), bearb. von Elisabeth Hipp und Martin Schawe, München 2011, S. 66–69. 5 Frank Büttner, Peter Cornelius. Fresken und Freskenprojekte, Bd. 2, Stuttgart 1999, S. 61 ff.

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Fresken auf den Wandflächen des Neubaus ausgeführt wurden. War schon die Zweckbestimmung der Neuen Pinakothek außergewöhnlich – es war das erste für die dauerhafte Ausstellung von Werken der zeitgenössischen Malerei errichtete Gebäude in Europa, somit das erste Museum für Gegenwartskunst –, so war es die Dekoration des Außenbaus noch viel mehr. In Lebensgröße und in modischer Kleidung traten in den Fresken die Hauptakteure der Münchner Kunst­ szene auf, jeweils in eigenen Bildfeldern die Maler, Bildhauer und Architekten, aber auch die Glas- und Porzellanmaler und die Bronzegießer. Die Bilder sollten die Kunstpatronage Ludwigs I. feiern, Kaulbach gab den Szenen jedoch eine satirische Note, indem er etwa die Konkurrenzsituation und daraus resultierende Animositäten zwischen einzelnen Künstlern offen zur Schau stellte.6 So kehren im Bild der Architekten die beiden Hauptvertreter der Zunft, Leo von Klenze und Friedrich Gärtner, einander demonstrativ den Rücken zu, und im Bild der Maler äugt der an seinem Wandgemälde in der Allerheiligen-Hofkirche beschäftigte Heinrich Hess neugierig nach rechts zu seinem übermächtigen Konkurrenten Peter Cornelius und dessen Werk in der Ludwigskirche (Farbabb. 2). Links im Vordergrund erläutert der gefeierte Landschaftsmaler Rottmann mit überheblicher Geste einem Kreis von Kollegen eines seiner Werke, während rechts ein Bote des Königs Orden herbeibringt, Auszeichnungen und Adelsdiplome für verdiente Künstler – ein Mittel, das Ludwig bereitwillig einsetzte, um die von ihm beschäftigten Künstler trotz dürftiger Bezahlung bei Laune zu halten. Zeitgenossen und unmittelbar Betroffene wie Julius Schnorr von Carolsfeld fanden Kaulbachs Darstellungen despektierlich und waren dankbar, dass die ungeschützt der Witterung ausgesetzten Wandbilder rasch verblassten und nach wenigen Jahrzehnten nicht mehr erkennbar waren. Sie sind heute ebenso verschwunden wie das erste Gebäude der Neuen Pinakothek, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und in der Nachkriegszeit abgebrochen wurde. Nicht nur die Museen, sondern auch die von Ludwig I. veranlassten Erweiterungsbauten der königlichen Residenz boten Raum für große Wandmalereizyklen. Künstlerischer Hauptakteur war der aus Rom berufene Historienmaler Julius Schnorr von Carolsfeld, der aufgrund seiner Verbindungen nach Dresden einer der ersten und wichtigsten Kontakte für die neu zugereiste Julie Hagen war. In den Nibelungensälen im Königsbau der Residenz führte Schnorr ab 1828 die Fresken nach dem Nibelungenlied aus. Ab 1838 folgten in den Kaisersälen drei umfangreiche Freskenzyklen zur Geschichte der deutschen Kaiser des Mittelalters, zu Karl dem Großen, Friedrich Barbarossa und Rudolf von Habsburg.7 6 Frank Büttner, Herrscherlob und Satire. Wilhelm von Kaulbachs Zyklus zur Geschichte der Kunst unter Ludwig I., in  : Rott, 2003, S. 83–122. 7 Sabine Fastert, Die Entdeckung des Mittelalters. Geschichtsrezeption in der nazarenischen Male-

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Während die Fresken in den Kaisersälen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fielen, zählen Schnorrs Fresken zum Nibelungenlied zu den wenigen erhaltenen Beispielen nazarenischer Monumentalmalerei in München. Das zweite erhaltene bedeutende Beispiel ist die Ausmalung der Ludwigskirche durch Peter Cornelius und seine Mitarbeiter, die noch heute einen geschlossenen Eindruck eines nazarenischen Großprojektes vermittelt. Dagegen wurden andere Ausmalungen in den neu erbauten Münchner Kirchen im Krieg zerstört wie die Allerheiligen-Hofkirche und die Klosterkirche Sankt Bonifaz. Will man sich den Eindruck vergegenwärtigen, den die Bauten Münchens und ihre Ausstattungen auf einen Neuankömmling wie Julie Hagen gemacht haben, so muss man sich auch all diese verlorenen Werke wieder ins Bewusstsein rufen. Fasst man das alles zusammen, so erscheint München in der Mitte des 19. Jahrhunderts als eine Stadt der Bilder und als ein Ort der öffentlichen Zurschaustellung von Kunst, der in Deutschland ohne Vergleich war. Für eine junge Künstlerin muss es beeindruckend gewesen sein zu sehen, welch hoher Rang der bildenden Kunst in diesen offiziellen Programmen zugemessen wurde. Die retrospektive, affirmative Tendenz der von Ludwig I. beauftragten Figuren- und Bilderzyklen und der Anspruch, damit der deutschen Kunst neue Wege zu weisen, ist so manchem Besucher jedoch unangenehm aufgefallen. So formulierte der junge Kunstgelehrte Anton Springer in seiner anonym erschienenen Schrift »Kritische Gedanken über die Münchner Kunst« (1845)  : »Wir legen den entschiedensten Protest ein gegen diese Anmaßung der Münchner Schule, eine nationale und historisch bedeutsame Kunst heißen, die Blüte des modernen Zeitbewusstseins bilden zu wollen.« Sie könne das nicht beanspruchen, »weil ihr der Atem der Freiheit fehlt.« Das war ein frontaler Angriff auf eine der grundlegenden Voraussetzungen der Münchner »Kunstblüte«, nämlich die Abhängigkeit von und die Beeinflussung durch eine einzelne, autoritär agierende Persönlichkeit, eben Ludwig I.8 Neben den königlichen Projekten gab es aber auch eine Anzahl bedeutender Privatsammlungen und andere Plattformen für den Dialog über und die Vermarktung von bildender Kunst. In München kam dabei wie auch in anderen deutschen Städten dem örtlichen Kunstverein eine wichtige Rolle zu. Gegründet 1823 hatte er seinen Sitz und seine Ausstellungsräume in den Hofgartenarkaden nahe der Residenz. Die regelmäßigen Ausstellungen und jährlichen Verlosungen trugen dazu bei, den Bildkünsten ein neues Sammlerpublikum im Adel rei des frühen 19. Jahrhunderts (Diss. Kiel 1999), München/Berlin 2000 (Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 86). 8 Christian Scholl, Revisionen der Romantik. Zur Revision der »neudeutschen Malerei« 1817– 1906, Berlin 2012, S. 269 ff.

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und zunehmend in bürgerlichen Schichten zu erschließen und dabei besonders jene Kunstgattungen außerhalb der offiziellen Historienmalerei, insbesondere die Porträt-, Genre- und Landschaftsmalerei, zu fördern.9 Julie Hagen stellte ihre ersten Werke im Kunstverein aus, zu dessen regelmäßigen Besuchern auch Ludwig I. zählte. Zu den Plattformen zeitgenössischer Malerei gehörten auch die Ausstellungen der Münchner Kunstakademie, die seit 1811 in dreijährigem Turnus stattfanden. Die Bedingungen wurden durch den Bau eines Kunstausstellungsgebäudes am Königsplatz gegenüber der Glyptothek bedeutend verbessert. Während des Münchner Aufenthalts von Julie Hagen fand dort 1848 die XII. Kunstausstellung der Akademie statt, bei der nicht nur Werke Münchner Künstler, sondern auch etliche Bilder französischer, belgischer und holländischer Maler gezeigt wurden.10 Die Auswahl der Werke war keineswegs von den hohen Zielen der Akademie und der von ihr favorisierten Historienmalerei bestimmt, sondern ein Querschnitt durch die aktuelle Kunstproduktion mit zahlreichen Landschaftsund Genrebildern. Zu den auffallendsten Gemälden gehörte die Darstellung eines wohltätigen Mönchs des belgischen Malers Louis Gallait, das Ludwig I. der Ausstellung geliehen hatte (Farbabb. 3). Gallait gehörte zu den Begründern der realistischen belgischen Historienmalerei, die um die Mitte der 1840er Jahre europaweit Aufsehen erregte.11 Zugleich war er einer jener Künstler, deren Werke Julie Hagen besonders bewunderte. Von ihrer Reise in das Rheinland, nach Antwerpen, Brüssel und Paris im September 1849 blieben ihr allein der Kölner Dom und Gallaits Gemälde der Abdankung Kaiser Karls V. in Brüssel »unvergesslich«.12 Neben den temporären Ausstellungen im Kunstverein und im Kunstausstellungsgebäude waren es aber auch die Sammlungen zeitgenössischer Malerei in München, die Anregungen und Orientierung für angehende Künstler wie Julie Hagen boten. Es waren vor allem drei private Sammlungen, die von herausragender Bedeutung waren und die Julie Hagen wiederholt aufsuchte  : die Sammlung der Freiherren von Lotzbeck, die Sammlung Leuchtenberg und nicht zuletzt die Sammlung Ludwigs I., die vor der Eröffnung der Neuen Pinakothek im Jahr 1853 großenteils in Schloss Schleißheim ausgestellt war.

9 Vgl. Langenstein, 1983. 10 Verzeichniß der Werke lebender Künstler, welche in dem k. Kunst- und Industrie-Ausstellungsgebäude vom 25. August an öffentlich ausgestellt sind, München 1848 (XII. Kunstausstellung der königlich bayerischen Akademie der bildenden Künste). 11 Rainer Schoch, Die »belgischen Bilder«. Zu einem Prinzipienstreit der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts, in  : Streit um Bilder. Von Byzanz bis Duchamp, hrsg. von Karl Möseneder, Berlin 1997, S. 161–179. 12 Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 24. September 1849, Zusatz vom 26. September 1849.

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Die aus Baden stammende Familie Lotzbeck war durch die Verarbeitung und Vermarktung von Tabak zu Wohlstand gelangt und betrieb mehrere Manufakturen, unter anderem in Augsburg. 1815 wurde sie in den bayerischen Freiherrenstand erhoben. In den 1830er Jahren begann Carl von Lotzbeck, eine Sammlung Münchner Malerei aufzubauen, in die einige bereits zuvor in Karlsruhe erworbene Gemälde eingingen. Beträchtlich erweitert wurde die Sammlung durch seinen Sohn Alfred, der in den 1840er Jahren Gemälde und Skulpturen in Rom und Paris erwarb. Damit erhielt sie eine internationale Ausrichtung und umfasste klassizistische Skulpturen aus den römischen Ateliers von Thorvaldsen und Thorvaldsen-Schülern, Landschafts- und Genrebilder von in Rom tätigen Künstlern wie Franz Ludwig Catel und August Riedel, aber auch Werke von damals aktuellen französischen Malern wie Paul Delaroche, Ary Scheffer, Horace Vernet und Jean-Louis-Ernest Meissonier.13 Zunächst war die Sammlung im Pallavicinischen Palais an der Brienner Straße in München untergebracht, das 1828 von Jean-Baptiste Métivier errichtet worden war, in den 1930er Jahren von Paul Ludwig Troost für die Reichsleitung der NSDAP umgebaut wurde und als »Braunes Haus« ein unrühmliches Ende fand. Nachdem die Familie Lotzbeck das zwischen München und Augsburg gelegene Schloss Weyhern bei Egenhofen bezogen hatte, wurde die Sammlung dorthin überführt und das barocke Schloss bis 1848 zu diesem Zweck umgebaut.14 Julie Hagen pilgerte zwei Mal nach Weyhern, um die Sammlung zu besichtigen. Mehr als in anderen Münchner Sammlungen waren hier Werke der modernen französischen oder französisch beeinflussten romantischen Historien- und Genremalerei zu sehen, für die die junge Malerin besonders empfänglich war. In Weyhern bewunderte sie zwei große Gemälde von Ary Scheffer mit Darstellungen aus Goethes Faust  : Faust und Margarete im Garten (Farbabb. 4)15 und Margarethe erscheint Faust während der Walpurgisnacht. Der aus Holland stammende, in Paris ausgebildete und tätige Künstler hatte sich einen Namen mit sentimentalen Darstellungen von Stoffen aus Literatur und Geschichte gemacht. Mehr noch als von den Gemälden Scheffers und anderer war Julie Hagen von August Riedels Sakuntala beeindruckt (Farbabb. 5). Nach ihrem Besuch in Weyhern im Mai 1850 äußerte sie sich geradezu enthusiastisch über dieses Bild, »das herrlichste Werk,

13 Einen Überblick über die Sammlung und einen knappen Abriss der Sammlungsgeschichte bietet der Katalog der Freiherrlich von Lotzbeckschen Sammlung von Skulpturen und Gemälden, München 1927. 14 Michael Böhmer, Schloß Weyhern bei Egenhofen und seine Neugestaltung unter den Freiherren von Lotzbeck (1826–1848), in  : Amperland 25, 1989, S. 216–222. 15 Zuletzt zu sehen in der Ausstellung Du bist Faust. Goethes Drama in der Kunst, hrsg. von Roger Diederen, Thorsten Valk, Ausst.-Kat. (Kunsthalle, München), München 2018, S. 164, Nr. 71.

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was ich noch je sah«.16 Riedels Gemälde hatte nach seiner Vollendung in Rom 1841 und seiner ersten Ausstellung in München 1842 eine erstaunliche Popularität erlangt und war das bekannteste Bild der Sammlung Lotzbeck. Zeitgenossen rühmten die effektvolle Beleuchtung und Farbigkeit, die von Künstlern wie Peter Cornelius und Moritz von Schwind als theatralisch kritisiert wurden. Männliche Blicke werden auch die erotische Ausstrahlung des Bildes geschätzt haben mit der jungen Frau, die sich dem Betrachter mit unverhülltem Oberkörper in frontaler Ansicht darbietet. Das Motiv hatte Riedel einem indischen Epos aus dem 5. Jahrhundert entnommen. Sakuntala ist die schöne Pflegetochter des Einsiedlers Kanva, in die sich König Dushyanta verliebt. Er schenkt ihr einen Ring, den sie aber beim Baden im Fluss verliert. Mit dem Ring verliert der König auch die Erinnerung an sie und erkennt sie nicht wieder, als sie schwanger an seinem Hof Zuflucht sucht. Erst als ein Fischer dem König den Ring bringt, den er im Bauch eines Fisches gefunden hat, kehrt die Erinnerung wieder und er nimmt Sakuntala als Braut am Hof auf. Riedels Gemälde zeigt Sakuntala bei ihrer ersten Begegnung mit dem König Dushyanta im indischen Dschungel. Eine zweite Fassung der Sakuntala malte Riedel für den König von Württemberg. Julie Hagen sah diese im September 1849 auf ihrer Reise nach den Niederlanden und Paris im Schloss Rosenstein bei Stuttgart.17 Jüngere französische Malerei, vor allem aus der Epoche des Klassizismus, war in München in einer weiteren Privatsammlung zu finden, zu der Julie Hagen eine besondere Verbindung hatte  : der Sammlung des Herzogs von Leuchtenberg. Die Bedeutung der Galerie Leuchtenberg lag vor allem in den Gemälden alter Meister, aber sie umfasste auch Bilder neuerer deutscher, französischer und italienischer Künstler.18 Begründet wurde sie durch Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais während seiner Zeit als Vizekönig von Italien. Nach seiner Heirat mit Auguste von Bayern und der Erhebung zum Herzog von Leuchtenberg erweiterte er die Bildersammlung und richtete dafür im Palais Leuchtenberg am Odeonsplatz, das 1817 bis 1821 in seinem Auftrag als erster Großbau Klenzes in München entstand, eigene Säle mit Oberlicht ein.19 Die Galerie war ab 1822 bis 16 Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 21. Mai 1850, Zusatz vom 28. Mai 1850. 17 Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 24. September 1849 mit dem Bericht über die »Rheinreise«, 1. September 1849. 18 Um einen Überblick über die Sammlung zu erhalten, muss man auf die in mehreren Auflagen erschienenen Kataloge und die Stichpublikation des Konservators der Galerie, Johann Nepomuk Muxel zurückgreifen  : [Johann Nepomuk] Muxel, Verzeichniss der Bildergallerie seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Eugen, Herzogs von Leuchtenberg in München, München 1825  ; Passavant, 1851. 19 Reinhard Heydenreuter, Das Palais Leuchtenberg. Vom Adelssitz zum Finanzministerium, München 2003.

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zu ihrer Transferierung nach Sankt Petersburg im Jahr 1853 zu festen Tagen und Zeiten öffentlich zugänglich. Zur Sammlung gehörten bedeutende Gemälde des Empire wie François Gérards Belisarius (1797, Los Angeles, J. Paul Getty Museum Collection) oder Anne-Louis Girodets Apotheose französischer Helden, die während des Freiheitskampfes für das Vaterland starben (1801, Musée national du Château de Malmaison) und auch zwei Bilder von François Fleury-Richard aus Lyon, einem Schüler von Jacques-Louis David und ein früher Vertreter des style troubadour  : Karl VII. schreibt den Abschiedsbrief an Agnès Sorel (1804, Musée national du Château de Malmaison) und Valentine von Mailand betrauert den Tod ihres Gemahls, des Herzogs von Orléans (1802, Sankt Petersburg, Eremitage). Als Untertanin des Zaren hat Julie Hagen das Palais Leuchtenberg wiederholt besucht. Der Vermittlung der Großfürstin Maria Nikolajewna Romanowa, Tochter von Zar Nikolaus I. und Ehefrau von Maximilian de Beauharnais, verdankte sie es schließlich, dass sie mit einem Stipendium nach Rom reisen und ihre Ausbildung bei August Riedel fortsetzen konnte. Während die Sammlungen Lotzbeck und Leuchtenberg später durch Verluste und Verkäufe dezimiert und aus den Augen der Münchner Öffentlichkeit verschwunden sind, ist die dritte bedeutende Sammlung damaliger zeitgenössischer Malerei durch ihre Aufnahme in die 1853 eröffnete Neue Pinakothek bis heute präsent geblieben  : die Sammlung Ludwigs I. mit Werken vornehmlich deutscher, aber auch niederländischer und französischer Malerei des 19. Jahrhunderts. Ludwigs Aktivitäten als Kunstsammler griffen weit aus und konzentrierten sich in der ersten Phase, noch während seiner Kronprinzenzeit, auf die antike Kunst und die frühe italienische Malerei. Nach der Eröffnung der Glyptothek 1830 und der Alten Pinakothek 1836 rückte mehr und mehr die zeitgenössische Malerei in den Fokus seiner Sammeltätigkeit. Bis zur Eröffnung der Neuen Pinakothek 1853 erwarb Ludwig rund 300 Werke zeitgenössischer Künstler sowie etliche Skulpturen.20 Die Spanne reichte von den späten Klassizisten wie Angelika Kauffmann, Joseph Anton Koch und Johann Christian Reinhart über die Nazarener Friedrich Overbeck und Wilhelm Schadow, die romantische Landschaftsmalerei Carl Rottmanns bis zu den verschiedenen Spielarten einer historisierenden Genremalerei insbesondere französischer und niederländischer Künstler, die um 1850 in hohem Ansehen stand. Nach der Eröffnung des Museums 1853 setzte Ludwig diese Anstrengungen unvermindert fort und erwarb unter anderen Werke von Carl Theodor von Piloty und Arnold Böcklin, die die jüngsten und modernsten Positionen in der Sammlung markierten. 20 Die Gemälde sind aufgeführt im ersten, nur in einem französischsprachigen Exemplar bekannten Katalog der Neuen Pinakothek  : Catalogue des tableaux de la nouvelle Pinacothèque royale a Munich, München 1853.

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Vor der Eröffnung der Neuen Pinakothek waren die Bilder auf verschiedene Standorte verteilt und hingen teilweise in den privaten Räumen der Residenzen Ludwigs I. Ein Großteil der Sammlung war jedoch auch schon vor 1853 der Öffentlichkeit zugänglich, in der Galerie in Schleißheim. Dort hingen vorwiegend Gemälde der älteren niederländischen und italienischen Malerei aus der königlichen Sammlung, einige Säle jedoch waren den jüngsten Erwerbungen Ludwigs I. vorbehalten.21 Zu diesen gehörte Judith von August Riedel (Farbabb. 6), das Ludwig 1841 von dem in Rom lebenden Künstler erworben hatte.22 Riedels Gemälde zählte auch später in der Neuen Pinakothek zu den berühmtesten Bildern der Sammlung. Es zeigt die stolze und mutige Heldin aus dem Alten Testament, die den assyrischen Feldherrn Holofernes ermordet und damit die Israeliten von der Belagerung durch das Heer König Nebukadnezars befreit. Julie Hagen hatte das Bild im Juli 1848 in Schleißheim gesehen und wandte sich im Mai 1849 an den König mit der Bitte, es kopieren zu dürfen.23 Die Bitte wurde von Ludwig I. abgeschlagen mit dem Argument, das Original würde entwertet, wenn zu viele Kopien davon in den Umlauf kämen.24 Für Julie Hagen war Riedel neben ihrem Lehrer Joseph Bernhardt und ihrem Mentor Johann Moritz Rugendas derjenige Künstler, den sie am meisten bewunderte, und sie strebte nach Rom, um dessen Schülerin zu werden. Dieser Traum ging im September 1851 in Erfüllung. Julie Hagen erkundete in den vier Jahren in München die neuen Museen und Sammlungen und besuchte führende Künstler wie Kaulbach und Rottmann in ihren Ateliers. Schon in den ersten Wochen ihres Aufenthalts besichtigte sie die Fresken von Peter Cornelius in der Glyptothek und von Julius Schnorr von Carolsfeld in der Residenz, ebenso die Alte Pinakothek und die Galerie Leuchtenberg. In ihren Briefen äußert sie sich respektvoll und bewundernd, doch wirklich berührt haben sie nur wenige Werke. In der Alten Pinakothek waren es die Genrebilder von Bartolomé Esteban Murillo, besonders die Trauben- und Melonenesser. Im Vergleich zur Dresdener Galerie, die sie höher schätzte, vermisste sie in München einen Correggio. Von Ludwigs Sammlung an zeitgenössischer Malerei, die sie in Schleißheim betrachtete, war es allein Riedels Judith, die tieferen Eindruck hinterlassen hat. Die späten Landschaften Rottmanns, die sie im Atelier und in Ausstellungen sah, haben sie mit ihrer ins Pathetische gesteigerten Komposition und den Lichteffekten beeindruckt. Vor allem aber schätzte sie jene Werke der neueren Historien- und Genremalerei, die mit sentimentalen Sujets 21 [Johann Michael von] Söltl, Die bildende Kunst in München, München 1842, S. 552–554. 22 Schaper, 1962, hier  : S. 133 f. 23 Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 6. Juli 1848, Zusatz vom 19. Juli 1848  ; Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 10. Mai 1849, Zusatz vom 21. Mai 1849. 24 Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 17. Juni 1849, Zusatz vom 1. Juli 1849.

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und koloristischer Raffinesse an Empfindung und Gefühl des Betrachters appellierten  : Gemälde von Ary Scheffer, Louis Gallait und besonders August Riedel. Diese Künstler standen für eine Richtung, der sie auch in ihrem eigenen künstlerischen Schaffen folgen wollte.

Abb. 4  : Briefseite von Julie Hagen an ihre Eltern aus München vom 18.12.1847, Familienbesitz

DIE BRIEFE Ich lebe jetzt fast ausschließlich mit ­meinen Gedanken nur in meinem Farbentopf …

Editorische Anmerkungen Alle abgedruckten Briefe befinden sich in Privatbesitz, der überwiegende Teil bei den Nachfahren der Künstlerin, einige wenige sind dem Digitalisat des Hagen-Schwarz-Nachlasses Estland entnommen. Das  heißt, die Bearbeitung konnte überwiegend anhand der Originalbriefe vorgenommen werden, nachdem diese in eine chronologische Reihenfolge gebracht waren. Zum Schutz der Originale wurden diese digitalisiert, so dass mit den Digitalkopien gearbeitet werden konnte. Im Folgenden seien kurz die verwendeten Richtlinien zur editorischen Bearbeitung der Briefe Julie Hagens erläutert. Die Transkription erfolgte buchstabengetreu, auf sprachliche Anpassungen beziehungsweise Modernisierungen – auch partiell – wurde aus Gründen der historischen Authentizität verzichtet. Orthografische Eigenheiten und Abweichungen von der heutigen Norm wurden beibehalten, auf Fehler der Schreiberin oder besonders ungewöhnliche Schreibweisen wurde mit [sic] hingewiesen, um sie als original zu kennzeichnen. Desgleichen wurde die Interpunktion der Vorlage übernommen, einzig gelegentlich fehlende, aber für das Textverständnis wichtige Schlusspunkte am Satzende und fehlende Punkte über i, j oder a/ä, o/ö, u/ü wurden sinngemäß und stillschweigend ergänzt. Hieraus folgt auch, dass Groß- und Kleinschreibungen, so wie sie im Original erscheinen, übernommen wurden. In Zweifelsfällen erfolgte die Anpassung an die heutige Rechtschreibung. Die gleiche Vorgehensweise gilt für Getrennt- und Zusammenschreibungen. Insbesondere wurden auch die Schreibweisen von Eigennamen, auch wenn sie im Briefkonvolut für ein und dieselbe Person unterschiedlich erfolgten, übernommen und die korrekten Schreibweisen gegebenenfalls in den Anmerkungen der Herausgeberin wiedergegeben, allerdings nur bei der ersten Nennung des Namens. Hervorhebungen und Unterstreichungen erfolgten ebenfalls wie im Original vorgegeben. Zahlenzeichen wurden vorlagengetreu wiedergegeben (als Beispiel  : 27ter). Durchgestrichene Wörter oder Satzteile wurden, falls lesbar, übernommen und durch [gestr.: Wortlaut] gekennzeichnet. Das doppelte s und das ß wurden, wo sie eindeutig zu unterscheiden waren, wie im Original wiedergegeben, eine Unterscheidung in langes s und rundes s, das in der Kurrentschrift am Wort- oder Silbenende benutzt wird, erfolgte nicht. Verdopplungsstriche über m und n wurden als Doppelbuchstaben ausgeschrieben. Textlücken im Original, d. h. Textauslassungen der Schreiberinnen oder Schreiber, sind als solche gekennzeichnet durch den Hinweis . Einem Wechsel der Schreiberhand geht der Hinweis {Schreiberwechsel} voran oder eine entsprechende Überschrift mit der Angabe des Schreibers, wie sie je-

Editorische Anmerkungen 

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der der Briefe am Beginn enthält. Diese Überschriften enthalten alle bekannten Angaben zum Schreiber und zum Empfänger sowie das Datum und den Ort der Niederschrift. Textverluste oder unleserliche Stellen wurden mit eckigen Klammern und drei Punkten gekennzeichnet […] und gegebenenfalls innerhalb der Klammern partiell lesbarer Text rekonstruiert. Unsichere, aber wahrscheinliche Wörter wurden in folgender Weise abgesetzt  : . Dazu ist anzumerken, dass die Handschrift Julie Hagens in der Regel gut lesbar ist, sie bemühte sich durchweg um eine ordentliche Schrift. Einschränkungen bei der Lesbarkeit sind zumeist im Material begründet, wenn das Papier sehr dünn war, die Tinte durchschlug oder die Malerin (z. B. im Atelier, wo sie ihr Schreibzeug nicht zur Hand hatte) mit dem Bleistift schrieb. Der Erhaltungszustand der Originalbriefe ist durchweg gut. Bei den Briefen, die der Herausgeberin nur als Digitalisat und nicht im Original vorlagen, sind leider zum Teil die Blattränder abgeschnitten, so dass sich hierdurch Textverluste ergeben haben. Abkürzungen im Original sind generell, sofern sie sich auflösen ließen, in folgender Weise gekennzeichnet  : Abk.[ürzung]. Den Freund Moritz Rugendas kürzte die Malerin oft mit »R.« ab, den Lehrer Joseph Bernhardt mit »B.«. Diese Abkürzungen sind nicht aufgelöst, es sei denn, es ist jemand oder etwas anderes gemeint. Von der Regelung ausgenommen sind auch Maß- und Währungsangaben  : In Russland galt die Rubelwährung, unter »R. S.« bzw. »S. R.« sind »Rubel Silber« bzw. »Silberrubel« zu verstehen. In Bayern galt zu damaliger Zeit die Guldenwährung, abgekürzt »fl.« für Gulden und »kr.« für Kreuzer. Allgemein gültige und bekannte Abkürzungen, z. B. für Monatsnamen wurden ebenfalls beibehalten. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und wegen des großen Umfangs des Briefkorpus’ wurden die Zeilenumbrüche und damit die Silbentrennungen des Originals nicht übernommen, daraus folgt, dass die Seitenumbrüche nicht denen der Briefe entsprechen. Die Seitenumbrüche des Originals sind aber, um erkennbar zu bleiben, mit einem senkrechten Strich ( | ) gekennzeichnet. Textfortsetzungen an den Blatträndern wurden nicht gesondert hervorgehoben. Zusätze der Herausgeberin innerhalb der Brieftexte sind in geschweifte Klammern gesetzt  : {Wortlaut}. Alle weiteren Erläuterungen, Ergänzungen und Bemerkungen der Herausgeberin, die dem Verständnis des Inhaltes der Briefe dienen, wurden als Anmerkungen vom Text getrennt und am Seitenende platziert. Die Edition bietet am Ende des Buches ein Personenregister. In dieses wurden die Namen in der heute üblichen Schreibweise aufgenommen, d. h., auch bei unterschiedlichen Schreibweisen in den Briefen wurde nur ein Name, der allgemein gebräuchliche, verzeichnet. Bei Personen, zu denen nichts Näheres ermittelt werden konnte, wurde der Name in der Schreibweise Julie Hagens ins Re-

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Die Briefe

gister übernommen. Lebensdaten und Angaben zum Beruf erscheinen nicht im Personenregister, sondern sind in den Fußnoten der Herausgeberin erläutert. Die Titel von Personen sind im Register nur für gekrönte Häupter angegeben, diese sind unter ihren Vornamen zu finden, zum Beispiel  : Ludwig I., König von Bayern. Alle anderen Personen sind unter den Nachnamen alphabetisch erfasst, bei den Frauen erfolgte die Nennung des Geburtsnamens oder des Ehenamens zuerst, je nachdem, welcher der Namen für Julie Hagen zu dieser Zeit mehr Relevanz hatte. In der Regel und falls bekannt sind die zugehörigen Ehe- oder Geburtsnamen mitgenannt, als Beispiel  : Carus, Agnes, geb. Küster bzw. Carus, Fanny, verh. Mercklin. In Fällen, wo Julie Hagen allgemein von Familien, in der Regel der engsten Freunde, schreibt (zum Beispiel Wachters, Duhmbergs, Girls), sind diese ins Personenverzeichnis auch als Familien aufgenommen worden ohne Nennung eines Familienoberhaupts, in allen Fällen, wo eine Person dieser Familien eindeutig zu identifizieren war, erscheint diese mit ihrem Vornamen. Zu den Datumsangaben sei noch angemerkt, dass Julie Hagen hier nach dem in München gebräuchlichen gregorianischen Kalender datierte, sie ging aber in ihren Erzählungen in der Zeitrechnung gelegentlich über zum julianischen Kalender, der in Russland galt und nach dem die Eltern und Geschwister in Dorpat lebten. Dieser lief dem gregorianischen Kalender zu dieser Zeit zwölf Tage nach. An Textstellen, wo dies zur eindeutigen Unterscheidung der beiden Kalender notwendig ist, wurden dem Datum die entsprechenden Zusätze angefügt, am Beispiel des Geburtsdatums Julie Hagens  : 15.10.1824jul. beziehungsweise 27.10.1824greg. Was das Transkript – bei aller Vorlagentreue – nicht vermag, ist einen Eindruck von der Stofflichkeit der Handschrift, dem Duktus des Schriftbildes, von der Beschaffenheit des Papiers, dem Ton der Tinte, von Unregelmäßigkeiten des Schriftbildes oder Veränderungen desselben im Laufe der Jahre zu geben. Mit anderen Worten  : alle angestrebte Nähe zum Original ersetzt nicht das Original selbst. Ein faksimileartiger Abdruck wäre zwar möglich, doch selbst er käme dem Original nicht gleich. Es fehlt dem Leser also ein Aspekt, der ihm hilft, dem Charakter der Schreiberin Profil zu verleihen. Hier stößt die Edition an ihre Grenze. Die inhaltliche Erschließung ermöglicht es aber im Falle Julie Hagens in hervorragender Weise, sich ihrer Persönlichkeit zu nähern, ihr Temperament zu erfassen, ihre Beweggründe und Emotionen nachzuvollziehen und ihre Eigenheiten als Malerin und als Mensch kennenzulernen.

A. Ankunft und Orientierung September 1847 bis Januar 1848 Julie Hagen beschreibt in den ersten Münchner Briefen ihren Abschied aus Dresden, den ihr die zahlreichen, ihr durch das Kopieren in der Gemäldegalerie bekannt gewordenen Künstlerfreunde bereiteten. Von den dort malenden Frauen hatte sie sich besonders mit der aus Kurland stammenden Helene Köber, verh. Franken (geb. 1825), und der in Erlangen geborenen Caroline Tridon, geb. Sattler (1799–1863), befreundet. Die mütterlichen Verwandten Carl von Paumgarten (geb. 1797), ein zu Vermögen gelangter Bruder der Mutter, seinerzeit »Privatier«, und seine Frau Ottilie, geb. Rehrl (1791–1854), holten sie aus Dresden ab, um die Reise über Nürnberg und Augsburg nach München zu machen. Dort angekommen erkundete Julie Hagen die Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Sammlungen der Alten Pinakothek und des Leuchtenberg’schen Palais’, besuchte die Ausstellungen des Kunstvereins und machte mit in Dresden erhaltenen Empfehlungsschreiben erste Besuche bei den einflussreichen Münchner Familien Thiersch und Ledebour. Letztere entwickelten sich in Julie Hagens Münchner Jahren zu engen und wichtigen Freunden. Außerdem besuchte sie Maler und Bildhauer in ihren Ateliers, darunter Carl Rottmann (1797–1850), Wilhelm von Kaulbach (1805–1874), Ludwig von Schwanthaler (1802–1848), Carl Schorn (1803–1850) und Johann von Halbig (1814–1882). Zum wichtigsten Besuch wurde aber ihr Vorsprechen bei Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872), dem sie als Dresdener Galeriedirektor, für die Erlaubnis dort kopieren zu dürfen, danken wollte. Von ihm erfuhr sie, dass das Kopieren in der Pinakothek nicht möglich sei und »auf der Akademie nicht für Damen gesorgt wäre«. Er empfahl ihr den Porträtisten Joseph Bernhardt (1805–1885), wenn sie sich »nur auf Porträts beschränken wolle«. Bernhardt unterhielt eine Malschule am Maximiliansplatz und soll, so Schnorr, der Einzige gewesen sein, »welcher Damen in sein Attelier aufnimmt.« Nachdem Bernhardt sich vom Talent der jungen Malerin überzeugt hatte, sagte er ihr die Aufnahme in seiner eigentlich schon überfüllten Schule zu, indem er ihr ein Atelier gemeinsam mit der Augsburger Dilettantin Lina List (1829–1911) zuwies. Im Folgenden berichtet sie von den ersten Wochen unter Bernhardts Leitung, mit der sie sehr zufrieden war. Im Januar nahm sie zusätzlich Perspektivunterricht bei dem Architekturmaler Gustav Seeberger (1812–1888), gemeinsam mit Lina List und Hermione Stuntz (1830–1879), zu denen sich etwas später auch der Lehrer Bernhardt hinzu gesellte.

34 | Die Briefe Insgesamt fühlte sich Julie Hagen sowohl in der neuen Ausbildungssituation, die ihr im Gegensatz zu den in Dresden betriebenen Studien einen angeleiteten Unterricht ermöglichte, als auch im Haus und durch die Fürsorge der Verwandten sehr wohl in München. Beabsichtigt war zunächst ein Bleiben bis zum nächsten Frühjahr. Die Dauer der Studienzeit hing von der Bereitschaft des Onkels ab, seine Nichte finanziell zu unterstützen. Weiten Raum nehmen in den Briefen auch die Vorkommnisse am Hof, ins­ besondere die Affäre des Königs mit Lola Montez und ihre Folgen für die politische Stabilität im bayerischen Königreich ein. Die Zustände spitzten sich immer mehr zu. »Die Lola» wurde zum Stadtgespräch und hemmte zunehmend das politische und gesellschaftliche Leben, sei es durch ihre Einmischung bei staatstragenden Personalfragen, ihr exzentrisches Verhalten im Theater und bei anderen öffentlichen Auftritten oder ihr Bemühen in Adelskreise vorzustoßen, die sich ihretwegen immer mehr aus München zurückzogen. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 25.9.1847 München d. 25ten Sept 47

Meine theuren Eltern  ! Heute, am Sonnabend d. 25 ist Euch hoffentlich mein letzter Brief aus Dresden mit der Nachricht meiner schnellen Abreise nach München schon geworden. Jetzt bin ich hier in der reichen herrlich glänzenden Residenz und befinde mich im Anschauen der unendlich großen Pracht in einer merkwürdig freudigen Aufregung  – Bevor ich aber vom Leben oder vom Erleben in München beginne Euch zu erzählen erlaubt Ihr mir daß ich den letzten Abend meines Sein’s in Dresden erwähne. – Kaum hatte ich meinen Brief an Euch auf die Post expediert fand sich eine und die andere von meinen bekannten Damen, besonders von den jungen Künstlerinnen ein mit der frommen Absicht mir packen zu helfen und nochmals Lebewohl zu sagen – gepackt hatte ich bereits Alles bis auf Kleinigkeiten daher wir uns in manche Betrachtung über uns und die vergangene Zeit einließen  ; doch nicht lang währte dieses Alleinsein, bald fanden sich mehrere junge Maler ein denen ich auf der Gallerie nicht Lebewohl gesagt, indem sie nicht dort waren  ; zwei von denen brachten mir Briefe an Künstler in München wohnend, einen an Schnorr, auch ein paar andere Albumblätter zur Erinnerung. – Meine noch feuchten Bilder musste ich noch zu Hüttels1 schaffen daher ich nach 8 Uhr jedem dieser Maler ein Bild gab und sie bat mir sie fort tragen zu helfen, 1 Bei der Familie Hüttel handelt es sich wahrscheinlich um die Familie des Hofkantors Christian August Hüttel (geb. 1789 in Klingenthal), der im Dresdener Adressbuch von 1847 in der »gr. Brüderg. 34 4 Tr« verzeichnet ist (S. 98).

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was sie gern zu thun schienen. Bei Hüttels hielt ich mich gar nicht auf sondern machte den Abschied so kurz, wie möglich und ging nach Hause, besorgte das Nöthige und suchte meine sieben Sachen zusam und so wurde die Uhr allmählich zehn. – Mit einem Mal vernehm ich im Garten unter meinem Fenster einige Stimmen einen Männergesang  ; ich trat ans Fenster, sah hin|unter doch pechschwarze Finsterniß ließ nicht erkennen von wem diese Töne herrührten, ich öffnete das Fenster um zu lauschen – helle heiße Thränen rollten mir über die Wangen, einige Rührung empfand ich über diesen großen Freundschaftsbeweis meiner Kameraden. 3 recht schöne Lieder wurden von einem doppelt besetzten Quartett gesungen – ein Augenblick wusste ich nicht was ich thun sollte ob ich Ihnen danken oder ob ich still schweigen sollte  ; allein als es aus war und ich hörte wie sie sich still entfernen wollten konnte ich nicht anders als ihnen zu rufen daß ich hinunter kommen würde, ich nahm also mein Licht und ging die Treppe wahrhaft tief bewegt hinunter  – die guten Jungen waren mir entgegen gekommen und ich erblickte zu meinem Erstaunen etwa 15 Maler von denen ich noch freundliche Wünsche für meine bevorstehende Reise empfing  – fast bewusstlos hatte ich ihnen meine Hände überlassen welche sie mit Küssen bedeckten und so kehrte ich zurück in meine einsame Stube in der ich noch lang saß ohne mich zu Bette zu legen, ich träumte mit offenen Augen, schlummerte dann nach langer Zeit ein wenig ein wurde aber bald wieder wach, stand um 4 Uhr auf und erwartete den Wagen der mich zur Eisenbahn abholen sollte. Um 5 Uhr kam dieser von Tante und Onkel geschickt und ich verließ Dresden und meine zurückgebliebenen Freunde – Über Leibzig fuhren wir per Dampf nach Reichenbach, über Altenburg in einem Eilwagen durch die Nacht nach Hof von hier aus nach Kulmbach und denn mit der Eisenbahn bis nach Bamberg, hier blieben wir die Nacht, gingen den anderen Morgen Früh aus um das Sehenswertheste zu sehen – das Schönste war der Dom welcher im reinsten gotischen Styl erbaut ist – das Innere der Kirche ist vom jetzigen König resturiert ist aber so prachtvoll und merk|würdig schön, darum merkwürdig daß das Herstellen der Kirche durch aus dem erhabenen, reichen gothischen Styl keinen Schaden gethan – nachdem wir die Kirche verlassen ging Alois Rosner,2 mein liebens2 Alois Anton Rosner (1824–1898) aus Laufen war ein Neffe der Tante Ottilie von Paumgarten, geb. Rehrl. Seine Eltern waren der Laufener Stadtschreiber Franz Xaver Rosner und dessen Frau Anna, geb. Rehrl (eine Schwester Ottilies). Er studierte zu dieser Zeit Medizin in München und wurde 1850 promoviert. Später war er Bezirksarzt in Tegernsee und Augenarzt bei Herzog Carl Theodor in Bayern (1839–1909). Sein Bruder Xaver Rosner war im Justizdienst beschäftigt, er starb vor 1854. Es gab einen dritten Bruder namens Ludwig Rosner (1826–1883), der zunächst »Gold- und Silberarbeiter« in Landshut, später Lehrer in Laufen war. Alois Rosner heiratete vor 1854 Elise von Rothmund, die Tochter des Münchner Augenarztes und Chirurgen Franz Christoph von Rothmund (1801–1891) (frdl. Mitteilung von Thomas Döring, Laufen).

36 | Die Briefe würdiger Vetter zum Erzbischoff Urban,3 ein ziemlich naher Verwandter von ihm und wir wollten uns mittlerweile die Stadt besehen und erfreuten uns einer recht schönen, ganz neuen Häng- oder Kettenbrücke und gingen dann gegen 1 Uhr ins Gasthaus um zu speisen. Nach dem Essen bestiegen wir die Altenburg, das Wetter war zwar schlecht unfreundlich allein die schöne Fernsicht von oben ließ uns das Böse des Wetters vergessen.  – Um 6 Uhr abermals auf die Eisenbahn über Erlangen nach Nürnberg die Nacht hier geschlafen und den andern Morgen Früh ausgegangen  – Nürnberg hat ein noch recht altes Aussehen, ist durchgehend hüglich oder bergig  ; die alte Burg erhebt sich mit ihren Gräben und mächtigen Mauern, welche mit den üppigsten Schlingpflanzen besonders Efeuen, bewachsen hoch über dieselben und bieten manch schönes Bild dem Künstler. Die Aussicht vom Schloß aus ist nicht bedeutend indem die Umgegend flach nur die Stadt lag vor uns ausgebreitet. Albrecht Dyrers Haus sieht man von oben.4 ­Mehrere Kirchen wurden in Augenschein genommen worunter die Lorenzkirche die schönste, ja herrlichste ist  ; in dieser befindet sich das berühmte Sacramentszimmer 64 Fuß hoch aus einem einzigen Stein von dem großen Bildhauer Kraft gehauen.5 – Die Schönheit in Ausführung, der Reichtum, der Geschmack und die Leichtigkeit desselben wird mir nicht möglich zu beschreiben. Dann die Kirche selbst hat die schönsten Wölbungen in denen sich die feinsten und dabei doch großartigsten Säulen verzweigen, die vielen Glasmalereien haben in mir zwar Bewunderung erregt allein mich nicht ent|zückt. – Die übrigen Kirchen waren auch recht schön doch eines näheren Erwähnens, glaube ich unnöthig. All diese katholischen Kirchen sind mit einer Unmasse von Heiligenbildern geschmückt und mitunter recht überladen  ; hier und da fand man ein gutes Bild doch mussten dieselben sehr gesucht werden von Albrecht Dyrer sind nur wenig da.  – Von Nürnberg fuhren wir um 5 Uhr nach Donauwehr durch die Nacht mit einem Eilwagen, und dann mit der Bahn nach Augsburg, kamen im heftigsten Regen an, die Tante und der Onkel besuchten eine bekannte Familie und ließen mich mit dem Vetter durch die Straßen laufen – einige Kirchen, herrliche Brunnen und endlich das prachtvolle Rathhaus ließen wir uns zeigen 3 Bonifaz Kaspar von Urban (1773–1858) wurde auf Wunsch König Ludwigs I. 1842 der dritte Erzbischof von Bamberg, ihm gelang als einfacher Bauernsohn der Aufstieg in dieses Amt. 4 Das Albrecht-Dürer-Haus stammt aus dem Jahr 1420 und liegt in der Nürnberger Altstadt am Tiergärtnertorplatz. Hier wohnte und arbeitete Albrecht Dürer (1471–1528) von 1509 bis zu seinem Tode. 1828 wurde es als erstes deutsches Künstlermuseum geöffnet und gehört heute zum Verbund der Museen der Stadt Nürnberg. 5 Das Sakramentshaus in der St. Lorenzkirche zu Nürnberg ist ein rund 20 m hohes Tabernakel aus Sandstein, geschaffen von 1493 bis 1496 von dem Nürnberger Bildhauer Adam Kraft (um 1455/60–1509).

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welches so großartig ist wie ein recht anständiges Königsschloß. Nachdem wir durch die zwar schönen allein ganz und gar unbelebten Straßen uns umgesehen begaben wir uns zu Mittag in das Haus der bekannten Familie woselbst Tante und Onkel unser harrten um dann gleich nach dem Essen auf die Eisenbahn nach München abzufahren – um 4 Uhr langten wir in München an und fuhren durch die neue prächtige Ludwigsstraße dem Hause des Onkels zu welches ein gar niedliches ist und eine höchst reitzende Lage hat indem es unmittelbar vor dem 3 Stunden langen, sogenannten Englischen Garten liegt.6 Durch das Haus führt ein langer Gang, vermittelst einer Glasthür in ein hübsches Gärtchen das die Größe wie der unsrige in Dorpat hat – dieser strotzt von schönen Blumen Orangen Feigenbäume und Weinstöcken  – ein Springbrunn in der Mitte des Gartens und ein Treibhaus verschönern den Garten. | Den ersten Abend wurde nicht aus dem Hause gegangen sondern mein Koffer ausgepackt und das ganze Haus in allen seinen Theilen besehen und dann noch zwei junge Vetter kennengelernt, Brüder des Alois.  – Tags darauf kam Alois schon früh um mein Führer zu sein. – Bis 9 Uhr führte er mich in den Straßen umher, zeigte mir die großen Bauten des jetzigen Königs die an Größe, Pracht und Geschmack kaum übertroffen werden können, ich habe den König seines Kunstsinnes wegen achten gelernt während das Volk in München über ihn schimpft und ihn verdammt. Er treibt es freilich auch etwas zu arg mit der Lola Montes.7 – Zuerst durchliefen wir die prächtige neue Ludwigstraße, thaten einen Blick in die Universität und die Universitätskirche welche jener vis a vis liegt und von Gärtner8 erbaut worden, das Innere der Kirche ist herrlich ausgestattet. Den Eindruck, den die hochräumigen, von mächtigen Pfeilern getragenen und auf Rundbögen ruhenden Wölbungen machen ist für den Eintretenden, durch die ruhigen Formen und harmonischen Verhältnisse wie durch die Pracht und Fülle der großartigen Schöpfungen der Malerei von Cornelius9 wahrhaft bezaubernd. – Von hier gingen wir hinaus in die Pinakothek oder Galerie, ehe wir aber dahin gelangten, hatte ich noch Vieles zu sehen wie z. B. die Feldherrnhalle die sich am Ende der Ludwigstraße befindet und auch von Gärtner erbaut ist – 6 Das Haus der von Paumgartens befand sich in der Königinstraße 5. 7 Lola Montez (1821–1861), eigentlich Elisabeth Rosanna Gilbert, war die Mätresse des Königs. Diese öffentliche Affäre war einer der Hauptgründe für die spätere Abdankung Ludwigs I. 8 Der in Koblenz geborene Friedrich Wilhelm von Gärtner (1791–1847) gilt neben Leo von Klenze (1784–1864) als bedeutendster Baumeister in München unter Ludwig I. Zu den von ihm entworfenen Bauwerken Münchens gehören die Ludwigskirche, die heutige Bayerische Staatsbibliothek, das Universitätsgebäude, die Feldherrenhalle und das Siegestor. 9 Der Nazarener Peter von Cornelius (1783–1867), den Julie Hagen später in Rom näher kennenlernte, stattete von 1836 bis 1840 die Ludwigskirche mit Fresken aus, darunter das Altarfresko Das Jüngste Gericht.

38 | Die Briefe herrliche Trophäen nach Schwanthalers10 Modellen aus Stein ausgeführt und auf Postamenten stehend bilden die Eckzierden dieser Halle – dann die Reiterbildsäule des Churfürsten Maximilian I. und dann der eherne Obelisk, welcher den gefallenen Bayern im Feldzuge 1812 errichtet ist, die Zeichnung dazu ist von Klenze11 und aus Kanonen gegossen, die Säule ruht auf zwei Marmorfüssen die einen Flächeninhalt von 1444 Quadratfuß einnehmen sollen  : außerdem staunte ich über die Größe und Kraft vieler Statuen, namentlich Brunnen und Häuse{r}n, so wohl Königlichen als auch Privatgebäude, nun endlich kamen wir zur Pinakothek, welche auf einem freien mit Gartenanlagen versehenen Platze gelegen und eine imposante Größe und Schönheit hat. Einen ungemein reichen Anblick gewährt die Vorderfronte auf deren | hohen Gesims gleichsam als Wächter die Bildsäulen der alten Meister stehen. Die großen Marmorstuffen stiegen wir hinauf voll gespannter Erwartung. – Ein kolossaler Mensch der aussah wie der Bruder der beiden, aus Stein gehauenen Löwen, welche von beiden Seiten der Treppe liegen öffnete die aus Erz herrlich gegossene Thür und wir traten in eine mächtige Säulenhalle von woaus eine breite Marmortreppe hinauf in die Galerie führt.  – Es ist ein langer Corridor von Sälen in denen oben das Licht hinein blickt – Unsere Absicht war nur im Fluge wie alles übrige die Galerie zu besuchen damit um 1 Uhr wir zu Mittag zu Hause sein konnten. – Die Galerie ist reich an Gemälden – doch lang nicht so reich wie die in Dresden – Von Murillo und namentlich Rubens kann München zwar pralen, allein von den übrigen Meistern wie z. B. Tizian, Paul Verones, Corredjio u. s. w. sind nur wenig Sachen hier während in Dresden die meisten und schönsten Sachen vorhanden sind  ; die niederländische Schule ist hier ganz schwach besetzt. Im Murilloschen Saal war ich ganz und gar entzückt über des Meisters herrlichen kleinen Obstfresser und die beiden Knaben welche sich das Geld in die Hand zählen, Dresden glaubt das Original zu besitzen was eben nicht der Fall ist. – Die Galerie war nur wenig von Fremden besucht – unter diesen Wenigen befand sich ein Mann der ein 10 Ludwig Michael von Schwanthaler (1802–1848) war der erfolgreichste Münchner Bildhauer unter König Ludwig und gilt als Hauptmeister der klassizistischen Plastik in Süddeutschland. Als sein bedeutendstes Werk gilt die Bavaria, die nach seinem Tod 1850 mit einem Festakt errichtet wurde, bei dem auch Julie Hagen anwesend war. Er entstammte der Bildhauerfamilie Schwanthaler aus Ried im Innkreis im heutigen Oberösterreich. Sein Vater war Franz Jakob Schwanthaler, der Dozent an der Akademie der bildenden Künste München war. Schwanthalers Arbeiten wurden durch Ludwig I. stark gefördert, so verbrachte er mehrere Studienjahre in Rom (1826–1827 und 1832–1834), für die der König die nötigen finanziellen Mittel bereitstellte. 11 Leo von Klenze war Hofarchitekt König Ludwigs I. und maßgeblich an zahlreichen Bauten der Epoche in München beteiligt, darunter die Alte Pinakothek. Zar Nikolaus I. beauftragte Klenze mit dem Bau der Eremitage in St. Petersburg, die ab 1839 errichtet wurde. Klenze war auch als Maler tätig.

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sehr bleiches oder vielmehr gelbes behaartes Gesicht trug  ; diesen beachtete ich anfangs gar nicht, allein Alois sucht ein Bild, auf welches er mich besonders aufmerksam machen wollte, konnte es im Augenblick nicht gleich finden und dieser Fremde war ihm im Auffinden desselben behilflich  ; in seiner Stimme lag etwas, das mir sagte Du musst den Menschen kennen nur wußte ich nicht wo ihn gesehen haben – ich sah ihn an und immer wieder an und immer blieb er mir fremd  ; endlich fasste ich Muth doch mit klopfendem Herzen fragte ich ihn, ob ich ihm nicht bekannt sey  ? Er etwas verlegen, zog den Hut und sah mich fragend an, ich erkannte ihn in diesem Moment da er ohne Hut vor mir stand und nannte den Namen  : | Doktor Erdmann,12 doch er schien mich noch nicht zu erkennen daher ich ihm auch meinen werthen Namen nennen musste, ich glaube er hat mich nicht erkennen wollen, mir im Ganzen gleich viel nur so viel ist gewiß daß die Begrüßung von meiner Seite eine freudigere war als von der Seinigen. Er sieht ehlend aus, gelb und traurig dabei so wortkarg daß ich ihn melancholisch nennen dürfte. Von hier eilten wir in die Galerie des Herzog Leuchtenberg13 welche nur am Donnerstag zu sehen ist, diese ist klein aber sehr schön – Nach Tische ging ich mit den beiden ältesten Vettern Alois und Xafer letzterer Justizministerialsecretär in den Englischen Garten spazieren und dann in die Arkaden, welche durch die Anlage und künstlerischen Verzierungen eine der herrlichsten Spaziergänge, namentlich bei Regenwetter, bilden  – die Wände sind mit Fres­ cenmalereien, Begebenheiten aus der bayrischen Geschichte und italienischen Landschaften darstellend geschmückt, der Hofgarten mit vielen Springbrunnen befindet sich unmittelbar vor den Arkaden in welchem jeden Tag um 12 Uhr Melitärmusik ist, – nach dem dieses abgethan war musste der Onkel mich zu den Tanten14 führen welche erschrecklich weit, etwa eine halbe Stunde von unserer Wohnung entfernt wohnen. Beide sind schon alt, aber noch rüstig, munter und sehr thätig – fürchterlich habe ich weinen müssen als ich die Schwestern meiner 12 Der Arzt Johann Julius Friedrich Erdmann (1809–1858) war ab 1847 Professor und praktischer Arzt in Dorpat. 13 Die Galerie war im Palais Leuchtenberg am Odeonsplatz untergebracht, das von Klenze erbaut worden war. Sie war seit 1837 für das Publikum geöffnet und galt als eine der wichtigsten Privatsammlungen der Zeit. Die Sammlung wurde ab 1825 in mehreren Sprachen katalogisiert und war daher weithin bekannt. Vgl. Johann N. Muxel  ; Verzeichniss der Bildergallerie seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Eugen, Herzogs von Leuchtenberg in München, München 1825  ; Passavant, 1851 und https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Leuchtenberg_Gallery&oldid=808164721 (aufgerufen am 16.8.2018), mit einer vollständigen Liste des Katalogs von 1852, dem Todesjahr Maximilian de Beauharnais’. Im selben Jahr schloss die Galerie, das Palais wurde an Prinz Luitpold verkauft. Heute beherbergt es das bayerische Finanzministerium. 14 Zwei unverheiratete Schwestern der Mutter, Maria Anna (geb. 1790) und Cecilie von Paumgarten (weitere Lebensdaten nicht bekannt) lebten in der Fraunhoferstraße, etwa 2,5 km von der Königinstraße entfernt (vgl. Adressbuch von München, 1850, S. 206).

40 | Die Briefe innig geliebten herrlichen Mutter sah  ; aber so sehr daß ich mich kaum wieder beruhigen konnte  – Beide Schwestern namentlich die Ältere, ich glaube Anna heißt sie sehen Dir meine liebe Mutter bis zur Hälfte der Nase d. h. der obere Theil des Gesichts so ähnlich daß ich glaubte Dich wieder zu haben (vgl. Abb. 3). Das Glück das ich empfand war zu groß zu viel als daß ich anderes als Thränen inniger Rührung weinen konnte. Die Tanten haben ein ziemlich geräumiges Quartier von dem sie selbst nur zwei ganz kleine Stuben bewohnen und die übrigen Zimmer vermiethen. Lang verweilte ich nicht bei Ihnen da Onkel vor dem völligen Dunkelwerden zu Hause sein musste  ; so bald | wie möglich lasse ich mich wieder hin führen und werde dann mehr von ihnen erzählen können. Tags darauf besuchte ich die Glyptothek, dieses Gebäude stattlich ausgestattet befindet sich unweit der Pinakothek mitten in der Umgebung eines Parks und ist zur Aufbewahrung antiker Bildhauerwerke bestimmt. Das Äußere dieses Gebäudes ähnelt dem der Pinakothek doch das Innere übertrifft jenes sehr – Durch eine ebenfalls in Erz gegossene hohe Thür tritt man in den von Marmor getäfelten mit köstlichen Marmorsäulen versehenen Vorsaal und dann erst in die um das ganze Gebäude sich hinziehende theils durch Kuppellicht, theils durch Fenstern vom Hof aus erleuchteten Säle, (die Säle ziehen sich nämlich um das ganze Gebäude hin so daß in der Mitte ein Hofraum, wie eine Burg sich befindet). Die Decken, Wände und Fußböden bestehen aus farbigem Marmor und sind mit herrlichen Reliefs verziehrt. In dieser reichen Sammlung hat mich wahrhaft der Schlafende entzückt, Satyr aus Rom, der jetzige König Ludwig hat ihn mit schwerem Golde gekauft, allein das Volk hat diese, ihre herrlichste, vollkommenste Statue nicht hergeben wollen und so ist sie endlich bei Nacht und Nebel gleichsam den Römern entführt und ist eine himmlische Ziehrde dieser sehr schönen und großen Sammlung. In den Mitten dieser Reihe von Sälen befinden sich 3 Säle in denen keine Antiken sich befinden und sollen zur Erholung bei der Wanderung der Glyptothek dienen, sie sind an Decken d. h. Kuppeln und Wänden mit Freskomalereien geschmückt, die nach Zeichnungen von Cornelius, theils von ihm selbst, theils von Zimmermann und Schlotthauer15 ausgeführt und die ganze Göttergeschichte der Griechen darstellen daher der Name Göttersäle  ;  – Nachdem dieses gesehen gingen wir hinaus in die Erzgießerei um die 54 Fuß hohe Bildsäule der Bavaria welche in Erz gegossen ist zu sehen – neben sich hat 15 Die Maler Joseph Schlotthauer (1789–1869) und Clemens von Zimmermann (1788–1869) assistierten Peter von Cornelius bei der Ausführung der Fresken für die Glyptothek. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fresken zerstört und nicht wieder hergestellt. Die Kartons zu den Fresken von Cornelius befinden sich in der Alten Nationalgalerie Berlin (ab 1819 entstanden, Inv.-Nrn.: AI 114–158, Kohle auf Papier, auf Leinwand kaschiert). Sie stellen keine Entwürfe dar, sondern Werkzeichnungen für die schnelle Umsetzung ins Fresko.

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sie | einen Löwen liegen und soll die Ruhmeshalle, welche auf einer Anhöhe unweit der Stadt erbaut ist ziehren.16 Man kann sich durchaus keinen Begriff von der Größe dieser Figur machen wenn man sie nicht gesehen  – Im Kopf allein können nicht weniger als 26 Menschen bequem Platz finden  – meine beiden Hände konnten nicht einen Nagel ihrer Zeh am Fuße bedecken  ; Außerdem ist ein Triumphwagen in Arbeit welcher dem in Berlin auf dem Brandenburger Thor ähnlich sieht allein mit dem Unterschied daß hier statt der 4 Pferde 4 Löwen den Wagen ziehen und darum meint man, daß es noch großartiger werden möchte als jenes. – Nachtische wurde in die Residenz gegangen, die Herrlichkeiten, die dort zu sehen sind wird mir nicht möglich zu beschreiben  ; erstens weil alles nur im Fluge besehen werden konnte um fertig in ein Paar Stunden zu werden und zweitens fehlen mir Worte um Alles Euch recht anschaulich werden zu lassen ich bin leider etwas wortarm nur soviel daß eine Unzahl Freskengemälde neben der goldenen Pracht in allen Gemächern eine große Ziehrde ist unter diesen zählen sich die Nibelungen Säle von Schnorr.17 – Eine grüne Vase (ich weiß nicht gleich wie der Stein heißt) ein Geschenk vom Kaiser von Russland machte mir vielen Spaß seines winzigen Aussehens wegen. – Der Tag wurde beschlossen indem wir noch einige Kirchen besahen wie z. B. die Frauenkirche und die neue Annakirche die sich in der gothischen Bauart und der ganz ausgezeichneten Glasmalereien auszeichnet. – Mein Vetter und Führer reiste selbigen Abend noch zu seinen Eltern nach Laufen im Salzburgischen um den Rest seiner Ferien dort zu zubringen und somit trat eine etwas stillere Zeit für mich ein. – Am Sonnabend begleitete ich die Tante auf den Markt und hätte beinahe Grobheiten | von den Bäuerinnen hören können da ich mich unterstand sie recht sehr durch die Lornniette {Lorgnette} zu besehen und wohl mit unter gelächelt über die verschiedenartigsten und drolligsten Trachten mag haben noch mehr reitzte mich zur Belustigung die lächerliche Aussprache des Landvolks – Das O spielt hier eine bedeutend große Rolle indem diesem Vokale das Recht ertheilt ist allen anderen den Hals umzudrehen. Sonst finde ich den Dialekt, der Dir gute Mutter doch eigen ist ganz wieder. Nachtische führte der Onkel mich in die Basilika, welche zwar noch nicht vollendet ist die Pracht kann man schon bewundern, die Kirche zerfällt durch 4 Reihen Marmor16 Inspektor der Königlichen Erzgießerei war Ferdinand von Miller (1813–1887), die von Ludwig Schwanthaler entworfene Bavaria, weibliche Symbolgestalt für das Staatsgefüge Bayern, war seinerzeit wohl größtenteils schon fertiggestellt  ; sie wurde am 9. Oktober 1850 auf der Theresienwiese enthüllt. 17 Julius Schnorr von Carolsfeld war ein bedeutender Vertreter der nazarenischen Richtung. Seit 1846 war er Professor der Dresdener Akademie sowie Direktor der Gemäldegalerie in Dresden. König Ludwig I. hatte ihn u. a. beauftragt, mehrere Säle der Münchner Residenz mit Szenen aus dem Nibelungenlied auszuschmücken, die erst 1867 vollendet wurden.

42 | Die Briefe säulen in ein Mittel und zwei Seitenschiffe, – die Zahl der alleinstehenden Säulen beträgt sich auf 74 – alle Marmorflächen sind mit Freskomalereien bedeckt die nach Hess’s18 Anordnung und Leitung ausgeführt sind. – Am Sonntag früh machte ich mich auf den Weg um meine Briefe aus Dresden abzugeben. Der erste Gang zu Schnorr um ihm erstens den Brief zu bringen und zweitens ihm zu danken für die Erlaubnis auf der Galerie zu Dresden malen zu dürfen fand ihn aber nicht. Darauf zur Hofräthin von Tirsch19 welche den Brief ihrer Schwester der alten Zeus Julchen Herrmanns Schwiegermutter verwundert und kaum wissend wer die Zeus sey auf nahm – Von hier aus einen Lithographen Wiedenbauer20 auf gesucht, und dann in eine katholische Kirche wo die Leute nach der Glocke beteten, ich hatte beim Eintreten ein Vaterunser auf den Knien mir leise hergesagt und in dem selben Gebete für Euch, für Euer Wohl und Heil zum Vater im Himmel gesandt und dann später in ein Gebethbuch lesend ruhig gesessen während die sämmtlichen Leute nur achtend auf den Glockenzug sich nieder knieten und sich kreuzigten. – Ich werde Aufsehen erregt haben durch mein ruhiges Sitzen | bleiben allein ich konnte es unmöglich thun da ich nicht wußte was das Schellen bedeutet, ich hätte mich selbst einen Affen schelten müssen nachdem wir aus der Kirche gekommen gingen wir noch in den Kunstverein und somit war der Vormittag vorüber – Nachtisch regnete es stark und ich konnte nicht ausgehen  – So vergeht ein Tag wie der andere, ich gehe viel trotz des sehr schlechten Wetters und sehe viel, was sich aber sehr bunt in meinem Kopfe wirrt da ich mich noch gar nicht orientieren kann. Gestern um 7 Uhr morgens ging ich schon zu Schnorr um ihn noch zu Hause zu treffen, welcher äußerst freundlich mich empfing und die Absicht gehabt hatte mich auf 18 Der in Düsseldorf gebürtige Maler Heinrich Maria von Hess (1798–1863), der Bruder des Malers Peter von Hess (1792–1871), war vorwiegend in München tätig, wo er zahlreiche öffentliche Aufträge für Ludwig I. ausführte. Von 1841 bis 1843 war er in St. Petersburg ansässig, um dort das berühmte Buntglasfenster Auferstandener Christus für die Isaakskathedrale auszuführen. Er mag daher dem Vater August Matthias Hagen persönlich bekannt gewesen sein. 19 Amalie von Thiersch, geb. Löffler (1794–1878), Ehefrau des bedeutenden Philologen Friedrich Wilhelm von Thiersch (1784–1860), der auch als »Vater der humanistischen Bildung« in Bayern bezeichnet wird. Er wurde von Ludwig I. mit der Umgestaltung des höheren Bildungswesens beauftragt und legte das Gewicht auf die alten Sprachen. Die Familie von Thiersch gehörte lange zu dem engeren Freundeskreis Julie Hagens in München. Amalie von Thiersch war ebenfalls Malerin und Zeichnerin und zeitweilig in Gotha Schülerin bei Louise Seidler (1786–1866) gewesen. Im Haus der Familie Herrmann lebte Julie Hagen in Dresden in den Jahren 1846/47. Der aus Kämmerswalde stammende Karl Theodor Herrmann (geb. 1773) ging als junger Hauslehrer nach Livland und war später Oberlehrer in Dorpat, seine Frau Katharina Elisabeth Herrmann, geb. Zimmermann (geb. 1783) stammte aus Lemsal/Livland. 20 Der Zeichner und Lithograf Georg Widenbauer (um 1810–1857) war in München ca. ab 1825 bis zu seinem Tode tätig (vgl. Thieme/Becker, 1992, Bd. 35/36, S. 517).

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zu suchen und darum seinem Sohne aufgetragen hatte sich meine Adresse auszubitten im Falle ich ihn wieder nicht treffen sollte. – Er war wirklich überaus gütig und sagte mir daß er mich gewiß noch besuchen würde, außerdem daß auf der Akademie nicht für Damen gesorgt wäre und ebenso die Gallerie nicht benutzt werden könne indem im Malersaal nur 4 Fenstern seyen und dieselben den Lithographen eingeräumt seyen. Den Dank den ich ihm sagte betreff der Galerie zu Dresden nahm er nicht an sondern meinte daß ich Gelegenheit finden werde ihm später zu danken da er das Copieren sehr einschränken wolle indem es sehr missbraucht werde und ich vielleicht zu den Wenigen gehören möchte die die Erlaubniß erlangen werden. Außerdem bat ich ihn mir einen Lehrer vorzuschlagen und da meinte er, wenn ich mich nur auf Porträts beschränken wolle daß Bernhardt21 derjenige wäre wo man was lernen könne und er zugleich der Einzige sey welcher Damen in sein Attelier aufnimmt. Beim Fortgehen sagte er mir, daß er mir gern mit seinem Rath beistehen wolle wenn ich eines Rathes bedürfe. Beglückt und froh ging ich fort, begleitete den Onkel zu einigen Gärtnern | um die Zeit bis 9 Uhr zu verthun um dann in die Pinakothek woselbst ich mich bis 12 Uhr aufhielt. Nachtisch ging ich mit der Tante umher um 6 schickte sie mich ins Theater um das Schauspiel Don Cäsar von Bajano zu sehen. – Das Spiel ist schlecht hier, die Leute schreien sich bald das Herz aus dem Leibe und doch bleibt ihr Spiel hölzern, so ganz ohne Natur – Eine Dame, meine Nachbarin war hingerissen war entzückt über das gute Spiel und fragte ob ich’s nicht auch ganz herrlich fände, allein ich konnte nur das Gegentheil finden und sagen was ihr unbegreiflich schien und meinte, ich würde anderer Meinung am Ende des Stückes sein doch ich blieb auch da derselben und konnte auf das wiederholte Fragen der Dame nichts anderes antworten daß das Spiel schlecht sey und glaubte daß ihr’s einleuchtend sein möchte wenn ich ihr sage daß wenn man zwei Devrient’s22 gesehen nicht so leicht wieder befriedigt werden kann. Allein sie so entrüstet verfärbte sich dunkelroth und ging fort ohne mir eine gute Nacht zu wünschen. Das Theater selbst ist sonst groß, wol noch einmal so groß wie das in Dresden. Lola Montes, jetzige Gräfin von Landsfeld, saß in einer der ersten Logen. Diese ist das Tagesgespräch von ganz München  ; ich die sie noch nicht gesehen lornniettirte oft herunter um ihre gepriesene Schönheit zu prüfen doch wusste ich nicht daß niemand es wagen dürfe sie anzusehen und wurde daher von mei21 Joseph Bernhardt unterhielt in München eine Malschule am Maximiliansplatz, in der zwischen ca. 1837 und 1860 laufend etwa 20 Schüler unterrichtet wurden. Zu dieser Malschule ist bisher leider nur wenig bekannt. Zu Bernhardt vgl.: Oberpfalz, 1935 und Oberpfalz, 1956  ; Nerlich/ Savoy, 2013, S. 23 f  ; Ludwig, 1981, Bd. 1, S. 90–92. 22 Vermutlich die Brüder Gustav Emil (1803–1872) und Eduard Devrient (1801–1877), die 1846/47 beide Schauspieler am Dresdener Hoftheater waren.

44 | Die Briefe nen Nachbarinnen darauf aufmerksam gemacht. – Ein Herr aus der neben stehenden Loge hatte durch ein Opernglas zu ihr hinunter gesehen und mit einem Mal sehen wir sie ihre beiden Hände ballen und in unsere Loge drohend erheben und laut schimpfen. Der Unglückliche oder Neugierige wird nun wahrscheinlich seines Amtes entsetzt welches Loos schon viele ehrenvolle Männer erfahren haben. Diese Geschichten | die man sich von ihr und dem König erzählt gehen ins Fabelhafte. – Was mich betrifft finde ich mich bis jetzt im Hause des Onkels und der Tante recht sehr wohl, sie beide sind so gut und freundlich gegen mich daß ich wohl sagen kann ich befinde mich im Schoos Abrahams, die Tante (Abb.  5) sorgt für mich wie für eine Tochter, so habe ich in dieser kurzen Zeit, wollenes Zeug zu einem warmen Winterkleide, einen wattierten Rock eine Schürze und einen blau seidenen Mantel mit weißem Atlas gefüttert bekommen diesen hat sie zwar schon getragen allein er sieht noch so gut und schön aus als wäre er vom Schneider gekommen. Außerdem füttert sie mich nach Möglichkeit mit Obst und sehr guten Bayrischen Speisen  – die sogenannten Dampfnudeln sind ganz prächtig überhaupt versteht die Tante ausgezeichnet zu kochen und ist so fleißig und rasch daß ich oft an Dich meine gute Mutter d. h. an Deinen Fleiß erinnert werde, ihrer Äußerungen nach werde ich im Winter wohl hier bleiben und dann wahrscheinlich mit Sivers23 die Reise zu Euch zurück machen  ; ich studiere täglich das Fremdenblatt da ich hoffe daß Sivers bald kommen wird wenn er nicht schon da gewesen ist, ich würde mich unendlich freuen wenn er mich noch treffen würde der gute Mensch. – d  : letzten Sept 47. Gestern Nachtisch war ich mit Tante bei Herrn Maler Bernhart, welcher, nachdem der junge Lithograph Wiedenbauer sich bei ihm erkundigt hatte ob er noch für eine Schülerin Platz habe, mich zu sich nebst meinen Arbeiten bestellt hatte, er hatte nämlich dem Wiedenbauer es rund abgeschlagen mich zu nehmen da er keinen Platz mehr habe kurz dieser hat sehr zu meinen Gunsten | gesprochen worauf er dann von der Möglichkeit gesprochen habe vielleicht mit einer Fräulein Litzt24 in einem Attilier Platz zu finden und gesagt er müsste erst zuvor etwas sehen da er durchaus keine talentlosen Schüler nimmt. Also waren wir denn hingegangen – er besah meine mitgebrachten Arbeiten und sagte daß diese Bilder ein großes Talent beurkundeten, ferner ich eine Keckheit im Farbauftragen besäße wie er noch nicht bei einer Dame gefunden 23 Peter Felix von Sivers (1807–1853) war ein baltischer Maler und Bekannter des Vaters, der mit Julie Hagen zugleich in Dresden weilte. 24 Die Augsburgerin Lina List (1829–1911) war als Dilettantin tätig. Sie war die Tochter des Ökonomen Friedrich List (1789–1846) und heiratete 1855 den Genremaler August Hövemeyer (1824– 1878), nach ihrer Heirat arbeitete sie vermutlich nicht mehr künstlerisch.

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Abb. 5  : Julie Hagen und ihre Tante Ottilie von Paumgarten, um 1850, Fotografie, Privatbesitz

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46 | Die Briefe und erkundigte sich genau wie lang ich nach der Natur gearbeitet habe, ich gestand daß es da noch recht sehr schlecht ginge u. s. w. Kurz er sagte mir daß er mit der Fräulein Lizt (ausgesprochen List) sprechen wolle was aber erst in 8 Tagen geschehen kann und wenn es nicht gehen sollte so könne ich zu Hause arbeiten bis Anfang December dann würde ein Attilier bei ihm frei und ich könne als dann eintreten, nämlich jeder seiner Schüler hat sein apartes Attilier – Bis dahin wolle er ein Paar Mal Wöchentlich zu mir kommen. Tante hat mir eine Staffelei machen lassen und sorgt in jeder Beziehung für mein Wohlbefinden. Heute habe ich auch schon begonnen zu arbeiten um nicht mehr Zeit noch zu verlieren, Gott gebe nur daß ich weiter kommen möchte um Euch ein wenig Freude zu machen, Euch einigen Trost für die vielen Sorgen und Leiden zu schaffen die Ihr durch’s Leben tragt. – Heute will die Tante mich durchaus wieder ins Theater schicken allein ich sträube mich dagegen indem sie sich des einzigen Vergnügens welches sie sich macht beraubt, sie ist näm|lich abonirt. – Vorgestern habe ich die Auffahrt der Ständeversamlung in die Hofkirche zu St. Michael von einem Hause aus mit angesehen wohin Vetter Xafer Rosner mich führte, die Feierlichkeit hat mir schon gefallen der goldene Königswagen nebst Gefolge. Darauf um 1 Uhr konnte ich der Ständeversammlung, durch ein Billiet welches ebenfalls der Vetter mir besorgte bei wohnen nämlich von der Galerie aus hinunter schauen. – Die Lola Montes hat nämlich bewirkt daß alle Minister abgesetzt werden und nun lauter neue Minister an deren Stelle gewählt sind. Ihr könnt Euch nicht denken welchen Spektakel dieser schrecklichen Person wegen ist, fast hört man nichts anderes reden als immer neue Auflagen von sauberen Geschichten die sie und der Herr König aus gehen hat lassen – welches Ende dies nehmen wird weiß Gott. Man ist aufs höchste gespannt wie es in diesem Winter mit dem Adel werden wird da die Lola in den Adelsstand erhoben ist also werden sie sie zu ihren Gesellschaften ziehen müssen was sie aber auf keinen Fall thuen wollen. d  : 2ten Oct. 47 Ins Theater bin ich gegangen und sah das Urbild des Tartüffe. Das Spiel hat mich eben so wenig wie neulich entzückt. – Das Wetter ist grund garstig immer nur Regen und Kälte. – Die reiche Traubenernte die man zu haben hoffte ist nun nicht möglich zu machen da die Trauben nicht reif werden können  – Alles Grün ist gelb geworden, ein früher Herbst. Morgen fängt das Octoberfest an welches auf einer nah gelegenen Wiese gefeiert wird. | Wird das Wetter noch gut so gehe ich hin um die dort statt findenden Vergnügungen des Volkes kennen zu lernen. d  : 6ten October 47. Wieder schon sind einige Tage verflossen und nicht habe ich Euch geschrieben, heute ist’s zwar schon 10 Uhr geworden allein noch recht munter mich fühlend werde ich Euch so lang schreiben bis mich Schlaf an mein Bett mahnen wird. Eben aus dem Theater heimgekehrt bin nicht mehr erbaut wie die beiden vorher gehenden Male, eine höchst einfältige dumme Posse  : Nach

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Mitternacht reitzte das Publikum trotz seiner Gemeinheit zum Lachen hiernach folgte ein Ballet welches mir gefiel und ich behaupten möchte daß dieses hier besser ist als in Dresden. – Heute war die Tante allein zu Bernhardt gegangen um zu erfahren ob ich mit Fräulein Litzt malen könne oder nicht und wie viel er für seinen Unterricht für den Monat verlangt – Das Fräulein ist noch nicht aus Augsburg woselbst sie wohnt gekommen und wie viel er für seine Stunden nimmt kann ich nicht erfahren, die gute Tante sagt es mir auf keinen Fall, da sie wie es mir scheint, die Stunden zu bezahlen wünscht – darum hat sie auch wohl nicht gewollt daß ich mit ihr zu Bernhardt gehen sollte. – Dann hat die Tante mir einen weiß seidenen Winterhut gekauft kurz ich werde recht sehr ausstaffiert und verwöhnt. Ich wage schon jetzt keine Äußerung zu thun, so ist auch der entfernteste Wunsch schon erfüllt. Neulich sprach ich von einem Farbenmesser von Stahl und am selben Vormittag brachte der Onkel mir eins. | Bernhardt hat der Tante versprochen morgen mich zu besuchen um nach meinen Arbeiten zu sehen er thut es sonst nie daß er außer dem Hause Stunden giebt wie er heute der Tante noch gesagt, allein er ist bereit zu mir zu kommen bis bei ihm ein Attilier frei ist. – Sonntag war ich auf die Theresienwiese gegangen um das große Octoberfest mit an zu sehen ein Pferderennen fand statt wobei mir die Unzahl Menschen am meisten Vergnügen machten wol 60 bis 70,000 Menschen auf einem Platz versammelt habe ich noch nie gesehen. Im Übrigen gefällt mir das Dresdner Vogelfest25 besser, mehr Leben, mehr Vielfältigkeit ist jedenfalls in Dresden zu finden. – Noch bin ich nicht schläfrig doch trotz dem fällt mir nichts weiter ein als Euch eine recht gute Nacht zu wünschen. Möchtet Ihr fest träumen wie ich’s in der vergangenen Nacht that, ich war bei Euch und fühlte mich sehr glücklich und wohl in Eurer Nähe – Schlafet wohl, meine theuren Ältern und Geschwister. d  : 8 Oct 47. Sehr aufgeregt und erhitzt über die Freude die ich beim Empfang Eurer Briefe empfand schreibe ich noch ehe ich mich zu Bette lege und sage Euch soweit vor allem meinen kindlich herzlichsten Dank. – Er kam zu gleicher Zeit mit Bernhardt welcher innige Freude über meinen Jubel beim Empfang des lieben Briefes äußerte. Er ließ sich meine Untermalung zeigen, hatte Manches auszusetzen allein sagte am Schluß man sieht aus dieser Arbeit daß sie viel Talent haben sagte aber | ich möge einmal einen Gipskopf malen er wolle nur sehen wie ich das Weiß behandele, er fügte hinzu, daß wenn ich das Weiß in seinen verschiedenen Tönen sehe und richtig wieder gebe ich jede andere Farbe und die Töne am menschlichen Kopfe richtig empfinden werde – er will übermorgen wieder kommen um nach zu sehen Gott gebe nur daß ich was lerne – Bernhardt 25 Gemeint ist die »Dresdner Vogelwiese«, ein Volksfest, das aus dem Pfingstschießen hervorging und seit 1465 in Dresden an verschiedenen Standorten gefeierte wurde.

48 | Die Briefe Abb. 6  : Joseph Bernhardt, um 1850, Kalotypie von Alois Löcherer, Münchner Stadtmuseum

(Abb. 6) hat ungeheure viel Aehnlichkeit von unserem Liebling Auerbach26 – Es thut mir recht leid daß ich dem Herrmann27 nicht behilflich sein kann was seine Lithographien betrifft allein Hanfstengel28 selbst wohnt hier in München und ich werde mich erkundigen, ob er arbeiten nimmt und wie theuer er ist, vielleicht noch morgen d. h. in der Dämmerstunde gehe ich hinaus denn am Tage versäum ich ungern die Zeit wenigstens muß ich sie in Acht nehmen so lang ich Lust und Muth zur Arbeit habe denn Tage und wohl auch Wochen werden bald genug sich finden an denen ich nichts thun werde können, vor über großer 26 Hier ist der liberal denkende Schriftsteller Berthold Auerbach (1812–1882, eigentlich Moses Baruch Auerbacher) gemeint, der mit seinen Anfang der 1840er Jahre erschienenen »Dorfgeschichten« Berühmtheit erlangt hatte und als liberal denkender Schriftsteller eine große Strahlkraft besaß. 27 Hermann Eduard Hartmann (1817–1881) war ein Schüler August Matthias Hagens und ein Freund der Familie Hagen. Er war Zeichenlehrer an verschiedenen Schulen im Baltikum und ließ sich 1845 in Dorpat nieder. Er war als Porträt- und Landschaftsmaler und vor allem als Grafiker tätig (vgl. Abb. 7). 28 Franz Hanfstaengl (1804–1877) war mit seiner 1833 gegründeten lithografischen Anstalt äußerst beliebt und erfolgreich in München, später öffnete er auch ein Fotoatelier. Zahlreiche bekannte Zeitgenossen ließen sich von ihm fotografieren.

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Unlust – ich hoffe daß die Sachen hier gewiß besser unter seiner eignen Leitung gemacht werden als in Dresden, da wie ich höre sein Bruder nur ein Drucker ist. Der Trudel mit Krüdener29 hat mich nicht grade in Verwunderung gesetzt da gleiche Erfahrungen ich mit den beiden Copien in Dresden gemacht. Ich weiß nicht ob ich’s Euch schrieb, wenn nicht so erzähle ich in aller Kürze daß ich für beide Bilder es waren die Pastelbilder für den reichen Herrn von Baykrat 16 Th. verlangte allein mir nur 13 ½ geschickt wurden auf die Bemerkung daß ich’s wohl für | diesen Preis lassen würde, ich hätte dem erbärmlichen Wichten gern das ganze Geld zurück gesandt allein das wäre zu dumm gewesen. Solche Erfahrungen macht man wohl 1000 mal im Leben noch. Die beiden Tanten sind neulich einmal hier gewesen, leider waren wir gerade ausgegangen und morgen gehe ich in der Früh zu ihnen und bringe ihnen irgend etwas zum Kirchweihfeste welches am Sonntage ist, von der Tante wie ich schon öfter gethan, ich habe mich noch nie lang dort aufhalten können da Onkel mich immer hin begleitet hatte und mich auch wieder mit nach Hause nahm, morgen werde ich aber versuchen allein hin zu finden und dann fahre ich fort in meinen Berichten. – Mizes Talent in der Musik erfreut mich unbeschreiblich und ebenso sehr muß ich betrauern daß ich nicht spielen noch singen kann, komme ich zurück nach Dorpat und treffe ich noch Schirren30 und Hartmann an dann werde ich mir mit an hören wie diese guten Jungen unter sich oder mit der Schwester musicieren und mit Traurigkeit werde ich an die schönen d. h. für mich schönen Stunden zurück denken welche sie, mit so vieler Freundlichkeit mir opferten. Grüßet sie beide herzinnig von mir – Wie thut es mir leid das Herr Studzinski nicht früher Lust gehabt unser Haus zu besuchen, warum gönnte er mir nicht auch das Vergnügen seine persönliche Bekanntschaft zu machen  ? – ich gestehe offen daß ich oft gewünscht ihn zu sehen oder besser zu kennen – Was macht der kleine Schwarz  ? Schreibt mir ausführlich über ihn | im Fall er’s nicht selbst durch einige Zeilen übernehmen möchte. Das die Kartoffelernte so erbärmlich schlecht ist betrübt mich gar sehr, wie wirst Du meine innig gute Mutter ohne Kartoffeln auskommen  ? Ich erkläre das für ganz unmöglich wenn ich Euch nur helfen könnte doch das ist noch nicht möglich hoffentlich aber ums Jahr werde ich Euch das Leben etwas erleichtern können wenigstens werde ich thun was in 29 Die von Krüdeners waren in Dorpat ansässig. Was oder wer genau hier gemeint ist, ist nicht bekannt. Der Name »von Baykrat« ließ sich nicht ermitteln. 30 Der Historiker Carl Schirren (1826–1910) war ein enger Freund der Familie Hagen in Dorpat. Er wohnte im Hause der Hagens gemeinsam mit Ludwig Schwarz (1822–1894, vgl. Farbabb. 7) und Paul Philipp Studzinski während seiner Studienzeit. Der aus St. Petersburg stammende Studzinski verstarb bereits 1848 als Student an Tuberkulose.

50 | Die Briefe meinen Kräften steht. – Für die Empfehlungen der Frau v. Medler31 danke ich sehr schön, meine Empfehlung und Dank bitte ich ihr zu sagen. Die Frau Hofrä­ thin Tiersch wird erstaunt sein daß ich immer wieder neue Empfehlungen ihr bringe. – d  : 8ten Sept [sic] 47 Morgen haben wir von 6 bis 9 Uhr eine Sonnenfinsterniß zu erwarten und darum gießt es heute unaufhörlich vom Himmel herunter, das böse Wetter hat kein Aufhören überhaupt zählt dieser Sommer nur wenig recht gute sonnige Tage. Der Gang zu Hanfstengel unterblieb deshalb da der gute Hofrath eine gute Stunde weit von uns wohnt allein hat Herrmann Lust seine Arbeiten her zu schicken so kann er versichert sein daß ich sie gern und sorgsam besorgen will um seine Zufriedenheit mir dadurch zu gewinnen – Herr Wiedenbauer dem ich einen Brief aus Dresden brachte und ihn mit Onkel aufsuchte zeigte mir eine Menge Lithographien von sich die mir wol gefielen und ich wage zu behaupten daß sie, wenn nicht besser so doch eben so gut wie Assmus32 gezeichnet waren. Vielleicht ist dieser billiger als Hanfstengel, erkundigen werde ich mich auf jeden Fall bei einem und dem anderen. – | Heute nach 7 Uhr ging ich mit der Tante auf den Markt und von da zu den lieben Tanten, Deinen Schwestern zum ersten Mal allein – fand die Cezielie in größter Thätigkeit an während Anna auf den Markt gegangen war – die guten Tanten müssen sich gewaltig plagen um durch’s Leben zu kommen manche Verdrießlichkeit machte ihnen das ohne hin sauere Leben noch sauerer, wie z. B. jetzt hat einer ihrer Wirthsleute sie um 70 Gulden geprellt. Der gute Onkel Carl und seine Frau thun viel für sie was sie auch mit dankendem Herzen anerkennen. Eine kleine Pension von 50 Gulden für jede von ihnen und außerdem 30 Gulden aus Passau ist dasjenige worauf sie mit Bestimmtheit jedes Jahr bauen können – Die Tante Elisabeth van Bourg33 in der Schweiz lebt glücklich mit ihrer Familie in Ballstall bei Solothurn woselbst sie eine Weinhandlung haben, die Tante hat außer ihren beiden Stieftöchtern und Sohn, eine Tochter von 21 Jahren und eine von 7 Jahren welches das Nesthäckchen sein soll. Tante und Onkel haben sie vor 2 Jahren besucht. – Der Onkel Ignatz34 hat vor 6 Jahren 31 Minna von Mädler, geb. von Witte (1804–1891), stammte aus Hannover und war als Lyrikerin und Übersetzerin tätig, 1840 heiratete sie den Astronom Johann Heinrich von Mädler (1794– 1874) und lebte fortan in Dorpat. Sie verfügte über zahlreiche gesellschaftliche Kontakte, die Julie Hagen in München für sich nutzen konnte. 32 Dieser Name ließ sich nicht schlüssig zuordnen. Vielleicht ist der in Riga ansässige Napoleon Asmuß (1805–1879) gemeint, der als Pädagoge, Historiograf und Publizist tätig war. 33 Die Schwester der Mutter Elisabeth von Paumgarten (Lebensdaten unbekannt) lebte in Balsthal bei Solothurn in der Schweiz. 34 Ignaz Michael von Paumgarten (1804–1887), ein weiterer Bruder der Mutter der Künstlerin. Er lebte in Krumbach und war Assessor am Landgericht.

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eine Gutsbesitzerstochter geheirathet welche keine Kinder hat und eine recht üppige verwöhnte Dame sein soll, sie leben in Krumbach 12 Stunden von Augsburg entfernt woselbst der Onkel zweiter Assessor am Landgericht ist – in diesen Tagen will ich ihm schreiben und ihn bitten daß er mich besuchen möchte, er soll über aus trocken sein was ich auch aus seinen Briefen | an die beiden Tanten zu bemerken Gelegenheit fand. Seine Geschwister schieben die Ursache seiner Trockenheit der Frau zu. Onkel Carl nebst Frau sind so gut und freundlich daß ich nicht anders sagen kann als ich bin glücklich sie senden sowol Euch beiden als allen Geschwistern herzliche Grüsse und Küsse und bitten meine Bilder nicht zu verkaufen um mir Geld schicken zu können da ich hier keins bedarf, so lange ich bei ihnen zu Hause bin. – Also thut mir den einzigen und unendlichen Gefallen und behaltet das Geld für die Bilder welche Krüdner hat kaufen wollen. Du meine gute gute liebe Mutter kaufe dafür Kartoffeln oder anderes Gemüse für den Winter ein – wenn Du mich nur etwas lieb hast (und das ist ja der Fall) so verwende Du das Geld für die Wirtschaft mich gräult es fürchterlich wenn ich bedenke daß der Winter so lang und der Keller so leer ist. – Meiner guten Schwester Mieze gebe ich den Auftrag mir aufrichtig zu schreiben ob Du es zu diesem Zwecke verbraucht hast, wenn es nicht geschieht, so betrübt Ihr mich erschrecklich, also gewährt mir diese Bitte. Nur für den Keller wünsche ich daß gesorgt wird  – Außerdem bitte ich sehr das Zeug zum Kleide nicht Mize zu geben sondern selbst zu tragen indem ich für Mize ein anderes bestimmt habe welches sie bekommt sobald ich eine Gelegenheit finde. – Eure Briefe habe ich nochmals durchgelesen und gefunden daß ich eigentlich nichts zu beantworten habe als daß der Landschaftsmaler Bayer35 heißt und dem ich’s lächerlicher Weise gar nicht so | sehr angemerkt habe und Euch darin Beruhigung schaffen kann wenn ich sage daß er mir ganz gleichgültig ist nun werdet Ihr begreifen daß ein solcher Mensch einem trotz dem leid thuen kann. Ich kann mir nicht denken daß ich leidenschaftlich lieben werde können und darüber bin ich herzlich froh und freue mich unabhängig meiner Kunst zu leben. Ich habe mich vielleicht viel mehr als andere Mädchen in meinem Alter mit dem Gedanken vertraut gemacht nicht zu heirathen und bin glücklich bei diesem Gedanken. – An Hüttels habe ich einen Brief angefangen zu schreiben und habe noch vielen anderen versprochen Nachricht von mir zu geben wie z. B. der alten

35 Sie beantwort hier eine Nachfrage auf ihre Schilderung einer Episode in ihren Dresdener Briefen, wonach ihr ein »ganz und gar armer« Landschaftsmaler kurz vor ihrer Abreise die »fürchterlichste Liebe zu mir« erklärt hatte. Um wen es sich handelte, ließ sich nicht feststellen (Brief Julie Hagens an die Eltern aus Dresden ohne Datum [Mitte September 1847]).

52 | Die Briefe Herrmann, Bosens, der Fallkenstein, der kleinen Müller36 und der Köber nur weiß ich nicht wann ich denen allen schreiben soll  : Der Tridon muß ich auch schreiben, ich denke nicht gern an Höflichkeit’s Briefe – –37 Dieser Brief ist übrigens so stark wie Ihr noch keinen erhalten und doch enthält er genau genommen nicht viel. – Durch Rosalie Kircheisen bitte ich meinen guten alten Lehrer Gläser recht herzliche Grüsse zu senden, wie gern hätte ich diesen guten Menschen gesehen. – Wie Julie Schirren sich befindet möchte ich wol wissen – vielleicht hat Freund Schirren die Freundlichkeit Euch von seiner Schwester zu erzählen damit Ihr mich mit nächstem Schreiben erfreuen könnt, | meiner theuren guten Emma und Fanny besonders Grüße und Küsse so viel sie vertragen können. Marga Rosalie Marianne Otto Minna Sturm vor allen Dingen bitte grüßt schön. Vielleicht füge ich Morgen noch etwas hinzu  ! –38 d  : 9ten Oct 47. Bernhardt war um 9 Uhr am Morgen wie er versprochen hier und sah nach meinem Gipskopf und zugleich mir meldete daß ich Montag bei ihm anfangen könne zu arbeiten, welche Nachricht mich froh und heiter gestimmt hat – er hat es möglich zu machen gewusst im Attilier der Fräulein Lizt für mich Platz zu finden bis ich ein eigenes bekomme.  – Gott sey Dank  ! Die Tanten alle der Onkel und die beiden Vettern Xafer und Ludwig grüßen alle auf ’s Freundlichste der Onkel und die Tante haben mir noch mals auf getragen Euch zu schreiben mir kein Geld zu senden da ich keins brauche so lang ich bei ihnen bin – also thut mir den einzigen Gefallen und verwendet das Geld von 36 Eventuell die als Dilettantin tätige Porträtistin und Kopistin Emilie Müller (Lebensdaten unbekannt), die in Altona ansässig war und 1847 ein Porträt auf der Akademieausstellung in Dresden zeigte (vgl. Schmidt-Liebich, 2005, S. 328). Julie Hagen erwähnt diese Künstlerin noch einmal als »Malerin aus Hamburg«, vgl. S. 95. 37 Bei Familie Hüttel, Familie Herrmann und Ida von Falkenstein, der Schwester des Dresdener Politikers und Verwaltungsbeamten Johann Paul von Falkenstein (1801–1882), wohnte Julie Hagen während ihres Dresdener Jahres. Karl Theodor Herrmann (geb. 1773 in Kämmerswalde) war einst Oberlehrer in Dorpat, er heiratete Katharina Elisabeth Zimmermann (geb. 1783) aus Lemsal/Livland. Helene Köber (1825–?) war eine aus Kurland stammende Malerin, die ebenfalls 1847 in Dresden zur Ausbildung weilte  ; sie lebte und arbeitete mit ihrem späteren Mann, dem Maler Paul von Franken (1818–1884), später in Mitau, St. Petersburg und Tiflis. Die anerkannte Porträt- und Historienmalerin Caroline Tridon, geb. Sattler (1799–1863), war in Dresden eine enge Malerfreundin Julie Hagens, die sie unter ihre Obhut nahm und bei gemeinsamen Unternehmungen mit dem Dresdener Kunstkreis bekannt machte. Beide Frauen kopierten gemeinsam in der Galerie Alter Meister, Caroline Tridon bot Julie Hagen auch das Studium in ihrem Atelier an. Die Familie von Bose gehörte ebenfalls zu den Freunden in Dresden. 38 Rosalie Kircheisen, Emma und Fanny Wachter, Marianne Otto und Minna Sturm waren Freundinnen Julie Hagens aus ihrer Jugendzeit in Dorpat. Zu den baltischen Familien vgl. allgemein  : Baltisches Biographisches Lexikon digital, http://bbl-digital.de/web/start (aufgerufen am 16.8.2018), bzw. Deutschbaltisches Biographisches Lexikon, 1970.

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Krüdner für Kartoffeln oder sonst Dinge in der Wirtschaft, thut es um mich zu beruhigen – Heute hat die Tante Kirchweihnudeln gebacken und jammerte sehr dass die Strecke so weit bis Euch hin ist, wie gern hätte sie Euch eine Schüssel voll geschickt da sie gerade so gut gerathen waren  ; – Das Ausgestrichene am Rande meiner Blätter sollte im Briefe an Hüttels und mit meiner Schläfrigkeit sind sie zu Euch hinein gekommen, nur gut dass ich die Blätter nicht ganz vermuschelt habe. Lebt wohl und vergnügt so weit Eure Sorgen es zu lassen. Nochmals grüßt mir alle schön und schreibt recht bald wieder. Mit inniger Liebe bleibt Euch zugethan Eure Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 23.10.1847 München d  : 23ten Oct 47

Meine theuren guten lieben Ältern  ! Wol werdet Ihr Euch verwundert anschauen warum ich so spät erst beginne Euch zu schreiben. Ja so geht es in der Welt  ! Macht man Bekanntschaften so findet sich denn auch Einer oder der Andere den man lieb gewinnt und ihn gern Freund oder Freundin nennt, so wars denn in Dresden, so viele haben mir das Versprechen abgenommen ihnen zu schreiben was ich denn in dieser Zeit gethan, freilich war’s für mich ein schweres Stück Arbeit  – nun ist’s überwunden für eine Zeit wenigstens und ich kann Euch wieder ungestört die Stunde von 9 bis 10 oder 1/2 11 Uhr widmen d. h. am Abend wo denn die Tante und der Onkel zu Bette gehen. – Fragen werdet Ihr wollen wem ich alles geschrieben  ?  – Hüttels vor allen Dingen, dann der alten Herrmann, der Tridon, der kleinen Müller und dem Onkel Ignatz. Letzteren forderte ich auf mich zu besuchen. Hüttels hatte ich einen recht langen Brief geschrieben und kaum hatte ich diesen auf die Post getragen so brachte der Briefträger mir schon einen von ihnen ich war froh daß ich den meinigen nicht mehr in Händen hatte die guten Leute hatten mir alle geschrieben nicht allein die beiden Mädchen sondern auch die beiden Alten  – wie liebevoll und freundlich schrieben sie und gratulierten mir namentlich zum Geburtstag welcher mit der ältesten Hüttel an einem Tage ist39 und da ich meine Gratula|tion nicht gemacht so schickte ich Heute Morgen den zweiten Brief, die Antwort auf den Ihrigen ab. – Hüttels schreiben mir dass bald nach meiner Abreise Sivers in Dresden angekommen sey um wiederum nach Antwerpen zu reisen, vergebens war mein tägliches Stu39 Der Geburtstag der Künstlerin war nach dem julianischen Kalender, nach dem die Familie in Dorpat lebte, der 15. Oktober und nach dem gregorianischen Kalender der 27. Oktober, er stand also unmittelbar bevor.

54 | Die Briefe dieren im Fremdenblatt  ! Allein eines Nachmittags durchflog ich wieder einmal nach mehreren Tagen die Reihe der Angekommenen und laß die Namen  : Ritter von Bröker und Schultz40 im Goldenhahn ich nahm also den Onkel mit und suchte ihn auf um Grüsse an Euch zu senden doch unglücklicher Weise speiste der liebe Mann gerade, darum, seine vielleicht größte und ausgebildetste Leidenschaft für die gut gefüllten Schüsseln kennend schickte ich ihm durch einen Kölnern meine Karte  ; lang dauerte es aber er kam doch heraus, und erzählte mir daß er seiner Tochter so viel schöne Kleider gekauft habe und daß er den andern Morgen abreisen würde, das war Alles, ehe ich mich versah, war er fort um den Pasteten oder sonst schönen Kuchen zu Hilfe zu eilen – er wird Euch vielleicht Grüsse bringen  ; doch die habe ich ihm nur mitgeben wollen, – so geht es mit den Landsleuten in der Fremde  ! Ich suche sobald nicht wieder jemanden auf. – Bei Bernhardt male ich nun bald 14 Tagen und ich wirge [sic] mich noch an den verschiedenen Stoffen herum, nämlich an den Farben  : Weiß, Rosa, Blau und Gelb – ich habe zuerst ein Paar Gipsköpfe malen müssen, dann diese Farben im Atlas malen müssen um sie kennen zu lernen, | er ist überaus streng so wol in Zeichnung als Farbe und Modellierung, ist ihm etwas nicht recht gemacht so muß man sich schon bequämen einen Lappen oder Spachtel zur Hand zu nehmen und das Papier oder Leinwand ganz sauber reihn zu putzen und noch einmal anfangen, nur ein paar Mal war er erst mit einigem aus meiner Arbeit zufrieden  – allein er untersagt mir nicht das dick auftragen der Farbe im Gegentheil lächelte er schon öfter darüber und nennt sonderbar daß ich als Dame so wenig die Farbe spaare. Er selbst malt nicht dick allein wunder schön, so einzig viel Wahrheit in den Farben, die Weichheit der Formen und die leichte Manier der Malerei kann ich nicht anders als bewundern dagegen ist das Bildniß der Bendemann,41 von ihrem Manne selbst gemalt, welches auf der diesjährigen Ausstellung als das schönste anerkannt, ängstlich, ja wenn ich sagen darf klein40 Ein Mitglied der Familie von Bröcker, vermutlich der Jurist Gustav Erdmann von Bröcker (1784– 1854). Er schrieb später mehrere Artikel über Julie Hagens Tätigkeit in München und Rom in inländischen Zeitungen, vgl. Dörptsche Zeitung, Nr. 13, 1851  ; Bröcker, 1851  ; Das Inland, 1851, Sp. 142–146. »Schultz« könnte der Künstlerfreund aus Riga bzw. Dresden sein (vgl. Anm. 55). Dies kann hier aber nicht mit Sicherheit angenommen werden. 41 Eduard Bendemann (1811–1889), Bildnis der Lida Bendemann, 1847, Öl auf Leinwand, 113 × 92,5 cm, Museum Kunstpalast Düsseldorf, Inv.-Nr. M 4352. Das Porträt wurde 1847 auf der Akademieausstellung in Dresden gezeigt, auf die sich Julie Hagen hier bezieht (vgl. Kunst-Blatt, Nr. 49, 1847, S. 196). Bendemann wurde 1858 Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie und war zuvor Professor an der Dresdener Kunstakademie gewesen. Lida Bendemann (1821–1895) war die Tochter des Bildhauers Johann Gottfried Schadow (1764–1850). Das Bildnis wurde zuletzt ausgestellt und besprochen in  : Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819–1919, hrsg. von Bettina Baumgärtel, Ausst.-Kat. (Museum Kunstpalast, Düsseldorf), Petersberg 2011, frdl. Mitteilung von Bettina Baumgärtel, Düsseldorf.

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lich. – Bernhardt ist aber auch nur Porträtmaler, aber darin ausgezeichnet. Hat er selbst Sitzung so besucht er seine Schüler nur einmal täglich, aber sonst zwei Mal. – Meine Fräulein Lizt ist noch recht weit zurück, hat noch gar nicht gemalt und quält mich nur zu viel mit ihren, mitunter recht einfältigen Fragen, sonst scheint sie ein gutes Mädchen zu sein. Ich befinde mich im Attilier von 8 Uhr oder noch etwas früher am Morgen, je nachdem der Himmel klar ist bis gegen 1 Uhr, eile dann zum Essen durch den Hofgarten oder Arkaden, einen Theil des Englischen Gartens nach Hause und | dann gleich nach Tisch wieder hin, um die wenigen Augenblicke des Tages noch zu benutzen, – leider haben wir immer trübe regen Tage die fast sonst heitere Gemüther auch zu recht ernsten trüben umstimmen könnten  –. Ich bin noch ziemlich heiter, wenigstens habe ich alle Ursache es hier zu sein da Tante und Onkel mir viel Freundliches und Liebes erzeigen wenn nicht die Sorge um Euer Wohl und das Fortschreiten in der Malerei wäre so wäre ich das undankbarste Geschöpf der Welt wenn ich nicht sagte  : ich bin ganz glücklich  ! – So aber macht mir der Gedanke großen Schmerz daß wir jetzt den garstigen Herbst mit seinen bösen Einflüssen auf Deine Gesundheit lieber Vater haben, ach wäre er nur erst wieder überwunden  ! – Auch die Colera ist Euch nicht mehr fern wenigstens ist sie nach den letzten Berichten schon in Moskau Gott behüte Euch, vor diesem grausamen Feind  ! – Mit Sehnsucht sehe ich dem Briefe von Euch entgegen der in diesen Tagen ankommen muß um auch über den Stand der Colera Näheres zu erfahren. Dieser Brief wird mager und leer werden das merke ich jetzt am Anfange schon. – d  : 26ten Oct – Tante und Onkel spielen Schach und ich sitze da nachdenkend was Euch schreiben. – Vor einigen Tagen führte mich Onkel mit der Tante ins Atelier von Kaulbach42 – dort staunte ich über diese prachtvollen Compositionen. Ein Bild, die Zerstörung Jerusalems darstellend hat mich ganz stumm gemacht, oft schon ist mir’s beim Anschauen großartiger Dinge so gegangen, daß mich | die übergroße Schönheit überwältigt, so daß ich nicht im Stande war nur das geringste Wort zu stammeln, loben kann man ein solches Werk nicht das nur möchte den Meister beleidigen, ich erinnere mich daß ich zum ersten mal solche Gefühle empfunden 42 Der »Malerfürst« Wilhelm von Kaulbach gehörte seinerzeit zu den bedeutendsten Vertretern der Historienmalerei in München. 1837 war er von Ludwig I. zum Hofmaler ernannt worden, 1849 wurde er Direktor der Münchner Akademie und übte dieses Amt bis zu seinem Tode aus. Das Kolossalgemälde Die Zerstörung Jerusalems durch Titus, vollendet 1846, misst fast sechs mal sieben Meter und gehört zu den Hauptwerken Kaulbachs. Ludwig I. kaufte es für 35.000 Gulden – das bis dahin teuerste Gemälde überhaupt – für seine Gemäldesammlung an, heute befindet sich das Werk in der Neuen Pinakothek München (nicht bez., Öl auf Leinwand, 586 × 705 cm, Inv.-Nr. WAF 403).

56 | Die Briefe d. h. es waren betäubende Empfindungen die mich nicht erhoben sondern niederdrückten als ich zum ersten mal von Neff43 Gemälde sah. – Außer diesem wuchtigen Gemälde, welches in die neue Pinakothek für Kunstwerke jetziger Zeit kommt (die Pinakothek wird jetzt erst erbaut), sah ich mehrere Porträts, über lauter lebensgroßen Figuren mit prächtigen Stafagen verziehrt, unter denen der König und die Gräfin Landsfeld (Lola Montez), unlustig wanderte ich dann in mein Attilier und dachte darüber nach wann ich mir das abgewöhnen könne den Muth zur Arbeit zu verliehren wenn ich so was himmlisch Großartiges geschaut. – Ich hatte gerade eine blau seiden Traperie angefangen und fing nun erst an halb verzweifelt mit den Farben herum zu schmeißen bald hatte ich so viel Farbe auf getragen daß ich förmlich in derselben herum wühlen konnte. – Bernhardt erschien, lächelte und meinte ich möge das Auftragen der Farben nicht übertreiben obgleich es ihm schon recht ist daß ich mit Muth zu werke gehe. – Heute ist diese Traperie fertig geworden | nachdem Bernhardt vielerlei auszusetzen hatte sagte er  : nun ich kann ihnen nur das sagen daß sie im Allgemeinen, in kurzer Zeit große Fortschritte machen werden und daß sie einen männlichen Muth haben  ; ich wurde roth vor inniger Freude – denn glaubt mir daß ich mir wol deshalb Sorge gemacht, ich glaubte doch daß ich am Ende zu wenig Talent besäße um es wirklich zu Etwas zu bringen  ; es ist wol keine Nacht vergangen in welcher ich im Traum nicht gemalt hätte und mich unbeschreiblich dabei gequält habe. Morgen fange ich eine gelbe Traperie an und dann geht es an die Natur. Mit diesen seidenen Stoffen habe ich recht meine Noth gehabt – ich musste was haben, die Tante besaß nichts von Atlas und gerade in diesen Farben, also lief sie zu allen ihren Bekannten zu allen hiesigen Kleiderverleihern um irgend etwas zu borgen doch es war vergebens – daher ging sie in ein Gewölbe und kaufte gelben und blauen Atlas zu zwei gezogenen Hüten, den gelben für Dich gute Mutter und den blauen für Schwester Mize. Mir war es zwar unlieb doch Euch ein Beweis wie sehr gut und freundlich sie ist – ich glaube Euch schon neulich geschrieben zu haben daß ich durchaus keinen Wunsch äußern darf so ist er schon erfüllt. – Im Theater bin ich ein bis zwei Mal wöchentlich, obgleich mirs Spaß macht so muß | {ich} doch gestehen daß ich den Hochgenuß welchen ich in Dresden im Spiel der Devrients empfand hier nie haben werde  ; in Dresden konnte ich wochenlang an das himmlische Spiel der Devrients denken allein hier ist es vergessen sowie ich das Theatergebäude verlassen, – sonst gehe ich we43 Carl Timoleon Neff (1804–1877) war als uneheliches Kind in Estland geboren worden, durch wen sein Talent ausgebildet worden war, ist unbekannt. Ab 1824 konnte er in Dresden Malerei studieren und war ab 1827 in St. Petersburg tätig, wo er zum Hofmaler aufstieg und sich als Porträtist, Genre- und Historienmaler höchste Ehren erwarb.

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nig aus. Das Wetter ist immer schlecht, ist es einmal erträglich so holt mich die Tante ab d. h. aus dem Attilier um noch ein wenig Spazieren zu gehen dann wird bei günstiger Gelegenheit hier oder da ein Höflichkeitsbesuch gemacht, zum Abend – etwa wie bei uns zum Thee besucht man sich unter keiner Bedingung, das kommt gar nicht vor – d  : 27ten Oct. 47 Heute ist der Tag an welchem ich vor 23 Jahren auf die Welt gekommen Ihr und unser aller Vater im Himmel haben mich beschützt und gesund und dabei frohen Muthes erhalten wofür ich Ursache finde ihm, dem Allerhöchsten zu danken – Heute früh erwachte ich ungewöhnlich zeitig durch einen bösen Traum von Euch allen erweckt, bald merkte ich wohl, daß es noch gar zu früh war und versuchte aufs Neue wieder ein zu schlafen allein es währte noch lang  ; ich gedachte Euer und da fiel mir dann auch ein daß ich meinen Geburtstag feiern werde und ich wol durch Eure Gedanken aus meinen Träumen geweckt worden. – Den ganzen Tag habe ich wenig an ihn nämlich den Geburtsfeste gedacht da ich fleißig an meiner Arbeit saß obgleich es Heute unmöglich dunkel ist es schneit schon den ganzen lieben Tag was das Gehen höchst beschwerlich macht, wie ein Ferkel werden die armen Damen bei | solchem Wetter und namentlich münchner Schmutz. – In der Dämmerstunde als ich nach Hause kam fand ich einen Brief vor, voll Freude von Euch ihn glaubend sah ich die Adresse an allein von Euch war die Hand nicht es war eine mir völlig un bekannte,– es war die Antwort von Onkel Ignatz d. h. seiner Frau, also Tante Marie hatte statt seiner mir einen sehr liebenswürdigen Brief geschrieben. – Sie werden mich in München besuchen, dann aber erst wenn der Onkel eine etwas gelegenere Zeit seiner vielen Geschäfte wegen findet – Die Tante Marie fordert mich aber auf in einigen Wochen nach Augsburg zu kommen wo sie eine Schwester besuchen will welche an einen Rittmeister Baron von Weinbach verheirathet ist. – Diese Einladung muß ich ausschlagen da ich zu viel Zeit verliehren möchte welche mir sehr kostbar ist. – Heute sagte mir Bernhardt daß ich am Montag nach dem Leben malen könne, ein Modell einen ganz schönen alten Kopf hat er mir schon bestellt. – Durch ein Zufall sagte ich vor einer Stunde der Tante und dem Onkel daß mein Geburtstag ist was der Tante ordentlich Thränen auspresste nämlich daß sie es nicht gewusst – allein eine Flasche Med soll heute aus gestochen [sic] werden – was werdet Ihr jetzt machen  ? – Schreibt es mir recht ausführlich mir wird es in meinen alten Tagen noch Freude machen – ja alt bin ich jetzt wenigstens darf ich nicht mehr sagen  : ich junges Mädchen ohne dabei zu erröthen. – Hartmanns wegen habe ich mich erkundigt – bei Hanfstengel wird hier in der Art nichts gemacht sondern nur in Dresden – Hanfstengel selbst thut jetzt nichts mehr sondern amysirt sich nur | auf seinem Gute welches nah bei München gelegen. Ich war selbst bei ihm traf ihn aber nicht darauf begegnete ihm Onkel auf der Straße und da hat er ihm erzählt daß er schon 3 Jahre nicht in Dresden

58 | Die Briefe gewesen. Wiedenbauer, von dem ich Euch neulich schon schrieb und dessen Arbeiten mir ganz gut gefallen, und welcher selbst 6 Jahre bei Hanfstengel gearbeitet hat. Dieser verlangt für’s Zeichnen eines Porträts wie das von Hanfstengel 18 Th. oder 30 bayrische Gulden der Stein 3 Gulden also etwas weniger als 2 Thaler und das hundert Exemplare auf chemischem Papier 15 Thaler. Ich glaube daß Wiedenbauer es besser machen würde wie Assmus gezeichnet ist. Sagt dies dem Herrmann will er mir die Besorgung übertragen so soll es mich freuen, übrigens macht der Glaube viel, Hanfstengel hat nun einmal einen Ruf und da mag es auch noch so schlecht sein so ist es doch so vom berühmten Manne – Die Zeilen der Frau v. Mädler an Professor Rottmann44 brachte ich ihm an einem Sonntage Vormittags in Begleitung der Tante und Onkel in sein Attilier – er war zwar freundlich allein ich glaube dies ist auch Alles, er hat sich meine Adresse auf geschrieben um mich zu besuchen – Den Brief an Tirsch habe ich abgeben wollen doch fand ich Niemanden zu Hause und jetzt bin ich theils durch das schlechte Wetter, theils durch Mangel an Zeit abgehalten ihn ab zu geben – allein in den nächsten Tagen gehe ich hin, – übrigens bin ich der Meinung daß | solche Empfehlungen namentlich hier in Deutschland eigentlich in keine nähere Berührung die Leute bringt in dem man hier es sich nie, unter keiner Bedingung einfallen lässt Jemanden am Abend zum Thee ohne Einladung zu besuchen. Das gesellige Leben kennen die Deutschen nicht das machen die vielen Kaffeehäuser, leider – Anders ging es mir mit dem Professor Halbig45 Bildhauer an den mir ein Maler aus Dresden ein Brief mit gab und vermuthlich von mir freundlich gesprochen ich war zu ihm gegangen fand auch diesen nicht und schickte darauf Onkel allein mit dem Briefe zu ihm  ; er soll so außerordentlich freundlich gewesen sein und hat gesagt daß ich doch hin kommen möge er wolle mir die ganze Anstalt wie auch sein Attilier zeigen und will auch einmal zu mir kommen. Ich habe das in Dresden gesehen daß die jenigen Leute, an denen ich empfohlen war, wie z. B. Bähr,46 Hademus ich am aller wenigsten Freundliches empfangen  ; empfiehlt 44 Carl Rottmann war als Landschaftsmaler besonderer Protegé Ludwigs I. Er erhielt in der neu erbauten Pinakothek einen eigenen Saal. Als Hauptwerk gilt sein Griechenlandzyklus, der zunächst in den Hofarkaden vorgesehen war. Rottmann interessierte sich zunächst nicht für Julie Hagen. Erst als Moritz Rugendas ihn später auf die Künstlerin hinwies, bot er sich als Ratgeber an. August Matthias Hagen interessierte sich besonders für die Arbeiten des Kollegen und bat die Tochter später auch, ein Rottmann-Werk zu erwerben. 45 In München waren die Bildhauerbrüder Andreas und Johann von Halbig tätig, bekannter war in München Johann (1814–1882), den nach schwerer Kindheit eine glückliche Fügung zu seinem Lehrer Ernst Mayer (1796–1844) brachte. Er führte auch zahlreiche Bildwerke für den König aus, so die weiter oben erwähnten Löwen vor der Alten Pinakothek in München. 46 Gemeint ist der in Dresden tätige Maler Johann Karl Ulrich Bähr (1801–1869), dessen Vater Kaufmann aus Riga war. Der Name »Hademus« ließ sich nicht zuordnen. In den Briefen der

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man sich nicht selbst so helfen solche Briefe wenig. Wie viel Du lieber Vater für einen Paß bezahlt hast möchte ich wol wissen, denn der Onkel meint es durch einen Baron, dessen Name mir im Augenblick nicht einfällt es machen zu können daß ich ihn umsonst haben würde da dieser Baron mit dem russischen Gesandten bekannt oder gar verwandt ist. Für Heute gute Nacht  ! – d  : 28ten Oct. 47. Meine Träume Nacht für Nacht von Euch meine lieben Ältern beunruhigten mich gar zu sehr mit welcher Sehnsucht erwarte ich | Euren Brief und doch kann er mich nicht ganz beruhigen weil er eben schon fast 14 Tage alt wird bevor ich ihn erhalte. – Heute Früh erweckte mich die Tante durch ihren Morgenbesuch was sie sonst noch nie gethan sie hat mich durch schwarz wollene Strümpfe und einem seidenen Kleide nachträglich zum Geburtstag überrascht, das Kleid hat sie von der Königin für mich gekauft und hatte es mir als fertig gemacht erst geben wollen, das soll ein Sontags-Winterkleid werden welches hoch bis zum Halse hinauf geschlossen gemacht werden soll. – Wenn Ihr wüsstet wie gut und liebevoll die beiden Leute sich gegen mich bezeugen, sie thun so viel für mich daß ich nur fürchte, sie möchten mich ganz und gar verwöhnen – Onkel arbeitet für mich nämlich in so fern daß er mir Papier zum Malen mit Hausenblase prepariert, Tante näht und stickt für mich kurz Ihr seht daß ich so gut wie immer möglich ist aufgehoben bin. – Heute sagte Bernhardt  : »wenn sie die Köpfe nach der Natur eben so gut malen wie die Traperien dann kann ich sie gratulieren«, wer war froher als ich. – Mühe will ich mir schon geben vielleicht wird noch aus mir Etwas bis zum künftigen Sommer werde ich wol hier bleiben wenigstens spricht die Tante so. – Das bayrische Bier ist so schön daß ich nach ein Paar Versuchen es zu trinken schon am Abend zuweilen ein Verlangen danach habe  ; ein halbes Glas Bier schmeckt mir recht gut während ich in Dresden nicht gern an Bier dachte noch weniger es zu genießen versuchte. – | d  : 29ten Oct 47. Meine theuren Ältern, ich begreife das Ausbleiben Eures Briefes nicht – heute sollte dieser abgehen allein nun muß ich schon auf den Eurigen warten  – Unruhig und verstimmt macht mich das Ausbleiben, Ihr habt mich in der That darin etwas verwöhnt ich habe noch selten auf einen Brief warten müssen – wol weiß ich daß der Herbst manche unangenehme und beschwerliche Arbeit für den Winter bringt, die Euch vom Schreiben abgehalten haben könnte und doch ängstigt mich’s. – d  : 1ten November 47. Gott Lob  ! Der lang ersehnte Brief ist Heute angekommen. Als ich gegen 5 Uhr aus dem Attilier kam hatte die Tante, wie gewöhnlich ein Stück Kuchen oder irgend etwas von Obst, Weintrauben oder Birn für Künstlerin aus Dresden ist mehrfach von einer Marie Hademus bzw. »Direktorin Hademus« die Rede, unter diesem Namen ist jedoch keine Person, weder weiblich noch männlich, zuzuordnen.

60 | Die Briefe ihr Kind, nämlich für mich in Bereitschaft gelegt, heute war es ein Zwetschkenkuchen, welchen sie auf einen warmen Ofen gestellt und denselben mit einem Papiere bedeckt als ich das Papier aufhob so lag der geliebte Brief neben dem Kuchen auf dem Teller, Ihr könnt Euch kaum meine Freude denken, ich sprang und hüpfte so lang jubelnd umher bis man mir Licht gebracht hatte und dann wurde er durchflogen, wie ich’s immer thue um zu sehen wie es im Allgemeinen bei Euch steht, dann erst wird der Brief ordentlich mit Muße gelesen. Dein Unwohlsein guter Vater beunruhigt mich sehr es ist doch was Erschreckliches so weit von ein ander getrennt zu sein, nun muß ich wieder 3 Wochen diese Sorge, die Unruhe um Dich und Euch alle herum tragen. Wäre Euer Brief nicht Heute angekommen so hätte ich diesen morgen fort geschickt, denn er liegt schon zwei Tage länger als er eigentlich das Recht hat. – Ich danke herzlich für die Nachrichten – Heute ich weiß nicht warum thuen mir meine Augen etwas weh was auch verhindern könnte Euren Brief heute noch ganz zu beantworten. – Da es außerdem auch schon spät ist denn der Vetter Alois ist heute früh von seiner Fernreise | wieder heimgekehrt und war den Abend mit seinen Brüdern bei uns, die Colegia fangen den 5ten November erst an, es ist merkwürdig wie viel Zeit man den Studenten zum Nichtsthun lässt, im Sommer länger als drei Monate – Gern möchte ich noch schreiben allein mich dünkt daß es mir für morgen zum Malen nicht gut sein möchte also schlafet recht recht gut und träumet süß  ! – d  : 2ten Nov. 47. Heute schon öfter Eure Briefe durchgelesen und will nun beantworten so viel Ihr zu wissen verlangt. – Der Antrag betreff Deiner Zeichenanstallt ist mir einiger Maaßen bedenklich in so fern da es dem Courator, wie vieles Andere auch dies nicht in den Kragen gehen möchte daß Du von Deiner Tochter Arbeiten ankaufst für’s Erste kann ich drüber noch gar nicht schreiben da hier auf der Galerie fast gar nicht copiert wird und vollens den Winter über nicht und sollte ich im nächsten Sommer in Dresden sein so könnte es sein daß ich Deinen Anforderungen entsprechen würde, allein bis dahin ist noch lang hin und für meinen Aufenthalt sorgen die Verwandten wirklich aufopfernd. – Ich muß gestehen daß ich Vorurtheile für die Tante empfand ehe ich sie noch kannte und woran nur die Briefe der beiden Tanten Anna und Cezilie schuld sind – die beiden guten Tanten, die ich wirklich herzlich lieb habe, hatten sich wenn ich nicht irre in ihrem letzten Brief an Mutter durch Herrmann beklagt daß Tante Paumgartten sich immer verleugnen lässt sobald sie einmal hin kommen.  – Dies ist wahr, d. h. in so fern wahr daß sie sich oft für jeder Mann verleugnen lässt, aber nur wenn sie in ihrer Wirtschaft zu thun hat, wo sie sich dann nicht kleidet so daß kein Besuch empfangen kann, sie ist eine merkwürdig thätige Frau, besorgt Alles selbst im Hause, nichts lässt sie aus dem Hause arbeiten – allein sonst ist sie freundlich und zuvorkommend gegen jeder Mann. Und gegen die Tanten welche zwar selten her kommen. Die Tante macht mir Hoffnung im Frühling

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eine Ausflucht nach Salzburg zu machen, sie vermuthet daß ich | bevor ich in die Heimath zurück kehre einen Begriff vom Gebirge bekäme darauf freue ich mich wol sehr – nur wünsche ich daß es auch zur Ausführung käme. – Freundlichen Dank dass Du dem Onkel einige Zeilen geschrieben, sie haben es sehr hoch auf genommen wie es mir scheint, der Onkel hat antworten wollen doch mancherlei Besorgungen hielten ihn davon ab daher die Tante einige Zeilen hinzu fügt. – Onkel schreibt das nächste Mal darum für dieses Mal nur Grüsse.  – Julie Krause47 kann ich mir unbegreiflicher Weise nicht als Braut denken, ich habe geglaubt dass sie durchaus keine so lustigen Gefühle für das männliche Geschlecht im Busen trägt – möge er glücklich mit ihr werden. – Daß ich den jungen Sivers hier erwartet ist sehr natürlich gekommen indem ich seine Schwägerin, wie ich Euch schon schrieb kurz vor meiner Abreise aus Dresden sprach, diese sagte mir daß er an Michaeli48 in München sein wolle, wir müssten auf der Reise für ein ander gefahren sein  ; mir ist es leid ihn nun wirklich nicht gesehen und gesprochen zu haben. Ich weiß nichts über ihn. Nach Dresden habe ich geschrieben und gebeten mir einiges über ihn zu schreiben. – Schirren hat mich überaus durch seine Zeilen zu erfreuen gewusst gern hätte ich ihm meinen Dank und Gegengruß durch ein paar Worte gesandt, allein ich thue es das nächste Mal obgleich ich wol weiß wie gering sein Vergnügen gegen das Meinige sein kann. Tausend freundliche Grüsse an ihn und seine Schwester Julie von welcher ich keinen Brief erhalten er müsste nur noch in Dresden liegen. – Schwarz und Studsinski unbekannter Weise bitte ich gleichfalls herzlich zu grüssen. Meine Freundinnen alle ohne Ausnahme und der alten herrlich guten Kircheisen meine Grüsse und Küsse sagt dem alten Kircheisen wie oft ich seiner und seiner mir stets erwiesenen Güte und Theilnahme gedenke, noch rieche ich im Geiste den schönen balsam|ischen Geruch der köstlichen Feilchen welche er mir oft brachte. Rosalien49 viel viele tausend Grüsse. – Die Galerie hier besuche ich selten da ich mir am Tage kaum die Zeit nehme nur hat mir offen gestanden das Portrait von Raphael50 mit am wenigsten gefal47 Vielleicht die Ehefrau des späteren Hamburger Bürgermeisters Gustav Heinrich Kirchenpauer (1808–1887), Juliane Dorothea Krause (1819–1905). Kirchenpauer hatte in Dorpat studiert, das Paar heiratete aber schon 1844 in Weißtropp nahe Dresden. 48 Das Fest des hl. Erzengels Michael, genannt »Michaeli«, ist der 29. September. 49 Rosalie Kircheisen, eine Freundin von Julie Hagen aus Dorpat, war Pianistin. Sie gab im Alter von 11 Jahren schon Konzerte im Schwarzhäupterhaus in Riga (vgl. Rigaische Stadt-Blätter für das Jahr 1828, hrsg. von einem Mitgliede der Literärisch-practischen Bürgerverbindung, Riga o. J., S. 74). Möglicherweise war die Familie Kircheisen zeitweise in Riga ansässig, wo auch Julie Hagen vor 1846 einige Zeit lebte. 50 Sie meint vermutlich Raffaels Porträt des Bindo Altoviti, das Johann Georg von Dillis (1759–1841) als vermeintliches Selbstbildnis Raffaels 1808 für Kronprinz Ludwig in Florenz erworben hatte.

62 | Die Briefe len, mich dünkt es war zu blau im Thon doch ich will es mir genauer das nächste Mal beschauen. Das Leben in München ist, wie man mir sagt anders geworden als vor 25 Jahren es gewesen. Die Wirthshäuser und Kaffeehäuser werden weniger von Damen besucht die ennuyiren sich zu Hause oder spielen im Theater Comedia ohne Besoldung – die Lola spektakelt an jedem Theaterabende schneit Gesichter, droht und stampft mit den Füßen zu den adeligen Damen hinüber welche sie verächtlich anschauen. – Sonntag war ich wieder drin um den Don juan zu hören, im allgemein hat es mir gefallen. – Gestern war der Allerheiligen Tag an welchem die Gräber aufgeputzt und mit Massen von Blumen geschmückt werden, ich konnte nicht hin weil ich ein Modell zu diesem Tage bestellt hatte daher führte mich Onkel schon am Sonntag hinaus, Alles war beschäftigt um die Ruhestette der ihrigen aufzuputzen so besuchte ich den Platz der guten seeligen Großmutter51 und ging wieder nach Hause. Den alten Mann (das Modell) habe ich gemalt allein da gestern ein großer Festtag war so kam Bernhardt nicht zu mir da er geglaubt daß niemand arbeitet. Heute ergab sich’s daß der Kopf zu groß sey, was übrigens ein Hauptfehler von mir ist darum soll ich ihn noch ein mal morgen anfangen. – Die List scheint ein gutes Mädchen zu sein welche mich quält sie zu besuchen was ich auch morgen thuen will. – Noch fühle ich im Gan|zen kein Bedürfnis Besuche zu machen, was auch nicht wieder gut geht ohne eingeladen zu werden – Donnerstag soll ich einen Besuch mit der Tante zu einer Tasse Schokolade machen und dazu sind wir schon Sonntag geladen. Es thut mir leid, dass Ihr das Geld für meine Bilder nicht verwandt wie mein inniger Wunsch ist, vielleicht thut Ihrs noch. Denn kommt Zeit kommt Rath. Ich brauche das Geld jetzt nicht und so könnt Ihr’s mit gutem Gewissen zur Wirthschaft verbrauchen. Die Kartoffeln sind übrigens hier auch mißrathen und sind inorm theuer. – Meiner guten Emma habe ich geschrieben welche Zeilen Ihr so gut seit und ihr schickt außerdem ihr Alles weitere mittheilt wenn sie zur Stadt kommen sollte. – – Meine gute Mutter die nachgebliebenen alten Sachen von mir bitte ich zu verbrauchen, d. h. wenn wirklich was da ist denn ich weiß nicht was ich zu1938 wurde das Gemälde durch den Generaldirektor Buchner wieder verkauft, es befindet sich heute in Washington (Raffael, Bindo Altoviti, um 1515, Öl auf Holz, 59,7 × 43,8 cm, National Gallery of Art, Washington, Inv.-Nr. 1943.4.33), frdl. Mitteilung von Andreas Schumacher, München. Abgebildet unter  : https://www.nga.gov/collection/art-object-page.12131.html (aufgerufen am 16.8.2018). 51 Anna Maria von Paumgarten, geb. Held, geboren in Unterkreuzberg am 2.1.1763, gestorben in Passau (kein Sterbedatum bekannt), sie heiratete 1789 Christoph Ignatz Xaver von Paumgarten (1752–1822), der aus Mauthausen in Oberösterreich stammte und Hofkammerrat in Passau gewesen war.

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rück ließ, – das Zeug zum Kleide von Minna Seeberg52 gieb der Mize, sie kann es brauchen da sie jeden Abend in Gesellschaft sich befindet denn ich bekomme so viel hübsche Kleider von der Tante daß ich traurig daran denke daß Ihr Euch gewaltig mit Eurem Wenigen durchschlagen müsst. Fanny, die gute Seele grüßt mir recht schön vielleicht schreibt sie mir einige Zeilen wodurch sie mich sehr erfreuen würde. Meine Vettern alle drei haben mir schon oft freundliche Grüsse an Euch alle auf getragen. Es sind gute und geistreiche Jungen – die beiden Tanten haben mir ein Briefchen an Dich meine theure Mutter beilegen wollen sind aber wol nicht zum Schreiben gekommen. – In meinem Namen neckt mir die Marga Dumberg recht sehr mit Herrn v. Serwalt.53 – Ich weiß in der That nicht was noch schreiben daher mit meinem besten aufrichtigsten Wunsche für Euer Wohl sagt ein Lebewohl Euch Eure Tochter Julie Über den Stand der Cholera bitte schreibt mir das ängstigt mich wirklich sehr  ! Wie ist man denn mit dem neuen Gensdarmobersten zufrieden  ? – – Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 10.11.1847 d  : 10ten Nov 47

Meine theuren innig geliebten Aeltern  ! Heute vielleicht habt Ihr gerade meinen letzten Brief erhalten und heute will ich wieder beginnen einen neuen zu schreiben  ; – schon wieder sind’s länger als 8 Tage als ich zuletzt geschrieben und sonderbar ich finde nicht so viel interessanten Stoff am Abend eines jeden Tages dass ich noch auf bleiben könnte um das nieder zu schreiben. Was in dieser Zeit gewesen will ich sorgsam mir ins Gedächtnis zurück zu rufen suchen und Euch dann erzählen. Vor allen Dingen laßt Euch sagen daß ich in dieser Zeit seit ich Eure letzten Briefe gehabt 11 Schreiben von verschiedenen Personen erhalten die sollen alle nun wieder beantwortet werden  – ach Gott  ! gern thue ich’s wenn es nur ginge. Jedem soll ich lange Briefe schreiben und ich erlebe im Ganzen doch so wenig außer dem Bereich meines Attiliers, wie es darin geht und steht erzähle ich später nur jetzt will ich in meinem Gedächtnis herum stöbern und kramen damit ich nichts übergehe Euch zu schreiben. – – Was das Schreiben der Frau Mädler an den Hofrath Tirsch betrifft kann ich Euch nur sagen daß ich wirklich mit dem 52 Eine Tochter des kurländischen Geistlichen Johann Friedrich Seeberg (1792–1851), vermutlich Wilhelmine Seeberg (1825–1851), verheiratete Henkel. Sie starb in Rodach in Bayern. 53 Die Freundin Margarethe Duhmberg heiratete den späteren Dorpater Kreisarzt Julius Ernst von Sehrwald (1815–1888).

64 | Die Briefe Abgeben des selben so lang gewartet bis die Frau Hofräthin nebst Tochter mich aufgesucht mich aber nicht zu Hause fanden  – die Tante hatte sie hinein genöthigt und da hat sich dann die Tirsch in tausend Entschuldigungen von wegen des ersten Briefes ergossen und gebeten daß ich sie doch öfter des abend’s, wenn ich aus dem Attilier käme besuchen möge  ; die hatte übrigens schon gewusst daß ich bei Bernhardt male. Darauf nun war ich | denn hingegangen – sie empfingen mich sehr freundlich allein der Brief an ihren Gemahl hat mich bei ihr keineswegs so empfohlen wie ihr wohl glauben möchtet denn sie ließ sich in lächerlichen Äußerungen über der guten Mädler aus – beklagte sich wie sich die Mädler nur zu den Herren hingezogen fühlt und sich förmlich von diesen den Hof hat machen lasse, daß sie sie im Ganzen nur wenig kenne da nur sie mit ihrem Gemahl hat reden wollen und darum sie, nämlich die Tirsch auch den Mädler lieber gehabt ihn wenigstens mehr ausgezeichnet um der Mädler gleichsam Revange zu bieten, und sagte lächelnd indem sie den Brief auf den Tisch legte  : »nun ich werde sehn ob meine Eifersucht mir erlaubt den Brief abzugeben.«  – Ich freue mich daß ich darin nicht ganz unrecht habe wenn ich Euch auf meine frühere Bemerkung aufmerksam mache daß solche Empfehlungen nur gar wenig beitragen mit Leuten bekannt zu werden, wenn man sich nicht selbst recommandirt, es ist mehr solche Briefe erleichtern wol das bekannt werden nur ist dies das Wenigste. – Die Tirsch lud mich wiederholt ein sie öfter zu besuchen und bot mir an mit ihnen einmal das Museum zu besuchen eine hier existierende Gesellschaft wobei Tirsch einer der Vorsteher ist sie hat mir versprochen es sagen zu lassen wenn wieder Gesellschaft ist. – Ich würde mich freuen wenn ich mich wohl bei ihnen fühlen würde obgleich ich mich gar wenig nach Bekanntschaften sehne, ich bin herzlich froh wenn ich ruhig zu Hause des abends sitzen kann da die Arbeit den Tag über immer mehr oder weniger mir eine kleine Abspannung hinterläßt. – Das klingt aber bald als jammerte ich über meinen Fleiß, nein, so arg ist’s noch nicht im Gegentheil wünschte ich es gäbe hellere freundlichere Tage der Nebel ist seit länger als 14 Tagen unbegreiflich stark so daß man nicht zwei Schritt vor sich her einen Menschen erkennen kann – ein etwas trostloser Herbst  ! | – Am vorigen Sonntag erhielt ich einen Brief von der alten guten Herrmann aus Dresden – dieser erzählte mir daß Sivers bald nach meiner Abreise in Dresden angekommen sey und willens ist so lang dort zu bleiben bis er in unsere Heimath zurück reist, wann er beschlossen zu reisen weiß ich indes nicht wahrscheinlich schon bald denn ich sehe nicht ein was er jetzt in Dresden beginnen will  ? – Vielleicht das was er in Antwerpen gelernt wieder vergessen oder besser verpinseln. Außerdem meldet sie mir daß ihr Sohn Ernst54 als wirklich förmlich bestätigter 54 Der Historiker Ernst Adolf Herrmann (1812–1884), in Dorpat geboren, war in Berlin, Dresden, Jena und Marburg tätig und publizierte vorwiegend zur russischen Geschichte unter besonderer

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Privatdocent nach Jena abgereist sey – Ferner habe ich aus Dresden von der ganzen Familie Hüttel Briefe diese schreiben mir viel Schönes und Liebes, doch Dinge von Personen die Euch nicht interessieren können da eben diese Leute Euch nicht bekannt sind, aus Riga von Schultz55 habe ich gleichzeitig einen Brief erhalten und ein paar freundliche Zeilen von zwei Gallerie Kameraden die dem Schreiben an Hüttels bei gelegt waren. Hüttels und Herrmanns grüßen Euch herzlich. Von Mendelsonns56 Tod habt Ihr bereits wol schon Kunde wie ist’s doch so schrecklich daß ein solch großer Mann von 38 Jahren sterben muß. Rosalie wird gewiß recht sehr betrübt darüber sein. d  : 16ten Nov 47. Meine theuren Ältern  ! – Ohne Frage werdet Ihr mir zürnen daß ich so viele viele Tage dahin gehen lasse ohne nur ein Wörtchen zu Euch zu sprechen, ohne Euch auch nur das Geringste zu erzählen, ja ja Ihr werdet denken es ist Trägheit Faulheit oder gar Mangel an Liebe für Euch, die Schuld, ach nein meine lieben lieben Ältern ich hoffe Ihr werdet aufhören an mich mit Verdruß zu denken wenn ich Euch sage daß ein Tag wie der andere stets im Attilier arbeitend vergeht. Am Abend thue ich nicht viel da dann nach des Tages | Beschäftigung ich, ich weiß nicht wie närrisch etwas abgespannt bin, ich glaube das kommt wol daher weil ich nicht mit Ruhe arbeite sondern mich stets in einer fiberhaften Aufregung befinde – wie es mit meinen Arbeiten geht werdet Ihr wissen wollen  ? Leider kann ich nur wenig davon sprechen als daß ich mich gewaltig quälen muß um es dem Bernhardt recht zu machen. Den Kopf eines alten Greisen habe ich jetzt übermalt welchen er eigentlich nicht so sehr tadelte allein doch Manches ich namentlich in der Farbe ändern musste – in den Tiefen werde ich leicht zu saftig zu gelb. Außer diesem Kopfe habe ich meinen Vettern untermalt und werde dann daran gehen sie zu übermalen. Bernhardt hat eine ausgezeichnete Art seinen Schülern Alles deutlich und klar zu machen ich gewinne täglich mehr und mehr Vertrauen und Liebe zu ihm. –

Berücksichtigung der Ostseeprovinzen). Seine Eltern waren die schon erwähnten Herrmanns, bei denen Julie in Dresden wohnte (vgl. Anm 19). 55 Karl Johann Stephan Schultz (1823–1859) war ein Maler aus Riga, der in den Jahren 1845 bis 1847 an der Akademie in Dresden studierte und im Mai 1847 in seine Heimatstadt zurückkehrte, um jedoch kurz darauf weiterzureisen. Den gleichaltrigen Rigaer Künstler lernte Julie Hagen entweder früh in Riga oder, was wahrscheinlicher ist, in Dresden kennen, wo dieser gleichzeitig mit ihr studierte. Schultz war bis 1858 an vielen verschiedenen Orten – Antwerpen, Paris, Rom, St. Petersburg – tätig, ließ sich dann in Mitau nieder. Kurz nachdem er sich endgültig dort als Zeichenlehrer niedergelassen hatte, starb er unerwartet (vgl. Neumann, 1902, S. 66). 56 Der Musiker und Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy starb 38-jährig im November 1847 in Leipzig nach mehreren Schlaganfällen.

66 | Die Briefe Ein Paar Mal wieder habe ich das Theater besucht  : Der Anteil des Teufels und Wilhelm Tell waren die beiden letzten Opern die ich sah oder vielmehr hörte. – Heute ist die Todesnachricht von Tifenbach57 in Berlin hier bekannt geworden der Bröker kann froh sein noch zur rechten Zeit gekommen zu sein. Alle großen Männer sterben  ! – d  : 18ten Nov 47. Heute im Attilier überfiel mich eine fürchterliche Traurigkeit ähnlich der, die mich in Dresden oft übermannte ich konnte mir nicht anders helfen als Alles über den Haufen zu werfen (doch nur für heute) und fort zu gehen ich eilte nach Hause in der Meinung daß am Ende ein Brief von Euch mit guten oder bösen Nachrichten meiner harrte | doch dies war nicht der Fall darum ergoß ich mich in wehmüthigen und befürchtenden Klagen gegen die Tante – Schon seit längerer Zeit bin ich in meinen Träumen stets mit Euch zusam, entweder ich bin bei Euch oder Ihr bei mir, das letzte Mal wart Ihr hier bei mir was aber so klar und deutlich so unendlich lebendig mir im Traum geschah daß als ich erwachte mir schien als wäre es Wirklichkeit gewesen. – An solchen Tagen will mir ein Jahr, das ich noch hier verbringen soll wie eine Ewigkeit erscheinen und doch enteilt die Zeit nur gar zu schnell. – Die Tante schickt mich heute wieder ins Theater um mir dadurch besseren Humor zu schaffen. Später, nach dem Theater. – Die Oper  : Die Entführung aus dem Serail hat mir recht gut gefallen obgleich ich mit gar wenig Lust hinein gegangen. Meine Aufmerksamkeit war übrigens in etwas getheilt, nämlich Lola Montes die fast immer im Theater ist und stets die Aufmerksamkeit des sämtlichen Publikums auf sich zieht, theils durch ihr wirklich liebliches Angesicht, theils aber auch durch ihr lächerlich boshaftes Betragen hat seit etwa 14 Tagen einen Triumpf gefeiert und zwar diesen  : Daß 3 Männer, ein alter und zwei jüngere zu ihr in die Loge treten und sich lebhaft mit ihr unterhielten, einer schien den anderen in Liebenswürdigkeit überbieten zu wollen, kurz diese hatten sich als Spanier, namens Montes und Verwandte der Lola ausgegeben  ; allein später erzählte man sich es seyen | nicht Spanier sondern nur Polen  ; den alten habe ich nie gesehen sondern nur die beiden jüngeren Männer, der eine von diesen beiden hat in der That eine recht polnische Fisionomie allein der andere sah mir nicht so aus d. h. so weit mir meine Loriniette {Lorgnette} erlaubte sie zu sehen. – Heute sind die beiden wieder bei ihr und ich um sie besser sehen zu können bat mir ein Opernglass von einer meiner Nachbarin aus und siehe wen erkannte ich da in dem zweiten Herren den ich nicht für einen Polen 57 Vermutlich der Arzt Johann Friedrich Dieffenbach (1792–1847), der durch die Anwendung zahlreicher medizinischer Neuerungen in die Medizingeschichte einging. Aus dem Jahr 1847 stammte seine Veröffentlichung »Der Äther gegen den Schmerz«, mit der er die Äthernarkose in Deutschland einführte.

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gehalten  ? Herrn von Galbeck aus Refall58 den ich auf der Gallerie zu Dresden kennen gelernt und von dem ich die Billiette ins Theater bekommen. Ihr erinnert Euch wol noch, denn ich schrieb Euch davon. Mich hat diese Entdeckung überrascht obgleich ich ihn nie für einen extra soliden Menschen gehalten und für einen tüchtigen Maler schon vollens nicht, denn ich glaube Ihr müsst Euch erinnern daß ich mich einmal über seinen stets fein gestriegelten und gebiegelten Anzug seinen blank geglätteten und gesalbten Haare e. c. lustig machte  ; es ist betrübt daß solchen Wüstlingen gestattet wird in das schöne Deutschland zu reisen und hier ihren dummen Streichen nach gehen zu können während andere die das Schönere und Bessere genießen würden weder Mittel noch Erlaubnis zu Gebote stehen hinaus zu können. – Als ich heute Abends in mein Zimmer trat fand ich auf meinem Kopfkissen einen sehr hübschen neuen Muff den mir | die Tante geschenkt. – Nun wünsche ich Ihr mögt wohl, recht wohl schlafen  ! – d  : 20ten Nov 47. Früh schon erwachte ich und mit dem Gedanken an Euch. – Ich hatte nämlich wieder von Euch geträumt. Meine Gedanken schweifen hin und her und endlich auch auf die Hoffnung in wenigen Tagen einen Brief von Euch erwarten zu dürfen – Montag werden es 3 Wochen wo ich den letzten gehabt und da kann meiner Berechnung nach noch nicht gut eine Antwort auf meinen Briefe da sein. 9 bis 11 Tage geht von München bis Dorpat ein Brief und umgekehrt eben so lang, also das wären schon 22 Tage nun bleibt uns aber gar keine Zeit um unsere Briefe uns zu beantworten darum kommt es daß die letzten Briefe immer später angekommen als wir sie erwarteten und uns deshalb Sorgen gemacht. Obgleich mir der Gedanke ein nicht angenehmer ist alle 4 Wochen von Euch Nachrichten zu erhalten so ist’s mir doch lieber ich weiß mich und Euch damit getröstet  ! Es kann noch keiner da sein. Also schreibt mir darüber ob wir uns alle 4 Wochen schreiben sollen oder ob Euch lieber ist von einem Tage zum anderen auf ’s Ungewisse hin die Ankunft zu erwarten  ? – Das kleine Päckchen das Euch aus Petersburg über die Post geschickt wird habe ich Euch zu Weihnachten bestimmt es sind gar so große Kleinigkeiten daß ich fürchten muß das Porto bis nach Dorpat möchte mehr kosten als die ganze Geschichte werth ist. Größer durfte das Päckchen nicht sein sonst hätte ich gewiß ein Paar Bilder geschickt so aber ging’s | nicht  ; mich ärgert’s daß ich mein für Euch bestimmtes Porträt in Dresden gelassen und noch einige andere Sachen die ich jetzt ganz gut hätte schicken können, hätte ich nur gewusst daß ich so lang hier bleibe dann hätte ich’s schon mit genommen. Das Päckchen ist durch den Fürsten Leuchtenberg nach Petersburg gekommen. Dem alten Tirsch wird in der nächsten Woche ein Fabelputz gebracht werden, sagt dies seiner Verehrerin. – 58 Gemeint ist ein Mitglied der aus Reval stammenden Familie Gahlnbäck. Auf wen genau sie sich bezieht, konnte nicht ermittelt werden.

68 | Die Briefe d  : 26ten Nov 47. Euer Brief ist wirklich noch nicht gekommen, heute hoffe ich ihn bestimmt bei meiner Nachhausekunft vor zu finden  ; ich sehe wol nun wie viel besser es ist wenn wir uns alle 4 Wochen frühestens schreiben, denn sonst geht die Sorge mit jedem Male von Neuem an. Ich möchte Euch schreiben nur weiß ich nicht was  ? – Über Politik fürchte ich nur verworren und unzusammen hängende Dinge Euch sagen zu können, nur so viel, daß es bunt, sehr bunt durch die Lola Montes hier zu geht. Fabelhafte Dinge geschehen vermittelst ihrer Person allein das Land und der König leiden sehr – wäre Bayern nicht ein Konstitutionaler Staat so stünde es hier weit schlimmer um die Regierung als bei Euch in Russland. Von der Macht und schon unnatürlichen Frechheit dieser Gräfin Landsfeldt wäre es nicht möglich in gedrängter Kürze ein nur schwaches Bild zu liefern denn täglich hört und sieht man sie neue der widerlichsten Geschichten ausführen, jeder Staatsmann kann und muß sie fürchten. Es geht so weit daß die ehrenvollsten verdienstvollsten Männer ihren Abschied Knall auf Fall ohne einen Grund bekommen, nur deshalb wenn sie die Lola an sehen ohne sie zu grüßen e. c. Vor ein Paar Tagen hat der General Zoller,59 welcher die Vorrichtung erfunden das schwere Geschütz mit ihren Kanonen über alle Gräben in Geschwindigkeit hinüber zu schaffen seinen Abschied bekommen und nur deshalb weil er im Theater in einem Zwischen Akt | aufgestanden war und umher geschaut, die Lola hatte ihren Gansdarmen darauf zu ihm in die Loge geschickt um ihm sagen zu lassen er möge sich setzen da es sie genire, kurz den andern Tag hatte er seine Entlassung und er will in russische Dienste gehen wie man sich erzählt. Wie Onkel von einem Officieren erfahren hat, soll eine Stafette heimlich nach Petersburg der Polen und Russen wegen gesandt sein die sich der Lola sehr angelegen sein lassen. Gestern war ich wieder im Theater aber sah den Galbeck nicht bei ihr statt seiner aber 3 andere Herren. Von den Eigenthümlichkeiten Münchens weiß ich wenig zu sagen ich sehe und höre wenig außer der Zeit die ich bei Bernhardt verbringe auf dem Wege dahin habe ich nur bemerkt daß München sich viel schönen Menschen, beiderlei Geschlechts, erfreut, der Luchsus ist gewaltig namentlich in der unteren und dienenden Klasse. Die Herren tragen sich auf der Strasse wunder geschmackvoll, ich möchte sagen fantastisch nämlich der Mantel besteht aus zwei 59 Karl von Zoller (1773–1849), Artillerie-General und königlich bayerischer Feldzeugmeister, wurde 1837 für das sogenannte »Zollersche System« vom russischen Zaren mit dem St. Annenorden ausgezeichnet. In Bayern war zuvor die Erfindung in die Artillerie übernommen worden, vgl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 90, 31.3.1837, S. 717. Aus seinem Personalakt im Kriegsarchiv des Bayerischen Hauptstaatsarchivs (Sign.-Nr. OP 74.794) geht aber keine Pensionierung im November 1847 hervor, sondern erst am 31. März 1848. Eine Erwähnung Montez’ ist darin nicht zu finden. Zoller fühlte sich aber durch die Pensionierung im Rang eines Feldzeugmeisters zurückgesetzt, da er dadurch die Hälfte seiner Pension verlor (frdl. Mitteilung von Johannes Moosdiele-Hitzler, München).

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mächtig breiten Kragen die beide fast eine Länge, bis an die Knöcheln haben  ; den Oberkragen werfen sie von der einen Seite hinüber auf die andere Schulter so daß er quer über die Brust ganz schöne Falten wirft und das Ende weit über den Rücken herab hängt. – Heute war die Frau Hofräthin Tirsch bei mir im Attilier um mich zu Morgen ins Museum aufzufordern da werde ich ihn, den Hofrath und jetzt Rector kennen lernen, wie mirs gefallen hat werde ich Euch dann schreiben. Dich meine gute Mutter ersucht die Tante ihr Dein Pfefferkuchen-recepte zu senden  ; ich erzählte ihr davon und sie wünscht zu Weihnachten welche zu backen. – | d  : 28ten Nov 47. Vor etwa zwei Stunden erst empfing ich den lang lang ersehnten Brief, ich sah den Briefträger gegen unser Haus schreiten und ich war grade beschäftigt den Reineke von Kaulbach60 zu sehen und zu lesen, ich warf das Heft hin und stürzte dem Bothen entgegen  ; ein Brief aus Russland  ! Rief er mir entgegen allein die Hand der Adresse wie auch das Siegel war nicht die bekannte geliebte meines Vaters erschreckt erbrach ich ihn und auch die Hand des inneren Briefes war nicht Eure. Bleich und zitternd stand ich da ohne Muth den Inhalt des Briefes zu durchfliegen Tante die eben so erschreckt über mich war nahm den Brief um statt meiner zu sehen von wem er sey und fand dann den recht starken Brief in dem Blättchen von Bröcker geschlagen doch dies allein konnte mich noch nicht ganz von meiner Befürchtung befreien da ich keine Zeile von Dir meine theure Mutter und Schwester Mize sah, suchend fielen aber auch diese süßen Zeilen Deiner Hand aus einem der Blätter von Vater heraus ach ich begann nun erst mit einiger wieder gewonnenen Ruhe den Brief zu lesen. – Heute ist die Tante einmal ins Theater gegangen und der Onkel nach ewig langer Zeit mit im Kaffeehaus also bin allein im Hause und kann ungestört mit Euch plaudern will denn zunächst den Brief zu beantworten suchen und ihn noch oft recht oft lesen, und dadurch mir die Zeit verkürzen. – Die Nachrichten der Cholera und Beulenpest ist freilich eine, die mich sehr traurig berührt – aber was ist dabei zu thun  ? Gott beschütze nur unseren geliebten Bruder  !  ! – Ich hatte bis jetzt geglaubt daß ein Apotheker derjenige sey welcher am ersten vor einem solchen Feinde geschützt ist doch auch diese Hoffnung 60 Der Verleger Johann Georg Freiherr Cotta von Cottendorf (1796–1863) hatte begonnen, eine Reihe großformatig aufgemachter Einzeleditionen herauszugeben, an denen der Münchner Künstler Wilhelm von Kaulbach mitarbeitete. 1840 schloss Cotta mit dem Künstler einen Vertrag, die Illustrationen für eine Neuausgabe von Goethes »Reineke Fuchs« zu gestalten. Kaulbach, mit eigenen Monumentalgemälden im Atelier langfristig beschäftigt, arbeitete drei Jahre abends an dem verhältnismäßig hoch dotierten Auftrag und lieferte 36 Hauptbilder und zahlreiche Vignetten ab. Die Zeichnungen wurden von Hans Rudolf Rahn in Zürich und dem Münchner Adrian Schleich in Kupfer gestochen  ; 1846 erschien das Buch, eingebunden in rotem oder blauen Leder mit in Gold eingefärbten Blindprägungen.

70 | Die Briefe ist vorüber  ! – Daß Ihr wenigstens so erträglich wohl seid ist mir tröstend mögt Ihr es nur auch bleiben. – Was das Grau in Grau untermalen anbetrifft so habe ich mit Bernhardt mich darüber aus gesprochen ihm meine Versuche darin erzählt worauf er dann mir einige | Köpfe aus früherer Zeit zeigte und erzählte daß er fast 5 Jahre mit dieser Manier gearbeitet habe, allein gesehen daß sich die graue Unterlage mit der Zeit durch frisst. Dann müsste man nur ja nicht mit Schwarz untermalen sondern mit Ultramarin und Weiß und so dünn d. h. mit so wenig Farbe wie möglich  ; diese Unterredung hatte zur Folge daß er mir mehrere Versuche machen ließ d. h. in mehreren verschiedenen Arten untermalen z. B. einen Kopf ließ er mich in den entgegen gesetzten Farben als ich sie in der Natur gesehen untermalen wie eben die rothen Wangen in grün, gelb in blau, dann das Haar in Lila u. s. w. Dann einen anderen Kopf in Grau dann einen in den gewöhnlichen Fleischtönen nur etwas Grauer als die Natur zeigte. Morgen übermale ich den Grau in Grau untermalten Fetter Aloys, der Vetter Xafir ist gar korios fast das ganze Gesicht grün die Haare und Augen Lila. Den Erfolg schreibe ich Euch dann. Ich habe für eine Weile vorgearbeitet, ich glaube 6 Köpfe stehen untermalt da und lauter Personen aus der Bekanntschaft der Tante. Denn bei Bernhardt werden wenig gemiethete Modelle gebraucht, alles malt ihre Bekannten und Verwandten und geben dann das Bild für das Modellsitzen hin so mache ichs denn auch ehe ich so horend die Leute bezahlen muß. 6 Groschen für die Stunde. Das Modell das mir gesessen hat 10 Gulden und einige 30 Kreuzer von mir verdient dies möchte den Onkel pankerot machen. Ich werde drauf sinnen ein passendes Bild für Deine Anstallt zu copieren allein nicht früher als im nächsten Sommer, wo ich wahrscheinlich in Dresden sein wer|de und dann wol bei Hüttels wohnen müssen da die alte gute Frau mir im letzten Briefe das Versprechen abgeringt. – Ich fühle mich ausgezeichnet wohl hier in München bei den Verwandten und doch gedenke ich recht gern an die Zeit in Dresden zurück wohl habe ich viel unangenehme Erfahrung gemacht allein auch viel angenehme heitere Stunden verbracht, mir ist’s als läge in dieser meiner Studierzeit viel ähnliches mit der Fuchszeit oder überhaupt Studienjahre auf der Universität. – Daß sich aber die Leute so viel um mich kümmern, scheint mir wunderbar, und der gute Bröker  ! Lächerlicher Patron, ärgere ich mich doch noch heute daß die bayerischen Dampfnudeln oder was es für Leckerbissen gewesen sein mögen mehr Macht über ihn hatten als ich. – Gestern war ich also mit Tirschens ins Museum gegangen die Mutter und eine Tochter waren meine Begleiterinnen es war ein Concert von mehreren Personen gesungen und gespielt worunter auch eine russische kaiserliche Hofsängerin Witthof61 sich hören ließ und wider Erwarten gut sang, ich hatte innige 61 Die Suche nach dieser russischen Hofsängerin ergab kein Ergebnis.

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Freude darum, da ich, ehe sie auftrat den mir zunächst sitzenden Damen und Herren plassieren geholfen, ich that es nicht aus meiner wirklichen Überzeugung daß aus Petersburg nichts Besonderes kommen könne sondern nur mich nicht gleichsam selbst zu loben da ich so eben den Damen von der Tirsch als eine Russin vorgestellt war. Der recht grosse Saal war überfüllt und mit besonders vielen hübschen blühenden jungen Mädchen, ich kann fast sagen daß man hier ein hässliches Gesicht suchen müsste während umgekehrt in andern Orten die hübschen gesucht werden müssen. Meine ziehrliche Nase mit dem übrigen Zubehör hat einmal hier eine Ausnahme gemacht, welches Glück  ! – In den Ständeversammlungen geht es fürchterlich bunt her und so sehr bunt daß die neu erwählten Minister wol alle | nun ihre Entlassung einreichen werden. Du achtest und schätzt den König hoch wegen seines Kunstsinnes, ja wohl dies muß man auch, wenn man alles übrige abstrahiert. Es klingt wol lächerlich daß ich ihn wenig oder gar nicht vertheidigen kann, so sehr ich’s auch anfangs that doch wüsstet Ihr seine herzlosen unsinnigen Streiche alle die täglich er an den Tag legt, ich bin überzeugt, eben so würdet Ihr reden und schimpfen wie das ganze bayerische Volk es thut  ; es wäre in der That keine geringe Aufgabe Euch nur ein genügendes Bild von diesen Hofintrigien zu geben, täglich könnte man bogenlange Notizen sammeln. Bernhardt habe ich heute nach dem Preise seiner Arbeiten gefragt und erfahren daß ein gewöhnliches Brustbild 20 Loidors, ein Bild mit einer Hand 25 und ein Kniestück mit beiden Händen 30 Loidors kosten, d. h., in Lebensgröße. In halber Lebensgröße sehen Gemälde nie schön aus außer ganz klein – Wer ist denn der gute Mann der sich gemalt zu sehen wünscht  ? Kann man dies nicht wissen  ? Kommt dieser Namenlose nicht bald im nächsten Sommer so trifft er den Bernhardt nicht mehr hier da derselbe im Herbst die Absicht hat nach Russland zu gehen um sein Glück zu machen. – Tante und Onkel sind gesund auch die beiden Tanten die ich neulich besuchte, es ist mir schmerzlich daß ich der sehr großen Entfernung wegen bei diesen kurzen Tagen so selten zu ihnen kann, nun ich will um so öfter im Frühling zu ihnen – Tante Ottilie hat mir tausend Grüsse und Küsse an Euch alle aufgetragen. Die gute Tante ist bemüht meine Strümpfe mir neu anzustricken und sie überhaupt in Stand zu setzen. So auch hat sie mit Hülfe einer Näherin alle meine Kleider in Ordnung gebracht, kurz für alles sorgt sie, wenn ich’s nur auch recht verdiente  ! – Daß Herrmann (Abb. 7) sich also doch wieder meinem Erwarten entschlossen seine Lithographie hier machen zu lassen freut mich  ; ich hoffe es wird ihn auch nicht gereuen, wenigstens will ich mir Mühe | geben seinen Wünschen zu entsprechen. Die kleine Broschire über die Malerei des Tizian ist gegenwärtig hier nicht zu haben allein ich habe sie mir durch meinen sehr dienstfertigen lie-

72 | Die Briefe benswürdigen und sehr geistvollen Vetter Aloys verschreiben lassen und denn will ich sie recht studieren. Bernhardt sagt daß er es für das praktischte hält die Untermalung so wie die Natur ist werden lässt nur um 2 Töne grauer aber ein und dieselbe Farbe mit der man übermalt denn sonst wird das Gesicht oder überhaupt Bild stumpf. Den Aloys habe ich fast fertig d. h. den Kopf welcher nicht so übel auf der grauen Untermalung aussieht, doch sagte mir einmal Bernhardt daß ein solches Bild immer mit einer Lasurfarbe überzogen werden müsse sonst hielte es gegen andere Bilder nicht stich. – Bernhardt ist als Lehrer so ausgezeichnet wie ich mir nur denken kann, mein Wunsch geht nur dahin daß er mit mir ebenso zufrieden sein möchte wie ich mit ihm. Für Carl62 werde ich mich des Mikroskop’s wegen erkundigen wie ich höre sollen sie bei Udsschneider63 sehr theuer sein. – Die einliegenden Briefe bitte ich schön zu besorgen  ; den für Fanny Wachter wäre mir lieb wenn sie ihn bekäme ohne daß die Mutter oder Emma sehen es ist eine Antwort auf ihren Brief und ich bin nicht gewiß ob ihr angenehm ist wenn der Inhalt desselben den Ihrigen bekannt wäre obgleich nichts verbotenes er enthält. – Die Ständeversammlung ist mit Heute beschlossen und wirklich alle Minister entlassen. Meine Grüsse wie gewöhnlich an alle. Wenn Ihr nach Wrangelshof64 und an die Brüder schreibt so schließt auch dahin meine herzlichen Grüsse ein – Gern möchte ich noch etwas schreiben nur weiß ich nicht was daher wünsche ich Euch ein Lebewohl möchtet Ihr nur immer gesund und zufrieden leben dies ist der aufrichtigste und sehnsüchtigste Wunsch Eurer Tochter Julie. d  : 1ten Dec 47 Den Brief an Ledebour65 werde ich abgeben, meinen Dank dem Bröcker.

weil der Brief schwerer als gewöhnlich ist so habe ich die Absicht ihn bis zur Grenze zu bezahlen. – 62 Der ältere Bruder Carl Hagen (geb. 1823) studierte Pharmazie in Dorpat. 63 Joseph von Utzschneider (1763–1840) war Unternehmer und Geldgeber für das zuerst von Josef Fraunhofer (1787–1826) geleitete Mathematisch-Technische Institut in München, das optische und astronomische Präzisionsinstrumente herstellte. 64 Wrangelshof, estnisch Prangli, ist ein ca. 24 km südlich von Dorpat/Tartu gelegenes Dorf, zu dem mehrere kleinere Güter gehörten. Der Großvater väterlicherseits, Ernst Andreas Hagen (1767– 1846), war Mühlenpächter auf Klein-Wrangelshof (Väike-Prangli), dem Geburtsort Julie Hagens. 65 Carl Friedrich von Ledebour (1786–1851) war Botaniker und kaiserlich russischer Staatsrat. 1811–1836 hatte er in Dorpat gelehrt und war Gründer und Direktor des dortigen Botanischen Gartens. Zahlreiche Studienreisen führten ihn nach Sibirien und Zentralasien, nach seiner Emeritierung lebte er in Odessa, Heidelberg und schließlich in München. In Heidelberg lernten er

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Abb. 7  : Julie Hagen Schwarz, Bildnis Hermann Eduard Hartmann, 1854, Tartu Art Museum

und seine Frau, Elisabeth von Ledebour, geb. von Mirbach (1786–1863), Julie Dreuttel kennen, die sie wie eine Tochter annahmen und die mit ihnen in München lebte. Die Familie Ledebour versammelte regelmäßig einen Kreis von Künstlern, Dichtern und Intellektuellen um sich, genannt »die Ecke«, den auch Julie Hagen regelmäßig besuchte.

74 | Die Briefe Anna und Cecilie von Paumgarten an ihre Schwester Johanna Hagen, geb. von Paumgarten, aus München, 21.11.1847 (angehängt an den Brief von Julie) München den 21ten November 1847.

Liebste theuerste Frau Schwester  ! Unendlich hat es uns gefreut liebste Frau Schwester nach so vielen Jahren, von Dir Deinem lieben Mann und von Deiner ganzen Familie wohl etwas zu erfahren und bedauern von Herzen, daß sich Herr Schwager immer sehr leidend befindet, oft waren wir im Geiste bey Dir, und den Deinigen, und sagten oft zusammen, ob ihr wohl alle gesund seyn werdet, und wo Deine lieben Kinder vielleicht schon zerstreut sein werden, doch Deine liebe gute Julie gab uns Kunde von ihren lieben Aeltern, und allen Geschwisterten. Es freut uns recht von Herzen, Julie diesen Winter in unserer Mitte zu sehen, heute besuchte ich sie in ihrem Atelie sie hatte so ehben ein Bild fertig, nehmlich einen alten Mann mit einem langen Bart nach der Natur gemalen, welches gewiß mit ausgezeichnetem Fleiß gearbeitet ist, ich hatte meine größte Freude daran, Herr Bruder Karl und Frau Schwägerin, bitten alles auf, Ihrem Zille recht vill zu lernen, welches Julie noch recht ville Mühe kosten wird, zu entsprechen und wir wollen den lieben Gott um Ihre stete Gesundheit und um seynen Segen dazu bitten, und so wird Julie gewis getrost als ausgezeichnete Künstlerin in Ihr Vaterland, und in die Arme Ihrer | lieben Aeltern zurückkerren, Liebste Frau Schwester  ! es kostet uns ville Thränen daß wir der Julchen nichts thun können da wir nur 8 fl Pension des Monaths mitsammen vom König bekommen, und wir jetzt alt, und uns mit Handarbeit wegen Schwäche unsers Augenlichts nichts mehr vertienen können, und jetzt alles so theuer ist daß man sich fast nicht mehr halten kann. Es ist sehr traurig, daß wir unsere ganze Lebenszeit so kummervoll unser Leben fristen müssen früher mussten wir dienen und später mit Händearbeit unser Brod vertienen, und je Elter wir werden, desto schlimmer werden die Zeiten, und nur mit schaudern kann man an die Zukunft denken, doch es ist der Wille Gottes, wir müssen mit Geduld ausharren bis ans Ende, welches uns vielleicht nicht mehr ferne ist, doch hofen wir uns ein besseres jenseits, wo wir gewiß unzelige Freuden genießen werden, und alle ohne Unterschied wieder zu finden. Bruder Karl und Frau Schwägerin sind unsere besten Wohlthäter, der liebe Gott, erhalte sie noch lange recht gesund, und glücklich zu aller unserem Besten. Um Julie darfst Du Dich jetzt nicht kümmern, sie ist in den besten Händen, wie wenn sie Zuhause wäre und der liebe Gott erhalte sie recht gesund, und Seegne Ihre Arbeiten, und schenke ihr Glück in allen Unternehmungen, sie vertint es auch, die liebe Julie ist ein recht gutes Kind es wirt Dir schwer gefallen seyn, sie auf solange Zeit entberen zu müssen, doch die Freude, sie wieder | zu besitzen, wird

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Dir gewiß über alles seyn, und Julchen wird gewis in allen Unternehmungen Ihr Klück finden den sie hat ein gutes Herz, hat uns armen, aus ihrer eigenen Poerse, schon mitgetheilt, welches uns sehr schwer fiel es anzunähmen welches Ihr der liebe Gott 1000 fach vergelten soll, und wirt, wir danken auch Dir und Herrn Schwager, für diese Gabe, es kommt ja auch aus Euren Händen. Münchens Neuichkeiten lasse ich Julchen zu schreiben übrig und in der Hoffnung daß Euch unsere Zeilen gesund und wohl erreichen werden küssen wir Dich und die Deinigen in Gedanken 1000 mal und wünschten auch einige Zeilen von Dir zu erhalten welches uns gewiß recht freuen wirt, und verbleiben Deine Dich liebenden Schwestern Anna und Cecilia von Paumgarten Herrn Schwager lassen wir herzlich grüssen, und es hatte uns recht gefreut, wie er voriges Jahr in Karlsbad war auch uns in München besucht hätte, daß wir ihn doch auch kennen gelernt hätten, da es aber nicht seyn konnte, so wollen wir es ihm verzeihen und auf ein andermahl hofen. Verzeihe meine schlechte Schrift, Lebewohl. Vermerk von Julie

NB. Ich habe nur selten noch Kopfweh aber wenn sie mich an die früheren erinnern so sind sie auch recht bös aber wie gesagt dies ist nur höchst selten der Fall Julie Carl von Paumgarten an seine Schwester Johanna Hagen, geb. von Paumgarten, aus München, 30.11.1847 (angehängt an den Brief von Julie) München den 30ten Nov 1847

Meine liebe theure Schwester. Dein Schreiben an mich bekräftigt mir neuerdings, daß Zeit und Entfernung Deine Liebe zu mir gleich erhielten  ; auch ich blieb Dir im Geiste mit gleicher Liebe u. Anhänglichkeit getreu. Zeitabschnitte unserer Lebensverhältnisse, große Entfernung erschwerte zum Theil das Schreiben, und so konnten viele Jahre darüber vergehen. Von meiner Frau hast Du erfahren, daß wir glücklich leben, Schwester Elise, die wir vor 2 Jahren, als wir die Schweitz bereißten besuchten, fanden wir gesund und zufrieden, Friederike ist bei ihr, und lebt mit ihren 3 Stiefschwestern in guter Harmonie, sie ist groß und brav geworden. Seit Schwester Pegi gestorben, komme ich in gar keinen Verkehr mit Kugler, er hat wieder geheurathet, sich aber in seiner Rohheit gleich geblieben, seine älteste Tochter Therese ist vor 10 Monaten gestorben, eine ist nur verheurathet und 3 sind theilweise zu Hause, theils im

76 | Die Briefe Dienst, traurig genug, nachdem alle körperlich kräftig mit Thalent begabt, durch den Leichtsinn ihres Vaters und der mißmuthigen Mutter, für alles bessere vernachlässigt wurden. Schwester Anna und Cecil schreiben Dir selbst alles übrige wie es bei uns zugeht wird Dir Julie schreiben und somit grüsset und küsset Dich mit der innigsten Liebe Dein aufrichtiger Bruder Carl Viele Grüße an Deinen Mann und Kinder Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 18.12.1847 München d  : 18ten Dec 47

Meine theuren innig geliebten Aeltern  ! Wahrhaft erschreckt bin ich daß wirklich schon 3 Tage über zwei Wochen vergangen da ich zu letzt Euch geschrieben – ich soll, wie meine Pflicht ist mich wegen des langen Schweigens entschuldigen allein was helfen Entschuldigungen  ? – Ein Vergehen oder Unrecht bleibt trotz dem dasselbe ich will lieber mir vornehmen mich zu bessern wenigstens mich nicht wie jetzt durch allerlei Dinge die mir hindernd in den Weg treten vom Bessern zurück halten lassen oder mich gehen lassen. – Je länger man schweigt desto weniger glaubt man zu wissen und andern mitzutheilen und endlich schweigt man ganz  ; so sitze auch ich da kaum wissend was Euch erzählen, das ist Etwas das ich Euch schon im vorigen Brief geklagt, wol glaube ich dass dies Euch merkwürdig, unbegreiflich düngt und doch ist’s so  – wie kann’s im Ganzen auch anders sein indem die wenigen Tagesstunden ausschließlich nur im Attelier verbracht werden und am Abend ich zu Hause bin da man nicht aus zu gehen flegt ohne eine förmliche Einladung erhalten zu haben. Das Weihnachten ist heran genaht nur noch gar wenig Tage dann wird es hier gefeiert während Ihr noch vielleicht mit Vorbereitungen zu diesem Feste beschäftigt seit auch wir sind beschäftigt gewesen und sind’s noch zum Theil, besonders die Tante, die macht große Vorbereitungen und thut oft erschrecklich geheimnisvoll. Ich glaube daß sie einen Weihnachtsbaum für mich putzen wird da sie meine drei Fettern schon lang zu dem | Abende eingeladen hat. Ich habe nur wenig arbeiten können wie Euch begreiflich sein wird, diese Kleinigkeiten wollten aber doch auch gemacht sein und darum also am Abend wenn die Tante und der Onkel schlafen gegangen blieb ich auf und nähte statt Euch zu schreiben. Im Attilier da geht es fort und fort  ; Bernhardt kommt täglich und korregiert, er ist ein ausgezeichneter Lehrer, ich glaube kaum dass ein zweiter ihm in gründlichem Unterrichten gleich kommen wird übrigens dies Zeugnis geben ihm alle sowol jung als alt – ich male und quäle mich dabei ich habe begonnen prima66 zu malen 66 Die Primamalerei (vom Italienischen »alla prima«) ist eine Maltechnik, bei der die Farbe ohne Vermischen mit anderen Schichten, Retuschieren oder Auswischen direkt auf die (grundierte)

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auf Bernhardts Wunsch wobei mir die beiden ersten Köpfe nicht fertig wurden weil mirs zu rasch trocknete. Allein jetzt habe ich einen Kopf, die Schwester meiner Attiliergenossinn,67 ein ziemlich hübsches Mädchen unter Händen die mir zu gelingen scheint  ; man kommt zuletzt dahinter auch ohne Untermalung die Farben reicher zu bekommen, freilich mit mehr Mühe, doch mich soll die Mühe nicht verdrießen. Bernhardts Urtheil war daß ich brav empfinde einen guten Vortrag habe u. s. w.  – er scheint im Allgemeinen zufrieden zu sein und ist er’s dann bin auch ich’s wenigstens für einen Augenblick. – Gott Lob die Tage werden nun bald beginnen zu zu nehmen dann auch werde ich mehr arbeiten können. Seit etwa 10 Tagen haben wir hier eine recht anständige Kälte 8 bis 10 Grad unter Null dabei sind die Bäume so herrlich bereift daß mir’s ein wahres Gaudium ist sie zu bewundern bei meinen häufigen Gängen durch den englischen und Hofgarten ins Attilier. Die Tanten und der Onkel sind alle wohl wie auch ich, nur seit ein paar Nächten werde ich durch heftiges Zahnweh an meinem sonst ziemlich süßen Schlaf verhindert. | Gestern erhielt ich von Reiher68 aus Mitau einen Brief, worin er mir die Ankunft des Prof. Mädler meldet und zugleich seine Wünsche ausspricht, und unter andern sagt  : ich möge die Zeichnung in der besten lithographischen Anstalt machen lassen, ferner spricht er von Hanfstengel daß dieser wie er gehört habe nicht mehr in Dresden sey sondern in München sich aufhalte außerdem schreibt er mir den Preis, welchen Wiedenbauer verlangt als koste es in München überhaupt nicht mehr – mich hat es einiger Maaßen verdrossen da ich nun doch nicht weiß ob es ihm recht sein wird wenn es von Wiedenbauer gemacht wird oder nicht, jedenfalls macht dieser es besser als Hanfstengel  ; Leinwand aufgetragen wird. Der Künstler mischt auf der Palette wenige Farben und setzt sie als letztgültigen Farbton ein. Diese Technik setzt voraus, dass der Künstler eine genaue Vorstellung vom fertigen Bild hat und sicher im Auftrag ist, im Gegensatz dazu erfordert die Schichten- oder Lasurmalerei viel Geduld und bietet aber mehr Möglichkeiten für Korrekturen oder Entwicklungen aus der Tiefe mit mehr Tonigkeit. Die Primamalerei verbreitete sich vor allem mit der Freilichtmalerei der Impressionisten, die ihre Ölbilder im Freien gleich fertig malten. Um 1850 war sie noch eine wenig verbreitete Technik und wurde vor allem für Studien angewandt. 67 Lina List hatte zwei Schwestern, die 1818 geborene Emilie und die 1822 geborene Elise, Letztere war 1842 von Joseph Karl Stieler (1781–1858) für die »Schönheitengalerie« Ludwigs I. im Nymphenburger Schloss gemalt worden (bez. a. d. Rs.: »Elise List geb. 1822 zu Stuttgardt, gemalt von Jos. Stieler 1842«, Öl auf Leinwand, 71 × 59,3 cm, Inv.-Nr. Ny. G0047). Es ist demnach wahrscheinlich, dass Julie Hagen diese schöne Schwester Lina Lists ebenfalls porträtierte. Elise List hatte 1845 den Fabrikanten Gustav Moritz Pacher von Theinburg (1808–1852) geheiratet, nach seinem frühen Tod lebte sie in München, wo sie 1893 verstarb. 68 Gustav Adolph Reyher (1794–1868) war Verlagsbuchhändler in Mitau und beauftragte Julie Hagen offenbar in München Lithografien eines Bildnisses des Astronomen Johann Heinrich von Mädler von Hermann Eduard Hartmann für seine Verlegertätigkeit herstellen zu lassen.

78 | Die Briefe ich erwarte nun die Zeichnung in wenigen Tagen und dann werde ich wol selbst dem Reiher schreiben müssen d. h. ich werde zu vor verhandeln  ; nach meinem Gutdünken diesem oder jenem die Arbeiten übertragen. – d  : 21ten Die Zeichnung von Hartmann ist heute angekommen, wurde von mir in größter Hast von Neugierde getrieben aufgemacht und besehen  ; auch hat Onkel heute schon Wiedenbauer gebeten zu mir zu kommen und so will ich ihm sie denn übertragen. Heute schon früh gedachte ich des neuen Jahres den Du, lieber Vater gewöhnlich an diesem, dem kürzesten Tag feierst, heute hast Du begonnen Deine Lieblinge, die Rosen zu veredeln und heute athmest Du neue Hoffnungen, frischen Muth für das kommende Jahr ich bin froh für Dich daß diese unleidlich trübe, trostlose Zeit vorüber ist, Gott mag Dich, Du gute herrliche Mutter und sämtliche Geschwister wohl und heiter erhalten dann bin auch ich ganz ja ganz glücklich. – Mein Vetter Aloys hat | mir die kleine Broschire über die Malweise Tizians69 versprochen und jetzt vor einigen Tagen gebracht  ; ich las sie mit einem wahren Durst nach neuen Erfahrungen durch allein fand nichts was ich nicht schon wusste  ; was ich nicht in Dresden schon theils durch eigene theils durch Erfahrungen Anderer kannte hat mir Bernhardt schon erzählt und erklärt. Ich finde daß bis jetzt über Kunst sehr gut geschrieben ist allein nur für Leute der Art, die schon wirklich was verstehen und wirklich Künstler sind, ein Stümper wird durch solche Lehren nicht klüger im Gegentheil er wird zurück kommen. 26ten Dec 47. Wir hier haben heute schon den zweiten Weihnachtsfeiertag während Ihr nur einen gewöhnlichen einfachen Sonntag feiert – nun endlich ist der lang besprochene und wohl auch erwartete Weihnachtsabend vorüber und ist auch recht angenehm und heiter vorüber gegangen. Am Tage der Weihnacht hatte ich nicht im Attilier gearbeitet da ich tags vorher mit Fräulein List fertig wurde und nichts Neues beginnen wollte – diesen Tag, der erste Faule seit ich hier bin benutzte ich um meine nothwendigsten Besuche zu machen und Attiliers zu besuchen in welche ich eingeladen war, Onkel war mein Begleiter also gingen wir zuerst zum Bildhauer welchen wir aber nicht trafen allein im Attilier wurde gearbeitet und wir sahen uns darin um, mehrere Bariliefs die Kreise Bayerns darstellend und 8 Siegesgöttinnen waren für das Siegestor bestimmt in Arbeit  ;70 besonders entzückte mich daselbst eine Statue, die Unschuld 69 Rudolph Wiegmann, Die Malweise des Tizian. Nach Ergebnissen der von dem Maler A. Dräger angestellten Untersuchungen und Versuche (abgedruckt aus dem Correspondenz-Blatt des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen), Düsseldorf 1847. 70 Die Entwürfe der Reliefs für das Münchner Siegestor stammten von Johann Martin von Wagner, wurden aber von mehreren anderen Bildhauern ausgeführt, u. a. Max von Widnmann, Peter

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vorstellend, es saß nämlich eine wunder liebliche weibliche Gestald mit einen Körbchen auf dem Schoos worin drei prächtige kleine Engelchen sich befanden, der eine davon bemühte sich mit Gewald über den Rand des Korbes hinüber zu klettern, der zweite lag auf dem Leib und hatte | sein Köpfchen auf beiden Händchen ruhend, etwa so wie der von Raphael und der dritte kleine Kerl lag auf dem Rücken der von der Jungfrau an einem Flügel sehr zahrt erfasst war um ihm empor zu helfen. Von hier aus gingen wir zu Ledebour um mich endlich des Briefes zu entledigen71 – Ihr werdet mich gewiss nicht begreifen können daß so lang ich gezögert ja wol es war lang nur konnte ich keine Stunde finden d. h. gerade zur passenden Vesitenzeit um hin zu gehen. Der alte Ledebour scheint ein gar wunderlicher Mann zu sein, er begegnete seiner Frau nicht gerade zahrt und gab mir’s durch ein paar verdrießliche Worte zu fühlen wie dumm es von mir gewesen den Brief solang behalten zu haben. Ja, er hat recht  ! Doch verstehe ich nicht wie die Menschen nicht begreifen daß eine, sich der Kunst ergebene Person nicht die Zeit hat am Tage aus zu gehen und am Abend thut man’s hier nun einmal nicht, ich glaube daß ich nicht oft oder am Ende gar nicht wieder hin komme. Zu Tirschens will ich heute zum Abend hin gehen, da diese Familie zu den wenigen hier in München gehört welche gern ungebetene Gäste bei sich sehen. Von Ledebour führte mich Onkel zum Professor Schorrn72 der sein Attilier im Akademiegebäude hat, dieser malt für die Neue Pinakothek ein Bild von 39 Fuß lang und beinahe derselben Höhe »Die Sindfluth« darstellend. – Das Bild kann sehr schön werden allein hält keinen Vergleich mit dem von Kaulbach aus  ; dieses hier ist in der Composition nicht groß, nicht reich, ich möchte sagen einseitig indem durch das ganze Bild eine fürchterliche Verzweiflung geht und doch hat mich’s nicht ergriffen, hingegen das Bild von Kaulbach muß jeden Menschen, auch den schlechtesten tief erschüttern, das Schrecklichste neSchöpf, Johannes Leeb (1790–1863), Francesco Sanguinetti (1800/04–1870). In wessen Atelier sich Julie Hagen hier befand, ist daher unklar. 71 Dies war der erste Kontakt zu der Familie Ledebour durch ein Empfehlungsschreiben von Bröckers aus Dorpat. Der Kontakt intensivierte sich und gehörte zu den wichtigsten während des Aufenthalts der Künstlerin in München. 72 Der Maler Carl Schorn (1803–1850), in Düsseldorf, Paris und München ausgebildet, danach tätig in Berlin, kehrte nach einem Italienaufenthalt nach München zurück und wurde 1847 zum Professor der Akademie ernannt. Für die seit 1846 im Bau befindliche Neue Pinakothek beauftragte König Ludwig I. Schorn mit dem monumentalen Bildwerk die Sündflut (1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 592 × 827 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. WAF 973). Bei dem Werk Kaulbachs bezieht sich Julie Hagen auf die Zerstörung Jerusalems durch Titus von 1846 (nicht bez., Öl auf Leinwand, 585 × 705 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. WAF 403), die ebenfalls vom König für das künftige Museum beauftragt worden war, vgl. S. 55. Beide Werke sind abgebildet bei Rott, 2003, S. 215 und S. 322.

80 | Die Briefe ben dem | Zahrtesten ist so herrlich so göttlich verbunden wie man’s nicht leicht besser machen nicht denken kann. Endlich aus diesem Attilier zu Professor Halbig,73 Bildhauer, als ich ins Attilier trat sieht mich ein etwas pucklicher behaarter Mann fragend an auch mir schien’s ein bekanntes Gesicht  – dieser auf mich zukommend in dem er mich fragte  : »herrje am Ende gar Frä. Hagen.« Ich aber wusste immer noch nicht wer er sey – er nannte mir seinen Namen und erinnerte mich daß wir die Seereise nach Stettin zusammen gemacht hatten. Sein Name endet auf Hagen nur ist mir die erste Silbe wieder meinem Gedächtnisse entschwunden. Halbig erschien darauf, ein kleines lustig aussehendes Männchen, war übermäßig freundlich und sagte mir viel schöne Sachen die man ihm aus Dresden über mich geschrieben habe. Er könnte mich in das größere Attilier nicht führen da grade Modell dort war allein zwei prachtvolle Löwen aus Stein gehauen von mächtiger Größe bestimmt vor dem Eingange des neuen Kronprinzenpalast zeigte er mir und so war der Vormittag vergangen und wir gingen nach Hause. Nachtisch mußte ich der Tante helfen Butterbrodte schmieren Weißbrod und Kuchen zerschneiden zum Abend zum Thee den ich besorgen sollte damit er ganz wie der russische schmecken sollte bald aber war ich mir allein überlassen, Tante und Onkel hatten sich in das Wohnzimmer eingeschlossen um wie ich mir wol denken konnte das Christkind zu putzen. – Zwei junge Mädchen hatte Tante noch zum Abend gebeten welche sich gegen 6 und später meine 3 Vettern einfanden, als nun alle beisammen waren wurde mit einemmal an der Hausglocke auf eine ungestüme Weise gezogen und wer war es  ? | Das Christkind war angekommen, wir eilten der Thür zu wo uns der Glanz der vielen Lichter entgegen strahlte, kindische Freude wurde von allen Anwesenden gezeigt und alle waren recht viel beschenkt, besonders ich war gut bedacht – Von der Tante ein Kirschbraunes merino Kleid ein batist Schnupftuch worin mein Name sehr schön gestickt ist ein Knüpftäschchen ein paar Strümpfe 3 paar Handschuh und Schuh ein Körbchen angefüllt mit Confect, vom Onkel hatte ich ein prachtvolles Album bekommen welches so schön ist daß es mich in Verlegenheit setzt womit anfüllen, von meinen beiden ältesten Vettern Gedichte von Friedrich Rückardt74 und vom jüngsten ein Serviettenring von Silber von ihm selbst gearbeitet  – ja noch Etwas, bald hätte ich das vergessen  : einen Rutenbund von Aloys welchen er selbst von einer seiner verheiratheten Cousinen kurz vorher erhalten, dieser machte mir Spaß – 73 Der Bildhauer Johann von Halbig lieferte u.a. das Viergespann mit den kolossalen Löwen für das Siegestor (1847), die Quadriga mit Bavaria wurde bei Ferdinand von Miller gegossen. Vgl. Anm. 45. 74 Friedrich Rückert (1788–1866, Pseudonym  : Freimund Raimar, Reimar oder Reimer) war ein deutscher Dichter, Übersetzer und einer der Begründer der deutschen Orientalistik.

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Nachdem wir uns alle geküsst und geherzt, voll Freude und voll Wonne über das Bescherte gingen wir zum Thee und waren recht vergnügt bis ½ 12 Uhr zogen uns dann an um die Mett in den verschiedenen Kirchen an zu hören.75 Es war eine Mond helle klare Nacht nur etwas windig. Bei der Ludwigskirche fingen wir an sahen uns die Beleuchtung an und gingen weiter da die Musik noch lang nicht beginnen sollte die Allerheiligenkirche oder Hofkirche folgte  ; Als wir hinein kamen war alles besetzt an einem Platz zum Sitzen war gar nicht zu denken, wir bemüthen uns durch das Volk zu drängen allein es gelang uns nicht also blieben wir am Eingange der Kirche stehen. Der Hof | war noch nicht da darum wehrte es wol noch eine viertel Stunde bis die Musik begann währenddessen hatte ich Gelegenheit zu finden daß das Publikum in den Katholischen Kirchen sich fast nicht anders betragen als wie im Theater. Durch das große Gedränge war’s nicht anders möglich als daß einige recht sehr gedrückt und gequätscht wurden wenigstens verrieht dies einige mal ein angst- und wehklagendes Geschrei worauf das Volk fast laut anfingen zu lachen – Die Musik war indess nicht so schön wie man erwartet, ehe es aus war gingen wir fort um noch in die Frauenkirche zu kommen wo mir’s viel besser gefallen die Beleuchtung war reich und prächtig und der Gesang und Instrumentalmusik war wirklich erhebend, nachdem das Wiegenlied von Schubert vorgetragen gingen wir fort um in die Jesuitenkirche zu kommen, welche ich noch nicht gesehen, diese sollte die schönste in München sein allein hier war die Feierlichkeit aus und nun noch gingen wir im Vorübergehen in den Bürgersaal wo es uns aber gar nicht gefallen weder das Innere der Kirche noch der Gesang, Letzteres konnte im Ganzen nicht besser sein da die Kräfte Münchens so sehr getheilt waren da in allen Kirchen Mett war  – Nach dieser Feierlichkeit geht dann das Volk in den Gasthöfen um Würste zu speisen daher der Name Mettwurst. Die Uhr war 2 als wir heim kamen und müde legten wir uns sogleich ins Bett kaum war ich aber eingeschlafen erweckten mich Zahnschmerzen wieder und so durchwachte ich die Nacht und lag müde und matt noch um 9 Uhr, des anderen Morgens im Bette. Besuch fand sich ein und ich saß noch unangezogen da, um 11 Uhr ging ich in die Kirche, dann in den Kunstverein und zu Mittag in die Blaue Traube ein neues prachtvolles Gasthaus, ich hatte | Tante den Vorschlag gemacht damit ich etwas das bayrische Völkchen kennen lernen könnte, sie fand den Vorschlag sehr vernünftig da sie und unsere alte Magd nichts zu thun hatten – eine Tafel von 50 Person aber meist Herren speisten da nur wenig Damen, das Essen war gut auch die Bedienung war nicht übel sonst fand ich die Tischgesellschaft ruhig und das Sonderbarste war daß kein einziger Bier trank sondern nur Wein, von 1 bis 3 Uhr dauerte die Tafel und wir gingen nach Hause – Vor 7 Uhr legte ich mich schon zu Bette obgleich zwei 75 Die traditionelle Christmette am Weihnachtsabend beginnt in der Regel um Mitternacht.

82 | Die Briefe meiner Vettern gekommen waren. Die Nacht habe ich wider Erwartung gut geschlafen. Ein Brief von Hüttels hat mich heute erfreut und morgen hoffe ich einen von Euch meine theuren Aeltern zu erhalten. – Die beiden Tanten sind wohl und senden recht herzliche Grüsse Euch ich hatte sie ein paar Mal in dieser Zeit besucht ich kann nur wenig von und über sie erzählen da sie sehr still und ruhig dahin leben. – Außerdem weiß ich auch nichts das Euch interessieren könnte – Den Kunstverein besuche ich oft, sooft ich kann und finde oft Sachen, die der Bewunderung werth sind besonders Landschaft, darin wird viel geleistet, Porträts sind höchst selten ausgestellt. Der Verein kauft sehr viel an allein auch Manches Schlechte. Wiedenbauer ist noch nicht hier gewesen um die Zeichnung in Empfang zu nehmen, wahrscheinlich noch unwohl, da ihn Onkel so getroffen kommt er in den nächsten Tagen nicht so gehe ich wohl hin. – Hüttels schreiben mir nichts besonderes als daß der Vater am heutigen Tage in der Friedrichstätter Kirche (Vorstadt von Dresden) prädigen wird da er seit einiger Zeit stark mit dem Gedanken um geht Pastor auf dem Lande zu werden da es immer und immer theurer in der | Stadt wird was freilich den jungen Mädchen nicht ganz recht ist. Dann schreiben sie mir von einer Fräulein Erdmann aus Wolmar die sie besucht habe welche mit ihrer gichtkranken Mutter das Teplitzer Bad gebraucht habe, ist es etwa die Frau des jetzt berufenen Professors Erdmann zu Dorpat  ?76 – Von meinen übrigen Bekannten schreiben sie nur sehr sehr wenig. d  : 27ten Dec dritten Feiertag, heute also wieder frisch an die Arbeit nach dreitägigem Nichtsthun, eigentlich angenehm sind mir diese drei Tage bis auf den ersten nicht verstrichen da ich von Zahnschmerzen geplagt worden bin  ; gestern konnte und mochte ich der peinlichen Schmerzen wegen nicht, wie mein Wunsch und Wille gewesen zu Tisch gehen sondern amisierte mich mit meinem lästigen Besuche. Die Schmerzen sind rein r{h}e{u}matischer Natur und ich hoffe bald sie angebracht zu haben da mir Onkel aus seiner homeopatischen Hausapotheke einige Streukügelchen zum Speisen gegeben. Heute zu Mittag als ich nach Hause gekommen war meine erste Frage ob ein Brief angekommen  ? Doch alles sagte nein obgleich ein etwas fremder Ausdruck im Gesicht des Onkels und der Tante mir nicht entging, ich fragte darauf unsere alte Magt Jenofefa die die Speisen herein trug ob sie nichts von einem Briefe wisse, auch diese nur lächelte und wusste nichts, also war ich ruhig und dachte mir  : er kommt wohl noch  ! – Nach dem Essen ging ich wie gewöhnlich ins Wohnzimmer woselbst die Tante gewöhnlich arbeitet und siehe da lag der theure Brief  ! Als Disser [sic] hatten sie ihn 76 Die Frau des Mediziners Johann Julius Friedrich Erdmann war Henriette Charlotte Erdmann, geb. Eckardt (1814–1894), vgl. Anm. 12.

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mir bestimmt – Voll Freude wurde er augenblicklich von mir aufgebrochen und gelesen allein die Uhr schlug 2 und noch war ich lang nicht fertig – Die Zeit war lang schon vorüber wo ich gewöhnlich flege zur Arbeit zu gehen darum mußte ich mich recht sehr zusammen nehmen die lieben theuren Briefe ungelesen in die Tasche zu stecken und ins Attilier zu eilen – dort angelangt fand ich’s dunkel daß ich trotz meiner Bemühung Etwas zu thun nicht konnte was dies | Mal mir recht willkommen war da ich dreist meine Briefe heraus ziehen durfte. Ich las und las immer wieder und finde daß eine ziemlich heitere Stimmung durch alle Briefe geht das mich überaus glücklich macht nur begreife ich nicht ganz wie mein letzterer Brief Euch so trüb geschienen da ich doch nichts Unglückliches, wie ich mich erinnere Euch geschrieben hatte, ja ja Ihr habt lang von mir kein ruhiges Schreiben gehabt, immer voll Übermuth und abentheuerliche Erlebnisse doch bei ernsteren Studien muß man nothwendig ernster werden sonst kann nicht gut was Rechtes werden. Ich lebe jetzt fast ausschließlich mit meinen Gedanken nur in meinem Farbentopf, nur muß ich durch Eure Nachrichten leider bemerken dass nicht allein Eure Erwartungen über mich und meinen Leistungen sondern auch die, der meisten Bekannten viel zu hoch gespannt sind – so wie man sich in Cally77 und manchen andern getäuscht gesehen so kann und wird’s auch mir gehen. Manchmal verdrießt’s mich daß ich den ganzen vergangenen Winter nicht schon unter Bernhardts Leitung gewesen da ich mir im ganzen doch so gut wie allein überlassen gewesen. – Dem Sivers werde ich schreiben und bitten mir einige Bilder mit zu nehmen, welche zwar noch hier sind das Bild meine Fratze, oder feiner, Gesichtchen mochte ich jetzt nicht gern Euch senden da ich’s jetzt ganz anders machen würde als damals ohne Leitung ohne zu wissen was und warum ich dies und jenes gethan, allein ich will’s doch schicken um eben zu zeigen wie ich mich auf gefasst, doch ich sehe es im Geiste und zanke über mich selbst da ich’s so und nicht anders gemacht. – Nun ist erst noch die Frage ob Sivers noch in Dresden weilt  ? –. Einen Brief hätte ich ganz gut haben können da ich schon vor länger als 3 Wochen ihm schrieb. – Für heute gute Nacht. Ich füge noch ehe ich scheide meinen kindlich wärmsten Dank für den Brief bei  ; meine Zähne plagen mich. | d  : 28. Mir geht es im Kopf herum wie es nur sein kann daß die Leute so viel und so großes von mir sich erzählen ja mich sogar schon nach Rom schicken. – Ist mir dies schon ein unerwartetes und vielleicht auch unverdientes Glück hier in München unter solchen Verhältnissen zu leben und mich das Jahr auf Kos77 Gottlieb Kally (Lebensdaten unbekannt) war Holzschneider und Schüler des Dorpater Malers Ludwig von Maydell (1795–1846). Nur wenige Werke, insbesondere Holzschnitte zu Wassili Shukowskis (1783–1852) Ausgabe der indischen Erzählung »Nal und Damajanti«, sind von ihm bekannt. Vgl. Neumann, 1908, S. 79.

84 | Die Briefe ten der lieben Verwandten weiter in meinen Bestrebungen zu bilden und ich soll nach Italien  !  – Bliebe Bernhardt länger hier dann wäre mein nächster Wunsch bei ihm noch länger arbeiten zu können so aber denke ich mir ein längeres Bleiben in Deutschland fast wie eine Unmöglichkeit, Sogar scheint mir die Absicht im nächsten Sommer in Dresden zu copieren eine Zeitverschwendung zu sein – Tante will mich auf ein paar Wochen hin schicken um meine noch nicht ganz fertigen Sachen zu vollenden doch noch weiß ich nicht was ich thuen werde  – einen Lehrer wie Bernhardt bekomme ich nicht wieder.  – Die Idee ein Bild nach der Natur zu malen um es dem Kaiser vorzustellen ist freilich eine nicht üble doch jetzt den Augenblick bin ich’s noch nicht im Stande, wie Du lieber Vater auch selbst schon meinst – doch im nächsten Sommer will ich’s versuchen und Dir dann zu schicken. Seht meine theuren Ältern nicht so willig und ruhig würde ich in den gewiß guten Vorschlag, länger hier zu weilen ein schlagen wenn ich nicht aus Furcht Euch alle und Leute, welche jetzt Großes erwarten darin zu täuschen denn die Sehnsucht bleibt trotz all der großen Liebe und Freundlichkeit welche ich hier genieße nach Euch gar sehr, ja Du lieber Gott so geht es dem Menschen, immer ist er mit Sehnsucht nach dem was er nicht besitzen kann erfüllt. Ich weiß gewiß daß wenn ich erst wieder bei Euch lebe ich mit unnennbarer Sehnsucht in das gepriesene und wirklich schöne reiche Deutschland hinaus möchte. Die Gräfin Manteuffel78 die in Rom ist habe ich selbst in Dresden umher geführt da sie es von mir wünschte und habe mich dabei recht erinnert wie wenig Interesse sie wirklich für die Sache zeigte, ich habe leider nur wenig Leute gefunden | die wahren Hochgenuß in den herrlichen Schätzen der Dresdner Galerie empfunden, die meisten Leute gehen herum und sehen sich die Nacht von Coredjio, die Madonna von Raphael79 an und sind dann zufrieden zu sagen  : o wie herrlich sind die Gemälde  ! Doch ganz wider ihrer Überzeugung. Was mein Paß betrifft ist noch gar kein Schritt gethan da der Mann – durch welchen es vielleicht gegangen wäre, schon seit vielen Wochen an der Gicht krank darnieder liegt. Ihr fordert zu wissen wie ich meine Sonn- und Feiertage verbringe, gewöhnlich im Attilier, am Morgen gegen ½ 9 Uhr gehe ich hin wo mich 78 Die Zoege von Manteuffel sind ein altes baltisches Adelsgeschlecht. Die Malerzwillinge Karl und Gerhard von Kügelgen waren mit den Schwestern Emilie und Helene Zoege von Manteuffel verheiratet. Die jüngste Schwester Julie Hagens, Johanna (1845–1897), heiratete später einen Sohn Karl von Kügelgens. 79 Gemeint sind zwei der heute noch bzw. wieder zu den Hauptwerken der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zählende Gemälde  : Antonio Allegri, genannt Correggio (um 1489–1534), Die Heilige Nacht, um 1527/30, Öl auf Pappelholz, 256,5 × 188 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 152, und Raffael (1483–1520), Die Sixtinische Madonna, 1512/13, Öl auf Leinwand, 269,5 × 201 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 93.

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denn die Tante um 11 Uhr abholt, mich in die Kirche führt und dann in den Kunstverein, Nachtisch bin ich zwar oft im Attilier allein nicht regelmäßig, ich finde daß ich’s den Meinigen schuldig bin den Nachtisch der Sonntage bei ihnen zu bleiben da sie den ganzen Tag mich nicht haben, finde ich’s aber nothwendig dann arbeite ich auch gern am Nachmittag. Die gesungenen Messen in den Kirchen hier sind bei weitem nicht so schön wie in Dresden, da hier in keiner einzigen Kirche Knaben für die Sopranstimmen benutzt werden. Noch bin ich nicht in der protestantischen Kirche gewesen weil eben die Zeit mir gefehlt. – Wie freut mich’s daß Ihr in dieser Zeit doch einige kleine Vergnügungen gehabt. Gott möchten sie nur häufiger kommen um für Augenblicke Euch Eure vielen Sorgen vergessen zu machen. Vielleicht kommt doch die Resursen-Gesellschaft80 zusammen mein Wunsch ist es wenigstens. Daß die Cholera in Petersburg ist sagt uns die Allgemeine Zeitung Gott behüte und beschütze Euch für diesen Feind  !  ! – – Wenn ich heute nicht so schreibe wie ich sollte und wie Ihr’s wol mit Recht verlangen könnt so schiebt es meinen Zahnschmerzen zu – ich bekomme neben dem Reißen in allen Zähnen und ganzen Kopf, wie es scheint ein | Zahngeschwür das mich verdrießlich macht. Meine Bekannten allen bitte ich zu grüßen am freundlichsten aber meine Freundinnen Wachter Minna Sturm Marga, Rosalie und meine Freunde Schwarz und Schirren Letzterem meine nachträgliche Gratulation zum Geburtstag. Noch zur rechten Zeit fällt mir ein daß ich wol zum neuen Jahre noch nicht wieder geschrieben werde haben darum erlaubt mir jetzt schon meine besten Wünsche für das neue Jahr Euch zu bringen  ; nichts insbesondere will ich Euch wünschen da ich im Aufzählen von Glückwünschen mich nicht stark genug fühle doch seit überzeugt daß ich Euch alles Gute wünsche und das von ganzem Herzen. Meinen Weihnachtsbaum hebe ich mir auf um ihn an Eurem ­Weihnachtsabend anzuzünden dann will ich mir einbilden Ihr seit bei mir die ich mit dem selben überraschen und erfreuen möchte – ich werde die kleinen Geschwister um ihn herum tanzen und jubeln hören, ha, welche Einbildung  ! – Mein Zahnschmerz nimmt zu und verscheucht alle besseren Gedanken darum meine theuren Ältern lebet recht recht wohl und vergebet mir diese Kürze mit welcher ich schließe. Möchtet Ihr glücklich und froh das Weihnachts und Neujahrsfest verbringen zur Freude Eurer Tochter Julie

80 Dieser Ausdruck ließ sich nicht klären, vermutlich handelt es sich um eine studentische Abendveranstaltung in Dorpat.

86 | Die Briefe Meine Geschwister wie immer sind stets gegrüßt und geküsst von mir. – Du meine theure Mutter fragst ob wol der Tante etwas Freude machen könnte  ? – Wenn Schwester Mize vielleicht Lust und Zeit hat einen recht feinen Kragen zu häkeln so glaube ich gewiß sie würde sie dadurch erfreuen, den Kragen den ich von Dir mit nahm hatte sie der feinen Arbeit wegen förmlich entzückt, ich renommierte, indem ich Mizes Geschicklichkeit noch weit höher ihr pies was ihr unbegreiflich düngte, ich gab ihr den Kragen wodurch ich sie sehr beglückte. Ein Schnitt will ich der Mize das nächste Mal schicken – Wenn es mehr ist glaube ich könnte sie’s übel nehmen. Meine Vettern Rosner besonders Aloys lassen alle herzlich grüßen mit Letzterem spreche ich oft von Euch da der sich für Euch interessiert. Ottilie von Paumgarten an August Matthias und Johanna Hagen, geb. von Paumgarten, aus München, 28.12.1847 (angehängt an den Brief von Julie)  : München den 28ten Dc 1847 Zum Wechsel des Jahres kann ich mir es nicht versagen Ihnen, der lieben Schwägerin und all Ihren kleinen und großen Kindern die herzlichsten Glückwünsche zu sagen  ; möchte der liebe Gott Sie mit allem beglücken was die Welt zu geben vermag  – Sie alle recht gesund erhalten und vor der (von mir so sehr gefürchteten) Cholera bewahren. – Auch möchte ich Ihnen zum neuen Jahre die Freude machen, wenn ich Ihnen sage daß Bernhardt mit Julie sehr zufrieden, er äußerte sich zu meinem Mann, daß er noch nie eine Schülerin mit so viel männlichem Muth und Ausdauer hatte, ihre Eltern zu der Hoffnung berechtigt sein können, daß sie in kurzer Zeit große Fortschritte machen wird.  – Einen Mädchenkopf, der erste Prima gemalt hat Julie vor Weinachten vollendet, Bernhardt war sehr damit zufrieden, wir fanden ihn sehr gelungen. Ihre Zeilen an mich haben mich in doppelter Hinsicht sehr erfreut, erstlich weil ich glauben darf, Ihre freundliche Gesinnung zu uns erworben zu haben, und weil Sie uns | (wenn auch entfernt) doch Hoffnung geben, uns Deutsche einmal zu besuchen  ; ich denke wird es leicht möglich, die Entfernung ist ja jetzt durch die Eisenbahnen sehr verkürzt. Julie wird Ihren theuren Vater zu bereden, und Mittel und Wege anzugeben wissen, daß es Ihnen liebe Schwägerin nicht so gar schwer werden soll, und die Freude – ach die Freude von Julie – von uns allen – – – lässt sich nicht beschreiben. Ich schließe also mit dieser Hoffnung, und grüße Sie recht herzlich. Der lieben Schwägerin, so wie allen Ihren Kindern bitte in meinem Namen zu küssen. Carl grüßt und vereinigt seine Wünsche mit den meinigen. Leben Sie recht wohl und möchten Sie unser öfters gedenken, dies wünscht Ihre aufrichtige Schwägerin Ottilie // An meinen lieben Schwager

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Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 4.1.1848 München. d  : 4ten Januar 48

Meine theuren lieben guten Ältern  ! Gewiß seit Ihr eben beschäftigt den Weihnachtsbaum anzuzünden oder er ist vielleicht gar schon verbrandt und Ihr freut Euch über den großen Jubel der Kinder welche mit freudeglühenden Gesichtern ihre Weihnachtsgaben beschauen  ; Auch ich habe das Bäumchen welches ich vor 12 Tagen erhielt so eben geplündert nachdem ich Tante und Onkel uns an dem Glanz seiner vielen Lichter erfreuten. Ich nahm mir vor recht heiter zu sein all das Lachen und das Weinen liegt außer der Gewalt des Menschen so konnte ich kaum Thränen zurück pressen welche der Gedanke an Euch mir hervor lockte, – möchtet Ihr nur heiter und fröhlich gewesen sein  ! – Im vorigen Jahre feierte ich mit dem guten Sivers diesen festlichen Abend bei Herrmanns, dieses Jahr hier, Gott weiß, wo in künftigen Jahren  ? – ich hoffe bei Euch meine theuren Aeltern und Geschwister. Morgen ist der erste Weihnachtstag, wir hier haben nur einen gewöhnlichen Arbeitstag aber trotzdem will ich in Gedanken mit Euch das Fest feiern indem ich oft an Euch denken will und mich oft fragen  : was Ihr wol jetzt thuen könntet  ? – Das Jahr 48 hat hier begonnen ich habe es schlecht mit Zahnschmerzen begonnen, den Silvesterabend musste ich mich schon um 6 Uhr zu Bette legen konnte aber wenig schlafen doch | wenn ich schlief war ich in meinen Träumen bei Euch. Als die Uhr 12 schlug war ich grade wach aber erschrak so darüber daß ich augenblicklich den Kopf unter die Decke steckte. Am Morgen ging ich in die Hofkirche und dann in die Residenz um die Ausfahrt mit an zu sehen – wir waren glücklich in einem geheitzten Gange placiert wo wir von den höchsten Standespersonen bis hinunter zu den Offizieren der Bayerngarde die Leute in Gallauniform vorüber ziehen sahen  ; manch drolliges und höchst lächerlich spaßhaftes Männchen kam da zum Vorschein – Am besten hat mir das edle Costüm der Proffesoren gefallen, diese langen reichhaltigen Schleppüberwürfe von verschiedener Farbe, welche sie theils in schönem Faltenwurf über einem Arm trugen, theils aber auch hängend hinter sich nach zogen und diese Barets  ! O wie herrlich gegen die steife prosaische Uniform der russischen Professoren  ! – Wir blieben da stehen bis der König nebst Familie durch den Gang in seinen Thronsaal ging  – Der König hat ein Affenähnliches unangenehmes Äußeres dagegen ist seine Schwiegertochter die Prinzes Leopold81 eine herrliche

81 Gemeint ist hier die Frau des Lieblingssohnes Luitpold (oder Leopold, 1821–1912), Auguste Ferdinande von Österreich-Toskana (1825–1864), Tochter des Großherzogs von Toskana. Nach der damaligen Sitte wurde sie nach dem Mann »Prinzessin Luitpold« genannt. Luitpold übernahm nach der Entmündigung seines Neffen Ludwig II. 1886 die Regierungsgeschäfte als Prinzregent

88 | Die Briefe edel aussehende und imponierende Frau, wenigstens was ich im Fluge habe sehen können. – d  : 7ten Januar 48. Eben komme ich aus dem Theater woselbst ich recht sehr habe lachen müssen und zwar über ein nicht grade gescheutes Lustspiel allein es wurde nicht übel gespielt. In den Zwischenacten trat zwei Mal ein junger Violinspieler von kaum 16 Jahren namens Laub82 auf welcher mich und alle Anwesenden durch sein meisterhaftes Spiel entzückte  – außer diesem ist seit gestern die berühmte Stecl Heinefetter83 hier – wol wünschte ich sie zu hören. Mit Heute haben Eure Weihnachtsfeiertage | ein Ende  – zwar hatten auch wir den gestrigen Tag zu feiern indem Heiligen Drei König gewesen doch ich feierte wie gewöhnlich an der Stafelei ihn, wobei mich ein Gefühl voll Wehmuth übermannte worauf selbst die Nacht in meinen Träumen ich bei Euch war. – Mein Vetter Xaver, der Ministerial Secretär ist endlich dekorirter Bräutigam, er ist zwar noch recht jung allein seine Kariere hat er ungewöhnlich rasch gemacht, durch seine Tüchtigkeit im Fach hat er schon früh Aufmerksamkeit erregt  ! Er heirathet die Tochter eines Appellationssecretären Schreier in Freising – ich habe große Freude empfunden bei dieser Botschaft – zu Ostern wird vielleicht die Hochzeit gefeiert vielleicht führt mich ein günstiger Wind auch zu diesem Feste – Ich habe heute den glücklichen Bräutigam fertig gemalt, die letzte vorräthige graue Untermalung. In manchen Theilen des Gesichts, wie eben die Stirn war mir’s ordentlich lieb daß ich die Unterlage benutzen konnte allein im Ganzen ist mir’s jetzt angenehmer prima zu malen obgleich mir’s noch sehr sehr schwer wird. d  : 8ten Januar 48. Heute Abends nach dem Abendessen empfand ich wenig Lust zur Beschäftigung von weiblichen Händearbeiten  ; ich also griff nach der Allgemeinen Zeitung um die neuesten Nachrichten über die Cholerazustände in dem großen Reiche zu erfahren fand aber da einen Aufsass über Mädlers84 Werk welches in wenig Monaten erscheinen soll  – ich fing zu lesen an als mit und behielt diese auch bei, als der geisteskranke Bruder Ludwigs II., Otto I., diesem auf den Thron folgte. 82 Der Geiger und Komponist Ferdinand Laub (1832–1875) gab schon als Kind Konzerte. Tschaikowski bezeichnete ihn als größten Geiger seiner Zeit. 83 Clara Stöckl-Heinefetter (1816–1857) war eine hochbegabte Sängerin, Anfang 1848 befand sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und reiste für längere Zeit durch Deutschland. Nach der Geburt eines Kindes 1849 verlor sie ihre Stimme und musste von der Bühne abtreten. Zur gleichen Zeit verlor ihr Mann das gesamte gemeinsam verdiente Vermögen. Beide Verluste trübten ihre Sinne, so dass sie 1857 im Irrenhaus in Wien verstarb, wo sie seit 1855 eingewiesen war. 84 Johann Heinrich von Mädler (vgl. Anm.  31) war einer der berühmtesten Astronomen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1840–1865 war er in Dorpat als Professor für Sternkunde und Leiter der Sternwarte tätig. Mädler war ein außerordentlich produktiver Publizist und Verfasser zahlrei-

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einem Mal geschellt und mir durch ein Mädchen ein Brief überbracht wurde welcher in unrechte Hände gerathen ge|wesen – er war von Freund Schirren – er kam mir unerwartet und darum hat er mir große große Freude gemacht – ich durchlas den Inhalt und war gerührt, wie immer war auch dieser Brief schön  : doch besonders rührte es mich da Schirren ihn an dem hiesigen Weihnachtsabende geschrieben hatte und mir als Weihnachtsgabe ein Gedicht geschrieben. O wie ist er doch so gut und freundlich  ! Wie kann ich ihm lohnen, wie kann ich ihm meinen wahren innigen Dank beweisen  ? Ein paar Zeilen von mir ja was wollen die sagen gegen die Seinigen  ! Den tiefen Sinn seiner Worte muß ich lang erst studieren ehe ich sie verstehe. Sonntag d  : 9ten Januar 48. Heute von 11 bis 12 Uhr habe ich mit Fräulein List und einer Fräulein Stunz85 begonnen in der Perspection Stunden zu nehmen bei dem besten Architekturmaler namens Seeberger,86 mich grämte vor dieser Stunde und ich habe gefunden daß sie Kopfbrecherisch werden wird obgleich die erste gar lustig und amisant gewesen. Wir haben die Stunde in unserem Attilier. – Meine Zahnschmerzen haben mich Gott lob so ziemlich verlassen, lang genug haben sie mich zu tractiren gewußt. d  : 12ten Januar 48. Gestern abends hatte ich mir vorgenommen Euch zu schreiben allein ein alter Bekannter besuchte den Onkel und so wurde dies vereitelt, obgleich ich nichts wusste was Euch sagen so dachte ich, neben meinen Wünschen für das kommende Jahr mit Euch zu plaudern was es auch sey denn so arm wie meine Briefe jetzt sind habt Ihr wol noch keine gehabt  ; ich muß gestehen daß ich Euch wahrhaft bedaure, da Ihr so wenig Lohn für das Erwarten eines jeden meiner Briefe habt. Mit Freude werdet Ihr meinen Brief erbrechen doch eine gewisse Leere muß Euch dann bleiben  ? | – Am Abend hatte die Tante Punsch gekocht und auf Euer Wohl wurde mehr als 6 Mal angestoßen, ja Du lieber Gott möchte dies Zutrinken nur zu Eurem Wohlbefinden beitragen, dann cher allgemeinverständlicher Bücher. Seine »Populäre Astronomie« erschien sogar in acht Auflagen. 85 Hermione Stuntz (1830–1879) war eine Genre-, Landschafts- und Interieurmalerin, über die nicht viel bekannt ist. Ihre Tante war die erfolgreichere Electrine Stuntz, verh. von Freyberg (1797–1847), nach deren Vorbild Hermione wohl tätig war. Sie blieb ohne längere systematische Ausbildung tätig und verarbeitete ihre Studien, ohne sich zu spezialisieren. Nur wenige Werke von ihr sind heute noch überliefert. 86 Gustav Seeberger (1812–1888) war Architekturmaler. Er besuchte die Kunstschule zu Nürnberg und bildete sich dann in München weiter, wo er später Lehrer der Perspektive an der Akademie und 1865 Professor an derselben wurde. Häufig lieferte er das architektonische Beiwerk für die Bilder anderer Maler, brachte aber auch selbständige Werke hervor. 1860 gab er ein Grundlagenwerk zum Perspektivzeichnen heraus, vgl. Seeberger, 1860. In München war er der Spezialist für architektonisches Zeichnen und offenbar bot er neben seiner Tätigkeit an der Akademie auch Kurse für Malerinnen an.

90 | Die Briefe wollte ich täglich Punsch trinken und trinken lassen  ! Meine Nähe müsst Ihr übrigens heute mehr als ein Mal gefühlt haben  ; obgleich ich ziemlich fleißig die wenigen Stunden des Tages gearbeitet habe so feierte ich doch den Neujahrstag mit Euch – früh Morgens schon beym Erwachen sandte ich meine besten Wünsche zu Euch und unserem Vater im Himmel  ! – Meine Stube ist etwas kalt wodurch meine Hände fast steif geworden sind die ich mir im Bette zu erwärmen wünsche daher eine recht, recht gute Nacht  ! – d  : 13ten Januar 48. Die Nacht hat es so sehr geschneit gehabt daß es den Leuten kaum möglich wurde die Königinstrasse zu passieren, gegen ½ 9 Uhr wurden erst die Straßen gekehrt worauf ich mich denn auch auf den Weg zum Attilier machte, der Onkel begleitete mich als Beschützer indem er den Regenschirm mir trug und so gingen wir durch die Arkaden woselbst der Briefträger uns begegnete und mir einen Brief von Wilhelm gab, datirt vom 29ten Nov. Er schreibt grade nichts Neues, zeigt mir seine Abreise aus Stawrapoll87 an und fürchtet die Reise durch die Steppen sehr  – Er ist zwar munter und doch fühlt man dem Briefe eine gewisse Zerrissenheit an, es ist gut | daß er aus diesem Lande kommt, welches ihm sonst böse Früchte tragen möchte. – Carl sehe ich schon in Dorpat im Kreise seiner Ältern und kleinen Geschwister sitzen und erzählen was ihm in den zwei Jahren alles begegnet ist, bald möchte ich ihn darum beneiden – doch nein, ich will es nicht thun, will Gott so weile ich ums Jahr auch bei Euch. Heute habe ich an Reyher nach Mitau einen Briefe abgesandt worin ich ihn bat mir zu schreiben wie viel Abdrücke er zu haben wünschen und wie sie ihm zugeschickt werden sollen  ? – d  : 15ten Gestern zu Mittage fand ich einen Brief von der guten alten Herrmann aus Dresden vor in welchem sie mir über sich und ihrer Familie erzählt und unter andern auch daß Sivers wol erst im Frühling nach Hause geht und vielleicht erst noch nach Italien reist  ; dann muß er über München. – Diese Reise hätte er aber sehr gut schon mit seiner früheren vereinigen können. – Heute ist Sonnabend und da ein Modell mich sitzen ließ, ein recht hübsches Mädchen, welche ich heute beginnen wollte so ging ich nach Hause um Onkel zu bitten mich ins Attilier von Kaulbach zu begleiten, dort besah ich mir nun wieder die köstlichen Gemälde besonders die Zerstörung Jerusalems und ging fast eben so zerknirscht wie das erste Mal fort und ins Attilier von Schwanthaler88 wo ich herrliche großartige Sachen fand. Einige Giebelfelder bestimmt für die Ruhmeshalle waren bereits fertig  – außern den vielen herrlichen Modellen (Gips) die 87 Wilhelm Hagen, der Zwillingsbruder Julie Hagens, hielt sich längere Zeit in Russland auf, wo er Apothekergehilfe und später Apothekenpächter war. Stawropol liegt im Nordkaukasus, im Südwesten Russlands. 88 Zu Ludwig Michael von Schwanthaler vgl. Anm. 10.

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alle schon theils in Marmor gehauen ihre Bestimmung haben theils aber aus Erz gegossen sind habe ich ein ganz schönes Giebelfeld gesehen »Die Herrmannsschlacht«, welche in Regensburg auf die Walhalla gekommen ist. – Zu beklagen ist daß Schwanthaler so sehr leidend ist, er ist schwindsüchtig  !89 – Nachdem wir diese Schätze verlassen um nach Hause zu gehen begegnete ich dem jungen Uhing90 welchen ich in Dresden schon traf. Dieser Mensch bekommt wie ich gehört von der | Krone ein bedeutendes Stipendium – allein versteht die goldene Zeit seines Seins in Deutschland eben so wenig zu nützen wie Krüger.91 Er ist nämlich in Dresden auf der Akademie kaum 6 Wochen gewesen woselbst es ihm wenig gefiel und zu Barry92 ins Attilier ging, nicht 8 Tage hatte er dort versucht zu arbeiten als ich Barry fragte wie er zufrieden sey  ? Worauf die Antwort  : er sey weg geblieben ohne nur etwas gesagt zu haben. Ich reiste nun fort ohne ihn noch zu sehen oder zu sprechen. – Bin natürlich aufs Höchste erstaunt ihn hier zu sehen, fragte also wie er nur hier her käme  ? Er antwortete daß er nirgend Ruhe habe, daß er jetzt gedenkt bald nach Rom zu gehen da er auf der Akademie es soweit gebracht um da fort zu kommen, ich fragte ob es ihm denn nicht bei Barry gefallen habe  ? – o Gott bewahre  ! War die Antwort ich habe darauf schon ein paar Wochen bei Hübner93 im Attilier gearbeitet wo es mir auch nicht gefiel. Nun muß ich gestehen daß ein solcher Mensch eigentlich Wäsche verdient, denn nur ein Krüger kann sagen, bei Hübner, Schnorr, Bendemann e. c. gefällt es mir nicht. Erzählt diese gräuliche Dummheit dem Herrmann Hartmann damit er sich mit mir ärgere. –94 Nun sitze ich da und schreibe und will die Stunde damit ausfüllen bis wohin ich zu den Tanten hinaus gehen will. – Gestern habe ich also wieder einen Kopf prima fertig gemalt – Bernhardt sagte nur  : nein, es wird ja jeder Kopf besser und besser. – Lang schon habe ich daran gedacht Dich, lieber Vater, zu bitten mir durch Gelegenheit ein wenig Ultramarin zu schicken, denn Du weißt wie theuer es hier ist – nur glaubte ich nicht daß ich 89 Schwanthaler schuf die Hermannsschlacht für den Nordgiebel der Regensburger Walhalla  ; er starb im November 1848 im Alter von 46 Jahren. 90 Ein Maler namens Uhing ließ sich nicht ermitteln. 91 Vielleicht meint sie hier den Landsmann Woldemar Friedrich Krüger (1808–1894), der sich von 1830 bis 1834 im Ausland ausbildete und nach seiner Rückkehr nach Livland zunächst wenig Erfolg mit seiner lithografischen Anstalt hatte. 1856 wurde er Nachfolger August Matthias Hagens als Zeichenlehrer der Universität Dorpat. 92 Der Dresdener Künstler Eduard Robert Bary (1813–1875) lehrte an der dortigen Akademie. 93 Der Maler Julius Hübner (1806–1882), in Berlin und Düsseldorf ausgebildet, war ab 1839 in Dresden ansässig und ab 1841 Professor der Dresdener Akademie. 94 Julius Hübner, Julius Schnorr von Carolsfeld und Eduard Bendemann waren einflussreiche Künstler mit umfangreicher Lehrtätigkeit in Dresden um die Jahrhundertmitte. Hartmann war bereits im Ausland gewesen, hatte aber wohl Probleme, einen weiteren Aufenthalt zu erwirken.

92 | Die Briefe länger als ein Jahr hier bleiben würde daher unnöthig  ; allein Bernhardt bat mich vor einigen Tagen doch zu fragen wie theuer der Ultramarin bei Euch sey  ? Und ob es nicht möglich wäre welchen heraus zu schicken  ? Damit wenigstens die | Maut erspart werde und am liebsten wäre ihm dann die Ultramarinasche die am besten zum Fleische zu gebrauchen ist – In Rom hat Bernhardt für eine Unze Ultramarin erster Sorte 48 Gulden bezahlt  ! – Wenn es nicht um ein bedeutendes billiger in Petersburg ist so lohnt es sich nicht, also sey so gut und schreibe mir darüber. – Den meisten Ultramarin gebrauche ich hier statt des Cobalts den ich in Dresden gebraucht, welcher aber rasend schnell trocknet. – Gestern abends war ich im Theater um ein kleines Lustspiel  : »Er muß aufs Land« zu sehen. Die Bälle des Karnevalls haben bereits begonnen – Tante und Onkel haben meinetwegen Mitglied in einer der hier bestehenden Gesellschaften werden wollen doch ich gabs bis jetzt nicht zu indem der Luchsus hier horrend groß ist. Ein junges Mädchen darf mit einem Kleide ein zwei Mal auf dem Tanzboden erscheinen und dann auch nicht mit seidene Kleider sondern nur im klaren – dies könnte der Tante eine fürchterliche Ausgabe machen welche weit weit das Vergnügen überwiegen würde welches ich im allerbesten Fall unter ganz fremden Leuten haben kann. Ein weißes Ballkleid soll ich bekommen, im Fall sich mir eine Gelegenheit zum Tanzen bietet. Sonst geht es noch recht still in München her, keine einzige Privatgesellschaft ist noch gegeben, da Alles sich fürchtet die Lola einladen zu müssen – Selbst ganze Verbindungen Gesellschaften wie z. B. die Maler, Offeziere geben nichts weil sie die Lola einladen müßen. Fast der ganze Adel ist auf seinen Gütern.  – Bei Hofe sind fürchterliche Debatten zwischen König, Königin und Prinzen. Weiß Gott welches Ende dies noch nimmt  ! – Später Die Tanten leben nach alter Weise fort sind indes wohl und recht munter. Sie tragen mir immer viele tausend Grüsse an | Euch auf. – Sonntag d  : 16ten Januar 48. Heute hatte ich meine zweite Perspectivstunde kam zu Mittag nach Hause wo mir Tante erklärte daß wir Nachtische spazieren gehen da es ein recht schöner Wintertag, der erste erträglich heitere in diesem Jahre, war, auf meine Frage wohin  ? Hieß es  : nun irgend wo in den Englischen Garten. Um ½ 3 Uhr sagte sie ich möchte mich nur anziehen was ich auch that und wie wir zum Hause heraus treten so stand ein Schlitten vor der Thür der uns nach Nymphenburg, Sommeraufenthaltsort des Königs führen sollte, dies war mir eben keine unangenehme Überraschung. – Der Weg dahin hat viele interessante Abwechslungen, bald Dörfer, Fabriken, Wasser, Alleen e. c. kurz ich habe mich recht im Anschauen dieser belebten Straße ergötzt. In Nymphenburg selbst fuhren wir um das ganze Schloß herum welches ganz simetrisch gebaut ist und einen ungeheuren Umkreis hat dann von hier in den Hirschgarten, um im Jägerhause eine Tasse Kaffee zu trinken und dann wieder weiter – Das Jägerhaus ist mitten im Park gelegen von wo aus man hunderte von Hirschen vorüber zie-

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hen sehen kann – ich habe über diese niedlichen Thiere, die merkwürdig zahm sind kindische Freude empfunden – Indem wir fort fuhren und zwar durch den ganzen Park wurde vermittelst einer Glocke den prächtigen Thierchen das Signal gegeben daß sie zum Essen kommen sollten – da natürlich kamen 3–4 Rudeln von verschiedenen Seiten aus dem Wald gegen das Haus hin gelaufen um ihre Speise, welche in wilden Kastanien | besteht zu empfangen. – d  : 20 Januar 48. Da sitze ich nun da, die Hand in meinen noch kurzen aber herab hängenden Haaren ruhend und denkend wie ein Augenblick so grell neben dem andern sich gefällt, der eine froh und heiter, der andere trüb und still. – Heute den ganzen Tag über hatte ich mit meinem Modell und der List wirklich ausgelassen munter geschwazt, gelacht und dabei recht fleißig gearbeitet  ; als ich eben im Begriff war meine Palette zu putzen kam die Tante um mich abzuholen und zugleich mir die Freude der Ankunft eines Briefes von Euch zu verkünden  ; Da nun hatte meine frohe Laune den höchsten Punkt erreicht und ich konnte kaum schnell genug nach Hause kommen um den geliebten Brief zu sehen und zu lesen. Doch ach  ! Nur Trauer und Bekümmernis hat sich an die Stelle meiner Heiterkeit und Freude gestellt. Soll ich auf all diese unfreundlichen Nachrichten noch Worte verlieren  ? Dadurch mache ich’s auch nicht besser darum will ich meinen Schmerz darüber durch Thränen zu lindern suchen  ; nun ja dann aber verlangt Ihr mit Recht daß ich mit Euch über Dinge fröhlicher Art rede, auch dies möchte mir schwer ankommen da ich wol fühle wie schwer es ist plötzlich aus einer traurigen in eine heitere Stimmung über zu gehen und doch soll dies geschehen so gut es gehen will. – Dieser Brief ist nun 4 Tage früher angekommen als ich ihn erwartet und unbegreiflicher Weise in 9 Tagen von Dorpat bis München gelangt. Daß Euer Weihnachtsfest so und nicht anders vergangen, ist sehr betrübt  ; war mir doch nicht um sonst so weh ums Herz als ich Euch mein Bäumchen angezündet hatte. Und daß mein kleines Päckchen nicht angekommen, ist mir unbegreiflich, es hat nur die unbedeutendsten Dinge enthalten allein nur sollten sie einen Beweis von meinem Willen Euch eine kleine Freude zu schaffen liefern. Es wäre schändlich wenn man die kleine Rolle behielte worin ein Paar Kunststückchen, ein Paar Schätzchen, das Zeug zu den beiden Hüten, | 4 Blasen Kremnitzerweiß und einige unwesentlichen Kleinigkeiten enthalten waren – Wenn vielleicht Amalie Laursonn95 zu dem Mann hingehen würde um danach zu fragen damit ich wenigsten wüsste woher dies Ausbleiben  ? Die Adresse ist  : Monsieur Baumgartner valet de Chambre d.S.A.I. Mgr. Le Duc de Leuchtenberg a St 95 Eine Familie Laurson lebte in Dorpat, um wen es sich hier genau handelt, konnte nicht ermittelt werden. Amalie Laurson war eine enge Freundin Julies aus der Dorpater Zeit, sie schreibt später, dass sie einen von ihr geschenkten Ring immer trug.

94 | Die Briefe Petersbourg. Onkel will zu dem Schwager dieses Herrn Baumgartner gehen. Um ihn auch zu bitten daß er nach Petersburg deshalb schreiben möchte. – Die Sache des Nichtspeisens im vorigen Sommer bei der Falkenstein96 habe ich Euch verschwiegen um Euch nur eine Unannehmlichkeit zu erspahren und auf das Anrathen der alten Herrmann selbst – ich wollte Euch einmal mündlich alles erzählen wie mir’s gegangen allein da Ihr nun schon durch Julchen Zeus97 es wisst so kann und will ich nur in wenig Worten sagen warum ich die Falkenstein was die Kost betraf verließ. – Wie Ihr wisst hatte ich ihr für 6 Monate voraus bezahlt auf Veranlassung der alten Herrmann und auch der Falk. welche mir sagte es wäre ihr lieb und sie sey es auch stets so gewohnt gewesen – nun ich hatte soviel Geld und war auf diese Weise sicher es nicht aus zu geben – Die Falk. hat aber nicht das gehalten was sie mit der Herrmann abgemacht hatte sondern hat mir stets nur zu Mittag eine Speise gegeben die aber nur in Grießsuppe, in Reis, gestoften Burkanen98 und Weißkohl abwechselten, diese Speisen gab es alle Tage und alle Tage, ein Fleisch oder Mehlspeise daran war nicht zu denken – solang ich dort gegessen habe ich eine Gans und einen halb verfaulten Rehbraten bekommen – wären diese Speisen noch gut gekocht gewesen so hätte ich’s gelten lassen allein ich versichere, es war eine Schmutzerei daß ich fast immer mit geschlossenen Augen aß, denn was thut man nicht um satt zu werden  ! – Es war ein Glück für mich daß sie so viel Besuche machte und mich überall mit hin nahm denn sonst hätte ich’s vollens nicht aushalten können. | Dort in den fremden Häusern aß ich mich satt und war dann wieder froh allein traf sich’s daß die Falkenstein ausgebeten war und ich nicht, so bestand mein Abendessen in ein WeißBrod ohne nur das Geringste dazu  ; in ersterer Zeit verdroß es mich so daß ich lang dasaß ohne es zu essen später aber suchte ich mir’s einzureden daß ich satt sey und wirklich, es ging auch – Am Morgen bekam ich eine Tasse Kaffee und für 1 ½ Pfennig Semmel dazu doch der Kaffee ohne Zucker war dabei so dünn daß ich oft glaubte er wäre homeopatisch bereitet und so trank ich ihn denn immer mit dem Gefühle als wäre er mir vom Arzt als Medicin für meine Gesundheit verordnet. Der alten Herrmann welcher ich’s klagte hat oft geweint und ihr’s gesagt doch dies half nichts und so suchte ich die 6 Monate mich zu erhalten. Die Herrmann war so gut mich häufig wie ich Euch auch schrieb zu 96 In Dresden hatte Julie Hagen ihre zweite Unterkunft bei Ida von Falkenstein gefunden. Aus der ersten Unterkunft bei einer Familie Zimmermann war sie wegen des mangelhaften Essens ausgezogen. Ein Mangel, der offenbar auch bei Falkensteins herrschte. 97 Vgl. Anm 19, die Tochter der Dresdener Familie Herrmann, bei der Julie Hagen später in ihrem Dresdener Jahr lebte, war eine verheiratete Zeiß. 98 »Burkanen« ist ein baltischer Ausdruck für Möhren, der Ausdruck »gestovt« findet sich in älteren Kochbüchern Norddeutschlands und bedeutet, das Gemüse in einer hellen Soße aus Mehl und Butter zuzubereiten.

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Mittag bei sich zu haben, auch bei Bosens99 suchte ich mich für ein Paar Tage im Voraus zu sättigen, die gute Tridon wie auch die Herrmann haben mir immer dann und wann einige Schnize Kuchen e. c. geschickt und so kam es denn daß ich der Falk. aufsagte und zu Mittag anfangs mit einer Malerin aus Hamburg zusamm speiste d. h. in ihrer Wohnung oder mirs aus dem Speisehaus durch unser Mädchen bringen ließ. Später aber genoß ich nichts als ein Glas süße Milch und einige Semmel welche ich mit der Köber aus Kurland in einem Milchgewölbe unweit der Gallerie bekamen, dort setzten wir uns in ein recht gut und anständiges Zimmer welches für Gäste eingerichtet war und erquickten uns an der Milch in der Hitze – indes wir haben nie Jemanden dort getroffen was mich und die Köber vergnügt machte, – Am Tabel d  : Hote habe ich nicht gesessen wie Euch die Zeus mit geschickt, das ist ein Irrthum – mir wär dies kaum möglich gewesen. Ihr werdet mir hoffentlich | dieses Schweigens wegen nicht böse sein da es wirklich aus der besten und reifesten Absicht geschah. Ihr konntet mir darin nicht helfen und so habe ich Euch eine Sorge erspahrt  ; selbst habe ich dabei den Eigennutz im höchsten und niedrigsten Stand des Dresdner Volks kennen gelernt und Studien darin gemacht. Das Schreiben will aus zwei Ursachen nicht gehen, erstens da ich sehr verstimmt und traurig bin und zweitens da ich ganz plötzlich rasende Zahnschmerzen bekommen die mir alles Denken alles Thun mit einem Mal nehmen, o, das wird eine herrliche Nacht wieder werden  ! d  : 21ten Januar 48. Die Nacht ist Gott Lob vergangen und bald legt man sich hier wieder zu Bette – ich sage  : Gott Lob  ! – ja weil sie eine sehr quälende gewesen, indem die Zahnschmerzen nicht nach ließen bis gegen 4 Uhr des Morgens da erst schlief ich ein doch schlief unruhig, träumte von Euch von Sivers, Studsinski, kurz Alles Durchdachte während des Abends und Nacht wiederholte sich in bunter Verworrenheit im Traume so saß ich um 8 Uhr wieder bei der Arbeit und habe bis nach ½ 5 Uhr nachmittags gearbeitet und mich gewundert daß ich nicht die mindeste Müdigkeit fühlte  ; wol das Aufgeregtsein ließ die Glieder nicht welken. Jetzt ist die Uhr bald 7  – die Tante ist nach langer langer Zeit einmal wieder ins Theater gegangen da ich erstens schreiben wollte und zweitens wieder recht heftiges Zahnweh bekommen und der Onkel, um mich nicht zu stören ging in ein Kaffeehaus darum will ich Alles Euch sagen, was ich Euch zu sagen weiß, will vor allen Dingen den Brief zur genüge beantworten. Das was ich 99 Die Familie des Hofmarschalls am sächsischen Hof August Graf Bose (1787–1862) gehörte in Dresden ebenfalls zu den engeren Bekannten Julie Hagens. Bose war mit der aus Livland stammenden Katharina Natalie Elisabeth von Löwenstein (1795–1879) verheiratet  ; vgl. Stammtafeln und Beiträge zur Geschichte der Familie von Bose (Bosebuch), hrsg. von Carl von Bose, Georg von Bose, Gerhard von Bose, Eigenverlag, o. O. 1980.

96 | Die Briefe Euch von der Falk. gestern schrieb hätte ich Euch zwar schon lang sagen sollen, was mir jetzt auch wirklich von Herzen leid ist, doch ich schwieg um Euch, wie schon gesagt, eine Sorge zu erspahren. Was mich zurück hielt ganz von ihr aus zu ziehen, daß ich in manche Gesellschaft | durch sie kam, welche mir von Nutzen hätte sein können allein habe leider all zu sehr einsehen gelernt, das das Dresdener Völkchen eines der eigenthümlichsten ist. Und doch war ich heiter und froh da ich Freunde fand deren große Güte mich für Alles entschädigte, immer werde ich mit dankbaren Gefühlen an Dresden zurück denken. – Viele kleine Schändlichkeiten welche ich durch die Falk. erfahren habe lassen sich besser mündlich erzählen als schriftlich. Sivers hat mir auf die beiden Briefe noch keine Antwort gegeben, sollte Deine Vermuthung sich bewähren ach nein dies kann und will ich nicht glauben. – Den Brief von Ledebour habe ich heute in aller Früh schon hinaus geschickt da ich selbst keine Zeit hatte. Onkel brachte ihn hinaus nebst einer Karte von mir und ging zugleich auch zu dem Haushofmeister des Leuchtenbergschen Palast’s um ihn um einige Zeilen von seinem Schwager zu bitten also wenn vielleicht Amalie dieses Briefchen hin trägt so wird sie gegen dasselbe das Päckchen erhalten. Das Armband aus Eurem Haar macht mir viel, viel Freude da ich mir lang schon ein solches gewünscht habe ich denke es mir besonders hübsch durch das verschiedene Haar. Du lieber Vater hast Dir wol Deine Haar zu diesem Geschenk recht lang wachsen lassen damit es möglich wurde zu flechten  ? Tausend, vielen tausend Dank für dies schöne Andenken. Heute habe ich meinen 3ten Kopf prima fertig gemalt ein junges Mädchen und zwar ein recht hübsches aus unserer Bekanntschaft. Sie hat sehr feine Züge, sehr schöne Augen allein ein entsetzlich schweres Kolorit, die Farbe des selben ist ein graugelb und doch dabei fein und klar. – An dem Kopf habe ich länger als 4 Tage gemalt doch Bernhardt sagte mir heute daß er recht zufrieden mit mir sey, ich solle nur so fort fahren, sah mich darauf an und bemerkte die Röthe welche vor innerer Freude mein Gesicht bedeckt hatte und wiederholte auf ein | Mal dies, sagte dann  : es ist wirklich recht brav, sie haben meine Erwartungen übertroffen. Unsere Stunden in der Perspection gehen fort und zwar am Sonntag Vortisch von ½ 11 bis 12 Uhr und am Donnerstag von 5 bis 6 Uhr Abends ein Mitschüler hat sich zu uns 3 Mädchen noch gesellt und rathet wer dies ist  ? – Herr Bernhardt  ! Mir ist dieser Kamerad in vieler Beziehung recht angenehm, in mancher aber eben so genierend. Betreff des Thee’s und der Theemaschine durch welche Du der Tante eine Freude machen möchtest nur so viel daß sie nur wenig Thee trinken obgleich die Tante ihn sehr liebt und wie sie sagt ihn alle Tage trinken möchte allein darum nicht thut da Onkel gewohnt ist etwas zu essen und sein Bier zu trinken, manchmal lässt die Tante für sich und für mich einen machen und dann erzähle ich ihr immer die große Annehmlichkeit der gemütlich brummenden Theemaschine. Meiner Meinung nach behauptet sie dieselbe hier schon gesehen

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zu haben, besonders in Salzburg allein sind für unzweckmäßig befunden worden. Von dem Thee, welchen Ihr mir durch Minna Döhler schicktet habe ich ein wenig für mich zurückbehalten nachdem ich meinen liebsten Freunden ihn ausgetheilt und diesen gab ich nun der Tante, der von ihr als große Delikatesse getrunken und genossen wird. Aus Dresden habe ich Briefe von der Kaufmann, Gouvernante bei Bosens  ; sie schreibt sehr liebenswürdig gut und theilnehmend und sagt daß sie gewiß im nächsten Frühling nach Anzen100 reisen werden. Vor zwei Tagen wurden der Tante zwei Billiets für sie und für mich zur maskierten Akademie gebracht. Es ist nämlich dies eine Gesellschaft welche im königlichen Odeonssaal statt findet und in der kein Herr ohne Maske | erscheinen darf. Wir gingen hin doch der Saal war schon besetzt. Vom Hof war niemand als der König und dessen jüngster Sohn Adalbert101 in rothen Dominos. Der König fand niemand von höheren Herrschaften und bemühte sich jetzt populirt zu sein indem er fast jede ältere oder alte Frau fragte  : wie viele Enkel haben Sie  ? Und jede jüngere Dame  : wie viel Kinder haben Sie  ? Darauf setzte er sich und die Musik begann darauf eine höchst einfältige Posse durch Pantomimen vom Hoftheater auf geführt  ; nach dem ersten Act ging der König, um 9 Uhr waren auch wir zu Hause. Am nächsten Mittwoch soll ich auf einen Ball oder sogenanntes Picknik gehen welches im Odeonssaal sein wird und aus Offizieren und Beamte besteht. Ein ganz wunderschönes weißes Kleid hat mir Tante machen lassen zu diesem Abend  ; ich freue mich aber gar wenig darauf und besonders da ich Euch in Bekümmerniß und Sorgen weiß. Wie ist mir der Krankheitszustand des mir zwar unbekannten und doch so werthen Studsinskie betrübend, möchten die Ärzte ihn doch nur nach Deutschland schicken  – sagt ihm wie sehr ich Theil an seinem Leiden nehme. Daß ich den Onkel und die Tanten für Euch malen werde ist gewiß allein die Tante Ottilie sträubt sich mit Händen und Füssen dagegen indem sie sagt sie könne sich nicht sehen da sie nicht hübsch sey darum thut Ihr mir einen großen Gefallen wenn Ihr sie selbst darum bittet was sie dann gewiß thut denn sie freut sich immer sehr über einen Brief von Euch und es scheint mir, als legte sie sehr viel Werth auf die Zeilen von Euch. Sie hat mir einen herzlichen Dank für Deinen Brief aufgetragen und viele herzliche Grüsse und Küsse an Euch allen wie ein Gleiches thut der Onkel. Den Tanten werde ich Deine Zeilen in diesen Tagen hinaus tragen welche sich gewiß sehr freuen werden. | d  : 23ten Januar 48. Die Uhr ist zwar schon bald 11 doch ich will noch einige Zeilen hinzu setzen, dann noch siegeln um ihn Morgen auf die Post zu tragen. 100 Die Gemeinde Antsla im Kreis Võru (Werro) in Estland. 101 Adalbert Wilhelm Georg Ludwig, Prinz von Bayern (1828–1875), er heiratete 1856 die Infantin von Spanien Amalie von Bourbón (1834–1905).

98 | Die Briefe Heute am Vormittag war ich zum Herren Wiedenbauer gegangen um Mädlers Porträt anzusehen und habe leider nichts sehen können da er versicherte er habe noch gar wenig gethan nur bin ich zufrieden daß ich ihn daran arbeiten gesehen und jetzt bin ich eben von Tirsch heim gekehrt wohin ich gestern schon geladen war, nur einige Personen waren noch dort und der Abend verging wie gewöhnlich ein kleiner Zirkel von nicht bekannten Personen zu vergehen flegt. Den Herrn Hofrath habe ich heute zum ersten Mal gesehen allein nicht gesprochen er scheint mürrisch oder immer im tiefen Nachdenken versunken entweder sitzend oder auf und niedergehend im Zimmer herum. Du meine theure Mutter erlaubst wol daß schon jetzt ich Dich zu Deinem herannahenden Geburtstage gratuliere.102 Du weißt theure Mutter, daß ich Dir nur alles Gute wünsche darum unterlasse ich das Aufzählen von Wünschen, sey glücklich meine theure Mutter  ! Sieh dieser Wunsch umfasst Alles das ich Dir wünsche. Ich werde den Tag still im Gedenken an Dich zu verleben suchen denn so nur kann ich diesen mir heiligen Tag würdig feiern. – Nun aber lebt alle wohl und grüßt mir alle herzlich Bekannte und Freunde. Dem Schirren wollte ich einige Worte mit senden werde aber das nächste Mal es thun daher für dieses Mal nur einen herzlichen Gruß Tante und Onkel grüßen recht schön, Erstere ist beschäftigt mir meinen Ballstaht herzurichten. Lebt herzlich wohl  ! Eure Tochter Julie

102 Der Geburtstag der Mutter war der 15. Februargreg..

B. Revolution in München Februar 1848 bis März 1848 In den Briefen des ersten Drittels des Jahres 1848 beherrschen die dramatischen politischen Ereignisse in München die Berichte der Künstlerin, die diese mit viel Interesse und Sympathie verfolgte. Als Ausländerin fühlte sie sich als Zaungast, der mit Abstand die Entwicklungen verfolgen konnte, spürte aber gleichzeitig mit persönlicher Teilnahme den europäischen Zusammenhängen und damit den Folgen nach, die die Revolution in den deutschen Staaten für ihre Heimat, die russischen Ostseeprovinzen, beinhalten konnte. Dabei berichtete sie sehr detailliert von der Abfolge der Ereignisse, und doch nach eigenem Bekunden nur einen kleinen Teil dessen, was geschah, da sich Nachrichten und Gerüchte überschlugen. Durch ihre Schilderungen, fürchtete sie, könnten ihre Briefe an der Grenze abgefangen werden, trotzdem riskierte sie, da sie ihre Familie abgeschnitten vom Nachrichtenstrom wähnte, durch die Beilage einiger Abschriften aus Zeitungsartikeln am Ende dieses Kapitels zusätzlich eine Unterbrechung der ihr so lebensnotwendigen Korrespondenz. Hier zeigt sich der Charakter der Künstlerin, die stets reflektiert und mutig vorging. Über die Studentenunruhen im Februar und die Ausweisung der Lola, den Wankelmut des Königs, den dadurch ausgelösten Aufruhr des Volkes und die in der Folge instabile Lage in München reichen die Schilderungen bis hin zur Abdankung des Königs, die die ganze Stadt in eine dumpfe Erstarrung versetzte, denn  : »niemand hatte dies erwartet«  ! Allen Befürchtungen zum Trotz machte der Thronfolger Maximilian II. eine gute Figur, was Julie den Eltern mit der Abschrift seiner ersten Rede auf der Ständeversammlung am 22.3.1848 anzeigte. Mit den Studien bei Bernhardt war die Künstlerin sehr zufrieden, neben Modellen, die als Bezahlung ihre Porträts erhielten, die sie also weggeben musste, malte sie erste Bildnisse gegen Bezahlung oder wiederholte, da sie sehr schnell arbeitete, Werke, die sie dann behielt, um sie zu zeigen. Bernhardt erlaubte ihr bereits Ende Februar, die erste Hand zu malen, womit er ihr signalisierte, dass sie große Fortschritte gemacht hatte. Die Zusammenarbeit mit der Ateliergenossin Lina List wurde zunehmend schwieriger, so dass es sich gut traf, dass diese die Stadt verließ. Ab Mitte März hatte Julie Hagen ein eigenes Atelier zur Verfügung, was sie in die Lage versetzte, Bernhardts für die Künstlerinnenausbildung unübliches und fortschrittliches Ansinnen, sie solle sich an der Natur üben, also Akt malen, in die Tat umzusetzen. Der Lehrer wies sie an, bei diesen Übungen Geheimhaltung walten zu

100 | Die Briefe lassen und die Tür stets zu verschließen, da die Mitschüler und vor allem Mitschülerinnen es ihr falsch auslegen könnten. Er besorgte ihr ein Modell, so dass sie sofort mit den angeleiteten Aktstudien beginnen konnte, an denen sie ihre Not hatte. Das Sujet war ungewohnt.103 Ausgerechnet in die Revolutionszeit fielen auch die ersten Ballnächte, die die Künstlerin in München erlebte. Die Tante stattete sie dafür üppig und elegant aus, was der jungen Malerin nicht nur ungewohnt, sondern unpassend erschien. Sie tanzte – mehr dem Wunsch der Verwandten als ihrem eigenen folgend – im Odeon, im Bayerischen Hof, in der »Blauen Traube« und sie erlebte den Maskenball im Theater. Die Veranstaltungen waren in diesem Jahr stark beeinträchtigt durch die revolutionären Ereignisse. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 30.1.1848 München d  : 30ten Januar 48

Meinen theuren lieben Aeltern  ! Jetzt ist Ruhe auf einige Zeit für mich eingetreten und ich kann wieder zur Feder langen mit der Gewissheit wenigstens eine Stunde ohne besondere Störung zu Euch zu reden und ich will Euch mittheilen wie ich diese vergangenen 8 Tage verlebt. – Montag brachte ich Euren Brief auf die Post worin ich Euch schon mit­ ge­theilt daß ich einen Ball besuchen sollte, welcher nun auch am vergangenen Mittwoch gewesen und zwar ein sogenanntes Piquenique, welches meistens Offiziere veranstalltet im Odeonssaal statt fand. – Ich war, wie Euch natürlich scheinen wird für solche Dinge gleichgültig, ja fast zu gleichgültig denn ich kümmerte mich auch um gar nichts, ich überließ alle Sorge für meine Toilette der Tante – Die Arme lief nach Möglichkeit umher und hat mehr als zu viel Geld für meinen Anzug aus gegeben während ich in aller Ruhe den ganzen lieben langen Tag arbeitete und nur den Abend mir von ihr erzählen ließ was und wie sie das Nöthige besorgt. D  : 26ten also war der erste Tag wo ich mich im schönsten Glanz der Welt Münchens zeigen sollte. Man kleidete mich in weiß  ; mein Köpfchen wurde vom Frisör ziehrlich mit glühendem Eisen gebrannt und mir dann ein Kränzchen aufgesetzt – Weißatlas Bänder, Schleifen, Blumen, weißatlas Schuh e. c. fehlten nicht, kurz ich hatte Alles um eine hübsche Person schön erscheinen zu lassen  ; allein ich kam mir vor wie ein recht plumper Affe dessen Hässlichkeit neben den bunten Flittern, die ihn umhüllten dem ruhigen Beschauer noch greller ins Auge treten musste. – Ich als ganz Fremde hatte mich gefasst gemacht statt Tänze lauter | Sitzpartien zu machen allein es ging besser als ich gedacht, indem ich fast mehr getanzt als ich sollte denn 3 Tage lang war ich steif und müde was freilich 103 Vgl. Conrad, 2018.

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auch nur das einzige war was mir vom Ball geblieben nicht so wie nach einem vergnügten Abend auf der Musse104 schwelgte ich in der Erinnerung des Vergangenen – Eine gewisse Leere ist mir geblieben was mich weder wundern noch ärgern darf. – Es war übrigens eine ganz hübsche gewählte Gesellschaft, – sehr viel hübsche Gesichter und pompöse Toeletten hatte ich Gelegenheit zu bewundern. Ein Zufall führte uns sogar Verwandte zu, nämlich den Baron Weinbach nebst Frau und Schwägerin aus Augsburg  ; sie ist nämlich die Schwester der Frau des Onkel Ignatz.105 Ich hatte im Augenblick als sie uns zugeführt und als solche vorgestellt wurden einen nicht geringen Schreck – da ich zwei Tage zuvor mit der List in den Kunstverein um ein wunderschönes Bild von Zimmermann106 zu sehen, gegangen war. Ich war entzückt über dasselbe als mit einem Mal ein einfältiges ganz falsches Urtheil mich aus diesem Gefühlten riß, ich sah mich um und erblickte einen Mann welcher das gemeinste aufgedunseste Biergesicht hatte und zwei Damen neben sich mit nichts weniger als gescheute Mienen – Ich vor Ärger sah sie mit großer Verachtung an sprach laut über solche Frechheit ein Urtheil zu fällen und ging. Die List, welche lange in Augsburg gelebt hatte sagte  : dies sind die ersten Coketten Augsburgs und nun sind es sogar Verwandte von uns. – Mein Versehen wieder gut zu machen sagte ich zu ihm daß ich ihn schon im Kunstverein gesehen und er mir durch ein sehr gesundes Urtheil, welches ich von ihm fällen gehört, aufgefallen sey. Den Abend habe ich häufig mit ihnen gesprochen und fand nur daß er | ein dummer einfältiger Teufel ist und sie, seine Frau und Schwägerin erschrecklich albern und zimperlich. – Sonnabend abermals zum Ball, ha ha zum Ball  ! Werdet auch Ihr lachen. Gott ja, musste ich trotz meines Widerstrebens abermals zum Ball und zwar in den Bayrischen Hof, woselbst ich zwar recht viel getanzt doch noch weniger gut mich unterhalten habe wie im Odeon – Eine ungemein große doch eben so sehr gemischte Gesellschaft fanden wir dort vor besonders Juden in Menge – zum Glück habe ich mit keinem tanzen dürfen. Vor dem Cottilion107 fuhren wir auf meinen 104 Die »Musse« war ein Vergnügungsort in Dorpat, an dem musikalische Veranstaltungen, Bälle, Lesungen, Theateraufführungen und andere gesellige Treffen veranstaltet wurden. Es gab eine akademische Musse (in der Mühlenstraße 15/17, dies war die von Julie besuchte) und eine Bürgermusse (im Zentrum der Stadt am Neuen Markt 13). Per Ukas des Zaren von 1821 war es den Studenten untersagt, die Bürgermusse zu besuchen. Zuwiderhandlungen wurden mit Exmatrikulation bestraft. 105 Vgl. Anm. 34. 106 In München waren mehrere Brüder Zimmermann (Albert, Max, Robert und Richard) als Landschaftsmaler tätig, deren ältester, Albert (1808–1888), in München auch eine Malschule unterhielt. Theoretisch könnte auch der schon oben erwähnte Clemens von Zimmermann gemeint sein. 107 Der Cotillion war ein Tanzspiel, das ab der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr beliebt wurde und

102 | Die Briefe Wunsch nach Hause – ich sage  : auf meinen Wunsch – theils da das Vergnügen nicht so groß gewesen theils aber da ein Modell ich am Sonntag früh um 8 Uhr bestellt hatte das mir den ganzen Tag saß und ich noch Perspectivstunde hatte. d  : 1ten Februar 48 Gestern Abend beendete ich noch meinen Brief an Hüttels und mußte mich dann fast wider meinem Willen zu Bette legen da ich wieder meinen lustigen Besuch, den Zahnschmerz, erhielt  ; Heute will ich nun weiter schreiben bis Zahnschmerzen mich plagen, die sich zwar schon durch leichtes Ziehen und Zerren melden – Ihr werdet mich fragen  : ist denn gar nicht zu helfen, ist denn kein Mittel um ihnen diese wiederholten Besuche zu verbittern  ?  – Ja wohl thue ich etwas dagegen, habe gebrüht habe Fußbäder genommen  ; allein nur auf kurze Dauer verlassen sie mich, namentlich kommen sie die Nacht am Häufigsten, am Tage nur selten und das ist mir lieb, – kann ich doch so ohne Störung ruhig arbeiten. Der lieben Schwester Mize hatte ich neulich ein Briefchen geschrieben d. h. auf den versprochenen Kragenschnitt. | Und war in der Meinung ihn mit eingeschlossen zu haben. Doch eine unangenehme Überraschung wurde mir tags darauf als ich das Blättchen unter meinem Schreibtisch fand welches vermutlich beim Quvertbeschneiden heraus gerutscht ist  ; diese Entdeckung hatte den ganzen Tag mich verstimmt nur weil ich wusste wie gewiß sie diesen Schnitt erwartet hatte. Nachdem wir in München zwei Monate hindurch fortwährend nebeltrübe, feuchtkalte Tage hatten stieg das Termometer vor etwa 6 Tagen plötzlich bis auf 16 Grad Kälte und zum ersten Mal erfreute die Sonne uns arme Maler durch den Glanz ihrer Strahlen. – Noch einmal so froh und heiter wurde gearbeitet  ; das sonnenhelle Attilier ließ mir den Frühling ahnen  ; natürlich durfte ich nicht hinaus blicken um mir die Wirklichkeit durch die weiße Schneedecke ins Gedächtnis zurück zu rufen. Das Thönen der Glocke der nah gelegenen Teatinerkirche hatte einen anderen Klang einen helleren einen friedlicheren als seit lange, lange, selbst das Holz hacken im Hofraum unter mir klang anders, kurz ich lebte schon im Frühling und als ich um 12 ½ Uhr nach Hause ging so war ich erstaunt die Dächer und Rinnen stark tropfen zu sehen was die darauf folgenden Tage noch stärker war, heute plötzlich hat sich das herrliche Wetter zu einem garstigen um gewandelt, es ist warm, ich glaube 2–3 Grad dabei ein entsetzlicher Sturm, abwechselnd Regen und Schnee, nasse Straßen. Die Tage übrigens sind bedeutend länger geworden bis 5 Uhr lässt sich ganz gut schon arbeiten, – auch Ihr armen Nordländer fühlt das Wachsen des Tages allein doch nicht so stark wie wir hier. Heute bin ich bei Wiedenbauer gewesen um mir den Mädler | anzusehen und bin erfreut daß es so gut gelungen ist, gewiß ist es ebenso gut wie von den Höhepunkt des Balls bildete. Der Reiz bestand aus wechselnden Gruppierungen, neckischen Tanzspielen mit teilweise freier Partnerwahl.

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Hanfstängel nur ist zu wünschen daß die Abdrücke nicht weniger gut werden. Heute beendete ich wieder einen Knabenkopf bei welchem mir Bernhardt sagte im Schmelz der Farben wäre er im Allgemeinen gut – Ich male jetzt immer nur prima was mir in vieler Beziehung angenehmer ist als wenn ich immer noch untermalen müsste, erstens ist mir’s im Primamalen schneller von statten gegangen als mir Bernhardt verhießen, (er sagte mir nämlich beim ersten Kopf den ich gleich fertig malen wollte und den ich als Untermalung stehen musste lassen  : »nun Sie werden wol noch 12 solch unglückliche Versuche machen«) allein ich habe nur einen einzigen Kopf mir noch als Untermalung liegen lassen müssen die andern darauf gingen alle. Zweitens finde ich daß ich wenigstens in dem Contour viel vorsichtiger bin als wenn ich untermale, da verlässt man sich immer allzu sehr auf die Übermalung. Da Fräulein List nun auch nach dem Leben malt so theilen wir uns in den Modell’s also behalte ich immer den Kopf den sie bringt – und das macht mich recht herzlich froh kann ich doch einst Euch zeigen was ich gethan. – Die gute Tante ist gestern gefallen und hat sich ihren Arm so zerschlagen daß derselbe ganz steif ist und sie ordentlich ein Wundfieber hatte. – Freund Sivers hat auch nichts von sich hören lassen, mir scheint’s unbegreiflich, welchen Menschen soll man glauben wenn er Freundschaft oder Liebe betheuert  ? – ich glaube keinem  ! Mir fällt eben ein dass ich im vergangenen Mal vergessen hatte Dir meine theure Mutter zu sagen daß die Tante Elise in Ballsthal108 wenig oder gar nichts durch den Krieg | gelitten erstens nicht da der Kriegsschauplatz nicht dort gewesen und zweitens da sie auf der Siegenden Partei sind – Onkel will in dieser Zeit an sie schreiben dann will ich auch ein paar Zeilen bei legen. d  : 4ten Febr. 48. Weiß ich doch nichts als daß ich so eben aus dem Theater heim gekehrt, Euch mit zu theilen so will ich wenigstens dies Euch sagen  : Der Kaiser (d. h. von Russland) und der Seiler, ein etwas dummes Lustspiel sah ich, welches noch etwas schlecht dazu gespielt wurde. – Ein Schauspieler Witthof aus Petersburg war der jenige welcher am besten seine Sache machte, dieser Witthof wird wahrscheinlich hier angestellt da er wie man sagt von der Frau Gräfin Landsfeld protegiert wird.109 – Alles geschieht durch die Hand dieser Person, gewaltige, fabelhafte Dinge kommen in der politischen Welt vor. Heute früh als ich zur Arbeit marschierte stürzte ich so lang ich war zu Boden, zum ersten Mal in diesem Winter. Vortisch ist kaum möglich zu predigen da es am Tage durch die Wärme der Sonne, trotz seiner 10 und 11 Grad Kälte taut und das recht stark und in der Nacht wieder arg friert  ; das Wetter ist wieder schön 108 Vgl. Anm. 33. 109 Das Stück »Der Kaiser und der Seiler« wurde von Charlotte Birch-Pfeiffer (1800–1868) verfasst, ein »Schauspieler Witthof« konnte nicht ermittelt werden.

104 | Die Briefe geworden. Unsere Königinstrasse ist das ganze Jahr hindurch die schönste in ganz München indem alles bei trockenem Wetter da hinein spazieren geht. Am Sonntag namentlich ist die Menge der Spaziergänger so groß daß man glauben könnte es wäre Jahrmarkt – Der ganze Hof macht seine Promenaden unserem Hause vorüber, im Sommer soll es gar arg sein wie die Tante mir erzählt – In der That hat der Onkel ein beneidens werthes Haus, um welches er auch sehr sehr beneidet wird. – Sonst geht es mir wie immer, beschäftigt dabei nach Umständen froh und heiter. Meine Perspectivstunden annuiren mich gewaltig besonders das Construiren zu Hause, froh recht froh will ich sein wenn | es heißt  : »nun dies ist die letzte Stunde.« – d  : 8ten Februar 48. Draußen rechnet braust und stürmt’s grausig seit 3 Tagen  ; aller Schnee und Eis ist geschwunden es sieht schwarz und trüb aus  ; doch eben so schwarz und trüb im Herzen vieler Menschen in München – Krankheiten und Sterbefälle finden viel und häufig statt, selbst Onkel liegt seit gestern zu Bette, fast zum ersten Mal in seinem Leben, er fibert stark allein sein Wunsch verbietet uns einen Arzt zu rufen – Aloys Rosner (Mediciner) meint es wäre ein gastrischer Anfall. Ich sagte vorhin schwarz sehe es im Herzen mancher Menschen aus – ja und das recht sehr  ; denn so wie es in der Schweitz, Italien, kurz allenthalben spuckt so sehr spuckt es auch hier in Bayern – Gestern Vortisch hat es eine kleine Revulution unter den Studenten gegeben. – Ich glaube daß ich nicht nöthig habe Euch zu sagen das die Gräfin Lola die Ursache, wie immer auch hier ist. Dieser schauderhaften Person wegen bekommen alle ehrenwerthen Männer die Entlassung ihres Dienstes, alle Minister bis auf den Kriegsminister sind vor 2 Monaten fort geschickt allein auch dieser von allen geachtete und geschätzte Mann ist ganz plötzlich seines Amtes entsetzt und aus keiner anderen Ursache als daß er nicht zur Lola hat gehen mögen. – Der neue Kriegsminister hat der Lola schon mehr als einen Besuch gemacht worauf der Prinz Karl (Bruder des Königs und unser Nachbar) und der Prinz Luipold (ältester Sohn des Königs)110 erklärt haben sie könnten und wollten nicht unter einem so unehrenwerthen Mann dienen also ist die Folge daß dieser auch bald wieder seinen Abschied nehmen wird müssen, wie alle übrigen sich laut und öffentlich erklärt haben sie würden so gleich gehen sobald der König sie zwingen wird zur Lola zu gehen.111 – Außerdem hat die Lola sich | zur Protectorin einer ganzen Landsmannschaft der Allemannen (nämlich der Studenten) zu machen gewusst. Zum Glück gehören 110 Luitpold war nach Maximilian II. und Otto I. von Griechenland der drittgeborene Sohn König Ludwigs I. Karl Theodor Maximilian August Prinz von Bayern (1795–1875) war der zweitgeborene Sohn des Königs Maximilian I. Joseph (1756–1825). 111 Der entlassene Kriegsminister war Leonhard von Hohenhausen (1788–1872), dem Heinrich von der Mark (bis zum 4. April 1848) und Carl Weißhaupt (bis 21. November 1848) folgten.

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zu dieser Landsmannschaft nur 13 Glieder welche sie zu ihren Zwecken benutzt und sie dafür mit den Mitteln des Staates reichlich belohnt. Jeder dieser Leute hat ein großes Stipendium, Geschenke, kostbare, und ihre Huld, alle Tage komerssirt sie mit diesen Leuten, verkleidet sich als Student besucht so die Kneipe der Studenten, kurz skandalöse Dinge werden von Tag zu Tag mehr und mehr laut. – Natürlich sind nun diese Allemannen, genannt Lolamannen im Verruf bei den übrigen existirenden Landsmannschaften. Lang währte ein Stillschweigen, ein Vermeiden in Verbindung zu gerathen mit jenen  ; allein kleine Reibungen haben endlich sie so weit geführt daß schon einige Male im Hörsaal Spectakel entstanden ist indem man die Allemannen heraus gepfiffen, und geschurrt hat, – ein paar Mal ist’s sogar vorgekommen daß Alles, etwa von 400 Studenten sich entfernt haben bis auf 5 Allemannen. – Vor etwa 10 Tagen starb der große Philosoph Görres,112 welcher einen großen Anhang sowol unter den Studenten als Literaten ganz Bayerns hatte, dieser Leiche folgten viele, ja fast alle Studenten und die Lolamannen wollten sich nicht zuletzt dem Zuge anschließen sondern wollten gehen wie’s ihnen gerade gefiel da hatte sich also schon Streit entsponnen – nun wollten tags drauf die Studenten der Leiche einen Fackelzug bringen, doch es wurde ihnen verboten darauf endlich sollte am vergangenen Sonntag eine Wallfahrt zum Grab des verstorbenen Lehrers statt finden und siehe, wie die Studenten hin kommen ist das Grab | mit Wache besetzt und keiner wurde hinzu gelassen, außer die liebenswürdigen Allemannen. Montag, also gestern, versammelten sich die Studenten gegen 900 Mann im Hörsaal mit dem Vorsatz beim Eintreten der Lolamannen Periat113 zu rufen  – der alte Tirsch hat in diesem Tumult eine Anrede gehalten doch nichts hat gefruchtet, der Minister des Innern Wallerstein114 wurde geholt doch dieser nur erhöhte den Spectakel, so endlich entfernten sich die Lolamannen und alle übrigen Studenten begleiteten sie unter immer währendes Periatrufen Pfeifen Hohngeschrei die ganze Ludwigsstraße entlang, so daß sogar die Soldaten ausrücken haben müssen. – In allen Straßen, an allen Ecken und Kanten der Stadt sieht man die Patrulie umherziehen. Heute sogar hat sich ein Lolamann erlaubt in den Arkaden einem andern eine Ohrfeige zu geben. Die Lola stellt aus allen Ständen Leute an, den niedrigsten und den höchsten, sie nur hat zu bestimmen wer abgesetzt und wer angestellt werden soll, so z. B. ist hier ein ganz gemeiner Chokoladfabrikant dessen unsittliches, 112 Johann Joseph Görres (1776–1848) war Hochschullehrer und einer der einflussreichsten politischen Publizisten seiner Zeit. Er war ein Anhänger der demokratischen Bewegung. 113 Gemeint sind Pereat-Rufe  : Nieder damit  ! Gehe unter  ! 114 Ludwig Fürst Oettingen-Wallerstein (1791–1870) stand zu dieser Zeit ebenfalls in seinem Amt unter Druck durch Lola Montez. Er wurde später von Maximilian II. persönlich für die Eskalation, bei der erstmals Blut floss, verantwortlich gemacht  ; zu den Unruhen in der Universität in den Februartagen des Jahres 1848 vgl. Weidner, 1998, S. 15 f.

106 | Die Briefe unmoralisches Leben in ganz München bekannt ist und sich in letzterer Zeit zu der Fahne der Lolamannen geschlagen hat und darum ein Hoflieferant geworden, d. h. nicht allein Chocolade sondern auch Alles übrige. – Die Königin hat in Folge dessen einen anonimen Brief erhalten worin man sie dringend bittet ja keine Chokolade von Meyerhofer (so heißt nämlich dieser Schuft)115 zu trinken da die Lola gesagt hat  :  – es müssen sich nur zwei Augen schließen dann werde sie regierende Königin. – Einen Brilliant Schmuck hat sie bekommen welcher 60000 Gulden gekostet hat, dieser Schmuck besteht aus einem | Diadem in Form einer Krone, einem Halskolie und Armband. Als sie das erste Mal im Thea­ ter mit diesem Diadem erschien soll ein ewiges Gemurmel unter dem Publikum statt gefunden haben und man fürchtete einen Krawall – Der König ist so weit gekommen daß er nichts mehr durchsetzen kann, Alles was sie will muß geschehen. Dies alles was ich Euch da erzählt will wenig nur sagen gegen dasjenige was hier geschieht. Lang kann es nicht dauern daß es so ruhig bleibt, denn fangen erst die Studenten an dann greift der Pöbel mit ein  ; selbst das Gebirgsvolk ist gewaltig aufgebracht. Das Melitär wird dann auch schwach die Partei des Königs halten, da alles schimpft. – Ich als Fremde werde dann ruhig zu schauen und mich über des Königs Völkchen Bayern freuen. – Nun noch über mich selbst etwas  : Gestern beendete ich bis auf kleine Lasuren eine junge Dame von 14 Jahren. Bernhardt sagte nichts Besonderes – Heute nun sollte die List, der Abmachung gemäß ein Modell schaffen was sie freilich auch gethan hatte welches aber ein Gesicht hatte das mehr als nichts sagte, weder Formen noch Farben noch Ausdruck war leidlich interessant, kurz ich quälte mich eine nur erträgliche Stellung heraus zu bringen doch was nicht war, war nicht, endlich entschlossen wir uns Bernhardt zu rufen der konnte auch nichts thun und so gingen wir dann trotz Unwetter in die Pinakothek – Nachtisch habe ich eine Treppe zu construiren versucht, dann etwas in Shakspaere seinem Hamlet gelesen und nun sitze ich da Euch dies mit | zu theilen, die Tante sitzt neben mir und strickt und der Onkel schwitzt im Nebenzimmer. Den Emil Devrient sehe ich im Geiste als Hamlet so lebhaft als säße ich zu Dresden in einer Loge des zweiten Ranges  ; o wie oft gedenke ich dieses Künstlers und begreife dann nicht wie München nur so schlechte Schauspieler ertragen kann. – Eben wird uns Feuerschaden gemeldet  ; auch wirklich ist der ganze Himmel gluthroth, doch zum Glück ist es nicht in der Stadt sondern außerhalb dieser. d  : 9ten Februar 48. Ärgerlich, ja recht ergrimmt über meine Dummheit greife ich zur Feder um mir besseren Muth bei Euch zu holen, nun sitze ich seit 7 Uhr 115 Zum weiteren Schicksal des Schokoladenfabrikanten Gregor M. Mayerhofer, der zu den engsten Günstlingen der Montez gehörte, vgl. Weidner, 1998, S. 294, und weiter unten in diesem Brief.

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da und Construire ein ein fältiges Zimmer und kann nicht recht zurecht kommen das mir meinen guten Humor ganz verscheucht hat. Heute Früh als ich aufgestanden fand ich daß das schlechte regen Wetter sich zu einem wunder herrlichen umgewandelt hatte, ein so köstliches Frühlingswetter wie man sich nur immer hindenken kann, leider heult jetzt schon der Wind wieder um Regen oder Schneewolken herbei zu treiben um uns Entzückten morgen wieder zu überraschen, alle Damen sah man in leichten Tüchern, Schwals und Sonnenschirmen einhergehen. Um 12 Uhr holte mich die Tante ab und erzählte mir daß in der Ludwigstraße es Spectakel gebe daß ein großer Zusamlauf von Menschen da sey. Die Tante hatte ein paar Damen bei sich, die meine Bilder ansehen wollten daher wir uns einige Zeit aufhielten  ; als wir aber nun nach hause gingen, hörten wir ein fürchterliches Schreien und Periatrufen am Ende der Ludwigsstraße, wol an der Universität. Alles eilte um die Läden in den Arkaden zu schließen. Damen, Kinder, Melitär flüchtete sich in die Arkaden. Ich bat die Tante sie möge mit mir doch | ein wenig dem Geschrei nach gehen allein sie schien furchtsam und wir gingen nach Hause. Zuhause angelangt fanden wir Aloys Rosner vor, der 3 Tage in der Woche bei uns speist, welcher uns das eben Erlebte mit theilte. Die Studenten, etwa 1000 an der Zahl hatten die sauberen Lolamannen unter heillosem Geschrei von der Universität bis in die Arkaden hinauf begleitet wo selbst eine Wirtschaft ist an der sie täglich zu sein flegen  ; als sie die Arkaden erreicht zieht einer von den Lolamannen einen Dolch heraus und zielt ihn auf die Leute hin worauf man der Wache zu rief, sie sollen ihn aretiren was nicht gleich geschah sondern man ließ ihnen Zeit gewinnen ins Gasthaus hinein zu gehen, wie sie sie nun endlich dort heraus gekricht weiß ich nicht recht, kurz der eine mit dem Dolch wurde von Soldaten auf die Polizei geführt. Nachtisch hatte ich keine Ruh, keine Rast zu Hause, ich beurlaubte mich, nahm den Aloys mit und wir gingen die Ludwigstraße entlang hinunter, wenig Leute d. h. gegen den Vormittag, sahen wir, Freude empfanden wir an das göttliche Wetter und langsam marschirten wir der Residenz zu von wo aus ich ins Attelier gehen wollte doch welche Überraschung  ! Kaum wurde es uns möglich durch das Melitär und die Menschenmenge durch zu dringen. Die Residenz war rund herum von Kurassiere besetzt  : kein Mensch wurde durch gelassen. Ein Regiment nach dem anderen rückten aus, genug es war ein Leben, ein ganz wundervolles. Die Zeit war da ich ging ins Attilier und arbeitete so gut es ging bei solcher Aufregung. Alle Attiliers waren leer, keiner arbeitete, selbst Bernhardt kam nicht zu uns. Als ich nach Hause kam fand ich mehrere Personen vor unter andern auch Aloys welcher | Augenzeuge von dem war – was ich versuchen will Euch zu schreiben. – Wie schon gesagt war also einer von den Lolamannen aretirt  ; Lola Montez in größter Wuth geht selbst auf die Polizei in Begleitung von Wache und ihren wenigen Anhängern um zu befehlen daß man augenblicklich ihren Günstling frei lässt  ; das Volk mit fürchterlichem

108 | Die Briefe Geschrei begleitete sie bis dahin und auch wieder zurück bis unweit der Residenz wo sie sich nicht anders zu helfen gewusst hatte als sich in die Teatinerkirche zu flüchten da sie vom Volk mit Koht beworfen wurde, dort hatten sie aber die anwesenden betenden Frauen nicht lang geduldet da sie fürchterlich geschrien hatte, immer von ihrem armen Ludwig gesprochen daß er zu gut wäre um ein solches Volk zu haben u. s. w. sie also geht wieder hinaus auf die Straße und fehrt mit gehobener Hand auf einen Isaren mit grüner Kappe116 loß um diesem eine Ohrfeige zu brennen  ; allein dieser hebt die Hand um sich zu schützen und im selben Augenblick schlug ein Mann in Civilkleidung ihr den Arm herunter daher sie verhindert wurde ihre Gaben zu vertheilen  ; aufgebracht darüber zog sie eine Pistole heraus allein auch dieses Werkzeug wurde ihr genommen worauf denn ein Allemanne dem gereitzten Volk zu rief  : »wer die Gräfin anrührt den schieße ich über den Haufen«, doch dieser und jene wurden so mit Koht beschmissen und bespuckt daß man bald nicht mehr die wahre natürliche Gestallt und Farbe an ihnen erkannte. Sie unter schrecklichem Schimpfen und Fluchen ging in die Residenz wo selbst sie bis nach 5 Uhr gesessen hatte  ; und dann wieder von der großen Masse Menschen unter Hohngeschrei nach Hause begleitet. | Die Universität ist heute geschlossen und wie man sagt sollen alle Studenten, die nicht aus München sind die Stadt innerhalb 24 Stunden verlassen doch dies ist noch nicht bestätigt. –Der arme Tirsch hats wahrlich schwer – schon vor einigen Wochen hatte der König ihm gesagt daß noch nie ein so schlechter Rector gewesen ist als er. – Ich glaube gewiß daß die Nacht etwas geschieht  ; o, möchte es nur bunt werden  ! – Dann erzähle ich morgen weiter. Drum für heute gute Nacht  ! – d  : 10ten Febr. Also werde ich in meinen Berichten betreff des interessanten Aufstands in München fort fahren, es giebt zwar soviel Neues seit heute früh daß ich kaum alles erzählen werde können. – Um 8 Uhr, wie immer ins Attilier, da muß ich nun die Ludwigstrasse quer durch schreiten wenn ich durch den nächsten Weg dort hin gelangen möchte – mein erster Blick war hinunter und alles wogte schwarz zur Universität hin. Kaum eine Stunde gearbeitet doch keineswegs ruhig rieß uns ein lautes Periatrufen von unseren Sitzen auf, dann wurde gesungen dann abermals Lola periat gerufen und so wechselte es fort und fort ab. Die List und ich hülten uns in unsere Mäntel, nahmen unser Modell ein kleines Mädchen mit und so die Stiegen hinunter auf die Straße und sehen nun alle Studenten der Gegend zu gehen wo der alte Tirsch wohnt  ; wir auf einem anderen Wege eilten hin und sehen den alten Tirsch vom Balkon herunter auf die große Versammlung von Studenten mit lauter Stimme sprechen doch was habe ich nicht vernehmen können  ; Der Inhalt war dieser  : daß er von seinen Schülern als Rector Abschied nehme welche ihm ein Vivat brachten (NB  : Tirsch hat nämlich seine 116 Ein Student der Verbindung Corps Isaria.

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Entlassung als Rector bekommen).117 Es war ein wahrhaft feierlicher Moment, die Stille während seiner Rede war ergreifend – als er fertig war riefen die Studenten ihm ein Vivathoch zu sangen darauf Gaudeamus118 worauf Tirsch nochmals heraus kam einige Worte sprach darauf | ein heftiges Vivathoch gerufen wurde und die Studenten zogen nun dem alten Universitätsgebäude zu um dem Minister Wallerstein ein Vivat zu bringen, welcher als Minister abgedankt hatte (das Cultusministerium ist ein Gebäude der alten Universität) friedlich und ruhig nahten sie sich dem Gebäude als mit einemmale die Gansdarmerie mit ihren Bajoneten in den Haufen fuhren mehrere schwer verwundeten doch einen so sehr ins Genick gestochen daß er gleich zu Boden fiel und nach etwa einer Stunde starb. Es ist der Sohn des Oberconstitorialraths Faber, ein höchst geistreicher hoffnungsvoller Jüngling119 – Mittlerweile war eine Deputation von der Universität aus zum König gegangen (ich weiß nicht ob ich schon gesagt daß die Universität auf ein ganzes Jahr geschlossen ist). Allein der König hat sie nicht angenommen, um zwei Uhr versammelten sich alle Studenten an der Universität im Festibilum um zu berathen was zu thun  ; ich sah die Leute hin strömen und Aloys der mich begleitete ging später auch hinunter und erzählte dann abends daß mehrere Reden gehalten worden sind und daß sie darüber überein gekommen sind nicht morgen die Stadt zu verlassen sondern beisammen zu bleiben und sich morgen um 9 Uhr wieder daselbst zu versammeln um 4 Uhr endlich ist eine Deputation von den Bürgern aus in 6 Wagen zum König gefahren und diesen folgten über 1500 Bürger immer 6 zu 6 Person hinten nach welche unten vor der Residenz harrten  ; der Volkszusammenlauf soll großartig gewesen sein, man versichert uns wenigstens 17–18000 hätten sich versammelt. Die Deputierten hatten dem König die Bitte vorgelegt die Lola aus München zu schaffen, ferner Aufhebung der Allemannen und Zurücknehmen des Schließens der Universität. Der König war gerade im | Begriff zur Tafel zu gehen und ließ die Leute 2 Stunden warten, kam dann mit den Worten heraus daß nichts, gar nichts ihnen bewilligt werde. Unten waren die versammelten Bürger schon unwirsch über das lange Warten und nun doch nichts, dunkel wars schon also gingen sie wieder fort und werden sich berathen was sie morgen beginnen. Am Abend hatte ich Perspectivstunde, um 7 Uhr holte mich Aloys ab um mich nach Hause zu geleiten da Onkel noch immer recht unwohl ist und da habe ich das gemeinere Volk die von ihrer Tagesarbeit heim kehrten bewundert wie sie in großen und vielen 117 Zur Schließung der Universität und den darauf folgenden Ereignissen am 10. Februar 1848 vgl. Weidner, 1998, S. 74 ff. Friedrich Wilhelm von Thiersch war damals Rektor der Universität, der in seiner Rede am 10.2.1848 den Versuch unternahm, die Menge zu beschwichtigen. 118 Das berühmte Studentenlied »Gaudeamus igitur« (»Laßt uns also fröhlich sein«). 119 Der vollständige Name dieses Unglücklichen war nicht zu ermitteln.

110 | Die Briefe Gruppen beisammen standen und die Köpfe theils horchend theils erzählend zusammen steckten  ; es ist keine Frage daß es morgen Großes giebt, denn es nimmt einen ganz guten Anfang. Stufenweis steigt täglich die Aufregung. Das Melitär hat zu thun genug nur kann sich der König nicht auf sein Volk verlassen da sie alle wider ihm gestimmt sind die Gansdarmerie allein ist der Chor der Lola. Da diese sie zu bestechen gewusst hat auf alle nur erdenkliche Weise. Der Kriegsminister hat auch schon sein Abschied genommen. Ihr könnt Euch keinen Begriff machen wie der König sich benimmt, er hat z. B. gestern die Lola in Gegenwart vieler Leute umarmt und geküsst und ihr seinen Schutz und Beistand beschworen – Sein ältester Sohn hat Ohrfeigen bekommen kurz es steht in München oder in Bayern so wie noch in keinem anderen Lande, kein Gesetz kennt man hier nur den Befehl der Lola. Was ich Euch da nun erzählt sind Thatsachen darauf könnt Ihr Euch verlassen daß ich nur einen kleinen Theil von dem, was hier geschieht mit getheilt habe. Für heute meine theuren Ältern gute Nacht  ! – | d  : 11ten Febr. Obgleich ich müde mich fühle so werde ich doch versuchen vor dem Schlafengehen einige Worte zu schreiben Euch namentlich den Verlauf des heutigen Tages in einiger Kürze berichten. Heute früh also waren sowol Studenten als Bürger versammelt um zu berathen was zu thun sey, jene an der Universität und diese im Magistrat NB  : muß ich vorher sagen daß die Arbeiter, das gemeine Volk gestern Abend noch bis 11 Uhr, zu erste die Fenstern des ganzen Polizeigebäudes ein geschlagen hatten und darauf das Haus der Lola fast ganz demoliert, trotz der starken Besetzung von Melitär, welche dem Volk außer die Gansdarmerie behilflich sich zeigte. Mehrere Menschen sind durch Bajonetts tödtlich verwundet – Heute also war noch eine Deputation vom Magistrat aus an den König gegangen an welcher sich die Prinzes Louipolds und die königlichen Prinzen an die Spitze stellten und dem König abermals einen Fußfall thaten nachdem sie gestern es schon 3 Mal gethan – der König endlich musste unterzeichnen da ihm gesagt worden war wie wenig er auf seine Soldaten rechnen dürfe. Mit Thränen in den Augen versprach er daß die Lola in einer Stunde die Stadt verlassen werde, daß die Universität wieder eröffnet werde und daß die Verbindung Allemannen aufgehoben sey, dieses wurde dem Volk, daß in ungeheurer Masse da stand von Wallerstein vorgelesen. Dem König und seiner Familie brachte man ein Hoch und folgte dann dem König auf dem Fuße nach, unter fürchterlichem Jubelgeschrei bis zur Lola, von der er noch schmerzlichen Abschied nehmen hat wollen allein sie nicht mehr fand da das Haus ganz zerschlagen war so ging er dann wieder zurück in seine Residenz in der selben großen Begleitung und der selben | Musik. Lola war mittler weile in gestrecktem Galopp umringt von Gansdarmen durch den Hofgarten in die Residenz gefahren wurde aber nicht hinein gelassen im Hofgarten hat ein Mann ein Holzstück unter ihren Wagen geworfen, auf welchen sie eine Pistole abfeuerte und eine

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zweite außerhalb der Stadt. Den Schokoladfabrikand Meyerhofer den haben sie aus seinem Hause heraus gezogen und ihn fürchterlich zusammengeprügelt, ihn dann gehetzt bis ihn endlich der Zufall mit dem König zusamm geführt an diesen klammerte sich der ganz zerfleischte Lump, sonst wäre er gewiß liegen geblieben. Viel lächerliche Scene sind vor gekommen unter andern auch die daß der König dem Bernhardt fast um den Hals gefallen ist und ihm gesagt  : »Es war mein freier Wille dies zu thun, nur mein freier Wille  ; aber nun gehen sie nach Hause, nicht wahr  ?« – Die Gansdarmerie darf sich niemandem zeigen ohne einige Wunden davon zu tragen – wenn Gansdarmerie und Kürassiere zufällig zusamm trafen rief das Volk wie toll  : »Gansdarm periat, Kürassier vivat  !« Eine Maaße von Holz welches an den Häusern angefahren gewesen ist verschleudert um der Gansdarmerie die Verhöhnung zu bekräftigen  ; der Polizeihauptmann ist vom Volk abgesetzt und gleich durch Nacht und Nebel ein andrer aus Augsburg gebracht – große Wagen hat man quer über die Straßen gelegt um die Gansdarmerie auf zu halten und Leids an zu thun – Wollte ich’s unternehmen Euch alles Geschehene und Vorgefallene haarklein zu erzählen so hätte ich viel, unendlich viel zu thun. Eine Aufregung war unter allen Ständen die merkwürdig war. Jeder Mann der je mit der Lola in Verbindung gestan | den wird ersetzt, gestern Abend im Theater ist die erste Schauspielerin heraus gezischt und gepfiffen worden, da sie die ganze Zeit unangenehm inträgirt hatte und so kommt denn einer nach dem andern an die Reih. Die Studenten haben eine lange lange Liste von den Professoren die ihre Strafe zu erwarten haben. Die Lola ist fort, wohin  ? Weiß man noch nicht bestimmt, nur so viel ist gewiß daß sie in Bayern nicht bleiben kann ohne vom Volk zerrissen zu werden, und welch anderes Land wird sie auf nehmen  ? – Die gute Lola hat am vergangenen Sonntag mit ihrem prachtvollen Diadem oder Krone ihren letzten Triumph gefeiert und das ist gewiß daß wenn das bayrische Volk nicht mittelmäßig wohlhabend wäre es hätte nicht solang gedauert mit ihrer Herrlichkeit. Alles ist begierig wie der König sich benehmen wird, ob er sich noch um die Lola kümmern wird oder nicht  ? – Ich glaube daß er sicher den Todt sich im ersteren Falle von ihr holt. – Ihr könnt Euch denken wie arg es gewesen, und wie viel Angst er gehabt muß haben da er noch eine Stunde vorher vor Wuth geschäumt und beschworen hatte nicht nach zu geben und daß er König sey und sein Recht behaupten wolle. München hat Reparaturen in Menge, besonders Straßen zu flicken. Dieser Jubel, das Erzählen, dieses Leben der ganzen Stadt ist merkwürdig da finde ich keine Worte dies zu beschreiben. – Die Ludwigsstraße war in diesen Tagen imposant zu nennen denn bis jetzt hat ihr nur noch das Leben gefehlt. O, das waren prächtige Tage  ! – – Schade nur daß ich nicht alles beiwohnen | durfte, Tante hatte mir das Versprechen abgenommen nicht das Attilier zu verlassen da Onkel noch das Zimmer hüten musste und man ja nicht voraus sehen konnte welches Ende die

112 | Die Briefe Sache nimmt  ? – So gut wie die Sache auch immer ablief so hat es doch mehrere Menschen Leben gekostet und viele starke Verwundungen hervorgebracht. – d  : 14ten Gestern am Sonntag erhielt ich erst den Brief von Rayher aus Mitau, worin er nur fürs erste 100 Exemplare des Prof. Mädler wünscht doch auf meine ausdrückliche Frage wie und durch wen ich ihm dieselben schicken soll antwortet er gar nicht es ist mir ärgerlich daß nun wieder ich dieselbe Frage thun muß. – Der Krawall in München hat den Leuten viel Stoff zur Unterhaltung gegeben. Der Pöbel ruht noch immer nicht, täglich werden noch Fenstern der Anhänger Lola’s ein geschlagen was eben nicht recht ist da sie jetzt erlangt was sie nicht einmal gehofft haben und ich glaube das dies das Fortfahren der Verfolgung sie wieder mehr verschlimmern werden als wie gut ist. Lola ist nun in die Schweitz expediert und soll denn nach England, wie man sich wenigstens erzählt. Die Gansdarmerie hat noch immer keinen Dienst zu machen da die Verfolgung zu arg ist, statt ihrer macht die Bürgergarde alle nöthigen Dienste, wie z. B. die Patrulie – Später abends. Meine theure Mutter  ! Es ist zwar recht spät ½ 1 Uhr also den 15ten Februar und bei Euch den 3ten Feb. Der Tag an welchem Du vor 43 Jahren als kleines sprachloses Kind die Welt zum ersten Mal erblicktest120 – Du wirst hoffentlich jetzt noch schlafen und weißt nicht daß ich bei Dir bin, vielleicht schleicht sich mein Bild in schwachen Umrissen in Deine Traumbilder – möchtest Du gesund und froh erwachen und meine Nähe wenigstens im Traum gefühlt haben  ; ich will für Dein Wohl und Heil beten. O, könnte ich nur ein Augenblick bei Dir sein um Dir zu sagen wie ich Dich liebe und wie ich mir wünsche daß es Dir | wohl gehen möchte – ich werde diesen Festtag still feiern, den beiden Tanten hab ich’s gestern gesagt und gewiß werden sie mit ihren Gedanken bei Dir sich befinden. Schlafe wohl meine gute theure Mutter  ! – d  : 15ten Morgens. Heute will ich nun erzählen wie es gekommen daß ich gestern noch so spät auf war was eine große Seltenheit bei mir ist. – Im Theater war nämlich der erste Maskenball, um mich mit diesem Treiben auch bekannt zu machen hatte der Onkel eine Loge des ersten Rang’s für diesen Abend gemie­ thet von wo aus wir uns die Masken und ihre Späße im Sale ansehen konnten. Vor 20 Jahren war Tante und Onkel zum letzten Male drin gewesen und dachten noch mit großem Entzücken an die Zeit und den Abend zurück, wir gingen um 7 Uhr hin doch noch ganz leer war der Saal, welcher recht schön beleuchtet und durch einen Springbrunnen belebt war. Gegen 9 Uhr füllte sich erst der Saal sowol, als Logen, keine einzige Charactermaske, nur einige Dominos bewegten 120 Die Dokumente im Familienbesitz, darunter eine Abschrift der Passauer Taufurkunde aus dem Jahr 1923, geben 1802 als Geburtsjahr an, danach wäre es der 46. Geburtstag der Mutter gewesen.

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sich still und ruhig in dem Menschengewühl  ; getanzt wurde gar nicht obgleich ein Musikcorps von 40 Mitwirkenden Tänze spielten. Die Hälfte der Loge hatte eine bekannte Familie uns abgenommen und mit diesen gingen wir ein paar Mal hinunter in den Saal haben Staub geschluckt nach Möglichkeit und fanden auch nichts als eine leblose Versammlung. Auch hier verlernen die Leute das Lachen  ! – d  : 16ten Feb. 48. Heute früh als eben ich mich gewaschen hatte und mein burschekoses Haar in Ordnung bringen wollte wird leise an meine Thür geklopft und darauf trat Tante und Onkel ins Zimmer mit Gratulationen und Geschenken nämlich zu meinem Namenstage von dem ich nie was gewußt. Ein Stück Leinwand zu 14 Hemden und ein Blumenkranz, welcher mich morgen zum Ball schmücken soll überraschten mich auf ’s Höchste, ja die lieben Leute sind zu aufmerksam so sehr wie ich’s nicht verdiene. | Gestern Nachtisch erhielt ich wider Erwarten Eure geliebten Briefe vielen Dank und herzliche Küsse für den selben. Grad an Deinem Geburtstag theure Mutter wodurch mir eine Freude wurde statt daß ich Dir eine zu bereiten gesucht hätte. Tante hatte Dir zu Ehren Punsch gemacht und wir gedachten Deiner und der Übrigen alle lebhaft. Seit dieser Woche habe ich mich auf die sogenannte faule Bank gestreckt »was, Julie, fällt Dir ein  !« werdet Ihr ausrufen ja, ja es ist wahr und daran ist die Tante Schuld, sie hatte mich krank gemeldet und zugleich Gelegenheit genommen mit Bernhardt zu sprechen daß ich mein eigenes Attilier bekomme da die List eine nicht angenehme sondern anmaßende und schmutzige Person ist  ; nicht allein schmutzig an ihrem Körper und Maler Material sondern auch was den Geldbeutel anbetrifft. Sellten hat sie Öle, Lumpen, Modelle e. e. so daß Tante für mich endlich ernstlich den Bernhardt an sein Versprechen erinnern wollte. Innergisch muß man auftreten dann geht alles und so auch dies, den 1ten März bekomme ich ein Attilier für mich allein  ; Da ich morgen zum Ball gehe, wohl der letzte in diesem Jahre und ich noch Manches zu thun habe so bin ich noch bis Freitag krank und dann soll wieder gearbeitet werden mit Dampf. Was das Modellmithen anbetrifft weiß ich nicht ob es so oft gehen wird da ich mehrere Personen für Geld malen werde die, die Tante und Onkel darum gebeten haben. Tante und Onkel lassen herzlich grüßen, danken für die freundlichen Briefe und Euch herzlich gratulieren zu Euren Geburtstagen. Tante wird hoffentlich sich malen lassen obgleich sie noch immer mir nicht gesagt hat doch auf keinen Fall im Kostüm wie Dein Wunsch ist da sie von Kindheit auf eine Antipatie für die bayrische Tracht gehabt, auch glaube ich daß sie nicht vortheilhaft darin aussehen kann da sie schon alt und nicht hübsch ist. Überhaupt sieht man in München die reine Nationaltracht nicht mehr oder gar selten selbst die reitzenden Rigelhäubchen werden wenig nur von den Mädchen getragen. Du lieber Vater sagst

114 | Die Briefe mir daß die Brunig121 nach Deutschland reißt und sprichst den Wunsch aus mit ihnen etwas in die Welt hinaus laufen zu können, dies wäre allerdings recht schön doch Tante und Onkel sprechen und versprechen mir oft mit mir eine Reise | zu machen und zwar nach Salzburg und vielleicht noch weiter. So sehr mich diese Aussicht entzückt, so regt sich doch ein Wunsch lebhaft in mir daß Du statt meiner das schöne Salzburg bereisen dürftest, Du als Landschaftsmaler  ; um wie viel mehr würdest Du Freude empfinden  ! – Ich habe heute den Onkel gebeten zum Lithographen zu gehen um ein Abdruck für Dich von Mädler zu bekommen allein er war leider nicht zu Hause und morgen möchte ich diesen Brief abschicken  ! – Dieses Blümchen eine getrocknete Anemone, der erste Frühlingsbote aus Onkels Garten habe ich schon vor 8 Tagen gepflückt und sende sie Euch als Gruß und Kuß. – Du ermahnst mich zur Wahrheit in Folge der Geschichte der Falkenstein – ohne Dir einen Vorwurf machen zu wollen erlaube mir nur zu sagen daß ich Euch nichts vorgelogen habe indem ich Euch von dem Allen still geschwiegen um Euch keinen Kummer zu machen. Ihr werdet gewiß Euch zu erinnern wissen daß ich in letzterer Zeit nie den Namen »Falkenstein« erwähnt und darum müsst Ihr mir dieses Versehen verzeihen, nicht wahr  ? Mich freut’s daß Ihr die Schröder-Devrient-Döhring122 gehört, ich, die ihn so nah gehabt habe nicht das Glück gehabt sie zu hören  ! Ärgern möchte ich mich steif  ! – Studsinski, der arme Studsinski, wie thut er mir leid  ! Und Schwarz und Schirren auch Brustschmerzen. Du lieber Gott wie ist dies so betrübt und man kann nicht helfen  !  – Grüße an alle Dreien ich nehme wahrhaft herzlich Antheil an den Leiden dieser braven Leute – – Ich weiß nicht ob die Augsburger Allgemeine Zeitung nach Dorpat kommt worin Ihr manchen Artikel über die Zustände Bayerns lesen könnt, mehrere Aufsätze sind darin welche von einem Anhänger der Lola geschrieben aber keineswegs richtig sind. Der König hat das Haus wieder so gut es in dieser Zeit gegangen reparieren lassen das heißt unter immer währender Bewachung von 60 Mann Kirassire  ; er soll außersich vor Ärger und Trauer sein und geht täglich in das Haus um dort sich aus zu weinen. Es fällt hier manche saubere Geschichte vor was aber ich nicht erzählen will da 121 Die aus Livland stammende Marie von Bruiningk (1818–1853) reiste 1847 nach Deutschland und begeisterte sich kurze Zeit später für die Einheits- und Freiheitsgedanken, was ihr in ihrer Heimat Verfolgung und später die Emigration nach London eintrug. 122 Wilhelmine Schröder Devrient (1804–1860) galt als eine der größten Schauspielerinnen und Sängerinnen ihrer Zeit. Sie heiratete 1823 den Schauspieler Carl Devrient (1797–1872), die Ehe wurde nach fünf Jahren geschieden. 1847 ehelichte sie den Offizier David Oskar von Döring, der sie um einen guten Teil ihres Besitzes gebracht hatte, als die Ehe im Jahr darauf geschieden wurde. Die dritte Ehe schloss sie 1850 mit dem livländischen Baron Heinrich Anton Hermann von Bock (1818–1903). Bis 1852 lebte sie mit ihm auf seinen Besitzungen in Livland. Danach lebte das Paar in Dresden und Berlin.

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ich weiß daß Euch von geringem Interesse sein mag indem die Personen denen es angeht Euch nicht bekannt sind. – Vielleicht schreibe ich dem Schirren einige Worte um ihm meinen Dank für sein letztes Schreiben und Gedicht auszudrücken, nun geht mein Licht zu ende, sollte ich morgen nun nicht dazu kommen so grüßt und dankt ihm recht schön in meinem Namen von mir. Dem alten herzlichen Kircheisen einen Kuß auch der Rosalie – Wachters, Marga, Minna Sturm, Herrmann und alle mir lieben Personen grüßt recht schön, besonders aber semtliche Geschwister, Großmutter und Tanten. Lebt denn wohl und seit vergnügt in heiteren Tagen, das wünscht Eure Tochter Julie Hagen. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 27.2.1848 München 27ten Feb.48

Meine theuren, lieben, guten Ältern  ! Heute habt Ihr wenn es gut gegangen ist schon meinen letzten Brief und Heute will ich auch wieder einen anfangen, will vor allen Dingen Dir lieber Vater meine besten Wünsche zu Deinem Geburtstage, welchen ich den 24ten also vorgestern still und vielleicht etwas traurig feierte, bringen  ; zwar kommen sie etwas spät, allein sie bleiben doch zu jeder Zeit dieselben. Ich war viel bei Euch und besonders die Geburtstagsnacht wie auch die Nacht darauf, ich träumte unendlich viel von Euch und war dabei so glücklich, ach so froh unter Euch zu sein. Beim Erwachen wollte ich kaum glauben daß es nur Täuschung gewesen, drehte mich auf die andere Seite um noch einmal dieses Glück zu empfinden. Leider aber konnte ich nicht mehr schlafen. – Sonderbar geht es mir alle Zeit nach einer solchen Nacht, ich empfinde dann viele Tage darauf ein merkwürdig sehnendes Gefühl welches anhält und steigt bis ich tüchtig mich ausgeweint habe  ; in einer solchen Stimmung befinde ich gerade jetzt mich. Arbeit, Arbeit ist heilsam für Dich  ! Sagst Du immer als Antwort und da ich dies weiß thue ich auch so viel ich kann wenigstens sitze ich den ganzen Tag an der Staffelei und täglich einige Augenblicke länger heute bis ¼ nach 5 Uhr obgleich es trüb gewesen, überhaupt erfreuen wir uns einer unbeständigen Witterung – heute ists das herrlichste Frühlingswetter, morgen schon regnets und schneits  – Im Garten regt sich Alles, überall stecken die Zwiebelgewächse ihr Köpfchen neugierig heraus, die Animonen blühen jetzt ganz lustig. Die Fischchen in unserem Bassain (Springbrunnen) schwimmen munter herum und haben schon gelaicht  ; ich mache mir mitunter das Vergnügen sie mit Brod zu füttern. Die Lerche, der liebenswürdige Bote ist auch schon gehört worden. | Die Allgemeinezeitung hat Euch wol manche ausführliche Kunde von den Auftritten in München gebracht so gut auch dieser Krawall gewendet so sehr

116 | Die Briefe fürchtet man jetzt in Kurzem größere und blutigere Auftritte erleben zu müssen denn der König weiß jetzt nicht was aus Zorn und Rache beginnen, namentlich nach einer Äußerung des Kronprinzen ist er ganz und gar toll geworden. Dieser nämlich ist sehr ungehalten dass der König nach gegeben hatte und die Lola aus dem Lande verwiesen habe, er hatte gesagt daß der König mit Kanonen hätte drein schießen lassen sollen. Der König also verstärkt seine Armee und will alle Offiziere wo anders hin comandiren, will den Bürgern die Waffen nehmen und die Universität nach Landshut verlegen, welche jetzt den 3ten März schon geschlossen werden soll unter dem Vorwande sie zu weißen. Die Lola wird wieder her kommen denn man arbeitet stark darauf hin, nicht allein daß ihr Haus ganz in Ordnung gebracht worden ist, mit den schönsten Blumen geschmückt u. s. w. sondern der König hat in die Zeitung drucken lassen daß die Lola nicht aus dem Lande verwiesen sey sondern daß sie nur auf seinen Wunsch sich zu sichern die Stadt München verlassen habe. – Die Bürger geben unter keinen Bedingungen ihre Waffen her, ferner haben sie gesagt daß sie vom Kronprinzen gar nichts erwarten und geht es auch mit diesem nicht so dann wollen sie’s mit dem Prinzen Leopold versuchen. Der König läuft auf den Straßen umher um allen Beamten, namentlich Offizieren und deren Frauen die gröbsten Grobheiten zu sagen, ja das sind Geschichten  ! – Vor 10 Tagen war ich also auf einem Ball der in der blauen Traube statt fand, ich glaube Euch schon davon | erzählt zu haben, Tante hatte den Aloys mit genommen welcher mehrere Freunde dort hatte mit denen er mich bekannt machte und so habe ich mich denn ganz schön unterhalten, habe sehr viel getanzt, wenigstens soviel daß ich 3 Tage darauf die wüthensten Kopfschmerzen hatte. Bernhardt bittet Dich sehr ihm doch ein Loth Ultramarin zweiter oder dritter Sorte zu senden, außerdem würde es ihm lieb sein die versprochenen ausgebrannten Steine zur Asche zu bekommen – er sagte mir bei der Gelegenheit daß er noch nicht wisse wann er reißt darum mir die Aussicht bleibt noch länger bei ihm zu malen. Ich habe an Deinem Geburtstage die erste Hand bei Bernhardt gemalt, welche mir besser gelungen als ich selbst geglaubt. – Heute ist meine Garderobe durch einen rothschwarz und weiß quadrierten Schawll vermehrt worden welchen die Tante mir gekauft. d  : 2ten März 48. Lang schon hatte ich den Wunsch Euch zu schreiben allein was  ? Und doch giebt es viel nur zu viel zu berathen und zu befürchten  ! – Die Begebenheiten Frankreichs macht unerhörte Sensation und man rüstet sich auch in München für den schlimmsten Fall,  – gewiß ist’s daß einem sehr traurigen Zeitpunkte wir entgegen sehen. – Berks123 Minister durch Gräfin Lola hat der 123 Franz von Berks (1792–1873) war von Anfang Dezember 1847 bis Anfang März 1848 bayerischer Innenminister.

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schmählichen Verfolgung wegen seinen Abschied nehmen müssen und hat heute Abend seit 7 Uhr ein Periat bekommen, welches noch fort dauert. Er wohnt in der Ludwigsstraße und bis zu uns hört man das grauenhafte Geschrei der Volksmasse. Was sonst die politischen Verhältnisse hier im Lande betrifft erfahrt | Ihr besser durch die Allgemeine Zeitung. – Von Hüttels habe ich heute einen Brief welcher eigentlich betrübende Nachrichten enthält. Der alte Hüttel hat nämlich durch seine all zu große Menschenfreundlichkeit 300 Th. verlohren, indem er für jemanden Kaution geleistet hatte. Die guten Mädchen schreiben mir schrecklich betrübt außerdem von Sivers daß dieser noch in Dresden weilt, mir unbegeiflich daß auf meine beiden Briefe keine Antwort er mir gegeben. – Morgen soll ich in das Hottel der russischen Gesandtschaft meines Passes wegen, Gott mag mir da beistehen. – Ich bin wohl bis auf Zahnreißen, welche seit zwei Tagen sich wieder eingestellt und auf ärgerliche Weise mich sogar verhinderten gestern zum Ball zu Tirsch zu gehen. Bernhardt ist auf 8 Tage krank gewesen daher wir allein arbeiten haben müssen in den letzten zwei Tagen habe ich zu Hause ein Bild untermalt, eine büßende Magdalena um in den Sommermonaten übermalen zu können, es ist ein sehr schönes und ziemlich großes Gemälde, welches einer Familie aus der Bekanntschaft der Tante gehört ich will das selbe zwei Mal copieren einmal für Dich und das andere Mal für den Onkel. – Dieses Bild denke ich kann eine Arbeit sein um nach Petersburg zu senden.  – Meine Unterhaltungsweise fühle ich ist trocken und leer darum will ich aufhören und versuchen heute besser zu schlafen als die beiden letzt vergangenen Nächte. Schlafet wohl theure Aeltern. – | d  : 3ten März 48. Zur ungewöhnlichen Zeit finde ich heut Gelegenheit an Euch einige Worte zu richten, es ist nämlich Nachtisch um 3 Uhr erst. Gestern Abend also hat die Katzenmusik an der Wohnung von Berks bis gegen 11 Uhr gedauert. Die Fenstern des ganzen Hauses sind zerschlagen worden  – Das Ministerium des Innern hat keine einzige heile Scheibe heute früh gehabt ebenso das Polizeigebäude und etliche andere Häuser. Das Melitär hat ausrücken müssen Barikaden sind errichtet worden, alle Laternen zerschlagen wodurch eine Stockfinsternis entstanden war  – um 12 Uhr Nachts ist der Generalmarsch geschlagen worden und an einer Gensdarmeriestation hat das Volk Feuer an gelegt und haben dann in das Gebäude eindringen wollen, allein die Gensdarmen haben von Innen heraus Feuer gegeben und so einem armen Menschen ein Bein abgeschossen. So hat es die ganze Nacht hindurch gedauert und das Schreien vom Pöbel hat nicht auf gehört  : »Der Minister Berks herunter, der König herunter, der Kronprinz herunter, es lebe die Deutsche Freiheit  ! Macht es den Franzosen nach  !« – Heute früh wogte die ganze Stadt von Menschen die Ludwigsstraße war imposant. Heute wird vom Magistrat aus dem König eine Adresse gesandt worin man ihm 8 Punkte vorlegt die er bewilligen muß sonst greifen die Bürger zu

118 | Die Briefe den Waffen welche schon geladen sein sollen und es möchte dann sehr schlimm enden. Des Prinzen Carl Gartenzaun ist ganz und gar zerrissen alle Pflaster sind zu flicken kurz mit Karren sind Glasscherben und Steine aus den Häusern geführt worden. Gestern Abend, sagt man, soll Geld unter dem Pöbel vertheilt worden sein damit sie recht lärmen sollten und man glaubt daß da der französische Gesandte eine Hauptrolle gespielt habe. – Heute war ich also im russischen Gesandtschaftshotel meines Passes wegen wo ich denn vom Herrn Ixkul124 erfahren habe daß ich eine Bittschrift einreichen solle, welche | ich ihnen bringen möge damit sie’s unterschreiben und nach Petersburg besorgen wollen. Er sagte mir daß ich sagen solle warum ich den Paß unentgeltlich wünsche und ich könne dann auch Krankheit mit anführen. Die Nacht habe ich wenig nur geschlafen habe heute vergebens auf ein Modell gewartet, lief dann umher zu den Tanten welche wohl sind und grüßen lassen. Morgen soll ich einen Ball im Museum mitmachen, wozu mich eine Familie deren Tochter ich gemalt mit nimmt. – Heute will ich noch einen Besuch bei Tirschens machen da ich doch nicht arbeiten kann, auch morgen nichts thuen werde und ich bin so herzlich müde daß ich das Theater heute nicht besuchen werde wie’s Tantes Wunsch gewesen. – Später Und doch bin ich im Theater gewesen obgleich ich anfangs nicht gewollt. Die Tante ging aus Furcht für die befürchtete Fortsetzung des gestrigen Kravalls nicht hinein und ich fand es zu schade daß das Billiet unbenutzt bleiben sollte namentlich da ein neues Stück von der Birch-Pfeiffer125 nach Auerbachs Erzählung  : »Dorf und Stadt« zum ersten Mal aufgeführt werden sollte, welches uns schon durch den Federkrieg welchen die beiden oben Genannten betreff dieses Stückes geführt, interessant geworden. Ich entschloß mich also rasch und ging hinein fand weder Menschen noch das angekündigte Stück, statt dessen gab man den Vetter. – Auf den Straßen fand man allenthalben Melitär aufgestellt, alle Straßen gesperrt in allen Gängen des Theaters in langen Reihen Linien Soldaten, selbst eine große Maaße Bürgersoldaten standen in Reih und Glied vor der Residenz  ; das Ganze hatte ein feindliches Aussehen sonst war alles ruhig bis auf Schreien hier und da welches aus dem Mittelpunkt der Stadt von Handwerksburschen | zu vernehmen war das aber nichts bedeutete. – 124 Gemeint ist der Name von Uexküll, auch geschrieben von Yxkull, ein altes baltisches Adelsgeschlecht, hier vermutlich der Diplomat Karl Peter Alexander von Uexküll-Güldenbrand (1817–1894), der Zweiter Sekretär der Münchner russischen Gesandtschaft war (vgl. http:// www.bbl-digital.de/eintrag/Uexkull-Guldenband-Karl-Alexander-Peter-Frh.-v.-1817-1894/ [aufgerufen am 6.2.2018]). Gesandter war von 1837 bis 1863 Dimitrij Petrowitsch von Severin (1792–1865), den Julie Hagen später noch kennenlernte. 125 Das literarische Werk Charlotte Birch-Pfeiffers (1800–1868) umfasst viele (für die Bühne) umgeschriebene Stücke nach anderen Autoren, so auch das hier von Julie Hagen erwähnte »Dorf und Stadt« von Berthold Auerbach (vgl. Anm. 26).

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d  : 4ten März 48. Die Nacht ist ohne besonderen Spectakel vorüber gegangen, ich aber habe recht arge Kopfschmerzen, welche heute des Balls wegen mich mehr anuiren als sonst – vermuthlich gestern zu viel Motion gehabt. Von wem die Magdalena ist, welche ich copieren will habe ich Euch nicht geschrieben wie ich eben gesehen. Sie ist vom großen Guido Reni, ein ähnliches von ihm existiert in Rom. – Ich glaube daß Euch dieses Bild gefallen wird da sie nicht die gewöhnliche liegende Stellung, wie man sie in allen Galerien gesehen hat, sondern sitzend, den Kopf mit hinauf geschlagenem Blick auf einen Arm gestützt welcher ganz entblößt auf einem armseeligen Bette ruht – auf ihrem Schooße liegt ein gähnender Todtenkopf welchen Sie nachlässig mit der anderen Hand hält  ; über ihr sieht der Himmel durch einen gespaltenen Felsen oder Erdhügel hinein, – das ganze ist schön und einfach, und ich will mich bestreben es einigermaßen gut zu malen.  – Heute ist ein herrliches Wetter, die Lerchen, Amseln, und Finken scheinen sich im Gesang einander übertreffen zu wollen. Im englischen Garten lässt sich das frische Grün hie und da schon sehen. – Wie so oft in Dresden bei meinen Spaziergängen in den großen Garten beneidete ich die Leute die da draußen wohnen konnten, nun genieße ich selbst das Glück und lasse mich von ganz München beneiden – auch will ich den englischen Garten soviel sich’s machen lässt genießen, will dort zeichnen und dabei mich in meinen Träumereien zu verliehren suchen. – Oft gehen dem Menschen seine größten Wünsche in Erfüllung, doch die Erfüllung geschieht in anderer Form als er sich’s geträumt und deshalb er es gewöhnlich nicht für das Glück er|kennt. – d  : 5ten März 48. Seit gestern ist die ganze Stadt wieder in aufgeregtestem Zustande und ich will versuchen das Geschehene, so gut ich’s kann Euch mittheilen  ; obgleich ich fürchte daß dieser Brief mit den Nachrichten nicht den Ort seiner Bestimmung erlangen möchte da Bestetigungen da sind daß alle Briefe erbrochen und jede politische Nachricht heraus geschnitten wird und darum bin auch ich in Sorge daß Ihr meinen letzten Brief schon nicht erhalten habt. Gestern Nachtisch, als wir gegessen saßen Tante, Onkel und ich lesend beisammen als mit einem male wir durch das Trommeln des Generalmarsches aus unserer Ruh gestört wurden  ; wir eilten hinaus, fragten diesen und jenen vorübergehenden Menschen was es wol gebe  ? Doch alles nur sah bestürtzt sich an. Tante zitterte vor Angst und Schrecken, Onkel machte auch keine Anstalten nach Nachrichten auszugehen also kleidete ich mich in großer Geschwindigkeit an und wollte fort, musste aber zunächst noch einen Kampf mit Tante bestehn, welche mich nicht gehen lassen wollte. Onkel begleitete mich darauf und wir liefen der Residenz zu woselbst Alles herbei stürzte  – Die Residenz selbst wie alle Straßen waren stark mit Melitär besetzt. Denn Alles so viel München besaß rückte heraus. Vor der Lotschia oder Ruh{m}eshalle, wie auch an mehreren anderen Orten waren Kanonen aufgepflanzt genug es sah grauenhaft feindlich aus.

120 | Die Briefe Früher schon erzählte ich daß die Bürger dem König 8 Punkte zur Genehmigung vorgelegt, welche ich leider nicht alle kenne allein es gehörten dazu  : die Einberufung der Stände, volle Preßfreiheit, den Eid auf die Constitution (nämlich von Seiten des Melitärs). Freihe Wahl der Stände u. s. w. – Der König hatte fast Alles bewilligt und gestern sein Wort wie schon oft geschehen zurück genommen und die Ständeversammlung bis Ende Mai hinaus geschoben, was die Bürger natürlicher Weise nicht dulden konnten. – Im Rathhause auf allen größeren freihen Plätzen fanden Versammlungen von allen möglichen Leuten, Bürgern, Studenten, Landbewohnern e.  c. statt wo es fabelhaft stürmisch zugegangen sein soll. Unterdeß war von einer anderen Volksmaße das Zeughaus gestürmt und völlig geplündert, mit welchen Waffen sie zur Residenz zu hinzogen, auf offener Straße wurden sie ge|laden und einige auch in die Luft gesprängt. Um 2 Uhr also kam der Prinz Carl,126 Generalfeldmarschal der Bürgergarde an das Rathhaus im Sturm angesprängt und redete zu den Bürgern, bleich wie der Todt – bat sie sich zu beruhigen und daß alle ihre Wünsche vom König genehmigt werden würden, es gab ein häftiges Gemurrmel und es ließen sich einige Stimmen vernehmen  : »Wir glauben Ihnen nicht  !« er sagte darauf entrüstet  : »wer hat das gesagt  ?« worauf ihm die Antwort wurde  : »wir alle, alle glauben Ihnen nicht, und ihrem Bruder glauben wir schon lange nicht mehr«  ! – In diesem familieren Ton antworteten sie ihm. Der Prinz gab den Bürgern sein prinzliches Ehrenwort und verließ die Versammlung. Auf dem Tuldplatz wurden Pulver und Schrot verteilt und alles, was Gewehre hat lud sie im Angesicht der Kirassire, welche aber den Leuten die Versicherung gegeben hatten keinem was zu thun so dauerte die Aufregung bis nach 6 Uhr, wo es denn ruhiger wurde da der König die Ständeversammlung bis zum 16ten dieses Monats zu berufen versprochen. Am Abend nach 9 Uhr war eine Menge Volks von allen Gegenden Münchens bewaffnet herein gekommen und hatten am Schrannenplatz halt gemacht und in das Magistrat gesandt mit der Frage  : »ob den Bürgern bewilligt sey, was billig und recht wäre, sie stünden sonst zu ihren Diensten«  ? d  : 6ten März. Heute ist viel geschehen, so viel daß ich mich kurz fassen muß um fertig zu werden, 6 Worte und Ihr wißt Alles, der König hat Alles bewilligt  ! – Gestern und heute hat es immer nur gewogt auf den Straßen und man hatte heute früh nicht mehr geglaubt daß der eigensinnige König Ludwig sich noch halten wird können. Doch Briefe vom Fürsten Leiningen127 an den König ha126 Der Bruder des Königs Ludwig I. 127 Das Fürstenhaus zu Leiningen gehört zu den ältesten Hochadelsgeschlechtern Deutschlands. Reichsrat Karl Friedrich Wilhelm Eurich Fürst zu Leiningen-Hartenburg (1804–1856) wurde nach dem 6. März 1848 erster Präsident der Reichsratskammer. Er wird heute als Initiator der Ergebnisse dieser Märztage angesehen, da er in Briefen an König Ludwig in politischen Ent-

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ben ihn zuletzt ganz und gar weich gemacht. – Um 12 Uhr schon trug Alles jung und alt die Blau und weiße Kokarde entweder im Knopfloch oder am Hut, selbst viele Damen hatten sich Korsätten oder Schleifen an Hut oder Mantel gesteckt. – Alle Soldaten hatten Blau und weiße Kokarden an der Brust. – Onkel konnte kaum noch eine Bude finden sich ein Band zu kaufen. Um 5 Uhr hat das Melitär geschworen wo zu Tante und | Onkel mich aus dem Attilier abholten. Auf dem Tuldplatz fand dieser feierliche Act statt worauf dann alles durch das Carlsthor der Residenz mit Musik vorüber zog um der königlichen Familie ein Lebehoch zu bringen. – Die ganze Stadt war mit Fahnen geschmückt, aus allen Fenstern hingen kürzere und auch mächtig lange Fahnen mit den bayrischen Farben heraus. Alle Ministerien, das Rathhaus, Magistratgebäude selbst alle Kirchen hatten ihre Fahnen aufgesteckt. Es war ein herrlicher Anblick wie alles behänd war dieses Zeichen der Freude, des Glücks zu bringen, mir presste es Thränen aus. – Die ganze königliche Familie zeigte sich am offenen Fenster bis auf den Herrscher selbst welcher spazieren gegangen sey wie man sagte  – ein Zeichen seiner immer noch unfreundlichen Gesinnung. – Alle Minister sind ab und neue sind an deren Stelle schon gewählt. Am Sonnabend war der Fürst Freden128 sogar nur 1 ½ Stunde Minister und mußte darauf die Stadt augenblicklich verlassen wenn er nicht gewollt daß alle seine Fenster eingeschlagen würden und er selbst wo möglich zerrissen werde wie man beabsichtigte. Heute um 3 Uhr fuhr die Königin mit der Prinzes Luipold spazieren und ließen am Hofgarten halten, wo am Eingange immer Leute mit Obst und Blumen zu stehen pflegen um an den Arkaden spazieren zu gehen, als der Schlag des Wagens auf ging war derselbe von Menschen umringt die den Damen ein Lebehoch brachten und ihnen eine große Masse Feilchen in den Wagen warfen und so viel daß die Königin und die herrliche Prinzes bitterlich geweint haben. – Gott lob, die Geschichte hat für eine Zeit wenigstens wieder ein Ende  ! Schlafet Ihr meine theuren Ältern wohl, ich bin etwas müde  ! – d  : 7ten März 48. Gestern Abend ist die ganze Stadt superb beleuchtet gewesen  – wir, die wir im friedlichen englischen Garten wohnen hören und sehen nichts, mir ists leid eine | solche Ilumination, wie diese gewesen nicht gesehen zu scheidungsfragen stark auf diesen einwirkte. Er war einer der Unterzeichner der oben genannten Bürgeradresse vom 3. März. 128 Karl Theodor von Wrede (1797–1871), Sohn des Feldmarschalls Carl Philipp von Wrede (1767–1838), dem Ludwig ein Standbild in der Feldherrenhalle errichten ließ, galt als »Hardliner«. Er riet dem König, den Aufstand mit Waffengewalt niederzuschlagen. Noch am 6. März wurde dem vom Volk als »Kartätschenminister« verachteten Wrede nahegelegt, die Stadt zu verlassen. Er versuchte später seine »fünf Viertelstunden« währende Ministerschaft in Abrede zu stellen (vgl. Johann Georg August Wirth, Die Geschichte der deutschen Staaten von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage, Karlsruhe 1848, Bd. 4, S. 96).

122 | Die Briefe haben. Heute sind allen Studenten wie auch Künstlern Waffen ausgetheilt worden welche ein Freihcorps bilden. Das Universitätsgebäude soll nicht mehr einer Schule ähnlich sehen sondern eher einer Kaserne indem alle Bänke hinaus geschafft worden sind um exerzieren zu können – unten ist sogar eine ordentliche Bierstube errichtet worden, – Patroulien haben sie gestern und heute gemacht. Offiziere sind sowol bei den Studenten als Künstlern gewählt kurz es ist ein recht munteres lustiges Leben in München. Alles rüstet sich zum Kampf  ! Bernhardt ist ganz begeistert und gehört auch zu den Freihwilligen trotz seiner 9 Kinder. Ans Studieren, Collegienlesen ist gar nicht zu denken  – Jetzt habe ich allerlei durch und untereinander geschrieben daß ich bald selbst nicht weiß was alles darum erlaubt daß ich mich ein Augenblick von diesem Gegenstande entferne – Die Abdrücke des Mädler sind gestern endlich mir zu geschickt und in diesen Tagen sollen sie abgesandt werden, ich habe die Absicht ein paar Copien vom vorigen Sommer welche die Größe der Kiste haben bei zu legen, gern hätte ich eine Arbeit, die in dieser Zeit entstanden mit dazu gethan allein die Köpfe, welche mir gehören sind zu groß und so werde ich auf eine andere Gelegenheit warten. Die beiden Bildchen, die ich Euch schicke, sind mir sehr lieb und darum hoffe ich werden sie auch Euch nicht grade übel gefallen. Was die Lithographie anbetrifft bin ich nicht befriedigt, das aber nur Euch im Vertrauen gesagt, denn die Zeichnung ist eine, mehr schlechte als gute gewesen, wonach keine gute Lithografie zu verlangen ist – thut mir den Gefallen und sagt es mir nicht dem Herrmann, der diese Äußerung aus dem Munde eines dummen Mädchens für mehr als Frechheit an sehen würde. Herrmann sollte noch einmal nach München und eine ordentliche Schule durch machen, denn es ist schade, daß sein Talent so wenig aus gebildet wird  ; allein ich spreche als verstünde ich mehr | als er – nun dies ist der große Fehler der meisten Menschen daß sie mehr tadeln als sie sollten und immer früher die Fehler und das Schlechte suchen ehe sie sich an dem Guten erfreut. Die Zeitungen bringen viele Nachrichten unter anderen auch daß unser Landesvater sehr gefährlich krank sey. Heute hat man mir einen hübschen Witz erzählt wobei ich herzlich lachen habe müssen und darum theile ich ihn Euch mit, man erzählt sich nämlich  : die Lola hat Karten spielen wollen, die Lolamannen haben dieselben gemischt, die Bürger haben den Trumpf ausgespielt und einer hat verlohren. (dieser Eine ist, ganz leise gesagt der König) d  : 11ten März. Gestern Abend sah ich das neue Stück von der Birch-Pfeiffer nach Auerbachs Erzählung  : Die Professorin,129 das nicht so übel gegeben 129 Berthold Auerbachs Erzählung »Die Frau Professorin« von 1846 gehört zu seinen »Schwarzwälder Dorfgeschichten«, sie wurde inspiriert vom Schicksal der Elise Egloff (1821–1848), einem einfachen Mädchen, in das sich der Anatom Jakob Henle (1809–1885) verliebt hatte und

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wurde, währenddem ich im Theater saß war Euer geliebter Brief angekommen und doch erst heute früh sah und genoß ich ihn. Die Tante ist immer beim Ankommen eines jeden Briefes so liebend besorgt, ihn mir nicht vor einer Essenszeit oder kurz vordem Schlafengehen zu zeigen um mir nicht den Apetit und die goldene Ruhe zu nehmen – so auch habe ich mit Muße heute früh meinen Kaffee getrunken – beim letzten Schlucke erst ergriff die Tante meine Hand, welche sie einige Male über das weiße Kaffeetuch fragend umher führte um mir erst den Brief fühlen zu lassen. Zu so ungewöhnlicher Zeit ist mir kaum noch eine Freude durch einen Brief geworden und ich musste aus lauter Überraschung weinen. Ehe ich die Hülle Eurer Schriftzüge laß küsste ich weinend Tante und Onkel und doch gehörten diese warmen Küsse nur Euch  ! – Zum ganz durch lesen war mir die Zeit zu kurz indem um 8 Uhr das Modell, mein dritter Vetter bestellt war, also nahm ich die lieben Zeilen mit um wenigstens sie mir nah zu wissen wenn gleich ich sie nicht lesen durfte – Gearbeitet hab ich natürlich in Unruhe und doch habe ich den Brief zwar flüchtig in den Pausen, die ich dem Modelle zum Strecken und Recken seiner müden Glieder gönne zu Ende gebracht – Nachdem ich sie | abermals zwei Mal gelesen will ich daran gehen um sie zu beantworten. – Daß mein Brief mit den Lolageschichten unverletzt bis zu Euch gelangt wundert mich und lässt zugleich mich hoffen daß auch dieser glücklich ankommen wird.  – Obgleich nur kurz habe auch dieses Mal ich Euch einiges mitgetheilt  – und hätte es auch ferner noch gethan wenn ich nicht so dumm gewesen mir selbst zu erzählen  : »er kommt mit den Nachrichten doch nicht an  !« – Da Euch mein mir selbst leblos erscheinendes Beschreiben so viel Spaß gemacht so freuts mich und macht mir Muth zugleich, bei ähnlich vorkommenden Fällen Euch in meiner Weise Alles mitzutheilen. – Es sind viele Tage dahin geeilt ohne Euch nur ein Wörtchen zu sagen obgleich ich hier und da die Feder zu meinem Dolmetscher hätte machen können. München besprüht noch immer in feurigen und grellen Farben die jüngst vergangene Zeit, unendlich viel Lügen, gute und auch derbe Witze reihen sich an die Tatsachen an. Die jüngste unbegreifliche Sage ist die, daß Gräfin Lola am vorgestrigen Abend 11 Uhr als Student mit einem kleinen aber kecken Schurrbärtchen in Begleitung des so sehr liebenswürdigen bekannten Grafen Hirschberg130 angekommen sey. Sie hatte an einem Hause die er in einem »Bildungsexperiment« zur Professorengattin heranbilden ließ, um sie zu heiraten. Die Liebesgeschichte wurde mehrfach literarisch adaptiert. 130 Eduard von Hirschberg (1824–1876) gehörte zu den Alemannen und hatte am 9. Februar mit einer Messerstecherei auf dem Odeonsplatz schwere Krawalle zu Beginn der Münchner Revolution ausgelöst. Die gerüchteweise heimliche Rückkehr der Montez nach München löste schließlich den Abdankungsprozess für Ludwig I. aus.

124 | Die Briefe bei der Frau eines Hoflakeien, die sie vor einem halben Jahre ausgesteuert und verheirathet hatte, angeschellt um Nachtquartier zu bekommen – unglücklicher Weise aber gerieth sie an eine falsche Thür, schellt an, ein Offizier macht auf und erkennt das Bürschchen im Sammetröckchen sehr wohl, sagt aber nichts sondern geht auf die Polizei und erklärt daß im Hause wo er wohne ein solcher Lärm statt finde das ihn auf den Verdacht brachte daß Diebe eingebrochen seyen – Als man von der Polizei aus das Haus untersucht findet sich der Student unter einem Sopha versteckt. – Sie wurde natürlich gleich arretiert und dem König ihre Ankunft | gemeldet, welcher befohlen sie augenblicklich fort zu transportieren was auch um 4 Uhr in der Früh vermittels berittenen Gensdarmen und Polizeibeamten geschehen ist. Viele behaupten  : der König habe 2 Stunden lang allein mit ihr gesprochen allein nach den letzten Begebenheiten und vielen Äußerungen von ihm ist dies kaum zu glauben. – Lola übrigens hat einem Gensdarmen 500 Gulden geboten, wenn er sie zum König führte, nicht für 5000 Gulden, gab er ihr zur Antwort, thue ich’s und auch sonst niemand – Die Studenten und Künstler amüsiren sich beim Soldatenspielen recht gut. – Alle Tage und den ganzen Tag über werden Melitärische Übungen gemacht – (im alten Universitätsgebäude jetzt Akademie und Kaserne) Vor dem Eingange des Gebäudes stehen zwei Schilderhäuschen wo die Studenten bei Tag und bei Nacht Schildwache stehen und bis jetzt noch die Patroulier besorgt haben. Jede Compagnie hat das Recht sich zu uniformieren wie sie Lust hat auch sogar Gesetz und Rechte sich zu geben welche sie mögen. Der König hat schon einige Mal ihren Übungen zu gesehen und seinen Beifall lebhaft geäußert – Den König sieht man wieder nach Jahr und Tag mit seiner Gemahlin ausfahren  – Mancherlei geschieht betreff der Regierung, im allgemeinen ist man zufrieden  – Zum Sonntag, also Morgen ist eine Beleuchtung der Stadt angesagt, d. h. wenn es schönes Wetter ist, wenn nicht so wird sie aufgeschoben. Die Fahnen mit den bayrischen Farben sind noch allenthalben und überall zu sehen jeder Mann trägt seine Kokarde, dieser Patriotismus ist meiner Ansicht nach zu groß da sich jeder sagen kann  : Kommt’s zum Treffen dann sitzen wir alle sammt unseren blau und weißen Bändern hinter dem Ofen. – Bernhardt mein Lehrer ist zum Haupt|mann erwählt worden. – Heute fragte ich ihn  ; ob nicht eine Lithographie von ihm existire  ? Leider war die Antwort  : nein  ! Also will ich meine Beschreibung so anschaulich wie möglich werden lassen. Bernhardt ist ein Mann von 38–40 Jahren hat eine kräftisch [sic] mittelgroße Gestallt, ein eher rundes als langes tief braunrothes Gesicht, ganz schwarzes etwas gelocktes Haar und eine merkwürdig kleine ziehrliche Hand. Bernhardt erinnert mich unbeschreiblich an Auerbach’s Fisionomie  – also willst Du ihn sehen, so suche ein Werk unseres Lieblings zu bekommen und Du wirst ihn Dir ungefähr denken können.  – Seine Gattin ist eine kleine hübsche aber furiose Frau. Diese schreit, kreischt und flucht den ganzen Tag, aber auf eine

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Manier wie die gemeinste Bauersfrau es nicht thuen kann. Wie er zu dieser Xantippe gekommen werde ich einst mündlich erzählen – Sein Attilier ist ein großes Zimmer einem Saal ähnlich mit drei Fenstern doch nur eines ist offen d. h. wenn er Sitzung hat, eine besondere Einrichtung habe ich nicht gefunden, ein Glavier steht dort worauf er oft spielt und zwar wahrhaft meisterhaft.131 Sein Quartier ist am Tuldplatz unweit der Griechischen Kirche im Hause des Bierbrauers Knorr über drei Stiegen – (Die Adresse an Hüttels ist  : am See No 34 zwei Treppen Dresden) Daß mein dummes Päckchen endlich angekommen ist mir doch recht lieb.  – Ich gehe Schlafen obgleich ich gern noch schreiben möchte nur wollen meine Augen es heute nicht gern sehen. d  : 14ten März 48. Zwei Tage konnte ich nicht dazu kommen meine Berichte fort zu setzen, Heute auch ein Abend der mir zu lang werden wird um ins Bette zu kommen weil ich ein wenig fibere – Nur macht Euch keine Sorgen, es ist nur eine schwache Erkältung die sich in Halsschmerzen äußert. – Heute da ich meinen Vetter Ludwig fertig | bekommen bis auf kleine unbedeutende Retuschen will ich mich im Zimmer auf einen Tag lang hüten. – Am Sonntage132 war eine Ilumination der Stadt angesagt, leider regnete und schneite es unaufhörlich weshalb sie verschoben wurde bis auf gestern – die ganze Stadt, alle Häuser, Laternen selbst Kirchtürme waren prächtig mit Fahnen, Kränzen, Blumen, Wappen Transparentinschriften e. c. geschmückt  ; zwei Tage vor dem angesagten Sonntag sah man geschäftig alle Fenstern der Häuser schmücken und ziehren – Träbühnen auf allen größeren Plätzen und breiteren Straßen aufführen für Musikchöre – Die prinzlichen und herzoglichen Gebäude waren besonders reich, sowol mit bunten Flittern, Bavarien als Lampen aus gestattet. – Gestern also war der große Tag, an welchem zugleich Nachtisch die Landwehr dem König Revue passieren sollten. Der Tag war wider Erwarten schön, die Sonne schien lustig drein und ich mochte wol den Spectakel gern ansehen. Onkel kennt einen Kaufmann der seine Wohnung am Residenzplatz hat, zu diesem führte er mich und ich konnte gut von oben aus die Gesichte sehen. Nach drei Uhr naheten die Regimenter mit Tromppetenschall und Paukenschlag der Residenz und erwarteten in Reihe und Glied den geliebten Fürsten – Endlich erschien er an einem der vielen Fenstern und in seinen Armen eins der kleinen Prinzen der Prinzes Louipold, setzte den nach einigen Augenblicken hinunter und hob den zweiten, noch kleineren Prinzen in seinen Armen zeigend dem Volke zu  – Natürlich folgte ein grade nicht stürmisches Lebehoch – nachdem dies geschehen commandirte der 131 Joseph Bernhardt war früh vaterlos geworden und verdiente zunächst für die Familie als Klavierlehrer den Unterhalt. 132 D. h. am 12. März 1848, wegen des schlechten Wetters wurden die Veranstaltungen auf Montag, den 13. März, verschoben.

126 | Die Briefe Herzog Max133 und seine Adjetanten das Melitär in ein langes Spallier von drei Reihen und es dauerte | nicht lang erschien der König in Uniform mit all seinen Söhnen und Bruder Carl  – Der König war gekommen um seine theuren Unterthanen zu bewillkommnen indem er der langen Reihen entlang hinauf ging und fast jeden Einzelnen freundlich grüßte, seine Söhne thaten ein Gleiches. – Als dies geschehen, ließ er die übrige Mannschaft an sich vorüber ziehen sammt all der Kanonen und sonst blutigen Kriegsgeräthen – Es war eine große Maaße Soldaten an denen sich 1200 Studenten angeschlossen hatten und zum Erstaunen aller gut marschierten und mit lauter kräftiger Stimme commandirten, selbst der Trommelwirbel ging nach dem Tact. Es wurde ½ 5 Uhr und ich ging ins Attilier konnte freilich nicht viel thun – als ich nach Hause kam wurde gegessen und ich ging in Begleitung des Onkels wieder in die Stadt. Die Uhr war sieben und alles schon im schönsten Glanz, alle Häuser mit Tausende von Lampen, Kerzen und Pechfannen hatten fast die Nacht zum Tage gemacht wenigstens war es so hell daß man auf einige Schritte hätte Bekannte erkennen müßen wenn es eben nicht gedrängt voll gewesen wäre. Wir lenckten unsere Schritte zur Residenz zu da dort von gegen 400 Stimmen gesungen werden sollte und auch wirklich erwischten wir das Letzte aber zugleich das Beste, nämlich das Deutsche Vaterlandslied, o das war zu schön ausgeführt  ! –134 Nachdem dies zu Ende, war unser Wunsch weiter zu gehen allein es war keine Möglichkeit, das Gedränge war so fürchterlich daß ein Jeder nur genug zu thun hatte auf sein armes Leben zu wachen denn ich selbst war nicht einmal sondern volle dreimal so in der Presse daß ich keinen Athem ziehen konnte  ; ich bekam eine Idee von Preßfreiheit  ! – | Das Jammern der Mütter die um Erbarmen flehten ihre Kinder zu schonen, zu retten, das Angstgeschrei hier das wüthende Geschrei dort, alles zusamm konnte wol beitragen den Abend, welcher schön werden sollte ganz zu verleiden. Mit unsäglicher Mühe und Anstrengung gelang es uns aus diesem Gedränge in ein zweites zu gerathen, wo ich glaubte ganz total platt gedrückt zu werden. Wir wollten nämlich das Rathhaus sehen, das ausgezeichnet schön gewesen sein soll es war aber gradezu eine Unmöglichkeit durch die Menschen und Wagen zu dringen natürlich kehrten wir um und durch eine kleinere Seitengasse suchten wir wieder auf die breite Ludwigsgasse zu gelangen.

133 Herzog Max(imilian) Joseph in Bayern (1808–1888), Vater von »Sissi«, Elisabeth Amalie Eugenie in Bayern (1837–1898), der späteren Kaiserin von Österreich. 134 Hier ist sicherlich Ernst Moritz Arndts »Des Deutschen Vaterland« gemeint, das neben dem später zur Nationalhymne erklärten »Deutschlandlied« als ein Nationallied der deutschen Einheitsbewegung gesungen wurde.

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Etwas zu spät kommen wir in derselben an sonst hätten wir Raketen steigen sehen können und das verschiedenartigste Feuer d. h. das sogenannte bengalische und griechische Feuer, welches in der Lotschia Universität und auf den beiden Ludwigs-Kirchthürmen abgebran{n}t worden um den König und Familie zu entzücken, welcher in Begleitung der Bürgergarde durch seine Stadt fuhr.  – Der Pöbel hat dem König angeboten seine Pferde ausspannen zu lassen und ihn selbst zu ziehen – jedenfalls wäre er dann in den Schmutz gezogen worden. – Es hat niemand begreifen können woher diese große Zahl von Menschen  ? Freilich befanden sich viele neugierige gaffende Landbewohner hier – Unbegreiflich ist’s doch da es überall, selbst in der Ludwigsgasse gedrängt voll gewesen.  – Viele Inschriften sagten dem König viel Schönes worunter einer, gar oreginel klang und lautete  : »O, Ludwig Du edler deutscher Fürst und großer Dichter, Dir brennt mein Herz und meine Lichter  !« – | Die vernünftigeren Bürger ärgern sich gewaltig über all diese übertriebenen Lobhudeleien da nicht freiher Wille dem Volk diese Rechte gab sondern sie sind ihm abgezwungen. – d  : 15ten März. Heute also muß ich den Brief auf die Post expedieren.  – Ich sitze zu Hause und kann kaum ein verständliches Wort reden aber darum kann ich doch schreiben. – Die Tante und der Onkel grüßen recht freundlich  ; Erstere ist ein wenig unwohl, sie leidet an den Nerven und sehnt sich eine Reise zu machen. Ich glaube noch nicht davon gesprochen zu haben daß ich seit einigen Tagen mein Attilier allein habe – Fräulein List hat Gott sey Dank  ! mich verlassen.  – ich bin darüber so froh und glücklich denn es ist jetzt doch einer menschlichen Wohnung ähnlich während früher nur einem Schweinestall – ich träumte sie vergangene Nacht daß Du Vater in München warst und ich zeigte Dir natürlich meine Arbeiten  ; Du gabst aber Deine Unzufriedenheit dadurch mir zu erkennen, daß Du meine letzte Arbeit, den Vetter Ludwig zu theilen ummaltest, namentlich den schwarzen Rock zu einem rod gestreiften umwandeltest ich war nicht wenig Angst Bernhardt’s Verwunderung und Zorn zu sehen. An Schirren gebt Ihr wol die Einlage ab  ? Es scheint als wollte unsere Correspondenz eine recht lebhafte werden auch Ihr werdet Euch wundern doch ich habe ihm gleich wieder antworten müssen da er im letzten Schreiben einige Skrupel über meine letzten Worte ausspricht. – Daß man ihn für egoistisch und kalt halten kann begreife ich nicht. – Der Emma Wachter schreibe ich in diesen Tagen einen besonderen Brief – mir fällt aber eben ein daß ich ihre Adresse nicht kenne, ach Fanny ist ja in Dorpat die ihn weiter schicken wird. | Daß dem Schirren das Profiel meines Kopfes von Schultz, nicht gefallen wundert mich, denn ich fand es wenn auch nicht hübsch so doch recht nett. Freilich weiß ich kaum wie ich im Profiel und nieder geschlagenen Augen aussehe ich habe es mir copiert und dem Onkel geschenkt da es ihm gefallen. – Schreibt mir doch

128 | Die Briefe das nächste Mal ob Ihr für meine Briefe nicht immer das doppelte zahlen müsst  ? Das wäre mir dann nicht angenehm und ich würde mich bemühen noch kleiner zu schreiben was ich fast unbewußt eben gethan. An Rayher geht die Kiste mit Bildern ab in dieser Woche noch und er wird Euch dann die kleine Kiste von mir über die Post senden. – Morgen also am 16ten wird der Landtag eröffnet und man fürchtet arge Debatten der Kriegskasse wegen die ganz und gar leer ist und kein Mensch weiß wohin das Geld gekommen  ? Wieder Gräfin Lola wird angeklagt. – Später Eben bringt der Vetter Aloys die Nachricht daß der Kaiser von Russ­ land gestorben sey, ich kanns nicht glauben – außerdem daß heute der Erzbischof eine Katzenmusik bekommen soll – so wechselt Wuth und Enthusiasmus schnell mit einander. – Es wird noch vielen Trubel geben – Grüßt mir freundlichst alle Geschwister und Bekannten. Lebt nun wohl und schreibt bald Eurer Tochter Julie. NB  : Den beifolgenden Engelsturz (Abb. 8),135 den Ihr mit den Bildern erhaltet wird weniger Euch von Interesse sein als uns da Euch die Persönlichkeiten nicht bekannt sind. Es sind viel dergleichen Bilder heraus gekommen, worunter dieses das Erste war. – Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 16.3.1848 München, den 16ten März 48

Meine theuren lieben Aeltern  ! Dies Mal müßt Ihr mich fest loben da ich’s selbst hübsch finde heute schon wieder einen neuen Brief anzufangen, ja ich muß früh anfangen um den Dingen, die sich ereignen nach zu kommen  – Heute Früh erzählte man uns daß gestern Abend ein großer Schwarm Menschen nach Forsterried, ein Sommer135 Die Affäre Ludwigs I. von Bayern mit der Tänzerin Lola Montez am Vorabend der Revolution wurde neben Spottschriften auch von satirischen Blättern begleitet. Die bekannteste und weitverbreitete Karikatur war der »Engelsturtz 11 Febr. 1848«, die mit dem gleichnamigen Thema aus der christlichen Ikonografie spielt und für die Zeitgenossen gut lesbar war. Oben um den Löwen ist die Phalanx aus Studenten und Professoren abgebildet, rechts zieht der Universitätsrektor Friedrich Wilhelm von Thiersch den Zylinder, als ausführender Erzengel erscheint Fürst Oettingen-Wallerstein, sein Schild trägt das Münchner Stadtwappen, Montez weicht zurück, abgestützt auf den korpulenten Gendarmen Baur-Breitenfeld, der am 10. Februar auf die Studenten hatte einschlagen lassen. Am Rocksaum Lolas hängen die Alemannen, unter den den »Lolasturz« beidseitig flankierenden Verdammten ist rechts u. a. der Schokoladenfabrikant Mayerhofer zu erkennen. Lithografie von Franz Seitz (1817–1883), Einblattdruck, mit und ohne Spottgedicht (als Parodie auf Schillers Gedicht »Das Mädchen aus der Fremde«) erschienen, z. B. die hier abgedruckte Fassung im Münchner Stadtmuseum (Inv.-Nr. G-Z1872) ohne Verse.

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Abb. 8  : Franz Seitz, Der Engelsturtz, 1848, Lithografie, Münchner Stadtmuseum

landschloß,136 zwei Stunden von München entfernt, hinaus gezogen seyen um Gräfin Lola zu fangen, welche sich mit Ihrem ehemaligen Minister Berks dort aufhielte, Heute nach Tisch aber war die Stadt in einiger Aufregung da die Vermuthung sich verbreitet, die Lola sey wieder hier  – Gegen Abend hatten sich recht viel Leute zusamm gerottet um die verdächtigen Häuser zu untersuchen  ; doch Frau Gräfin war nicht zu finden  ; die Nacht übrigens hat sie in ihrem Hause in guter Ruhe geschlafen. Onkel ging nach 8 Uhr aus um etwas zu erfahren und bringt folgende Nachricht nach Hause  : Die Stadt ist wieder in größter Auf136 Gemeint ist das Schloss Fürstenried im damaligen Dorf Forstenried, dem heutigen gleichnamigen Stadtteil Münchens.

130 | Die Briefe regung – alle Straßen wimmeln voll rachegierigen Menschen – Die Polizei hat alle Fenstern verlohren und auch die Residenz 6. Das Melitär hat wieder alle Straßen gesperrt wie früher und ein Mensch hat ein Arm verlohren beim Umwerfen eines großen Brauwagens, welcher die Kürrassire verhindern sollte das Polizeigebäude zu schützen, ha  ! ha  ! So schnell folgt Regen auf Sonnenschein  ! – d  : 17ten März Die vergangene Nacht ist’s wild durch ein ander gegangen. Das Rathhaus hat nicht allein alle Fenstern verlohren sondern auch alle Kreuzstöcke und alle Gitter der Gefängniße wodurch die Gefangenen Gelegenheit gefunden zu entwischen, geschoßen ist öfter worden doch zum Glück niemand getödtet noch verwundet  ; allein durch Steine sind starke Verwundungen vorgekommen, sogar der neu eingestellte Mi|nister hat eine derbe Wunde am Kopf bekommen, das Volk oder eigentlich der Pöbel hatte ihn für den Polizeiinspector gehalten. – Lola ist wirklich gestern hier gewesen und der alte Narr, der König hat von 11 bis ½ 2 Uhr bei ihr gesessen nun bitte ich Euch zu sagen, was denkt Ihr davon  ? – Kaum konnte er auf seine guten Bayern, wie er immer flegt zu sagen, wieder rechnen, die wirklich alle Schmach, alles erlittene Übel in den Hintergrund treten ließen und ihm freudig jede Huldigung brachten, macht er nun wieder so erbärmlich dumme Streiche. Jetzt kann er nimmer wieder Vertrauen und noch weniger Liebe seinen Bürgern einflößen  ; er hat sich falsch, grässlich falsch bewiesen indem er die Lola durch die Polizei und berittene Gensdarmen nach Forsterried fort geschickt hat unter dem Vorwande nach Lindau. Man sagt daß alle Päße verbrandt seyen dies ist aber noch nicht bestätigt allein viele Papiere sind vom Feuer verzährt worden das ist gewiß  – Der Zufall wollt’s daß ich in diesen Tagen meinen Paß holen ließ um zu wissen von welchem Ministerium er ausgefertigt, da ich eine Bittschrift zu schreiben hatte. Man hat heute den ganzen Tag Versammlung gehabt, viele Deputationen sind zum König, der Prinz Carl hat mit seinen Bürgern gesprochen oder sprechen wollen, welchen sie gar nicht reden lassen wollten sondern ganz infam ihm geantwortet – Die königliche Würde, die Majestät ist unwiederbringlich dahin, es ist merkwürdig wie, in welch widrigem Ton man vom König aus jedem Munde reden hört – Ich komme soeben aus dem Theater zurück das ziemlich leer war  ; keiner wagt am Abend aus zu gehen obgleich es an Soldaten, die theils Patroullien machen theils in langen Reihen aufgestellt sind, nicht fehlt. Ich selbst habe schon mehrere Patroullien von Studenten gesehen und mich an denen erfreut, sie marschieren ausgezeichnet gut und halten sich sehr tapfer wie man hört. Gestern Abend sind mehrere Arretirungen von ihnen gemacht Heute Nachtisch war an allen Ecken die Ankündigung an|geschlagen daß der Gräfin von Landsfeld das Bayrische Indigenat137 genommen sey und daß jeder Mann, so bald die Gräfin die Bürger und Behörden 137 Heimatrechte bzw. Staatsangehörigkeit in den Deutschen Teilstaaten.

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Münchens nicht aufhört zu stören das Recht hat sie zu finden und ins Zuchthaus zu bringen – Der Titel Gräfin und der Name Landsfeld waren überall ausgestrichen und Lola schlichtweg dagegen hingeschrieben. – Die meisten Herrn sieht man die dreifarbige deutsche, statt die zweifarbige bayrische Kocarde tragen. – d  : 18ten März Sehr müde und angegriffen fühle ich mich, wol etwas zu stark gearbeitet  ; allein ich musste es thun da ich heute einen Kopf beenden wollte d. h. nur das Gesicht das ich vor 3 Tagen begonnen  ; ein kleines nicht schönes Mädchen ist’s die ich für Geld sitzen lasse. – Sie soll auch Hände bekommen – ich bin so froh, daß ich endlich die Erlaubnis von Bernhardt erhalten habe Hände zu malen  ; Hierbei bleibe ich nun fürs Erste wenigstens, stehen und nun muß mein Streben sein es gut, wenn auch nicht vollkommen zu machen. Bernhardt war heute ziemlich zufrieden wenigstens sagt mir dies der Ausdruck  : recht brav  !, den er gewöhnlich, wenn er zufrieden ist gebraucht, was freilich aber selten der Fall ist. Heute vor einer halben Stunde sind mir Nachrichten von der Tridon und der kleinen Müller geworden. Die Müller arbeitet mit der Köhber aus Kurland die auf Lievens138 Kosten reist zusamm, und die Müller wie die Tridon schreiben mir viel Schönes vom Talent der Köhber so daß ich ganz neidisch und eifersüchtig geworden – ich sollte mich schelten und züchtigen über diese Unart da ich mir mit gutem Gewissen sagen kann  : solch ein Lehrer wie der Meinige giebt es in Dresden nicht – aber solch ein Talent wie Julie Hagen ist giebt es gar zu viele  ! ja ja dies ist leider zu wahr und drum kann der gute und beste Lehrer auch nichts dafür wenn nichts Ausgezeichnetes hervorgeht | doch nun still  ! Die Zeiten, die Welt da draußen sieht so ernst drein daß Alles, was nicht das Allgemeine berührt zurück treten muß. Es kann nämlich die Nacht eine recht blutige werden indem der Pöbel nicht aufhört, jetzt ohne eigentlichen Grund, zu spectakeln. Als um 6 Uhr ich das Attilier verlassen war ich auf ’s Höchste erstaunt so große Bewegung in allen Straßen zu sehen, alle und jede Straße war gesperrt, Patroulien und äußerst starke von 45 Mann mitunter, namentlich die der Studenten begegneten sich allenthalben – Erschrecklich viele Handwerksburschen mit tüchtigen Knitteln versehen begegneten mir finster aussehend  ; allein ich konnte nicht klug werden was der Grund dazu. Bernhardt war auch fort gelaufen und erzählte mir vorher daß er mit seiner Patroulier die Nacht eine Menge von etwa 60 Mann an der Isar getroffen welche im Begriff gewesen Feuer anzulegen was an anderen Orten auch wirklich geschehen gewesen aber natürlich sogleich gelöscht wurde. – Nun kam ich also endlich nach Hause. Das Wetter so entzückend warm, 138 Der vermögende General-Leutnant Johann Jakob von Lieven (1775–1848) war durch die in Diensten des Fürsten stehende Taufpatin der Helene Köber auf deren Talent aufmerksam geworden und finanzierte ihr ab April 1847 einen zweijährigen Studienaufenthalt in Dresden, vgl. Döring, 2016, S. 166.

132 | Die Briefe ordentlich schwül daß ich beinahe in den Englischen Garten gelaufen wäre, wenn es eben nicht schon so spät gewesen um Tante in Angst um mich zu versetzen. Die ganze Landschaft rings um war in einen warmen blauen Duft gehült ich kam fast träumend an unser Haus und erfuhr nun von Onkel und Tante daß alle Arbeiter aus der gröberen Arbeitsklasse sich mit Geräthen aller Art versehen hatten um die Residenz zu stürmen und den König abzusetzen, da er mit der Lola ihnen Beweise geliefert, daß er nicht so aufrichtig ist wie er geschienen. Den Soldaten sind heute 40 Patronen, d. h. jedem ausgetheilt und den Studenten, Malern und Bürgern jedem 10 um gleich, sobald es etwas von Seiten des Pöbels giebt drein zu schießen. Der Prinz Carl hat vorgestern Abend zu den Bürgern gesagt daß die Lola nicht da sey, er könne ihnen sein Ehrenwort geben worauf man ihm geantwortet daß der König | so und so lang bei ihr gesessen habe u. s. w. hierauf wurde der König verlegen und sagt  : »ja, wenn das der Fall ist, da muß sie wohl hier gewesen sein« – im selben Augenblick ruft der Polizeidirector aus dem Polizeigebäude heraus  : »Gräfin Landsfeld ist nicht hier und wo sie weilt ist ein Amtsgeheimnis  !« – es ist doch schändlich  !  ! – Wir wollen nun doch schlafen gehen mögen die da drin sich prügeln, wir hören und sehen nichts – gute Nacht meine geliebten Aeltern und Geschwister  ! – d  : 20ten März. Nicht meiner Gewohnheit folgend, gleich nach dem Essen in den Garten zu gehen, sondern will mit Euch reden und habe doch nichts Besonderes Euch zu sagen. Es ist wiederum im Allgemeinen ruhig  ; auch die Nacht von der ich befürchtend sprach hat’s nichts gegeben denn die wenigen Leute gegen die Maße bewaffneter Soldaten wurde ein Angriff unmöglich. – Man spricht und behauptet sehr daß die Demonstration durch Geldbestechungen der Geistlichkeit und des hohen Adels herbei geführt sey, man will in den Wirthshäusern allerlei bemerkt haben, allein diese Behauptung will ich wenigstens dahin gestellt sein lassen. Heute ist ein köstlicher Frühlingstag, so sonnig so warm und trocken – Alles läuft umher um die reihne Luft einzuathmen – Um 1 Uhr holte mich Tante um einige pflichtgemäße Vesiten zu machen und wir waren entzückt niemanden zu treffen, unter anderen auch die Baronin Weinbach (liebe Verwandte). Onkel läßt in seinem Garten arbeiten und dabei muß ich oft, zu oft nur an Euch arme Nordländer denken die Ihr erst die Hoffnung auf den lieben Frühling zu begrüßen habt während wir ihn schon haben dürfen. Wie gern schickte ich Euch jeden Tag ein Blümchen welche schon in Menge sich draußen zeigen  ; ich pflücke sie auch doch muß ich sie hier verwelken sehen  ! O dies macht mir oft recht trüb das Herz  ! Der Kunstverein hatte in letzterer Zeit einmal wieder recht schöne Sachen und zwar aus den Niederlanden welche der König angekauft hatte. | Später. Abends. Heute Nachtisch hat sich das Gerücht verbreitet der König Ludwig werde morgen zu Gunsten des Kronprinzen abdanken, er wolle nicht die Ständeversammlung eröffnen die bis morgen verschoben war da die Leute

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nicht so rasch zusamm kommen haben können. Bernhardt, commandirender Hauptmann, als solcher hat er viel zu thun – und hat jetzt 3 Nächte hinter einander patroulieren müssen erzählte mir heute vielerlei, unter andern auch daß alle Pfälzer etwa 64 an der Zahl als Deputation zum König gegangen und haben alle vorgelassen sein wollen, was auch geschah  ; doch der König hat einem Jeden die Frage gethan  : wie heißen Sie, sind Sie verheirathet und wie viel Kinder haben Sie  ? – außerdem soll die Adresse der Rheinländer so gräßlich, fast gemein gewesen sein daß der König sich gezwungen sieht abzudanken, das also ist des stolzen Mannes Ende  ! – Es ist traurig daß noch alle Fürsten sich zwingen lassen statt daß sie durch freihen Willen sich die Liebe und Achtung des Volkes erhalten oder erwerben. – d  : 22ten März 48. Gestern war meine Absicht an Euch zu schreiben doch Kopfweh, sehr heftige zwangen mich ins Bett zu gehen. Gestern Früh um ½ 7 Uhr waren wir schon durch Trommel und Trompetenschall veranlaßt, auf den Tuldplatz hinaus gegangen, wohin Alles seinen Schritt lenkte – Das Melitär nämlich musste den Fahneneid leisten und dem neuen König schwören da der König die Nacht um 1 Uhr abgedankt hatte und in größter Eile nun gleich fast bei Nacht und Nebel das Volk schwören ließ das Melitär that es ohne Murren. allein die Bürger besannen sich lang erst, sprachen die Befürchtung aus daß der Kronprinz jetzt König Max nicht das, was ihnen der König Ludwig gab halten werde, – Beruhigungen und Zureden von allen Seiten, namentlich der Herzog Max bewog sie endlich zum Schwur. – Es machte keinen feierlichen tiefen Eindruck – Gegen 12 Uhr mittags wurde die Abdankung des Königs durch einen Herold bekannt gemacht  – ich arbeitete im Attilier als mit einem Mal Tante hinein gestürzt kam um mich zu holen den Herold zu sehen wir eilten und sahen ihn auch in Begleitung zweier | Secretäre, Hofposaunen Blaser und Kirassire reiten. Das Lebehoch für den neuen König erscholl äußerst mild, später soll es sogar ganz unterblieben sein. – Der Herold und seine Secretäre sehen übrigens schön aus, ihre Kleidung reich und aus der alten Ritterzeit die Form, auf mich machte es aber einen so unangenehmen Eindruck daß ich anfing zu weinen und dadurch die Tante erschreckte. Alle Münchner befinden sich in einer höchst dumpfen Stimmung, niemand hatte dies erwartet  – Lola sagt und behauptet man ist noch in der Residenz versteckt und der König hat wahr gemacht, was er einmal ausgesprochen  : »Lieber der Krone entsagen als die Lola lassen  !« – Der Kronprinz ist nichts weniger als beliebt und so kann es sein daß um 8 Tage er auch nicht mehr König ist. Möglich ist jetzt alles denn jeder Tag bringt neue fabelhafte Dinge,  – ebenso ist’s möglich, leider aber nicht wahrscheinlich, daß die Ostseeprovinzen sich wieder loß machen. Freihcorps bilden sich genug und die werden gewiß mit tausendfach mehr Begeisterung für die gute Sache streiten als ein so alter stumpfer Soldat – ja wunderbare Dinge gehen jetzt vor, wollte ich

134 | Die Briefe Euch alles schreiben dann hätte ich freilich viel zu thun und die Zeitung bringt ja Nachrichten in Menge auch bis zu Euch ich will nicht glauben daß die Zeitung vermittelst einer leichtfertigen Sperre beraubt werde wie früher es häufig der Fall gewesen.  – Man erzählt sich hier halb scherzend, halb spöttelnd daß der Kaiser seinem Volke Constetutionen gegeben habe d. h. der Russische – denn die andern haben schon daran müßen. Der König von Preussen ist vertrieben und das herrliche Schloß soll brennen, o wie grauenhaft hat man dort in Berlin gehaust, wie fürchterlich schonungslos Kinder und Frauen nieder gemetzelt  ! – Heute also ist die Eröffnung der Stände gewesen. Die Auffahrt sah ich und musste den König Max wahrlich bedauern. Bernhardt der auf der Galerie des Ständeraths gewesen sagte mir daß er gar nicht empfangen worden sondern daß bei seinem Eintritt eine Todtenstille geherrscht | allein nach den ersten zwei Sätzen seiner Thronrede habe heftig schallendes Hoch erklungen und ebenso am Ende seiner Rede die ausgezeichnet gut gewesen ist, nun Gott geb’s daß es gut und besser unter seiner Regierung gehen möchte als unter seines Vaters Herrschaft. – Dieser hat heut noch zu guter Letzt der Deputation vor dem Magistrat tüchtig die Wahrheit d. h. Grobheiten gesagt  – und zugleich die Äußerung  : er wolle nicht König heißen sondern auch sein – Ich will Euch die Thronrede hier unten herschreiben die ich so eben erhalten  : – Meine Lieben und Getreuen der Stände des Reiches  ! Nach dem Willen meines vielgeliebten Vaters Majestät eines Fürsten von hohen Regententugenden besteige Ich den Thron. Großes hat derselbe in seiner dreiundzwanzigjährigen Regierung vollbracht  ; nicht bloß in Stein und Erz, auch in unseren Herzen wird dankbar dessen Gedächtniß fortleben. Die Grundsätze meiner Regierung habe Ich in meiner Proklamation von gestern und in der vom 6ten März ausgesprochen. Treu und gewissenhaft werde Ich ihre Verheißungen erfüllen, u Ich bin stolz Mich einen constitutionellen König zu nennen (beifelliger Zuruf vom Publikum). Damit jede Erinnerung an frühere Verwirrungen schwinde, habe Ich beschlossen eine Amnestie für alle politischen Verbrecher und Vergehen zu erlassen (Die ganze Versammlung erhebt sich zu einem nicht enden wollenden Vivat. Die Damen auf der Gallerie schwenken die Tücher, der König dankte freundlich und auffallend erheitert) – Ich habe Veranstaltung getroffen daß den Ständen des Reiches ohne Verzug Gesetzesvorlagen gemacht werden  : über Verantwortlichkeit der Minister, über Preßfreiheit, über die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten, über alsbaldige Vervollständigung der Vertretung der Pfalz, über Ablösung der Grundlasten u. über die Berathung neuer Gesetzbücher. Außerdem sollen vorgelegt werden  : die Grundlagen der Gesetzgebung, über die Gerichtsorganisation, über das Verfahren in Civil- und Strafsachen, und über das Strafrecht, in welches sich die Abfassung eines Polizeistrafgesetzbuches einreihen wird – Die in Leipzig berathene allgemeine Wechselordnung, und ein Gesetz über die Organisation

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der obersten Kirchenbehörde der Israeliten. Späterer Vorlage behalte Ich vor  : die bereits zugesagte Gesetzgebung in der Rechtspflege mit Oeffentlichkeit, Mündlichkeit und Schwurgerichten, ferner ein Gesetz über die in der IX Verfassungsbeilage angedeutete umfassendere Fürsorge für die Staatsdiener und deren Hinterbliebenen, dann daran Ausdehnung auf die übrigen Angestellten des Staates endlich ein Gesetz über die Verbesserung der Verhältnisse der Israeliten. Ich beabsichtige die Abschaffung des Lotto ins Werk zu setzen (langer enthusiastischer Zuruf), – sowie der Stand der Staatseinnahmen im Hinblick auf die Bedürfnisse der bewegten Zeit es gestattet. Jedenfalls wird im nächsten Budjet, soweit nöthig, die Ersetzung dieser Einnahme durch eine andere eintreten. Auch habe ich zum Zwecke einer zeitgemäßen Volksbewaffnung eine umfassende Umarbeitung der Landwehrordnung anbefohlen. Lassen Sie uns diese Gesetzesordnung mit Ruhe und Gründlichkeit prüfen. Die Bewegung der Zeit und die großen Interessen des Vaterlandes erheischen eine innige Vereinigung aller deutschen Stämme. Auch Ich habe für Vertretung des Volkes am Bunde ungesäumt Einleitungen getroffen. (Stürmischer Beifall) In einen neuen Abschnitt unseres öffentlichen Lebens sind wir eingetreten. Der Geist der Europa durchdringt, gebietet es. Nicht bloß Bayern, sondern Deutschland richtet das Auge auf die Berathungen die bevorstehen. Männlicher Freimuth möge sie bezeichnen, aber auch | weise Mäßigung und Fernhalten von auflösenden, zerstörenden Tendenzen. Das Ergebnis dieses Landtags bestimmt Bayerns Stellung in Deutschland. Lassen Sie uns vorleuchten allen seinen Stämmen  ! Unser Wahlspruch sey Freiheit und Gesetzmäßigkeit. (Wieder enthusiastischer Beifall- und Lebehochruf vom Publikum) | Wie schon gestern geschrieben hatte ich heute die Absicht nicht im Attilier zu arbeiten dagegen aber zu Hause an meiner Magdalena  ; die Tante und Onkel haben mir ein recht schönes Attilier oben eingerichtet so habe ich denn recht fleißig am Kopf gearbeitet und dabei neugierig und sehnsüchtig beim jedesmaligen Schellen an der Hausglocke hinunter geschaut in der Hoffnung, den Briefträger zu erblicken, endlich um 4 Uhr nachmittags klingelts, die Palette, Stock und Brille fielen mir fast zu Boden mit zwei Sätzen war ich die Stiegen hinunter, um den Briefträger zu empfangen  ; er gab mir Euren geliebten Brief wofür ich ihm herzlich die Hand drückte  ; ich hätte ihm lieber um den Hals fallen mögen vor rasender Freude. Darum meinen tausendfältigen Dank für denselben, auch Dank für den Ultramarin und den allerliebsten feinen Kragen, Mize hat recht viel Freude dadurch gemacht. Die Tante läßt recht herzlich danken doch zugleich bitten doch ja nicht so fein zu häkeln da sie ihre Augen unmöglich gut erhalten kann. Ich selbst mache der Schwester, der geschickten Mize, mein tiefstes Compliment, so sauber und fein, meine Arbeiten dagegen sind wie Bohnenstroh so grob. – da die Zeitungen Euch doch Nachrichten zu bringen wird hoffentlich auch mein Brief noch ankommen denn weiß ich in der That nicht was ich mit meinem dummen Briefe anfangen

136 | Die Briefe soll, auf dieses Mal will ich’s wagen und dann nicht wieder und will den Brief von unserer Magd an Mize adressieren lassen da Damen wenig gefährlich sein können. Sind es Nachrichten die Euch durch die Zeitung ohnedies bekannt geworden so kann und wird mein Brief mit denselben Berichten passiren ich will indes noch durchsehen was ich alles geschrieben um vielleicht aus zu merzen – Dein Unwohlsein betrübt mich recht sehr allein ebenso sehr erfreut mich das Wohlbefinden der Übrigen. Gott erhalte Euch auch noch lang gesund, Tanten u der Onkel sind wohl und thätig im Garten derselbe ist schon in Ordnung gebracht. – Ich bat sie Deine Fragen über mein Bleiben zu beantworten worauf die einfache Antwort wurde daß ich noch so lang bleiben möchte bis es noch ernsthafter werde hier. Gott sey gedankt geht es bis jetzt gut d. h. im Allgemeinen. Die Bauern sträuben sich mit Macht ihren Frohndienst zu machen überhaupt ihre Abgaben zu zahlen. Bernhardt bleibt auch bei jetzigen Umständen hier und ich kann noch nicht viel daher ist mein Bleiben noch in München. Ich habe mich nach langem Zögern doch entschlossen Euch eine kleine Studie durch Sivers zu senden welche ich zwar schon vor länger als 6 Wochen gemalt habe, auch im Februar – also wenn Ihr sie erhaltet sind gewiß noch ein paar Monate darüber hingegangen und darum müßt Ihr Euch dann denken daß ich wieder nun ein Stück mehr kann und weiter gekommen bin, überdies ist es auch ein Knabe von 6 Jahren der mir fast keinen Augenblick Ruhe gönnte trotz dem aber ähnlich ist. Ich habe seit diesem Kopfe ein paar noch gemalt welche aber nicht mir gehören darum ich keine Wahl hatte. – | Der Kopf ist prima gemalt außer diesem soll mir Sivers noch die Skitze von der kleinen Mondlandschaft mit nehmen. Ich hoffe wenigstens daß der gute Mensch nicht früher abgereist sein wird als er mir geschrieben hatte. Daß Herrmann so freundlich ist Euch zu zeichnen macht uns allen recht vielen Spaß aber nun müßt Ihr aber auch so gut sein uns die kleinen Zeichnungen theilweise zu schicken, ich sehne mich schon jetzt danach. Dagegen schicke ich Euch nächstens das Haus des Onkels das ich in perspectivischen Linien zeichnen will. Freilich ist dies ein gar geringer Ersatz und ein schlechter Tausch  ; aber nun gute Nacht  ! – Sonntag. Ganz erhitzt will ich noch die wenigen Minuten vor Tisch benutzen Euch zu schreiben ich komme nämlich aus der Perspectivstunde und der Ludwigsstraße wo die ganze Landwehr nebst Studenten und Künstlern dem Könige Revue passiren mußten. Die Künstler machten sich zu hübsch und Bernhardt war prächtig  ! – Man fürchtet hier auch bald wieder Unruhen nicht allein die Bauern wollen nichts thun und nichts zahlen sondern auch die Handwerker möchten weniger arbeiten und doch mehr Lohn. Später. Heute Nachtisch war ich zum ersten Male in diesem Frühling mit der Tante in den englischen Garten spazieren gegangen und fand daß derselbe viel zu schön ist für so viel Menschen welche drin aufgedonnert wie Pfauen sich sehen lassen als selbst zu sehn und zu genießen auch ärgerts daß man ihn so

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sehr belebt findet da mir dadurch die Aussicht genommen einiges zu meinem Vergnügen zu zeichnen. – Von Dumbergs schreibt Ihr mir dies Mal garnichts ein Zeichen daß sie wohl sind. Doch ich möchte wohl wissen was denn mein alter Freund Otto Dumberg139 macht, ist er noch in Dorpat, hat er sein Examen gemacht  ? Grüßt ihn wie seine Schwester und Mutter  ; heute habe ich recht lebhaft an unseren lachenden Gartenzaun gedacht wo wir oft Gelegenheit nahmen, durch zu schlüpfen, die Zeit ist nun auch vorüber, ja ja so vergeht die Zeit und allmählich wird man alt  ! Deinen trüben Gedanken lieber Vater über Vergänglichkeit und Unsterblichkeit e. c. haben auch mich innig trüb berührt aber Dich haben Gedanken Verhältnisse unabänderliche zu dieser melancholischen Stimmung geführt und das ist nicht gut. Gestern war Mizes Geburtstag was ich nicht früher wußte als bis ich schlafen ging, ich hatte nicht in meinen Kalender gekuckt, wo ich alle Geburtstage notirt habe daher nachträglich meine herzliche Gratulation  ; ich wollt ich hätte ihr ein kleines Angebinde schicken können. – Am Charfreitag nehmen Tante und Onkel immer das Abendmahl so auch in diesem Jahre und da habe ich denn die Absicht auch das heilige Abendmahl zu nehmen. Dieses Mal allein ohne irgend eine verwandte mir nahe stehende Seele zwar darf ich nicht bitten mir Alles zu vergeben falls ich Euch weh gethan da ich weiß wie wenig Ihr böse auf mich seit indes ich zeige es Euch an und bin überzeugt daß Ihr freundlich und liebend meiner gedenken werdet. | d  : 24. März. Meine theuren guten Aeltern  ! Da ich nicht wissen kann ob meine Briefe an Euch ankommmen bei diesen großen Ereignissen der Deutschen Staaten so will ich wenigstens was mich betrifft von heute an auf ein apartes Blatt schreiben damit Ihr um meinetwillen ruhig sein könnt. Theils eigen gesammelte Berichte, Nachrichten theils aus der allgemeinen Zeitung entlehnte Nachrichten lege ich bei, wird der Brief erbrochen so darf ich wenigstens hoffen daß man die Güte hat wenigstens dieses Blättchen so unschuldig und rein an den Ort seiner Bestimmung zu senden. Mich veranlaßt eine Bemerkung in einer hiesigen Zeitung, Euch mehr von den Weltereignissen zu schreiben, welche sagt, daß man von Paris in Polen und Rußland sagt  : daß der König Luis Philipp eines Unwohlseins wegen eine Badereise nach England gemacht und daß bei seiner Abreise ein kleiner Zusammenlauf von Menschen statt gefunden habe. – Von der Republik und der Flucht des Königs wisst Ihr am Ende noch gar nichts, o grässliche ja gemeinste Tyrannei Menschen zu verhindern mit der Welt fort zu leben  ! –

139 Otto Duhmberg (1821–1900) war ein enger Freund Julies aus Dorpat. Er studierte Medizin an der dortigen Universität, promovierte 1856 zum Dr. med., war anschließend Arzt in Barnaul im russischen Altai und Inspektor des Medizin-Wesens der Altaischen Bergverwaltung, später kehrte er nach Dorpat zurück (vgl. Hasselblatt, 1889, S. 294, Nr. 4019).

138 | Die Briefe d  : 25ten Gestern Abend aufgeregt von den schreckenvollsten Bildern die die Welt bietet konnte ich nicht weiter schreiben und ruhig über das Alltägliche, Gewöhnliche reden, ich schreib aus der Zeitung einige Stellen ab und legte mich nieder, träumte die ganze liebe Nacht von Krieg, Feuer und Wasser. Heute ist Maria Verkündigung, ein großes Fest. Allein ich habe wie gewöhnlich gearbeitet ging dann um 12 Uhr in den Kunstverein und erfreute mich an recht schönen Bildern, ein paar Landschaften von Steffan140 waren ausgezeichnet dann zwei Porträts von meinem lieben Meister die ich zwar schon früher bei ihm sah und endlich eine büßende Magdalene von Maas141 der lange in Rom gewesen, es war das selbe Bild das in Dorpat vor 3 Jahren zur Jahrmarktszeit von dem Italiener aus Riga142 – Gott, wie heißt er nun gleich  ? – ausgestellt wir sahen – bei zweifacher Beleuchtung  ; In diesem Bilde war mehr Wahrheit als in Jenem obgleich ich es auch nicht so gar schön finden konnte. Gestern beendete, d. h. ich retuschierte einen Kopf und als das Modell fort gegangen war trat Bernhardt ins Zimmer um nachzusehen u wir sprachen über Dieses und Jenes und so auch über meinen Hals, oder Nacken  ; ich sprach mich dahin aus daß es einer Dame schwerer wird sich ganz durch zu bilden da ihr das Studium nach der Natur fast unmöglich wird zu machen – er gab mir darin in so fern Recht indem er sagte daß fast alle Damen bis sie auf diese Schwierigkeiten stoßen aufhören.  – Er habe erst drei Da|men unter seinen Schülerinnen gehabt die sich darüber hinweg setzten und Studien nach weiblichen Oberkörpern gemacht haben, er nannte mir diese Mädchen von denen mir zwei bekannt sind namentlich durch die Tüchtigkeit ihrer Arbeiten. Eine von denen hat noch bis jetzt bei ihm gearbeitet und die andere ist eine Dresdnerin, Fräulein Wagner143. Er sagte mir daß er sehe daß nicht ich 140 Der Schweizer Johann Gottfried Steffan (1815–1905) ging 1833 nach München, wo er sich unter dem Einfluss Carl Rottmanns der spätromantischen Landschaftsmalerei zuwandte. Er war zeitlebens in München tätig und gehörte dort zu den angesehensten Künstlern seiner Zeit. An den Ausstellungen des Münchner Kunstvereins nahm er regelmäßig teil. Seine Darstellungen des Münchner Umlandes und besonders der Schweizer Alpen dürften auch August Matthias Hagen sehr interessiert haben. Nähere Angaben zu Steffan vgl. http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4022953 (aufgerufen am 16.8.2018). 141 Vermutlich der aus Gent stammende Maler Jan Baptiste Lodewijk Maes, gen. Maes-Canini (1794–1856), von dem Ludwig I. schon 1833 eine Betende Römerin aus dem Kunstverein erwerben ließ (Verbleib unbekannt, vgl. Rott, 2003, S. 244). Näheres zur Biografie Maes’ findet sich bei Nagler, 1835–1852, Bd. 8, S. 176. 142 Aus Riga stammten drei italienischstämmige Maler-Brüder, Söhne eines in Bologna geborenen Schuhmachers, den es als Soldat unter den Feldzügen Napoleons nach Russland verschlagen hatte, Paul Rizzoni (1823–1872), Eduard Rizzoni (1833–1903) und Alexander Rizzoni (1836– 1902), vgl. Neumann, 1902, S. 114–116. Paul Rizzoni hatte nach 1845 einige Zeit u. a. in Holland und Belgien verbracht, wo ihm wohl auch Werke Maes’ begegnet sind. 143 In Dresden gab es zwei Künstlerinnen Wagner, die hier gemeint sein könnten  : die Schwestern

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spielen möchte sondern mein Streben ist fort zu kommen und darum es schade wäre wenn ich nicht nach der Natur einige Studien machen würde  ; ich erklärte ihm mit hochrothem Gesicht daß ich mich durch aus nicht davor scheue, im Gegentheil ich froh sein würde wenn es mir von Nutzen ist. Er schien erfreut und sagte daß ich mich nicht vor ihm geniren solle, da er erstens Lehrer und zweitens Familienvater sey allein ich möge mich in Acht nehmen vor den anderen Damen welche neben an malen, die meinte er möchten wohl im Stande sein ihre Glossen zu machen  – auch mein Bild vor seinen Dienstboten verstecken und bei verschloßener Thür arbeiten also werde ich bald anfangen. Später – Von Sivers aus Dresden einen Brief, endlich die Antwort auf meinen letzten Brief vom December datiert, er zankt mit mir daß ich ihm so wenig über mich und mein Thun und Treiben geschrieben. Er will in 4 Wochen reisen und will mir, wie er sich ausdrückt, einige Kunstwerke mitnehmen. Schade, hätte ich das gewusst so hätte ich nimmer mit Rayher’s Sachen die beiden Copien geschickt, nun ich will sehen, was ich noch thue. Vorhin bin ich bei meiner Erzählung über Bernhardt stecken geblieben da ich ins Attilier gehen musste, also will ich denn fort fahren. Euch meinen lieben Eltern wird es vielleicht gar sehr unmoralisch von mir erscheinen daß ich eingegangen in Bernhardts Wunsch und das wäre unrecht. Es wäre was anders wenn es noch vor zwei Jahren geschehen denn glaube ich selbst wäre es mir keine Möglichkeit  ; allein nachdem ich zwei Sommer hintereinander auf der Gallerie zu Dresden die verschiedenartigsten nakten Körper täglich, immer und immer wieder mit erhöhter Freude und Entzücken beschaut und bewundert und nur die Kunst und die Schönheit gesehen und genossen, so werde ich gewiß auch hier in diesem Fall nicht das unestetische sehen sondern das Schöne nachzuahmen suchen. Im Grunde liegt auch nur das Unanständige einer Sache darin wenn man durch Lachen oder andere Gebärden sich äußert – das Schöne bleibt ja immer schön und so konnte ich oft Damen, alte und junge die ich Gelegenheit fand in die Gallerie zu führen nicht begreifen wenn sie mir sagten  : »Wie können Sie uns nur die Venus zeigen und sie schön heißen« – Gott wie ist das Bild doch schön und das dumme Volk erkennt das Prachtvolle | daran nicht  !  – Ebenso begreifen die meisten Menschen nicht daß eine Künstlerin anders behandelt sein will und muß als ein anderes Mädchen – Ich kann Euch gar nicht sagen wie sehr ich Bernhardten zugethan bin, er ist so liebenswürdig und freundlich daß ich ihm so gut, was die Kunst betrifft vertrauen kann. Sivers bietet sich mir als BeschütAdelaide Wagner, verh. Salles (1825–1890), und Elise Wagner, verh. Puyroche (1828–1895). Adelaide Wagner ist vor 1845 als Schülerin Bernhardts nachgewiesen, vgl. Nerlich/Savoy, 2015, S. 214. Julie Hagen kannte die Wagner-Schwestern aus Dresden. Über einen Besuch Elise Wagners berichtet sie in einem Brief vom 19.3.1847 aus Dresden an die Eltern (Brief in Privatbesitz).

140 | Die Briefe zer an indem er mich zu bereden sucht jetzt in dieser Zeit nach Hause zu reisen. Ich habe in der That daran nicht gedacht und glaube auch nicht daß es so nöthig ist, freilich man kann nicht wissen wie sich die Dinge gestallten. d  : 26ten März 48 Ganz warm und aufgeregt, durch einen Streit anfangs mit Tante später mit einem alten Mann der oft des abends Onkel besucht über die jetzigen Zustände der politischen Welt, fühle ich daß ich nicht gleich einschlafen werde können und will mich durch das Gedenken an Euch etwas besänftigen. Meiner Berechnung nach müsst Ihr heute meinen letzten Brief erhalten haben, allein mir ist die Botschaft daß keine Zeitung nach Russland gehen darf und ebenso die Briefe nicht ungeöffnet passieren, dies macht mir Unruhe noch mehr aber die Kunde daß in Polen Revolution sey. Ich bin in großer Sorge um Euch denn nicht ist zu glauben daß Ihr Liv-, Kur- und Estländer Euch in Sanftmuth erhalten werdet. d  : 29ten März. Gestern hatte ich wiederum einen bösen Feind, den Kopfschmerz, der sich nach Herzenslust freute mich zu plagen, ich habe deshalb nicht schreiben können aber will das Alles dagegen heute einholen. Leider muß ich mich etwas kürzer fassen d. h. im Beschreiben der Zeitung als bisher obgleich ich da nicht mal den 20ten Theil von dem geschrieben das dieselbe enthielt täglich sind Nachrichten, neue unerwartete und immer schneller und schneller folgen sie aufeinander. Sivers Anerbieten möchte wol anzunehmen sein wenn ich und auch Ihr nicht wüßtet daß ein Mädchen nur im Wege steht und die Sorgen jedenfalls vergrößert, außerdem will ich durchaus nicht ohne Euren Wunsche handeln. Ich war gestern Abends nach der Arbeit durch die ganze Stadt bis hinter der alten Universität gegangen wo mein Leinwandlieferant wohnt um mir für heute einige Rahmen zu bestellen. An der gewesenen Universität später Academie und jetzt Caserne standen zwei Student mit Gewehren an ihren Schilderhäuschen eine andere Zahl von gegen 30 saßen theils standen sie an zwei langen Holztischen wobei sie Bier tranken und munter Karten spielten, es gab ein wunderliches aber lebendiges Bild. Das Wetter ist seit 3 Tagen beständig heiter sämtliche Fluren sind grün auch die Bäume zeigen ihre kleinen lichtgrünen Blättchen  ; man freut sich auch gar sehr über den Fortschritt des Frühlings und doch möchte ich ihn bitten etwas noch zu warten damit diese sonst so köstliche Zeit auch wahrhaft genossen werde. Heute früh um 8 Uhr erschien das Modell welches mir Bernhardt bestellt hatte, ich machte eine Stellung und erwartete hinter verschlossener Thür meinen Meister um ½ 9 Uhr erschien er leise klopfend, ich machte auf doch roth, glühend roth denn auf den ersten Augenblick hatte ich mich mit bangem klopfendem Herzen gefürchtet. Allein Bernhardt entzückte mich bald durch sein zahrtes, überaus schonendes Wesen  ; er war lang bei mir, erklärte mir jede Form kurz ich entließ ihn und kann nicht anders sagen  : »Bernhardt ist ein prächtiger Lehrer und Mensch  !« – Nachtisch klopfte er ebenfalls nur leise an die Thür und

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ging ziemlich zufrieden sowol mit meinen Contouren als Farbe fort. Das Urtheil von Kaulbach über seine Arbeiten ist  : »Van Dyc hätte es nicht besser machen können« – besonders hat er sein Entzücken ausgesprochen über die beiden Bilder welche gegenwärtig den Münchner Kunstverein ziehren. | d  : 30ten März Ich schreibe Euch in der aller größten Kürze über die Ereigniße der Welt und doch ist’s so wenig daß ich kaum weiß ob ich diese Blätter abschicken soll. Die Zeitungen sind so überladen mit Nachrichten daß man nur immer den ganzen Tag lesen könnte  ! – Bernhardt war heute bei mir und fand daß ich sehr fleißig gewesen sey und daß es für die erste Studie sehr brav ist. Ich fange Bernhardt immer mehr und mehr zu achten an denn ich kann Euch nicht seine zahrte Manier beschreiben. – d  : 4 Aprill Viele Tage schon habe ich nicht eine Silbe geschrieben wenn ich auch dazu Zeit gehabt hätte so fehlte mir die rechte Lust und Freude dazu. Denn seit ich meine großartige Studie begonnen überarbeite ich mich fast, ich meine nämlich in dieser Hitze und dazu im geheitzten Zimmer spannt mich das Arbeiten von 8 bis 9 Stunden täglich etwas sehr ab. – Ihr werdet Euch wundern daß ich über Hitze klage  ; ja wohl wir haben den heißesten Sommer 20 Grad Wärme fast jeden Tag auch schon öfter Gewitter gehabt. Bäume und Gesträuch sind theils schon grün theils stehen sie da in ihrer schönsten Blüthenpracht. Gestern Abend saß ich draußen im Garten einsam und allein bis gegen ½ 9 Uhr bis mich die Tante aus meinen Träumereien weckte und in die Stube nöthigte – Meine Gedanken ließ ich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft prüfend herum schweifen. Am längsten und am innigsten weilte ich in der Vergangenheit und fand daß alles Trübe und Düstere von der Zeit hinweg gewischt wird und nur das Schöne bleibt fest dem Gedächtniß eingeprägt. Solche einsam ruhige Stunden oder Augenblicke sind indes nicht gut, wenn gleich angenehm  – Mir wenigstens ist noch immer ein fast unbegränztes Sehnen nach geliebten Personen überfallend. – Euren Brief erwarte ich mit heißer Sehnsucht, und der wird mir hoffentlich sagen ob der Meinige angekommen war. – Ich habe lang nichts aus der Zeitung abgeschrieben da die selbe sagt daß auch Ihr anfangt zu revoltieren also müßt Ihr doch die Zeitung erhalten und durch dies von den Ereignißen der Welt unterrichtet sein – In München ist alles ruhig d. h. in friedlicher Stimmung. Das Militär muß alles fort um die Gränzen zu besetzen. Die Freihsoldaten machen ihre militärischen Übungen fort und freuen sich auf den Prinz.144 Bernhardts Familie hat sich heute um ein Glied vermehrt, es ist eine Tochter, die 144 Der zweite Sohn, Otto von Wittelsbach, wurde am 27.4.1848 geboren. Er wurde 1886, nach dem Tode seines Bruders Ludwig II., als Otto I. König von Bayern. Da er an einer Psychose erkrankt war, nahmen statt seiner sein Onkel Luitpold und sein Cousin Ludwig III. (1845–1921) die Regierungsgeschäfte wahr.

142 | Die Briefe fünfte. Heute habe ich meine zweite Studie fertig und morgen beginne ich die dritte. Wenn ich nicht irre sah ich Gonne145 aus Dresden heute auf der Straße  ; meine verdammte Kurzsichtigkeit läßt mich nicht sicher sein, ob er’s wirklich war. d  : 6ten Aprill. Vergebens mein Hoffen Euren geliebten Brief heute an meinen Mund zu führen und ihn mit den wärmsten Küssen zu bedecken wie ich es thun würde wenn ich Euch meine theuren Aeltern und Geschwister wieder hätte. Obgleich es heute 4 Wochen sind als ich den letzten Brief erhielt so kann ich mir bei ruhigen Augenblicken nicht anders sagen als daß ich noch warten muß bei den jetzigen Umständen – Ich gehe morgen nicht ins Attilier auch Sonntag nicht da meine dritte Studie, die Brust mißlungen ist d. h. ich hatte eine ungewöhnlich glatte Leinwand worauf trotz meiner fast dreitägigen Bemühungen es sich nicht malen ließ  ; ich bin ganz ärgerlich darüber und will mir Muth und Freude dadurch verschaffen daß ich an meiner schönen Magdalena diese zwei Tage arbeiten will. Es ist mir verdrießlich daß Leute die lang nicht an mich gedacht gerade in dieser Zeit mich besuchen haben wollen und gar nicht begreifen können warum ich bei verschlossener Thüre arbeite. Daß Polen ein eigenes Königreich bildet hat hier Freude gemacht nur ist es eine große Frage ob die Polen sich mit dem Fürsten Leuchtenberg begnügen  – Ich bin eben aus dem Garten gekommen, woselbst man von Stunde zu Stunde wahrnimmt wie sehr das Grün der Bäume sich ausbreitet. Der jetzige Regen hat dazu sehr wohlthätig gewirkt und hat zugleich den heftigen Staub Münchens ein wenig gelegt, bis dahin wurde zwar häufig, allein ohne großen Erfolg mit Wasserspritzen durch die Straßen gefahren um den fast zischenden Staubboden etwas zu kühlen. | Ich will aber jetzt schließen da ich den Augenblick wenigstens nicht weiß was noch schreiben. Tante und Onkel grüßen recht herzlich, auch die Vettern. NB  : Ich trinke jetzt jeden Abend mit dem größten Apetit ein Glas Bier, das Wasser schmeckt mir gar nicht mehr. Allen meinen Freundinnen, Freunden und Bekannten meine Grüße, und Küße meinen Geschwistern und Euch von Eurer Julie Einen entsetzlichen Schreck hat soeben die Nachricht  : die Cholera sei in Livland ausgebrochen, welche ich in der Zeitung gelesen, mir bereitet. Gott im Himmel beschütze nur Euch vor diesem Feinde  !  ! –

145 Der Genremaler Friedrich Gonne (1813–1906) war 1846/47 für kurze Zeit Julies Lehrer in Dresden gewesen.

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Julie Hagen an ihre Eltern aus München, Berichte über die Revolution (Abschriften aus Zeitungen und eigene Darstellungen), Datierungsbeginn 19.3.1848 Hier erfolgen die oben angekündigten Abschriften aus den Berichterstattungen in der Tagespresse an die Eltern, wohl überwiegend aus der Allgemeinen Zeitung  ; ein gewagter Schritt, da die Zensur, wie Julie Hagen in ihrem letzten Brief selbst befürchtet, ihr Schreiben an der Grenze hätte aufhalten können. Die Unterscheidung in Abschrift und eigene Berichte ist nicht an allen Stellen eindeutig. Es handelt sich aber ganz überwiegend nicht um eigene Texte. Wichtig und interessant war für die Eltern die deutsche Beurteilung der Zukunft Polens und damit indirekt anderer Regionen mit deutscher Bevölkerung, wie der Ostseeprovinzen. Ferner waren die Berichte zur Stellung des russischen Zaren und seine Reaktion auf die revolutionären Bestrebungen von hohem Interesse. Russland, und damit auch die Ostseeprovinzen, blieb von den Ereignissen im Frühjahr 1848 letztlich relativ unberührt  ; sie hatten vielmehr, wie in den direkt beteiligten Staaten Mitteleuropas (nach dem Scheitern der revolutionären Bestrebungen), eher langfristige Auswirkungen durch die Forcierung und Bildung demokratischer Bewegungen. Eine Wende in Russland trat erst mit dem Ende des Krimkrieges (1853–1855) ein, das mit dem Tode Zar Nikolaus I. ins Jahr 1855 fiel, sein Nachfolger Alexander II. (1818–1881) ging als großer Reformer in die russische Geschichte ein. Berlin, den 19ten März Mittags. Der 18 März wird eine verhängnißreiche Epoche für Preußen, Deutschland und die Welt bilden  ! Gestern zwischen 2 und 3 Uhr des mittags stand der König146 auf dem Vorsprung des Schlosses, das Volk anredend Preßefreiheit und die Zusammenberufung des Landtages auf den 2 Aprill verkündend und das Volk erfüllt den Platz mit Jubelruf – da entladen sich plötzlich einige Gewehre und Rachegefühle  ! Doch Sie müssen mir erlauben in gedrängter Übersicht die Vorgänge der ganzen abgelaufenen Woche darzustellen. Montag der 13 war in vielen großen Städten Zeuge von großen Volksbewegungen  ; in Berlin sammelten sich große Haufen, meist aus Arbeitern bestehend, und weckten das Militär durch Worte und Steinwürfe. Jeden Abend wurde darauf in einzelnen Straßen gekämpft und es fielen Opfer da die Truppen ihre anfängliche Mäßigung verließ, die Soldaten von der fortwährenden Mühe und Beunruhigung erbittert und von manchem niedern Anführer in Wuth gebracht worden. Viele Officiere behaupteten nämlich es sey nur Canaille die man niederschießen müsse. Unser Magistrat war mehr beschäftigt als thätig, und erst 146 Hier ist Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), König von Preußen, gemeint.

144 | Die Briefe am Freitag brachte er es dahin daß eine bürgerliche Schutzwache ohne Waffen, aber mit Attributen ihres Amtes bekleidet, zwischen den Zorn des Volkes und die Wuth der Soldaten trat. Auch die studierende Jugend schloß sich dieser friedlichen Wache an, und die Nacht vom Freitag verfloß, Dank dem Zureden dieser akademischen und Stadtbürger, friedlich. Auch der gestrige Vormittag ging ganz ruhig vorüber, besonders als die Nachricht verbreitete der König bewillige alles. Da enstand das oben gemeldete Unglück, ganz in der Weise wie das Mißverständnis in Paris. Von jetzt an werden Übel von beiden Seiten nicht mehr Einhalt zu thun. Das Volk baute seit 3 Uhr Barrikaden, so ungünstig auch die breiten und ebenen Straßen Berlins dafür sind und es knüpfte gegen eine große Garnison die sich im Laufe des Tages durch Zuzüge von nah und fern verstärkt hatte, meist ohne Waffen, bloß durch Steine und Dachziegeln mit der größten Todesverachtung. Nach einigen Stunden des Kampfes schloß sich ein großer Theil der hiesigen Schützengilde an das Volk, und die Büchsen dieser Schützen streckten viele Officiere, darunter Obersten zu Boden. Die Studenten hatten eine stürmische Versammlung um 5 Uhr, in welcher sie von dem gegenwärtigen Rector und Senat die Erlaubniß und die Waffen zur augenblicklichen Theilnahme an dem Kampfe verlangten, und als Rector und Senat dieß verweigerten, riefen sie begeistert  : sie wollten fürs Volk sterben  ! Sie bewaffneten sich mit Eisenstangen, holten aus Privathäusern Säbel, Pistolen und Büchsen, und zerstreuten sich in alle Straßen unter das kämpfende Volk. Welcher gräßliche Abend und welche Nacht  ! Das Pelotonfeuer und die Kanonenschüsse dauerte die ganze Nacht hindurch und gegen 11 Uhr brach plötzlich an mehreren Stellen heftiges Feuer aus. Gegen [sic] waren die Soldaten Meister der Stadt, nachdem sie viel mehr Todte und Verwundete als das sich zurückziehende Volk auf dem Kampfplatz gelassen. Heute Morgen 8 Uhr erschien eine Bekanntmachung vom König, »An meine lieben Berliner« überschrieben, worin der König in versöhnlicher Form das Volk beschwört zum Frieden zurückzukehren, und worin die augenblickliche Zurückziehung der Truppen verheißen wird. Wäre diese Bekanntmachung doch gestern Nachtisch erschienen  ! Heute kam sie zu spät, und es wäre gewiß der Kampf häftiger und geregelter ausgebrochen, hätte nicht | der König so eben alles bewilligt und zögen nicht die Truppen soeben ab. Die Erbitterung der Stadt ist zwar keineswegs gegen die Person des Königs gerichtet, wol aber gegen manche ihm nahe stehende Persönlichkeit. Angesichts der vielen Leichen und der fast zahllosen Sterbenden ist heute die Bezwingung des Volkes durch die bewaffnete Macht eine Überwindung aber nicht ein Sieg  ! Dem König kostet der Sieg dieser Nacht Thränen und Herzblut, die Königin ist schwer erkrankt und drei Minister sind bereits gestürtzt, während gegen manche hochgestellte Person der man Theil an diesem Siege zuschreibt, der Volkshaß noch lange ungemildert bleiben wird. – – | Ein anderer Correspondent berichtet  : Schon vom 13ten

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an gab es täglich hier kleine Krawalle, welcher die Erbitterung zwischen Volk und Militär steigerten. Eine würdig gehaltene Adresse des Staatsrath verlangte Concessionen, eine Deputation vom Rhein her deßgleichen. Am 17ten hatte die Regierung noch keinen festen Entschluß in betreff dieser Concessionen gefaßt. Erst gestern Vormittag wurde in großer Eile das mitfolgende Extrablatt der Allg. Preuß. Zeitung gedruckt, worin die schleunige Einberufung des Landtags und ein Preßgesetz verheißen worden. Als es noch unter der Preße war, ungefähr um 10 Uhr, begab sich die Deputation von Bürgern auf das Schloß, die ihre Wünsche in einer dringenden Sprache vortrug und deßhalb vom König ungnädig entlassen worden sein soll. Als aber das Extrablatt ausgegeben wurde und die Bürger erkannten welche große Zugeständniße ihnen der König gemacht habe beschloßen sie sogleich einen Zug nach dem Schloß um ihm dafür durch ein lautes Lebehoch zu danken. Man sah diese Männer, schon seit einigen Tagen als bürgerliche Schutzwachen organisirt, in Sonntagskleidern, meist in weißen Binden und Stäben in feierlicher Haltung vor dem Schloß in lautes jubelndes Lebehoch und Hurrah ausbrechen. Diese Bewegung scheint von den zahlreich vor und in das Schloß aufgestellten Truppen mißverstanden worden zu sein. Es fielen aus den Reihen ein paar Schüsse auf die Bürger, die mit dem furchtbaren und einstimmigen Geschrei  : Verrath, Verrath  ! theils die Flucht suchten, theils auf die Soldaten losstürzten  ! Bald wurden sie von zahlreichen, mehr oder weniger bewaffneten Volkshaufen unterstützt, bei denen man eine schon verbreitete Organisation und schon länger bereit stehende Waffen bemerkt haben will. Als es den Soldaten gelang das Volk vom Schloßplatz zurückzutreiben, wurden mit unglaublicher Schnelligkeit und Kunstfertigkeit die stärksten Barrikaden errichtet und alle Straßen der inneren Stadt bis an die Barrikaden errichtet und alle Straßen der inneren Stadt bis an die Thore damit versorgt. Gegen Abend drangen von Potsdam her kommende Truppen von außen in die Stadt, und brachen sich unter dem fürchterlichsten Gewehrfeuer durch die Barrikaden Bahn. Eine zeitlang sollen auch die Truppen vom Schloß her sich in die Stadt ausgebreitet und viele Barrikaden zerstört haben, dann aber wieder zurück gezogen sein. Von 2 Uhr nachmittag an bis 2 Uhr nach Mitternacht erfüllte die Stadt ununterbrochener Kanonendonner und Gewehrfeuer. Um 10 Uhr Nachts verbreitete sich eine Brandröthe über die Stadt, wie es allgemein hieß hatte das Volk eine Caserne in Flammen gesetzt. Diese traurige Illumination, muß uns nun die ersetzen welche man aus Freude über die Zustimmungen des Königs ursprünglich beabsichtigte. | Ein dritter Correspondent erzählt diese schreckensvolle Nacht noch anschaulicher obgleich auch nicht so ganz der Wahrheit getreu. Die Schuld ist nur einzig dem Ausgburger Redactör zu zu schreiben indem es bekannt ist daß dieser im-

146 | Die Briefe mer die Partei für Preußen und gegen Oestreich hält – Nachrichten, private sind eingelaufen, die die Zahl der Leichen gegen 5000 zählt, d. h. Bürger, Studenten, Soldaten zusamm gerechnet, Bürger sind allein 1800 um’s Leben gekommen, die Leichen sind durch die Stadt getragen und sämmtlich ins Schloß gebracht wo man den König hinunter geführt und sodann ihn gezwungen knieend den Leichen Abbitte zu thun. – Das noch nicht bestehtigte Gerücht ist verbreitet das der König auf der Flucht erschossen wäre. – In Wien ist es auf ähnliche Weise zu gegangen  ; in 24 Stunden hatte Oestreich die freiesten Institutionen, das so weit darin zurück war. d  : 14 März hat es in Wien wild ausgesehen Blut hat gefloßen aber lang nicht so viel wie in Berlin. Fürst Metternich147 hatte abgedankt zur größten Freude und Jubel des ganzen Volks, sein ganzes Systems ist gestürtzt, Preßfreiheit und die Einleitung von Reformen, wie sie dem ganzen übrigen Deutschland zugesichert sind hat man auch dort nicht verweigert. – In München erzählt man sich daß König Ludwig aus sehr fein polischen [sic] Gründen abgedankt habe, er wünscht nämlich deutscher Kaiser zu werden. Mit der Lola durch Zurücknahme des Indignats scheint es nun wirklich ein Ende zu haben, wenigstens wird er sie hier in Bayern kaum zu sehen sich wagen, da er Jedem die Erlaubniß ertheilt sie zu fangen und in ein Zuchthaus zu bringen, er hat sich das Wittelsbachsche Palast vorbehalten um dort zu leben – Das Lola Schlößchen ist zum Kauf ausgeboten  ; aber wer wird sich einfallen lassen es besitzen zu wollen  ? – In Polen giebt es Bewegungen, leider ist’s noch zu früh – Beistand finden sie von allen Staaten Deutschlands nur jetzt hat jeder mit sich selbst zu thun. – Ich sah heute zwei Polen in Nationaltracht gehen, wunderschöne Leute  – Die Preßfreiheit hat manchen Unsinn schon ans Tageslicht geführt doch mit unter auch sehr gute Witze und hübsche Artikel, es darf sich aber ein Jeder, namentlich der Staatsmann und Beamte in Acht nehmen. – Paris d  : 20 März 48. Die Kunde von der Volkserhebung in Wien ist mit ungeheurem Jubel in Paris aufgenommen worden. In Luxembourg war das Arbeiterparlament versammelt und die provisorische Regierung hatte sich in den Schoos desselben begeben um die über die Nationalgardewahlen eingeleitete Verständigung durch einen Austausch persönlicher Freundlichkeiten zu besiegeln. Hr. L. Blanc148 hatte wieder 147 Der österreichische Diplomat und führende Wiener Staatsmann Klemens Wenzel von Metternich (1773–1859) galt in Österreich in der Zeit des Vormärz als die Verkörperung der antiliberalen Kräfte. Er wurde am 13. März zum Rücktritt gezwungen und musste das Land verlassen, blieb aber bis zu seinem Tode Berater der österreichischen Regierung. 148 Louis Blanc (1811–1882) gilt in Frankreich als Begründer der Sozialdemokratie und war damals Vorsitzender des Arbeiterparlaments und Arbeitsminister. Einige seiner Reformen fanden Eingang in das französische Wirtschaftsleben.

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eine jener Reden gehalten, welche zum Herzen des Volkes sprechen, und er war schon mit den Mitgliedern der provisorischen Regierung aus dem Saal fort gegangen, als er nochmals, mit Freude strahlendem Gesicht zurückkehrt, die Leute auf den Treppen aufhält und noch einen Augenblick zu verweilen bittet. »Kommt, meine Freunde, kommt mit hinauf, ich habe Euch eine große Neuigkeit zu geben. Nur zwei Worte. Die Republik, die wir ausgerufen, wird auf allen Punkten Europa’s triumphiren. Ich erfahre soeben durch meinen ehrenw. Collegen Hrn. v. Lamartien,149 Minister der auswärtigen Angelegenheiten, daß Oestreich in der Revolution ist. (Freudengeschrei) Oestreich ist so sehr in der Revolution daß Metternich auf der Flucht ist (unermeßlicher Jubel von allen Seiten  ! Hoch die Republik  ! Hoch die allgemeine Republik  !) Dieser Jubel tönt in mächtigen Accorden durch die Paasse [sic] der Hauptstadt. Der National sagt  : »Metternich ist besiegt, und mit ihm der Despotismus des Nordens, das letzte Bollwerk des Absolutismus. In der Revolution | von Wien begrüßen wir die Morgenröthe der Befreiung des deutschen Geschlechts. Und Du Pole, steige Dein bleiches Gespenst aus der Nacht der Gräber empor Armer Todte  ! Die Stunde der Auferstehung wird für Euch schlagen unter dem Getöne unserer Siegeslieder. Nikolaus150 hat gebebt. Geduld, der Wiederhall der Tage von Wien wird seine Niederlage vollenden, und wer weiß es – vielleicht rafft der slawische Stamm sich kühn auf und wirft seine barbarischen Eroberer nach Asien zurück. St. Petersburg und Moskau werden Wilna und Warschau rächen. Noch ein Wort, ein Wort des Glück’s und der Freude. Jetzt ist Italien frei, das über der Lombardei erhobene Schwert entfällt den Händen der Henker. Heil der großen italienischen Republik  !« – Berlin den 20 März. Der eingetretene Friede ist nicht gestört worden. Alle Truppen hatten sich aus der Stadt zurück gezogen, der König und der ganze Hof hatten sich nach Potsdam zurück gezogen. Vorher hatte der König noch eine allgemeine politische Amnestie erlassen  ; die befreiten Polen waren mit einer deutschen Fahne durch die Stadt gezogen durch das Schloß um dem König zu danken. Soeben kommt Tante aus dem Theater und bringt die Nachricht daß der preusische Gesandte ein Periat bekommen, und daß gestern Abend des preußen 149 Alphonse de Lamartine (1790–1869) war ein französischer Lyriker und Politiker  ; er war Diplomat unter Ludwig XVIII., später Abgeordneter in Nordfrankreich, nach der Februarrevolution 1848 wurde er Außenminister. Ende 1848 unterlag er als Präsidentschaftskandidat Louis Napoléon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoléon III. 150 Nikolaus I. von Russland (1796–1855) war von 1825 bis zu seinem Tode Zar von Russland. Von 1825 bis 1830 war er König von Polen, durch den polnischen Novemberaufstand 1830/31 wurde er hierin für abgesetzt erklärt.

148 | Die Briefe Königs Porträt an einem Gallian hängend nebst einem Strohmann verbrannt ist. – – Berlin 20 März Die Stadt hat heute eine veränderte Physiognomie angenommen. Alles Militär ist zurück gezogen, das Schloß u. die ganze Stadt sind ausschließlich den bewaffneten Bürgern anvertraut die in Civilkleidern und die Cigarre rauchend mit Soldatengewehren alle Posten inne haben. Der König ist nach Potsdam, bei seinem Abschied ließ er eine Proclamation zurück die allgemeine Amnestie verkündet und wonach alle politischen Gefangenen, auch sämmtliche Polen, freigelassen sind. Von Seiten des Minister Arnim151 ist noch kein Progrom erschienen. Das Volk hat nur noch die Wohnungen des verabschiedeten Majors v. Preuss u des Handschuhhändlers Wernäke demolirt, weil dieselben beschuldigt waren in der Nacht des 18ten Studenten, die aus ihren Fenstern schossen, den Soldaten von denen sie nieder gestochen wurden, verrathen zu haben. In der Wohnung des Letzteren flogen die Handschuhe wie Vögel durch die Luft. Sonst ist nirgends ein Excest verübt worden. Der prächtige Palast des Prinzen von Preussen152 unter den Linden gegenüber dem Universitätsgebäude sollte gestürmt werden, aber die Studenten retteten das Schloß indem sie mit Kreide an die Thür schrieben »Nationaleigenthum« und dreifarbige (schwarz-roth-golden) Fahnen an Thor u ringsum auf der Altane desselben aufpflanzten. Auf dem Balcon des Universitätsgebäudes wurde heute gegen Mittag eine Fahne mit dem Doppeladler aufgepflanzt u ein Lebehoch gebracht der kaum zu enden schien. Das Volk und die Bürgergarde trägt die dreifarbige Cocarde man trägt nur diese oder keine. Die Zahl der Todten ist noch nicht ermittelt. Man hat heute noch viele derselben in die verschiedenen Kirchen getragen, alle mit Kränzen geschmückt u jedermann mußte vor ihnen den Hut ziehen. Von Seiten des Volkes werden einstimmig die Studenten ihres Heldenmuth’s gepriesen, ein pommersches Regiment hat sich auch besonders tapfer bewiesen. Beide Parteien zeigten sich des Ruhmes preusischer Tapferkeit in gleichem Grade würdig. Erhebt man sich über das Traurige eines Bürgerlings so wird das Herz mit Stolz erfüllt, daß das Vaterland im Fall eines auswärtigen Kriegs auf solche todverachtende Männer zählen kann, heute noch wie im Jahre 1813. Auch ist so viel übles Blut hier nicht um sonst geflossen. Die Umwälzungen in Berlin hat den Aufschluß 151 Heinrich Alexander von Arnim (1798–1861) war Außenminister der alten und neuen Regierung und wirkte in diesen Tagen auf den preußischen König ein, sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen. 152 Der Bruder Friedrich Wilhelms IV., Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen (1797–1888), war zu dieser Zeit »Prinz von Preußen«, er wurde 1861 als Wilhelm I. König von Preußen und 1871 erster Deutscher Kaiser. Er hatte 1848 wegen seiner unnachgiebigen Einstellung den Beinamen »Kartätschenprinz« erhalten.

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Preußens an die allgemeine deutsche Bewegung beschleunigt, u. ohne Zweifel werden von hier aus alsbald Schritte geschehen um die allgemeine ersehnte Landesreform in einer Weise zu Stande zu bringen die der großen deutschen Nation würdig ist.  – Zur richtigen Beurtheilung der hiesigen Ereigniße ist es übrigens durchaus nothwendig zu bem[erken] daß des Königs Nachgiebigkeit eine freiwillige war. Die Soldaten waren nicht besiegt weshalb sie auch nur mit knirschendem Unmuth die Stadt verlassen haben. | d  : 21 März Berlin. Gestern Morgens war der Palast des Prinzen von Preussen in größter Gefahr. Eine Masse von mehreren Tausenden versammelten sich um es anzuzünden. Reden stellten vor daß der Palast nicht dem Prinzen mehr gehöre, sondern der Nation, man schrieb mit großen Buchstaben an vielen Stellen  : »Eigenthum der Nation«, man stellte auch vor welche Schande es für das heldenmüthige Berlin seyn würde wenn solche barbarische That ausgeführt werde u dgl. mehr  ; allein die Menge behauptete, man müßte dem Prinzen den Volkshaß auf glänzende Weise zeigen. Da erklärten einige schlichte Männer, daß die königliche Bibliothek unrettbar verloren sey wenn Feuer am Hotel des Prinzen wäre, u. sogleich beruhigten sich die Gemüther. Ein Arbeiter sammelte eine Gruppe um sich u rief (ich hörte die Worte genau)  : »Kinder, wenn die Bibliothek verbrannt so haben wir keine Bücher, u wenn wir keine Bücher haben, so haben wir keine Gelehrten und wenn wir keine Gelehrten haben, so haben wir garnichts  ! Hoch lebe die Bibliothek  !« – Dies und das Aufpflanzen der deutschen Fahne auf dem Balkon half. Dieser Handwerksverein hat bei der arbeitenden Classe einen Grad von Intelligenz und Moral hervorgerufen der sehr vielen Mitgliedern der nicht arbeitenden Classe, den Rentenproletariern zu wünschen wäre. Wie groß die Moral bei den Arbeitern ist zeigt glorreich der 18 März. Nicht der geringste Angriff auf Eigenthum und Sicherheit der Personen konnte man den Kämpfern zur Last legen u sie waren so eifersüchtig auf den Ruf ihrer Ehrlichkeit und Rechtlichkeit daß sie den geringsten Verdacht dagegen mit Energie beseitigten  ; wenn Unsittlichkeit und Verbrechen an diesem Tage die Stadt in Trauer u Entrüstung versetzte, so waren sie nicht auf dieser Seite. Stündlich werden mehr Züge der ehr- und gesetzlosesten Handlungen bekannt, welche nicht bloß von den Bauernlümmeln den Soldaten ausgeübt wurden, sondern von den Junkerlümmeln die befehligten od solche Handlungen gestatteten und geboten. Man hat gefangene Kämpfer erstochen, erschoßen, mit Kolben erschlagen, vom Boden und Dache auf die Straße geworfen, man hat Kinder in der Wiege gespießt und man soll auf dem Patioplatz einer schwangere Frau den Leib aufgesschlitzt haben. Gewiß ist es daß sich viele dieser tapferen Kriegsknechte ihrer Mordthaten gerühmt haben. Die Erbitterung ist aber auch so groß daß sich die Officiere (die in der Aufregung nur »Bluthunde« genannt wurden) meist nur in Civilkleidern aus ihren Casernen wagen, die Soldaten dagegen die keine Civilkleider

150 | Die Briefe haben sind in den Casernen wahre Gefangene. In der gestrigen Mittagsstunde holte das Volk die nun sämtlichen begnadeten Polen aus ihrem Gefängniß außerhalb der Stadt, man trug die meisten auf den Armen, setzte sie dann in Wagen, spannte aber die Pferde vor dem Wagen Miroslavski’s153 bald aus und zog ihn im Triumph durch die Linden nach dem Schloße, wo Mieroslavski die deutsche Nationalfahne in der Hand, eine Rede hielt. Auf diesem Zuge der ein unbeschreibliches Schauspiel bot flaggten von allen Fenstern Tricolo (schwarz-roth-­ gelb) Fahnen und weiße Tücher. Den Studierenden machte Graf Schwerin in der großen Aula einen Besuch kündigte ihnen ihre sofortige Bewaffnung an, und gab die Nachricht daß Bornemann das Justizministerium und Camphausen154 die Finanzen übernimmt. Die Studierenden u die Bürgerschützen sind die Helden des Tages, es waren ungefähr soviele an der Zahl wie die Spartaner bei den Thermopylen,155 aber jeder war nicht bloß Spartaner, sondern Leonidas. Ein Student steht auch an der Spitze einer Strafcommission, die bekannte Verräther zur Verantwortung ziehen. Die Volksgerechtigkeitspflege wird folgendermaßen geübt. Der Student mit dem langen Nationalfarbigen Bande auf der Brust tritt zu dem Schuldigen ins Haus und sagt ihm  : »Mein Herr, Sie haben zu der und der Stunde den und den, oder die und die dem Schlachtmesser der Soldaten denuncirt. Belieben Sie zu wählen zwischen der Zerstörung Ihres Besitzthums oder dem Loskauf durch Geld, das für die Verwundeten und die Wittwen und Waisen der Gefallenen bestimmt ist  ?« Der Geängstigte wählt natürlich das letztere denn draußen steht schon ein Heer von Rächern zum Zerstörungswerke gerüsstet und nun muß er nach Verhältniß seine Schuld bezahlen. Alle Schilder die den Namen des Prinzen von Preußen tragen sind abgenommen und zwar mit | Befehl jener Strafcommission, dagegen schreibt der Student auf die Schilder andere 153 Ludwik Mieroslawski (1814–1878) war ein polnischer Freiheitskämpfer, der schon am »Novemberaufstand« 1830 gegen Russland beteiligt und 1846 Anführer des geplanten polnischen Aufstandes gegen die preußische Vorherrschaft war. Er wurde 1847 zum Tode verurteilt, im März zu lebenslanger Haft begnadigt und kurz darauf befreit. Im April/Mai 1848 wurde er nach dem sog. polnischen Aufstand wieder inhaftiert und anschließend nach Frankreich ausgewiesen. 154 Maximilian von Schwerin-Putzar (1804–1872) war vom 19. März bis 13. Juni 1848 Kultusminister, Ludolf Camphausen (1803–1890) wurde vom 29. März bis Juli 1848 Ministerpräsident der preußischen Märzregierung. Der Berliner Jurist Wilhelm Bornemann (1798–1864) wurde Justizminister der Märzregierung, schied jedoch mit dem Rücktritt Camphausens wieder aus der Regierung aus. 155 Dieser Vergleich bezieht sich auf die Schlacht im Jahr 480 v. Chr. bei den Thermopylen, einem damaligen Engpass an der mittelgriechischen Küste, in der König Leonidas von Sparta als Feldherr eines Hellenenbundes, darunter 300 Spartiaten, die übermächtigen Perser stark schwächte und schließlich mit seinen Männer den Rückzug der griechischen Streitmacht deckte und dabei mit der gesamten restlichen Truppe fiel.

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Hoflieferanten, wie des Königs, der Königin e.  c. das einfache Wort  : »Bleibt  !« und sie werden unverletzlich respectirt  ! – Der Prinz von Preussen ist nach England geflüchtet, der Wink genug um zu zeigen wem zunächst das Blutbad zugeschrieben werden muß. – Die Allgemeine Preuß. Zeitung vom 22. März bringt folgende Erklärung des Königs von Preussen  : I. An mein Volk und an die deutsche Nation. Mit Vertrauen sprach der König vor 35 Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu seinem Volke und sein Vertrauen war nicht zu schanden  ; Der König mit seinem Volke vereint, rettete Preußen und Deutschland vor Schmach und Erniedrigung. Mit Vertrauen sprach ich heute, im Augenblick wo das Vaterland in höchster Gefahr schwebt, zu der Deutschen Nation, unter dessen edelste Stämme mein Volk sich mit Stolz rechnen darf. Deutschland ist von innerer Gährung ergriffen und kann von äußerer Gefahr von mehr als einer Seite bedroht werden. Rettung aus dieser doppelten dringenden Gefahr kann nur aus der innigsten Vereinigung der Deutschen Fürsten und Völker unter einer Leitung hervorgehen. Ich übernehme heute diese Leitung für die Tage der Gefahr. Mein Volk das die Gefahr nicht scheut, wird mich nicht verlassen  ; und Deutschland wird sich mir mit Vertrauen anschließen. Ich habe heute die alten deutschen Farben angenommen und mich und mein Volk unter das ehrwürdige Banner des Deutschen Reichs gestellt. Preußen geht sofort in Deutschland auf. Als Mittel und gesetzliches Organ, nur im Verein mit meinem Volk zur Rettung und Beruhigung Deutschlands voranzugehen, bietet sich der auf den 2 April bereits einberufene Landtag dar. Ich beabsichtige in einer unverzüglich näher zu erwägenden Form den Fürsten und Ständen Deutschlands die Gelegenheit zu eröffnen mit Organen dieses Landtags zu einer gemeinschaftlichen Versammlung zusammenzutreten. Die auf diese Weise zeitweilig sich bildende Deutsche Ständeversammlung wird in gemeinsamer freier Berathung das Erforderliche in dem gemeinsamen, inneren und äußeren Gefahr ohne Verzug vorkehren. Was heute vor allem noththut, ist 1) Aufstellung eines allgemeinen deutschen, volksthümlichen Bundesheeres 2) bewaffnete Neutralitätserklärung. Solche vaterländische Rüstung und Erklärung werden Europa Achtung einflößen vor der Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Gebietes deutscher Zunge und deutschen Namens. Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frieden in unserem schönen, durch Handel und Gewerbe blühenden Gesammtvaterlande zu erhalten. Gleichzeitig mit den Maßregeln zur Abwendung der augenblicklichen Gefahr wird die deutsche Ständeversammlung über die Wiedergeburt und Gründung eines neuen Deutschlands berathen, eines eigenen, nicht einförmigen Deutschlands, einer Einheit in der Verschiedenheit einer Einheit mit Freiheit. Allgemeine Einführung wahrer constitutioneller Verfassung mit Verantwortlichkeit der Minister in allen Einzelstaaten, öffentliche und mündliche Rathspflege, in Strafsachen, auf Geschworenengerichte gestützt, gleiche politische und bürgerliche Rechte für alle religiösen Glaubensbekennt-

152 | Die Briefe nisse und eine wahre volksthümliche freisinnige Verwaltung werden allein solche höhere und innere Einheit zu bewirken im Stande sein. – Nach dieser Proclamation ist der König vom Volke zum Deutschen Kaiser ausgerufen, namentlich dann als der König geschmückt mit den deutschen Farben zu Pferde durch die ganze Stadt ritt und immer zu seinem Volke sprach allein er soll es abgewährt haben. – Es ist eine große lange Brühe über diesen Triumphzug geschrieben allein ich halte nicht der Mühe wert das abzuschreiben. | Wien d  : 21 März Dem volksthümlichen Erzherzog Johann156 wurden gestern bei seiner Ankunft die Pferde ausgespannt und ein Haufe Steiermärker und Tiroler rief mit ausgiebiger Kehle  : »unser Hannsel soll leben hoch  !«| d  : 24 März Am 22 März Nachmittags 2 Uhr ist von Seiten des Königs die Freigebung des Großherzogthums Posen proclamirt, der Jubel in Posen darüber soll unbeschreiblich sein, der polnische Adler ist bereits aufgepflanzt. Am 24ten März ist ein großer Act der Gerechtigkeit geschehen. Der König von Preussen hat seine polnischen Besitzthümer frei gegeben  ; Sie bleiben nach ihrem eigenem Wunsche unter dem Schutze Preußens, der König ihr Protector. Der Adler Polens tritt in Posen an die Stelle des preusischen, die polnische Nationalgarde bildet sich sofort, das preusische Militär zieht sich theils an die Grenzen zurück theils bleibt es vorläufig in den Festungen damit unter seinem Schutze die Militärgarde gebildet werde. | Wollte man es alles schreiben daß sich ereignet so müßte man von Morgen bis zum Abend sitzen und Weltgeschichte schreiben, dies ist nun einmal gewiß daß ein Krieg gar nicht zu vermeiden ist. d  : 30 März In München hatten sich heute eine Unzahl Menschen vor der Siegeshalle versammelt, es war nach 12 Uhr Mittag als ich nach Hause ging und fragte warum dies und erfuhr  ; sah später selbst daß auf der Siegeshalle die dreifarbige deutsche Freiheitsfahne aufgepflanzt wurde und als dies geschehen gewesen hat man das deutsche Vaterlandslied in der Halle selbst von allen hier bestehenden Singvereinen gesungen. Nachtisch brachte Bernhardt mir die Nachricht daß nicht allein Polen sondern auch die Ostseeprovinzen in größter Aufregung sich befinden. Mir ist es eine sehr beunruhigende Kunde, o wenn ich nur erst Briefe von Euch hätte  ; allein auch die darf ich kaum erwarten.

156 Der Bruder des Kaisers Franz I. von Österreich, Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859), war durch seine soziale Gesinnung und seine Verbundenheit zum einfachen Volk bei diesem sehr beliebt. Im Juni 1848 wurde er Staatsoberhaupt der vorläufigen deutschen Regierung in Frankfurt, sogenannter Reichsverweser.

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Berlin d  : 25 März Soeben höre ich daß diesen Morgen ein Abgeordneter der Provinzen Schleswig und Holstein hier eingetroffen ist, der mit der Meldung daß beide Provinzen sich in vollem Aufstande gegen Dänemark befinden, die Bitte an den König vortrug diese beiden Deutschen Länder durch Truppenmacht zu unterstützen um ihren Anschluß an Deutschland schneller möglich zu machen. Der König hat erwidert dass er mit Freuden seine disponirten Truppen dazu hergeben würde. Das dürfte indeß, wie die Lage der Dinge bei uns ist, nicht zu viel sein, denn bereits ist die Kriegsfrage mit Rußland eine zunächst zu entscheidende geworden. So müssen wir selbst erklären daß wir auf dieses ungerechte Erbtheil verzichten. Wie ich höre, soll dieser Antrag schon im Staatsrath gemacht sein, und wird so eben berathen. Das wäre der Krieg mit Rußland, weil diesem die Alternative gestellt werden muss auch das Großherzogthum Warschau aufzugeben oder sich auf den Kampf darum gefaßt zu machen. Es wird nachgeben. Der Koloß mit thönernen Füßen stürzt sonst völlig zusammen, von der Windsbraut der Zeit nieder geschmettert. Auch hat es Gährungs-Elemente genug in sich. Die Partei welche beim Antritt der Regierung des Kaisers in Petersburg selbst die Fahne des Aufstandes erhob, ist seitdem im Stillen aber unermeßlich gewachsen. Die deutschen Ostseeprovinzen tragen den Haß in tiefster Brust – im Osten die asiatischen Völker die das Joch des Eis-Scepters nicht dulden wollen. Die socialen Verhältnisse in Berlin schwanken. Der Krieg rüttelt sich vielleicht zurecht. In Schleswig wird schon das Beispiel des Odenwaldes nach geahmt.157 Die Bauern weigern sich geradezu Abgaben irgendeiner Art an die Gutsherrschaft zu zahlen, ja sie haben die Summe für die Ablösung der Frohn zurück verlangt. – Später Die Trennung Schleswig Holstein von der bisherigen Verbindung mit Dänemark ist erklärt. Die provisorische Regierung ist eingesetzt und hat bereits Besitz genommen von Kiel und Rendsburg – d  : 2 April Heute hat sich das Gerücht verbreitet daß der Kaiser von Russl. Preußen den Krieg erklärt habe und daß man den Versuch gemacht ihm in Petersburg durch eine Kugel des Lebens zu berauben aber unglücklicher Weise nur ein Zoll breit höher als nöthig war gezielt. Paris d  : 29 März In diplomatischen Kreisen zweifelt man hier sehr daß Rußland um Polen zu erhalten in einen Krieg mit Deutschland sich verwickeln werde, ja man will sogar zu glauben Ursache haben Kaiser Nikolaus werde die gegenwärtigen Bewegungen in Europa ihrem eigenen Schicksal überlassen – sollte sie selbst den Verlust Warschau’s in ihrem Schooße tragen – seine ganze Streitkraft 157 Gemeint sind die massiven Bauernunruhen im Odenwald und im Südschwarzwald, die sich gegen die überlieferten Rechte und Privilegien der Grundherren richteten.

154 | Die Briefe dem unverrückten Ziele der russischen Politik  – Konstantinopel zu wenden, während Frankreich, Östreich und Deutschland zu Hause mit ihrer Widergeburt beschäftigt sind. Der Kaiser fürchtet England allein auf diesem Wege anzutreffen, hoffe aber zugleich mit dieser Macht viel leichter sich verständigen zu können, als wenn die Beute des Orients unter vier gleich anspruchsvollen Concurrenten Rußland, England, Frankreich und Griechenland zu theilen wäre. Rußland vermuthet man werde Griechenland und die Türkei für sich in Anspruch nehmen und an England Aegypten, einen Theil Syriens und Sicilien überlassen. Ob dieß mehr als diplomatische Conjecturen sind, weiß ich nicht  : da man aber mit unverkennbarer wichtiger Miene darüber sprach, glaube ich sie Ihnen mittheilen zu müssen. – d  : 4 Aprill 48 Die Verhältniße zu Polen werden und müßen zuerst zum Krieg führen und darum nehmen sie unter den auswertigen Verhältnißen Deutschlands | gegenwärtig wie billig den ersten Rang ein. Es ergeben sich in der Beur­ thei­lung derselben zweierlei Ansichten, welche man die des Enthusiasmus und die der Furcht nennen möchte. Beide sind nachtheilig und würden zu schlimmen Ergebnissen führen wenn man ihnen durchweg folgen wollte. Die einen rufen in vollem Enthusiasmus aus  : »gebt ihnen zurück was ihr genommen, damit der Fluch des Unrechts von uns weiche.« Die andern zagen und pochen  : »gebt Posen und Westpreußen nicht auf, die Polen werden sich über kurz oder lang mit Rußland verbinden, und dies Opfer zu unserem Verderben anwenden.« Es ist Wahrheit und Übertreibung auf beiden Seiten, und wir wollen darum in möglicher Kürze untersuchen, was die augenblickliche Stellung Polens zu Deutschland ist, des jenigen Polens nämlich das bis jetzt nur in der Idee lebt, und sein Land erst von der deutschen Regierung in Güte, von der russischen mit Gewalt zurückfordern will. Die Emigration ist der schärfste Ausdruck dieses Polens, und ihr Verhalten darum das interessanteste. Wir kommen deshalb zuerst auf das Verhältnis zwischen Polen zu Frankreich. Als die erste französische Revolution ausbrach, benutzte Polen diese Gelegenheit um sich zu ermannen. Es unterlag durch die Gewalt und die Hinterlist Rußlands und die Treulosigkeit der damaligen preusischen Regierung  ; Die Trümmer Polens gingen nach Frankreich, bildeten die polnische Legion und von dieser Zeit an galt Frankreich als der natürliche Verbündete und Schützer Polens. Dies zeigt sich am deutlichsten im J. 1830 wo der Ausbruch der französischen Revolution wiederum eine polnische hervor rief. Diese unterlag abermals und die Trümmer der polnischen Armee retteten sich neuerdings nach Frankreich, das sie zwar aufnahm, aber trotz aller schönen Phrasen ziehmlich kühl und gegen Ende der Regierung Ludwig Philipps sehr kalt, fast feindselig behandelte und aus der innigen Verbindung mit Rußland keinen Hehl mehr machte. Wir müssen hier wiederholen daß die Regierung Ludwig Philipps mit Rußland und mit der gestürzten Regierung Oestreichs, vielleicht

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auch Preußens im innigsten Bunde war, um die Revolution in Italien und – erforderlichen Falles  – in Deutschland niederzuhalten. Guizot158 und Ludwig Philipp hatten die in Deutschland herrschende Gährung und ihre wahre Richtung sehr wohl erkannt und klar eingesehen daß Frankreich bei der Entwicklung einer einzigen deutschen Macht keine Seide spinnen würde, ja diese Befürchtung war in der Verhandlung der Pariskammer im verflossenen Januar, namentlich von dem Herzog von Noail159 sehr unverblümt ausgesprochen worden. Die neue republikanische Regie die, in den herkömmlichen französischen Begriffen befangen, noch immer Frankreich für die Sonne ansah, um die sich alles drehte, blickte nach gutem alten Schein nur auf die »drei nordischen Mächte« wie man Oestreich, Preußen und Rußland in der Phrasologie der französischen Journale nannte  ; ihre Besorgniß wurzelte in der Militärmacht dieser Staaten, und man hoffte das westliche Deutschland durch Aufstände und republicanische Bestrebungen diesen drei Mächten entgegen zu setzen und zum Vortheil Frankreichs zu benützen. Unter solchen Verhältnißen mochte auch die polnische Emigration als Paradegaul dienen gegen Rußland, was aber den spürsamen Herren nicht zu Sinn kam, und sie völlig überraschte, war der Ruf nach einem gemeinsamen Deutschland, das wie ein Lauffeuer den Weg durch das ganze alte Reich machte und nicht nur die kleinen Staaten, sondern auch Oestreich und Preußen ergriff. Dadurch war das Verhältniß, in welches man sich in Frankreich hineingedacht hatte, gänzlich zerstört, und das »Phantom der Deutschen Einheit« von welchem der Herzog von Broglie160 schon vor einigen Jahren gesprochen erhob sich auf einmal vor ihrem Geiste. Dieß änderte mit einemmal das Verhältnis zur polnischen Emigration, denn jetzt ging den Herrn plötzlich ein Licht auf daß Ludwig Philipp und Guizot mit ihrem russisch-östreichischen Bündniß doch zum Vortheil Frankreichs nicht so übel gerechnet hätten  ; die republikanische Regierung erkannte die Nothwendigkeit Rußland zu schonen, um es dereinst als Brudergenossen gegen Deutschland brauchen zu können. Daraus erklärt sich denn einerseits der sichtliche Eifer womit man die deutschen Auswanderer unterstützte, und sie zu 158 Der Schriftsteller und Politiker François Guizot (1787–1874) war maßgeblich am Ausbruch der Revolution 1830 beteiligt und wurde unter Louis-Philippe I. (1773–1850) kurzzeitig Minister des Innern. Später war er als Unterrichtsminister an zahlreichen Neuerungen beteiligt. 159 Paul de Noailles (1802–1885) war ein französischer Staatsmann und Historiker, der einem alten Adelsgeschlecht entstammte, dessen Vertreter seit dem 17. Jahrhundert immer wieder in der politischen Geschichte Frankreichs erschienen. Paul de Noailles war seit 1827 Mitglied der Pairskammer. Er war ein Freund und Vertrauter François-Rene de Chateaubriands (geb. 1768), und nahm nach dessen Tod 1848 dessen Platz an der Académie Française ein. 160 Vermutlich der »Pair von Frankreich« und Staatsmann Achille-Léon-Victor de Broglie (1785– 1870).

156 | Die Briefe ihrem Unternehmen anfeuerte, das möglicherweise nur Verwirrung in Deutschland anrichten konnte  ; anderseits die Härte, womit man der polnischen Emigration die Bewaffnung und Ausrüstung abschlug. Es ist vollkommen lächerlich, wenn Lamartinn auf den schlechten Zustand der Finanzen und die Neutralität und Friedensliebe | Frankreichs sich beruft um das Benehmen der französischen Regierung zu beschönigen  ; einige tausend Gewehre hätten Frankreich nicht arm gemacht und wenn man sich bei der polnischen Emigration so auf die Neutralität und Friedensliebe Frankreichs beruft, so hätte man doch billig gegen den nächsten Nachbar, Deutschland, dasselbe beobachten sollen, und eben so gegen Belgien, wohin man wieder wie im Jahre 1830 ganze Schaaren Gesindels ausschickte.  – Deutschland hat jetzt ein Interesse Polen zu unterstützen gegen Rußland, Frankreichs Interesse ist es Rußland zu schonen, weil es seiner möglicherweise gegen Deutschland bedarf. Wenn dies die jetzige Stellung Polens gegen Deutschland ist, so fragt sich was soll geschehen um die Polen wieder empor zu heben  !  ? Vorerst garnichts als daß man ihnen gestattet in Posen und Galizien sich möglichst national einzurichten, und ihre Nationaltruppe bei sich zu haben. Kommt dann der unausbleibliche Augenblick dann wird Russisch-Polen in Galizien und Posen seine natürlichen Verbündeten finden. Wir sind nicht gewarnt die Festungen Posen, Thorn und Danzig aus purem Edelmuth den Polen zu überlassen  ; traurige Erfahrungen haben seit 80 Jahren gelehrt daß es unter den Polen erkaufte Verräther genug giebt, welche diese Festungen wohl bewachen zu seiner eigenen Sicherheit und um dem polnischen Aufstand eine nachhaltige Kraft zu geben. Erst wenn Polen sich frei gemacht hat, wenn es eine Sicherheit seines Bestandes geben kann, dann ist es Zeit die Frage aufzuwerfen was mit den jenigen Provinzen geschehen soll, welche eine gemischte deutsche und polnische Bevölkerung haben. Es wohnen Deutsche tief nach Polen hinein, in Strichen welche man gewiß nicht für Deutschland ansprechen will  ; wir haben ein Recht und eine Pflicht diese zu schützen wie ein wiedererstandenes Polen das Recht und die Pflicht hat die Polen auf deutschem Gebiet in seine Obhut zu nehmen  ! Die Ausgleichung wie dies geschehen soll läßt sich bei beiderseitigem gutem Willen sehr wol finden  ; where there is a will there is a way, sagt der Engländer, und mit Recht. Polen muß seiner ganzen Lage nach in einen Verband zu Deutschland treten, welcher gewissermaßen unauflöslich ist, und nicht von der willkürlichen Laune eines Bündnisses mit Rußland abhängen kann. Polen hat keine Meeresküste, sein Handel muß also durch deutsche Länder gehen und wenn auch Kleinrußland aufsteht und Odessa dadurch in die Hände Polens kommen sollte so würde doch das eigentliche Polen das Land der Weichsel, des Niemen {Memel} u. s. w. immer mit seinem Handel und Verkehr an Deutschland gewiesen sein, abgesehen davon daß Rußland dann so schwach wäre daß es Polen unmöglich beikommen könnte einen Bund mit demselben gegen Deutschland zu schließen. Kurz so wenig wir

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die enthusiastische Ansicht Polens theilen, so wenig können wir in die ängstliche kleingeistige Auffassung der Verhältnisse, wie sie die Gegner derselben aussprechen, mit einstimmen, und sind vielmehr der Ansicht daß ein möglichst freies Polen, welches seine Eigenthümlichkeiten entwickeln kann, die einzige gerechte und darum auch die einzig wahrhaft förderliche Grundlage für das künftige Verhältniß beider Theile sein wird. Wir wissen recht wohl daß die Polen in Masse genommen uns Deutsche nicht lieben, daß Manche so weit gehen bei dem Namen Deutschland auszuspucken, aber kein Vernünftiger wird sich durch solche Ausbrüche des niedrigen oder vornehmen Pöbels in seinem Urtheil beirren lassen. Sind wir wahrhaft innig, so werden wir stark | genug sein gegen Rußland wie gegen Frankreich, und werden zu gleich den Polen hinreichend Achtung einflößen, daß ihnen die Lust nicht ankommt verrätherisch gegen uns zu handeln. An uns ist es zu erst gegen Polen gerecht zu sein, und es in seinen Bestrebungen zur Erringung eines Vaterlandes zu unterstützen. Rußland wird über Vertragsbruch schreien, und diesen Vertragsbruch zum Vorwand einer Kriegserklärung machen. Dies ist nicht zu ändern. Man hat Deutschland gewaltsam die Politik gegen Polen aufgedrungen, wie jede andere antinationale Politik. Ein Orkan hat diese Politik weg gefegt, und es steht in keines Menschen Macht sie wieder ins Leben zu rufen. Mit all unserer gerühmten Bildung folgen auch wir einer Naturnoth­ wendigkeit, und der einzige Unterschied zwischen uns und den älteren rohen Zeiten ist daß wir diese Naturnothwendigkeit erkennen und mit Bewußtsein ihr folgen. Möge nur dieß Bewußtsein auch in den inneren Verhältnißen uns leiten daß wir ohne Zögern eine starke, wahre nicht bloß nominelle Einheit gründen, denn das Bündniß zwischen Frankreich und Rußland, so seltsam es manchem im jetzigen Augenblick erscheinen mag, wird sicherlich nicht ausbleiben. d  : 9 Apr Die jetzigen versammelten Volksvertreter in Frankfurt haben beantragt die Ostseeprovinzen zurück zu verlangen oder eigentlich zu Deutschland zu befreien  ; allein es ist noch zu keinem bestimmten Beschluß gekommen. {Hier endet der Brief.}

C. In der Malschule Joseph Bernhardts April 1848 bis Oktober 1848 Ein wichtiges Thema des kommenden Abschnitts sind die Studien nach dem weiblichen Akt, die die Künstlerin nach eigener Aussage in die Lage versetzen, ihr »erstes Bild« zu malen, d. h., sie komponierte zum ersten Mal ein Werk, eine Bacchantin (nicht erhalten). Die intensive Beschäftigung mit den Bildthemen und Arrangements raubte ihr zeitweise den Schlaf. Sie fand aber in Bernhardt einen zuverlässigen und vorsichtigen Ratgeber und benannte dann auch die entscheidenden Fortschritte in ihrer Ausbildung, die durch Bernhardts Schulung eingetreten waren, als höchst positiv. Ihre Aktstudien waren in der Malschule nicht lange geheim geblieben, Bernhardts Befürchtungen traten aber nicht ein  : die Mitschülerinnen beneideten sie um die Möglichkeit und wollten nun ebenfalls nach dem nackten Körper Studien machen. Julie Hagen charakterisierte die Situation im Nachhinein mit folgenden Worten  : »in dieser Sache kommt mir’s vor als wäre ich an einer gefährlichen Stelle ins Wasser gesprungen ohne Furcht und Zagen und bin darum auch wieder ohne Schaden an die Oberfläche gekommen.« Bernhardt zeigte ihr wenig später eine noch »gefährlichere Stelle«, denn er wünschte, dass sie nach dem männlichen Akt malen solle. Diesmal sprang sie nicht »ins Wasser«, jedenfalls schrieb sie davon nicht in ihren Briefen. Zu den Malerinnen, die sie am meisten um ihre Studien beneideten, gehörte Marie Berger-Lattner (1825–?), die schon seit 1844 Schülerin bei Bernhardt war. Um nun dieselben gemeinsam zu machen, malte Marie Berger-Lattner ab dem Frühjahr 1848 häufiger in Julies Atelier. Sie wurde in den kommenden Monaten zu ihrer engsten Freundin in München. Zunehmend schwierig wurde es für die Künstlerin, geeignete Modelle zu ihren Kompositionen zu finden. Sie suchte in den Münchner Wirtshäusern, in den Voror­ ten und hoffte sogar auf dem Oktoberfest ein geeignetes Modell zu finden. Gemietete Modelle waren nicht nur teuer, sondern häufig unzuverlässig oder sie verließen München auf Wochen wieder, so dass angefangene Arbeiten stehenblieben. Also malten die Künstlerkolleginnen sich gegenseitig. Julie Hagen arbeitete zeitweise zwölf Stunden täglich, ab Herbst machte sie keine Pause mehr, um die hellen Stunden auszunutzen. Im Juli fuhr die Tante mit ihr nach Dachau, um eine Dachauer Tracht zu leihen und sie nahmen die Tochter der Bäuerin als Modell gleich mit. Auf dieser Fahrt besuchten sie auch die Galerie in Schleißheim, wo Julie Hagen die Judith von Au-

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gust Riedel (1799–1883) sehr beeindruckte (vgl. Farbabb. 6). Riedel war – und blieb auch später – Julie Hagens erklärtes Vorbild. Jetzt fiel auch die Entscheidung der Verwandten, weiterhin für die Ausbildung der Nichte zu sorgen mit der Aussicht für diese, mindestens bis zum nächsten Herbst in München zu bleiben. Gleichzeitig erreichte die Künstlerin die Nachricht von der Verlobung ihrer Schwester Emilie mit dem von ihr hochgeschätzten Ludwig Schwarz. In den wenigen erhaltenen Briefen zwischen ihr und Schwarz aus dieser Zeit kommt die tiefe Freundschaft zum Ausdruck, die beide lebenslang verband. Im August schickte Julie Hagen eine erste Kiste mit sechs ihrer Arbeiten nach Dorpat zu den Eltern. Nach der Ankunft fragte der Vater sie, ob sie das enthaltene Genrebild Die kleine Wäscherin eigenhändig gemalt habe. Ihre Reaktion darauf war zwiegespalten, denn einerseits zweifelte der Vater an ihren Fähigkeiten, andererseits übertrafen sie seine Erwartungen. Sie ließ, um weitere Frage dieser Art auszuräumen, die Tante bestätigen, dass sie alles allein gemalt hatte. Das zwiegespaltene Verhältnis zum Vater sollte ein Grundthema für die Künstlerin Hagen bleiben, er erwartete von ihr, dass sie sich mit professionellem Eifer ihrer Malerei widmete, aber in den von ihm als schicklich und ihr als Frau gebührend erachteten Grenzen. Im September 1848 unternahmen die Verwandten mit ihr eine Reise in die öster­ reichischen Alpen und nach Salzburg, die sie für eine Arbeitspause nutze. Julie Hagen betrachtete die Reisen, die sie mit den Münchner Verwandten unternahm, stets als Erholungsreisen und nie als Studienreisen. Joseph Bernhardt, der die Fortschritte Julie Hagens weiterhin anerkannte, empfahl ihr, nun auch etwas auszustellen, und führte immer mehr Kunstinteressierte und Künstlerkollegen in ihr Atelier. Auf diese Art lernte sie am 21.10.1848 Moritz Rugendas (1802–1858) kennen. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 14.4.1848 d  : 14ten Aprill 48.

Meine theuren, geliebten Aeltern  ! Gestern Abends kam ich erst nach 8 Uhr aus dem Attilier nach Hause, müde und mit Kopfweh hatte ich nicht meinen gewöhnlichen Gang durch den Hofgarten nach Hause eingeschlagen sondern ging durch die Ludwigs- und Frühlinggasse um eben nicht allein durch den, am Abend und bei Regen und Sturm etwas öden Hofgarten gehen zu müßen. Der Perspectivlehrer hatte beinahe eine Stunde später begonnen als gewöhnlich – Nun kam ich nach Hause und fand Tante in Sorgen um mich und der Onkel fort um mich zu holen, den ich natürlich verfehlt, da er den gewöhnlichen Weg genommen hatte  ; ich wurde ärgerlich darüber, müde ohne dies noch recht erhitzt vom Gange so daß ich gar nichts genießen konnte, aber nur bald wurde dieser unliebenswürdige Humor

160 | Die Briefe durch einen Brief von Schirren und seine Schwester, welcher auf mich harrte, verscheucht. Er kam mir so unerwartet und darum war die Freude so groß – immer wieder und wieder las ich sie und unbemerkt war der Abend vorüber und hatte fast meine vorhergefühlte Müdigkeit vertrieben. Ihr habt von ihm durch Studsinskis Aeltern Nachrichten darum unterlasse ich das Mittheilen seiner mir gegebenen Nachrichten. Ich begreife oft nicht wie Schirren, den ich für den geistreichsten Menschen halte den ich je gekannt Freude findet mir hier und da einige Zeit zur Unterhaltung zu schenken. Neben ihm fühle ich mich so fürchterlich klein daß ich fast nicht weiß wie und mit wem ich noch vergleichen könnte  ; ich weiß nur daß fast noch kein Mensch in meinen Augen so hoch, so erhaben gestanden wie gerade Schirren. Sollte ich ihn malen würde ich ihn nur als Tarquato Tasso161 malen mit Lohrbeeren würde ich ihn jedenfalls bekränzen – Fast unbewußt habe ich da meine Gedanken mitgetheilt was ich freilich nicht wünschte daß er es erführe – indes er weiß gewiß nicht minder wenig daß eine solche Bekränzung er verdient. Er schreibt mir daß der Abschied ihm von Euch nicht leicht wurde, daß er Deine freundliche Neigung, lieber Vater, erst im letzten Augenblick wahrhaft schätzen gelernt und wie Gotton sich gefreut habe nun wieder am großen Tische essen zu können e. c. Seine Schwester162 ist ein liebes herrliches Geschöpf  – ich habe sie geliebt und erkannt vom ersten Augenblick an. In diesen Tagen hatte einiges Nachdenken mir einen Theil des süßen Schlummers beraubt und nun da es zu gelingen scheint will ich gleich sagen worin dies Denken und Grübeln bestand  : das letzte Modell für die Brust hat einen noch besseren Kopf als Körper welchen ich zu malen wünschte doch auch den Körper sehen lassen wollte um in meinen Studien fort zu fahren. Bernhardt sagte mir vorgestern es ließe sich was Hübsches machen und ich möge nachdenken, was ich aus dem Mädchen mit blondlockigem Haar machen wolle. Eine Muse schien mir nicht übel ich nahm also allerhand Gürtel Perlen mit und arangirte so gut ich konnte, ich gab ihr eine Papierrolle in die Hand und in der anderen sollt sie eine Zitter halten – ein leichtes weißes Gewand ohne Ärmel nur über eine Schulter geworfen und dann schmal zusam gezogen und vermittelst eines Knopfes befes161 Der italienische Dichter Torquato Tasso (1544–1595) wurde durch sein Werk »La Gerusalemme liberata« (1574) berühmt, seit Goethes Drama »Torquato Tasso« wird er als repräsentativer Dichter mit dem Lorbeerkranz gezeigt. Tasso war Historiker wie Schirren, litt aber zunehmend unter einer Geisteskrankheit, vermutlich Schizophrenie, wodurch sein Leben unstet und seine Arbeit von Rückschlägen gekennzeichnet war. Tasso galt als Inbegriff des leidenden Dichters, zum einen verursacht durch Konflikte mit der höfischen Gesellschaft seiner Zeit und zum anderen durch die prekäre Disposition seiner Persönlichkeit. 162 Schirrens Schwester Julie (1826–1909) blieb unverheiratet und starb in Kiel, dem späteren Lebens- und Wirkungsort ihres Bruders Carl.

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tigt so daß die ganze eine Hälfte der Brust frei war | umhüllte ihre Glieder. Der Vormittag war mit dem Contour zeichnen und arangiren vergangen, als gegen 12 Bernhardt zu mir kam um mich zu sich zu rufen damit ich mich an einer schönen Brust erfreuen sollte. Bei der Gelegenheit bat ich ihn nun nach meinem Bilde zu sehen welches mir selbst gar nicht gefiele, er hatte recht viel zu tadeln aber besonders daß das Format des Bildes zu klein sei um die Zitter sehen zu lassen, was sollte ich nun thun  ? – Ich ging fort, brachte mir einige Bogen Papier und machte mir wenigstens 8 Skitzen in allen möglichen Stellungen bis mir endlich die Idee eine Bachantin zu malen die passendste schien ich ging frisch daran zeichnete auf die Leinwand den Contour ließ die eine Hand einen Korb mit Weintrauben halten und die andere sie ein langen und eben eine schwere Traube heraus heben, der Kopf sieht in die blaue Ferne lachend hinaus, eine Weinranke von der einen Seite führte ich bis über den Kopf hinaus und erwartete mit einiger Ungeduld meinen Meister – dieser sah es an und sagte  : »es ist so recht gut, das Bild macht auf mich einen angenehmen Eindruck«  ; er hat mich gar nichts ändern lassen d. h. in der Anordnung und darüber bin ich so froh wie ein Mensch nur sein kann also werde ich mein erstes Bild malen und ist es fertig dann schicke ich Euch vorläufig eine Zeichnung im Briefe  ; Bernhardt scheint überhaupt ein größeres Talent in mir zu sehen als er am Ende doch finden wird denn er spricht jetzt immer von Bildern die ich malen werde oder sollte. d  : 23. Aprill 48. Morgen ist Ostersonntag, das einzige Fest das wir miteinander feiern – Ich habe so viel heute an Euch gedacht, mit den Geschwistern Eier gefärbt, mit ihnen gejubelt über dieses und jenes gerathene dann das schönste bei Seite gelegt um morgen früh es dem lieben Vater als Morgengruß zu bringen  ; ja ich war einmal wieder ganz zu Hause  ; in meinen Träumen bin ichs gar oft, fast jede Nacht – in den vergangenen sang Schwester Mize mir ein wunder liebliches Lied mit lauter klangvoller Stimme vor, welche Thöne mir an die wehmüthige Seite meiner Seele griffen, leider wurde ich bald durch einiges Geräusch aus diesem holden Traum gerissen.  – Es sind länger als 8 Tage als ich diesen Brief begonnen – nichts besonderes ist mir begegnet sonst hätte ich wol wieder geschrieben gehabt. Manch unruhige Nacht betreff meines Bildes ist mir geworden und Gott lob das Größte habe ich überwunden. Der Körper ist bereits bis auf einzelne Retusche fertig und macht mir und den Leuten die es sehen viel Spaß. Bernhardt hat mich schon manchmal gelobt, namentlich was die Farbe betrifft. In den Feiertagen will ich mir eine kleine Ölskitze malen besonders des Hintergrunds wegen damit das Bild eine möglichst gute Wirkung bekommt denn ich male es ja prima und da täuscht nur allzu oft die weiße Leinwand. – Am Donnerstag müßt Ihr meinen letzten Brief bekommen haben der mir nachdem ich ihn fort geschickt hatte viel Sorge und Unruhe verschaffte, da ich leichtfertig genug die politischen Nachrichten doch wider Deinem Wunsch fort geschickt hatte.

162 | Die Briefe Gott gebe daß er glücklich angekommen sein mag. – Am Donnerstag hatte die oft schon gefühlte Wehmuth sich wieder meiner bemächtigt welche dann keinen anderen Gedanken als an Euch meine theuren Aeltern | in mir aufkommen läßt. Gestern als am Carfreitag bin ich nicht wie ich Euch geschrieben in der Kirche gewesen um das Abendmahl zu nehmen sondern habe scharf gearbeitet – man wiederrieth mir es zu Ostern zu thun da es dann so zum Erdrücken voll sein soll und da ich an meinem Bilde arbeiten mußte war ich leicht zu überreden. Am Abend besuchte ich mit Tante und Onkel die Gräber in allen Kirchen und hörte das Stabat Mater163 in der Jesuitenkirche und der Allerheiligenkirche. Das heilige Grab in der Ludwigskirche war das Schönste wo ich vor Rührung fürchterlich geweint habe – noch heute wird mir ganz weich ums Herz wenn ich an die Menschen besonders Kinder denke welche sich nieder knieten um Christus am Kreuz zu küssen, jedes Glied am Körper. – Um ½ 10 Uhr kamen wir erst müde nach Hause. Morgen werde ich geweihtes Fleisch und Osterbrod essen, ich will einmal sehen ob es anders schmeckt als sonst. – Den zweiten Feiertag – Der gestrige Tag hatte mit Regen begonnen und der heutige endigt so. Am Morgen, nämlich gestern, war ich mit Tante und Onkel in die Domkirche gegangen und fanden einen sehr guten Platz durch einen geistigen Herrn auf einer sonst verschlossenen Gallerie von wo aus wir prächtig die ganze Ceremonie sehen konnten. Der Erzbischof mit den vielen Domherren wurden erst am Altar gekleidet und nun, während des köstlichen Gesanges des Hochamtes begannen die Ceremonien – Tante gab mir die Erklärung zu allem und das war nöthig sonst wäre es mir höchst lächerlich vorgekommen so aber waren die selltsamsten Gefühle in mir aufgetaucht. Nachtisch hatte ich anfangs etwas gezeichnet und dann zu den guten Tanten hinaus gegangen wo ich bis gegen 7 Uhr verweilte der Abend verging unter politisiren – denn Aloys war da welcher ein sehr lebendigen Geist hat. – Die Sachen stehen jetzt diesen Augenblick schlecht, man ist im Begriff die Volksvertretung zu wählen und da giebt es denn verschiedene Parteien worunter die meisten eine republikanische Gesinnung haben, heute sind viele Volksversammlungen gewesen und finden noch statt. Alles athmet schwer. – Die ganze Stadt wird von ungeheuer starken Patroullien belebt da jeden Augenblick man schlimme Auftritte befürchtet – ich verstehe die Sachen zu wenig, und wenn es nicht Euer ausdrücklicher Wunsch ist nichts 163 Das »Stabat mater« (nach dem Gedichtanfang  : Stabat mater dolorosa, lat. »Es stand die Mutter schmerzerfüllt«) ist eine mittelalterliche Dichtung, die die Gottesmutter in ihrem Schmerz um den gekreuzigten Jesus besingt. Der Verfasser ist unbekannt, das Gedicht wurde in der Vergangenheit unter anderem Papst Innozenz III. (gest. 1216) sowie den Franziskanermönchen Iacopone da Todi (gest. 1306) und Johannes Bonaventura (gest. 1274) zugeschrieben. Seit dem 16. Jahrhundert gab es zahlreiche Vertonungen des Gedichts oder von Teilen daraus.

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durch mich zu erfahren, so würde ich Vieles schreiben können  – Alles geräth in Stockung, der Blick in die nächste Zukunft ist trübe – wer Geld hat verliehrt entweder Alles oder wenigstens die Hälfte und der nichts hat der gewinnt vielleicht da er nichts zu verliehren hat. – Bald hätte ich vergessen zu erzählen daß ich recht schöne Ostereier geschenkt bekommen – von Onkel einen hübschen grün seidenen Sonnenschirm von der Tante eine Brosche und eine sehr schöne französische Blume zum Hut und endlich von Aloys eine Kunstabhandlung von Winkelmann164, ich dagegen habe mir aus Dresden den Christuskopf nach Guido Reni165 schicken lassen um ihn der Tante zu schenken wodurch ich den Zweck erreicht habe sie zu erfreuen. Heute früh um 8 Uhr ging ich aus von Tante begleitet um für die Perspectivstunde etwas zu zeichnen die wir heute Vortisch hatten, im englischen Garten war es keine Möglichkeit der vielen Tausenden von Spaziergängern also begaben wir uns in den Holzgarten unweit des Attilies von Kaulbach  – am Nachtisch hatte ich einen sehr weiten Gang mit Onkel gemacht um die fernen Gebirge zu sehen und zugleich zu zeichnen für mein Bild  ; ein wenig Regen überraschte uns. d  : 25. Heute sollte ich eigentlich fleißig malen aber ich will diesen Tag noch nach russischer Sitte zum Feiertag machen und will an Schirren schreiben, ich sitze hier draußen im Garten und höre den Springbrunnen lebhaft plätschern und die Vögel sich in Fröhlichkeit überbieten der Duft der Zerenen {Flieder} von 164 Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), Archäologe und Kunsthistoriker, verfasste wegweisende Schriften zum Klassizismus. 165 Julie Hagen hatte im April 1847 in Dresden einen Antrag auf Kopiergenehmigung mehrerer Gemälde in der Galerie gestellt und dazu die Erlaubnis erhalten, darunter von Guido Reni einen Christus mit der Dornenkrone damals Gal.-Nr. 872 (vgl. Akten der Kopiergesuche und Bewilligungen, 1847–1849, 01/GG 13, Bd. 1, und Verzeichnisse der Kopierbewilligungen, 1847–1871, 01/GG 13, Bd. 10, jeweils Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden). Die fertiggestellten Werke hatte sie in Dresden gelassen, da sie noch feucht waren. Das Original von Guido Reni (1575–1642) befindet sich bis heute in Dresden (Guido Reni, Christus mit der Dornenkrone, 1636/37, nicht bez., Öl auf Kupfer, 76 × 60 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 329), neben diesem Werk befinden sich zwei weitere Gemälde mit dem gleichen Motiv von Guido Reni in der Sammlung, die heutigen Inventarnummern 323 und 330. Von Julie Hagen Schwarz hat sich eine variierte Wiederholung nach Guido Renis Christus mit der Dornenkrone (ohne Datum, nicht bez., Öl auf Pappelholz, 49 × 37 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 323) als Altargemälde in der Kirche zu Užava/Lettland erhalten (der frühere deutsche Name war Hasau, Abb. in  : Vitolds Mašnovskis, Latvijas luterāņu baznīcas  : Vēsture, arhitektūra, māksla un memoriālā kultūra. enciklopēdija četros sējumos / The Lutheran Churches of Latvia  : History, Architecture, Art and Memorial Culture. An Encyclopedia in Four Volumes, Riga 2007, Bd. 4, S. 250). Mit der Bezeichnung »Christuskopf« möchte man annehmen, dass Julie der Tante das für die Kirche in Užava wiederholte Motiv zum Geschenk machte, also mehrere Werke des Motivs nach Reni in Dresden kopierte.

164 | Die Briefe leisen warmen Winden getragen dringt bis zu mir nur ich wünsche dabei ihn Euch nebst tausend Grüßen zu senden. d  : 28ten Aprill 48. Einige Minuten hab ich noch vor dem Essen und die will ich denn benutzen Euch zu schreiben. Ich sehe dieses Blatt so vereinzelt vor mir liegen daß ich halb ärgerlich halb ängstlich daran denke daß ich spätestens in 8 Tagen einen Brief von Euch erwarten darf, – ja warum ärgerlich und ängstlich  ? Höre ich die natürliche | Frage machen. – Ärgerlich bin ich da ich voraus sehe daß ich Euch nicht befriedigen werde mit diesem Briefe und ängstlich da meine verdrießliche Leichtfertigkeit neulich Euch die politischen Nachrichten trotz der ausdrücklichen Wünsche von Euch es nicht zu thun doch zu gesandt. Kaum war der Brief in den Briefkasten geworfen quälte mich mein Gewissen auf eine unbarmherzige Weise und diese selbst hervor gerufene Besorgniß steigt immer höher und höher, Gott im Himmel möchte er Euch nur keine Unannehmlichkeiten gebracht haben  ! Möchte ich schon eine Nachricht von Euch haben  ! – Heute ist schon wieder Freitag und ich habe nur äußerst wenig gethan. – Am vorigen Mittwoch malte ich eine kleine Farbenskitze des Hintergrundes wegen zu meinem Bilde doch Bernhardt fand die äußerst dürftigen Gebirge die mich erfreuten nicht ganz passend und rieth mir in die Kupferstichsammlung zu gehen und mir eine idillische Ferne zu zeichnen. Heute ist Freitag der Tag wo für jedermann offen ist und ich habe mich umgesehen, nach Möglichkeit auch gezeichnet das leider kaum zu benutzen sein wird. Unter dieser Zeit ist es mir gelungen ein paar Vorlagen nämlich Weintrauben in einer Kunsthandlung ziemlich gute aufzutreiben an denen ich nun grade male und morgen hoffe fertig zu werden, Bernhardt der sie heute sah fand sie besser, reicher als meine Vorlagen. Alte Stunden und Erinnerungen an jene Zeit wo ich noch Früchte und Blumen malte traten lebhafter, als je in meine Nähe und ich fühle mich ordentlich wohl und erqickt mich auf das frühere und engere Feld einen Augenblick zu verweilen und ich glaube sogar daß die alte Leidenschaft für die süßen lockenden Früchte wieder erwachen könnte wenn ich jetzt Trauben fände. – Von Hüttels aus Dresden habe ich in kurzer Zeit zwei Briefe – sie sind alle wohl und lassen Euch alle herzlich grüßen eine recht schmerzliche Nachricht ist mir durch sie geworden  ; das schnelle Hinscheiden eines schönen, einzig lieben Mädchens die ich durch Hüttels kannte und lieb gewann, es ist die älteste Tochter des bekannten Schriftstellers Niritz.166 – Soeben komme ich aus dem Theater und habe wieder ein einfältiges dummes Lustspiel gesehen, es ist doch gar merkwürdig daß so lang ich hier bin noch 166 Carl Gustav Nieritz (1795–1876), Schriftsteller und Maler in Dresden. Seine Tochter Anna starb 21-jährig an einer mysteriösen Erkrankung, beschrieben in  : Gustav Nieritz, Selbstbiographie, Leipzig 1872, S. 395 ff.

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kein classisches Stück auf die Bühne gekommen ist. Das Theater offen gestanden langweilt mich mehr als es mich unterhält. – Mein lieber Bernhardt hat neulich in der Künstlerkaserne eine mächtig große Thür auf den Fuß geworfen bekommen so daß er jetzt noch gewaltig hinkt und doch täglich exerzieren muß. Die kampflustige Jugend sehnt sich nach dem verheißenen Kriege  – vor allem befürchtet man den ersten in nächster Nähe zwischen den Besitzenden und Nichtbesitzenden. Gestern zu Mittag ist die Zahl der deutschen Fürsten durch einen kleinen Ankömmling vermehrt worden. Zu Ehren dieses kleinen Kerlen sind viele Kanonen gelöst worden. Sonntag d  : 30 Aprill 48. Gestern hatte ich wieder einmal heftiges Kopfweh habe aber trotz dem recht angestrengt gearbeitet als ich nach Hause gekommen wartete ein warmes Bad auf mich und nach dem selben legte ich mich zugleich zu Bett. – | Gestern hatte ich meinen Korb mit Weintrauben fertig gemalt und als Bernhardt kam sagte er daß er mir durchaus nichts sagen kann. Denn die seyen so geworden daß jedermann glauben wird ich hätte sie nach der Natur gemalt und sagte ferner ich möge das Bild ein paar Wochen liegen lassen bevor ich es retuschire dann würde mir manches Andere einfallen, was ich anders hätte machen sollen und noch machen kann, er sagte wenn das Bild auch kein ganz Gutes ist so zeigt ihnen dieses den Weg zu einem besseren und gab endlich mir den Rath nur so fort zu fahren.  – Ich habe schon manchmal Gelegenheit gehabt meine rasche Entschlossenheit zu preisen und namentlich in dieser Zeit habe ich gewagt etwas stolz zu sein betreff meiner Studien nach der Natur  ;167 erst viele Tage nachher, als ich mir die verwunderten Gesichter von Euch im Geiste vormalte und manche Befürchtung von diesem oder jenem Gliede der Familie aussprechen hörte, fiel mir ein daß ich weder Euch noch Tante oder Onkel um Rath und Erlaubniß gefragt hatte sondern gleich ohne Weiteres es dem Bernhardt versprochen und angefangen hatte – in dieser Sache kommt mir’s vor als wäre ich an einer gefährlichen Stelle ins Wasser gesprungen ohne Furcht und Zagen und bin darum auch wieder ohne Schaden an die Oberfläche gekommen. Anfangs sagte ich’s keinem Menschen, that auf Bernhardts Rath sehr geheimnisvoll wagte oft kaum zu athmen, selbst den nebenan arbeitenden jungen Damen verschwieg ich es was aber natürlich nicht lang verschwiegen bleiben konnte da wir gegenseitig gewohnt sind uns öfter zu besuchen. Die eine der Damen Fräulein Lattner (Abb.  9),168 welche schon 4 Jahre bei Bernhardt malt, weinte ein167 Gemeint ist das Aktzeichnen. 168 Marie Berger-Lattner, verh. Keller (1825–?) wurde die engste Künstlerfreundin Julie Hagens in München. Sie war die Tochter des Dichters, Sängers und Opernregisseurs Karl Philipp Lattner (1793–1853) aus Ältötting und der Schauspielerin Wilhelmine Berger, geb. Pichler (1805–

166 | Die Briefe mal bitterlich daß sie nicht so viel Talent habe wie sie mir zuschreibt und hatte die größte Lust auch Studien zu machen aber wußte immer nur nicht wie sie es anfangen solle. Jetzt da Fräulein List fort geht werde ich hinüber in das andere Attilier ziehen wollte es aber nicht thun um eben in meinen Bestrebungen nicht gestört zu werden, was ich Bernhardt sagte, dieser nun hat der Lattner gesagt daß sie mit mir zusam malen müsse oder er sehe sich genöthigt ihr einen jungen Menschen ins Zimmer zu thun – und so ist es denn ziemlich abgemacht daß wir mit einander malen dann wird die Sperrwand welche das Zimmer in zwei Attiliers theilt weg genommen und wir werden recht fleißig sein und ich hoffe Fortschritte zu machen. – Jetzt denke ich noch ein zweites Bild zu malen bin aber noch nicht im Reinen ob eine Muse oder eine Nymphe nun dies wird wol das Modell entscheiden. – Später Heute haben wir einen recht langen Spaziergang gemacht, durch den Englischen Garten nach Schloß Biederstein169 | tausende von Menschen herrlich angethan umkreisten die zahlreichen Bier- und Kaffeewirtschaften – in Biederstein finden sich kein Bierkrügel und es war ganz öde und leer obgleich es dort so schön, wahrhaft bezaubernd ist hier erst konnte man frei athmen und nach Herzenslust seinem entzücktem Gefühle durch Worte Raum gönnen. Wenn mir das bayrische Bier nicht selbst jetzt recht gut schmeckte so könnte ich wirklich recht boßhaft werden. Gestern sind zwei Gensdarmen halb todt geschlagen worden und auch heute und morgen müssen alle Soldaten, Landwehr, Studenten überhaupt alle Freicorps ausrücken da man sehr sehr einen Bieraufstand zu befürchten hat, der Pöbel will das Bier um 2 Kreuzer das Maaß billiger haben und wenn das nicht geschieht so wollen sie spectakeln. Das Melitär hat den Befehl sobald es von Seiten des Pöbels etwas giebt gleich mit Kartuschen drein zu schießen. Über den König murrt man übrigens gewaltig da er zu keinem festen Entschluß kommen kann. Er weiß sich nicht zu helfen.

1837). Der Name »Berger« war der Künstlername der Eltern. Marie erscheint in den Quellen unter beiden Namen. Die Jahre 1851 bis 1853 verbrachte sie wie Julie Hagen in Rom. Nach dem Tod des Vaters heiratete sie 1853 Ignatz Keller und wanderte mit ihm in die USA aus, wo der Ehemann unter dem Namen »Keller & Lingg« eine Musikalienhandlung in New York eröffnete. Von der Künstlerin sind nur zwei Werke in Altötting erhalten (vgl. Conrad/Trepesch, 2016, S. 66 f. und S. 190). Nach ihrer Heirat war sie nur noch sporadisch künstlerisch tätig (vgl. Briefe an Julie Hagen ab 1854, Privatbesitz). 169 Park und Schloss Biederstein waren ein Ensemble aus Altem und Neuem Schloss, Parkanlagen und Biedersteiner See nördlich des Englischen Gartens, seinerzeit außerhalb Münchens, heute in München-Schwabing. Die Anlage ist insgesamt nicht erhalten. Die Schlösser, der Park und selbst der See sind verschwunden.

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Abb. 9  : Julie Hagen Schwarz, Mädchen mit goldenem Stirnreif (vermutlich Marie Berger Lattner), um 1850, verbrannt

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168 | Die Briefe d  : 1 May 48. Kalt und trüb ist die Witterung. Die Stadt ist mit den verschiedenartigsten Patrouillien versehen, jede Maaßregel ist getroffen einen Angriff schwer zu züchtigen daß den Leuten wol der Muth sinken wird einen Versuch zu machen. – Viele haben Ursache zu schreien aber die Mehrzahl macht es nur der Mode nach denn man darf nur einmal ins Freihe hinaus gehen um dort die Leute zu beobachten wie sie sich gütlich thun – sie gehen erstens so brilliant gekleidet daß der Adlige nur durch einen schlechteren Rock einen Unterschied zwischen seinem Stand und dem Stande der dienenden Klasse machen kann, die Dienstmädchen haben die kostbarsten Tücher, schwer seidene Kleider und Mantillien und verthun inormes Geld in diesen verführerischen Kaffeehäusern. Immer mehr und mehr muß ich lachen wie die jungen Mädchen mich beneiden, mich glücklich nennen e. c. Alles möchte jetzt nach der Natur Fleisch malen und bereuen sehr es nicht früher so gemacht zu haben wie ich. Eine gewesene Schülerin von Bernhardt wird wahrscheinlich mit uns malen um das einzuholen was sie aus mädchenhafter Ängstlichkeit versäumt. Ha  ! Ha  ! Ich mußte kommen um ihnen den Weg zum Heil zu zeigen  ! – Man will mich bereden meine Bachantin aus zu stellen allein ich will weder mich noch Bernhardt blamiren. d  : 3 May 48. Seit gestern sitze ich zu Hause und male angestrengt an meinen Magdalenen von denen ich die für Onkel fertig habe und Abends noch die Eurige begonnen, mir ist der Kopf ganz wüst vom vielen Arbeiten, Ihr müßt Euch nicht wundern wenn ich sage  : vom vielen Arbeiten, denn ich sage es nicht ohne Grund. Gestern und heute habe ich 12, beinahe 13 Stunden gemalt. Ich beeile mich, damit ich im Attilier nicht zu viel versäume denn ich lerne jetzt in 8 Tagen mehr als ich früher in 4 Wochen gelernt. Weshalb ich mich entschloßen jetzt die Copien zu vollenden ist einzig der Grund da mir ein schönes Modell fehlte und ein häßliches Gesicht möchte sich nicht schön mit einem nakten Körper machen. Am Abend und Nacht des erstens May’s hat es wahre Excesse trotz | der starken Bewachung gegeben, es war nämlich der Tag an welchem das sogenannte Bockbier ausgeschenkt worden war  ; 10 bis 12 Menschen sind stark verwundet, Feuer, das angelegt gewesen ist gelöscht worden – Solcher Geschichten wird man zuletzt auch gewohnt und wird die Zeit leer und langweilig nennen wo dies aufhört. Mit wahrer Ungeduld erwarte ich Briefe von Euch. Ich binde jeden Tag Gras um mir weissagen zu lassen ob mein letzter unglücklicher Brief Euch Sorgen und Unruhe gebracht und bis jetzt hat mich das dumme Gras immer noch mit einem entschiedenen Ja erschreckt, lieber Gott, möchte das nicht sein  ! Ehe ich’s vergesse will ich mir gleich Tantes Auftrag niederschreiben, sie wünscht nämlich zu wissen wie man die Butter salzt und wie viel Salz auf ein pf. Butter genommen wird. Sie möchte zum Winter sich, statt des Schmalzes, Butter salzen was man in Bayern nicht kennt. – In meinen Mußestunden habe ich Euch das Haus von Onkel gezeichnet welches zwar nicht schön geworden, denn mir war das Lineal zu

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umständlich daher ich aus freiher Hand die Linien so gerade und perspectivisch richtig wie immer möglich zeichnete, ich habe mich unter den Bäumen die zum englischen Garten gehören gesetzt. Das Fenster welches mit dem Schilde, eine Palete bedeutend bezeichnet, ist mein Attelier und unter diesem meine Schlaf und Wohnstube – – Sonnabend d  : 6ten May. Entsetzlich müde und traurig setze ich mich um noch einige Worte mit Euch zu reden  ; eigentlich sollte ich es bei solcher Stimmung nicht thun denn ich weiß ja zu gut wie Ihr dann bekümmert seid und grade wenn ich vielleicht in der fröhlichsten Stimmung mich befinde, solche Augenblicke kommen und gehen wieder und wechseln rasch miteinander doch heute kann ich nicht anders als meinem bekümmerten Herzen Luft gönnen  ; und was ist Dir denn  ? Gott, Ihr erräth es wol, der Brief, die geliebten Zeilen von Euch sind auch heute nicht gekommen  ; täglich sah ich den Briefträger vorüber gehen ohne an unserer Glocke zu schellen und dann folgte ich ihm mit trüben Blicken und versuchte durch mehr Fleiß, durch das raschere Bewegen des Pinsels meine quälenden Gedanken an Euch auf einen anderen Gegenstand zu lenken, allein es gelang mir nicht – jetzt soll ich schlafen gehen und ich will es auch thun, zweifele aber Ruhe und sanften Schlummer zu finden – Möchtet Ihr wohl schlafen meine theuren Aeltern  ! – Morgen werde ich erzählen warum ich müde bin denn heute wäre es mir kaum möglich. Sonntag d  : 7 May Mittags – bis jetzt ist der Brief nicht angekommen und ich darf noch nicht verzweifeln da noch der halbe Tag mir zur Hoffnung bleibt. Wie sehr meine Angst und Unruhe steigt kann ich Euch nicht beschreiben allein sie ist arg da ich wenig die Nacht geschlafen habe und heute sehr unwohl bin. Die Zeit welche ich verschlummert träumte mir immer von Briefen doch keiner war von Euch. Die Künstler Münchens feiern jährlich am ersten May ein Fest im Freihen etwa 3 Stunden von der Stadt entfernt in einem Kaffee- und Gasthause, Menterschweig170 genannt, da aber heuer grade | am ersten May Krawall befürchtet wurde und auch statt fand so dachte niemand daran sich der Belustigung hinzugeben und setzten später auf den 6ten May dieses Fest an verbunden mit einer geordneten melitärischen Promenade – In Uniform und Gewehren zogen sie früh morgens in geregelter Ordnung hinaus. Bernhardt hatte mir’s gesagt und ich 170 Der Gutshof Menterschwaige ist noch heute ein Gasthaus und Biergarten vor den Toren Münchens mit Platz für bis zu 2000 Menschen. König Ludwig I. gründete hier mit befreundeten Malern und Bildhauern die Gesellschaft »Alt England« und richtete jährlich zum 1. Mai ein Künstlerfest aus, das sehr beliebt war. Zur Menterschwaige gehört heute auch das Lola-Montez-Haus, in dem sich Ludwig I. Gerüchten zufolge heimlich mit seiner Geliebten getroffen haben soll.

170 | Die Briefe da ich fleißig sein wollte verschwieg es da ich wohl wußte daß die Tante mich zu bereden gewußt das Fest bei zu wohnen. Durch ein Zufall hatte die Tante es aber doch in Erfahrung gebracht und wie ich befürchtet, durfte ich nur bis 11 Uhr arbeiten mußte dann in größter Geschwindigkeit mich kleiden, essen um um ½ 1 Uhr in einem Wagen fort zu fahren bis zu dem Berge welcher zu der Pfarrkirche Harlaching, ehemals Schloß des berühmten alten Meisters Glod de Lorain171 wo wir dann bis zur genannten Schweig zu Fuß gingen und von Ferne schon Flintenschüsse in Menge aus dem nah gelegenen Wäldchen hörten welche einen köstlichen Wiederhall von den gegenüber liegenden kleinen Thälern hervorrufen, es ging ein eiskalter Wind selbst war ich betrübt daher es mich wenig entzückte. Bald gelangten wir bis in den Wald wo wir dann den Stimmen die aus demselben bis an unser Ohr drangen folgten und auch wirklich zu der lustigen melitärischen Künstlerschaar gelangten. Ein Maybaum war einige Minuten vor unserem Kommen, geschmückt mit Fahnen Paletten und ziehrlich feinen Pinseln, verfertigt aus den gröbsten Besenruthen aufgepflanzt worden. Ich ging fast träumend hinein denn in der That interessierte mich es wenig, meine Gedanken weilten bei Euch, als eine freundliche, wohl bekannte Stimme mich willkommen hieß. – Der einzige bekannte und liebe Mensch Bernhardt war es, ihm folgten ein paar andere Maler. Im Laufe des Gesprächs machte ich die Äußerung daß ich fast Lust hätte mit ihnen zu schießen und sie erboten sich gleich ihre Gewehre zu laden doch ich lehnte es wie natürlich ist ab und gestand aber daß ich wohl schon in meiner Heimath dergleichen Vergnügungen versucht habe auch das Reiten verstünde worauf Onkel bemerkte  : »und sogar mit den Männern in die Wette geritten« (allgemeine Verwunderung) und Bernhardt wandte sich hierauf zu den Malern mit den Worten  : »und das Fräulein malt auch in der Wette mit allen Männern«  ! Ich wurde roth vor wahrer Freude, denn ich sehe diese Äußerung als ein entschiedenes Lob an und auf Bernhardts Lob gebe ich sehr viel und sollte mich dies nicht entzücken, erheitern  ? Ich war zu betrübt und bekümmert, als daß die Freude, die mich umgab zerstreuen konnte – ich konnte mich ordentlich ärgern daß Onkel und Tante mit immer wiederholter Bitte etwas zu genießen mir anboten.  – Ich selbst war mir unausstehlich, ich konnte mich selbst nicht leiden.

171 Claude Lorrain (1600–1682) lebte überwiegend in Rom. In der Literatur findet man unterschiedliche Angaben, ob Lorrain tatsächlich einige Zeit in München gelebt hat und dort ein Schloss besaß oder dies nur eine Legende ist. Das Harlachinger Schloss wurde erst 1700 erbaut, also nicht zu Lorrains Lebzeiten. 1865 ließ Ludwig I. ein Denkmal zu Ehren Lorrains stiften, das noch heute dort in der Nähe der St.-Anna-Kirche erhalten ist. 1848, zum Zeitpunkt dieser Niederschrift, existierte das Denkmal noch nicht, wohl aber die allgemeine Ansicht unter den Künstlern, Lorrain hätte einst in Harlaching gewohnt.

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Abend’s  : Gott Lob  ! Der heiß ersehnte Brief ist ja da und hat mich bereits ganz beruhigt und wieder munter gemacht, wie bin ich froh und glücklich  ! All meine heißen Thränen waren umsonst. Meine lieben theuren Aeltern nichts als einen warmen innigen Dank kann ich Euch sagen, Ihr werdet am besten meine Sorge fühlen da Ihr selbst in ähnlicher Lage gewesen seid  – und ich nehme mir vor, mich nicht durch eigene Schuld zu Selbstquälereien zu bringen nie will ich Dinge schreiben die Euch Gefahr bringen könnten. | d  : 8ten May 48. Gestern hatte ich keinen weiteren Wunsch als Euch zu schreiben und da mußten mich wieder Leute stören, die mir sogar gleichgültig sind und so will ich denn heute statt zu malen Euch schreiben um den Brief so schnell als möglich abzusenden. Die Ultramarinasche ist wol für Bernhardt bestimmt. Der Boden zur Haube hat allgemeinen Beifall wie auch der Kragen welcher bei jeder Gelegenheit herausgezogen wird um ihn bewundern zu lassen und wirklich ich sehe ihn selbst immer wieder mit wahrer Lust an  ; doch dann drängt sich mir immer eine Befürchtung auf die mich veranlaßt Mize dringend zu bitten nicht so fein zu häkeln denn sonst wird sie bald das halbe Vergnügen genießen können eine Brille zu tragen und auf ihr feines Näßchen eine tiefe Furche erblicken, meiner Nase macht es nichts, keinem fällt es ein sie zu bedauern, selbst mir nicht, bei ihr aber möchte man erschreckt sein.  – Mein kleines liebes Schwesterchen Johanna, mein liebes Kind, für Dich will ich sorgen da ich nicht heirathen werde wie nun hat mich das gerührt, was Du meine theure Mutter mir über sie schreibst. Das gute engels Kind wie möchte ich sie gern sehen wenn ich wüßte daß sie es verstünde so würde ich ihr ein kleines Briefchen schreiben da Kindern ein solches Liebeszeichen oft die größte Freude bereitet und bei mir weiß ich es wenigstens daß die Briefe in meiner Kinderzeit für mein ganzes Leben unvergeßlich bleiben. Fragt sie einmal ob sie einen Brief haben will. Was Du lieber Vater mir von der Raphaelischen Madonna schreibst verstehe ich nicht ganz d. h. in so fern da ich nicht begreifen kann wo eine solche Zeichnung von Vogelstein172 sich befindet und von wem Du einen solchen Auftrag hast bitte schreibe mir doch darüber da ich mich recht lebhaft interessire. Meine Magdalena habe ich bald fertig und sehe den großen Unterschied in der Farbe. Dieses mit echtem Ultramarin gemalt jenen für den Onkel mit meißnerultramarin – und glaube auch zu wissen, woher. Denn das letzt genannte Ultramarin färbt ungemein stark während das echte nur 172 Von welchem Umstand die Rede ist, kann nicht rekonstruiert werden. Es handelt sich um Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788–1868), der seinerzeit in Dresden Professor der Kunstakademie war. In jungen Jahren war er in Dorpat gewesen, wo ihn August Matthias Hagen kennengelernt hatte. Daher war wohl auch ein intensiver Kontakt zu ihm während Julies Jahr in Dresden entstanden und seine Einladung an sie, in seinem Atelier zu malen (vgl. Brief Julie Hagens an ihre Eltern aus Dresden vom 23.2.1847, Brief in Privatbesitz).

172 | Die Briefe wenig Farbstoff enthält und bekannt ist ja daß die jenigen Farben welche sehr viel Farbstoff enthalten nachdunkeln, ich werde den ersten Kopf darum ganz übermalen. Es wundert mich sehr daß Ihr noch immer keine Nachricht von den übersandten Sachen durch Rayher habt, da verließ man sich ja auf einen Menschen und Tante wünscht das Geld für die Lithographie den Kindern zu geben da ohne dies das Geldsenden ins Ausland eine schwierige Sache ist so wird es so dem Rayher auch angewiesen sein. Ich werde durch Euch ihm schreiben und Du lieber Vater schreibst ihm dann wohl auch und legst meinen Zettel mit bei. Ganz genau weiß ich nicht wie viel es gemacht aber ungefähr 35 Thaler. Meine gute Mutter Du wirst schon den Kindern kaufen, was sie am nothwendigsten brauchen die Tante freut sich unbeschreiblich über die Freude welche die Kinder darüber äußern werden. Daß Schwester Mize unwohl und betrübt ist macht auch mich trübe, ich theile ihren Schmerz und suche ihn in einem andern Gegenstand als in dem welchen Du mir genannt, gern möchte ich ihn nennen | wenn es sich nicht über so zahrte Dinge schwer aus einer Welt in die andere schriebe und wenn ich wüßte daß ich meiner Sache ganz gewiß wäre. – Studsinskis überwältigtes Gefühl bei der Nachricht von der Ankunft seiner Aeltern hat mir viel Thränen gekostet wie ist’s mir leid diesen Menschen von dem ich so viel Liebes gehört nicht gekannt zu haben – warum können solche Menschen nicht leben, sich und andere durch ihr Dasein erfreuen,  – Schirren schrieb mir in seinem letzten Brief in tiefer Rührung über die alten Aeltern, namentlich die Mutter hat ihn beim Abschied unter Thränen mit heißen Küßen bedeckt. – Wann kommt wol Schirren nach Dorpat zurück  ?173 – Ich erwarte jetzt keinen Brief von ihm denn ich schrieb ihm daß meine Zeilen ihn nicht verpflichten mir gleich zu schreiben da ich zu wol weiß was ihn beschäftigt. Ich empfinde im vollsten Maaße Deine Trauer über den Verlust seiner Person. Auch ich würde mich sehr beklagen wenn er es nicht mehr für werth halten wird mir zu schreiben denn seine Briefe sind so wunderschön so reich und tief ausgesprochene Gefühle Gedanken daß ich sehr viel lernen kann. Schreibst Du ihm vielleicht dieser Zeit so schickt ihm einen Gruß wie auch seiner Familie. Die Nachrichten über Politik überstürzen sich und ich weiß das Wenigste von allem denn ich habe keine Zeit diese Maaßen von Zeitung zu lesen. Hier und da lasse ich mir das Wichtigste erzählen. Daß die Livländer so zufrieden unter der russischen Krone sind setzt mich in Erstaunen noch mehr die freiwillige Spendung von Pferden von welcher man in den Zeitungen sprach und ich tapfer dagegen gegen zwei Mann gesprochen  ; ich gestehe daß mir die Ergebenheit mit einem Male ganz unbegreiflich scheint, da der Despotismuß bisher recht sehr empfunden wurde, doch ich verstehe das nicht und deshalb will ich schweigen. – 173 Carl Schirren studierte bis 1848 in Dorpat und war anschließend Leiter einer privaten Knaben-Schule in Riga. 1856 kehrte er nach Dorpat zurück, um sein Studium abzuschließen.

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Über mich selbst habe ich nichts zu sagen, es bleibt immer das Einerlei. Tanten und Onkel sind wohl, Letzterer ist viel im Garten welcher recht hübsch ist  ! Tante die näht für mich Hämde von früh Morgens um 5 Uhr bis am Abend. Auf den Brief will sie das nächste Mal schreiben, da es ihr dieses Mal an Zeit gebricht – sie grüßen recht freundlich auch Rosners – die Hochzeit des Xafer ist im Juni. Ob aus unserer Reise was wird ist dahin gestellt. Bleibt es ruhig und friedlich dann ist sie gewiß doch im entgegengesetzten Fall bleiben wir hier.  – Mir ist es als hätte ich Euch noch sehr sehr viel zu erzählen und doch fällt mir gar nichts ein. Amaliens Adresse möchte ich zu gern haben, ich muß glauben daß sie meinen Brief vom vorigen Jahre nicht bekommen hat. Ich liebe sie so sehr daß ich mir wie eine böse Sünderin erscheine sie scheinbar vergessen zu haben o wenn sie das nur nicht glauben  ! Bruder Carl feiert seinen Geburtstag in wenig Tagen,174 sagt auch von mir einen Glückwunsch wenn Ihr an | ihn schreibt. Grüße an alle liebe Personen die sich meiner freundlich erinnern. Die verheißenen Briefe werden wir mit Ungeduld erwarten, wenn ich Klaras Adresse wüßte würde ich ihr schreiben denn ich habe ihr noch nicht meinen Glückwunsch zu ihrer Vermählung gebracht. Lebt denn recht wohl und heiter zur Freude Eurer Tochter Julie Die Summe die Ihr von Rayher bekommen müßt beträgt 38 Thaler was Du ihm auch schreiben kannst Die Luft und den Rauch an dem Hause habe ich nicht gezeichnet sondern Herr Seeberger dem ich die Zeichnung zeigte.175

Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 15.5.1848 München d  : 15ten May 48.

Meine theuren geliebten Aeltern  ! Dies Mal nicht aus Mangel an Zeit, auch nicht wegen geringer Ereignisse und Thaten habe ich länger geschwiegen als ich sollte nein ich fürchtete mich in einer Stimmung zu schreiben die Euch Schmerz verursacht hätte, denn ich bin überzeugt, daß trotz aller Mühe heiter zu sein und zu scheinen diese sich meinen Worten doch mitgetheilt hätte. Jetzt da ich nun wieder vernünftig bin d. h. so vernünftig wie man es von mir verlangen kann, will ich denn zu den lieben Meinigen zurück kehren, und war ich denn woanders als bei Euch  ? Gott nein. Ihr habt mir Schmerz und doch einen so süßen Schmerz gemacht.  – Dem lieben 174 Der Geburtstag des ältesten Bruders Carl, der 1823 in Passau geboren wurde, war der 12. Maigreg.. 175 Die Zeichnung aus dem Brief, eine Ansicht des Hauses des Onkels, ist nicht erhalten.

174 | Die Briefe Freunde Herrmann (vgl. Abb. 7) habe ich dies zu verdanken, o könnte ich ihm dies vergelten  ! Drei Tage nach dem Empfang Eurer Porträts (Abb. 10) habe ich weder bei Tag noch bei Nacht weder bei der Arbeit noch bei Mußestunden Ruhe gefunden – meine große und oft besprochene Sehnsucht nach Euch war fast auf die höchste Stuffe gestiegen.176 Wo ich war und stand konnte und mußte ich weinen nur vor den Verwandten nicht, welche mich am Ende nicht verstanden und meinen Thränen eine andere Deutung gegeben hätten. Ich finde alle Bildchen sehr ähnlich besonders Dich lieber Vater, Miezchen und das Herzenskindchen Johanna, auch Marie – die übrigen finde ich immer ähnlicher je länger und öfter ich sie besehe, nun und die sind auch in den Jahren in welchen man sich am schnellsten und auffallensten verändert. – Meine süße theure Mutter, Dich allein vermisste ich obgleich ich Dich schon hier habe. Mieze sieht gut in ihren Locken aus auch macht sich die kleine Johanna recht lieb, auf ihrem Schoos  – Aloys findet daß es ihr ausgezeichnet kleidet. Bis jetzt habe ich diese lieben lieben Bildchen bei mir getragen, wohin ich auch ging und stand, allein ich finde daß es nicht gut ist und habe mich entschlossen sie so schwer es mir auch würde zu hause zu lassen und sie unter Glas und Rahmen zu thun und sie dann in meiner kleinen Stube aufzuhängen. d  : 16 May 48. Jetzt hängt Ihr meine Lieben unter Glas in der Nähe meines Bettes über meinem Nachtischchen. Ich habe dich lieber Vater in die Mitte umgeben von Deinen Kindern gehängt auch der seelige Onkel Ernst177 befindet sich in diesem Kreise. – Heute ist’s schon spät, schläfrig bin ich nicht aber auch nicht aufgelegt irgend etwas zu thun, – soeben sind wir heim gekommen aus dem Garten. Der Mond scheint so köstlich dabei blitzt es und donnert es recht artig was uns die Hoffnung macht die Nacht einen Regen zu bekommen, es thut aber auch Noth. Alles sehnt sich nach demselben, selbst ich denn der Münchner Staub ist unerträglich. – Ich bin täglich im Attilier habe aber nicht viel gethan außer mein Bild vollendet. Leider habe ich den Kopf nicht nach der Natur retuschiren können, da das Mädchen aufs Land hat müssen – mir war es recht ärgerlich. – Jetzt diesen Augenblick bin ich beschäftigt einen kleinen Studienkopf zu malen bis mir der Zufall wieder ein schönes Gesicht zu führt denn trotz meiner und Tantes Mühe eine zu finden ist es uns doch nicht gelungen. Ich bleibe in meinem Attilier worüber ich sehr glücklich bin – Die Lattner hatte wieder allerlei Bedenklichkeit, und so kann sie, wenn sie Lust hat in meiner Stube | einige Studien machen. In Dresden fängt jetzt das Leben auf der Gallerie an, ich beneide sie da 176 Die Porträtzeichnungen der Familie vom Freund Hartmann befanden sich in dem durch den Krieg in Estland verbliebenen Teil des Familiennachlasses Hagen und Schwarz, ihr Verbleib ist seit 2013 nicht mehr bekannt. 177 Der Bruder des Vaters Ernst Christoph Franz Hagen (1803–1844).

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Abb. 10  : Hermann Eduard Hartmann, ­Miniaturen von August Matthias Hagen (Vater der Künstlerin), Johanna Hagen (Mutter der Künstlerin), Marie Hagen u.l., Schwester der Künstlerin), Johanna Hagen (Schwester der Künstlerin), 1848, Privatbesitz

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176 | Die Briefe nicht. Als ich in der Kupferstichsammlung neulich zeichnete wurde mir ein Platz von dem Inspector hier im Malersaal der Pinakothek angeboten – ich lehnte es ab aber sagte es einer Dame aus Augsburg,178 die mich bisweilen im Attilier aufsucht und wirklich sitzt sie jetzt da drin und malt, ich besuchte sie, in diesen Tagen einmal und überzeugte mich wie wenig Platz dort ist nur 4 Fenster und die sind meist von Lithographen besetzt. Daß die Sachen an Rayher nicht ankommen, ist mir ein Räthsel und macht mir unbeschreibliche Sorgen. Dem König Ludwig ist etwas sehr Unangenehmes auf einem Spaziergange begegnet – er geht nämlich außerhalb eines Thors bei einer Wache vorüber welche eine Mütze statt der Kascette auf hatte – Der alte Ludwig ging zu ihm hin und fragte ihn was denn das wäre warum er eine Mütze auf habe  ? Der Soldat, einer von den jungen Rekruten, gab zur Antwort »Wir haben unsere Kascetten abgeben müssen denen die fort mussten und der junge König hat nicht so viel Geld uns gleich wieder welche machen zu lassen denn der alte König Ludwig hat so viel für sein …… (ein wiedriger Ausdruck für Lola) verbraucht.« Ludwig hat verlegen die Hand über das Gesicht geführt und ist gegangen – – München verhält sich ziemlich ruhig, dann und wann fallen kleine Raufereien vor wobei immer ein oder zwei Opfer fallen, dies wird aber so alltäglich daß kein Mensch sich drüber wundert. – d  : 19 May 48. Soeben sind österreichische Regimenter in München angekommen,  – schon vor ein paar Tagen waren ihnen die Quartiermeister voraus gekommen – Um 11 Uhr heute war das ganze Bayrische Melitär ihnen mit Musik zum Empfang entgegen gezogen und geben ihnen das Geleit in die Stadt bis vor die Residenz wo sie dem König Max vorbei defilieren und sich dann auf den großen Tuldplatz begeben um dort den Ort ihres Quartiers zu vernehmen. Sie sind von den Bayern auf das Freundlichste empfangen, alles war bereit den müden Ankömmlingen ihre Wohnung suchen zu helfen. Der König hat den ganzen Stab zu Mittag gebeten und alle Offiziere, Junker, Unteroffiziere e. c. haben heute Abend das Theater umsonst und werden das Vergnügen haben Dorf und Stadt oder die Professorin von Auerbach zu sehen. Leider regnet es heute unaufhörlich, es ist endlich der Regen der seit lange schon sehnsüchtig gewünscht worden und jetzt in so großer Menge strömt, daß es am Ende zu viel und unerträglich langweilig wird. – Später Ich selbst bin heute im Theater gewesen, kam müde hinein und bin nicht weniger müde als zu vor nach hause gekommen – Das Stück welches ich schon kannte hat mir gar wenig gefallen denn nicht allein die Hauptrolle, sondern auch drei andere Rollen waren von anderen und minder guten Schauspiele178 Vermutlich die Augsburger Malerin Helisena Girl, die sich zeitweilig in München aufhielt und ihre Freundin Lina List besuchte, über die sich Girl und Hagen kennenlernten.

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rinnen besetzt. – Der erste und der zweite Rang glänzten von der weißen zierlichen Uniform der österreichischen Offiziere und auch morgen wird Theater hier zu Ehren der Österreicher. Denn unbegreiflicher Weise wird in München nur 4 Mal wöchentlich gespielt, ich bin zufrieden damit denn auf diese Weise werden wir künftig eine Oper statt der dummen schlechten Lustspiele sehen oder vielmehr hören, – gute Nacht  ! – | d  : 20 May 48. Heute kommt mein Modell ein Neues erst um 9 Uhr, es ist ein gaar hübsches Kind von etwa 14 Jahren und ich weiß noch nicht was ich daraus machen werde, denn die Idee kommt und ändert sich erst beim Arbeiten, ein einziger Blick, eine einzige Stellung oder Wendung kann seinen ganzen Plan umstoßen bis jetzt ist meine Idee einen Engel zu malen, wenigstens mit aufgeschlagenem Blicke und gefelltenen Händen – ob ein Engel daraus unter meinen Händen werden wird bezweifle ich sehr, denn das Gefühl muß der Maler hinein legen und wird es denn nur thun können wenn er selbst außerordentlich gut und fromm ist. – Vor 8 Tagen, also am vergangenen Sonntage war ich, Fräulein Lattner und Fräulein Stuntz durch die Güte des Herrn Seeberger auf den Petrithurm gestiegen um erstens die ganze große Stadt und seine Umgebungen zu sehen und dann auch eine neue Feuervorrichtung von Seeberger ausgeführt zu bewundern, ich kann Euch diese nicht beschreiben nur so viel weiß ich daß sie außerordentlich ist – Seeberger mein ehemaliger Perspectivlehrer (wir hatten schon die letzte Stunde), so klein er auch ist, hat eine bewundernswürdige Geschicklichkeit. Ehe wir den Thurm bestiegen versammelten wir uns in seiner Wohnung wo ich manches Schöne und Herrliche sah, ich besuche ihn jedenfalls noch ein Mal um alles zu sehen. So trocken mir anfangs die Stunden waren desto interessanter wurden sie später und mir that es ordentlich leid aufhören zu müssen und würde noch mehr bedauern wenn ich alles wieder vergessen habe d. h. das Construieren. – Tante und Onkel sprachen gestern Morgen beim Kaffee wieder einmal von der Möglichkeit einer Reise im Laufe des Sommers und bestimmten auf jedenfall nach Salzburg aber dann bis nach Merahn zu gehen, o wie wollte das köstlich sein wenn wir der Unruhen wegen dies ausführen könnten  ! Aber nach den letzten Nachrichten über Wien und Berlin hat man kaum die Hoffnung eine Ausflucht zu wagen. Die Hoffnung zu dieser Reise in so himmlische Gegenden erfüllt mich mit Freude und Wonne, dabei aber zugleich mit Schmerz denn ich werde das Schöne sehen, auch wol genießen und vielleicht besser als mancher andere Mensch, allein doch nicht so sehr wie Du es würdest lieber Vater  – o könntest Du mir zur Seite stehen  ! Leider bin ich zu wenig gewand im Zeichnen sonst würde ich mir manches Andenken abreißen (dieser Ausdruck fällt mir eben bei, welchen ich einmal von einer Bayerin in Dresden hörte und ihn damals sehr bezeichnend fand) – Aloys Rosner hat mir Wilhelm Meisters Lehrjahre

178 | Die Briefe von Göthe gebracht worin sich die Bekenntnisse einer Schönen Seele befinden und ich habe begonnen das ganze zu lesen. Von Rosners kann ich eigentlich gar nichts schreiben da ich sie fast nie außer Aloys und auch den selten, sehe, Xafer steht sich seit seiner Brautgeschäfte nicht gut mit der Tante was mir leid ist da es gute und gescheute Jungen sind und ich außer diesen Niemanden kenne auch nicht kennen will. d  : 21. May 48. Es ist heute Sonntag und den will ich feiern indem ich den ganzen Nachmittag dazu benutze Euch und Wachters zu schreiben. Gern hätte ich’s schon Vortisch gethan, allein da habe ich gearbeitet den letzten Pinselstrich an den beiden Magdalenen gethan – Herzlich froh bin ich diese Arbeit beseitigt zu haben  – offen gestanden wurden sie mir in der letzten Zeit recht zu wider und es wäre mir eine Unmöglichkeit eine dritte Copie darnach zu machen so schön sie auch ist. Ich weiß nicht ob ich mich freuen oder ärgern soll aber eine Bemerkung daß ich nicht im Stande bin ganz treu zu copieren d. h. was Manier betrifft, worauf ich auf der Gallerie zu Dresden großen Werth legte und auch manche angenehme Bemerkung von Seiten der Maler und ruhigen Beschauer hören mußte. Damals malte ich nie mit der Brille | während ich jetzt keinen Strich ohne diese Waffe im Stande bin sicher und ordentlich zu machen und darin suche ich die Schuld. Während ich oben in meinem Attilier arbeitete, das Ihr bereits kennt kam Onkel nach Hause in Begleitung von 4 Soldaten welche für mich ein Klavier brachten, es war mir eine große, große Überraschung da ich auf keines gehofft. Eine Frau hat auf ein halbes Jahr München verlassen und die hat es der Tante zur Benutzung angeboten. Es ist zwar ein altes Ding aber doch gut um meinen talentlosen Fingern einigen Spaß zu machen. Meine Sehnsucht ist nun gestillt und ich freue mich schon recht manche Dämmerstunde in Gedanken an Euch und alle lieben Personen daheim zu verträumen stört mich doch da in diesen meinen liebsten süßen Gedanken kein Mensch und ich brauche nicht zu geniren traurig zu sein wenn mich’s überkommt – denn ich sage nur selten der Tante und Onkel wenn das Heimweh meine Seele befangen hält da nur Tante in dem Glauben ist es gefiele mir nicht bei ihr und das ist ja nicht an dem, aber sehr natürlich wird jeder fühlende Mensch die Sehnsucht finden und begreifen. – Das östreichische Melitär hat heute München in eben derselben Begleitung als sie kamen, verlassen. Außer dem bayrischen Melitär hat noch eine Unmasse von Menschen aus allen Ständen sie bis vor die Stadt begleitet wo selbst die Östreicher ein mehr mals wiederholendes schallendes Hoch dem ganzen München brachten und in Rührung schieden – Die guten Leute haben auch wol Grund zufrieden zu sein denn man hat sie außerordentlich freundlich bewirthet – jeder Hauseigenthümer hat seinen Soldaten die beiden Tage ihres Hierseins herum geführt oder ihnen alles zeigen lassen. Dann sind ihnen zwei Feste gegeben worden und

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endlich hat gestern jeder gemeine Soldat das Recht gehabt ins Theater zu gehen und die Tochter des Regiments179 zu sehen. d  : 24. Wenig Zeit und gar kein Stoff steht mir heute zu Gebote und doch muß ich einige Worte schreiben, kann ich auch nichts mehr Euch sagen als daß ich Euch liebe und oft ja schrecklich oft an Euch denke. Ich träume oft von Euch aber bisweilen so lebhaft daß ich mich beim Erwachen ordentlich wundere mich im Bette liegen zu sehen – vorige Nacht erst träumte mir daß ich in Dorpat angekommen war und daß Ihr Euch alle nicht im Mindesten freutet im Gegentheil Ihr hattet mein Porträt verkauft da man Euch viel geboten hatte und statt dessen hing ein anderes kleines Bild von mir in liegender schlafender Stellung mit geschlossenen Augen da worüber ich selbst sehr erschrak  ; nicht aber eine frapante Ähnlichkeit, nein die konnte ich nicht finden sondern da ich mich als Leiche gemalt sah. – Der Tag ist wieder schön nach so viel Regen – ich sehnte mich nach dem schönen Wetter und nun bin ich doch wieder unzufrieden indem das Arbeiten durch die Hitze zu sehr erschwert wird – Wann ist der Mensch zufrieden  ? – Der Garten sieht wunderhübsch aus. Die Rose ohne Dornen blüht ganz prächtig. Die Bienen sind ganz lustig und sehr emsig und haben die Hoffnung in diesen Tagen zu schwärmen, Onkel arbeitet im Garten, Tante hilft ihm und besorgt das ganze Haus sammelt für den Winter wie z. B. , Makaroni u. dgl. mehr. d  : 26 May Ehe ich fort gehe noch einige Worte.  – Mein Klavier macht mir sehr viel Spaß trotz seines schlechten Tones. – Ich versuche dazu zu singen – Ihr wißt daß es nie damit gegangen | also könnt ihr leicht denken wie schlecht es jetzt nach zweijähriger Ruhe um meine Stimme steht  ; doch dies geniert mich nicht, will es mit dem Singen nicht gehen nun so pfeife ich mir ein Liedchen und verbringe auf diese Weise einen kleinen Teil des Tages lustig und munter. – Mein Bild von dem ich sprach, ehe ich es begonnen ist bereits bis zur Hälfte gediehen. Der Kopf ist fertig aber so schlecht daß ich nicht einmal davon reden mag. – Ich sehe wol wie schwer sich’s im Sommer ohne eine Untermalung arbeiten läßt – die Farben werden unter den Händen zeh oder gar trocken und rollen sich dann auf eine einfälltige, wiederwärtige Weise und das Bild sieht dann erschrecklich gequält aus. Die Kleine stellt nicht ein Engel vor, mit Gänseflügeln die ich dazu hätte nehmen müssen sondern eine junge Confirmandin, in weißer Kleidung, Blumenkränzchen und betender Stellung. Fräulein Lattner malt mit mir aber in meinem Attelier. Es ist ein gutes herzliches Mädchen. d  : 27. Gestern Nachtisch war ich erstaunt als mit einemmal die Thüre in meinem Attelier auf ging und Herr Bernhardt mit einem Obersten in schöner 179 »Marie oder die Tochter des Regiments«, Komische Oper von Gaetano Donizetti, Libretto von Henri de Saint Georges und Jean-François-Alfred Bayard.

180 | Die Briefe reicher Uniform hereintrat, jener stellte uns diesen als Herrn Földerdorf180 vor und ich erwartete den Nachsatz »aus Rußland« – allein das erfolgte nicht. Ich weiß nicht welcher böse Dämon mich plagte viel unsinniges Zeug zu schwatzen und mehr zu lachen als ich sollte. Bald lachte Alles hell auf und doch am Ende über gar nichts. Mein fremder, den Bayern als wohlklingend erscheinender Dialekt machte auch diesen, wie schon manchen Anderen ein wenig lachen und ich selbst glaube zu bemerken daß ich ein wenig von der hiesigen Mundart angenommen. – d  : 30 May. Gestern Abend nachdem ich mir das Abendessen wohl schmecken hatte lassen wurde mir Euer Brief gegeben der am Nachmittag angekommen und zu gleich der einzige aus Rußland gewesen war. – Ich war überaus erstaunt ihn fast 8 Tage früher als ich ihn erwartete zu haben und der Abend verging schnell unter lesen und wiederlesen bis ich sanft einschlief und mir alles Erfahrene aus der Heimath nur in veränderter Gestalt und Form als liebliche Nebelbilder im Traum vorschwebten. Ich danke herzlich für Brief und Ultramarin – beides ist wohl angekommen. Nun will ich dran gehen ihn zu beantworten aber wo anfangen, beim Trüben oder Heiteren. Vor allem freut mich’s Euch gesund zu wissen aber eben so sehr betrübt mich das schnelle Hinscheiden der beiden Männer am 22 Aprill – Diese, so traurige Nachricht hat mich ungeachtet dessen daß ich ihr Leiden schon lang kannte doch recht sehr erschüttert und wie eigen hat sichs getroffen daß an ein und demselben Tage sie sterben mußten. Wie bedaure ich die Aeltern, Gattin und Kinder  !181 O wie sehr glücklich sind wir doch Euch noch zu haben, Gott erhalte Euch auch noch lang gesund und froh  ! – Gern möchte ich dem Schirren und seiner lieben Schwester einige Worte schreiben um gern meine innige Theilnahme dar zu bringen allein trösten kann ich sie nicht, was ja nur mein Wunsch wäre, darum sagt ihm wenigstens wie sehr ich ihn und seine Familie bedaure  –Außer diesem macht mir immer mehr und mehr Sorge das Ausbleiben der Kiste an Rayher nach Mitau. – Ich kann mir nicht denken, daß die Sachen verlohren gegangen seyen. Heute habe ich Auftrag gegeben nach Swinemünde an den Speditör dem sie gesandt worden zu schreiben und nach der Ursache des Ausbleibens zu fragen. Die Sachen sind von München aus durch einen Kaufmann, zugleich Freund des Onkels und Farbenlieferant von mir besorgt worden. Rayher kann sich die | Schuld selbst beimessen denn warum hat er auf meine Frage, durch welche Gelegenheit ich ihm die Sachen zu stellen soll, 180 Otto von Völderndorff und Waradein (1825–1899), seinerzeit angehender Jurist, später im Justizministerium tätig. 181 Der Vater Carl Schirrens, Carl Hieronymus Schirren (1796–1848) starb nach dem gregorianischen Kalender am 22. April 1848 (10.4.1848jul.). Der zweite Tote mag Paul Philipp Studzinski gewesen sein, sein genaues Sterbedatum ist nicht bekannt.

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nicht geantwortet  ? – Ich schrieb ihm daß ich genöthigt mich gesehen, da er vermuthlich vergessen auf meine Frage zu antworten auf anrathen mehrerer Männer diesen Weg einzuschlagen. Die Sachen sind zwar vorassecuriert allein unter dem Werth, und meine Lieblinge  ! Ach wie würden die mir leid thun  ! – Wol weiß ich daß ich nie wieder eine solche Besorgung übernehme außer für Verwandte oder sehr sehr liebe Freunde. Verlohren können sie nicht sein denn sie sind ja lang vor den Berliner Ereignißen fort geschickt. – d  : 31. May Heute kann ich Euren Wünschen nachkommen und mir einen Feiertag machen, zugleich einen recht schönen indem ich Euch schreibe dafür soll aber auch Morgen am Ch. Himmelfahrt um so fleißiger gearbeitet werden. Gestern habe ich mein Bildchen vollendet bis auf den Hintergrund welcher nur schwach angedeutet das Innere einer Kirche werden soll, das Bild ist besser trotz der Widrigkeiten die sich durch die Hitze mir boten, geworden als ich gedacht, ich habe hier und da retuschirt und glaube wenigstens was gelernt zu haben. Du hast recht lieber Vater wenn Du sagst  : »jetzt wird es Dir erst wahrhaftes Vergnügen schaffen« – wenn ich auch nicht immer Bilder male denn dazu gehört doch Geist Fantasie und Verstand, alles nothwendige Dinge die ich nicht finde an mir, so kann ich mir, neben den Porträts die ich zu malen hoffe doch manches Mal einen Spaß machen. Morgen fange ich eine Dame, Porträt, an, welcher ich’s schon lang versprochen zu malen, dann aber soll es wieder an ein anderes Bild gehen. Tante und Onkel finden daß es gescheuter ist, wenn ich immer Modelle miethe, wenn gleich sie recht sehr ins Geld greifen allein sie sind ganz unserer Ansicht und finden daß es angenehm ist seine Arbeit behalten zu können und keine Zeit dabei zu verlieren. Was das Geheimnis anbetrifft Studien nach der Natur zu machen so ist es leider kein Geheimnis mehr, so viel ich wenigstens weiß im Attelier nicht mehr, was wir dem lieben Meister selbst verdanken können – zwar sagte er mir, nachdem ich in geheimnisvoller Stille 4 Studien, eine sogar ohne Kopf gemalt, ich möge etwas malen das ich auch jedem Mann zeigen könne und nun hat er selbst seinen Schülern davon erzählt, einen sogar selbst zu mir geführt um sie ihm zu zeigen. Freilich ist’s mir aber noch weniger der Lattner lieb. Für meine Person fürchte ich eben kein nachtheiliges Geschwätz denn ich und mein Name sind bis jetzt noch so ganz fremd daher man höchstens nur im allgemeinen von einem ungezogenen Mädchen, Schülerin des rühmlichst bekannten Bernhardt sprechen wird und darüber bin ich lang hinweg, mir solche Dinge zu Herzen zu ziehen. Über welchen Menschen wird nicht gesprochen  ? Selbst der beste, gescheuteste und tüchtigste Mensch hat nicht den Beifall der ganzen Menschheit. Jetzt habe ich Gelegenheit zu lernen das wonach ja lang meine Sehnsucht hing. Und lernen will und muß ich sonst bin ich mein ganzes Leben unglücklich. Liest man die Biografie der berühmten Angelika Kaufmann so drängt sich dem Leser gewiß der Wunsch auf | ein solches Geschöpf

182 | Die Briefe zu sein und hat sie denn nicht auch und noch ganz andere Studien gemacht  ? Übrigens bin ich weit entfernt mich mit ihr zu vergleichen  ! – Leider nur kann ich es nicht – und ich hoffe auch daß Ihr mich versteht. – Die Leuchtenbergsche Gallerie hat ein Paar recht hübsche Gemälde von einer Freiberg182 aus München, welche vor ein oder zwei Jahren gestorben ist, diese hat in Rom studiert und der Dame weiß man auch durchaus nichts Nachtheiliges nachzusagen. Also, vorwärts  ! Rufe ich selbst mir muthig zu und Ihr werdet es auch thun wie jeder vernünftige bessere Mensch. – Am vergangenen Sonntage hatte ich mich vor den Spiegel gesetzt und dachte daran mich einmal zu zeichnen, so klein um nach Euch zu schicken es ist geworden wie ich es ohne Brille nur erwarten durfte d. h. bis auf einige Fehler die ich freilich vermeiden könnte. Die Nase zum Beispiel ist, weil ich an ihre Häßlichkeit dachte noch häßlicher geworden  – sie ist hübsch breit, nun das schadet nicht, vielleicht erkännt Ihr das Bildchen um so eher  ! Außerdem sind noch einige Fehler die ich aber Euch überlasse zu finden. Es war mir ein unsicheres Zeichnen ohne Brille. Die Hand dürft Ihr eigentlich nicht ansehen da sie schlecht ist, Ihr thut vielleicht gescheiter sie ganz weg zu schneiden, dadurch erhält das Format ein besseres Ansehen. Das Haar trage ich wild wie ein Bursche und werde es noch den Sommer durch so tragen – zu Eurer Beruhigung füge ich hinzu daß ich nicht die einzige bin welche das Haar so trägt. – Wenn Ihr mich anseht so thut es im besten Licht gerade so wie ichs gezeichnet denn da ich bemüht war so viel wie möglich zu wischen um es vor der Gefahr im Brief verwischt zu werden zu sichern, so sieht es etwas rauh aus. Es ist der erste Versuch klein zu zeichnen und vielleicht schicke ich das nächste Mal Onkels Porträt  – leider streubt sich die Tante sehr dagegen, sich gezeichnet oder gemalt zu sehen. Möchtet Ihr eine gleiche Freude empfinden im Anschauen meines Gesichts als ich, wenn ich mich Euch nähere  ! – Wenn ich über Heimweh klage dann müßt Ihr ja nicht denken daß mich dieser Schmerz immer befangen hält, es kommen Tage wo ich wirklich recht wehmüthig gestimmt bin und dann muß ich reden, muß es Jemandem klagen und finde niemand der mich liebend anhört und versteht außer Ihr. Tante und Onkel sage ich es fast nie wenn sie es mir nicht selbst nachfühlen denn sie meinen dann sogleich daß ich mich bei ihnen nicht wohl fühle und das haben sie ja doch nicht verdient. Auch bin ich zuweilen so vernünftig, daß ich mich oft laut schelte oder auslache und auch bisweilen kaum begreifen kann. Der Gedanke in 182 Electrine von Freyberg, geb. Stuntz (1797–1847), war zu ihrer Zeit eine bekannte Malerin und Lithografin in München. Nach erstem Unterricht in Straßburg und Paris wurde sie Schülerin Johann Peter von Langers (1756–1824) an der Münchner Akademie und weilte in Rom in den Jahren 1821/22, wo besonders die Werke Friedrich Overbecks (1789–1869) auf sie wirkten, vgl. von Freyberg, 1985.

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vernünftigem Zustande zurück in meine Heimat zu müssen, die von der Kunst so armseelig und verlassen, ist mir sogar ein – wie soll ich gleich sagen – nicht lieber  ! Wo werde ich da Kunstwerke, wo Modelle, wo Farben bekommen  ? – Und ich kann Euch aufrichtig sagen, daß je näher der Herbst heranschreitet, mir es so ganz unwahrscheinlich, fast undenklich scheint  ! Deutschland, die Verwandten und Bernhardt verlassen, letzterer kann ja doch nicht nach Rußland gehen, darum hauptsächlich gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf noch länger hier zu bleiben. Nicht wahr, nun habe ich doch | einmal vernünftig gesprochen  ? Ich sehe keineswegs so blind in die Zukunft um nicht zu erkennen was ich hier verliehre und dort vermissen werde, und am Ende ist ja der Sehnsuchtsschmerz nach geliebten Personen mir ein süßer. Was den Fleiß und Gesundheit betrifft so bitte ich nur ja Euch keine Sorgen zu machen. Gesund bin ich gottlob noch und meine Nerven wenn sie wirklich etwas angegriffen sind will ich durch kalte Stützbäder schon kräftigen was ich schon lang thun wollte doch verhindert wurde durch Tante und Onkels große Ängstlichkeit. Du bist da an die unrechte Person gerathen wenn Tante mich zu solcher Cour zwingen soll, nein sie muß gezwungen werden mir’s zu erlauben und dies hab ich durch eine Schläuhe gethan indem ich ihr sagte daß der Arzt in Dorpat mir verordnet habe jetzt natürlich darf sie nichts dagegen haben aber zittert für mich. Dem Onkel habe ich das Recept zur Orangenbrühe gesagt und sie hat auch schon begonnen zu kochen. Onkel ist viel im Garten und hat große Freude an den Blumen aber ich glaube er besitzt keine Kenntnis sie recht zu pflegen und am Ende auch keine leidenschaftliche Liebe wie ich überhaupt sie selbst bei den Gärtnern vermisse. Wol kommt es daher da das Blumenziehen nicht sehr schwer wird. Der Botanische Garten sieht ja so ganz ärmlich aus wie nirgend. Ich staune hier wenn ich mir den Dorpatschen Garten mit seinen köstlichen Häusern vor das innere Auge rufe, die Größe und Sorgfalt findet man in ganz Deutschland nicht wieder. Gestern habe ich die ersten Kirschen gegessen  ! Allein keine Münchner sondern gute Tiroler. Onkels Bienen haben geschwärmt was eine große Freude gab. Gestern sind gegen 200 Schustergesellen auf den […] fort transportiert welche aufbegährt und nicht arbeiten haben wollen wenn sie nicht mehr Lohn bekämen und den blauen Montag feiern dürfen sonst führt sich Bayern gut auf. Nun weiß ich gewiß nicht was Euch schreiben sollte. Die Tanten sind ganz wohl und grüßen recht herzlich, sie suchen ein neues Quartier, möchten sie doch eins finden näher an der Stadt auf daß ich öfter sie sehe, so aber ist es eine ganze Reise bis zu ihnen. Außer diesen haben mir Onkel und Tante und endlich Rosners Grüße, recht herzliche aufgetragen. Die wenigen Zeilen an Tante haben wie es schien sehr erfreut wofür ich herzlich danke.  – Ich will jetzt dem lieben Her-

184 | Die Briefe mann {Hartmann} schreiben vielleicht fällt mir unterdessen noch etwas ein. Sagt dem Freunde Schirren daß ich am 24. May, bei uns am 5 Juni an ihn denken werde und ihm meinen Glückwunsch darbringen, welche, wenn gleich nur still gedacht, doch eben so warm und wahr sein werden wie die, welche mit lauter Stimme er empfangen wird. Die Haube an Tante ist allerliebst geworden und sie hat eine große Freude darüber. Heute zeigte ich mein Porträt dem Aloys Rosner, welcher es sehr ähnlich fand bis auf mein Näschen, hätte ich nicht selbst den Fehler gefunden dann hätte ich es selbst dem Bernhardt gezeigt so aber erlaubte es mein Ehrgeitz nicht. Bei Gelegenheit schick ich mich Euch einmal in einer anderen Stellung, denn ich will mich üben im Kleinzeichnen. Lebt aber jetzt wohl, zufrieden und glücklich und grüßt mir alle schön auch Schwarz. Wachters bekommen in diesen Tagen meinen Brief der schon fertig liegt. In Liebe Eure Tochter Julie {Ein Brief von Juni 1848 ist nicht erhalten.} Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 6.7.1848 München d. 6ten. Juli 48

Meine theuren Aeltern  ! Wol setzte ich nun endlich wieder einmal da um zu schreiben  ; allein lang kann es nicht dauern da ich nichts Euch mittheilen kann – ich bin aber froh wenn ein neuer Brief begonnen hat zu sein, seyen’s auch nur 5 Worte so weiß ich genügt es finden sich sodann schnell und häufiger Dinge welche ich Euch gern erzähle um eben mehr mir einen Gefallen zu thun als ich Euch, indem sie oft von gar geringer Bedeutung sind. Die ersten 8 Tage, nachdem ich Euch meinen Brief gesandt benutze ich gewöhnlich um meine anderen Briefschulden in Richtigkeit zu bringen wie z. B. nach Dresden. Die gute alte Herrmann schrieb mir in diesen Tagen einen lieben freundlichen Brief in welchem sie mir Grüße an Euch auftrug, sie sowohl als ihr Gemahl ist wohl. Ihr Sohn183 ist seit Ostern in Jena als Professor angestellt worüber die alte Mutter außerordentlich glücklich ist. Sonst berichtet sie wenig, preißt nur den König von Sachsen im Namen aller Dresdener. Heute vor zwei Jahren schifften wir uns in Riga ein, es war ein schwerer Tag für mich  ! Damals dachte ich nicht an eine Möglichkeit länger als ein Jahr von Euch getrennt zu sein und nun hat sich es so wunderbar gefügt, wer weiß wie weit hinaus noch sich meine Abreise von Deutschland schiebt  ? – Mei183 Vgl. Anm. 54.

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nem Bestreben wäre es allerdings heilsam so lang wie nur möglich. Wir haben heiße unerträglich heiße Tage und doch sieht der Garten noch recht wüst aus, er wird auch nimmer so schön, wie er verspricht zu werden. Die Rasenfläche ist grausam zerstört worden. Mir ist eigen in diesem Jahre und ich kann selbst nicht begreifen woher das rührt, nämlich daß das ganze Frühjahr und der Sommer mit seiner Hitze mir wie der Herbst erscheint. Es sind durchaus keine äußeren Zeichen, da alle Bäume alle Wiesen hier grün sind doch lebe ich mit meinen Gedanken im Herbst. Ganz klar bin ich mir zwar diesem Gefühle nicht bewußt aber oft schon bin ich mir aus einem Traume erwacht und habe mich dann gefreut als ich mir sagte  : wir haben noch Sommer. – Ich suche so viel wie nur möglich dieses Gefühl zu verbannen weil ich eben den Sommer auf diese Weise nicht genießen kann  ; doch bis jetzt ist’s mir noch nicht gelungen. Sonntag d. 9ten Es ist noch früh, alles ist in die Kirche gegangen und ruhig und still ist’s um mich her. Ich bin müde daher ich es vorzog zu Hause zu bleiben um nichts zu thun  ; allein das Nichtthun taugt auch nichts, ich komme zu leicht auf einfältige, Euch bekannte Gedanken darum versuchte ich alles Mögliche um mich zu beschäftigen was aber zu gleich mich nicht ansträngt. Aber nichts ließ sich finden, das mich hinlänglich zerstreute und mekelnd langte ich endlich nach dem angefangenen Brief und will nun sehen wie mir’s am Schreiben gehen wird. Die Nacht schlief ich wenig und ich glaube weil ich zu müde war. Eine Person, die ich vor Jahren sehr schätzte und ich glaube auch, liebte hat mich in unruhigen Träumen furchtbar gequält, ich begreife nicht wie sie immer und immer wieder sich in meine Traumbilder webte ohne weichen zu wollen da ich schon lang nicht an sie gedacht und ich füge hinzu  : »Gott sei gedankt  !«184  –  – Das Kanonendonnern hat heute um 5 Uhr schon begonnen und noch hat es kein Ende. Es ist nämlich eine Feier|lichkeit des Reichsverwesers zu Ehren. Die Zeitungen melden beängstigende Dinge, über die Cholera und ich muß gestehen daß ich in großer Angst um Euch hier lebe, ich wäre im Stande mich auf zu setzen um zu Euch zu eilen wenn sie in Dorpat ist da wahrscheinlich sie da hin kommt. Zwar ist mir das Versprechen schon früher von euch geworden mir alle 8 Tage Nachrichten zu senden doch dies ist bei dieser großen Entfernung mir nur wenig Beruhigung  ; denn ein Brief mit den letzten Nachrichten kann an mich abgehen und ist vielleicht noch nicht in meinen Händen so kann schon eins von Euch erkrankt und auch ein Opfer dieser grausamen Krankheit geworden sein. Der Gedanke an eine solche Möglichkeit hat mir schon manche heiße Thräne gekostet. Heute Nachtisch muß ich in eine der großen Wirtschaften gehen um mir ein hübsches Gesicht zu suchen für morgen  ; meine beiden Bilder habe ich in die184 Gemeint sind Anspielungen auf ihre unglückliche Liebesaffäre mit Otto Müller, dem späteren Bürgermeister von Riga, vor der Zeit ihrer Abreise nach Deutschland.

186 | Die Briefe ser letzten Woche retuschiert und fertig gemacht und bin herzlich froh darüber. Bernhardt sagte gestern, als ich an dem letzten Mädchen, welche vor einem Spiegel ihr Haar flechtet den letzten Pinselstrich machte  : »Nun Sie haben einen Fleißzettel verdient« – worauf ich ihm lachend antwortete, daß ich ein solches nach Hause schicken würde wodurch ich große Freude meinen Aeltern bereiten würde. Übrigens ich erzähle oft was Bernhardt mir sagt allein bedaure Euch dann daß Ihr nicht wissen können ob meine Leistungen auch eines Lobes verdienen. Denn einen Anfänger lobt man gar oft wenn man gewahr wird daß er sich bemüht seine Zeichnung dem Originale ähnlich zu machen darum braucht es aber noch lang nichts Gutes zu sein. Ich möchte so gern Euch Arbeiten schicken wenn ich nur erst den Onkel und die Tante gemalt hätte, sie sind aber beide so schwer in dieser Zeit dazu zu bewegen. Heute habt Ihr meinen letzten Brief und ich um 14 Tagen spätestens von Euch einen. Aus unseren beabsichtigten Briefen scheint’s wird nichts was mir recht ärgerlich ist  ; denn wären mir die Hoffnungen nicht gemacht dann glaube ich, würde ich leichter mich trösten so aber habe ich mich so sehr mit diesem schönen Gedanken beschäftigt daß es mir jetzt schwer wird. Später ich habe soeben Briefe aus Dresden von den beiden Hüttels, aber keine guten Nachrichten. Ihres Vaters wegen haben sie eine recht angstvolle Zeit verlebt welcher an einer Leberentzündung sehr schwer darnieder gelegen hat und sterben wollte. Der Arzt hat ihm Brunnen zu trinken verordnet, sonst fürchtet er daß ein viel heftigerer Anfall das nächste Jahr sich wiederholen könnte allein er kann sich gar nicht erholen um diese Kur vor zu nehmen. Die | Mädchen schreiben recht betrübt  : Außer diesem Trüben erzählten sie mir von der Gallerie und den dort arbeitenden Freunden entledigten sich mancher freundlicher Grüße und e. c. mehr  ! d  : 10 Juli 48 Gestern wie meine Absicht war, also gingen wir in die verschiedenen Wirtschaften, in und hinter dem Englischen Garten um mir ein Modell zu finden. Es war gestern weniger besetzt als sonst und auch unter all den dort, auf verschiedene Weise sich belustigenden Mädchen keine einzige Hübsche, geschweige denn schön zusehen. Eine Tirolerin aus der Gegend von Kufstein haben wir gefragt ob sie Lust habe sich malen zu laßen, welche freilich auch nicht schön ist und nun erwarte ich sie um eine bestimmte Antwort zu bekommen. d  : 11 Juli 48 Meine Tirolerin ist gestern Nachtisch gekommen und ich fing zu zeichnen an und zwar sie mich im halbem Profil ansehend, indem sie ein Sträußchen Blumen (Alpenröschen) vor den Busen steckt, der Körper ist ganz im Profil. Das Hütchen macht sich ganz allerliebst welcher einen Schlagschatten auf die Stirn wirft. Der Kopf ist ein wenig geneigt doch, auf die eine Seite und guckt dann gleichsam von unten lächelnd herauf. Leider kann ich die Bewegung nicht gut deutlich erklären. Nun ungefehr so wie die kleine lachende Rembrandt. Im

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Hintergrunde male ich Alpen recht duftig, ha  ! ha  ! lacht nur mit mir daß ich Alpen male ohne welche gesehen zu haben aber denken kann ich sie mir doch und wie ich sie mir vor mein inneres Auge rufe so gebe ich sie wieder. Bernhardt kam und freudig überrascht war ich als er zufrieden mit der ganzen Stellung und Anordnung war. Eine solche Zufriedenheit entzückt mich unerhört, (und ich glaube schon früher gesagt zu haben daß Bernhardt in dieser Beziehung nicht leicht zu frieden zu stellen ist) Um so mehr entzückte es mich dies mal da ich eine Stelle im Göthe mir recht ins Gedächtniß geschrieben hatte, es heißt nämlich  : »Die Dilettanten, nun sie das Möglichste gethan haben, pflegen zu ihrer Entschuldigung zu sagen, die Arbeit sey noch nicht fertig. Freilich kann sie nie recht fertig werden, weil sie nie recht angefangen ward. Der Meister stellt sein Werk mit wenig Strichen als fertig dar, ausgeführt oder nicht, schon ist es vollendet.« Als ich diese Stelle las erschrak ich und nahm mir vor nie etwas anzufangen ohne mir ein vollständiges Bild gedacht zu haben. Denn erst, sobald ich weiß was ich will kann ich nicht im Dunkeln herum tappen. Kann ich das durch führen wie ich’s mir gelobt dann habe ich viel gewonnen. Fräulein Lattner malt mit mir auf Bernhardts Wunsch da er findet daß sie ein plastisches Gefühl habe. – Ich werde öfter von Malern besucht einer bringt den andern mit wo ich dann Dinge höre, welche ich in Dresden auf der Gallerie so sehr gewohnt wurde. Alle noch haben mich bereden wollen etwas in den Kunstverein zu geben. – d  : 15 Juli 48. Es ist heute der letzte Tag der Woche und schon wieder muß ich den halben Tag feiern, ärgerlich. Grässlich ärgerlich ist es. – Die gute Tirolerin, mein Modell kommt gestern Nachtisch, nachdem ich mit Ungeduld schon länger als eine Stunde gewartet und sagt mir daß sie nach hause müsste. Dies war mir eine Nachricht wie ein plötzlicher Donnerschlag den ich nicht erwartet. Was war zu machen  ? Das Bild auf die Seite hängen und zu warten wann sie wieder nach | München kommt, das bald geschehen kann wie sie versichert oder vielleicht niemals. Freuen darf man sich doch nie auf eine noch nicht geschehene That. Den Abend, um meinen Verdruß ein wenig zu mildern brachte ich dann im Thea­ ter zu. Die Carlsschüler, welche ich schon lang sehen hätte mögen traf dies Mal unseren Tag und befriedigter als je ging ich nach hause. Morgen früh fahren wir nach Dachhau um eine Tracht für mich zu holen und von dort nach Schleißheim um die Gallerie185 an zu sehen worauf ich mich königlich freue, Gott gebe nur 185 Die Galerie in Schleißheim war schon im frühen 19. Jahrhundert als »Galerieschloss« der Öffentlichkeit zugänglich und enthielt die Sammlung des Kurfürsten Max II. Emanuel (1662– 1726), der im Neuen Schloß Schleißheim seine Sommerresidenz hatte. Heute beherbergt es eine herausragende Sammlung des Barock. Zu jener Zeit, als Julie Hagen die Schlossanlagen in Schleißheim besuchte, waren dort auch Ankäufe Ludwigs I. untergebracht, da die Neue Pinakothek noch nicht erbaut war.

188 | Die Briefe daß es nicht regnet soviel heute als die vergangenen Tage hat es mit unter stark gegossen. Vor vorige Nacht ist wieder Blut in München geflossen  ; immer und immer ist das Bier die Veranlassung zu solchen Exessen, recht schimpflich fand ich es für München. d  : 19ten Juli 48. Endlich einmal habe ich wieder eine halbe Stunde Zeit um sie Euch zu widmen und ich bin froh darüber denn es hat mich schon recht zerquält Euch unseren Sonntag den wir in Dachhau und Schleißheim verbracht nicht beschrieben zu haben  ; so ganz rein und unverfelscht den Eindruck den ich gehabt Euch zu schildern ehe er durch andere neue wenn auch geringe Erlebniße verloren hat. Heute schon ist Mitwoch und erst 6 Uhr in der Früh und doch bin ich keineswegs froh eher verstimmt und sorgenvoll übrigens so hoffe ich daß zu Mittag diese Stimmung sich in Heiterkeit umgewandelt haben wird. Geht es mir denn nicht immer beim Beginnen eines neuen Bildes so  ? immer durchwache ich einen Theil der Nacht im Nachsinnen über das zu werdende Bild und jede Kleinigkeit kann mich an solch Tagen zur Giftigkeit reitzen, wenigstens läßt mich’s dann nicht in Gleichmuth. Doch wo gerathe ich hin  ? wollte ich denn nicht den vergangenen Sonntag beschreiben  ? Also dann  ! Die vergangene Woche wie ich schon gesagt hat es viel geregnet und auch den Sontag sah der Himmel recht sehr drohend aus allein dies sollte uns doch nicht verhindern unsere Fahrt zu unternehmen. Um 7 Uhr stand ein Wagen vor der Thür auf welchen erst ein mächtig Schamadann geschnallt wurde welcher aber ganz leer war um die Kleidung die wir zu bekommen hofften hinein zu packen und dann fuhren wir vergnügt fort. Eine Dame, Fräulein Löb, Verwandte des Landrichters in Dachhau nahmen wir mit, da sie der Landrichterin geschrieben damit diese sich um eine recht schöne Tracht umsehen sollte. | Ich sang, pfiff, schrie mitunter um vorüber gehende Menschen und Hunde zu erschrecken, grüßte unbekannte Menschen lebhaft kurz trieb tolles Zeug und dadurch hatte ich uns allen einen großen Gefallen gethan indem der sonst so langweilige schnurgerade Weg, ohne der geringsten interessanten Abwechslung uns so gar kurz erschien. In Dachhau waren wir um ½ 10 Uhr gingen zum Landrichter  ; doch sie, die Frau war in der Kirche daher also gingen wir in den Schloßgarten und erfreuten uns an den sehr schönen Blumen und zugleich auch daß die liebe Sonne sich ein wenig Luft machte. Nachdem alles besehen gingen wir abermals zur Frau Landrichterin welche bereit war selbst zur Bäuerin mit uns zu fahren wo sie die Tracht besprachen. Wer diese eigenthümliche Kleidung kennt, wird sich nicht wundern daß ein anderer der sie nicht geneht ist nicht im Stande wie sie anzuziehen deshalb mußte sich die Bäuerin vor uns ankleiden, das uns beinahe zwei Stunden aufhielt und doch fürchtete ich dennoch niemanden richtig anziehen zu können und auch daß keine andere Person in diese Tracht hineinpaßt da sich der Körper nach dieser Kleidung formt. Es kostete uns ungeheure Mühe die Leute zu überreden die Tochter vom Hause

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auf einige Tage her zu erlauben endlich willigten sie doch ein und nach Tisch fuhren wir dann nach Schleißheim. Der Weg dahin war aber so flach wie der nach Dachhau und auch dazu schön gerade obgleich ich bemüht war die Leutchen aufzuheitern misslang es diesmal denn wir waren müde. Schleißheim ist vielleicht einst recht anmuthig gewesen doch jetzt ist’s ziemlich öde, das große pompöse Jagdschloß ist verwaist und macht eher einen unheimlichen als erfreulichen Eindruck wir ließen uns in die Gallerie führen und in weniger als zwei Stunden wurden wir mit dem Beschauen der alten und neuen Gemälde fertig. Ich muß selbst sagen daß wir eine bewunderungswürdige Geduld gezeigt alles mit Ruhe zu sehen. Nur ein Bild die Judit (vgl. Farbabb. 6)186 von Riedel187 Münchner, lebt aber in Rom (vgl. Farbabb. 18), hat mich entzückt. Tante brachte sich die heftigsten Kopfschmerzen und so fuhren wir wieder nach hause. Das Mädchen ist auch gekommen, sie ist nicht schön doch der wahre Tipus des Dachhauer Medchens spricht sich in ihrem Gesicht aus und damit ich so viel wie möglich von der Kleidung sehe wird das Bild beinahe so groß wie ich bin. Ich male sie prima und muß mich sehr sputen, da sie Sonntag wieder abgeholt wird. d  : 21 Juli Die Fülle meiner Gefühle und Gedanken ließen mich kaum zu mir selbst zurück kommen, es ist das seltsamste Gemisch von Freude und Schmerz in mir ich könnte weinen heiße süße Thränen der Wonne der Freude und des Kummers o, könnte ich sie nur fließen lassen an Eurem Halse um Euch fühlbar zu machen was ich für Euch empfinde. Nie noch | ist’s mir so klar bewusst geworden wie das Gute bei dem Bösen und das Schöne neben dem Schmerz liegt wie seit gestern nachdem ich den großen Reichthum an Briefen gelesen. Besorgnisse und Befürchtungen für Euch haben sich Centnerschwäre auf meinem Herzen gelagert die Freude über das junge liebe Brautpaar erhebt mich für Augenblicke wieder aus dieser tiefen Sorge. Es ist doch was schreckliches daß eine solche Weite zwischen uns liegt, Briefe in jetziger Zeit können mich nimmer beruhigen  ; aber was hilft das Klagen  ? Gott wird alles zum Besten leiten  ! Mizchen Braut, Schwarzchen mein Schwager und Bruder  ! wie schön wie herrlich klingt dies nur ist mir so recht leid daß die Schwester nicht zu hause diesen liebenswürdigen Streich spielte um den ersten, glücklichen Taumel ihres Glückes im Kreise der treuen Aeltern und Geschwister zu genießen.

186 Das Werk befindet sich heute in der Münchner Neuen Pinakothek in der ständigen Ausstellung. August Riedel, Judith, 1840, bez. u. re.: »A. Riedel Roma 1840«, Öl auf Leinwand, 131 × 96 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. WAF 826. 187 Der Maler August Riedel (1799–1883) lebte ab 1832 überwiegend in Rom und wurde später der Lehrer Julie Hagens. Zu Riedel vgl. Schaper, 1962 und Schaper, 1985, zur Judith vgl. Rott, 2003, S. 286, sowie Peter Forster, Zwischen Tradition und Moderne, August Riedels Judith von 1840, in  : Forster, 2013, S. 45–53.

190 | Die Briefe Ich erinnere mich des Sonntags, es war der 9te hiesigen Styls wo Ihr in Liebe Schwarz als Sohn und Bruder an der großen Familienkette anreihtet, ich dagegen war müde und ich glaube betrübt doch ohne Grund wie ich Euch schrieb. Soll ich hier nicht wieder denken daß unsere Seelen in einer Verbindung stehen  ? denn Ihr habt ohne Sorge öfters als je an mich gedacht und fürwahr habe ich wieder einen Grund mehr die Schuld meiner Sehnsucht auf Euch zu wälzen, kann ich dafür daß unsere Geister in Verbindung mit ein ander stehen  ? Das Entgegensehen des nahenden Feindes188 ist gräßlich ein Mittel gegen diesen ist vor Jahren hier angewand und mit großem Erfolg nämlich so viel kaltes Wasser zu trinken und Eis zu essen wie man mir sagte verhindert daß der Brant das Eingeweide verzähren kann, ich habe selbst Damen gesprochen welche auf diese Weise ihr Leben erhalten. Das Porträt von Schwarz hat uns viel Freude gemacht und zu neuem großen Dank verpflichtet mich Herrmann das liebe Bild hängt auch schon im Gold­ rahmen Tante und Onkel waren höchst erfreut.189 d  : 22 Juli 48 Heute ist schon wieder der letzte Arbeitstag der Woche und ich mit heftigen Kopfschmerzen geplagt  ; indes ich hätte Euch dies nicht melden sollen ich bemerke wie Ihr Euch um solcher Kleinigkeit willen sorgt und namentlich fürchtet daß durch starke Ansträngung dies her vor gerufen wird. Ich glaube kaum daß es der Fall | ist obgleich ich nicht leugne mich recht scharf an meine Staffelei zu halten  ; doch das kann nicht anders sein, gilt es nun einmal heiter und froh in eine sichere Zukunft zu blicken. Dann muß ich freilich mich tummeln und die Arbeit thut mir wohl  ; ich bin nirgend freudiger gestimmt als wenn ich nicht an mich denke gewinne ich erst Zeit an mein armseeliges Ich zu denken dann komme ich leicht auf tausend andere Dinge die mit mir und Euch in Verbindung stehen. Die Malerei ist wirklich die jenige Beschäftigung welche ich die egoistische nennen möchte da alles fast zurück treten muß, nur ihr muß jede Aufmerksamkeit gezollt werden. Mize heirathet und wird glücklich sein  ; und ich werde malen und hoffe auch glücklich zu bleiben, dabei wünsche ich mir daß ich so viel verdiene um meine Geschwister wenn sie es bedürfen unterstützen zu können und die beiden Jüngsten ganz als mein Eigenthum zu erziehen. Dies ist die heiligste Pflicht die ich mir auf erlegt was in meinen Kräften steht will ich für die Meinigen einst thun. Gott wird mir darin Kraft verleihen. Meine theuren Ältern  ! Ihr könnt mit Zuversicht auf mich bauen, nützen will ich in der Welt wenn nicht das launenhafte Schicksal es anders will. – Das meine kleine Rembrandt nicht gefällt wundert mich im Ganzen nicht die Leutchen sind nicht gewohnt das Ideal in einem alten Meysterwerk zu finden, 188 Die Cholera. 189 Der Verbleib dieses Bildnisses ist nicht bekannt.

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gefällt es doch Dir das ist mir ja genug, ja alles und ich bin stolz da es auch zu meinen Lieblingen gehört. Ich habe die Absicht Euch einige Arbeiten in nächster Zeit zu schicken über welche Ihr Euch vielleicht mehr freuen werdet, als über den kleinen Knaben. Der Kopf der Dachhauerin ist fertig und zwar prima gemalt die reiche Kleidung mußten wir auf der Gliederpuppe malen da sie wieder schon fort ist. Bernhardt schien ziemlich zufrieden zu sein ich freue mich auf dies Bild und wenn ich vor das selbe stehe und arbeite komme ich mir ordentlich großartig vor, eine Leinwand vor mir zu haben hinter welcher ich mich ganz verstecken kann. Man muß nur versuchen was zu thun um seine Kraft zu kennen. Vor 3 Monaten hätte ich mir nicht getraut daran zu denken ein Bild zu malen und am Ende mag ich jetzt kaum daran zu denken ein gewöhnliches Portrait zu malen  ; führwahr wieder ein Beweis wie die Menschen und die Zeit sich verändern, ich sage die Menschen verändern sich in der wechselnden Zeit, ja dies glaube ich an mir selbst bemerkt zu haben – in manchen Dingen denke, fühle und handele ich anders als daheim, ob das recht oder beßer ist weiß ich zwar nicht. – Ultramarin habe ich recht viel | Du hast nicht nöthig mir welchen zu schicken, ich bin äußerst sparsam damit und werde mich gewiß gleich melden sobald er ausgegangen ist. Gestern erhielt ich für zwei Porträt’s ein kleines Geschenk welches in einem silbernen Armbändchen besteht und mir Freude machte. Wäre es eine beßere Armspange dann würde ich sagen  : sie gehört Mize allein so will ich sie dann einer meiner jüngeren Schwestern geben derjenigen welche sie am liebsten hätte. Ich will sie nicht tragen da solcher Schmuck meiner Person zuwider steht. – Die Zeitungen bringen keine Nachrichten über die Cholera, o, grässliches Zeichen  ! ich befinde mich in entsetzlicher Unruhe. Als ich auf der Straße um ½ 2 Uhr Vorgestern Schwarzens Brief190 las, auf dem Wege ins Attelier und Thränen der Wonne weinte wurde ich plötzlich durch das Anreden einer Männerstimme aufgeschreckt und ich wurde da erst gewahr daß ich mich auf der Straße befand. Es war der Baron Uexkül Secretär der russischen Gesandschaft welcher mir die Anzeige machte daß meine Bitte betreff meines Paßes mir abgeschlagen sey und ich möge mir meine Antwort von der Kanzelei holen, – ich bin aber noch nicht hin gegangen und was soll ich auch mit dem Lumpen Papier machen  ? Und doch muß ich hin gehen mir ist’s recht eklich. – Wo soll ich denn nun das Geld her nehmen meinen Paß zu bezahlen  ? Bleibe ich länger noch hier wie es wahrscheinlich, so muß ich für 3 Jahre 150 R. S. geben, Sündengeld  ! Der Vetter Xafer ist avansiert zum geheimen Secretären und noch ist seine Hochzeit nicht gewesen. 190 Dieser Brief hat sich nicht erhalten, jedoch eine Briefkladde dazu (siehe im Anschluss an diesen Brief). Ludwig Schwarz hat öfter Briefe vorgeschrieben, um sie dann ins Reine zu übertragen, und diese Entwürfe aufbewahrt, wodurch sie in den Nachlass der Familien Hagen und Schwarz gelangten (ehemals deponiert im Tartu Art Museum, heutiger Verbleib unbekannt).

192 | Die Briefe Die Braut ist sehr krank geworden, ich glaube sie ist auf dem besten Wege zur Schwindsucht und hat ins Bad müssen der arme Jung  ! ich habe ihn seit Monaten nicht gesehen. – Marianne Otto auch Braut, es scheint ja ordentlich Krankheit in Dorpat zu werden ich will nicht fragen daß es der schielende Witte191 ist  – schreibt mir doch darüber genaues. Und nun kann ich mir erklären die zweideutigen Reden welche sie gegen mich that als wir vor zwei Jahren nach Deutschland reisten. Ich strebte nicht nach der Beklommenheit ihres Herzens zu forschen sonst hätte ich wohl schon damals in dieses Geheimniß einen Blick gethan  – wenn es der schielende Witte ist muß ich gestehen daß mir dieses Brautpaar nicht schön erscheint in deß das soll es am Ende auch nicht, ich gebe ihnen meinen Segen. | Sonntag d  : 23 Juli 48. Ich arbeitete heute eine Stunde im Attelier und sah mir bei der Gelegenheit das letzte Bild an welches ich besonders Euch schicken möchte und fand daß es noch nicht so weit trocken ist um verpackt zu werden also wird es noch einige Zeit dauern bis ich sie abschicken werde können auch, Tante habe ich nicht gezeichnet ich habe sie nun wieder sehr gebeten und ich will sehen ob sie sich entschließen kann.  – Tante quält sich wie sie es anfangen soll der Mize eine kleine Aussteuer zu schicken, sie hat die Absicht selbst zu schreiben und dann zugleich darin von Euch sich einen Rath aus zu bitten. Obgleich es noch mit dem Heirathen Zeit hat so freut es mich doch sehr daß Ihr armen Aeltern unterstützt werdet. Mein Heirathsgut ist von der Tante und Onkel mein Studium und werde ich einmal glücklich dadurch wie ich sagte so kann ich wirklich nur einzig durch Zufriedenheit der Tante und dem Onkel danken, denn wäre ich im vergangenen Jahre nach Hause gekommen so wäre ich unglücklicher als wenn ich nie in Deutschland gewesen. Die Tage nehmen gar gewaltig an Länge ab, um 9 Uhr ist die Sonne bereits schon unter und man ist nicht mehr im Stande sich ohne Licht zu beschäftigen. Der Mize werde ich anfangen ein Kochbuch zu schreiben worin alle Speisen vorkommen werden welche ich hier eße. Wie weit ist denn Schwarz mit seinem Entschluß betreff der Reise nach Sibirien  ? Tante beschäftigt sich mit dem Gedanken ihn hier in der Sternwarte anzustellen da er ja noch Deutscher ist, und großer Vortheil für Mize da sie von den Ketten der russischen Gewalt durch ihn befreit wird. d  : 24. Gestern nachdem dann Tante ihr Mittagsschläfchen gehalten bat ich sie nur wieder mit erneuter Kraft daß sie Euch doch die Freude machen möchte und mir zu einer kleinen Zeichnung sitzen. Ich bat unter Thränen und dies half – kaum aber hatte ich begonnen so kam Besuch und es hatte wieder ein Ende. Heute wollte ich daher nicht ins Attelier ging aber doch indem Tante ewige 191 Vermutlich Friedrich von Witte (1822–1879), der zu dieser Zeit in Dorpat Jura studierte.

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Gänge zu machen hatte. Eben bin ich heim gekommen und erfahre daß meine Tirolerin gar nicht fort gewesen ist sondern immer noch hier weilt. Tante war nämlich im Vorbei|gehen zu ihrer Mutter gegangen um sich nach ihrem Wiederkommen zu erkundigen. Es ist doch recht ärgerlich  ! Nun hat sie versprochen morgen zu sitzen da sie Sonnabend dann wieder fort will. Die Dachhauer Tracht, welche ich an eine Gliederpuppe gethan muß nun liegen und stehen bleiben und ich muß diese dumme Person wieder vornehmen. Es häufen sich die Arbeiten über Arbeiten daß ich nicht weiß wo ich die Zeit hernehmen soll. Eine Frau von Wild will sich ihrem Mann zum Geschenk machen und ich versprach d. h. sie für Geld zu malen wie soll ich dies aber anfangen  : Die Tirolerin eilt fort, Die Dachhauer Tracht muß ich zurück geben, die Frau will zu einem bestimmten Tage fertig sein, alles drängt sich bis auf einen Tag zusammen. In dieser Zeit habe ich um 7 Uhr begonnen und um 7 Uhr aufgehört zu arbeiten jetzt that es Noth noch früher anzufangen. Tante gibt Euch das Versprechen das nächste Mal gewiß ihr Gesicht zu schicken, denn jetzt, wie Ihr selbst einsehen werdet ist mir keine Zeit gegönnt. Alles kommt um mich daran zu verhindern. Es ist mir schrecklich leid, jetzt nachdem ich die Tante soweit gebracht Euch nun nicht diesen Gefallen thun zu können. Seit heute früh habe ich nun wieder Hoffnungen eine Reise ins Gebirg zu machen im nächsten oder über nächsten Monat, da sich die Zufriedenheit des Landes so ziemlich her zu stellen scheint  ; wenn die Cholera sich nur nicht nach Dorpat verfügen möchte und Ihr zu frieden gesund und glücklich leben möchtet dann würde ich mich ganz dieser Hoffnung hingeben. Der Mize sagt doch daß sie ja sich nicht einfallen lassen möchte sich eine so feine Haube zu häkeln wie die der Tante  ; Ich werde ihr dagegen einige recht schöne Bordürte mit bringen. Ich komme eben darauf sie zu bitten, da ich im Nebenzimmer sie so sehr loben höre  ; sie wird jeder Dame als großes Meisterwerk gezeigt und ich sehe sie dann auch immer wieder mit erneuter Lust an. d  : 25. Abends, Morgen in aller Frühe will ich diesen Brief auf die Post bringen deshalb noch einige Worte von dem Schlafengehen. Die Zeitung hat die so sehr furchtbare Kunde gebracht daß nun wirklich in Riga schon die Cholera ist und wahrscheinlich auch schon bei Euch, welche Sorgen mache ich mir Euretwegen, ich kann Euch meine Unruhe nicht schildern es ist nur gut daß ich so viel, so viel zu thun habe sonst müßte ich vergehen. Mir erscheint die Zeit, seit ich Euren Brief erhielt schon so entsetzlich lang daß mir ist als müßte ich jeden Tag wenn ich nach Hause komme Briefe vorfinden. Ich wünsche es jetzt nicht da mir’s ein böses Zeichen wäre aber doch suche ich unruhig auf allen Tischen ob ich nicht irgend was neues liegen sehe. Ja, diese Woche hoffe ich die Bilder abschicken zu können mit dem Dampfschiff Düna, da wird es freilich eine Zeit lang dauern bis sie zu Euch gelangen. Bernhard ist auf zwei Tage aufs Land gegangen seit heute. Er freute sich als ich ihm sagte daß ich den Winter noch hier bleiben würde er

194 | Die Briefe sagte  : Nun machen sie doch eine Schule ganz durch während sie nur irre werden wenn sie irgend wo anders noch Unterricht nehmen. Onkel Ignaz hat geschrieben und doch kann ich gar nichts über ihn sagen er hat nur den Onkel um Geld gebeten und sonst läßt er nichts von sich hören. Die beiden Tanten sind wohl und grüßen herzlich. Eben bringt mir die Tante ihren Brief aber verkleistert und sagt mir ich dürfe ihn nicht lesen, es ärgert mich beinahe. – Meine übrigen Geschwister Großmutter und Tanten grüßt herzlich Freunde und Freundinnen sind auch gegrüßt. Was wird Schirren machen  ? ich fürchte für so viele, viele liebe Personen – Schreibt Ihr ihm dann grüße von mir sowol ihn als seine Mutter und Schwester. Herrmann sagt meinen herzlichsten Dank, gebt ihm einen recht herzlichen Kuß in meinem Namen ich will ihn wiederholen wenn ich heim komme. Minna Sturm und Wachters wie immer herzliche Grüße. – Letzteren schreibe ich bald. Nun kurz  : Bleibt Mize bei Ihnen  ? Ottilie von Paumgarten an August Matthias und Johanna Hagen, geb. von Paumgarten, aus München, 24.7.1848 (mit dem Brief von Julie abgeschickt) München den 24ten July 1848

Meine sehr Lieben  ! Schwager und Schwägerin Auf Ihre freundlichen Zeilen von 16/28 April antworte ich erst heute – verzeihen Sie mir – das Unrecht erkennend will ich auch keine Entschuldigung vorbringen sondern Sie neuerdings versichern, daß unter allen Zeitverhältnissen, sie für Julie keine Sorgen haben dürfen. Was zu ihrer künstlerischen Ausbildung nöthig, wollen wir so viel und möglich mit Liebe beitragen  ; für das geselige Leben können wir beide nicht viel thun, da wir zwey Eheleute schon so ganz zurückgezogen lebten  ; Nun geht es schwer sich wieder darein zu finden. Darum finde ich es ganz natürlich wenn Julie oft sehnsüchtig der Ihrigen gedenkt und die angenehmen Abendstunden bei der brummenden Theemaschine so sehr vermißt. Julie versichert mich zwar die Lust zur Arbeit gibt ihr Zerstreuung, ich muß aber auch manchmal recht ernst ihr zureden daß sie gar nicht so viel dabei sitzt. Die unruhigen Zeiten haben ihr recht viel Sorge für den Norden, für die theuren Eltern und Geschwister gemacht, ich tröste | zwar, doch war mir die Sorge sehr erklärlich wenn ich denke, wie es vor 2 Jahren war als Julie ihre Heimath verließ, wie jetzt ganz anders, man möchte glauben ein Menschenleben läge dazwischen. Die Zeit ist doch gewaltig furchtbar mit ihren Schwingungen. Nun müssen auch noch die schrecklichen Nachrichten über die Cholera kommen, diese bringen ihr nun Angst und Sorge, daß auch Dorpat heimgesucht werden könnte wir trösten so viel wir können, und müßen es als Prüfung nehmen die der Himmel schickte, ich möchte fast sagen der Herr hat die Schwere seines Armes ausgestreckt und gießt die Schaale seines Zornes über das sündige Menschengeschlecht, denn so, wie gegenwärtig alles durch-

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wühlt ist, war es noch nie – und es bleibt uns Ansonsten in diesem furchtbaren Kampf auch kein Rettungsanker als dem gläubigen hingebenden Aufblick nach Oben – nur von daher kann Hilfe kommen – so wollen wir denn auch Vertrauen daß der liebe Gott Ihnen dort, und auch hier vor der Cholera beschützt, und uns an Erzherzog Johann für Deutschland einen Retter gesendet. Dann gebe ich die Hoffnung nicht auf, Sie meine lieben noch persönlich kennen zu lernen, jetzt ist wohl nicht daran zu denken aber wenn alles ruhig und mit Gottes Gnade wird sich alles ändern – dann gewiß | dann giebts keine Fernen mehr. – Sie haben nun ein freudiges Familien Ereignis gefeiert. Carl gratuliert mit mir von Herzen, und Gott gebe seinen Seegen in der reichsten Fülle dazu, möchten die jungen Leutchen auch recht bald Hochzeit haben können. Die Entfernung macht es umständlich der Emilie ein kleines Hochzeitsgeschenk zu schicken, daher müssen Sie erlauben daß wir dafür einen Wechsel ausstellen, haben wir hier ein Haus gefunden daß in Russland’s dortigen Gegend Geschäfte macht, so wird Ihnen Julie gleich anzeigen, und bitte dann nichts als die Anzeige des erhalten an Julie zu machen, wenn Sie ohnedies an sie schreiben. Mize möchte es als Andenken von uns nehmen. – Mein Portrait erhalten Sie auch dieß mal nicht, sein Sie doch nicht böse darüber ich gestehe, es würde mir sehr schwer der Julie zu versprechen ihr zu sitzen, weil ich zu gut weiß, daß aus meinem Gesicht nichts zu machen ist.  – Nun leben Sie recht wohl, Gott erhalte Sie alle recht gesund, und nehmen Sie die herzlichsten Grüße von Ihrer gewiß aufrichtigen liebenden Schwägerin Ottilie Carl fühlt und denkt mit mir, und gibt herzliche Küsse. Unseren zukünftigen Neffen Hr. Schwarz bitte unsere innigsten Grüße zu sagen, und sagen Sie ihm doch, ich möchte ihn so gerne hier im Gruithiusen192 Stalle wissen. | Auf der Rückseite des Briefes der Tante Vermerk von Julie Hagen Dieses ganze Blatt kann ich noch voll schreiben und ich möchte es thun so gern, so gern wenn ich nur etwas anderes zu schreiben wüßte das nicht in mir lebt, jetzt aber findet kaum ein anderer Gedanke platz, als die Cholera und immer wieder Cholera, soll ich Euch noch viel klagen  ? O, nein Ihr habt doch Jammers schon selbst genug. Ich scheide so schwer, so sehr ungern von diesen Zeilen noch nie ist mir so zu Muthe gewesen. Unter Thränen nehme ich von Euch abschied, verzeiht mir daß ich so dumm bin zu weinen ehe noch Gefahr da ist, 192 Der Arzt Franz von Paula Gruithuisen (1774–1852) hatte den Lehrstuhl für Astronomie an der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Er hatte vor allem Aufsehen erregt mit seinen Berichten über »viele deutliche Spuren der Mondbewohner« (1824).

196 | Die Briefe aber ich kann nun einmal nicht anders und ich will am Ende auch nicht einmal ruhiger sein. Lebt wohl  ! Bleibt um Gottes Willen gesund  ! Eure Tochter Julie Den Brief auf bläulichem Papiere gebt doch dem jungen Brautpaare, meinen lieben Geschwistern. Lebt wohl  !  ! Julie Briefkladde Ludwig Schwarz an Julie Hagen aus Dorpat, 1848 Meine liebe, liebe Julie Ich würde mich wahrhaftig nicht beklagen dürfen, wenn Sie mich zu den Gewesenen zählen würden, und vielleicht nur noch meinen Namen im Gedächtniß zurückbehalten hätten. Denn meine Unart übersteigt in der That alle Grenzen, innerhalb derer nach Verzeihung für dieselbe zu hoffen steht –, Ihnen, die mir stets so viel Theilname bewiesen, innerhalb eines ganzen Jahres und noch mehr auch kein einziges Wörtchen zu schreiben. Aber ich versichere Sie, es war mir nicht möglich, je einen Brief zu Ende zu bringen. Ist der Mensch mit sich selbst, oder mit den Verhältnissen im [gestr.: Zweispalt] Kampf, so mag er im Allgemeinen geneigt sein sich [gestr.: eines Freundes oder einer Freu] einer befreundeten Seele mit zu theilen und durch gemeinsame Anstreng[un]g[en] den Kampf vielleicht siegreich zu Ende zu führen, aber mir war dieses bis jetzt nicht möglich  ; ich bin in solchen Zeiten schweigsam und verschlossen und jeder Versuch, aus diesem Zustande heraus zu treten, fällt schlecht aus. Aber jetzt, wo in meinem Leben eine Wende zuakt ist, wo ich ein großes Ziel errungen habe, jetzt drängt es mich, Ihnen, meine liebe Freundin, mein Glück mitzutheilen, Sie um Vergebung für meine Unart und um Ihre fernere Theilname zu bitten. Mietze ist meine Braut  ! Diese meine Worte, so einfach sie da stehen enthalten Ach den ganzen Himmel voll Seeligkeit, der in meinem Herzen ist und sollte ich Jemanden den Grund meines namenlosen Glückes sagen, so würde ich Alles nicht besser zusammenfassen können als in den Worten Mieze ist meine Braut. [gestr.: Liebe Julie] Und wie sollte ich es auch wohl anfangen, die Gefühle zu schildern, welche mein ganzes Sein ausfüllen  ? [gestr.: der Mensch, welcher die Seeligkeit nicht nachfühlen kann, die in jenen Worten liegt] Und wozu thue ich das  ? Sie, liebe Julie werden mir die Seeligkeit nachfühlen können, welche in jenen Worten klingt und mehr braucht es ja nicht. Dieses Verhältniß zu Ihrer Schwester bringt mich auch Ihnen näher und wenn ich einen großen Theil Ihrer Gunst durch meine Unart verscherzet {Hier endet der Brief.} (Farbabb. 7)

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Julie Hagen an Emilie Hagen und Ludwig Schwarz aus München, 20.7.1848 München d  : 20ten Juli 48

Meine lieben, meine theuren Geschwister  ! Nicht wird mir möglich mich aus dem Wust der verschiedenartigsten Gefühle und Empfindungen zu reißen um mich in einige, ich möchte sagen nur aller nöthigste Ruhe herabzustimmen damit ich im Stande wäre Euch meine reinsten freundlichsten Glückwünsche zu bringen – ich bin aufgeregt ganz fürchterlich und deshalb müßt Ihr verzeihen wenn nicht ich schreibe, wie Ihr zu wünschen berechtigt seit. – Aber hättet Ihr mich vor wenigen Stunden gesehen, hätte ich sagen können was ich fühlte, welches große große Glück ich empfand als ich Eure beiden Briefe gelesen, dann würdet Ihr vielleicht mich sogar bitten nicht zu reden da das Gefühl, der Gedanke der innersten Seele zehntausendfach reiner und erhabender ist als jedes Wort. Die beiden Briefe aus der Heimath wurden mir auf dem Wege in mein kleines Attelier überbracht – ich erkannte sogleich die Hand meines lieben Freundes obgleich ich dieselbe schon lang nicht mehr sah und ein ahnungsvolles Gefühl sagte mir daß eine frohe Bothschaft mir durch ihn werde. Es war ein heißer schwüler Nachmittag, Studenten, Soldaten Leute aller Art ergingen sich in dem Schatten der alten Linden und Kastanien des Hofgartens unter welchen ich täglich mindestens 4 Mal wandele, doch dieses sollte dies Mal mich nicht hindern meiner Neugierde zu willfahren – ich laß und brach in Thränen aus, es waren Thränen der Wonne  ! O, theure Mieze, theurer Schwarz wenn Ihr wüßtet wie nah ich mich | mit einem mal Euch glaubte  ; mir war’s als brauchte ich nur meine Arme nach Euch aus zu strecken  ; denn ich empfand noch nie ein Glück so rein, so ganz ohne einer entfernten Beimischung von Bekümmerniß. Glühend und in fieberhafter Aufregung kam ich in mein Attelier an und wußte nun nicht was thun, ob lesen, ob malen  ? Für das Erstere sprach freilich das Herz lebhaft  ; allein der Verstand siegte und ich malte, wie schwer es mir wurde das werdet Ihr leicht mir nachfühlen können. Und jetzt, wie bin ich froh der Stimme der Vernunft gefolgt zu haben denn all zu bald nur mußte ich aus meiner wirklichen Seeligkeit mit Grausamkeit gerißen werden. Die Nachrichten des Vaters, das Bedenkliche der Cholera hat mich fast zerknirscht – ich weine Thränen der Wonne, ach und auch Thränen der Trauer  ! Könnte ich bei Euch sein, dürfte ich nur einen einzigen Augenblick hinüber zu Euch um mich von dem zu überzeugen was mein sehnlichster Wunsch war. – Meine lieben theuren Aeltern  ! Wie freut’s mich für die daß sie die Freude erleben doch eine Tochter an einen so lieben braven Mann versippt zu wissen und daß sie gern Eure Liebe gebilligt das hätte ich schon lang Euch verrathen können wenn Ihr mich zur Vertrauten Eures Geheimnisses gemacht hättet. Daß der gute Vater des Geredes wegen vorsichtig war ist gut. Denn

198 | Die Briefe hat er nicht in den langen heißen Jahren seines Lebens manche bittere Erfahrung | gemacht  ? und kann man denn immer klar und deutlich das wahre Gefühl des menschlichen Herzens erkennen  ? – o nein  ! nicht immer gelingt es uns. – Es ist schon spät und immer noch fühle ich keine Neigung zum Schlaf  ; doch es schlägt eben 1 Uhr und ich muß mich zwingen einige Ruh zu finden Gute Nacht, meine theuren Geschwister  ! d  : 21. Früh Morgens. Gestern Abend verließ ich diese Zeilen um mich für den heutigen Tag zu stärken. Aber lang währte es ehe mich ein sanfter Schlummer in seine Arme nahm. Im Bette halb angekleidet betete ich für Euch für das Wohl meiner Aeltern und Geschwister, betete daß Gott Euch glücklich erhalten möge Euer ganzes künftiges Leben und daß Ihr nie Gelegenheit haben möchtet zu bereuen den großen entscheidenden Schritt. Ich hatte so lang gebetet bis ich darüber ein schlief und auch mit gefalteten Händen erwachte. – Wie seltsam ergreift’s mich wenn ich bedenke welche verschiedenartigsten Regungen unsere Herzen gegenwärtig beherrschen, Du liebe Schwester lebst mit Deinen Gedanken in Dir und Deinem Schwarz, ich aber außer mir in meiner Kunst. Du kannst nicht schlafen vor dem Übermaße des Glückes, das Dir durch Schwarz geworden und ich kann manche Nacht nicht ruhen vor Besorgniß des Mißlingens einer Arbeit. Solche und viele andere Betrachtungen wälzen sich mir auf und führen auch dann zurück einen Blick in weite Vergangenheit zu sehen  ; ich erschrecke dann daß Vieles | sich geändert und namentlich daß Ihr die mir in nächster Nähe standet nun so fern seit und ich an Allem was Euch begegnet nur so geringen Antheil nehmen konnte. Doch nun zur Arbeit, es ist zwar erst 7 Uhr allein ich muß rasend fleißig sein wenn ich einst was leisten will, lebt wohl  ! Abends  : Mein Brief ist zwar sehr kurz und denn noch habe ich schon in mehr als einem Absatz an dem selben geschrieben. Er wird auch Euch wie mir nicht wie ein ganzes, sondern wie ein recht zerstückelter Brief vorkommen indeß ich hoffe Nachsicht, einem jungen zärtlichen Brautpaare erscheint ja Alles was sich ihm außerhalb bewegt gleichgültig und so wünsche ich auch jetzt daß Euch gleichgültig sein mag, in welcher Form und Gestalt meine Glückwünsche zu Euch gelangen seit Ihr doch gewiß daß sie gut und wahr von ganzem Herzen Euch gereicht werden. Je mehr ich an Euch denke desto mehr ist mir es als träumte ich uns und dann sage ich mit lauter Stimme mir vor was ich eben glaubte zu träumen um mich von der wirklichen Wahrheit zu überzeugen und mir stürzen dann von neuem Thränen aus den Augen. Sie lieber Schwarz haben mir versprochen einen zweiten Brief zu schreiben in welchem Sie mir alles Leid und Freud mittheilen wollten das Sie vor dem 27ten erlebt  ; allein gewiß erkannten Sie noch nicht das Mißliche Ihres Versprechens als Sie ihn mir gaben  ; denn so sehr ich auch wünsche alles zu erfahren so sehr kann ich aber nicht hoffen daß Sie mir ein solch großes Opfer bringen. Ich werde es als

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ein großes Geschenk an sehen wenn Sie mir schreiben doch sonst spreche ich Sie frei von Ihrem Versprechen. Lebt wohl und glücklich in glücklichen Tagen Eure aufrichtige Schwester Julie NB  : Sollte ich dieses Mal nicht mehr dazu kommen meiner Emma und Fanny zu schreiben so grüßt sie auf das aller freundlichste wie auch alle Rieckhofs. An Fanny habe ich übrigens schon lang begonnen einen Brief zu schreiben der aber liegen blieb. Lebt wohl  ! – Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 30.7.1848 d  : 30 Juli 48 Meine theuren geliebten Aeltern  ! Gestern Abend schon nahm ich mir’s vor heute Euch zu schreiben, aber was  ? Das wußte ich freilich nicht und ich gab mir auch gerade keine Mühe um etwas zu finden  ; ich wollte schreiben um eben nur zu schreiben. Es ist so lächerlich wenn der Mensch sagt  : »ja, was soll ich schreiben  ?« – namentlich erscheint es mir dann lächerlich, ja, fast unbegreiflich wenn jemand diese Frage thut sobald es eine schriftliche Unterhaltung mit irgend einer verwandten und nah stehenden Person sein soll. Ich find, daß nicht Erlebnisse, Begebenheiten und dgl. mehr die Hauptsache eines Briefes sein sollten sondern nur als Zugabe zu dem was das eigentliche, das innere Leben eines Menschen betrifft. Darum schreibe ich nicht gern Briefe an Personen die mich nicht kennen. Es ist Sonntag und ein recht heißer. Es ist Abend geworden und mein Vorsatz, den ich gestern Abend gefaßt und mich darauf gefreut ist bis zu diesem Augenblick unausgeführt geblieben ohne meine eigene Schuld. Ich wollte es wäre ein halbes Jahr vorüber, und warum  ? Dann ist die Cholera hoffentlich nicht mehr bei Euch  ; denn ich bin manches Mal in gräßlicher Unruhe. So lang ich arbeite geht es so ziemlich aber des Abends wenn ich allein bin weine ich manche Thräne im Gedenken an Euch und die schreckliche Gefahr, in der Ihr Euch befindet, ich mache mir’s dann zum Vorwurf, daß ich am Tag bisweilen heiterer war als ich bei solchen Umständen sein sollte. Bilder, die schrecklichsten, weben sich in das Dunkel das mich rings um umgiebt und lassen lang mich nicht einschlafen. Künftigen Sonntag erst bekommt Ihr meinen Brief, eine schreckliche Länge der Zeit, kommt mir die Zeit doch jetzt schon wie eine ganze Ewigkeit vor, seit ich meinen letzten Brief an Euch abgeschickt. Die Zeitungen erzählen nichts von Dorpat aber Riga, da sind schon Opfer gefallen und es ist nicht nur möglich sondern wahrscheinlich daß die Cholera auch in Dorpat einzieht. Verzeiht mir liebe Aeltern wenn ich Euch sage, daß ich unruhig bin – ich weiß Ihr habt es nicht gern, doch weiß ich aber daß Ihr’s gern habt wenn man wahr und offen ist. –

200 | Die Briefe d  : 4 August 48 Bald sind es 8 Tage als ich diesen begann und heute will ich versuchen weiter zu schreiben. Die ganze Zeit ist vergangen ohne daß ich in der rechten Stimmung mich befand zu Euch zu wenden  ; obgleich auch heute diese erwünschte Stimmung fern von mir ist so muß ich doch schreiben indem ich fürchte daß dieselbe nicht früher wieder kommt bevor ich nicht Briefe von Euch habe und dann wäre es zu spät erst einen Brief anzufangen. Ich sitze in meinem Attelier, da ich heute kein Modell brauche sondern nur eine magere garstige Gliederpuppe benutze und diese mir gönnt am Schreiben Erholung zu finden. Da also | das Attelier, und mit ihr meine Arbeiten mir am nächsten liegen so beginne ich denn mit ihnen meine Unterhaltung mit Euch. Die Gliederpuppe steht mir heute damit ich an meiner Dachhauerin das letzte Stück Gewand male, den Stock und die Schätze. Das Bild hat mir lange Zeit gekostet und zwar aus verschiedenen Gründen. Sie, die Bäuerin selbst blieb nur so lang hier bis wir den Kopf fertig hatten, ihre Hände konnten wir so nicht gut brauchen und mußten uns deshalb um sehen um ein paar andere. Endlich, nach langem Suchen, gelang es der Tante eine zu finden – welche zwar nicht schöne Arme und Hände hatte aber Bernhardt meinte doch daß dieselben zu brauchen wären, also wir arbeiten frisch drauf los und siehe da als sie beide fertig waren sagt Bernhardt  : »nein, diese gehen doch nicht, sie müssen sich andere suchen.« Nun war unsere ganze Arbeit umsonst, unser Geld ausgegeben und unsere Zeit verloren. Das Kratzmesser welches ich schon oft gebraucht habe mußte das Mal scharf sein um alles weg zu kratzen. (Es ist Jahrmarkt, die sogenannte Toultzeit und da bequemt sich nicht so leicht jemand Modell zu sitzen) ich also hier auf habe drei Tage nichts gearbeitet und bildete mir nebenbei ein Erholung zu bedürfen. Jetzt also endlich sind die Arme gemalt aber doch auch nicht schön. Die Bäuerin bekommt einen Korb in die Hand in welchem sie entweder Früchte oder Blumenkohl trägt. Als Ferne werde ich München malen. Die Tirolerin, das dumme Mädchen hat einen Tag gesessen und hat darauf wieder mich sitzen lassen, meinen Ärger darüber brauche ich nicht erst zu beschreiben. – d  : 5 August Jetzt solltet Ihr mich sehen. Ihr würdet herzlich Euch über mich amiesiren. Ich sehe do drollig aus wie ich in keiner Tracht aussehen kann, nämlich die Dachauer Tracht habe ich angethan um meiner Kleinen (die Lattner) zur ganzen Figur zu stehen, sie wie ich wünschen uns gegenseitig zu sitzen, es wird ein ganzes Bild doch klein etwa 2–3 Fuß hoch. Zu Mittag bin ich hier geblieben um nicht diese schwere Tracht aus ziehen zu dürfen und da kochten wir uns denn Thee, eben sind wir mit dem Trinken desselben fertig geworden und wahrlich es sah malerisch aus wie wir beide unser Mittagsbrod einnahmen. Ein Tisch, worauf Farbentopf, Pinsel, Paletten, Laugen alle gestreut herum lagen sollte uns zum Trinken auffordern, unser Theegeschirr bestand aus einem Glase und einer kleinen Schüssel. Butterbrödte wurden hervorgesucht und unter gemüthlichem

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Geplauder setzten wir uns an den so verschiedenartig gezierten Tisch. Statt der Theelöfel hatte jede von uns unbewußt einen Pinsel zur Hand genommen um den Thee um zu rühren und verwundert | bemerkten wir das Drollige erst eine an der anderen und nachdem wir recht herzlich darüber gelacht, haben wir ernst uns darüber ausgesprochen wie schön es ist wenn der Mensch sich von solchen äußeren kleinen Dingen, die zur Bequemlichkeit des Lebens gehören unabhängig zu machen weiß. Die Lattner ist ein so prächtig gutes liebes Mädchen daß ich nur schwer mich an den Gedanken gewöhne sie nicht lang zu haben. Sie verläßt das Attelier und geht zu ihrem Vater nach Altötting welcher Theaterdichter ist und unter dem Namen Berger193 schreibt, dann bin ich die einzige Dame im Attelier. Bernhardt hat sich königlich über mich heute gefreut und hat öfter ausgesprochen  : »nein wenn Ihre Aeltern sie doch so sehen möchten  !« – Als ich zu Anfange der Woche ein paar Tage zu Hause war ging ich dann einmal mit der Tante auf den Markt (ich thue das gern wenn ich Gelegenheit dazu finde) und Tante handelte auf Hühnern, fand zu theuer was die Bäuerin verlangte, worauf diese sagte  : »es ist gewiß nicht theuer, sehen sie sie nur an, sie sehen ja aus, so weiß und weich wie die Hofdamen.« Ich war verwundert über die komische Art ihre Waren zu preisen und erfahre von Tante, welche es gleichgültig anhörte, daß das eine gewöhnliche Art sey die Hühner und Gänse zu vergleichen um sie höher im Werth zu stellen. – Sonntag 6ten – das Modell ist früher im Attelier als der Maler und so will ich denn die Zeit benutzen und Euch schreiben. Jetzt etwa findet die Huldigung für den Reichsverweser statt, die rauschende Musik, Pauken und Posaunenschall dringen bis an mein Ohr aber ich spühre nicht die geringste Lust den Spectakel mit an zu sehen. Gestern Abend ist dem lieben Bernhardt sein jüngstes Töchterchen gestorben. Er kann übrigens froh sein da das arme Kind einen organischen Fehler im Kopfe hatte und so lang es auf der Welt ist fast immer in Krämpfen lag. Der Vetter Xafer wird am Dienstage hier in der Frauenkirche getraut, er war bei Tante und Onkel und noch bei mir im Attelier um uns ein zu laden. Ich möchte wol hin gehen, allein ich fürchte es kommt nicht dazu indem ich zweifle daß Tante hin gehen wird. – Sieben Kinder sind in dieser Tultzeit abhanden gekommen welche von den Bereitern Zauberern e. c. gestohlen sind, man vermuthet wenigstens. 193 Karl Philipp Lattner (1793–1853), in Altötting geboren  ; um 1810–1820 studierte er Lehrfach und Musik, wandte sich als Schauspieler und Theaterschriftsteller der Bühne zu, 1824 heiratete er die Braunschweiger Hofschauspielerin Wilhelmine Pichler, 1837 kehrte Lattner nach dem Tod seiner Gattin in Bremen nach Altötting zurück, 1838–1853 war er als Komponist, Kapellsänger und Schriftsteller (unter dem Pseudonym »Berger«) tätig, am 10.6.1853 starb Lattner an einem Nierenleiden.

202 | Die Briefe Montag d  : 7 August. Gestern Nachtisch schlich sich mir unbemerkt eine wehmüthige Stimmung bei, die Lattner, der ich saß erzählte mir erheiternde Geschichtchen, doch solche Augenblicke, welche sich ohne Veranlassung herbei ziehen, lassen durch nichts sich | zerstreuen. Ich weinte nicht, aber ich sehnte mich nach Thränen später erst fiel mir ein daß Ihr ja meinen Brief erhalten habt, deshalb stärker an mich gedacht und dadurch meine Seele beunruhigt. Da ich wußte daß Ihr meinen Brief bekommen wurde ich heiterer, aber ging früh ins Bette überhaupt habe ich Ursache darüber zu klagen daß ich sehr früh schlafen gehe. d  : 10 August Abends Seit zwei Tagen schon drängt es mich Euch zu schreiben  ; allein ich kam nicht dazu. – Am 8ten also vorgestern feierte Vetter Xafer seine Hochzeit. Tante entschloß sich doch noch zuletzt hin zu gehen und ich war dann Brautschwester. In der Frauenkirche war die Trauung um 6 Uhr nachmittags und nach der Trauung fuhr man in ein Gasthaus um zu supieren. Nur die nächsten Verwandten waren zu diesem Feste geladen. Nach der Tafel wurde sogar recht munter getanzt bis gegen 12 Uhr. Auf Euer aller Wohl habe ich mit der Tante und den Vettern getrunken und dabei mehrere Champangner später recht lebhaft klirren lassen. Ich gedachte recht lebhaft an diesem Abend der Schwester Mize wie diese auch ein solches Fest feiern wird. – Eine Kiste mit 6 Arbeiten habe ich abgesandt, drei Copien und drei nach der Natur. Ich hätte 8 Tage früher sie auf die Post geben können oder sollen wenn eine unglückliche Idee uns nicht verleitet hätte so lang zu warten. Es hat hier nämlich jemand die Erfindung Dagürotipen auf Papier gemacht und Tante und Onkel und ich wollen Euch denn durch unsere Porträts eine Freude machen waren eines Sonntags bei ihm und ließen uns dagerotipieren. Dort konnten wir sie noch nicht sehen indem er 8 Tage brauchte um sie fertig zu machen und endlich als er sie uns brachte, war es ein Scandal, kein einziges ist zum Erkennen, und haben 6 Kronenthaler gekostet. Es ist abscheulich  ! – Was also meine Arbeiten betreffen  : Sie sind über die Post bis nach Stettin gesandt von wo sie vermittelst Dampfschifffahrt zu Euch gelangen und wahrscheinlich gleichzeitig mit diesem Brief. Die Magdalena, dann Cromwell und Wanderhelst’s eigenes Porträt sind die Copien, die einzigen welche ich hier hatte. – Dann noch nach der Natur sind  : ein kleiner Kopf auch nur auf einen Lappen, welcher unmittelbar | nach dem Knaben (den Ihr schon habt) gemalt ist (prima) und zu den besseren meiner früheren Arbeiten gehört Bernhardt aber mit dem Munde vorzugsweise nicht zufrieden, dann die Bachantin nun, und in welcher Zeit die gemalt ist wißt Ihr und wißt auch daß sie nicht fertig wurde, da das Mädchen München hat verlassen müssen. Ich schicke es Euch um einen ersten Versuch der Art zu zeigen. Es ist von oben bis unten auch prima gemalt. Endlich das Dritte die kleine Wäscherin deren Gesicht untermalt gewesen das übrige aber prima

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gemalt. Damit das Papier nicht ankleben sollte indem die Bilder alle noch frisch sind so bestrich ich es mit Butter also müßt Ihr sie wohl abwaschen, ich wollt sie wären schon bei Euch. – In dieser Zeit habe ich die Frau von der ich sprach untermalt und jetzt den Fruchtkorb der Dachhauerin, welcher heute fertig wird. Bernhardt war zufrieden. – Heute las ich einen Bericht über die Cholera in Riga welche recht arg wüthet unter der Zahl der Todten las ich auch die Namen meiner wenigen Freunde. Obgleich ich sie nur im Geiste las so hat es mich doch für den Tag betrübt – Gott geb es daß meine Befürchtungen falsch sein möchten. Sonntag d. 13. Aloys Rosner ist gestern nach Wien abgereist und will von da nach hause in seine Heimath um seine Ferien dort zu verleben er trug mir tausend Grüße an Euch auf. Ich fürchte daß der arme Junge nicht alt wird, er scheint ungeheure Anlage zur Schwindsucht zu haben.  – Die ganze vergangene Nacht habe ich mich im Traum mit einem Bilde beschäftigt das ich malen möchte aber mir fehlt das schöne Gesicht dazu und auch jetzt die Zeit. Zwei Untermalungen, Porträts müssen in diesem Monat fertig werden und im nächsten Monat, so weit Menschen voraus sehen können werden wir in’s Gebirge eine Ausflucht machen. In Moskau, was mögen die Brüder194 machen, was Amalie in Petersburg u Euer nächster Brief bringt mir gewiß einige Trauernachrichten. Ich erwarte denselben mit einer angstvollen Spannung. Jetzt da ich die Kiste mit meinen Arbeiten abgeschickt, jetzt thut es mir leid daß meine letzte Arbeit nicht dabei sein konnte. Es ist recht schrecklich daß die Welt so groß sein muß. Vom kleinen Schwarz, meinem lieben Schwager habe ich vor ein paar Nächten recht lebhaft geträumt, ich sah ihn an mich einen Brief schreiben  ; aber einen ganz kleinen kurzen. Miez­ chen ist nun wahrscheinlich nicht mehr bei Rieckhofs, denn Ihr habt ja auch schon den August wo die Schulen wieder ihren Anfang nehmen. Möchte sie nur wohl zurück gekommen | sein. Was macht denn die liebe alte Großmutter, was Tante Natalie und Tante Christina  ?195 Wenn Ihr ihnen schriebt dann vergeßt ja nicht immer die herzlichsten Grüße von mir hinzu zu fügen. Heute sitze ich der Lattner wieder zu den Händen, wenn das nicht sein müsste wäre ich zu den Tanten hinaus gegangen. d  : 17ten August 48. Gestern zu Mittag als ich nach Hause kam fand ich einen Brief nebst kleiner Kiste an mich adressiert und auch franciert vor  – ich besah das Siegel, es war ein föllig fremdes auch die Hand mir ganz unbekannt. Ich erbrach den Brief und las den Namen Brünning aus Kreutznach196 und nun war auch schon das Rätsel gelöst nun wußte ich auch mit Bestimmtheit daß das 194 Carl und Wilhelm Hagen lebten zu dieser Zeit in Moskau. 195 Großmutter Christina Hagen, geb. Busch (1772–1852), und die Schwestern des Vaters Friederica Nathalia (geb. 1796) und Christina (geb. 1800). 196 Marie von Bruiningk, die sich um diese Zeit auf Reisen u. a. in Kreuznach aufhielt. Sie musste

204 | Die Briefe Päckchen von Euch war  – behänd wurde auf gemacht und ich fand so schöne Sachen darin. Das Armbändchen ist mir das liebste von allem. Hab ich doch jetzt einen Theil, den unvergänglichsten Theil Eures Körpers  – Ich legte mir dieses liebe theure Andenken auch sogleich an und will es womöglich immer tragen.197 Was die große Menge Ultramarin betrifft da will ich auf Euren Brief warten der mir nähere Erklärung bringen wird, ob Bernhardt einen Theil bekommt oder nicht. Ich erwarte Euren Brief heute denn es sind 4 Wochen mit heute  ; – Dann finde ich auch Erklärung wie Brünings es angefangen doch nach Deutschland zu reisen ob bloß ein Zufall ihnen’s gestattet oder ob die Sperre aufgehoben  ? – Der Thee hat der Tante Freude gemacht obgleich fast nie welcher getrunken wird – jetzt nehmen wir uns aber vor öfter welchen zu machen. Die Brüning schreibt mir recht liebenswürdig, erzählt mir wie es ihr nicht möglich wurde das Kistchen von Berlin aus zu schicken und dasselbe ganz unten im Koffer lag und große Schererei bei ihrem kurzen Aufenthalt daselbst verursacht hätte – sagte mir, daß Ihr alle wohl seid und endlich  : wenn ich durch sie Euch etwas schicken wolle den Auftrag im September nach Berlin ins Hotel de Rom zu schicken. Ich muß ihr jetzt schreiben obgleich sie mir keine Adresse angegeben in Kreuznach. Jetzt gehe ich ins Attelier und hoffe wenn ich nach hause komm, Euren Brief vor zu finden. Nachtisch. Mit gespannter Erwartung eilte ich nach Hause, allein nichts, keinen geliebten Brief fand ich – noch will ich nicht klagen da er heute noch ganz gut kommen kann aber morgen | darf ich schon klagen wenn er aus bleibt. Wir haben Regenwetter dabei warm – Die Abende sind unerträglich kurz – gestern hat Tante und Onkel schon ihre gewöhnliche Winterabendbeschäftigung das Schachbrett hervorgeholt und eine Partie gemacht. Ich saß dabei ohne was zu thun  – ich verlor mich in manch schönen Traum und spielte während dessen immer mit der kleinen lieben Schlange. Da Brüning’s Pässe ins Ausland bekommen, so werden gewiß noch mehre ihrer Reisen machen  ; vielleicht habe ich noch die Freude ein bekanntes heimathliches Gesicht zu begegnen  – der Gedanke allein erfreut mich schon ungeheuer, um wie viel größer wird die Freude, das Entzücken sein wenn sich meine Wünsche erfüllen. – d  : 18ten August 48. Gestern kam also noch wirklich der ersehnte Brief – vielen tausend Dank dafür  ! Eure Berichte klingen freilich anders betreff der Cholera als die, der Allgemeinen Zeitung. Bis zu der Zeit ward Ihr noch verschont und wohl auch munter, wie es schien das war mir der einzige Trost  ! Ich kann mir nicht

später nach London emigrieren, wo ihr Haus ein gesellschaftlicher Treffpunkt der politischen Flüchtlinge war. Vgl. auch Anm. 121 und 450. 197 Es handelte sich um ein Armband aus dem Haar der Eltern und Geschwister.

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denken daß sie, da sie in so geringer Entfernung von Dorpat haust Euch umgehen wird – es wäre wunderbar. Gott gebe daß es so sey. Dein Porträt Du gute liebe Mutter198 finde ich außerordentlich ähnlich, der gute Herrmann wie hat er mich erfreut dadurch  ; ich werde ihm selbst schreiben. Dir danke ich herzlich daß Du Dich entschlossen hast können zu sitzen. Dein Ausdruck des Gesichts finde ich sehr wahr. – Ich bin so froh Dich nun auch hier zu haben, denn immer wenn ich vor meinem Bette stand und den Vater und die Geschwister begrüßte vermisste ich Dich und mußte es beklagen, mochte aber nie darum bitten indem Herrmann schon mehr gethan als ich je verdient. Es freut mich daß Mize sich erholt hat und nun kräftiger heimgekehrt. Dem Schwarz war ich jeden Sonnabend nach Weimastfer in einer Posttalage gefolgt und darauf den Sonntag mit seiner Braut in den Gärten und nahgelegenen Wäldchen lustgewandelt, hörte sie flüstern, lachen und scherzen – Wie ich aber jetzt sehe hatte ich mich getäuscht. – Mize schreibt mir von einer etwas verwachsenen Dame welche mich in Dresden arbeiten gesehen haben will, ich erinnere mich ihrer nicht ich kann mich nicht einmal des Namens erinnern. | Onkel Eduard199 wünscht also auch sich zu verhehelichen – nun es ist hübsch von ihm und unsere Familie scheint mit Gewalt sich vergrößern zu wollen – Wie sonderbar wird mir zu Muth sein bei meiner Rückkehr Tanten, Onkeln, Schwäger zu finden. Ha  ! Ha  ! Ich lache beinahe laut auf bei diesem Gedanken. d  : 19ten Sonnabend. Schon wieder die Woche zu ende und nicht viel gethan. Einen kleinen Studienkopf im Halbdunkel und eine Copie vom Christuskopf für die Tante, welchen sie ihrem Bruder bringen möchte. – Bernhardt hat neulich den Wunsch ausgesprochen daß die Lattner und ich Acte nach der Natur200 zeichnen sollten  ; allein dazu kann ich mich kaum entschließen außer wenn es Euer ausdrücklicher Wunsch wäre – allein, ohne den Corectur meines Meisters will ich es thun  ; doch das wird mir nur wenig nützen und außerdem sind die Modelle rasend theuer als daß ich verlangen dürfte daß Tante und Onkel es gern zahlten – warum bin ich denn kein Knabe  ? Eine dumme Frage  ! – – Es ist nun so ziemlich gewiß daß wir in den ersten Tagen des nächsten Monats unsere Gebirgsreise antreten – die Reiseruthe ist leider noch nicht gemacht sonst würde ich Euch sagen können in welcher Gegend, von welchen Bergen ich mit 198 Dieses Porträt der Mutter ist wahrscheinlich das von Hartmann monogrammierte Bleistiftbildnis, das sich im Nachlass der Familie Schwarz in Estland befunden hat (Verbleib derzeit unbekannt, vgl. Abb. 10). Dort hatten sich zwei Porträts der Mutter erhalten  : das in Bleistift ausgeführte Bildchen, das sich in die übrigen von Hartmann übersandten Bildnisse der Familienmitglieder einfügt, und ein farbiges, nicht signiertes Bildnis. 199 Der 1811 geborene Bruder des Vaters Eduard Johann Hagen. 200 Da sie bereits früher weibliche Akte studiert hatte, ist hier wohl das Studium nach dem männlichen Akt gemeint, für das doch das Einverständnis der Eltern als nötig empfunden wurde.

206 | Die Briefe Sehnsucht zu Euch hinüber schauen werde. Ich werde viel sehen und bewundern. Schönheiten von denen ich jetzt keine Ahnung habe und doch wenn ich sagen sollte daß ich über diese nahe Aussicht Freude empfände so spräche ich nicht wahr. Mir ist’s als legte sich mir ein unerwartetes Mißgeschick in den Weg und was mir am unangenehmsten ist daß mir so lang keine Kunde von Euch wird d. h. 8 Tage ungefähr wird Euer Brief auf mich ungelesen warten müssen wenn Ihr gleich nach dem Empfang dieses, meines letzten Briefes schreibt. Eben so könnt Ihr von mir vor 5 Wochen schon gar nicht Nachrichten erwarten, da wir 14 Tage wenigstens weg bleiben vielleicht sogar | 3 Wochen. Das Beste, wenn auch nicht das Schönste wird jedenfalls sein wen Ihr 8 Tage länger an dem begonnenen Briefe schreibt und ihn dann absendet  ; ich werde auf meiner Reise schreiben und mich bemühen einen ausführlichen Bericht Euch zu senden – ich fürchte nur daß ich früher einen Brief erhalte der mir die Einkehr der Cholera meldet. Hier in München will man auch schon von ein oder zwei Choleraähnlichen Fällen wissen, indeß ich glaube es nicht. – Ich habe mir die Möglichkeit gedacht hier zu sterben und mich überfiel ein schreckliches Grausen – – Der Brüning werde ich schwerlich etwas an Euch mitgeben da ich nichts fertig habe – ich werde ihr dies auch schreiben. Meinen Einfall mich in der Dachhauertracht malen zu lassen ist hier bekannt geworden aber auf eine ganz lächerliche possirliche Weise. Wie ich Euch schon sagte ist dieselbe unmenschlich dick und unförmig so daß ich nicht anders konnte als die Thüre zu meinem Attelier auf zu lassen um nicht um zu kommen vor Hitze – im Laufe des Vormittags kam Bernhardt und sah mein Bild das an der Wand hing an welchem er einen Schlagschatten weichen zu sehen wünschte und ich so lang es naß war mußte es thun – so stand ich denn da als junge, ich glaube sogar hübsche Bäuerin, die Palette in der Hand und malte, vergaß dabei daß ich in der Bauer Kleidung war und ließ Leute, die theils Bernhardt theils die übrigen Schüler Bernhardts besuchten vorbei passieren und merkte nicht daß sie neugierig hinein schauten. Jetzt erzählte uns denn Bernhardt daß er von mehreren seiner Bekannten gefragt was das für eine Schülerin sey die in der Bauertracht bei ihm male. – Neulich, ich glaube es war vorgestern führte Bernhardt mir einen Grafen Sensheim201 zu um ihm meine Arbeiten zu zeigen, wie derselbe in’s Zimmer tritt sagte er | »Ha das ist die Dachauerin welche hier bei ihnen malt, wo ist sie denn selbst  ? ich habe davon gehört« natürlich geschah ein schallendes Gelächter und ihm wurde die Maskerade aufgeklärt. Bernhardt kommt am Ende noch durch mich in großen Ruf. – 201 Wahrscheinlich Karl August Joseph Maria Donatus Graf von Seinsheim (1784–1864), der bayerischer Finanzminister und Präsident der Kammer der Abgeordneten war. Er hatte König Ludwig I. früher auf einer seiner Rom-Reisen begleitet und bewegte sich gern in Künstlerkreisen.

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Die traurige Anzeige über den Gesundheitszustand unseres Freundes Schirren hat mich sehr betrübt, wie sehr  ? Das fragt Euch selbst. Es scheint als müss­ ten wir alle unsere Freunde beweinen. O wenn er nur fort könnte aber wie fängt man das an ihn nach dem Süden zu schaffen  ? – Emma Wachter macht mir auch Sorge. Sollte Sie ihren Theodor verlieren, ihn zum letzten Mal gesehen haben, o gräßlich wäre das  ! – Über alles dies kann ich nun nicht früher als in 5 Wochen Nachricht haben, wol wird mir die Zeit wie eine Ewigkeit erscheinen. Wenn Ihr dem Schirren schreiben solltet oder wenn es der Schwarz thut so bitte ich ihn zu grüßen und ihm zu sagen daß um seinetwillen ich mir auch Sorgen mache. d  : 20 Sonntag. Die Nacht träumte ich viel von Euch allein ich weiß nicht recht was  – nur so viel  : es war ein verworrenes Bild und daß ich entsetzlich angstvoll um Euch besorgt war. Von meinen kleinen Geschwistern, besonders der kleinen Johanna und Bertha (meine Kinder) schreibt Ihr schon lang nichts mehr, schon im vorigen Brief vermisste ich das  ; einen besonderen Gruß sagt den beiden Kleinen – Es hat mir leid gethan daß Fritz und Marie nicht mit dem Kästchen das ich durch Brünings erhalten, geschrieben haben – ich denke noch mit Vergnügen an die beiden Briefe welche mir Minna Döler der Meyners202 ihre Jungfer im vergangenen Jahre brachte. Sie hatten mir vielerlei geschrieben was Erwachsenen zu unbedeutend scheint in die Weite zu schicken  ; doch mir ist nichts von zu geringer Bedeutung. – Wen hatte Roderich Borg203 geheirathet  ? Die arme Witwe  ! | Wie ist die Aernte bei Euch ausgefallen  ? Hier ist kaum Klage – das Korn ist ungeheuer billig – Heute will ich zu den Tanten hinaus gehen und kann Euch dann sagen wie es dort geht, wir drei sind gesund, ich habe gegenwärtig einen argen Schnupfen der meinen ganzen Kopf wie in einen dicken Nebel gehüllt. Die kühlen feuchten Abende mögen die Schuld tragen, sie sind nicht angenehm – es ist wirklich schon Herbst jetzt täusche ich mich nicht mehr wie es den ganzen Sommer hindurch war. Das Münchner Klima gefällt mir gar nicht. Am Tage ist es in der Regel warm sogar drückend heiß und des Morgens und des Abends kühl ordentlich zuweilen kalt. Der Sommer bei Euch ist mir lieber – Das Porträt der Tante folgt denn endlich mit diesen Blättern sie ist ähnlich, sehr ähnlich kann ich wol sagen, allein nicht so gezeichnet wie ich es wünschte  ; aber in drei Stunden habe ich fertig sein müssen und ich wundere mich daß sie 202 »Die Meyners« gehörte zur der Familie von Meiners, einer alteingesessenen livländischen Adelsfamilie. Wer hier genau gemeint ist, ließ sich nicht bestimmen. 203 Roderich Nathanael Bernhard Oskar von der Borg aus Dorpat, geb. 1822, studierte bis 1845 Medizin an der Universität Dorpat und starb im Sommer 1848. Seine Frau war Caroline Elisabeth Charlotte, geb. von Hueck (1826–1897).

208 | Die Briefe so lang ausgehalten hat. Jetzt müßt Ihr ihr auch recht schön danken dafür. Ich sage es Euch da ich weiß wie sehr sie eine Anerkennung gern hat. – Die Briefe, welche sie hier und da von Euch erhält machen sie ganz glücklich. Es wäre mir lieb gewesen wenn Mieze ihr einige wenige Zeilen geschrieben hätte vielleicht thut sie es noch das nächste mal  ; ich weiß gewiß, daß die Tante sich ungeheuer freut nur darf sie nicht wissen daß ich’s Euch gesagt. Dir liebe gute Mutter schickt sie ein kleines Krägelchen, einen ganz neuen, d. h. von den modernsten, sie wünscht aber daß Du ihn auch gewiß trägst  ! – das Ewigkeitsbündchen habe ich erst daran genäht an welchem erst denn das Untertheil genäht muß werden – Montag d  : 21ten August. Nur wenig Zeit ist mir heute zum Schreiben gegönnt, im Ganzen weiß ich auch gar nicht was Euch sagen. Gestern war ich nicht bei den Tanten draußen indem es stark an fing zu regnen. | Die Nacht habe ich unruhig geschlafen – ein böser Traum beunruhigte mich sehr – ich träumte nämlich daß mir einer meiner vorderen Zähne zu zwei Stücke zerbracht die Wurzel blieb aber fest stehen, ich war verwundert und dermaßen erschrocken darüber daß ich aufwachte und die Hand vor den Munde hielt um die beiden Stücke heraus zu speien was freilich nicht ging, ich deutete mir den Traum und bin nun jetzt sehr unruhig. Indes ich sage Euch ein herzliches Lebewohl, grüßt mir alle lieben Personen, die beiden Wachters herzlich welche jetzt wohl schon einen Brief von mir erhalten. Also es bleibt denn wohl dabei daß Ihr nach Empfang dieses Briefes 8 Tage länger wartet um Eure Antwort an mich zu senden  – lebt recht wohl und vergnügt zur Freude Eurer treuen Tochter Julie Julie Hagen an Ludwig Schwarz aus München, 18.8.1848 München d  : 18ten August 48

Theurer Schwarz  ! Innige Freude haben Ihre lieben Zeilen mir gemacht und ich kann nicht anders als auch schriftlich, wie ich im Herzen schon gethan meinen herzlichen Dank aus zu sprechen. Ich erwartete keinen Brief von Ihnen und darum weil derselbe unerwartet kam ist er mir um so lieber – ich las ihn schon oft und lese ihn immer wieder mit erneuter Liebe und Rührung. – O Schwarz ich kann Ihnen nicht beschreiben wie der Gedanke mich beglückt Sie als meinen lieben Schwager bei meiner Heimkehr zu begrüßen. – Gott gebe nur daß Sie und unsere liebe Mieze bis dahin gesund bleiben und jetzt vor allen Dingen der Cholera entgehen – dieser Feind macht mir wahrhaft große Sorge, welche mir kaum gestatten mich ganz der Freude hinzugeben, die ich so gern pflegen möchte. Ihr ganzer Brief, lieber Freund und Bruder, ist so lieb, so gut daß ich beinahe in Versuchung gerathe mich in einem vollen Strom des reinsten Lobes über Sie

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zu ergießen wenn ich nicht fürchten müßte dadurch das liebe Schwesterchen zur Eifersucht zu reitzen. Ihre letzten Worte sind mir mehr Beweis von Ihrer wirklich freundschaftlichen Gesinnung für mich als tausend und aber tausend andere | Diese sind so tröstend, so theilnehmend und gut, zugleich so liebevoll auffordernd Ihnen mein ganzes inneres Wesen auf zu schließen daß ich weine und immer wieder weine über Ihre Güte. O Schwarz wem könnte ich wol mehr vertrauen als Ihnen  ? würden Sie nicht am besten mich verstehen  ? und doch möchte ich das mir selbst auferlegte Gesetz nicht brechen zu schweigen. Sie wissen indeß schon zu viel  – Meine Emma {Wachter} hat Ihnen erzählt von Dingen welche mir einst viel trübe Stunden brachten aber zu gleicher Zeit mich zu einer Erkenntnis verhalfen, die zwar bitter ist aber doch meine Zukunft, wie trüb sie sich auch immer gestalten mag leichter ertragen wird lassen. Mehr noch wissen Sie durch einen Brief meiner lieben Emma den sie offen erhalten um ihn mir zu senden. Sie haben darin manches gelesen was ich mit großer Sorgfalt vor jedem anderen Menschen außer den beiden Wachters und meiner Schwester Mieze zu verbergen gesucht. Wol haben Sie recht wenn Sie sagen  : »Sie kämpfen einen großen Kampf« – aber Gott lob ich glaube ihn überwunden zu haben. Nie baue ich Luftschlösser, male nie mit schönen Farben meine Zukunft und ich bin froh daß ich so weit gekommen ja ich bin bisweilen ordentlich glücklich darüber. Seit ich die Kunst mir zur Freundin gemacht, mich ihr mit Leidenschaft in die Arme warf glaube ich leichter zu ertragen und zu entbehren – diese läßt mich jeden Kummer, alles Trauern vergessen – ich möchte sogar behaupten sie macht mich leichtsinnig, was freilich nicht zu loben ist  ; allein Sie werden verstehen wie das gemeint ist. O Schwarz, theurer Freund, verzeihen Sie daß ich in so schwachen Umrißen Ihnen ein Bild von meinem Inneren zeichnete das ich so gern Ihnen ganz zeigte  ; doch ich glaube es ist besser wenn wir bis zu der Zeit warten wo wir uns wieder sehen um uns aus zu sprechen – Nur glauben Sie nicht daß ich so unglücklich bin  ; nein, ich will es nicht sein – ich habe gelernt mich zu zerstreuen, mich zu trösten. Dieses Blatt gehört nun dies Mal Ihnen ganz allein  ; denn es hat mich ergriffen zu lesen wie freundlich Sie meine Briefe zu behalten gewünscht  – Ihrer Braut schreibe ich das nächste Mal und gewiß wird sie nicht zürnen wenn Sie als meinen Fürsprecher ein liebes sanftes Wort zu meiner Vertheidigung sagen. Leben Sie wohl grüßen Sie Mieze und denken Sie nicht böse von Ihrer Julie. Tante und Onkel lassen Sie grüßen natürlich auch Miezchen –

210 | Die Briefe Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 27.8.1848 München d  : 27ten August 48

Meine lieben theuren Aeltern  ! Es ist Sonntag, duster und grau ist’s draußen, es möchte regnen und doch wieder nicht und bei diesem Wetter, da ich im Attelier Nachtisch nichts zu thun habe – weiß nichts besseres zu thun als Euch schreiben, ich weiß daß Ihr zufrieden damit seit und ich bin froh wenn ich vor meiner Abreise noch einen Brief beginne den ich nach derselben beenden will. Möchte das Wetter nur günstig sein damit es auch wirklich eine vergnügliche Reise werde – wir bekommen, dem Anschein nach einen sehr frühen Winter wenigstens haben die Blätter der Bäume schon ihre Farbe gewechselt sie sind baumgrün und streuen sogar eine Masse ganz dürrer Blätter zu Boden, welche vom geringsten Windstoße raffelnt zu einem Haufen sich zusammen rollen. Sonderbar daß ich mit einer wahren Seelenangst den Winter erwarte, noch nie ist mir der Gedanke an denselben so ganz unangenehm gewesen wie dies Jahr – steht mir was schlimmes bevor  ? – Von Euch kommt kein Brief, die Zeitung bringt mir auch über Dorpat keine bestimmte Nachricht und das läßt mich etwas ruhiger werden, allein ich hüte mich sehr den Tag zu preisen bevor der Abend da ist. Wir hier können übrigens den unfreundlichen Gast erwarten da er einmal die Grenze überschritten hat. Nun zu mir selbst zurück – In dieser letzt vergangenen Woche habe ich ein Profil gemalt und ein Porträt – Bernhardt hat sich nicht sehr unzufrieden geäußert. Ich glaub Euch gesagt zu haben, daß Fräulein Lattner fort sollte und zwar sehr bald woraus jetzt aber doch nichts wird – Sie bleibt den Winter durch hier. Vorgestern Nachtisch kam ich gerade dazu als Bernhardt mit der Lattner über ihr Talent, Fortschritt e. c. sprach und sie deshalb beruhigte, denn nebenbei gesagt hat die liebe Kleine unendlich wenig Muth und verzagt deshalb leicht. Als ich also in ihr Attelier trat kam mir Bernhardt mit den Worten entgegen  : »Sehen Sie die Kleine weint, und glaubt durchaus keine Talent zu besitzen« – mir war das nicht Neues, was ich ihm nicht verschwieg und half ihm nun unserer Kleinen Muth zu zu sprechen – Ein Wort gab das Andere und endlich sagte Bernhardt  : »ich stehe ihnen gut dafür wenn sie oder Fräulein Hagen | eines ihrer Arbeiten ausstellen es großes Aufsehen machen würde  ; denn Schüler, welche 10–12 Jahre auf der Academie gearbeiten könnten noch lang nicht einen solchen Kopf malen« darauf wandte er sich zu mir und sagte  : »wenn Sie nach Hause kommen bin ich überzeugt daß Sie großes Aufsehen machen werden und ich bin gewiß ihren Namen hier zu hören.« Mich überraschten diese Worte und seelenvergnügt darüber dachte ich nicht ihm eine bescheidene vernünftige Antwort zu geben oder besser stillschweigend das Gesagte hinzunehmen, sondern sagte ihm  : »O, Herr Bernhardt dafür könnte ich Ihnen um den Hals fallen  !« –

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und breitete umwillkürlich die Arme aus, er hingegen sagte  : »nun so kommen Sie her« und so hatten wir uns denn wirklich umarmt. Ich ließ mich nun nicht mehr bitten sondern folgte seiner Aufforderung. Das Gelächter, welches hierauf entstand könnt Ihr leicht Euch denken – Später als ich besser überdachte was ich gethan fand ich doch daß ich etwas sehr verwegen bin – indeß ich glaube daß ein jeder Maler mehr oder weniger verwegen ist und sein muß d. h. einer der wirklich Talent hat. Damit bin ich freilich noch nicht entschädigt. Fräulein Lattner beneidet mich um diese Umarmung und das macht mir Spaß – übrigens kann mir wirklich niemand eine größere Freude machen als wenn man mir sagt daß all meine Müh und mein Streben nicht umsonst ist. – Später  : Euer Brief ist gekommen und hat mir denn nun wirklich angezeigt was ich so sehr befürchtete, schrecklich, ja schrecklich ist’s  ! mehr will ich kaum sagen – Ihr alle besonders Schwarz sprecht mir Muth zu, meint daß ohne Sorge ich um Euch sein dürfte  ; ja wohl ich sehe und fühle es wie unrecht es ist wenn man um Dinge sich quält und sorgt die von einer höheren Macht, als die des Menschen geleitet werden  ;  – aber hierin ist mir ein solcher Trost immer das schlimmste Zeichen, wenigstens ist es gewöhnlich die Art des guten Menschen, welche sich von Gefahren welche es auch immer sein mögen umringt sehen, Angehörige in der Ferne oder sonst liebe Personen zu trösten. Nun stille Thränen habe ich geweint denn auch das Weinen | und das Lachen liegt außer der Macht des Menschen. Ich verspreche Euch aber mich zusammen zu nehmen und auf Gott zu vertrauen – jetzt bald werdet Ihr meinen Brief erhalten und werdet vielleicht nichts schreiben da es mein Wille der Reise wegen war, doch thut es nur ja, ist das Wetter schlecht so gehen wir nicht und im entgegengesetzten Fall lasse ich mir den Brief nach schicken – In diesem Augenblick wäre ich nicht im Stande an eine Reise zu denken läge es an mir ich gäbe sie auf allein die Art zu sein wäre kein Beweis von meiner Besserung die ich eben gelobt. Daß die Cholera durch kleine geflügelte Thierchen entstehen soll sagt man sich auch hier – Bernhardt erzählte mir daß vor 12 Jahren es hier in München war kein Maler sie bekommen habe – waren der Terpentin und Farbengeruch Ursache gewesen – Diesen Brief sende ich Euch wol ehe ich abreise so dünn er auch sein mag – Ich bin confus, möchte von nichts anderem reden als von dem was mir am nächsten liegt aber ich will nicht  – ich werde recht scharf arbeiten dann vergesse ich ja Alles was außer der Kunst liegt. – d  : 29 August 48. Gestern schrieb ich nicht, nur um mich nicht in Versuchung zu führen von der Cholera zu reden  ; aber das Denken an dieselbe konnte ich mir nicht zurück drängen, anfangs gab ich mir Mühe indem mir Schwarzens Vorstellungen darüber so wahr erschienen daß ich beinahe irre an mir selber wurde – ich erschrak vor dem Bilde meines Herzens dermaßen daß ich wol hundert Mal mich eine arge Sünderin nannte und mich nicht begreifen konnte. – Nun aber

212 | Die Briefe hat das natürliche Gefühl über mich gesiegt und ich finde daß ich selbst und andere alle Achtung für mich verlieren müßen sobald ich leichter und sorgloser an Euch dächte. Ich sehe es sogar als meine heiligste Pflicht an das liebevolle Gefühl das ich für Euch, meine theuren Lieben, empfinde nicht zu untergraben denn hat nicht mein ganzes Sein, seit ich der | Kunst lebe eine ganz andere Richtung genommen  ? Nicht kann ich, wie andere Mädchen bei ihren häuslichen Arbeiten das Gefühlsvermögen ausbilden, es ist mir oft als könnte ich bei der Arbeit nicht klar denken. – Daß ich nicht so erschrecklich mich sehne, müßt Ihr am Ende auch aus meinen häufigen Berichten ersehen, mancher muthwillige Streich wird von mir begangen der doch nur aus wirklicher Ruhe und Freudigkeit des Herzens entspringen kann. Z. B. dieser Brief hat begonnen mit einem Streich welcher mich Euch als die Alte erkennen wird lassen, also gönnt mir die wirkliche Freude an Euch – wenn ich Euch nicht so lieb hätte dann könnte ich nicht so oft und gern an Euch denken  – und seit Ihr nicht selbst schuld daran daß ich so sehr Euch zu gethan  ? – Ja, ewig will ich Euch treu ergeben sein. Das Ziel, welches ich in Deutschland zu erreichen strebe werde ich deshalb nicht aus den Augen verlieren, im Gegentheil, ich bin fleißiger und gebe mir mehr Mühe wenn ich Euer gedenke mir ist’s als arbeitete ich nur für Euch, namentlich Dir, lieber Vater, zu gefallen nicht um meiner selbst willen – dabei gewinne ich sie, die Kunst, von Tag zu Tag lieber und fühle jetzt sehr deutlich wie sie mir eine stete unentbehrliche Begleiterin durch mein ganzes Leben sein wird. Bei der Arbeit merkt man’s mir nicht an daß ich die geringste Sorge haben könnte und des Abends ist Tante so liebevoll und zährtlich durch allerlei Kleinigkeiten mich zu zerstreuen – ich verdiene nicht so viel Güte und Liebe wie sie mir angedeihen läßt. In München hörte ich heute sind ein paar Fälle d. h. die sogenannte Cholerine204 vorgekommen, es wäre kein Wunder denn Obst in Maaßen werden hier verkauft auch unser Garten hat mir schon manche schöne Pflaume gereicht. | Miezens und Schwarzens Brief hat Freude gemacht wofür ich den beiden herzlich danke. Der Brüning nach Kreuznach habe ich vor 8 Tagen schon geschrieben, ob der Brief sie aber in Kreuznach auch finden wird ist die Frage da sie mir keine Adresse, eine genaue aufgab. d  : 30ten August 48. Ich sehe immer mehr ein wie wenig ich geschickt bin Briefe zu schreiben indem ich mich zu leicht von der Stimmung des Augenblicks beherrschen lasse und bedenke nicht daß mich im nächsten Moment eine andere, eine ganz entgegengesetzte Stimmung erfaßt hat  ; dasjenige aber, was eine trübe Empfindung mir dictiert bleibt stehen, der Augenblick dehnt sich in lange weite Wochen aus und das ist nicht gut, es sollte nicht sein. Erhalte ich Briefe aus der 204 Leichte Form der Cholera.

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Heimath, dann lese ich sie in einer Stunde durch, folge Euch Schritt vor Schritt durch das Leben von mehreren Wochen was natürlich mich oft mit den verschiedenartigsten Empfindungen überschüttete – So aufgeregt spricht man dann wol leicht in kräftigeren Worten als nöthig daher meine Bitte heute  : macht Euch nur keine zu argen Bilder von meiner Sehnsucht, daß Ihr und die jetzige Zeit mich nicht in Gleichmuth verharren läßt das werdet Ihr hoffentlich wünschen, und begreiflich finden. d  : 1 Sept 48. Es hat sich hier eine Gräuelthat zugetragen wie man sie noch nie gehört, wenigstens ist es unbegreiflich wie in den civilisierten Ländern solche Bosheit ausgeübt werden kann. Am vorigen Sonntag hat sich eine Dienstmagd von 26 Jahren, ein außerordentlich braves Mädchen von ihrer Herrschaft ausgebeten der Kirchweih in Heithausen bei zu wohnen, sie hat ihr Bestes angezogen und versprach den Abend wieder heim zu kommen  ; doch wer nicht kam war die Margd, die Herrschaft wird unruhig, fragt endlich in Heithausen nach wo sie sey und hat nichts erfahren als daß sie Sonntag Abend wieder fort|gegangen sey. Vor zwei Tagen findet sich unter einer Bank im Hofraum ein Sack, aus welchem oben eine Hand heraus sieht – Die Frau des Hauses bemerkt dies als sie den Sack öffnen findet sich ihr vermißtes Mädchen ganz zerstückelt in demselben – den Kopf hatte man ihr abgeschnitten, die beiden Hände und Füße herunter, die Augen aus gestochen, den Bauch aufgeschnitten und endlich die Brüste abgeschnitten, kurz es war ein Grausen erregender Anblick – und könnt Ihr wol denken daß diese That ein junges Mädchen von 20 Jahren begangen, welche bei der selben Herrschaft gedient hatte, nur um in den Besitz der Silberhaube und silbernen Ketten zu gelangen  ? – o gräßlich  ! –205 Gestern war ich in der Kunstausstellung welche nichts sagen will, es sind wenig neue Gemälde da, von auswärtigen Künstlern schon gar keine  ; begreiflich ist’s bei den jetzigen Zeitverhältnissen – ich thue nichts hinein, erstens weil ich nichts fertig habe und zweitens da ich fürchte daß es dem Bernhardt nicht angenehm sein möchte. – Sonntag d  : 3 Sept. 48. Es ist mir heute als müßte ich Briefe erhalten, o möchten doch welche kommen  ! In Erwartung dessen will ich Euch schreiben – Das Wetter ist nun wieder heiter, des Morgens und Abends aber schon recht kalt. Dienstag wünscht Onkel abzureisen, über Tegernsee nach Tirol bis nach Gastein und von da über Salzburg nach Hause. Nach Insbruck werde ich mir Euren 205 Das arme Mädchen hieß Elise Mayerhofer und war die erste Magd des Gänsehändlers Steckermaier, die zweite Magd war erst wenige Tage im Hause gewesen, ihr Name war Anna Billmaier. Die Mörderin hatte aus Neid und Habsucht gehandelt, die Grausamkeit der Tat erschütterte ganz München, vgl. Allerneueste Nachrichten oder Münchner Neuigkeits-Kourier, Nr. 129, 3.9.1848, S. 701/702.

214 | Die Briefe Brief, im Falle derselbe am Dienstag oder Mittwoch ankommen sollte nach schicken lassen. Ich sollte Euch eigentlich nicht gestehen daß ich Regen für die ersten Tage der nächsten Woche wünsche damit wir Euren versprochenen Brief noch abwarten können. Auch nicht Euch sagen daß ich mit ganz kaltem Blute an die Reise denke und sprechen höre. – In der vergangenen Nacht träumte mir sonderbar, so lebhaft und klar daß ich im Stande bin in kurzen Worten Euch meinen Traum mit zu theilen – ich erhielt Briefe von Mieze und in denselben befand sich eine Einlage an die Tante vom Bruder Alexander worin er der Tante dankte | für die liebereiche Sorgfalt mit der sie mich überschüttet und bittet darauf daß sie ferner für mich für seine übrigen Schwestern und Brüder sorgen möchte, nach diesem Satze folgten drei ganze Reihen Zeichen – die erste Reihe bestand in lauter Gedankenstrichen, die zweite in Kreuzen und endlich die Dritte in Vergißmeinnichten. Ich war im Traum verwundert aber um wie viel mehr noch beim Erwachen  ? Drauf gegen Morgen träumte mir daß ich bei Euch sey, als ich ins Zimmer trat erwachte meine kleine Johanna, welche auf dem Sopha schlief, ich eilte zu ihr, nahm sie in meine Arme in denen sie sogleich wieder einschlief.  – Nach meiner Weise habe ich sie mir gedeutet und sie Euch erzählt was vielleicht lächerlich erscheinen mag  ; allein was mich beschäftigt erzähle ich Euch, nicht Alles mag und kann ich hier erzählen. – meine Arbeiten sind fertig geworden, heute und Morgen thue ich nichts mehr im Attelier – heute Nachtisch gehen wir in die Kunstausstellung, worauf ich mich sehr freue. d  : 4ten Sept 48. Noch ist kein Brief da und nun zweifle ich daß er vor unserer Abreise kommt – diese wenigen Zeilen – will ich jedenfalls heute noch absenden. Morgen um 6 Uhr geht es fort vermittelst eines Stellwagens. – obgleich wir gar kein Gepäck haben, wir das aller nothdürftigste von Kleidern in einen Reisesack thun so giebt es doch mancherlei zu besorgen und in Ordnung zu bringen – den ganzen Morgen bin ich in steter Bewegung gewesen, war bei den lieben Tanten draußen um mir herzliche Grüße an Euch alle auftragen zu lassen  – sie sind beide ganz gesund und auch wohl munter, so schien es mir wenigstens. – Es ist mir so schwer heute diesen Brief abzusenden und noch viel, viel schwerer wird mir der Gedanke daß ich nun noch weiter in wenig Tagen mich von Euch entfernt weiß. – Dasjenige was die Natur mir bieten soll und will muß mich so sehr in Anspruch nehmen daß ich wieder aus mir selber heraus trete, denn sonst wird wenig Vergnügen mir werden da ich nicht einmal | einen Brief mir nachschicken kann lassen, wir gehen nicht nach Insbruck. – Gestern und heute bin ich auf längere Zeit als sonst in mir selbst zurück gekehrt und fühle jetzt erst die ganze Größe der Gefahr, meiner Unruhe und Sorge um Euch, ich gefalle mich zwar in diesem Zustande wohl  ; allein andere keineswegs – heute bin ich aus meinem Schlummer erwacht und erkenne die nackte Wirklichkeit sehr deutlich.

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Einst machtest Du mir wol zum Vorwurf lieber Vater daß ich schlafe sobald ich mich nicht an der Staffelei beschäftigte, jetzt möchte ich aber den Satz umkehren und sagen  : »ich schlafe am Tage während der Arbeit um des Abends beim Nichtsthun zu erwachen.« – Ob ich mich richtig ausgedrückt, um verstanden zu werden weiß ich nicht. – – Vorvorige Nacht ist die Erzgießerei abgebrannt – es soll ein schönes Feuer gewesen sein.206 Auf meiner Reise will ich alles notieren um Euch einen möglichst ausführlichen Reisebericht zu schicken. – Der guten Fanny gehört die kleine Einlage. Lebt denn wohl  ! Gott beschütze Euch alle  ! Ich nehme auf lang, vielleicht auf ewig von Euch Abschied – Grüße wie immer an Alle. Dem guten Schwarz meinen herzlichen Dank für seinen Brief. Lebt wohl  ! Ich schließe Euch mit Innigkeit in meine Arme Eure treue Tochter Julie NB  : Tante und Onkel grüßen. Julie Hagen an ihre Eltern aus Kreuth, 5.9.1848 (Reise in die Alpen und nach Salzburg) d  : 5ten Sept 48 Kreuth

Meine theuren Aeltern  ! Um 6 Uhr mit dem Stellwagen aus München abgereist. Zu Mittag auf der Post zu Holzkirchen – um 4 Uhr in Tegernsee angekommen und von da bis Kreuth. – Hier liege ich nun in ein hochaufgemachtes Bett dessen volle weiche Kissen mich zu verschlingen drohen, dies soll aber wenig mich geniren, ich will standfest den Lockungen des Schlaf ’s entgegentreten  ; indem ich mein Versprechen, jeden Tag zu schreiben halte.  – Heute früh war es sehr kalt, es hat die Nacht gereift. Im Stellwagen war, der Aussicht wegen für mich im Kabriolett ein Platz belegt und so gerieth ich dann zwischen zweien Herrn, einem älteren und einem jüngeren, letzterer gehörte nach Tegernsee, (Sommerschloß des Prinzen Carl) schien mir Verwalter, oder so etwas Ähnliches zu sein, der andere aber ein Rechtsprac206 Über den Brand berichtete der Mitarbeiter der Gießerei Johann Gustapfel in seinen »Aufzeichnungen über die Geschichte der Königlichen Erzgießerei in München« von 1861/63 (Privatbesitz)  : »Den 2ten September wurde die Libusa für die Böhmische Wallhalle nebst verschiedenen Theilen zur Siegsgöttin morgens um 7 Uhr gegossen. Das Metall spritzte bey den Luftröhren so hoch bis in die Balken von Dachstull. Das gab vielleicht die Veranlassung, dass in der Nacht um 10 Uhr der Dachstull in Brand gestanden ist und gänzlich abgebrannt ist. […] Erst im Jahr 1850 ist wieder ein Dachstull auf die Gießery hinaufgekommen.« (Zitiert nach  : Mundorff/Seckendorff, 2006, S. 131). Der Betrieb war durch den Brand nicht unterbrochen worden.

216 | Die Briefe ticant oder beßer bezeichnet ein arger […]. Es war mir lächerlich zu bemerken wie er durch ein höchst aufmerksames Wesen zu erfahren suchte was ich für ein Menschenkind sey. Tegernsee ist hübsch und dürfte schön genannt werden wenn nicht die Leute, meist von Adel sich in Kleidern, Livre’s und andern Sachen einer dem andern an Pracht überbieten würden. Die Damen meist in Seide, Escherpen207 Bändern an allen Orten angebracht  ; die Herren in schwarzen Frack’s und weißen Handschuhen gehen in Reih und Glied in steifer stolzer Haltung spazieren. – Der See ist eingeschlossen von recht hohen Bergen – (Gebirg möchte ich sie nicht nennen) welche in herrlichen Duft gehüllt um den ziemlich langen aber schmalen spiegelglatten klaren See sich lagerten. Die Pferde rasteten ein wenig und unterdes gingen wir voraus durch das Thal – ich hatte Zeit mich nach Willkühr um zu sehen.  – Sennhütten, in großer Menge erschienen wie kleine blinkende Sterne auf den steilen Felsen – das Thal wurde immer enger und enger – kurz vor Kreuth ging es einen steilen Berg hinunter und als wir diesen im Rücken hatten befanden wir uns plötzlich in einem nicht großen Kessel welcher von hohen, kegelförmigen nach oben zu gespitzten Bergen förmlich umringt ist. Das Bad mit seinen vielen Häusern liegt friedlich in diesen Bergen versteckt daß einem ganz wohl wird. Vor dem Abendessen gingen wir ein wenig spazieren besahen namentlich die Quellen – Badegäste sind nur wenig hier. Obgleich mir merkwürdig scheint wie ein Berg sich vor den andern stellt um gleichsam jenem den Weg zu versperren so hat mich bis jetzt noch das Gebirg nicht entzückt  ; mir ist’s als hätte ich diese und noch weit schönere | Gegenden schon viel hundert Mal gesehen. – Alles ist mir schon bekannt  ; jetzt erst erkenne ich wie viel man in der Landschaft leistet.208 Der Mond sieht neugierig in diesen Kessel, zugleich auch in meine Stube und mahnt mich zur Ruhe da es morgen weiter geht also Gute Nacht  ! d  : 6 Sept 48. Um 6 mit dem Stellwagen von Kreuth ins Achenthal. Das Erste was mir auffiel war daß es nur ein paar Schritte bedurfte und Land und Leute boten einen durchaus andern Anblick dar, den vollkommensten Wechsel. Das Gebirg war anfangs zwar nicht schön außer in der Formation, zackiger kecker wurden die Berge  ; allein je höher die Sonne stieg, je glühender sie die Erde mit ihren Strahlen umfasste desto dichter wurde der duftige Nebelschleier und als um 10 Uhr wir bis an den Achensee gelangt, hatte sie in ihrer schönsten ganzen Pracht sich um den köstlichen hellblauen See gelagert ich war entzückt wie herrlich wie eng verbunden Himmel Berg und Wasser waren. Ich fand in den Bergen 207 Kostbares Halstuch oder Schal (von frz. écharpe). 208 Hier spielt sie auf die Werke des Vaters an, der in jungen Jahren die Alpen bereiste und die Motive auch später immer wieder bearbeitete. Zu den Reisen des Vaters, die in Tagebüchern dokumentiert sind, vgl. Hagen, 2007  ; Hagen, 2009  ; Hagen, 2011.

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dasjenige wieder, was bei Menschen ich so oft beobachtet namentlich hüllen sich oft junge Mädchen in einen Schleier von Unbestimmtheit hinter welchem mehr, tausend Mal mehr Schönheiten und Reitze der Seele ahnen oder hoffen laßen als wirklich vorhanden sind. Hier wurden uns die ersten Weintrauben gereicht doch gegen schönes Geld. Anfangs hatten wir im Sinn auf dem See, der drei Stunden weit sich hinzieht zu fahren, zuletzt aber und zum Glück fahren wir doch wieder mit unserem Wagen. Die Fahrt gehört zu den schönsten Partien in diesen zwei Tagen. Der Fahrweg ist schmal und in Felsen ausgehauen wodurch er gefehrlicher erscheint als ist. Nachdem wir eine Zeitlang unter überhängenden drohenden Felsen an dem See entlang gefahren stiegen wir aus um über die Ebene nach Jenbach zu Fuß zu gehen – der Bergrücken war lang und mir erschien er steil wenigstens fingen mir im Herabsteigen die Beine zu zittern an  ; allein ein Tiroler, welcher mit uns ging als Reisender versicherte daß es ein recht kluger Weg sey. Erhitzt wie vielleicht noch nie kamen wir um ½ 2 Uhr an und bestellten uns ein Mittagessen  ; doch es schmeckte uns nicht – Gegen 4 Uhr fuhren wir mit einem Einspänner ins untere Inthal und von da aus ins Zillerthal. Dieses Thal | ist in jeder Beziehung schön, ja merkwürdig – die höchsten Berge sind fast bis oben zu bebaut. So viele kleine Schlösser, alte Burgen Bauernhäuser, Almhütten beleben die Berge ungemein, hier und da kleine Wasserfälle stürtzen herab in das Thal und bilden hier einen großen oft reißenden Fluß wie z. B. die Weissach – ich führe diesen Fluß an da er mir so außerordentlich unschuldig durch seine Klarheit erschien das Wasser ist so farblos daß man das geringste kleinste Sandkörnchen wahrnimmt nichts sucht es zu verbergen und doch gehört er zu den reißendsten Gebirgswässern. Das Gebirg wird immer größer, mannigfaltiger in der Form, in jedem Augenblick ändert sich das Bild und es wird schöner je näher man dem Dorf Zell209 kommt. Das Thal ist sehr fruchtbar es ist als wäre ein schöner grüner Teppich über demselben ausgebreitet. Das Vieh ist außerordentlich groß und fett wie gemästete Schweine watscheln sie daher und die Menschen sind kräftig und schön ganz antike plastische Gesichter finden sich häufig – ganz wohl wurde uns und ich glaubte ordentlich besser athmen zu können beim anschauen der breiten herrlich kräftigen Brust eines jungen Gebirgsburschen. Das Dorf Zell ist größer als Wolmar und liegt sehr anmutig, sorglos still und friedlich da umringt von herrlichen Bergen. Es war schon fast dunkel als wir ankamen daher ich nur wenig sagen kann. d  : 7 Sept 48 Recht müde bin ich aber dem ungeachtet will ich doch noch, wenn auch nur ganz kurz die Erlebniße des heutigen Tages erzählen. Um 5 Uhr verließen wir Zell, die Sonne war noch nicht aufgegangen, still lag das Dorf noch gleichsam wie im tiefen Schlummer und das war mir lieb. Wir hatten nämlich 209 Zell am Ziller.

218 | Die Briefe uns Pferde zum reiten gemiethet um über das Gebirg in die Gerlos zu kommen da aber nur ein Damensattel vorhanden war mußte ich mich entschließen auf einem Herrensattel zu reiten. Der Weg war anfangs sehr steil und durch Geröll recht beschwerlich um so mehr taugte mir das Reiten als Herr. Nachdem wir 4 Stunden immer bergauf gestiegen eröffnete sich mit einemmal ein ganz liebliches Thal das Gerlosthal genannt welches uns die Beschwerden des Morgens zu vergessen bat. Pferden und den armen aber schönen Führern gönnten wir Ruhe und Erquickung und machten uns dann wieder auf den Weg um ins Pinskau210 auf die | sogenannte Platte zu kommen und sodann hinunter zum Grimmler Wasserfall.211 Der Berg aber der überstiegen werden mußte um auf die Platte zu gelangen war im wahren Sinne des Wortes fürchterlich, so hoch daß man es für unmöglich hielt nur mit Mühe auf allen Vieren hinauf zu klettern wirklich steil zum abrutschen  – kein Weg war sichtbar. Sumpflöcher und Steinhaufen wechselten mit einander ab mit unter wusste das Pferd nicht wie aus dem sumpfigen Boden herausspringen  – gehnende Klüfte schienen Schadenfreude bei unserer Beschwerde zu empfinden, kein Bäumchen bot uns Schutz vor der glühenden Mittags Sonne und hier weinte ich die ersten Thränen auf unserer Reise aber nicht die der Überwältigung des Staunens über die großartige Natur wie ich zu Hause fürchtete nein die des Mitleids die armen Führer und die Pferde hatten es schweer, erstere trugen noch dazu abwechselnd unsere Sachen in einer Krackse endlich, endlich nach länger als 3 Stunden hatten wir die Platte erreicht und ich dankte dem Himmel. Mein Pferd hatte neben dieser ohne hin schrecken erregenden Partie sich noch bisweilen unwillig gezeigt jede Bergform jede kleine Kluft konnt es außer Fassung bringen doch da es überstanden sage ich daß so etwas zur Reise d. h. Lustreise gehört um wahren Genuß an der selben zu finden. Auf der Platte sah ich die erste Alp- oder Sennhütte. Eine unglaubliche Dürftigkeit ließ mir das Ideale eines solchen Berglebens verlieren. Nach einigen Minuten mit Bergstöcken versehen und in Begleitung eines Lehrers gingen wir zu Fuß den Berg hinunter wie steil er war könnt Ihr Euch leicht denken wenn ich sage daß es weder mit Pferden noch Eseln möglich ist hinunter zu kommen. Einer rief dem andern zu vorsichtig zu sein. Tante welche am besorgtesten schien, fiel indem sie mich bat nicht zu stürzen dies Mal machte es uns lachen da sie keinen Schaden nahm. Durchnässt in Schweiß gebadet waren wir in 2 Stunden am Grimmlerfall, dieser als der größte in Europa hat mich wenig entzückt, viel lag es auch nur an mir, war ich vielleicht erschöpft oder hatte ich noch Größeres erwartet  ? Ich weiß es nicht, | später will ich Euch eine Beschreibung von demselben machen  ! Hier verließ unser Führer uns und wir fuhren nach 210 Pinzgau. 211 Die Krimmler Wasserfälle gehören zu den größten in Europa.

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Mittensiel,212 auf dem Wege hier her sahen wir den großen mit Eis bedeckten Venediger. Ich bin sehr müde, gute Nacht  ! Freitag d  : 8 Sept 48. Früh um 4 Uhr wurde ich wach durch den lauten Schall der verschiedenen Glocken welche das Ave Maria läuteten. Das Forttönen eines stärkeren Lautes im Gebirg macht einen ganz eigenen Eindruck  – ich konnte nicht wieder einschlafen und meine Gedanken wechselten, bald waren sie in der Gegenwardt bald in der Vergangenheit und wol brauche ich nicht zu sagen daß ich Euer sehr lebhaft gedachte. Um 6 Uhr gingen wir in die Kirche da heute ein großes Fest ist und um 7 Uhr setzten wir unsere Reise fort durch eine Menge schöner Thäler, der Himmel weiß wie sie alles heißen. Das Gebirg wurde von Minute zu Minute wilder, großartiger, in der Form boten sie eine außerordentliche Abwechslung dadurch malerischer auch eine bessere Vegetation trug bei mich in Verwunderung versinken zu lassen, der Fahrweg zur Lent213 war höchst rei­ tzend aber ebenso gefährlich aussehend an manchen Stellen. Die Salzach welche hier sichtbar wird hat köstlich hohe, steile Ufer zwischen denen sie schäumend mit mächtiger Gewalt daher braust. Der Fahrweg erhebt sich hoch über sie, sehr schmal und durch Brücken unterbrochen welche häufig im Frühling durch das herunter strömende Wasser, Geröll und Felsblöcken hinfort gerissen werden. Es ist unbegreiflich wie die Leute die Brücken bauen aber noch unbegreiflicher sich ihnen anzuvertrauen  ; denn auf der einen Seite erhebt sich die steile Felswand häufig arg drohend das kleine Fuhrwerk zu zerschmettern und auf der anderen Seite erreicht das Auge kaum die Tiefe aus welcher nur ein dumpfes Rauschen zu vernehmen ist. Der Weg mit seinen leichten wackligen Brücken steht freih, ich möchte sagen  : leichtsinnig trotzend in der Luft. Später Diese wenigen Zeilen schrieb ich während uns andere Pferde eingespannt wurden. Jetzt diesen Augenblick sitze ich wieder da und will schreiben  ; doch es ist nun soweit gekommen daß ich nicht weiß wo Worte hernehmen um das Staunen über die großartige Natur Euch zu erkennen zu geben. Die Lent sind wir nun passiert, welche immer und | immer imposanter wurde. Der Weg (ich möchte ihn die hohe Straße nennen) wurde indeß weniger gefährlich, sie ist prachtvoll, ganz einzig solid gebaut, obgleich im selben Stil wie die vorhin beschriebene. Der Bau hält meiner Ansicht nach einen Vergleich mit den majestätischen Bergen aus. Der Leutnerfall ist recht schön, das Wasser im Gebirg entzückt mich sehr es hat meist die Farbe wie die Maler sie so sehr lieben das klare, reine Olivengrün – Morgen indeß soll ich einen weit schöneren Fall sehen  : den Schleierfall. Wir sind eben, vor etwa einer Stunde hier in Beckstein214 ange212 Mittersill. 213 Lend. 214 Böckstein.

220 | Die Briefe kommen, bei Gastein vorübergefahren, da wir morgen erst hinein wollen – Das geschäftige Räderwerk der Goldwäscher fürcht ich wird uns nicht schlafen laßen und ich bin doch recht müde. Morgen mache ich die Partien bis ins Naßfeld mit dem Onkel zu Fuß, Tante wartet mittler weil hier – wir sind auch ganz steif von der gestrigen Partie und dazu fürcht ich daß das Wetter sich ändern möchte, welches bis jetzt vortrefflich günstig gewesen. d  : 9ten Sept 48. Früh Morgens, wie schon gestern gesagt mit dem Onkel über das Gebirg bis ins Naßfeld welches ganz eigenthümlich überrascht es ist ein sumpfig grünes ungeheures Feld eingeschlossen von lauter Eisbergen die hier genannten Käsberge. Auf dem Wege dorthin passierten wir drei Wasserfälle  : den Bergfall, den Kesselfall und den Schleierfall215 welcher wunder herrlich ist – sehr hoch und breit fließt er mit einer unbegreiflichen Sanftmuth und Ruhe ganz ohne der geringsten Leidenschaft herunter. Von oben bis unten ist er klar wie ein weißer Gasstoff, obgleich wasserreich so ist es doch als hätte das Wasser keine Schweere, als würde jeder einzelne Tropfen in hundert tausend kleinere getheilt und sodann von der Luft leis getragen bis es die Tiefe erreicht von der erst vom Strudel mit fortgerißen zu werden und doch ist es kein Staubfall. Das Bergsteigen ist mir leicht geworden, die reine Luft läßt Körper und Seele nicht ermüden. Den Eisbergen gegenüber fand ich die Luft etwas rauh. In 4 Stunden waren wir wieder in Beckstein | und fuhren sodann gleich nach Gastein d. h. ins Bad das gestern ich in der Dunkelheit liegen sah, ich bedauerte es  ; allein heut sag ich Gott sey Dank  ! Gastein ist es werth daß man es mit frischen, offenen neugestärkten Sinnen bewundert, sich des erhabenen Anblicks hingiebt. Ich mußte weinen, meine Brust breitete sich mächtig aus, ich wünschte krank zu sein um länger in Gastein weilen zu dürfen. An Euch dachte ich und meine Thränen flossen reichlicher. Vor einigen Jahren hat sich hier Stärkung und Erquickung geholt auch an ihn dachte ich lebhaft. Der Wasserfall ist prachtvoll. Nachdem wir alles, leider flüchtig gesehen fuhren wir nach Hofgastein badeten zuerst und aßen dann zu Mittag. Tante hatte mir schon zu hause von der Einrichtung betreff des Badens in Gastein erzählt unter anderen auch daß es Bäder giebt wo selbst Damen und Herrn in Gemeinschaft, angethan mit zierlichen Bademänteln sich baden ich lachte sehr über eine solch kühne Idee und zuletzt ging ich in den Scherz ein und fand es (natürlich scherzweise) sehr nett und meinte daß mir’s Spaß machen würde eine solche lustige nasse Gesellschaft zu sehen – also gut – Tante bestellte in meiner Gegenwart nur ein Bad woselbst Onkel Tante und ich Platz hätten und forderten mich zugleich auf mich aus zu kleiden. Ich glaubt noch immer daß nur scherz mit mir gemacht wird ich sträubt mich dagegen  ; allein Onkel und 215 Naßfeld, jetzt Sportgastein genannt, ist heute das höchste Skigebiet im Naßfelder Tal  ; der alte Weg führt vorbei an den drei Wasserfällen Schleierfall, Bärenfall und Kesselfall.

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Tante wurden ernst und meinten daß ich nicht Ursache hätte mich zu geniren und versicherten daß es ein Hauptspaß geben würde. Ich weicher als sonst gestimmt hatte Mühe meine Thränen zurück zu drängen und ließ mich in unwilligen Worten bitter über die Sittenlosigkeit aus – man hörte mich an und wir begaben uns in Gemeinschaft ins Badezimmer – ich wie zur Schlachtbank – Onkel und Tante fingen sich an aus zu kleiden und wünschten daß ich ein Gleiches thun möchte aber nun konnte ich mich nicht mehr länger halten und platzte in Thränen aus, und schimpfte dort über die so tief gesunkene Moralität und wollte zur Thür hinaus  ; doch Onkel schamand ergrimmt versperrte mir den Weg und ließ sich ein anderes Bad geben. Jetzt | erst da meine Angst und Entrüstung, den höchsten Grad erreicht, wurde mir gesagt daß alles ein Scherz gewesen. – Das Wasser muß eine ganze Nacht stehen bevor man das Bad nehmen kann damit es nicht zu warm ist. Blumen die ich Tags zuvor um dieselbe Zeit ungefähr auf der Lent gepflückt waren gänzlich trocken und bekamen ihre Frische wieder, eine merkwürdig belebende Kraft übt das Wasser aus, ich hätte es nimmer geglaubt wenn ich nicht selbst den Vergleich gemacht hätte, ich habe dies Sträußchen zum Andenken aufgehoben Es regnet jetzt recht stark die lieben Berge haben sich gar fest in ihre grauen Regenmäntel gehüllt, ein trauriger Anblick für den Bergbewohner. Gute Nacht ich bin recht müde – wir schlafen heute in Schwarzach.216 – d  : 10 Sonntag Heute früh ward das Gebirg umzogen, dabei feucht, kalt und meine Augen sehr angegriffen, mir kein Wunder da ich fortwährend die Brille aufhatte. Da ich heut nicht viel sehen, konnte ich ihnen den Gefallen erweisen und sie bisweilen ganz schließen – gegen Mittag klärte sich’s wieder auf, allmählig stieg eine Bergspitze nach der andern aus dem Nebelmeer und ich hatte noch das Vergnügen einen Theil des Vunengebirges zu sehen. Vor Golling dem Engpaß Lueg stiegen wir aus um zu Fuß die sogenannten Bergöfen zu besuchen ziemlich starke Berge hatten wir zu besteigen und dazu wird uns das Glück immer bei der Mittagshitze eine Fußpartie zu machen – entsetzlich erhitzt warfen wir uns in unseren Wagen welcher an der Straße auf uns harrte ohne uns weiter zu kümmern wie und was wir sagten um bis Golling zu fahren und da beim Aussteigen ergab sich’s daß unser liebenswürdiger Kutscher eine schöne feine Escherpe von der Tante verloren hatte  – keine angenehme Überraschung nebenbei auch Grobheiten sich von solchem Kerle sagen lassen müßen. – Der Wasserfall ist zwischen Felsen versteckt, wir die wir uns nicht lang aufhalten wollten ließen uns auf der Post einen kleinen nur zu diesem Zweck bestimmten | Wagen geben in welchem wir ¾ Stunde weit geführt wurden alsdann zu Fuß einen ganzen Berg stiegen um erst zu ihm zu gelangen, obgleich schon lang zu vor das Rauschen und eine kühlere Luft zu vernehmen war. Er braust mit einer furchtbaren Gewalt aus einer 216 Schwarzach im Pongau.

222 | Die Briefe ungeheuren Felspforte hervor  ; obgleich er Wasserreich ist so überstürzt er sich nicht wie der Gasteinerfall dagegen – dieser erscheint mir wie ein wildes blutjunges Thier oder Hexse, welche sich mit tobender Gewalt durch die hohen Felsen Bahn bricht  – diese drei  : der Gasteiner-, der Schleier- und der Gollinger Fall stehen meiner Ansicht oder eigentlich aus meinem Gefühl noch weit über dem Grimmlerfall. Diesen sieht man erstens nicht in seiner ganzen Länge außer vom entgegengesetzten Berge aus und da ist es mir wenigstens störend gewesen daß man die langen Strecken und Krümmungen welche das Wasser um laufen muß bevor es wieder fallen kann mitsieht dagegen, zu diesen Strecken erscheint jeder einzelne Fall, (denn zu drei Absätzen fällt er) sehr niedrig – mich hat er nicht entzückt wie die oben Besprochenen obgleich ich seine Größe am Ende anerkenne. Wasserstaubwolken wie bei keinen andern in dieser Größe und Umfang steigen ohne Unterlaß qualmend aufwärts durch die Tannen über die Felsen – Onkel wollte sogar den Boden zittern fühlen mir ist das Gefühl entgangen. – Wir sind in Hallein und sind zur rechten Stunde gekommen, morgen feiern die Bergknappen das Jahresfest was wir an sehen und dann in den Berg fahren. Gute Nacht  ! – d  : 12ten Sept 48 Entsetzlich müde war ich gestern und war herzlich froh ins Bett zu kommen daher ich heute das Versäumnis nachholen möchte. In diesen 2 Tagen habe ich viel gesehen, viel Schönes viel Herrliches aber mich auch recht sehr tummeln müßen. Wir sind in Salzburg der Ort meiner und Deiner Sehnsucht lieber Vater. Gestern nachdem wir anfangs den Berg bestiegen und oben den Festzug der Bergknappen gesehen das Amt in der Kirche beigewohnt, gingen wir um in den Berg zu fahren natürlich mußten wir uns in die Kleidung der Bergleute stecken und wie spaßig das aussah ist | kaum zu beschreiben aber noch viel weniger das grausenhafte eines Bergwerks. Diese schmalen fast unendlich schmalen Gänge hinein, die senkrechten Rutschbahnen, die sogenannten Stollen in die Tiefe (eine Höllenfahrt kann nicht grausiger sein) die Schifffahrt auf dem sagenhaften Salzsee, welcher ringsum beleuchtet ist, alles dies würde mir wenigstens leichter werden mündlich zu beschreiben als schriftlich. Auf mich hat das Ganze den Eindruck gemacht als wäre ich in eine ganz andere, in eine Zauberwelt versetzt und ich kann nicht anders als sagen  : es war ein furchtbar schöner Genuß. – Vor der unendlichen Größe dieses Bergwerks könnt Ihr Euch einen Begriff machen wenn ich sage daß 14 Tage erforderlich sind um es zu durchgehen 30 Salzkammern sind im ganzen und jede so groß und noch größer als die welche wir sahen. – Wie eine Göttin hingesunken liegt Salzburg zwischen den lieblichen Hügeln, dem Mönchsberg und dem Kapucinerberg, in einer Entfernung bilden größere Gebirge einen weiteren Kreis wie z. B. der sagenreiche Untersberg mit seinen Höhlen und malerischen Klüften, die Staufen, die Familie Watzmann e. c. Die Natur hat auf einem kleinen Fleck so viel, ja alles was das Auge nur wünschen kann und darf zusammen geführt, sie ist wirklich verschwenderisch gewesen.

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d  : 13 Sept Wieder ist die Stunde da in welcher ich bis jetzt das Erlebte während des Tages Euch in kurzen Worten mit theile  ; aber auch ist mit dieser Stunde eine gänzliche Schläfrigkeit oder besser Faulheit mit gekommen, und ich hoffe Ihr werdet Euch nicht darüber wundern wenn ich erst erzähle wie sehr ich körperlich und geistig mich abgemüht. Heute ist’s der neunte Tag seit ich von Hause bin, die Zeit ist mir kurz  ; allein ich habe in dieser Zeit mich noch nicht ein mal aus schlafen können, fortwährend etwas Neues, etwas Schönes, Herrliches gesehen, hier ein Gebirg, dort ein Wasserfall, da ein schönes Gesicht, neben bei ein Kropf, welcher oft seiner Schweere wegen in der Binde getragen werden muß dort einen Faxen oder Narren – so wechselte das herrlich Große Erhabene mit dem schaudererregensten mit dem Ekelhaftesten ab. Im Pinskauischen sind die Kröpfe wirklich zu hause die jüngsten | Leute erfreuen sich einer solchen Naturschönheit und tragen sie ordentlich mit innigem Selbstgefühl behangen mit Silberketten und Perlen zur Schau. Eine wirkliche Sehnsucht nach meinen Pinseln, meiner kleinen Arbeitsstube wird in mir rege, ich möchte Erholung in derselben finden. Es ist mir als hätte ich zu viel des Zuckerbrod’s gegessen und bedarf nun wieder der einfachen kräftigen Hausmannskost. Ihr werdet Euch wundern doch wahrlich man erschöpft sich, alle Sinne werden zu letzt bei übermäßigem Genuße stumpf, eine Merkwürdigkeit verdrängt die andere kaum zu Mittag gönnen wir uns die nöthige Zeit zum Speisen. Ich bin erst 2 Tage und etliche Stunden hier in Salzburg und bin doch schon 3 Mal auf dem Mönchsberg ein mal auf dem Capucinerberg gewesen, habe alle Sehenswürdigkeiten der Stadt bewundert wozu besonders die kunstvollsten Brunnen die Statue Mozart’s und das Grabmahl Haydn’s217 gehört, bin in Mariaplain, in Eigan und Gott weiß wo noch überall gewesen NB  : immer nur zu Fuß – Es ist wahr man kann viel leisten indem die Luft reiner ist  ; ich gehe auch lang in den Bergen während das Treppensteigen in einer Stadt mir die Brust zusammen schnürt. Wie so oft gedenke ich Euer und immer überfellt eine große Wehmuth mich. Den Standpunkt habe ich gesucht zu finden zu der Ansicht von der Festung, welche Du lieber Vater vor 2 Jahren anfingst zu malen – leider sah ich das Bild nicht mehr fertig. d  : 14 Sept 48. Eben sind wir zurück vom Königssee bei Bergteßkaden218 und Hellbron219 nach Salzburg gekommen. Um 6 Uhr morgens fuhren wir in Begleitung einer Jugendfreundin der Tante in einem breiten bequemen Wagen fort. Das Wetter war sehr unfreundlich trotzdem aber schienen alle vergnügt – der See hat mich sehr überrascht und augen217 Johann Michael Haydn (1737–1806) war ein österreichischer Komponist und der Bruder von Joseph und Johann Evangelist Haydn. 218 Berchtesgaden. 219 Hellbrunn.

224 | Die Briefe blicklich fand ich den Standpunkt zu Deinem Bilde auch das ich so sehr liebte – jeden Stein, jeden Baum fand ich wieder nur leider war die Beleuchtung nicht die günstigste, düster und grau nicht strahlte die Sonne er | wärmend auf die imposanten Felsen welche in steiler Richtung in das Wasser laufen, im Gegentheil, Schneedecken haben in diesen Tagen sich hier ausgebreitet. Am Ende des Sees landeten wir und gingen zu Fuß eine Viertel Stunde um den Obersee zu sehen, welcher dieselbe blau grüne, tiefe eisig kalte Farbe hat wie der Königssee und gänzlich von Bergen umschloßen ist – aller Wahrscheinlichkeit nach hat er einst mit dem Königssee in Verbindung gestanden. Nachdem wir eine kurze Weile vor demselben gestanden ließ ein Sonnenblick uns die wahre Farbe des Wassers erkennen wie ein glänzender Smaragd erschien er plötzlich doch leider nicht auf lang. – Unser Schiffer hatte das Echo durch einige Pistolenschüße wach gemacht und sieben Mal hörten wir den Schuß wieder hallen gleichsam als wenn ein Berg dem andern freundlich zu rief den Ruf weiter zu bestellen  ; ich kann nicht leugnen daß ein Echo ein unheimliches Gefühl in mir erregt. Hellbron wird wegen seiner kindischen Wassermechanik häufig besucht, ich habe das frische klare Wasser bedauert daß es sich zu solchem Getandel hergeben muß. Nur einer der Spiele macht einen lieblichen Eindruck  : Ein steigender Wasserstrahl, so rein und durchsichtig daß ihn das Auge kaum wahr nimmt, hebt eine goldne Krone hoch empor, und wie er sinkt, so sinkt auch sie wieder, wie von unsichtbarer Hand gehoben und gesenkt. Die Reise ist gemacht und wir können von Glück sagen daß wir alles sahen was unser Wunsch war denn es regnet, wie ich höre – Ich habe mehr gesehen als ich je gehofft und zu wünschen gewagt. Wol erkenne ich daß ich zu den begünstigten Kindern der Erde gehöre allein indem ich das stark fühle weiß ich auch daß ich’s unwürdig bin und das drückt mich. Gute Nacht  ! schlaft wohl  ! – | d  : 15 Sept 48 Schon 7 Uhr hat es bereits geschlagen, zwar haben wir das Bett verlassen nicht aber wie sonst das Haus – es regnet vom Himmel herab was es nur kann alles ist grau man hat keine Ahnung daß liebliche Bergketten in der nächsten Nähe sind. Vortisch wollen wir noch den Kunstverein besuchen und das Treiben des Markt’s sehen und gleich Nachtisch nach Laufen fahren. Sehr viele Früchte giebt es hier namentlich Zwetschken und Weintrauben in Maßen. Letzteren so köstlich große daß ich die größte Lust empfand gleich sie, wo möglich auf dem Markte zu malen. In der Petrikirche ist das Monoment des Haydn überaus einfach weßhalb es mir so wohl gefiel zugleich hörte ich wunder herrlich die Orgel spielen, so schön wie ich sie noch nie gehört. – d  : 17ten Sept Sonntag Die zweite Nacht schon in Laufen geschlafen, wir wohnen beim Bruder der Tante, Becker Röhrl220 und sind gut aufgenommen. Ehe 220 Der Geburtsname der Tante war Rehrl.

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ich zur Kirche gehe will ich Euch einige Worte schreiben  ; obgleich ich durch einen bösen Traum sehr weich gestimmt bin  ; er hat mich so sehr beunruhigt daß ich durch mein eigenes Angstgeschrei erwachte ich wage ihn Euch nicht zu erzählen, da ich sonst mich leicht in traurigen Betrachtungen verlieren möchte – Gott gebe daß ich das Gegentheil aus Euren Berichten vernehmen möchte. – Wir sind im Regen hier angekommen und es ist sehr kalt. Gestern besuchten wir die alten Rosners und solang wir dort waren kamen die beiden jüngeren Söhne, Aloys und Ludwig nach Hause, Ersterer aus Wien, Letzterer aus der Nähe Bergteskadens. Da gab es viel zu erzählen. Wien soll nicht wieder zu erkennen sein. Nachtisch führte man mich spazieren über Felder an Bauernhäusern vorbei endlich einen kleinen, kaum sichtbaren Fußpfad durch Gebüsch an einen Abhang – meine Vettern wollten mir eine schöne Aussicht zeigen und mit einemmal stand ich vor einer zierlich ein ladenden Bank umgeben von jungen Buchen, welche das sehr heimliche Plätzchen beschatteten und zugleich verbargen. Ich freute mich über dies unerwartete Ruheplätzchen als ich auf einemmal in der Buche einen Namenszug tief eingegraben sah laut laß ich  : »Juliens Kanzel«. Die schönste Aussicht bietet dieser Sitz um ganz Laufen. Salzburg mit seiner ganzen Umgebung liegt vor dem Beschauer ausgebreitet und mich rührt’s von meinen Vettern daß sie mir ein Denkmahl | wenn gleich ein leicht vergängliches gesetzt haben. Sonntag d  : 24ten Sept 48 Meine lieben Aeltern  ! Viele Tage sind verfloßen und ich habe nicht geschrieben – schon zwei Tage bin ich wieder in München und erst heut kann ich anfangen das Versäumte nach zu holen. – Ihr werdet fragen warum ich nicht geschrieben  ! Diese Frage will ich Euch beantworten nur vor allen Dingen laßt Euch meinen herzlichen Dank für Eure beiden Briefe sagen  : Der erste hat lang auf mich gewartet, der zweite aber ist gestern angekommen und hat mich über glücklich gemacht, erstens daß Ihr alle noch gesund seid und zweitens daß meine Arbeiten im allgemeinen wieder meiner Erwartung, Euch zufrieden gestellt haben. Wie soll ich Euch sagen was ich gestern beim Lesen empfand  ? Worte vermögen meine Freude nicht zu beschreiben. Daß meine kleine Wäscherin gefällt freut mich  ; auch hier hatte sie allgemeinen Beifall  ; allein ich glaube dem Urtheil der Menschen nicht wenn sie es in Gegenwardt des Künstler’s aussprechen indem sie nicht gut sagen können  : »Pfui das ist hässlich, ganz garstig  !« – Was die Bachantin betrifft so glaube ich Euch wol gesagt zu haben daß mich das Modell sitzen ließ indem sie München verlassen mußte, das Bild hätte eine gewaltige Retusche nöthig, vollens wenn es so werden soll, wie ich es anfangs beabsichtigte, nämlich eine Sonnenbeleuchtung hätte ich gerne gehabt wodurch die Schatten blauer werden hetten müssen, so aber ist jetzt gar nichts, weder sind die Schatten warm noch kalt  ; dann was die Früchte betreffen wagte ich nicht eine dunkle Traube zu malen da das Ganze eine lichte Maaße ist,

226 | Die Briefe wodurch es unruhig geworden wäre  – in einiger Entfernung als einen großen Klex und in der Nähe als Hauptsache erschienen wäre. Ich hätte Euch eigentlich eine unvollendete Arbeit nicht schicken sollen allein ich that es erstens  : um Euch den ersten Versuch der Art zu zeigen und zweitens weil ich es nicht mehr sehen mochte, es enuirte mich schon gewaltig nun ist mir lieb und auch eine Beruhigung daß ich mit vieler Freude daran gearbeitet habe. Jetzt da ich weiß daß mein Streben durch Eure Zufriedenheit belohnt ist werde ich morgen mit erneuter Lust und Freude wie | der zu arbeiten anfangen. Tante und Onkel haben mit mir sich herzlich gefreut daß die Kiste angekommen und auch Freude gebracht, nur ist es mir unbegreiflich wie sie über Petersburg zu Euch gelangt ist, warum sie den Umweg hat machen müssen  : – Du lieber Vater hast richtig und gut die Eigenschaften der Tante aus ihren Gesichtszügen gelesen, ich war ganz überrascht und muß nun noch mehr glauben daß ich ihren Charakter dem Porträte beigelegt. Tante hat außerordentliche Eigenschaften, welche aber von sehr wenigen Menschen erkannt werden indem sie nur allzu oft bei der geringsten Veranlassung mit einer herben Bitterkeit Jedermann, wer es auch sey, begegnet. Ich möchte behaupten  : sie kennt nur Liebe oder Haß und wer einmal bei ihr’s verscherzt der kommt gewiß nicht wieder ins Gleichgewicht. Misstrauisch und streng sind sie beide sowol Tante als Onkel und man thut sich in dieser Beziehung schwer mit ihnen. Gott sey Dank mich haben sie beide lieb und möchte ich auch immer ihr Wohlwollen verdienen. Ich bin überzeugt daß die viel dazu beygetragen sie misstrauisch zu machen und streng gegen Jedermann da sie keine Kinder haben und dadurch eigentlich nicht wissen wie gut sie es im Vergleich zu andern haben. Ihr Bruder in Laufen sieht dem seligen Onkel Ernst221 unaussprechlich ähnlich, ist sehr wohlhabend und besitzt nur einen einzigen Sohn, welcher das Anwesen einst übernehmen wird. Wir haben ihn mit genommen damit ich ihn malen kann denn im Herbst wird er wahrscheinlich Soldat. Dies ist auch der Grund weshalb ich so lange zögerte mit dem Schreiben, ich habe den jungen Vetter als Fremdling in München umher geführt, ihm alles gezeigt. – Später  : Heute Vortisch ging ich zu Bernhardt und fand daß er auch auf 8 Tage München verlassen und erst zu Ende dieser Woche Heim kommt. – Bröcker macht mich herzlich lachen und vor zwei Jahren hatte ich nicht gedacht daß an mir auch einmal die Reihe kommt von ihm in ganz Dorpat aus posaunt zu werden. Wenn ich daran denke was er mir vor einem | Jahre in Dresden auf der Gallerie für Lustigkeiten sagte dann muß ich lachen aber bin ihm dankbar, da es wie mir schien nicht bloße Höflichkeitsform sein sollte – Eine Empfehlung 221 Vgl. Anm. 177.

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von mir glaub ich wird ihm nicht unangenehm sein. Eines begreife ich nicht  : wie die Leute in Dorpat nur bei dieser Zeit Gesellschaften geben mögen und ebenso, wie man wagt dieselben zu besuchen da ohne Sorge doch mehr gegessen und getrunken wird als gewöhnlich. Was und Wo malt Fräulein Bandau  ? – Von Hüttels aus Dresden fand ich liebe Briefe vor, unter andern schreiben sie mir daß Wilhelm Wern222 im Juni in Moskau nach einem 8 Wochen langen Kranksein an Nervenfieber gestorben sey, er hat die Familie bei denen er Hofmeister ist dahin begleitet und wollte dann seine Mutter besuchen. Wie war er voriges Jahr in Dresden noch so glücklich, so gesund und frisch und jetzt nicht mehr. So welkt einer nach dem andern leider oft Menschen bei denen man es am wenigstens erwartet und die leben sollten, um in der Welt zu wirken – mit innigem Schmerz denke ich dabei an Schirren – grüßt ihn herzlich wenn von Euch jemand schreiben sollte – er schreibt mir nicht und ich wage daher kaum ihm selbst meine Grüße zu bringen indem ich fürchte ihn zu stören – obgleich ich’s gern thäte. Was das Schachspiel betrifft so kann ich leider nur sagen  : Schwarz hat recht daß ich nicht dazu geeignet bin, indem das Spiel Denken erfordert  ; ich kann nicht denken und noch weniger grübeln das habe ich schon oft beklagt. Oft schon habe ich es erzwingen wollen tiefer zu denken  ; allein immer auch bin ich bei aller gegebenen Mühe stehen geblieben darum bin ich auch, was die Kunst betrifft manches Mal recht verzagt – Am 21ten Sept 48 Abends kamen wir aus Laufen nach Hause – am selben Tag war’s da ich im vorigen Jahre, an kam, es hatte sich ohne unser Zuthun so gefügt. Wir fuhren von Laufen über Altötting, das Erste war als ich daselbst angekommen meine Kleine {Marie Berger Lattner} auf zu suchen, und Tante besuchte die Mutter Gottes, in der berühmten Capelle die älteste Wallfahrt in ganz Deutschland. Die Freude von ihrer Seite da ich unerwartet kam war übermäßig – wir eilten in die Capelle um mich für den Abend von der Tante zu beurlauben und nun stiegen wir herum und hatten uns viel zu erzählen. Sie bleibt noch ein Paar Wochen bei ihrem Vater. – | Montag d  : 25ten Sept 48 Ich möchte gar zu gerne noch viel und lang an diesen Briefen schreiben aber mir ist’s als wüsste ich gar nichts zu sagen – von meiner Reise könnte ich zwar viel noch erzählen, lauter Kleinigkeiten die man wenig gut schreiben kann  ; indeß wir haben durch aus nichts Abentheurliches erlebt was mir leid ist. – Den beiden lieben Wachters meinen Dank und Gruß – von beiden habe ich freundliche Worte erhalten welche ich später beantworten werde –

222 Diese Person ließ sich nicht ermitteln, ebenso wenig »Fräulein Bandau«.

228 | Die Briefe Die vergangene Nacht bin ich sehr beschäftigt gewesen meine kleinen Geschwister vor Regen und Kälte zu schützen da sie ganz nakt um her liefen überhaupt träumte ich fort während von Euch bin dadurch sehr unruhig gewesen. Die Cholera macht mir immer noch Sorge obgleich ich ihren Namen in diesem Briefe auch gar nicht genannt. Gott mag und wird Euch beschützen  ! Meine Klagen müßen Euch unerträglich werden darum schweige ich besser. | Allen Bekannten meine Grüße. Den Geschwistern allen wozu auch Schwarz gehört 1000 Küße und Grüße. Tante und Onkel grüßen ebenfalls sehr. Von Deinen beiden Schwestern und Bruder Ignatz das nächste Mal. Ersteren habe ich noch nicht gesehen – Lebt recht wohl und vergnügt nach Umständen, und schreibt ja alle, ich zähle jetzt schon die Tage wenn ich wieder Nachricht erhalte. Mit ewiger Liebe und Treue umarmt Euch Eure Tochter Julie. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 28.9.1848 München d  : 28 Sept 48. Meine theuren Aeltern  ! Nicht allein weil es Zeit ist wieder einen neuen Brief zu beginnen, setzte ich mich an meinen Schreibtisch sondern weil mich besonders eine unendliche Sehnsucht erfaßt hat  ; verdrießlich und mürrisch gehe ich umher, alles was ich auch thue ist nicht mit Freudigkeit gethan – ich bin mir selbst zu wieder, das unangenehmste Gefühl das ich kenne und warum so unliebenswürdig  ? Ich weiß es nicht zu sagen  – vielleicht gefällt mir München mit ihren unendlichen Flächen, ja wirklich trostlos nakten Ebenen nicht mehr. – Das Gebirg, ja das Gebirg hat mir zu wohl gefallen  – ich glaube daß ein Mensch welcher auch mit sich und der ganzen Welt zerfallen wäre, oben auf den Bergen allen Groll vergessen müßte, man ist dem Himmel nahe gerückt, ach es ist so köstlich in den Bergen  ! – Vielleicht und wahrscheinlich aber ist meine üble Stimmung in einem anderen Grunde zu suchen – mir werden nämlich die Tage zu lang, ich kann Briefe von Euch nicht erwarten. O möchten sie kommen und mir die besten erfreulichsten Nachrichten bringen  ! Noch muß ich aber ja 6 Tage warten und wollte Gott ich könnte sagen »mit Gedult«. Mein lieber Bernhardt hat mich heute durch sein Kommen sehr überrascht – er ist früher als seine Absicht gewesen heim gekommen  – ich erzählte ihm wie meine Wäscherin gefiele e. c. was ihm Freude machte, es ist ein so lieber prächti-

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ger Kerl (oder wer es verlangt  : Mann) Bis hin zu malte ich allein meinen Vetter.223 Bernhardt hatte eben nicht so erschrecklich viel aus zu setzen wie ich fürchtete. Es regnet heute wieder viel sonst wäre ich morgen nach Dachau mit Sack und Pack, um für mein Bild eine Skitze zu malen – Münchens Bewohner stecken die Köpfe zusammen, theils schimpfend, theils frohlockend daß 10 ihrer Mitbürger als Anführer, Redensführer der revolutionären Partei in vorvergangener Nacht als politische Verbrecher in die Frohnfeste gesperrt worden. Der Vater des Fräulein Stunz,224 welche die Perspectivstunden mit mir nahm, ist als Hauptaufwiegler auch dabei – mir ist es recht da die ganze Familie einen wahnsinnigen Dünkel besitzen. | d  : 30 Sept 48. Gestern war das Wetter besser als ich hoffte, obgleich nicht klar, wodurch mir’s möglich wurde meinen Vetter den ganzen lieben Tag zu begleiten, den Abend war ich aber auch so sehr müde daß mir das Sprechen sogar schwer wurde und heute die Folge ist daß ich heftige Kopfschmerzen habe, deshalb will ich denn heute nicht ausgehen sondern will den ganzen Tag benutzen meine Briefe nach allen Seiten hin zu schreiben, einige sind mir schon recht lästig nun zum Beispiel nach Salzburg und Augsburg, noch andere, wie nach Wien beantworte ich gar nicht, ich mag mich nicht ein lassen in Correspondenzen die mich anuieren aufhalten und doch zu nichts führen. Vor allen Dingen schreibe ich heute der alten Herrmann und Hüttels. Gestern in der Bassilika die bereits fertig in ihrem Glanze steht trafen wir fremde Beschauer und wahrhafte Bewunderer, dieselben sagten daß sie schon viel in der Welt herum gekommen seyen, ganz Italien, England und Deutschland bereist allein so herrliche, so wunder reiche und geschmackvoll gebaute Kirchen wie die Bassilika und Annakirche in München hätten sie noch nirgend gefunden. Der König Ludwig hat sich einen großen Namen durch seinen Kunstsinn erworben, die Nachwelt wird es besser erkennen als die jetzige, welche nur einen ungeheuren Haß für ihn hegt – Morgen beginnt mit dem ersten October das Octoberfest auf der Theresienwiese  – voriges Jahr wurde ich als Fremde hingeführt um vermuthlich durch das Wettrennen, das mir ganz neu war Vergnügen zu schaffen – in diesem Jahr begleite ich den Vetter hin und würde sonst vielleicht gar nicht von der Partie sein wenn ich nicht eine geheime Hoffnung damit verbinden würde ein schönes Gesicht zu finden – möchte es mir doch glücken.

223 Der Sohn des Bruders der Tante, Alois Rehrl (1827–?), übernahm 1849 die Bäckerei des Vaters in Laufen, verkaufte dort sein Haus 1865 und wurde Bäcker im benachbarten Fridolfing. 1853 heiratete er Johanna Zacher, die Tochter des Laufener Schullehrers (frdl. Mitteilung von Thomas Döring, Laufen). 224 Joseph Hartmann Stuntz (1793–1858) war Kapellmeister, Komponist und Operndirektor in München. Die Malerin Electrine von Freyberg, geb. Stuntz (1797–1847), war seine Schwester.

230 | Die Briefe Sonntag d  : 1 October 48. Meine theuren Aeltern  ! Vielen tausend Dank für Eure Briefe noch sind sie keine 1 Stunde da und lassen mich nicht ruhig bei der Tante sitzen  ; welche heute einiges Trostes bedarf sondern treiben mich fast mit Gewalt gleich zu antworten – Gott Lob daß die Berichte über die Cholera so tröstend sind nur ist es noch möglich daß die Landleute die Atmosphäre des kleinen Dorpatchen vergessen  ; – doch man soll nicht immer das Schlimmste fürchten sondern man thut besser und ist weise sobald man immer das Beste hofft, und auch ich will es thun. | Der Herbst naht und dies erkenne ich auch aus der Stimmung der Briefe, obgleich es mich nicht befremdet so betrübt es mich doch immer wieder von Neuem, ich zittere ordentlich für Euch namentlich für Dich lieber Vater vor dieser grauen leeren Zeit, wäre sie nur schon vorüber  ! – Der guten theuren Mutter danke ich herzlich für den ausführlichen Bericht über meine Geschwister, es ist so eigen daß der Mensch nie ganz befriedigt ist wenn er Briefe zu Ende gelesen  ; immer möchte er mehr noch erfahren, möchte dieses oder jenes, das oft nur im Vorübergehen schwach angedeutet ist besser ausgeführt sehen, – ich kann mich eben nicht beklagen zu wenig von Hause zu erfahren  ; aber dennoch habe ich unwillkürlich, wie Schirren mir sagt zwischen den Zeilen gelesen – Deine Befürchtung lieber Vater betreff meines Bildes hat mich frappirt, ich habe im Augenblick lachen müssen aber zu gleich mich ein wenig ärgern. Du fragst ob es meine eigene Arbeit, ein reines Original von mir ist  ?  – aus dieser Frage muß ich leider vernehmen daß Du noch weniger mir zu traust als ich wirklich kann, zweitens daß meine Berichte über die täglichen Arbeiten welche ich Euch sandte, alle vergessen sind. Wenn meine Briefe sich noch erhalten haben dann wirst Du gewiß finden wo ich schrieb daß ich dasselbe Mädchen als die Unschuld darstellen wollte indem sie eine weiße Taube liebkosend an sich preßte, Skitzen hatte ich gemacht und als Bernhardt sie an sah, lachte er mich aus und sagte beinahe auf nun spottende Art ich möge mit einer so viel und oft vorkommenden Taubengeschichte weg bleiben, so ungefähr waren seine Worte mit denen er ging und ich verschähmt, verdießlich blieb zurück  ; Der Vormittag verging, voller Verdruß hatte ich hin und her gedacht auf eine andere Idee  ; denn mir wird es schwer mich von | einer gefaßten Idee loß zu sagen  ; zufällig bemerkte ich die Kleine wie sie sich an ihren Haaren zu schaffen machte und plötzlich faßte ich’s auf und siehe Bernhardt war sehr zufrieden. Du wirst Dich erinnern wie er mich gelobt als ich die Stirn gemalt, die Worte werden mir unvergesslich bleiben die ich wiederholen kann  : »nun die Farbe und Modellierung ist so gut wie man sie nur machen kann« ich natürlich sehr überrascht darüber sah ihn fragend an und ich glaube auch daß ich etwas sagte, vielleicht eine Dummheit hinter welcher ich meine wirkliche Freude schlecht verbarg, und wie ich Euch schon mitgetheilt liebt er nicht daß man sein Lob zu Herzen nimmt und sich

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freut, gönnte auch das mal mir nicht das Vergnügen sondern sagte darauf  : »nur eines wäre noch zu wünschen gewesen daß Sie die Adern etwas mehr hätten durchfühlen lassen« – bei den Armen sagte er mir sogar daß es das Beste wäre was ich in der Art gemalt – Was ich heute geschrieben, könnt und müßt Ihr in meinen Briefen lesen d. h. wenn sie noch existieren. Wie kannst Du wol glauben daß ich eine Copie für ein Original Dir schicken werde  ? Und dann hätte ich gewiß mir ein besseres Original gewählt als dieses eines wäre – ich weiß nicht ob ichs dem Bernhardt sagen werde, wenn Du’s indeß wünscht so bitte ich ihn um ein Zeuchniß daß ich das kleine Mädchen unter seiner Leitung gemalt, dasselbe Mädchen hatte ich vorher als Betende in einer Kirche gemalt mit der kleinen Lattner zusam, und darauf erst sprach Bernhardt gegen mich den Wunsch ein hübsches Bild aus der Kleinen gemacht zu sehen, – Später hat | sie noch zwei Mal gesessen, nur zu zwei Studienköpfen, eines in Gelbdunkel und das andere im Profil – mir ist es leid die Betende nicht gesandt zu haben dann hättest Du hoffentlich die Ähnlichkeit erkannt. d  : 2 Oct 48. Ehe ich fort gehe noch ein paar Worte  : Die Nacht habe ich fast gar nicht geschlafen, mich quälte der Gedanke daß Du nun so lang in der peinlichen Ungewißheit meines Bildes wegen sein mußt und doch sollte es mir angenehm sein daß Deine Erwartungen hierin übertroffen sind – ich bin heute ruhiger als gestern und das ist mir sehr lieb – Sehr viel habe ich in meinem Bette die vergangene Nacht über mich selbst gedacht – durch die Skrupel mehr, als sonst durch eigenen Anteil vielleicht. Ich sah mein künstlerisches Leben, mein Streben darin als das eines anderen an um eine möglichst unparteiische Richterin zu sein. – Ich sah ein, daß es mir in der verfloßenen Zeit meines Hierseins in München gelungen meinen festen Willen und Vorsatz, sehr fleißig zu sein, aus zu führen und blicke ich nun zurück auf das vergangene Jahr und dann wieder in die Gegenwart dann fühle ich doch daß ich einen großen Schritt vorwärts gethan – ich bin recht heiter darüber und doch noch lang nicht zufrieden, wie schwach, wie elend komme ich mir vor wenn ich die Werke der hiesigen Meister betrachte, doch unter Bernhardts Leitung hoffe ich gewiß daß ich im künftigen Jahre Euch ein besseres Bild schicken werde können als dieses ist, das schwerste habe ich am Ende doch überstanden und wenn ich im gleichen Schritt fort gehe wie bisher so verspreche ich Euch ein besseres zu schicken oder zu bringen. Die kleine Lattner ist noch nicht hier, die und die Tante haben sich schwer von der Kleinen225 getrennt, die Skitze zu dem | Bilde habe ich {der} Ersteren geben müßen. d  : 3ten Octb 48 Jetzt da ich wieder geschrieben was ich lieber mündlich gesagt hätte bin ich froh, zufrieden, ja muthwillig. Mir ist’s als wüßtet Ihr es schon, gestern besonders habe ich nach langer ewig langer Zeit wieder einmal recht von 225 Gemeint ist die Kleine Wäscherin, die sie Ende Juli nach Dorpat geschickt hatte.

232 | Die Briefe Herzen gelacht wenn gleich ohne Grund, ich war ausgelassen, so daß alle erstaunt mich an hörten  ; ich bin auch recht froh, meine größte Sorge der Cholera wegen ist mir wie eine Zentnerschwere von der Brust gefallen und dennoch kann ich keine Nacht recht schlafen seit ich wieder in München bin, schwere Thränen und viel wache Stunden anuiren mich sehr – außer diesen ist mir noch höchst unlieb zu sehen wie mein Haar ausfällt trotz seiner Kürze – ich bin es jetzt so sehr gewohnt das Haar kurz zu tragen daß ich nicht daran denken mag es wachsen zu lassen deshalb es jeden Monat gestutzt wird, es fällt nicht auf und ich trage es wenigstens so solang ich in Deutschland lebe. – In Wien hat sich der größte Teil der Mädchen die Zöpfe abgeschnitten um die Kopfbedeckung des edlen Freicorps zu zieren in München ist man doch noch nicht so toll. Meinen Vetter aus Laufen habe ich retuschiert und will heute mit dem Bilde fertig werden  – Bernhardt wie schon neulich gesagt hatte nicht so viel auszusetzen wie ich fürchtete im Gegentheil hat er mich in manchen Sachen sogar sehr gelobt. So unangenehm mir’s anfangs war ihn zu malen ohne Bernhardts Hiersein so sehr freuts mich jetzt  ; weiß ich doch meine eigene Kraft zu schätzen, obgleich er nie seine Hand in das Bild seiner Schüler thut, so macht er doch täglich den Schüler auf seine Fehler aufmerksam. – Ich kann also die Versicherung geben daß an meinen sämtlichen Bildern keine andere Hand je gemalt als die deiner Tochter Julie. – Was den Cromwell226 betrifft so ist mein Wunsch ihn nicht zu verkaufen außer es findet sich ein Käufer und dann gehört das Geld Euch. | Für meinen Paß werde ich schon hier sorgen, wozu ich Zeit genug habe. – d  : 4 Octb 48. Heute Abends reist der junge Vetter ab nach Hause, sein Bild ist sehr ähnlich und er darüber empfindet kindische Freude – In Ermangelung dessen was Euch erzählen will ich nachsehen ob nicht noch etwas aus Euren Briefen zu beantworten wäre. – Die heilige Cecilie von Carlo Dolcy in Dresden227 hat sonderbarer Weise mir ein inniges Wohlgefallen abgewinnen können, die Menge lobpreist sie erstaunlich  ; anfangs fühlte ich mich nicht bewogen mit in den Lobgesang einzustimmen  ; allein fand bald daß ich schlecht weg kam, namentlich bei 226 Julie Hagen hat in Dresden nach Anthonis van Dyck (1599–1641) das Bildnis eines Geharnischten mit roter Armbinde (um 1625/27, Öl auf Leinwand, 90 × 70 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 1026) kopiert. Zur Identität des Porträtierten sind zahlreiche Thesen aufgestellt worden, eine davon war, dass es sich um Oliver Cromwell handelt (z. B. im Dresdener Galeriekatalog von 1809). Heute gilt der Dargestellte als unbekannter, in idealer Darstellung wiedergegebener Mann, eine Art Tronie (frdl. Mitteilung von Uta Neidhardt, Dresden). Das Gemälde wurde tatsächlich nicht verkauft und befand sich noch zum Zeitpunkt ihres Todes im Besitz der Künstlerin (vgl. Verzeichnis der Gemälde im Nachlass der Künstlerin, Nr. 39, Familienbesitz). 227 Carlo Dolci (1616–1686), Die heilige Cäcilie, um 1670/72, nicht bez., Öl auf Leinwand, 96,5 × 81 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 509.

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zährtlich erzogenen Damen denen ich dagegen die Venus von Tizian228 pries, sie allen übrigen Schätzen der Gallerie vorzog – überhaupt bin ich keine Verehrerin des Carlo Dolcy und dennoch würde ich sie copieren wenn sich mir die Gelegenheit darbietet und den Carus229 ein Vergnügen schaffen, leider aber ist sie alle zwei Jahre nur zu haben. – Von Schwarz und Schirren erwarte ich mit einiger Ungedult die verheißenen Briefe, aber ich meine zu ihnen daß ich lang warten werde müßen. – Mich freuts unendlich daß Ihr Wachters, meine theuren lieben Freundinnen so lieb, so schützenswerth findet, mir wird so wohl dabei wenn Personen die ich liebe auch Euch gefallen  – Hier kann ich wirklich mich nicht an die jungen Mädchen schließen außer der Lattner welcher es eben so geht und sie ist nicht Münchnerin – sondern hat ihre Jugendzeit in Braunschweig verbracht230 – ich kann sogar sagen  : ich bin froh wenn ich nicht genöthigt bin mit diesen Mädchen umzugehen, vielleicht geht es ihnen ebenso mit mir  ; denn woran ich Interesse finde, bietet ihnen nur Langeweile und was sie zur Lebendigkeit, zu aufregenden Gesprächen zwingen kann läßt mich kalt und mit einiger Nichtachtung oder großer Gleichgültigkeit sie anhören oder mustern, das aller größte Glück ist ihnen der Gedanke verheirathet zu sein mit wem  ? Das gilt ihnen gleich, daher auch fast keine Heirath zu stande kommt ohne durch eine 228 Hier ist nicht eindeutig zu bestimmen, ob sie die Venus, sich spiegelnd oder die Schlummernde Venus von Giorgione (1478–1510) meint, Letztere zählt noch heute zu den Hauptwerken der Dresdener Sammlung und wurde von Tizian (1477–1576), der mit Giorgione zusammenarbeitete, nach dessen plötzlichem Tod vollendet. Vgl. Tizian (Werkstatt), Venus, sich spiegelnd, Öl auf Leinwand, 115 × 100 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 178, und Giorgione, Schlummernde Venus, um 1510, nicht bez., Öl auf Leinwand, 108,5 × 175 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 185. 229 Die Familie Carus war eine den Hagens eng befreundete Dorpater Familie, zu der auch die Tochter Fanny (1829–1917, verh. Mercklin), eine Freundin Julies, gehörte. Der Arzt und Philosoph Ernst August Carus (1797–1854) wurde in Leipzig geboren und war lange dort tätig, 1844 wurde er Professor für Chirurgie in Dorpat und Leiter der Chirurgischen Klinik. Eine verwandtschaftliche Verbindung zu Carl Gustav Carus (1789–1869) besteht nicht. Die Familie Carus war sehr der Musik zugetan, was sich durch Besuche Robert Schumanns belegen lässt, der für Carus’ erste Frau, Agnes, geb. Küster (1802–1839), schwärmte, die viel musikalisches Talent besaß. Sie verstarb 36-jährig an einer »nervösen Brustentzündung«. Später suchte der Vater für die Tochter Marie (1831–1914) Ausbildungsmöglichkeiten im Gesangsfach in München. 230 Zu Marie Berger-Lattner vgl. Anm. 168. Ihre Mutter war die Schauspielerin Wilhelmine Berger, geb. Pichler (1805–1837) aus Bayreuth. Diese wurde 1822 für das Braunschweiger Hoftheater engagiert, wo sie bis 1832 blieb. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin 1832/33 ging sie bis 1837 nach Breslau, erhielt ein Engagement nach Bremen, wo sie kurz nach ihrer Ankunft verstarb. Der Vater ging daraufhin mit der Tochter Marie zurück nach Altötting, seiner Heimatstadt. 1844 trat Marie Berger-Lattner in die Malschule Bernhardts ein.

234 | Die Briefe Kuplerin und wohl läßt sich auch in diesem Fall das Sprichwörtchen anführen  : Ländlich, sittlich. Leider  ! muß ich sagen und ich glaube wo es Sitte wäre legten sich selbst die Kühe ins Bett – | d  : 5ten October 48. Heute früh beim Ankleiden finde ich ein Briefchen, daneben eine Rolle in einer der Schubladen zu meinem Schreibtisch, ich ergriff beides heftig als fremde Eindringler und fand ein Geschenk von 2 Louisdor als Andenken von dem Vetter, das bewies seine Freude über sein Porträt, er bittet mich schriftlich mir ein Andenken zu kaufen – und das will ich denn auch thun, will mein Attelier mit einigen nothwendigen Dingen bereichern – Ein lieber Junge  ! Mir ist es nur sehr leid daß er seinen Geldbeutel so geschnürt – wenn es mir immer so ging, dann hätte ich bald den Paß bezahlt. – In dieser Woche thue ich wenig, ich kann kein Modell finden das schön ist darum werden dann die Porträts alle vollendet und ich habe hie und da die Freude ein Bild von mir in Goldrahmen zu sehen  ; da erkenne ich ein solches kaum wieder da der Goldrahme es erst zum Bilde macht. – Du kannst Dir Bernhardt nicht denken und traust ihm nicht recht, wenigstens scheint mir die ausgesprochene Befürchtung oder Meinung, daß Du glaubst Dich nie recht mit ihm Dich befreunden zu können, das zu beweisen und ich glaube gerade daß er der Mann wäre der Dir recht gefallen möchte – er ist nicht allein anerkannt tüchtiger Künstler sondern auch ein Mann lebhaften Geistes (ich will nicht behaupten  : geistvoll) interessiert sich für viel Sachen die von einem Mann verlangt werden und hat dazu eine außerordentlich liebenswürdige Art sich zu bewegen. Jeder Mann oder Frau, welche ihn ein oder zehntausend Mal gesehen, gesprochen, ist ein genommen – Noch Niemand ist mir begegnet der nicht in jeder Beziehung Bernhardt gelobt hätte – nun müßt Ihr ja nicht etwa denken daß seine Manier zu sein, eine kriechende, schmeichelhafte sey, Gott bewahre  ! Offen und gerade, eher ruhig als heftig, leidenschaftlich – Aber was hielft mir mein Beschreiben, ich bringe Euch sein Bildnis, welches er freilich erst fertig malen muß um von mir copiert zu werden – ich habe ihn schon darum gebeten. Die kleine Lattner resurnirt noch immer daß ich ihr die Umarmung vorweg genommen. Heute ist es nach langer Zeit wieder einmal schön Wetter zu wünschen war’s des Octoberfestes wegen, ich bin nicht draußen gewesen. – | Das Unglück der Familie Ehrenstolpe231 bedaure ich sehr – besonders das Schicksal der Adele, ihre fortwährenden Kopfschmerzen haben es so wol so weit gebracht, man hört hier von solchen Fällen öfter. 231 Die Familie Ehrenstolpe gehört zum schwedisch-finnischen Adel, der Generalmajor Carl Johan Ehrenstolpe (1791–1868) lebte in den Jahren 1832 bis 1846 mit seiner Familie in Dorpat (frdl. Mitteilung von Magnus Jägerhorn af Spurila, Westervik/Schweden, † 2015). »Adele« mag die älteste Tochter Adelaide (1822–1871) gewesen sein. Interessant ist, dass sich ein mutmaßliches

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d  : 6 Octb 48. Diese Woche ist mir eine Trostlose, sie zieht sich mit langsamen Schritten hin  ; ich kann noch immer nicht die alten gewohnten Gleise finden – Ein Tag wird fleißig gearbeitet, den andern that ich wieder nichts. – Gestern nach ewig langer Zeit saß ich den ganzen Nachmittag bei Tante mit einer Näharbeit und fühlte dabei große Langeweile, sie beschäftigte mich nicht genügsam – ich hatte Zeit genug meinen Gedanken freien Lauf zu lassen und die Folge war daß ich traurig wurde. Mit Sehnsucht gedachte ich Euer und der vielen lieben Personen daheim möchtet Ihr nur gesund und auch munter sein. Mein Brief mit seiner sehr mangelhaften Beschreibung unserer Reise ist vielleicht gestern angekommen. – Heute hatten wir eine große Entdeckungsreise in einer der Vorstädte Münchens unternommen um das Modell welches ich zur Bachantin gebraucht auf zu finden, da wir vor wenigen Tagen gefälliger Weise erfuhren daß sie wieder hier sey und es gelang uns wirklich nach mehrstündigem erfolglosen Suchen – sie hat keinen Dienst und war daher bald bereit mir wieder zu sitzen und zwar in der Schweitzer Tracht. Montag beginne ich das Bild  ; ich freue mich unendlich, dieses Bild wird mir wieder hinlänglich Beschäftigung geben. – Nun bedaure ich sehr meine Bachhantin Euch geschickt zu haben, jetzt hätte ich Gelegenheit sie fertig zu machen. – Was es doch schwer ist ein schönes Gesicht zu finden, ich sehne mich ordentlich darnach wieder einmal eine größere Maaße Fleisch zu malen aber immer noch kann ich kein Kopf finden viel leichter findet sich als Du glaubst ein schöner Act. Wenn ich zu jedem schönen Körper einen Kopf hätte dann wäre ich schon froh  – Die beiden kleinen Schwestern habt Ihr mir so allerliebst geschildert, daß ich lebhaft bedaure sie nicht genießen zu können – Johannchen indeß möchte wol noch zu jung sein mir als Modell zu dienen denn ich achte auf recht ruhige, welche wenigstens meine Winke ver|stehen haben [sic]. d  : 10 Oct 48. Es ist zwar noch früh, wenigstens zu früh um zur Arbeit zu gehen aber dabei so dunkel daß ich beinahe nicht den Brief heraus geholt um zu schreiben, es regnet stark, das Barometer ist tief gefallen, der Herbst mit seinen widrigen Gesichtern ist da, zum malen eine trostlose Zeit. – Ich klage und weiß doch daß es bei Euch noch viel, viel schlimmer ist, vielleicht habt Ihr gar schon Schnee. – Gestern erwartete ich das Modell (der Bachantin) welche statt um 8 Uhr erst um 10 Uhr kam  – ich steckte sie also dann in die Schweitzer Tracht worin sie allerdings reitzend aussah, obgleich sie nicht mehr das unschuldige reine Gesicht hat und begann mehrere kleine Skitzen zu zeichnen  – die erste Idee, welche ich mir zu Hause zuvor ausgedacht und namentlich in den Nächten die ich nicht schlafen kann im Geiste ausgeführt gefiel Bernhardten am Selbstbildnis August Matthias Hagens bei den Nachfahren der Ehrenstolpes in Schweden erhalten hat (Farbabb. 8).

236 | Die Briefe besten und ich fing an auf die Leinwand zu zeichnen – sie stützt sich auf einen Zaun und Blumen in der Hand haltend, kaum hatte ich begonnen als die kleine Lattner ins Zimmer trat und mich bat mit malen zu dürfen, ich war zufrieden und erfreut sie wieder zu sehn, entledigte mich der Grüße und erzählte ihr alles was sie interessieren könnte, sie bedauert daß Du nicht den Vorsatz ihr zu schreiben ausgeführt und so verging der Vormittag unter Lachen und plaudern  ; Gegen 12 Uhr füllte sich mein Attelier mit Malern, alten die Bernhardt mir zu führte um meine Arbeiten zu sehen ich war erschrecklich verlegen darüber und doch ist’s mir ein gutes Zeichen. – Es ist sonderbar daß ich nicht schlafen kann jetzt wundert’s mich da ich keine so großen Sorgen um Euch habe. – ich fühle auch mich wohl, nur mit unter bin ich entsetzlich reitzbar, so z. B. darf mir im Atelier nur etwas nicht gleich gelingen so könnte ich vor Zorn aufspringen und davon laufen, – Wie | häßlich und unliebenswürdig das ist fühle ich sehr gut und deßhalb hoffe ich daß nicht gar lang mich diese Untugend verfolgen wird. – Die politischen Verhältnisse werden von Tag zu Tag bedenklicher, seit heute sind die gräulichsten Nachrichten über Wien. – Ich kümmere mich eigentlich gar nicht um diese Sachen, denn ich habe beinahe keine Zeit diese Maße von Zeitungen durch zu lesen und dennoch beschäftigt mich das Wenige was man mir mittheilt gar sehr – was wird noch daraus werden  ? d  : 11 Oct – Trostlos sitze ich da, die Uhr ist bereits 10 und noch bin ich allein, das Modell war hier um nur anzumelden daß sie nach Hause müße, ihre Mutter, giebt sie an sey gekommen um sie zu holen. – Dies will ich schon zu verhindern suchen denn es wäre doch abscheulich wenn es mir jedes Mal so ginge. d  : 12. Wie ich sehe schlägt diese Dinte gewaltig durch, welche ich im Attelier habe – eins der kleineren Geschwister müssen sich schon die Mühe geben dieses Blatt zu entziffern, denn in der That lohnt es nicht der Mühe es neu zu schreiben. – Gestern kam das Modell doch noch und beruhigte mich damit daß sie hier bleibt und ich freue mich unbeschreiblich über das Bild ich glaube daß es recht hübsch werden kann, auch Bernhardt sagte mir daß es recht hübsch werden kann, daß ich sie recht hübsch aufgefaßt hätte  ; da es jetzt trübe Tage giebt und das Modell nicht die pünktlichste im Kommen ist so bleibe ich über Mittag hier, lasse für sie zu essen holen und profidire so zwei Stunden – ich habe die Absicht es im Winter öfter so zu machen um weiter zu kommen. – Seit 6 Uhr hört man Kanonendonner, Freudenschüße zur Feier des Namenstages des Königs.  – Mir scheint es eine Satire auf das blutige Kanonendonnern in Wien und zu wünschen ist’s daß es nicht ein Vorspiel zu einem Ähnlichen ist. Sonntag d  : 15 Oct 48. Heute dürfte ich wol einen Brief erwarten  ; allein ich will mir nicht zu sehr mit dieser Hoffnung schmeicheln vielleicht wartet ihr noch ein wenig damit ich dadurch ein liebes Geburtstagsgeschenk bekomme – der Tag ist ja bald da an welchem ich 24 Jahre zähle und gar nicht so erschreckt auf diese |

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ohne Frage große Zahl wie früher. Ich erwarte ihn mit unendlicher Ruhe. Wieder ein Schritt vorwärts gethan. Dieses Stück Papier will ich unbeschrieben lassen da ich selbst nicht lesen kann was ich geschrieben. Heute wird das Monument des berühmten Gluck232 enthült, leider habe ich nicht erfahren können wann  ? – Wir arbeiten heute den ganzen Tag  – am Abend werde ich in die Oper, Ephygenie wird gegeben, ich freue mich darauf. – d  : 16 Oct 48. Nur wenig Zeilen wird jeden Tag geschrieben was zwar nicht schön ist aber doch wenigstens besser als gar nichts. Auch heute hätte ich so viel nicht zu sagen allein ich benutze gern die Zeit wo das Modell speist – Die Oper gestern Abend hat mich ganz total zerknikt möchte ich sagen – ich mußte ordentlich gewaltig an mir halten um nicht durch zu viel Thränen die Aufmerksamkeit auf mich statt auf die Bühne zu ziehen, noch heute bin ich ungewöhnlich weich, oder wenn ich nicht zu viel sage  : sanft gestimmt – und da bin ich denn so glücklich daß mir die Lattner freundlich und liebend zur Seite steht – Wir begegnen uns in allen vorkommenden Fällen, nichts hat sie erlebt und empfunden was nicht auch ich durchgemacht oder wenigstens ihr nachzufühlen versteht. Dazu kommt noch daß sie in den selben Verhältnissen lebt wie ich hier in München. – Es ist so trüb und schaurig draußen daß ich froh bin, nicht nach Hause gehen zu dürfen – Tante hat nichts dagegen daß ich des Mittags hier bleibe und so soll es denn den Winter durch immer so gemacht werden – ich will die Zeit nutzen so sehr ich kann denn wer weiß ob im nächsten Frühling nicht der Krieg nach Hause treibt  ? – | d  : 17 Oct 48. Gestern Abend recht müde und auch etwas frostig kam ich nach Hause, fand einen Brief von dem Vetter Röhrl vor der mir recht viel Freude machte, nachdem ich diesen gelesen holte die Tante einen anderen aus ihrer Tasche hervor – Die bekannten geliebten Schriftzüge ließen mir sogleich ihn als einen aus dem älterlichen Hause erkennen ich las ihn und wurde auch fertig, als darauf ein dritter aus der Tasche heraus spazierte, es erschien mir wie eine Zauberei. Auch das war aus Rußland und ich irrte mich nicht Hartmanns Hand zu erkennen und nachdem ich all den Reichthum genossen und zufrieden über alles nachdenken wollte spazierte noch ein vierter Brief aus dem selben Versteck  ; unverkennbar Schirrens Hand – nun aber wurde es mir schon zu arg ich sprang auf und untersuchte die Taschen der Tante aber sie waren leer, am Ende auch Zeit dazu. Ein solcher Tag kommt nicht so bald wieder an welchem sich zu gleicher Zeit so viel Gesellschaft bei mir versammelt  – durch den großen Reichthum wurde ich sehr aufgeregt und habe wenig geschlafen, hörte eine 232 Gemeint ist die von Friedrich Brugger (1815–1870) geschaffene Statue des Opernkomponisten Christoph Willibald Gluck (1714–1787), die 1848 am Promenadenplatz eingeweiht wurde.

238 | Die Briefe Maße Leute vorüber ziehen mit argem Lerm welcher eine Katzenmusik gemacht soll haben  – man hat an mehreren Stellen die Fenster eingeworfen und es ist das Meliter sogar eingeschritten und hat endlich die Leute zur Ruhe gebracht. Man fürchtet für diese Nacht abermals Bierkravalle. – Mein Brief scheint trotz meiner Bemühungen recht sehr grau zu werden und ehe ich mich besinne so will ich denn die Frage betreff meines Vetters {Alois} beantworten – Ich habe schon häufig Gelegenheit genommen von ihm zu sprechen, eben so wie ich’s von Personen thue, welche ich achten und lieben kann  – Mir wurde es leicht ihn kennen zu lernen – Leichter als mit jedem andern durch die Reise die wir mit einander im vorigen Jahre aus Dresden nach München machten. Mir scheint es wenigstens daß nicht leichter sich Menschen und einigermaaßen verwandte Seelen | sich erkennen und nähern als grade auf Reisen – ich glaubte an ihm einen sehr gescheiten vielseitig gebildeten Menschen zu erkennen und schloß mich an ihn – in der That hatte ich mich nicht geirrt – er hat viel Sinn und Urtheil für die Kunst und Naturschönheit, das war also ein sehr natürlicher Schritt zur Annäherung und ich kann nicht leben ohne mich auszusprechen – hier in München gingen mir neue Freunde ab und ich fand wahre Theilnahme bei Aloys wenn ich mit unter recht sehnsüchtig an Euch dachte dann kannte ich kein höheres Glück als mich von Euch unterhalten und er interessierte sich lebhaft für meine Familie ich führte ihn ganz bei Euch ein. Wol schien es mir bisweilen (ich leugne es nicht) als wenn er aufmerksamer liebevoller gegen mich sey als gewöhnlich junge Leute zu sein pflegen und erzählte ihm allmählich wie mein Vorsatz sey mich nie zu verheirathen statt dessen für meine jüngeren Geschwister zu sorgen. Es rührte ihn wie es schien und so haben wir öfter davon gesprochen, er kannte meine Gesinnung, meine Art zu denken ganz und hat mich wenn auch nicht grade bestärkt so doch nicht unrecht gegeben – er ist ein lieber braver Mensch und ich glaube wol auch geistreich allein an ein noch näheres Verhältnis zu ihm kann und will ich mich nicht bereden. Ich liebe ihn wie einen Bruder aber mehr nicht – sollte es von seiner Seite mehr sein dann sorgt schon die Tante dafür daß die Flamme verlischt indem sie von Neuem durch die Heirath des Xafer sich entzweit haben. Er kommt nicht mehr zu uns und ich will ihn bitten auch mich um der Tante und Onkel nicht zum Mißtrauen Anlaß zu geben nicht auf zu suchen. Außerdem möchte ich in München für immer auf keinen Fall leben also darin könnt Ihr ruhig sein, ich verliebe mich hier gewiß nicht  !  ! – ich will einmal eine Ausnahme vor andern Mädchen machen. – Ihr müßt auch noch aufhören Euch darüber zu wundern, die Tante hat sich wie es scheint endlich | mit dem Gedanken versöhnt. – Das Wiederauferstehen der Cholera hat mich weniger erschreckt als Ihr glauben möchtet daraus ist mir wieder ein Beweis wie das Böse das Häßliche zur lieben Gewohnheit wird. – In Wahrheit ich weiß nicht was Euch erzählen, daher

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verzeiht daß ich zu einem anderen Blatte greife auf welchem ich an Schirren schreiben will. Seinen Briefen fühle ich’s an daß er krank gewesen, eine etwas müde welke Stimmung ist nicht zu verkennen. Gute Nacht  ! – Die Ausstellung dauert nur noch bis zum 25ten Oct. Ich war heute mit meiner Kleinen draußen  ; aber wir fanden fast nichts Neues auch findet in diesem Jahre fast kein Mensch sich aufgelegt sie zu besuchen.233 – d  : 18 Oct 48. Heute ist ein furchtbar unruhiger Tag gewesen – die Bierbrauer und Bäcker sind bös zu gesetzt worden. Alles Melitär ist seit gestern Abend draußen. Gleich Nachtisch ist es namentlich recht bunt in der Stadt gewesen  ; ich habe leider nichts davon gesehen nur von Augenzeugen davon erzählen lassen. Auf eine scheußliche Weise hat man gewirtschaftet daß kaum möglich ist zu beschreiben – Tod geschlagen sind mehrere Soldaten sowol als Bräuknechte. – Die Nacht wird es vielleicht noch ärger werden. Bernhardt hat hinaus müssen. Der Generalmarsch ist Nachtische 5 Mal geschlagen worden  ! Mir wurde das Malen schwer bei solcher Unruhe in allen Straßen – und ich finde daß es eine Schande ist in einer Stadt zu leben in welcher oft und viele Mal so etwas vorkommt und sagen zu müssen  : »ich habe nichts gesehen« – heute wäre ich gern zu gegen gewesen  ; allein ich verschiebe es auf ein ander Mal. Tante hat heute Kummer durch den Tod einer jungen Frau welche vor 3 Jahren von ihr aus verheirathet | worden nachdem sie mehrere Jahre als Waisenkind gleichsam als Pflegetochter erzogen sich aber unglücklicher Weise am Hochzeitstage so entzweit daß sie ein ander nie mehr sahen bis kurz vor ihrem Tode – Sie ist an der Lungensucht nach dem zweiten Kindbett gestorben. – Mein Bild ist hoffe ich bald fertig wenigstens male ich jetzt an den Händen und ich freue mich recht darauf – Wenn ich nur dann ein schönes Modell fände  ! – ich möchte so gar gern eine Nympfe malen  ! Tante schreibt vielleicht auch wenn ihre Trauer sie nicht zurück hält, aber namentlich nur um zu bestätigen was ich meines Bildes betreffend Euch sagte. Jetzt erst ist’s mir eingefallen warum Ihr Euch dieser Arbeit nicht recht erinnert  ; so lang ich an der Kleinen malte beschrieb ich nur immer wie sie werden soll und hatte ihr noch keinen Namen gegeben – Der Kürze wegen nannte ich sie also die Wäscherin, ein Name freilich unter welchem sie niemand suchen möchte – Ich gebe Euch daher die Erlaubniß sie um zu taufen wie Ihr sie wollt und hat das Bild 233 Hier meint sie die Ausstellung der Akademie der bildenden Künste München, die nur alle drei Jahre stattfand. Die Ausstellungen des Kunstvereins fanden häufig (mehrmals im Jahr) und unregelmäßig statt. 1848 war auf der Ausstellung der Akademie keine Frau vertreten (im Gegensatz zu den Ausstellungen anderer Jahre) und auch der Lehrer Bernhardt hatte die Ausstellung in dem Jahr nicht bestückt, vgl. Verzeichniß der Werke lebender Künstler, welche in dem k. Kunst- und Industrie-Ausstellungsgebäude vom 25. August an öffentlich ausgestellt sind, München 1848. (XII. Kunstausstellung der königlich bayerischen Akademie der bildenden Künste).

240 | Die Briefe einiger Maßen einen Werth dann kann ich’s vielleicht nur dem Zufall verdanken – Es wäre schön wenn sich dasjenige mir bleibend ins Gedächtnis schriebe, was mir Schönes im Leben begegnet aber immer nur bleibt mir höchstens der Eindruck, des etwas auf nachgemacht zurück und das ist zu wenig. Heute ist Sonnabend d  : 21 Oct schon – ich saß am Vortisch im Attelier ohne etwas rechtes zu thun als auf ein mal Bernhardt mit zwei Malern herein trat, sie mir vorstellte als Rugendass234 (Abb. 11) welcher in Amerika und Brasilien viele Jahre gelebt und Mayer235 aus Rom. Meine Verlegenheit kann ich gar nicht beschreiben als meine Arbeiten bewundert wurden wie wahr das ausgesprochene Lob war will u. kann ich nicht untersuchen.  – Der Eine von diesen Künstlern fragte mich ob nicht der Meister mit geholfen habe  ? Mir kam die Antwort nicht zu und mein | lieber Bernhardt übernahm die Antwort und sagte was wahr ist daß er nie seinen Schülern hinein male. – Sonntag d  : 22 Oct. 48. Es regnet ist kalt und trübe – meine Stube ist geheitzt und den ganzen Tag habe ich geschrieben. Einen langen Brief meinem Freunde Schirren  – er ist so lang daß ich fürchte er empfindet Langeweile beim Lesen. Dem lieben Hartmann schreibe ich das nächste Mal. Heute soll ich ins Theater und ich habe ungeheurer starke Kopfschmerzen und dennoch will ich diesen Brief schließen um ihn auf die Post morgen in aller Früh zu bringen. Den beiden Wachters habe ich geschrieben. Meine Briefe könnt Ihr alle meinen Freunden mittheilen. Morgen beginne ich mein Bild zu retuschieren und freue mich darauf. Gestern Nachtisch saß ich im Garten und malte mir ein Gebinde Stockrosen, Schlangenkraut etc. zum Hintergrund und hoffe daß es hübsch wird 234 Der Augsburger Maler Moritz Rugendas (1802–1858) hatte von 1822 bis 1825 und 1831 bis 1846 in Südamerika gelebt und gearbeitet. Er gilt als »Chronist« des südamerikanischen Kontinents. Er entstammte einer Augsburger Künstlerdynastie, nach einer Lehre bei Albrecht Adam (1786–1862) besuchte er 1817 die Münchner Akademie. Nach der Rückkehr von der ersten Südamerika-Reise unternahm er 1828/29 eine Reise durch Italien, auf der er prägende lebenslange Kontakte mit Künstlern aus ganz Europa knüpfte. 1848 hatte die bayerische Krone sein gesamtes Amerika-Werk gegen eine lebenslange Rente erworben. Moritz Rugendas war im Begriff in München neu Fuß zu fassen und seine alten Künstlerkontakte zu beleben. 235 Der in Altona geborene und in Kopenhagen ausgebildete Genremaler Ernst Meyer (1797– 1861) lebte zumeist in Italien, besonders in Rom. Er war zwischendurch viel auf Reisen, allerdings gehandicapt durch eine Syphilis-Erkrankung, die er sich in den 1830er Jahren zugezogen hatte. Vor den politischen Unruhen in Italien hatte er sich 1848 nach Süddeutschland zurückgezogen, wo er mit Rugendas viel Zeit in München und Augsburg verbrachte. Bekannt war Meyer durch seine anekdotischen Genredarstellungen, deren Hauptfiguren häufig Mönche waren. Aufgrund seiner Erkrankung, die ihn verhinderte, die Ölmaltechnik auszuführen, verlegte sich Meyer in den 1840er Jahren auf die Aquarellmalerei. Zu Meyer vgl. Schulte-Wülwer, 2000 und Ulrich Schulte-Wülwer, Der Genremaler Ernst Meyer, in  : Conrad/Trepesch, 2016, S. 48–55.

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Abb. 11  : Moritz Rugendas, zwischen 1852 und 1854, Fotografie von Wilhelm Fröhlich, Privatbesitz

d. h. wenn ich’s ausführen kann wie es in meiner Idee liegt. – Lebt wohl ich bin völlig erschöpft, die kleine Lattner grüßt auch Onkel und Tante übrigens Letztere will selbst einige Zeilen schreiben. Unserem alten Sivers Gruß und Händedruck wenn er nach Dorpat kommen sollte wie auch allen übrigen guten lieben Menschen in Dorpat. Rosalie und dem alten Kircheisen Minna Sturm besondere Grüße. Meinen Geschwistern Küße auch dem kleinen Schwarz einen recht herzlichen Kuß. Mieze wird gewiß gern diesen Auftrag übernehmen. Mit inniger Liebe, Eure treue Tochter Julie Ottilie Paumgarten an Johanna und August Matthias Hagen, o. D. (angehängt an den Brief von Julie) Obwohl ich durch den Tod eines innigst geliebten Wesen in die traurigste Stimmung versetzt bin, so will ich doch Julien zu lieb, Ihnen lieber Schwager und Schwägerin diese wenigen Zeilen schreiben und zwar nur um die Wahrheit zu bestätigen, daß, das Wäscher Mädchen eigne Idee und Auffassung von Julie ist. Sehr betrübt hat es aber Julie, daß ihr lieber Vater daran zu zweifeln versucht war, sie werden aber lieber Schwager diesem Zweifel enthoben sein wenn ich Ihnen

242 | Die Briefe sage, daß Julie jetzt ein Mädchen in Schweizertracht (Appenzell) gemacht hat und Künstler welche Bernhardt in ihr Atelier geführt hat, kaum glauben konnten, daß nicht der Meister darein gemalt, was aber nicht zu sein Bernhardt auf seine Ehre versicherte. Dieses nun wollte ich Ihnen schreiben, und hofe daß es Ihnen sehr erfreulich sein wird. Recht herzliche Grüße von Carl und Ihrer aufrichtigen Schwägerin, Ottilie.

D. Die Begegnung mit Moritz Rugendas November 1848 bis September 1849 Der Besuch Moritz Rugendas’ in Julie Hagens Atelier stellte sich als echter Glücksfall für die Künstlerin heraus. Es erfolgte sofort ein Gegenbesuch im Atelier des Meisters und schon im November 1848 bot Rugendas der jungen Kollegin an, bei ihm zu malen. Er hatte ein ehrliches Interesse am Fortkommen der jungen Malerin und sein Zuspruch gab ihr Mut und Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Er erzählte seinen Künstlerfreunden vom Talent der »kleinen Kosakin«, wie sie spaßhaft im Atelier genannt wurde, was sogar einen Besuch Carl Rottmanns nach sich zog, der sich positiv und interessiert äußerte. Vorerst hatte Rugendas aber seine Privatangelegenheiten in Augsburg zu regeln, er verließ München Weihnachten 1848 und kehrte, bis auf kurze Stippvisiten, erst im Juni 1849 zurück. Im April 1849 besuchte Julie Hagen den »liebenswürdigsten aller Menschen« in Augsburg und traf dort auch die ihr aus München bekannten Töchter des Arztes Matthäus Girl, selbst Malerinnen, von denen sie eine porträtierte, ein Bildnis, das ein Nachspiel hatte. Mit Rugendas wurde besprochen, dass sie ihn ebenfalls nach seiner Rückkehr porträtieren sollte. Dieses Werk bestimmte Rugendas später für den ersten öffentlichen Auftritt Julie Hagens in der Münchner Kunstszene, wovon natürlich auch er selbst profitierte. Nach seiner Rückkehr wurde rasch begonnen und Moritz Rugendas nahm nun die Geschicke der Malerin in die Hand. Er hängte ihre Bilder in sein Atelier, um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, nahm brieflichen Kontakt mit dem Vater auf, sprach mit den Verwandten über ein weiteres Bleiben der Nichte in München und regelte die Formalitäten der Ausstellung während der Abwesenheit Julie Hagens, die im September 1849 mit den Verwandten die sogenannte »Rheinreise« absolvierte, die sie bis nach Antwerpen, Brüssel und Paris führte. Die Briefe geben eine detaillierte Reisebeschreibung. Ab Sommer 1849 plädierte Rugendas dafür, dass Julie die Malschule Bernhardts verlassen möge, was dieser allerdings zu früh erschien, sie schätzte Bernhardts Unterricht sehr. Nachdem das Rugendas-Bildnis fertiggestellt war, legte Julie Hagen – ungewöhnlich für sie – eine zweimonatige Arbeitspause ein. Diese begann mit dem Abschicken einer großen Bilderkiste an die Eltern Anfang August 1849 und endete mit der Rückkehr von der »Rheinreise« Ende September. Die Bilderkiste enthielt 20 Gemälde und drei Skizzen, unter den Gemälden waren fünf Werke von Rugendas. Der Malerfreund war stets in Geldnöten, Julie Hagen hoffte, ihm auf diese Weise behilflich sein zu können. Leider misslang zunächst diese Absicht. Die Werke konnten

244 | Die Briefe nicht verkauft werden und wurden Ende 1850 und Anfang 1851 in Dorpat in einer großen gemeinsamen Ausstellung präsentiert. Die Bilderkiste enthielt alle wichtigen Werke, die Julie bisher in München gemalt hatte, darunter das sogenannte Feuermädchen, die Wäscherin als Betende, eine Schweizerin aus Appenzell, die Dachauerin und ein Selbstbildnis, allesamt nicht erhalten. Enthalten war auch eine Studie zum großen Rugendas-Bildnis, die mutmaßlich mit dem Rugendas selbst zugeschriebenen Bildnis im Estnischen Kunstmuseum in Tallinn identisch ist.236 Durch ihre schnellen Fortschritte stieß die Künstlerin nun mehr und mehr auch an Grenzen des Durchführbaren für die professionelle Ausübung ihrer Kunst. Sie beklagte sich frustriert über die Unmöglichkeit, Studien in der Natur zu ihren Hintergründen zu machen, allein zu reisen oder in notwendigem Umfang Aktstudien zu betreiben. Häufig schwankte sie zwischen der Freude über das Erreichte (»ich habe nun den Punkt erreicht wo ich erst beginnen kann zu malen«) und tiefer Niedergeschlagenheit und Selbstzweifeln. Besonders wenn sie Werke von bewunderten Malern, dazu gehörten vor allem August Riedel und Franz Xaver Winterhalter, sah, kam sie sich unfähig vor. »Für eine Frau gut« war nicht ihr gestecktes Ziel. In Köln sah sie in einer Ausstellung mehrere Malerinnen, über die sie sich ärgerte, weil sie mit ihren unterdurchschnittlichen Leistungen den Ruf aller Malerinnen beschädigten. Einzig die vertretenden Malerinnen Elisabeth Jerichau Baumann (1819–1881) und Marie Wiegmann (1820–1893) sah sie als ebenbürtig an. Julie Hagen erlebt auch wieder mehrere große Künstlerfeste, deren Höhepunkt der große Maskenzug der Künstler am 14. Februar 1849 war, auf dem die Kyffhäuser-Sage des schlafenden, aber wiederkehrenden Kaisers Barbarossa gespielt wurde, genau beschrieben in den Briefen der Künstlerin. Ende Januar 1849 besuchte sie auf Wunsch der Tante einen kleineren Ball, der ihr noch sehr viel Ärger einbringen sollte, da sie ungewollt eine Eroberung machte. »Dr. Pengg», ein Österreicher aus Thörl, verliebte sich in sie und erwies sich als sehr hartnäckiger Verehrer. Die Verwandten forcierten zunächst die Verbindung, um dem jungen Mann dann ebenso rasch die Tür zu weisen. Die Angelegenheit führt zum ersten heftigen Streit mit der Tante und zu langen Erläuterungen Julies zu dieser Episode. Als diese ausgestanden schien, konstatierte sie  : »ich … wünsche nie wieder im Leben einem Mann zu begegnen der sich für mich interessirt und dabei an sich selbst denkt.« 236 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte und Zuschreibung des Rugendas-Bildnisses in Tallinn vgl. Conrad, 2016. Julie Hagen Schwarz, Bildnis Moritz Rugendas (Studie), 1849, bez. a. d. Keilrahmen oben  : »Skizze von Moritz Rugendas zu einem grossen Bilde«, seitlich  : »Dass. von der Frau Hagen Schwarz nach Dorpat gebracht wurde wo das grosse Bild nicht bekannt«, Öl auf Leinwand, 40,2 × 24,2 cm, Estnisches Kunstmuseum Tallinn (Kadriorg), Inv.-Nr. VM 685, vgl. Farbabb. 11.

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Vielleicht ursächlich durch diesen Zwischenfalls trat zum Ende des Kapitels ein neuer Ton in den Briefen hinzu, der sich weiter verschärfen sollte  : der Vater schien nun mehr als vorher in die Lebensgestaltung der Tochter eingreifen zu wollen. Sich häufig wiederholende Rechtfertigungen und Erklärungen Julie Hagens zu Fragen der Moral, der Ehe und der Stellung als Künstlerin müssen als Reaktionen auf die Briefe des Vaters und wohl auch auf die Standpunkte der Verwandten verstanden werden. Schließlich wurden auch Rugendas’ Bemühungen zwar als willkommen, aber mit gewissen Bedenklichkeiten angesehen. Einige Briefe aus dieser Zeit sind auch an den angehenden Schwager Ludwig Schwarz erhalten, sie gehören zu den freiesten und interessantesten Briefen der Künstlerin. Ihr Herz schlug stets warm für diesen Mann, der später ihr Ehemann werden sollte. Offen erzählte sie ihm von ihrer frühen unglücklichen Affäre mit dem Rigaer Otto Müller, wie sie danach die Kunst gleichsam als Therapie betrieben hatte und sich ihr dadurch zuwandte. Das Unglück war vielleicht sogar der Grund dafür, dass sie das Baltikum verließ. Die Mitteilung Schwarz’ Ende 1848, dass er auf Jahre nach Ostsibirien reisen werde, beschäftigte sie stark. Als er im April 1849 seine deutsche Staatsbürgerschaft ablegte und zur russischen Fahne schwor, um die Forschungsreise nach Sibirien antreten zu können, reagierte sie erbost über diesen ihr unverständlichen Schritt, der auch für ihre Schwester von erheblichen Folgen war. Die Aufgabe der »Freiheit« aus Karrieregründen konnte sie nicht gutheißen. Sie blieb ihm jedoch gewogen. Nur ein weiterer Brief an Schwarz von November 1849, als dieser schon in Sibirien weilte, ist erhalten geblieben. Nach seiner Rückkehr 1853 setzte der Briefkontakt wieder ein. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 27.10.1848 d  : 27/15 Oct 48. Meine theuren geliebten Aeltern Heute an meinem 24ten Geburtstage will ich denn einen neuen Brief beginnen. Ganz eigentlich habe ich nichts zu sagen, nichts zu fragen aber im Geiste seit ihr bei mir, wol mehr und inniger als gewöhnlich und so will ich Euch wenigstens für die stillen wohlgemeinten Glückwünsche für den heutigen Tag danken. – An solchen Tagen, welche für eine ganze Familie eine gleiche Bedeutung hat kann man fühlen und mit Bestimmtheit zur Erkenntniß kommen daß verwandte Seelen auch in der weitesten Ferne sich gegenseitig Kunde d. h. Andenken geben. Sonderbar war es mir heute gegangen (übrigens hat mich schon häufig ein solches Gefühl überfallen doch heute wußte ich mit Bestimmtheit daß es von Euch herrührte). Die Nacht hatte ich gut geschlafen nur sehr viel von Euch geträumt – ich stand sehr gleichgültig auf, kleidete mich und mir erschien der Tag durchaus nicht anders als ein gewöhnlicher, besonders freute ich mich daß Tante und

246 | Die Briefe Onkel nichts von meinem Geburtstage zu wissen schienen  ; allein ich war noch mit dem Kleiden nicht ganz fertig als ich an meiner Thür allerlei Thöne hörte wonach Tante und Onkel hineintraten und mich mit nützlichen Sachen beschenkten. – Gleich nach dem Kaffee ging ich ins Attelier und war wirklich recht ruhig und zufrieden das Modell und die Lattner kamen bald und wir waren recht fröhlich doch unter dem Lachen und Scherzen fühlte ich allmächtig einen Druck, ein Pressen auf der Brust oder am Herzen daß ich zuletzt ganz stumm wurde und mir wünschte zu weinen doch leider nicht konnte. Meine Kleine suchte durch allerlei aufheiternde Geschäftchen mich zu zerstreuen doch das Heimweh kommt ungerufen und stiehlt sich auch ohne unser | Zuthun davon. Heute ist mir klar geworden daß nur Ihr schuld an dieses Weh gewesen da ich gar wenig an den Festtag gedacht – noch nie ist mir ein Geburtstag so unbedeutend erschienen als dieser. Zu Mittag war ich wie jetzt immer nicht zu hause unser Thee schmeckt uns sehr gut und dabei amisieren wir uns prächtig, gewöhnlich setzen wir uns auf die Diele um ihn zu trinken, denn das finde ich gehört zu unserer ganzen Einrichtung. Unsere Pinsel dienen uns noch immer als Theelöffel. – Unsere Schweitzerin ist fertig bis auf den Hintergrund. Die Skitze habe ich zwar schon gemalt. Zur Dachhauerin habe ich immer noch nichts  ; es ist wahrlich eine verdammte Geschichte um den Hintergrund – wir Mädchen können nicht wie die jungen Maler hinaus mit ihren Farbentöpfes auf dem Rücken und Studien machen, wir müssen immer Begleitung haben. Jetzt malen wir einen Rücken, den ersten welche die Kleine versucht wir haben die Absicht häufig uns an solchen Studien zu üben, die Hitze welche wir aber dabei ertragen müssen macht uns total mürb. Neulich hatte ich mit der kleinen Lattner (d. h. sie ist größer als ich es ist nur ihr Spitzname) das Attelier von Rugendass besucht, ich erzählte Euch neulich von ihm daß Bernhardt ihn zu mir geführt habe und zu gleicher Zeit Meyer aus Rom. Rugendass sagte mir daß Meyer ihm gesagt habe daß er mir sitzen möchte wenn ich an Modellen zu kurz käme. Mir sehr schmeichelhaft doch finde ich ihn recht häßlich und krank aussehend. Bei Rugendass sahen {wir} | viel Skitzen und angefangene Bilder welche alle ungeheuer gefragt waren. Einen ­Comentar hat man jedenfalls nöthig um sie zu verstehen denn Wasser, Menschen, Vieh und Erde, alles ist über einen Haufen geworfen daß man nicht klug wird draus. – Heute habe ich einen Brief von Hüttels – sie gratolieren mir heute ist auch Augustes Geburtstag. Es sind liebe herzliche Menschen  ! d  : 1 November 48. Es ist gräulich wie die Zeit vergeht  ! Wieder schon viele Tage dahin und doch ist nichts Rechtes geleistet. Gestern war ich mit Onkel und Tante nach Dachhau um endlich das langweilige Mädchen fertig zu bekommen, am Morgen war es heiter und sonnig doch rasch überzog sich der Himmel mit Wolken und wir waren noch nicht in Dachhau als es schon regnete. München war

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völlig in Nebel begraben und wir drei waren ergerlich darüber u Tante sprach ihren Ärger laut aus, Onkel sah bald verdrießlich, bald ingrimmig lächelnd aus und ich sah traurig in die Ferne und Zukunft. Hier wurde mir wieder recht deutlich was doch ein Weib für ein unbeholfenes Geschöpf ist und trotz ihrem Willen unbeholfen bleiben muß um nicht vielleicht eine bessere Ausnahme vor der Menge zu machen, ich sehe nicht ein warum ein Weib nicht selbstständig sein kann und darf, warum sie das nur sein sol wozu sie die Männer machen  ? Hätte ich nicht leicht allein nach Dachhau gehen können um mir das Nöthige zu holen  ? – Später wurde es wieder ein wenig heller und ich konnte wenigstens die Stelle erkennen wo München liegt. Auch habe ich etwas gemalt und muß mich jetzt schon zu helfen suchen.  – Heute ist der Allerheiligentag und ich bin nicht im Attelier da es ein großes Fest ist. Das begonnene Bild der Rücken ist liegen geblieben indem das Modell plötzlich krank wurde. Es beschäftigt mich der Gedanke ein Bild zu malen bei Tag und Nacht auf dem 3 bis 4 Figuren sein | sollen d. h. Bachhantinnen welche sich theils mit Weinlaub bekränzen theils auf eine Art Pauke oder türkische Trommel ihre Lustigkeit an den Tag legen ich denke einige mit Fell nur halb zu bekleiden. Bernhardten habe ich noch nichts gesagt da ich fürchtete, er möchte ein solches Unternehmen als zu gewagt und zu früh für mich finden auch denke ich mich erst recht mit diesem Gedanken zu beschäftigen und beginne dann erst nach Weihnachten. Unterdes sehe ich mich nach passenden Gesichtern um. Es ist eigentlich nicht recht daß ich jetzt Euch es schon erzähle allein ich muß es jemandem sagen da es mich nicht ruhen läßt und hier mag ich nicht davon reden. Wenn ich es ausführen könnte wie ich’s mir denke dann wäre ich recht vergnügt. – Die alte Herrmann schrieb mir vor einigen Tagen und sendet Euch recht herzliche Grüße. Sie freut sich sehr daß Mieze Braut ist und umarmt die im Geiste liebreitzende Braut. Die arme Frau hat 4 Mal die Rose im Gesichte gehabt  ! Die alte Küber ist im Herbst gestorben (Behr’s Schwiegermutter).237 – Später Das spaßigste und beste ist daß Bernhardt meine Skitze von gestern so gar recht gut findet und zugleich daß ich sie ganz so brauchen könne. Zu der Kleinen sagte er  : »die kleine Cosakkin (mein Spitzname zuweilen auch Kleinruss­ land) setzt alles durch was sie will, nicht wahr die Skitze ist recht brav  ?« – Morgen also will ich daran gehen. – Vor einer Stunde bin ich vom Kirchhof zurück gekommen, derselbe ist geschmückt mit den schönsten Blumen und brennenden Lampen, man glaubt sich in den Hochsommer versetzt. Eine furchtbare Masse 237 Hier ist der in Riga geborene Maler Johann Karl Ulrich Bähr gemeint, dessen Familie in Dresden zu Julie Hagens engen Freunden zählte. Die zweite Frau Bährs war Louise Amalie Kyber (1812–1874). Ihre Mutter war Margaretha Jacobine Kyber, geb. Fock (1774–1848).

248 | Die Briefe Menschen konnten nur mit großer Mühe sich fort bewegen und unter dieser Maße fand ich kein einziges Gesicht aus dem was zu machen wäre. Es ist recht, recht traurig  ! | d  : 3 Novbr. 48 Eben da ich eigentlich zum Bewußtsein komme was ich thun will, sehe ich daß ich nicht weiß womit Euch unterhalten. Das Schreiben wird mir, neben der Freude die ich dabei empfinde auch ein Gesetzt oder tägliche Pflicht und ich habe schon daran gedacht daß es mir selltsam erscheinen wird wenn ich wieder bei Euch sein werde wodurch diese Erfüllung der Pflicht aufhört denn andere Menschen werden nicht solche Briefe wünschen zu bekommen und ich finde daß ein Briefwechsel nur dann einen Werth hat sobald er von Dauer ist, sobald er das ganze Leben, das innere und äußere beschreibt  – Wenn das nicht der Fall ist dann müssen wenigstens die Leute welche Schreiben Witz und Humor haben um ihren Briefen eine freundliche Aufnahme zu sichern – Gestern malte ich meinen Himmel und München mit ihren weiten Flächen als Grund zur Dachhauerin und zur Zufriedenheit meines Meisters. Mir selbst erscheint der Himmel nicht schlecht und was mich mehr noch freut ist daß mir vorkam als hätte ich oft schon an solchen Sachen mich geübt jetzt gefällt mir meine Dachhauerin auch recht gut und das Bild hat die ungeheure Größe verloren. Ihr müßt wissen daß die Leinwand gewiß eine halbe Elle höher ist als die Magdalena. d  : 4 Nov. 48. Heute ist des Onkels Namenstag, somit ein Familienfest und ich komme zu Mittag nach Hause. Gestern Vortisch machte ich Skitzen zu meinem neuen Bilde das ich am Montage beginnen will, und ich bin noch unschlüssig ob eine Ceres oder eine Klio  ? was machen. Unter den vielen fand Bernhardt diese beiden Skitzen nicht übel. Es ist ein hier viel gebrauchtes Modell, nicht mehr jung doch noch sehr schön, der Rücken ist großartig in Form | und Farbe, die Arme sind köstlich, so herrlich wie ich noch keine sah und das Profil ist griechisch geregelt schön. Dies ist ein Modell wo alles zu brauchen ist und man zahlt ihr daher gern das dreifache als einer jeden andern  ; sie bekommt nämlich 15 Kreutzer die Stunde also ungefähr 15 Cop S. – Später Der Abend ist nun wieder da, es ist gemüthlich warm in der Stube denn draußen da braust der Wind gewaltig und läßt dann und wann ein klagendes, jammerndes, ja ich möchte sagen, ein sehnendes Rufen vernehmend, mich ergreifen solche Töne ungheuer, ich weiß oft nicht wie mir wird, mir wird angst und bang um die Seele – es ist mir bisweilen als müßte ich den änglich rufenden Geistern zu hilfe eilen. Dieses Gefühl hatte ich von meiner frühesten Kindheit an empfunden. Was mögt Ihr wol jetzt machen  ? – Ich berechnete schon heute wann ich wieder einen Brief haben kann, – Den Meinigen habt Ihr nun jetzt schon. – Heute und einen Theil des gestrigen Tages habe ich dazu verwandt den Korb meiner Dachhauerin anders zu arangiren – Es waren nämlich lauter Aprikosen in demselben und nun habe ich Weintrauben hinein gethan, was dem Bilde sehr

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wohl thut. Meine Weintrauben finden viel Beifall ihrer Klarheit wegen und ich habe sie nicht ausgeführt nur in breiten Pinselstrichen die Wirkung zu geben versucht und ich finde daß sie auf die Manier wie ich sie jetzt behandele, reifer werden | als wenn ich sie sehr ausführen würde und es macht mir wirklich Spaß mit unter so etwas zu malen, ich feiere dann […]. Leider sind die Tage so entsetzlich kurz. Die kleine Betende habe ich heute dem Onkel zum Namenstage geschenkt. Es schien ihm Freude zu machen. d  : 8 Nov 48. Lang hätte ich schreiben sollen  ; allein bis auf diesen Tag zürne ich mich es nicht zu thun, da ich sonst wohl leicht eine trübe und niedergeschlagene Stimmung verrathen hätte, nun ist dieselbe so ziemlich entflohen und ich kann wieder vor Euch treten. Unter dieser Zeit ist eine neue Untermalung entstanden und zwar eine Klio.238 Das Bild wird grade so groß wie die Magdalena, ich habe auf die selben Rahmen mir Leinwand ziehen lassen. Die Kleine malt mit und wir lassen unsere Klio sitzen, worauf  ? Das wissen wir noch nicht, wahrscheinlich auf eine abgebrochene Säule oder gradezu auf einem Stein – sie schreibt auf einer Tafel, welche sie vor sich auf das eine Knie gestützt hält – Das Gewand wird dunkel roth welches über die Schultern fällt damit wir den schönen Rücken ganz entblößt sehen, unter diesem rothen Gewande wird noch ein weißes leichtes Gewand hervor sehen. Sie sieht nachdenkend aufwärts. Nun ist die größte Frage noch  : was soll sie schreiben  ? Wessen Name, wessen Geschichte soll sie aufzeichnen  ? Ich freue mich sehr auf das Bild  ! Wenn wir nur schon daran wären es zu übermalen. – Die Tage sind sehr finster und kalt dabei, es schneit und regnet abwechselnd seit mehreren Tagen und ich bin so froh daß ich zu mittag nicht nach Hause gehen darf. Morgen will ich noch an der Dachhauerin malen und dann die Schweitzerin fertig machen. Es ist kaum zu glauben was doch an ein solches Bild zu thun ist bevor es ganz fertig ist. | Dann möchte ich den Onkel untermalen und wenn er nicht Zeit haben sollte, so male ich wieder einmal einen kleinen Studienkopf, wol einen Kinderkopf, die sind doch unstritig die schwersten. Ich fühle mich nie wohler als wenn ich eine Menge Untermalungen vor mir hängen sehe die alle fertig werden müssen also will ich sorgen daß ich mich wohler fühle. – Heute Nachtisch d. h. nach unserem Thee wurden wir bald fertig und schickten unser Modell fort und schickten uns an in den Kunstverein zu gehen fanden nichts Neues daselbst und beschloßen durch eine List in die Wohnung des Grafen Arko, Sohn der vor kurzem verstorbenen Courfürstin zu kommen, da er von Riedel Gemälde besitzen sollte wie man uns

238 Die griechische Muse Klio ist die Muse der Historiografie und der Heldendichtung. Ihre Attribute sind in der Regel die Papyrusrolle und der Griffel oder, wie hier, die Schreibtafel, denn sie gilt als Schirmherrin der Geschichtsschreibung.

250 | Die Briefe erzählte, namentlich zwei Italienerinnen.239 Wir schelten also an und fragten den Portie  : ob wol die Gemälde zu sehen wären dieser sah uns verwundert an und wies uns zur Haushälterin über drei Stiegen, dieser sagten wir nun daß wir gehört daß der Herr Graf Fremden gern erlaubte seine Gemäldesammlung an zu sehen und ob es wol möglich sey sie zu sehen. Sie war auch verwundert aber ließ sich doch endlich herbei uns in die Wohnung zu führen. Die beiden gehoften Bilder fanden wir nicht doch aber die badenden Mädchen von Riedel (Farbabb. 9).240 In einem Kalender sah ich dieses Bild vor einigen Jahren als Kupferstich, war damals entzückt aber bin es heute zehntausend Mal mehr noch. Unser Gang war reich belohnt worden. – Wenn man einmal ein solches Bild gesehen dann könnte man an sich selbst verzweifeln und möchte augenblicklich alles übern Haufen werfen. | d  : 10 Nov 48 Nie fühlt sich der Mensch zum Schreiben aufgelegter als wenn es ihm schlecht geht und er in melancholischer Stimmung sich befindet. Immer möchte er Theilnahme finden, es ist ein recht erbärmlicher Egoismuß – Ihr seht daß ich weiß wie häßlich es ist und dennoch will ich heute schreiben wo es mir schlecht geht. Ich habe viel geweint und beinahe verwünscht daß ich ein dummes Mädchen sein muß. Schon den ganzen Tag war ich traurig und malte den Hin239 Die Wohnung des Grafen und seiner Familie war das Palais Arco am Wittelsbacher Platz, in dem Maximilian von Arco-Zinneberg mit seiner großen Familie überwiegend in den Wintermonaten lebte. Die Mutter Maximilian von Arcos war die Erzherzogin Maria Leopoldine von Österreich-Este (1776–1848), die kurz zuvor durch einen Unfall mit der Kutsche ums Leben gekommen war, sie war die Witwe des Kurfürsten Karl Theodor von Bayern (1724–1799) und hatte sich in zweiter Ehe mit Ludwig von Arco (1773–1854) vermählt. 240 Der Verbleib der Badenden Mädchen von August Riedel aus der Sammlung des Grafen Arco konnte nicht ermittelt werden. In der Alten Nationalgalerie Berlin befand sich ehemals dieses Motiv von Riedel (Badende Mädchen, 1841, Öl auf Leinwand, 100 × 75 cm, aus der Sammlung Wagener übernommen, Kriegsverlust), abgebildet in Sammlung Wagener, 2011, Nr. 189. Eine kleinere Wiederholung des Berliner Werkes befindet sich im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz (Öl auf Leinwand, 41,5 × 34,5 cm, Inv.-Nr. Ka 103 [Schenkung Kastner 1975], vgl. Farbabb. 9). Das Linzer Gemälde stammt aus einer Schenkung des Sammlers Dr. Walter Kastner, der es vom Kunsthändler Peter Jahn (1904–1990), einem selbsternannten Experten für Bilder Adolf Hitlers, 1969 erworben hatte (frdl. Mitteilung von Lothar Schultes, Linz/Öster­ reich). Jahn war nach 1956 auch Kunstberater des österreichischen Außenamts, des Hauses Habsburg, der Hocharistokratie sowie von Banken und Konzernen. Es ist daher theoretisch möglich, dass das Linzer Gemälde aus dem Besitz des Grafen Arco stammt. Über den Verbleib der Sammlung Arco ließ sich nichts ermitteln. In der Maillinger-Sammlung (Stadtmuseum München) befindet sich ein Blatt unter Nr. 2134  : Badende Römerinnen, im Besitz des Grafen Ludwig von Arco auf Stepperg, auf Stein gez. von Friedr. Hohe 1838 (vgl. Schaper, 1962, S.  170). Das Thorvaldsens Museum Kopenhagen besitzt ein Badendes Mädchen von August Riedel (1837, nicht bez., Öl auf Leinwand, 65,4 × 47,1 cm, Inv.-Nr. B151), abgebildet in Conrad/ Trepesch, 2016, S. 49.

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tergrund zur Schweitzerin und zur gänzlichen Unzufriedenheit Bernhardts. Er tribulierte mich ganz fürchterlich, so daß ich trotz aller Mühe nicht zu weinen doch in Thränen ausbrach und ihm sagte daß ein Mädchen ein unglückliches Geschöpf sey, was er nicht begreifen wollte. Ich erklärte ihm wie ich nicht hinaus ins Freie gehen könne um Studien zu machen, daß ich am Ende Kurage genug habe allein Tante und Onkel noch auf solche Sachen sehr sehen daß der Anstand nicht verletzt werde. Er wollte mich darin beruhigen doch meine Thränen floßen immer reicher und indem ich das sage muß ich wieder weinen. – Bernhardt sagte z. B.: »Wenn man einmal so weit ist so muß man doch nicht mehr weinen können«, – ja das ist sehr gut gesagt ich finde nur je weiter ich komme mehr und mehr daß ich über das Porträt nicht hinaus kann. – Das ist nun einmal gewiß daß das Weib das unbeholfenste Geschöpf der Erde ist und wer ist schuld an dieser Unbeholfenheit an dieser Unselbständigkeit  ??  – Auf der einen Seite schähmte ich mich Bernhardten meine Thränen zu zeigen (die schon recht oft geflossen in stiller Einsamkeit) denn er hält mich für ungeheuer muthig, was mich stolz macht, doch weil er mich für muthiger hält als ich bin, verlangt er auch mehr als ich zu leisten vermag und darum schadete es im Ganzen nicht daß ich recht verzweifelt vor ihm stand. – Ein Mädchen kann froh sein wenn sie ein erträgliches Porträt zu stande bringt mehr kann sie nicht schaffen. – Was das Actzeichnen betrifft so kann ich mich nicht entschließen unter Bernhardts Leitung einen Versuch zu machen und ohne Bernhardt möchte | es mir von gar keinem Nutzen sein  ; wäre ich in Mannskleidern dann wäre es was andres so aber bin ich entschieden gegen die Sache. Als Künstlerin soll ich es freilich thun doch als Mädchen kann ich’s nicht. Wer weiß vielleicht denke und handele ich nach einem halben Jahre ganz anders. d  : 14 Novb 48 Meine theuren Aeltern  ! Gestern als ich Abends heim kam fand ich auf meinem Tische zwei Briefe, sie kamen früher als ich sie erwartete und um so größer war meine Freude und Überraschung  ; also nehmt meinen herzlichsten, meinen innigsten Dank. Und die Briefe sind auch heiterer als ich sie in dieser Jahreszeit kaum erwarten durfte. Gott geb daß es immer so bleiben möchte  ! Ich will suchen daß dieser, sehr magere Brief früher als mit dem gesetzlichen Tage abgeht da er ohnedies wol gern länger der schlechten Wege halber unterwegs bleiben wird damit nicht unnütze Sorgen um mich Euch quälen mögen. Darum habe ich denn meinen Brief mit mir ins Attilier genommen um die Zeit wo das Modell speist zu verschreiben. Leider taugt die Dinte und die Feder nichts, es will nicht geht [sic] wie es sollte und so muß ich Euch schon bitten mit mir Vorlieb zu nehmen. Herzlichen Dank für die liebevolle Aufmerksamkeit mit der Ihr mein Geburtsfest feiert – es ist mir nur leid daß ich nicht in dem lustigen Kreise sein durfte, ich ahnte indessen daß meine liebsten Freunde bei Euch waren darum schrieb ich, um wenigstens mich durch das Schreiben nicht vom Sehnsuchtsge-

252 | Die Briefe fühl betrüben zu lassen. Vielleicht und Gott gebe es bin ich mein 25tes Jahr bei Euch, nicht so fern weg  ! – Die Cholera ist also wirklich noch bei Euch – für den Augenblick erschreckt mich diese Gewißheit noch gar sehr, wenn ich daran denke allein ich sehe wol daß der Feind auch gleichgültig werden kann. Daß Brüning241 gestorben betrübt mich sehr, wol mehr als die tausend vorher gefallenen Opfer. Wenn es schicklich ist so wäre es mir angenehm wenn den Frauen auch meine Leidsbezeugung gebracht werde. – Ich will einmal Eure Briefe vornehmen und sie Schritt vor Schritt, wo es nöthig ist beantworten und verfolgen. Die Mittheilung über Deine Schöpfungen in der Pflanzenwelt lieber Vater freut mich sehr möchte nur auch die Zukunft sich so freundlich ganz nach Deinen Wünschen gestalten  ; doch | ich zweifle sehr, daß mit Eduard es gehen wird da Ihr beide zu sehr verschiedene Leute seit – indessen man kann ja nicht wißen ob nicht grade das Gegentheil durch das Zusammenleben und Wirken hervor geht. – Nun kommt der Name  : Schirren. Über den weiß ich nichts weiter zu sagen als mir die Zeilen des Liedes aus zu bitten, welche er in Bezug auf das Fallen der Blätter im Herbste erfährt und welches Lied Schwester Mize gesungen hat. Außerdem beneide ich Euch um die Hoffnung ihn den nächsten Frühling zu sehen – er sollte im Herbst erst kommen wo ich auch zu hause sein werde. – Indessen ich will mir abgewöhnen so eigennützig zu denken – Schreibt einer von Euch an ihn so bitte ich viele herzliche Grüße von mir bei zu legen, ich hoff er nimmt sie freundlich auf. – Dumbergs sind an der Reihe. Marga, was thut die  ? Will sie nichts eingestehen, was Sehrwald242 betrifft  ?  – Der arme Otto  ! Warum zögert er so lang mit dem Examen  ? Am Ende treffe ich ihn noch als lustigen Studenten in Dorpat an. Auch diesen Leuten Grüße. – Ha  ! ha  ! ha  ! ich lache von vorn herein da ich auf den naiven Diebstahl des Servistschen Jungen stoße.  – in der That so lächerlich naiv ist mir sobald nichts vorgekommen – ich finde es, da mir der Junge völlig fremd ist so gar sehr schön von ihm daß er für die Familie so lebhaftes Interesse zeigt. Der Plan an der Schlafstube anzubauen wäre ein ganz schöner wenn es nicht Geld kostete oder welches da wäre. Durch das bin ich veranlaßt zu denken und jetzt zu fragen wo denn mein Attilier bei meiner Rückkehr sein kann und wird  ? – Im Geiste malte ich schon oft und viel in der Stube, die unser lieber kleiner Schwarz vielleicht damals schon als stiller Verehrer bewohnte – Ich denke mir diese Stube recht bequem einrichten zu können denn sie ist besser als jede andere im ganzen Hause

241 Gemeint ist der um die Entwicklung der baltischen Landwirtschaft verdiente Gutsbesitzer und Landespolitiker Karl Axel Christer von Bruiningk (geb. 1782), der am 21. Oktober 1848 starb. 242 Vgl. Anm. 53.

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indem sie nicht durch häßliche störende Reflexe unbrauchbar gemacht wird  – aber ich denke zu früh an ein Attilier  ; kommt Zeit, kommt Rath  ! – d  : 16 Oct [sic] 48 Zwei Tage habe ich nicht zum Schreiben kommen können und warum  ? ich habe ja nicht viel gethan  !  – Rugendass hat vielleicht schuld daran, er hat mich zerstreut und be|schäftigt, wie und auf welche Weise schreibe ich auf dem anderen Blatte, das von ihm, dem ausgezeichneten Manne begonnen. – Ich habe lang gesucht an den Briefen bis ich eine Stelle fand die ich nicht übergehen kann ohne wenige Worte zu sagen – Du meinst, ich sey an meinen Nerven so sehr geschwächt und wünscht daß ich deshalb weniger Arbeiten soll, Bäder brauche und spazieren gehen. Weniger arbeiten  ! hmm  ! Diesen Wunsch kann ich nicht recht erfüllen indem die Tage schon ohne dies trostlos kurz sind  ; allein das übrige, namentlich kalte Bäder will ich mich zwingen zu brauchen, es wird mir freilich Überwindung kosten  ; recht lächerlich erscheint diese Furcht selbst mir da ich noch daheim sie gern und regelmäßig nahm. Was das Heirathen oder besser Nichtheirathen betrifft so bleibt der Entschluß den Ihr kennt fest und ruhend in mir außer es müßte ein Rugendaß kommen  ; ich glaube einen solchen Mann könnte ich sogar heirathen ohne ich ihn so lieb zu haben wie ich’s bei jedem Andern verlange. – Mizens Frage, welchen Standes die Wäscherin oder Haarflechterin angehört  ? – Die Mutter ist ein gewöhnliches und vielleicht auch sogar gemeines Soldatenweib – die Tochter sitzt jetzt allenthalben Modell und wird dadurch koket, verdient sich übrigens viel Geld, 50 Kreitze den Tag. Dieses Hemd und Unterröckchen hat sie von mir angezogen – ihre eigene Wäsche hätte gewiß ihren Stand verrathen – Ich habe die Kleine noch in ihrer besten Zeit gemalt, sie sieht nicht mehr so anspruchslos und naiv aus. – Warum hat Mizchen nichts von der Hochzeit der Wagner erzählt  ? – Heute war ich sehr erstaunt von Hanfstengel durch einen jungen eleganten Herrn die Rechnung für die Lithographie des Asmuss zugeschickt zu bekommen – Ich begriff nicht wie Karov243 diese Arbeit nicht bezahlt hat und versprach ihm in 5 Wochen Antwort zu sagen. Solche Unannehmlichkeit hat man in der Regel wenn man für fremde Leute gefällig ist. Ich habe den Namen des Leipziger Buchhändlers vergessen durch den das Geld dem Hanfstengel zukommen sollte. Frage den Karov wie es zusammen hängt ich möchte nicht in einer Sache, die nicht mein ist und mir nichts angeht verwickelt und verantwortlich sein wie überhaupt ich nicht wieder eine solche Commission übernehme. | Meine theuren Aeltern  ! Zwar ist es spät und dennoch will ich noch schreiben – Meine Briefe habe ich aus lauter Zerstreutheit und Enthusiasmus über Rugendass im Attelier vergessen sonst hätte ich früher den Abend benutzt um an demselben weiter zu schreiben dieses Blättchen will ich denn nur ausfüllen mit 243 Der Verlag E. J. Karow war seinerzeit in Dorpat ansässig.

254 | Die Briefe dem was Rugendass betrifft. Heute nach 3 Uhr hörte ich an die Hausglocke ziehen und der Magd welche die Thüre aufmachte laut fragen ob Fräul. Hagen und Fräul Lattner noch im Attelier seyen  ? Augenblicklich erkannte ich die Stimme Rugendass’s, sprang auf und rief mit ungeheurem Jubel hinaus  : »ja, ja sie sind schon da  !« Nun ging das Leben an, wir waren ausgelassen mit ihm. Ich glaube Euch noch nicht erzählt zu haben daß er ein höchst interessanter, ungeheuer lebhafter schon bejahrter, wenigstens nicht mehr junger Mann ist – ich schickte mein Modell fort da es ohne dies schon finster wurde um ungestört und frei zu sein und fingen nun an über Kunst, namentlich unseren Bestrebungen zu sprechen. Die Kleine mußte zurück in ihr Attelier da Bernhardt kam und wir waren allein wo er mir denn den Vorschlag machte bei ihm mit ihm zusammen einen Kopf zu malen wobei er mir denn Manches sagen würde was ich bei Bernhardt nicht lernen würde. (NB Bernhardt malt sauber ohne ängstlich zu sein und Rugendass schmirt ohne sauber zu sein) Letzterer liebt also nicht Bernhardts Art und Weise somit auch die seiner Schüler nicht. Wiederholt sagte er mir  : Ihnen muß man helfen  ! Wenn ich nicht fort müßte ich würde nach Kräften ihnen beistehen  ! Indessen Meyer aus Rom werde ich den Auftrag geben sich für Sie zu interessieren – er muß ihnen als Modell dienen und wird damit es Bernhardt nicht beleidigt dabei viel erzählen von seinen und anderen Erfahrungen in der Kunst. (Meyer ist krank und darf nichts thun also glaube ich auch kaum daß er das Sitzen aushalten kann). Rugendass war so liebenswürdig, so herzlich daß wir nicht merkten wie es ganz finster wurde und er begleitete uns beide nach Hause mußten ihm aber das Versprechen geben Morgen Vortisch zu ihm zu kommen  ; ich freue | mich sehr darauf. Der gute Mensch nennt uns seine Freundinnen und wirklich nicht bald habe ich mich so ungeniert in der Gesellschaft eines geistreichen Mannes gefühlt als mit diesem. Ich fragte ihn ob er der Verfasser des Reiseheftes sey von dem Du sprachst, was er bejahte und beim Abschied sagte er denn  : nun grüßen Sie mir Ihren Vater recht freundlich (natürlich sagte ich ihm wie Du mich glücklich nanntest ihn gesehen zu haben, wie Du mich beneidest etc.) Er ist sehr bekannt beim Herrn von Maurer244 (Gelehrter und Stiefvater der Fräulein Barellier,245 Schülerin von Bernhardt (Abb. 12), 244 Der aus Schaffhausen stammende Johann Heinrich Maurer-de Constant (1801–1869) war Pfarrer, Historiker und nach seinem Umzug 1842 nach Augsburg und anschließend nach München Bibliothekar. Er heiratete 1832 Georgine Maria Catharina de Constant-Rebecque, die eine verwitwete de Barellier war. 245 Amalia Friederike de Barellier (Lebensdaten unbekannt) war die Stieftochter von Johann Heinrich Maurer-de Constant. Ihre Mutter Catharina de Constant-Rebecque kam aus Maastricht. Ihr Vater Jean Claude de Barellier war vor 1832 verstorben, dem Jahr der Heirat ihrer Mutter mit Maurer. Amalia stammte aus St. Agnès in Frankreich. Von ihr ist nur eine Zeichnung ihres Stiefbruders Eberhard Adolph Eugen Maurer (geb. 1834) bekannt, der bereits 1844 in München ver-

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Abb. 12  : Amalia de Barellier, Bildnis ihres Bruders Adolph Maurer, vor 1844, Lithografie, Stadtbibliothek Schaffhausen

durch den wissen wir manches Gute von ihm.) Er reist auf einige Monate nach Augsburg zu seiner Mutter kommt dann aber wieder und ich freue mich darauf. – Morgen weiter  ! starb. Der Vater gab seinem Schmerz in dem Büchlein »Leben und Leiden eines Kindes« (München 1844) Ausdruck, in dem eine Lithografie nach der Zeichnung des Bruders von Amalia de Barellier enthalten ist (vgl. Abb.  12). Amalia kam mit ihrer Familie 1842 nach Augsburg und anschließend nach München, wo sie etwa ab 1844 in der Malschule Joseph Bernhardts Schülerin war.

256 | Die Briefe d  : 16 Nov 48. Gestern also um 10 Uhr ins Attelier zu Rugendass, er empfing uns aufs Freundlichste und was mir wunderbar schien war daß mir seine Gemälde und Skitzen besser als das erste Mal gefielen – Seine ausgeführten Sachen übrigens waren vollendeter als damals. Seine Compositionen sind merkwürdig lebendig und sicher gezeichnet, dies indeß habe ich auch wol neulich sehr bewundert. – Der Kleinen ihr Vater war mit uns da, welcher in München ist um ein Stück von ihm geschrieben zum ersten Mal auf der Münchner Bühne aufgeführt zu sehen. Rugendass äußerte wieder den Wunsch daß wir bei ihm malen sollen und sagte daß er noch einen Plan hätte daß ich nämlich wenn er zurück käme aus Augsburg ihm malen helfen sollte da er sich ein bildet nicht malen zu können. Ich lachte herzlich über seine kühne Idee und dennoch drückte vor himmlischer Freude mir das Herz. – War es sein Ernst  ? nun gleich viel, er hat’s einmal ausgesprochen und mir gereicht es zur Ehre. Nachdem wir noch vieles gesehen trat ein junger Mann herein und meldete Schwanthalers Tod246 und diese zwar lang erwartete Kunde gab unserer Fröhlichkeit eine andere Wendung – Wir beurlaubten uns und Rugendass versprach den Abend ins Attelier zu kommen und er hielt auch Wort – Was wir da alles gesprochen würde mir schwer werden alles wieder zu erzählen genug er interessiert sich recht lebhaft für seine jungen Collegien, seine jungen Freundinnen, wie er uns nennt. – Malen werde ich indessen wol nicht bei ihm, da er erstens durch Schwanthalers Tod | und seine nahe Abreise viel zu thun hat. Es ist merkwürdig wie er über die Künstler des gemeinen Neides wegen schimpft. Wie einer dem andern keinen Vortheil in der Malerei mittheilt. Wir gingen beinahe in völliger Finsterniß fort und er begleitete mich bis an unser Haus natürlich am Arm  ; ich war stolz und dennoch dehmüthig denn neben diesem in jeder Beziehung großen Mann wird man so gar entsetzlich dünn und dürr. Ich bin müde und auch schläfrig daher gute Nacht  ! – d  : 17 Novb 48. Die Uhr ist 1 zu mittag. So eben ist Freund Rugendass fort gegangen – Er war bei mir und brachte mir ein Buch über Kunst – Lieber Mensch  ! Wie plagt er sich um mich – Meine Schweitzerin gefiel ihm heute recht gut – nur hat er in der Beleuchtung in allem was auszusetzen. Er bedauerte daß er fort müsse indem er glaubt mir nützlich sein zu können und forderte mich auf nach Augsburg hinüber zu kommen d. h. halb scherzend. Ich dagegen erzählte ihm daß ich’s wol machen könne indem mich die Töchter des Doctor Girl247 246 Ludwig von Schwanthaler starb nach langer, mit äußerster Geduld ertragener Krankheit am 14. November 1848, in seinem 47. Lebensjahr. 247 Der Arzt Matthäus Girl (1792–1857) kam mit seiner Familie aus Lindau nach Augsburg, seinen Töchtern Helisena, Marie und Ottilie (1829–1900), die Julie wohl im Atelier Bernhardts kennengelernt hatte, erlaubte er eine fundierte künstlerische Ausbildung, u. a. in München. Von

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eingeladen hätten einige Zeit bei ihnen zu zu bringen. »Was Girl kennen Sie   !  ? Die wohnen ja in meinem Hause, die kenne ich sehr gut, ich gebe den jungen Damen immer Rath was sie zu tun haben in ihren Bestrebungen rief er aus, nun da müssen Sie kommen, ich werde Sie anmelden« – Ich werde mit Tante und Onkel darüber sprechen und ohne Zweifel werden sie gern mich auf kurze Zeit missen. Es ist unglaublich was sich in ein paar Tagen ändern kann. Ich schwärme für Rugendas. Eine Dagerotipe habe ich mir von ihm aus gebeten um sie Dir lieber Vater zu schicken  – ich sah mehre bei ihm liegen die alle recht ähnlich waren. – Doch ich will malen also lebt wohl  ! – Später – So eben bin ich vom Kirchhof heimgekommen, mich fängt erst jetzt an recht zu frieren da ich in der warmen Stube sitze. Die Beerdigungsfeierlichkeit des großen Meisters Schwanthaler war nicht so pompös wie ich’s erwartete. Schlechte Reden und mittelmäßiger Gesang. Bernhardt begleitete mich und die Lattner hinaus und im Hineingehen wo ich mich von der Lattner trennte traf ich wieder mit Bernhardt zusamm und er war so gütig mich bis nach Hause zu bringen und nun will ich machen daß ich diesen Brief zu Ende bringe. Diese Woche ist vergangen ohne daß ich weiß was ich | gethan habe. Eine Untermalung ist in der Zeit entstanden und zwar am Diogenes mit der Lattnern. Rugendass hat mir zu diesem Bilde alle Lust genommen. – Onkel ist auf einen Tag nach Salzburg gereist um dem Gottesdienst für eine verstorbene alte Tante bei zu wohnen. Ich beneidete ihn um diese Fahrt. – Ehe ich’s vergesse  : Bitte sehr dem Karov die Rechnung von Hanfstengel zu geben und ihm zu sagen daß er augenblicklich selbst schreiben solle damit ich von den Gläubigern nicht überlaufen werde, es ist mir sehr unangenehm gewesen und um 5 Wochen wird man sich wieder um eine Antwort bei mir umsehen, schreibt mir wenigstens was ich zu thun habe bitte  ! Bitte  ! – Außerdem kommen diesmal nur Grüße den beiden Freunden durch Euch nämlich Schwarz und Hartmann. Ich schreibe bald. – In der That ich weiß nicht was ich noch schreiben könnte meine einfachen Geschichtchen hat alle Rugendass verdrängt, ich muß selbst recht herzlich lachen darüber daß ich in Feuer gerathen kann – Tante und Onkel glaube ich werden mich schon nach Augsburg gehen lassen wenn ich ihnen die Sache recht nothwendig schildere. Nur eines fürchte ich daß mich Rugendass wirrmachen wird.  – Er fragte mich ob ich nach Hause schreibe und wenn ich’s thue, solle ich Dich Vater grüßen. Ich sagte ihm wie Du Dich glücklich fühlen wirst wenn Helisena Girl kaufte Ludwig I. 1853 das Gemälde Tauben fütterndes Mädchen für die Neue Pinaktothek (1925 an den Wittelsbacher Ausgleichsfonds abgegeben und verkauft), vgl. Rott, 2003, S. 185. Die Familie Girl bewohnte in Augsburg das Haus Eduard Rugendas’, eines Vetters von Moritz Rugendas. Zu Helisena Girl vgl. Lena Elashmawy, Die Malerinnen Lina List und Helisena Girl, in  : Conrad/Trepesch, 2016, S. 40–47.

258 | Die Briefe Du vernimmst wie freundlich und lebhaft er sich für mich interessiert. Es ist wunderlich daß man bei Rugendass vergißt daß es kein junger Mann ist, er ist neben seinem hohen Geist und tiefem Ernst Kind mit Kindern. – Die Frage ob ich den lieben Verwandten zu Last falle ist eine schwer zu beantwortende. Alles und mehr als ich brauche bekomme ich ohne Murren allein durch die Heirath des Xafer waren wir uns ferner gerückt denn Tante glaubte daß ich mehr zu den Jungen als zu ihr Vertrauen hätte. Es hat hier und da böse Auftritte gegeben die mich unbeschreiblich unglücklich machten und ich jeden beneidete welcher nicht von den Wohlthaten Anderer abhängen durfte. Doch es geht alles gut und ich hoffe daß durch den völligen Bruch mit Rosners stets {es} sich gut und friedlich erhalten wird. Laßt Ihr Euch nur nichts merken | daß ich zu Euch Andeutungen von den Schattenseiten des Lebens gab. Tante und Onkel sind die besten Menschen wirklich von Herzen ausgezeichnet gut nur unendlich mißtrauisch. Ich spreche nicht gern von den Dingen die einmal nicht zu ändern sind und wo kommt denn nicht etwas Unangenehmes vor  ? – Die Kleine freute sich sehr über den Brief von Dir lieber Vater. Ich vergaß ihr zu sagen daß ich heute meinen Brief schließe sonst würde sie gewiß auch geschrieben haben. Die Tante hat für Schwester Miezchen ein kleines Krägelchen gekauft doch ich fürchte daß man den Brief verdächtig finden möchte – ich will sehen ob ich’s wagen darf ihn zwischen die Blättern zu thun. Geht es dann bitte ich die kleine Braut der Tante zu schreiben denn sie liebt es sehr von Euch Briefe zu erhalten, sie machen sie ganz heiter und froh.  – Die beiden Tanten, Deine Schwestern liebe theure Mutter leben nach alter Weise plagen sich recht sehr. Die Anna hat häufig Kopfschmerzen und vor einiger Zeit starke rachmatische Schmerzen in den Gliedern. Sie haben mir viele Grüße aufgetragen. Auch Onkel und Tante Paumgarten. Es ist mir ein großer Trost zu wissen daß Ihr eine gute Kartoffelernte gehabt. Wir haben schon Winter, gleichzeitig wie bei Euch fiel hier der erste Schnee. Wie ich höre soll die Cholera in Cramitz ausgebrochen sein also ist kein Zweifel mehr daß sie auch zu uns sich bemüht. Ich habe neulich mich in Betrachtungen über das Leben und Sterben des Menschen verloren und habe also bei der Gelegenheit den Verwandten gesagt daß mein Herz im Fall ich sterben sollte Euch gesandt werden solle, hier mag ich nicht liegen unter fremden Leuten, fern von Euch. Dieser Gedanke ist mir ein schrecklicher  !  – Eine Frau war im Attelier um ihr Kind von 3 Jahren malen zu lassen die Kleine schickte sie fort da sie keine Zeit hat und Bern|hardt fragte mich heute ob ich’s nicht malen wolle  ? – aber ich solle mir auch etwas dafür zahlen lassen da es wildfremde Leute sind. Ich habe das Kind noch nicht gesehen also weiß ich nicht ob ich es thun werde. Ich komme wieder auf Rugendass zurück. Er fand meine Früchte ausgezeichnet schön die ich in den Korb der Dachhauerin legte.  – Wenn ich mehr Sachen fertig hätte dann würde ich zu der beabsichtigten Ausstellung einige Arbeiten senden und

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die Dachhauertracht würde gewiß interessieren obgleich sie nicht schön nur originell ist. – Daß Emma Wachter Briefe aus Riga hat macht mich froh auch daß die gute Fanny Schwarz und Hartmann sollen Grüße von Tante und Onkel haben. Viele, viele Grüße namentlich Euch. – Der Brief wird stark da ich doch noch den Kragen hinein thue. Nächstens soll die liebe Marie auch einen bekommen sagt ihr daß ich unglaubliche Freude empfinde daß sie fleißig in der Schule ist. – ich schließe indem ich herzlich Euch küsse und umarme, lebt wohl, heiter und auch gesund was wünscht Eure Tochter Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 19.11.1848 d  : 19 Nov 1848. Meine theuren geliebten Aeltern  ! Es ist heute ein sehr naßer trüber Sonntag  ; eben komme ich müde und erhitzt aus der Oper (die Hugenotten) – Ich fühle mich nicht aufgelegt ins Bett zu gehen daher noch so spät einen Besuch in Eure stillen Schlafstuben. Die Uhr ist gleich ½ 11 – Morgen soll ich früh ins Attelier da wir die Absicht haben unsere Klio zu übermalen – schade daß es graue Tage sind – Was erzähle ich Euch nur gleich  ? – mir ist’s als hätte ich viel zu sagen und doch bin ich so arm an interessanten erzählenswerthen Dingen. Von mir und ewig von mir selbst werden die vielen Blätter jeden Monat angefüllt daß ich bisweilen mir ganz garstig erscheine, allein es ist einmal nicht anders ich sehe selten Menschen von denen zu sprechen wäre. Der Umgang in der letzten Zeit mit Rugendass sind Lichtpunkte in meinem Leben – ich klage sehr daß er München verläßt. Wäre es ein junger Mann dann würde ich vielleicht mein Entzücken für ihn nicht laut werden lassen so aber darf ich’s wol thun und ich hoffe Ihr versteht mich auch. Mein lieber Bernhardt hat heute meine Schweitzerin einem seiner Schüler zum copieren gegeben, d. h. nur den Kopf  ; auch überraschte es daß er zum Copieren folglich zum Lernen nicht zu schlecht war.  – Der Reise nach Augsburg wegen habe ich mit Tante und Onkel nicht ganz recht. Ich habe auch reifer überlegt und gefunden daß mich Rugendass leicht irre machen würde indem ich noch nicht eine Schule durch gemacht. ich muß erst sicher sein an den Gesetzen der Kunst damit ich nicht auf einem mir unbekannten Wege untergehe  – Kommt Rugendass im Frühling zurück dann besuche ich ihn oft und will dann auch mit ihm malen  – Lerne ich nichts so ist auch nichts verloren, hab ich doch wenigstens das schöne Gefühl mit diesem Manne in Verbindung gestanden zu haben. Ich weiß nicht ob Ihr wißt daß er seine ganze Sammlung Zeichnungen (Köpfe) von den Stämmen Amerikas der Pinakothek verkauft hat und jährlich eine Pension von 1200 Gul-

260 | Die Briefe den bezieht. Er hat sich Pausen von den Sachen gemacht, welche | ich bei ihm sah. – Gute Nacht  ! d  : 21 Nov 48. Heute habe ich begonnen, die Klio zu übermalen – habe gestern nach der Natur eine Skitze gemalt und bin heute am Morgen mit der Lattner in der Kupferstichsammlung gewesen um zum Hintergrund etwas von den alten griechischen Tempeln, Säulen etc. zu holen, Bernhardt ist auch mit dem was wir gezeichnet zufrieden und somit wäre denn die größte Sorge beseitigt. – Um 4 Uhr ehe Bernhardt kam hatten wir einen Besuch von unserem Freunde Rugendass leider ging er als Bernhardt kam – Er versprach uns in diesen Tagen abzuholen in die Pinakothek d. h. in die Kupferstichsammlung um uns die Originale seiner Handzeichnungen zu zeigen. Seine Reise hat sich hinaus geschoben und wir werden wol einen Vortisch dazu verwenden ihn malen zu sehen. Es ist gut daß er fort geht denn er ist wirklich zu liebenswürdig, die Kleine und ich wetteifern in Lobesergießungen über ihn  ; Er möchte uns gefählich werden auf die Länge und dann wäre jedenfalls ein unglückliches Mädchen mehr auf der Welt und wir würden aufhören uns Freundinnen zu nennen. (Bin ich nicht recht lächerlich albern  ?) – Die Frau mit dem Kinde ist wieder da gewesen und Bernhardt wünscht daß wir sie malen  ; doch jetzt bin ich nun wieder so weit wo ich sagen kann  : »wann werde ich fertig mit den angefangenen Arbeiten  ?« eines drängt das andere – und ich bin noch nicht fröhlicher und zufriedener als wenn ich viel Vorrath von Beschäftigungen mir gesammelt. – ich möchte so gar gern Euch zur Ausstellung einige d. h. 3 oder 4 Bilder schicken doch ich sehe wol daß es nicht gehen wird. Ich bin überzeugt daß Ihr sie d. h. was die Technik betrifft besser findet als die, an denen Ihr Euch jetzt erst erfreut wie Ihr mir sagt. Eine Bitte habe ich nur nicht die Bachhantin mit auszustellen, es wäre mir in doppelter Beziehung unlieb.  – Die vergangene Nacht hat mir viel verworrenes Zeug von Euch geträumt und ich gestehe daß dieser Traum mich beunruhigt. In solchen Fällen wird einem erst so recht inne wie entsetzlich fern wir auseinander gerückt, und immer noch ängstlicher wird mir dabei ums Herz. | d  : 23 Nov 48. Eben habe ich einen langen Brief von Schirren und seiner Schwester durch gelesen, sie sind so gut und freundlich daß es mich in der That ordentlich rührt. Schirren erzählt mir daß er mit der ertödtendsten Gewalt zum elften Male vom Wechselfieber überfallen worden, es ist gräßlich  ! Außerdem schreibt er so ziemlich ruhig und zufrieden was mich ungemein freut. Seine Schwester Julie arbeitet zum Examen, armes Mädchen  ! Daß sie’s nöthig hat ist recht betrübt.248 Schirren macht mir die Hoffnung im nächsten Sommer nach München zu kommen natürlich auf schrecklich kurze Zeit da er beabsichtigt nur 248 Hier ist wohl das Gouvernantenexamen gemeint, das Julie Hagen einst selbst abgelegt hatte. Es sollte die Unverheiratete vor Mittellosigkeit schützen.

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auf einige Monate die Gränze Rußlands zu überschreiten. – er bittet mich ihm viel, ja alles was mir in und außerhalb meines Atteliers begegnet mit zutheilen, er möchte namentlich wissen was ich male – da habe ich mir denn gedacht daß ich meine Arbeiten an ihn adressiere d. h. wenn ich welche so weit habe um abzuschicken, da sie doch einmal Riga passiren müssen. Ich werde ihm schreiben und fragen ob es ihm recht ist  ? – Heute haben wir d. h. die Kleine und ich 9 Stunden mit einander gearbeitet  ; 9 Stunden in dieser Zeit will viel sagen von 1/2 8 bis ½ 5 Uhr – Es war und mußte heiß sein also ist es kein Wunder daß ich heftige Kopfschmerzen habe. Bernhardt war sehr zufrieden. Er hat noch an keinem Kopfe so wenig auszusetzen gehabt als an diesem und ich hoffe das Bild wird nicht ganz schlecht werden. – Der gute liebe Bernhardt  ! er lobt unsere ernste Anstrengung gegen viele Menschen und das macht mich glücklich. Wenn man’s auch etwas anerkennt so bin ich um so freudiger und muthiger. Sonntag d  : 26 Nov 48. Das Theater der Glöckner von Notre Dame hat mich sehr müde gemacht aber meine Stube ist sehr unangenehm temperiert daher wollte ich wenigstens Euch eine gute Nacht wünschen. – d  : 27 Nov 48. Ich staune über den kurzen Besuch von gestern Abend heute wird er beinahe nicht länger werden  – hätte ich mich nicht vor einer viertel Stunde gewaltig geärgert dann würde ich lieber schreiben und Euch mit allen und in allem Detail erzählen daß Rugendass bei uns im Atelier gewesen und uns jeder eine Dagerotipe gebracht, er hat mich auch nach Hause begleitet – doch ich höre auf zu schreiben denn ich fühle daß ich entsetzlich langweilig bin. – | d  : 29 Nov Die Dinte ist verschrieben oder eingetrocknet. Der Leinwandbereiter hat nur einen Rahmen geschickt der ein falsches Format hatte und ich muß warten – Um etwas zu thun und zugleich die unangenehme Lage ohne Schuld und eigenen Willen faul sein zu müßen weniger zu fühlen schreibe ich Euch aber mit einem Bleistifte. Die Frau mit dem Kinde soll angefangen werden. Gott mag uns beistehen  ! – Zeit genug wird uns verloren gehen neben den trüben und kurzen Tagen. Gestern ist einmal nichts gethan. Den Vortisch ging ich mit der Kleinen in die Pinakothek, wollten in die Kupferstichsammlung mußten aber umkehren da der Inspector des Königs Geburtstags wegen Melitärischen Dienst zu machen hatte. Wir sahen uns deshalb eben die Galerie an, gingen darauf in die Vasensammlung und anuirten uns schrecklich an den ewig einerleien Formen. – Nachtisch ging ich in den Kunstverein mit der Tante und siehe wer sieht mich an  ? Herr Professor Rottmann, welcher ein ganzes Jahrlang {an} mir vorüber gegangen war ohne mich kennen zu wollen nun aber plötzlich die Höflichkeit selbst schien. Er machte mir entsetzliche Logen, sagte mir wie er von mehreren Seiten so viel Schönes betreff des großen Talentes der Russin bei Bernhardt gehört und habe sich vorgenommen mich bald zu besuchen. Ich war wie aus den Wolken gefallen und lehnte sehr bescheiden alles das ab – Tante der so etwas

262 | Die Briefe ungemein Freude macht und zugleich mit Stolz auf ihre Nichte sieht, sagte ihm daß wol Bernhardt ihm von mir gesagt habe  : »Nein sagt Rottmann ich habe es von Leuten mit denen Bernhardt gesprochen und das ist mir ein sicheres Urtheil als wenn er selbst mir’s gesagt – es ist ihr Name bekannt unter uns« – Ja, das klingt allerliebst und für Augenblicke macht es mich auch recht glücklich allein dann schwindet alles wieder wenn ich sehe was andere thun. Man beurtheilt vielleicht nur alle Zeit die Leistung der Frauen nach einem Maßstabe, aus einem Gesichtspunkte aus und das ist nicht schön. – Später Die Frau mit dem Kinde hat mich verlassen. Die Lattner verließ uns weinend gleich in der ersten Stunde. Also wäre ich denn allein und ich freue mich auch geduldiger die Unruhe der kleinen Personen zu ertragen – Bei solchen Gelegenheiten in solchen Fällen wie der heutige war merke ich wol daß ich Muth habe. d  : 3 Dec. 48 Es ist Sonntag Nachtisch, draußen sieht es garstig aus, es stürmt und heult, schneit und regnet  ; um so heimlicher wird es in der Stube, die Wärme des Ofens empfindend – ich bin nicht heiter auch nicht traurig und doch fehlt mir etwas. Will sehen ob ich nicht durchs Schreiben, den bösen Demon der sich meiner bemächtigen will verbannen kann, und zugleich werde ich Euch und mir einen lieben Gefallen thun wenn ich endlich ein neues Blatt beginne. – Ich wagte bis jetzt Euch meine Besorgniß betreff des vorigen | Briefes seiner Dicke wegen nicht zugestehen – Wenn er nur den Leuten nicht verdächtig geschienen – Die Woche also ist im Nichtsthun hingegangen mit unerträglich langen gedehnten Schritten – Ja so geht es, die Woche schien kein Ende nehmen zu wollen und jetzt am Ende endlich erscheint sie in der Erinnerung kurz, wie ein einziger Tag – So können sich auch die Erlebnisse eines ganzen Jahres in einem Tage zusammen schieben, wenn sie auch die ermüdendsten und langweiligsten sind. Der Mensch, welcher durch Reisen oder sonst irgend wie ein bewegtes Leben führt hat den doppelten Vortheil daß ihm das Jahr nicht allein schnell vergeht sondern zugleich in der Erinnerung weit und reich ist – Er wird alt und weiß nicht wie es kam und dennoch findet er, wenn er zurück in die Vergangenheit schaut eine lange Kette von Erfahrungen welche die Länge jenes Lebens um viele Mal verdoppeln lassen. Die Woche also hat mir nichts Neues im Attelier gebracht, es verdrießt mich. Wenn man sich nur nicht immer wieder verleiten ließe Menschen zu malen für das Bild. Das Kind hat mir ohne dies entsetzlichen Ärger und Mühe durch seinen Unverstand gemacht. Es war gut daß ich Kinder, besonders hübsche gern habe und keine Ruhe erwartete sonst hätte ich’s der kleinen Lattner nach gemacht, ich wäre davon gelaufen. NB  : sie wird sehr ähnlich, das beste von der ganzen dummen Woche. – Die Mutter dieses Kindes möchte den Vater zum Weihnachtsabend mit dem Bilde überraschen daher kann sie nur sitzen wenn derselbe nicht

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zu Hause ist damit er es nicht merkt, also immer nur wenige Stunden des Tages und so unregelmäßig in der Zeit daß es ein ewiger d. h. heimlicher Ärger gab. Später Ich komme aus dem Theater  : Prinz Eugen von Gustav Schmidt249 ist eine gar niedliche Musik sie hat viel Melodie, sonst hat sie mich nicht sehr angesprochen. Die Oper ist jedenfalls im Vergleiche zum Schauspiel in München schön – Es ist ein durchaus träges schlaffes Spiel, wie als hätten die guten Leute statt Blut, lauter Bier in ihren Adern. – | d  : 5 Dec. 48. Meine Klio d. h. das Modell ist unwohl daher gestern wieder nicht viel gethan. – Vor einiger Zeit untermalte ich den Schiller und jetzt da ich nicht ein Augenblick ein Modell mir herzu zaubern vermöchte so übermale ich den Kopf was mir entsetzlich schwer wird. Ich begreife es eigentlich nicht, in der That es ist mir schwieriger als noch im vergangenen Jahre. Ist dies ein Rückoder Fortschritt  ? Ich muß, ich bin gezwungen zu glauben ein Fortschritt denn es scheint mir daß ich früher ohne Sinn und Gedanke abgeschrieben habe während ich jetzt bei jedem Pinselstrich denke nachfrage weshalb dies so und nicht so ist. Wird der Kopf so gut wie ich’s wünsche so verehre ich ihn dem Freunde Schirren. Er ist nach Bernhardt freilich auch nur eine Copie, nach einer Copie von Stieler.250 Rugendass war heute auf einen Augenblick da und nahm von der Kleinen und mir Abschied, er geht jetzt nun endlich nach Augsburg um dort zu überwintern. d  : 8 Dec 48. Erhitzt von der Gluth draußen setze ich mich zum Schreiben. Es ist ein Festtag und der Himmel hatte sich auch festlich gekleidet, ein warmer, schwüler Frühlingstag, die Erde schien ordentlich Blumendüfte empor steigen zu lassen und die lieben Spatzen waren besonders lustig. Eine rege lebendige Fantasie konnte leicht heute zwischen diesen tausend Stimmen das Schmettern der Lerchen und Finken hören somit hatte er denn einen sehr glücklichen Tag verlebt. Alle und die größten Sonnenschirme waren wieder heraus geholt, jeder Mantel und alles was an den Winter erinnerte ward beiseite gelegt und leichtsinnig dünn und luftig gingen die Menschen spazieren. – Solche Tage und so kurz vor Weihnachten sind uns armen Nordländern fremd, hier wundert sich keine 249 Der Komponist und Kapellmeister Gustav Friedrich Schmidt (1816–1882) war v. a. in Würzburg, Wiesbaden, Frankfurt und Leipzig tätig. Seine Oper »Prinz Eugen, der edle Ritter« war im Juli 1847 in Frankfurt a. M. uraufgeführt worden. 250 Joseph Stieler schuf ein Porträt Schillers nach seiner Gipsmaske und einem Pastell Ludovike Simanowitz’ (1759–1827, entstanden 1794, nicht bez., Öl auf Leinwand, 104 × 88 cm, Schiller Nationalmuseum Marbach, Inv.-Nr. II 0052), eine Lithografie befindet sich im 1848 überreichten König-Ludwig Album. Der Verbleib von Stielers Gemälde ist nicht bekannt (frdl. Mitteilung von Sabine Fischer, Marbach). Julie schuf hier offenbar eine Kopie der Kopie durch Bernhardt, was die Beliebtheit des Sujets verdeutlicht.

264 | Die Briefe Seele, ja es erfreut sich kaum jemand des köstlichen Tages. Die Veilchen blühn und ich suchte emsig die Erstlinge des Frühlings, das Leberblümchen, zu finden  ; allein wie natürlich ist, vergebens. Ich habe gearbeitet statt der Menge zu folgen was ich bereue. | d  : 11 Dec. Die Zeit ist da wo ich nun wieder anfange jeden Tag bang nach Hause kommen den Hals nach allen Seiten hinzustrecken um Euren Brief zu erspähen und der meinige ist dünn und leer. Heute finde ich Dinte in meinem Attelier, und so laßt denn sehen ob ich nicht’s finde Euch zu sagen. Ich bin gesund, ebenso Tante und Onkel, munter auch – Das Weihnachtsfest ist in nicht, ganz volle 14 Tage und werden denn Kleinigkeiten gearbeitet, ich versuchte mich auch darin, allein meine dummen Augen mokiren sich augenblicklich darüber sie wollen nichts wissen von Nadel und Faden und zuletzt muß ich nach geben. – Im vorigen Jahre war es recht hübsch an dem Christabend wo noch die drei Vettern da waren, in diesem Jahre werden wir allein sein, vielleicht kommen ein Paar arme Kinder zu uns denen beschert wird und das wird mir unseglich Freude machen, ich werde denken daß es meine lieben Geschwister sind die sich freuen und für einen Augenblick dann glücklich sein. Mit Rosners kommen wir in gar keine Berührung. Aloys habe ich das Recht genommen mich zu besuchen, zu sehen und zu sprechen was ihm sehr leid war, aber es ist so besser. Im nächsten Jahre werde ich bei Euch sein werde den Christbaum schmücken und auch, wenn es Gott will bescheren helfen. Das kann recht hübsch sein, ich wollt ich dürfte mit Bestimmtheit sagen  : »es wird herrlich sein.« – In diesem Augenblick male ich an dem Kinde – ich plage mich, verliere viel Zeit doch die Kleine wird erstaunt ähnlich und das läßt allen Ärger mir wieder vergessen. Die Tage sind immer schön, grade wie im Frühling aber sehr ungesund, Kopf- und Zahnweh spielen eine bedeutende Rolle. Rugendass ist immer noch hier, jetzt fange ich beinahe an zu zweifeln daß er fort kommt. – Er hat mir zwei Dagerotipen von sich gebracht, das eine ist Brustbild im brasilianischen Mantel ist sehr ähnlich das andere ist seine ganze Größe in der Tracht der Amerikaner und ist auch sehr ähnlich  ; allein der Ausdruck, die ganze Stellung ist sentimental, wie man ihn nie sieht. Ich möchte Euch beides schicken, doch nicht beides schenken, eines muß ich zurück bekommen, damit ich dessen aber gewiß bin so schicke ich Euch erst eines und wenn das zurück kommt so bekommt Ihr das andere  ; Es ist ein abscheuliches Mißtrauen von der Julie  ! – ha  ! ha  ! ich lache dazu und schähme mich ein klein wenig. – Ich erwarte mit Ungeduld die Kunde wie mein letzter Brief mit dem Kragen ankommt, wenn es nur keine Unannehmlichkeiten Euch gebracht, das wäre schrecklich  ! | Vor ein paar Tagen besuchte mich ein Künstler mit dem ich den ganzen letzten Sommer in Dresden in einem Saale copiert hatte, ich hatte mich viel mit ihm unterhalten, kurz, wir waren recht gute Freunde doch nie hatte ich nach einem Na-

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men geforscht – Dieser fand daß ich große Fortschritte gemacht. – Schiller ist fertig aber nicht gut, Es ärgert mich daß ich an diesem Kopfe meine noch geringen Erfahrungen in der Kunst bereichern und namentlich eine Behauptung wahr machen wollte. Ich stritt einmal mit der Kleinen über Kunst, Farben etc. wobei ich behauptete man könne sehr gut mit 3 Farben einen Kopf fertig malen und wie es nur Einbildung und Laune der meisten Künstler sei viel und die verschiedendsten Farben zu brauchen um etwas Gutes zu schaffen. Freilich vertheidigte ich meine Behauptung zu hartnäckig, wol mehr als es in meiner Überzeugung lag daher mußte ein Beweis das befestigen. – Schiller hat zwar ein sehr feines zartes Collorit, allein ich wagte, setzte bloß Ultramarin, Lack und Terra di Sienna auf die Palette, Weiß durfte nicht fehlen doch das Weiß ist keine Farbe, wenigstens von uns nicht als solche anerkannt. Die Farbe indess hat selbst meine Erwartung übertroffen. Abends. Erhitzt, trüb und doch wieder froh gestimmt sitze ich da vor mir der offene aber gelesene Brief aus der Heimath aus dem älterlichen Hause. Es ist mir unbegreiflich wie er so früh hier sein konnte. Hatte ich heute im Attelier doch schon eine Ahnung wie Ihr aus dem Vorstehenden selbst sehen werden. Die Nachricht über Fritz hat mich tief berührt und zu Thränen verhalfen auch erst die melancholischen Worte des Geibelschen251 Gedichtes  ; wäre ich nur allein in meiner Stube um meinen Thränen, welche mich pressen, die Brust zusammen schnüren Freiheit zu gönnen. Ich soll antworten und fühle daß mir die erforderliche Ruhe fehlt. Gesund seit Ihr Gott lob und dieser Gedanke wird bald alles was für den Augenblick mich bekümmert und zerstreut niederdrücken – ich werde wieder wie gewöhnlich heiter werden. Es ist mir ungemein lieb daß der Brief glücklich über die Gränze geschritten, ein ungeheurer Stein von unser aller Herzen – ich fürchte mich darüber in Worten aus zu sprechen  ; ich fürchtete mich vor mir selbst da durch die Sprache ein jedes vorhandenes Gefühl kräftiger wird, nun aber kann ich sagen daß ich fürchterlich Angst hatte. – | Herr Karov ist ein Schwein, mit Respect gesagt – dieser Fall macht mich fest und sicher nie wieder eine Besorgung zu übernehmen. Ich lasse es heute sein mit dem Schreiben vielleicht geht es morgen besser. – d  : 13 Dec 48. Tantes Namenstag, still und einfach ist er, wie ein gewöhnlicher Tag vergangen. Ich den ganzen Tag im Atelier und habe meine kleine Dreijährige fertig bis auf die Taube welche sie liebend in ihren kleinen vollen Ärmchen hält. Ich begreife nicht wie das Bild hat werden können, Bernhardt sagte  : »Sie können zufrieden sein es ist recht brav geworden.« Als Bild ist es nicht so übel finde ich, wenigstens ist mir leid es nicht behalten zu dürfen – zeichnen will ich sie in mein Album. Was Du lieber Vater mir über meinen Fortschritt sagst 251 Der Dichter Franz Emanuel August Geibel (1815–1884).

266 | Die Briefe ist mir ungemein lieb und ein großer reicher Lohn für die Sorgen, daß Du getäuscht in Deinen Erwartungen sein werdest – Deine Zufriedenheit stärkt mich und mit erneuter Kraft strebe ich in gleichem Schritt wenigstens wie bisher fort zu schreiten – möchte es mir gelingen  ! – Nach Augsburg, wie ich schon gesagt werde ich nicht, es scheint mir als sehen’s die Verwandten nicht gern außerdem habe ich das Ding auch besser überlegt und finde daß ich bei Rugendass nichts lernen werde bevor ich nicht eine Schule ganz durch gemacht – ich weiß nicht ob ich Euch sagte daß ich ihm einmal zu sah als er malte wobei ich eben nicht viel gelernt indeß herzlich gelacht habe, natürlich mehr innerlich als äußerlich. In der That etwas Ähnliches habe ich noch nicht gesehen. Ein Porträt in einer nicht ganz vollen Stunde stand fertig vor mir. Über eine frapante Ähnlichkeit kann ich freilich nicht klagen aber jedenfalls machte das Bildchen einen lieben angenehmen Eindruck. Er warf nicht mit Pinsel und Farben um sich wie gewöhnlich die Leute zu thun pflegen welche darin das höchste Ziel erreicht zu haben glauben wenn sie nur rasch malen können. Nein, das that Rugendass nicht, er scherzte lieblich mit seinem Pinsel etwa wie die Katze es mit dem Mäuschen thut. Alles will ich aufbieten um das Bildchen zu bekommen denn das Modell war die Kleine, in Ermangelung in was anderen mußte sie sich setzen. – Du klagst das ich nicht mehr pastos male. Ja ich weiß nicht soll ich mit Dir | klagen oder soll ich mich freuen. – Sieh  ! Die Manier im Pinselführen, Farbenauftragen u. dergl mehr fängt mir jetzt an Nebensache zu werden – ich trachte nur danach Wirkung und Haltung in ein Bild zu bekommen und so viel wie irgend möglich ist Geist der Sache zu geben, darauf habe ich hauptsächlich mein Augenmerk gerichtet und das bleibt immer unter jeder Bedingung die Hauptsache. Bernhardt hat mich allerdings vom Dickmalen abgebracht denn er sieht selten in einem Gesichte ein Glanzlicht, alles muß ruhig sein, nichts soll mit Gewalt herausspringen wollen  ; Ferner hat er wie eine glatte eintönige Fläche, sowol im Fleisch als auch in Stoffen, Gründen etc. überall muß es flimmern und nachdem er mir die Natur so anschauen gelehrt muß ich ihm auch ganz recht geben. – Du sagst daß das Dickmalen meine Eigenthümlichkeit war weißt Du das bestimmt  ? – Als ich noch daheim nach Jensen252 Blumen und Früchte copirte habe ich nicht gewagt mit dickerer Farbe zu arbeiten als mir das Original gebot. In Dresden erst schrieb ich die alten Meister ab und ich bewundere mich selbst wo ich das Copiren verlernt. 252 Die Sujets des dänischen Blumenmalers Johan Laurentz Jensen (1800–1856) waren sehr beliebt unter seinen Zeitgenossen und er hatte zahlreiche Nachahmer, darunter viele Schülerinnen. Auch in Dorpat wurden seine Blumenstillleben offenbar als Vorbilder angesehen. Jensen hatte bei Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783–1853) in Kopenhagen gelernt, bevor er nach Paris ging, wo er auch die Miniatur- und Porzellanmalerei erlernte. In Kopenhagen war er später auch für die Königliche Porzellanmanufaktur als künstlerischer Leiter tätig.

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Die Geduld geht mir aus beim Copiren denn mir fehlt die Freiheit, die gar zu schön ist. – Der Name Stramma253 fällt mir in die Augen. Will denn dieser Jüngling gar nicht heirathen  ? Er treibt es mit seinem Mittag beinahe wie wir d. h. die Kleine und ich  ; allein bei ihm will es mir gar nicht gefallen, es erscheint mir schmutzig, vielleicht zwingt ihn der Geiz zu solcher Unbequämlichkeit. Unsere einfache Kost hingegen hat etwas für sich. – Bosens sind alle in Livland. Der Kaufmann254 habe ich vor einiger Zeit nach Dresden geschrieben, der Brief geht also wol verloren. Meine Grüße an die ganze Familie wozu ich auch die Kaufmann zähle. d  : 14 Dec 48. Des Abends werde ich leicht sehr schäfrig selbst bei der interessantesten Unterhaltung daher gestern ich so wenig geschrieben. Heute ist’s zwar schon die Zeit, wo ich gestern schon im Bette lag und vielleicht von Euch träumte allein ich wollte so gern den Brief morgen schon auf die Post tragen und komme immer und immer nicht dazu ihn zu Ende zu bringen. Der heutige Abend ist im Theater verbracht, eine liebliche Oper hat mich sogar zu Thränen gerührt. – Was hätte ich wol Euch noch außer meiner eigenen liebenswürdigen Person mitzutheilen, | ich denke nach – Die Zeit vergeht dabei und am Ende hat sich nichts gefunden. Ha  ! es fällt mir ein daß mir Tante und Onkel auftragen Euch zu sagen daß im Fall Herr Karov das Geld noch nicht an Hanfstengel abgeschickt, er die Summe Euch aus zahlen möge, welche ein Theil des Geldes für Mize zur Aussteuer sein soll – Die beiden Verwandten ärgern sich daß sie nicht früher daran gedacht hatten. Herrmann {Hartmann} und Schwarz sollen auch einige Zeilen erhalten. Den übrigen Bekannten nur Grüße selbst Wachters müßen warten. In dieser Zeit bin ich faul im Briefe schreiben gewesen, eine Menge liegen da welche beantwortet sein wollen. Der Tag ist so kurz, jede Minute muß ein Künstler wahrnehmen. Heute habe ich das unglückliche Bild wo das Modell mir mittendrin krank wurde wieder hervor geholt und will es fertig machen. Ihr erinnert Euch wol der Rückenstudie, Eine Art Nymphe vorstellend – Es wird besser als ich dachte auch Bernhardt war zu frieden. In diesen Tagen hatte ich wieder Besuch von hohen Herrschaften welche mein Meister zu mir führte – solch indirectes Lob, denn als solches betrachte ich das kann mir eine ungeheuer glücklichen Augenblick verschaffen. Das Lob das hier und da während des Copirens seinem Munde entschlüpfte erfreut mich selten so sehr. Ebenso verlange ich durchaus keine Äußerung der Zufriedenheit von großen Männern wie der Rugendass z. B. ist, es ist mir wenigstens genug wenn er es für werth hält meine Arbeiten anzusehen und sogar sagt  : warum haben sie dies und jenes so 253 Dieser Name ließ sich nicht ermitteln. 254 Die bereits oben erwähnte Gouvernante der Familie von Bose, mit der Julie Hagen sich in Dresden befreundete.

268 | Die Briefe gemacht  ? »Ich hätte es anders behandelt.« Ich verlange nicht mehr und auf diese Weise sollte ich zufrieden und glücklich sein, O  ! Zu Zeiten bin ich’s auch gar sehr. Dann aber findet sich wieder zur Abwechslung ein erbärmlicher Katzenjammer ein und so geht man durch’s Leben im ewigen Wechsel. – Nach Italien o wie gern möchte ich hin  ! Wie so oft bin ich schon mit der Kleinen in Rom gewesen aber wie anders als junge talentvolle 15 Jährige Knaben. Zum Spaß hatten wir einmal uns im Attelier bei verschlossener Thür als Knaben gekleidet und haben uns beinahe dabei todt gelacht. Unser kurzes Haar gab | uns in der That etwas männliches doch die breiten Hüftknochen verleuchneten unsere Natur nicht. – d  : 15 Dec 48. Immer predigst Du lieber Vater Deiner Tochter Julie, weniger zu arbeiten aus Furcht sie möchte unterliegen. Wozu sich selbst Feiertage machen, wenn man sie nur zu häufig ungerufen und unvorhergesehen hat. Mit den Modellen hat man immer nur Noth und Ärger  – ich sollte mich nicht ärgern, das wäre gescheut  ; denn mit ordentlichen Menschen giebt unsereins sich nicht ab. In der Regel sind die Modelle namentlich Actmodelle nichts nutz. Die junge Nymphe will und soll durchaus nicht gedeihen. Heute früh wartete ich mit Ungeduld bis 10 Uhr auf sie und in Verzweiflung rannte ich fort in ihre Wohnung um sie zu holen. Da war sie eben erst auf gestanden und gab vor unwohl zu sein, auch möglich, allein mein Bild wird nicht so gut wie es hätte werden können. Dem Schirren habe ich gesagt ob er nicht wünscht meine Studien zu sehen die ich Euch schicken werde wol aber erst in ein paar Monaten. Er wird mir wie ich glaube antworten  : ja  ! Nun aber habe ich nicht daran gedacht daß meine Klio nicht sich bequämen wollte unsere prosaische Tracht anzulegen daß sie sich’s so bequäm wie möglich gemacht. Vor Schirren glaube ich mich kaum geniren zu dürfen denn er wird nicht wie ein gewöhnlicher Mensch die Natur anschauen und wird die unerläßliche Nothwendigkeit solcher Studien begreifen. Allein seine Frauen werden mich verdammen, wie wol auch schon in Dorpat die meisten zarten Damen es gethan. Das es der Fall ist beweist mir das Stillschweigen von Seiten meiner Schwester Mize und meinen lieben theuren Freundinnen Wachters, namentlich von diesen wundert’s mich bei Mizchen weniger da der Vater auf all dergleichen Sachen antwortet. Sehr irren werden sich die guten Mädchen wenn sie denken ich könne in moralischer Beziehung gesunken sein. Im Gegentheil meine moralische Kraft wird fester denn das Anschauen der Natur erweckt in mir ernsthafte Betrachtung. Ich denke mit Schirren offen darüber zu reden, nimmt er’s mir übel nun so sey es und doch kann und werde ich’s ihm nicht verdenken ich selbst muß ja gestehen daß ich eine falsche Scheinheiligkeit besitze, ich scheine schlechter als ich bin während andere Menschen besser scheinen möchten als sie sind. – Meine Sachen werden nicht Platz haben in Euren Stuben  ; denn es sind doch hübsch große Rahmen. Bild an Bild wie auf den Gallerien ohne Wandzwischenraum habe ich

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so gern und auf diese Weise finden sie alle Unterkommen.  – Nun noch heute Abends an Schwarz und Hartmann einige Zeilen und mein Brief hat wieder die gehörige Schwere. – Ich soll Euch von Tante und Onkel sagen daß im Fall Karov nicht das Geld geschickt haben sollte Ihr sogleich uns schreiben möchtet auf daß dem Hanfstengel hier bezahlt werden kann  ; schreibt uns dann auch die genaue Rechnung der Summe. – Die Kleine grüßt. Die beiden lieben Tanten sah ich lang nicht ich weiß aber daß sie gesund sind. Das eine Bildchen von Rugendass habe ich der Kleinen geborgt da sie es zeichnen wollte und nun nicht fertig geworden ist daher bekommt Ihr es im nächsten Briefe und welches Euch denn besser gefällt könnt Ihr behalten und das weniger liebe bekomme ich bei Gelegenheit zurück. Gegen das Licht gehalten sind die Schatten weniger stark darum angenehm. Sehr glückliche Feiertage wünsche ich Euch allen und grüßt Geschwister und Freunde von mir. Die Zeichnung von der Betenden schicke ich bei Gelegenheit wenn mir Muße gegönnt ist sie ordentlich zu zeichnen. Lebt wohl in inniger Liebe umarmt Euch Eure Tochter Julie. Tante freute sich über Mizens Briefe Julie Hagen an Ludwig Schwarz aus München, Dezember 1848 München d. […] Dec. 18{48} Mein lieber theurer Schwarz  ! Sehen Sie wol daß es auch andern im Schreiben so gehen kann wie Ihnen – Ich hatte mir’s fest vorgenommen gleich zu antworten und innigen Dank für den herzlichen und langen Brief Ihnen zu sagen, allein ich sehe wieder daß der festeste Vorsatz durch äußere Umstände oft unaus geführt bleiben kann. – Ich war weniger beschäftigt in der Zeit als zerstreut und fühlte daß es unrecht wäre so, nur halb vor den Freunde zu treten.  – Jetzt aber bin ich ganz bei Ihnen und möchte nun in gemüthlicher Ruhe ein kleines Stündchen verplaudern. Freilich kann ich nicht versprechen daß meine Unterhaltung zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen wird, denn ich bin arm an Gedanken, noch ärmer an Erlebnißen und das wenige was ich thue, denke und auch sehe erfahren Sie aus den häufigen Briefen an meine theuren Ältern. – Wäre ich in Dorpat stände ich vor Ihnen und dürfte ich in Ihre guten, klaren offenen Augen blicken dann würde es mir leichter zu reden, wir würden uns besser verstehen so aber durch die entsetzlich träge Post wird unsere Unterhaltung selten, – wir sagen uns in einem Jahre nicht einmal so viel wie wir in einer Stunde zu einander mündlich reden würden. – Es thut mir wirklich recht innig weh daß ich von meinem lieben Freunde so wenig höre, daß ich Ihnen nicht Schritt für Schritt durch’s Leben folgen kann. Bei meiner lieben Emma {Wachter} fällt mir’s | am meisten schwer so wenig Antheil an allem was sie thut treibt und denkt zu nehmen. Sie schreibt mir zwar, allein, wie es in

270 | Die Briefe Briefwechsel zu gehen pflegt, welcher nicht grade so wie z. B. zwischen mir und meinen Aeltern geführt wird, in den allgemeinsten Ausdrücken, ich wünschte ihr Leben gerade zu verfolgen bis ins kleinste Detail. – Sie mein lieber Schwarz haben mir Mittheilungen gemacht, welche ich durch keinen anderen erfahren konnte. Am innigsten freuten mich die Bestrebungen Ihre Liebe zu Mieze zu kräftigen – es ist schön daß Sie gegenseitig ihr innerstes Wesen kennenlernen wollen. Ich hoffe es wird Ihnen auch gelingen, und ebenso hoffe und wünsche ich daß Sie sich lieber gewinnen werden. Sie müßen und werden auch im reinsten Sinne des Wortes Freunde werden und nur dieses Gefühl ist im Stande klar und deutlich das Gute neben dem Bösen erkennen zu lassen. – Es ist mir leid daß meine liebe theure Schwester ihr Inneres mir eigentlich ganz verschloßen hat – ich kenne sie kaum – Es schmerzte mich häufig wenn ich mit Vertrauen ihr entgegen kam, fort gehen zu müßen ohne Gegenvertrauen erworben zu haben. Ich mache ihr keinen Vorwurf darüber  ; denn es ist eine freie Gabe, ein Geschenk das man nicht fordern kann – ich liebe sie unbeschreiblich und gebe noch immer die Hoffnung nicht auf Vertrauen bei meiner Heimkehr | zu erwerben.  – Übrigens muss ich nur zu meiner Schande gestehen daß Miezchen, obgleich an Jahren jünger doch stets gesetzter und viel vernünftiger war als ich – wie so oft gab sie mir gute Lehren so ernst wie eine alte Großmutter ihrer ungezogenen, muthwilligen Großtochter. – Sie nennen mich Freundin, lieber Schwarz, – es rührt mich und wie oft habe ich im Stillen Ihnen gedankt aber eine geheime Furcht läßt mich nicht ruhig genießen, was ich so sehr zu besitzen wünsche und diese Besorgniß will ich Ihnen auch mittheilen  : Sehen Sie, ich finde daß die Ferne jeden Menschen idealisirt und mir scheint’s als wenn man mich auch in viel schöneren Farben strahlen sieht als wirklich der Fall ist namentlich glaube ich daß der gute Vater sich blind für seine Tochter Julie entschieden hat. Mir macht es Sorge daß ich nicht den Erwartungen entsprechen werde, welche man sich macht. – Ganz dasselbe dumme Mädchen bin ich noch jetzt, das vor zwei Jahren die Heimath verließ und ich irre mich nicht wenn ich sage daß ich nur noch freier über manche Dinge denke und handele als damals. Es wird mir kein Heil bringen, namentlich wird mir’s klar wenn ich zurück blicke in die Vergangenheit, wo man sich nicht selten über meine verwegene Art zu sein, mich zu betragen gewundert hat. Darum fürchte ich daß Sie einst aufhören mich Freundin zu nennen Gott gebe daß es nicht so sey  ! – Sie zweifeln lieber Freund daß die Kunst mir das ersetzen wird, was das Leben mir versagte – Warum zweifeln Sie  ? – Wohl habe ich mich geprüft und weiß nun daß ich | jetzt nicht mehr ohne Pinsel und Farbentopf leben, wenigstens nicht glücklich leben würde – Die Beschäftigung mit ihr ist meine tägliche Nahrung ohne die ich nicht existieren könnte – So lang ich mich mit ihr abmühe und quäle bin ich glücklich und habe keine größere Sorge, keinen lieberen Wunsch als den

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daß mir die Arbeit gelingen und ich mein gesteltes Ziel erreichen möchte. Zu etwas Höheren, zu der Kunst zu leben bin ich nicht befehigt, – meine Schwäche fühle ich täglich mehr und warum soll ich nach etwas ringen deren Aufgabe ich nicht zu lösen vermag  ? Die letzten Zeilen Ihres Briefes, welche in ungemein bestimmten Worten mich allenfalls ahnen laßen dasjenige was Sie mir zu sagen gewünscht, haben mich ein wenig beunruhigt und ich bitte daher sehr mit mir in den bestimmtesten Ausdrücken zu reden. Sie als Freund dürfen sogar nicht anders  – ich dagegen verspreche eben so klar und offen meinem Freunde zu antworten. Sie verlangen in der That zu viel indem Sie sagen ich möge die letzten Worte vergessen im Fall ich sie nicht verstanden. Was ich mir gedacht oder vielmehr ahnte wage ich nicht aus zu sprechen also bitte  ! bitte  ! Klären Sie mich darüber auf lassen Sie mich nicht in der Ungewißheit verharren. Was es auch sein mag es wird mich nicht im mindesten unangenehm berühren – und wenn es sein kann so thuen Sie’s bald. Daß Sie nichts über meine kleine Sendung Studien mir gesagt thut mir leid – Ich gebe etwas auf Ihr Urtheil. Sie haben vermieden zu reden darüber, um mir nichts unangenehmes zu sagen – und ich glaube nochmehr  : Sie haben vielleicht aus meinen Leistungen den Schluß gezogen daß ich nicht durch die Kunst für mein ganzes künftiges Leben glücklich werden kann. Ja ich bin Ihrer Meinung falls ich auf diesem Punkt stehen bleiben sollte  ; allein ich habe nun den Punkt erreicht wo ich glaube das ich erst beginnen kann zu malen da die Technik mir nicht mehr die entsetzliche Mühe macht. Wenn ich nur etwas mehr Geist hätte, mehr gelernt hätte dann würde ich sehr glücklich sein. Doch das Bewußtsein meiner Dummheit wird mich noch einmal umbringen. Leben Sie wohl lieber Schwarz und denken Sie so oft an mich, wie ich an Sie Ihre alte Julie (Mizchen einen Kuß einen recht recht herzlichen und drücken Sie sie recht todt dabei) Recht glückliche friedliche Feiertage wünsche ich Ihnen, meiner theuren lieben herrlichen Mutter Gruß und Kuß. Sagen Sie ihr daß ich in treuer Liebe ihr ergeben bin und bleiben werde […] Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 20.12.1848 München d  : 20 Dec. 48. Meine theuren, geliebten Aeltern  ! Ein trüber, nachtähnlicher Tag – der erste im December und mit diesem scheint nun auch der Winter erst seinen Anfang nehmen zu wollen. Es war köstliches Wetter – so warm, so klar und heiter wie der Frühling es nur ist. Ich bin sehr froh darüber  ; ist uns Malern das Arbeiten doch um vieles erleichtert.

272 | Die Briefe Mein unglücklicher Diogenes hat nicht heute sitzen können weil er bei Kaulbach beschäftigt ist. Ich hätte ihn gern zu Weihnachten fertig gemacht allein nun geht es nicht mehr und Morgen will ich dann noch den Onkel untermalen um die Zeit bis zum Sonntag würdig aus zu füllen. Die kleine Bengler255 so heißt sie ist fertig und besser geworden als ich zu hoffen wagte. Das Bild findet Beifall und besonders ist die Mutter sehr glücklich darüber. Wünscht nun daß ich sie und ihren Mann auch machen möge und wenn die Tochter 16 Jahre alt ist daß ich sie noch einmal malen soll. Dieser Wunsch hat mich höchst amisiert . – Wo werde ich in 12–13 Jahren sein  ? wol kaum in München. Gestern kam die Mutter um mir zu danken und ihre Schuld abzutragen, welche ich auf zwei Louisdor gestellt hatte und überraschte mich noch dazu mit einem Andenken, das in einem goldenen mit Tirkoisen gezierten Uhrhaken bestand. Diese Freundlichkeit hat mich wirklich gerührt und ist mir mehr werth als 1000 Th. – Es war mir Beweis daß die Mutter wirklich glücklich und zufrieden ist. Solch ein Dank wird uns armen Porträtmalern selten zu Theil und dadurch wurde mir ein recht glücklicher Tag – Außerdem traf noch allerlei zusamm was mir den Tag sehr verschönerte wie z. B. ein Besuch vom Freunde Rugendass, lieber Mensch, was war er wieder liebenswürdig  ! Diese poetische Natur entzückt alle Menschen die ihn kennen. Ich erzählte ihm von Hofmann, er war sehr erfreut darüber  ; er hat ihn in sein Album gezeichnet das er mir zeigen wird. Immer sagt er  : »nun komme ich um Abschied zu nehmen denn ich reise dann und dann« – aber er kommt nicht weiter. – Rugendass fand die kleine Bengler recht lebendig und schien zufrieden. – d  : 22 Dec oder unser Neujahr256 lieber Vater, beginnt mit dem heutigen Tage. Ich sage unser denn ich fange an auch diesen Tag sehr zu feiern, das Herz füllt sich mit neuem Muthe und neuer Hoffnung für die | kommende Zeit und das ist ein schönes, erhabenes Gefühl. Übermorgen ist der Heilige Abend, mir erscheint es seltsam unwahrscheinlich wenn ich’s sagen höre, ich freue mich durchaus nicht darüber, ich werde frohlocken wenn ich sie vergangen weiß  ; denn ich soll an den Tagen nichts thun so sagt man mir was mich im Voraus anuiert.  – Onkel hat nicht gesessen, er wollte keine Zeit geben  ; vielleicht für den Christbaum viel zu besorgen gehabt. – Ich habe keine Idee womit mir beschert werde. – Pinsel, von allen Größen und recht viel könnt mich am meisten freuen. Kleider und Gesichten um sich zu zieren rühren mich nicht, gewiß gar nicht. – Die Einleitung also ist geschrieben und ich beginne von Neuem zu erzählen von Rugendass. Ja was ist denn das  ? wird man sagen unter Euch  ; doch das schadet nichts ich erzähle trotz 255 Eine Familie dieses Namens ist weder im Münchner Adressbuch von 1845 noch von 1850 zu finden. Es könnte auch »Bangler« gelesen werden, dieser Name ist aber ebenfalls nicht zu finden. 256 Der 22. Dezember ist das Datum der Wintersonnenwende, mit dem die Tage wieder länger werden. Dieser Tag wird noch heute im Baltikum in besonderer Weise gefeiert.

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dem. Es ist ja ein famoser Kerl, unser liebenswürdiger Freund. Ein alter Mensch, welcher mit uns gern kindisch ist. – Er hatte uns aufgefordert heut Nachtisch in sein Attelier zu kommen um sein Bild das er jetzt malte ganz fertig zu sehen welches ganz prächtig geworden ist. Ich weiß nicht ob ich schon von dem gesprochen  – Es begegnen sich nämlich zwei Karawanen welche still halten um sich zu begrüßen und R. in der indianer Tracht steht mit einem Portafella zwischen diesen beiden Karawanen und skitzirt. Die Gruppierung, das Leben ist fabelhaft großartig auch sehr schön gemalt, ich wollt Du könntest das Bild sehen. Dann zeigte er uns eine große Mappe seiner Handzeichnungen, welche der Pinakothek gehören, leider konnten wir nur eine sehen da es finster wurde. Ganz herrliche Sachen finden sich darin und wie schön gezeichnet, ich fange an mit ungeheurer Ehrfurcht ihn als Künstler zu betrachten. Er ist einzig in seiner Art und das fühlt er nur zu sehr – er fühlt sich nicht wohl hier und geht auf jeden Fall fort, nach Amerika, Er sagte uns wenn seine Mutter nicht wäre so zöge er im nächsten Jahren bestimmt davon. Armer Mensch viele beneiden ihn und doch steht er allein da. – Ich fragte ihn heute ob er nicht einen großen Schmerz empfände seine Sachen, den großen gesammelten Schatz an Zeichnungen abgetreten zu haben  ? Mit einem Seufzer wurde mir die Antwort  : »ich habe noch keine frohe Stunde seit dem verlebt« – ich glaub’s ihm gern. Ein paar Skitzen hat er mir geborgt | zum copieren – außerdem zeichnete er uns beiden der Kleinen und mir etwas ins Album, aus dem Kopf, ganz prächtig. – Er kann recht närrisch sein neben seinem großen Geist, seinem Ernst, so z. B. hatte er sich vor einiger Zeit von einem jungen Bildhauer für den er sich interessiert das Relief modelliren lassen das nicht gut aus fiel worauf er dieses Modell dem Conditor gegeben um aus Marzipan Rugendass’s zu fabriciren. Solcher Köpfe hatte er sich für den heutigen Tag besorgt um sie uns zu geben, mit den scherzenden Worten  : »da ich glaube daß sie mich zum fressen gern haben so habe ich Ihnen jeder einen R. geholt«. so ungefähr waren die Worte. Morgen kommt er noch einmal ins Attelier um unwiderruflich zum letzten Mal Abschied zu nehmen. – Den Meyer aus Rom hat er uns empfohlen. d  : 24 Dec. Endlich ist der große Tag da wo in allen Häusern das Christkindel erwartet wird. Ich merke, bei uns wird er bepackt ankommen denn die Tante ist äußerst beschäftigt. Den ganzen Morgen bis 1 Uhr bin ich umher gelaufen um Christgeschenke theils zu besorgen theils abzugeben, so war ich auch bei den Tanten draußen, welche herzliche Freude hatten, die lieben guten Tanten  ! könnte ich ihnen das Leben nur etwas leichter machen, wie glücklich wäre ich  ! Im Attelier war ich auch um meine Kleine zu sehen und zu sprechen, hoffte bei ihr Heiterkeit zu finden  ; doch ich täuschte mich, auch sie war wehmüthig und wir weinten mit einander. Heute bedarf es nicht viel und ich habe Thränen was Tante nicht sehen darf da sie mich erfreuen und überraschen will. Um 3 Uhr

274 | Die Briefe muß ich zu Benglers um für den Abend arrangiren helfen damit das Bild in das möglichst beste Licht kommt. Gestern als sie das Bild abholte traten ihr Thränen in die Augen als sie mir dankte – sie ist so glücklich und das ist mir der größte schönste Lohn – Dürftet Ihr doch hier sein und Euch mit mir freuen, dann erst würde mir das Fest zum Feste so aber kommt es mir vor als feierte ich mit den Katholiken ein Fest des Anstandes wegen mit, welches mich im Grunde nichts angeht. Und seit Ihr endlich in 12 Tagen so weit den Abend zu feiern dann habe ich einen gewöhnlichen Arbeitstag. | Kein Mensch kleidet sich festlich, so auch mag ich’s nicht thun nur mein Inneres sieht anders aus – d  : 26 Dec 48 Der gestrige Tag ist hingegangen ohne daß ich mir Rechenschaft geben könnte was ich gethan. An solchen Tagen kann ich mich nicht zum Kleiden des Morgens entschließen  ; ich thue alles lieber nur nicht mich in Galla werfen. Im Herumschlendern war dann der halbe Vortisch unvermerkt hingeeilt dann in die Hofcapelle wo wir die gesungene Messe anhörten dann in den Kunstverein gingen und dann zum Essen in die blaue Traube. Das dauerte bis 3 Uhr und Tante und Onkel begleiteten mich dann in die protestantische Kirche. So auf diese Weise war der Tag vergangen und ich konnte nicht dazu kommen Euch den Sonntag, den Christabend nämlich zu beschreiben – Am Abend hätte ich’s zwar leicht thun können  ; allein ich legte mich Zahnschmerzen wegen ins Bette welche mich die ganze Nacht nicht ruhen ließen.  –  – Das Christkindchen hat wirklich, wie ich vermuthete reiche Gaben gespendet was mich eher rührte als erfreute, namentlich hat mich ein Geschenk meiner Kleinen fürchterlich weinen gemacht – es waren die Gedichte von Lenau,257 welche ich mir sehr gewünscht hatte. Vorn hinein hatte sie einige freundliche Worte in einem Verschen geschrieben, welche ich immer wieder mit erneuter Rührung lese, sie lauten  : Wir fanden uns im kunstgeweihten Streben, In unseres Lebens schönsten Frühlingsstunden  ; Und was uns hier so freundlich hat verbunden – O laß es dauernd sein für’s ganze Leben  ! Ob bald auch werden Berg und Meer uns trennen, Wirst, horchst Du Lenaus sanften Mollakkorden Wenn glücklich auch im heimatlichen Norden Du manchmal doch die ferne Freundin nennen  ! ----------257 Nikolaus Lenau, eigentlich Nikolaus Franz Niembsch Edler von Stehlenau (1802–1850), gehört zu den bedeutendsten österreichischen Dichtern und Schriftstellern des 19. Jahrhunderts. In den 1830er Jahren unternahm er eine Amerika-Reise, von der er aber enttäuscht zurückkehrte. Seine Gedichte sind von einer besonderen Melancholie gekennzeichnet. 1844 hatte er einen

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Außer diesen war mir zunächst ein erwünschtes Geschenk, ein Pack Pinsel und eine Zitter von Onkel  – Von Tante ein recht schönes großes Tuch, 6 Paar Strümpfe, Handschuh, Pulswärmer, ein Geldbeutel und Kleinigkeiten noch. Endlich von einer Dame, Freundin der Tante welche ich gemalt hatt ein Uhrhaken das zweite also. – Da ich nun aber nicht zwei brauche, so gehört das eine meiner lieben Schwester Mieze könnte ich’s ihr schicken so macht es mir unerhörte Freude. – Morgen denke ich wieder fleißig zu sein. | d  : 2 Januar 49 Meine theuren Aeltern  ! Die Kunst verlangt viel Zeit, viel Ausdauer, viel Kraft  ! – Ein sonderbarer Gruß nach 8 Tagen, ja, ich selbst sehe die Worte an und fühle daß ich mich in meinen Gedanken gehen ließ. Es ist mir oft begegnet daß ich mitten drin oder gar am Ende eines Gedankens durch Worte laut mich aussprach ohne zu denken daß diejenigen, zu welchen ich redete nicht das Vorhergehende wissen. So auch schrieb ich heute schon lang im Gedanken, hatte so lebhaft mit Euch gesprochen daß ich meinte es stände alles schon da und die oben stehenden Worte beendeten meinen Satz – sie sollten mich entschuldigen des langen Schweigens wegen. Denn in der That ich habe gar nichts weiter gethan als immer gemalt und des Abends Zitter gespielt denn ich bekomme jeden Tag d. h. jetzt in der ersten Zeit nur, von 6 bis 7 Uhr eine Stunde – da heißt es dann üben und das kleine Instrument ist schwerer als man glauben sollte – Es freut mich sehr es zu lernen es sind so liebe sanfte, ich möchte sagen  : nächtlich stille Töne und dann bringe ich einst ein nagel neues Instrument nach Dorpat, das kein Mensch sonst spielt und lauter Gebirgsliedchen dazu. In Tirol besonders in Zell hörte ich die Zitter gar nett spielen. Mein Lehrer, Herr Angermüller ist ein drolliger Kerl – etwas ungebildet, dabei eingebildet auf ’s Höchste – Gestern also Neujahr und ein sehr kalter Tag, heute sogar hatten wir 16 Grad Kälte, hu es ist eisig denn in Deutschland, schauerlicher als im Norden bei 30 Grad unter Null – Es ist ein merkwürdiger Winter, immer heitere, klare Tage welche gar nicht mit Gold zu bezahlen sind. – Zwischen Neujahr und Weihnachten habe ich den Onkel untermalt und die Skitzen von Rugendass copiert, welche unerhörte Freude mir machen – das eine ist eine Hängematte in der eine Dame nachlässig ruht, vor ihr sitzt auf einem Fenstergesims eine zweite zusammen gekauert und noch eine dritte steht ihr zur Seite aber sehr unvollkommen hingefegt alle drei sehen das Spielen zweier Hunde zu – diese Skitze bat ich mir aus weil sie mir ein Bild zu einer Stelle aus dem Silsfildschen258 Roman gab das uns Schirren und Schwarz vor bald 3 Jahren vorlasen. Das zweite ist ein Indianer und das dritte

Schlaganfall erlitten und war, zunehmend geistig verwirrt, schließlich in eine Nervenheilanstalt eingeliefert worden, wo er bis zu seinem frühen Tode lebte. 258 Charles Sealsfield, eigentlich Carl Anton Postl (1793–1864), war ein Romanschriftsteller des 19. Jahrhunderts mit einer abenteuerlichen Biografie. Er flüchtete als junger Mann in die USA, bot

276 | Die Briefe eine Nymphe, welche ein hübsches Motiv zu einem Bilde ist. Kommt R. zurück so bitte ich mir noch mehrere | solcher Skitzen aus. – Heute an unserer Klio gemalt und es that uns ordentlich wohl wieder nach langer Zeit einmal mit einander zu malen und mit einander Thee zu trinken d. h. mit der Kleinen. Sind wir getrennt so vermißen wir uns sehr und besuchen uns gegenseitig alle 10 Minuten. Sie sprach heute davon Dir lieber Vater zu schreiben. – d  : 4/24 Januar Den Weihnachtsabend mit funkelnden Lichtern feiert Ihr heute wo wir still mit der gewöhnlichen Alltagsbeschäftigung beisammen saßen. Ich war immer bei Euch im Geiste. Bald seh ich ein Bäumchen geputzt blitzen und die Geschwister um ihn herum jubeln bald kam mir der trübe Gedanke daß kein Baum den Kindern beschert worden  ; kurz ich versetzte mich in all mögliche Situationen zu Euch und mein letzter und innigster Wunsch war daß Ihr gesund und heiter sein möchtet. Gern hätte ich meinen Baum, wie im vergangenen Jahre an dem heutigen Abend noch ein mal an gezündet um äußerlich einige Feierlichkeit dem Abend zu verleihen, wenn er nicht von den armen Kindern vor 12 Tagen geplündert worden wäre. Es ist schon spät meine Augen thuen etwas sehr weh daher verzeiht mir daß ich aufhöre zu schreiben, ich werde träumen von Euch, und gute Nacht theure Aeltern und Geschwister. – d  : 6 Januar. Heiligendreikönig hier bei Euch zweiter Weihnachtstag. Hätte sich unser Modell dazu verstanden heute zu sitzen so wäre auch heute wie gestern angestrengt gearbeitet, so aber will ich heute den ganzen lieben langen Tag schreiben, namentlich nach Dresden. Hüttels werden ganz böse auf mich werden da ich scheinbar sie vergessen. Gestern den ganzen Tag war ich erregt, der Grund lag in meinen Zähnen welche nicht ruhig sein möchten. Das Wetter hat auch auffallend sich geändert. In einem Tage stieg das Termometer von 16 unter null bis 5 Grad Wärme dabei Regen, Schnee und Nebel. Gegen Abend aber merkte ich daß nicht die Zähne allein meine Heiterkeit verscheucht sondern daß das Heimweh auch sein Recht geltend machte. Um 6 Uhr hatte ich meine Zitterstunde und mein liebenswürdiger Lehrer hätte mich beinahe rasend vor Ungeduld gemacht. Ein so dummer Kerl ist mir nämlich noch nie vorgekommen, ein fabelhaft ein fältiger Mensch, ein greulicher Schwätzer  !  ! So z. B. wollte er mir gestern durchaus glauben machen daß Petersburg unter dem Equator liege und daß des|halb wir armen Russen 6 Monate hindurch Nacht haben und 6 M. nur Tag immer Sonnenschein. Die guten Deutschen haben wie Ihr seht auch die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Ein anderes Mal kam er eine viertel Stunde früher als gewöhnlich und entschuldigte sich damit  : »Es ist Fasttag sagte er und Sie wissen Fastenspeisen machen Blaungen daher wünschte meine Mutter früher sich Metternich als Geheimagent an und lebte später in der Schweiz. Seine Schriften sind vor allem Reiseberichte aus Amerika oder Abenteuerromane aus der neuen Welt.

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zu Abend zu essen«  – Wäre er nicht so dumm dann hätte ich ihm eine solch undelikate Erklärung sehr übel genommen so aber muß ich ihn bedauern. Seine Stunden sind indeß bis jetzt noch gut, ich übe auch fleißig obwohl ich durchaus kein Respect vor dem Lehrer habe. Daß ich trotz dem fleißig bin beweist mir daß ich kein Kind mehr bin. Bis gestern hatte ich noch täglich Stunde  ; doch ich will jetzt weniger, etwa 3 die Woche nehmen da ich zu gar nichts anderem komme, nicht kann ich schreiben noch Lesen. Anfangs hatte ich die Absicht gleich Sivers Euch zu verschweigen meine Übungen in der Musik damit ich eine Überraschung Euch beim Heimkommen dadurch machte allein es ist besser so, an diesen Stunden und Übungen knüpft sich Manches, wenn auch nur Kleinigkeiten die Euch helfen mir zu folgen durch das Leben. – Abends Emsig an Hüttels schreibend saß ich in meiner Stube und mit einem Mal wurde heftig an die Glocke gezogen, es war ganz genau die Art des Briefträgers, ich sah hin aus und wirklich ich hatte recht gehört – die bekannten lieben Züge lachten mich freundlich an hastig wie immer brach ich das Couwert. Der Inhalt des Briefes hat mir das Blut zu Kopf getrieben, der ganze Körper pulsirt gewaltig  ; ich bin sehr, sehr aufgeregt. Was kann ich zu all diesen Sachen sagen. Mieze die gute liebe Schwester thut mir furchtbar Leid  ! Ich an ihrer Stelle, ich würde meinen lieben Schwarz nicht allein ziehen lassen.259 Das Weib hält, wie sie täglich beweist mehr aus als in der Regel ein Mann. Lieber sterben mit ihm als ihn allein mit den Gefahren dieser Reise kämpfen lassen – Wol weiß ich daß ein Weib immer dem Manne in solchen Fällen die Gefahr und Last vergrößert aber das hebt sich wol mit den Sorgen welche sie gegenseitig namentlich dem zurückbleibenden Theil, während der Trennung um ein ander hegen, auf. Miezens Brief gefällt mir sehr er zeigt mir Charakter und große | Seelenstärke, das hat sie auch nöthig, sonst wäre sie verloren. 3000 Meilen  ! hu das klingt schrecklich  ! Ich kann mich noch immer nicht sammeln – Ich bleibe einmal auf keinen Fall alleine zurück und doch nehme ich mein bischen Verstand zusammen so sagt mir dieser es geht nicht sich mit einem Weibe zu schleppen. Gott wird wissen was er thut, wollen wir ihm alles überlassen und es ist wohl gethan – – Morgen bei ein bischen mehr Ruhe werde ich weiter schreiben heute ist mir kaum möglich mich aus dem Chaos der Gedanken heraus zu reißen. Als Ausländerin sollte Mizchen während Schwarz in Sibirien ist eine Reise nach Deutschland machen, sie sollte nach München kommen.  – Oder bin ich nicht vielleicht zur Hochzeit schon bei Euch  ? – Gar gern möchte ich vorher den lieben Schwarz sehen und sprechen, sein Bildchen sehe ich täglich mit Freude 259 Sie hatte die Nachricht erhalten, dass Ludwig Schwarz auf eine mehrere Jahre andauernde Expeditionsreise nach Ostsibirien reisen werde – ohne die Schwester.

278 | Die Briefe an und finde daß die Unterhaltung mit einem geliebten Bilde doch was unbeschreiblich Reitzendes hat, wie bin ich dem Herrmann {Hartmann} dankbar für seine Mühe und Freundlichkeit mir Euch Geliebten alle zu zeichnen. – Einige Bildchen hätte ich noch gern, für mein Leben gern hier in diesem Kreise und diese wären die beiden Wachters und unser armer kranker Freund Schirren. Er hat in diesen Tagen einen langen Brief von mir gehabt, – Werde ich ihn noch wieder sehen  ? oder war es das letzte Mal am Dünastrande  ?  ! – Diese Frage presst mir Thränen aus den Augen. d  : 7 Januar 49 Sonntag. Noch ein Tag an welchem ich zu Hause bleiben kann. Von Jahr zu Jahr werden mir die Festtage unangenehmer, doch heute freut’s mich, kann ich doch ruhig schreiben oder mich meinen Gedanken hingeben – bei der Arbeit sind sie getheilt oder ich denke an nichts anderem als an Pinseln und Farbenscharben. Die Nacht ist mir fast schlaflos vergangen und meine Glieder lassen nicht merken daß sie stiefmütterlich behandelt worden. Solch eine schlaflose Nacht ist am Ende die einzige ungestörte Zeit in der man Denken kann und zu einem Resultat gelangt doch ich bleibe immer stehen bei Tag und bei Nacht. Meine Gedanken dehnen sich nicht aus und das macht mich bisweilen fürchterlich ungeduldig. – | Mizchens Brief las ich noch einmal und finde daß sie Muth ungeheuer viel besitzt. Mir bleibt es immer so viel ich mir auch die Vortheile, die aus dieser Reise entspringen können, vorerzähle ein unbegreiflich großer Gedanke. Das Eine befürchte ich nur daß die liebe Schwester sich in diesem Punkte noch nicht genügsam kennt  ; sie weiß nicht was das heißt getrennt sein vom Geliebten. Ihre moralische Kraft ist auch nie auf die Probe gestellt wie ich glaube  ; doch ich will nicht sie nach mir beurtheilen ich möchte ihr zuletzt sehr unrecht thun. Ich für mein Theil fühle mich nicht stark genug, ohne meine Kunst die Trennung von geliebten Personen zu ertragen und vollends wenn ich sie in Gefahr weiß. Denn, was wird dann sein, im Fall Schwarz verunglückt  ? was Gott behüten wird, wer wird für seine Frau sorgen  ?  – Sicherheiten muß er sich für möglich vorkommende Fälle schaffen. Schreibt mir das nächste Mal ja ausführlich über alles was die beiden angeht. Mizchen möchte ich’s als Aufgabe geben über nichts anderem zu berichten als was sie und ihren Schwarz betrifft. – Soll ich kommen zur Hochzeit  ? soll ich bleiben  ? ich will gern Mizchen zu zerstreuen suchen, wenn nicht anders, so mit Dummheiten, denn ich kann mit unter, so alt ich auch bin recht kindisch sein.  – Jetzt will ich suchen in Deinem Briefe lieber Vater ob ich was zur Beantwortung finde. Daß Ihr alle wohl seit, na, das könnt Ihr wol denken daß mir das die größte Freude ist. Die gute Mutter thut mir leid daß sie die Unannehmlichkeit an dem [S…istschen] Ankömmling gehabt. Was ist

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daraus geworden, hat die Tiesenhausen260 ihren Zögling zurück genommen  ? schreibt mir darüber, nichts hat für mich einen zu geringen Werth, gerade aus solchen Kleinigkeiten nährt sich die Anschauung der Dinge. Gelacht, doch nicht gewundert hat mich die Zimperlichkeit der alten Fräulein Anders meine Bachhantin nicht ansehen zu können. – Was erst werden sie über mich zu sagen sich berechtigt fühlen  ? Ihr armen Aeltern  ! werdet am Ende Euch schämen müßen eine solche Tochter zu besitzen  ; allein bitte  ! bitte  ! Thut es nicht, ich bin gewiß nicht schlechter geworden, ich habe nur gelernt | das wahre Schöne der Natur erkennen und mich zu freuen. Solche Menschen, wie Andersens261 bedaure ich von ganzem Herzen. Die Welt mit ihren großen Schönheiten bleibt ihnen ein ewig offenes Geheimnis. Darin erst liegt das Unanständige, das Unestetische sobald man lacht über Dinge worüber nicht zu lachen ist. Ich gebe zu daß nicht schöne Formen zu alte etwa und hässliche unreine Farben wol den Kopf weg wenden machen  ; während das unverdorben Jugendliche eines Körpers Bewunderung von einem jeden 10 Jährigen Kinde abgewinnt. Wie kann sich Fräulein Anders262 rühmen die reiche Gallerie in Petersburg wiederholt gesehen und bewundert zu haben  ? Was denn hat sie bewundert  ? etwa die schön gelegten Traperien. Bernhardt hat neulich mich aufgefordert daß ich daran denken müßte einmal eine ganze Gestalt zu malen um nicht bei einem Kniestück in Verlegenheit zu sein, er hat recht, noch will ich warten bis das Bedürfniß nach dem Fortschreiten mit ganzer Gewalt an meiner Seele nagt, dann erst überwindet man alle falsche Schahm und die Zeit fühle ich rückt heran, sie ist nicht mehr gar fern, und ist sie da so hört auch der Wunsch auf ein Junge zu sein. Wer mich kennt wird nicht die Liebe und Achtung vor mir verlieren und wer mich nicht kennt da ist’s mir einerlei was man sagt, ich bin glücklich und lebe für mich und denen die ich liebe  ;  – Ein schönes Glaubensbekenntniß eines Mädchens  ! ha  ! ha  ! ich lache dazu  ! – Sag den Leuten daß die Kunst zu ernst wäre als daß man zu seinem Vergnügen sie treiben wollte. Es ist gut übrigens daß ich das Thema fallen lasse, ich mach ja doch keine Proseliten. – Es freut mich unendlich wenn 260 Die von Tiesenhausen sind ein altes baltisches Adelsgeschlecht. 261 Dies mag die Familie des Dorpater Bibliothekars Emil Alexander Lorenz Anders (1806–1887) gewesen sein, die in den gleichen Kreisen der Dorpater Universität verkehrte wie die Familie Hagen. Emil Anders hat seine Lebenserinnerungen in seinen letzten Lebensjahren verfasst, erschienen als  : Erinnerungen des weil. Universitäts-Bibliothekars zu Dorpat Emil Anders nebst einer Biographie und Charakteristik des Verfassers, hrsg. von L. v. Schroeder, Reval 1892 (Separatabdruck aus Baltische Monatsschrift, Bd. XXXIV, H. 1–5, Januar bis Mai 1892). 262 Eine der Töchter des Bibliothekars Emil Anders, Karolina (Lina) Anders (Lebensdaten unbekannt) oder Angelica Anders (Lebensdaten unbekannt). Sie waren zu lokalem Ansehen gelangte Malerinnen, die heute vergessen sind. Bis auf einige Kopien nach alten Meistern sind von ihnen keine Arbeiten bekannt.

280 | Die Briefe der liebe Sivers in seiner Kunst Glück macht, möchte er einen reichen Lohn für seine Sorgen während der Zeit des Studiums davon tragen. Herzlichen Gruß und Kuß ihm meinem theuren Freunde und Onkel in Dresden. Wie traulich ist uns beiden manche Stunde, im Andenken an unsern Angehörigen vergangen, ich bin ihm recht recht gut sagt ihm das gewiß. | Du thust dem Rugendas sehr unrecht wenn du sagst »er ist Landschaftsmaler und nicht Sänger«. Grade er ist ein ganz famoser Sänger. Seine Landschaften sind allerdings köstlich aber seine Compositionen, Gruppierungen sind großartig und merkwürdig lebendig – ich zweifle sehr daß ihn so bald jemand darin übertrifft. Er hat eine reiche, ungeheuer reiche Fantasie – ich freilich besitze keine Autorität um Euch davon zu überzeugen allein wer ihn kennt sagt das einstimmig – Ich bleibe jedenfalls bei Bernhardt aber hier und da einen guten Rath kann ich schon brauchen, er nämlich R., ist stark in der Anordnung. Carus’ens freundliche Zeilen freuen mich sehr  ; es liegt gewiß einige Eitelkeit darin wenn ich Euch sage daß ich’s liebe von interessanten, geistreichen Männern einige Zeilen an mich gerichtet, zu besitzen. Seine Bitte betreff des Conservatorium’s will ich so weit es in meinen Kräften steht nach zu kommen suchen. So viel ich weiß, so sagt das hiesige Conservatorium nicht viel  ; doch das kann auch ganz anders sein, kann ich’s in diesem Brief schon thun so schreibe ich ihm selbst darüber. In Mayland wäre es freilich am besten für die junge Künstlerin gesorgt indeß ich will mich schon erkundigen.263 Marianne Otto ist sie denn wirklich schon Braut mit dem häßlichen schielenden Witt  ? Das gute Mädchen hat, wenn ich nicht irre keinen Charakter als Freundin könnte ich sie nie brauchen. – Otto Dumberg der gute Junge, was treibt er denn  ? warum wartet er sein Examen zu machen  ? Hat er aber so angesträngt gearbeitet, die ganze Zeit hindurch wo ich von Hause bin, wie zu der Zeit wo ich Dorpat verließ dann muß er ja wie ein dünnes Fädchen geworden sein – schon damals bedauerte ich ihn weil er ganz dürr anfing zu werden. Haben nicht etwa auch ihn Liebesbanden umstrickt gleich seinem Freund Sehrwald  ? fragt ihn einmal in meinem Namen. | d  : 8 Januar 49 Mein Atelier war heute so rasend heiß geworden daß ich jetzt wie betäubt bin, Ein großer Übelstand beim Actmalen. Mich beschäftigt unablässig Mizes und Schwarzens Zukunft und immer grässlicher erscheint mir die ganze Geschichte. Ich sage dann mir immer wieder  ! allein ließe ich meinen Mann nicht gehen  ! und dann kommt mir wieder ein anderer Gedanke daß 263 Sie erhielt vom Dorpater Chirurgen Ernst August Carus (1797–1854) eine Anfrage nach guten Ausbildungsmöglichkeiten für die Gesangskunst der Carus-Tochter Marie in München. Diese ging aber zur Ausbildung nach Leipzig und anschließend nach Paris. 1852 verdingte sie sich als »Maria Cara« für die Opernsaison in London (vgl. Extra-Beilage zu Das Inland, Nr. 23, 9.6.1852, Sp. 472).

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sie sich wenn es denn nun einmal vor der Reise geschehen soll, gleich d. h. im Frühling heirathen sollen, warum warten bis zur Zeit wo er beinahe fort geht  ? dies Warum  ? kann ich mir wol auch ohne Mühe beantworten. Aus doppelten und mehr Gründen wäre es besser und hübscher. Hätte ich eine Stimme im Rath dann bestände ich gewiß drauf. Heute hat man mir gesagt daß das hiesige Conservatorium sehr gut sey sogar besser als in Mayland, wenigstens behauptet man daß Sänger und namentlich Sängerinnen aus Mayland verdorben zurück gekehrt. Die Stimmen werden dort zu hoch hinaufgeschraubt. In den nächsten Tagen gehe ich zu Hauser264 welcher wahrscheinlich nicht der Leipziger Sänger ist doch das wird sich uns weisen. Er soll aus Wien gekommen sein um Gastrollen zu geben und wurde so dann angestellt. d  : 11 Januar 49 Ich habe nicht geschrieben, so viele Tage nicht und doch denke ich unablässig an Euch – ich weiß nichts zu sagen, darf und soll es auch nicht einmal. In meinen Träumen allein scheint mir als hätte ich das Recht dazu – In diesen Tagen bemühte ich mich für Carus betreff des Conservatoriums Erkundigungen einzuziehen bin bei ein Paar Schülerinnen dieser Anstalt gewesen und ließ mir erzählen was ich zu wissen wünschte und zugleich auch die Wohnung des Directors – denselben traf ich nicht endlich heute früh um ½ 8 Uhr am Kaffeetisch im Morgenanzug. Man hatte ihn mir als etwas barsch, brutal geschildert und ich machte mich darauf gefasst. Ich sagte ihm wie ich den Auftrag hätte mich zu erkundigen nach den Bedingungen etc. worauf in sehr hönischem Tone mir die Antwort wurde  : »Gott nach den Bedingungen  ! die Hauptbedingung ist viel Talent«  – Eben so hönisch müßen von meiner Seite die Worte geklungen haben die ihm als Antwort wurden  : »Ich freue mich die Bedingung erfüllen zu können. Das Talent, das sich aus zu bilden wünscht wird mir (etwas verschluckt ausgesprochen) gewiß keine Schande machen« – Endlich fragte ich ihn ob er aus Leibzig sey und ob er Carus kenne was er mit freundlicher Mine bejate. Der Mann war wie um|gewandelt, die Liebenswürdigkeit selbst und ich hielt mich länger als eine halbe Stunde auf, er schreibt selbst daher grüßt nur die Familie Carus namentlich den Alten und sagt ihm daß ich für überflüssig halte jetzt noch zu schreiben da er besser das Nöthige durch Hauser erfährt. – Wenn ich nicht schreibe dann weiß ich so vielerlei Euch zu sagen und ist die Zeit wo ich’s thun sollte dann fällt mir nichts ein. Einstweilen spreche ich dann von meiner Klio, die hat nun doch jetzt schon einiger Maßen ein Ansehen obgleich sie noch 264 Franz Hauser (1794–1870) war Sänger, Musiklehrer und Komponist. Er begann in Prag und kam über Kassel, Dresden, Wien und mehrere nationale (u. a. Leipzig) und internationale Gastspiele durch Berufung Ludwigs I. 1846 nach München, um das Konservatorium zu organisieren. Sein Einfluss und sein Wirken für die musikalische Bildung in München gilt als förderlich und hochrangig, erst 1864 trat er in den Ruhestand.

282 | Die Briefe nicht fertig ist, das Gewand muß namentlich noch mit Lack überzogen werden das Fleisch ist indeß fertig. Heute malten wir den Himmel und freuten uns wie südlich er geworden. Fräulein Barellier aus deren Heirath mit dem Herrn Speck von Sternburg nichts geworden und nun wieder hier ist war heute zum ersten Mal da und Bernhardt hat gegen sie unsere beiden Bilder sehr gelobt. Von meinem Rücken sagte er  : »der Rücken ist famos gemalt  ; sehr hübsch in der Farbe«  ! – Es sind ein paar Blitzmädel (bayrischer Liebesausdruck) und dgl. mehr liebenswürdige Sachen wurden uns zu theil, sie machten uns auch glücklich als seltene, aus seinem Munde gespendete Gaben. Morgen will den Onkel übermalen. Die Kleine fährt nach Altötting in etwa 8 Tagen zur Hochzeit einer Cousine. – Freund Rugendas schicke ich in diesem Brief Euch  ; wie schon neulich gesagt hat er hier etwas sentimentales was ihm durchaus nicht eigen ist sonst außerordentlich ähnlich die Kleidung ist die der Indianer. In diesem Portrait sieht man deutlich daß er vom Blitz getroffen. – Ich zweifle daß ich schon davon sprach was eine besondere und große Characteristik an diesem schon ohne hin interessanten Manne aus macht. Die eine Hälfte seines Gesichts ist nämlich steif, bewegungslos er lacht nur von einer Seite  ; hört auch nur auf einem Ohr und schilt zuweilen recht anmuthig, das alles hat er einem Blitz zu danken, welcher ihn traf. Anfangs genirte es mich allein seine Liebenswürdigkeit läßt bald diesen Fehler als Schönheit erscheinen, oder wenigstens ganz vergessen machen (vgl. Abb. 11). Wenn Euch das Bildchen gefallen sollte so könnt Ihr am Ende es auch behalten. NB  : nicht auf immer, komme ich zurück nach Dorpat muß ich meines schon wieder haben. Zeigt es Euren Bekannten die | Kleidung wird sie interessieren, sie hat doch auch Etwas, jedenfalls ist sie nicht so prosaisch wie unsere d. h. die französische. – Schirren, der Arme  ! er muß sehr krank sein, Er ist mir erschienen im Traum in einem ganz weißen Talar – ich weinte vor Freude daß ich ihn sah und erwachte  ; weinte wachend fort aber nur weil mich der Traum getäuscht. Tante will schreiben ist aber in Verlegenheit was auf Eure Briefe antworten, sie äußerte sich unzufrieden über Eure zu große und wiederholte Dankbarkeit. Ich rieth ihr da mein Brief dick wird es sein zu lassen. – Meine Gedanken springen von einem Gegenstand zum andern. Eben habe ich meine Pinsel gewaschen und da fiel mir ein daß heute der Silvester Abend sey – morgen also Neujahr. Beinahe hätte ichs vergessen. – Vielleicht grade in diesem Moment wo mir’s einfällt gießt Ihr Glück um die Zukunft in die Gegenwart zu zaubern. An der gleichen Sachen habe ich in Deutschland nicht gedacht – und ich finde es doch so hübsch. – Ich schreibe noch an Fanny einige Zeilen und da habe ich dann Gelegenheit das neue Jahr zu erwarten. Später bald ist die Uhr 12 und ich begrüße Euch mit den innigsten reichsten Wünschen für das neue Jahr welches ein bewegtes zu werden droht. Gott bewahre uns für Unglücksfälle besonders schütze er Euch vor Krankheit auf das wir

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noch lang das unschätzbare Glück Euch zu besitzen genießen  ! Mir ist wunderlich zu Muthe geworden, ordentlich änglich so daß ich nicht wage aufzustehen von meinem Sitze am Ofen um zu Bette zu gehen. Der Silvester Abend um 12 Uhr hat etwas geisterhaftes in der Idee und so bereue ich fast aufgeblieben zu sein. Das Erkundigungen Einziehen hat meinen Brief älter werden lassen als mein Wunsch gewesen. – Onkel und die Tante grüßen auch recht herzlich, auch die Kleine. Neujahr 12 Januar Heute habe ich noch gar nicht daran gedacht das Ihr ein Fest feiert als jetzt wo ich den Brief siegeln will.  – Herr Director Hauser hat nicht geschrieben, bringte [sic] Unwohlsein vor. Es ärgert mich denn sonst hätte ich an Carus geschrieben. Die Statuten nebst Grüßen folgen aber. Die Nacht ist mir wachend vergangen, ich wurde von Zahnschmerzen gepeinigt welche bis zu diesem Augenblick mich noch nicht verließen, ach und das ist so schwer dann zu arbeiten wenn durch so etwas man gestört wird. Der Onkel sitzt und als ich am ungeduldigsten ward trat unser Freund ins Atelier, welcher  ? Rugendas, der gekommen um einiges Material sich nach Augsburg hinüber zu bringen. Ich brachte ihm Deine Grüße und Dank für das Portrait was er sehr freundlich aufnahm und mir herzliche Gegengrüße auftrug. – Der Spectakel der entstand bei seinem Hineintreten war großartig. – Tante hat nicht geschrieben, was mir lieb ist da der Brief dicker als dick wird. Grüße an alle Menschen in Dorpat. Namentlich den Geschwistern wozu Schwarz gehört, Hartmann, Dumbergs, Minna Sturm, Kircheisens, Carussens etc. Vor allem seit aber Ihr meine theuren Aeltern gegrüßt und umarmt von Eurer Tochter Julie Um viele Nachrichten bittet sehr sehr Julie. An Wachters Grüße  ! Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 14.1.1849 d  : 14 Januar 49.

Meine theuren vielgeliebten Aeltern  ! Wahrhaft melancholisch gestimmt fühle ich mich heute, das Wetter ist, wie ich glaube einzige Ursache davon. Der Wind heult jammervoll draußen und das kann ich nicht vertragen. Es ist mir immer als müßte ich mit ihm weinen und jammern. In solchen Augenblicken wendet man gern sich zu Personen die man lieb hat, und grade diejenigen, welche am liebsten und am nächsten dem Herzen sind haben den Vorzug daß man mit traurigem Gemüthe sich zu ihnen wendet ihnen klagt und Theilnahme verlangt  ; während umgekehrt in fremder gleich gültiger Gesellschaft man niemals anders als froh und heiter ist  ; darum müsst Ihr Euch nicht wundern wenn ich manches Mal Euch erzähle daß ich traurig bin und oft nicht weiß warum. –

284 | Die Briefe Meine Cither, welche mir Zerstreuung sein sollte ist auch ganz arg verstimmt – Das Wetter, das nasse pladerige hat wohl Einfluss und ich kann sie noch nicht selbst stimmen sonst geht es schon mit meinen Übungen, wenigstens hat sich eine dicke Haut an meinen Fingerspitzen gebildet, was ich einen großen Fortschritt nennen möchte wodurch ich nicht mehr wie anfänglich Schmerzen habe. – Ich setzte mich um Euch zu erzählen von mir und meiner nächsten Umgebung und zuletzt finde ich daß sich’s immer und immer um einen Punkt dreht. – Tante hat immer starken Katarr, Onkel ist gesund obgleich er hat bis heute sitzen müßen. Der Kopf ist fertig und Bernhardt hat mir viel Freundliches darüber gesagt, unter andern daß ich noch nie einen Kopf so delikat gemalt wie diesen – mich freute es sehr. Rugendas beredete mich gestern das Porträt in den Kunstverein zu thun, und hat wiederholt ihn sehr, recht sehr gut genannt. Was mich entzückte von R. war daß er gestern mich bat ihm von seinen Studienköpfen einige zu copieren bei günstiger Gelegenheit da er nicht zurecht käme. Es liegt ein großes Vertrauen in dieser Bitte und zugleich giebt er mir Gelegenheit die vielfachen Beweise seiner Freundlichkeit zu erwidern. Baroneß Barellin (genannt Große im Attelier) fängt wieder an bei Bernhardt zu malen, da, wie ich Euch schon sagte aus der Heirath mit dem Baron Speck von Sternburg nichts wurde. Sie hatte 4 Jahre bei B. gemalt aber nie Studien gemacht d. h. Körperstudien. Jetzt will sie das Versäumte nachholen und ich lache mir ins Fäustchen, die Mädchen werden mit einem Mal vernünftig. Da rum werden wir wol mit einander Modelle halten und es wird gewiß recht lustig sein. Die Große | obgleich strenge Aristokratin, und wir beiden Kleinen haben einander recht lieb. Rugendas hat mir wieder versprochen zu sitzen, wenn er aus Augsburg hinüber zieht, in der Brasilianischen Tracht. Es freut mich sehr nur fürcht ich er wird nicht Geduld genug haben indessen drei flotte Mädchen werden ihn am Ende doch zu fesseln wissen. d  : 15 Januar 49 Es ist nicht mehr früh wenigstens liege ich sonst gewöhnlich um diese Zeit schon in den Federn  ; allein ich muß Euch nur noch mittheilen was mir heute so unbeschreibliche Freude gemacht. Zwar sagt man daß das eigne Lob sehr bös riecht allein ich erzähle nur was man mir gesagt und Ihr müßt’s nicht fremden Leuten mittheilen damit sie nicht Ursach finden zu spotten, ich weiß sie thun’s gern. Heute nämlich hatte ich viel Besuch die kamen um das Porträt vom Onkel zu sehen – Fast alle Schüler im Athelier kamen welche erzählten daß Bernhardt gesagt habe, er wäre frapirt gewesen über den Kopf und ich würde es noch sehr weit bringen. Dann kam die Mutter der Barellie, und verlangt augenblicklich den Onkel zu sehen, – ich fragte sie ob sie ihn etwa kenne  ? »nein  ! sagte sie. Rugendas hat mir gestern Abend von dem Bilde erzählt und es sehr schön gemalt und getroffen gefunden«. Nach dieser führte Bernhardt zwei Männer zu mir, adelige, welche mich fragten ob ich nichts ausstellen würde etc. und

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so ging es den ganzen Tag fort – Ihr könnt nicht glauben, wie ich froh und heiter bin, das Wetter ist nun auch wieder besser und nun, noch bleibt mir, um ganz, ganz glücklich zu sein ein Wunsch übrig, daß Ihr hier wäret und schauen dürftet was ich thue und treibe – Aber es ist ein unbescheidener Wunsch. – d  : Sonntag {21. Januar} Nicht aus München sondern aus einem dem Gebirg näher gerückten Orte, Altötting schreibe ich heute. Meine Kleine hat mich hier her mit genommen da sie eine Cousine verheirathet. Morgen ist die Hochzeit, die Trauung um 6 Uhr in der Früh – Hässliche Sitte  ! München d  : 27 Januar 49. Sehr starkes Nasbluten verhinderte mich in Altötting weiter zu schreiben später die Hochzeit und endlich Unwohlsein. Jetzt bin ich wieder in München jetzt eben in meinem lieben, lieben Attelier, habe das Bildchen von und für Rugendas copiert und benutze nun da ich soeben fertig geworden | den Nachtisch dazu Euch zu schreiben. Nirgend ist es so heimlich, still und ruhig als hier um ungestört an die Seinen zu denken. – Ich erzähle Euch also von dem kleinen Intermetzo in Altötting – Heute vor 8 Tagen reisten wir in einem Eilwagen hinunter, die Nacht zuvor hatte ich ein starkes Fieber gehabt welches mich in der That sehr ängstlich machte  – ich sagte es also der Tante aus Vorsicht damit im schlimmsten Fall niemand die Schuld zu tragen hätte. – Das Fieber wiederholte sich am Abend sehr heftig. Mir war es ärgerlich zu sehen wie alles im Hause der Braut freudig bewegt war und ich ließ das Gesicht lang werden trotz aller Mühe den rasenden Frost zu verbergen. Am Sontag wo ich begann Euch zu schreiben war mir erträglich nur Magenschmerzen  ; Schneiden etc.  – am Montage geputzt um 6 Uhr schon mit der Braut in die Kirche, die Kleine und meine Wenigkeit waren Brautschwestern und folgten ihr unmittelbar auf dem Fuß  ; denn hier geht die ganze geladene Gesellschaft in Reih und Glied von Paar zu Paar zu Fuß in der Kirche. Die Traufeierlichkeit war höchst langweilig, manche höchst zopfige Ceremonien machten mich herzlich lachen – Nachdem die Trauung darauf die Messe vorüber war ging man in ein Kaffeehaus um uns zu stärken worauf zwei mächtig große Omnibuße vor fuhren welche uns brachten nach Winhöring ein sehr schön gelegenes Schloß eine gute Stunde weit von Altötting entfernt. Daselbst war eine prächtige Tafel gedeckt und die schönsten Speisen aufgetragen. Ich natürlich mußte mich sehr inacht nehmen da mein Magen sehr anfing zu schwellen und zu schmerzen. Meine Hauptspeise war Kamillenthee. Gegen Abend nach Sonnenuntergang, nachdem wir spazieren gegangen und uns das köstliche Ungergehen der Sonne und der himmlischen Kette von Gebirgen ergötzt fuhren wir wieder nach Altötting und waren recht lustig den Abend noch  ; – allein die Nacht ging es mir erbärmlich schlecht ich bekam nämlich einen Anfall Cholera in ungeheurer Heftigkeit daß ich den andern Tag ganz zu Bette liegen mußte und Medicin schlucken. Ich hatte Fieber und sollte schwitzen. Kurz es ging mir recht schlecht. Meine liebe Kleine und

286 | Die Briefe ihr guter Vater haben mich recht liebevoll gepflegt, der Alte laß mir vor, erzählte Dies und Jenes, kurz so freundlich als sey ich seine Tochter. So, nun wäre ich am Ende, und ich bin wieder hier doch immer noch nicht ganz wohl. Wenn ich erst wieder recht arbeite dann wird alles gehen. Montag soll ich auf einen Ball, trotz allem Widerstreben. Es soll eine maskierte Gesellschaft sein, ich kümmere mich nicht darum umso mehr aber läuft die gute Tante um für mich das Nöthige zu besorgen. Bei solchen Gelegenheiten merke ich, daß ich älter, ernster geworden bin. Der Gedanke an einen Ball ist mir ein verdrißlicher. Was ich anziehe, und ob alles in Stand und Ordnung ist das weiß ich niemals und kümmere mich auch nicht einmal darum, was ordentlich schonungslos gegen die Tante ist. Früher in Dorpat | habe ich 14 Nächte vor einem Mussenball nicht schlafen können das war doch recht schön. In München mag das Flegma wol hauptsächlich daher rühren da ich keine bekannten Herren vorfinde mit denen ich gerne tanze und spreche. – Man ist in diesem Jahre sehr tanzlustig hier, allenthalben Bälle und sehr prunkvolle. Rugendas hat mir ein munteres Briefchen geschrieben in welchem er mich auffordert nach Augsburg zu kommen und zu malen, er trägt mir einen Gruß an Dich Vater auf. – d  : 1 Februar 49 Gestern, Vorgestern und alle Tage wollte ich schreiben allein ich hielt an mir um nicht in aufgeregter Stimmung, wie immer mir passiert mehr zu sagen, als nöthig. Ich hätte viel Euch zu sagen, schreiben läßt sich’s weniger gut. Doch laßt Euch erzählen so gut ich kann. Heute bin ich nicht mehr aufgeregt, die gewöhnliche und natürliche Folge ist eingetreten, ich bin nämlich völlig abgespannt, gähne fortwährend und bin mir selbst zuwider, – dabei ärgern mich eine Maaße Pinsel welche auf das Säubern warten, – – Am 29 Januar also war der Ball von dem ich schon im vorübergehen sprach. Das junge Volk, das tanzlustige mußte maskirt erscheinen, daher auch für mich nach meiner eigenen Angabe ein Anzug gemacht worden und ich gestehe selbst das ich äußerst nobel aussah – Es war eine bloße Fantasie Maske allein dem ungeachtet werde ich Euch etwas Weniges von derselben beschreiben. – Auf dem Kopfe hatte ich ein rothes (Lackroth) Baret mit einer sehr schönen weißen Feder, und Dein briliant Ring als Agraffe glänzte ganz famos  ; dann ein Rock von weißem schwerem Moare, eine Tallie ebenfalls weiß und darüber ein rothes loses Mieder, vom selben Seidensammet als das Baret, welches aber um eine Hand breit kürzer war als die weiße Tallie damit diese noch hervorsah trotz der schweren Escherpe welche um den Leib geschlungen von der einen Seite herab hing. Natürlich war alles noch mit weißen Perlen verziert, kurz und gut ich sah sehr anständig und vielleicht reich dabei aber auch malerisch aus. Als wir in den Saal traten hörte ich aus zwei Mäulern die Worte  : »Sehr hübsch, malerisch costümiert  !« – und ich war albern genug das auf mich zu beziehen – Es fanden auch gleich sich junge Maler ein welche | mich en-

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gagirten – Die Gesellschaft war eine kleine, etwa von 40 Paaren, allein eine allerliebst gewählte und ganz wunderbare Masken darunter unter andern engagirte mich ein Mann von etwa 30 Jahren, welcher die deutsche Flotte vorstellte, – Ich war sehr fröhlich gestimmt, sprach ungewöhnlich viel – und als der Tanz aus war bat er abermals um einen zweiten dann um die Erlaubniß beim Souppée neben mir sitzen zu dürfen. Wir sprachen viel mit einander und nicht das gewöhnlich langweilige Ballgespräch sondern führten bei Tisch ein ordentlich pfilosophisches Gespräch, das durch Schönheit Natur und Kunst hervor gerufen wurde. Er ist Doctor der Medicin, Oestreicher und heißt Pengg265 hat viel reißen gemacht ist in allen großen Städten Deutschlands gewesen in Italien Frankreich um alle Hospithäler kennen zu lernen und hält sich nun schon längere Zeit in München auf – Er ist ernst, sehr ernst. (Ich weiß in der That nicht wie ich Euch das ganze Gespräch mittheilen soll d. h. in kurzen Worten da ich sonst lange weite Bogen nöthig hätte) Er fand, um kurz zu sein daß ich zu ernst die Kunst, als Frau betreibe daß ich auf die Weise vergessen müßte daß ich einen anderen Beruf ein anderes Ziel für’s Leben zu erreichen hätte etc. ich leugnete nicht daß ich für die Kunst leben und sterben wollen u. s. w. Es ging so fort, er bot alles auf, seine ganze Beredungskraft um mich von meiner fixen, überspannten Idee, wie er sie nannte abzubringen – und führte mir mehrere Beispiele vor wo Mädchen unglücklich sich gefühlt ohne einen Mann zur Seite – Er sprach ganz merkwürdig ernst und verständig daß ich durchaus nicht mich fürchtete offen und klar meine Meinung ihm dagegen zu sagen – kurz ich merkte zuletzt daß er für sich sprach. So ging es den ganzen Abend bis 4 Uhr fort in den zwischen Pausen erneuerte er immer wieder das alte Thema und ich war erstaunt als ich zu hause nachdachte was alles besprochen worden. Die Tante hatte er gebeten uns besuchen zu dürfen was ihm gestattet wurde, und wir schieden als Freunde. Gestern Nachtisch hörte ich im Attelier nach mir fragen und war wer der Gast  ?  – mein neuer Freund. Ich hatte zufällig kein Modell, sondern malte an | dem Hintergrund der Appenzellerin und ungeniert konnte daher das bewusste Thema erneuert werden. Mir war nicht schön zu Muthe nein wahrlich nicht  ! – Ihr könnt nicht glauben mit welchem Ernst er bat meine Gesinnungen zu ändern, ich würde sonst sehr unglücklich werden. Er hätte, wie er sagte oft schon heirathen können und die Zeit wäre auch schon längst da  ; allein immer fand er nicht was er suchte und jetzt wo 265 In der Fremdenanzeige des Bayerischen Landboten, Nr. 194, 13.7.1847, S. 797, erscheint ein »Dr. Pengg» unter den Angereisten. Im Münchner Tageblatt, 21. Jg., Nr. 208, 29.7.1847, S. 955, werden der Aufenthalt und die Einrichtung einer Praxis des Magisters der Zahnheilkunde Vincenz Pengg in der Theatiner-Schwabingerstraße 46 angezeigt. Vermutlich ist jener Pengg, den Julie Hagen auf dem Ball kennenlernte mit diesem identisch. Die Unternehmerfamilie Pengg ist heute noch in Thörl ansässig. Genaueres über den Zahnarzt Vincenz Pengg ließ sich in Thörl aber nicht ermitteln.

288 | Die Briefe er das Mädchen, wie er sie sich wünschte gefunden will ihm das Schicksal nicht einmal hold. – Er sieht in mir dummen Person eine Außergewöhnliche des weiblichen Geschlechts. Könnte ich Euch nur alles erzählen was und wie vernünftig wir mit einander schwatzten  ; allein heute bin ich entsetzlich abgespannt. Heute war er hier um der Tante und dem Onkel seinen Besuch zu machen. Er gefällt durch sein grades biederes Wesen sehr. Seht Ihr meine theuren lieben Aeltern solche Stunden kommen um uns schwache Mädchen auf die Probe zu stellen. Ich will wenn es Gottes Wille ist meine Vorsätze, unverheirathet durch das Leben zu wandern treu bleiben. Warum soll ich das Gewiße für das Ungewiße hingeben  ? warum soll ich nicht die mühsam gestreute Saat auch ernten, welche mir meine schönste Jugendzeit in Sorgen und manchen Kummer gleichsam aufzehrte  ?  – Und der Gedanke Euch auf immer zu verlieren, der macht mich immer wieder von neuem stark und kräftig und sehe dann mit klarem Auge daß ich nicht geschaffen zur Hausfrau am wenigsten als Erzieherin kleiner Kinder  – ich habe einen unglaublichen Respect für’s Heirathen. – d  : 4 Feb 49. Wol ist es hohe Zeit ans Schlafengehen zu denken doch ob ich da liege und wache oder ob ich Euch schreibe ist beinahe einerlei und weiß ich ja doch daß Ihr mir Dank wißt wenn ich meine Gedanken Euch mittheile. – Beinahe 1 ½ Stunde habe ich mit der höchst unpoetischen Beschäftigung des Pinselwaschens verthan sonst hätte ich früher geschrieben, – Euch gedankt für den Brief welcher heute ankam, wie ich erwartete. So voll von Gedanken ist mir Kopf und Herz, – ich weiß nicht ob ich froh, ob traurig ich bin, – aufgeregt gewiß und heute mehr als die Tage seit dem Ball. Euer Brief hat großen Theil daran. Denn ein Maskenzug von Künstlern | arrangirt wo ich und die Kleine Theil nehmen soll mit beim Zuge sein, dann mein neuer Freund, alles wirrt sehr bunt durch ein ander – Ihr seit Gott lob wohl und das ist schön und gut auch ich bin’s – Tante und Onkel ruhen – die Beschreibung des Weihnachtsabends hat mir viele Freude bereitet doch was du lieber Vater, mir erzählst daß in meinem Häufchen Confect ein Doctorhut und ein Kränzchen sich befand da fuhr mir ein Stich durch’s Herz, durch alle Glieder und das Blatt entfiel mir meinen Händen, – soll es denn mehr werden  ? Er ist heute wieder da gewesen und ist sehr liebenswürdig ich muß das gestehen, wollte Gott er wär’s nicht. – Ich will für heute doch schließen – Es wird kalt das Licht brennt dunkel und ich weiß nicht was ich will, was ich soll. Schlaft wohl meine theuren innig geliebten Aeltern und Geschwister. d  : 5 Feb 49 Ein furchtbares Unbehagen fühle ich in mir ich möchte mich gern zanken  ; recht derb mir fehlt nur der Gegner dazu. – Was mich so ungeduldig, unangenehm gemacht weiß ich in der That nicht – so Vieles hat zusammen gewirkt. Im Attelier ist mir nicht wohl geworden vor dem verunglückten Diogenes – das Bild anuirt mich und wird daher schlechter als schlecht. Der Doctor und Magister Pengg hat auch mich besucht. Eure Briefe, der Doctorhut – O, wie einzig

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dumm ist doch alles dies  ! Bin ich albern daß ich mir das Herz beunruhige wo alles sicher und fest gestellt war  ! – ja wahrlich es ist Thorheit von mir  ! – Es kann, es soll nicht sein. – Wie dumm war ich doch der Tante und dem Onkel zu erzählen vom Doctorhut, welcher mir zugefallen. Dieser Zufall setzt der ganzen Sache die Krone auf und sie halten fest am Aberglauben. – Wären nur schon zwei Jahre verstrichen – ich wäre froh  ; dann wird sich hoffentlich entschieden haben was aus mir wird was ich mein Lebenlang treiben soll, ob malen, ob kochen  ? – (Mein Herz ist nicht hier nebenbei gesagt.) Wenn Ihr’s nicht lang schon errathen habt wo  ? dann fragt mich auch nicht für wen und wie es schlägt  ?  – Nur dies noch  : Das Schicksal ist mir neidisch in der Liebe ich habe lernen | müßen schon früh das Herz, das warme vielleicht auch heiß zu nennende mit Härte und Grausamkeit begegnen.266 Die Kunst, die Göttliche hat mir geholfen und wird es für’s ganze Leben – ich werde nicht unter gehn – das zu wissen hatte ich Gelegenheit genug prüfen. – Jetzt da ich offen mit Euch geredet jetzt könnte ich weinen  ; doch da muß ich nun wieder kräftig sein und die Thränen zurück pressen um nicht Tante und Onkel fragen zu machen, was mir fehlt, – so geht es in der Welt – immer spricht man von der Zukunft sorgt mit einer wirklichen Seelenangst für die selbe und die Zukunft kommt doch nie. Ich will aber dieses Thema fallen lassen um Euch nicht hinten nach wo ich schon hundert mal wieder kindisch und froh gewesen – noch zu betrüben. Das Glück liegt ja am Ende doch nur in der Einbildung, will man es sein, muß die Zufriedenheit in dem Busen wohnen. – Die Kleine thäte es gewiß gern und malte mich was wir sogar schon mit einander ausgemacht  ; allein ich spreche jetzt aus was ich oft schon gedacht  : sie trifft nicht immer und ist in der Farbe nicht stark genug – ich male mich selbst unter Bernhardt’s Leitung und es kommt mit den übrigen Bildern – was freilich auch lang dauern wird da noch immer hier und da was zu machen giebt und von einer auf die andere Woche aufgeschoben wird. – Außerdem ist’s mir unangenehm dem Schirren versprochen zu haben die Kiste an ihn zu adressieren damit er die Studien sieht und sodann Euch sendet. – Er hat mir noch nicht geschrieben der arme, arme Freund  !  ! – Gern möchte ich mein Leben hingeben wenn dadurch das schöne große Talent erhalten werden könnte. Sollte jemand von Euch schreiben, etwa Schwarz dann vergesst nicht ihn herzinnig von mir zu grüßen. Ich sehe ihn gewiß nie wieder  ! – | Auch bei uns ist das Wetter unbeständig – heute 12 und 15 Grad Kälte, morgen mehrere Grad Wärme so wechselt, in starkem Contrast Kälte und Wärme und macht die Leute krank. – Heute wäre ich aufgelegt viel zu schreiben und dennoch 266 Dies ist eine Anspielung auf die unglückliche Verbindung zu dem Rigaer Otto Müller und vielleicht auch auf die tiefe Zuneigung, die sie für ihren angehenden Schwager Ludwig Schwarz empfand.

290 | Die Briefe will ich besser schweigen da ich wie Ihr aus dem Vorhergehenden sehen werdet nicht ruhig bin und will man Briefe in so weite Ferne schicken dann muß man suchen immer bei ruhigem Gemüthe zu erzählen das werden die besten Briefe. – d  : 6 Februar 49. Meine gestrige Stimmung war am Ende nöthig um heute wieder klar und offen zu sehen, zu denken – Ich bin heute wieder ruhig, bin in meine alten Gleise zurück getreten, und so hoffe ich, daß auch Ihr Euch nicht beunruhigen laßt. – Noch ein Gefühl, ein köstliches macht mich ungemein stolz daß ich nämlich jetzt kein einziges Geheimniß vor Euch zu verbergen habe was ist das schön  ! – Im Attelier giebt es mancherlei zu thun  ; hier und da zu flicken, zu retuschieren zu schaben und zu kratzen – der ganze Tag fort und fort wird im angestrengtesten Arbeiten verthan und dennoch ist mir immer am Abend als hätte ich nichts Rechtes gethan obgleich ich bis weilen sehr abgespannt mich fühle. Ein großes Bild wie die Klio etwa beschäftigt den Geist wol ganz und gar und man fühlt dann eine Leere am gewöhnlichen Porträt. Der Mann, der anfängliche Diogenes jetzt gewöhnliche Alltagsmensch hat heute zum letzten Mal für lange Zeit gesessen – retuschiren muß ich ihn noch. Dieser Kopf ist mir merkwürdig schwer geworden – beinah tausend Mal schwerer als das feinste jugendlichste Mädchengesichtchen – ich kann selbst mir das nicht erklären. Für Freund Rugendas habe ich einige Tage gemalt und so vergeht die Zeit man weiß selbst nicht wie – Die Tage sind merklich heller was unerhört mich freut. – Ich male mich also selbst denn ich wage es auszusprechen daß ich mich besser treffen werde als die liebe herzige Kleine – wir haben uns ungemein gern | sie ist so gescheut, wie ich gern sein möchte. Dieses Mädchen ist auch wieder eine von denen wo ich nicht begreifen kann daß sie mich liebt indem ich weit in geistiger Beziehung unter ihr stehe – schade nur daß sie fort geht in wenigen Monaten. Den 14. ist der große Maskenzug wozu wir sie mit nehmen. Die Sage des Kaiser Barbarossa wird verwirklicht. Ich sah einen Theil der Züge welche mich entzückten – Wenn der Zug und Ball gewesen beschreibe ich ihn ausführlich dies Mal nur so viel  : daß wir beide zwei Landmädchen aus Krain machen wir suchten selbst uns diese Rolle heraus die Tracht ist sehr einfach aber nett. – Tante und Onkel geben viel Geld für mich aus – sie thun es freundlich und liebevoll. – Carus ist, wie es scheint nicht sehr erbaut von den Statuten des Conservatoriums {ich} will nicht hingehen zu Hauser und ihm sagen daß er seinem Freunde schreiben soll  ; oder ich mache es kürzer und schreibe ich solches durch die Stadtpost, – Grüße der Familie Carus. – Das Bildchen von Rugendas bitte ich nicht zurück zu schicken allenfalls dasjenige welches Euch weniger gefällt – Ich kann hier leicht eines wieder haben und besitze sogar eine kleine flüchtige Handzeichnung von ihm, sein Profil welches er vor meiner Staffelei zeichnete. Es ist freilich Karikatur allein sehr ähnlich  ; in Folge eines Scherzes ist dasselbe entstanden, – Es freute mich zu lesen daß Du

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nicht meine enthusiastischen Mittheilungen über diesen großen Mann mit Floskeln umhängen magst – Es ist ja nichts auf der Welt so schön als für Menschen zu schwärmen ohne gleich das Herz zu verlieren. Es ist das reine göttliche Gefühl das nur eine geadelte Seele empfinden wird. – Dem Bruder Wilhelm will ich bald schreiben – seine Anklage hat mich sehr erröthen gemacht. – Wenn ich nur nicht so vielen Personen zu schreiben hätte – aber meine Corespondenz ist in der That recht groß und wird immer | weiter und weiter ausgedehnt. – Vor einiger Zeit lernte ich den bekannten und auch recht berühmten Compositör Küken267 kennen – nach dessen Bekanntschaft ich mich ordentlich sehnte. Die Kleine führte ihn mir im Attelier zu. Ich bedaure ihn gesehen und gesprochen zu haben  : Der Heiligenschein ist gewichen – Ich gebe zu daß bei genauerer Bekanntschaft die Glorie, in die man gewöhnlich große Talente hüllt sich wieder findet denn er soll recht gescheut sein. Du gute Mutter feierst bald Deinen Geburtstag – der Brief kommt vielleicht um die Tage oder ein Paar Tage später an. – Nimm freundlich meine einfachen aber innigsten herzlichsten Glückwünsche für das Wohl auf ich werde für Dich beten daß der liebe Vater im Himmel Dich gesund erhält und frohe heitere Tage als Lohn bescheert für die vielen bitteren heißen Jahre welche in Sorgen und Noth um Deine große Schaar Kinder vergangen. Mein Geist wird unablässig an dem Tage bei Dir sein  ; möchte er sich noch viele, viele Mal gesund und froh wiederholen  ! wie gern möchte ich ein kleines Angebinde als Zeichen meiner kindlichen Liebe Dir schicken  ; allein Du weißt wol wie schwer es ist.  – Tante Cecilie hat mich gestern im Attelier aufgesucht und sendet auch viele tausend Grüße Euch allen – sie sind beide wohl und leben in alter Weise fort. Die guten Tanten  !  ! – d  : 7 Februar 49. Die Mittagstunde ist bereits da, mein Theetöpfchen ist erst jetzt in den Ofen gestellt und ich muß warten obgleich der Hunger mich plagt. – Die Frau des Hauser hat mich aufgehalten welche kam meine Arbeiten zu sehen. Mir war der Besuch erwünscht konnte ich ihr sogleich sagen was mir von Carus aufgetragen war. Sie antwortete aber entschieden daß ihr Mann nicht schreiben würde indem er viel zu thun hätte und er außerdem seinen Freund durchaus nicht bereden könne seine Tochter herzu schicken, derselbe aber über|zeugt sein dürfe daß alle Sorgfalt ihr während ihres Aufenthalts hier von seiner Seite zu Theil werde.

267 Friedrich Wilhelm Kücken (1810–1882) war ein Musiker und Komponist aus Bleckede. Er erhielt ersten Musikunterricht von seinem Vater, der Scharfrichter war. Später ging er zur Ausbildung nach Berlin. Nach mehreren Reisen war er vor allem in Stuttgart und in Schwerin tätig.

292 | Die Briefe Heute wurde mir ein gar niedlich Gedicht gebracht, welches man gestern in einer der vielen Blätter gelesen und herausgerissen um es mir zu bringen da die Überschrift lautet  : An Julie H.. . Bin ich wirklich die Besungene so ist kein anderer als der Doctor der Verfasser und ich möchte es selbst fast glauben da es ganz in seinem Sinn geschrieben. Eine große Lächerlichkeit  !  ! – Tante und Onkel wie meine Kleine grüßen recht herzlich. – – Nach Amerika wandern im nächsten Frühling eine große Maaße Menschen von hier aus aber meist reiche Leute. Könnte ich etwas zur Ausführung Deines sehnlichsten Wunsches beitragen ich thäte es gern. Ich kann aber nur leider seufzen nicht helfen. – später. Der Doctor war wieder da, es ist schrecklich  ! Ich habe ihn aufgefordert mir zu sitzen, damit er Gelegenheit hat mich kennen zu lernen und dadurch einsehen wird und soll wie er sich in mir getäuscht, daß ich durchaus nicht die geistigen Vorzüge besitze, welche er zu erkennen glaubt. – Die Probe des Maskenzuges ist angesagt es beschäftigt alle Gemüther Münchens,  – die Gesichte wird großartig – Zur zweiten Aufführung welche am Fastnachtssonnabend statt haben wird sind jetzt schon ungemein viel Billets vertheilt, man reißt sich um dieselben. Die Regierung weiß den Künstlern Dank daß sie die Leute durch so etwas abziehen von den politischen Verhältnißen. – Ich weiß nicht mehr was Euch erzählen, aller Stoff ist ausgegangen  – ich schließe daher und Ihr bekommt ein paar Tage den Brief früher als sonst. Wie immer an alle Menschen in Dorpat Grüße, Küsse Euch den Geschwistern, wozu Schwarz gehört und den Freundinnen Wachters Minna Sturm Marga. Hartmann, Otto Dumberg Gruß und Händedruck. Lebt also wohl und zweifelt nicht an meiner Vernunft betreff des Doctor’s – Ich bin ja mit mir fertig, ganz im Reinen und das macht mich froh, recht heiter. Lebt wohl theure Aeltern und Geschwister Eure Julie Hagen Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 14.2.1849 d  : 14ten Februar 1849

Meine theuren Aeltern  ! Wunderbar ist’s daß ich heute zum Briefschreiben komme, da heute der große Tag, das Künstlerfest, der großartige Zug ist – Ich bin so fertig mit meiner Tracht geworden daß ich heute auch nicht einen Stich mehr zu nähen habe, dafür ist aber die ganze Woche vergangen und das Attelier hat mich kaum eine Stunde gehabt. Die Nächte sind alle halbwachend vergangen und der heutige Tag will kein Ende nehmen ohne Beschäftigung. Den Morgen schon schrieb ich zwei Briefe und den Euren fange ich also an. – Heute um 5 Uhr mußten sich alle Theilnehmer des Zuges im Odeon versammeln wo selbst sie geordnet um 7 Uhr den Zug in

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Bewegung zu setzen [sic]. Des schlechten Wetters wegen kann er sich nicht durch die Arkaden und durch die Residenz bewegen wie anfänglich beabsichtigt war, sondern gleich in den ungeheuren Saal. Es wird zum Erdrücken voll werden und trotz dem hofft man viel Heiterkeit und Freude zu finden, aus dem Tanzen wird nichts werden können. – Ein unendlicher Prunk an Kleidern wird sich gewiß entwickeln nun das erzähle ich dann später – Am Montage wird der selbe Zug sich wiederholen und dann hat die Karnevalls Freude ein Ende. Mir ist’s recht. Doctor Pengg ist heute Abend auch da. – Dieser gute Mensch besucht uns häufig und statt sich zu bessern, bei genauerer Bekanntschaft einzusehen daß er sich in mir getäuscht scheint es ärger zu werden mir ist sehr unwohl dabei zu Muth. Er findet in meinem Auge viel Geist und schwärmt von großer Herzensgüte etc. und ich kann dann nichts weiter ihm sagen als  : daß meine Augen ihn zu betrügen streben daß ich aber aufrichtig ihn warne. Ja was ist zu thun  ? Ihn gehen lassen, er sieht’s schon einmal ein. Sein gleichbleibender Ernst flößt mir hohe Achtung ein und deshalb kann ich nicht auf ungezogene Art ihm entgegen kommen, wie ich’s in Dresden that. Sehr neugierig bin ich was Ihr sagt was Ihr denkt über diese Sache. In diesen Tagen bekommt Ihr meinen confusen Brief, er wird Euch vielleicht betrüben und das wäre mir leid. Morgen meine theure | Mutter ist Dein Geburtstag ich werde nicht im Attelier sein und bin dann ganz bei Dir, hätte ich nur Schwingen, ich wäre bei Dir und ganz glücklich wollten wir sein – Mein Anzug ist allerliebst geworden aber wir hatten auch eine rasende Noth mit derselben, immer und immer mußte getrennt werden da man es den Künstlern nicht recht machen konnte und daher hat dann mancher Gulden unnütz springen müßen. Drei Kopftücher, eine Art Schleier allein sind verworfen wovon jedes zwei Gulden gekostet. Tante und Onkel sind bewunderungswürdig gütig und aufopfernd. Die Kleine und noch ein Dame gehen mit. d  : 17 Feb. 49. Schon lange hätte ich schreiben sollen hätte auch viel zu sagen zu erzählen, aber ich fürchtete mich eben darum anzufangen da ich nicht wusste wie das deutlich schreiben  ? – und dann auch war ich sehr müde, gestern sogar unwohl und endlich heute verdrießlich. Der Karnevall läßt nicht recht zur Ruhe kommen, was das Arbeiten betrifft bin ich so ganz aus meinem Gleis getreten. Aus lauter Verzweiflung fing ich mich heute an zu skitziren und mich groß zu malen. Bernhardt ist noch nicht bei mir gewesen ich warte auf ihn, will sehen was er dazu meint. – Montag ist der große Maskenzug abermals und dann wird beschlossen für das Jahr, ich sage  : »Gott lob  !« – Den ersten Ball so schön er auch war, verwünsche ich jetzt er droht mir viel Unannehmlichkeiten zu bringen. Es werden sich Geschichten entspinnen welche ich mehr als den Todt meide und fürchte. – d  : 20ten Feb. 49 Vorgestern habe ich nicht fortgeschrieben, ich glaube man störte mich darin, damals war ich üblen Humor’s heute bin aber ich’s aber noch

294 | Die Briefe und dabei traurig. Alles was ich voraus sah ist nun schon eingetroffen, ganz dieselben Geschichten, wie mit meinem lieben braven Vetter Aloys wiederholen sich mit dem guten Doctor. Ich begreife die Münchner nicht ich weiß nicht wie man ohne Grund, ohne Ursache einen Menschen verdammen kann. Der gute Doctor hat die Gunst bei den Verwandten verloren trotz seines gleichbleibenden Ernstes – ich glaube er ist zu oft ins Haus gekommen und das können die Münchner nun einmal nicht vertragen. – Gestern wiederholte sich der Maskenball den ich noch immer | nicht beschrieben habe und ich mußte sehen wie der arme Mensch gemieden wurde  ; mit eisiger Kälte sprach man nur mit ihm. Ich um allen Schein zu meiden ließ mich nicht einmal zum Tanz engagiren. Seine Unruhe konnte man ihm ansehen. Bei Gelegenheit, versprach ich ihm in diesen Tagen zu schreiben da ich ihm nicht das Benehmen was ihm auffiel erklären konnte. – Ich werde es auch thun und ihn bitten niemals mehr zu uns zu kommen überhaupt soll gewiß kein Mensch meinetwegen zu uns kommen ich habe noch nie Jemand zu mir gebeten und will es auch nicht thun, – Ich bin nur froh daß ich bei dieser Gesichte durchaus mir keinen Vorwurf zu machen habe – im Gegentheil was ich am ersten Abend gesagt dabei bin ich geblieben – ich bin mir immer gleich geblieben und das tröstet mich. Aber so geht es mir ich darf mich keines besseren Umgangs freuen so ist schon wieder das neidische Schicksal da um ihn mir wieder unzart zu rauben. Ich will mich still ergeben und denken  : In München bleibe ich nicht immer dieser Krawinkel ist mir wirklich verhasst. Und diese Bälle  ! was haben sie mir gebracht  ? Für den Augenblick geringes Vergnügen allein für die Zukunft Kummer und Bitterkeit. Wäre ich doch nur nicht eingegangen in die Wünsche der Verwandten, wäre ich nur treu geblieben meinem Vorsatz keinen Ball zu besuchen, alle die Unannehmlichkeiten hätten nicht statt gefunden und wir alle wären zufrieden und ruhig. Die ganze Sache macht mich wirklich recht trübe. – Den Ball beschreibe ich Euch bei besserer Stimmung denn am Ende ist er es werth nicht so im Vorbeigehen erwähnt zu werden. – d  : 22. Feb. – Nachdem ich Vorgestern diese Zeilen nieder geschrieben begann ich dem Doctor zu schreiben, nicht heimlicher Weise sondern ich hatte es der Tante wol weißlich gesagt – Ich hatte nichts andres am Sinn als ihn zu bitten nicht mehr uns zu besuchen da es mir von Nachtheil sein könne und daß er die kühle Begegnung von Seiten Tante und Onkels nur seinen Feinden verdanken könne, welche denen unfreundlich von ihm gesprochen. – | Kaum hatte ich die ersten Zeilen geschrieben verschwand die Tante und plötzlich rief sie mich ins andere Zimmer um mir meine Unvorsichtigkeit zu erklären – ich verstand nicht wie darin ein Fehler lag wenn ich auf eine kurze aber schonende und zarte Weise dem Doctor den Zutritt ins Haus verbot – kurz es gab einen harten Streit und die Tante wußte von vielen Schulden die er hier hätte zu erzählen. Ich dagegen sprach auch derb gegen das Verfahren, das plötzliche Grobsein aus und daß sie

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nicht hätten ihm gleichsam an den Haaren ins Haus ziehen sollen um ihn ebenso schnell wieder hinaus zu werfen. Mehr als 20 Mal machte ich ihr zum Vorwurf und erklärte ihr wie sie sich das wol rechtfertigen würde wenn sie daran gedacht hätte, auf dem Ball sowol wo ich den Mann kennen gelernt, als auch später bei uns mir in meinen Ansichten, in meiner Art zu Denken in betreff des Heirathens, bei zu stehen  ; aber das hat weder sie noch Onkel gethan im Gegentheil es war ein ordentliches Hetzen ein Drängen mich von meiner fixen Idee wie sie alle sagten, abzubringen mich hatte in der That manch unzarte Äußerung in Gegenward des Doctors tief gekränkt. Jetzt haben sie alle Ursache mir Dank zu wissen daß ich nicht in ihren Wünschen eingegangen. Die brillianteste Aussteuer wurde mir versprochen und ich blieb immer mir selbst getreu. – Jetzt empfinde ich Mitleid für diesen Mann und es wäre der Tante und Onkel zu wünschen daß ich mich verliebte ich ihn – ich bin oft durch diesen Fall veranlasst an die Jugendzeit meiner theuren Aeltern zu denken denen es eben so gegangen. Du liebe herzens Mutter hast mir manchmal erzählt daß  : je mehr man über den Russen Böses wusste desto tiefer und inniger schlosst Du den Bösen und von Deiner Familie verachteten Menschen in Dein Herz. – Ich werde den Doctor nicht mehr sehen und wünsche es nicht einmal da es nicht in meinem Plan und Absicht liegt je zu Heirathen. Tante sagte mir als wir sehr häftig über die ganze dumme Sache sprachen oder besser uns zankten sie sähe es für ihre Pflicht an Euch alles zu schreiben, was will sie Euch erzählen  ? – sich von aller Schuld rein waschen, mir kann sie durchaus keinen Vorwurf machen. Das habe ich ihr auch gesagt. – München o, München  ! Das ist mir ein unangenehmer Krawinkel jeder Mensch will daß nach seine Pfeife getanzt werde. Bei uns ist das doch in etwas anders. Da sind die Menschen darauf hingewiesen durch das ausgebildete Familienleben sich zu nehmen wie man ist  ; allein fast ist Liebe oder Haß nur zu finden. | d  : 24 Feb. 49 Geburtstag meines theuren Vaters. Schon früh am Morgen heute sandte ich meinen Glückwunsch Dir zu, ich war auch heute wie immer an solchen Tagen der Feier trüb gestimmt ging beinahe müde, statt gestärkt vom Schlaf, ins Attelier und begann mich zu untermalen. Ich war allein, ich war mir selbst Modell und konnte ungestört meinen Gedanken nach hängen, wie gern hätte ich bei Euch sein mögen, wie so gern mein Blick in Eure Mitte gethan. Ihr werdet jetzt beisammen sitzen Schwarz und Hartmann sind wenigstens bei Euch, es wird gelesen oder musiciert oder sich angenehm unterhalten, ich dagegen bin allein wie immer, mein Citherlehrer ist so eben fort gegangen, welcher mich oft recht langweilt. Als Geburtstagsgeschenk habe ich nichts weiter zu bieten als mich selbst das Bild das ich heute begonnen. Es wird groß, ungefähr das Format von der Magdalena. Mehr als 10 Skitzen habe ich gemalt und die letzte ist in der Wirkung sehr gut und zur vollkommenen Zufriedenheit des Bernhardt. Ich male mich im Attelier mit einem Hütchen von Stroh auf dem Kopfe (Farbabb. 10), einer

296 | Die Briefe Sammetjacke mit Palette und Pinsel in der Hand vor einer Staffelei. Das ganze Attelier ist in Aufruhr dieses Bildes wegen gerathen, die kleine Akademie hat sich in zwei Parteien getheilt. Die eine Partei findet die Idee als Malerin sich zu malen, vollend mit einem Hütchen worauf ein paar Pfauenfedern herabhängen werden (denn diese sollen bezeichnen daß es ein Arbeitshut ist), sehr absurd, ganz unweiblich etc. Diese Partei besteht aus Aristokraten. Bernhardt, die Kleine und ich finden nichts schöner als gerade dieses Kostüm, das ich fast immer trage.  – Bernhardt freut sich ungemein das Bild fertig zu sehen und unseren Gegnern eine Nase zu drehen. Alle Tage hat er sowol als ich von diesen zu hören, – es ist recht spaßhaft zu sehen wie diese sich quälen. Ich habe mich also untermalt bin ähnlich aber etwas melancholisch aussehend. Bernhardt welcher heute corrigirte, sagte daß er keinen Fehler fände nur wäre der Ausdruck nicht so um mich in meinem Charakter zu erkennen. Er sagte mir daß ich ungeheuer schwer sei zu malen. Er müßte nur mich im lebhaften Gespräche ablauschen. – Die Sendung von meinen Arbeiten wird sich vorläufig hinaus | schieben länger als ich gedacht. Das Bild wird mir zu schaffen genug machen – aber ich freue mich sehr und als Bild glaube ich daß es gewiß einigen Werth erhalten wird da es jetzt gilt unseren Gegnern Trotz zu bieten. Niemand von denen soll es früher sehen bevor es nicht fertig ist. – So viel hätte ich zu schreiben und doch wieder nicht  ; ich möchte lieber schweigen. Neulich habe ich viel über den Doctor geschrieben  ; ich war sehr aufgeregt, ärgerlich und bin es zum Theil noch jetzt. Es herrscht eine unangenehme Stimmung zwischen uns aber ich kann dieselbe nicht verbessern  ; denn in solchen Fällen ist es mein Grundsatz mir nichts zu vergeben, ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich werde auch nicht die Hand bieten. – Tante übrigens bietet Alles auf mich freundlich und vertrauungsvoll zu sehen  ; aber ich glaube es kommt noch zu einem kleinen Streit. Der Doctor ist vorgestern hier gewesen ich sah ihn bloß einen Augenblick da ich sehr spät nach Hause kam von der Arbeit. – Tante muß ihm was gesagt haben denn er war sehr kleinlaut. Aber jetzt sey der Name des Doctor’s begraben und vergessen ich heirathe nicht bin glücklich dabei. – Der Frühling ist schon bei uns eingekehrt. Die Erde keimt lustig an allen Ecken  ; schon vor 8 Tagen erblickte ich das erste frische Gras das jetzt schon höher als Fingerlang ist – Ich jauchze beinahe vor Freude laut auf, das wäre kein Wunder denn ich war auf der Straße  ! Die Animone blüht, wenn gleich spärlich. – d  : 25 Feb. Heute habe ich einen Besuch im Attelier versäumt da ich spät hinein ging – Der Sonntag und Kopfweh hielten mich länger zu Hause. Es war der große, liebenswürdige Freund Rugendas. Die Kleine hatte ihn in mein Attelier geführt und das angefangene Bild mein Porträt im Hütchen gezeigt und zu meiner größten Freude hat er mit freudigstem Ausdruck ausgerufen  : »Das ist ja ganz prächtig so«  ! – Mich entzückt das wirklich sehr nachdem schon so viel für und gegen das Arangement gesprochen worden. Was will ich nun mehr  ? Habe ich

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doch zwei der größten, ja vornehmsten Häupter auf meiner Seite welcher Sporn ist mir das – Morgen kommt er noch einmal | ins Attelier um dann wieder nach Augsburg zu gehen.  – Zwar hatte ich gestern erst mir gelobt Euch nicht mehr mit der Angelegenheit des Doctor Pengg zu quälen  ; allein heute fand ich einen Brief an mich im Attelier von ihm. Und später im nach Hause gehen begegnete er mir und begleitete mich ein Stück Weg’s. Er erzählte mir, wie die Tante ihm bei seinem letzten Besuch gesagt daß er nicht mehr mich besuchen möchte indem es mich störte und auch Bernhardten unlieb sey etc. Darauf hätte er nun heute den Bernhardt begegnet und denselben gefragt ob es denn nicht recht sey, daß er mich besucht und wie natürlich ist war eine sehr verwunderte verneinende Antwort erfolgt. Ich habe ihm gesagt daß er mich nicht mehr sehen darf und daß ich beharren werde an meinen Ansichten. Es ist mir gräßlich die Gesichte namentlich da er mich heute gebeten um Eure Adresse. Er soll sie nicht bekommen, was sollt ich denn thun  ? Die verdammten Bälle  ! wäre ich nur nicht hingegangen. Bei der Verwünschung der Bälle fällt mir aber ein daß ich noch nicht beschrieben den Künstlerzug – verzeiht mir, es geschieht aber gewiß nächstens. d  : 27 Feb. 49 Wieder im Attelier nehme ich die wenigen Augenblicke war wo ich ohne Modell mich befinde um Euch meine Geschichte weiter zu erzählen  – Ich wollt ich hätte gar nicht angefangen denn sie macht Euch vielleicht mehr Kummer als sie werth ist  ; allein jetzt laßt Euch dann Schritt für Schritt weiter führen bis endlich das Ende da ist und hoffentlich ist auch das nicht zu fern. Gestern Vortisch also kam der prächtige Künstler und Mensch Rugendas  ; verplauderte vielleicht eine Stunde mit mir und der Kleinen, fragte nach Dir und sagte mir ich möge ihm sagen wenn ich etwas nach Hause schickte dann würde er ein paar Lithographien und Handzeichnungen bei legen an seinen Verehrer – Wir sprachen viel über mein angefangenes Bild was er sehr hübsch fand und die Skitze dazu hätte er mit genommen oder sich von mir ausgebeten wenn ich etwas ähnlicher gewesen als es der Fall ist. Die Stimmung, die Wirkung desselben lobte er wiederholt. Die kleinen Porträts welche ich für ihn copiert waren ihm nicht recht, er bestand darauf daß ich sie fertig machen sollte und nicht als Skitze sie behandeln (NB  : ich habe sie treu copiert,) | mir ist das recht unangenehm. –Nachdem nun Rugendas fort war, wurde leise geklopft und auf meinen Ruf »herein  !« trat der Doctor in die Stube. Ich kann es nicht sagen wie sehr unangenehm mir’s war. Ich machte ihm einen Vorwurf drüber allein er versicherte daß er nicht ruhig sein könne nicht leben könnte ohne mich zu sehen und zu sprechen  ; ja das sagen zwar alle verliebten Menschen und wenn es darauf ankommt sterben sie doch nicht – Er sah bleich aus und sprach in sehr aufgeregten Worten. Ich hatte nur immer zurück zu halten, und blieb streng und beharrlich, bat mir aus mich zu meiden, er hat mir versprochen nicht mehr in mein Attelier zu kommen aber dagegen die Kleine aufzusuchen – ja ist das nicht dasselbe  ? –

298 | Die Briefe d  : 3 März 49. Dieser Monat hat begonnen, der Februar ist bald vergessen und ich hatte nicht zur Feder gegriffen um Euch zu schreiben. Viel ist in der Zeit vorgefallen, freilich Dinge unerfreulicher Art – die mich verstimmt bis in’s tiefste Innere – ich war gestern dergestalt verdrießlich daß ich mich hätte in ganz kleinen Stücken zerschneiden mögen. Nicht will ich Euch alles erzählen nur höchstens in ganz wenig Worten was die Ursache meines Verdrusses gewesen. Die Sachen mit dem Doctor, – sein Brief das Begegnen im Nachhausegehen und daß er Bernhardt gefragt ob es ihm etwa unlieb sey wenn man mich besucht hatte ich der Tante und dem Onkel, des ersten Streites wegen verschwiegen ich hatte mein Möglichstes gethan und glaubte das Ende zu dieser Geschichte gefunden  ; doch ich hatte mich gewaltig getäuscht  : All diese Sachen sind der Tante hintertrieben und von ihrer Seite mir als großes Unrecht vorgehalten. Ich wurde wie natürlich ist rasend häftig und habe mich nicht gescheut ihr manches Vergehen in diesem Punkte vorzuwerfen, grob sogar wurde ich leider gegen sie. Es ist mir leid allein ich kann nicht verstehen wie sie vom Briefe erfahren hat können da keine Seele ihn gesehen außer meine Kleine  ; ich selbst empfing ihn vom Briefträger, entweder bin ich umringt von giftigen Nattern oder meine Briefschublade hat mehr als einen Schlüssel, denn es ist nicht das erste Mal daß mir solch unbegreifliche Sachen vorgekommen, mit Aloys sind hundert dergleichen Sachen vorgekommen. – | Sonntag d  : 4 März 49. Ich möchte schreiben, finde aber in meiner Brieftasche nur dies halbe Blättchen Papier, doch genug um mich zu beschäftigen da das Modell auf sich warten läßt. – Eine kleine Studie auf ein Lappen Leinwand ohne Rahm ich liebe solche Köpfe mehr als einen zu einem Bilde angepaster, ich ziere gern mit solchen krumm und schief zugeschnittenen Leinwandlappen meine Stube aus, und weshalb ich’s thue habe ich mir noch nicht recht gestanden, ich glaube weil es burschikoser aus sieht als ein Bild das am Rahm gehäftet ist.  – Am ersten März ging ich zum Zahnarzt in Begleitung der Tante schon vor 8 am Morgen in der Absicht mir einen Zahn heraus reißen zu lassen, welcher den ganzen Winter mir, mit unter heftige Schmerzen verursacht und ich grade dann nie so recht Zeit hatte mich zu befreien – Jetzt that er nicht weh allein ich hatte Zeit zu einem solchen Geschäft. Der Arzt rieth mir Kloroform zu nehmen, da es einer von den Weisheitszähnen war – Mehr vor diesem Betäubungsmittel als dem Schmerz fürchtete ich mich allein er ließ nicht ab und ich lag also bald bewußtlos im Sessel, hörte aber jedes Wort das der Arzt zur Tante und sich selbst sprach und fühlte die häftigsten Schmerzen schrie auf eine gewaltige Weise, erwachte bald darauf und fand die Tante bleich und zitternd vor mir die Hände ringen. Mein Zahn steckte noch drin. – Also noch einmal Kloroform. Ich nahm es lachend und wollte mich inacht nehmen zu schreien wenigstens wollte ich all meine moralische Kraft selbst im bewusstlosen Zustand beisammen halten

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und wirklich ich und die Anwesenden haben gesehen daß ich Wort hielt – Ich lachte fort bis die Zange an den Zahn fasste dann hörte ich zwar auf zu lachen aber warf mich bloß häftig im Stuhl herum, wankte aber schrie nicht. Es war ein hartes Spiel denn der Zahn hatte nicht allein einen Haken an der Wurzel sondern dieselbe war sogar geschwollen. Der | Arzt sagte daß er leicht hätte mir etwas sprängen können so hatte ich bloß eine große Wunde erhalten welche sehr stark und den ganzen Tag fort blutete und ein geschwollenes Gesicht trug ich, doch ohne mich zu geniren bis jetzt. – Das Attelier von A bis Z hatte mich ausgelacht und erst aufmerksam gemacht daß es ein absonderlich origineller Streich von mir gewesen mir Zähne, welche nicht schmerzten, nur weil ich Zeit hätte reißen ließ. Ja, so weit bringt die Kunst den Menschen. – Mein Gemüt wird sanfter nachdem ich dem Doctor, trotz des Versprechen das ich der Tante gab nicht zu schreiben, doch geschrieben in welchem Briefe ich ihm kurz sagte daß er mich meiden müßte indem er meine Gesinnungen und meine Art zu denken in dem bewussten Punkte kenne und daß dieselben nicht aus selbstgefälliger Überschätzung oder einer mädchenhaften Laune entsprungen sondern reife Überlegung und ernste Lebensverhältnisse hätten sie erzeugt etc. kurz ich denke das Ende ist endlich da, ich bin franc und frei und wünsche nie wieder im Leben einem Mann zu begegnen der sich für mich interessirt und dabei an sich selbst denkt. Ich schwöre noch nicht daß ich nicht heirathen werde allein mehr solche Geschichten könnten mich zum Schwur sogar bringen. Mich als Hausfrau zu denken, o gräßlich widerwärtiger Gedanke  ! Tante bemüht sich mich wieder gut und liebenswürdig zu sehen ich lasse sie gern an mir etwas herum zerren denn in der That in diesem Punkte bin ich entsetzlich leicht zu beleidigen, ich will nun einmal kein gewöhnliches Alltagsgeschöpf sein und das will man trotz meinem vielen Reden nicht glauben. Diese Gesichte hat mich fühlen machen vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben daß ich sehr stolz bin. Tante hat an der ganzen einfältigen Geschichte alle Schuld und sie muß es einsehen obgleich sie sich immer währt allein ich bin ihr wieder gut, die Männer sind nun einmal nicht anders, Liebe oder Haß weiter fühlen sie nichts. Ich wünsche nicht daß nur im geringsten von einer oder der andern Seite ihr ein Vorwurf wird jetzt wird hoffentlich eine Periode der Ruhe und Zufriedenheit eintreten und die Zeit macht alles Böse vergessen, nun aber heißt es aufhören das Papier ist aus. – | Später Die andern haben sich zur Ruhe begeben, ich sollte es auch thun und fühle ich das Blut in aufgeregter Bewegung in den Adern auf und ab steigen, ich kann also nicht schlafen, vielleicht auch nicht schreiben, weil ich nicht denken kann, manchmal wird durch neue unerwarthete Dinge, Mittheilungen das Gedankenvermögen wie mit tausend Bändern fest geschnürt, man kann weder rück noch vorwärts, ich wenigstens bleibe dann fester auf einem Punkte kleben als

300 | Die Briefe gewöhnlich und ähnlich ist mir jetzt zu Muthe – – Stoff genug hat mir die reiche Post heute gebracht allein ich muß mich oben hinaus winden aus diesem Wust und darum glaube ich wird es besser sein wenn ich morgen schreibe, wo ich wiederum Zeit dazu finde. Tante soll mir sitzen, endlich hat sie sich entschlossen dazu aber kann nicht pünktlich um 8 Uhr mir dienen. Heute also nur einen großen Dank für die Briefe. Gute Nacht  ! d  : 5 März 49 Wenn gleich unruhig so habe ich doch viel geschlafen Träume führten mich in die verschiedensten und verworrendsten Lagen und jetzt weiß ich am Ende nicht’s von all dem mehr deutlich nur ist mir gewiß daß ich Euch und noch viele andere liebe Personen sah. Hartmann’s Bilderchen, Fanny, Emma, Minna und die herzigen Kinderchen haben sich lebend mir gezeut [sic]. Der liebe gute Hartmann  ! was möchte ihn wol erfreuen  ? ich möchte gern ihm eine geringe Freude machen  : hätte er einen Freund hier ich würde ihn malen und ihm schicken – – Na ich schreibe ihm selbst. Viel Spaß macht mir daß mein Bild268 gefällt und ich finde daß Ihr wohl thut das Bild zu verkaufen wenn man so viel dafür giebt. Bilder muß man immer weg geben und namentlich wenn sich Narren finden die solche überschätzen. Ich erzählte Bernhardten heute davon, er freute sich sehr und meint auch ich solle es nur weg geben da ich Euch andre malen könne darauf äußerte ich daß es zu theuer wäre für eine schlechte Studie, worauf er sagte  : Nein, schlecht war sie nicht das Bild hat viel Schönes gehabt, und es ist nicht zu viel namentlich in Russland nicht. – Aber grade Wahl’s  !269 doch nicht unsere Feind  ? mich frapirt der Name. Sievers hat recht wenn er sagt  : es wäre zu braun. Die Wäsche ist es auch  ; allein Weißzeug ist das Schwerste das auf der Welt zu malen ist, ich habe erst ein einziges | Mal ein paar Ärmel wirklich weiß gemalt, ohne reines Weiß zu gebrauchen. Wenn Sievers Weißzeug malen kann dann kann er alles Übrige vortrefflich im Ton herausbringen allein ich möchte bezweifeln daß er es kann. – Möchte der liebe Mensch nur viel zu thun bekommen mir wäre das eine große Freude, er verdient gewiß vielen Lohn für seinen Entschluß, Sorge, Fleiß und Ausdauer.270 Farbensinn hat er nicht viel das habe ich schon in Dresden bedauert doch das bleibt unter uns. Wenn mein Bild also wirklich verkauft wird dann möchte ich doch daß mein Name darauf gesetzt wird  ; ich habe von je her darin eine Selbstgefälligkeit eine Eitelkeit gesehen wenn

268 Die Kleine Wäscherin. 269 Die Familie von Wahl war ein livländisches Adelsgeschlecht. Julie Hagen Schwarz porträtierte in ihrer Spätzeit auch Mitglieder dieser Familie (vgl. Porträt Eduard Georg von Wahl [1833– 1890], 1890, Öl auf Leinwand, 74,5 × 55,5 cm, bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1890«, Klinikum der Universität Tartu). Warum sie sie hier als »Feind« bezeichnet, ist nicht bekannt. 270 Peter Felix von Sivers hatte sich spät entschlossen, Malerei zu studieren und gab dafür seine sorgenfreie Existenz im heimatlichen Livland auf.

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ich’s that und daher bis jetzt unterlassen. Das Bild von Treiden und Segewold271 ist freilich entsetzlich billig dagegen meines aber überschätzt und so gleicht sich das dann am Ende aus, von meinen 200 R. S. sollte gerade die Hälf{t}e zu Deinem Bild übertragen werden. Grade das Bild ist eins meiner Lieblinge vielleicht auch noch mehr geworden, durch einen wahnsinnigen Schrecken den ich eines Sonnabends Nachtisch, als Du in der Zeichenanstalt warst, hatte. Die Bäume, das niedrige Gehölz von Treiden vor den hohen Bäumen hattest Du grade ganz herrlich im schönsten Duft gemalt. Ich wusste nicht daß es naß war, und da ich glaubte die Partie wäre eingeschlagen machte ich meine Finger naß und wischte kaum darüber hin, ja was war nun daraus geworden  ? – Die Lichtgrüne Zeichnung der einzelnen Blättergruppen waren weg und in meiner Todesangst setzte ich mich und malte daran. Mein Vater und Meister hat nichts davon gemerkt, jede Mine des Gesichts habe ich genau geprüft allein ich schlüpfte glücklich durch und sah darauf häufig mit Lachen das Bild an. – Dasjenige was Du mir über unsere verkrippelte Zeit sagst finde ich sehr wahr und richtig und sehr auf mich anwendbar und weiß sogar mit einiger Bestimmtheit Euch zu sagen daß ich, wenn ich heim komme erst wieder polirt werden muß um für die Gesellschaft zu brauchen, ich muß scheinheilig werden um verstanden zu werden, – Ich habe nun so viel vom Doctor erzählt daß ich jetzt beinahe nichts hinzu zu fügen habe außer daß ich alles gethan um mir keinen Vorwurf zu zu ziehen. | Obgleich mir aufgefallen daß er über seine äußeren Verhältniße nie sprach mußte ich ihn doch anderseits wieder deshalb entschuldigen da ich ja nie ihm Hoffnungen gab sondern meine Abneigung für das Heirathen immer und immer wiederholt aussprach wo zu wäre also nöthig gewesen daß er Rechenschaft gab über das was den Münchner freilich das Wichtigste scheint und in den wichtigsten Augenblicken ihres Lebens leitet und bestimmt  ? – So viel ich ihn kenne so glaube ich sagen zu dürfen daß er recht gut ist, gescheut in seinem Fach mag er auch sein doch geistreich ist er nicht und weiß der Himmel ich mag die unpoetischen Männer nicht. Es mag sein, und es ist so, das weiß ich, sonst wäre meine Abneigung vor dem Heirathen nicht entstanden daß ich nicht das Recht habe einen außergewöhnlichen Mann zu verlangen doch ich muß mit Stolz auf ihn blicken können, sonst gehe ich unter. Nun weiß ich aber daß ein solcher Mann auch mehr verlangt als ich ihm bieten kann daher hört alles Wünschen auf.  – Bin ich dem Manne nicht Freund, sein wirklicher Freund so bin ich seine Magd zuletzt, denn die Liebe hält nicht auf die Dauer stich. Um aber der Freund eines geistreichen gescheuten Mannes zu sein muß man mehr haben als ich  ; wenigs271 Turaida und Sigulda in Lettland. August Matthias Hagen schuf mehrere Motive aus der Umgebung Segewolds. Treyden/Turaida ist heute ein Stadtteil Siguldas.

302 | Die Briefe Abb. 13  : Alexander Hagen, der Bruder der Künstlerin, um 1855, Fotografie, Privatbesitz

tens so viel um ihm in seinen Gedanken folgen zu können. Ich nähre auch keine Hoffnung und ich habe keine Wünsche im Geheimen, wäre das der Fall dann wäre ich recht thöricht mich mit un weiblichen Arbeiten zu beschäftigen und mit dem Ernst, Ich bin mit mir ganz und gar fertig, Ihr könnt es mir glauben die Befriedigung, die mir selbst auferlegte Pflicht erfüllt zu haben (nämlich meine Geschwister zu unterstützen) wird meinem Gemüthe Ersatz für manches versäumte Glück bieten  ! – Das Bild das in meinem Busen lebt trage ich fort mit Innigkeit ohne Eigennutz, nie habe ich mir mit Hoffnungen zu schmeicheln gewagt – ich kenne meinen Werth besser als Ihr glauben werdet, – Wenn ich gesund bleibe, namentlich wenn ich nicht blind werde dann hoffe ich als hässliches Fräulein Hagen noch recht heiter und mit unter ausgelassen sein zu können. Die Kunst erhält uns jung und stark. – Doch nun still von diesen Dingen. | Der Tante bitte ich ausdrücklich über diese Sachen nichts zu schreiben damit sie nicht ganz mißtrauisch wird denn ihr liegt daran nicht aus Eurer Gunst zu fallen, sie ist auffallend freundlich gegen mich. Es wäre mir sogar lieb wenn bei Gelegenheit ihr ein Dank für ihre Sorge um mein Wohl wird. Sie meinte es am Ende doch gut wenn gleich es etwas herb und verschroben erschien. Sie begreift mich nicht wie viele andere Menschen, welche nicht in so enger Beziehung zur Kunst stehen also ist ihr zu vergeben  ; Alexander (Abb.  13) zeichnet, das ist schön  ;

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doch noch hübscher daß er nicht ungeschickt darin ist. Den lieben Jungen möchte ich gern hier haben, es wäre mir ein liebes Modell, wenigstens denke ich oft mit Vergnügen an den Augenblick zurück wo er aus Wrangelshof kam und Euch voraus eilte um zu sehen, ob ich ihn wol erkennen würde. Damals fand ich ihn so schön. – Daß Schirren, unser lieber Freund wohler ist als wir alle hofften freut mich ungeheuer auch freut es mich einerseits wenn er Bräutigam ist denn ich finde daß er einen guten Geschmack durch seine Wahl zeigt. Ich kenne das Fräulein Müller,272 ich sah sie in Sassenhof,273 sie ist die liebste Freundin der Julie Schirren. Sie ist hübsch außerordentlich anmuthig gewachsen und hat viel Geist wie mir schien ich habe sie gern sogar mit stummer Bewunderung angesehen. Anderseits bedauere ich wenn er jetzt schon heirathet er sollte noch nicht die prosaische Seite des Lebens erfassen, er sollte hinaus in die Welt um seinem Geiste Nahrung für das ganze Leben zu schaffen. Wenn ich wüsste daß es wirklich wahr ist so würde ich ihm meine Glückwünsche darreichen obgleich ich einen Brief von ihm zu erwarten habe. Sollte Schwarz oder der Vater schreiben dann vergeßt nicht wie immer tausend herzliche Grüße und wenn er es an nimmt auch eben so viele Glückwünsche von mir zu bestellen. Hat er die beabsichtigte Reise nach Deutschland aufgegeben  ? – ich hatte mich so sehr gefreut ihn hier zu sehen und malen zu dürfen was wäre das nett – Amalie Laursonn betrübt mich sehr, ich habe sie so sehr lieb gehabt, gut ist sie auch wirklich aber schwach. Will sehen ob sie mir schreibt. – | d  : 7 März 49. Immer schöne, köstliche Tage, warm und heiter, allein die ganze Erde sprosst, alles singt und freut sich auch ich bin heiter. Die Tante hat mich so eben verlassen, ist zum Essen gegangen und ich will schreibend sie erwarten. Die gute Tante hat wirklich den besten Willen mir Gutes zu erweisen und Bedauern daß solche Stürme wie die Letzten, Tage und Wochen vergiften mussten. Ich führte selbst heute das Gespräch darauf um einmal mich ganz aus zu sprechen und habe ihr vieles gesagt was sich nicht gut schreiben läßt, kurz sie weinte sehr und durch abgebrochene und halb aus gesprochne Sätze fühlte ich’s hindurch daß sie nicht wünscht von Euch verkannt zu werden  ; also wollen wir alle nicht mehr daran denken  ; nicht wahr Ihr wollt vergessen was ich in aufgeregter Stimmung sprach  ? Schon das ist mir ein ungeheuer großer Beweis wie sie alles aufbietet mich in Frieden zu sehen daß sie mir sitzt – wie hat sie sich dagegen bisher gestreubt und nun thut sie was ich nur verlange, gleich einem kranken Kinde. Gott  ! Mag sich nur nichts wiederholen und ich fürchte sehr es hat noch kein Ende, der 272 Der gute Freund Carl Schirren heiratete am 29.6.1851 Antonie Juliane Auguste Müller (1828– 1912) aus Riga, die einzige Tochter des vermögenden Verlegers und Druckers Julius Conrad Daniel Müller (1798–1868). 273 Ein Kurort in der Nähe von Riga, heute zu Riga gehörend (Zasulauks).

304 | Die Briefe Doctor begegnet mir noch immer häufig und böse Zungen giebt es viele in München, ich spreche ihn freilich nicht. – Also bitte ja nicht der Tante etwas darüber zu sagen denn sie meint es doch am Ende gut und ich kann ihr nicht verdenken wenn sie mich in dieser Beziehung auf gleicher Stufe mit den meisten Mädchen hält man ist es nicht anders gewohnt als heirathslustige Mädchen zu sehen. – In mir ist ein zauberähnlicher Friede eingekehrt durch den Gedanken, nie mich zu verändern. – Der Curländer Staffenhagen,274 Bildhauer welcher auf dem Dampf Schiff von Riga aus die Reise mit uns machte, (er ist etwas pucklich) ist hier, ich seh ihn oft auf der Straße, neulich aber besuchte er mich im Attelier und dieser hat mir gesagt, daß Nichtadelige Leute nur 3 Jahre in Deutschland bleiben dürfen und dann wieder zurück müßen, wie ist denn das nun mit meiner Wenigkeit  ? Bezieht sich dieses Gesetz auch auf mich dann muß ich ja im Laufe des Sommers nach Hause. Schreibt mir doch ja darüber damit ich mich weiß darnach zu richten, vergeßt aber gewiß nicht und gleich mit nächstem Briefe. – | d  : 8 März 49. Die Tante wird sehr ähnlich, ich male sie prima und finde daß es besser geht als ich glaubte, die Farbe wird leuchtender. Ich begreife nicht warum ich den ganzen Winter hingehen ließ ohne prima zu malen, doch ich hatte eine unbändige Scheu davor dafür will ich aber den ganzen Sommer hindurch prima malen. Onkel und Tante copiere ich für Euch. – Wenn ich selbst nach Hause muß so schicke ich nichts nach Hause von meinen Sachen. Die Tante ist doch recht gut daß ist gewiß wahr. Gestern sagte sie mir unter Thränen daß sie Euch bedauert wenn Ihr meinen Brief bekommt wo ich wahrscheinlich über sie geklagt und daß Ihr denken werdet ich hätte es sehr schlecht bei ihr etc., daher nochmals meine dringende Bitte nichts böse aufzunehmen was ich Euch erzählt, am Ende entsprang alles aus dem besten Herzen, ich bin ihr recht gut und würde gern diese Blätter zurück lassen wenn mein Brief nicht zerstückelt würde und wenn es nicht in meiner Art läge alles durch einander so bunt wie möglich zu schreiben und dann wird es Euch beweisen daß Ihr in dieser Beziehung auf mich bauen könnt, Euch verlassen dürft. später Abends Soeben aus der Oper heim gekommen höre ich daß Onkel in die Schweiz schreibt und mich auffordert auch zu schreiben, da ich nun nicht anders Zeit finde als des Abends und höchstens zu Mittag wo das Modell mich verlässt so muß ich heute schließen diesen Brief damit ich morgen an die Tante275 in die Schweiz schreiben kann. Schließlich setze ich noch hinzu was mir einfällt in der Eile und sandte das Vergessene mit meinem Briefe an Hartmann nach wie z. B. die Ballbeschreibung. – Die Briefe von Euch werden nicht hier noch ein274 Wilhelm Siegfried Stavenhagen (1814–1881) war ein Bildhauer und Zeichner aus Goldingen in Kurland. Er studierte von 1847 bis 1849 an der Münchner Kunstakademie. 275 Elisabeth van Bourg, geb. von Paumgarten, vgl. Anm. 33.

Die Begegnung mit Moritz Rugendas 

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mal bezahlt. Dann ist mir Leid sagen zu müßen daß ich vergessen Rugendas zu befragen über den Preis seiner Bilder, Allein ich hoffe bald Gelegenheit zu finden das versäumte nachzuholen. – Tante wollte schreiben allein ich finde meinen Brief schon zu stark und so kommt dann ein Brief von ihm [sic] mit der Post an Hartmann. Einstweilen grüßen sie allerseits. Nochmals meine Bitte nicht der Tante böse zu sein denn sie that zu viel Freundliches als daß man ihr nicht vergeben sollte wenn sie, selbst mit Absicht unrecht that. Schwarz und den Geschwistern Gruß und Kuß, was macht die Großmutter  ? Tante Christina  ? – Lebt wohl und denkt Euch daß ich heiter und fidel wieder bin, Bernhardt war auch recht sehr zufrieden und was darf ich mehr verlangen  ? – | Meine theuren Aeltern  ! Hier ist also die versprochene Sage des Kaiser Barbarossa und viele tausend Grüße nebenbei. Mehr weiß ich kaum Euch zu sagen als daß ich recht scharf gearbeitet und munter und heiter bin. Tante hat Euch geschrieben wohl auch hoffentlich über mich geklagt – Sie hat den Brief so sorgfältig verkleistert daß ich trotz aller Mühe nichts lesen konnte. Vom Doctor hat sie viel gehört doch ich weiß wenig oder nichts zu erzählen man spricht sich nicht aus nur wenn die Nothwendigkeit sie zwingt dann erfahre ich irgend etwas, doch nichts Zusammenhängendes, nichts Ganzes und das ist mir im Grunde lieb. Vielleicht hat sie Euch von ihm geschrieben. Er soll eben kein Ehrenmann sein und ich habe meine Prüfung glücklich überstanden. Tante und Onkel sind recht sehr herzlich und gut und ich sage noch einmal daß sie es recht gut mit mir und uns allen meinen. Sprecht | daher gewiß nichts über meine aufgeregte Klage wir haben uns ausgeglichen und ich bin ihnen doch unendlich Dank schuldig. Die Tante ist gewiß recht herzlich gut auch Onkel, mit der Tante verstehe ich mich besser. – Meines Passes wegen vergeßt nicht zu schreiben damit ich mich danach richten kann. Lebt wohl  ! Grüße wie immer an alle liebe Personen Eure treue Tochter Julie Ottilie von Paumgarten an August Matthias Hagen, 14.3.1849 (angehängt an den Brief von Julie) München 14ten März 1849. Entschuldigen Sie lieber Schwager, daß ich mich verspätet mit Juliens letztem Brief auf Ihr verehrtes Schreiben geantwortet zu haben. Zu Ihrer Beruhigung nun kann ich Ihnen über dieses, worüber Sie mich eigentlich beauftragten versichern. P. macht uns keine Sorge mehr, er hat sein Spiel daß er zu spielen wagte verloren – ich habe mit ihm gesprochen.

306 | Die Briefe Verlieren wir also weiter kein Wort mehr über ihn  ; und ich bitte Sie sehr recht sehr auch an Julie nicht wieder von ihm zu schreiben. Der Friede ist wieder bei uns, und wir lieben uns in gegenseitiger Offenheit. Julie wird diesen Zeilen wahrscheinlich einige von ihr beyfügen, und somit grüße ich Sie und die liebe Schwägerin mit der Versicherung daß ich gewiß Ihr Vertrauen zu würdigen weiß, und für Julie alles zu thun verspreche was zu ihrem Glück beiträgt. Carl sagt recht herzliche Grüße allen Ihre aufrichtige Schw. Ottilie Anhang  : Beschreibung des Künstlerfestes276

Politisches Maskenfest der Künstler in München. Die Introduction wirft mit den ersten Takten des Arndt’schen Liedes277 die Frage auf »Was ist des Deutschen Vaterland  ?« und stellt den Kampf der Stämme und Meinungen dar, indem sie das Motiv der Frage durchführt. Der Vorhang öffnet sich. Die Bühne bietet zwei Scenen. Die untere stellt den Sitz des Kaisers im Kyfhäuser dar. Der Kaiser schläft  ; die Zwerge schmieden Waffen vom Feuer der Essen beleuchtet. Die obere Scene bedeutet die Haide auf dem Berg in deren Mitte der bekannte dürre, nun aber blühende Birnbaum steht. Um den Baum, an welchem ein alter fabelhafter Hirte sitzt, tanzen Elfen. Die Musik spielt einen leisen Elfenreigen, während desselben spricht der Hirte. I Scene (Oben) Der Hirt Entschwunden ist manch rüstiges Jahrhundert, Und manch ein träges hat die Welt verplaudert, Seit ich die Menschen ließ mit ihrem Leide, Und einsam träumend haus’ auf dieser Haide  ! – Wie lang noch soll ich wach im Traume liegen  ?

II Scene (Unten) Die Musik beginnt das Trio des Elfenreigens (Scherzo) Der Kaiser (halb erwachend mit kaum

276 Das Künstler-Kostümfest hatte erstmals im März 1835 stattgefunden, damals war im Königlichen Hoftheater »Wallenstein« gegeben worden. Die Feste wurden zu einer beliebten jährlichen Einrichtung der Münchner Künstlerschaft. Nicht jedem dieser Feste lag eine »Idee« zugrunde. Das »Barbarossafest« spiegelte die politischen Ereignisse und gab der Sehnsucht nach alter Pracht und Stärke Ausdruck. 277 »Des Deutschen Vaterland« von Ernst Moritz Arndt (1769–1860) ist ein 1813 verfasstes politisches Lied.

Die Begegnung mit Moritz Rugendas  Wann werden endlich nimmer krächzend fliegen Kyfhäuser Dir und mir um’s Haupt die Raben, Indess er schläft in Deinem Schooß vergraben Held Barbarossa Friederich mein Kaiser  ! – Ja schreit auf nur die Rabenkehle heiser  ! Ihr weckt ihn nicht  ! So lange ihr euch streitet Um seinen Bart – läßt er ihn ausgebreitet Auf jenem Marmortisch, – doch ist gewachsen Der Bart ihm dreimal um des Tisches Runde. – Dann habt ihr ausgekrächzt, – dann schlägt die Stunde Es hält die Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen Des Kaisers Goldhaar dreimal fest umschlungen, – Und wieder ist des Reiches Glanz errungen  ! – Der Stunde harr´ ich gläubig unverdrossen  ; Schon treibt der dürre Birnbaum junge Sprossen. Mir ist, seit ich ihn blühen sehe wieder,– Daß Mark vertrocknet war viel hundert Jahre, Als ob sich bräunten meine weißen Haare Und Mailust rieselte durch meine Glieder  ! – (versinkt im stummen Nachdenken.)

merklicher Bewegung) Sprecht, fliegen die Raben noch um den Berg  ? – (Die Zwerge verlassen ihre Arbeit und stehen gaffend um den Kaiser.

Die Elfen welche unterdes gewahr wurden, daß der Baum blühe, und ihre Freude darüber zu erkennen geben, verlassen neue Gefährtinnen herbei winkend, die Scene.

II Kobold Wir hämmern und pochen Viel tausend Wochen Und werden nicht weiser – Noch schläft der Kaiser  !

I Kobold. Mein Kaiser ja  ! Was soll das Gewog  ? Kaiser. Laßt fliegen die Laffen Und schmiedet Waffen. (schläft wieder ein) I Kobold. Sein Auge zwinkert, Der Kaiser nickt ein, Das Eisen blinkert, Geschmiedet muß sein  !

---------------------------------------| I Kobold. Unnützes Geplauder, Geklügel, Gezauder  ; Was juckt Dich im Felle  ? Zur Arbeit Geselle  ! Glück auf   ! Alle Kobolde. Glück auf  ! (gehen wieder an ihre Arbeit) ------------------------------------------

Sie sind mir fremd, – doch bedrückt mich’s wieder Nur deutsche Männer singen solche Lieder. (gegen den Hintergrund gewandt) Die ihr da naht auf nie betretnen Wegen, Wer ihr auch seit, Euch treibt es mich entgegen  ! Das Menschliche nur will dem Menschen frommen So sei mir Mensch sammt deinem Leid will kommen  ! (So wie es nach der rechten Seite von der die Melodie geklungen, abgehen will, schweigt

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308 | Die Briefe

III Scene. (Oben) Die Elfen erscheinen wieder mit brennenden Königs=Kerzen und großen Glockenblumen, aus denen sie sich zu trinken. In größerer Anzahl umtanzen sie den Baum. Plötzlich wird hinter der Scene die Melodie eines deutschen Volksliedes hörbar, die Elfen horchen gegen den Hintergrund und stieben dann nach beiden Seiten auseinander, und davon. Volksweise (hinter der Scene) Wir hatten gebauet Ein stattliches Haus Und drin auf Gott vertrauet Trotz Wetter, Sturm und Graus. Was Gott in uns legte, Die Welt hat’s veracht, Die Einigkeit erregte Bei Guten selbst verdacht.

Der Hirt. (Aus seinem Brüten erwachend) Horch, horch  ! – Was dringt an mein entwöhntes Ohr, Sind’s Menschentritte  ? – Armer alter Thor  ! Dein Herz jauchzt auf beim Dröhnen ihrer Solen, Aus deren Mitte du dich weggestohlen  ! Doch horch  ! – Das ist der Zwerge Pochen nicht, auch nicht der Elfentanz im Mondenlicht, – Der schreitet leiser  ; ich und diese Klänge Sind nicht der Elfen flüsternde Gesänge, – Stamm für Stamm kommt er gezogen, seit von Mund zu Mund eilt Deines Blühens hehre Kunde, daß es diese Stunde teilt  ! Diese lang ersehnte Stunde, die der Birne Blüthenstaub Jede zwiegespaltene, tiefe, unverharschte Wunde heilt. Und so stirbt in meinem Busen heute jede Klage mir  !

diese, und eine andre wird auf der linken Seite hörbar). Volksweise (hinter der Scene) Ein fest Burg unser Gott, Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus aller Noth, Die uns jetzt hat betroffen. Der alte böse Feind Mit Ernst er’s jetzt meint Groß Macht und viel List Sein grausam Rüstung ist. Auf Erd ist nicht seines Gleichen. (Der Hirte zögert, geht dann danach rechts ab, kehrt aber sogleich mit Geberden der Freude zurück, geht nach der Linken und eilt, auch von hier zurück, in den Vordergrund der Scene. Er stürzt vor dem Baum auf ’s Knie. Mit ausgebreiteten Armen in höchster Begeisterung, während die unsichtbaren Volks-Chöre fortklingen) -----------------------------------IIII Scene. (Oben.) Der Hirt. O selige Mainacht  ! O Wunderbaum  ! Die einsam Beiwacht am Wunderbaum Sie ist zu Ende, dem Frühling Dank, Der alles freimacht, den Wunderbaum Den dürren schmückt mit Laub und Blüht, und endlich herbeibracht zum Wunderbaum, Mein theures Volk von Süd und Nord  ! O selige Mainacht, O Wunderbaum  ! | (stehen, begrüßen sich untereinander und drücken ihre Freude über das Blühen des Baumes aus.) Gesammt-Chor. Zu dem Riesensarkophage Unsers Barbarossa her, Zum Kyfhäuser, Baum der Sage, Seit mit weißen Blüthensternen Du erhellst die alte Nacht, Leuchtend in die fernsten Fernen  ; Und die Wallfahrt ist vollbracht  !

Die Begegnung mit Moritz Rugendas  Vaterland  ! es werden morgen künftig große Tage Dir.– Ja schon seh ich ausgewachsen meines Kaisers güldnen Bart  ! Wahrheit wird, was durch Geschlechter nannten eine Sage wir  ! (Die Zwerge unten haben unterdeß ihre Arbeit vollendet und nachdem sie mir freudigem Erstaunen, gewahr wurden daß auch der Bart des Kaisers ausgewachsen sei, verlassen sie eiligst nach verschiedenen Seiten die Scene (um den Gnomenkönig hiervon zu benachrichtigen). Bei den letzten Worten des Hirten erscheint der Gnomen-König oben und winkt dem ersteren, ihm in den Berg hinab zu folgen. Der Hirt wendet sich noch einmal mit einer segnenden Geberde gegen die deutschen Volksstämme, welche in diesem Augenblick zu beiden Seiten auftreten und verschwindet dann mit ihm.) (Jeder der 4 Stämme ist mit den Erzeugnissen seiner Heimath ausgestattet. Alle tragen die bekränzten Büsten der berühmsten Männer ihres Stammes, welche für die Gesamtnation von ewiger Bedeutung sind und somit ein geistiges Band der einzelnen Stämme des deutschen Volkes bilden.)

-------------------------------------V Scene (Oben.) Die vier Hauptstämme der Deutschen (Je zwei Stämme, welche einen Halb=Chor bilden und auf einer Seite der Bühne

Und sind sie Eurer Mitt’ entsprossen  : Willkommen Deutsche Stammgenossen  ! 2 Chorführer (Sachsen) So höret Brüder denn von Süd und Ost  ! –

(Die Chorführer der Franken und Sachsen sich umschlungen haltend, treten vor. Zu den Bayern und Schwaben gewandt  :) 2. Zugführer (Sachsen) Dem Fremdling gönne, edle Männerrunde Die Frage  : Seid ihr Kinder dieses Landes, Seid ihr es nicht  ? – Wohlfließt von unserm Munde Was nur ein Deutscher denkt, doch des Gewandes Fremdart’ger Schnitt beirrt uns  ! Gebt Licht – (Die Chorführer der Bayern und Schwaben gleichfalls sich umschlungen haltend, zu den Franken und Sachsen gewandt.) 3. Chorführer (Schwaben) Wir sind des Landes Kinder – sind es nicht  ! – Der heimatliche Herd liegt uns im Süden, Doch auch für uns steht dieser Baum in Blüthen  ! Und kennt ihr nicht die Bayrischen Hopfenranken Und nicht die reichen Garben schwäbscher Auen – So kennt Ihr doch die Töne und Gedanken Die sich erzeugten unter diesen Brauen  ; (auf die Büsten zeigend) Ja, seit ihr Deutsche, müsst ihr sie erkennen Mozart und Schiller, die wir unser nennen 2ter Halb Chor (Franken und Sachsen) Sie sind die unsern wie die Euern, | Dem ganzen Volk die Ewigtheuren, 4 Chorführer (Franken) (die Hand des vorigen drückend) Des Volkes Geister sind des Volkes Geist  !

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310 | Die Briefe Vom Westen, wo am Rheine gährt der Most, Bis an der Hansestädte Meeresstrand Liegt hingebreitet unser Heimatland  ! Wo deutscher Wein und holde Frauen wachsen Das Sprichwort sagt  : in Franken ist’s und Sachsen. Doch wüsstet ihr auch nichts von Wein und Frauen Und nichts von Preußen, Hessen, Sachsen, Franken,– So kennt ihr doch die Töne und Gedanken, Die sich erzeugten unter diesen Brauen  ; (Auf die Büsten zeigend) Ja, seit Ihr Deutsche müsst Ihr sie erkennen Beethoven, Göthe, die wir unser nennen  ! 1. Halbchor (Bayern und Schwaben) Sie sind die unsern, wie die Euern, Dem ganzen Volk die Ewigtheuern  ;Und sind sie Eurer Mitt’ entsprossen  : Willkommen Deutsche  ! Stammgenossen  ! Alle 4 Chorführer (wie aus einem Munde.) Gepriesen seien uns’re deutschen Meister  ! 2 Chorführer (Sachsen) (Schüttelt ihm die Hand) Sie seien gepriesen  ! Wenn in allen Weiten Des Vaterlandes, und zu allen Zeiten, Die Deutschen sind ein einzig Volk geblieben Da längst sie sah’n das alte Reich zerstieben – 3 Chorführer (Schwaben) (dem der Franken die Hand bietend) So war’s im Geist, durch ihre großen Geister  !

1. Chorführer (Bayern) Der, stets verjüngt, sich selber treu erweist. 4. Chorführer (Franken) (Alle vier umschlingen sich.) So wird das Reich der Geister auch auf Erden Noch Fleisch und Blut im Deutschen Reiche werden  ! ------------------------------------VI Scene (A Oben.) Gesammt-Chor. Seht ihn blüh’n den Stamm den morschen  ! Jeder Zweifel sei dahin  ; Was die Weisen nie erforschen, Bleib’ den Gläub’gen zum Gewinn. Mein Blut in unsern Adern, Wie das Mark im Wunderbaum  : Und aus des Kyfhäuser Quadern Steigt der gold’ne Kaisertraum  ! (B. unten) (Beim Beginn des Schluß=Chor’s oben wird der Hirt vom Gnomen=König in die Kaiserburg unten eingeführt. Die Zwerge treten zu beiden Seiten wieder auf und umstehen in neugierig gaffenden Gruppen den Kaiser und den Hirten, welcher sich in einen männlich-jugendlichen Reichsmarschalk verwandelt, den sie mit den Waffen rüsten, welche sie geschmiedet haben. Bei den letzten Zeilen des Chors erwacht der Kaiser, reicht dem neuen Reichsmarschall das Banner und steigt mit ihm zur Haide empor. Der Gnomen König und die Zwerge folgen ihnen. Die Scene der Kaiserburg bleibt leer.)

|VII Scene. (Oben.) (Der Birnbaum versinkt, der Hintergrund verwandelt sich in eine lachende Rheingegend) man hört das Geläut der Städte, Posaunen mischen sich darein,– der Kaiser tritt in die Mitte der deutschen Volksstämme, ergreift selbst das Panier und indem er es schwingt und alle Stämme die ihren senken, spricht er  :

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Kaiser. Vernimm es Welt mit ehrfurchtsvollem Staunen, – Ihr Glocken dröhnt, – verkündet es Posaunen – Als Kaisergeist schlief einst in Deutschen Landen Des Reiches Herrlichkeit – sie ist verstanden  ! (Der Triumpfmarsch fällt ein, und der Zug setzt sich nach dem Saale herab in Bewegung. Wenn derselbe wieder auf die Bühne zurückgekehrt ist, fällt der Vorhang.)

Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 20.3.1849 München d  : 20 März 49 Meine theuren lieben Aeltern  ! Noch immer erfreuen wir uns des abscheulichsten Wetters – der sonst gelinde Winter scheint sich besonnen zu haben, jetzt erst wird es kalt, die armen Vögel, namentlich Lerchen haben eine unfreundliche Aufnahme gefunden bei ihrer Ankunft  – 10 Grad Kälte können sie wohl zu Boden gestreckt haben. Heute Abends ist Tante im Theater und ich beschloß einen neuen Brief zu beginnen. Zahnweh wollen mich aber nicht recht frei denken lassen – Ich hatte so viel unwesentliche Dinge Euch zu erzählen die ich nicht schrieb und jetzt ist alles weg, wie mit der Hand weg genommen – Von meinem Attelier will ich einmal heute beginnen  ; mein ganzes Denken und Sein ist ja doch immer nur dort und es scheint mir, als könnte ich mich über nichts anderes unterhalten als über Kunst, Es ist recht unangenehm denn so gar wenig Menschen interessieren sich für dieselbe und sprechen lieber über Kleider, Putzt u. s. w. – die Tante ist ausseror­ dentlich ähnlich geworden, sie frappiert mich selbst und Bernhardt hatte mir eine Freude gemacht durch den Ausspruch  : »Ich kann Sie gratulieren« – Er hat in letzterer Zeit, mehrere Tage hintereinander mir Fremde, namentlich Künstler zu geführt – Es macht mir Spaß zu sehen wie Bernhardt gern pralen möchte mit seinen Schülern, so z. B. erzählt er gern bei jeder Gelegenheit daß man für ein Bild von mir schon gegen 400 Gulden geboten. Es scheint ihm ungeheure Freude zu machen.  – In den letzten Tagen der vergangenen Woche habe ich zwei Skitzen zu zwei Bildern gemalt mit meiner lieben Kleinen in Gemeinschaft beide Bilder mit zweierlei Belichtung nämlich Tag und Feuer. Ein junges Mädchen von 15 Jahren sollte mir dienen zu einer Vestallin und kaum hatten wir die Letzte gemalt als Bernhardt sehr eilig eines Morgens nach Hause kam mit einem wunderschönen Mädchen ein Modell das er zufällig auf der Straße aufgabelt und wünscht nun diese zu der Skitze der Vestallin verbraucht zu sehen also wird das erste nur ein kleines Bildchen, ein Mädchen das ein Licht in der Hand hält und von demselben beschienen wird. Bernhardt sagte bei Gelegenheit daß wir keine Kosten scheuen mögen für das Gewand da solche Bilder verkäuflich seien etc. – |

312 | Die Briefe Meine Sendung Studien schiebt sich von Woche zu Woche und Monat zu Monat auf und zuletzt bringe ich sie selbst was freilich am einfachsten sein würde. Mein Portrait bleibt nun wieder stehen, und wie es jetzt scheint noch recht lang. Die Kleine geht nun 6 Wochen fort also müßten wir noch sehen einige Studien zu machen, namentlich muß sie noch eine Bruststudie machen dann möchte ich sie noch malen, jetzt häufen sich schon wieder die Arbeiten und mir wird außerordentlich wohl dabei. Das einfache Portrait beschäftigt mich wirklich zu wenig  ; wenn gleich ich mit eben dem selben Fleiß und Anstrengung daran arbeite so ist mir immer des Abends als hätte ich nichts gethan. Am Sonnabend hatte die Kleine mir ein Billiet ins Conzert geschenkt, wir gingen beide mit einander hinein. Unter anderm hat mich das Scherzo aus dem Sommernachtstraum von Mendelson Bartoldy entzückt – Gott was ist das für ein liebliches Durcheinander  ! Das ganze kam mir vor wie ein dünnes leichtes Gewebe von lauter Spinnenfäden  ; man wähnte zu träumen. Die Nacht darauf übrigens träumte mir in der Art. – Sonntag d  : 25 März 49 Dies Mal will mein Brief nicht wachsen ich weiß nicht recht woran das liegt. Tante ist im Theater und so eben habe ich einen Condulationsbrief nach Salzburg geschrieben und möchte nur vor dem Schlafengehen auch Euch einige Worte sagen. Zwar bin ich heute nicht in der heitersten Stimmung, allein das thut nichts weiß ich ja doch daß ich in allen Launen bei Euch will kommen heiße freilich nur in so namenloser Entfernung. – Mein Porträt hat mich so ganz und gar verwirrt gemacht meine dummen Augen haben mich sogar weinen gemacht. Gott blind zu sein ist ein schreckliches Bewusstsein. Ich glaube eine Woche ist vergangen ohne daß ich Euch schreib und ich muß nun noch denken was ich zu erzählen habe. Ich glaube nichts oder wenigstens nicht viel Gutes. Das Wetter ist schlecht, Schnee und Regen – Ich habe ein paar Tage wahnsinnige Kopfweh gehabt dabei aber hartnäckig gearbeitet, unser schönes Modell hat uns angeführt und ist nicht gekommen deshalb in der Eile fing ich an meiner Fratze zu malen | an. Die Hände und darauf das Gesicht. Morgen wird dasselbe wol fertig aber ich glaube eine tüchtige Retusche wird nicht schaden können. – Bernhardt sagte mir heute, ich glaube um mich zu trösten  : »es ist zu sehr ähnlich  !« – Na, am Ende finde ich’s wol auch allein manches andere vermisse ich darin nämlich eine feinere Ausführung namentlich der Farben, das Ding kommt mir roh vor, was ich nur meiner Blindheit verdanke denn ich kann nicht beschreiben wie unendlich schwer mir’s wurde ohne Brille zu malen, mein gewöhnlicher Ausdruck soll darin sein und zuletzt ist das ja die Hauptsache. Meine Kleine sagt daß ich mich durchaus nicht geschmeichelt habe sie hätte mich lieber etc. und das ist mir auch wieder lieb, denn es wäre mir gräßlich wenn man sagte  : Gott wie ist sie häßlich und das Bild schön  ! – etc. mehr. –

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Niemals wieder male ich mich es ist zu schwer und auch zu anuant. Ihr könnt nicht glauben welche Mühe ich mir gab mich selbst d. h. den viel besprochenen Ausdruck meines Gesichts kennen zu lernen – ich habe mir all mögliche Fratzen vor gemacht, habe gelacht auf alle mögliche Weise, habe mir Geschichten, ernste, traurige, fröhliche erzählt mit lauter Stimme, kurz ich versetzte mich in all mögliche Situation um endlich ein ähnliches Bild der Welt von mir zu zeigen und nun wünschte ich schon daß Ihr es hättet um Euer Urteil zu fällen, was freilich lang noch dauern kann. – Sonst ist es nun wieder still und ruhig in und außer mir. Tante und Onkel sind so recht herzlich gut was bedarf ich mehr  ? Sonst habe ich keine Sorgen als die um Euer Wohl und um meine Kunst. Neulich sagte man mir daß die Universität zu Dorpat aufgehoben werde, anfangs hat es mich nicht erschreckt allein je mehr ich mir die Möglichkeit denke desto bänger und knapper wird mir um’s Herz. Möchte es doch ein | leeres Geschwätz der Zeitung sein  ! – Sollte es wirklich sich bestätigen so komme ich augenblicklich nach Hause und will euch helfen so viel es in meinen Kräften liegt. Ich denke und denke und kann nichts mehr heraus denken das ich Euch schreiben könnte darum gehe ich ins Bett. Weiß der Himmel es scheint mir als werde ich immer und immer dümmer ich vermiße die Fähigkeit in mir zu denken und das quält mich entsetzlich, ich bin so schrecklich dumm, kein besserer Mensch mit dem ich um gehen möchte kann ich’s zu muthen sich mit mir zu unterhalten. Heute bin ich in einer widerwärtigen Stimmung, ich kann mich selbst nicht leiden – Gute Nacht  ! Will sehen was ich träume. – d  : 29 März 49. Wol sollte ich auf der Zither exerciren aber es hat heute einmal mein innerstes Gefühl vor dem Verstande gesiegt. Ich muß mal wieder meine Briefe ins Attelier mit nehmen denn es hat in dieser Zeit Stunden, ja Tage gegeben wo ich nichts that als mich geärgert und damit die Sache nicht verbesserte. Diese infamen Modell’s, je schöner desto schlechter sind sie – ich glaube es sind 10 angefangene Bilder jetzt da die nie fertig werden, heute hatte ich also wieder den Ärger daß ein Modell, das bewusste Schöne, welches Bernhardt als Vestallin gemalt sehen wollte mich sitzen ließ, also zum zweiten Mal angeführt, ich und die Kleine haben sie als Madonna malen wollen und freuten uns schon sehr das Bild fertig zu sehen  ; nun ist’s wieder vorbei. Alles würde ich leichter verschmerzen wenn ich nicht meine kostbare Zeit so dabei verlöre. Infames abscheuliches Volk  ! Es ist so unangenehm von solchen Leuten abhängen zu müßen. – Heute hat es gewittert ich hörte zwar nichts davon denn ich rührte mich nicht aus meiner Klausel,  – Ihr dagegen sitzt noch tief im Schnee drin, welcher Gedanke mich niederdrückt und ich mich anklage daß ich mich so erfreue an dem Gesang der Vögel, den Frühblumen und der heiteren warmen Luft etc. ohne zugleich das Trübe Eures Lebens zu gedenken. | Also wirklich ein zweites Blatt wird zur Hand genommen, Gott lob  ! es hat lang genug gedauert. Angefangen ist aber noch nicht genug, was also erzähle ich Euch

314 | Die Briefe nun  ? – Das Osterfest ist auch in 10 Tagen und ich weiß noch nicht womit die Tante und Onkel mich überraschen denn es schien als werde ich durch etwas erfreut werden, ich glaube ein Siegelring wird mir werden.  – Aus der Schweiz hatte ich neulich einen Brief von der Tante Elisabeth von Burg, eine freundliche Antwort auf einen Brief von mir. Sie grüßt und küsst Dich liebe theure Mutter von allen herzlich. Sie läßt Dir sagen daß ihre 5 Kinder von denen 2 Mädchen und ein Knabe Stiefkinder und zwei Mädchen ihre eignen gesund sind und das jüngste ist 13 Jahre alt und keines ist von allen verheirathet. Sie lebt sonst glücklich nur jetzt wie viele tausend Menschen haben sie manche Sorge mehr. d  : 2 April 49. Erst heute hatte ich Briefe von Euch welche ich gestern schon erwartete. Der letzte Nachsatz hat mich fürchterlich bitter gestimmt. Ich bin in der That recht zornig über das geheimnisvolle Wesen der sonst so lieben Tante und Onkel. Warum mußte sie heimlich an Euch schreiben  ? warum konnte sie es mir nicht sagen  ? führt uns das nicht wieder weit aus einander wahrlich näher kann es uns nicht bringen. Es ist doch abscheulich daß man immer und immer getäuscht wird. Ich fühlte mich zu glücklich in den letzten Wochen wo ich glaubte daß nun alles und jedes wieder an seine Stelle getreten überhaupt alles wieder ins Gleichgewicht getreten ist und nun mußten mir Dinge gesagt werden aus einer anderen Welt, welche schon lang hier gewußt worden, weshalb verschweigt man mir die Schlechtigkeiten des Doctors  ? ich hätte sie mit kaltem Blut angehört und wieder vergessen  ; ich weiß es und habe mich lang an das Traurige des Gedankens gewöhnt daß die Männer im Allgemeinen nicht zu achten sind, sie sind schlechter als wir, sie haben ja das Privilegium dazu. Da ich nicht ahnte daß hinter meinem Rücken geschrieben und wieder geschrieben worden ist so hat mich der Anblick einer Einlage an Tante erschreckt und ich versteckte ihn vor ihren Augen denn ich konnte nicht wissen ob nicht ein böser Dämon Dich bewogen ihr zu schreiben, jetzt ist’s zu spät ihr ihn zu geben wenigstens würde sie meine gute Absicht (nämlich durch | einen vielleicht gereitzten Brief alle Missverständnisse zu verhindern) nicht hindurch gefühlt haben. Sie hätte gewiß mißtrauisch drein gesehen daher sagte ich ihr daß Du bedauertest nicht schreiben gekonnt zu haben indem der Brief zu stark schon ohne dies gewesen sei aber sie würde einen Brief das nächste Mal erhalten etc. mir ist’s sehr unangenehm ihr nicht geben zu können Deine Zeilen aber nun geht es nicht mehr. Du lieber Vater magst recht böse darüber sein allein ich kann nicht sehen warum ist man nicht offen gegen mich  ? Bitte daher das nächste Mal noch einmal zu schreiben und die Unterschlagung zu verschweigen  ; ich schicke vielleicht die Einlage Dir zurück. Mein Brief wird so nicht stark dies Mal. – Es ist Abend und alles ruht schon, ich bin nicht müde noch schläfrig, im Gegentheil sehr aufgeregt. Wenn es recht wäre und meinen Augen zuträglich so würde ich schreiben die ganze Nacht durch und morgen den Brief auf die Post tragen damit er nicht wieder um so viel

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Tage später ankommt. Unbegreiflich ist’s mir wie es das letzte Mal so kommen konnte da ich ihn so gar einen Tag früher abschickte als gewöhnlich, es müßte nur sein daß er einen Spaziergang zurück aus dem Briefkasten gemacht in die Hände des Onkels und der Tante, es ist ein schändlicher Verdacht allein ich muß auf diese Weise mißtrauisch werden. Schreibt mir doch wie der Brief der Tante angekommen ob gleichzeitig mit dem Meinigen und ob in demselben oder als besonderer Brief  ? mir liegt dran das zu wissen. Sonst kann ich nicht klagen sie sind beide überaus liebenswürdig gegen mich und ich war wirklich recht glücklich darüber. Der Verstand steht mir still wenn ich denke daß Schwester Mieze um 8 Tage schon Madame Schwarz ist. Es kommt mir zu schnell und dann gleich die Trennung ist zu grausam. Gott mag sie beide schützen und beistehen  ! Freute ich mich doch umsonst vielleicht im Herbst der Hochzeit bei zu wohnen, der Mensch denkt nur und Gott lenkt  ! Das ist auch gut, es wird ja am Ende doch alles recht so herb und bitter auch die Sendungen unserem kurzsichtigen Auge scheinen. Die Cholera, der Charlach alles bedroht Euch Armen. Gott im Himmel wäre ich doch bei Euch und wäre das für mich eine Beruhigung ich könnte, wenigstens wollte ich zu helfen suchen. – Ihr armen Aeltern wie bedauere ich Euch  ! – – | d  : 3 April 49 Mit Kopfweh bin ich erwacht und wieder eingeschlafen, unruhig und bös geträumt endlich müde und noch mit Kopfschmerzen aufgestanden, es ist noch früh, wenigstens noch etwas zu früh um zur täglichen Beschäftigung zu gehen, ich will daher schreiben (sonst übe ich gewöhnlich um diese Zeit auf der Zitther, mein liebes Instrumentchen.) – Die Geschichte mit der Einlage an Tante geht mir im Kopf herum. Sie hat einen Brief erwartet und mit Recht und nun hat sie sich getäuscht. Ich bin sichtlich verstimmt, und kann mich gegen sie nicht verstellen, fragen thut sie nicht, ihr Unrecht fühlend im Gegentheil weicht sie aus sobald ich nur im Entferntesten von einem zu erwartenden Brief von Euch spreche – ich glaube aber daß ich in guter Stunde sie fragen werde und ihr beweisen daß sie doch nicht so ehrlich und offen ist gegen mich wie sie sagt. Glaubte sie etwa daß ich unwahr sein würde gegen meine Aeltern  ? Ich bin streng bei der Wahrheit geblieben und werde es stets sein. – Die Bemerkung  : »Du scheinst doch dem Doctor gewogen«  – ist mir sehr auffallend gewesen nachdem ich meine Ansichten, meine ganze innere Verfassung Euch geschrieben, Euch offen hingelegt. Ich sehe daß selbst von Euch meine Worte nicht so genommen werden wie ich sie gebe  : immer und immer müssen sie mit Floskeln um hängt werden  ! diese Gewißheit verstimmt mich und ich weiß nur ein Wesen auf der Welt die mit mir gleich denkt und empfindet und das ist meine Kleine, Fräulein Lattner. Darf denn nichts anderes in des Menschen Busen und vor allem in des Mädchens Herz aufkeimen als Liebe und soll sie denn immer und immer als leichtsinnig gelten und sich in jeden Mann, der ihr etwas den Hof macht verlieben  ? Ihr seht

316 | Die Briefe in mir immer noch das Mädchen wie sie zu tausenden zu haben sind und das möchte ich schmerzlich beweinen  ; grade dort wo ich am meisten hoffte verstanden zu werden dort muß ich das Gegentheil finden. Glaube mir sicher lieber Vater daß ich wol weißlich die Stelle im vorletzten Brief über meinen großartigen Freund Rugendas überging wo Du nämlich sagst  : »Ich glaube Du bist ihm nicht gleichgültig etc. etc.« – Damals traute ich mir nicht zu mit Ruhe über diese Sache zu sprechen sie hat mich zornig gemacht, aber mehr noch daß eben Du all die Sachen, welche ich Euch von ihm erzählt auf solche Weise gedeutet. Die Liebe richtet es gewöhnlich still ein wenn sie gewinnen will und das hat zwischen uns nicht statt gefunden | und es wird auch nie, da eine unendliche Kluft uns trennt. Es ist ein Glück daß meine Augen klar genug dieselbe sehen. Die Kunst macht auch glücklich indem sie mich vergessen macht alles um was das Schicksal mich gebracht. Das Glück liegt in einem selbst und wenn ich Euch sage daß ich nach dem Sinn des Wortes glücklich bin so könnt Ihr mir doch glauben. Und solltet Euch freuen da ja Euer Wunsch und Euer Arbeiten, Sinnen und Trachten ja nur dies im Auge hatten. Abends. Neben mir wird Schach gespielt woran ich nie theilnehme es mag unrecht sein aber noch nie ein Spiel welcher Art es auch sei hat mich angemuthet, ist mir reitzend erschienen. Heute Früh verließ ich dieses Blatt mit etwas schwerem Herzen ich hätte so gern noch gesprochen mit Euch aber was hilft alles Brummen, alles Zanken man versteht mich ja doch nicht  ! wie betrübt mich das. Ich wundere mich auch jetzt nicht im Mindesten mehr daß Tante so gemeine alltägliche Gesinnungen in mir glaubte, da ich von Euch nicht einmal verstanden wurde. Jetzt aber ist’s Zeit daß ich übergehe auf einen anderen Gegenstand. Um mit Leichtigkeit dazu zu kommen will ich den Brief in seiner Reihenfolge beantworten. Also Carus und seine Tochter. Ich will hingehen, d. h. zu Hauser und will fragen obgleich sie und auch er einmal sprachen und sich entschieden äußerten sie könnten unmöglich ein junges Mädchen zu sich ins Haus nehmen da ihr bei ihnen zu wenig Unterhaltung geboten werden könne. Sie haben keine Tochter aber wie ich glaube einen Sohn welcher sogar recht hübsch ist und wol einem jungen Herzen gefährlich werden könnte. Es möchte schwer werden ein anständiges Haus, eine wirklich gebildete Familie zu finden in der sie sich glücklich fühlen möchte. Von Hauser’s Metode habe ich wenig gehört im allgemeinen nur Gutes neben seiner Strenge und großen Häftigkeit  ; indessen ich will mich ernstlich erkundigen, will deshalb zu einer der hiesigen Opernsängerinnen gehen und dann schreiben. Carusens Ansichten über das Leben einer Künstlerin haben mich frappirt und ungeheuer erfreut. Ich nannte ihn in meinem Enthusiasmus laut  : meinen besten Freund. Sage ihm daß er dann nur ja seine Tochter grade nach München schicken solle um ohne Sorgen sein zu dürfen (nämlich daß ihr Herz verloren geht) | denn ich bin überzeugt sie bringt einen besseren

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Geschmack mit der ihr sagen muß daß die hiesigen Herren nichts weniger als liebenswürdig sind, sie sind mit einem Wort nicht die Achtung eines besseren Mädchens werth. – Obgleich euer beider Unwohlsein schon vorüber so bedauere ich doch Euch leident gewußt zu haben möchten nur die Kinder gesund und die gesunden wohl bleiben das beunruhigt mich auch sehr. – Der Studentenball, der nobele hat mir Freude gemacht ich wollt mir wäre vergönnt gewesen ihm bei zu wohnen aber nun wird es in meinem Leben wol nie wieder geschehen. Hier habe ich mir geschworen keinen Ball unter keiner Bedingung mit zu machen und dort bin ich zu alt um mich mit der Jugend auf gleiche Weise zu unterhalten. Waren Wachters dort  ? was hatte Mieze an und hat sie viel getanzt  ? – Ich bin an die Stelle gekommen wo Du ungeduldig klagst über das Ausbleiben meines Briefes und ich kann nur wiederholen daß mir’s unbegreiflich ist da er früher abgeschickt von mir als alle früheren. Da sagst Du unter andern daß Kinder selten im Stande wären die Besorgnisse der Aeltern um ihnen zu würdigen, sie seyen alle Egoisten und empfänden nur für sich Liebe usw. – Ich kann nicht glauben daß das Dein Ernst ist wenigstens ist mir nicht bewusst meine Aeltern je vergessen zu haben im Glück oder Unglück, ich stand ihnen immer nah und werde mit gleicher Liebe in alle Ewigkeiten ihnen treu bleiben. – – – Über Miezens und Schwarzens Verbindung möchte ich viel, viel sprechen doch es nutzt nichts mehr, ist die Hochzeit vielleicht schon vorüber wenn mein Brief ankommt.  – Ich gehe in die Kirche an jenem Tage und will meine Gebete für sie dem Vater im Himmel senden, ich werde suchen nicht arbeiten zu dürfen obgleich schon ein Modell bestellt ist um bei Euch sein zu können. Ich fühle schon jetzt wie sehr ich weinen werde müßen. Mir scheint eine Heirath so kurz vor einer jahrelangen Trennung widernatürlich, ich glaube daß ich mich sehr dagegen sträuben würde. Ich bin sehr still und ruhig mir wird es schwer mich zu verstellen | und Tante plötzlich wie ich merkte ist traurig, ihre etwas verlegene Stimmung hat umgeschlagen, ein angenehmes Oster- und Hochzeitsfest denn das will nun wieder geschlichtet sein. Ich weiß in der That nicht was ich beginnen  ? ich denke die Einlage Euch zurück zu schicken damit sie mit verändertem Datum wieder kommt. Mir muß vergeben werden von Deiner Seite lieber Vater da diese Entwendung nicht aus böswilligem Herzen geschah nur um mir, Euch, und den Verwandten eine Unannehmlichkeit zu erspahren. Nicht weiß ich warum ich so wenig Offenheit verdient. Jedenfalls hat ein nicht schönes Gefühl sie geleiten, denn ich meine alles Lautere und Edle kann man auch sagen. Indessen ich bin den Verwandten meine Existens schuldig sie thun mehr als ich brauche und wünsche, sie sind recht gut und lieb, wenn sie nur nicht so unbegrenzt mißtrauisch wären. Es darf nicht lang dauern so ist wieder alles gut ich wünsche und hoffe das. Der Tante muß ich aber das sagen sonst kann ich nicht zufrieden sein, ich möchte sie zwingen mich kennen zu lernen. – Ich weiß gar nichts Erfreuliches zu sagen von mir schon gar

318 | Die Briefe nichts. Meine Modelle haben in den letzten Wochen mich recht angeführt wie ich schon sagte. Je schöner desto abscheulicher  ! – Jetzt male ich ein Osterei, nach der Appenzellerin, klein für den Onkel, es anuirt mich sehr. Morgen früh bringe ich diesen Brief auf die Post, Es ist mir so leid nichts Erfreuliches Euch schreiben zu können. Für den Augenblick bin ich aber gewiß nicht im Stande froh zu scheinen, wie überhaupt das Scheinen ich mir angewöhnen muß ich will mir es als Hauptstudium angelegen sein lassen scheinheilig mich zu betragen vielleicht versteht man mich dann besser. – Wenn der Brief fort ist dann wird mir gewiß Manches einfallen das ich hätte schreiben sollen allein ich will nicht auf mich warten lassen. Grüße allen Geschwistern, Schwarz und Mieze vor allen. Mein Wunsch für ihr Glück sind sie gewiß, ich werde andächtig beten für sie. Herrmann, Sievers, Wachters Dumberg Grüße. Lebt wohl und verzeiht mir meine Aufregung, man bringt mich leicht dazu das gestehe ich ja gern. Morgen früh siegel ich den Brief und will sehen ob ich den Brief an die Tante bei lege wenn ich’s thue dann verändere nur das Datum und schicke ihn wieder her, bitte  ! bitte  ! Thue das doch sobald als möglich. – Lebt wohl herzlich wohl Eure Euch treu liebenden Tochter Julie Hagen an Ludwig Schwarz aus München, 7.4.1849 Mein innig geliebter theurer Schwarz  ! Gestern kam Ihr lieber Brief – Ich kann Ihnen nicht sagen wie, mit welcher Unruhe und Ungeduld ich ihn herunter laß bis ich endlich an die Stelle kam, wo ich die Entscheidung Ihres Schicksals fand. – Diese ungeheure plötzliche Wendung hat mich tief ergriffen – ich wähnte Sie einige Augenblicke vorher noch in Dorpat und nun waren Sie schon in Pulkowa, hatten sich trennen müßen von Ihrer Braut unserer lieben lieben Mieze.278 – An dem Freitag, der traurigste Tag den die Schwester je verlebt saß ich zwar ruhig an meiner Arbeit aber ich erinnere mich wol daß ich furchtbar verstimmt war, ich glaubte den Grund in meiner schlechten Arbeit suchen zu müßen, nicht wissend wie viel heiße Thränen des Kummers in meiner Familie geweint wurden. Ihr Brief hat mich sehr betrübt, ich konnte vor dem Übermaß meines Schmerzes nicht weinen, noch was anderes denken. – Großer Schmerz und große Freude haben keine Thränen. – Bleich und zitternd ging ich in die Kirche und als die vollen Accorde der Orgel ertönten brach ich in eine Fluth von Thränen aus und ich war sehr froh darüber. Ich weiß lieber Schwarz wie viel ungeahnter Schmerz in einer Trennung liegt darum fürchte ich für Mieze und beklage sie unendlich – ich möchte bei ihr sein 278 Die geplante Hochzeit mit der Schwester Emilie war verschoben worden auf einen Zeitpunkt nach der Rückkehr Ludwig Schwarz’ aus Sibirien, also auf Jahre. Die Hochzeit fand im Juni 1853 in Dorpat statt.

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um ihr wenigstens weinen zu helfen denn es liegt gewiß schon darin ein großer Trost mitempfindende Seelen sich nahe zu wissen. Das liebe arme Kind wie dauert sie mich. – Der Reisende ist nie zu beklagen wie grade der zurückbleibende Theil. Jener begrüßt eine neue Welt, er wird heraus gerissen, abgezogen von allem Drückenden daheim und oft ändert sich seine ganze Auffassungsweise. Der einzige Trost dem armen verlassenen Mädchen bleibt der unerschütterliche Glaube an die Stärke und Wahrhaftigkeit der | Zuneigung und Liebe von Seiten des geliebten und verehrten Gegenstandes darum lieber theurer Schwarz schreiben Sie Ihrer Braut recht oft, so oft es möglich ist, lassen Sie keine Gelegenheit vorüber gehen, wo sie nicht ein Wort des Trostes ihr schicken. Bitte  ! Bitte  !, glauben Sie mir, das Mädchen verlangt nicht viel, sie ist dankbar für die geringsten, kürzesten Zeilen und es werden uns ja die glücklichsten, herrlichsten Augenblicke im Leben nur durch solche Weise. – Sie sind nicht wie die meisten Männer, Sie haben eine reiche Seele und werden darum nicht meine Schwester gleichen Schmerz empfinden lassen wie es mir zutheil wurde. Auch bin ich überzeugt daß Sie mir nicht böse sein wollen daß ich Sie mahnte daran. Jetzt bin ich an den Punkt gelangt wo es mir leicht wird von dem Verhältnisse zu Müller279 zu sprechen, ich that es ungern bis jetzt, aber ich versprach meinem Freunde, und das sind Sie wirklich, aufrichtig über alles, was ihn interessiert zu sprechen. Müller habe ich wirklich aufrichtig geliebt aber glauben Sie ja nicht daß ich noch Liebe für diesen Mann empfinde, o, nein  ! Sie ist geschwunden aus meinem Herzen  ! – Erst 15 Jahre war ich alt als Müller nicht wissend, was er that mich aus meiner Ruhe weckte denn ich glaube daß, ohne eine Anregung von seiner Seite ich nie mehr als Achtung für ihn gefühlt. Ein Kind war ich damals noch und konnte mir nicht sagen daß einen so geistig begabten Manne, wie gerade er ist, eine auf gleicher Stuffe stehende Frau nur auf die Dauer fesseln kann, – Ich war unendlich glücklich, dachte nichts als seinen Namen und beinahe 5 ganze Jahre träumte ich von einer goldenen Zukunft. Meine Jugend war hin und ich erwachte, mit offenem Blick erkannte ich die Wahrheit daß Müller mich nie geliebt, nur gewissenlos ein herzloses schlechtes Spiel mit mir gespielt.  – Gern habe ich ihm vergeben, bin ihm gewiß keinen Augenblick böse gewesen, bin’s | auch jetzt nicht denn ich hätte mir wol selbst sagen können was ich von ihm erfuhr.  – Die Kunst hat mich aufrecht gehalten  – Damals malte ich Firsig, den größeren Korb (Sie m ­ üßen sich an die Zeit wohl noch erinnern) und konnte unbeachtet meinen Schmerz bei der Arbeit aushauchen. Des Abends wenn Sie und Freund Schirren kamen war ich scheinbar heiter preßte meine Thränen mit aller 279 Otto Joachim Hermann Müller aus Riga hatte offenbar ein Versprechen gelöst, was möglicherweise auch zu der Entscheidung beitrug, Julie zur künstlerischen Ausbildung ins Ausland zu schicken.

320 | Die Briefe Gewalt zurück und das war nicht gut, es stellte sich in Folge dessen ein heftiger Schmerz in der Herzgrube ein daß ich häufiger ohnmächtig wurde und jetzt noch bei irgend einer Gemüthsbewegung passirt mir’s zu weilen, da ich kaum mehr weinen kann. So also, durch anhaltenden Fleiß betäubte ich meinen Kummer und von dem Momente an betrieb ich die Malerei mit Liebe, ich wußte ja nun erst, daß ich nicht bescheiden bin daß ein Mann mit so hohen Geistesgaben, wie ich ihn wünsche auch das Recht hat von dem Weibe mehr zu verlangen als bloß ein Herz voll Liebe – mehr kann ja ich nicht bieten, ich besitze weder Geist noch Bildung. Ich bin jetzt ganz glücklich, denn ich hoffe mir eine gewisse Selbständigkeit durch die Kunst zu schaffen und verlange nicht mehr an der Welt. Ruhig blicke ich in die Zukunft, ich träume nicht mehr und erwarte nichts und ist das nicht schön  ? – Meine Ansicht über das Leben, meine ganze innere Verfassung habe ich meinen Aeltern schriftlich offen hingelegt und ich hoffe Sie werden zum großen Theil meine Briefe gelesen haben, darum will ich nichts mehr sagen, nehmen Sie nur noch die Versicherung daß Sie mich nicht beleidigt noch gekränkt haben durch ihren wohl gemeinten Rath vernünftig zu sein – im Gegentheil Sie haben mir dadurch gegeben was ich von einem wahren Freunde verlange und erwarten darf und nur herzlichen innigen Dank rufe ich Ihnen aus der Ferne zu. | Es ist heute Ostersonnabend und von allen Seiten kommt man mich zu stören, wie gar traurig wird uns allen dieses Fest durch die Lücke, die unsere ganze Familie durch Ihre Entfernung beklagt. 3 Jahre ist eine lange Zeit und dann erst sollen wir uns wieder sehen  ?  ! Ich kann mir nicht denken daß die Zeit, dieser köstliche Augenblick kommen kann. Sie finden mich im besten Fall als eine alte ernste Freundin wieder und das ist mir nicht angenehm. Ich möchte so gern jung bleiben. Was Sie über meine Arbeiten sagen war mir sehr sehr lieb, lieber sogar als jedes Urtheil hiesiger Künstler, ich danke Ihnen herzlich, mir ist’s leid daß die nächste Sendung Sie nicht mehr sehen dürfen. – Wie gern möchte ich noch mit Ihnen plaudern, aber ich muß scheiden, ach das ist ein so trauriges Wort  ! Wollte Gott wir dürften uns eines glücklichen Wiedersehens freuen. Es muß aber sein, so und nicht anders. Meine Wünsche für Ihr Wohl wissen Sie kommen aus der innersten Seele, Sie erspahren mir daher wohl gern eine lange Versicherung wie rein und aufrichtig meine Liebe und Theilnahme, für alles Nähere und Fernere das Sie betrifft, ist  – Mieze soll von mir häufig Briefe erhalten wenn dieselben sie nur etwas zu zerstreuen vermöchten. Leben Sie also dann wohl  ! Mit den wunschreichsten Grüßen umarmt Sie Ihre aufrichtige Freundin Julie München d  : 7 Aprill 49

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Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 9.4.1849 Zweiter Ostertag 9 Aprill Meine theuren geliebten Aeltern  ! Ich komme aus dem Attelier und da ich Besuch finde, alte Frauen die nichts als Stadtneuigkeiten zu verhandeln haben will ich gleich denn einige Zeilen schreiben. Es sind einige Tage vergangen als ich meinen Brief an Euch abschickte, er ist noch nicht bei Euch es thut mir leid daß er so gar nichts Liebes enthält  ; doch was kann ich machen an mir war gewiß nicht die Schuld  – Seit her habe ich von Mieze und Schwarz einen Brief erhalten mit der Anzeige daß Letzterer geht in das Eisland  ; ich war einige Tage krank von all diesen schlagenden Ereignissen welche ich mit einem Mal erfuhr. Der Brief kam an und ich empfing ihn zufälliger Weise ohne von irgend einem Menschen im Hause gesehen worden zu sein daher weiß Tante und Onkel noch nichts von der entschiedenen Trennung auf 3 Jahre. Der nächste Brief soll alles gut machen ich {h}offe und wünsche, Gott, mag es sein  !  – Gestern am Osterfest haben mich Tante und Onkel recht sehr freundlich überrascht. Der Siegelring mit meinem Namen von Onkel und ein sehr schön, von Tante selbst gearbeiter Geldbeutel mit einigen blanken Gulden. – Der Kragen von Mieze kam mir recht gelegen und er hat viel Freude gemacht, darüber schreibe ich ihr noch selbst. Am Vortisch waren wir in der Kirche und gleich nach dem Essen fuhren wir nach Schwaneck, Schwanthalers Schlößchen.280 Ich hatte schon sehr viel darüber gehört und war eben vielleicht darum nicht so sehr überrascht  ; allein es ist ganz allerliebst, wenn gleich unheimlich, zum Wohnen kaum zu gebrauchen. Sonst war die Fahrt mit [sic] so gar angenehm, der Tag war kühl dabei unerhörter Staub. Aprill d  : 17–49 Verwundert werdet Ihr das Datum ansehen und denken es sey ein Irthum  – so lang zu schweigen wäre Verrath und doch ist’s so. Meine Correspondenz wird eine so ausgebreitete daß ich über das Ferne das Nahe vernachlässigen muß ohne dabei sie zu vergessen im Gegentheil ein Schmerz preßt mir die Brust zusammen da ich bemerke daß ich je älter ich werde immer und immer weniger Zeit habe meine Pflichten und liebsten Bedürfnisse richtig und ordentlich zu besorgen. Briefe von | allen Seiten nah und fern sind eingelaufen, welche theils beantwortet, theils noch daliegen und mir Sorge machen, der Zeit 280 König Ludwig schenkte Schwanthaler ein Grundstück am Isarhochufer in Pullach, auf das dieser eine Burg in mittelalterlichem Stil bauen ließ, die 1843 eingeweiht wurde und dem Künstler in den folgenden Jahren bis zu seinem frühen Tod 1848 vor allem für Feste diente. Die Burg bestand ursprünglich aus einem 26 m hohen Wohnturm und einem achteckigen Treppenturm und wurde nach Schwanthalers Tod nach und nach erweitert. Heute gehört sie dem Landkreis München und wird als Jugendherberge und Bildungsstätte genutzt.

322 | Die Briefe wegen. Gar nichts Wichtiges hat sich in dieser Zeit hier zu getragen auch habe ich nichts Besonderes gearbeitet das des Erwähnens werth wäre. Ich habe an all meinen Bildern bald hier bald dort geflickt und je mehr ich’s thue, desto mehr erkenne ich wie viel ihnen noch fehlt. – Ein Bild um es fertig zu malen braucht eine entsetzliche Zeit und zuletzt sieht man’s ihm nicht einmal an. Am vergangenen Sonntag sind gegen 100 Menschen aus dem Mittelstande, aus München und ihrer Umgebung nach Amerika abgereist. Onkel hatte für einen jungen Apotheker vieles das zu einer solchen Übersiedlung gehört, wie namentlich Gold zu besorgen. Er kam von seinen Aeltern, welche glaube ich, auf dem Lande leben, hat öfter bei uns gespeist und ich aus Grundsatz kam lediglich nicht nach Hause obgleich ich öffter aufgefordert wurde. Dieser Mensch also war ganz und gar fremd in München. Onkel führte und sorgte für ihn als Fremdling und am Sonntage um ½ 6 Uhr Morgens beim abscheulichsten Wetter waren wir auf dem Bahnhof um mit nach Augsburg zu fahren Tante und Onkel ihrem Schützling das Geleit zu geben und ich meine Freunde daselbst zu besuchen – ich sage  : Freunde damit Ihr mich auch recht versteht denn Rugendas zähle ich stark zu denen, die Familie Girl ist der andere Theil. Gegen 9 Uhr kamen wir etwas verfrohren an und nun erst sah ich den angehenden Amerikaner, schauderte aber auch eben so schnell als ich ihn erblickte zurück durch eine Äußerung gegen Onkel, welche wieder die Bayern so recht charaktrisiert  – Er eröffnete ihm nämlich daß am Abend vorher also am Sonnabend, einige Stunden vor seiner Abreise ihm ein Mädchen sehr recommandirt worden sey, welche er sich nun auch gleich als seine Braut mit genommen. Er brachte sie uns und ich benutzte die Kälte als Ausrede um mich von den gemeinen Seelen zu trennen ich ging und spuckte aus. Der Herr Bräutigam wußte uns nicht einmal den Namen seiner Braut zu sagen, O pfui immer mehr solche Gesichten muß man hören. Keine Heirath macht sich auf dem natürlichen Wege, immer Kuppelei. Der Tag hatte mir also ein recht widriges Gefühl gebracht und um mir Luft zu machen resornirte ich | gewaltsam – Tante und Onkel welche an solche Sachen gewöhnt sind wunderten sich wie mich das so entsetzen kann und je mehr sie sich über mich wunderten desto böser wurde ich, und als ich endlich sagte fast auch Thränen im Auge, wenigstens war meine Stimme sehr gepreßt  : »Es ist mir so weh zu wissen daß ich aus München, und Bayern überhaupt, keinen einzigen schönen Zug, keinen schönen Charakter, kennen gelernt, ich werde nicht können mit Liebe denken und weilen an das Land das ich so gern nennen möchte.« Diese Äußerung brachte meine Gegner zum Schweigen – Ihr könnt nicht glauben wie verstimmt ich war. Zu Girl’s ließ ich mich führen und nach dem Essen gingen wir zu Rugendas. Der liebenswürdigste unter allen Menschen und seine 80jährige Mutter und einzige Schwester dämpften meinen Verdruß. Über diese Leute, die Freude des Wiedersehens etc könnte ich manches sagen, viel, sehr viel Liebenswürdiges erzählen, allein es fällt

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mir ja ein daß ich mich inacht nehmen muß zu schwärmen, man legt gern die Worte anders aus als ich sie gebe also davon schweigt die Politik. – Drei bis vier allerliebste Bildchen sah ich in seinem Attelier und auf meine Frage was ein Bild bei ihm koste (ich habe übrigens schon schriftlich ihn gefragt) sagte er daß er mir Pausen mit geben wolle um den Leuten diese zu zeigen. Es wäre wol schön wenn Brederlo281 Bestellungen machte bei ihm, denn dieser große Künstler hat wirklich nicht wenig mit gemeinen Sorgen zu kämpfen. Seine Mutter und Geschwister erhält er ganz und es wäre ihm schon zu wünschen. Den Abend um 5 Uhr holte mein Freund mich von Girl’s und begleitete mich auf die Eisenbahn, wir unterhielten uns ganz nett bis 7 Uhr. Ein großer erhabener Geist, ein kindlich offenes Gemüth, mit einem Wort ein ausgezeichneter Mensch. Ich habe Freude gehabt daß er mir sagte daß meine Briefe ihn ungemein erfreuen, er findet daß ich allerliebst schreibe. Übrigens glaube ich daß er einer von denen ist wo es mir am leichtesten wird, recht scherzhaft, ungezogen oft ohne beleidigend zu sein  ; – ich habe schon 4 Briefe von ihm auch ebenso tolles Zeug schreibt er mir und meiner Kleinen wie wir. | So geht es, fängt man erst einmal an das Lob eines Menschen zu singen, so sagt man mehr als man sich und andern gelobt. – Also es muß ein anderes Thema aufs Tapet kommen. Meine liebe Kleine geht in 14 Tagen von Bernhardt und aus München fort. Es thut mir sehr leid, ich verliere viel, sehr viel, – Wir malen noch jetzt zusamm etwas, eine Bruststudie muß noch entstehen, den Kopf haben wir heute begonnen, es ist eine Girl282 welche sehr schön ist, sie weiß und ahnt nicht zu welchem Zweck sie verbraucht wird, ich muß nun heimlich den Kopf für sie copiren (Abb. 14). Karl hat mich durch einen freundlichen Brief erfreut, Hüttels ebenfalls und die alte Herrmann. Die gute Frau  ! – Hüttels Briefe waren reich an Nachrichten. Vater, Vetter und beide Töchter haben mir geschrieben. Auguste, die älteste von den beiden lieben Mädchen ist nämlich Braut mit einem Lehrer aus Leibzig welcher an der Handelsschule angestellt ist – mir hat diese Nachricht sehr große Freude gemacht. Ihr seht daß ich es noch trotz meiner Ansichten gut und schön heiße wenn meine Freundinnen alle heirathen es muß auch gewiß eine jede thun so bald sich eine Gelegenheit findet, wenn sie nicht die Kunst mit Ihren ernsten Anforderungen folgt, – Ich kann nicht denken daß 281 Friedrich Wilhelm Brederlo (1779–1862) war Großkaufmann und der bedeutendste Kunstsammler in Riga. Er vermachte später seine Gemäldesammlung geschlossen der Stadt Riga, vgl. den Katalog zur Ausstellung der Sammlung Brederlo anlässlich der 800-Jahrfeier Rigas (Upeniece, 2000). 282 Vermutlich war das Modell Marie Girl (1834–1917), die ebenfalls eine künstlerische Ausbildung erhielt und sehr schön gewesen sein soll. Ein in Privatbesitz erhaltenes Porträt Marie Girls ist vielleicht mit dem hier erwähnten Bildnis in Zusammenhang zu bringen (Öl auf Leinwand, 46 × 40 cm, Privatbesitz), es ist allerdings oben links mit »H Girl« bezeichnet (vgl. Abb. 14).

324 | Die Briefe ich je den Schritt thue da ich nicht bescheiden genug bin ich verlange ohne das Recht zu haben ungeheuer viel und ich werde alt und häßlich aber bleibe dabei glücklich und zufrieden, wenn ich stets, mein ganzes Leben hindurch mit solchen Gefühlen meinen Weg bahne dann bin ich gewiß die Beneidenswertheste der Welt. Das Eine glaube ich vor andern Mädchen voraus zu haben, nicht mehr zu träumen und nichts von der Zukunft zu erwarten – Was auch kommen mag ich werde mich durch nichts getäuscht fühlen und das ist einem jedem Menschen meiner Ansicht und meinem Gefühl nach zu wünschen. | Ich weiß nicht wie es kommt, aber ich meine nie in meinem Leben wäre mir die Zeit verstrichen wie jetzt. Monate scheinen mir Wochen und so bin ich mit Blitzesschnelligkeit über die kalte Jahreszeit hinweg gekommen, ohne recht mit Bewußtsein von dem Winter sprechen zu können. Es ist wieder grün was mir nicht so sehr auffällt. Man freut sich hier viel weniger über das Grüne der Bäume und Wiesen als bei uns nach so harter Kälte  – Den künftigen Winter werde ich wol bei Euch zu bringen noch weiß ich nichts Gewißes. Rugendas wünscht durchaus daß ich noch ein paar Jahre in Deutschland oder Italien studiren soll, er will mir wenn er kann behilflich sein – will Zeugnisse schaffen wenn es nöthig wäre u. s. w. durch sein drängendes Zureden kann es sein daß ich in Augsburg ein paar Porträts ausstelle. Ich will sehen ob die Furcht vor Bernhardt mich nicht davon zurück hält. Bernhardt hat seit ein paar Tagen ein kleines Söhnchen. Seine Familie kann wohl sich bis auf 25 hinauf vergrößern, denn er und sie sind noch jung  ! Sonntag d  : 22 März [sic] 49 Wir sind völlig eingeschneit, so viel Schnee ist gefallen und dabei ist es unfreundlich kalt wie es den ganzen Winter nicht war. Lawinen (d. h. die von den Dächern stürzen) drohen denjenigen zu verschütten welcher wagt einen Schritt aus seinem Hause zu machen, kurz wir haben des Winters ganze Liebenswürdigkeit wieder, recht schrecklich  !  – Gewiß ist diese Sendung eine Strafe von Oben für meine Klage nicht mit Bewußtsein vom Winter reden zu können, ich sehe es wenigstens als solche an.  – So eben habe ich einen Brief an Rugendas geschrieben. d  : 29 [gestr.: März] Aprill. Ganze 8 Tage sind verflossen und ich habe Euch nicht schreiben können, es ist mir sehr leid  ; aber diese Woche hat mir keinen einzigen freien Augenblick geboten nur irgend etwas zu thun daß gerade keine Arbeit hieße, geschweige denn etwas zu ruhen. Des Morgens stehe ich viel angegriffener auf als ich des Abends mich nieder gelegt. Selbst heute am Sonntage finde ich nur wenig Zeit zu schreiben, da ich ins Attelier muß. Am vergangenen Sonntag wie ich sehe bin ich auch nicht weiter gekommen  ; ich glaube man störte mich ein langweiliger | Besuch wol. Euer Brief ist gestern gekommen, hat einige Tage länger gebraucht um her zu kommen. Die Wege müßen bei Euch schlecht sein, daher fürcht ich daß auch der meinige länger ausbleiben möchte und Euch Unruhe verschaffen. Die Beantwortung Eurer Briefe will ich versparen, will Euch

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Abb. 14  : Helisena Girl, Bildnis Marie Girl, ohne Datum, Privatbesitz

nur herzlich danken für denselben und erzählen wie ich meine Zeit in dieser Woche verthan. – Meine liebe Kleine hat die größte Schuld daran, sie ist nämlich gestern früh um 6 Uhr abgereist zu ihrem Vater. Wie gewöhnlich so war es auch hier, häuften sich eine Menge Arbeiten zusammen welche alle noch fertig werden mußten so namentlich ein Paar Bruststudien welche ich gern mit malte um wieder abzukratzen, dann hatte sie noch Porträts zu vollenden und so kam es denn daß wir um 6 Uhr des Morgens schon im Attelier saßen und fleißig waren, den ganzen Tag über

326 | Die Briefe bis gegen 7 Uhr Abends, Ein Brustbild habe ich fertig gemacht das Bernhardt sehr gelobt hat in der Wirkung sey es sehr gut, dann an der Tante mancherlei ausgekratzt, wie z. B. die ganze Traperie der Hand und wieder gemalt und endlich mich selbst fertig gemacht d. h. das Gesicht zum zweiten Mal übermalt da es zu dunkel geworden und jetzt ist es auch sehr ähnlich. Wenn ich nur einen malerischen Stuhl fände dann würde ich das Bild ganz vollenden, es freut mich jetzt sehr, ich hoffe es wird nicht so schlecht werden. Bevor das Bild nicht fertig ist kann ich immer noch nicht daran denken meine Studien fort zu schicken. Die Klio hat auch noch eine Lasur an ihrem Gewande nöthig. Der Beschauer eines Bildes ahnt nie was der Künstler für Noth gehabt bis er es zu stande gebracht, wie viel er daran gekratzt und übermalt und wieder gekratzt. – Es ist gewiß gut daß der Jüngling oder das Mädchen welche anfangen an die Malerei zu denken oder sie als ihr Studium, ihre Lebensaufgabe anzusehen, keine Ahnung von den Schwierigkeiten, und all den ernsten Anforderungen der Kunst hat, sonst fänden sich gewiß nicht so viel schlechte Künstler, Schwächlinge mit einem Wort. – Ich will aber wieder beginnen von dem Treiben der letzt vergangenen Wochen zu erzählen  ; ich verliere mich manchmal in Betrachtungen, wie | es auch jetzt der Fall war. Also, die Kleine. Wir malten mit einander, den Abend waren wir häufig bei sammen ich mußte zu ihr und kam ich denn heim so hatte ich Pinsel zu waschen und auch auf der Zitther zu üben damit die Stunden nicht ganz umsonst bezahlt werden dürften darum mußte alles schreiben an Nah und Ferne unterbleiben. Ich hoffe Ihr werdet nicht einen bösen Willen hinter diesen aufgezählten Gründen suchen, sondern mir glauben daß es mir recht schwer ist ums Herz, so wenig Zeit für Euch zu verwenden. Am vergangenen Sonntag schrieb ich an Rugendas d. h. ein kleines Blättchen nur da die Kleine es that und ihm ein Lebwohl schriftlich sagte. Am Mittwoch kam ein Brief an mich adressirt an worin R. uns anzeigt daß er Donnerstag zwischen 4–5 Uhr mit der Eisenbahn in München eintreffen und er sogleich in unser Attelier kommen würde um Mariechen ein Lebewohl zu wünschen. Diese Aufmerksamkeit hat uns beide tief gerührt und richtig, er hielt Wort – Die Uhr war noch nicht 5 und Rugendas von Schweis durchneßt trat ins Attelier. Es war zu viel Aufmerksamkeit aber eine ungezwungen freie Gabe erhebt das Gemüth ungeheuer, er mußte auch viel Schönes von uns hören aber lang noch nicht genug  ; lang nicht so viel als er verdiente. Er besah all meine Arbeiten sagte was ihm anders besser gefiele aber war im Allgemeinen wol zufrieden und die Worte  : »ich freue mich wenn Sie so hübsch mich malen werden« haben mir ungeheuer Freude gemacht. Wir besprachen auch wie er sitzen wolle, im Costüm, brasilianisches allein ohne Kopfbedeckung – Im vertraulichen Gespräch verging die Zeit bis 7 Uhr und wir schieden, ich ging für den Abend zur Kleinen.  – Den Tag darauf am Vortisch kam er wieder und nachdem er an meinem Porträt corigirt d. h. mit Worten (ich malte gerade daran) erzählte er uns wie es ihm so

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schwer werde nach München über zu siedeln, denn er lebt wirklich in recht gedrückter Lage. Seine kleine Familie hat er nicht allein zu erhalten sondern auch vor Jahren gemachte Schulden zu bezahlen da durch aus gar kein Vermögen sie besitzen. Bilder werden zu jetziger Zeit nicht verkauft und so wäre er gezwungen, | Geld das noch nicht sein ist heraus zu nehmen. Ich bat ihn dringend nur zu sagen wie viel er für ein Bild verlange da es möglich wäre daß Brederlo in Riga das Geluste hätte eines zu besitzen, seine Antwort war 40 Louisdor und er sagte, ich möchte doch nur ja von keiner schönen sauberen Ausführung reden damit die Leute darin nicht getäuscht sich sehen, eine Zeichnung, die Composition will er mir machen so groß um in einen Brief zu thun. Es wäre schön, wenn es Dir lieber Vater gelänge ein Bild von ihm nach Livland zu ziehen und ihm wäre sehr geholfen. Es ist so traurig daß die größten Geister mit den gemeinsten Sorgen große Kämpfe zu bestehen haben.  – Von uns aus ging er zu Tisch und dann auf die Eisenbahn um wieder fort zu fahren. Ich bin ihm so dankbar daß er so freundlich uns einen Blick in seine Verhältniße gestattete. Arm sind die tüchtigen Leute Alle, wieder ein neuer Beweis. Der Maler Hagen gehört auch zu denjenigen welchen ein sorgenfreies Leben zu wünschen wäre, – Also wenn Du etwas thun kannst so thue es doch ja. Abends. Den ganzen Vortisch bis 3 Uhr malte ich am Bild der Kleinen, das nicht fertig wurde, welche sie mir zurück gelassen. Ich retuschirte den Kopf bin aber nicht fertig geworden morgen noch eine Stunde muß ich dazu verwenden, außerdem sind noch ein Paar Porträts da welche ich fertig zu machen habe. Wer wird meine Arbeiten vollenden wenn ich fort gehe  ? Sehr heftige Kopfschmerzen habe ich, welche mich zwingen werden mich früh zu Bette zu legen. – Die Dagerotype von der Kleinen habe ich beim Abschied bekommen, welche jedoch nicht ganz ähnlich ist – Es ist so ärgerlich daß sie nicht nur fast aufgeschoben ist auch oft schon aufgehoben, sehr richtig finde ich diesen Satz. – d  : 30 Aprill. Der letzte Tag dieses Monats. Morgen begrüßen wir die Maysonne, ich hoffe sie werde freundlich scheinen da es zwei Tage stark geregnet ohne daß das Barometer gefallen war. Ich habe zwei liebe Freunde im Hofgarten, welche jeden Morgen mir zu Füßen fallen und ein Krümchen Brod mir abbetteln. Zwei allerliebste Finken sind’s die immer zu warten scheinen. Es macht mir Spaß daß diese kleinen Geschöpfe gar nicht furchtsam sind sondern so nah wie nur immer möglich | an mir heran kommen, und jeden andern lüsternen Kameraden augenblicklich davon jagen. – Heute Nachtisch bin ich nicht im Attelier da ich die Tante nun auch ganz fertig habe. Durch Fräulein von Trott,283 meine nächste Nachbarin weiß ich daß Bernhardt mit mir sehr zufrieden ist er hat sich wiederholt sehr vortheilhaft über meine Leistungen ausgesprochen, das sage 283 Die Malerin von Trott konnte bisher nicht identifiziert werden.

328 | Die Briefe ich aber nur meinen Aeltern, denn andere würden spotten und sich nicht freuen wie diese. Was das beantworten Eurer Briefe betrifft glaube ich weise zu sein ganz still zu schweigen, kein Wort mehr zu verlieren. Nur Eines bitte ich daß meine Briefe an Euch, alle ohne Ausnahme weg gelegt werden, damit ich einst mich rechtfertigen kann wenn es nöthig ist, – ich habe nie was gethan, gedacht, das ich nicht auch aussprechen könnte, nie etwas böses gegen Euch im Hinterhalt gehabt, sondern offen und wahr gegen Euch gewesen, ist das falsch angebracht gewesen so thut’s mir weh. Daß ich das Eigenthum anderer, ich meine den Brief an die Tante angetastet geschah nicht aus Bosheit, weshalb  ? das habe ich deutlich Euch erklärt und daß es keine gemeine Entwendung gewesen beweist dies daß ich den Brief Dir zurück gesandt, hast Du mich falsch verstanden und bin ich Dir als ein böses Kind, das zu verachten werth Dir schien, erschienen dann habe ich nichts weiter zu wünschen und zu bitten nur zu verzeihen und zu gleich Dir das Versprechen zu geben nie wieder durch solche Dinge Dich zu kränken. – Tante ist sehr gut wir haben uns lieb, ich vertraue ihr gern und ich bin sogar der Meinung daß diese Sachen kommen mußten damit wir uns gegenseitig Gelegenheit hatten uns zu verstehen und kennen zu lernen. Sie hat gesehen daß alles was ich ihr früher gesagt nicht blos ein albernes Spiel war daß meinen Worten zu glauben ist. Sie und der Onkel grüßen recht herzlich, sie sind gesund und arbeiten viel im Garten, woselbst das Gras schon so hoch ist daß es gemäht werden kann, die Bäume blühen ganz lustig, und die Vögel singen lieblich. Daß Sivers viel zu thun hat ist schön und gut, sagt ihm daß ich ungeheure Freude darüber habe. Spielt er noch das Violonschell  ? – Was macht Hartmann  ? Der arme Teufel | hat wohl wenig zu thun. Komme ich nach Dorpat und finde nichts zu thun dann gehe ich nach Revall da hoffe ich geht es mir für eine Zeitlang gut, nach Petersburg möchte ich nicht, nach Riga meines gewesenen Freundes wegen nicht,284 sonst wäre mir das eine liebe Stadt, die ich vor allen übrigen der Ostseeprovinzen vorzöge. Bis dahin macht sich’s schon, ich denke recht gern so weit voraus. Die Gesandschaft hat der Tante gesagt, welche mir den Gefallen that und hinging, daß ich eine Bittschrift einreichen müße um eine Verlängerung meines Paßes wenn die darin angegebene Zeit abgelaufen sey. Nun ist aber die Zeit schon vor zwei Jahren abgelaufen. Ohne daß ich eine Bittschrift eingereicht bin ich hier geblieben also was hindert mich denn jetzt noch, ohne darum zu bitten hier zu bleiben  ? ich bleibe vor der Hand, und bitte nur des Geldes wegen für meinen Paß Euch keinen Kummer zu machen. Schwarzens Abreise, das Schwören zur russischen Fahne hat mich trübe gemacht. daß Schwester Mieze aber sehr traurig ist und nicht so kalt ist wie sie 284 Gemeint ist Otto Müller.

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Abb. 15  : Briefsiegel, Brief von Julie Hagen an ihre Eltern vom 3.1.1850 aus München, Familienbesitz

scheint das weiß ich gewiß, ich weiß auch daß sie die allergrößten Anstrengungen gebraucht um ihren Schmerz, ihre Thränen vor dem Abreisenden zu verbergen damit diesem das Fortgehen leichter werde – Sie that wie ich’s gethan in einer trüben Zeit aber es ist nicht gut und ich fürchte daß auch bei ihr sich ein Schmerz in der Herzgrube einstellt, wie ich ihn damals zum ersten mal empfand und welcher sich bei einer Gemüthsbewegung immer wieder einstellt und oft so heftig wird daß ich alle Röthe im Gesicht verliere und einer Ohnmacht nahe bin. Die Nacht vom Sonnabend auf Sonntag habe ich den hier so bekannten Alpdruck gehabt, es war ein fürchterliches Gefühl und wie der Schmerz auf der Brust verging war mir’s als hätte ich ein Blutsturz denn so nach allen Seiten strömte das Blut vom Herzen aus, im selben Augenblick was es mir auch wieder möglich mich zu bewegen und entsetzt schlug ich die Augen auf suchte in meinem Bette das Blut allein fand keines. – Da die Kleine nun nicht mehr da ist und die Tage auch wieder lang sind | will ich wieder anfangen zu Mittag nach Hause zu gehen, ich muß es thun da ich bemerkt daß ich keine fetten Speisen vertragen kann, mein Magen muß sich wieder an Ordnung gewöhnen. Tante hat soeben mir aufgetragen Euch zu fragen ob die Preußischen Cassenscheine in Rußland angenommen werden  ? Sie läßt herzlich grüßen – sie hat mir heute so halb und halb versprochen für Dich Vater noch einmal zu sitzen, jetzt ist sie übrigens sehr verbrant [sic]. Es ist mir lieber nach der Natur zu malen als nach meinen Arbeiten zu copiren, überhaupt das Copiren ist mir ein nicht lieber Gedanke. Das Fräulein Girl ist nicht verbraucht zur nakten Figur wie ich anfangs geschrieben, ich wagte es nicht zu thun. – Ein Bierkravall erwartet man in diesen Tagen, eine Schande für München  ! – | Gar nichts weiß ich jetzt mehr zu erzählen und darum thue ich gut den Brief zu siegeln und ihn noch heute auf die Post zu tragen. Das Siegel betrachtet (Abb. 15), es ist das meines Ringes. Lebt wohl und heiter  ! Den Geschwistern allen Grüße auch allen Bekannten. Lebt wohl und in Liebe gedenket Eurer Tochter Julie

330 | Die Briefe Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 10.5.1849 d  : 10 May 1849 Meine theuren vielgeliebten Aeltern  ! Mit einem Seufzer beginne ich heute und möchte weinen daß so sehr viele Tage vergangen ohne daß ich nur die Zeit gefunden hätte Euch meine Liebe zu versichern. Ich weiß nicht genau wann ich meinen Brief an Euch absandte doch gewiß ist mir noch im Aprill, also sind schon 14 Tage hin  ! Was ist geschehen in dieser Zeit  ? was habe ich Euch erzählt was nicht  ?  – Die liebe Zither raubt mir alle Zeit die freilich nur auf wenig viertel Stunden sich am Tage reduciren außer denjenigen, welche im Attelier mit dem Malen vergeht. Das wißt Ihr wol daß meine liebe Kleine fort ist, damals arbeitete ich mit ihr  ; häufig um 6 Uhr Morgens fingen wir an und in einem Zuge bis am Abend 6, auch 7 Uhr. Es war zuviel und doch wieder nicht. Der Künstler sollte von der Natur mit wenigstens dreifacher Lebenskraft ausgestattet sein und fortdauernd so viele Zeit zu arbeiten dann würde er auch weiter kommen. In den ersten Tagen fühlte ich mich entsetzlich verlassen. Das Attelier erschien mir jetzt ohne Herz, der Kopf und die Hände waren ihm zurück geblieben und mir wurde so kalt dabei. Ich ging auch wieder zum Essen nach Hause, kurz unser burschikoses Leben hatte aufgehört. Ich pfiff nicht mehr mochte keinen Thee trinken, er schmeckte mir so allein nicht mehr  ; auch singe ich nicht mehr seit sie fort ist  ; ich bin ein arger Philister geworden. Allein so fort zu leben geht nicht, der Reiz welcher darin liegt verliert sich augenblicklich sobald man allein ist und es wird gemein. – Der erste May kam, aber er brachte den Menschen keinen Sonnenstrahl sondern Regen, was es bis auf den heutigen Tag noch that. Mir aber wurde ein Brief von Schirren was seltener und darum schöner als jeder Glanz und jede Wärme der Sonne ist. Der arme Mensch klagt immer noch über körperliches Unwohlsein, Folgen der unzähligen Fieberanfälle, ferner kann er nicht nach Deutschland, sein Brief ist freundlich und doch fühlt ich’s hindurch daß er aufgeregt gewesen als er ihn schrieb, übrigens leugnet er’s auch nicht. Das er Bräutigam ist schrieb er nicht auch sonst nichts von seinen äußeren Verhältnißen, Er setzt voraus daß ich Alles wisse, sonderbar  ! – Am selben Tage also am ersten May kam ein junger Bildhauer zu mir ins Atte­lier im Auftrage des Rugendas um mir zu sagen daß mein Paß verlängert wurde.  – Der liebe Mensch war | wie ich erfuhr im letzten Augenblick seines Hiersein’s noch zum Russischen Gesandten gegangen und hat diesem die Hölle heiß gemacht hat Lärm geschlagen über die Größe meines Talents. Kurz mein Paß wird ohne Bittschriften verlängert. Ein Wort nur aus dem Munde eines solchen Mannes, was das durchdringt, und einen schönen Klang hat. Ich glaube 10 und 20 Bittschriften von mir hetten keine Wirkung gemacht im Gegentheil

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mich vielleicht Augenblicklich zurück gerufen. In diesen Tagen muß der große Rugendas kommen aus Augsburg und wird mir dann genauer selbst darüber berichten. Dresden das schöne, jetzt arme Dresden  ! Seit ein Paar Tagen habe ich fast keinen andern Gedanken als Dresden und immer wieder Dresden. Wenn man so fast jeden Stein, möchte ich fast sagen kennt von einem Orte so kann einem das Herz bluten wenn solche Zerstörungen statt gefunden. Diese enorm große Kupferstichsammlung, dieser Schatz ist in wenigen Augenblicken unwiderruflich in ein Nichts zerfallen, Gott weiß wie viel unersetzlicher Schaden der Gallerie selbst geworden  ? Es ist gräßlich  !285 In München erwartet man ähnliche Kämpfe. Gestern schon waren Kanonen aufgepflanzt, der Studenten wegen, doch es ist nichts passiert. Gott mag München schützen  ! Denn das Volk ist ganz entsetzlich roh. Nichts wird ihnen zu heilig sein wenn es einmal gilt zu trotzen. Vor einem Jahre, wie ergriffen waren alle Gemüter als die erste Schlacht in Berlin statt gefunden, damals schrie Alles, man schimpfte, oder weinte je nach dem. Jetzt aber wo es in diesem Jahr allenthalben vorgekommen ist man gewohnt darin. Nicht mehr erschrickt man, sondern geht am Abend ins Theater, Concerts oder in eins der öffentlichen Gärten zur Musik. So kann man sich gewöhnen an das Bittere das das Lebens bringt und mit Gleichgültigkeit geht man daran vorüber. d  : 11 Morgens. Heute der erste sonnenhelle Tag im May, vielleicht bleibt es nun auch wieder schön. Gestern Abend konnte ich nicht mehr schreiben wie mein Wille war da Tante mich an meine Pinsel erinnerte welche zu waschen waren. Es ging alles zur Ruh und ich ärgerlich legte meinen Brief beiseite und habe fast zwei Stunden noch Pinsel gewaschen. Vor ein paar Tagen hatten sich so viel zusamm gesammelt daß ich glaubte nicht fertig zu werden, es ist eine scheusliche Arbeit. Die große Schatten|seite der Malerei. Mein Bild ist fertig bis auf einige kleine Lasuren welche mir vielleicht höchstens einen Tag kosten. Bernhardt war zufrieden und fand namentlich daß es sehr ähnlich sey und daß es gut in der Wirkung. Den Sieg habe ich jetzt. Alle finden es sehr hübsch. Meine lieben Aristokraten haben schon lang sich ausgesöhnt und vollens jetzt sind sie ganz zufrieden da das Bild ihrer Würde der Weiblichkeit nicht zu nahe treten wird. Man gratuliert mir von allen Seiten. Ich glaube nicht daß ich die Feder auf den Hut stecken werde noch weiß ich nicht was ich thue. Mich selbst freut das 285 Julie Hagen bezieht sich hier auf den sogenannten Maiaufstand in Dresden vom 3. bis 9. Mai 1849, der ein Versuch war, den sächsischen König Friedrich August II. zu stürzen und eine sächsische Republik auszurufen. Der Aufstand, an dem auch Dresdener Intellektuelle wie Gottfried Semper und Richard Wagner beteiligt waren, wurde unter hohen Verlusten an Menschenleben niedergeschlagen. Durch die »rabiate Krisenbewältigung« der Regierungstruppen nahmen auch historische Bauten erheblichen Schaden und Julius Schnorr von Carolsfeld bilanzierte später 83 beschädigte Gemälde in der Gemäldegalerie (vgl. http://archiv.neumarkt-dresden.de/revolution_neumarkt.html [aufgerufen am 16.8.2018]).

332 | Die Briefe Bild ungeheuer und darum wünsche ich nur daß es Euch nicht minder Freude macht, wenn es nur schon fort wäre  ! Später Zu Mittag wieder einmal im Attelier, ich finde es so bequäm nicht zu Mittag zu essen daß ich mein ganzes Leben es so machte wenn es ginge. Wie ich sehe regnet es schon wieder. Der May ist wahrhaft ohne Sonne. Gott gebe daß Ihr eines schöneren Frühling’s Euch erfreuen könntet. Von der Kleinen erhielt ich einen Brief welcher mich aus meinem Verdruß heute auf einige Augenblicke riß  ! Gestern habe ich die kleine Maria, (meine Wäscherin) angefangen auf einem Brett zu malen und die Farbe will durchaus nicht sitzen bleiben, das Brett ist ihr wol zu hart, es fehlt ihm das Elastische der Leinwandt  ; ich muß mich entsetzlich quälen und doch muß ich die verdammten Bretter davon ich 6 habe, verbrauchen  ! Abends. Die Zeitung haben mich furchtbar angegriffen, der Kampf in Dresden ist furchtbar, die Madonna von Morilleo,286 das köstliche Bild  ! was mögen meine lieben Hüttels und Herrmann’s machen  ?? wenn ich nur schon Nachrichten hätte. München ist überfüllt von Militär zwei Lager werden wir bekommen. Die guten Deutschen sind wie die Kinder, sie wissen nicht was sie wollen. Zuletzt wird ihnen ein gleiches Loos als uns im Zarenreich.  – Meine Kleine grüßt Euch herzlich. d  : 12 May 49 Mir ist immer als hätte ich Euch noch Gott weiß was alles zu erzählen allein Dresden geht mir gar nicht aus dem Sinn und läßt keinem anderen Gedanken Raum. Es regnet immer noch. Die Blüthen werden dies Jahr fruchtlos sein. Die Tante kocht Seife ist also sehr beschäftigt. Der Onkel ist trotz des Regens viel im Garten. Das Gras auf den grünen Plätzen ist schon gemäht, kann aber nicht trocken werden wird wol verfaulen müßen. | später im Attelier Ich will versuchen mich durchs Schreiben von einem Schreck zu erholen der soeben mich bleich gemacht und sehr außersich zugleich. Heute war ich also hergekommen um an meiner Klio den letzten Pinselstrich zu machen, da sie sehr eingeschlagen war sagte Bernhardt ich sollte das Bild mit französischem Firnis überziehen was ich auch that. Es ging alles ganz gut als plötzlich im Rücken sich mehrere rothe Striche und Flecken zeigten. Ich fuhr zusamm, besah meinen Pinsel welcher ganz rein war. Und schon war der Firnis trocken, was war zu thun  ? lang durfte ich mich nicht besinnen ich goß die ganze Firnisflasche auf den Rücken nahm einen Lappen und rieb so lang bis diese schrecklichen Streifen so ziemlich weg gegangen habe aber an manchen Stellen die feinen Lasuren 286 In Dresden befindet sich eine Maria mit dem Kind von Bartolomé Esteban Murillo (1617–1682) (um 1670/80, Öl auf Eichenholz, 166 × 115 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 705).

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mit fort gerieben. So gut ich konnte habe ich’s wieder verbessert nur darf man das Ding nicht in der Nähe besehen dann sind auch noch einige rothe Striche deutlich. Dies soll mir eine Lehre sein daß man einmal aufhören muß, um nicht durch den Neid des Zufalls gezwungen zu werden aufzuhören. Tante hat Leinwand am vergangenen Sonntag auf der Tuld gekauft um für Mieze Hemden zu machen. Sie ist recht fein und Tante freute sich wie ein Kind als sie es nach Hause gebracht. Sonntag gegen Abend. d  : 13 May. Wieder kehre ich bei Euch ein nachdem ich mich müde geschrieben. Endlich liegen nun 4 Bogen vor mir an die lieben Moskoviter und eine ungeheure Last hat sich von meinem Herzen gewälzt. Nun muß ich noch den lieben Dresdnern schreiben dann wird mir ganz leicht werden. Es ist doch sonderbar wie schwer einem das Schreiben nach so langer Zeit wird. – Täglich und Täglich erhält München einen feindlicheren Ausdruck. Kanonen zum Angriff jeden Augenblick bereit sind auf dem Gastaig einer Anhöhe an der Isar gegen die Stadt, aufgestellt. | Sobald es hier losgeht werde ich schreiben. Täglich d. h. wenn die Post geht und wenn man überhaupt zur Post gelangen kann da sie vor dem Schloße sich befindet. Wir leben im Garten außerhalb der Stadt daher weniger wir und Ihr zu befürchten habt. Die Macht der Regierung ist gegenwärtig sehr groß, alles Militär ist zusamm gezogen und dasselbe soll äußerst erbittert sein.287 später Wir waren gegangen um das Lager uns anzusehen. Die Leute sind sehr beschäftigt im Aufschlagen der Zelte, Gräben ziehen, Brunnen graben etc. Mir hat die Gesichte sehr gefallen. Es hat einen orientalischen Anstrich. d  : 21 Ich möchte nicht einmal nach dem Datum des letzten Tages schauen wo ich an Euch zu letzt schrieb um nicht zu erschrecken, es ist lang daß ich nichts sagte aber doch dachte und das Letzte war innig und tief daher müsst Ihr nicht zürnen. Weshalb ich schwieg hatte seinen Grund. Ich hatte mir nämlich vorgenommen nie in trüber Stimmung zu schreiben namentlich Euch nicht und die ganze vergangene Woche ist in wirklicher krankhaft betrübter Stimmung hingegangen und schien mir kein Ende nehmen zu wollen. Gestern am Sonntage habe ich viel geweint und ich konnte mir nicht sagen weshalb. Das Gefühl der Sehnsucht war wieder einmal recht groß geworden und ich sehnte mich bei der Arbeit nach gewohnter Weise zu zerstreuen, es gelang mir aber nur zur Hälfte. 287 Nach Ablehnung der Deutschen Reichsverfassung am 23.4.1849 durch die bayerische Regierung (und anderer deutscher Teilstaaten) spitzte sich die Lage erneut zu. Die Regierung ging nun entschieden gegen republikanische Kräfte vor. Sie verbot die Märzvereine und sorgte für ihre Auflösung. Insgesamt berichtete Julie Hagen, wie sie sich geschworen hatte, nur noch wenig von den politischen Ereignissen in München.

334 | Die Briefe Die ganze Woche bin ich nicht zu Tisch nach Hause gegangen denn es war bis auf den heutigen Tag fort während schlechtes Wetter, immer und immer Regen und kühle Tage brachte der May den Erdenkindern daß ihnen fast der Glaube an einen Sommer schwinden wollte und dann fühle ich durchaus nicht mehr ein Bedürfnis zu essen. Indes über meinen Magen verliere ich zu viel Worte  ; ich komme nicht dazu für Euren Brief zu danken, welcher Gestern meiner harrte als ich Abend’s 7 Uhr heimkam. Er hat mich sehr erfreut aber meine Sehnsucht nach Euch wol eher vergrößert | als gestillt. Heute geht es besser und ich will nun Euren Brief beantworten. Er ist ungewöhnlich kurz und darin fand ich für mich eine Entschuldigung da der Meinige ebenso kurz wird. Ihr seid gesund und das ist schön und erfreulich  ; Möchte es nur von Bestand sein. – Betreff Carusens habe ich mich nach Kräften erkundigt und immer nur sehr gute Sachen gehört. Hauser’s Metode soll ganz vorzüglich sein auch sonst sollen seine Schüler ihn gern haben trotz seines heftigen Temperamentes. Ich gehe vielleicht noch heute zu einer andern Sängerin wo ich auch etwas zu erfahren hoffe. Jedenfalls soll die Anstalt sehr vorzüglich und empfehlend sein. Wie und wo die junge Dame unter zu bringen wäre ist nicht leicht zu beantworten. München ist nicht der Ort wo man Gesellschaft der Art, wie man sie bei uns findet, suchen darf. Für die Damenwelt ist gar nicht gesorgt. Die muß hübsch artig zu Hause hinter dem Ofen sitzen solang der Mann auswärts sein Bier trinkt. Tante würde sie nicht nehmen. Ich sprach nicht mit ihr darüber da ich voraus ihre Antwort weiß. Sie wäre sehr genirt etc. Hauser’s mit denen ich sprach sprechen das selbe und sie wissen kein einziges Haus zu empfeh{l}en. Es wird sehr schwer halten. Rugendas ist noch immer in Augsburg. Es ist schon jetzt recht ärgerlich. In diesen Tagen werde ich ihm schreiben betreff der Bilder vielleicht kommt er selbst. Schon neulich wollte ich fragen wie viel sich Sievers für ein Portrait zahlen läßt. Der Sommer wird ihm weniger zu thun geben. – Am Ende hat die Dienstfertigkeit und Liebenswürdigkeit meines verehrten Freundes Rugendas mir mehr geschadet als genützt. Vielleicht muß ich grade jetzt fort da man die Leute aufmerksam | macht, nun dann ist es Bestimmung  ! Mich freut’s daß Carl nach Dorpat kommt, wol auch Wilhelm  ?288 nun sollte auch ich wieder da sein dann könnten wir ein recht glückliches fröhliches Wiedersehen feiern. Alle werden wir wol nie wieder beisammen sein immer wird einer fehlen, das ist recht traurig  !  – Meine Kleine schreibt mir oft. Wir vermissen uns gegenseitig sehr schwer. Sie trug mir Grüße an Euch auf. Die vielen Unglücksfälle durch das große Wasser bedauere ich sehr. Hier bei uns hört man nichts von der gleichen 288 Die Brüder Carl und Wilhelm lebten zu dieser Zeit nicht mehr im Haus der Eltern. Wilhelm war Apothekergehilfe in Moskau und kehrte nicht zurück nach Dorpat. Der älteste Bruder Carl studierte 1850/51 Pharmazie in Dorpat.

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Dingen. Die hässliche Isar schwillt unbedeutend an aber um so reicher fallen Op{f}er der Politik wegen. Über all findet man Unruhe und bekümmerte Herzen, nirgend glaube ich ist mehr Ruhe zu finden als in der Hölle denn alle Teufel haben sich jetzt von dort zu uns hinauf begeben.289 Die alte gute Herrmann hat mir geschrieben und mich ihretwegen beruhigt. Die liebe Frau  ! Hüttels haben noch nicht geschrieben doch ich denke sie antwortet bald auf meinen Brief wenn sie nicht Unglück genommen was Gott behüten möge. Meines längeren Bleibens hier in München habe ich wiederholt mit der Tante gesprochen und sie hat mir immer gesagt ich möge so lang bleiben so lang ich noch was lernen könne etc. Aber ich hoffe daß es höchstens noch ein Jahr dauert denn wenn sich das Heimweh noch häufig so in dem Grade wiederholt wie in letzter Woche so halte ich’s nicht aus. Ich bin ordentlich magerer und bleicher geworden und dann glaube ich auch es wagen zu dürfen in die Welt zu treten und für Geld zu malen. Bernhardt ist außerordentlich zufrieden mit meinem Fleiß und meinen letzten Leistungen. Er hat sich | gegen die jungen Damen im Attelier sehr freundlich über mich aus gesprochen und hat namentlich gesagt daß er noch nie einen Schüler gehabt dem er so wenig hin ein gemalt habe wie mir. Ich wäre eine von denen die sich quält so lang bis ich’s nicht mehr besser zu machen vermag. Es hat mich sehr glücklich gemacht und es ist wirklich wahr daß er mir noch nie in der Massen gemalt hat höchstens in der Zeichnung nachgeholfen und da selbst sehr selten. Dann hat er mir häufig Leute ins Attelier geführt und ihnen meine Arbeiten gezeigt. Am vergangenen Sonnabend sagte er mir  : »nun ruhen Sie auch wieder mal einen Tag aus, denn sonst werden Sie noch krank  !« – Auch diese Aufmerksamkeit hat mir große Freude bereitet. Professor Halbig290 war gestern bei mir und schien sehr befriedigt fort zu gehen er hat mir wenigstens viel liebenswürdige Dinge gesagt. Im Attelier habe ich jetzt den selben Namen wie in Dresden  : »Unsere kleine Heldin oder unsere kleine Kosakin« – In der letzten Woche habe ich drei Köpfe gemalt welche wahrscheinlich nicht mit bei der Sendung sich befinden werden da ich kein Costüm auftreiben kann. Es sind unstreitig meine besten Köpfe. Der eine ist der von der Fräulein Barelie. Ich malte sie und nun wird sie selbst das übrige Bild fertig machen es wird groß, etwa so wie das Meinige. Ich machte sie sehr glücklich dadurch, da es sehr ähnlich ist. Rugendas will ich abwarten und dann meine Bilder abschicken. An 289 Diese Bemerkung trifft wohl die Situation recht gut. Die Angst vor der Radikalisierung der revolutionären Kräfte war neben den eingeleiteten Reformen letztlich der entscheidende Faktor für die Loyalität der bayerischen Bevölkerung ihrem König gegenüber, was schließlich zum Scheitern der Revolution beitrug. 290 Der Münchner Bildhauer Johann von Halbig war Professor an der Polytechnischen Schule München. Zu Halbig vgl. Anm. 45.

336 | Die Briefe dem Meinigen werde ich morgen noch etwas thun. Das Gesicht | ist nicht recht klar aber doch ähnlich nun und das muß mich trösten. Eine Bittschrift an den König Ludwig will ich nun bald einreichen um noch die Judit von Riedel (vgl. Farbabb. 6) zu copieren sie befindet sich noch auf der Gallerie zu Schleißheim zu gleich genieße ich dann die Landluft. Ich sehne mich auch schon recht nach schönen Tagen, welche noch gar nicht gewesen. Denn noch nicht einmal bin ich länger als auf ein paar Minuten im Garten gewesen immer hat mich die kalte Luft und der Regen hinein getrieben. Es ist übrigens grün, die Bäume blühen allenthalben. Auch bei Euch ist es nun so weit. Ich finde den Unterschied des Klima’s nicht so bedeutend zwischen hier und dort bei Euch. Das Verhältnis ist nicht anders als so  : 3 Monat Sommer, 9 Monat Herbst zu 3 Monat Sommer, 9 Monat Winter. Nun fragt sich’s was angenehmer ist  ? ich denke das Trockne wäre schöner, wenn gleich nicht für die Dauer gesünder. Die liebe Tante Cecilie hat mich besucht, vor ein paar Tagen im Attelier und läßt herzlich grüßen, sie war recht munter und noch gesund. Dem lieben Hartmann meinen herzlichsten Gruß und Dank für seine Bemühung betreff meines Passes. Er ist ein lieber guter Junge  ! sagt ihm daß ich ihn sehr achte und lieb habe. – Mein herziges Schwesterchen Johanna  ! Zu Thränen hat’s mich gebracht daß sie so liebend ihrer Schwester Julie gedenkt. Sag ihr liebe Mutter daß ich ihr besonders Grüße schicke. Wie möchte ich gern das liebe kleine Geschöpf sehen. Tanzt sie auch so gern Polka  ? – Gotton geht wol fleißig in die Schule. Marie auch noch  ? was macht Bertha  ? Lernt sie schön  ? Allen Kindern Grüße und Küße. | später. Über Hauser nur Gutes konnte ich hören. Er soll in seinem Unterricht ganz aus gezeichnet sein und man könnte nur wünschen Gelegenheit zu finden bei ihm zu lernen. Sagt dem Carus daß ich vor 8 Tagen einen jungen neu angestellten Opernsänger gehört welcher allgemein bewundert wurde, jeder Mann wollte die italienische Schule an ihm durchhören und wie man mir heute sagte ist es ein Schüler von Hauser. Also wäre es schon nett wenn er seine Tochter hier her schickte. – d  : 22 May Immer ist es noch kühl aber wenigstens können wir froh sein daß das Regnen aufgehört, es ist heiter. Die Sonne scheint mir auf mein Papier und ich möchte doch nicht aus meiner Stube fort und einen andern Platz suchen, es ist so sonderbar daß sich die Gedanken immer länger bitten lassen zu kommen, wo man es nicht gewohnt ist zu schreiben  ; vielleicht geht es nur mir so. – Tante möchte einige Zeilen schreiben sonst könnte ich heute früh schon den Brief auf die Post tragen so aber muß er noch länger liegen bleiben, mir nicht angenehm. – Meine Zither habe ich sehr gern und ich spiele einige Lieder auch Ländler doch Erstere find ich mehr noch für dies Instrument geeignet. Die Töne haben einen unbeschreiblichen Reiz obgleich sie doch spitz sind im Vergleich zu andern In-

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strumenten. Doch lassen sich Lieder namentlich melancholischer Art bei der Dämmerung gern darauf hören, denn der Ton an und für sich hat etwas Klagendes und da kommt immer der Gedanke sobald ich einen Tanz darauf spielen höre  : Ein klagender Tanz oder Ländler zu sagen. Ich freue mich nach Dorpat ein ganz nagelneues Instrument mit zu bringen, freilich muß ich noch dafür sorgen daß ich’s auch gut bis dahin spielen kann. zu Mittag. Ich weiß nichts mehr was ich erzählen daher werde ich schließen. Grüße an alle Angehörigen und allen Freunden im ganzen Lande bitte ich zu bestellen, besonders sind Wachters gegrüßt. Weis man nichts von Cattinka Seeberg,291 wie geht es ihren Lungen  ? Ich denke häufig an sie, es war doch ein liebes Mädchen. Mieze  ! Schreibst Du an Schwarz dann vergiß nicht einen herzlichen Gruß aus München beizulegen und schreibe mir immer wie es ihm geht. Lebt denn wohl und nehmt mit dem Wenigen vorlieb das Ihr in diesem Briefe findet. Carus’ens freundliche Grüße. Mit großer Liebe und Treue Eure Tochter Julie. Wie groß die Bilder von Rugendas sind kann ich nicht sagen, ich habe ihm geschrieben und gebeten nach München zu kommen dann berede ich ihn schon seine Sachen Euch zu schicken. Das eine Bild, welches er für 40 Louisdor geben möchte ist etwas größer oder so groß wie die Wäscherin d. h. wenn man die Höhe zur Breite macht und stellt die Entführung der europäischen Frauen von den Wilden zu Pferde vor außerordentlich lebendige Composition Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 30.5.1849 d  : 30ten May 49

Meine theuren lieben Aeltern  ! Es ist Zeit daß ich wieder anfange einen neuen Brief, damit ich meine Pflicht thue und es wird mir dann auch wieder nur wohl werden. Heute werde ich nicht malen da ich unwohl mich fühle, schon gestern hatte ich wüthende Kopfschmerzen so daß ich bei der Arbeit eine wahre Pein empfand. Heute jedoch bin ich mehr matt und deshalb will ich denn nichts thun als schreiben und Zither spielen, das alles im Garten. Seit wenig Tagen ist es schön draußen. Wärme und Sonnenschein wie wir sie den ganzen May hindurch nicht genossen. Die Pfingsttage sind vorüber, ich habe gearbeitet und werde jetzt nachträglich gestraft dafür. Es ist auch nicht recht, bald muß ich selbst glauben was die andern sagen daß ich zu viel arbeite, es darin übertreibe etc. Allein es wird mir nicht wohl dabei wenn 291 Vermutlich eine Tochter des kurländischen Geistlichen Johann Friedrich Seeberg (1792–1851).

338 | Die Briefe ich nur eine Stunde am Tage weniger male als gewöhnlich. Je weiter ich komme desto höher steigt mein Eifer, meine Liebe zur Kunst und ich rechne vielleicht zu viel auf die Dauer meiner körperlichen Kraft. Habe ich mir das alles so vorgesagt und vorgestellt dann antwortet aber eine andere Stimme von Innen heraus und sagt  : »Du darfst nicht weilen in Deutschland, mußt zurück in die heimatliche graue Sandwüste wo Du verhungern mußt sobald Du Dir nicht in geistiger Beziehung genügsam zu Essen mit nimmst« – So kämpfe ich fort und fort mit mir und immer behält die letzte Vorstellung die Oberhand, mit erneuter Kraft arbeite ich restlos fort und bin dabei recht sehr glücklich bis so einzelne Tage eintreten die mich an Körper und Geist zerschlagen. – Später Soeben bin ich nach Hause gekommen. Hatte Kommissionen für meine Kleine und nun setze ich mich müde und matt abermals zum Schreiben um in meinen Berichten fort zu fahren. Was denn nur gleich  ? Na  ! Mein lieber Freund Rugendas ist wieder hier, mein Brief an ihn, der am selbigen Tag mit dem Eurigen | abging traf ihn nicht mehr in Augsburg denn er war an dem Tage angekommen. Er hat mich schon öffter besucht und ist wie er sagt über meine Fortschritte sehr überrascht. Mein Bild gefellt ihm sehr gut, namentlich die Wirkung desselben. Das was er besonders an meinen Arbeiten auszusetzen hat ist, daß ich an den Händen nicht schöne Lienien habe  ; Er sagt  : »man sieht sie haben nicht die Antike studiert.« Er hat recht  ! Doch die Natur findet sich nie schön, hübsch sogar höchst selten mir wenigstens ist’s noch nicht gelungen. Deshalb hat er mir dann gesagt er wolle mich mit hübschen Füßen, Händen und Armen von Gips versehen damit ich danach zeichnen könne (Abb. 16) und sobald ich eine Hand brauche so will er mir einen Abguß in dieser, mir nöthigen Stellung machen lassen. Ich kann nicht sagen wie mich seine Theilnahme beglückt. Wahre Theilnahme findet sich so selten in einer Welt voll herzloser Gleichgültigkeit  ! Ein ander Mal kam er wieder beschrieb mir sein jetziges Attelier und bat mich um ein Paar Köpfe von mir, welche er in seinem Attelier hängen haben will. Natürlich war ich sehr verwundert  ; allein er sagte  : »Ich habe schon mit vielen Leuten von Ihnen gesprochen und ich möchte nun auch daß man ihre Sachen sieht. Sie müßen bekannt werden, man muß die Männer beschähmen etc.« – Meine Farben findet er sowol als viele andere Künstler gut, sogar schön. Neulich wurde mir aus Augsburg von Girl’s geschrieben daß Rugendas dem Doctor Kolb,292 Re292 Gustav Kolb (1798–1865) war als junger Mann wegen freiheitlicher Bestrebungen zu Festungshaft verurteilt worden. Voll rehabilitiert wurde er 1827 unter Johann Friedrich von Cotta (1764–1832), dem Eigentümer der Allgemeinen Zeitung, Redakteur und übernahm bald die Leitung des Blattes. Unter seiner Weisung entwickelte sich die Zeitung zu einem unabhängigen international renommierten Blatt, das zahlreiche bedeutende Autoren anzog, darunter auch den mit Kolb eng befreundeten Moritz Rugendas.

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Abb. 16  : Julie Hagen Schwarz, Füße, 1849, Tartu Art Museum

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340 | Die Briefe daktör der allgemeinen Zeitung gesagt habe daß ich meinen Meister bald überflügeln werde, wenn es noch nicht der Fall sey (Doctor Kolb war neulich hier in München). | Das sind alles Dinge die großartig klingen und ich habe mir schon oft gesagt  : wenn es dem großen Rugendas nicht gelingt mich eitel zu machen dann werde ich’s nie  ! – Dafür sorgt er denn wieder selbst indem er zu weilen über dies und jenes sehr malitiös spottet. So z. B. sagte er von meiner Klio. »Die Dame schreibt Briefe und damit es ihr nicht zu warm dabei werde hat sie sich das Hemd ausgezogen« so in dieser Weise theilt er wieder Ohrfeigen aus und man ist augenblicklich tief tief herabgefallen von einer Höhe, welche man mit ungeheurer Mühe erreicht zu haben wähnte. Er möchte ein Paar Bilder schicken  ; doch vor zwei Tagen hat er einen Brief aus Petersburg von einem Freunde erhalten welcher ihm sagt, er möge ein Bild malen für den Kaiser d. h. man hofft daß der es kaufen wird sobald es ein Gefecht vorstellt. Und da hat er denn auch gleich daran gedacht Cosaken mit Indianern im Kampfe zu malen. Das Eine Bild  : Die Entführung der Europäischen Frauen von den Wilden will er auch noch ein Mal über malen und ich fürchte das dauert noch eine Zeit lang doch ich will sehen ob ich ihn zu treiben vermag. – Das andere Bild ist ein Auswandererkarren, neben welchem sich die Leute mit Pferden und Kühen gelagert auf dem Boden und einem Alten Manne, welcher auf einem Seiteninstrumente spielt und dazu singt, lauschen  – er befindet sich ziemlich in der Mitte dieser Gruppe. Die schöne Composition der Karavanne wird auf allgemeinen Wunsch in München ausgestellt werden  ; der Besitzer ist in Augsburg.293 Ich versuchte ihn zu bereden das noch ein Mal zu malen  ; doch er hat keine | Lust da ihm vielerlei andere Dinge im Kopfe sind die ausgeführt sein wollen. – Ich bin so froh daß Rugendas der Tante so viel Schönes über meine Malerei gesagt hat, damit sie nicht müde wird mich immer und immer zu unterstützen. Sie sehen wenigstens daß es nicht fruchtlos ist was sie thun für mich. – Die Schüler von Bernhardt copiren gegenwärtig nach mir, zwei von ihnen  ; ich wundere mich daß es Bernhardt erlaubt. Du sagtest mir ein Mal daß Fräulein Andersens294 gern etwas copierten und Du es nicht gern gesehen. Warum nicht  ? Ich finde das so traurig bei uns wenn man nicht ein Mal nach schlechten Bildern copiern darf lasse sie immer hin versuchen zu lernen und mir macht es 293 Im Oktober 1849 ist ein ähnliches Bild in der Augsburger Zeitung (Nr. 283, 10.10.1849, S. 4390) besprochen worden, das dem »Fabrikherrn Forster aus Augsburg« gehörte, womit wohl Karl Ludwig Forster (1788–1877) gemeint ist, der jahrzehntelang Leiter der Kattunfabrik Schöppler & Hartmann und die führende Unternehmerpersönlichkeit dieser Zeit in Augsburg war. 294 Die Schwestern Karolina (Lina) und Angelica Anders (Lebensdaten unbekannt) nahmen offenbar Privatstunden bei August Matthias Hagen.

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Freude und schmeichelt mich zugleich. – Jetzt habe ich aber so viel wieder von mir gesprochen daß ich ordentlich erschrecke. Wärt Ihr meine Aeltern nicht so würde ich mich für verrückt halten da man mich jedenfalls aus lachen würde. Aber Euch gebe ich die Versicherung daß es alles reine Wahrheit ist was ich erzähle. Vielleicht sage ich manches nicht das mir selbst übertrieben scheint. – Die Rosen fangen an bei uns im Garten zu blühen und wir trinken des Morgens hier Kaffee, essen auch draußen zu Mittag und zu Abend. Jetzt habe ich mir ein mal fest vorgenommen nicht mehr im Attelier über Tisch zu bleiben und ich will auch Wort halten. | d  : 2 Juni 49. Nachdem ich vor 3 Tagen Euch geschrieben legte ich mich auf ’s Sopha – sagte, man möge mich nicht wecken zu Mittag und so schlief ich denn länger als 4 Stunden, es that mir wohl. Den andern Tag arbeitete ich doch wieder allein mit wenig Lust und kam spät, angegriffen heim, denn Tante und Onkel hatten beschloßen als gestern nach Starrenberg zu fahren daher mußte ich fleißig sein. Als ich nun zu Hause war legte ich mich platt auf den Rasen im Garten nieder, und konnte nicht anders als weinen nichts als weinen und doch wußte ich nicht weshalb. Meine Nerven sind müde durch Hitze und Arbeit. Hätte ich im Augenblick mich zu Euch hinüber schwingen können mir wäre wohler geworden. – Um 5 Uhr morgens fuhren wir fort doch der Tag war ein so heißer daß für mich kein Vergnügen durch diese Partie wurde. Der See ist sehr hübsch, die Berge in der Ferne herrlich allein, wie gesagt die Hitze drückte Körper und Geist völlig nieder. Und wunderbar daß ich das Fahren auf dem stillen Wasser dies Mal nicht vertragen konnte, ganz total schwindlig und häßlich wurde mir zu Muth. Sonntag 4 Juni Heute habe ich Briefe aus Dresden von meinen lieben Hüttels. Sie sind gesund und haben glücklicher Weise keinen Schaden genommen in der schrecklichen Katastrophe. Einige 80 Bilder sollen durch löchert sein und ans Sehen und Copieren in der Gallerie ist nicht zu denken. Ganz prachtvoll soll sich jetzt die Ruine des Opernhauses und des mit ihm in Verbindung stehenden Zwingersalons ausmachen. Hüttels schreiben  : »sie sind beide ganz ausgebrannt und die Dächer eingestürzt, aber die Mauern stehen vollkommen und auf der Rundung der Zwingerthurmmauer stehen, sich umarmende Engel und andere Verzierungen und blicken hinab in die helle Leere.« – Der Anblick soll ein ganz außer|ordentlich antiker sein Auguste, die Braut schreibt überaus glücklich auch die andern theilen mit ihr diese glückliche Empfindung Gott mag lang, den Bräuten allen diese hohe Seeligkeit erhalten, leider aber macht man nur zu häufig die Erfahrung daß die Prosa bald die Übermacht erlangt. Heute wieder den ganzen lieben Tag gemalt. Die Hitze ist unerträglich. Mein Tiroler langweilt mich gewaltig wenn ich ihn nur erst fertig hätte  ! – Rugendas ist auf einige Tage aufs Land zu Hanfstengl gegangen ich glaube nicht auf seine Sachen warten zu können da es den Anschein hat als würde es noch sehr lang dauern.

342 | Die Briefe München d  : 7 Fronleichnamstag. Die großartige Prozeßion welche alljährlich in den Katolischen Ländern an diesem Tage statt findet habe ich auch dies Jahr gesehen. Doch fand ich sie nichts weniger als heilig. Die Leute singen, beten, brummen laut, doch ihre Köpfe lassen sie nach allen Richtungen hinsehen drehen wohl auch den Hals ganz und gar um und um wenn etwas interessant ihnen scheint. Die Hitze war groß was mich außerordentlich welk gemacht hat. Die Tante hat sich einige Damen zum Kaffee gebeten und es regnet nun schon seit einer Stunde ganz unverschämt stark. Der Donner kracht mit großer Gewalt  – vorhin hagelte es ganz unbarmherzig. Mir wäre es nicht unlieb wenn die Gäste ausblieben wäre ich doch so der Unbequemlichkeit enthoben liebenswürdig mich zu stellen. In Wirklichkeit bin ich’s nicht. – d  : 10 Juni 49 Ich erschrecke daß wir schon wieder so weit im Jahre uns befinden und wenn ich bedenke daß es nur so wenig, wirkliche Sommertage gegeben hat so werde ich ganz trübseelig. Heute ist ein Tag voll Regen und kühler Luft, wol suche ich gern darin den Grund meines Mißmuth’s, ganz ungeduldig bin ich vor Ärger und weiß ja doch nicht | weshalb. Man hat mir nichts gethan und ich bin am Ende auch gesund. An solchen Tagen möchte ich mich zanken oder gar prügeln. Was heißt denn das  ? So frage ich mich dann gewöhnlich und immer fällt mir ein daß ich hypochonderisch, gleich meines Vaters werde, wie ich denn sonst in vielen Dingen ihm ähnlich sehe. Vielleicht bin ich aber im großen Irrthum. – Ein Brief habe ich heute von Euch erwartet welcher aber erst, als ich nachsah, in 8 Tagen kommen kann. Das hat mich noch mehr geärgert. Alle und alle Tage möchte ich Briefe haben und wissen was Ihr alle macht. Daß ich in diesem Jahre nun wieder nicht nach Hause soll und kann ist mir in solchen Momenten wie dem jetzigen, eine wahre Strafe und bisweilen sogar sagt mir ein dunkles Gefühl daß ich sterben werde ohne Euch zuvor gesehen zu haben. Es ist so ganz eigenthümlich daß ich mir eine Rückreise gar nicht vorstellen kann, auch beim besten Willen nicht, ich kann durch den Schleier der vor mir hängt, so bald ich im Geiste mich wenigstens zu Euch schwingen möchte, nicht dringen. Und da diese böse entmuthigende Empfindung mich nicht los läßt, so habe ich denn natürlich scheinbar im Scherz (doch ich meinte es im Ernste) der Tante gesagt wie sie mit mir zu verfahren habe. – In dieser Woche habe ich also meine beiden Tyroler fertig gemacht. Der große geht nach Dorpat, der kleine bleibt hier, den gebe ich dem Onkel. Dann habe ich die Kopie der Fräulein Girl (vgl. Abb.  14) die Hübsche oder Schöne vielmehr fertig gemacht, die beiden Aristokratinnen im Attelier retuschirt und das wäre wol alles in dieser Woche. Mein kleines Feuerbildchen hat sich Rugendas ausgebeten. Es befindet sich schon in seinem Attelier. Das also geht nicht nach Dorpat. Es ist mir leid doch glaube ich ein zweiter Versuch in solcher Beleuchtung könnte mir besser gelingen. Rugendas ist ganz entzückt von den Farben

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dieses Bildes. Mich schmeichelt es allerdings sehr. Ich sagte ihm daß ich in spätestens 4 Wochen meine Sachen abschicken würde damit er sich ein Mal | an das Übermalen seines Bildes macht. Gestern war ich bei ihm im Attelier fand daß er meinem Bilde einen guten Platz angewiesen. Er malt eine Menge landschaftliche Skizzen, die er nach der Kupferstichsammlung nachliefern muß. Sehr große interessante Naturen, uns natürlich fremd. Ich habe immer meine Freude daran zu sehen mit welcher Schnelle und Leichtigkeit er malt doch noch schöner skizzirt er mit Blei und Kohle. Eine ganz comische Karikatur vom Pariser Lemann295 gemacht, Rugendas vorstellend, hat er mir geschenkt. Sie ist frapant ähnlich, aber sehr drollig. – Du lieber Vater wirst Dich ärgern und ich bin traurig daß meine Sendung der Studien sich so in die Weite zieht  ; doch wollte ich sie auch jetzt gleich packen so kämen sie nach Riga zu einer Zeit wo alles an den Strand gezogen ist oder sonst ins Grüne gegangen. Wohl auch unser Freund Schirren geht nach Dubbeln296  ? – Außerdem wünscht die Tante eine Copie meiner Fratze ich darf ’s ihr nicht abschlagen und noch ein Mal nach der Natur mich zu malen wäre zwar nicht so anuant doch eine entsetzliche Aufgabe meiner Blindheit wegen. d  : 11 Juni Wieder ist das häßlichste Regenwetter und der Barrometer fällt immer noch tiefer. Ein nicht freundlicher Sommer  ! Statt Sonnenblick und belebende Wärme wurde mir eine süße Freude durch die Ankunft Eurer Briefe. Ich erwartete sie heute nicht mehr, erst wie schon gestern gesagt in 8 Tagen deshalb haben sie mich wahrhaft überrascht. Ich danke recht herzlich und kann Euch nicht sagen welche Freude es mir macht Euch gesund zu wissen. Möchte es nur von Bestand sein. Der liebe May hat Gott lob sich liebenswürdiger bei Euch gezeigt als bei uns. Die Kornfelder stehen aber gut, die vielen Hagelwetter allein zerstören dieselben an vielen Orten. Euch ist schon ein schöner Frühling zu gönnen nach so harter eisiger Kälte. Auch | um des armen kranken Freundes willen freuts mich sehr welcher sich so sehr danach sehnte  ; auch in einem Briefe an mich hat er sich schmerzlich beklagt schon so lang keinen genossen zu haben. Ich denke ihm in diesen Tagen zu schreiben. Sonst trage ich Euch meine Grüße an ihn auf. – An Fritz übrigens will ich auf jeden Fall schreiben und so werden die andern Geschwister dies Mal leer aus gehen denen ich sehr herzlich danke für ihre hübschen 295 Henri (Karl Rudolf Heinrich) Lehmann (1814–1882) wurde in Kiel geboren, erhielt seine erste Ausbildung bei seinem Vater Leo Lehmann in Hamburg und ging 1831 nach Paris, wo er bis auf wenige Unterbrechungen heimisch war. Dort wird ihn auch Moritz Rugendas kennengelernt und bei seiner Rückkehr 1846 wiedergesehen haben. Eine Karikatur von Rugendas hat sich im Nachlass der Künstlerin nicht erhalten. 296 Seebad in der Nähe von Riga und Mitau (Jelgava), heute Dubulti/Lettland.

344 | Die Briefe ausführlichen Briefe. Marie erzählt mir von ihrer stattlichen Größe  ! Es ist doch ärgerlich, daß ich die kleinste unter den Schwestern bleiben werde mein Lebtag und was noch dümmer ist, daß die Kleinste noch dazu die häßlichste ist ha  ! ha  ! ha  ! wie drollig  ! – Indessen Spaß bei Seite. Ganz wunderlich wird mir zu Muthe in Marie eine große erwachsene Dame mir zu denken. Es wird mir recht schwer. Ihr Briefchen machte mir Freude  ! – Ihr schreibt gar nichts von der Verschwörung des Adels in Petersburg.297 Hier machte man viel Lerm deshalb. 70 der Betheiligten, erzählte man sich sollen aus ihren Betten geholt worden sein. Den Herzog Leuchtenberg läßt man sterben aber auch wieder zum Leben erwecken. Die Cholera ist in Erlangen, also nicht mehr fern von München  ! Ich fürchte mich gar nicht vor ihr nur leider werde ich die köstlichen Kirschen und anderes Frühobst nicht genießen dürfen worauf ich mich schon so lang gefreut. Das alles ist schon zu haben allein noch so theuer daß die Lust einem vergeht sich daran zu erquicken. – Heute habe ich wieder einmal an meinem Porträt den ganzen Tag fast gemalt, ich glaubte fertig zu sein doch ich kann’s nicht lassen immer wieder etwas zu versuchen um es besser zu machen. Da habe ich denn an dem Hut gemalt und die ganze Jacke noch ein Mal mit einer Lasur | überzogen was besser zwar geworden doch nun muß auch das übrige wieder lasirt werden und so kann ich also morgen noch daran arbeiten. Man hat mich in diesen Tagen von 3 Seiten gebeten Studien zum Copieren zu geben, es ist mir ordentlich lächerlich. Weiß der Himmel ich finde meine Sachen nicht so gut daß sie’s werth wären. – Meine Haare lasse ich jetzt wachsen ohne abzuschneiden doch ich bemerke daß sie sehr ausfallen. Es wird eine Weile dauern bis sie wieder zum Flechten lang genug sind. Ihr seht ich schwatze alles durch ein ander aber wollte ich das Passende zusammenstellen so müßte ich Zeit haben um nach zu denken und Zeit fehlt mir doch jetzt immer. Die Zither hat großentheils schuld daran und ich kann nicht sagen daß ich viel übe, es geht noch sehr schlecht mit ihr. – Der lieben Emma Wachter schreibe ich sehr bald wenn ich nicht schon das Mal dazu kommen sollte. Und Du liebe Mieze grüße mir Deinen Schwarz recht herzinnig und danke ihm daß er meiner auch gedenkt ich werde ihm schreiben und Dir den Brief schicken zur Weiterbeförderung. Sonderbar daß mir die heimathlichen Namen ganz und gar fremd werden, sie klingen mir vaterländisch und bekannt doch gar nicht weiß ich wo sie hin thun z. B. Els wer und wo ist das  ? – Dann noch ein Name  : Wendelbrick  !298 297 Vielleicht meint sie den Kreis der Petraschewski, einen Kreis liberal denkender Intellektueller, darunter der Dichter Fjodor Dostojewski (1821–1881), von denen im April 1849 zahlreiche Mitglieder festgenommen und zum Tode verurteilt, jedoch kurz vor der Exekution begnadigt wurden. Für sie folgte die Verbannung und Zwangsarbeit in Ostsibirien. 298 Die Namen Els und Wendelbrick ließen sich nicht zuordnen. Ein Alexander Peter Wendelbrick taucht unter den Hochzeiten in den Rigaischen Stadtblättern für das Jahr 1824 auf (hrsg. von

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Kannte ich die Dame oder nicht  ? – So frage ich mich und ich weiß mich nicht zu besinnen. Mit den meisten Dorpatensern wird es mir wol so gehen, welche nicht gerade zu in unserem Hause bekannt waren. Was machen die Lenzens  ?299 Das gute Malchen vor allem, wie viele Kinder hat sie  ? Vielleicht schon ihre ideale Zahl 13  ? – Nein  ! Nein  ! Das kann nicht sein  ! – | d 12 Juni Mieze  ! Es ist mir lieb daß Du nichts der Tante geschrieben der Hemde wegen, denn sie trug mir nicht auf Dir’s zu sagen vielleicht möchte sie Dich überraschen. Carusens gefallen Euch das freut mich sehr. Gestern Früh begegnete ich Hauser mit seiner Frau und dem sagte ich wie es doch möglich ist daß die junge Dame in seine Schule käme. Er fand es sehr gewagt in jetziger bewegter Zeit, überhaupt hat er immer das Maul voll, was mich am meisten an ihm ärgert ist daß er über unsere vornehmsten Künstler wie über Kaulbach einer ist schimpft auf eine Weise daß man meinen sollte er verstünde es zehntausend Mal besser. – Johannchen verspricht artig zu sein, dafür bringe ich ihr auch recht was Schönes mit wenn ich heim komme, sag ihr das liebe Mutter. Sie muß aber auch Wort halten. Grüße an alle Kinder. Wie alt ist Schwester Marie  ? Ich werde immer gefragt von Tante und kann’s nicht sagen auch weiß ich nicht wie alt die andern Geschwister sind, nicht einmal genau wie viel Jahre Mieze zählt. Ich habe einmal ordentlich nachdenken müssen wie alt ich bin da man mich für jünger hält als ich wirklich bin. Ich finde das gut bezahlt für Sivers Porträts, wenn er nur viel zu thun hat. – Die Frage warum ich die Briefe franciert in letzter Zeit Eine bloße Laune vielleicht nur. Die gute Tante war zu gegen als ich sie siegelte und auf die Post tragen wollte und ließ nicht nach bis ich nicht  : franco drauf geschrieben hatte.300 – Ein Theil der Rosen im Garten sind verblüht ohne genossen worden zu sein theils von der Hitze verbrannt, theils aber auch durch Hagel und Regen zerschlagen. Nachtisch. Diesen Nachtisch will ich nicht ins Attelier gehen sondern meine Briefe schreiben denn es liegt ein ganzer Stoß vor mir die alle nicht beantwortet sind. Soeben | habe ich an Fritz geschrieben. Ihr seit so gut ihm das Briefchen zu schicken wenn einer von Euch an ihn schreibt. Meine Kleine schreibt mir oft, einem Mitgliede der -practischen Bürger-Verbindung, Riga 1825, S. 388), in Dorpat lässt sich kein Wendelbrick nachweisen. 299 Hier sind wohl die Kinder des einstigen Dorpater Oberpastors Gottlieb Eduard Lenz (1788– 1829) gemeint. Es gab einen großen livländischen Zweig dieser Familie. Unter den Kindern des Dorpater Pastors Lenz finden sich Louise Lenz (1816–1885), der Arzt Carl Eduard Lenz (1820–1892) und Amalie (»Malchen«  ?) Lenz, verh. Schmidt (1814–1905). 300 Der »Frankobrief« bedeutete, dass der Absender alle Gebühren der Sendung bezahlte. Dagegen gingen beim »Portobrief« alle Gebühren zu Lasten des Empfängers. Beim Teilfrankobrief teilten sich Sender und Empfänger die Kosten, beispielsweise wenn der Brief Ländergrenzen überschritt und Gebühren vom Sender nur bis zur Landesgrenze übernommen wurden.

346 | Die Briefe sie ist wohl und hat greßlich viel zu thun. Wir geben uns gegenseitig Rath auch in der Ferne. – Die Kaltblütigkeit des gemeinen Volkes geht doch hier fast zu weit  ! Vor 8 Tagen etwa wurde den jungen angehenden Soldaten das Schießen gelehrt und da ist es denn der Brauch daß die Offiziere sich hinstellen und auf sich zielen lassen natürlich mit blinden Patronen. Das 10te Battalion des Regiments wurde fisilirt und es fand sich einer welcher statt den blinden die scharfen Patronen bei sich hatte. Dieser wurde auf der Stelle fort geschickt um seine blinden ein zu tauschen und es wird geschossen ganz lustig, der Offizier commandirt ganz prächtig doch mit einem Mal fällt er um und der Schütze sagt mit großer Ruhe  : »A sakaradi  !« – und meinte noch als man auf ihn los stürmte »na mit Willen that ich’s doch nicht« – Sonst weiß ich gar nicht was in der Stadt vor geht  ; ich kümmere mich um die ganze Welt nicht  ! Heute wäre also der Tag an welchem bei Euch die Soldaten durch ziehen. Möchtet Ihr nur vor der Einquartierung verschont bleiben  ! – Ich glaube daß ich heute noch Zeit finde an Emma zu schreiben. Soeben habe ich an Schirren geschrieben d  : 13 Juni 5 Uhr morgens. Gar nicht will es aufhören zu regnen dabei ist es halb finster. Gott gebe daß Ihr besseres Wetter haben mögt. Onkel und Tante grüßen sehr herzlich. Was macht Marga Dumberg  ? Kommt Sie nicht mehr zu Euch  ? Lebt wohl und genießt nach Möglichkeit den Sommer. Mit inniger Liebe Eure Tochter Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 17.6.1849 München d  : 17. Juni 49

Meine theuren geliebten Aeltern  ! Immer und immer regnet es, es ist ein Wetter zum melancholisch werden. Hat man nichts rechtes zu thun dann ist das Beste die Zeit zu verschlafen ich that es gestern und hätte auch heute gern geschlafen doch nach dem ich zwei Stunden ihn gesucht und nicht gefunden stand ich wieder auf und nun sitze ich da und klage darüber. Möchtet Ihr nur ja besseres Wetter haben  ! Hoffentlich wird es auch hier wieder schön. Gestern war Festtag und ich konnte nicht oder sollte nichts arbeiten. War vortisch in ein gesungenes Amt gegangen und nachtisch wie schon gesagt geschlafen heute am Sonntage ging ich ins Attelier um mir eine gelbe Rose in Ermangelung eines besseren Modells zu malen, als ich meine Thür aufschließe finde ich an der Klinke ein großes Bouquett Blumen und eine Vesitenkarte  : Ernst Meyer aus Rom  – Donnerwetter  ! war ich ärgerlich, immer sobald ich nicht arbeite dann kommt Besuch der ehrenwerth, nützlich und groß ist. So selten bleibe ich heim und noch jedes Mal mußte ich die Erfahrung machen. Meyer war lange nicht hier und jetzt wahrscheinlich nur auf seiner

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Durchreise nach Regensburg. – Ich lief im Regen augenblicklich zu Rugendas um wenigstens zu erfahren wo Meyer wohnt doch erfuhr nur daß Rugendas ganz plötzlich gestern nach Augsburg gefahren sei und ich fürchte seine alte Mutter ist krank was die Ursache seines so raschen Entschlusses ist. Blumen indessen habe ich immer in meinem kleinen Attelier und wenn sie mir von Künstlern wie R. und Meyer verehrt worden sind sie mir ums so lieber. Gewiß ist dies auch | ein kleines Zeichen der Anerkennung meines Bestrebens. Ach und das macht mich über alles glücklich  ! Ich erinnere mich Du Vater sagtest mir ein Mal in einem Briefe daß ich nicht wohl und glücklich in unserer Heimath mich fühlen würde daß ich gewohnt bin Anerkennung zu finden ohne welche ich nun nicht mehr leben werde können. Wohl glaub ich hast Du recht denn schon jetzt scheint es ein Hauptnarungsmittel geworden zu sein. Wenn ich vergleiche das Jahr in Dresden mit dem jetzigen so ergreift’s mich wunderlich. Dort spendete man mir auch Blumen und viel schöne Worte doch nur von jüngeren Künstlern, Schülern, möchte ich sie nennen, hier achte ich wenig auf das Lob auf ein Urtheil solcher Genossen, auf gleicher Stuffe stehenden Leuten, nur lausche ich auf das Wort eines wirklich wahren Künstlers. – Mehr Geist, Verstand, Bildung sollte ich haben  ; doch da fehlt es. Wenn nur immer zwei zu zwei sich zusammen thäten dann würden viel gute Bilder der Welt geschaffen werden. Der eine von ihnen müßte denken und der andere nur Malen. – Morgen beginne ich den Körper zum Kopf der Girl zu malen damit ich ihn auch Euch schicken kann, sie darf es ja natürlich nicht wissen daß nur eine Copie sie bekommen. Ich denke ungefähr die halbe Idee wie die kleine Wäscherin, durch zu führen d. h. im Hemde und Unterröckchen, vielleicht die Hände gekräutzt über die Brust als wenn sie diese verbergen wollte. Nun wir wollen sehen vielleicht wünscht es Bernhardt nicht so. Vor allen Dingen muß ich eine Skizze machen. Für heute lebt wohl  ! | d  : 21 Juni 49 Bis jetzt immer noch schlechtes Wetter. Heute indeß scheint es die Absicht zu haben klar werden zu wollen um vielleicht morgen wieder zu gießen was Zeugs hält. Heute erhält Ihr vielleicht meinen Brief, vielleicht auch noch nicht. Drei Tage sind vorüber an welchen ich wahrhaft gepeinigt worden bin von meinen alten Anfällen den Kopfschmerzen. Sonderbar daß ich sie hier nur selten, d. h. im Vergleich zu Dorpat und auch noch in Dresden habe, wenn sie aber da sind, üben sie ihre ganze Gewalt dann aus, Tag und Nacht weichen sie nicht. Und ich bin auf einen Gedanken gekommen der immer mehr und mehr mir wahrscheinlich scheint. Ich glaube nämlich daß die kurzen Haare mich befreit, dh wenigstens den Kopfwehbesuch gemindert haben, jetzt wo ich sie mir wieder wachsen lasse fallen sie mir aus und der Kopfschmerz scheint häufiger und heftiger zu sein. Indess ich kann mich auch wol irren. Das Bild, die Girl ist begonnen und wird recht hübsch wie es scheint. Den Tag, am Montage fing ich an zu malen, zu-

348 | Die Briefe vor die Skizze um darin meine Idee aus zu sprechen und mit Sicherheit zu wissen wo Dunkel, wo Hell ansetzen mit dem Grund. Hatte diese fertig und zeichnete auch auf der Leinwand die Fiegur zum Kopf, rief dann Bernhardt um weiter arbeiten zu können. Wie vergnügt war ich als er die Anordnung und die Wirkung der Skizze sehr gut fand und in nichts eine Änderung wünschte. Tags darauf kam Rugendas und der war sogar entzückt. Das Fleisch d. h. die Schultern und die Arme hatte ich angelegt und war in größter Aufregung die Massen in der Ferne und Farbe richtig den Tag noch zu bekommen, vielleicht fertig zu haben (In Aufregung, ordentlich fieberhafter Stimmung befinde ich mich immer wenn ich erst etwas halb fertig habe). Rugendas aber ganz außersich über die Klarheit meiner Tinten auch die Hände fand er besser als meine Früheren und ich war sehr | ja unbeschreiblich glücklich darüber. d  : 22 Juni 49. Ein viertel Stündchen habe ich noch Zeit ehe ich gehe zur Arbeit. Laßt diese benutzen Euch zu sagen wie ich gestern vor dem Übermaaß meines Glücks geweint habe. Gestern malte ich die Wäsche zu meinem Bilde und wie schon häufig gesagt ist Weißzeug das allerschwerste das man malen kann. Ich machte mich gefaßt auf die völlige Unzufriedenheit meines lieben Lehrer’s doch als er kam fand er es recht sehr brav und als er einiges nur drüber gesagt stand er auf klopfte er mir auf die Schulter und sagte  : »ich habe große Freude ihre Fortschritte zu beobachten und kann nicht anders sagen als daß diese mich frappiren«, ich sah ihn groß und roth geworden an sagte  : Herr Bernhardt wenn das Ihr Ernst ist so macht es mich unendlich glücklich  ! Darauf gab er mir die Hand und sagte  : »Sie können sich verlassen darauf was ich sage und kaum kann es ihnen so große Freude machen wie mir« – ich gedachte Eurer und der Freude die Euch dadurch bereitet wird und fing an zu weinen. Der liebe Bernhardt lächelte und sagte noch mancherlei was ich am Ende vergessen kurz ungefähr sagte er daß ich nicht wie die andern Damen es als ein Spielwerk betreibe, die Kunst nämlich und daß mein Eifer mir Segen bringen werde, Gott gebe es  !  – Ich erzählte es der Tante und wieder mischten sich Thränen in der glücklichen Empfindung  ! Tante scheint auch sehr glücklich zu sein daß ich ihr und Euch keine Schande mache. Gestern habe ich vergessen zu sagen daß Rugendas gekommen war zu erzählen wie mein Bildchen die Leute (Künstler) entzückt und man wolle mich besuchen, er zählte mir mehrere bekannten Namen auf welche ihn besucht hatten wie z. B. Hanfstengl etc. | d  : 24 Juni 49 Meine lieben Aeltern  ! So eben erfahre ich daß heute Johanni ist. So lebe ich in meine Kunst allein, vertieft daß ich nicht einmal gewußt wie nah das Sommerfest heran gerückt war.  – So wäre denn die schönste Hälfte des Sommers

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dahin und ungenossen des schlechten Wetters willen, jetzt war es endlich ein Paar Tage gut, schön und warm, heute aber zieht sichs wieder zu. Gewiß regnet es heute und dann auch morgen und übermorgen wieder, vielleicht noch länger. Die Rosen stehen in schönster Pracht und entzücken den Onkel und andere Menschen – auch mich, nur bin ich gewöhnlich müde wenn ich dazu komme sie anzusehen. – d  : 1. Juli 49. Die wenigen da oben stehenden Zeilen sind vor 8 Tagen geschrieben und zur selben Stunde wie heute wo ich wieder da sitze und hoffe und wünsche mehr zu Stande zu bringen als damals. Ein ganz und gar arger Katzenjammer hatte mich damals und bis jetzt so ganz in seine Arme genommen. Unterdess haben sich Briefe gesammelt und ich habe keinem Menschen geschrieben. Wie so oft dachte ich daran daß dem gleichgültigen Menschen recht sehr wohl sein muß den nichts aus seiner Ruhe zu bringen vermag. Meine Pinsel bringen mich um die Süßigkeit des Schlafes geschweige denn der Heiterkeit des Tages. – Die letzten Seiten des ersten Bogens meines Briefes findet Ihr angefüllt mit Schönheiten, mit Hoffnungen des Bildes der Girl. Mein Glück war damals größer als groß und nun muß ich widerrufen alles was ich damals sagte. Aus dem Bilde wird nichts  : dasselbe kann nicht fertig werden da der Kopf nicht paßt und die Leinwand unten ein wenig zu kurz ist etc. Wohl hatte ich die Absicht am Kopfe zu ändern wie z. B. die Augen nieder schlagen u. s. w. doch Bernhardt räth mir das Bild nicht fertig zu machen sondern diese Idee noch ein mal aus zu führen. – Mich | ärgerte es furchtbar  ! Jedenfalls schicke ich die unfertige Studie Euch mit meinen anderen Sachen da der Kopf nicht hier bleiben kann  ; Einige Änderungen hat er übrigens schon erlitten wie z. B. die Haare haben eine andere Frisur bekommen damit der Kopf in etwas kleiner wurde. Deshalb schon weniger hübsch als zu vor. Ich mache einst das Bild zu Hause fertig wenn ich nichts besseres zu thun weiß. – Gestern hatte ich die erste Sitzung von Rugendas am Nachtisch. Er, der arme Teufel und ich müssen fort und fort stehen denn die Leinwand hat die Länge d. h. die Höhe von über 3 Ellen. Ein Mordskerl ist er, das ist wahr. – Er geht wieder auf ein paar Monate fort zu Hanfstengls nach Hochschloß.301 Des Nachmittags allein sitzt er und so werde ich den Kopf wohl nur allein fertig machen können. Diese famosen Decken, brasilianischen Mäntel werden sich pompös machen, ich freue mich sehr. Bis über die Knie sieht man den Menschen, er hat eine Mappe in der Hand, nämlich an eine Hüfte gestützt und zeichnet. Der Blick ist aber forschend in die Ferne hinaus. – 301 Der Lithograf Franz Seraph Hanfstaengl (1804–1877) hatte 1844 das Hochschloss Pähl am Ammersee gekauft, wo zahlreiche Künstler und andere Persönlichkeiten ihn regelmäßig besuchten. Ein Gästebuch gibt Auskunft, wer sich dort zu welcher Zeit aufhielt (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv Hanfstaengl).

350 | Die Briefe Rottmann war neulich bei mir und fand meine Farben und die Beleuchtung gut, war sehr liebenswürdig und sagte daß er weit mehr gefunden als er erwartet obgleich er schon manch Schönes gehört. Wie sehr das Wahrheit ist oder bloße Schmeichelei kann ich nicht untersuchen und gleichviel  !  – Das Wetter ist seit gestern wieder gut doch des Abends so kühl daß man sich gut verpacken muß um draußen bleiben zu können. Sehr viel Gewitter und immer so heftig wie ich sie bei uns nicht erlebt. Vor wenig Tagen wurden zwei Pferde am Lager eines Fuhrmanns vom Blitz erschlagen, ähnliche Fälle kommen häufig vor. Dieses Krachen ist gewaltiger als das Lösen einer Kanone und erschüttert mich immer furchtbar. | Meine Kleine hat ziemlich viel zu thun läßt Euch grüßen. Ich schrieb ihr neulich unter andern auch von Mizchens Unwohlsein ihrem immer noch kranken Halse. Sie hat darauf auch gebeten Euch ein Hausmittel anzu empfehlen welches schon bei noch nicht zu weit fortgeschrittener Krankheit oft wunderbar gewirkt hat.  – »Es wird in einem ganz neuen unglasirten Topfe eine Halbe Maaß oder zwei Quart (also zwei Gläser ungefähr) braunes Bier mit 1 Tasse weißem Honig einer Handvoll Weizenkleie und 6 Loth Pulmonaria maculata bis zur Hälfte eingekocht nach dem man den Deckel fest geklebt hat. Nach dem Erkalten wird die Masse durchgesiehen, und des Tages öfters besonders Morgens und Abends genommen. Dieses Mittel ist außerordentlich Bruststärkend. Nebenbei gibt man den Patienten zu weilen oder täglich eine Tasse Huflattichthee 3–4 Blätter auf die Tasse, und Butterbrod mit Honig – Scheibenhonig auch. – Natürlich muß dies Mittel oft wiederholt werden wenn man die guten Folgen daran deutlich sehen will. Ich weiß nicht ob ich recht thue den Pfuscher zu machen, aber ich bitte Dich doch herzlich es Deiner Mutter zu schreiben, daß sie es versucht  ; sage, ich bitte sie darum. Du meinst vielleicht, ich schlage Deiner Schw. Unwohlsein zu hoch an  ; aber das thue ich nicht, denn, wird solchen Übeln nicht gleich im Entstehen abgeholfen, so sind sie nicht mehr zu vertreiben.  – Unter weißem Honig versteht man wol jenen, der noch durch keine menschliche Hilfe aus dem Gefäß genommen, sondern der noch in den Wachszellen ist, dieser ist in der That viel heller.« – –Versucht doch dieses Mittel ja, hilft es nichts so schadet es auch gewiß nichts und es ist nichts dabei verloren. Vielleicht braucht auch Emma Wachter das Mittel, ich glaube auch sie hat es nöthig. Die Rohheit der hiesigen Menschen ist großartig. Neulich empörte sie mich sehr. Am Eingange des Englischen Parks oder Gartens steht eine ganz herrliche Statue welche einladent die eine Hand aufgehoben nach dem Garten weist. Sie ist vom Vater des großen berühmten, und vor wenig Monden verstorbenen Wahnthaler302 verfertigt. Mit immer erneuter Freude sah ich sie an, blieb auch wol stehen und das täglich da mein Weg | an 302 Gemeint ist die Bildhauerfamilie Schwanthaler, hier Franz Jakob (1760–1820), dessen »Harmlos«-Figur von 1803 heute als Kopie noch in der Nähe des Englischen Gartens steht. Den volks-

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ihr vorbei führte. Eines Morgens aber ward ihr der Arm abgeschlagen und auch sonst beschädigt. Eine Bank aus dem Garten quär über die Straße gestellt gefunden. Ein Glück daß kein weiteres Unglück geschehn ist, wie leicht hätten Menschen, welche bei der Nacht kein solches Hinderniß auf dem Fahrwege ahnten ihr Leben verlieren oder doch zum Krüppel geschlagen werden können. – Von der Verschwörung in Petersburg schreibt ihr gar nichts, wißt am Ende nichts davon auch wol nicht daß der Herzog Leuchtenberg303 von seiner Frau Gift bekommen hat. – Man hatte sich’s lang schon erzählt allein wieder wiederrufen, gestern aber ist ein Privatbrief gekommen der die Wahrheit dessen bestätigt, das Gift hat den armen Menschen ganz krumm gezogen daß er wie ein Greis gebückt mit Hilfe eines Stockes gehen kann. Aus Eifersucht soll sie’s gethan haben. Hatte sie Grund so kann ich sie nicht verdammen doch werde ich sie auch nicht entschuldigen. Den Brief hat die Tante gelesen, welcher von einer Münchnerin die mit einer Russischen Gräfin nach Petersburg gegangen geschrieben worden ist – Also ist es wahr. Neulich wurde ich durch ein allerliebstes Kristalkörbchen worin ein Rankengewächs sich befand überrascht. Fräulein von Trott die ins Gebirg für den Sommer gezogen schickte es mir als Abschiedsgruß. Es hängt in meinem Attelier und sieht sehr gut aus. Die Copie meiner Fratze hat mir unglaubliche Mühe gekostet zwei Mal schon habe ich sie übermalt und noch ist sie nicht ähnlich, ich werde noch ein Mal daran gehen müßen und das anuirt mich sehr, Nicht’s ermüdender als nach sich selbst zu copieren  ! Ich weiß nicht ob ich schon sagte daß ich nicht nach Schleißheim gehe. Der König Ludwig hat es allen die darum gebeten, abgeschlagen. Er fürchtet daß die Originale durch das vervielfältgen an Werth verlieren. Dummer Teufel  ! – | d  : 3 Juli 49 Eure lieben Briefe erhielt ich heute als süßes Nachessen, und ich eile Euch meinen Dank und Gegengruß zu bringen. Die Sorge betreff der Universität hat mir das freudige Gefühl zerstört das immer sehr lebhaft beim Anblick eines jeden neuen Briefes in mir lebt. Was zum Teufel beabsichtigt denn der Kaiser damit  !  ? Der Weise will ja sein Land und Volk systematisch zu grunde richten  ; na, na es kommt auch noch eine andere Zeit  ! – Die Cholera, ein kalter Sommer, traurige Ernten  ! Ja das sind freilich Dinge die einen bis ins tiefste Innere verstimmen können. Wie prachtvoll sieht es hier dagegen aus. Der Sommer ist zwar auch kalt doch die Felder und Wiesen stehen herrlich – schon im verflossenen tümlichen Namen erhielt die Statue durch die Inschrift »Harmlos wandelt hier. Dann kehret neu gestärkt zu jeder Pflicht zurück«. 303 Maximilian de Beauharnais (1817–1852) war der 3. Herzog von Leuchtenberg und durch Heirat mit der Großfürstin Maria Nikolajewna von Russland 1839 Fürst Romanowski. In München geboren, lebte er nach der Heirat überwiegend in St. Petersburg.

352 | Die Briefe Jahre war das Getreide so billig wie seit undenklicher Zeit nicht und man hofft in diesem Jahr es noch billiger zu kaufen.  – Leid ist mir daß ich immer Euch Kummer bereite durch meine Äußerungen über Heimweh etc. Macht Euch deshalb keine Sorgen, es vergeht schon immer wieder  ; die Freude und der Schmerz wechselt fortwährend im Leben des Menschen und wollen jede ihre Zeit haben, auch müßt Ihr mich deshalb nicht beklagen noch weniger anklagen (das thut Ihr übrigens auch nicht) denn ich fühle ordentlich manches Mal das Bedürfniß zu weinen. Daß aber ich nichts weiter Euch erzähle als was das Treiben in der Kunst betrifft hat mir auch schon lang leid gethan, ich fühlte es lang daß meine Briefe leer vom Stapel laufen auch dieser hat nichts Unterhaltendes. Wie kann es auch anders sein  ? Den Tag über sitze ich im Attelier und rühre mich kaum von der Arbeit, des Abends besuchen sich die Leute nicht. Hier und da kommen uninteressante und wohl auch fremde Menschen ins Attelier um mich zu stören und durch Artigkeit zu langweilen. Meine Kleine ist nicht mehr da welche dann und wann dies und das erzählte mir half lustig sein, dummes kindischen Zeug Treiben u. s. w. | Liebe Mutter sage der Frau v. Dumberg daß mit dem nächsten Brief ich ihr die Preise der aufgezeichneten Gegenstände schicken werde d. h. viel höher (Deinen Rath befolgend) denn wer wird so gütig sein ihr diese Sachen herein zu schmugeln  ? ich gewiß nicht  ! – Jetzt male ich eine Münchnerin (das Kostüm) und so bald diese fertig und auch trocken ist wird gepackt und abgeschickt. Ich selbst lieber Vater habe keine Ruhe mehr meine Bilder noch hier zu wissen. Rugendas brachte ich gestern deinen Gruß, was ihm immer eine Freude macht. Darin ist er wie ein Kind er möchte gefüttert gleichsam mit süßen Worten sein. Was hat er aber auch weiter  ? Nichts als ein sorgenvolles Leben  ; er klagt recht sehr, durch die Kränklichkeit seiner Mutter und Schwester kommt er sehr herunter. Heute hatte er einen unvorhergesehenen Besuch Fremde, und des halb sagte er die Sitzung ab also ist er noch nicht über die Conture gekommen. Der liebe Kerl sorgt für mein Weiterkommen wie ein zweiter Vater. Was mich freut ist daß er jetzt mehr als je streng ist was Arangement betrifft – er wird bisweilen ordentlich heftig. Gestern Abend hatte er den alten Rottmann besucht und viel über Bernhardt und mich gesprochen sie finden nämlich beide daß B. außerordentlich Porträtmaler ist doch zu wenig Geschmack, Sinn und Energie besitzt um ein Bild gut zu arangiren. Rottmann hat dem R. gestanden daß ich ihm sehr dringend empfohlen gewesen und er versäumt mich zu besuchen, zu letzt sich geschähmt und gar nicht mehr gekommen sey. Jetzt thäte es ihm aber so sehr leid und er wolle das Versäumte nach holen. Sie haben auch davon gesprochen mir | einen anderen Lehrer zu recomandiren allein in München ist Bernhardt unstrittig der Beste – R. hat mir heute das Versprechen abgenommen daß ich nicht des Sonn- und Feiertags

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arbeiten solle bei Bernhardt, sondern er wolle Modelle an den Tagen bestellen und mich zeichnen lassen und dabei mich aufmerksam machen auf das wirklich Schöne der Natur. Er plagt mich etwas aus zu stellen wo von ich nichts wissen mag. Gestern sagte er  : »Wenn Sie in der Welt durch die Kunst Glück machen wollen so muß Ihr Ruf Ihnen voraus gehen. Stellen Sie was aus damit man in ein paar Gurnalen über Sie lesen kann.« Dolliger Kautz  ! Will sehen wie sein Bild wird vielleicht kann das ausgestellt werden. d  : 4 Juli 49. Die eintretende Dunkelheit zwang mich gestern auf zu hören. Der Kaffee ist noch nicht fertig deshalb noch einige Worte. Vielleicht habe ich mich auch geirrt da ich sagte Rs. wolle Kosaken mit Indianern kämpfend malen. – Wird die Cholera häftiger dann bitte ich Euch dringend mir wo möglich alle 8 Tage zu schreiben, die Briefe bitte francirt nicht, sie werden schon hier bezahlt werden, auch ich werde schreiben in dieser Weise wenn sie hierher kommen sollte. Den lieben Wachters glaube ich heute nicht schreiben zu können das nächste Mal aber gewiß, einstweilen die herzlichsten Grüße wie allen übrigen Bekannten und Freunden, Herrmann Hartmann nebst Schwester Minna besonders. Nach Wrangelshof ebenfalls Gruß und Kuß.  – Der Onkel ist den ganzen Tag im Garten und erfreut sich an seinen Rosen, die in der That auch herrlich sind oder vielmehr gewesen sind, bald haben sie völlig ausgeblüht. Beide sind wohl und | freundlich. Die lieben Tanten haben mich einmal besucht, hatten einen starken Katar, sonst sind sie gesund und tragen mir immer Grüße an Euch alle auf. Aloys Rosner wie man mir gestern sagte ist seit längerer Zeit schon als Assisten [sic] im Krankenhaus angestellt. Wenn der Jung gesund bleibt so wird er noch eine tüchtige Kariere machen ich wünsche es ihm von Herzen. – Der Brief an die Tante hat sehr viele Freude gemacht wie es schien und viele freundliche Grüße dagegen von ihr und dem Onkel mir aufgetragen. Rugendas glaube ich hat das Gleiche gethan. Jetzt weiß ich gar nichts mehr zu schreiben deshalb denn nehme ich Abschied. Lebt wohl gesund und heiter und macht Euch keine Sorgen um meinet Willen. Was haben Carusens beschlossen mit ihrer Tochter  ? Grüßt sie von mir. Unser Hannchen, was macht die gute Seele  ? Herzlich umarmt Euch Eure Tochter Julie Hagen

354 | Die Briefe Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 8.7.1849 Sonntag d  : 8ten Juli 1849

Meine theuren lieben Eltern  ! Meine Sontags Freude soll es auch heute sein einen neuen Brief an Euch zu beginnen. Ich weiß schon daß ich nichts anderes schreiben kann und werde als was die Kunst betrifft doch das schadet ja nichts – thäte ich das nicht so würde meine Correspondenz ganz aufhören. Einen schlimmen Traum von Euch hatte ich heute früh woraus ich durch Musik, Gesang geweckt wurde, das aber nicht mehr hörbar war als ich ganz erwacht war – ich weiß deshalb nicht ob es bloß Täuschung oder Wahrheit war  – ich sprang aus dem Bette in die Badewanne, welche an meine Stube gränzt – Jeden Sonntag morgen baden wir uns alle und träumte daselbst meinen Traum fort bis mich anfing zu frieren. Die Zither hat auch schon eine Stunde mich beschäftigt, es geht immer noch schlecht – ich übe zu wenig und dann ist mein Lehrer ein Erzdummkopf. Nächstens Samstag giebt er mir die letzte Stunde und ich bekomme einen anderen Lehrer – Möchte es bei dem besser gehen – wie so gern möchte ich die Zither gut spielen denn es hat so was ganz besonderes Reizendes und es ist nichts zu unbedeutend alles verleiht sie Lieblichkeit, ja Bedeutung. Mein nächster Lehrer ist ein Attelierbekannter von mir, die Kleine malte ihn nämlich denn er hat ein südliches, wenn auch nicht schönes so doch hübsches Gesicht. Während er saß hat er oft durch sein schönes Spiel das ganze Attelier um sich gezaubert, Alles verließ die Arbeit um ihm zu zu hören. Gleich einer Composition von Kaulbach in welcher Homör durch seinen Gesang die Götter vom Olymp lockte. –304 Später. Nachtisch. Ein langer Spaziergang durch den englischen Garten hat den Vortisch ausgefüllt. Der Tag ist | sehr heiß, der erste nach mehreren Wochen, gewiß tritt nun bald wieder Regen und starke Gewitter ein. Als wir heim kamen begrüßte mich ein Brief vom Bruder Carl aus Karsk305 – ein recht langer und freundlicher und ich glaube ihm bald wieder zu schreiben. – Rugendas hat also 304 Gemeint ist wohl eine Szene aus Kaulbachs Bilderkreis zur Weltgeschichte im Neuen Museum Berlin, den er 1847 bis 1866 ausführte, darunter eine Szene Homer und die Griechen. Zu diesem Fresko schuf Kaulbach schon in München Kartons mit der Komposition, die eingehend diskutiert wurde. Der Freskenzyklus ist heute nicht mehr erhalten (vgl. Margret Dorothea Minkels, Die Stifter des Neuen Museums  : Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Elisabeth von Baiern, Norderstedt 2011, S. 255 ff). 305 Das heutige Ust-Karsk liegt in Sibirien an der Grenze zu China und war um 1850 unter dem Namen »Kara«, nach dem angrenzenden Fluss, bekannt. Es ist nicht bekannt, dass Carl Hagen, der später in der Nähe von Mogilev tätig war, jemals in Transbaikalien war, jenem Landstrich, in den Ludwig Schwarz zu dieser Zeit aufgebrochen war. Möglicherweise meint Julie hier das estnische Karksi (dt. Karkus) in Südestland.

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wie Ihr wißt in der eben vergangenen Woche des nachmittags sitzen sollen und wollen. Am Montage zeichnete ich die Conture am Dienstag legte ich den ganzen Kopf an und am Mittwoch Nachtisch wollte ich kräftig hinein arbeiten doch siehe da die Farbe war schon zeh trotz dem daß das Bild vor naßen Tüchern 24 Stunden lang gelehnt gewesen. Vor Schreck darüber hatte ich ordentlich Fieber und ich mußte suchen die Maaße zusam zu arbeiten in 3 Stunden war dies auch geschehen die Augen doch roh völlig ungemalt nur angelegt. Eine Ausführung findet man nicht an dem Kopfe doch Farbe Form und Ausdruck sind darin, er ist frapant ähnlich. Den andern Morgen mußte er um 7 Uhr schon da sein damit ich noch die Augen fertig machen konnte. Ich bin nicht zufrieden mit dem Kopf doch Bernhardt ist es sehr und R. schwärmt etc. und lächerlicher Weise daß es schon viele Künstler wissen so z. B. war Rottmann am Freitag da um nach zu sehen fand auch Farbe und Auffassung sehr gut. Kaulbach sprach mich auch neulich auf der Straße an mit den Worten  : »ich höre sie malen Rugendas und es soll so gut werden | ich werde Sie besuchen« – Ich glaube nicht daß er’s thut – Rugendas freute sich daß Rottmann bei mir gewesen war fragte genau was er für und gegen das Bild gesagt habe und sagte  : »Es ist gut daß er sich angewöhnt Sie zu besuchen er hat viel Urtheil und Sie werden lernen durch ihn« – Es amisirt mich zu sehen wie Rs. sich bemüht mich bekannt zu machen so z. B. erzählt er jedem von der berühmten Russin – wissen die Leute nichts von der so wundert er sich außerordentlich darüber. Er ist wirklich zum todt lachen. Wird mich das eitel und albern machen  ? – nein – nein, o nein das kann es nicht beruhigt Euch ja darüber, ich weiß und sehe sehr gut was mir fehlt und dann ist aber auch Rs. nicht blind er kann furchtbar einen demüthigen. In kaum 8 Stunden habe ich den Kopf gemalt und ich begreife nicht daß er so ähnlich geworden – er ist zusam gewichst der erste in dieser Art was allen zu gefallen scheint. Der G{l}aube macht selig  ! – d  : 13 Juli 49. Auf und auf ist der ganze Kerl (Rugendas) gemalt bis auf die Hände welche heute Nachtisch auch begonnen und fertig werden sollen. Also, in 5 Tagen ein Bild von 3 Ellen hoch, ha  ! das giebt mir Muth und Zuversicht. Rugendas hat kindische Freude darüber. Er geht in diesen Tagen auf einige Zeit nach Hochschloß zu Hanfstengl’s und wenn er zu rück kommt wird retuschirt und dann sitzt er mir noch ein Mal für mich und ich | denke die ganze Figur zu malen,  – das Costüm macht sich herrlich  – großartig und frei nichts Kleinliches. – Neulich wurde Rugendas recht sehr böse auf mich, heftig war er schon oft, doch neulich ärgerlich. – Er war gekommen und ich nicht gleich im Attelier. Mittlerweile hatte er etwas gekramt, dies und jenes angesehen, und auch Rahmen die an der Wand angelehnt waren angesehen fand da unter andern die Girl, mein verunglücktes Bild, – Ich kam nun hinein und seine ersten Worte waren zu mir »um Gottes Willen machen Sie dieses Bild ja fertig – lassen Sie die Arme und

356 | Die Briefe Schultern nicht verloren gehen  ! Die sind so schön gerathen wie keiner unserer Maler es ihnen nachmacht.« Ich lachte und fing über diese Äußerung zu spotten an – das nun nahm er mir sehr übel und sagte ich soll überzeugt sein daß er mir nicht solche Dinge sagen wird so bald es nicht seine innere Überzeugung sei und daß er sich nicht von Launen bestimmen lasse denn ich habe es oft genug erfahren daß er sehr malitiös und oft häftig über etwas schlechtes resurnirt habe. Er hat mir angeboten das Bild bei ihm fertig zu machen da Bernhardt nichts wissen mag da nun will ich sehen was zu thun ist jedenfalls erst kann es geschehn wenn er zurück vom Lande ist. d  : 18 Juli. Meine Fingerspitzen sind voll Blasen. Die Ursache ist Herr Kleiber, mein neuer Zitherlehrer. Ich habe von anfang an bei ihm beginnen müssen da der Dummkopf, der erste Lehrer nämlich eine ganz falsche Methode zu lehren gehabt hat. Mich verdrießt die | Zeit und das Geld welches unnütz verschwenden worden – Es ist sehr schwer dasjenige zu vergessen was man mit großer Mühe sich in den Kopf und Finger gebleit hat. Es verdrießt mich sehr.  – Im Attelier geht es auch nicht so recht da ich mir vorgenommen nicht früher was Neues anzufangen bis nicht meine Studien fort sind. Hoffentlich gehen sie mit diesem Briefe fort. Eines meiner Köpfe, welches ich lasirt und vergessen Trockenöl hin zu zuthun will nicht trocken werden. Gestern Nachtisch brachte Rugendas mir ein Paar Künstler ins Attelier um sein Bild denen zu zeigen. Da sagte er mir denn daß er meine Feuermamsell copiert habe damit das Meinige Euch gehöre denn er mache sich Gewissensbisse es zu behalten so lieb er das Bildchen auch habe und so viel Bewunderung es findet, es ist komisch daß man dieses Art der Beleuchtung noch gar nie vorher gesehen will haben. Heute gehe ich zu ihm um seine Copie an zu sehen. – Drolliger Kautz  ! – d  : 22 Juli 49. Sonntag. Eure Briefe haben mich heute sehr überrascht denn ich wußte nicht daß ich dieselben erwarten dürfte. Die Zeit streicht an mir vorüber ich weiß es selbst kaum zu fassen wie. Drei Wochen hinter dem Rücken und ich verstehe nicht wie sie mir in der Erinnerung so kurz erscheinen können, ja, ja das macht die Gleichmäßigkeit meiner Beschäftigung. – Eure Briefe sind kurz – Das thäte nichts zur Sache  ; denn immer gleiche Freude machen mir die kurzen, wie die langen Zeilen wenn sie nur Gesundheit und Heiterkeit mir verkünden. Leider ist das heute nicht der Fall  – Sorgen vor allem vergiften das Leben des Menschen und wieder ich bin die Ursache daß sie Euch quälen müßen  – Was fange ich nur an daß ich 400 R Euch schaffen könnte  ! Gott im Himmel wenn doch all meine Bilder Liebhaber fänden was wäre ich glücklich. Diese | werden nun bald und hoffentlich in dieser Woche vom Stapel laufen früher kann ich nicht frei athmen, denn das Bewußtsein daß sie noch hier sind lastet wie ein Alp auf mich. An Kraslovsky wie an Schirren werde ich schreiben um das Nöthige ihnen zu sagen und fragt sich’s ob aber Schirren schon vom Strande

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zurück sein wird.306 – Der Brief von Rugendas enthält die Erklärungen so wie die Preise für seine Sachen, gern möchte ich die Stellen abschreiben um sie dem Schirren zu senden  ; allein ich kann die fremden Namen nicht recht lesen daher wol noch weniger abschreiben. Ginge es nicht lieber Vater daß Du den Brief an Schirren schicktest  ?307 – Die angegebenen Preise finde ich für unsere Verhältnisse ungeheuer billig, denn 5 Bilder sind’s und dafür ungefähr 500 Gulden also nach unserem Golde nicht einmal 300 R.S. das ist doch ein Spottpreis nicht wahr  ?  – Rugendas wünscht daß alle Bilder bis auf den Bivac der Karrenführer als Skizzen betrachten werden sollen da sie aus einer früheren Zeit sind und weniger gut in der Farbe sind doch das muß man den Leuten, welche kaufen sollen und möchten nicht sagen, der Glaube ist nöthig und die Augen bei uns sind wirklich noch kindisch – es werden sich wenig wirkliche Kunstkenner finden lassen, sondern das Urtheil anderer suchen sie sich anzu eignen. Ich bin nun der Meinung den Preis um das doppelte zu erhöhen damit die Billigkeit den Leuten den Glauben nicht von vorne herein nimmt. Die Compositionen sind selten lebendig und fantasiereich und was soll der Künstler anders erzielen  ? – Finden sich im Augenblick keine Liebhaber so bin ich überzeugt gehen sie alle im Winter zur Jahrmarktzeit auseinander. Rugendas hat zwar Geld nöthig und wäre ihm außerordentlich lieb bis zum October Gewißheit zu haben indem er zu Michaeli sein Quartier bezahlen muß allein | das schadet auch nichts. Tante und Onkel, welche es auch entsetzlich billig finden haben mir gesagt daß sie einstweilen wenn es nöthig ist das Geld vorstrecken wollen bis Ihr die Bilder gut verkauft habt. – Es ist recht sehr dumm daß Dorpat nicht diesseits Riga liegt damit Du die Bilder früher siehst und sicher zu wissen was sie werth sind. Was wäre das nett wenn er mehr bekäme als er hofft und wünscht. Um das Doppelte kann man dreist den Preis erhöhen da erstens bei uns ein gutes Bild selten oder gar nicht gesehen wird und zweitens das Geld keinen so hohen Werth hat als hier in München. Der Gulden steht bei weitem höher als der R.S. bei uns. – Gestern um 11 Uhr ist Rugendas abgereist nach Hochschloß zu Hanfstengl’s, den 1ten August kommt er auf zwei Tage wieder damit ich sein Bild fertig machen kann, indessen meinetwegen kommt er nicht sondern er hat sonst Geschäfte, dann aber geht er wieder fort und vielleicht auf 2 Monate. Bis jetzt hat er gewissenhaft mich täglich besucht und ich habe viel durch seinen Rath gelernt  – er ist sehr gescheut und jetzt ist’s mir fast als 306 Die Bildersendung sollte über Riga gehen und von Carl Schirren in Empfang genommen werden. Um wen es sich bei »Kraslovsky« handelt, konnte nicht ermittelt werden. 307 Rugendas wollte seine Bilder mitschicken, um sie in Riga zu verkaufen. Danach enthielt dieser Briefe einen Beibrief von Moritz Rugendas mit den entsprechenden Angaben zu seinen Werken. Dieser ist aber nicht erhalten.

358 | Die Briefe könnte ich nichts Neues anfangen da er nicht da ist – ich weiß gewiß er ist nicht zu frieden mit dem was während seiner Abwesenheit geschieht – Sein Bild macht ihm große Freude der Indeaner hinter ihm ist mir gelungen so wol in Farbe als Ausdruck und Form. R. war als er ihn sah wirklich überrascht und sogar entzückt und versicherte daß ich ein liebes gescheites Kind sei etc. (so nennt er mich gern und gewöhnlich). So lang er fern von München ist male ich den Hintergrund, zu welchem Behuf ich all seine landschaftlichen Skizzen mir holen darf – jedenfalls wird das Bild sobald es fertig ist in Augsburg ausgestellt, ob hier das bezweifle | ich. Bernhardts wegen mag ich’s nicht zu geben. Rugendas schreibt Dir was er mir und den Verwandten selbst gesagt, ich müßte bald allein gehen. Der Gedanke ist mir gräßlich. Die Zeit kommt ja nur zu bald  ! Zu Riedel nach Rom oder Winterhalter in Paris wünscht er mich hin indessen Bernhardt hat in jüngster Zeit ein paar Porträts gemalt die ganz herrlich sind und mir einen fürchterlichen Katzenjammer verursacht. Seine Malerei ist so herrlich, so ganz ohne Manier daß man staunend es ansieht und meint vor der reinsten Natur zu stehen, ich gebe gern zu daß ihm ein höherer Schwung für Arangement fehlt doch im Übrigen wird sobald er nicht übertroffen. Das Feuerbildchen magst Du lieber Vater also als ein Geschenk von Rugendas ansehen, er hat sichs copirt was sehr nett geworden ist. Bruder Wilhelm hat geschreiben (gestern kam der Brief) tolles Zeug durcheinander woraus ich erkannte daß er noch der selbe flüchtige Junge ist, recht herzlich gut dabei, mich freut es daß er sein Provisor Examen gemacht. – d  : 23 Juli Frühmorgens. Eine sehr schlechte Nacht hinter dem Rücken zu wissen ist recht angenehm obgleich der darauf folgende Tag auch nicht immer der schönste ist. Heute habe ich Kopfschmerzen – NB  : Auf keines meiner Studien habe ich meinen Namen geschrieben, eine alte Untugend welche Du lieber Vater oft genug schon in Dorpat rügtest allein ich kann mich nicht überwinden es zu thun und jetzt möchte es mich im Fortschicken auf halten daher kannst Du es wol thun sobald es unbedingt Dein Wunsch wäre. Die Skizze zu R’s Bild folgt vielleicht, obgleich sie ganz abscheulich ist. Aber doch wenigstens bekommt Ihr eine Idee davon. – | Es ist gut daß ein zweiter Brief mit geht sonst wäre es recht traurig diese wenigen und leeren Blätter abgehen zu sehen und auch zu empfangen. – Weiß man nichts von Amalie Laursonn  ? Ich glaube sie wird sterben denn mich träumte neulich daß ich auf einem Spaziergange ohne irgend eine Veranlaßung den Ring von ihr, den ich immer trage, verloren, derselbe fiel in einen schlaffen Abgrund. – Recht sehr betrüblich ist es daß der Sommer ein so schlimmer ist. Bei uns ist es auch kalt, der kalte unfreundliche Herbstwind weht mit ganzer Kraft mich an. Des Abends bin ich noch nie länger als ½ 9 Uhr im Garten gewesen, häufig nicht einmal das und was schlimmer ist, zuweilen gar nicht, die Abende und

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Morgende sind gradezu  : kalt Eine Reise werden wir wahrscheinlich machen,  – Tante denkt lebhaft daran doch nichts mag der Onkel wissen  – vorher bekommt Ihr noch einen Brief. Wie heißt denn der Anbeter der jungen Carus, und früherer Liebhaber der M. Otto  ? Kenne ich ihn  ? Es wäre schade wenn ihr Talent untergehen sollte. Meine Grüße der ganzen Familie. – Wachters bekommen mit nächstens Briefe vorher muß ich eine Maaße andere beantworten welche zu einem ganzen Haufen sich gesammelt. Daß Sivers wieder in Dorpat ist wundert mich  – hat er zu thun  ? Gruß und Kuß meinem lieben herrlichen Onkel und Freund. Wie ist er, und war er gegen mich gut u lieb in Dresden. Mit dankbarem Gefühle denke ich stets an ihn. – Liebe theure Mutter  ! Beinahe hätte ich vergessen, Dir die Preise für die Gewünschten Gegenstände der Frau von Dumberg zu sagen. Eine Schatulle kommt auf 8–10 Louisdor, ein Taschentuch auf 2 Preußische Thaler und endlich eine Gra|natbrosche auf 2 Louisdor. Sage ihr das  ; doch auch zugleich daß ich nichts mit nehme für Freunde da ich Gefahr laufe es zu verlieren oder Zoll zu zahlen wonach ihr die Geschichte eben so theuer als bei uns kommt. – Lieber gleich gesagt als später Unannehmlichkeit haben.  – Du, Mieze  ! Schreibst Du Deinem Schwarz dann vergiß nicht von mir herzlich zu grüßen bis ich selbst schreibe. Später – Soeben habe ich wieder die Erfahrung gemacht wie der Glaube in allen Dinge nöthig ist besonders ein Kunstwerk zu beurtheilen. Im Kunstverein hörte ich gestern sei die Prinzes Alexandra vom jüngeren Kaulbach308 gemalt und ausgezeichnet, ja herrlich. Was ich aber bis jetzt von ihm gesehen war abscheulich, maniriert auf ’s höchste. – Neugierig ging ich also hinauf und fand es abscheulicher als alles was bisher dem Publikum presentirt worden ist aber der Name Kaulbach, der macht die Menschen blind  ? – Also darf man den Leuten nicht sagen daß Rugendas Bilder als Skizzen betrachtet werden sollen. R. ist bescheiden trotz seiner Größe. – Herrmann Hartmann grüßt mir recht herzlich was macht der liebe Junge  ? Ihr sagt gar nichts über ihn. – Hat Schirren die Erlaubniß erhalten eine Pension anzulegen  ? Schon lange habe ich keinen Brief – er 308 Gemeint ist Friedrich Kaulbach (1822–1903), ein Vetter Wilhelm von Kaulbachs, der anfangs auch sein Lehrer war. Kaulbach war als Historienmaler und Porträtist später vor allem als Hofmaler in Hannover tätig. Sein Sohn Friedrich August von Kaulbach (1850–1920) gehörte später neben Franz von Lenbach und Franz von Stuck zu den erfolgreichsten Porträtisten Münchens. Die »Prinzes Alexandra«, die jüngste Tochter Ludwigs I., Alexandra Amalie von Bayern (1826–1875), blieb unverheiratet und war schriftstellerisch tätig. Joseph Stieler hatte diese Lieblingstochter Ludwigs auch für die »Schönheitengalerie« des Königs porträtiert (gemalt 1845, bez. a. d. Rückseite »Alexandra Amalia kgl. Prinzess  : v. Bayern geb. zu Aschaffenburg 26. Aug. 1826. gemalt v. Jos  : Stieler i. J. 1845«, Öl auf Leinwand, 70,5 × 59,2 cm, Schloss Nymphenburg, Inv.-Nr. Ny.L.-G0004 (WAF), vgl. Hojer, 2011, S. 114).

360 | Die Briefe scheint mich vergessen zu wollen. – Tante und Onkel grüßen recht sehr herzlich – sie sind beide recht lieb und freundlich. Auch Tante Cecilie und Anna sind gesund. Von Ignatz erfehrt man gar nichts. Es ist recht ungezogen von ihm nicht einmal gedankt zu haben da Onkel ihm Geld im vergangenen Jahr borgte. Keine Sylbe hat er geschrieben. – | Abends  : Dem Schirren werde ich also nicht über Rugendas Bilder schreiben, sondern bitte Dich lieber Vater ihm womöglich Rugendas Brief mit den bezeichneten Stellen über seine Bilder zu senden das ist das beste was man thun kann und zugleich daß er nach seinem besten Wissen und Überzeugung den Preis erhöht. – In der That es fällt mir nichts wieder ein Euch zu schreiben und ich denke daher zu schließen. Indessen die Tante sprach davon zu schreiben daher ich mit dem Siegeln des Gouverts warten will bis morgen. – Lebt wohl und baut auf die Liebe und Treue Eurer Tochter Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 29.7.1849 München, d  : 29 Juli 1849 Meine lieben theuren Aeltern  ! Wieder ist es Sonntag geworden und ich gehe an mein altes geliebtes Geschäft einen neuen Brief an Euch zu beginnen – beinahe möchte ich’s meine Sonntagsandacht heißen. – Meine Sachen (Studien) sind noch hier, leider muß ich hinzu fügen. Tag und Nacht finde ich nicht Ruhe noch Rast daß es so ist, und daß die Kiste geöffnet werden muß denn ich bin überzeugt daß dann irgend etwas beschädigt wird. Hier wurden sie gut und sorgfältig verpackt und nicht kann und wird ein Nichtkünstler es für nöthig halten es zu thun und solche werden an der Gränze es aufmachen. – Es sind 17 Bilder mit Rugendas zusammen worunter 4 beinahe 2 ½ Ellen hoch sind und im Verhältnis breit, die übrigen sind alle stuffenweise kleiner – Es giebt eine große schwere Kiste. Abgenommen vom Rahmen und gewaschen lagen sie schon seit ein paar Tagen auf dem Fußboden oben im Salon ausgebreitet. – Ich allein kann nichts thun und ich wuste garnicht weshalb ich nicht Unterstützung fand von Seiten Onkels und der Tante, da ich doch schon so lang trieb, sprach und Eure Sehnsucht schilderte. Jetzt kommt es heraus  : Sie hatten nämlich im Sinn selbst mit mir zu Euch zu reisen doch da ich nicht zurück kann und darf geht es nicht diesen schönen Plan aus zu führen und sie sinnen auf ein Anderes Mittel die Bilder so sicher wie möglich zu schicken, vielleicht durch Leuchtenbergs etc. Onkel weiß nicht daß ich darum weiß daher schreibt auch Ihr nichts im Fall die Tante Euch nichts selbst schreibt – So geht es im Leben sieht man seine Wünsche erfüllt | so erkennt man es kaum als ein Glück an da immer wieder neue Wünsche aufgetaucht sind aus der stillen

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Tiefe. Jetzt schon allein gehen müßen in der Kunst das wäre schrecklich und namentlich wo man mir Muth von so tüchtigen Männern macht. Wird das aber nicht immer so fort gehen  ? Je länger ich lerne desto unzufriedener werde ich am Ende werden. Ein schöner Trost  ! Doch in einem Jahre kann ich ungeheuer viel noch lernen da ich mit der Technik keine harten Kämpfe mehr zu bestehen habe. Das Malen wird mir leicht also braucht nur der Geist zu arbeiten und da habe ich ja an Rottmann und Rugendas Stützen gefunden so kräftig wie man sie sich nur wünschen kann. Ich sprach mit Tante sehr offen darüber fragte sie aufs Gewissen ob ich wirklich noch bleiben könne (denn ich brauche viel Geld). Da sagte sie denn daß sie auf keinen Fall gereist wären und reisen würden wenn ich nicht wieder zurück käme um in meinen Studien fort zu fahren. – Der Gedanke daß ich zu Hause durch’s Porträtmalen so viel verdienen könne um meine Schulden dem Kulbach309 zu zahlen ist mir hundert und tausend Mal gekommen  ; allein um’s Jahr werde ich mehr leisten können also auch mehr mir zahlen lassen dürfen. – Ich hoffe daß ein Paar Bilder von mir gekauft werden wenigstens hat Bernhardt mir wiederholt gesagt daß der Pilger, das Feuermädchen und ich weiß nicht welches Bild noch, gewiß gleich Liebhaber finden würden mit dem Zusatz  : »es sind recht gute Bilder« Rugendas sogar nennt sie  : GallerieBilder. – Der kleine Tyroler wie ich Euch schon sagte hatte ich für den Onkel bestimmt, den selben | malte ich in den Pfingstfeiertagen um mich zu prüfen was ich allein zu Stande bringe, denn Bernhardt kam nicht zu mir. Der Kopf ist gut in der Farbe auch nicht übel in der Zeichnung und ist auch ähnlich – die Haare und Bart sind schlecht und das ist wohl aus Unlust gekommen denn zuletzt verlor ich den Fleiß und fegte drauf los. R. zieht diesen dem großen vor – auch Bernhardt äußerte Freude als er ihn am dritten Tage fertig sah. Onkel hat ihn nicht nehmen wollen sondern sagte daß Ihr die Bilder besser brauchen könnt und des halb hat er auch die Wäscherin als Betende vom Rahmen gespannt. – Ich finde das Bild schlecht und freue mich zu sehen daß ich doch fort geschritten bin. Nun eine Bitte  : Sollte man Lust haben Bilder zu kaufen so fragt nicht erst an ob ich’s erlaube sondern gebt sie weg und um den Preis der Dir gut dünkt lieber Vater. – Ihr werdet so keinen Platz für alle haben und Bilder müßen in die Welt. Wie wäre das schön wenn Du in Riga wärst um die Kiste zu empfangen. Wüßte ich nur ob Schultz310 dort ist, der müßte sie mir aus und ein packen aber ich 309 Da sie hier betont, dass es ihre Schulden seien, ist es möglich, dass der Vater für die Ausbildung der Tochter neben dem Villebois’schen Stipendium weiteres Geld benötigte und es von Kulbach lieh. Ein Ludwig Kulbach (1792–1878) war Pfandbesitzer zu Tabbifer unweit von Dorpat. 310 Zu Karl Schultz vgl. Anm. 55. Nach kurzem Aufenthalt in Riga war er im Frühjahr 1849 nach Archangelsk gezogen, in der Hoffnung auf ein künstlerisches Betätigungsfeld, war also zu dieser Zeit nicht in Riga.

362 | Die Briefe fürchte er ist auch am Strande. Indeß ich schreibe ihm doch durch Schirren. Weißt Du keinem Maler den Auftrag zu geben etwas Sorge zu tragen  ? – Wäre es nicht so weit und hätte ich das Geld so müßtest Du lieber Vater hinreisen und ich bin überzeugt Brederlo kaufte etwas. Die Skizze zum Bilde von Rugendas (Farbabb. 11) folgt um Euch eine kleine Idee von demselben zu geben – Das Bild ist nun bis auf die Lasur fertig und macht mir selbst große Freude so daß ich sogar nicht abgeneigt wäre es aus zu stellen wenn Bernhardt nichts dagegen hat und Rugendas | es unbedingt wünscht in Augsburg geschieht es jedenfalls, das hat er mir schon gesagt. – Er kommt wie Ihr wißt auf ein paar Tagen wo ich ihn fertig machen und dann ist beschlossen für eine Zeitlang nicht zu arbeiten selbst Bernhardt wünscht daß ich einmal ausruhen soll – wohin wir reisen ist noch nicht beschlossen. Später Soeben sind Leute dagewesen um noch meine Bilder anzu sehen und da habe ich denn gesehen wie ein künftiger Künstler umzu gehen meint zu dürfen und meine Sorge ist erhöht betreff des Ankommens am Zoll und in Riga. Die fremden Bilder311 machen mir große Angst. Für heute schließe ich Lebt wohl  ! – d  : 3 August. Nur ganz wenig Worte Euch noch damit dieser Brief heute mit einer Maaße anderer abgehen kann. Die Bilder also am 2ten August. endlich abgegangen, ich bin herzlich froh darüber, Gott gebe ihnen glückliche Reise  ! An Chraslowsky habe ich geschrieben an Schirren und seine Schwester und endlich an Carl Schultz damit dieser für das Packen sorgt – Die Tante meint immer Du möchtest nach Riga, deshalb geht denn dieser Brief ab außer der gesetzlichen Zeit. Die Kiste ist bis Memel francirt worden, weiter ging es nicht mehr von dort aus muß sie spedirt werden indessen geht die Kiste nicht viel langsamer als ein Brief. – 20 Bilder mit den 3 Skizzen sind’s überhaupt, doch eine ganz artige Zahl, wenn sie nur auch eben so artig als Bilder wären, Rugendas ist gestern gekommen um wieder zu gehen. Ich mache das Bild fertig und er will es in München jedenfalls ausstellen, wollen wir sehen ob es geht  ! | Seine Freunde wollen eine Vervielfältigung durch die Lithografie sehen etc. Er grüßt Euch. Ich sagte ihm was ich für Anordnungen betreff der Preise getroffen, was ihm sehr gewagt schien und mir sagte ich müße ihm Deinen Brief über die Bilder zu lesen geben, ich versprach’s ihm da ich weiß daß es günstiger sein wird als er meint. – Unsere Reise ist noch dahin gestellt weder Zeit noch Ort bestimmt. Ich denke vorher noch einmal schreiben zu können. Meine Kleine grüßt Euch sehr auch Onkel – Ist R. fertig dann arbeite ich nichts mehr bis wir unsere Reise beendet. Ich will, ich muß etwas mich erholen. Meine Kopfnerven besonders sind angegriffen. An Wachters folgen Briefe. – Carl und Wilhelm erhalten auch in diesen Tagen Briefe. Den Wrangelshoffschen Grüße herzliche. Dem Schwarz ebenfalls durch 311 Es sind wohl die Bilder von Rugendas gemeint.

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Mieze herzliche Grüße. – Das Wetter ist immer und immer kalt – ich bin seit einigen Tagen ganz winterlich gekleidet – ein recht trauriger Sommer, die Ernten aber ausgezeichnet – | Ich weiß aber auch gar nichts noch zu schreiben ich glaube rein weil ich so eilig bin denn um 8 Uhr muß ich im Attelier sein – Gott erhalte Euch gesund und munter und möchtet Ihr in Euren Hoffnungen was die Bilder betrifft nicht getäuscht werden was wäre ich denn glücklich  ! – Allen Geschwistern Gruß und Kuß von Eurer Euch treu liebenden Tochter Julie. Ottilie von Paumgarten an August Matthias aus München, 2.8.1849 (angehängt an den Brief von Julie)  : München den 2ten August 1849

Mein sehr verehrter Schwager  ! Wie oft ich im Geiste bei Ihnen bin, werden Sie mir wohl kaum glauben, aber es ist wahr, über vieles könnte ich mündlich sprechen, da ich mich im Schreiben zu wenig gewandt fühle  ; zu sagen habe ich mir schon den Plan ausgedacht, unseren heurigen Ausflug nach Dorpat zu machen, um zugleich die Bilder von Julie und Rugendas mitzubringen. Als ich eben meine Idee Carl und Julie mittheilte, fanden leider beyde es nicht ausführbar weil einmal zu Hause J­ulie nicht sogleich wieder mit nach Deutschland zurück dürfte. (Diese Russische Sitte kömt mir recht hart vor) Diesen schönen Wunsch um Ihnen und die liebe Schwägerin persönlich kennen zu lernen mußte ich für dieses mal aufgeben, da meine Absicht nur diese war Julie und uns diese Freude zu machen. Julie muß noch wenigstens ein Jahr hier bleiben, besonders | jetzt, da Rugendas ihr viel nützen kann. Wäre es lieber Schwager aber den gar nicht möglich, zu machen daß Ihre Tochter Emilie auf Besuch zu uns komen könnte, aber mit Carus wenn diese ihre Tochter hieher bringen sollten. Was wäre dieß für eine Freude für Julie, und für Emilie würde es in ihrer jetzigen Lage gewiß Zerstreuung sein, vielleicht ließ sich’s machen, es machte mir große Freude. Julie ist gesund, sieht gut aus, scheint heiter, und ich glaube daß Sie Ihre Besorgnisse für ihre Gesundheit nicht beunruhigen sollen. Daß Julie mit Sehnsucht ihren lieben theuren gedenkt, und ich glaube gerne auch manchmal mit Wehmuth finde ich sehr natürlich. Sollte ich jedoch bemerken daß ihre geistige wie phisische Kraft leiden würde, so vertrauen Sie mir, ich würde sie nicht länger

364 | Die Briefe denn zurück halten, denn ich habe mir es zur strengsten Pflicht gemacht, für Julie in allem Sorge zu | tragen, was zu ihrem Wohle ist. Über ihre Fortschritte schreibe ich nichts, weil Sie ihre Arbeiten nun selbst bald sehen werden. O könnten Sie doch nach Riga kommen, um die Bilder selbst auspacken zu können, Julie ist sehr besorgt dafür. Von Schwager Ignatz hören auch wir, so nahe er übrigens ist, nichts, er ist Landgerichtsassessor in Krumbach etwa 8 Stunden von Augsburg, hat sich mit einem Fräulein Revay verheurathet ob glücklich oder nicht, konten wir nie erfahren er schreibt äußerst selten und da nur in dringenden Fällen. So eben sind die Bilder auf der Post abgegeben Carl konnte es bis Memel franco gehen lassen. Julie wird Ihnen daß nähere darüber schreiben, ich wünsche nur recht guten Empfang. Sollten Sie Bilder von R. verkaufen können so haben Sie die Güte uns nur anzeigen zu wollen wie viel Sie erhielten, wie und auf welches Amt uns Geld zu schicken wäre, würde Julie oder ich Ihnen schreiben. Leben Sie denn alle recht wohl Julie wartet schon um diese Zeilen mit ein zu schließen, also nur noch die herzlichsten Grüße von Ihrer aufrichtigen Schw. Ottilie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, August 1849 23 August Meine theuren vielgeliebten Aeltern  ! Sonntag spätestens erhalte ich Euren Brief und ich habe noch keinen angefangen. Es war recht dumm von mir Euch in meinem letzten, welchen Ihr wol auch am Sonntage bekommt nicht gesagt zu haben daß ich nicht gleich antworten werde aus dem einfachen Grunde weil ich nichts weiter als daß wir gesund sind zu berichten hätte. Da ich hoffe daß Ihr Euch das längere Ausbleiben meiner Antwort auf diese Weise erklären werdet will ich mit Ruhe und freudiger Erwarten [sic] dem Briefe aus der Heimath entgegen sehen, ihn genießen und dann einen Tag vor unserer Abreise welche noch immer nicht bestimmt ist – meinen auf die Post tragen. – Der Krieg im Süden,312 die Cholera im Norden lassen uns immer noch keinen festen Entschluß fassen – Seit zwei Tagen also bin ich zu Hause und exercire auf der Zither 4 auch 5 Stunden – Gestern konnte ich aber es nicht lassen etwas zu zeichnen und doch hatte ich’s mir fest vorgenommen nichts zu thun, und gewiß fange ich am nächsten Tage zu malen an – Mir wird immer mehr und mehr die Gewißheit daß ich nicht mehr ohne Pinsel und Palette leben kann und dieses Gefühl macht mich so glücklich daß ich’s nicht beschreiben kann.

312 Sie meint die im Rahmen des ersten italienischen Unabhängigkeitskrieges geführten Auseinandersetzungen in Italien, besonders die noch anhaltenden Kämpfe in Venedig.

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d  : 14 August – Gestern, nachdem ich vergebens am Sonntage mir die Augen müde geguckt hatte, den Briefträger zu erspehen, empfing ich erst Eure lieben Briefe. Mein Zitherlehrer war grade da, welchen ich bat statt meiner zu spielen damit ich lesen konnte wenigstens einen Brief um zu erfahren ob alles gesund sey. Gott lob es war so  ! und ich war den ganzen Tag heiter und vergnügt – Nachtisch ging ich zu den Tanten hinaus und kam unter heftiges Blitzen und Donnern nach Hause. – Die beiden guten Seelen sind gesund und leben fort unter Arbeit und wol auch mancher Sorge. Sie lassen | viel tausend Mal grüßen. Heute ist’s nun wieder schon trüb und häßlich und so geht es den ganzen Sommer fort, spärliche Sonnenblicke nur werden uns Erdenkinder und dennoch sollten wir hier nicht klagen, die Ernten sind ja auf das herrlichste gerathen  ! Ihr Armen  ! Ihr seit zu beklagen und was hilft das Klagen wenn man nicht die Kraft hat zu helfen ich kann leider nur den herzlichsten Antheil nehmen. Ich beginne Eure Briefe wieder zu lesen und die zu beantwortenden Stellen heraus zu heben, da tritt mir denn zunächst Eure Freude und Erwartung meiner Bilder betreffend entgegen. – Je mehr Ihr solches äussert desto ängstlicher wird mir zu muth denn ich fürchte Eure Hoffnungen sind zu hoch gespannt und das wäre schrecklich  ! – Dann aber macht mir das Spaß daß Liphard313 die Bilder von Rugendas mit Glod Loreng vergleicht – es ist recht schön und gut daß er es thut und möchte er’s nur so viel er kann erzählen und Lerm machen dann werden die Bilder, welche er zwar Skizzen nennt doch im schönsten Licht vor die Augen der Liebhaber und dem übrigen Publikum strahlen. Da Du so begeistert bist von seinen noch nicht gesehenen Bildern so habe ich mir den{n} 3 Skizzen gebracht, Landschaften in denen herrliche Fernen und eine köstliche Sonne glüht um sie Dir zu kopieren. Sie gehören der Kupferstichsammlung  – Noch habe ich wenig Lust die Pinsel in Bewegung zu setzen allein es soll, es muß doch sein  ! Du wirst fragen  : wie bekommst Du diese Skizzen da R. nicht hier ist  ? – Er gab mir das Privilegium in sein Attelier zu jeder Stunde zu können und zu nehmen was ich nur wünsche – So wohl wird es nicht jedem und wol auch mir nicht wieder. – Bald sind’s 8 Tage daß ich nicht male und weiß der Himmel noch treibt es mich nicht dazu – ich zithere den ganzen lieben Tag und | denke mir immer dabei daß Ihr beide und alle Geschwister um mich her versammelt seit um zu lauschen – Schöne Träume  ! Vielleicht gefällt Euch dieser liebe Ton der Zither recht einmal – Sivers Schello 313 Der Kunstkenner, Mäzen und Sammler Karl Eduard von Liphart (1808–1891) besaß eine bedeutende Sammlung an Kunstwerken in seinem nahe Dorpat gelegenen Wohnsitz Schloss Ratshof. Liphart unternahm ausgedehnte Reisen durch Europa, besonders Italien und Deutschland, zu jener Zeit war er mit seiner Familie wieder in Ratshof ansässig. In den 1860er Jahren übersiedelte er endgültig nach Florenz und war danach nur sporadisch in Livland anwesend. Zu von Lipharts Sammlung vgl. Raadi of Our Dreams, 2015.

366 | Die Briefe fällt mir so oft ein wenn ich übe – grüßt mir diesen lieben Freund – Vielleicht sitzt Tante Christina eben jetzt in Eurem Kreise wo ich an Sie denke könnte ich sie nur auch sehen  ! So aber bitte ich also Euch mir recht viel, alles, alles zu erzählen von ihr – Die gute Großmutter ist also immer noch gesund – wie ist das schön  ! Damals als ich Abschied von ihr nahm dachte ich sie zum letzten Mal zu sehen und nun wird das Glück mir hold sein sie bei meiner Heimkehr doch noch zu begrüßen – d  : 17 August Ich befinde mich in einer ganz entsetzlich träge schlafenden Stimmung, es ist als wenn alle Kräfte in mir eingeschlafen wären – ich gähne und gähne, und gähne wieder und kann nicht fertig werden – o pfui das ist langweilig  ! Eben habe ich zwei Briefe beendet nach Augsburg und nach Salzburg und will mich einmal zwingen noch ein paar zu schreiben vielleicht an Schwarz und Hartmann  – denn Malen kann ich wirklich nicht, einen gänzlichen Widerwillen habe ich dafür – hier und da habe ich zwar angefangen doch die Lust entschlüpft mir immer eben so rasch wieder wie sie kommt und so laß ich mich halt gehen – Die Skizzen von R. brachte ich zurück da er ganz plötzlich wieder in München erschien, durch rasende Zahnschmerzen von Hochschloß getrieben – – Tante bringt | das ganze Haus in Ordnung bevor wir fort gehen und noch ist nicht bestimmt wohin, doch aller Wahrscheinlichkeit nach, den Rhein hinunter und wenn ich es so weit bringen könnte daß sie denn nach Brüssel, Antwerpen und, lacht mich nicht aus – nach Paris gingen wäre ich sehr froh – was würde ich da nicht für Kunstschätze sehen, ha das wäre köstlich  ! – Das Wetter darf übrigens günstiger sein als es bis jetzt ist. Gestern war es glühend heiß daß ich am ganzen Körper mit Hitzbläschen wie übersäht war und heute regnet es wiederum – so rasch wechselt es und das ist für Reisende besonders fatal. Wo mögen meine Bilder sein  ? Vielleicht schon in Riga  – gebe es Gott daß ihnen nichts geschieht. Dies Mal habe ich nicht das Papier mit Butter bestrichen denn Rugendas sagte mir daß dies ganz unnöthig sey – im Fall das Papier also ankleben sollte so wird ein weicher Schwam es leicht herunter waschen. Du sagst ich hätte nicht geschrieben was alles kommt  ? Dieser Vorwurf hat mich ganz irre gemacht so daß ich nicht einmal weiß ob ich’s im letzten Brief gethan oder nicht. Die Studien bedürfen kaum einer Erklärung indessen in aller Kürze will ich’s dennoch thun. Ich selbst also mache eine große Hauptsache aus u findet Ihr das Bild mit dem welches in Eurer Seele wohnt nicht einstimmig nicht ähnlich so ist’s ein Beweis daß ich mich verändert, wie sehr  ? könnt nur Ihr wissen also schreibt mir alles genau. R. findet daß mein Blick ein mehr träu | merischer ist etwa so wie Freund Herrmann ihn mir in seinem Bilde gemalt. Das ist das Einzige und der Einzige der das aussetzt sonst findet man’s sehr ähnlich. Das reichste, doch unförmlichste Kostüm ist die der Dachhauerinnen, Das Zweite im roth seidenen Mieder und Häubchen ist die Schweitzerin und endlich das dritte die Münchner

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Tracht  – an dem Bilde sollte eine Hand hin kommen, war auch schon gemalt doch auf Rugendas Befehl wurde sie weg gekratzt, Auf das hin ist die Leinwandt zu breit und unten zu lang, ungefähr gab ich durch einen Klatzer [sic] an, wie viel abgenommen werden muß – Es kann sogar noch mehr sein, das überlasse ich Deinem Gutdünken. Dann kommen die beiden Tyroler, der Pilger, die betende Wäscherin (abscheuliches Bild) das Feuermädchen, 3 Skizzen Die Klio und Schiller, welches in Riga bleibt. – Es ist wenig das ich sandte, vielleicht nur, und kaum die Hälfte von dem was ich in dem letzten Jahre gemalt doch ich hoffe Ihr werdet auch aus diesen Sachen erkennen daß ich mich bemühte fleißig zu sein. Den schönen Kopf der Girl (vgl. Abb. 14) habe ich gestern abgeschliffen so weh es mir auch that um einen weniger schönen auf den Körper zu setzen, die Kopie schickte ich ihr als Original neulich zu – d  : 19 August Wieder ist es Sonntag und ich mag gerne schreiben hätte ich nur Gedanken um Euch nicht zu annuyiren. Meine Handschrift wird steifer als steif heute – es kann nicht anders sein, sind doch meine Hände ganz steif von der Kälte oder es klingt sanfter für einen Sommer wenn ich sage  : von der Kühle draußen. | Sonderbar daß ich mir ein bilde daß heute meine, und R. Sachen von Schirren und seiner Familie besehen wurden. Ich hoffe er wird daran denken, es Gras’sens zu sagen – ich vergaß darauf ihn darum zu bitten. – Die Nacht habe ich verworren geträumt – kann mich nur auf eines besinnen daß Du Vater nämlich in Riga seist was mir ungeheure Freude machte so daß ich erwachte – Unsere Reise kann im aller besten Fall erst in 8 bis 10 Tagen vor sich gehen. Der Onkel erwartet Geld noch erst. Ich preparire die Tante und diese den Onkel nach Belgien und womöglich nach Paris zu gehen und ich glaube gewiß es wird gelingen. d  : 20 August ha  ! es weht eine eisige Luft draußen  ! Der leibhafte Herbst macht sich geltend und wie mag es bei Euch ausschauen  !  ! Rugendas welchen ich heute besuchte sagte mir daß in Belgien die Cholera sei und sogar wüthe – infam  ! Recht infam  ! Triest, Venedig ebenfalls Cholera  ! Zuletzt bleiben wir ganz zu hause, ich sagte noch nichts zu hause davon bevor ich oder sie es nicht in der Zeitung lesen. Ich werde in dieser Woche bei R. das unglückliche Bild malen, Ihr wißt die Girl oder will ihm den Namen die Ärmchen geben, so nennt es Rugendas weil er die ausgezeichnet findet – ich will es durchsetzen und doch malen denn das Nichtsthun annuirt mich furchtbar, macht mich verdrießlich – unzufrieden mit mir selbst etc. mehr. – Onkel und Tante arbeiten im Garten, geben den Topfpflanzen andere Erde und schneiden ohne Ausnahme die herrlichsten Keranien kaltblütig weg was mir so barbarisch erscheint und ich konnte nicht unterlassen eine etwas malitiöse Be|merkung zu machen. Von den angeführten Topfpflanzen besitzt der Onkel drei  : albani, punctatum und speciasam –

368 | Die Briefe d  : 25 August 49 Es ist schon arg daß wir immer noch hier sitzen und nicht weiter kommen. Schon sind’s 14 Tage d. h. in zwei Tagen daß ich Eure Briefe hatte und der Meinige noch nicht fort  ! Nun aber will und soll ich nicht mehr warten auf die Entscheidung sondern werde diesen Brief abschicken. In so großer Entfernung kann man sich nicht überwinden etwas Böses bei Ausbleiben eines Briefes zu denken und doch würde man in einem solchen Fall gewiß gleich schreiben – Die Cholera das schlechte Wetter und ich weiß nicht was noch traten uns hindernt in den Weg  – Es regnet und ist kalt schon seit vielen Tagen seit ich zuletzt Euch schrieb – Wir befinden uns im Herbste ohne es bemerkt zu haben denn in diesem Jahre hatten wir keinen Sommer. Ehe ich’s vergesse  : den Schirren bat ich die Kiste bis Riga d. h. von Memel aus zu bezahlen. Bis dahin bloß konnte sie francirt werden  – ich weiß nicht wie das ist, weshalb es nicht auch bis über die Gränze geschehen kann. Wenn Schirren also nicht die Größe der Ausgabe Dir angiebt so bist Du wol so gut ihn darum zu fragen  – indessen es kann nicht viel betragen. Können die Bilder jetzt wol bei Euch sein  ?  ! Ich bin so neugierig auf den ersten Brief nach dem Empfang der Kiste – Mittwoch, Donnerstag und Freitag habe ich fleißig bei Rugendas gearbeitet, habe ein Bild fertig gemacht. Dem Körper einen anderen Kopf aufgesetzt und das Ding sieht jetzt gut, vielleicht nicht liebenswürdig aus. Das Köpflein ist weniger schön, doch unschuldig naiv. Lange blonde Haare, wellig durch das Flechten hängen ihr über die Schulter herab. Rugendas sagt  : »ich bin nur froh daß die Ärmchen gerettet sind« – das Bild ist hübscher und auch vielleicht besser als die Wäscherin deshalb thut es mir leid es Euch nicht geschickt zu haben. Ich bin überzeugt es hätte Liebhaber gefunden – Wenn nur | Studien verkauft würden  ! Frage um Gottes Willen nicht bei mir an ob ich einverstanden bin oder nicht. Für mich haben sie wenig oder gar keinen Werth – Ihr glaubt nicht wie ich froh bin, diese Studien nicht mehr sehen zu dürfen – Sie wurden mir zuletzt schon zum Überdruß langweilig, daß ich sie alle an die Wand hing so daß der Kopf hinunter sah. – Eine allerliebste Oberbayerische Dorfgeschichte von Ludwig Steub314 – die alte Trompete in Es betitelt kann ich Euch empfehlen – Sie ist sehr naiv und nett geschrieben, Rugendas gab mir’s – Sonntag Abends 26 August 49. Endlich also ist bestimmt worden am Mittwoch früh 5 Uhr mit der Eisenbahn zu entfliehen, dem Vater Rhein zu. Die Reiseruthe ist bis nach Ostende gesteckt d. h. vom Onkel. Tante und ich aber wol314 Ludwig Steub (1812–1888) war ein deutscher Schriftsteller und Jurist. Er lebte seit 1845 als Rechtsanwalt in München, zuvor war er in Griechenland unter König Otto I. gewesen. Er gehörte zu Moritz Rugendas’ Bekannten. »Die alte Trompete in Es. Oberbayerische Dorfgeschichte« von Steub erschien 1849 in München im Cotta’schen Verlag. Steub war mit seinen Erzählungen sehr erfolgreich, vor allem als Reise- und Heimatschriftsteller.

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len gern den Anblick der See, des Meeres um Paris vertauschen. Onkel scheint nichts wissen zu wollen allein ich zweifle gar nicht daß er in Brüssel einsehen wird daß es sündhaft wäre so nah zu sein und nicht hin zu wollen. Im ganzen ist es äußerst kühn und zeigt doch wol Muth mehr als zu viel daß ich nach Paris gehen möchte ohne nur ein Wort französisch zu können. Nach Antwerpen wollen wir da Onkel nicht den Zeitungsnachrichten betreff der Cholera traut. Sagt es dem Sivers daß ich lebhaft seiner mich erinnern werde315 – wäre er doch noch dort welche himmlische Freude für mich, welcher Forttheil. Auf Straßburg freue ich mich, auch auf Frankfurt und Mainz. Lieber Gott warum aber muß ich allein so glücklich sein so köstliche Erinnerungen für’s Leben mir zu sammeln  ???  – Ich kann Euch nicht sagen wie weh mir’s ist Euch daheim in der sorgenvollen Alltäglichkeit | darben zu wissen während ich in ein Saus und ein Braus viele hundert Stunden durchjage. Dieser Gedanke ergreift mich so mächtig daß ich im Stande wäre augenblicklich auf alles zu verzichten. – Manchmal ängstigt mich doch die Cholera. – Was habe ich nur gestern Abend noch schreiben wollen  ? Es fällt mir nicht ein –vielleicht später. – Meine Kleine bittet sehr daß Schwester Miezchen ihr Mittel doch versuchen möchte und zwar statt Honigs Zucker auflösen – Sie schreibt mir so theilnehmend und sagt zuletzt  : »ich habe große Sorge um Dein Schwesterchen« – – Ein Brief an Schwarz folgt. Miezchen legt ihn zu den Ihrigen – und noch dazu tausend Grüße. – Der Braut erlaube ich auch ihn aufzumachen obgleich wol ziemlich dasselbe was ich Euch, in aller Umständlichkeit erzählt, hier in kurzen Worten enthalten ist. – Holla  ! Bald hätte ich meinen Dank meiner neuesten und jüngsten Corespondentin, meiner lieben Schwester Gotton vergessen zu sagen, auch Marie herzlichen Dank. Beiden werde ich bald schreiben und mich selbst bedanken – – Länger als 3 Wochen bleiben wir nicht von Haus entfernt, daher müßt Ihr schon gleich auf diesen Brief antworten damit mich Eure Briefe empfangen – allenfalls könntet Ihr zwei drei Tage warten nach dem Empfang dieses Briefes, damit er nicht all zu alt wird und Ihr auch nicht zu lang auf meine Antwort warten müßt natürlich ist das erste Geschäft in München Euch zu schreiben deshalb nur Euch keine Sorgen gemacht im Fall es länger dauert als Ihr erwartet und wünscht. – Der russische General Diel316 hat mich durch Rugendas grüßen lassen, unbekannter weise und hat mir einen Besuch angesagt – NB  : er ist eigentlich Künstler und ich glaube eine Art Spion – hat au315 Der Freund Peter Felix von Sivers hatte einen Teil seiner Ausbildung in Antwerpen absolviert. 316 Karl Leopold von Kiel (auch  : Ljeff Iwanowitsch Kiel, 1789–1851) war von Beruf Offizier und dilettierte als Aquarellist und Maler. Von der Petersburger Akademie der Künste war er 1846 zum Tutor der russischen Pensionäre in Rom ernannt worden und hatte offenbar maßgeblichen Einfluss auf ein Bleiben oder Gehen der russischen Künstler im Ausland. Julie Hagen nennt ihn hier zunächst »Diel«, da Rugendas ihn so bezeichnet hatte.

370 | Die Briefe ßerordentlich über meine Arbeiten gesprochen und gesagt »er gäbe 3 Köpfe von | Stieler317 für einen von mir.« – – Eben fand ich den Namen »Witte«318 da ich eure Briefe durch blättere. Er ist ja ein grund garstiger infam häßlicher Kerl  ! Und wie es scheint spielt er eine Hauptrolle bei den jungen Damen in Dorpat. Mein Geschmack wäre er gewiß nicht  ! Was sagt denn der alte Carus dazu wenn seine Künstlerin nun doch heirathet  ? Ha das macht mir bald Spaß  ! Vielleicht hat er vergessen welche Ansichten er im vorigen Jahre geäußert. Die neue Dummheit der Universitäten bis auf 300 Studenten zu bringen wird hoffentlich nicht lang dauern schon deshalb nicht da sie für ihr großes Reich an Ärzten zu kurz kommen werden denn sonst ist ja das der erste Weg Ausländer ins Land zu ziehen. – Das Wetter besinnt sich lang anders zu werden eben gießt es wieder mörderlich. – Bernhardt sagte mir schon öfter bei Gelegenheiten »Sie setzen alles durch«  – und bald muß ich’s selbst glauben – wenigstens sehe ich daß ich vieles erlange ohne große Ansträngung, ohne Mühe, so sieht es auch jetzt mit dieser Reise aus – An Brüssel, Antwerpen und nun gar an Paris hatte kein Mensch gedacht und Tante glüht jetzt nur dafür – Ihr werdet sehen daß es bis nach Paris geht obgleich Onkel noch nichts wissen mag – wir schweigen auch ganz still, sind wir erst da, dann  ! – Tante hat eine schreckliche Unruhe der Bilder wegen kann die Nachricht ihrer Ankunft gar nicht erwarten – Sie und der Onkel grüßen herzlich und das alle mit einander. Lebt wohl meine lieben theuren Aeltern und Geschwister und gebt mir bald Nachricht d. h. in 3 spätestens 4 Wochen von heute an sind wir wieder zu hause – Dies Mal tritt eine lange Pause für mich ein  ! Nochmals lebet recht wohl und grüßt mir alle Freunde alle Bekannten. Eure Euch treu ergebene Tochter Julie Julie Hagen an Ludwig Schwarz aus München, 20.8.1849 München d  : 20 August 49 Mein lieber guter Schwarz  ! Es träumte mir diese Nacht daß ich liebe herzliche Zeilen von Ihnen erhielt – sie machten mich so glücklich, so froh und heiter daß ich nun auch gleich aus Dankbarkeit Ihnen antworten will d. h. antworten, indem ich mir den süßen Traum gern als Wirklichkeit denke – ich weiß ja daß Sie ganz ebenso geschrieben, wenn 317 Joseph Karl Stieler war der erste Porträtist Münchens und Hofmaler des Bayerischen Königs. Er schuf auch die Bildnisse der sogenannten »Schönheitengalerie« Ludwigs I. in Schloss Nymphenburg (vgl. Anm. 67 und 308). 318 Möglicherweise der seinerzeit in Dorpat studierende Friedrich von Witte (1822–1879), der später als Jurist in St. Petersburg und Warschau tätig war. Die Carus-Töchter heirateten alle drei (Fanny 1852, kurz darauf Elise und Marie, die »Künstlerin«, 1859), aber keine einen »Witte«.

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Sie Zeit und Muße hätten und weiß nun auch daß der kleinste Gruß aus einem freundlicheren Lande, als Sie gegenwärtig pilgern willkommen ist und schöner und freundlicher erscheint als sonst. – Lang hatte ich’s mir vorgenommen meinen Gruß und Kuß zu denen der lieben Mieze zu gesellen allein ich wußte Sie fort und fort auf dem Postwagen mit dem Sie von Minute zu Minute uns weiter rückten und dieses Bewußtsein ließ auch mir nicht die gewünschte Ruhe einen Brief an Sie zu schreiben. Jetzt können Sie in Irkutsk sein und vielleicht sehnsüchtig zurück blicken auf Ihre Vergangenheit kaum begreifend wie so schnell und so vieles sich geändert – kaum des Glückes recht bewußt geworden, eine Braut erworben zu haben – auch schon getrennt von ihr und auf so lange, lange Zeit  ! Es ist hart und bitter  ! aber eine solche Trennung bringt gewiß auch seinen Segen den Leidenden nur muß man nicht verzweifeln. – Miezchens Briefe sind vernünftig wenn gleich eine stille Wehmuth mir nicht entgeht. Die Sorgen der Aeltern theilt sie, als jetzt älteste Tochter gewiß und so traurig das ist so […] | doch auch daß gerade dieses im Stande ist ihr mehr das Schmerzliche des Alleinseins zu mindern als jede Freude. Wäre die Gränze zwischen Rußland und Deutschland nicht so gänzlich gesperrt so hätte die gute Tante sie auf einige Zeit heraus bringen lassen wo sie jedenfalls Zerstreuung gefunden hätte. Der lange Sommer vor allem, die Neuheit und Schönheit der Stadt. Das Theater usw. hätten gewiß sehr wohlthätig auf sie gewirkt und namentlich geholfen die Zeit schneller hingehen zu lassen so aber kann alles das leider nicht sein. – Ich allein bleibe noch obgleich mir eigentlich das Recht fehlt  ; allein so lang man mich nicht ruft oder fort schrickt rühre ich mich nicht von der Stelle. – Dies könnte Sie fragend machen ob ich denn nicht mehr an Heimweh Sehnsucht und dgl. leide  –  – O gewiß lieber Schwarz  ! bisweilen ergreift’s mich noch mit seiner ganzen Häftigkeit, besonders nach meiner lieben, süßen, sanften Mutter  ! die vermisse ich wol recht recht sehr, (obgleich ich an Tante eine unendlich liebevolle zweite Mutter fand) allein durch die Kunst muß und will ich einst grade dieser nützen denn es schneidet mir in die Seele wenn ich denke wie wenig Freude, wie wenig ruhige Augenblicke ihr der große Haufen Kinder bringt und dazu wie Sie wissen, kommt noch das große Leiden  : Vaters reitzbare Nerven. – In dieser Zeit habe ich einen Theil meiner Studien des letzten Jahres nach Hause geschickt und wünsche nur daß der liebe Vater in seinen Hoffnungen nicht getäuscht wird. | Ich kann mir nicht den Vorwurf machen meine Zeit verthan auf unnütze Weise vielleicht eher eine zu starke Anstrengung anklagen, denn seit bald 14 Tagen thue ich nicht viel, so eigentlich nichts, habe mich meinem lieben Attelier, Pinseln und Farbentöpfen entfernt und vergnüge mich durch’s Briefeschreiben, Lesen und dem Üben auf dem liebenswürdigsten Instrumente der Welt  : der Zither. – Jeder Ton derselben führt meine Gedanken weit – – – weit fort in die blauen Berge, in das köstliche Gebirgsland  ! und selbst dieses Vergnügen

372 | Die Briefe langweilt mich bisweilen – ich bin in eine völlig dumpfe Schläfrigkeit verfallen aus der ich mich selbst mit großem Zwang nicht reißen kann. Es ist als wären alle Kräfte in mir eingeschlafen und bedürften einer großartigen Erholung. Es soll zu einer Reise kommen doch immer ist’s noch nicht entschieden wohin. Es scheint mir als sollte es zur Rheinreise kommen – wenn das Wetter nur besser werden möchte.  – Fort und Fort Regen, nur wenig Sonnenblicke sind uns in diesem Jahre geworden – Kaum 20 Abende, und dieselben nur bis 8 oder ½ 9 Uhr waren uns, in 5 Monaten gegönnt im Freien zu zu bringen – Übler noch sieht es in unseren armen Ostseeprovinzen aus – Man schreibt mir daß jetzt schon Mangel an Nahrungsmitteln sei etc. ich überlasse es denen Daheim das Genauere über ihre Verhältnisse zu berichten – also wieder zu mir zurück. Das klingt zwar egoistisch doch meine Ansicht, in Briefen egoistisch sein zu müssen macht sich über all geltend so auch Ihnen gegenüber. | Der Name Rugendas ist Ihnen bekannt nicht wahr  ?  – und diesen selten großen Mann habe ich gemalt, im brasilianischen Kostüm also als reisenden Maler (vgl. Farbabb. 11). Das Bild hat die Höhe von 3 ½ Ellen, dies sage ich nur weil es das größte und man sagt auch, das beste Bild ist das ich bis jetzt gemalt. Die wollenen Decken von bunten Farben (dort Mäntel) machen sich großartiger als man denken sollte. Er steht, die Mappe auf die eine Hüfte gestützt und zeichnet, hinter ihm rechts sieht ein Indeaner neugierig ihn an – links sieht man entfernte Schneeberge in wolkenähnlichen Formen, dann Pflanzen und endlich auf einem Stein Hut und Sebel liegend.319 Das Bild hat einigen historischen Werth und deshalb wird es vielleicht ausgestellt, in Augsburg auf jeden Fall, ob in München ist die Frage, denn mir fehlt der Muth dazu. – An diesem Mann habe ich einen lieben Freund gefunden der sich für meine Kunstbestrebungen lebhaft interessiert mir mit Rath und Winke an die Hand geht und mich in Künstlergemeinschaft bringt. Bei denen ich, was mich überaus glücklich macht, Theilnahme und sogar Anerkennung finde.  – Sonst lebe ich einsam und allein, komme nie unter Menschen – Meine Kleine (Sie wissen so nenne ich Frl. Lattner ehemals Schülerin von Bernhardt) geht mir sehr ab – Es war die Einzige bei der ich ein reines richtiges Gefühl fand unter all den jungen Mädchen welche ich hier Gelegenheit hatte kennen zu lernen. Wir schreiben uns wol häufig und so glücklich wir auch sind überhaupt ein Mittel zu haben uns in der Ferne einander fühlbar zu machen, so weit bleibt diese Mittheilung doch noch hinter dem Wunsche zurück. Sie hatte mir neulich einen Gruß an Sie auf getragen – sie kennt Sie genau durch […] 319 Zu diesem Bildnis von Moritz Rugendas vgl. Conrad, 2016. Eine kleine Studie des Bildnisses hat sich im Estnischen Kunstmuseum in Tallinn erhalten, wo es Moritz Rugendas zugeschrieben wurde (vgl. Anm. 236). Schicksal und Verbleib des ausgeführten Porträts sind derzeit nicht bekannt.

Die Begegnung mit Moritz Rugendas 

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Jetzt bin ich ins Schwatzen gekommen daß ich Lust hätte noch ein neues Blatt zu […] Leben Sie wohl lieber Schwarz und denken Sie freundlich wie bisher Ihrer alten Freundin. Es war mir ein lieber Trost durch Miezchen zu erfahren daß mein letzter Brief Sie noch in Pulkowo traf. Sie brauchen mir nicht zu schreiben, nur Ihrer und meiner Mieze müßen und werden Sie schreiben d  : 26 Hätte ich nur mein feines Papier nicht so ganz und gar auf geschrieben so finge ich doch noch ein kleines Blättchen an. So aber muß ich mich mit diesem kleinen Raum begnügen. Tante und Onkel grüßen herzlich. In zwei Tagen gehen wir den Rhein bis nach Ostende vielleicht sogar nach Paris. Ich verspreche Ihnen nach vollendeter Reise zu schreiben wie es mir gefallen. Leben Sie wohl und gedenken Sie in einstigen Augenblicken auch Ihrer Freundin. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 24.9.1849 München d  : 24 Sept. 1849 Meine theuren Aeltern  ! Gestern Abend sind wir müde und gebräunt zurück nach München gekommen. Ein Brief von Euch, ein sorgenvoller, verzweifelter und einer von Schirren mit der Meldung des glücklichen Ankommens meiner Kiste Bilder begrüßten mich sogleich. Deine Angst, lieber Vater, hat mich recht sehr betrübt und doch bin ich nicht schuld daran und wäre es nicht zu viel, so würde ich es verlangen daß Du oder die gute Mutter meine Briefe worin ich Euch geschrieben daß die Sachen abgegangen genau und sorgfältig noch ein mal durch liest und damit kein Wort über sehen werde und ich bin gewiß Ihr findet weshalb die Kiste nach Memel adressiert worden und nicht gleich nach Taurogen an Klaslofsky.320 Jetzt Gott lob ist diese Sorge beseitigt, die Sachen sind in Riga also unnöthig einer weiteren Erklärung nur so viel daß dieses Mißverständniß nicht durch meine Dummheit geschehen sondern durch die Einrichtung der Zollvereine. Außerdem muß man in der Regel noch ein Mal so lang auf die Sachen warten als man berechnet. Dies habt Ihr noch jedes Mal erfahren und es soll in Zukunft uns allen eine Lehre sein. – Daß der Bruder Carl nicht meinen Brief bekommen ist mir recht sehr unangenehm, ich adressirte ihn an Wilhelm nach Moskau auf das dieser ihn 320 Die Hafenstadt Memel, das heutige litauische Klaipėda, gehörte damals zu Preußen. Tauroggen, heute Tauragė in Litauen, gehörte damals zum Russischen Reich. Tauragė liegt auf der Verbindungsstraße zwischen Königsberg (Kaliningrad) und Riga, wohin die Kiste zunächst zum Freund Carl Schirren gehen sollte. Offenbar glaubte der Vater, dass die Bilderkiste den direkten Weg über Tauroggen gehen würde. Um wen es sich bei dem mehrfach erwähnten Kraslovsky bzw. Klaslofsky handelte, konnte nicht ermittelt werden.

374 | Die Briefe weiter senden sollte. Solltet Ihr früher an ihn schreiben so könntet Ihr ihn aufmerksam machen darauf – Er wird wol einen Bekannten oder Freund in Moskau haben, welcher ihm den Brief besorgt. Ich weiß nicht mehr was ich geschrieben doch so viel ist gewiß daß der Brief recht lang und ausführlich war. – Jetzt eben habe ich wieder alle Briefe von neuem durchgelesen und immer habe ich keinen rechten Muth zu schreiben  ; bin ich müde von den Strapazen der Reise, oder verstimmt, traurig  ? so frage ich mich und ich konnte immer nur weinen ohne mir genügende Antwort zu geben. Ich muß ausgehen  – will meinen lieben Bernhardt sehen, vielleicht | zerstreut mich das. d  : 25 Sept 49. Frisch ist der Morgen, frisch aber auch mein Geist und Körper deshalb gleich an den Schreibtisch um nach zu holen das Versäumte  ! Ich will also wieder zurück zu Euren Briefen und mich selbst mit diesen verflechten. Die Einlagen an die Tante haben große Freude gebracht und mir scheint immer als wäre Tante ordentlich für eine Zeitlang erbaut. Mir ist’s nur unangenehm daß sie diese beiden Briefe nicht dem Onkel hat zeigen mögen indem er nichts von ihrem letzten Brief an Dich Vater wußte. Er erwartete wohl mit Recht ein Zeichen der Erkenntlichkeit für das was er für mich thut deshalb lieber Vater schreibe doch nächstens an ihn oder an beiden zusammen wie Du eben magst und danke ihm besonders für die Bilder welche nun doch ankommen werden. Denn er hat sich viel Mühe gegeben mit dem Packen der Kiste und hat seinen Tyroler und die Betende her gegeben und außer den beiden Porträts nichts behalten. Du gute Mutter schreibe Du an ihn, es geschieht ihm die größte Freude, denn er liebt Dich sehr, sehr – Du hast nicht nöthig Dich zu geniren wie Du sagst sondern »was von Herzen kommt geht auch zu Herzen«  ! Die Mannschetten von Mariechen haben der Tante große Freude gemacht und diente der Tante gleichsam als Entschuldigung für das Ausbleiben eines Briefes, dem Onkel gegenüber. – So hübsch die Arbeit auch ist und so sehr sie auch ihren Zweck erreicht, nämlich die Tante zu erfreuen, so wenig kann ich und sie es loben, da sie zu fein ist, die Augen, die lieben Augen müßen zu grunde gehen. Mir thun sie weh, beim bloßen Ansehen, was würden sie sagen, wenn ich daran arbeitete  ? Marie schreibt mir daß sie einen ganz solchen Kragen in Arbeit habe, ich habe ihn der Tante angemeldet  – wenn sie | also sich trennen kann von ihm und da er nun doch ein Mal gemacht ist oder wird so schicke ihn nur, da gegen soll sie einen andern erhalten, ich habe ohne dies ihr schon lang einen versprochen. Das Muster ist allerliebst und so hübsch gearbeitet – Durch solche Kleinigkeiten sehe ich wie meine Geschwister sich verändern. Wol glaube ich daß Tante die schönsten gehäkelten Kragen in ganz München hat aber sie ist auch nicht wenig stolz darauf, wenn sie sagen darf »eine kleine Nichte aus Rußland hat sie mir geschickt« – Das Gedicht von Jessen ist sehr nett und es freut mich fast mehr daß Du lieber Vater besungen als wenn ich’s gewesen. Ich habe kindische Freude darüber und fühle

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das Verlangen heiß in mir den Sänger Jessen321 zu kennen. Es müßen viel neue Professoren in Dorpat sein, von denen ich nichts weiß. Auch dieser Name ist mir ein völlig fremder. Daß der gute Bröker in seine Posaune blasen möchte ist mir aufrichtig gesagt gar nicht lieb. Wozu das  ? man lacht zuletzt doch nur darüber, wenigstens zu meiner Zeit that man’s gehörig und Bröker war und ist wohl noch jetzt der Mann welcher Anlaß zu Spruchwörtern in Dorpat giebt. Es freut mich daß Du das Material zu einem Aufsatz ihm zu geben verweigerst – indessen ich verstehe auch seine freundliche Theilnahme sehr wohl zu würdigen, daher einen Gruß an ihn bei Gelegenheit. Von wegen der 300 Studenten war mir die neue Nachricht eine höchst beruhigende obgleich ich nicht zweifelte daß es bald geändert werden würde. später. Eben verließ Rugendas mich, uns kann ich nicht sagen da Tante und Onkel eben ausgegangen waren. Es ist doch ein prächtiger Mensch, ein wahrer Freund  ! Ich weiß nicht wo anfangen  ? – wo enden  ? So viel freundliche uneigennützige Beweise von Theilnahme giebt | er mir daß ich oft ergriffen bis ins tiefste Innere mich frage, ob es mir gehört oder nicht. – Ihr wißt d. h. Ihr werdet an dem Anfange meiner nachstehenden Reisebeschreibung lesen wie R. sein Bild in München in jedem Fall auszustellen gewünscht. Es war mir ein furchtbarer Gedanke Bernhardts wegen und bin nur sehr froh daß die Umstände es verhindert es in der Zeit unserer Abwesenheit aus zu führen. Es wird nun doch geschehen. Er hatte mir schon früher gesagt es müße mein Ruf mir voraus in die Heimath gehen deshalb sollte ich etwas malen was allgemein Interesse findet und Anlaß zu Aufsätzen in einigen Jurnalen giebt, ich lächelte ingrimmig damals darüber und dachte ein geistreicher Mann kann wol das thun doch ein dummes Mädchen wie ich wie soll das geschehen, genug sein Bild – vorher das Lichtbildchen hat die Künstler aufmerksam auf mich gemacht – ich sage »Künstler« darunter verstehe ich die vornehmsten mit denen R. in Verbindung steht und drängen ihn nun es aus zu stellen. Kiel hatte gesagt er gäbe drei Köpfe von Stieler für einen von mir (R. hatte diesen mir jetzt bekannten Kiel immer Diel genannt und mich mit ihm bekannt zu machen gewünscht)  ; Kiel hat mich auch freundlich den Tag vor meiner Abreise grüßen lassen jetzt ist er im Bad und ich werde der Vorschrift gemäß den Brief befördern.  – Er hat mir erzählt d. h. R. heute früh, daß ich zu Kaulbach’s eingeladen sey und daß er alle Künstler für mich gewonnen habe, sie wollen mich alle besuchen. Es ist doch gar schön wenn man sich um die Gunst nicht zu bemühen hat – es war nie mals meine Liebha321 Vielleicht der Veterinär Peter Jessen (1801–1875), der von Kopenhagen nach Russland gekommen war und ab 1848 in Dorpat lebte, oder dessen Sohn, der Dichter Ludwig Jessen (1828– 1888), der als Pseudonym auch den Namen »Ludwig von Osten« verwandte, 1849 aber erst 21 Jahre alt war.

376 | Die Briefe berei die Leute von Bedeutung an zu betteln um Freundschaft etc. und so ist mir dieses jetzt ein liebes Geschenk des Schicksals. | Gott gebe daß ich dieses einmal gewonnene Gut nicht wieder verlieren muß das wäre freilich härter als hart. Heute erzählte er mir denn unter andern daß er Conferenz mit einem MalerKönig heute haben würde welchen er dazu vermocht mir zu sitzen d. h. als Mephistopheles natürlich muß man ihm das nicht gleich sagen sondern ihn vorher als etwas Besseren behandeln, nach und nach ihn darauf bringen. »Ich will sagte er daß Sie sich einen Namen erwerben und ein solches Bild das kann Ihnen von unersetzlichem Nutzen sein, es ist was Geniales und das allein kann und wird Sie bekannt machen« – jetzt hat er das Bild von dem ich schon öfter mit wahrer Begeisterung sprach, hier ausgestellt. Nämlich die Begegnung der beiden Karavanen.322 Ich war gestern im Verein und konnte mich wieder kaum trennen von dem Bilde auch hatte ich dabei Gelegenheit auf das Urtheil der Leute zu lauschen man findet es sehr schön  – das ist es auch und gewiß das schönste das ich wenigstens von ihm sah. – Er sagt er habe es für nöthig gehalten etwas hier aus zu stellen, auf das mein Bild mehr Interesse findet. Jetzt macht er sich ein Gewissen daraus die Landschaften nach Livland geschickt zu haben da sie doch sehr mittelmäßig sind. Möchten sie nur verkauft werden, das wäre so schön und herrlich. – Bernhardt, mein lieber Lehrer war gestern wirklich wahrhaft erfreut mich wieder zu sehen und hat mir manch Freundliches, in Folge unseres Gesprächs der Reise und der Kunstschätze welche ich gesehen – gesagt.  – ich bin nun für heute wieder ganz glücklich, Gott weiß wie lang das wärt indessen das muß ich denn doch gestehen daß ich nicht so entmuthigt zurück gekommen als ich dachte obgleich ich viel | Schönes gesehen. – Ich wollte ja Eure Briefe beantworten und bin einzig und allein mit mir beschäftigt allein das alte Sprichwort  : »wovon das Herz voll ist geht der Mund über« bewährt sich auch wieder hier. Ich kann nicht sagen wie lieb es mir ist daß Bröcker mit seinem Aufsatz noch nicht heraus gerückt ist ist es der Mühe werth so muß dies von hier aus geschehen, vom Sammelplatz der Deutschen Kunst und dann wird sich auch niemand ein fallen lassen darüber zu lachen.  – Bruder Alexander (vgl. Abb. 13) fängt also auch an in Oel zu malen, er frappirte mich da ich nicht verstehe wozu ein Gärtner das nöthig hat, und da ein ganzes Leben dazu gehört um es einiger Maaßen zu einer gewissen Vollkommenheit zu bringen. Nun endlich noch zu dem Briefe von Schirren. Der gute liebe Freund hat am selben Tage wo die Kiste angekommen war, mir geschrieben, ausführlich und sichtlich erfreut. Sein Urtheil über Rugendas Bilder ist ein sehr gediegenes daß ich allen 322 Besprochen in der Allgemeinen Zeitung, Nr. 283, 10.10.1849. Leider ist derzeit kein Werk von Rugendas bekannt, das mit dieser Beschreibung übereinstimmt (frdl. Mitteilung von Pablo Diener, Cuiabá/Brasilien).

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Respect habe – das Urtheil oder eigentlich die Erklärung zu den beiden Genre Bildern ist so poetisch, so herrlich, gefühlt daß diese mir fast lieber ist, wie die Bilder selbst, leider kann ich’s dem R. nicht gut zeigen da Schirren eben nicht alles gelobt – vielleicht später thut sich’s besser – Von meinen Studien hat er drei oder vier besonders heraus gehoben. Mein Porträt d. h. das Costüm mißfällt ihm ganz und gar, was mir, ich gestehe es gern, großen Kummer bereitete. Über die Klio sagt er manch Freundliches doch die kleine Betende, das schlechteste Bild unter allen in künstlerischer Beziehung hat seine ganze Seele gefangen | genommen – er schwärmt für das Bild und meint alles thun zu müssen um das Bild an sich zu fesseln und wenn Ihr es ihm nicht lassen würdet, es ihm wäre als müßte er etwas von sich selbst entbehren. – Seine Begeisterung für das Bild hat mich gerührt doch ich kann es nicht begreifen. Kannst Du es ihm geben lieber Vater so machst Du mir eine große Freude, da es das Erste ist worum er mich gebeten nachdem ich so viele glückliche Stunden ihm verdanke und noch jetzt genieße durch seine Freundschaft und die herrlichen Briefe mit denen er mich von Zeit zu Zeit erfreut. Mir wäre es gewiß als müßte ich einen Theil von mir selbst verlieren wenn ich den Briefwechsel aufgeben sollte. – Außerdem ist die Wäscherin ungleich besser. Dieses Bild habe ich nie leiden können – in der Farbe ist es ganz schlecht – ich verspreche Dir eine Betende nach selbem Modelle zu malen und ich hoffe der Ausdruck wird mir nicht weniger gelingen als hier. Ich habe kein Recht ihm das Bild zu geben da meine Arbeiten, sobald sie von mir scheiden nicht mehr mein sind – das Bild hat hier wenig Anklang gefunden vielleicht gar keine Aufmerksamkeit erregt. Es ist so sonderbar wie der Geschmack verschieden ist. Rugendas schwärmt noch immer für das Lichtbild und sagt auch, es wäre ihm als hätte er was verloren das er nie vergessen würde  – Bernhardt hingegen stimmt für den Pilger. Rottmann für mein Portrait, kurz jeder hatte eines besonders, den übrigen vorgezogen. Gott gebe daß mein Portrait nicht den selben Eindruck auf Euch machen möchte wie auf meinen Freund, dann bin ich gewiß sehr unglücklich. – Die Stuben fanden wir bei unserer Ankunft sehr kalt und mußten fest heitzen lassen, auch aßen wir bei Licht zu Abend, recht sehr traurige Zeit rückt heran. | Ich lese eben im Brief der Schwester Mieze. Rosalie Kircheisen wolle nur interessante Briefe von mir lesen. Da freilich muß sie verzichten darauf oder mit den uninteressanten zufrieden sich stellen. Ich kann mir nicht denken daß sie unangenehm, unwahr etc. ist – exaltirt, das gebe ich gern zu, ist sie indess dafür kann sie nicht, dem ungeachtet hatte ich sie doch sehr gern – wir vertrugen uns stets gut waren immer gute Freunde – es wäre mir unangenehm wenn ich mich so ganz in ihr getäuscht hätte. Ich weiß wol daß Wachters auch oft klagten. d  :  26ten Sept. So oft ich ausgehe, so oft muß ich fragen ob denn Münchens Bewohner gestorben oder ausgeflogen sind, – ich kann keine Menschen sehen. –

378 | Die Briefe alles ist leer die einzelnen Menschen schleppen sich träge fort, München ist mir entfremdet  ! Das bunte verworrene Leben in Paris ist merkwürdig – tausende von Menschen, tausende von Equipagen in einer Minute zu sehen ohne daß es einem auffällt im Augenblick. Paris ist eine eigene Welt für sich  !  – Jetzt erst wo ich ruhig das Geschehen ordne indem ich in Gedanken jeden Schritt verfolge, jetzt erst erfreue ich mich wahrhaft des Genossenen. Doch zwei Dinge Das Gemälde von Gallait323 und der Dom von Köln sind mir unvergeßlich und leuchten als glänzende Sterne in der übrigen Herrlichkeit. Der erste Gedanke gehört diesen beiden Werken. – d  : 27 Sept. Gestern bat mich Rugendas Dir zu schreiben und in seinem Namen zu bitten, den beiden Landschaften, den Rundgemälden Nothrahmen zu machen da es durch aus nothwendig sey – was ich auch finde. Nämlich ein Oval aus dicker Pappe zu schneiden und dasselbe mit Goldpapier zu überkleben. Alex ­a nder wird das wol machen können. – R. macht sich ein Gewissen daraus diese Sachen geschickt zu haben etc. etc. – Gestern hat Tante und Onkel ihm eine große Wohlthat erwiesen wie er wiederholt sagte, indem sie ihm 500 Gulden | gaben – auf das Ihr Zeit mit seinen Sachen habt – Tante schreibt übrigens selbst an Euch deshalb. – Es wäre gut und mir sehr lieb wenn Miezchen den beiden Verwandten mit nächstens schriebe, ich sagte es weil Tante darauf viel hält und ihr große Freude macht  – wenigstens fühlt man ihr immer einen inneren Frieden für mehrere Tage an, wenn sie einen Brief aus Dorpat gehabt. Ich weiß zwar nicht was sie Euch betreff des Geldes schreiben wird  ; allein ich glaube daß Miezchen diese 500 Gulden bekommen soll – R. sagt wenn die Bilder nicht verkauft werden so würde er das Geld meiner Schwester zurück stellen, – Indessen ich spreche über Dinge wo mir das Recht fehlt. Nur noch ein Mal die Bitte, Rahmen wie ich sie bestellt um die beiden Landschaften zu machen da sonst kein Ende und kein Anfang sie haben. Ich sah hier solche überklebten Pappendeckel und finde daß sie ihren Zweck erfüllen. – Hartmann, Sivers nebst Familie, Dumberg’s sämtlich Wachters, Minna Sturm natürlich grüßt recht sehr herzlich – Kircheisen’s nicht zu vergessen. Nächstens erhalten Wachters Briefe. – Mit dem 1ten Oct. werde ich wieder anfangen zu arbeiten, nach zwei monatlichem Faulenzen Dann soll es aber auch geht [sic], will so fleißig sein wie noch nie  ! – weiß noch nicht was zuerst beginnen. – Ich muß schließen da ich einen Gang um 10 Uhr habe daher lebt recht wohl meine theuren Aeltern und Geschwister Mit Liebe Eure Tochter Julie |

323 Louis Gallait (1810–1887), zu Gallaits Gemälde vgl. weiter unten die Beschreibung der Rheinreise 1849 und Anm. 330.

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Marie’en und Gotton besonderen Dank für Ihre Zeilen und für die hübschen Manschetten Gruß und Kuß an alle, Julie Soeben ist die Tante Cecilie hier gewesen und bittet herzlich Grüße an Euch von sich und der Tante Anna zu bestellen. Die guten Seelen sind recht wohl. – | Die Rheinreise 1849 Den 28ten Abends besuchte Rugendas uns auf ein halbes Stündchen und fragte ob er sein Portrait, wenn der Goldrahmen fertig sey ausstellen dürfe, – meine Antwort war, ohne Bernhardt’s Erlaubniß schon gar nicht, – »Die besten und ersten Künstler haben wir für uns, welche alle wünschen daß das Bild ausgestellt werde also warum so muthlos  ?«  – so sprach er, was Onkel und Tante heiß machte und ihm sagten sie wollten schon verantwortlich sein im Fall Bernhardt unzufrieden sein möchte – indessen diese Sache ging mir doch in dem Kopf herum und ich konnte die Nacht vor wirklicher Sorge nicht schlafen. Beim Fortgehen nahm R. nicht Abschied sondern wollte den andern Morgen noch an der Eisenbahn uns sehen. Und wirklich die Uhr war noch nicht 6 und der liebe Kerl war da – für mich ein ordentlicher Trost indem ich ihn bitten konnte wenigstens zu B. zu gehen und ihm seine Absicht zu sagen. Er versprach’s. – d  : 1 Sept. Am Rhein gedenke ich Euer, ich kann es ungestörter thun als in den drei verflossenen Tagen. Ein flüchtiger Gedanke hat wol oft und viel Mal Euch gestört, denn ein stetes rastloses Laufen zwangen mich immer wieder gleich, diesen Gedanken mit einem andern zu vertauschen  – 3 Tage und 2 Nächte sind vergangen ohne daß wir aus unseren Kleidern gekommen wären. Wie schön oder unschön dieses ist, wird nur derjenigen wissen welcher es kennt. Bis Nördlingen fuhren wir vermittelst Eisenbahn am ersten Tage, mußten hier einen eigenen Wagen nehmen um durch die Nacht bis zur nächsten Eisenbahn zu gelangen. Die Nacht also durch das Rütteln und Schütteln nicht geschlafen. Das Neckarthal bot als Morgengruß erfreulichen Anblick’s uns, rechts und links, die herrlichsten Weinberge, außerdem Baumfrüchte in unendlicher Maße sonst nicht sehr viel mehr. Bald kamen wir in Stuttgart an, eine für mich liebe Stadt, etwas todt allein darum keines wegs so lang weilig wie man sie mir geschildert hatte. An Maler Gegenbauer324 eine Adresse von R. welcher die sämlichen Fresken am Schloße 324 Joseph Anton Gegenbaur (1800–1876) aus Wangen im Allgäu, ausgebildet in München und Rom, wurde 1835 württembergischer Hofmaler und war seinerzeit mit der Ausgestaltung des Stuttgarter Residenzschlosses beschäftigt. Diese Fresken wie auch viele andere Werke Gegenbaurs wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, was u  .a. dazu beitrug, dass er bis heute nicht angemessen gewürdigt wurde. Zu Lebzeiten war er unter Zeitgenossen sehr bekannt. Seine

380 | Die Briefe gemalt und noch beschäftigt ist, sie uns erklärte, äußerst liebenswürdig, einfach und schlicht sich benahm und fast durch’s | ganze Schloß mit uns ging, welches bewunderungswürdig einfach ist – beinahe bürgerlich zu nennen in seiner Einrichtung. Nachtisch gingen wir hinaus nach Rosenstein325 königliches Sommerschloß um die Gemäldegalerie zu sehen und wieder meine Erwartung fand ich viel Ausgezeichnetes unter vielen Sachen auch die berühmte Sakontala von Riedel aus Rom, ein inthümer Freund von Rugendas, auch etwas von Neff.326 Sehr erfreut war ich nach Jahren wieder ein Bild von ihm zu sehen und fand zugleich daß sich meine Sinne sehr verändert haben gegenüber solcher Kunstwerke. Damals bei La Trobe327 ging ich zerknirscht im wirklich wahren Sinne des Wortes nach Hause denn so herrliche Malerei hatte ich nie nah gesehen. Dies Mal dagegen freute ich mich bloß. Abends kamen wir sehr müde zurück denn wir wußten nicht daß es so weit war sonst hätten wir uns hinaus fahren lassen. Wir speisten kaum, setzten uns um 10 Uhr im Eilwagen fuhren die Nacht durch, waren den andern Morgen 7 Uhr in Carlsruh – ohne die Stadt gesehen zu haben, auf die Eisenbahn und nach Straßburg. Der Münster  ! ja giebt es was feineres, was Großartigeres noch als dieses Riesenwerk der Welt  !  ? – nein  ! Wahrlich nein  ! Es ist nicht möglich zu beschreiben, ich habe es bewundert, laut gejauchtst dann mit Ehrfurcht und heiliger Scheu hinein getreten, und fragend herum geblickt, ob es wohl möglich ist von Menschenhänden so etwas für die Ewigkeit zu schaffen. Den Thurm d. h. nicht den ganzen haben wir bestiegen. Je höher wir hinauf kamen desto un begreiflich erschien mir die Haltbarkeit dieses feinen durchsichHeimatstadt widmete ihm zum 200. Geburtstag eine Ausstellung und eine kleine Publikation, vgl. Joseph Anton Gegenbaur 1800–1876, Dem königlich-württembergischen Hofmaler zum 200. Geburtstag, Ausst.-Kat. (Städtische Galerie Wangen im Allgäu), Wangen im Allgäu 2000. 325 Das Schloss Rosenstein hatte Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864) als Sommerresidenz erbauen lassen, es blieb aber weitgehend unbewohnt. Sein Nachfolger Karl I. (1823–1891) ließ es 1877 in eine öffentlich zugängliche Kunstsammlung umbauen. Julie Hagens Besuch zeigt aber, dass Schloss Rosenstein schon zu dieser Zeit eine reiche Sammlung an Gemälden enthielt und es Besuchern möglich war, diese zu sehen. Riedels Sakuntala existierte in mehreren Versionen, darunter auch eine in der Münchner Sammlung Lotzbeck (vgl. Farbabb. 5), der Verbleib des Stuttgarter Werkes ist jedoch nicht bekannt. Ein Aquarell der Sakuntala von August Riedel befindet sich Kupferstichkabinett Berlin (ohne Datum, nicht bez., Wasserfarben auf Papier, 14,6 × 9,4 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. F 563  ; SZ Riedel 3). 326 Zu Neff vgl. Anm. 43. Spätere Versuche Julie Hagens, Kontakt zu ihm zu erhalten, lehnte er ab, weil er Frauen in seinem Berufszweig nicht gern sah. 327 Johann Friedrich de La Trobe (1769–1845) wurde in England geboren und kam als Hauslehrer nach Livland. In Dorpat wirkte er später vor allem als Musiker und Komponist. Bei ihm mag Julie als junge Frau Werke von Neff gesehen haben, denn die beiden Männer waren gut befreundet. Neff hatte zum Beispiel ein Porträt La Trobes mit dessen Tochter Sophie geschaffen (der Verbleib konnte nicht ermittelt werden). Zu La Trobe vgl. http://kulturportal-west-ost.eu/ biographien/la-trobe-johann-friedrich-de-2 (aufgerufen am 16.8.2018).

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tigen Gewebes der Steine, man meint mit Ängstlichkeit jeden Augenblick einen Zusammensturz zu erleben und doch er ist unglaublich fest.  –  – Den übrigen Theil des Tages trieben wir uns herum, im Museum, fanden nicht viel, – in allen Straßen die übrigen Kirchen u. s. w. das Melitär ist mir nur durch ihre Schönheit besonders ins Auge gefallen, sie tragen das Gepräge des heißen | afrikanischen Blutes in ihren treuen Gesichtern, die Uniform ist stattlich und stolz doch leider sind alle Offiziere stark geschnürt, viele Läden finden sich mit Herrencorsetten. Müde, ungeheuer müde legten wir uns des Abends zu Bette und ließen uns den Schlaf nach so langer Zeit wohl schmecken. – Heute Früh also heraus, besuchte den Münster noch ein Mal welcher noch in tiefem Schlummer und Träumen sich befand – ganz dichte Nebelwolken nämlich hatten den ganzen Thurm eingehüllt obgleich die Sonne ungetrübt schon am Himmel stand. – Und jetzt eben befinden wir uns auf dem Dampfschiff. Das Wetter ist schön, so herrlich, daß wir recht heiter sind auch hoffen wir während unserer ganzen Reise es so zu behalten. Wieder mehr Glück als Verstand  ! d  : 2 Sept 49 In Köln auf meiner Stube des Gasthauses sitzend ohne Schlaf in meinen Augen zu spühren zugleich fürchtend densselben auch beim besten Willen nicht so gleich zu finden da gegen 100 Turner hier eingekehrt und gewaltig schlecht singen – nämlich die sämlichen Turner der ganzen Rheingegend feierten hier in Köln ein allgemeines Fest und sind nun mit dem Dampfschiff so eben gekommen um den Rest ihres Geldes noch zu vertrinken  – In Köln sind wir heute 7 Uhr Abends angekommen, nachdem wir gestern von Straßburg bis Mainz den Rhein hinunter gefahren waren. Nur wenig Passagiere zählte das Schiff und kein Mensch möchte sich dem andern nähern  – einige Anfälle von meiner, von unserer Seite scheiterten und so war es denn nicht sonderlich amüsant. Die Rheinufer boten auch wenig Erfreuliches also war ich denn froh in Mainz gegen 11 Uhr ins Bett gehen zu können ans Schreiben war gar nicht mehr zu denken. In Mainz wollten wir bleiben solang bis alles | gesehen war  ; doch um 5 Uhr als wir aufstanden sahen wir die Sonne bluthroth aufgehen und schwere grauschwarze Wolken sich am Horizonte hin lagern. Es wurde also consultirt was zu thun am besten sey  : ob fahren um das Schönste bis Koblenz bei wenigstens erträglichem Wetter noch zu sehen, oder ob bleiben – kurz wir beschlossen zu gehen und um 6 Uhr befanden wir uns auf dem Schiffe. Nun begann es bergig rechts und links zu werden, ich möchte lieber sagen  : hüglich in gleichmäßiger Form ging es bis Koblenz fort. Es ist mir so leid nicht entzückt mich darüber aussprechen zu können. Die Idee eines Weinberges ist allerdings ein sehr schöner, doch nichts weniger als schön für das Auge. Dies monotone Einerlei und noch dazu bei kalter trüber Witterung, wo die gemachten Berge nicht einmal durch einen Nebelduft einen Reiz gewinnen könnten – genug ich fand nur Einzelheiten schön und köstlich, welche in den alten Ruinen, alten Raubschlössern sich

382 | Die Briefe befanden. Einige unter ihnen hatten was wahrhaft greisenhaftes Schönes, kühn und kräftig noch, dabei über wucherte Gebüsch und Kräuter hochoben in den Spalten des Gemäuers hervor. In Stolzenfels328 stiegen wir aus um das Schloß zu besteigen – dasselbe ist meist neu hat wenigstens das Ansehen – Das Innere ist vollens neu und prunkvoll eingerichtet was mich störte – Als wir den Berg hinan gingen hatte eine Obstverkäuferin uns ihre Ware angeboten  ; wir mochten nichts kaufen und gingen ihr vorüber. – Als wir herunter kamen bot sie abermals uns Früchte an allein wir verschmähten auch jetzt wieder. Als wir einige Schritte gegangen rief diese dumme Seele uns boshaft nach  : »ich wünsche Euch | allen die Cholera  ! Alle sollt Ihr die Cholera haben  !« – Nachdem wir zu Mittag gegessen, fuhren wir mit dem ersten Stromabwärts kommenden Dampfschiffe wieder ab und sind nun hier in Köln, von wo aus ich dies schreibe. Ein junger Frankfurter Kaufmann, welcher seine Schwester, die nach England geht bis Antwerpen begleitet, gesellte sich auf dem Schiffe zu uns, es sind ganz nette Leute und haben um in unserer Gesellschaft zu bleiben sich in diesem selben Gasthause ein quartiert. Nachdem wir uns etwas von Schweis und Staub gesäubert, liefen wir in der Stadt herum, suchten den Dom, leider wurde es dunkel ehe wir zu ihm gelangten – auf unserer Wanderschaft begegneten uns drei bis vier verdeckte Tragbarre Cholerakranke enthaltend – ein wunderliches Gefühl durchdrang meine Brust doch ich lachte und scherzte um der Tante, welche entsetzliche Furcht hatte etwas Muth zu machen. Die Cholera soll bedeutend indessen doch im abnehmen begriffen sein. Morgen ohne uns weiter um zu sehen wollen wir nach Brüssel und Antwerpen mit unseren beiden netten Freunden – kommen dann zurück um das Sehenswertheste zu sehen. Also schlaft wohl  ! – 5 Sept 49 – Antwerpen haben wir erreicht – schon gestern um 5 Uhr – nachdem wir in Brüssel von einem Lohnbedienten begleitet viel, freilich alles blos im Fluge gesehen. – Diese Stadt hat mich ganz zur Begeisterung gebracht – Was ist sie schön, wie reich, wie gesch{m}ackvoll, wie reinlich  ! – Das Äußere der Stadt macht einen außerordentlich blonden Eindruck – theils durch die Reinlichkeit theils aber auch durch die langen stundenweit sich hinziehenden Straßen die in Duft gehüllt noch weiter erscheinen. – Ein munteres, regsames Leben trifft man hier  – eine Unmaße von Fremden  – Sammelplatz aller Flüchtlinge des letzten Jahres wodurch Brüssel 25 Millionen Thaler gewonnen. Man sieht auch nie einen Bettler, oder Bedürftigen auf der Straße, eine durchgängige Wohlhabenheit ist hier zu Hause. Eine Eleganz | die ins Weite geht. Die Läden prunkvoll, alle Gast328 Das nahe Koblenz am Rheinufer in Hanglage erbaute Schloss Stolzenfels war eine Schenkung der Stadt an den König von Preußen Friedrich Wilhelm IV. und erst 1842 – erbaut auf den Resten einer mittelalterlichen Burg – eingeweiht worden. Friedrich Wilhelm IV. und seine Nachfolger nutzten es als Sommerresidenz.

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häuser fürstlich eingerichtet – kurz es ist gar erfreulich Brüssel zu sehen. Am frühen Morgen werden alle Straßen mit einem Besen und Wasser vom Schmutz und Staub gereinigt ist das geschen, werden sie mit trocknen Tüchern aufgewischt und abgetrocknet  – die Häuser, welche mit Ölfarbe angestrichen sind werden gleichfalls mit einem großen Schwamm, welcher auf einem Brette befestigt und am Ende einer langen Stange sich befindet – abgewaschen. Man könnte aber dafür auch mit weißen Atlasschuhen gehen ohne nur im mindesten sich zu beschmutzen. Der botanische Garten versetzt den Fremden in die Tropengegend, denn in den reichen Häusern mit Schlingpflanzen durchwebt sind allenthalben Papagaien und andere Südvögel angebracht  – ja es ist nicht zu sagen wie schön es hier ist aber einen äußerst soliden Geldbeutel muß der Reisende haben um eben grade sein Leben zu fristen. d  : 6 Sept 49. Noch ist die Flasche Wein nicht geleert und früh geht man nicht auf unser Zimmer. Die Tafel ist besetzt und ich würde doch vor entsetzlicher Mattigkeit ein schlafen würde ich nicht einige Zeilen Euch schreiben und sollte ich auch nichts weiter als Euch sagen daß ich in meinen Gedanken oft und öfter wohl als Ihr denkt bei Euch bin. – Wieder sind wir in Brüssel  ! Gestern nach Tisch fuhren wir nach Ostende nach 10 Uhr kamen wir dort an, konnten also nicht mehr an den Strand. Ich schlief gut und heute früh machten wir also den Gang hinaus an das Meer. Die Luft war eine andere, sie wehte kühl, mir nicht unbekannt – mir stand die Überfahrt von Riga nach Stettin vor drei Jahren lebendig vor die Seele. – Hunderte von Badewagen warteten auf Badegäste um sie in die schäumenden Wellen zu fahren  – Es war Ebbe grade. Bald auch sammelten sich  – von verschiedenen Seiten her kommend ein großer Haufen von beiden Geschlechtern. Tauschten sodann ihre Kleidung mit | kleinen Badehämden und spazierten so, alles zusamm Mann und Frau, Jüngling und Jungfrau ins Bad. – Der Tante und dem Onkel erschien das so reizend daß sie nicht wiederstehen konnten auch ein solches Bad zu nehmen – ich natürlich sollte mit bei dieser Partie sein allein ich dankte schön mit den Männern zusamm zu laufen, welche meist nur ganz kurze Hosen an hatten, so daß Brust, Arme und Beine frei blieben. Die ganze Geschichte kam mir so furchtbar gemein und ungesittet vor daß ich’s nicht sagen kann, und je mehr ich darüber nach denke desto entsetzlicher wird mir diese Wirthschaft. Diese Sache streitet ganz gegen meine Begriffe von Sittlichkeit. Aber so sind die Menschen  : sollen sie ein Bild an sehen das rein unschuldig und schön ist so afectiren sie sich, rümpfen das Näschen und können den unmoralischen Maler nicht begreifen. O, die verkrüppelte Welt  ! In Antwerpen war Ausstellung, sehr reich und schön gegen 700 Gemälde  – leider habe ich auch hier alles im Fluge nur sehen können – die Gallerie ebenso, welche klein ist, allein namentlich herrliche Rubens besitzt. Es wurde copirt von vielen Malern, mit unter recht

384 | Die Briefe sehr schön. Es ergreift mich immer ganz seltsam wenn ich das sehe, meine Zeit in Dresden taucht dann in meiner Erinnerung auf. Die Cathedrale ist herrlich allein nicht so großartig wie der Münster in Straßburg und der Dom in Köln. Letzterer ist zwar noch weit zurück allein die Anlage des was da ist – ist majestätischer. In Antwerpen fanden sich auch einige Münchner Gemälde in der Ausstellung, sogar angekauft, was mich sehr freute. – Die Stadt ist vielleicht schön  ; doch muß man nicht aus dem reichen Brüssel mit zu hohen Erwartungen hingehen – arm und schmutzig sieht dann Antwerpen aus. – Sivers’chen sah ich oft in Gedanken in den Straßen, an dem Rubensmonumente vorüber laufen – vielleicht eilig auf die Academie. Die Holzschuhe haben meinen ganzen Beifall und ich habe gebeten mir ein Paar zum Andenken zu kaufen, weniger hübsch finde ich die blauen Blusen welche von jedermann getragen werden. | d  : 7 Noch habe ich Zeit ehe die Eisenbahn nach Paris abgeht und ich kann Euch etwas noch erzählen, zwar müde  ; allein es soll doch sein  ! Ihr seht wir erwarten das Signal zur Abfahrt nach Paris. Meine Ahnung ist also wieder eine richtige gewesen. – Heute ist’s der 12 Tag seit wir fort sind aus München und bald wird mir das Laufen genug  – ich fühle sogar schon ein Bedürfniß zu arbeiten. Es wird dem Fremden so schwer gemacht Kunstwerke zu sehen, so sind wir herum gelaufen wie toll uns den Zugang in die Residenz zu verschaffen in welcher herrliche Familienbilder von Winterhalter Schaeffer329 u. s. w. seien sollen doch unsere Bemühungen waren vergeblich. Andere Sachen, einzelne indess erfreuten mich sehr, wie z. B. »die Abdankung Carl V von Gallait«330. Das Bild 329 Franz Xaver Winterhalter (1805–1873) war in den europäischen Fürstenhäusern einer der gefragtesten Porträtmaler dieser Jahre, er lebte überwiegend in Paris. Julie äußerte später den Wunsch bei ihm (oder August Riedel) ihre Ausbildung fortzusetzen. Der Niederländer Ary Scheffer (1795–1858) entstammte einer Künstlerfamilie aus Dordrecht und war ebenfalls in Paris tätig. Er war vor allem als Historienmaler geschätzt. Seine Tochter Cornelia Marjolin-Scheffer (1830–1899) war Bildhauerin und Malerin. 330 Louis Gallaits Abdankung Kaiser Karls V. zu Gunsten seines Sohnes Philipps II. zu Brüssel am 14. Oktober 1555 von 1841 war zwischen 1842 und 1844 gemeinsam mit einem Historienbild von Edouard de Bièfve (1808–1882) in neun deutschen Städten, darunter München, gezeigt worden. Die sogenannten »belgischen Bilder« erzeugten einen langen Nachhall in der deutschen Malerei, beide waren in Paris vollendet worden. Wegen ihrer Unmittelbarkeit und der neuen Farbigkeit stellten sie in den politisch bewegten Zeiten eine Sensation dar. Das Original von 1841 mit den imposanten Maßen von 485 × 683 cm hatte Julie Hagen in Brüssel gesehen, wo es sich noch heute befindet (Öl auf Leinwand, Königliches Museum der schönen Künste Brüssel, Inv.-Nr. 2695). Eine Replik von 1842, im Auftrag des niederländischen Königs Wilhelm II. entstanden, befindet sich im Städelschen Museum in Frankfurt (Louis Gallait, Die Abdankung Kaiser Karls V., 1842, bez. »Louis Gallait 1842«, Öl auf Leinwand, 122,1 × 170,3 cm, Inv.-Nr. 947). Das Gemälde wurde 1850 für das Städelsche Kunstinstitut Frankfurt angekauft, wo Julie Hagen es also auf ihrer Rheinreise 1849 noch nicht gesehen haben kann, vgl. http://zeitreise. staedelmuseum.de/kunstwerk/947/ (aufgerufen am 16.8.2018). Zu Gallait vgl. auch Farbabb. 3.

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ist das einzige bis jetzt das mich zu Thränen durch seine ungeheure Wahrheit gebracht. Wunder schön gedachte Köpfe enthält das Bild – es ist so einfach tief und kräftig, so unbeschreiblich wahr  ! – Mit der Sprache wird es in Paris schlimm genug aus sehen – hier passirt es noch – besser in Antwerpen, und Ostende – So viel Deutsche daß man beinahe vergißt daß man in Belgien ist. Die Cholera ist allenthalben noch doch kümmert man sich nicht um sie. – Meinen letzten Brief müßt Ihr nun auch wol haben und wenn es gut gegangen auch die Bilder. Diese Nacht geht es fort und fort bis Paris also kann wieder nicht geschlafen werden und morgen soll man sich tummeln das gehörig  ! – Was mich freut ist, daß das viele Sehen mir nicht mehr Kopfschmerzen verursacht, wie früher immer der Fall war – Wol bin ich Abends müde doch nicht krank. – Viel erzählen kann ich nicht von allem was ich sehe und was mir begegnet weil wir zu kurze Zeit uns allenthalben aufhalten, und dann brauche ich zu allen Dingen mehr Zeit um sie zu verstehen, zu begreifen als andere Menschen. Hätte ich nur etwas mehr Gedächtniß –, diese Reise wäre mir von unersetzlichem Vortheil, so manches Gesehene könnte | und würde ich in Anwendung bringen. Horend theuer ist alles  – ich wollt ich hätte das Geld was diese Reise kostet so ginge ich auf einige Monate zu Riedel nach Rom. d. 8 Sept 49. Die Uhr ist 1 zu Mittag wir sitzen in Paris  ! ist das wahr  ? Mir selbst klingt es wie eine Fabel und doch es ist wirklich so. – Die Nacht gar nicht geschlafen. Ein sehr schöner Pariser machte uns viel zu lachen, welcher kein Wort Deutsch sprach, dennoch sprechen wollte und durch allerlei Grimassen, Zeichen etc. uns sich verständigte und wir uns ihm. Sein schönes großartiges napoleonisches Gesicht zog mein Auge unverwandt an und so bin ich denn wirklich müde. – Ein homeopathischer Arzt welcher früher in München gelebt suchten wir heute früh gleich auf, der nun so freundlich ist, uns zu führen so viel er eben kann – Der Eindruck war aber kein großer als wir hier an kamen Brüssel ist bezaubernd schön dagegen – na wir wollen sehen, es wird wol anders werden  ! d  : 10 Sept. Heute habe ich die Empfindung als hätte ich eine große schwere Krankheit durchgemacht und wäre heute zum ersten Mal wieder aufgestanden. Gestern war Sonntag  ; wir wanderten schon in aller Früh in die Kirche und dann um 10 Uhr in den Louvre. Ich Arme hatte meinen alten entsetzlichen Kopfschmerz versprach mir daher einen sehr traurigen Tag  – es war auch so. Die Unzahl der Gemälde vermehrten immer mehr und mehr die Schmerzen und endlich um 4 Uhr wo wir das Ende der Gallerie erreicht war mir als müßte ich zusammen stürtzen. – Wir kamen gegen 6 Uhr nach hause ließen uns unser Mittag geben und ich legte mich zu Bette. Konnte aber nicht schlafen sondern befand mich in einem hellwachen betäubten Zustand. Heute bin ich schwindlich und wie zerschlagen  ; der ganze Kopf ist empfindlich bei der leisesten Berührung. Möchte es mit diesem ein Ende haben so bin ich froh. – Die Gallerie ist furchtbar

386 | Die Briefe groß, das ist vielleicht auch das Einzige was ich weiß. Eine Maße Gemälde von Rubens finden sich auch hier, fast lauter Wandhohe – ich begreife nicht woher die Zeit gewonnen so viel zu schaffen. Titian’s und Raffael’s, Coredgio’s sind in Dresden ungleich schöner, vielleicht und wahrscheinlich die schönsten unter denen welche existieren. – Der Boulvar in Paris ist die schönste und reichste Straße, erstreckt sich in einer | Weite von 6 Stunden rechts und links mit Bäumen bepflanzt. Von den Verwüstungen, Folge der Revulotion merkt der Fremde wenig oder garnicht – bei allen öffentlichen Plätzen oder Gebäuden nur, welche königlich waren ist ein dürrer Baum mit einer Fahne geziert eingegraben. Indessen der Pariser klagt sehr, das Leben mit dem früheren soll kein Vergleich aushalten. – d  : 11. Sept. Wieder eine Nacht hinter uns – ob geschlafen oder gewacht, ich weiß es selbst nicht – weder das Eine noch das Andere. Gestern Abend erst um 12 Uhr ins Bett, denselben beim Doktor Oldendorf,331 von dem ich Euch schon schrieb – verbracht bei einer Tasse Thee. Der Mensch ist übertrieben artig, ein Scharlatan erster Klasse, wie alle Pariser. Gestern haben wir wieder viel gesehen, eine menge Kirchen und die Gallerie von Luchsenbourg332 – schöne, herrliche Sachen, doch zweifle ich daß mir viel mehr als der Eindruck bleiben wird und das ist wahrlich doch zu wenig. – Tante und ich sehen ganz mager aus, unsere Kleider sind wie die Säcke und ich gestehe ich möchte so gern schon arbeiten und doch habe ich wieder keinen Muth nachdem ich gesehen was andere leisten, was man leisten sollte. – Rugendas hat so recht wenn er sagt »in Paris oder Rom nur kann man was lernen« – Paris ist ein großer Kaufladen denn merkwürdiger Weise trifft man kein einziges Gebäude – ausgenommen ehemals königliche, jetzt Nationalgebäude ohne Läden oder vielmehr Buden. Zu ebener Erde auch häufig im ersten Stock noch sind sie alle für Läden eingerichtet und ein Magazin übertrifft das andere an Reichthum, Geschmack und Schönheit. Außerdem werden ganze Buden, oft mit den seltsamsten Gegenständen in den Straßen herumgefahren und ausgeboten. Das Ausschreien ist eine furchtbare Sache in Paris, das Treiben ist betäubend. Dann die Pariser Taugenichtse und Lumppensammler in ihren zerfetzten blauen Blusen und Hosen dabei der ekel erregende Gesichtsausdruck bietet einen widrigen Contrast zu dem übrigen Prunk. Die anständig gekleideten Männer mögen aber auch nicht sich | mit einer erwünschten Moral 331 Näheres zu diesem aus München stammenden homöopathischen Arzt namens Oldendorf konnte nicht ermittelt werden. 332 Das Musée du Luxembourg war 1750 das erste der Öffentlichkeit zugängliche Museum in Frankreich. Zwischenzeitlich war es durch die veränderte Nutzung des Palais Luxembourg geschlossen und neuarrangiert worden. Ab 1818 war es ein »Museum für lebende Künstler«, d. h., es wurden Werke der neuesten Strömungen gezeigt.

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brüsten können, wenigstens ist mir zu öfteren begegnet daß man mich durchborend, viele hundert Schritte weit fixirt. Wäre ich schön oder wenigstens doch hübsch so würde mich’s nicht wundern  ; allein den Leuten gilt es gleich wer es sey, sie versuchen es mit einer jeden. Wenig schöne Menschen, lauter gelbe abgelebte Gesichter. Große Bärte bei den Männern, dabei kahle Schädel sind hier modern. – Heute um 9 Uhr geht es nach Versaille. Die Gallerie soll dort unermeßlich groß sein – wenn ich nur öfter hin könnte um was davon zu haben. d  : 12 Sept 49. Gestern hatten wir sehr unglückliches Wetter in Versaille, es regnete wie unter Spännen gegoßen, (was es auch heute noch thut) naße Füße, darauf Zahnschmerzen, natürlich verdrießlich deshalb und noch verdrießlicher als ich ganze Sääle ausgeräumt fand – grade all die jenigen Bilder welche ich suchte, und welche mir von Nutzen gewesen wären wie von Winterhalter, Schaeffer waren fort – alle, welche nur im Mindesten Bezug auf das königliche Haus hatten, die prachtvollen Horace Vernet’s333 waren zu sehen – tausend was ist dieser Mann kühn  ! Sonst viele tausend schlechte Gemälde welche nicht Interesse abgewannen. Den Schloßgarten konnten wir nicht sehen da er schwamm. Der Doctor Oldendorf fragte Vernet’s ob wir sein Attelier besuchen dürften – er lebt nämlich in Versaille – er bat es nicht zu thun indem er gar nichts darin hätte. Ich hätte ihn selbst gern gesehen – Er soll ein sonderbar unansehnliches Männchen sein, einen langen Ziegenbart tragen und äußerst launenhaft sein. Es ist gräuliches Wetter zu unserem Verdruß will der Doctor uns auf ’s Land zu einer reichen Familie führen. Wir sind nicht eingerichtet Besuche zu machen und bei einer wildfremden Familie zu Mittag zu speisen ist höchst langweilig. Außerdem habe ich eine solche Sehnsucht Nachrichten von Euch zu bekommen daß ich’s nicht beschreiben kann – es wäre mir nicht leid da es eben | noch trübes Wetter giebt, fort zu gehen direct nach München. Und komme ich nach Hause so sind Eure Briefe ja doch nicht da  ! Ihr seht ich bin sehr verwöhnt darin allein es ist ja das einzige Mittel mir das Fernsein von Euch etwas zu erleichtern. Ich bin heute unausstehlich. Wenn ich nur etwas arbeiten könnte  ! Das ist doch gewiß  : ohne innere Befriedigung giebt es keinen äußeren Genuß  – das Nichtsthun  : Gott wie wird mir das satt  – nirgend bin ich doch glücklicher als in meinem Attelier  ! Meine Sendung Studien welche Ihr hoffentlich nun wohl schon habt, machen mir Verdruß – Ihr werdet nicht finden was Ihr erwartet, sie sind so schlecht. Donnerwetter  ! wie muß man sich plagen und bringt doch nichts Rechts zum Vorschein  !  ! Weinen könnte ich 333 Der Historien- und Militärmaler Horace Vernet (1789–1863) traf den Geschmack der Zeitgenossen und war durch das Mäzenatentum des Königs äußerst erfolgreich. Vernet bereiste nicht nur den Orient, dessen Motive er nach dem Geschmack des Publikums verarbeitete, sondern auch zweimal (1836 und 1842) nach Russland, wo er Porträts der Zarenfamilie malte. Dadurch war er wohl auch August Matthias Hagen gut bekannt.

388 | Die Briefe vor Ungeduld  ! Das Feuerbildchen allein wäre das einzige das mich einiger Maßen beruhigt und nur weil es dem Rugendas und dessen Freunden wohl gefiel und vielleicht gefiel es diesen nur weil es etwas Außergewöhnliches war. Auf meiner ganzen Reise sah ich noch nie diese doppelte Beleuchtung ausgeführt. – Es regnet furchtbar, na, das wird eine schöne Fahrt geben  ! Später Abends  : Es hat sich zu unserem Vergnügen anders gemacht. Der Doctor, durch den Regen veranlaßt, fand es gescheuter die Fahrt zur englischen Familie auf zu geben. Wanderten statt dessen in der Stadt herum suchten Winterhalter auf, welcher nicht gegenwärtig war, gingen zu Schaeffer schickte den Brief von Rugendas nebst einer Karte von mir hinein und ließen dagegen uns eine Stunde bestimmen in welcher wir nicht geniren. Er hatte Sitzung von Engländern. – Zwischen 4 und 6 also zum zweiten Mal hin und er empfing uns freundlich. Sein reiches Attelier überraschte mich. Die Auffassung, der Ausdruck der Köpfe herrlich doch die Farbe befriedigte mich nicht. Für mich etwas grau, mehlig, | zu wenig Glanz. Vielleicht verstehe ich das nicht – vielleicht ist mein Auge zu sehr an den schlechten Geschmack gewöhnt indessen ich denke nicht. – d  : 13 Der Regen hat mir nicht gut gethan, bin unwohl heute daß ich nicht ausgehen konnte. Wollen heute abreisen d. h. Abends um die Nacht auf der Eisenbahn zu zubringen und morgen 7 gleich weiter von Brüssel nach Köln. Der Doctor Oldendorf ist der freundlichste Mensch der Welt will durchaus uns in reiche adelige Häuser einführen und weiß gar nicht wie er uns quält damit. Die Unkenntniß der Sprache allein ist ein ungeheurer Störer aller Freuden. Dann ist man nicht mit Kleidern versehen um bei Parisern zu erscheinen, sich was an zu schaffen geht nicht weil alles unermeßlich theuer ist – mit einer Leichtigkeit werfen sie Hunderte von Frank hinaus während in München ein Gulden eine ungeheure Summe ist. d  : 14 Sept 49. Noch hier. Oldendorf hat nicht nach gelassen wir mußten bleiben, gestern Abends bei ihm sein und heute soll es also wirklich nach Pisko,334 Landgut der schon erwähnten englischen Familie gehen. Mir ist’s recht da es besseres Wetter werden zu wollen scheint. Tante ist sehr unglücklich darüber – glaubt Paris schon zu kennen nachdem sie die Straßen gesehen. Der Pariser aber sagt es wäre nöthig in das innere Leben zu gucken um sich eine Idee von dieser Welthauptstadt zu machen. Das glaube ich auch  ! – das ist aber nun ein Mal nicht möglich wenn man nicht Milionär ist. Ein Frühstück d. h. 4 Schüsseln in einer Restauration ersten Rang’s zu 120 Frank ist ganz gewöhnlich. Ein Zahn sich ein setzen zu lassen 1000 Frank – eine jede Vesite des Doctor Oldendorf wird mit 100 F. bezahlt. Eine Loge für einen Abend im Theater 60 Frank. So in diesem 334 Piscop, eine kleine ländliche Gemeinde, liegt heute circa 15 km nördlich von Paris, unweit von Montmorency.

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Verhältniß geht es fort und fort. – Morgen Abend also soll erst die Eisenbahn uns von Paris entfernen. Mir ist so leid daß ich die gewünschten Bilder nicht gesehen und was ich sah nur flüchtig. – Ein großer Übelstand ist daß jeder Tropfen Wasser theuer bezahlt werden muß, und in’s Haus oft schon warm gefahren wird. Alle Brunnen sind ver|pachtet und stehen hinter Schloß und Riegel. Früchte sehr viel und ungewöhnlich groß doch äußerst theuer. d  : 15 Es gab gestern eine für mich nette Partie wäre sehr schön gewesen wenn nicht wieder, wie schon öfter übertriebene Ängstlichkeit, Pedanterie etc von Seiten der Tante mir manchen inneren Verdruß verursacht hätte. Vermittelst Eisenbahn bis Montmoransie335  – dort nahmen wir Esel, denn der sehr hübsche Weg bis Pisko war durch den vielen Regen für Fußgänger nicht zu passieren. Tante fiel aus lauter Ängstlichkeit gleich am Anfange vom Sattel, ich lachte und trieb meinen Esel muthig an. Diese liebenswürdigen Thiere haben wie Ihr wol wissen werdet die Gewohnheit an dem äußersten Rand des Weges am liebsten zu gehen. So ließ ich denn getrost und ohne Sorgen das Thier dicht an eine Mauer mich hintragen – es war ja kein Abgrund noch sonst etwas zu fürchten. Ungezogene Buben aber, welche des Weges kamen fanden es nothwendig meinen guten Esel durch Schreie und Drohen eines Stockes zu ängstigen. Das arme gehetzte Thier drängte an die Mauer sich und ich weiß selbst nicht wie ich mich erhalten habe auf dem Sattel. – Als ich mich aber an sah war mein seidenes Kleid unten herum ganz zerfetzt, nach allen Richtungen hin wie mit Messern zerschnitten sogar die Schuhe, die Strümpfe hatten lange Risse woraus das Blut quoll  ! Wenig machte mir das denn ich hatte solche kleinen Unfälle bisher vermißt. Wir wurden freundlich empfangen, speisten um 7 Uhr sehr gut zu Mittag und ritten denn in Begleitung des Mister Baro denselben Weg zurück. Es war Nacht pechschwarze Finsterniß. Einer konnte den andern nicht sehen. Frau Baro sagte gestern »ich werde morgen nach Boulogne reisen, ich habe lang keine Fische gegessen, in Paris bekommt man sie auch nicht gut« – Dann sprach sie von Stoffen Seidenzeug | etc. glaubte für mich beim Onkel ein gutes Wort einlegen zu müssen, daß er mir ein schönes Kleid, einen großen Schaal und einen Hut kauft und sagte bei der Gelegenheit  : »Solches Zeug (auf mich deutend) ist hier nicht theuer, ich kaufe mir immer solches zu Futter für meine Kleider« – heute nun sind wir wieder ausgegangen ohne Plan und beinahe ohne Wunsch etwas Interessantes zu sehen. Fanden auch eben nichts, gingen Straße auf, Straße ab, sahen in alle Läden und warten nun auf unser Mittagessen. Hier pflegt man immer erst um 6 Uhr zu speisen und dann reisen wir ab. Wieder eine schöne Nacht  ! d  : 17 Düsseldorf. Sonderbar daß diese Stadt einen Ruf hat. Ich begreife nicht weshalb  ? Die Gallerie heißt gar nichts – nicht einmal ein Van Dyk, noch Ru335 Montmorency bei Paris.

390 | Die Briefe bens geschweige denn Raphael – Ein kleiner Saal und der selbe nicht ein Mal ganz voll. Die Ausstellung war zwar geschlossen, doch einige Bilder noch gegenwärtig, auch nichts Besonderes unter diesen. – Die Stadt ist ärmlich, leer, wenig gut gekleidete Menschen zu sehen. Ich begreife nicht was die Leute sich für Recht anmaßen Düsseldorf als ein Sammelplatz der Kunst an zu sehen. Ich sehe jetzt doch daß München einer der großen Plätze ein nimmt, in Deutschland gewiß. Paris, vielleicht Antwerpen auch stehen höher. Nur ein Paar Stunden in Düsseldorf gewesen und es war hinreichend. – In Köln ist auch Ausstellung einige gute Bilder,336 schlechte Porträts  ! Mehrere Damen haben auch dazu Arbeiten geliefert, worunter zwei recht sehr gut arbeiten – Elise Gerichau Baumann337 aus Rom, ein großes Bild – Italienische Frauen am Brunnen. Das Bild hat eine gute brillante Farbe hat auch sonst mein Beifall, bin sogar neidisch etc. Das andere von Marie Wiegmann,338 ein Porträt, hier und da Härten doch sonst sehr gut. – Bei den übrigen | Damen Arbeiten war mir’s als müßte ich mich schähmen, 336 Gemeint ist eine Ausstellung des Kölner Kunstvereins. Da sämtliche Archivmaterialien des Kunstvereins im Kölner Stadtarchiv gelagert waren, so dass diese seit dem Einsturz 2009 nicht mehr zugänglich sind, kann hier derzeit keine ergänzende Information zu der 1849 stattgefundenen Ausstellung recherchiert werden (frdl. Mitteilung des Kölnischen Kunstvereins, Hannah Semsarha). 337 Elisabeth Jerichau Baumann (1819–1881), in Polen geborene Tochter deutscher Eltern, kam 1838 nach Düsseldorf als Schülerin Carl Ferdinand Sohns (1805–1867), der in seinem Atelier zahlreiche Frauen unterrichtete (vgl. Siegfried Weiß, Malerinnen im 19. Jahrhundert, Folge 1  : Das Atelier von Carl Ferdinand Sohn in Düsseldorf, in  : Weltkunst, H. 3, März 2003, S. 350–353). Als begabte Schülerin wurde sie auch von Theodor Hildebrandt (1804–1874), Carl Friedrich Lessing (1808–1880) und Wilhelm von Schadow (1788–1862) unterrichtet. 1845 bis 1849 weilte sie in Rom, wo sie den dänischen Bildhauer Jens Adolf Jerichau (1816–1883) heiratete und anschließend mit ihm nach Dänemark ging. Später bereiste sie Nordafrika und den Orient, woraus sie zahlreiche Motive ableitete. Jerichau Baumann war erfolgreich auf zahlreichen europäischen Ausstellungen vertreten und gilt heute in Dänemark als bedeutende Malerin des 19. Jahrhunderts. 338 Marie Wiegmann, geb. Hancke (1820–1893) stammte aus Schlesien und ging 1841 nach Düsseldorf als Schülerin Hermann Stielkes (1803–1860) und anschließend Carl Ferdinand Sohns, der von ihr ein Bildnis anfertigte (Bildnis der Malerin Marie Wiegmann, 1843, bez. u. l.: »C. Sohn 1843«, Öl auf Leinwand, 126 × 104 cm, Museum Kunstpalast Düsseldorf, Inv.-Nr. M4053). Sie war überwiegend als Porträtistin und Genremalerin tätig. 1841 bereits heiratete sie den Maler und Architekten Rudolf Wiegmann (1804–1865) und blieb mit ihm zeitlebens in Düsseldorf ansässig. Es folgten gemeinsame Aufenthalte in Italien. Ebenso wie Elisabeth Jerichau Baumann, die neun Kinder bekam, reiste Marie Wiegmann auch als Mutter mit ihren drei Kindern zu Studienzwecken viel, darunter nach England, Dresden, Berlin und Holland. Ihre Bilder waren häufig auf den Ausstellungen der deutschen Kunstvereine zu sehen, so auch in München, und wurden durchweg von der Kunstkritik gelobt. Julie Hagen fand hier wohl in Jerichau Baumann und Wiegmann verwandte Seelen, an denen sie sich messen konnte, wohingegen sie die Leistungen anderer Kolleginnen wegen mangelnder ernsthafter Ambitionen oft kritisierte. Ob sich die Malerinnen später auch kennenlernten, ist derzeit nicht bekannt.

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gut oder gar nicht, sonst lacht man über uns  ! – Den Dom haben wir uns gestern und heute recht gründlich an gesehen und ich kann nur sagen daß seine majestätischen Formen, der große kräftige Geist welcher sich in diesem Bau kund giebt auf mich einen selten hohen Eindruck ausgeübt. Der Münster in Straßburg ist herrlich, ich habe gestaunt doch nicht so geweint wie hier  ! Jener läßt den Beschauer laut seine Bewunderung äußern, dieser aber macht ihn mürb, drückt ihn nieder so ganz und gar. Es wird tapfer gearbeitet, durch Bayern ist große Hilfe den Kölnern geworden. Kann das Geld herbei geschaft werden so kann der Bau in 12 Jahren fertig werden. Täglich sind 500 Menschen beschäftigt. Die Kirchen in Paris haben mir wenig gefallen. Gestern sind wir durch Brüssel und ich muß nun wieder sagen daß dies eine liebreizende Stadt ist wie sobald keine dieser Art wieder gefunden wird. Das Äußere trägt ordentlich den Stempel des Adels. Dort zu leben muß ja schön sein. Nimmt man alles Liebenswürdige in Paris zu samm und stellt es in einem Haufen bei sammen so kann ein zweites Brüssel entstehen. d  : 21 Sept. Auf der Post, Würzburg. Wir langweilen uns hier, sind müde, fast keinen Sinn mehr etwas Neues zu sehen.  – Die letzten 3 Tage sind recht sehr angenehem vergangen. Von Köln aus den Rhein hinauf, die Bergfahrt genannt bis Frankfurt. Das Schiff bestiegen wir bei völliger Dunkelheit schon, fanden wenig Leute, und es war kalt, Regen drohend, grau. Nach und Nach von den verschiedenen und vielen Ortschaften der Rheinufer sammelte sich eine bedeutende Gesellschaft, worunter zwei | junge Leute sich mir besonders näherten. Der Eine von diesen aus Achen, Angestellter in der Feuer Versicherungs Gesellschaft. Hatte bis auf den Mund ungeheure Ähnlichkeit mit Otto Müller. So daß ich im ersten Augenblick ordentlich erschrack. Der Mund übrigens war so schön, hatte einen so außerordentlich liebenswürdigen Ausdruck daß ich gern ihm auf seine bescheidenen Fragen Antwort gab. Der andere war aus Stollberg im Bergwesen angestellt. In Frankfurt hatten sie das selbe Gasthaus genommen wo wir waren, und den Abend verlebten wir ganz lustig und vergnügt mit einander. Den andern Morgen ließen wir einen Lohnbedienten kommen und uns führen. Der erste Gang ist natürlich in die Paulskirche. Sie war anders als ich sie mir gedacht dessen ungeachtet ergriff es mich seltsam als der Thürschließer, welcher zu gleich als Wegführer galt sagte mit feierlich erhobener Stimme  : »Hier saß die Linke und dort die Rechte  !« indessen fuhr er lebhaft fort – »war jene doch eigentlich die Rechte man nannte sie bloß die Linke« – Darauf wanderten wir in die ­Gallerie, welche auch klein ist. Lessings Huss ist wohl das einzige erwähnenswerthe Bild und ich glaube daß der Ruf größer ist als der Werth desselben. Ich erinnere mich der Farbenskizze wol noch, welche Brederlo in Riga besitzt – ich glaube die Skizze ist dem Bilde hier vor zu ziehen.339 – Frankfurt hat selbst nichts 339 Julie Hagen besuchte in Frankfurt das Städelsche Kunstinstitut, eine Stiftung des Bankiers Jo-

392 | Die Briefe Ansehnliches, ist schmutzig, hat schmale Straßen wie alle alten Städte. Eine einzige größere Straße, die Zeile genannt imponirt nicht ein Mal – Die berühmte Ariadne340 ist freilich sehenswerth. | Als wir zu Mittag nach hause kamen fand ich meine Stube mit Blumen Kränzen und Bouquetts geschmückt an der Tafel wurden mir von den beiden Freunden gleichfalls sehr hübsche Sträußchen überreicht kurz sie waren äußerst aufmerksam und sehr nett dabei. Der Nachmittag wie ein Geburtstagskind geschmückt mit Blumen bemühten wir uns einige Banque’s zu finden bei denen mir Rugendas Gemälde verheißen doch alle waren sie noch auf dem Lande. Der Abend verging uns wieder unter viel Lachen und Spaß – unser Frankfurter Kaufmann hatten wir auch aufgesucht kurz die Herrn hatten Schampagner, Obst Konfect u. s. w. springen lassen und wir schieden recht lustig. – Den andern Morgen luden uns die Herren ein nach Homburg zu fahren um das Bankspiel namentlich das sogenannte Rolletspiel anzusehen. Ausschlagen ging nicht gut also um 11 Uhr in einem prächtigen Wagen fuhren wir hinaus. Das Erste war eine Conzertprobe mit anzuhören von der berühmten Milanolo,341 freilich hinter verschlossenen Thüren und vielen Lerm. Gingen darauf zu den Spielern – Ein entsetzliches Grauen überfiel sowol mich als die Tante beim hann Friedrich Städel (1728–1816) und als solche die älteste Museumsstiftung Deutschlands. Julie sah dort das Gemälde von Carl Friedrich Lessing Johann Hus zu Konstanz von 1842, das die Gemüter polarisierte (bez. u. l. »C.F.L. 1842«, Öl auf Leinwand, 308 × 455 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Inv.-Nr. 901). Bereits 1843 war es für das Städel angekauft worden, was dazu führte, dass der amtierende Direktor Philipp Veit (1793–1877) zurücktrat. Julie Hagen beurteilte Lessings Werk nach dem Geschmack der Zeit, denn sie kannte es nicht nur aus der Brederlo’schen Sammlung, sondern hatte zuvor Gallaits Abdankung gesehen, das zu den »belgischen Bildern« gehörte, die Lessing derzeit den Rang abliefen. Noch zu Veits Zeit war Lessings Werk als Vorbote der Ereignisse von 1848 angesehen worden und hatte großes Aufsehen erregt. Das Werk von Lessing Johann Hus im Verhör zu Konstanz aus der Sammlung Brederlo befindet sich heute im Museum für ausländische Kunst (Ārzemju mākslas muzejs) in Riga (Öl auf Leinwand, 46,5 × 67,8 cm, Inv.-Nr. GL-228). 340 Die Ariadne auf dem Panther von Johann Heinrich von Dannecker (1758–1841), Hofbildhauer des Herzogs von Württemberg, war eine der größten Attraktionen im damaligen Frankfurt. Der Bankier Simon Moritz von Bethmann hatte sie 1816 im Odeon, dem ersten öffentlich zugänglichen Frankfurter Museum, aufgestellt. Ab 1856 war sie im eigens erbauten »Ariadneum« zusammen mit anderen Werken ausgestellt. Zum wechselvollen Schicksal der Plastik vgl. http:// www.liebieghaus.de/de/einblicke/die-akte-ariadne (aufgerufen am 16.8.2018). Heute befindet sich das restaurierte Original im Liebieghaus in Frankfurt (entstanden 1803–1814, Marmor, Höhe 146 cm, Inv.-Nr. 1569). 341 Teresa Milanollo (1827–1904), die mit ihrer Schwester Maria (1832–1848) ein hochberühmtes Violin-Duo bildete. Nach dem Tod der Schwester 1848 reiste Teresa als Virtuosin allein durch West- und Mitteleuropa. Im September konzertierte sie im südwestdeutschen Raum als Solistin. Vgl. Volker Timmermann, Instrumentalistinnen-Lexikon, Artikel zu Maria und Teresa ­Milanollo  ; (http://www.sophie-drinker-institut.de/cms/index.php/milanollo-teresa-und-maria (aufgerufen am 16.8.2018).

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Hineintreten des Saales. Das Klirren des Geldes bei sonst völliger geheimnisvoller Stille. Der verschiedenartigste Ausdruck auf den bleichen, mit unter wüsten geisterhaften Gesichtern erschreckte mich unglaublich – ich meinte selbst bleich beim bloßen Anblick dessen zu werden. Hier saß einer den vom Schweiß naßen, bleichen Kopf auf die Hand gestützt ein anderer rieb sich den Kopf in wilder Verzweiflung | neben diesen schielte ein anderer rechts und links mißtrauisch, dann stand einer auf und fluchte, wieder andere tiefsinnig auf und abgehend, kurz es ist gewiß ein scheußliches Bild daß mir lebendig vorstand. – Die Welt erlaubt den Herrn vieles was den Damen verboten bleibt, bei diesen mehr als Untugend ist. Das Spiel verzeiht man den Herrn, wenn man es grade nicht lobt so entschuldigt man es, man giebt ihnen sogar Gelegenheit dazu. Es spielten auch einige sehr elegant gekleidete Damen mit unter sehr kühn, ja tolllkühn, was mir ein gräßliches ekel­erregendes Gefühl für sie erweckte. Nie, in meinem Leben vergesse ich den Eindruck dieses Spiels  ! – Den Abend als wir nach Frankfurt zurück gekommen wurde eilig gepackt um mit dem Eilwagen ab zu reisen, unsere beiden Freunde begleiteten uns bis zur Post und schienen gerührt beim Abschied. Wir reisten nun Tag und Nacht. In Würzburg hielten wir uns einen Tag auf, in Nürnberg gleichfalls und sind glücklich in München angekommen. Gott lob  ! Waren meine Worte als die Eisenbahn stille hielt. Zu Hause ist es doch recht sehr schön wenn man lange in Wechsel und Unruhe gelebt  ! –Mögt Ihr meine unvollkommen und flüchtige Beschreibung gerne lesen dies ist der Wunsch Eurer Julie

E. Ausstellungsdebüt und Atelierwechsel Oktober 1849 bis Januar 1850 Am 7. Oktober 1849 debütierte Julie Hagen mit dem Bildnis ihres Lehrers Moritz Rugendas im Münchner Kunstverein und erhielt viel Lob. Die Münchner Künstlerschaft war nun aufmerksam geworden auf die junge russische Malerin, die in »männlicher Manier« ihren Mentor porträtiert hatte. Wie es Rugendas voraus gesehen hatte, war sie von nun an im Gespräch, neugierig, wer diese kühne Malerin sei, erhielt sie zahllose Besuche und sogar Einladungen in das gastfreundliche Haus Wilhelm von Kaulbachs. Porträtaufträge stellten sich ein. Die Ausstellung war ein Erfolg  ! Rugendas hatte schon früher die Ansicht geäußert, sie müsse Bernhardts Malschule verlassen, er war nicht einverstanden mit dessen Unterricht. Seine Malweise war ihm zu trocken. Der Vater stimmte  – bestärkt durch Rugendas’ zunehmende Bemühungen für die Ausbildung der Tochter, den erstaunlichen Erfolg der Ausstellung und vor allem nach Ansicht der mit der Bilderkiste eintreffenden Arbeiten Julies – Rugendas zu und forderte von der Tochter, sie möge den Lehrer Bernhardt verlassen. Schweren Herzens fügte sie sich dem Druck des Vaters und kündigte Bernhardt zum Ende des Jahres auf. Gern hätte sie bei ihm die Schule ganz durchgemacht. Rugendas erklärte sich bereit, ihr beizustehen und zeigte sich in Allem äußerst bemüht. Anfang Januar besorgte er ihr ein eigenes Atelier in seiner Nähe am Ende des Dultplatzes. »Quasi als Lehrer« leitete er von nun an die Studien Julie Hagens, komponierte Bilder für sie und führte Besucher und Auftraggeber in ihr Atelier. Da Bernhardt nach wie vor zu ihr kam, um ihre Fortschritte zu begutachten und zu kommentieren, empfand sie es dann doch als große Ehre sich unter das Zepter des hochgeschätzten Augsburger Malers begeben zu haben, der es als seine Hauptaufgabe ansah, ihr »Mut und Selbstvertrauen« zu geben. Die Ankunft der Bilderkiste in Dorpat hatte dort keine Begeisterung ausgelöst. Friedrich Wilhelm Brederlo (1779–1862) und Karl Eduard von Liphart (1808– 1891) lehnten die Werke Rugendas’ ab, was peinliche Erklärungen nach sich zog, es konnte nichts verkauft werden. Auch Julies Werke wurden nicht in der erwarteten Art bewertet, Bilder, die ihr selbst am besten gefielen, stießen auf wenig Gegenliebe, die konventionelleren Werke dagegen gefielen in der Provinz besser. Ein kritischer Brief des Vaters löste eine regelrechte Krise aus, da Julie viel auf seine Meinung gab. Offenbar war sie von ihm auch früher selten durch Lob verwöhnt worden. Zur

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Jahrmarktzeit im Winter sollte ein neuer Versuch unternommen werden, die Bilder zu veräußern und nur nichts zu teuer angepriesen werden. Ein wichtiges Thema dieses Abschnitts ist auch der Bruder Alexander (vgl. Abb. 13), der zunächst in Dorpat als Gärtnergehilfe ausgebildet worden war und nun begonnen hatte zu malen. Die Schwester Julie wurde seine Fürsprecherin gegenüber dem Vater. Alle Brüder hatten beim strengen Vater einen schweren Stand. Julie versprach, die Verantwortung für die Ausbildung des Bruders zu übernehmen, ihn finanziell zu unterstützen und bat den Vater, ihn Maler werden zu lassen, d. h. ihn zu unterrichten, und zeige er Talent, ihn sobald wie möglich ins Ausland zu schicken. Auf ihre Intervention stimmte der alte Hagen im Januar 1850 zu. Alexander wurde Maler. Wie jedes Jahr begannen auch wieder die Diskussionen über die Heimkehr nach Dorpat. Ein Bleiben hing von den Münchner Verwandten ab, die sich nicht eindeutig äußerten. Rugendas plädierte für einen weiteren Aufenthalt wenigstens in Deutschland, wenn nicht in Italien, um die Ausbildung fortzusetzen. Die Unsicherheit führte dazu, dass mehrere Zukunftsszenarien entworfen wurden, wovon eine Reise gemeinsam mit dem Vater durch das südliche Russland, um durch Porträtaufträge möglichst viel Geld zu verdienen, zeitweise präferiert wurde. Die Zukunftsaussichten in der Heimat schätzte die Künstlerin zu dieser Zeit als wenig attraktiv ein. Eine große Motivation für die Rückkehr war ihr Wunsch, die Eltern und Geschwister, deren drückende Lebensverhältnisse sehr belastend wirkten, finanziell zu unterstützen. Julie Hagen hatte während ihres fast vierjährigen Aufenthalts in München nie Gewissheit über die Dauer ihres Bleibens. Von Jahr zu Jahr wurde neu entschieden. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 10.10.1849 München d  : 10 October 49 Meine theuren geliebten Aeltern  ! Die Sehnsucht Euch zu schreiben hat mich bereits schon länger als 8 Tage gepeinigt ohne daß ich nur Gelegenheit fand diese durch die That zu stillen und zu befriedigen  ! Ich werde weit zurück in die Vergangenheit gehen um Schritt für Schritt nach zu holen was ich habe versäumen müssen. Mit dem 1ten Octb. also begann ich zu malen und hatte doch gleich Unannehmlichkeit von der Unzuverlässigkeit des Modell’s zu erfahren. Bald aber wurde ich von sehr heftigen Zahnschmerzen überfallen, daß ich am dritten Tage mich völlig nieder legen mußte. Der Schmerz wüthete, wie ich’s noch nie zuvor erlebt  – meine Kopfnerven dadurch so heftig angespannt daß ich weder Nacht noch Tag Ruhe hatte. Meine Kopfkissen, die sonst mir zu weich sind waren mir zu Stein so fort geworden – endlich am dritten Tage fing ich an zu schwellen und der Schmerz verlor

396 | Die Briefe sich – doch geschwollen bin ich noch. In dieser Zeit nun ist ein kleiner Kopf, im Halbschatten entstanden sonst nichts, vorher ein Paar Skizzen und der Bäcker Röhrl,342 Tantens Bruder aus Laufen angekommen, der sich seit gestern unter mein Scepter begeben  – ich male ihn.  – Samstag früh ist mein Indianerfürst in die Ausstellung d. h. Kunstverein getragen und wird rasend bewundert, ha  ! ha  ! es ist wirklich spaßig  ! Indessen ich will ganz ordentlich der Reihe nach das Wesentlichste hier nieder schreiben. Daß es keine Kleinigkeit ist zum ersten Mal sich dem Publikum bekannt zu machen, werdet Ihr wol begreifen, ich hatte sehr angst und dachte mir daß ich die Stunde, am Sonntage (zu gleich Beginn des Octoberfestes), in welcher der Kunstverein aufgeschlossen wird, – mit Zittern erwar|ten würde. Daß kaum ein anderer Gedanke in mir aufkeimen würde – Indessen der Morgen verging ohne daß so arg ich zitterte und bebte. Endlich kam der Briefträger und brachte mir ein paar liebe Briefe. Der eine vom Bruder Carl. Grade dieser erfreute mich unendlich, hatte aber Manches was mir viele heiße Thränen aus den Augen und dem Herzen preßte – kurz ich weinte und dachte nicht mehr an das Bild noch und sonst etwas. Um 12 Uhr kam Rugendas, mein Indianerfürst mit Mutter und Schwester  ; welche Tags zuvor gekommen waren und da erst erinnerte ich mich an den Kunstverein. Onkel kam bald mit dem Vetter Röhrl und brachte die Nachricht nach Hause daß das Bild im Verein große Bewunderung erregt – daß die Menschen sich hin zu drängen (vgl. Farbabb. 11). Eine Gruppe Maler hätte zusamm gestanden und gesagt als sie kamen  : »ha das ist der R.! – ein gutes Bild, famos  ! – von wem gemalt  ? – Julie Hagen  ? Eine Dame  ? Nein das kann nicht sein – (etwas erstaunt) doch es ist eine Dame  !« Pause – »Aber es ist doch gut«  ! – Dies meine Aeltern nur damit Ihr seht wie man sich wundert wenn eine Dame ein mal Etwas macht das besser ist als schlecht. – Im allgemeinen hat Onkel es sehr loben hören. Von uns aus führte Rugendas seine Familie in den Verein, dann zu Tisch in die blaue Traube. Nachtisch hatten wir uns beim Maler Adam343 bestellt um mit einander auf die Festwiese zu gehen. Der Onkel und ich erwarteten sie dort. Als sie nun kamen wurde ich von Mutter und Schwester am Kopf genommen und ganz ungeheuer geküßt | beide weinten sie vor Rührung über das gelungene Portrait, ja ich kann sagen daß diese Freude mich für den ganzen Abend weich gestimmt hatte – und nun erzählten sie mir wie es nur eine Stimme für das Bild sey. Im Verein hat sich alles hinge342 Der Bruder der Tante, Alois Rehrl (Lebensdaten unbekannt), war in Waging a. See geboren, 1824 kaufte er in Laufen das Haus Nr. 5 und betrieb dort eine Bäckerei, vgl. Anm. 223. 343 Albrecht Adam (1786–1862) war ein Freund der Rugendas-Familie und nach dem Vater der erste Lehrer von Moritz Rugendas. Adam war vor allem als Schlachten- und Pferdemaler bekannt geworden, lebte in München und führte unter anderem zahlreiche Aufträge für den bayerischen König Ludwig I. aus.

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drängt und sich über die Kühnheit gewundert etc. Als sie darauf fort gingen hat man allenthalben Rugendas angerufen mit den Worten  : »ich habe sie schon heute einmal gesehen  !« – In der Blauen Traube, als sie zum Essen hinein traten hat man ihn empfangen und ungeheuer viel über das Bild gesprochen. Wenn ich Euch alles Haar klein erzählen wollte fürchte ich zu langweilig zu werden, denn alles hüpft auf einem Fuß herum. Man ist überrascht und kann es nicht begreifen daß eine Dame so kühn und flott malt. – Auf der Wiese hatten wir viel Spaß, alle Augenblick wurde von vorübergehenden Malern und Bekannten ihm zugerufen  : frapant  ! – ich gratolire, es ist ein herrliches Bild  ! Und dann war die Antwort von R. immer indem er auf mich deutete und man machte aus schuldiger Höflichkeit mir ein Complement. Den Abend mußte ich mit den beiden Damen ins Theater. R. schenkte mir ein Billet – er selbst ging zu Kaulbach, wo selbst er grade die Gesellschaft im Streit begriffen fand über das Bild. Man behauptete nämlich daß dasselbe geschmeichelt sey, andere wieder stritten und da hat denn Kaulbach, welcher eben aus Berlin zurück gekehrt ist, gesagt er wolle es selbst ansehen um zu sehen wer Recht hat. | d  : 11 Oct. Gestern habe ich nicht mehr weiter berichten können da der Vetter kam und ich weiter arbeitete – Jetzt ist nun wieder Mittagszeit und ich mag gerne neben dem Speisen meiner Semmel, Euch ein Wörtchen sagen. Seit meine liebe Kleine fort ist mag ich nicht mir den gewohnten Thee brauen, es langweilt mich und ich finde daß ich ohne diesen mich wohl und zufrieden befinde. – Gestern also verließ ich Euch im Kunstverein, nicht wahr  ?  – Täglich und alle Stunde sagt man mir daß das Bild Interesse und Aufmerksamkeit erregt. – Die beiden Könige haben es auch angesehen. – Ludwig, der Künstlervater hat große Freude geäußert, genau sich nach mir erkundigt Als er erfahren daß ich eine Russin bin, hat er mehrere Mal die Worte wiederholt  : »also eine Russin haben wir unter uns  !« – Schlechtes Wetter kalte regnerische Tage sind beständig jetzt. Der October verleuchnet sich nicht und in dieser Zeit habe ich denn oft daran gedacht daß es recht sehr gut ist daß die Kiste mit Bildern nicht früher angekommen, in schöneren Tagen, wo man Zerstreuung zur Genüge findet draußen, im Garten und überall. Der nächste Brief sagt mir, ich hoffe es wenigstens, daß Ihr die Bilder habt. Wie leid es mir war, nicht damals, als ich meinen letzten Brief absandte gewußt zu haben wann mein Bild ausgestellt werde. Habt Ihr meinen Brief am Sonntage erhalten, am 7. Octb. hiesigen Stiel’s, so hättet Ihr mit mir denselben feiern können. Er hat seltsame Gefühle mir gebracht die ich nicht so leicht vergessen werde. Jetzt ist alles vorüber es ist mir als ginge es nicht mich an wenn man | von dem Bild spricht es lobt etc. Dies ist nur ein Beweis daß Lob und Huldigungen mich nicht zu verderben vermögen. Verwöhnen, ja  ! Doch nicht eine Veränderung an meinem Charakter hervor rufen – Ich bin herzlich froh und glücklich darüber. Gehe ich zurück in meinen Gedanken nach Dresden dann kann ich nicht begrei-

398 | Die Briefe fen daß es erst zwei Jahre her sind als ich diese liebe Stadt verließ. – Hier fing ich mit Gips- und Gewandstudien an, war die Schwächste unter allen und jetzt darf ich mich wenigstens nicht schähmen meine Arbeiten neben denen der Anderen zu stellen. – Glaubt mir sicher ich bin oft sehr unzufrieden, leide unsächlich häufig an gräulichem Katzenjammer, aber bin ich denn wieder ruhig und spreche ein aufrichtiges Wort mit mir so muß ich denn doch gestehen daß ich rasch fort geschritten bin. Und denke ich gar an die Zeit zurück wo ich sagte  : »Nur etwas ähnlich möchte ich malen können um glücklich zu sein« – so wird mir wunderlich zu Muth. Ich sehe ruhig in meine Zukunft und dies ist ein ungeheures Gut das ein Mensch sich erworben. Vielleicht habe ich Unruhe vielleicht kein Recht dazu  ; allein ich mag das weniger streng unter suchen. Sonntag d  : 14 October 49. Heute bin ich bei Kaulbach’s gewesen und außerordentlich freundlich empfangen.344 Mein Bild macht ungeheures Aufsehen und mich nennt man berühmt. Kaulbach welcher nie in dem Verein zu sehen ist hat lange vor dem Bilde gestanden und es sehr gelobt.  – Sonst hängen Gemälde nur eine Woche oben, meines hat man hängen lassen, weil wie der Conservator sagt, die Leute so große Freude haben. R. hat mir von mehreren Künstler Umarmungen angekündigt. Das fängt gut an – wenn es so fort geht werde ich eine große Person. Gestern hatte Tante zum Kaffeebesuch Freunde theils auch Münchner. Die erzählten denn nun | daß ein Mann, ein ihnen ganz fremder zu ihnen im Verein getreten sey und gesagt – sie mögen die Gefälligkeit haben zu diesem Bilde treten das wäre ein gutes Bild. – der Verwandten wegen ist es mir unbeschreiblich lieb daß so viel davon gesprochen wird, sehen sie doch daß dasjenige was sie für mich thun nicht ganz umsonst ist. In der allgemeinen Zeitung No 283 vom 10. Oct. Ist Rugendas Bild sehr gelobt worden.345 Dieser Artikel kann Euch dienen daß seine Bilder Käufer finden. Es ist die Augsburger allgemeine Zeitung. Wie ich sehe habe ich noch nicht erzählt als mein Lob gesungen und danach bin ich noch lang nicht fertig und wollte ich alles nieder schreiben so wäre es, selbst Euch gegenüber lächerlich. – Die Kaulbach sprach heute von den »Ärmchen« – und meinte ich möchte doch das Bild auch ausstellen was aber nicht geschieht da Bernhardt nichts von dem zweiten Kopf, den der Körper bekommen, weiß. Wie wäre das schön wenn Ihr hier wärt und könntet hören was man sagt über meine Bilder. Das Lächerlichste ist daß die Leute mich für 344 Das Haus Wilhelm von Kaulbachs soll seinerzeit in München zu den gastreichsten Häusern gehört haben, vgl. Münchner Künstlerfeste, 1925, S. 29. 345 Dieser Artikel liefert eine Besprechung des schon oben erwähnten Bildes von Moritz Rugendas Begegnung zweier Karawanen, das seit Ende September im Kunstverein ausgestellt war. Darauf war Rugendas als Zeichner abgebildet, also Julie Hagens Motiv (vgl. Anm. 322). Vgl. auch den Essay von Pablo Diener in diesem Band und Abb. 22 und 23.

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sehr jugendlich halten, keinem fällt es ein mich für älter als 20, höchstens 21 Jahre zu halten und doch bin ich in wenig Tagen schon ein viertel Jahrhundert. Ich sag’s niemandem von jetzt an, wie alt ich bin. »So jung noch und schon so geschickt  !« – muß ich sehr oft hören. – Das Wetter ist infam kalt und feucht, meine Hände wie Eiszapfen, ich muß aufhören. d  : 15 Oct 49. Neben meiner Semmel einige Worte Euch. Das Modell ist zu Tisch gegangen und ich will schreiben Später Ich bin gestört worden. Rugendas war da und brachte | neue Nachrichten. Über das Bild, immer und immer mehr Interesse erregt dasselbe. »Von oben bis unten gut gemacht, verstanden, es macht ihr niemand das nach etc.« Gestern Abend bei Kaulbach’s hat man über meine Jugend sich gewundert etc. Nachdem dies besprochen that R. eine Gewissensfrage ob ich nicht etwa schon Briefe von Euch hatte und unangenehme Nachrichten über seine Bilder drin enthalten, welche ich ihm nicht sagen mag. Allerlei Beweggründe hatten ihn zu dieser Frage veranlaßt und ihm Sorge gemacht. – Im Stubenvoll (Künstler Kaffeehaus)346 wird, seit mein Bild ausgestellt ist immer und immer von mir gesprochen. Da hatte denn Bernhardt von meinen übrigen Studien, welche wol nun bei Euch sind erzählt, namentlich den Pilger und Rücken der Klio gelobt, und endlich auch daß man für eines meiner Bilder schon 400 R S. geboten habe etc. Dies viel [sic] natürlicher Weise sehr auf und man hat denn gefragt  : wie viel ist denn ein R.? – Rugendas war gar nicht anders als der Meinung daß es ein Bild aus der letzten Sendung sey. Aber Ihr könnt sehen wie man übertreibt. Bernhardt hatte noch mehr mit seiner Schülerin pralen mögen. R. erzählte ich die Sache der Wäscherin und suchte auf alle mögliche Weise ihn zu beruhigen und versprach ihm den Brief, der nächste von Euch, ihn lesen zu lassen und ich gestehe daß ich sehr Angst habe. – Seine Mutter und Schwester sind herzlich liebe Leute, waren einige Male bei uns. Die Schwester hat mir ein niedliches Krägelchen geschenkt, selbst gestickt. Wenn das Bild in Augsburg ausgestellt wird, soll ich durchaus hinüber. So wollen Sie’s wenigstens. – Ihr seht ich schreibe von nichts anderm als immer nur von dem Bilde. | d  : 21 Oct. Der Sonntagmorgen ist Euch gewidmet auch der heutige soll zum Schreiben benutzt werden. Ich habe nicht viel zu erzählen denn ich würde nur 346 Der Münchner Genremaler Friedrich Wilhelm Schoen (1810–1868) malte 1844 Die Künstlerkneipe »Stubbenvoll« in München, in der sich die Münchner Künstler als Zusammenschlüsse von Vorgängervereinen zur Münchner Künstlergenossenschaft (gegründet 1868), nach der Lokalität auch »Stubenvoll-Gesellschaft« oder die Gesellschaft Neu-England genannt, zusammenfanden (1844, Öl auf Leinwand, 92,5 × 118 cm, Stadtmuseum München, Inv.-Nr. Gm llb/114). Auf dem Gemälde lassen sich etwa 40 Porträts identifizieren, vgl. Typisch München  !, 2008, S. 174 ff.

400 | Die Briefe wiederholen was ich schon früher geschrieben. Euer Brief kann heute kommen aber wenn er nicht kommt werde ich nicht ungeduldig da die Zeit für die Post eine ungünstige ist. Hier ist es bitter kalt, viel Regen, bei Euch mag es ärger ausschauen, vielleicht schon Schlittenbahn gewesen und wieder vergangen, starres kaltes Land  ! – Tante und Onkel sind gesund auch ich bin’s Gott gebe daß auch Ihr es sein mögt. In dieser Woche bin ich sehr fleißig gewesen, war gezwungen dazu. – In den ersten zwei Tagen malte ich ein Kinderköpfchen  ; ein liebes herziges Mädchen. Diesen hatte ich noch kaum fertig als Bernhardt mir einen Oberst Leitenant Wiegardt347 zu führte welchen ich gleich beginnen mußte da er zu seinem Regiment in Pausau [sic] zurück mußte. Denselben habe ich also in 4 Tagen fertig gemalt mit all seinem Gold am Kragen Epoletten und den Dutzend Knöpfen. – Dies ist eine Frucht des Kunstvereins. Sein Schwiegersohn und Tochter wollen auch von mir gemalt sein, ich habe keine Lust dazu, denn ich fürchte sie zahlen nichts, ich muß mich abhetzen um den Leuten möglichst wenig Stunden zu rauben und habe nichts davon. Lieber male ich für mich oder eigentlich für Euch. – Ich weiß noch nicht ob der Kunstverein gestern mein Bild fort geschickt, | oder noch hängen hat lassen – ich glaube nicht  ! Rugendas sagte neulich  : »ich kann nicht dulden daß das Bild länger noch ausgestellt bleibt, denn von allen Seiten gratulirt man mir und immer glaub ich etwas geworden zu sein, zuletzt ist nichts weiter als daß ich gemalt worden bin.« – Daß man allgemein zufrieden ist sagt man mir überall und ich glaub’s auch da ich zwei Mal von vorübergehenden Leuten meinen Namen nennen hörte, dies hat mich seltsam ergriffen. Vielleicht hören die Leute auf mit Bewunderung von mir zu reden wenn sie mich, die unansehnliche, winzig aussehende Person kennen lernen  ! – ich fürchte das sehr. – Es ist so lächerlich, wie Personen freundlich und zu vor kommend sich jetzt gegen mich zeigen die früher gleichgültig an mir vorüber sahen. Im Theater z. B. hatte jede und jeder in der Loge ein Wort mit mir zu sprechen mit der berühmten Künstlerin  ! Es kommt mir gar lächerlich vor, selbst wollen sich die Leute an mir erwärmen, durch meinen Umgang einigen Glanz gewinnend. – Mariechen Lattner kommt bald nach München vielleicht auf ein Paar Monate vielleicht geht sie aber nach dem Norden von Deutschland zu. – Später Nachtisch. Euer Brief ist gekommen, ich habe ihn mit Unruhe und Sorge erwartet betreff R. und nun hat er wirklich mir keine lieben Nachrichten über seine Bilder gebracht. Wie soll ich’s ihm sagen  ? wie es anfangen daß ihm es nicht so bös klingt  ? hab ich ihm doch versprochen den Brief lesen zu lassen  ! und | keine Zeile an ihn selbst – das sind alles Sachen die mich sehr traurig machen. Der dumme Brederlo  ! Er ist kein Kunstkenner, kein Sammler er soll sich nicht so nennen wenn er nicht ein Mal im stande ist sich aus der engen Alltäglichkeit 347 Diese Person ließ sich nicht ermitteln.

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heraus zu zwingen. Das Bild der Karrenführer ist meines Erachtens das Beste und ist gewiß nicht extravagant  – Meine alltäglichen Köpfe also gefallen besser  ? Das freut mich nicht ein mal kann mich ärgern, macht mich traurig  ! – bei mir vermißt man Kühnheit, bei seinen Arbeiten Feinheit  ! Die Kraft behagt nicht mit der er gemalt. Was hier schlecht gehießen, nennt der große Kunstkenner Liphardt Tizianisch gemalt, indessen ich sitze nicht da um mich zu mokiren, sollte dankbar sein und erkennen wie gut es ist daß es Verschiedenheit im Geschmack giebt. Für das Schlechteste schwärmt man ist bezaubert wie z. B. die betende Maria oder (Wäscherin) es beweist. Zuletzt muß ich glauben daß ich statt vorwärts, rückwärtsgehe. Die Dachhauerin erscheint in Deinen Augen als gut zu dem besten gehörig. Diese malte ich vor länger als einem Jahre, erstes Bild nach der kleinen Wäscherin. Bernhardt gefällt Dir nicht, seine Manier etc. und doch ist er kein Manierist, giebt die reinste Natur wieder – hab ich doch die Hauptsache in der Malerei, was man Wirkung nennt von ihm gelernt, die Manier im Auft{r}agen, im Vor|tragen der Farben ist ja Nebensache ganz und gar, indessen Du hast nicht ganz Unrecht er dürfte kühner sein. Doch Schüler die was lernen wollen müßen streng verfahren mit der Natur, haben sie erst ihre Tiefe verstehen gelernt dann kann man sich Manches erlauben und es wird einem nicht als Fehler angerechnet. War es meine Natur kühn zu malen, dann lieber Vater kommt sie schon wieder zum Vorschein. Rugendas Bild würde Dir vielleicht besser gefallen, der Kopf wie man hunderttausend mal mir wiederholt hat, ist männlich gemalt. Auch mein letzter der Oberst von dem ich heute früh sprach ist ähnlich hingefegt. – Wunderlich daß Du mein Portrait nicht gleich hast ähnlich gefunden. Hab ich mich so verändert oder habt Ihr mich aus dem Sinn verloren. Älter bin ich freilich, deshalb am Ende noch häßlicher als ich schon war  ; wollte Gott ich dürfte mit Ernst und Freude sagen  : »aber nicht unliebenswürdiger als früher  !« – – Wie kann aber der Transport so ungeheuer viel gekostet haben  ? Ich verstehe das wahrlich nicht  ; Gemälde ohne Goldrahmen sind ja zollfrei  !  ? Oder nicht  ? Auf diese Weise kann man nie wieder daran denken etwas zu schicken. Für das Geld hätte man die Reise selbst dahin machen können. infam  ! Du willst daß ich nicht mehr oder nicht lange mehr bei Bernhardt malen soll. Wohin denn mit mir  ? Allein stehen werde ich bald genug, komme ich erst heim. Bernhardt ist der Einzige welcher sich | mit Damen abgiebt, ist auch wol der einzige Portätmaler in München. Kann ich nicht nach Rom zu Riedel gehen so bleibe ich bei Bernhardt, dies ist mein Ernst, mein Wille, meine Überzeugung. Erkennst Du meinen Fortschritt an, dann mußt Du auch erkennen daß er ein tüchtiger Lehrer ist. Hab ich doch erst vor zwei Jahren nach Gips und Stoffen gemalt, bei ihm begonnen zu studiren. Das Jahr in Dresden halte ich für verloren obgleich es mich nicht reut dort mich amysirt zu haben. Wer hat wol Lust das Lichtbildchen zu kaufen  ? Hat wol Otto Müller meine Arbeiten gesehen  ?

402 | Die Briefe Der kleine Tiroler ist eine Studie ohne Bernhardt’s Charakter, in den Pfingsttagen von mir gemalt. Die Farbe ist vielleicht gut zu nennen. Ehe ich’s vergesse  : Willst Du die Bilder firnissen, so ist es mir lieb, doch nur die älteren, wie eben die Dachhauerin, die Schweizerin. Die Übrigen indessen bloß mit Eierklar welche hier auf folgende Weise bereitet wird  : Zu einem Eierklar thut man ein halbes Theelöffelchen voll Honig und einige Tropfen Weingeist, schlägt dieses zu Schaum und läßt es über Nacht stehen, dann nimmt man mit einem weichen Schwamm diese Maße und überstreicht das Bild, dasselbe glänzt ohne Schaden zu leiden.  – Sollte man Bilder kaufen so muß wol auch mein Name drauf stehen  ? – | Heute Abends soll ich zu Kaulbachs, hab Kopfschmerzen, bin etwas sehr aufgeregt durch den Brief von Euch. Kiel ist noch nicht hier, will warten und mich bei seinen Freunden erkundigen wann er kommt, vielleicht kann ich auch diesen noch nach Leipzig senden. – Der lieben Schwester Marie meinen und der Tante herzlichen Dank für die Mühe die sie auf den Kragen verwendet hat, er ist sehr sehr hübsch nur leider zu klein. Der Tante paßt er gar nicht, selbst mir beinahe nicht. Ich sagte ihr was sie freilich nicht wollte ich würde ihr einen anderen bestellen. Die Größe will ich durch einen Schnitt bezeichnen. – Ihr gratolirt mir zu meinem Geburtstag, richtiger wärs wenn Ihr condulirt zu meiner Greisenhaftigkeit, indessen ich danke Euch und das von Herzen. Ich male wol an dem Tage fleißig, vielleicht fleißger als gewöhnlich um meinen Gedanken keine Traurigkeit zu lassen. Emma Wachters Brief hätte ich gern gehabt. Lang habe ich ihr nicht geschrieben werde ich wol dies Mal nicht dazu kommen. Sivers malt den Leuten zu wenig fein  ? Abscheulich dummer Ausdruck  ! Hat er wirklich nöthig mich zu fürchten  ? Ich dächte doch nicht – der gute liebe brave Mann, ich achte und liebe ihn sehr, möchte er nur viel, sehr viel zu thun haben, ich möchte nicht diejenige sein welche ihm in den Weg tritt. – | Schirren fragt nach dem Preise der Betenden  ? Der liebe Junge hat ja nichts um sich zu erhalten und will nun gar Bilder kaufen das rührt mich – ich erwarte nun auch einen Brief von ihm, er wird mir wol schreiben. In seinem letzten Brief hat er mir gesagt daß er nicht verlobt sey sondern daß dies ein leeres Gerücht wäre etc. Ich hatte ihn nämlich gefragt ob ich ihm gratuliren dürfe. Also wieder eine Gesichte der Kaffeeherzen wie er sich ausdrückte. d  : 22 Oct 49. Zahnschmerzen, die Unruhe und Verlegenheit wie dem Rugendas schonend sagen daß seine Bilder wenig gefallen, alles das hatte mir eine schlaflose Nacht bereitet und nun sitze ich im Attelier, ohne Arbeit und warte nur bis die Stunde schlägt wo ich den Zahnarzt treffe um mir zwei Zähne ziehen zu lassen dann hoffe ich auf Lange Ruhe zu haben.  – Gestern Abend bei Kaulbachs – es waren ziemlich viel Leute dort  ; doch war es äußerst steif und gemessen – Niemand wagte laut zu sprechen wie es hier wol überall so ist. Kaul-

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bach ist im Umgange ein steifer Hofmann, ohne die mindeste Genialität es wird einem nicht wohl in seiner Nähe. Er hat wenig oder gar keine Liebe unter den Künstlern und doch sucht man ihn weil sein Name eben einen schönen Klang hat. Den Reineke Fuchs hat er herrlich gezeichnet weil er ihn in sich gefühlt.348 Alle großen Geister sollte man nie Persönlich wünschen | zu kennen, sie verlieren ihren heiligen Schein. Der Zahnschmerz hatte mich sehr genirt da ich’s nicht zeigen möchte. Mein lieber Vater  ! Ich bitte Dich von ganzem Herzen schreibe ja dem Rugendas, er erwartet es und es macht mich äußerst verlegen ihm schon das mal keinen Brief bringen zu können – Sage ihm daß Du hoffst seine Gemälde verkaufen zu können und daß Du nicht eilen magst damit  ; denn er sorgt sich, klagt sich an, sie überhaupt gesandt zu haben und spricht vom Zurückgeben des Geldes, was nicht nöthig ist. Miezchen heirathet noch nicht also glaube ich gewiß im Jahrmarkt wird es gehen. Und sollte das nicht sein so werde ich sorgen, daß die Schwester das Geld erhält. Noch bitte ich Dich, Dich zu erkundigen wie es möglich ist daß die Kosten sich auf 36 R. S. belaufen haben können hat doch der Onkel es bis Memel francirt und der Werth nur hundert Gulden angegeben. Dies ist eine arge Prellerei  ! Nie mehr werde ich Bilder Euch senden denn das verdirbt die Freude und den Spaß den man im besten Fall hätte. – Rugendas Sorge um mein Weiterkommen ist außerordentlich. Er componirt mir ein Bild daß ich nächstens malen soll um dem Kunstverein zu geben noch will ich nichts schreiben da es scheitern könnte. Wenn man meine Bilder kaufen will, nur zu  ! Alles gebt weg ich male andere dagegen. Ich wünsche wol daß das Lichtbildchen in würdige Hände käme, bei den übrigen ist es mir gleichgültig. – Gestern habe ich in großer Aufregung geschrieben, ich habe es heute noch ein Mal durchgelesen und finde daß es nicht gut war allein ich finde auch daß ich eben so, noch heute bei mehr Ruhe, denke. | Liphard und Brederlo sind Dummköpfe  !  – Mein Porträt findest Du am sorgsamsten ausgeführt  ; das ist entstanden weil ich nicht sicher, durch meine Kurzsichtigkeit wußte was ich sollte, deshalb pinselte ich bis es recht wurde – so geht es allen Anfängern, welche ihr Aug nicht geübt haben, die suchen im Dunkeln herum und daher können sie nicht gleich keck malen das kommt schon, sobald sie richtig verstehen und sehen gelernt  ! Ich sage Dir da 348 Wilhelm von Kaulbach hatte im Auftrag der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung Stuttgart die Illustrationen zu einer prachtvoll gestalteten Neuausgabe von Goethes »Reineke Fuchs« entworfen (Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs, mit 35 Stahlstichtafeln von R. Rahn und A. Schleich nach Zeichnungen von W. von Kaulbach, Stuttgart und Tübingen, J. G. Cotta 1846) und dabei auch persönliche Kritik an zeitgenössischem Leben und politischen Gegebenheiten einfließen lassen. Die Edition erwies sich für Kaulbach als sehr erfolgreich und erfuhr mehrere Auflagen. Eine kleinformatigere Ausgabe entwickelte sich für den Verleger äußerst lukrativ und verschaffte auch dem Epos, das bis dahin unter Goethes Werken als nicht eigenständig galt, eine große Popularität.

404 | Die Briefe Sachen, die Du vielleicht nicht anerkennen wirst doch meine Überzeugung ist’s gewiß. – Bernhardt verlasse ich nicht so lang ich in München bin, ich finde keinen besseren Lehrer, und namentlich da Rugendas mit seinem Geist mir zu Hülfe kommt. Onkel und Tante werden mich nicht fort schicken das ist auch gewiß also muß ich hier bleiben oder heim gehen – Abends Etwas angegriffen durch die Operation setze ich mich doch zu Euch obgleich ich wenig oder gar nichts mehr zu sagen habe. Um 1 Uhr zum Zahnarzt und setzte mich entschloßen, zwei Zähne dort zu lassen hin ich ließ mich nicht einmal durch Kloroform betäuben aus Furcht zu schreien, was mir unerträglich ist. Der Schmerz war recht arg aber ich hielt mich zusammen um mir nicht diese Blöße zu geben beim zweiten Zahn rollten mir bloß ein paar Thränen über die Wangen, dieselben kamen nicht aus dem Herzen sondern nur die Nerven hatten sie heraus gepreßt  – jetzt ist mir ordentlich wohl sie loß zu sein, bin stark geschwollen. | Morgen werde ich Hände Studie machen, bloß Hände da mir diese noch namentlich schwer werden. Du findest sie gut und Rugendas ganz schlecht, leider sind keine guten oder schönen Hände auf zu treiben – Wenn Du dem R. schreibst so wäre es mir lieb wenn der Brief offen käme damit ich mich danach zu richten weiß, ich möchte ihn nicht betrüben auf keine Weise da er für mich sorgt, wie ein Vater. Er ist Deiner Meinung was Bernhardt betrifft und dennoch sagt er auch daß eben Bernhardt der einzige Lehrer in München sey. – Gestern ward bei Kaulbach sehr hübsch musicirt worden. Man hört auch von Conzerten welche für die Wintermonate arangirt werden, die jungen Damen rüsten sich für Bälle etc. Meine Wenigkeit wird keinen Theil daran nehmen. Tante und Onkel werde ich vielleicht böse stimmen  ; allein ich werde meinem Willen und Vorsatze treu bleiben indem ich keinen einzigen Ball besuchen werde. Es sollen nicht wieder Geschichten ähnliche wie im vergangenen Jahre entstehen. Nein, gewiß nicht  !  – Miezchen bekommt ihre Stimme wieder, das hat mich ungemein gefreut, nur schonen muß sie sich. Wäre sie hier könnte sie im Conservatorium studiren was wäre das schön  !  – Tante Christina ist also nicht bei Euch gewesen  ? – Großmutter gesund und munter hoffe ich. – Die Cholera scheint nicht Lust zu haben München mit ihrem Besuche zu erfreuen. | Daß die Kartoffeln wieder mißrathen ist ein großes Leiden. Hier dagegen hört man über nichts klagen. – d  : 24. Gestern habe ich keine Zeile geschrieben, war freilich krank, diese Nervenerschütterung muß doch bös gewesen sein, heute selbst bin ich schwach, wie eine eben gewesene Kranke wird mir das Geringste schwer selbst meine Stimme ist dünn und klein. Gestern hatte ich trotz dem Arbeiten wollen doch hielt es bloß bis 3 Uhr aus es wollte nicht mehr gehen  – R. war ein Moment bloß da dem sagte ich daß Briefe gekommen seyen meine Verlegenheit schien auch ihn

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verlegen zu machen. Heute will ich ihm den Brief vor lesen. Dein Wunsch daß ich Bernhardt nicht länger meinen Lehrer heißen soll theilte ich ihm mit, was auch sein Wille ist  – er möchte daß ich zu Winterhalter oder Riedel gehe etc. Wenn Du ihm, lieber Vater, also schreibst so spreche Deine Ansichten vertrauensvoll gegen ihn aus, er kann mir viel nützen. Ein Wort von ihm gegen Tante und Onkel hat mehr Gewicht als tausend und aber tausend von uns allen zusamm. Dann ist er mit all diesen berühmten Männern bekannt, befreundet sogar  ; Dutz Bruder u. s. w. Vielleicht kann Kiel mir ein Stipendium verschaffen. – Dem R. sagte ich daß Du froh seyst mit seinen Bildern nicht eilen zu dürfen indem Tante und Onkel hier das Geld bezahlt  – Den Wachters nächstens gewiß Briefe. Grüßt die lieben Mädchen herzlich von mir. Hartmann, Sivers, Minna Sturm Dumbergs alle und sonst noch alle Bekannten. Deiner Kritik lieber Vater,| lasse alle Zügel los, ich will nicht gelobt sein. Nur Deine wünsche ich zu hören da ich den andern wenig richtiges Urtheil zutraue. Das Wenige in Deinem letzten Brief hat mir wenigstens bewiesen daß die großen Kunstkenner, wie Liphardt z. B. für das Unwesentlichste in der Kunst nur Augen hat, er sucht bloß was als Beigabe dem Bilde zu wünschen wäre, was aber nicht vermißt werden darf und sobald das Bild an der Wand hängt ohne dies nicht gesehen wird. Der Respect ist mir vor seiner Kenntniß in der Kunst geschwunden. Der Brief soll heute fort und ich schwatze immer zu was Euch vielleicht verdrießt. Vielleicht ist mein körperlicher krankhafter Zustand die Schuld an dieser dummen Aufregung. – Lebt wohl  ! ich | muß ins Attelier – muß den Obersten fertig machen und das Geld das ich bekomme für das Bild lege ich für meinen Paß auf die Seite. Vielleicht bekomme ich auch keinen Kreutzer, auch gut  ! Na wir wollen sehen. Noch mals lebt wohl und seit vergnügt. Deine Schwestern liebe theure Mutter grüßen Dich herzllich sie haben unbendige Freude wenn sie von der Russin sprechen hören, dann sind sie so glücklich sagen zu können  : »Das ist unsere Nichte«. Mit Liebe und Treue umarmt Euch herzlich Eure Tochter Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 28.10.1849 München d  : 28 October 1849

Meine theuren lieben Aeltern  ! Sonntag ist’s und ich muß doch noch schreiben wenigstens einen Brief anfangen. Heute früh habe ich mich daran gesetzt und den beiden Brüdern geschrieben und meine Reise wenn auch nur in kurzen Zügen gezeichnet. Ich bin herzlich froh daß ich das auch beseitigt, schon lang hat es mich gequält. Der Brief von Hartmann mit den Einlagen von Euch kam heute, also einen Tag später als er mir bestimmt gewesen, aber die Freude war doch eben so lebhaft als sie gestern

406 | Die Briefe gewesen wäre. – Der Mieze schreibe ich selbst und danke für den so sehr hübschen Kragen – Der gestrige Tag ist vergangen wie ein gewöhnlicher, kaum daß ich gedacht daß ich eine bedeutende Zahl zähle. Einige Kleinigkeiten am Morgen von Tante und Onkel sollten mich überraschen, es war nicht der Fall, ich bin gleichgültig gegen Dinge welche zur Kleidung, zum Putz dienen – hätte man mir ein Dutzend Pinsel gegeben wäre ich vielleicht vor Vergnügen gesprungen. Den Mittag ging ich auch nicht zum Essen nach Hause und den Abend endlich spielte ich die Zither und ging früh zu Bette. – Die schlechte Verkürzung des Armes der Klio rügst Du, freilich ist sie schlecht allein Du musst dich erinnern daß meine Kleine diese Studie mit machte daher mußten wir uns theilen in der Stellung der Figur | damit die eine nicht alles, und die andere nichts hatte. Der Kopf des Pilgers soll doch mein Bester sein Dir ist er nicht angenehm  ? mir ist es leid. überhaupt scheinst Du, was ich immer gefürchtet in Deinen Erwartungen in Etwas getäuscht was kann ich dabei thun? Der Geist, die Poesie fehlt mir und das ist alles was man braucht das kann ich mir nicht geben  ! – Du schreibst mir nichts über den so viel besprochenen Strohhut, ob er Dir lieb oder un lieb ist  ? – Für die Wirkung des Bildes war er unbedingt nothwendig. d  : 4. Nov. 49 Wieder 8 Tage vergangen, habe nicht geschrieben, bin aber nicht traurig, sondern preis’s vielmehr denn ich hätte vielleicht kummervoll sogar verzweifelt geschrieben. Weshalb  ? Nichts als die Kunst hat mich in einer höchst traurigen, nicht beneidenswerthen Stimmung versetzt.  – Heute geht’s nun wieder leidlich und somit mag ich wieder gern mich bei Euch zeigen. Mir scheint allmählich als wäre ich zu Zeiten hypochondrisch, mir selbst für viele Tage unausstehlig. Macht das das Sitzen, das angestrengte Arbeiten, oder, das Erkennen meiner Schwäche als Künstlerin  ? Ich weiß es selbst nicht zu sagen  ; allein so viel ist gewiß daß ich mich betrage wie ich es an meinem guten Meister Hagen in früherer Zeit gewohnt war, vielleicht (und dies Vielleicht würde mich trösten) ist es nöthig um Künstler zu sein – In den letzten drei Tagen war mir zu Muthe als müßte und könnte ich mich hängen. Holla  ! | Donnerwetter  ! was wäre das schön gewesen wäre ich gestorben. Ich bringe es doch nie so weit wie ich möchte und um alles in der Welt möchte ich nicht nur so malen wie man es von einem Weibe verlangt ich will, ich muß mehr leisten  ! Zwar sagt man ich sey die Tüchtigste unter den Künstlerinnen in München, aber was will denn das zuletzt sagen  ?  – Da ich jetzt davon mit Euch spreche regt sich alles wieder wach in mir und ich sehe ein daß ich keineswegs beruhigt bin. – Eine kleine Nichte des Doctor Steub, (Euch wohl unter dem Namen Dichter Steub bekannt, er schreibt allerliebste Novellen  ; die alte Trompet in Es ist z. B. von ihm) hat mir durch ihre Schönheit alles das angethan. Durch Rugendas Vermittlung hat sie mir gesessen. Die Kleine hat rothes herrliches Haar außerordentlich weiche zarte Formen, die zu erreichen vielleicht Rubens mög-

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lich gewesen wäre. R. gab der Kleinen eine Stellung und Bernhardt änderte sie – was jenem zu Häftigkeit reizte als er tags darauf nach sah. – Mit Zeichnung und Farbe war er gar nicht zufrieden, denn Ihr müßt wissen daß er unendlich streng und strenger als B. ist.  – Mit Sehnsucht erwartet er Deinen Brief lieber Vater um für mich ein anderes Unterkommen zu suchen. – Sollte ich B. verlassen dann wäre der einzige Lehrer mir Rugendas.  – Hab ich erst Euren nächsten Brief so handele ich wieder wie immer rasch und entschlossen, suche mir selbst meine Lehrer, denn ich habe noch immer gefunden daß ich bei meinem raschen Handeln gut gefahren bin. R. unveränderte und große Sorge | für die Ausbildung meines Talent’s ist rührend ohne Eigennutz wie es bei allen übrigen Künstlern der Fall ist, selbst bei B. – Der Kopf ist nach vieler Noth ähnlich auch fein in Form und Farbe geworden, er ist auch zufrieden doch die Stellung ist eben nicht nach seinem Sinn. – Ich werde den Kopf copieren und ihn als das Orginal abgeben, ich hoffe die Leut merken’s nicht. – Meine Kleine, ist seit zwei Tagen wieder da, und nachdem sie Briefe aus Norddeutschland hat welche ihr wenig Aussicht für viel Arbeit geben will sie den Winter hier bleiben und für’s erste bei Bernhardt malen. Ich bin herzlich froh darüber, können wir doch wieder beisammen sein uns quälen, uns freuen wenn es sich thun läßt und den Mittag mit einander Thee, nach alter Weise trinken. Bis jetzt that ich’s nicht da es mich enuyirte allein für mich zu preparieren. – Es ist kalt und viel neblig unangenehme Zeit für den Maler. – Gestern erhielt ich von meinen lieben Hüttels Briefe nach langer langer Zeit. Viel Krankheit in ihrer Familie, Augustens Aussteuer u. s. w. hatten die guten Leute in ständiger Aufregung und Unruhe erhalten. Augustens Hochzeit wird im zweiten oder sechsten Aprill sein und sie wünschen mich durchaus dann dort zu haben, wie gern möchte ich’s thun, wie gern nach Dorpat zur Hochzeit meiner Emma, die hoffentlich auch um die Zeit sein wird. Mir scheint aber die Freude versagt zu bleiben  ! – | d  : 11. Nov. 49 Ich will schreiben, ich muß schreiben, es ist ja Sonntag und schon der Nachtisch. Der Vormittag verging unter Malen  – die ganze Woche gleichfalls nun sollte ich endlich erzählen was ich denn endlich gethan  ; es ist nichts das des Erwähnens werth wäre, eine Copie für die Tante zum Namenstage, ihr Bruder  – dann habe ich ein kleines Kind angefangen nicht fertig gemacht weil sie nicht still saß, und bat man sie höflich es zu thun, weinte der kleine Fratz, jetzt habe ich nun wieder eine Copie angefangen, die Nichte des Steub – so auf diese Weise sehe ich dann das Weihnachtsfest heran kommen ohne daß ich was Rechtes gethan hätte und das quält mich sehr. – Meine Kleine ist nun wieder hier, arbeitet bei Bernhardt d. h. nur diesen Monat und geht dann nach Norddeutschland. Die Arbeiten welche sie mitgebracht und hier beenden will sind recht sehr brav, was auch mir Muth giebt allein zu malen und ich wäre in einer Stimmung

408 | Die Briefe gleich nach Hause gehen zu können. Kann ich nicht’s in München lernen, d. h. so viel noch wie im letzten Jahre so gehe ich eben nach Hause da mir meine Zeit nicht gehört. Was soll ich hier  ? Meine Schulden immer und immer zu vergrößern nein es drückt mich schon recht den Verwandten so viel zu kosten  ! Hätte ich nur einen entschiedenen Grund der mich ohne Widerrede von ihnen entführt, so wäre ich froh, so aber kann es eben noch zwei Jahre dauern wo dann der Paß seinen letzten Termin erreicht. Dann aber heißt es Geld haben meine 5 Jahre zu bezahlen, hu  ! Ich kann nicht sagen wie mich das alles, wenn ich’s recht bedenke, foltert. – | Sonntag 18 Nov. 49. Euer Brief kam gestern, mir unerwartet früh. Was soll ich sagen  ?, nichts vor allem als danken – er hat mir Freude gemacht wie immer. Noch habe ich Rugendas nicht gesprochen – ich erwartete ihn heute Früh im Attelier, doch vergebens, nun will ich zu ihm und ich sehe ihn schon jetzt als meinen Lehrer an. Worte welche er gestern mir sagte haben mich fester in meinem Entschluß gemacht ihn, und keinen andern mit Bernhardt zu vertauschen. Er sagte nämlich in sehr großer Häftigkeit als er meine Arbeit ansah  : nur um des Himmelswillen schöne, reine Linien in den äußeren Contouren  ! Waren es doch dieselben Worte welche ich eine Stunde später in Deinem Briefe las. – Morgen male ich einen Kopf bei ihm dann wollen wir sehen was ich lernen und worauf er mich besonders aufmerksam machen wird. Der Gedanke ist mir keineswegs ein Lieber B. zu verlassen  ; doch muß ich’s nun wol thun da Tante und Onkel ganz gegen ihn gestimmt sind, theils durch R. und nun durch Eure Briefe. Entweder erhebe ich mich oder gehe wie ein Krebs zurück, stehen bleibe ich nicht, das fühle ich – verhüte es Gott daß ich rückwärts gehe  ! – R. ist stark im Bilder arangiren auch hat er viel Sinn für schöne Linien etc. Er ist mir wie ich schon oft gesagt einer der achtungswerthetest [sic] Künstler in München. Das Schreiben ist mir eine fast fremde Beschäftigung geworden – ich komme gar nicht mehr dazu selbst Euch sage ich während der ganzen Woche kein Wort. Daran ist die Zither schuld, ich übe den ganzen Abend ich bringe es doch zu nicht’s wodurch die Tante ordentlich ungeduldig ist findet daß ich zu wenig Zeit noch verwende  ; allein es möchte auch dann | zu nicht’s führen – ein Beweis daß ich wirklich kein Talent zur Musik habe – recht dumm  ! – d  : 19. Nov. 49 Selbst an den Sonntagen will es nicht mehr mit dem Briefschreiben gehen. Der Hauptgrund ist wol in den kalten Stuben zu suchen. Gestern Abend mußte ich in die Oper Tell und später als ich zu Hause war suchte ich gern das Bett da meine Stube ganz aus gekühlt war. Der sogenannte Winter ist ein böses Ding für den Nordländer, er friert Gottes jämmerlich, – Heute ist der Tag vergangen unter fleißigem Arbeiten bei R. – ein niedlich feines Mädchen Gouvernante unser Modell. Dein Brief hatte ihm Freude gemacht. Ich sprach viel mit ihm über unsere Angelegenheit, die erste Aufgabe bleibt nun auf eine gute

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Manier Bernhardt zu verlassen. Ich bin nun entschieden es zu thun obgleich ich die Folgen auch schon kommen sehe. B. hat nie gern gesehen wenn andere tüchtige Künstler seine Schüler besuchten, noch immer hat der Schüler oder der besuchende Freund es büßen müßen – auch habe ich bis weilen, bei dieser oder jener Gelegenheit giftige Worte hören müßen welche nur durch R. Besuch veranlasst mir schienen – außerdem meint man ich sey die Braut dieses Mannes da ich, (als Dame  !) ihn so vortrefflich gemalt etc. Dieses nun genirt mich nicht doch möchte ich Bernhardt um keinen Preis der Welt beleidigen. – Die Hand, die malende in meinem Portrait gefällt mir auch nicht  ; habe sie ruhend gemalt, doch B. wünschte sie so. – Du thust unrecht einen so hohen Preis für das Lichtbildchen zu setzen. Dir wird es mit diesem Bild gehen wie mit der Wäscherin. Gieb um Gottes Willen die Bilder weg so lang man Lust hat sie zu kaufen ich male andere dagegen. – Es freut mich übrigens | daß das Bild Dir immer besser gefällt, anfangs schienst du nicht erbaut. Die Hände der Dachhauerin sind von zwei Modellen, die eine retuschiert, die andere prima gemalt, deshalb diese Ungleichheit  ! Ein Beweis, welche Noth man mit seinen Modell’s hat. – Der Hintergrund der beiden männlichen Köpfen ist Dir fatal, macht die Bilder Dir unangenehm, das begreife ich eigentlich nicht. Der Porträtmaler hat ja das Recht Farben hinter seinen Köpfen zu setzen welche dieselben hervortreten lassen, die mögen der Natur gemäß sein oder nicht. – Der Grund des Tiroler ist meines Erachtens nicht so widernatürlich, ich habe mir nämlich einen dichten Nebel gedacht. Ein Hintergrund darf so wenig als möglich aufnehmen, muß so viel wie immer möglich ruhig gehalten sein damit der Blick nicht abgezogen wird von der Hauptsache des Kopfes. – Von der Betenden sagst Du gar nichts. Dies {ist} mir ein Zeichen daß sie Dir nicht gefällt und ich muß sagen daß ich ordentlich froh deshalb war, wird es Dir weniger schwer das Bild dem Schirren zu geben da er dafür schwärmt. – Eine Reise durch Russland  ! hu  ! Das klingt recht prächtig nur wird es schlimm uns gehen da wir beide, weder Französisch noch Russisch können. Gestern brachte ich dem Hauser die Einlage von Carus er versprach zu antworten und mir das Briefchen zu zu stellen – wollen wir sehen ob er es thut  ? Kiel ist auch gestern angekommen – angekündigt ist er aus Rom kommend, – der gute Mann soll sich in den Bädern hauptsächlich der Spielhäuser wegen aufhalten, besonders Homburg suchen. Vielleicht | war er einer der Verzweifelten als wir dort waren will sehen ob ich ihn erkenne. – Ihr habt meiner so liebevoll gedacht am 15 Oct. daß ich gerührt deshalb bin und Euch herzlichen Dank sage. Eduard und Louise Lenz349 sind auch bei Euch gewesen, es ist gut daß ich’s nicht an dem Tage wusste denn sonst wäre ich nicht so ruhig gewesen. Es ist son349 Vgl. Anm. 299, dies dürften der Arzt Carl Eduard Lenz und seine Schwester Louise Lenz gewesen sein.

410 | Die Briefe derbar daß diese beiden Leute mich immer mit einer gewissen Ängstlichkeit erfüllt haben, selbst wo ich an sie denke wird mir unheimlich. – Mir ist nicht ganz wohl habe sehr häftig den Schnupfen bin nicht aufgelegt zum schreiben, und sollte doch manchen Leuten Briefe senden. – Bei Kaulbach’s bin ich zwei Mal gewesen. Bin aber nicht so außerordentlich erbaut. Ich finde den Kreis gar nicht so wünschenswerth als man denken sollte. Es sind alles Menschen, welche dem bloßen Namen huldigen nicht den eigentlichen Menschen in Kaulbach lieben, (welcher am Ende auch nicht achtungswerth ist)  – fade abgeschmackte Witze werden gerissen sonst nicht viel – Belehrend ist es keineswegs. Meine Wenigkeit spielt gewöhnlich eine stumme Rolle. – Daß Fräulein Wahl350 wieder zu Euch gekommen, ist sehr komisch doch mir ist es sehr lieb. – Rosalie Kircheisen, war sie nicht bei Euch um meine Bilder anzusehen  ? – an sie herzliche Grüße – Heute haben wir 8 Grad Kälte, etwas viel für den Anfang – d  : 21 – Endlich soll nun wol dieser Brief abgehen An Emma habe ich begonnen zu schreiben auch der Mieze einige Zeilen, welche ich aber zurück behalte und in einigen Tagen abschicke dann auch dem Hartmann einige Worte sagen. – Tante hat geschrieben | und sagt Ihr braucht auf diesen Brief nicht zu antworten, ich sagte daß ich’s Euch wol sagen wolle allein ich könne voraus sagen daß dieser Wunsch unerfüllt bleibt. – Ich male bei R. und wir sinnen auf ein Mittel um von Bernhardt fort zu kommen. Er soll nun jetzt mein Lehrer werden und er hat schon seine Wünsche seine Anforderungen ausgesprochen nämlich viel Zeichnen, bei Licht etc. Er läuft herum und bemüht sich gar sehr um mich so z. B. hat er gestern dem Kiel einen Besuch gemacht etc. An mich ist eine Einladung vom Kunstkritiker Förster351 erfolgt welcher eine Tochter des berühmten Gan Paul {Jean Paul} zur Frau hat.

350 Die Familie von Wahl war ein livländisches Geschlecht, aus der auch einige Künstler hervorgingen. Wer hier genau gemeint ist, lässt sich nicht bestimmen. 351 Der Maler, Kunsthistoriker und Dichter Ernst Förster (1800–1885) war in München eine Institution. Er hatte unter Peter von Cornelius in München studiert, lernte Goethe in Weimar kennen, bereiste im Auftrag Maximilians I. Italien, führte die Übersetzungen von Vasaris Lebensbeschreibungen fort und bearbeitete und publizierte als Schwiegersohn des Dichters Jean Paul (eigentlich  : Johann Paul Friedrich Richter, 1763–1825) dessen Nachlass. Er war Mitherausgeber des »Kunst-Blatts« und Vermittler von Aufträgen und Kunsttätigkeit im Kreis um Ludwig I. Daneben hat er etliche kunsthistorische Schriften herausgegeben, darunter einen Münchner Reiseführer, der erstmals 1838 erschien (Ernst Förster, München. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische  ; mit besonderer Berücksichtigung der Kunstschätze dieser Residenz-Stadt  ; mit einem Grundrisse Münchens, München 1838) und eine »Geschichte der deutschen Kunst in 5 Bänden« (1851–1860 erschienen).

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R. Grüßt Euch, Tante und Onkel ebenfalls. Das Weihnachtsfest rückt heran und ich habe noch an gar keine Arbeit gedacht. Lebt wohl mit Liebe Eure Tochter Julie | München d  : 25 Nov. Meine theuren Aeltern  ! Der Brief darf nicht fort gehen ohne auch Euch einen besondern Gruß zu bringen. Schwarz und Wachters bekommen Briefe und die Einlage an Carus folgt, welche einen Tag sich verspätet hatte.  – Die vergangene Woche ist also vergangen beim Freunde R. wo ich zwei Köpfe gemalt, ein Profil und ein Aufriß. Letzteres ist ein Kniestück in welchem eine außerordentliche Ruhe liegt, es ist die hübsche Gouvernante von der ich Euch schon schrieb im Freihen sitzend indem sie sich mit beiden Händen um das eine Knie faßt. Das Profil soll eine Italienerin werden. Die Köpfe glaube ich sind gut, und erfreuen den R. sehr, er ist ganz außerordentlich zufrieden. Das Eine dieser Bilder muß ich nun wieder copieren das ist eine schreckliche Sache. Mit ordentlicher Angst fange ich morgen wieder bei Bernhardt an zu malen  ; es ist mir als müßte er mir’s an sehen daß ich ihm untreu geworden bin. R. seine Winke auf Arangement und Linien der Schönheit sind außerordentlich weit gedehnt, reich durchbildet. Ich werde mich freuen wenn ich mich auf eine freundliche Weise von Bernhardt loß gemacht. Meyer ist gegenwärtig und schon längere Zeit in Hamburg bei seinen Verwandten. Er hatte nämlich dem R. geschrieben und diesem eine Anzeige gemacht daß er vermittelst eines Luftballons eine kleine Himmelfahrt gemacht hatte. | Von Wiederkommen nach München war keine Rede. Du freust Dich daß Rugendas Frauen so freundlich sich gegen mich gezeigt, es war mehr noch. Auch seine Schwester bat mich sie zu dutzen, es sind so gute herzige Menschen wie man sie nur selten findet. – Gestern besuchte ich die guten lieben beiden Tanten brachte ihnen eine Kleinigkeit hinaus. Es ist mir so leid nicht mehr für sie thun zu können. – Am Abend waren wir im Conzert welches von gegen 200 Mann Militär gegeben wurde zum Besten zweier verunglückter Soldaten in Schleswig Holstein. Der Saal war überfüllt und wurde herrlich gespielt. Ich zitterte während des ganzen Spiels, so wohltönend so kräftig war die Musik. Es hat mich bald nicht etwas so ergriffen d. h. freudig ergriffen wie dieses Conzert. Ein starker Nebel und Regen heute am Sonntage. Abends soll ich ins Theater. Onkel und die Tanten sind wohl und lassen grüßen. Wie befindet sich Großmutter  ? sind keine Brief aus Wrangelshof  ? – Lebt wohl und gedenket in Liebe Eurer Tochter Julie

412 | Die Briefe Julie Hagen an Ludwig Schwarz aus München, 25.11.1849 München d  : 25 Nov. 49 Mein lieber theurer Freund und Bruder  ! Wieder sollen herzliche Grüße zu Ihnen wandern  ; ich wollt sie dürften Sie begrüßen am Weihnachtsabend, welcher traurig öde und arm für Sie in diesem Jahre herankommt, ohne Baum, ohne funkelnde Lichter und Lachen, nur die Erinnerung, das Gedenken an geliebte Personen wird diesem Feste einigen Glanz verleihen. Geht es mir doch fast ebenso, wir sind beide Fremdlinge fern von unserer Familie – weiß zum Theil nicht mehr welches Glück darin liegt grade dieses Fest unter Kindern zu verbringen. Zwar bin ich das liebe Kind dem ein Bäumchen beschert wird, leider bin ich aber nicht mehr das Kind, das Freude darüber empfindet. Mein Herz, mein Auge schweift herum aber findet nicht die Geschwister welche ich bescheren möchte. Außerdem stört mich auch das Wissen daß ich gleichsam zwischen zweien Jahren stehe, die doch ein und dasselbe sind – während ich vielleicht in lauter Freude meinen Baum und die vielen Gaben empfange weiß ich die Meinigen mit den alltäglichen Sorgen und Mühen geängstigt, in wenigen Tagen kommt dann derselbe Abend wieder ruhig und still von Außen, doch lieber und inniger gedenke ich der fernen Lieben. So auch lieber Schwarz werde ich an diesem Abend bei Ihnen sein, bald dort hin, bald dahin meine Wünsche senden. – Im letzten Briefe aus der Heimath fand ich kein Wörtchen von unserer Mieze – nur die Mutter sagte daß von Schwarz Briefe gekommen seyen, daher vermuthe ich daß Miezchen beschäftigt war Ihnen zu antworten und ich freue mich nächstens mehr über Sie zu erfahren. Ein früherer Brief brachte mir genauere Detail’s Ihrer Reise nach Sibirien und den Folgen die daraus entsprangen, so z. B. sagt sie ich hätte Ihren Schritt betreff des Schwur’s zur russischen Unterthanschaft so ganz und gar verkannt wodurch Sie betrübt seyen.352 Lieber Schwarz, vergeben Sie mir wenn ich einen Augenblick Sie in diesem Punkt nicht begreifen konnte – verlangen Sie wenigstens nicht daß ich mich freuen hätte sollen – weiß 352 Ludwig Schwarz hatte im Mai 1849 seine Reise nach Sibirien angetreten, die vier Jahre währen sollte. Er bereiste im Auftrag der Russisch-Geografischen Gesellschaft in St. Petersburg die noch weitgehend unbekannten Landstriche Ostsibiriens und der chinesischen Grenze, um sie zu vermessen. Um diese geheim gehaltene Forschungsreise durchführen zu können, musste er, der in Danzig geborene Deutsche, die russische Staatsbürgerschaft annehmen (d. h. die deutsche Staatsbürgerschaft ablegen), was im Kreis der Familie Hagen, besonders bei Julie (selbst Russin), auf großes Unverständnis stieß. Im Familienbesitz haben sich die Briefe von Ludwig Schwarz und Emilie Hagens aus der Zeit dieser ersten Sibirienreise Schwarz’ erhalten, deren erster Teil publiziert wurde, vgl. Conrad, 2012.

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ich doch jetzt als Bewohnerin Deutschlands um wie viel freier jede Bewegung aller lebenden Geschöpfe ist als daheim, wo die Knoten der Fesseln immer fester und fester gezogen werden, von Tag zu Tag. Konnte ich klar ohne Kunde aller Beweg Gründe erkennen wie recht oder unrecht Sie hatten  ? Der Vater schrieb unglücklich, ungehalten vielleicht, Miezchen schwieg so auch die anderen. Mein lieber Schwarz, Sie konnten … {Rand abgeschnitten} | jetzt begreife ich’s vollkommen und bitte als Schwester, als Freundin mir nicht böse zu sein falls Sie es waren. Die Worte »Ich begreife den Schwarz nicht wie er um ein Stück Brodt etc«  – wollen Sie in einem Briefe an meinen Bruder Wilhelm gelesen haben. Weiß ich doch nicht daß ich diesem in jener Zeit geschrieben hätte wol erinnere ich mich daß es meine Worte sind und ich möchte wissen ob Sie nicht aus einer anderen Quelle diese Nachricht haben  – bitte  ! bitte  ! sagen Sie’s Ihrer Mieze, welche mir’s dann schreibt denn mir liegt daran das zu wissen. Jetzt kann ich zu mir selbst zurück gehen denn ich bin und bleibe der Meinung daß in Briefen jeder Mensch Egoist sein muß. Auch habe ich mancherlei zu erzählen was freilich nur in den kürzesten Worten geschehen muß damit die Schwester sich nicht veranlaßt sieht ihren Brief zu verkürzen. – Ich bin vor Allem gesund, mit unter bloß Zahn- und Kopfweh alte gewohnte Übel. – Mein letzter Brief an Sie, – den Sie hoffentlich erhalten, schrieb ich kurz vor der Lustreise, damals war es nicht entschieden wohin. Sie war weit gedehnt und schöner als ich gedacht, gehofft und sogar gewünscht. Leider nur in Eile, im Fluge gemacht worden. – Über Stuttgart reisten wir nach Straßburg dann den Rhein hinunter bis nach Köln, von da nach Brüssel, Antwerpen, Ostende, dann zurück nach Brüssel um nach Paris zu gehen. Hier hielten wir uns 8 Tage auf doch was wollen 8 Tage sagen in einer solchen Stadt welche eine ganze Welt herausmacht – Da­rauf reisten wir zurück nach Köln, Düsseldorf und gingen den Rhein hinauf nach Frankfurt und nach 4 Wochen Abwesenheit waren wir wieder in München. Wir haben viel gesehen, viel Großes, Herrliches, allein wenig nur wirklich genossen alles bloß im Vorübergehen so daß mir jetzt bloß noch der Eindruck geblieben. – Zwei Werke auf der ganzen Reise werden mir, durch ihre unendliche Wahrheit und Größe des Geistes unvergeßlich bleiben, als glänzende Sterne in meiner Seele vor allen heraus leuchten. das eine ist der Dom in Köln und das zweite ein Bild von Gallait gemalt … {Rand abgeschnitten} | bloß Thänen rollten mir über die Wangen heiß und innig wo ich in Gedanken sie wieder suche streuben sich meine Haare ordentlich so ergreift mich die unendliche Wahrheit die Ruhe und hohe Einfachheit. – Nun sind wir wieder schon zwei Monate zuhause haben die alten Gleise wiedergefunden haben in dieser Zeit einige Lorbeeren (wenn ich diesen hohen Ausdruck für mich brauchen darf) geerntet. Man hatte nämlich mein Bild, Rugendas im Kostüm der Indianer ausgestellt, welches wieder meinen Erwartungen großen Beifall fand nicht allein beim Publikum

414 | Die Briefe sondern sämtlichen Künstlern und bayrischen Fürsten. Dieses Bild hat mir viele Einladungen bewirkt wie z. B. zu Kaulbach, Förster Tochter des Jan Paul etc. mehr. So glücklich es mich auch anfangs für meine Aeltern stimmte so unzufrieden und mißgestimmt macht mich’s jetzt. Ich habe erkennen gelernt wie schrecklich es ist eine öffentliche Person zu sein, mir ist’s immer wenn ich gehe auf der Straße als müßte man’s mir ansehen daß ich J. H. heiße und ich möchte um alles in der Welt ungekannt sein  – Meine eingesandten Studien sind nun auch in Dorpat nachdem sie in Riga beim Onkel unseres gemeinschaftlichen Freundes Schirren ausgestellt waren. Vater und Mutter haben einige Freude an ihnen doch wünscht Ersterer daß ich Bernhardt verlasse und einen anderen Lehrer mir suche. Dies ist nun auch geschehen. Vom ersten Januar an werde ich wol allein malen unter der Leitung meines großartigen Freundes Rugendas und anderen tüchtigen Meistern die mich mit gutem Rathe unterstützen wollen. Die Technik ist weniger mir nöthig als das Argangement worin hauptsächlich des Künstlers Aufgabe liegt und in dieses Gebiet führt mich R. vollkommen ein d. h. weckt in mir die Anlage wenn sie in mir schlummert was ich zwar bezweifle. Seit 4 Wochen habe ich die Freude meine liebe Kleine hier zu sehen leider geht sie wieder … {Rand abgeschnitten} Diese beiden Leute sind immer noch freundlich und liebend meine Wohlthäter. Könnte ich Ihnen nur vergelten was sie an mir thun  ! Oft bin ich verdrießlich und des Abends mürrisch, wenn mir im Attelier dies oder das nicht zusamm gegangen ist und belohne so schlecht ihre Liebe und Sorgfallt – ich weiß es im Augenblick wo ich’s thue, wo ich so unausstehlig bin aber ich vermag mich selten nur zu überwinden. Ich muß Ihnen was gestehen was sehr traurig ist  ; ich erscheine mir nämlich sehr oft so wiederwärtig wie mein Vater  ; ich bin ein arger Chipohonder geworden, bin unendlich leicht zu reizen kurz mit einem Wort, ich bin bisweilen eine unausstehliche Person. Da habe ich mich nun angeklagt nur um sie vorzu bereiten auf das Sie in Ihren Erwartungen und Wünschen nicht sich getäuscht sehen wenn wir in 3 Jahren uns in Dorpat wiedersehen. – Das Theater besuche ich selten nur dasselbe ist immer noch so schlecht wie vor zwei Jahren da ich nach München kam.  – Gestern Abend wurde ein Melitärconzert, zum besten zweier Invaliden, Schleswig Holsteiner gegeben, gegen 200 Mann spielten ganz herrlich. Von Anfang an bis zuletzt hat mich diese volltönende Musik in eine Aufregung erhalten daß ich immer und immer zitterte ohne daß es mir unangenehm geworden wäre. Ich höre daß die Künstler wieder einen Ball arangiren wollen doch ich werde nicht Theil nehmen, daran wie überhaupt keine Bälle in München besuchen. – Da wäre ich wohl nun am Ende meiner Erzählungen – vier Seiten sind wohl gefüllt aber da ist wenig oder gar nichts darauf. Am Ende wünsche ich auch bloß nur daß meine Grüße freundliche Aufnahme bei Ihnen finden möchten, das Weitere wird Mieze Ihnen schreiben, von deren Hand geschrie-

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ben Sie leichter und lieber lesen. Daher leben Sie wohl mein lieber guter kleiner Schwarz und lassen …{Rand abgeschnitten} Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 5.12.1949 München d  : 5 Dec 1849. Meine geliebten theuren Aeltern  ! Zwar sind zwei Tage hin seit ich den schweren Augenblick überstanden dem guten Bernhardt auf zu sagen. Ich mochte nicht früher schreiben um mir gleichsam, wie man’s bei den Kindern thut, eine Strafe auf zu erlegen damit der Entschluß schneller gefasst werde. Der erste des Monats Dec. war dazu bestimmt wo ich zugleich für den verflossenen Monat ihm bezahlen sollte allein ich schob beides bis zum 3ten auf und da unter Thränen kurz vor dem Fortgehen Abends erklärte ich ihm wie Tante und Onkel es für gut fänden allein mich zu versuchen auf daß der Contrast nicht so entsetzlich groß sei, aus der Schule plötzlich ohne Rath und Wink zu stehen etc. Der gute Bernhardt fand es sehr natürlich und sprach mir Muth zu, sagte daß ich schon mich allein helfen könne u. s. w. Mir ist ordentlich leicht ums Herz seit dem. Aber erfährt er nun daß Rugendas mein Lehrer ist muß ich da nicht wie eine Sünderin ihm gegenüber mir erscheinen. Am Abend gestern war ich merkwürdig aufgelegt Euch zu schreiben und als ich meine Schreibmappe hervor holte fand sich kein feines Papier darin also war es nichts. Für mich muß nun ein Attelier gesucht wo möglich in der Nähe von R. ich fürchte man findet keines. R. will kein Geld annehmen da ich ihm seine Bilder verkauft etc. Gott weiß wie das werden wird. Darüber schreibe ich ausführlicher so bald ich in meinem neuen Attelier gearbeitet. Es ist merkwürdig daß ich gar keine rechte Lust habe was Größeres noch hier anzufangen was ich leicht noch thun könnte. Neulich beklagte ich mich daß ich seit ich hier bin d.h. zurück aus Paris, von unserer Reise, also gerade zwei Monate so eigentlich nichts gethan, was niemand wahr haben wollte und Rugendas welcher zugegen war zählte zusamm, und es fand sich daß ich 13 Köpfe | in zwei Monaten gemalt was mich selbst wunderte und mir einigen Respect für mich selber einflößte. – Meine Kleine hat mich für sich gemalt und recht sehr ähnlich und in diesen Tagen wird sie mir nun auch sitzen und dann zieht sie wieder fort dem Norden zu um ihr Heil zu versuchen – möchte es ihr doch glücken  ! – Etwas verfolgt mich bei Tag und bei Nacht und ich finde nicht Ruhe ohne Euch davon geschrieben zu haben es betrifft den Bruder Alexander (vgl. Abb. 13). Ein älterer Brief von Dir lieber Vater laß ich wieder ein Mal durch (was ich häufig thue sobald mir die Zeit lang wird ohne Nachrichten von Euch und mir ist dann ruhiger ums Herz und ich habe die Empfindung als hätte ich einen neuen Brief erhalten, kurz ich bin durch die Schrift Euch wenigstens näher geführt worden.)

416 | Die Briefe Da fiel mir denn besonders die Bemerkung über die Entdeckung des Malertalents des Bruders Alexander in die Augen und auf die Seele. Es war mir ordentlich als wären die Buchstaben größer und deutlicher geschrieben damit ich ja nicht übersehen sollte.  – Alexander soll Maler werden  ! Maler, Maler soll er werden  ! So rief ich mir immer zu und je mehr ich denke drüber desto klarer wird mir’s daß ich Recht habe. Es fiel mir sogar ein daß er mir als ich noch daheim war geäußert  : »hätte ich Talent so würde ich Künstler denn dazu habe ich Freud und Lust allein der Vater will’s nicht  !« Du schreibst mir lieber Vater wiederholt daß Alexander Talent habe und sagst  : »wäre er nicht schon so und so alt so wollte ich ihn zu Künstler vorbilden«. Ja wol lieber Vater thue das, gieb ihm Beschäftigung, laß ihn malen immer und immer d. h. wenn er eben Lust hat. Warum sollte Alexander zu alt sein Künstler zu werden wenn Freund Sivers als ein 40 Jähriger Familienvater von 6 Kindern es nicht war  ? Und ich trau allen, die den Namen  : Hagen führen mehr Talent zu. – Hast Du doch oft genug gesagt  : »So lang der | Mensch nicht denkt, so lang sollte er nicht zeichnen denn die Kunst will einen Ernst, will nicht als Spielwerk sich gebrauchen lassen. Nun finde ich daß im Durchschnitt ein Mädchen früher anfängt zu fühlen und zu denken als ein Mann  : also ist es bei Alexander gerade die rechte Zeit die er bis jetzt dazu verwendet hat und noch verwenden wird wie vergeudet sobald er nichts weiter wollte als sehen ob er Talent hat, um in späteren Jahren bitter zu bereuen es, wo er die beste Gelegenheit hatte, nicht ausgebildet zu haben. ich sage  : in späteren Jahren wenn er vielleicht einem stolzen Livländischen Gutsbesitzer mit entblößtem Haupte Rechenschaft geben muß wie er jede Handvoll Mist verbraucht. Der Gärtner353 nimmt eine außerordentlich geringe Stelle in der Welt ein nicht so der Maler und ist er auch ein sehr mittelmäßiger Künstler. – Ich habe nach gedacht schon lange über diese Sache. Hat Alexander noch Lust wie früher so ist mein sehnlichster Wunsch daß er unter Deiner Leitung viel nach der Natur zeichnet und malt Früchte, Blumen und Blumen und Früchte, worin er am besten Farben und runde Formen studirt. Dann findet sich wol ein Stipendium um nach Deutschland zu kommen, den Paß wird er weniger theuer bezahlen dürfen als ich, da er ihn als Gärtnergehilfe am Ende bekommen wird, – Unter dessen komme ich heim und verdiene mir so viel daß ich meinem Bruder wenigstens dies Geld geben kann welches er braucht für Stunden Farben und Leinwandt. Gegen Akademien bin ich gänzlich eingenommen. Der Professor kümmert sich nicht um den einzelnen sondern sieht bloß ob der Haufe beisammen ist. Also zu Bernhardt, meinen lieben vortrefflichen Lehrer. Mit 20 Thalern bestreitet man monatlich die Stunden und das gehörige Material und so viel werde ich denn doch meinem Bruder geben können. Nur Muth und es geht Alles  ! Außerdem 353 Alexander Hagen (1827–1869) war zuvor zum Gärtner ausgebildet worden.

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lebt man in München so unbegreiflich billig wie in keiner anderen deutschen | Stadt. Mit einem Stipendium wie ich’s hatte kann er wohnen Essen und sich kleiden zwei Jahre lang d. h. als bescheidener fleißiger Junge aber auch nur in München und besser als ich in Dresden es hatte. – Es ist mir toll zu Muth  ! Mir ist als müßte ich sprechen und wieder sprechen um die Zeit nicht unbenutzt dahin gehen zu lassen – Es wird auch Euch wundern doch hoffentlich nicht böse machen. Sollte Alexander Maler werden so kann er sich auf mich verlassen ich will was in meinen Kräften steht thun – Auch wird es ihm hier leichter werden da er durch mich bekannt wird und Theilnahme findet, er ist ein geführt er ist ein Bekannter. – Ich will aber aufhören, obgleich mir warm ums Herz ist. – d  : 7 Dec Es ist seit länger als 14 Tagen sehr kalt von 8 bis 16 Grad wechselte es beständig dabei eine Maße Schnee, und ich freue mich darüber, fühle wohl mich bei solcher Frische und lache wenn ich das hiesige Publikum Grimassen schneiden sehe vor Frost – Es ist aber auch kein Wunder, viele Damen namentlich haben keinen Mantel um sich zu schützen, geschweige denn einen Pelz. – Meine Arbeiten gehen immer fort ohne daß ich sagen könnte was ich thue. d  : 10 Morgens. Heute soll ich nicht malen, soll zu Hause nähen und zwar für mich Kleider d. h. zu Weihnachten, unglücklicher weise muß ich’s eben schon jetzt wissen da sie Tante machen läßt und die Schneiderin meinen Körper noch nicht kennt  – ich sah zwei, ein seidenes Sommer Waschkleid (Sandfarb) und ein warmes Winterkleid (braun grau). Außerdem soll ich mancherlei für mein Attelier erhalten wie z. B. Pinsel etc. Ich dagegen habe noch an gar kein Geschenk für die beiden gedacht d. h. gedacht schon doch noch nichts gethan. Ich möchte nämlich gern eine Madonna copiren | und kann immer noch keine auftreiben. R. dem ichs sagte hat mir versprochen eine zu schaffen.  – Noch hat sich kein passendes Zimmer für mich gefunden und ich fürchte es findet sich auch keines bis zum ersten des Monats. Meine Kleine (vgl. Abb. 9) hat mir in den letzten Tagen geseßen und ist sehr ähnlich worden. Ich freue mich sehr über das Bild was mein Eigen bleiben kann und wird für alle Zeiten  – Die anderen können, müßen fort sobald man es wünscht.  – Die Angelegenheit betreff Alexander läßt manche Stunde mich nicht schlafen – ich träume fast nächtlich davon und immer klarer ist’s mir daß die Ahnung die mich bewegt keine trügerische ist. Ich glaube versprechen zu können mit Bestimmtheit daß ich einen Theil zu seiner Ausbildung beitragen kann, denn es müßte doch Curios zu gehen wenn ich nicht 20 Thaler monatlich eben geben könnte. Natürlich bleibe ich nicht in Dorpat wenn ich heim komme, ich gehe weiter. Wilhelm soll und wird auch was thun – ich werde – wenn ich erst höre ob Alexander sich gewiß fühlt und ob Du lieber Vater Deine Zustimmung giebst Schritte thun, werde an Wilhelm schreiben etc. mehr. Dieser Gedanke giebt mir ungeheuer viel Muth und setze ich erst meine besten Kräfte in Bewegung so mißglückt mir wenigstens selten etwas so auch

418 | Die Briefe sehe ich mit Zuversicht in meine Zukunft, ich werde eh was verdienen  !  ! Das was ich meinen Geschwistern versprochen werde ich halten. Gott versagt mir die Kraft nicht und das allein braucht der Mensch. Es ist zwar viel, sehr viel was ich sage  ; allein es ist so, jetzt erst fühle ich in mir das sichere feste, eigne Stehen, ohne Stütze von Außen und hat man dieses Bewußtsein gewonnen so kann es nicht fehlen | man müßte nur ein Pechvogel sein und das bin ich ja nicht  ! – oder der Teufel müßte sich gegen mich verschwören. Da ich nun meine Wünsche oder eigentlich Ansichten Euch mitgetheilt ist mir’s als theiltet Ihr alles dieses mit mir und ich möchte schon jetzt thätig sein. d  : 11 December 49. Eben eine Maße Pinsel gewaschen beinahe müde und schläfrig geworden dabei will ich zu Euch mich wenden, obgleich ich nichts zu sagen weiß als daß ich Euch liebe, oft und viel an Euch denke. Das Weihnachtsfest ist vor der Thür, in 14 Tagen ist es schon vorbei und ich habe nichts zu dem selben gearbeitet. In diesem Jahre werden wahrscheinlich keine armen Kinder hier sein was recht schade ist. – Lieber Vater schreibe mir doch nächstens wann Deine Dienstzeit zu Ende ist, wie lang Du noch überhaupt zu dienen hast um Pension zu bekommen  ? Mir liegt daran es zu wissen (unserer Reise wegen in’s südliche Rußland) Noch immer hat sich kein Zimmer für mich gefunden – bald wird mir ängstlich zu Muthe. – Immer noch ist es kalt und viel Schnee, die Bahn ist noch nie so gut und anhaltend gewesen so lang ich in Deutschland mich befinde. Kiel ist noch nicht bei mir gewesen trotz seiner wiederholten Grüße und Versprechungen mich zu besuchen, Vielleicht wartet er bis ich Bernhardt verlassen – ich kann mir nicht denken daß er zuerst von mir einen Besuch erwartet. d  : 16 Sonntag. Gestern Abend empfing ich Eure lieben Briefe. Ihr seit wohl und auch wie es scheint in der Regel munter was mich glücklich macht. Meine Bilder machen Euch auch noch immer etwas Freude und was will ich mehr  ? Ist doch das nur mein Wunsch jetzt und für alle Zeiten  ! Schiefe Urtheile hört Ihr mit | unter und wohl häufig  ?  – wundert mich gar nicht. Doch Sivers Unselbstständigkeit setzt mich in Erstaunen und betrübt mich mehr als daß es mich ärgert noch belustigt könnte [sic], – Sollte ich auch blind werden daheim  ? Gott bewahre mich davor  !  – Sivers scheint die größte Wichtigkeit der Kunst nicht mehr zu achten sondern erhebt die Manier, gleich dem großen erfahrenen Kunstkenner Liphart über alles. Anders lautete seine Stimmung in Dresden  – Flott werde ich leicht malen ob aber Haltung und Feinheit die selbe sein wird ist sehr die Frage. – Daß ich gestern mit keiner Silbe des Bruders Alexander erwähnt fand, hatte mich verstimmt so daß ich nicht recht den Muth in mir fühlte noch an Euch zu schreiben. Ich habe keine rechte Ruhe bis ich nicht weiß ob Alexander wirklich so viel Talent hat, daß es sich der Mühe lohnte aus zu bilden – Lieber Vater prüfe genau und lasse dann mich sorgen für diesen Bruder. Zanke ja nicht mit mir und andern denn so oft ich daran denke wird mir warm

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um’s Herz  – Mit heißer Sehnsucht werde ich Deinen nächsten Brief erwarten Gott gebe daß er mich nicht in meinem Hoffnungen und Wünschen täuscht  ! Die kleine Betende ist also nach Riga gegangen mich freut’s und ich danke Euch denn Schirrens Begeisterung war ordentlich rührend für dieses Bild – und ich begreife es immer noch nicht. Für den Kragen danke ich vorläufig der Marie er ist sehr schön und soll der Tante Freude machen ich habe ihn aufgehoben um ihn ihr als Christgeschenk zu geben. – Rugendas rennt sich die Hacken ab um mir eine Madonna zu schaffen doch bis jetzt erfolglos – noch giebt er die Hoffnung nicht ganz auf. Man glaubt nicht wie ungefällig | man in dieser Beziehung hier ist. Rugendas bewährt sich immer mehr und mehr als der freundlichste gefälligste Mensch. Ein Quartier für mich hat sich noch nicht gefunden, da sagte er mir denn er wolle mir einstweilen sein Attelier abtreten und selbst eine Treppe tiefer in einem ganz kleinen Zimmer arbeiten. Heute sah ich mit einigen Kohlenstrichen einen Urwald auf weißer Leinwand gezeichnet der wol für Rußland passen möchte.  – NB  : Kohlenstrichen Du hast vielleicht von dem berühmten schwedischen Landschaftsmaler Etzdorf354 gehört – er ist Hofmaler an einem kleinen Hofe Deutschland und lebt in München hat hier einen bedeutenden Namen. Dieser nun macht köstliche Kohlenzeichnungen, die Bewunderung weit und breit erregen. Sie sind so schön wie man sie weder durch die Lithographie noch der so genannten schwarzen Kunst etc machen kann. Neulich kam Bernhardt und sagte uns, der Kleinen und mir daß Etzdorf uns anbieten ließe seine darin gemachten Erfahrungen zu verrathen und er wolle mit uns einen Kopf zeichnen, dies ist nun auch geschehen. Wir haben ihn bewundert allein unsere Versuche sind schlecht. Mit anhaltendem Fleiß und Ausdauer ist wohl am Ende was zu erreichen, jedenfalls ist es mir interessant die Behandlung gesehen zu haben. Für Skizzen ist es außerordentlich practisch und dazu will ich’s | auch anwenden. – Die Möglichkeit an Riedel zu denken nach Rom zu können habe ich wol aufgegeben – ohne ein Vermögen daran zu setzen geht es wol nicht gut und das besitzen wir nicht. R. würde freilich eine große Hauptsache, wenn es anders möglich wäre dazu thun indem er Riedel mich empfiehlt, ihn bittet als Duzfreund mich zu unterrichten da er es sonst nicht thuen würde. Allein lassen wir diese Luftschlösser – meine Reise zunächst ist in meine Heimath welche wie ich glaube nicht mehr so fern ist. – Was Du über Kunst und Dichtung sagst freut mich, ich las es mit Vergnügen und theile Deine Ansichten. Rugendas Bild ist noch nicht in Augsburg gewesen, er selbst auch noch nicht. Zu Weihnachten geht 354 Johann Christian Michael Etzdorf (1801–1851) kam aus Sachsen, nicht aus Schweden, jedoch hielt er sich dort lange auf und thematisierte in seinen Arbeiten die raue Landschaft Skandinaviens (»Schlechtwettermalerei«). August Matthias Hagen interessierte sich sehr für dessen Malerei und bat auch um den Ankauf eines Werkes. Etzdorf war Hofmaler in Sachsen-Meiningen.

420 | Die Briefe er hinüber ich glaube aber kaum daß er das Bild mit nimmt – ich glaube er wird verlangen daß ich ein zweites zu gleicher Zeit hinüber sende und da habe ich den Augenblick keines womit ich’s wagen dürfte. Was hat meine liebe Emma für Dinge über meine Bilder gehört das Dich verdrießen hat können  ? – Meine Zither habe ich nicht an den Nagel gehängt – ich erwehnte ihrer nicht da ich zu schlecht spiele und fürchte Eure Erwartungen zu hoch zu spannen, es geht langsam und schlecht aus dem einfachen Grunde da ich kaum Kraft in den Händen habe, welche unbedingt die Zither verlangt. Abends Rugendas war ein Stündchen bei uns und freut sich an mir sich zu versuchen, er hat eine Maaße Ideen Bilder im Kopf welche ich malen soll, alle äußerst einfach. Seine und Deine Ansichten begegnen sich Schlag auf Schlag. Den Werth als Mensch in moralischer Beziehung den Rugendas besitzt wäre jedem Manne zu wünschen | ich habe ihn von seiner schönsten Seite kennen gelernt, lieben und achten, wie man einen Bruder oder Vater liebt und auch er behandelt mich wie sein Kind sehr häufig, wenn er mit meinen Arbeiten zufrieden ist sagt er vertraulich  : mein Kind und das thut mir so wohl daß ich’s nicht beschreiben kann, – ein ander Mal braust er und drückt mich herunter daß es seine Art hat. Ist dieser Zorn vorüber so sieht er mich bisweilen mitleidig an und spricht sich ruhiger aus freut sich mit unter daß ich solche Feuerproben gut überstehe. Die zärthliche Sorgfallt für seine Familie ist gar nicht zu beschreiben ist wahrhaft rührend, seine Mildthätigkeit geht oft zu weit. Tage lang kann er nicht arbeiten wenn er jemanden in Noth weiß. Dem Fremden wird es schwer bis zu dem eigentlichen Kern zu dringen und wird bisweilen für einen wilden Gesellen gehalten, er ist in Gesellschaft sellten ernst. Seine reiche Fantasie, die vielen Erfahrungen auf seinen weiten gedehnten Reisen lassen ihn lebendig und munther erzählen – er ist, wie gewöhnlich die besseren Künstler gar nicht scheinheilig, was er denkt das sagt er und der reine Mensch freut sich jeder Zeit – Auch hat er selten viele wahre warme Verehrer und er verdient es wahrlich auch  ! – Schwester Mieze singt nun wieder, ich freue mich sehr nur muß sie sich in acht nehmen damit sie nicht wieder ein Rückfall bekommt. Luise Lenz | wie auch der Mutter Lenz355 meine herzlichen Grüße. Amalie Schmidt und Anna gleichfalls einen Gruß. Kattinka Dumberg grüßt recht herzlich – ich möchte so gern wissen wie es ihr geht ich liebe sie sehr. Manchmal ist mir der Gedanke gekommen ihr zu schreiben. – Das Wetter hat plötzlich umgeschlagen nach dem es grade 3 Wochen stark gefrohren und das herrlichste Winterwetter war – jetzt gegenwärtig ist es gräulich. – Die Lebensweise, zu Mittag bloß Thee zu trinken bekommt mir gut – ich 355 Die »Mutter Lenz« war Anna Friederike Dorothea Maria Lenz, geb. von Cube (1789–1855), aus Tirsen (Tirze)/Lettland.

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befinde mich wohl und zufrieden dabei. – auch soll ich sehr gesund aussehen – so sagt man wenigstens und ich habe keinen Grund zu wiedersprechen – macht Euch nur deshalb keine Sorgen. Montag d  : 17 Es ist zwar schon spät aber ich muß dann doch noch den Brief zu Ende bringen – um Morgen in aller Früh ihn auf die Post zu tragen. Das Wetter ist abscheulich es heult und tobt daß einem Angst zu Muthe wird, sonst ist alles ruhig und still, keine Veränderung, keine Neuigkeiten um welche ich mich so gar nie kümmere. Das Weihnachtsfest beschäftigt alle Gemüther Heute um 8 Tage ist der lang ersehnte Tag vorüber ich werde Euer gedenken die Ihr still, vielleicht von den alltäglichen Sorgen geängstigt seit  ! – Die Tante hat schreiben wollen ist nicht dazu gekommen und grüßt deshalb nur wie auch der Onkel, – Meine Kleine auch Rugendas grüßen, freundlich alle – l Der kleine Rest Spitzen welcher folgt gehört zu den andern welche Mieze hoffentlich mit einem Brief an sie adressiert erhalten haben wird. Ihr könnt sie wol brauchen während sie bei mir nun schon 3 Jahre liegen unbenutzt. In Dresden kaufte ich sie noch. Dieser Brief ist äußerst dünn allein ich weiß Euch beim besten Willen nichts zu erzählen lebt daher wohl und vergnügt und behaltet ferner lieb Eure treu liebende Tochter Julie {Schreiberwechsel} 24 Decem Julie Hagen an ihre Mutter aus München, 21.12.1849 Meine theure süße Mutter  ! Ich will einmal ins besondern an dich schreiben und beginne heute am kürzesten Tage da er für mich ein Festtag ist. Diese Zeilen sollen zum Weihnachtsfeste Dich erreichen da der Onkel den ein liegenden Kragen für Dich bestimmt hat. Ich sollte ihn schon mit dem letzten Brief abschicken, allein ich zog es vor es jetzt erst zu thun damit er zu dem bestimmten Tage sein Ziel erreichen könnte. Bei uns ist um 3 Tagen das Fest. Ich bin in heller Verzweiflung, da mir nichts zusamm geht. Weder habe ich noch eine Madonna noch schickt man mir das Gewünschte aus Dresden, kurz ich habe noch nicht die geringste Kleinigkeit den Verwandten zu geben. Von einem Tage zum andern warte ich auf die Madonna welche Hanfstengl von Hochschloß verschrieben hat und sie kommt nicht. Diese ganze letzte Woche ist vergangen mit Suchen, Laufen und wieder Suchen  ; aber immer vergebens. Man sollte nicht meinen daß in einer recht katholischen Stadt so wenig Madonnen existiren. Man copiert hier nicht was am Ende eher wohl ein Lob als Tadel für München ist indem es beweist daß man hier selbstständig ist während Dresden eine Anzahl Copien besitzt.  – Ich will gleich zu

422 | Die Briefe Rugendas um zu sehen ob sie endlich angekommen ist – ich weiß wirklich nicht was anfangen  ! | d  : 24 Christabend. Montag. Ihr werdet an uns denken, werdet meinen wir seien vom Glanz der Lichter geblendet in Lauter Freude und Lachen begriffen, es ist nicht so  ; wohl war es gestern der Fall. Das Christkindlein vertheilte schon gestern seine Gaben und es war ein schöner Abend. Weshalb dies geschehen werde ich Euch gleich erzählen. Die Tante hat jedes Jahr einige Leute geladen denen sie beschert und so auch dieses Jahr unter andern sollte dann der gute Rugendas auch einer von denen sein – Da er aber heute nach Augsburg hinüber ist um bei seiner Familie die Feiertage zu verleben so mußte er also noch den Spaß mit nehmen. Meine Kleine hatte ich auch hier und diese nahm ich als Ausrede damit ich auf eine natürliche Weise den R. zu uns lockte auf das er nichts merken sollte. (Die Kleine geht nämlich auch schon in dieser Woche fort nach Mannheim und ich bat ihn zu kommen damit der Kleinen Gelegenheit geboten werde mit ihm zu samm zu sein.) er kam ohne Argwohn, kaum war er da schellte das Christkindlein ungestüm und schreckte uns aus unserer Ruhe. Die Thüren | wurden geöffnet und das Licht strahlte in prächtigem Glanze, bis zu uns. Wir übrigen außer R. wussten alle was das Christkindlein im Sinn hatte allein er war wie versteinert, einige Minuten lang. Den Ausdruck seines Gesichtes kann ich durch gar keine Worte beschreiben und es wird mir und der Kleinen, die wir ihn beobachtet unver­gess­lich bleiben, nach und nach taute er auf oder eigentlich, erholte er sich von der Erschütterung dieser gar nicht erwarteten Überraschung. Nachdem wir unsere Gaben gesehen uns gefreut gingen wir zum Essen und R. erzählte uns seine Gefangennehmung in Amerika,356 wie er zum Todte verurtheilt worden etc mehr  ; kurz seine Erzählung in den lebendigsten Worten dauerte über zwei Stunden und hat einen seltsam tiefen Eindruck auf alle Zuhörer gemacht. Tante z. B. ist wiederholt bleich vor Schrecken und Angst geworden und hat die Nacht vor Aufregung nicht schlafen können mehr oder weniger ist es uns übrigen ebenso gegangen. Mich hat die Tante und der Onkel wieder sehr reich bedacht so reich daß es mir schwer werden wird alles zu nennen. Also  : Kleider, ein Hut, ein Jacke. Ein Farbenkasten von Blech Palette Pinsel Bleistifte etc. 6 Paar Strümpfe Handschuh, Thuch. und noch dazu Geld. | 356 Die Episode ist historisch. Rugendas wurde in Mexiko gefangen genommen, weil er einem politischen Gefangenen zur Flucht verholfen hatte. Es war in der Zeit der Alleinherrschaft des Generals Sant’Anna, der rücksichtslos alle seine Gegner und potentiellen Konkurrenten verfolgte, darunter einen General Morán, mit dem Rugendas eine Freundschaft pflegte. Der Maler kam ins Gefängnis. Nach einem längeren Prozess wurde er entlassen und des Landes verwiesen. So reiste er gen Westen, nach Manzanillo, nördlich von Acapulco und bald danach schiffte er sich nach Chile ein (frdl. Mitteilung von Pablo Diener, Cuiabá/Brasilien).

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Die Banknothen welche folgen hat der Onkel mir gegeben damit ich sie Dir meine theure gute Mutter senden sollte. Ich bin herzlich froh deshalb denn du wirst es wol brauchen können kaufe Dir dafür, meine liebe Mutter ein Kleid oder ein großes Tuch, das was Du am nöthigsten hast. Der Jahrmarkt kommt ja bald und du bekommst es billiger aber gewiß musst Du es thun. Das Preußische Geld hoff ich werdet Ihr bei irgend einem Briefhändler wechseln können – Schreibe mir doch dann ob und was Du Dir gekauft hast. Aus Dresden habe ich von der Auguste Hüttel ein Taschentuch gestickt mit meinem Namen. Die Madonna habe ich noch erhalten und fertig gebracht und der Tante Freude gemacht. Heute war ich beiden [sic] den lieben Tanten, Deinen Schwestern draußen – sie grüßen herzlich. Ich brachte ihnen auch ein Bild (die kleine Madonna vorstellend) zum Andenken. Die armen guten Leute wie gern möchte ich reich sein um auch diesen zu helfen und das Leben zu erleichtern. Sie sind recht gedrückt – Komm ich heim so muß ich viel verdienen, es wird es muß gehen  ! und dann soll ihnen Erleichterung werden  ! | Noch habe ich kein Quartier, was mir große Sorge macht. Bei Bernhardt will ich nun nicht mehr länger bleiben da ich ihm nun ein Mal aufgesagt habe, einen Kopf noch und dann ist es aus. Gott mag mich dann schützen vor dem Krebsgang  ! – Dem guten H. Hartmann sollte ich schreiben allein ich fühle mich so wenig aufgelegt, daß ich bloß ihn grüßen lasse. – Mariens Kragen hat allgemeine Bewunderung erregt, er ist auch allerliebst. – Meinen Baum denke ich bis zu unserem Weihnachtsabend zu bewahren um ihn dann noch einmal anzuzünden und Euer leb haft zu gedenken. Möchtet Ihr ihn nur recht gut und gesund verbringen. Wachters, Dumbergs und Minna Sturm meine herzlichsten Grüße. Im Augenblick fällt mir nichts ein, ich will meine Pinsel waschen vielleicht geht es dann besser. Dienstag erster Feiertag Gestern war ich erbärmlich müde vom Herumlaufen und heute bin ich dann mit Kopfschmerzen geplagt. Es ist recht ärgerlich. Heute zum Ersten gehen wir in ein Gasthaus wie wir es immer zu Weihnachten und Neujahr thun damit | zu Hause der Magd und der Tante die Wirtschaft erspart ist. Ehe ich schließe bitte ich Euch recht herzlich im Fall sich Liebhaber zu meinen Bildern finden sollten, was in der Jahrmarktszeit wol sein kann nicht sie zu theuer anzuschlagen. Ihr müsst Geld haben und von dem bloßen Ansehen der Bilder wird man nicht satt und sie werden alt und verlieren das Interesse. Gebt sie weg wenn sie verlangt werden. Tante hat soeben Euch betreff Mieze geschrieben und bat mich Euch zu sagen daß sie die Reisekosten schon bezahlen würde. (Sie hat nicht gewußt wie Euch das sagen um nicht zu beleidigen). Könnte Mieze einen Paß bekommen so wäre es für sie sehr schön und wünschenswerth und wir würden die Reise

424 | Die Briefe dann zusamm zurück machen – die Abwesenheit ihres Schwarz würde ihr in dieser Zeit auch nicht so schrecklich erscheinen und sie hätte zu zähren an dem Gesehenen und Erlebten. Außerdem kann sie dann ihre Wäsche selbst hier nähen u. s. w. Ich kann nichts weiter sagen als  : wenn es möglich ist Pässe zu erhalten so bemüht Euch um einen | für sie und sie kommt mit Carusens heraus. Ungeheuer begierig bin ich wie Ihr meine dringende Bitte betreff Alexander aufgenommen habt. Ich wollt Ihr machtet ihm und mir ein Weihnachtsgeschenk durch Eure Einwilligung. Bist Du lieber Vater auch nicht meiner Meinung so bitte ich nochmals, so herzlich wie ich nur immer kann laß ihn Maler werden, ich werde sorgen für ihn, gewiß verspreche ich dies. – Mit Liebe umarmt Euch Eure Tochter indem sie Euch und den Geschwistern glückliche Feiertage und ein glückliches neues Jahr wünscht Eure Julie. Angehängt einige Zeilen der Tante Ottilie von Paumgarten Da nun wieder Aussicht ist liebe Schwägerin daß die Tochter des Hr. Carus hierher kommen soll, da wäre diese Gelegenheit zu bewägen, wenn Mieze Lust hätte, auf einige Zeit zu uns zu kommen, es wird ja doch nicht so schwer sein einen Paß zu erhalten – recht sehr würde es mich freuen wenn Sie diesen und Julies Wunsch erfüllen können. Herzliche Grüße und beste Glückwünsche zum neuen Jahr von Ihrer aufrichtigen Schwägerin Ottilie | Vermerk von Julie Hagen Die schmälere Spitze gehört der Marie die breitere für Deinen Kragen liebe Mutter. Möchte der Brief nur sicher ankommen ich fürchte man fühlt einen verdächtigen Inhalt durch und dann sieht es übel aus. Gott gebe daß er sicher seinen Hafen findet  ! Nochmals lebt wohl und vergnügt das wünscht Eure Tochter Julie. Meinem lieben Kunstcollegen Alexander einen besonderen Gruß und Kuß. Ich freue mich wenn ich höre daß er fleißig während des Winters nach der Antike arbeitet. strenge Zeichnung und rund in der Modellierung darauf hauptsächlich sein Auge werfen. Also lebt wohl. Julie

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Katharina Elisabeth Herrmann an Julie Hagen aus Dresden, 17.1.1850 (­ angehängt an den Brief von Julie) Dresden am 17ten Jan. 1850 Theure geliebte Julie Du hast mich durch Deinen Brief sehr überrascht u erfreut, denn schon hegte ich manche bange Besorgniß um Dich, und war im Begriffe Dir zu schreiben, als unser Sohn aus Weimar uns nur wenige Tage zu Weihnachten besuchte, und da er zufällig Herrn Hüttel begegnet war, von ihm erfahren hatte, es läge bei ihnen ein Brief an mich von Dir, daß es Dir wohl ginge, den Brief erhielt ich aber erst 14 Tage später, drum bitte ich Dich wenn Du wieder schreibst Deinen Brief unfrankiert an unsere Adr. zu schicken äuß. Pirn. Gasse, No 21., ich will unmöglich daß du abgespannt u müde mir auch eine halbe Stunde widmest, aber geht es Dir leicht, dann schreib wieder. Deine Briefe sind mir so werth, daß ich sie aufgehoben, und gern wieder lese. Unendliche Freude haben wir beide darüber, daß es Dir gelungen in der Kunst – wir können ja mit Stolz auf Dich sehen. Du eine Livländerin aus dem kleinen Dorpat gehörst zu den ausgezeichneten Künstlern. Gott möge Dich ferner segnen und Dich behüten, das spreche ich aus mütterlichem Herzen. Du hast früher schon meine ganze mütterliche Theilnahme in Anspruch genommen, und lebst ganz in meinem Herzen. Möchte Dein Schicksal späterhin ein ganz glückliches werden. Du besitzest (nimm mir’s nicht übel daß ich mich ganz offen ausspreche) alle Tugenden um auch im häuslichen Kreise glücklich zu werden – | Möchte sich’s doppelt glücklich für Dich fügen – und wenn Du die Freude hast Deine Eltern und all Deine Lieben wiederzusehen, da möge Dir’s gelingen durch Deine Kunst so viel zu erwerben um Dich wieder in der Heimath der Kunst erfreuen zu können. Du wirst hoffentlich nur vorwärts schreiten, diese gute Meinung hat auch mein Mann von Dir, und da Du rasch zu Werke gehst, kannst Du viel fördern. Es wohnt hier im 2ten Hause neben uns ein Maler mit Namen Wolframm357 der die Kunst viel studiert hat – den 357 Wohl »F. Wolfram«, der in Dresden um 1850 als Maler, später als Fotograf nachgewiesen ist (zunächst Kleine Oberseegasse 1, dann Große Oberseegasse 5). Nähere biografische Angaben ließen sich nicht ermitteln. Vgl. http://www.photospuren.de/ph_wolfram.htm (aufgerufen am 16.8.2018). Das Lindenau-Museum in Altenburg besitzt einige Werke des Malers F. Wolfram  : Kinderdoppelbildnis, 1851, bez. r. u.: »F. Wolfram 1851«, Öl auf Leinwand, 69,5 × 57 cm, Inv.-Nr. 1204  ; Porträt des Sprachforschers Hans-Conon von der Gabelentz, um 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 64,5 × 52 cm, Inv.-Nr. 2463, sowie Porträt der Ehefrau des Sprachforschers Hans-Conon von der Gabelentz, Henriette, geborene von Linsingen, um 1850, unbez., Öl auf Leinwand, 64,5 × 52 cm, Inv.-Nr. 2464 (frdl. Mitteilung von Sabine Hofmann, Altenburg).

426 | Die Briefe ersten Unterricht auf der hiesigen Zeichenakademie, dann in Düsseldorf, ob in München weiß ich nicht in Magdeburg hat er Anatomie studiert u. zufällig war er gebeten worden Jemanden zu malen, das Bild war ihm so gelungen daß er von Stund an 8 Monate lang Arbeit dieser Art gefunden (er malt nemlich Prima) und wird in 3 Tagen, aber oft auch schneller fertig, und hat damals so viel verdient, daß er hat Schulden bezahlen u nach Rom reisen können. Jetzt hat er mehrere Gemälde im Kunstverein auf der Ausstellung, und gestern hat er meines Mannes Bild beendigt, nemlich am Montag mußte mein Mann ihm zum ersten Mal sitzen und Mittwoch Vormittag war es beendigt – alle die das Bild sehen, finden es ähnlich, meinem weichen Gefühl kann ich nicht trauen. Der Maler bat sich von meinem Mann die Erlaubniß ihn zu malen aus, weil er zu einem Gemälde einen Greis braucht – späterhin soll meinem Mann das Bild gehören. Deine lieben Pflegeeltern liebe und verehre ich ebenfalls – es ist eine wahre Herzstärkung, wenn man erfährt wie gut u. freundlich Verwandte die die Mittel besitzen gegen eine aus der Ferne gekommene Verwandte handeln  : empfiehl uns Beide ihrem freundlichen | Andenken. Von Deinen hiesigen Bekannten kann ich Dir nicht viel erzählen, da ich sie fast nicht sehe, nemlich die Triton seit dem vorigen Herbst u. Bährs  ; sehr selten, (bei ihnen hat sich nichts verändert, außer daß die Kinder sehr heranwachsen und daß sie zu Ostern in ein Haus gegenüber der Blindenanstalt einziehen werden, welches Herr Bähr nach eigenem Geschmack u. seiner Bequemlichkeit hat erbauen lassen – Ida Falkenstein ist mir ebenfalls nicht zu Gesichte gekommen, Luise Deutsch lebt diesen Winter in Teplitz und befindet sich wohl sie ist in Teplitz geblieben weil sie die Bäder auch im Winter fortbrauchen wollte  – wir leben nach alter Weise, indem wir nicht ganz zurückgezogen sind von der Welt Vormittags geht mein Mann auf die Albina Zeitungen zu lesen, Abends wieder dahin aber nur 1 oder 1 ½ Stunde sich dort mit Freunden unterhalten u. wenn er zurückkommt findet er oft entweder Frau Krause, oder die Liebmann mit ihrer Tochter oder manche andere Freundinnen die so gütig sind uns zu besuchen, weil sie wissen daß sie gern gesehen werden und ich keine Umstände mache ihretwegen, denn selbst ausgehen mag ich nicht schon um meines Mannes Willen, damit ich wieder für ihn sorgen kann – so verbringen wir ein glückliches Alter indem wir durch Vorsicht versuchen gesund zu bleiben. Zuweilen fahren wir zusammen ins Theater, denn das Gehen so weit ist mir in diesem kalten Winter zu schwer gewesen. Wir bitten Dich nemlich, mein Mann der Dich herzlich grüßt und ich, bei Deiner Durchreise nach Dorpat, bei uns zu wohnen  : es steht eine Kammer groß u. | schon mit einem Bett u. was nöthig ist, versehen, dazu bereit – entweder für unsern Sohn, oder für eine Freundin, die uns besucht. Uns erzeigst Du einen Gefallen, aber natürlich müsstest Du uns melden, wenn Du hier eintreffen wolltest – u. da Du Zutrauen genug zu uns hast, so glaube nicht, daß wir’s übel nehmen

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würden, wenn du vielleicht lieber bei Hüttels bleiben möchtest, denn dort bist Du im Mittelpunkte der Stadt, doch wer darf so bestimmt sich etwas denken was noch in der Ferne liegt, ich will hoffen, daß alles nach Deinem Wunsch gehen wird. – Unserm Sohn358 geht es sehr gut  ; er hat sich Wohlwollen und Achtung der würdigsten Männer erworben und erfreut sich auch eines gefälligen Umgangs. Im Sept. war mein Mann auf 8 Tage nach Weimar gefahren, wo er ganz glückliche Tage mit dem Sohn verlebt hat. nächsten Sommer hoffen wir zusammen dahin zu reisen, darum möchte ich auch zeitig genug erfahren wann Du abzureisen gedenkst, weil es mich betrüben würde, Dich zu verfehlen. Nun mag Gott Dich behüten. Mit inniger Liebe drücke ich Dich ans Herz du süßes liebes Kind. Deine treue Tante Herrmann Grüße die Eltern von uns herzlich Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 3.1.1850 Meine lieben theuren Aeltern  !

München d  : 3 Januar 1850

Nachdem ich nun in dieser Woche d. h. seit dem ersten Januar 1850, 6 Briefe geschrieben habe, von welchen kein einziger in die Heimath gehörte wende ich mich wieder zu Euch meine Lieben, und auch Euch meinen Glückwunsch zu bringen, ich darf nicht sagen, er käme zu spät denn eigentlich habe ich noch Zeit  ; denn feiere ich dann diesen Tag nicht eigentlich mit Euch, nach Eurem Kalender  ? – gewiß  ! Auch werde ich morgen inniger den Weihnachts-Abend feiern als vor 12 Tagen, habe mein Bäumchen mir aufgehoben und will ihn um die 7 Stunde anzünden. Der letzte Brief, an Dich liebe Mutter, adressirt macht mir sorge nachdem die Tante erst Unruhe zeigte – wenn er Euch nur nicht mehr Unangenehmes bringt als Freundliches. Kommt dieser Brief glücklich an so will ich nicht mehr zu viel wagen. Gott gebe daß es so sey. Gestern war der große Tag meines Einzuges in mein neues Attelier. Wir fanden vor einigen Tagen, nach vieler vergeblicher Mühe endlich ein recht hübsches Zimmer, geräumig und was besonders angenehm ist ganz in der Nähe meines werthen künftigen Meisters und Freundes Rugendas. Gestern nahm ich also meine 7 Sachen zu samm und verließ mein liebes Attelier bei Bernhardt. Ich weinte so sehr daß ich’s vorzog Tante und Onkel allein zu Bernhardt gehen zu lassen um ihm zu danken 358 Der Historiker Ernst Adolf Herrmann (vgl. Anm. 54) lebte zwischen 1848 und 1850 in Weimar. Die Herrmanns hatte zwei weitere Kinder  : Julie, verh. Zeiß, und Ernestine, verh. von Fick.

428 | Die Briefe und bin heute bei ihm gewesen fand ihn leider nicht zu Hause. Bernhardt ist äußerst liebenswürdig gegen Onkel und Tante gewesen hat ihnen gesagt daß er für mich keine Angst hat, ich würde nicht zurück gehen sondern fortschreiten | und werde wenn ich mit Muth auftrete in Rußland viel Geld verdienen. Er will hier und da nachsehen und das freut mich sehr.  – Das neue Jahr hat mit viel Schnee begonnen und ist beständig kalt. Der diesjährige Winter ist überhaupt respectable aufgetreten und scheint auch so fort zu Ende zu gehen. Viel nervenfieber Kranke soll die Stadt zählen. Onkel und Tante haben alle Augenblick den Katarr worüber ich nicht klagen kann – So kleine Unpäßlichkeiten lassen mich verschont und deshalb fürchte ich daß ich über kurz oder lang eine derbe Krankheit durchmachen werde müßen. Denn ich erinnere mich nicht in München den Schnupfen ordentlich gehabt zu haben. Mein jetziges Attelier ist eine halbe Stunde weit vom Hause, am Ende des Dultplatzes in der nächsten Nähe des Botanischen Gartens, im Hause des Baurath Himsel.359 Ich habe eine gute Motion und das ist recht da ich sonst auch nicht aus dem Hause gehe. – Die Frau Doctor Förster geborene Jan Paul hat mich aufgefordert die Vorträge ihres Mannes über neue Baukunst mit an zu hören. Sie finden statt jeden Montag und Donnerstag’s Nachtisch von 2 bis ½ 4 Uhr. Eine habe ich bei gewohnt und kann darüber noch wenig oder nichts sagen. Nicht immer wird es mir leicht werden mich loszureißen, das habe ich ihr in dessen gesagt. – Meine liebe Kleine ist nun auch fort, nach Mannheim und hat mir noch ein Bild von Rugendas geschenkt welches sie anonim von ihm gekauft weil ich ganz vernarrt in dasselbe war. Das gute Mädchen hat selbst nichts und giebt viel Geld für mich aus | aber so handelt nur ein Künstler, leichtfertig mit dem Gelde. – Die Kleine spricht französisch italienisch und englisch – sollte sie nicht wagen nach Rußland zu gehen  ? – Sie nimmt eine Cousine, älteres Mädchen, mit damit sie nicht allein ohne Schutz reist und ich meine es ginge in Rußland leichter als in ganz Deutschland. Findest Du nicht Kiew geeignet dazu  ? schreibe mir doch Deine Ansicht darüber denn ich möchte gar gern daß sie sich etwas verdiente. – Komme ich heim so gehen wir einer andern Richtung zu bis in die Krim und noch weiter. Reisen muß der Künstler sonst geht es nicht, im eignen Lande gilt der Prophet nichts. Ich wundere mich daß Sievers nicht weiter geht, er sollte es doch wohl thun. – Von Hüttels hatte ich Briefe, diese melden mir daß der junge Schultz, mein lieber Freund in Dresden in Astrachan360 sey und es ihm außerordentlich gut geht. Er soll dort sogar geheirathet haben, was sie indessen 359 Der Baurat Johann Ulrich Himbsel (1787–1860) lebte laut Münchner Adressbuch (München, 1850, S. 110) am Karlsplatz 30/1. Der damalige Dultplatz gehört heute zum Maximiliansplatz, der in unmittelbarer Nähe zum Karlsplatz liegt. 360 Nach Neumann, 1902, S. 66, war Karl Schultz von März 1849 bis Sommer 1850 in Archangelsk

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nicht genau wissen. Ich glaube Euch schon davon geschrieben zu haben. Der alten guten Herrmann habe ich in diesen Tagen auch geschrieben. d  : 4/24 Januar 1850361 Ehe ich gehe zu Bett noch mein Wunsch für die Feiertage. Mein Bäumchen habe ich, die Tante und der Onkel nochmals mit Leckereien und frischen Wachslichtern geschmückt und kurz vor 7 Uhr angezündet. Wie er in seinem Glanze vor uns stand füllten sich meine Augen, wie immer mit Tränen ich dachte an Euch alle, – wie Mutter, Alexander und Mieze wol den Baum schmücken würden und Johannchen, Bertha Gotton und auch wol Marie im Schlafzimmer sich heimlich allerlei zu sagen haben, vielleicht Märchen einander erzählen und die Zeit verstreichen lassen. Und jetzt werden sie ihre kleinen Geschenke besehen und nicht schlafen gehen | mögen. Das nächste Jahr dann werden wir das Fest mit einander feiern – ich freue mich schon jetzt darauf. Morgen ist Festtag, ich werde arbeiten weil es die ganze übrige Welt thut und da ich einen Kopf copiere so läßt mich die Arbeit auch gern mit meinen Gedanken in die Heimath eilen und so nur kommt mir die recht wahre Feier, abgeschlossen von aller Welt allein an meiner Staffelei. Es ist ein arger Winter, heute schon wieder 10 Grad Kälte. Meine Stube ist so groß und geräumig daß es nicht zu erheitzen ist. Heute wenigstens frohr mich ganz mörderlich. Rugendas kommt am Dienstage wieder nach München er hat mir geschrieben. Bernhardt war so lieb als ich abschied nahm von ihm daß ich’s nicht beschreiben kann. Er will so oft ich ein Bild fertig habe kommen und so oft ich ihn brauche soll ich ihn holen. Daß Rugendas quasi mein Lehrer wird davon weiß er nichts und ich wünsche auch nicht daß er’s erfährt. Die Tante hat einen ganz furchtbaren Katarr. Meine Kleine ist wie ich höre einige Mal mit dem Eilwagen bis Mannheim stecken geblieben, so viel Schnee haben wir in diesem Jahre. – Mit Ungeduld erwarte ich Euren nächsten Brief – ich möchte um alles gern wissen was aus meinem Plan mit Alexander wird, ich wünsche, ich hoffe der Hohe Rath wird ihn genähmigen. Kiel kümmert sich nicht um mich, auch Rugendas hat ihn in letzterer Zeit nicht mehr gesehen. Ich mag nicht zu ihm gehen da er jetzt zwei Briefe danach erhalten von welchen ich den einen, mit einigen Zeilen von mir nach Leipzig sendete. So sind aber die Leute, sie sitzen in den Kaffeehäusern und spielen bei Tag und bei Nacht. – | Ich schließe mit dem innigsten Wunsch für die Feiertage möchtet Ihr sie heiter froh, und vor allem gesund verbringen.

in Nordrussland. Astrachan liegt im Süden Russlands an der Wolga in der Nähe des Kaspischen Meeres. 361 Nach dem julianischen Kalender, nach dem die Familie in Dorpat lebte, war dies der Heiligabend, der 24. Dezember.

430 | Die Briefe d  : 8 Januar 1850 Ich war erstaunt als ich gestern Abend’s heim kam und drei Briefe vor fand. zwei aus der Heimath einen von Rugendas aus Augsburg. Letzterem schickte ich gleich heute die Einlage da er wol erst am Donnerstag zurück nach München kommt. Der Arme ist verdrießlich, mißmuthig. Heute bin ich nicht bei der arbeit habe selbst einen bösen Schnupfen weshalb der Kopf mir sehr ein genommen ist. Die Tante dagegen hat den Katarr so häftig gehabt und hat ihn noch jetzt daß sie das Bett hat hüten müßen und bis es so weit kommt muß es bös aussehen. Sie hatte starkes Fieber und sieht übel aus – der Onkel hat gleichfalls Katarr und wo man hin sieht findet man ähnliche Leiden. Die Kälte läßt auch gar nicht nach immer 10 und mehr Grad ≅. Ich habe viel zu antworten auf Euren letzten Brief  ; auch gleich will ich beginnen. Meine Freude wäre groß daß Du gute Mutter hast nach Wrangelshof reisen können wenn die Sorge der Kälte wegen nicht wieder meine Freude stören würde. Es träumte mir so vor einigen Nächten etwas was am Ende mich ängstigte obgleich ich das Deuten nicht verstehe – und ich sehne mich jetzt schon wieder nach dem nächsten Brief – Die Zeit des Harrens war mir dies Mal wie eine Ewigkeit erschienen. Du bist nun auch wieder Zu hause, hast die gewohnten Geleise wieder gefunden und wirst | mir viel erzählen, wie es in Wrangelshof geht und steht. – Nun zuerst auf Lenzens zu sprechen. Es ist mir leid daß du hinter meinen Worten mehr gesucht als zu finden ist. Ich habe durchaus keinen Grund über diese, ganz und gar ehrenwerthen Leute zu klagen im Gegentheil, ich habe sie stets als außerordentlich gescheit und vielleicht geistreich erkannt  ; allein grade diese beiden und besonders Louisens Nähe hat mich ganz unglücklich gedrückt, sie hat, ohne daß ich ihr zu nahe trete etwas scharfes, spitzes  ; Beißendes trotz ihrer angeborenen Gutmüthigkeit und dieses Gefühl hatte ich immer, so oft ich noch in ihrer Gesellschaft war befangen genommen, ich dachte wol weniger an mich als an diesen hohen Geist der sich an einem Schwächling wie ich bin einige Stunden hindurch abmühen mußte. Malchen, mein großer Liebling, war nicht viel weniger gescheut doch die zog mehr und mehr an, sie war durch und durch gut und lieb ohne die geringste Bitterkeit. Kleinigkeiten oft sind’s, die einem Vertrauen einflößen oder umgekehrt, sich ferne rücken. So viel ist gewiß daß ich nie ein Wort zu ihr in Unbefangenheit sagte, fort während war ich auf meiner Hut keine Dummheit, keine Fehler in der Sprache etc. zu machen. | Jetzt wird es vielleicht anders sein vielleicht hat das Alter auch seinen Theil dazu beigetragen. Jetzt stehen wir so ziemlich in dieser Beziehung auf gleicher Stufe. d. h. nicht daß ich so alt schon bin sondern ich bin erwachsen, wie sie es ist. Du siehst also lieber Vater daß nur meiner die Schuld ist und Du musst ja nicht weniger Freundlich gegen diese Menschen sein. Und ich zweifle garnicht daß ich jetzt besser verkehren werde können als früher ich werde lernen durch

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sie, werde sie vielleicht besser verstehen somit auch lieber haben. Außerdem gehört sie wohl zu den Wenigen die ich in Dorpat kenne wenn ich heimkehre. also meine besten Grüße allen Lenzens. Die Kapittel über Heirath, Bälle und wieder Heirath übergehe ich gern, denn wozu führt eine erneute Erklärung  ? – Es freut mich daß Carus auch den Hauser als groben Kerl erkennt. Er scheint einen ungewöhnlichen Dünkel zu besitzen indessen ist er ein ausgezeichneter Lehrer und sollte die Marie Carus nach München kommen so wäre es recht sehr hübsch wenn Schwester Mieze die Reise mit machte, der Onkel weiß von diesem, der Tante ihrem Plan nichts sie will ihn überraschen und läßt Euch nur bitten die Sorge um einen Paß zu tragen außerdem möchte sie von Kleidungsstücken durch aus nichts mit nehmen – bloß zwei Hemden | einige Paar Strümpfe und zwei Kleider sonst nichts, kommt sie an, bekommt sie Wäsche, Unterröcke auch sogar Kleider von mir bis sie selbst welche bekommt. Ihre Wäsche muß sie dann selbst nähen helfen und im Herbst machen wir dann die Reise zu samm nach Hause in Begleitung von den beiden Verwandten. Tante spricht immer schon davon als wäre es bestimmt daß Mieze kommt. Nur erwähnt gegen Tante und Onkel nichts in Euren Briefen, schreibt mir was diese Sache betrifft. Für Mieze wäre es jedenfalls sehr wünschenswerth. – Es ist ein Zeichen daß meine Studien nicht ganz ohne sind da sie immer mehr gewinnen je öfter und mehr Du sie musterst und ich glaube darin den Grund zu suchen da sie weniger maniriert sind als man es gewohnt ist, ich habe die einfache Natur zu geben versucht und die Natur ist immer neu und wird immer schöner je mehr man ein dringt in ihre Geheimnisse. Umgekehrt ist es häufig mit Bildern welche durch Efecte Spectakel machen. Du musst nicht zittern daß ich dasjenige verliere bei R. was ich bei B. gelernt. Letzterer wird mich noch öfter besuchen und Ersterer ist so tüchtig daß ich nur profitiren kann und werde. | Du musst seine Kraft nicht nach den nur gesandten Bildern beurtheilen  ; denn er steht weit höher als diese beweisen. Ich bitte Dich um alles in der Welt die Preise für meine Bilder nicht zu hoch zu stellen gieb sie weg Ihr braucht das Geld und ich male ja doch andere Bilder. Du weißt das Glück setzt aus, den Händen zuletzt ist der Enthusiasmus verflohen und sie bleiben uns. – Du wunderst Dich daß ich so wenig über unser häusliches Leben schreibe ich dachte daß es unnötig sey da durchaus keine Änderung vorgegangen noch vorgeht. In München ist es nun nicht anders möglich. Am Morgen nachdem ich gekleidet bin gehe ich zum Kaffee wo gewöhnlich schon auf mich, von Tante und Onkel gewartet wird. Nachdem dieser getrunken ist (NB  : er ist immer ausgezeichnet gut, reiner Kaffee ohne Zigorien und ganz superber Rahm) und einige Worte nachher gewechselt gehe ich in meine Stube ziehe meine Uhr auf und hänge sie um, mache mein Bett auf, ziehe mich sodann reisefertig an, lege Mantel und Hut an, nehme Abschied von Tante und Onkel für den ganzen Tag und laufe ins Attelier gewöhnlich ist

432 | Die Briefe die Uhr 7 ½ wenn ich fort gehe, und um 8 Uhr komme ich hinein. – Komme ich nun | Abends heim so ist es gewöhnlich schon 5 und bereits finster. Die Tante finde ich dann auf dem Sopha sitzend, während die andere Seite des Sopha’s mir gehört, und wir verplaudern so ein halbes Stündchen allein. Auf diesem Platz wird alles besprochen was es auch sey, da wird gerichtet und geschlichtet. Der Onkel heitzt seinen Treibhausofen unterdeß, macht die Lampe zu recht kurz geht ab und zu. Dies ist mir die liebste Stunde am ganzen Tage dann kommt endlich die Magd, steckt den Kopf zur Thür herein und fragt  : »wenn es gefällig ist« so ruft sie uns zum Essen, das ist nun bald geschehen und das Schachbrett folgt dann. Während Tante und Onkel sich damit beschäftigen mit unter lächerlich häftig werden, wenn einer oder der andere vergessen hat, (ob absichtlich oder unabsichtlich das kann ich nicht untersuchen) Schach oder Schrühin zu sagen, zithere ich auf meinem kleinen Instrumente werde aber in der regel so schläfrig daß ich den Kopf zurück auf meine Stuhllehne lege und etwas schlafe nicht selten werde ich durch häftige Worte der Schachspieler geweckt und ich spiele weiter bis schlag neun Uhr. Dann springt alles auf und geht zur Ruh, die Magd unser Grethen mit dem Spinnde rade ist die erste welche die Uhr schlagen hört. – Da habt Ihr nun unseren Abend und auf | ganz gleiche Weise gehen alle dahin. Das Theater wöchentlich 1 Mal aber seit langer langer Zeit ging ich nicht mehr hinein, es ist auch schlecht mit der [sic] Personal bestellt. Ich glaube seit 5 Monaten hat man kein classisches Stück mehr geben können, das Theater wird immer schlechter. Heute werde ich hinein gehen obgleich ich nicht ganz wohl bin. Für das Weib ist in München schlecht gesorgt die sitzt hinter dem Ofen während die Männer in den Kaffeehäusern sitzen und dann jenen als Lohn ein von Bier erhitztes und mürrisches Geschicht [sic] nach Hause bringen. Man begreift mich nur selten wenn ich unser Familienleben preise und ganz warm beim Beschreiben desselben werde. Von Herrmann’s aus Dresden erwarte ich auch Briefe, ich hoffe doch welche zu erhalten da ich wieder geschrieben. Nun endlich zu Alexander. Dem werde ich selbst schreiben und ich danke Dir herzlich daß Du nichts dagegen hast und ihn gern unterrichten willst wenn er Lust hat und mit Ernst die Sachen angreift und fest halten mag für’s Leben. – Aller Anfang ist schwer  ! und gewiß hat die schwerste Aufgabe der Maler sich gewählt Ich glaube Euch öfters gesagt zu haben daß ich mit wenig wirklicher Lust früher gemalt. Du selbst hast die Worte öfters gebraucht. | »Nun wird Julie wieder einige Tage schlafen«, und ich gestehe es gern ich that auch lieber etwas anderes als malen ohne nur ein Wort der Zufriedenheit von meinem Lehrer zu hören damals hatte ich keinen Muth und mein damaliger Meister verschaffte mir auch keinen durch ein befriedigendes Wort. – Also Du versprichst mir ihn zeichnen und malen zu lassen was es auch sey doch immer nur nach der Natur wenn es auch nichts weiter ist als ein weißes Tischtuch. (indessen das ist das Schwerste

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das man machen kann). Neulich war der berühmte Bildhauer Schöpf362 aus Rom hier und hatte uns auch besucht, er beredete mich nach Rom zu kommen und er meinte daß die Academie in München gar nichts bedeute, nur damit hat es noch Zeit. – Dir fällt es auf daß ich ein Attelier suche. Unser Haus ist geräumig allein kein einziges Zimmer für den Maler. Unten zur ebenen Erde sind die Fenster niedrig sowohl vorn als rückwärts oben sind sie zwar höher allein sie führen alle bis auf eines gegen den englischen Garten hinauf – auf diese Weise habe ich also kein freies Licht, das andere in den Garten hinaus hat Mittag Sonne was mich so am Ende nicht so geniren würde | wenn es nicht gerade Tante und Onkels Schlafzimmer wäre  – ein zweiter Umstand ist daß wir außerhalb der Stadt wohnen und ich weder Modelle noch Lehrer ¾ Stunde laufen kann lassen. R. welcher selbst arbeiten will würde vielleicht nicht alle Tage kommen so aber kann ich ihn haben zu jeder Zeit und sicher täglich ein Mal, ein dritter Umstand daß ich durchaus keine Bewegung hätte sobald ich zu Hause malen würde. Wir haben alle Umstände genau erwogen und es geht nicht. – Für heute werde ich aufhören ich bin etwas müde. – Fanny Wachter sagt sehr naiv in ihrem Briefe  : »Du bist ja recht hübsch in Deinem Bilde macht das die deutsche Luft  ?« – findet Ihr das auch  ? Hier fand man allgemein daß ich im Bilde nicht, gar nicht geschmeichelt sey. Bernhardt sagt immer »viel zu hart  !« allein meine kurzsichtigen Augen lassen es nicht besser werden. d  : 9 Abends  : Tante liegt noch zu Bette war zwar auf einen Theil des Tages. Als ich heim kam und fragte ob denn noch kein Arzt geholt sey und über die Antwort  : nein  ! ein bischen böse wurde und darauf drang Onkel möge einen Arzt holen fing sie laut, wie ein Kind von drei Jahren an zu weinen – so daß der Onkel wieder es bleiben lassen mußte, solch Sonderbarkeiten hat sie viele. | Gestern bin ich nicht im Theater gewesen da mein Kopf durch den Schnupfen stark anfing zu schmerzen. Habt Ihr keinen Brief von Schirren  ? ich habe schon seit bald 4 Monaten keinen – Emma Wachter ist sehr unglücklich nie meine Briefe zu lesen wenn sie zur Stadt kommt ich bitte daher sie ihr mit zu theilen da ich ihr sonst apart schreiben müßte wozu ich wirklich keine Zeit finde  ; was wir uns schreiben hat bis jetzt nur ihre und Fanny’s Geheimniße betroffen sie hat

362 Der Bildhauer Peter Schöpf entstammte einer Künstlerfamilie aus Imst in Tirol, erhielt seine Ausbildung an der Münchner Akademie und ging 1832 mit Ludwig Schwanthaler nach Rom, um sich bei Thorvaldsen weiterzubilden. Bis auf kurze Aufenthalte andernorts, vor allem in München, so auch in den Jahren 1849/1850, lebte er bis zu seinem Tode in Rom. Dort arbeitete Schöpf in der Werkstatt Johann Martin von Wagners im Giardino di Malta und wohnte später auch in der Villa Malta, wo Julie Hagen viel Kontakt zu ihm hatte, als sie selbst dort arbeitete. Die Villa Malta war ein Anwesen König Ludwigs I. in Rom.

434 | Die Briefe mich so lieb daß sie wol verdient über mich und mein Leben etwas zu hören. – Von Rosalie Kircheisen spricht kein Mensch etwas seht Ihr Euch nicht mehr  ? Morgen möchte ich gern den Brief auf die Post tragen deshalb werde ich wol schließen und zwar mit den herzlichsten Glückwünschen für das neue Jahr  – möchtet Ihr alle gesund bleiben, das ist das Beste was ich Euch wünschen kann. – An Alexander habe ich geschrieben und bitte nun auch Dich lieber Vater ihn nicht durch heftige Äußerung seiner Fehler zurück zu schrecken, ein gelassenes freundliches Wort kann und wird ihn leichter biegsam machen {als} zehnfache Heftigkeit.  – Ich habe vergessen zu sagen daß ich an einer Kopfstudie arbeite nichts als Kinderköpfchen ich warte auf Rugendas dann muß es gehen. Lebt wohl. Tante und Onkel grüßen mit Liebe umarmt Euch Eure Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 18.1.1850 München d  : 18/6 Januar 1850 Meine lieben theuren Aeltern  ! Es ist heute das Fest der Heiligen Drei Könige. Ihr feiert es und auch mir mag ich eine Freude machen und thue es indem ich Euch schreibe. Meine Zither habe ich eben bei Seite gelegt und werde nun den Abend vollens zu Ende bringen in der Unterhaltung mit Euch. – Ich gestehe es offen am Tage habe ich kaum an das Fest gedacht wenigstens nur flüchtig obgleich ich gestern sogar davon sprach – ich war eifrig beschäftigt in meiner Kunst und da bin ich denn immer ganz bei ihr. Am Neujahrstage habe ich viel Euer gedacht – wünschte Euch allen in stiller Seele Glück, Gesundheit und Freude – Am Silvester Abend viel mir mit einem Mal ein daß Ihr Glück gießen werdet nach alter Sitte, vielleicht war es grad der Augenblick wo Ihr mein Schicksal aus dem Zinnbilde zu entziffern versuchtet, denn es war in der That kein gewöhnliches Einfallen. – Ich hätte Euch gern an jenem Tage geschrieben allein ich hatte wieder heftige Kopfschmerzen.  – Die Nacht darauf häftiges Fieber und immer brannte der Kopf gewaltig beinahe bis auf den heutigen Tag – ich mußte arbeiten da ich etwas begonnen und jetzt zeigt sich seit zwei Tagen ein Ausschlag, Bläschen auf meinem Gesichte, ich achtete es nicht und Tante hielt es für die gewöhnlichen Finnen.363 Heute aber war die Tante Cecilie hier und erklärte es für etwas mehr, Nesselausschlag. Mich beruhigt es da ich doch weiß daß das Fieber nicht ohne Grund mich geschüttelt – ich habe mich immer mit kaltem Wasser gewaschen, bin täglich ausgegangen was alles beim Nesselfieber nicht sein sollte und ich denke es soll keine Folgen haben. – In dieser Woche habe ich gewöhnlich nur bis zwei Uhr gemalt bin dann heim gegangen und | mich aufs Sopha gestreckt oder ins Bett gesteckt.  – Am 363 Eine Form von gewöhnlicher Knötchenbildung, vor allem Akne.

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vergangenen Sonntage machte ich mit Rugendas aus eine Freiheit zu malen  ; ein Barikadenmädchen in ganzer Figur, ich war begeistert ging mir eine Leinwand von 9 Fuß hoch und im Verhältnis breit zu bestellen  – Das Modell war auch bestellt, da fiel mir ein daß ich als Unterthanin es nicht wagen dürfe. In der Dämmerstunde kam Rugendas zu mir hinunter und er fand auch daß ich’s nicht wagen könne ohne den Hals zu brechen also mußte aus der Freiheit etwas Conservatives werden und in der Eile hat mir Rugendas ein Bild componiert, nichts weiter als eine Küche in welcher ein Mädchen wäscht, ich hoffe das Bild wird hübsch etwas Feuerbeleuchtung kommt hinzu und so kann es gut werden, der Kopf ist heute fertig geworden und R. ist zufrieden findet die Farbe sehr schön – ich glaube sie ist brilliant, recht frisch. Rugendas hat schon eine Maße Bilder für mich componiert mit unter sehr zarte. Eines z. B. mit zwei Figuren (die eine ist schon gemacht), steht mit einem Blumenstrauß in welchem sie ein Briefchen steckt, ein junges Mädchen schmiegt sich an ihr ganz im Schatten und sieht ihr zu (Farbabb. 12). – ich denke Euch wenn ich kann eine ganz flüchtige Bleistiftskizze zu senden. Der Tante ist nun Gott lob auch wieder besser nach dem sie länger als 10 Tage sehr litt aber keinen Arzt sich kommen ließ. Dem Rugendas machte Dein Briefchen Freude und besonders die Stelle wo Du ihn aufforderst die Poesie der Kunst in mir zu wecken. Er arbeitet aber auch förmlich für mich läuft herum um mir Modelle zu schaffen macht Skizzen und | kommt sehr fleißig zu mir. – Auch Bernhardt war gestern bei mir und war im Ganzen zufrieden  – einige derbe Kohlenstriche nicht von mir, setzten mich in einige Verlegenheit und er schien es auch zu sein. – Das Modell daß ich gegenwärtig bearbeitet ist ein sehr schönes, die Schwester meiner Klio aber weit schöner wenn eben auch nicht mehr ganz jung. d  : 27 Januar 1850. In dem ich das Datum nieder schrieb erschrecke ich förmlich vor der Zahl  ; es ist wirklich lang her daß ich Euch schrieb, ich weiß nicht wo die Zeit hin ist. – In der ersten Zeit war ich wirklich noch unwohl und dann habe ich eifrig gearbeitet und jetzt beschäftigen mich Dinge welche sich weniger schreiben lassen, als erzählen. Wenn ich auch denke was ich Euch wol erzählen könnte so wüste ich viel und am Ende doch nichts. Vor Allem  ; ich bin gesund wieder – Tante war es, hat aber abermals einen derben Catarr bekommen, der Onkel ist gesund. Meine Arbeiten gehen fort. Rugendas erklärte daß es meisterhaft gemalt sey – ich glaube das Bild wird nicht ohne Interesse sein. Man spricht jetzt schon davon wie ich höre in den Künstler Kaffeehäusern. Einer aus der Gesellschaft Neu England,364 in welchem R. Ehrenmitglied ist war vor ein paar Tagen 364 Die »Gesellschaft Neu-England« gehörte zu den Vorläufern der Münchner Künstlergenossenschaft (MKG), die sich in den 1840er Jahren gründeten. Dazu gehörten auch Vereinigungen wie die nach dem gleichnamigen Wirtshaus benannte »Stubenvoll-Gesellschaft«, die ihr In-

436 | Die Briefe bei mir, um mich zum Ball im Namen der ganzen Gesellschaft ein zu laden. Ich gehe nicht, erstens weil Tante nicht kann, zweitens um nicht unconsiquent zu sein. Ich liebe das nicht bei andern noch weniger an mir selbst. Zu Eurer, zu Deiner Beruhigung lieber Vater | will ich nur gleich melden daß ich auf zwei Bälle gehen werde d. h. aber mit dem Vorsatz nicht zu tanzen. Es sind natürlich Bälle wo zu gleich was zu Sehen giebt – Ein großer Künstlerball, und ein Ball zum Besten armer Kinder wo selbst eine Verloosung statt finden wird. Gestern fand ich eine Karte in meinem Attelier d.h. sie wurde mir von den Hausleuten gegeben von Kaulbach, leider war ich eben fort gegangen. – Von der alten Herrmann habe ich einen lieben freundlichen Brief den ich Lust habe Euch für Frau von Viek365 zu senden. Mein Bild ist in der Hauptsache fertig, nämlich das Fleisch ist gemalt. Der Lichtreflex ist mir gut gelungen, man sagt das. Morgen bekomme ich eine Gliederpuppe nach welcher ich die Wäsche und übrige Kleidungsstudie male. Von Augsburg verlangt man das Bild ihres Rugendas zu sehen es wird hinüber gehen sobald ich ein anderes fertig und hier ausstelle. – Ein Phrenolog Scheve366 Privatdozent zu Heidelberg hält die Schädellehre Gall’s367 Vorträge, ich besuche sie und finde sie außerordentlich interessant man spricht ungeheuer ventar nach ihrer Auflösung 1875 der MKG vermachte, und die »Gesellschaft Alt-England« sowie die bis heute bestehende »Zwanglose Gesellschaft«, der übrigens u. a. Ernst Förster, Ludwig Steub und Friedrich Wilhelm Thiersch angehörten. Die »Gesellschaft Neu-England« war 1844 auf Anregung von Friedrich Schön gegründet worden und hielt ihre Treffen zunächst im Englischen Kaffeehaus am Dultplatz ab, in der Nähe des Ateliers Julie Hagens also. In allen Gesellschaften waren ausschließlich männliche Mitglieder zugelassen. Vgl. Andreas Strobl, Münchner Künstlergenossenschaft, in  : Künstler Zeichnen – Sammler stiften. 250 Jahre Staatliche Graphische Sammlung München, hrsg. von Michael Semff, Kurt Zeitler, Ostfildern-Ruit 2008, Bd. 3, und Mosebach, 2014, S. 16–20. 365 Die Tochter der »alten Herrnann«, Ernestine von Fick, die in Livland lebte. 366 Der in Heidelberg geborene Physiologe Gustav Scheve (1810–1880, anderslautend  : 1873) verbreitete ab 1848 in vielen Städten Deutschlands in Vorträgen die Gall’sche Schädellehre, genannt Phrenologie. Diese pseudowissenschaftliche Lehre versucht, einen Zusammenhang zwischen Charakter und Geistesgaben einerseits und Schädel- und Gehirnform andererseits herzustellen, wobei an der äußeren Form des Schädels die Ausprägungen einer Anzahl von »Organen« und deren Proportionen zueinander abgelesen werden, um daraus charakterliche, geistige und kognitive Anlagen abzulesen. Die Phrenologie erfreute sich um die Jahrhundertmitte großer Beliebtheit und rief gleichzeitig viele Kritiker hervor. Moritz Rugendas wurde zu Beginn des Jahres 1850 Präsident der phrenologischen Gesellschaft zu München. Vgl. Conrad/ Trepesch, 2016, S. 160–163. 367 Die Phrenologie wurde von dem Arzt Franz Joseph Gall (1758–1828) zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt. Er war vor allem in Wien und, nachdem er aus Österreich ausgewiesen worden war, in Paris tätig. Nach anfänglichen Erfolgen geriet Gall mit seinen neuen Lehren zunehmend in die Kritik. Sein Verdienst ist es besonders, die Konzentration auf die Erforschung des Gehirns als Sitz von Geist und Persönlichkeit gelenkt zu haben.

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viel gegen diese schöne Wissenschaft allein mich dünkt nichts auf der Welt klarer, einfacher und festgestellter als das, kurz ich bin mit R. eine große Verehrerin der Phrenologie. Leider ist morgen schon die letzte Vorlesung. | Ich habe so meine Bemerkungen in der Versammlung gemacht und große Freude dabei daß Rugendas wie ein König unter dem Volk sich durch die schöne Bildung seines Schädel’s representirt. Mit einigem Stolze lasse ich mich angaffen wenn er mir die Hand reicht zum Empfang und mit mir spricht väterlich freundlich und mir diese oder jene Erklärung an den aufgestellten Gipsköpfen giebt. Die Nummern seiner niederen Triebe sind im Vergleich zu den sogenannten höheren oder moralischen Gefühlen bedeutend schwach. – Soeben ließt die Tante aus der Zeitung wie der Sultan den Malern von fast allen Europäischen Nationen gesessen und jetzt noch einem Russen und dafür diesem 25 tausend türkische Piaster zum Geschenk gemacht hat. – Sollte es nicht gehen daß ich als Dame in den Serail des Sultans könnte um seine Frauen zu malen ich würde ein hübsches Sümmchen mir verdienen ohne viel Suchen. Es wäre nichts unmögliches Hofmalerin des Türkischen Kaisers zu werden natürlich müßte ich vom Gesandten Empfehlungen haben. – Es ist seit Weihnachten ununterbrochen kalt, Vorgestern gab es einen warmen Tag, heute ist es aber schon wieder rasend kalt. Vor einigen Tagen hatten wir sogar 18 Grad. Es ist ein bitterer Winter da wir doch nicht so für das Pfeifen der Kälte gesichert sind. – Neulich hat es mich gewundert den Brief von der alten Herrmann in meinem neuen Attelier zu erhalten da doch die Adresse zum Onkel hinunter gemacht war und ich noch keinem diese neue Adresse gesagt. Sollte der Briefträger sich so um mich kümmern  ? – | d  : 2 Februar 50 Gestern schon erhielt ich Eure lieben Briefe, hatte anfänglich die Absicht noch zu schreiben allein wir gingen schon um ½ 8 Uhr schlafen, eine Euch wol unerhört frühe Stund, aber wir waren müde vom Ball, welcher Tag’s oder eigentlich Nachts zuvor statt hatte. – Es war der Barmherzigkeitsball, wobei 3000 und mehr Menschen versammelt waren. Ich ging hin mit dem Vorsatz nicht zu tanzen und selbst wenn sich Tänzer gefunden mit denen besonders ich mich unterhalten hätte mögen  – ich war nicht in Weiß gekleidet sondern ein schokoladfarbenes klares Wollkleid über rohe Moll gezogen zierte mich dies Mal, der Odeons Saal war überfüllt das läßt sich wol denken Um ½ 5 Uhr fuhren wir hin und bekamen noch die letzten Plätze zum Sitzen hinter Säulen, der Saal war schön geschmückt mit Fontanen, grünen Lauben etc. und die 100 Gewinnste waren in geschmackvoller Ordnung an einem Ende des Saales aufgestellt. Um 8 Uhr begann die Verloosung, 30,000 Loose waren in zehn Minuten vergriffen und wir die wir 70 Loose nahmen gewannen zwei dumme geringfügige Dinge. Die ersten 10 die ich nahm waren für Johannchen bestimmt. – Gegen 12 Uhr ging das Tanzen an, ich theilte einzelne Körbe aus ohne mir böse zu sein im Gegen­

438 | Die Briefe theil ich bedauerte vielmehr diejenigen welche tanzen mußten in diesem Gewühl in dieser Hitze. Es muß arg gewesen sein, wenn ich Euch sage daß ich noch nie so müde heim gekommen bin, von einem Ball wo ich die ganze Nacht wüthend tanzte als vorgestern, daß ich gestern einen Katzenjammer hatte und heute ihn noch eben so stark habe | so daß ich nicht ein mal arbeiten konnte, höchstens nur des Vormittags. Der Kopf thut mir entsetzlich weh und Montag soll dieselbe Geschichte angehen, da ist der Künstlerball,368 – ich denke den Brief erst nach dem Ball abzuschicken. Nun will ich Eure Briefe beantworten, der Reihe nach damit nichts übersehen wird. Das Erste wonach ich suchte war, ob der Brief mit dem Kragen glücklich seinen Hafen gefunden, – ein unendlich schwerer Stein fiel mir vom Herzen als ich’s fand und ich gelobte mir es nie wieder zu wagen, die Sorge ist eine unerhörte.  – Deine Bemerkung betreff des Durchscheinens der Conture an dem Lichtmädchen steht am Anfange Deines Briefes – Du warnst mich vor dem Bleistift und ich habe mich beinahe besinnen müßen ob ich je mit dem Bleistift gezeichnet, o ja wohl that ich’s und noch in Dresden, thuts man’s durchgängig  ; doch hier in München zeichnet man seine Conture mit einem feinen Haarpinsel und Terpentin aus, welches mit ein wenig Farbe gefärbt ist. Die Leinwand des Bildes nun ist eine alte wo die Oberfläche schon unangenehm glatt geworden war – ich nahm mir nicht die Zeit durch Weingeist diese häßliche Oelhaut weg zu schaffen so auch nicht die harten Conturen vermittelst eines Lumpens sorgfältig zu verreiben oder wenigstens zu mildern, da es ja bloß ein Versuch war, dessen schlechtes Resultat ich als bestimmt voraus sah, jetzt thut es mir leid da es am Ende zu den besten Studien gehört.  – Das Blei frist sich in jedem Falle durch weniger das Terpentin, und hier war der Fehler nie unsichtbar | mir machte es nichts, es genirte mich nicht und glaubte wie Du selbst auch bemerkst daß dem Künstler oder Kunstkenner es nicht unangenehm auffallen würde. Ferner Deiner Ansicht über Manier flichte ich ganz und gar bei – ich liebe es, habe nichts lieber als ein keck gemaltes Bild nur muß man nicht allen Werth auf den Vortrag allein legen wie es Freund Sievers zu thun scheint, es ist eine schöne wünschenswerthe Mitgabe allein durchaus nicht Hauptsache. Hängt das Bild in einiger Entfernung an der Wand so wird weniger die Manier sichtbar sondern das gute Gemälde macht sich geltend durch seine richtige Zeichnung, brillantes Kolorit und schöne Haltung das ist meines Erachtens das Höchste das der Künstler zu erreichen suchen muß, die Kühnheit im Malen selbst erwirkt er sich durch die Prakxis. – Solche 368 Dieser Ball war der jährlich stattfindende sogenannte Künstlermaskenball, er fand am Montag, den 4. Februar 1850 statt. Diesmal war keine historische Idee zugrundeliegend, das Motto lautete »Frühling im Winter«. Julie Hagen beschreibt weiter unten, dass dieses Mal nur wenige Künstlerinnen beteiligt waren.

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Sachen, wie rothe Schatten z. B. darf ein Porträtmaler sich nicht aneignen wie überhaupt nicht aus einem Farbentopf malen, da hört er auf Porträtmaler zu sein. Man lobt mich hier in München darin daß ein jeder meiner Köpfe eine andere Farbe hat und es ist wahr, jetzt hängen 14 Köpfe in meinem Attelier und alle und jedes ist verschieden in der Farbe. Den Sinn für Farbe habe ich von Dir geerbt. Die Nummer des Farbensinns ist auch bei mir erhöht, am Bedeutendsten ausgeprägt an meinem Kopfe ist der Sinn der Energi, der Festigkeit oder des Eigensinn’s. – Es amisirt mich meinen Kopf zu untersuchen – Eine bedeutende Portion Gutmüthigkeit zeigt sich auch an meinem Schädel – von den bösen Nummern schweige ich für’s Erste. – | Daß Du gute Mutter glücklich Deine Reise nach Wrangelshof und wieder zurück gemacht hast ist mir eine große Freude, ich fürchtete auch für Dich, Du möchtest krank oder unwohl zurück kommen, denn zu der Zeit war grade hier eine ganz arge Kälte, wie überhaupt ein ganz merkwürdiger Winter ist, es sind nun fast 3 Monate in denen es fort und fort zwischen 8 und 15 auch 19 Grad ist. Die gute alte Großmutter, ich möchte sie auch gern noch ein Mal sehen, sie würde mich freilich nicht mehr erkennen – Wenn Ihr dahin schreibt so vergeßt nicht meine herzlichsten Grüße mit einzuschließen. Die Gefühle welche mir beim Lesen Deiner Träume lieber Vater, wach erregt wurde möchte ich Euch verschweigen um mich selbst nicht in eine traurige ängstliche Stimmung durch das Beschreiben hinein zu wiegen. Es ist eine unangenehme Sache mit Tante Christina, darum entstehen gewiß Feindlichkeiten  ! – Wir können uns glücklich preisen, daß der Fall in den Keller bei Carus keine weiteren Folgen gehabt. Fielst Du denn sehr tief  ? – es ist mir ein Räthsel daß Du nicht weiteren Schaden genommen. – Ich freute mich über die Beschreibung des Weihnachtsfestes, ist es doch wieder ein Mal etwas fröhliches, reiches heran gekommen  ! Kiel, der Dummkopf kümmert sich um mich nicht und macht Berichte über mich, das ärgert mich  ! Rugendas will ihn nächstens besuchen um meinetwillen – ich habe die Absicht ihn zu malen, da er wirklich ein Spion sein soll und wie man sagt ein etwas boßhafter Kerl – natürlich dürft Ihr das den Dumbergs nicht sagen. – | Es ist ein gutes Zeichen daß unsere Feinde sich wieder die Bahn zu uns gebrochen Wahl’s und Krüger meine ich, – ich freue mich darüber, hab ich doch keinen Vorwurf, des Geldes wegen, das wir uns durch die Verloosung verschaffen mir zu machen, da sie einsehen wie dasselbe nicht in fruchtlosen Boden gefallen ist. Das Bild Brembrandts [sic] Tochter mit der Nelke in der rechten Hand369 befindet sich noch in Dresden bei Hüttels, auch der Van Dyk und noch ein 369 Sie meint die Kopie eines Gemäldes Rembrandts von seiner Frau Saskia van Uylenburgh (1612–1642), das sich noch heute in der Gemäldegalerie in Dresden befindet, vgl. Rembrandt

440 | Die Briefe paar Bilder welche ich dort zurück ließ da sie nicht fertig waren als Tante und Onkel mich holten. Krüger370 sah damals mit scheinender Verachtung auf meine Copie, oder hatte ich mich getäuscht  ?  ! – Weshalb magst Du der Tante nicht mehr schreiben  ? Du raubst ihr die größte Freude wenn Du beharst dabei deshalb sagte ich ihr das auch nicht denn ihre Eitelkeit scheint mir geschmeichelt wenn sie von Dir einen Brief bekommt. – Dem Alexander (vgl. Abb. 13) werde ich von Zeit zu Zeit schreiben da ich nun einiger Maaßen ein Recht auf ihn habe, er mir so gut wie angehört – Sey streng mit ihm lieber Vater, das wird ihm gesund sein, hält er die Feuerprobe aus dann geht es auch ferner gut  ! Gegen Deine Metode zu unterrichten habe ich durchaus nichts im Gegentheil, sie ist so gut wie keine nur finde ich daß Du Deinen Kinder durchaus keinen Muth machst durch eine etwas freundliche Bemerkung | das heißt wenn es verdient ist. So hat mich ein Mal unglaublich gekränkt daß Du die junge hübsche Schwedin mir als Meister in der Kunst vorsteltest an deren Arbeit Du halbe Tage sast und maltest, auch ich hatte ihr diese und jene Conture gezeichnet. Ich meine diejenige welche von mir ein Fruchtbildchen mit nahm und noch bis zur Stunde hat. Die Malerei verdient schon einige Aufmunterung, denn sie ist unzweifelhaft das schwerste Studium. Ich sollte nicht gestehen wie mir’s interessant scheint an einem Blutsturz371 zu leiden oder gar zu sterben, es ist abscheulich wenn ich’s ausspreche, aber es ist einmal so – ich möchte nämlich an nichts anderm sterben als am Blutsturze. Und immer wenn ich von dergleichen Fälle und Leiden höre so schleicht sich ein sonderbar neidisches Gefühl bei mir ein. Verdammt mich deshalb nicht, es wäre nicht anders wenn ich geschwiegen von solchen Sonderbarkeiten. – Was macht denn Schlater  ?372 Ist er noch nicht da gewesen um die Bilder zu sehen  ? Fräulein Andersen373 gleichfals  ?  – Giebt es keine Bälle in diesem Winter  ? Ich komme auf diese Frage durch den Namen Gori Oetting.374 Es van Rijn (1606–1669), Saskia mit der roten Blume, 1641, Öl auf Eichenholz, 98,5 × 82,5 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 1562. 370 Woldemar Friedrich Krüger, der gemeinsam mit Eduard von Liphart in Ratshof erzogene deutschbaltische Künstler und Nachfolger A.  M.  Hagens als Zeichenlehrer der universitären Zeichenschule in Dorpat, vgl. Anm. 91. Krüger unternahm 1847 eine Reise nach Belgien und Holland und mag auch in Dresden gewesen sein, wo er Julie Hagens Arbeiten gesehen haben soll. 371 Plötzliches heftiges Bluten, meist Bluterbrechen, damals häufig als Todesursache genannt. Anlass dieser Erörterung ist offenbar eine Schilderung im Brief der Eltern. 372 Georg Friedrich Schlater (1804–1870) war Zeichenlehrer, Lithograf und Fotograf in Dorpat. 373 Die beiden schon erwähnten lokal in Dorpat tätigen Malerinnen Karolina und Angelica Anders. 374 Einer der Oettingen-Brüder, die ihr Landgut Wissust (Visusti) in der Nähe von Dorpat hatten. Julie Hagen hat später Bildnisse der Brüder Arthur, Nikolai, Alexander und Eduard von Oettin-

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freut mich daß er wieder gesund ist. – Eure Bemerkungen über die Reise nach München der Schwester Mieze finde ich sehr einleuchtend und ich sagte es der Tante auch wiederholt doch sie hat nicht glauben wollen daß es so viel kosten kann, noch habe ich keine Gelegenheit gefunden mit ihr darüber zu sprechen | deshalb später darüber mehr. Mieze schreibt daß mein gegossenes Glück am Silvester Abend nicht zu entziffern gewesen sey. Ich finde es richtig da ich keine Zukunft kein Märchen mehr habe. Alles liegt offen vor mir – das Organ der Festigkeit wird mich auch wol mein Lebtag an meine Staffelei fesseln  – und ein höheres Glück wünsche ich mir nicht. Ich freue mich daß Carl nach Dorpat kommt, ich habe hin schreiben wollen fürchtete aber immer daß mein Brief ihn nicht mehr treffen möchte in Kusk. – Hat Schirren Euch nicht geschrieben ich hoffte daß er mir in den Weihnachtstagen schreiben würde allein das ist nicht geschehen. Und jetzt darf ich kaum einen Brief erwarten bis nicht wieder eine Zeit der Ruhe eintritt und bis dahin hat es noch lange Zeit  ! – Dem guten lieben Freunde Hartmann mein herzlichsten Gruß, Wachters, Dumbergs, Rosalie K. Minna Sturm gleichfalls Gruß und Kuß. Ich zeichne seit einigen Tagen in Ermangelung eines Modells nach Gips Füße (vgl. Abb. 16) und Hände, R. wünscht es und ich thue es, ob gleich es wie eine bittere Medicin schmeckt wenn es nur von Nutzen ist  ! – Alexander soll sich das merken  ! – Es ist neun Uhr und ich sage Euch eine gute Nacht ich freue mich ins Bett zu kommen. Schlafet wohl  ! | d  : 3 Feb 50. Sonntag Abends Es hat heute noch in meinem dummen Kopf düster aus geschaut ich ging trotz dem aber doch ins Attelier mußte aber so viel Besuch empfangen daß ich nur wenig that.  – Neulich sagtest Du lieber Vater (sagtest früher ein Mal) ich möge niemanden umsonst malen, solle lieber mir Modelle miethen etc. wie so gern thäte ich’s und thäten es die Verwandten wenn es nur schöne Modelle gäbe  ! Deren giebt es gar wenig. Sieht man den aus der Gesellschaft ein schönes oder hübsches anmuthiges Gesichtchen ja wie will man es hier in München anders malen wenn man ihnen nicht das Bild verspricht, hier in München wo sie es nicht anders gewohnt sind, da dreiviertel Theil der Maler arm sind und ihrem Schöpfer danken wenn ihnen jemand für das Bild sitzt. Bei Bernhardt werden jährlich allein 3–400 Personen unentgeltlich gemalt – Ihr habt kaum Idee wie man hier verwöhnt ist. Ich gebe jetzt den Leuten eine Copie und sage ihnen es sey das Origen (alle in Privatbesitz) geschaffen (vgl. Julie Hagen Schwarz, 1990, S. 68–71). »Gori« könnte der gleichaltrige Mediziner Georg Phillip von Oettingen sein (1824–1916), ein weiterer der insgesamt sechs Oettingen-Brüder.

442 | Die Briefe ginal was sie mir glauben. – Du fragst wann ich die Absicht habe heim zu gehen – eine schwer zu beantwortende Frage  ! Von meiner Seite ist es sehr natürlich daß ich immer von Zeit zu Zeit spreche vom Reisen und daß ich doch unmöglich den Verwandten noch länger zur Last fallen könne – Früher waren diese immer wie etwas pekirt doch jetzt ist es mir oft | als fänden sie es natürlich und träfen alle nöthigen Vorbereitungen für den nächsten Herbst. Wenigstens wiedersprechen sie nicht mehr so lebhaft wenn ich vom Fortgehen spreche. Vielleicht irre ich mich und jedenfalls hat R. eine sehr gewichtige Stimme im Rath – und der will natürlich nichts wissen davon, möchte mich lieber nach Italien expediren als nach Rußland. Aber ich denke es ist gut wenn ich im Herbste heim gehe, ich muß ein Mal aufhören an mich zu denken muß daran gehen dasjenige zu erfüllen was ich Euch den Geschwistern und mir selbst versprochen. Tante und Onkel bringen mich dann heim indessen bis dahin ist noch lange Zeit Gott weiß wie sich alles gestellt. Die Tante bedauert unendlich daß ihr Plan betreff Mieze nicht ausführbar ist – und möchte immer noch nicht die Hoffnung aufgeben. Ich begreife das alles sehr gut und habe die großen Schwierigkeiten ihr auseinander gesetzt. Aber den glücklichen Deutschen ist auf keine Weise, durch keine Bemühung, ein richtiger Begriff des Drucks unserer Politik bei zu bringen. Ich gehe denn vorerst ein Paar Wochen nach Dresden um die meinigen unfertigen Arbeiten | fertig zu machen, Hüttels und Herrmann’s haben mich eingeladen bei ihnen zu wohnen. Komme ich wirklich heim, was ich noch immer nicht recht glaube so werde ich mich wol abwechslungsweise das erste Jahr in Dorpat Reval, Riga, Mithau aufhalten und dann wenn Du pensionirt bist treten wir unsere Reise nach dem Süden an, nicht wahr wenigstens bis ans schwarze Meer gehen wir  ? Ich muß viel verdienen und ich denke wenn man Muth hat geht es auch. Vielleicht sende ich morgen früh schon den Brief ab, denn ich glaube gewiß einen ähnlichen Katzenjammer zu haben nach dem morgigenden Ball als den letzten und jüngsten. Ich möchte Euch fast noch gern etwas erzählen allein ich höre nichts und es scheint auch in ganz München eine außerordentlich dumpfe Stimmung zu herrschen welche einen beinahe nach dieser viel bewegten Zeit anwidert. Meine Kleine muß sich Reiskohle und Trockenöl direct aus München verschreiben, in Mannheim ist nichts von solchen Sachen zu haben, wie wird es mir gehen in Livland  ? – | d  : 4ten Feb. 50. Noch habe ich etwas Zeit ehe ich mich in Ballstaat werfe und die will ich benutzen den Brief so gut wie zu schließen, da ich heute nicht mehr ausgehen kann, so werde ich wol morgen Früh einige Worte hinzufügen und dann ihn zur Post tragen. Gestern schon und auch heute wurde mir die Nachricht daß eine Revolution in Petersburg ausgebrochen sey, ich glaube dem Dinge noch nicht ganz, allein man spricht stark davon und in Hamburg sollen alle dort lebenden Russen nach Haus geschickt worden sein, wol möglich daß Ihr mich

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früher wieder habt als ich und Ihr erwartet. Die Zeitungen werden wol bald eine bestimmte Nachricht bringen. Ich gehe mit großer Unlust zum Kleiden aber noch unlustiger zum Ball. Bin entsetzlich verdrießlich möchte einen Grund haben zu weinen. Ich glaub es ist reine Müdigkeit, die das Unbehagen hervorruft und ich habe so wenig gethan  !  ! – Obgleich ich glauben darf daß Frau von Fick schon von ihren Aeltern Nachricht erhalten so lege ich dennoch diesen meinen letzten Brief bei sie hat daraus Gelegenheit zu sehen wie wohl und glücklich die beiden guten lieben Herrmann’s sind. Von mir könnt Ihr Frau von Fick herzlich grüßen, ich setze voraus daß es ihr nicht unangenehm ist. Zu dem heutigen Ball ziehe ich ein ganz hellgrau (perlgrau) seidenes Kleid an das mir gut steht, wie man sagt – Der Ball d. h. das Festspiel soll nicht so schön werden wie im vergangenen Jahre, na, wir wollen sehen  ! – | d  : 5 Feb 50 Etwas lang habe ich geschlafen und dann meine Ballkleider an seinen Platz gethan darum nun ist mir keine Zeit mehr zum Schreiben geblieben. Der Ball wahr [sic] sehr hübsch. »Frühling im Winter« so hieß das Lustspiel, wir waren bis nach zwei Uhr und ohne zu tanzen sind wir wieder entsetzlich müde geworden. Das nächste Mal mehr über diesen Ball, ich muß ins Attelier. Lebt herzlich wohl mit inniger Liebe Euch umarmend verbleibe ich stets Eure Julie

F. Erfolge als Porträtistin Februar 1850 bis Juli 1850 Als Folge der Präsentation im Kunstverein stellten sich immer mehr Porträtaufträge ein. Julie Hagen malte unter anderem die Nichte des Dichters Ludwig Steub, Laura Seyboldt, den Arzt und Politiker Norbert Pfretzschner, die Frau des Tiermalers Friedrich Voltz, die Tochter des Kaufmannes Philipp Diß, Maria Diß, und den Adjutanten des Königs Ludwig von und zu der Tann (vgl. Farbabb.  13). Anfang Februar hingen vierzehn Porträtköpfe in ihrem Atelier. Das Tann-Bildnis hatte Rugendas durch den Archäologen Peter Wilhelm Forchhammer vermittelt, es sollte im Auftrag der Städte Schleswigs für das neu gegründete Kunstmuseum in Kiel entstehen. Aus Bedenklichkeiten ihrer russischen Untertanenschaft wegen unterblieb zunächst das geplante ganzfigurige Bildnis des Schleswig-Holsteinischen Helden. Es entstand aber ein Brustbild, das die Künstlerin im Münchner Kunstverein ausstellte. In den Kunstvereinen Münchens und Augsburgs stellte sie mehrfach aus, was ihren Ruf weiter verbreitete. In Augsburg wurde im Mai endlich das Bildnis des Sohnes der Stadt gezeigt, was eine wahre »Wallfahrt« ausgelöst haben soll. Franz Hanfstaengl, Ludwig Steub, Liberat Hundertpfund (1806–1878) aus Augsburg, Otto Faber du Faur (1828–1901), Wilhelm von Kaulbach, Wilhelm Juncker (1820–1901), der Graf Arco (1811–1885), der Komponist Karl von Perfall (1824–1907), Alexander von Kotzebue (1815–1889), der Hofmaler Heinrich von Mayr (1806–1871) und viele andere besuchten sie. Im neuen Atelier der Künstlerin herrschte ein reges Treiben, das sie gelegentlich vom Arbeiten ablenkte und später den Unmut des Vaters erregte. Rugendas vermittelte zumeist die Kontakte interessierter Kollegen und Auftraggeber. Julie Hagen bemerkte aber auch erste durch ihren Erfolg bedingte Missgunst und Intrigen von Kollegen, die sie als Konkurrentin fürchteten. Durch die regen Besuche erhielt Julie Hagen auch mehr und mehr Einladungen zu Abendgesellschaften, so zu der Familie Förster und zu den Landsleuten Ledebour, die sie in ihren geselligen Kreis aufnahmen und enge Freunde wurden. Sie erhielt Zugang zur Münchner Gesellschaft. Der von Rugendas vermittelte Kontakt zu dem russischen Kunstagenten Karl Leopold von Kiel war dagegen rein geschäftlicher Natur  : sie hoffte auf Protektion beim Zaren und Kiel sagte ihr unbegrenzten Aufenthalt ihres Passes wegen zu. Trotz der beachtlichen Erfolge zweifelte die Künstlerin immer wieder an ihren Fähigkeiten, besonders das Komponieren fiel ihr schwer und sie fürchtete, den An-

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sprüchen des Vaters nicht zu genügen. In Selbstzweifeln erging sie sich, wenn sie, wie im Mai 1850 bei einem Besuch der Sammlung Lotzbeck in Weyhern, Werke August Riedels, ihres »Königs«, wie sie ihn bezeichnete, sah. Die seinerzeit berühmte Sakuntala gehörte zu dieser Sammlung (vgl. Farbabb. 5). Wie zu jeder Zeit wurde auch jetzt die Heimkehr Julies thematisiert, es gab keine Gewissheiten bezüglich der Dauer des Aufenthalts für die Künstlerin. Moritz Rugendas setzte sich sowohl bei den Verwandten als auch beim Vater für ihr Bleiben in München ein und sprach von Italien, hatte seinem Freund Riedel in Rom schon von der Malerin geschrieben. Die Aussicht, nach Rom zu gelangen, war für Julie Hagen nun schon in greifbare Nähe gerückt, so dass sie  – trotz vieler Querelen mit den Verwandten und brieflichen Bestimmungen aus Dorpat – sich traute, dem Vater zu schreiben, dass sie ihre eigene Entscheidung treffen werde. Ein kleines Kuriosum ist die Bekanntschaft mit dem Phrenologen Gustav Scheve, die ebenfalls durch Rugendas zustande kam, der Präsident der Phrenologischen Gesellschaft in München wurde. Scheve analysierte eines Tage den Kopf der Künstlerin und weissagte ihr ihre Anlagen und Eigenschaften, die überraschenderweise gut zu ihren Lebensumständen passten. Julie Hagen war tief überzeugt von der Wahrheit dieser Pseudowissenschaft. Im April 1850 wurden in Dorpat endlich Bilder von ihr und Rugendas verkauft, was in München erleichtert zur Kenntnis genommen wurde. Das Lichtbildchen, das die Künstlerin in »würdige Hände« gewünscht hatte, wurde anonym von Otto Müller in Riga erworben. Im Juli 1850 starb Carl Rottmann, ein großer Verlust für die Münchner Künstlerschaft  ! Die Rede Anton Teichleins am Grab Rottmanns zitierte Julie für die Eltern im letzten Brief dieses Abschnitts. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 10.2.1850 München d  : 10 Februar 1850.

Meine theuren Aeltern  ! Am 5ten sandte ich meinen letzten Brief an Euch ab. Ich versprach Euch da Näheres über den eben vergangenen Ball zu erzählen. Heute ist nun wieder Sonntag und der Abend soll damit beschloßen werden Euch zu schreiben. Also nun auf den Ball zu kommen – derselbe war äußerst brilliant kostspielig und was weiß ich noch alles  ; allein dem ungeachtet hat das Festspiel nicht gefallen. Der Zug welcher folgte war sehr klein im Vergleich zu dem vorigjährigen – Damals waren 60–70 Damen betheiligt, dagegen in diesem Jahre bloß 15–16 – wohl lediglich aus dem Grunde da man im Festspiel selbst Schauspielerinnen mitwirken ließ. Jeder stieß sich daran – dann war eben auch die Dichtung nicht glücklich – Sonst die Dekorationen waren ausgezeichnet und als Lohn werden die armen Künst-

446 | Die Briefe ler wol nah an 1000 Gulden nach zahlen müßen da ein zweiter Ball nicht zu stande kam. Ich habe mich gut amysirt es gab viel zu sehen und zufrieden auch ohne einen Schritt getanzt zu haben kamen wir um 2 Uhr nach Hause. Bernhardt führte mich wol beinahe zwei Stunden am Arm herum. Mit Kaulbach sprach ich eine Zeit lang und am Mittwoch als am 6ten nach Tisch um 3 Uhr trat Kaulbach in mein Attelier und hielt sich ¾ Stunde auf. Ich mußte ihm alles zeigen, über einen Kopf, die kleine rothhaarige Nichte des Doctor Steub wenn Ihr Euch erinnert, äußerte er sich außerordentlich | lebhaft, ja fast entzückt, er kennt das Kind nämlich. Er stand vor dem Bilde gewiß eine halbe Stunde und wenn er was anders sich an sah sagte er immer »O, lassen Sie mir nur noch die Kleine Laura, mein Liebling an sehen« er fand die Farbe so ungewöhnlich einfach klar natürlich, denn die Art des Vortrages so schön, so fertig, und was er in allen Köpfen besonders hervor hob als besonders gut und fein gefühlt das waren die Augen nebst untern und oberen Augenhölen. Er nannte die Farben »so blutig«. Er versprach bald wieder zu kommen da er die kleine Laura fertig sehen möchte. Ich habe das Bild 3 Mal auf die Staffelei heben müssen und es schien ihm ernst mit dem Lob zu sein. Hier und da hat er mich auf Fehler und Kleinigkeiten aufmerksam gemacht  : Dasjenige was ich neulich über die Manier der Farben schrieb, wie eben ein Porträtmaler nie aus einem Farbentopf malen dürfe fand er auch daß nämlich in all meinen Köpfen eine andere Farbe sey. – Na ich konnte zufrieden sein da ich zu den wenigen gehöre die sich seines Besuch’s rühmen darf. Überhaupt habe ich Besuche von den ersten Männern gehabt. An einem Tage es war am Freitage waren vier berühmte Männer zu gleicher Zeit in meinem Attelier. Rugendas, Hanfstengl, Doctor Steub und Doctor Fretschner.375 – Letzterer | ist Schwager des Hanfstengl wohnt in Kuftstein und hat mir 3 Vormittage gesessen. R. hat ihn gebeten und beredet dazu damit ich einen bedeutenden Kopf auf die Ausstellung zu bringen Gelegenheit hätte. Ich habe kaum 9 Stunden gehabt und muß das übrige ohne ihn fertig machen da er schon wieder abgereist ist. Es ist ein Kopf in der Art wie Freund Sivers aber nur um ein Bedeutendes größer. Der ganze Mann sieht aus wie ein Herkules. Ich selbst bin weniger zufrieden als die Männer, habe sogar geweint  – möchte es nicht ausstellen, wenn es nicht durch Lasur besser wird. – Dieser Fretschner

375 Demnach fanden diese Besuche am 8.2.1850 statt, Kaulbach war am Mittwoch, den 6.2., in Julie Hagens Atelier gewesen. Norbert Pfretzschner (1817–1905) war Mediziner, österreichischer Politiker und Fotograf. Wegen seiner liberalen politischen Gesinnung musste er 1848 aus seiner Heimat fliehen, war dann aber Mitglied des Reichstags in Kremsier (Kroměříž in Tschechien), anwesend 1848 in der Frankfurter Paulskirche und später Mitglied des Tiroler Landtags. Er ist auch bekannt für seine Erfindungen einer fotografischen Trockenplatte. Katharina Hanfstaengl (1826–1902), eine Schwester Franz Hanfstaengls, war Pfretzschners Ehefrau.

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ist in Frankfurt376 gewesen und hat sich dort geltend gemacht. Kurz man kennt ihn hier genau und so viel ich beurtheilen kann ist es ein biederer trefflicher Tyroler. So gut und einfach wie Sivers vor mir sitzen zu sehen. Sehr häufig habe ich gefunden und auch das Mal daß mit den wirklich gescheuten Leuten gut leben ist, diese verlangen nicht viel bloß einen einfachen schlichten Sinn und Betragen. Sie verlangen nicht daß man Göthe und Schiller auswendig versteht und weiß der Himmel welche Gelehrsamkeit noch. – Siehst Du dies Porträt ist nun wieder eines von dem ich nichts habe aber sollte es ausgestellt werden so kann es durch seine Per|sönlichkeit mir nutzen. Auf dem Ball wurde eine Dame, welche die Tante mitgenommen hatte gefragt wer ich sey und als sie sagte die russische Malerin so sagte man hastig »die Berühmte« daraus könnt Ihr sehen daß ich bekannt bin. Nun gilt es noch daß mein Ruhm bis in die Heimath von hier aus dringt dann will ich zufrieden zurück kehren, und ich habe es auch gegen Tante ausgesprochen aber noch öfter gedacht daß ich nicht früher heim gehe bevor nicht durch die Zeitung mein Name vorausgeeilt ist. Ich denke das muß sein und weil ich’s mir denke so wird so muß es dazu kommen – wenn ich nur schon wieder ein Bild ausgestellt hätte aber gerade meine besten Köpfe kann ich nicht ausstellen da die Ältern es nicht wünschen und das ist recht fatal. – Der Jahrmarkt wird nun in diesen Tagen auch ein Ende haben, ich glaube sogar mit dem heutigen Tage. Wenn keine Bilder verkauft sind gebe ich alle Hoffnung dazu auf. Es scheint den Rigensern auch zu theuer zu sein und auch mir ist daher noch ein mal meine Bitte nur ja nicht zu hoch den Preis zu stellen – von den Bildern wird man nicht satt und Gemälde müßen in die Welt. | d  : 14/2 Febr. 1850. Meine lieben Aeltern  ! Es ist 10 Uhr geworden und das Modell hat mich sitzen lassen, eine verzweifelte Lage, und um so mehr jetzt wo ich sehr fleißig sein will, sein muß – und immer geht es mir zum Trotz so – So lang ich von Bernhardt fort bin hatte ich fast jeden Tag nur den Vortisch oder den Nachtisch arbeiten können, ach und das ist so fatal  ! Die Zeit vergeht, wie bald ist die Stunde meiner Abreise da und ich habe alles dasjenige was ich malen wollte, nicht gemacht. Gestern hat die Tante für mich 12 Hemde zu geschnitten, also meine Aussteuer, Als ich ins Attelier ging fiel mir ein wie traurig es in unserer armen Haide aussieht namentlich für den Künstler welcher fort zu schreiten, sein sehnlichster Wunsch ist, und plötzlich füllten meine Augen sich mit Thränen, schwere Tropfen rollten über meine Wangen und weinend langte ich in meinem Attelier an das so gut wie leer ist ohne den Bildern welche ich mit meinen inneren Augen 376 Auf der Nationalversammlung.

448 | Die Briefe schon fertig sah. – Ich habe gearbeitet und immer wieder dazwischen geweint, selbst den Abend beim Zither spielen mußte ich fort einige Male um den Verwandten meinen Kummer zu verbergen. Ich weiß ich darf nie ein Wort sagen  : sie bitten auch mich noch zu behalten sie thäten es, allein es muß doch sein daß ich Deutschland für einige Zeit wenigstens verlasse. Den Verwandten wurde es nie schwer mich in meinen Bedürfnissen und Wünschen zu befriedigen mit der großen Liebe und Bereitwilligkeit thaten sie bisher alles was zu meinem Wohl erforderlich war und deshalb muß ich nicht noch länger ihre unendliche Güte in Anspruch nehmen wollen da ich mir selbst helfen | kann und andern helfen will. Hier Porträt malen geht nicht man zahlt nichts weil so sehr viele Maler wir [sic] wenig Gulden malen. Zwei Louisdor ist schon eine ungeheure Summe welche der Maler verlangt. Man sagt mir daß ich mit Leichtigkeit viel Geld verdienen werde können selbst Kaulbach prophezeit mir darin viel Glück. Auch er räth mir nach Italien zu gehen und darin besteht noch mein Wunsch als Malerin, also Muth und es geht  !  ! – Rugendas sagte gestern der mich weinend traf »es wird ihnen nicht fehlen sie werden in kurzer Zeit so viel Geld verdienen daß sie nicht allein ihre Pflichten erfüllen können sondern wieder heraus können und nach Rom gehen, Sie müssen an den russischen Hof, weil Sie es können«, und um mir das zu erleichtern will er Sonntag377 dem Kiel eine Vesite machen damit er ein Mal her kommt. Meine gute Mutter morgen ist der 3te also Dein Geburtstag, ich habe schon lang die Tage gezählt und kann nicht anders als Dir schon heute meine herzlichen aufrichtige guten Wünsche zu bringen, leider daß es schriftlich geschieht. Du weißt nicht wie zärtlich ich Dich umarmen würde wenn ich’s könnte. Es ist der vierte Geburtstag welchen ich auf diese Weise feiere aber es wird wol der letzte sein. Den nächsten werden wir alle mit einander ihn verbringen Gott gebe heiter und glücklich und zufrieden. – Die Nacht träumte ich viel von Euch, sah Mieze in München u. s. w. vielleicht deshalb weil Tante noch gestern davon sprach sie kommen zu lassen. Wären die Kosten nicht | so unendlich groß so würde ich kein Wort dagegen sagen so muß ich aber wirklich immer oponiren denn 400 Gulden ist in Bayern ein großes Sümmchen während 200 R. S. für unsere Verhältnisse wenig bedeuten.378 – Während früher mir die Reise nach Hause so unklar erschie377 Am 17.2.1850 wollte Rugendas demnach Karl Leopold von Kiel besuchen, um für dessen Landsmännin vorzusprechen. Kiel war 1846 zum Tutor der russischen Pensionäre der Akademie der Künste Petersburgs in Rom ernannt worden und konnte maßgeblichen Einfluss auf ein Bleiben oder Gehen Julie Hagens nehmen. 378 In der Zeit der Guldenwährung in Bayern einsprach 1 Gulden (fl.) = 60 Kreuzern (kr.), eine Familie mit drei Kindern »am Rande der Armuth stehend« benötigte um 1847 im Jahr ca. 140 fl. Lehrer verdienten 200 bis 400 fl. im Jahr, Tagelöhne für Arbeiter lagen in der Regel unter 50 kr., einfache Soldaten erhielten in Bayern 2 ¼ fl. monatlich. Vgl. Dietrich O. Klose, Franziska

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nen {war}, gleichsam die Aussicht durch dicke Nebelschleier unmöglich gemacht, so klar und bestimmt erkenne und fühle ich jetzt schon die Unbequemlichkeiten einer solchen Reise in all meinen Gliedern, das ist mir fast eine Wahrsagung, das bestimmte Vorgefühl des Fortgehens. Ich denke wirklich daran welches Zimmer mir wol als Attelier am besten tauglich wäre und keines außer Schwarzens gewesenes Zimmer gefiele mir zu dem Zwecke obgleich auch dort die Fenster so gar klein d.h. niedrig sind. Neulich sagte Tante scherzend daß die erste Bestellung sie mir macht indem ich Euch und die Geschwister alle für sie male. Die Absicht habe ich ohne dies. Mein jetziges Fenster und auch das frühere bei Bernhardt ist 12 Fuß ungefähr hoch – Für den Sommer wäre das Zimmer oben, ohne Ofen, jetzt Ablage oder Rumpelkammer mir trotz der Morgensonne recht lieb da ich kein Reflex dort zu fürchten hätte. Aber solche Dinge quälen mich jetzt welche noch Zeit haben – ich spreche aber doch gern davon da meine Gedanken sich ihnen häufig zu wenden. – Alexander mein College mein Schützling nimmt auch einen großen Theil meiner Gedanken in Anspruch. Hauptsächlich | auch seinetwegen habe ich mich so gut wie ganz bestimmt entschloßen im Herbste nach Hause zu kommen und ihn möglichst bald nach Deutschland zu befördern. Dem gutem trefflichen Bernhardt habe ich ihn schon angemeldet und ihn als mir ähnlich sehenden Bruder geschildert, B. freut sich darauf denn er hatte mich gern als Schülerin. – Ihr habt wol strenge Kälte und hier keimt die Erde schon. Am 9ten Feb. hiesigen Stiel’s sah ich zur größten Überraschung schon frisches Grün – nachdem es erst ein Paar Tage wieder wärmer ist – Heute indessen haben wir wieder Schnee und einige Grad Kälte. – Doctor Scheve der Phrenologe hatte neulich mich besucht in Gesellschaft des Rugendas um den Doctor Fetschner an zu sehen da er ihn kennt durch das Wohnen in einem Gasthause. Der Mann war äußerst überrascht über die Vollendung des Kopfes in so kurzer Zeit. – Hätte ich Muth genug gehabt so hätte ich Scheve gebeten meinen Kopf zu untersuchen  ; allein ich wagte diese Bitte nicht gut anzubringen  – ich sagte dies Tags drauf dem Rugendas worauf dieser mir antwortet  : »Gott wie schade  ! Als wir aus Ihrer Thür waren sagt Scheve zu mir wie gern hätte ich den Kopf untersucht, ich wagte aber nicht das Fräulein drum zu bitten« – Unsere Wünsche hätten sich also begegnet bei ein wenig mehr Muth. – In Eurem letzten Brief fand ich wieder

Jungmann-Stadtler, Königlich Bayerisches Geld  : Zahlungsmittel und Finanzen im Königreich Bayern 1806–1918, München 2006. Die russischen Goldmünzen (Schtschervonez, ebenfalls Gulden oder Dukaten genannt) entsprachen etwa 10 Rubel Silber. In der Mitte des 19. Jahrhunderts verdiente ein Professor in Russland etwa jährlich 1000 RS, eine Kuh kostete 15–20 RS (frdl. Mitteilung von Boris Asvarišč, St. Petersburg/Russland). 1842 war der Rubel Silber in bayerischen Einheiten etwa 1 fl. 53 kr. wert (vgl. http://www.spasslernen.de/geschichte/gulden/ gulden7.htm [aufgerufen am 16.8.2018]).

450 | Die Briefe keine Silbe über Freund Schirren  – er ist gewiß krank sonst würde er doch wenigstens Euch schreiben und so ich durch Euch Nachricht. | Meine Briefe müßt Ihr heute erhalten haben, meiner Berechnung nach. Ich nehme mir vor wenig Leuten zu schreiben damit ich meine Zeit noch würdig benutzen kann sagt das den Wachters und bittet auch Herrmann {Hartmann} um Nachsicht, er und Ersteren werden überzeugt sein trotz des Schweigens von meiner wahrhaften Theilnahme und aufrichtigen Liebe. Theilt Ihnen meine Briefe an Euch mit darin finden sie/er alles was in, außerhalb mir sich regt. Sonntag d  : 17 Feb. 1850. Deinen Geburtstag liebe Mutter habe ich still gefeiert war wie gewöhnlich bei der Arbeit den ganzen Tag – Tante Cecilie kam da sie es wußte beim schlechtesten Wetter, es regnete und stürmte was es nur konnte. Am Abend hatte Tante Punsch gemacht und wir tranken auf Dein, auf aller Wohl. Ich hätte gern den halben Tag geschrieben  ; allein es machte sich nicht früher und später war ich beinahe betäubt vom Punsch so daß ich froh war ins Bett zu kommen. Den andern Morgen gratulierte man mir und bescherte sogar, es hieß daß mein Namenstag sey – wie ich überhaupt wenig auf laut ausgesprochene Glückwünsche gebe so vergesse ich immer auf Namenstage zu achten und kann also vollends nicht begreifen daß ich einen habe, na dem sei wie es wolle  – ich erhielt Gummi-Galoschen und Postpapier und Geld daß ich zwar außerdem auch bekommen hätte müssen. Ich ging ins Attelier und dachte nicht mehr an Namenstage als mit einem Mal Freund und Meister Rugendas erschien mit einem Blumenstrauß, einem Buche  : Die drei Sommer in Tirol betitelt von Steub und was das schönste war ein Gedicht von ihm selbst (Abb. 17) welches beifolgen soll d. h. eine Abschrift. Diese Aufmerksamkeit rührte mich bis | zu Thränen.379 Ich habe jetzt wieder einen Kopf gemalt und morgen soll ein neues Bild begonnen werden. Wenn nur etwas betreff der Kostüme zu bekommen wäre es ist wirklich ein furchtbares Leiden. Heute malte ich die Hende des Doctor Fretschner. Steub und mit ihm ein paar Freunde waren heute bei mir und haben große Freude über das Porträt gehabt. Ein bedeutender Kopf hilft sich selbst, er braucht gar nicht aus gezeichnet gemalt zu {sein} um zu gefallen. Heute hatte ich einen Brief von meiner Kleinen. Sie hat mir Aufträge gegeben ihr doch Farben, Leinwand, Kohle, Trockenöl und weiß der Himmel was noch, zu schicken. Das Mannheim hat nicht’s, ist ein trauriges Nest, kaum trauriger als Dorpat.

379 Die Abschrift des Gedichts durch Julie Hagen erfolgt im Anschluss an diesen Brief. Das Original von Moritz Rugendas ist ebenfalls erhalten  : Moritz Rugendas, Gedicht für Julie Hagen zum Namenstag, 1850, Tinte auf Papier, 32,2 × 11 cm, Privatbesitz  ; Kommentar in  : Conrad/ Trepesch, 2016, S. 152/153, vgl. Abb. 17.

Erfolge als Porträtistin  Abb. 17  : Moritz Rugendas, Gedicht für Julie Hagen zum Namenstag, Februar 1850, Familienbesitz

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452 | Die Briefe d  : 24/12 Feb. 1850 Ich komme spät dazu Dir lieber Vater meinen herzlichsten Glückwunsch zu Deinem Geburtstage zu bringen. Früh oder spät, er bleibt doch derselbe, so dachte ich und denke Ihr thut dasselbe. Was ich Dir und uns wünsche weißt Du ja, ich brauche kaum mit Namen es zu nennen, in einem Worte läßt sich’s zusammen fassen, nämlich ein gesundes glückseeliges Jahr – möchte ich, möchten Deine übrigen Kinder dazu beitragen können  ! Gestern Abend schlief ich ein mit dem Gedanken an Dich, heute früh erwachte ich mit dem selben und verkündete es den Verwandten. Ich ging ins Attelier und begann den Onkel zu malen, und sah es als ein Geburtstagsgeschenk an, träumte mich in Eure Mitte als gegen 11 Uhr ein Besuch nach dem andern sich ein fand. Bald befanden sich 14 Damen und 3 | Herren in meinem Attelier, alle den Mund voll Worte der Bewunderung über meine Sachen, ich kannte nur wenige von den Damen, meist Fremde – kurz es war mir ordentlich als wüßten die Leute daß ich ein Fest feierte  ; Nachtisch kam Bernhardt und einige unbedeutende Personen  – So geht es fort, einer zieht den andern zu mir und ich bin häufig sehr gestört  ! Es ist mir aber dies ein Beweis daß man viel von mir spricht. Ich möchte nicht daß Euch durch Kiel früher über etwas berichtet wird als ich es thue daher will ich über etwas sprechen wovon ich noch zu schweigen wünschte. D. h. so lang, bevor es nicht entschieden. Nämlich aus Kiel in Schleswig Holstein war ein Professor Forkhammer380 hier um für die Herrichtung eines Museens zu werben. R. kennt den Mann und hat augenblicklich an mich gedacht, daß ich ein Bild dahin liefern müsse, kurz Vonderdann381 der bekannte Held, Anführer der Bayern, Schleswiger jetzt Freiherr, Atteotand des Königs soll ich in ganzer Figur malen. Diese Idee ist mit großem Jubel aufgenommen und wahrscheinlich werde ich bald anfangen. R. hat vielleicht prophetische Worte in seinem Gedichte gesprochen. Heute schon wurde ich von mehreren Damen von Adel, welche ich auf der Straße begegnete mit den Worten begrüßt »nun wir hören sie malen Vonderdann« – und versicherten daß es allgemein bekannt sey. – Der 380 Der Archäologe Peter Wilhelm Forchhammer (1801–1894) war Extraordinarius der Kieler Universität und seit 1840 die treibende Kraft zur Gründung eines Kunstmuseums in Kiel zur Aufnahme von Gipsabgüssen antiker Statuen. Auch bei der Gründung des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins war er 1843 die treibende Kraft. 381 Der bayerische Major Ludwig von der Tann (1815–1881) hat seinen festen Platz in der schleswig-holsteinischen Geschichte. 1848 kam es zur schleswig-holsteinischen Erhebung gegen Dänemark. Ein Corps von Studenten und Turnern erhielt in der Schlacht bei Bau, nördlich von Flensburg, eine blutige Niederlage. Daraufhin strömten aus allen Teilen Deutschlands freiwillige Kämpfer nach Schleswig-Holstein und bildeten sogenannte Freicorps. Eines dieser Freicorps führte von der Tann, der Anfang April 1848 mit fünf weiteren Offizieren als Freiwilliger nach Schleswig-Holstein kam. Das von der Tann’sche Freicorps bestand zwei siegreiche Gefechte. Von der Tann wurde der bekannteste Freicorpsführer dieser Auseinandersetzung und war überall sehr beliebt.

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General Kiel ist krank | gewesen macht sich Gewissensscrupel noch immer mich nicht besucht zu haben, da ich ihm so dringend empfohlen sey etc. R. sagte ihm daß ich im Auftrage den Vonderdann malen werde hat ihm gesagt wie groß. Worüber er erstaunt und erfreut sich geäußert und gesagt habe daß auf jeden Fall dann das Bild lithographiert werden müße. In dieser Woche will er kommen zu mir. – Rugendas giebt sich alle Mühe meinem Namen einen Klang zu verschaffen, möchte es ihm nur gelingen  ! – Am vergangenen Donnerstag wurde ich sehr angenehm überrascht durch einen Besuch des Herrn Bergerhoff einer von den Reisegefährten im vergangenen Herbste von Köln nach Frankfurt – ich erzählte Euch von ihm von seiner Liebenswürdigkeit – Er ist in Geschäften hier gewesen und kommt am Montage also morgen wieder und hat er so viel Zeit so male ich ihn, wenigstens habe ich die größte Lust dazu, er ist gar hübsch, und erinnert mich an einen früheren Freund. – Er ist in Aachen bei der Feuerversicherungsanstalt angestellt und hat die streitigen Sachen zu schlichten deshalb das ofte Reisen. – Heute gab es wieder nach lange einen schönen warmen Frühlingstag, die Annemonen blühen im Garten ganz lustig, noch habe ich keine Lerche trillern gehört – und bei Euch ist noch ein starrer Winter. | Der Wein welcher auf Dein Wohlsein getrunken worden ist hat mich wieder schon betäubt. Es ist ein häßliches Gefühl betrunken zu sein – Mit den schönsten besten Wünschen will ich für heute schließen. Schlafet wohl meine lieben Aeltern und Geschwister  ! – d  : 27 Feb 1850. Bald kommt der erwartete Brief von Euch und ich mag gern schreiben da ich im Augenblick nichts thun kann. Der Kopf des Onkel ist fertig und ich werde zu thun haben die Tante zum Sitzen zu bewegen. Das Porträt des Onkels ist nicht ähnlicher als das vorigjährige doch aber bedeutend besser in der Farbe. Damals war es mein bester Kopf nata bena.382 Vorgestern, also am Montage hatte der Onkel mich gerade verlassen um zu Tisch zu gehen als Doctor Scheve zu mir hineintrat, mir fuhr das Bluth heiß ins Gesicht denn nun war er ja gekommen um mir meinen Kopf zu untersuchen – die Geschichte dauerte eine gute viertel Stunde in welcher er mir bewunderungswürdig wahr meine Eigenschaften aufzählte. Wohlwollen und der Formensinn sind die beiden Nummern welche auffallend stark ausgeprägt sind. Es hatte mir leid gethan niemanden da zu haben um zu notiren, denn sehr unvollkommen habe ich’s den Abend erst nieder geschrieben um Euch zu senden. Er blieb länger als eine Stunde bei mir und sagte mir als er fort ging daß meine schöne Sprache ihn so unbeschreiblich anziehe. Dieses Compliment muß ich so oft hören, während meine Landsleute die Nase rümpfen, gestern ist er wieder zurück nach | Augsburg wo er mit großem Beifall angehört wird. Eine phrenologische Gesellschaft hat sich hier gebildet woselbst 382 Gemeint »nota bene« für »wohlgemerkt« oder auch im Sinne von »übrigens«.

454 | Die Briefe man den Freund Rugendas als President ernannt hat. Ich habe viel Besuch und werde in dieser Woche noch mehr bekommen, unter andern hat Rottmann sich melden lassen will mir durch Empfehlung nach dem südlichen Rußland nützlich sein. Es ist ordentlich komisch wie die Leute jetzt bereit sind während früher, wo ich ihnen empfohlen war, sie keinen Finger rührten.  – Die Kaulbach ist sehr krank schon seit Wochen sogar lebensgefährlich. Gestern waren einige Damen, welche ich in dem Kaulbachschen Hause kennen lernte bei mir, – Die schönsten Frühlingstage haben wir jetzt – habe fast weniger Lust zur Arbeit. d  : 3 März 1850 Einige Tage habe ich nicht geschrieben. Gestern Abend erhielt ich Eure lieben Briefe – wie immer war auch das Mal meine Freude groß. Es brachte mir viel Liebes und Erwünschtes und doch habe entsetzlich geweint, so geweint daß Tante welche zu gegen war fast außer sich wurde, da ich ihr nicht sagen konnte vor Schluchzen den Grund. Die Ankunft des Bruder Carl nach vielen Jahren im Aelterlichen Hause, von Grünstrauch empfangen war die Ursache, es that mir der arme Junge so leid. Ich kann so gut seinen Schreck | begreifen und es muß furchtbar gewesen sein, den ich nicht einmal meinem ärgsten Feind (wenn ich einen hätte) wünschte. Gott Lob daß es nur ein Schreck war, Ihr seit ja alle gesund und munter und das ist ja einzig was ich zu hören wünsche. – Ich denke nach alter Weise Eure Briefe Punkt für Punkt der Reihe nach zu beantworten. Das erste sehr Erfreuliche, und was mich besonders nahe angeht ist Alexanders Fleiß und Geschick im zeichnen. Es macht mich glücklich und ich habe beschloßen ihm selbst zu schreiben. Miezchen dagegen thut mir herzlich leid durch die Sorge welche sie um ihren Schwarz hat. Haben wir, wie die Schneider bei 18 Grad gefrohren wie anders muß es bei 38 Grad pfeifen  ! Der gute Morgenstern383 rührt auch mich – also wirklich ist kein Bild weg gegangen  ! – ich hoffte gewiß in der Jahrmarktzeit – das ist sehr schlimm.384 Ich freue mich über mein Bild den Schwarzbachfall bei Golling  – sehr gut habe ich ihn im Gedächtnis, wie oft mache ich den Gang von der Post durch Felder, Wiesen und endlich bergigen Waldwegen zu Fuß im Geiste – zu ihm, welcher von einer bedeutenden Höhe gleichsam aus einer Felsenpforte fällt. Wie gern möchte ich in Wirklichkeit diese schöne Reise noch ein Mal machen. Es scheint als hättet Ihr Euch recht gehörig über mich und den Plan des Sultan’s betreffend mokiert, selbst der gute Herrmann erwähnt in seinem Briefe davon. Ich glaube nicht daß man es so sehr als einen Scherz ansehen sollte wenigstens denke ich gern daran und warum sollte es nicht ausführbar sein  ! Meine Häßlichkeit steht mir dafür daß der Sultan mir nicht den ehrenwerthen Antrag machen wird in seinem 383 Karl Morgenstern (1770–1852) war Altphilologe an der Universität Dorpat. Er war Gründer und erster Direktor des universitären Kunstmuseums in Dorpat. 384 Vermutlich meint sie hier die Arbeiten des Freundes Rugendas.

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Harem Platz zu nehmen also was sollte mich hindern den Versuch zu machen  ? – Dummes Zeug  !  ! – | Du freust Dich über die beschriebenen angefangenen Bilder. Die Wäscherin ist diejenige welche d. h. die Figur fertig ist, sie gefällt, aber nachdem sie bewundert, sagte man  : »aber warum eine Wäscherin« Bernhardt sagte neulich als er sie sah »Das ganze ist außerordentlich wacker gemalt, es ist das Beste was Sie bisher gemacht, ich könnte Ihnen durchaus nichts als Fehler anrechnet [sic], gut gezeichnet schön in der Farbe, pastos und kühn der Vortrag allein die Idee ist nicht schön, es ist schade darum etc, etc«  ! Rugendas sagt auch »es ist so schön daß ich möchte, sie machten eine Mutter mit einem Kinde vor einem Kamin sitzend, was etwas mehr Poesie hat als dieses« – da muß ich nun freilich Arme und Hände und Rock wegkratzen allein ich thue es gern, das Kratzen ohne zu weinen habe ich bei Bernhardt gelernt. Ein anderes Bild, ein schönes Mädchen in einem licht blauen Atlasgewand mit Kaputze über den Kopf versehen mit der schwarzen Larve385 in der Hand, im Hintergrund durch eine Thür oder Gardine einen beleuchteten Ballsaal ahnend steht in Arbeit. Mit dem Gewande hat es hier eine Noth. Tante wird mir wahrscheinlich Atlas kaufen müßen, da wir nichts bekommen. – Ich danke Dir daß Du mir erzählst was Alexander thut was er zeichnet, es wäre freilich wünschenswerth daß er bald möglichst nach Deutschland käme, da man nicht einmal Gipsköpfe in Dorpat haben kann. Du sagst bei der Gelegenheit daß ich ihn unterrichten soll wenn er nicht hinaus könne. Rugendas mit dem ich darüber sprach meint dasselbe d. h. | wenn ich noch ein Jahr länger hier bleibe. Er wünscht durchaus nicht daß ich im Herbst Deutschland verlasse und doch kann ich nichts dazu thun. Ich sprach mit der Tante heute bloß flüchtig (wir wurden immer wieder gestört) aber sie gab mir nie eine entschiedene Antwort. – Ich lasse die Leute machen mit mir was sie wollen denn ich habe weder zum Bleiben noch zum Gehen Geld daher kann ich jetzt wenigstens Heute nichts Bestimmtes drüber sagen. Rugendas wird Dir schreiben und wahrscheinlich mit dem Onkel und der Tante sprechen, ich wünsche sehr daß es bald entschieden wäre denn eine solche Ungewißheit ist höchst unangenehm und peinlich sogar. Die Banknote welche Du mir wieder gesendet läßt uns fürchten daß Ihr das Geld mit [sic] um wechseln könnt. Sollte dies der Fall sein so schreibe mir mit nächstem Brief gewiß darüber, aber könnt Ihr es aus geben so sey so gut mir nichts zurück zu schicken ich bringe Dir auch ohne dies Farben mit, für Dich für Alexander für mich selbst. Schreib mir gewiß im nächsten Brief wie es mit den Thaler Banknoten bei Euch steht, aber gewiß und schicke mir nichts mehr zurück. Mich befremdet es sehr daß meine baldige Heimkehr schon durch ein Blatt ver385 Bezeichnung für (Gesichts-)Maske  ; heute vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gebraucht.

456 | Die Briefe kündet worden ist, ich begreife es nicht. Wie heißt das Blatt und wie der Courländer, Glaviervirtuose  ? Daß Minna Meyer Braut ist freut mich ungeheuer, der Armen ist es zu gönnen eine Stütze durchs Leben zu haben. Sie hat es auch recht sehr verdient. Grüßt sie herzlich von mir wenn es Euch möglich ist, sagt ihr wie sehr es mich freut daß sie heirathet. – | Auf die Frage ob ich noch Ultramarin habe antworte ich mit einem bestimmten »Ja  !« – ich male fast nie mit dem echten, meist mit dem Meißner Ultramarin oder Kobald – Letzteres ist besonders schön, trocknet nur all zu rasch, im Sommer fast unter den Händen. – Für heute Gute Nacht  !  !  ! – d  : 4 März 1850. Ich will fort fahren im Beantworten Eurer Briefe, Mutter Carl, Mieze stehen vor mir und warten auf Antwort. – Dein Kleid liebe Mutter ist hübsch aber theuer wäre es für die hiesigen Verhältnisse. Tante wundert sich und kann’s kaum glauben.  – Der Brief von Carl hat mich gefreut, er ist lebhaft und schön geschrieben und verräth mir durchaus keine Schwäche was hat ihm denn gefehlt im Herbste  ? Wie heißt die Krankheit, welche er durchgemacht hat  ? – Eigentlich habe ich nichts zu antworten auf seinen Brief nur ihm für denselben zu danken und zu bitten öfter mit Euch zu schreiben. Schwester Mieze gleichen Dank und bitte zugleich Grüße an Schwarz den armen Jungen  ! Ich möchte dem guten Herrmann auch schreiben doch dieser Brief wird sehr stark werden da Tante und Rugendas auch mit schreiben wollen. – Jetzt wieder zu mir zurück damit ich nicht zu weit gedehnte Worte ohne besonderen Grund mache. – Diese Woche ist mir vergangen d. h. die vergangene, (denn heute haben wir erst Montag) unter immer währendem Harren und zuletzt habe ich doch die Leute versäumt welche ich erwartet. Z. B. Kiel. Er war am Mittwoch386 da ging ich erst um 1 zu Mittag | nachdem Rugendas dagewesen fort um mir ein Modell zu holen, denn dies war doch die Stunde wo alle Welt beim Mittagstisch sitzt – ich war keine viertel Stunde fort und als ich wieder kam gab man mir seine Karte. Donnerwetter  ! ein ander mal führte Rugendas Ledebours zu mir, die Magd im Hause sagte zu ihnen  : »das Fräulein ist wahrscheinlich zu Tisch gegangen«, worauf Rugendas antwortet  : »nein sie ißt nicht und trinkt nicht« – Ledebour fragt darauf  : »schläft sie auch nicht  ?« Mein lieber Freund Bergerhof ist wieder gekommen und schenkte mir Zeit ihn zu malen. Er ist ähnlich und doch ist er es nicht, seine Liebenswürdigkeit habe ich nicht hineingelegt. – Jetzt erst erkannte ich’s daß er gar nicht schön ist daß nur sein Ausdruck ihn mir so erscheinen ließ. – Diese Woche wohl noch werde ich Vonderdann beginnen, das Bild soll die Leute hier in Aufregung bringen wenn es ausgestellt ist, wenigstens soll gesprochen werden mehr als an dem ersten. Die berühmtesten freuen sich meines bischen Talent’s, die weniger tüchtigen, wie z. B. Stieler machen Intriegen. Wir 386 Am 27.2.1850 war also Kiel das erste Mal in Julie Hagens Atelier.

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sind im Concerte gewesen, sind abonirt auf 4 – und da habe ich denn meinen Spaß mit den Frauen dieser Künstler. – Während wir allenthalben grüne Wiesen haben, sitzt Ihr Armen noch tief im Schnee. Die Knospen der Bäume schwellen hoch an. Das liebliche Durcheinander der Vögel ist köstlich wenn ich des Morgens durch den Englischen und Hofgarten eile – Um wie viel schöner ist es doch hier als dort  !  ! – d  : 6ten März 1850 Sehr trüb ist es heute und hat den Anschein daß es noch lang so trüb und regnerisch bleiben wird. Deshalb kann und mag ich Vonderdann nicht anfangen. Dieser Kopf oder eigentlich dieses Bild soll meine | Kariäre bestimmen. Gestern fing ich nun wieder mit der Tante an, über mein gehen oder Bleiben zu sprechen und es hat den Anschein daß ich nun doch wieder bleibe, sie schreibt selbst daher ich lieber schweige. Dem guten Herrmann sagt daß ich in zwei höchstens drei Tagen einen Brief an ihn abschicken werde, bis dahin soll er sich mit herzlichen Grüßen begnügen, auch Wachters, Dumbergs Rosalie etc. Da ich nun wahrscheinlich wieder länger in München bleibe so bitte ich sehr im Fall Leute nach Deutschland kommen es mir bei Zeiten zu schreiben damit ich einige Arbeiten vollenden kann um sie Euch im Herbst schicken zu können. Ich bin nicht so sehr vergnügt, noch hat die Nachricht des Bleibens mich nicht ganz erfaßt, ich kann es noch nicht glauben. – Mir ist als hätte ich noch viel zu sagen und dennoch weiß ich den Augenblick gar nichts, der Brief muß fort  ! Er wird sehr stark, Ich dachte daran einige Blätter weg zu lassen und mit dem Briefe an Herrmann zu schicken allein es ist so schlimm mit der Antwort was ja denn zwei Monate lang dauert. NB  : Rugendas Urwald welchen Krüger in München gesehen will haben befindet sich in Berlin, im Palast des Prinzen von Berlin, ein anderes auch dort im Schloß des Königs. – Die Kleine hat geschrieben aus Mannheim und grüßt Euch herzlich, das gute arme Kind  ! – Heute Abend ist wieder Conzert. Der König Ludwig welcher immer noch sehr verehrt wird, macht bei solchen Gelegenheiten in der ersten Pause immer die Runde durch den Saal und spricht mit den Bekannten einige freundliche Worte, oft kommt es aber auch vor daß er jungen hübschen Mädchen fragt »sind Sie verheirathet  ?« Heißt es nun »nein«. – So fragt er doch gewöhnlich weiter  : »wie viel Kinder haben Sie  ?« Man erzählt sich in dieser Art nette Sachen von ihm – es ist ein gar drolliger Kautz  ! – jetzt muß ich aber nun doch schließen um nicht noch ein neues Blatt an zu fangen. Lebt daher wohl meine lieben Aeltern und Geschwister genießt den kommenden Frühling und seine Gaben und gedenkt Eurer treuen Julie | So viel ich behalten will ich hier über die Untersuchung meines Kopfes des Herrn Doctor Scheve nieder schreiben leider kann es nur sehr mangelhaft sein. also –

458 | Die Briefe 1) Geschlechtsliebe  : Ist da, aber gering  ; werde nie leidenschaftlich lieben, meine Liebe wird eine höhere sein, kann Opfer bringen etc. etc. 2) Kinderliebe, stark, um deren Willen sollte ich heirathen sonst brauchte ich’s nicht – ich würde keine unangenehme Jungfer werden – ich brauche keine Stütze um glücklich zu werden – na was will ich mehr  !  ? 3) Einheitstrieb  : gut 4) Kampfsinn im rechten Maaße – kann sehr heftig werden aber bald wieder gut sein – O ja  !  ! 5) Zerstörungstrieb  : sehr gering. 6) Verheimlichungssinn außerordentlich schwach 7) Anhänglichkeitstrieb, sehr bedeutend 8) Erwerbstrieb schwach 9) Beifallsliebe mäßig 10) Vorsicht, Sorglichkeit gut 11) Wohlwollen, ganz entschieden stark, außerordentlich ausgebildet 12) Ehrfurcht, Religiosität sehr gut 13) Gewissenhaftigkeit gut 14) Festigkeit sehr bedeutend 15) Hoffnung gut 16) Idealität sehr gering | 17) Nachahmung sehr groß 18) Formensinn ganz besonders ausgesprochen, wäre zur Malerin geboren und besonders eben für’s Porträt er sagte »wüßte ich nicht daß Sie malen, so würde ich sagen schade daß sie nicht zur Künstlerin ausgebildet denn so bedeutend ist dieses Organ.« Der Farbensinn ist gut allein bedeutend geringer als der Formensinn 19) Vergleichungsvermögen gut 20) Schlußvermögen gleichfalls 21) Tonsinn nicht bedeutend obgleich vorhanden. Die übrigen Nummern habe ich vergessen selbst die gegebenen nicht so mir gemerkt wie ich’s gern gethan hätte. Alexander hätte ich gern hier gehabt um seinen Kopf untersuchen zu lassen, sein Bildchen zeigt mir aber dieselben Gehirn-, namentlich Augenbildung wie bei mir und das berechtigt mich zu glauben daß er Formensinn hat. Seine Augen stehen weit außeinander, weit wie bei keines der übrigen Geschwister. Johannchen hat übrigens auch weit von einander stehende Augen  ; ich glaub sie kriegt die Fratze ihrer ältesten Schwester. – Rugendas war am ersten Merz auf ein Tag nach Augsburg gegangen und als er wieder kam nach München erzählte er daß die Augsburger eifrige Phrenologen geworden, daß die Damen alle ihre Zöpfe statt hinten, vorn auf der Stirn tragen damit man überall bei kann und

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den Schädel zu untersuchen, zum Lachen dumm  ! – Rugendas hält am nächsten Montage einen Vortrag über Mimik in der Gesellschaft als President. | An Fräulein Julie Hagen Am Julianna Tage – den 16ten Februar 1850 -----------Ob Julie oder Juliannen sind zu feyern Daß frag ich nicht – ich fange an zu layern Und reime lustig auf die lieben Julien Die ich gekannt – zum Beispiel in Apulien. (In zwanziger Jahren war’s  ; als dort ich reiste Und in Tarent bey Julia Rossi speiste.) Im Frankenland kannt ich der Julien Eine In Chile Eine und sonst weiter keine. – Doch Romeo’s Juliette, Schakespears und Bellini’s, Und eines früheren Meisters auch noch vor Rossini’s Sie kannt ich all und schwärmte mit ihnen Und weinte um Julien mit Lamartinen. Ich glaube nicht, daß Andre ich vergessen Doch will zu schwören ich’s mich nicht vermessen Auch hab ich die genannten nicht zu feyern Und denke nicht ihr Lob hier zu erneuern Doch da sie ungerufen mir erschienen So wollen sie Dir wol als Folie dienen | Sie stellen sich wie Medaillon’s im Kreise Und in die Mitte Dich, – nach Brughel’s Weise In Blüthen eingerahmt und in Guirlanden Wie er allein zu malen sie verstand. Sie schauen stolz – daß sie auch Julien heißen Ich sehe sie ehrlich, eifrig Deine Werke preisen Ich wett sie wünschen selbst – Du mögst sie porträtieren Und ich – ich sollte wol sie günstig presentieren »Lasst ab  ! – Lasst ab  ! Lasst Julien Ruh und auch berathen »Ihr wüßt es wol, sie ist mit Arbeit überladen »Gar viele wollten mich compromittieren »Ich möchte sie zur Russin Hagen führen

460 | Die Briefe »Man zankt sich schon um ihres Pinsels Gunst »Und findet Worte kaum, zu preisen ihre Kunst »Auch muß ich noch, wol im Vertrauen sagen »Sie wird nicht lange mehr den Namen Julie tragen. »Angelica – die Zweite – sey ihr Namen »Den laß ich stechen unter ihres Bildes Rahmen »Und (wird’s erlaubt) folgt noch die dediahs »Gewidmet vom ergebenen Freund Rugendas.

Moritz Rugendas an August Matthias Hagen aus München, 6.3.1850 Dieser Brief ist angekündigt in dem vorhergehenden Brief von Julie Hagen an die Eltern vom 10.2.1850. Er handelt vor allem davon, dass sie im Herbst zurück soll nach Dorpat und Rugendas möchte, dass sie mindestens noch ein Jahr »draußen« bleibt. Mein sehr verehrter Freund, Es bedürfte einer langen Entschuldigung der Verspätung der Erwiederung Ihres werthen Schreibens vom 5./17.12. v. Jahres allein es möchte ein dahin gerichtetes Bestreben nicht mit bessrem Erfolge gekrönt werden als Versuche Mohren weiß zu waschen. Es ist darum wohl besser – Papier zu schonen daß ich im Gefühle meiner Sündhaftigkeit stille schweige und Gericht über mich ergehen lasse. Daß winzige, was sich glimpflich anführen ließe ist, daß Ihr w. Brief eintraf als ich eben erst als Rathgeber und Diregent der Studien ihrer lieben Tochter in Funktion trat und nur Zusagen hätte vorbringen können – statt der gewünschten Berichte meiner Wirksamkeit. Schade daß sich nicht durch Einsendung von Arbeiten Fräulein Juliens gleich belegen läßt, welcher Fortschritt stattgefunden. Auch dann noch wäre in Frage zu stellen ob der Fortschritt z. Zeit von meinem Einfluß herrühre, nicht die Entwicklung des Talents der Kunstfertigkeit dem selbständigen Schaffen entspringe – Ich beanstande wenigstens selbst sehr daß meine Besuche im Atelier Fräulein Juliens ein anderen Nutzen bringen können als ihr Mut und Selbstvertrauen zu geben. – Dahin wirke ich – u. höchstens noch auf Anordnung und Geschmack. Malen kann Fräulein Julien ohne Bernhardt und Rugendas u. sie malt bald besser wie der erstere und zweite – nun der hat ja nie gemalt – da ist sie geschickter als der Lehrer. | Daß Fortschritt in den Arbeiten Fräulein Juliens sehr bemerkenswert ist – darf ich Ihnen auf Treu und Glauben versichern. Fräulein Julie wendet mit Glück alles Gute an, was sie bei Bernhardt erlernt hat. Seines täglichen Besuches – sei-

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nes allzeit erwarteten Rathes nicht mehr gewärtig – wendet sie die gesammelten Kenntnisse nach eigener individueller Ansicht nach ihrem Gefühle an – daß sie glücklich leitet. Daß diese Fortschritte existieren – daß sie auffallend sind – möchte Ihnen wohl am ersten der Meister Bernhardt bestärken u. Gewährsmann sein – er selbst äußert sich dahin, daß z. b. die Waschende – das beste sey was Fräulein Julie je gemalt – daß sie vollkommen gut ohne ihn male. Der Beifall Kaulbachs u. anderer ist ihr ebenso entschieden geworden u. ich bin überzeugt, daß die erste Arbeit welche sie in den Kunstverein bringen wird – Epoche machen muß. – Daß die liebe Schülerin an Zuversicht zu sich selbst gewinne ist meine Hauptaufgabe – mein nächstes Streben dann – sie auf Anordnung aufmerksam zu machen – und auf richtige Auffassung der verschiedenen Modelle – des charakteristischen Colorits  – der ihr sitzenden Personen etc.  – Endlich auch auf strenge Zeichnung – sowie auf Composition. Fräulein Julie hat ungemein viel gearbeitet, geleistet in diesen zwei Monaten und wir sind doch noch nicht recht zu dem gekommen auf was ich mich vorzüglich freue lieblich naive Aufgaben sich zu wählen. Es sind hier leider viel zu wenig Vorbilder zu finden und (ich meine nicht im Leben – sondern in der Kunst) u. – so wird das einfachste Arrangement schwer. | auch ist der alte Schlendrian der Schule  – allem entgegen  – was ihren gewöhnlichsten Darstellungen nicht entspricht. Sie begreifen nicht hier – daß das einfachste – der Natur entnommenen Motiv – künstlerisch gut aufgefaßt und trefflich gemalt Kunstaufgabe seyn könne. – Sie begreifen nur Fabel – Mythe – Historie und Gott weiß wie. So sind wir beinahe genöthigt an der gelungensten Arbeit ihrer Julie eine Änderung vorzunehmen und der Wäscherinn eine andere Beschäftigung zu geben  – weil den Leuten waschen nicht malbar würdig erscheint u. man unmoralisch findet daß die Wäscherinn nicht ein Halstuch umgethan und nicht geschnürt ist. – Daß sagen Kunstwäscher. Die Herren wollen nur Mußen  – zu denen doch die ihnen hier gebotenen Modelle ein für allemal nicht passen – wenn man denn die edle italienische – oder überhaupt südliche Natur nicht kennt – so kommen eben Musen u. Göttinnen heraus wie sie Cornelius macht – Himmlische die recht gut hätten Stallmägde bleiben können. Wir werden uns aber weiter nicht irre machen lassen und uns allmälig von diesem Schulwesen emancipieren. Fräulein Julie – soll mir die niedlichsten Kräutlein Grisetten etc. malen und schön malen und sie werden Furore machen. – Es wird neben dem Porträt ihr Genre seyn. Ihre Organisation bewegt sie nicht zu classischen historischen Darstellungen  – ich bemerke nicht daß sie sich zum Componieren hingezogen fühle – also bleiben wir beym Portrait – bey der naiven Darstellung der Natur. Sie bietet des Schönen allein schon genug. | Sie ist nun schon bedeutend im Porträt und einige glücklich gelungene Aufgaben – die ihr zunächst bevorstehen werden unbezweifelt den allgemeinen Beifall

462 | Die Briefe sich verdienen – ihre Zuversicht mehr bestärken daß sie immer schöneren Erfolgen entgegen gehe. Sehr wünschenwerth erachte ich – daß Fräulein Julie noch dieses Jahr hier verweile daß sie wenigsten hier verweile wenn ihr nicht allenfalls Gelegenheit gegeben wird nach Italien zu gehen. Ich halte es für höchst wünschenwerth, nützlichst – nothwendig. Jetzt ist die Zeit des Studiums für sie – aus diesem darf sie nicht schon gerissen werden. Sie selbsten sah ich in Zweifeln – sie trägt Verlangen – wie natürlich – nach dem Vaterhause – sie trägt aber wohl beynahe ebenso großes nach Italien um dann um so tüchtiger ausgebildet im Kreise der Ihren zu erscheinen. Ich werde mich mit Herrn Baumgarten sehr darüber besprechen u. bitte, daß Sie vorläufig – wenigstens nicht abrufen – ich denke daß für Fräulein Julie – ein verlängerter Aufenthalt von Seiten der Regierung nicht beanstandet werde. – Sie wird ihrem Vaterland dann nur umso mehr Ehre machen. – – – – – Es kommen wieder störende Besuche – Fräulein Julie wartet im Atelier auf den Brief. – – ich muß also eiligst schließen u kann mich jetzt nicht mehr über {die von} Ihnen gemachten Bemühungen aussprechen – ich fürchte Sie haben Noth – die Schmieren loß zu werden – für die sich Ihre Verwandten hier – gütigst avanturirt haben. Ich hoffe durch einige tropische Landschaften einmal – gut zu machen. – Ich muß absolut schließen u. finde nicht Worte u Namen mich Ihnen mein Verehrter– bestens zu empfelen bin u bleibe aber Ihr sehr ergebener Freund Mor. Rugendas Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 12.3.1850 München d  : 12 März 1850 Meine theuren Aeltern  ! Es wird ordentlich lustig  ! ich muß gleich mit dem Lustigen beginnen ehe ich aufhöre zu lachen – Bald wird es zum guten Ton gehören mein Attelier zu besuchen, so sagte ich vor einigen Tagen aus Scherz aber nun muß ich herzlich lachen und denken es wird Ernst. Am Tage als ich meinen Brief an Euch vom Stappel laufen ließ kam der bekannte Hundertpfund387 aus Augsburg mit Damen und Herrn theils Schüler und Schülerinnen von ihm zu mir (sein Buch über Kunst hat ihn der Welt bekannt gemacht)388 Er war wieder ein Mal einer von denen welche mit wahrer, sichtlich aufrichtiger Freude meine Studien an sah und sich äußerte. Es 387 Liberat Hundertpfund (1806–1878) stammte aus Bregenz und absolvierte seine Ausbildung in Wien und München. Seit 1835 lebt er in Augsburg. Dort war er vor allem als Porträtist tätig, später zunehmend auch im religiösen Fach. 388 Liberat Hundertpfund, Die Malerei auf ihre einfachsten sichersten Grundsätze zurückgeführt. Eine Anweisung mit ganzen Farben alle Halbtöne und Schatten ohne Mischung zu malen, Augsburg 1847.

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wäre nicht schön wollte ich alles aufzählen was und wie er sich äußerte, genug er war äußerst erfreut. Am Nachtisch kam Kiel in Begleitung des Freundes R. diesen Mann hatte ich mir anders vorgestellt. Er ist wohlgenährt, gar nicht geistreich, noch gescheut aussehend und scheint mir den gewöhnlichen Livländischen Adelsstolz zu besitzen und in einem nicht geringen Grade. Er lobte, fand daß ich das Großartige liebe, nichts Kleinliches etc. habe. Ich könne ruhig hier bleiben da mein Paß auf unbestimmte Zeit sey u. s. w. Er reist bald nach Rom, kommt dann wieder, will mich besuchen. Kurz er ging ohne nur den mindesten angenehmen Eindruck auf mich ausgeübt zu haben. Na ich war aber froh daß er endlich da war. Die folgenden Tage hatte ich wieder Besuch von Bekannten aber noch mehr Fremden, eleganten Damen etc. Am Samstag endlich hörte ich wie man bei meinen Hausleuten nach meinem Attelier fragt. Es war ein Maler Faber389 welcher höflichst bat meine Arbeiten ansehen zu dürfen da er so viel | von ihnen gehört. Gestern als am Montage hatte ich mich eingeschlossen da ich eine Hand zu malen hatte an mein Dominofräulein und wollte nicht gestört {werden} später that es mir leid denn es wurde zwei Mal nach meinem Attelier gefragt, und wie die Leute im Hause sogar sagen seyen es Künstler gewesen. Nicht wahr es ist recht lustig  ? Rugendas ist ganz glücklich und glücklicher als ich darüber. Das Bild welches ich jetzt auf der Staffelei habe soll ausgestellt werden  ! Und ich glaube daß es gefallen wird denn das Gesichtchen ist gar hübsch vielleicht schön. Aber es wird wol noch eine Zeit lang dauern. Heute früh schickte ich einen Brief an Hartmann ab. Gestern Abend wurde es zu spät und da meine Augen sehr schmerzten so habe ich nicht mehr an Euch diese Zeilen schreiben wollen. Den Abend soll ich durchaus nichts thun wenn ich nicht entzündete Augen haben will  ; es ist recht unangenehm  ! Um 9 Uhr oder ½ 10 Uhr geht man ins Bett um ½ 7 Uhr steht man auf sein halbes Leben verschlafen ist ein unschöner Gedanke  ! – d  : 13. Mein Modell läßt mich dummer Weise sitzen wie es scheint, eine Zeit lang laß ich schon und da das Blatt bereit hier auf dem Tische liegt so will ich Euch wenigstens einen guten Morgen wünschen. Die Nacht träumte mir so viel von Carl. Da ist nun mein Modell also muß ich auf hören wo ich anfing. d  : 16 März 1850. Eigentlich möchte ich gar nichts thun, so müde bin ich vom Nichts thun und doch hätte ich so viel zu thun  ! – Seit heute ist es wieder heiteres Wetter | dabei aber 7 Grad Kälte, entsetzlich  ! Nach so warmen entzückend schönen Frühlingstagen. Die trübe Witterung war der Grund daß ich immer noch 389 Dies könnte der Offizier und Maler Otto von Faber du Faur (1828–1901) sein, der 1851 Schüler des gemeinsamen Münchner Bekannten Alexander von Kotzebue wurde. Später avancierte er zum gefeierten Schlachtenmaler, orientiert sich an den französischen Koloristen der Spätromantik. In seinem Spätwerk entwickelte er einen freieren expressiven Stil, der ihn von den gängigen Auffassungen isolierte.

464 | Die Briefe nicht von der Tann (endlich einmal schreibe ich diesen Namen richtig) begonnen habe und nun wird am Ende nichts draus da ich gestern in der Zeitung las wie er wieder von den Schleswigern verlangt wird. Rugendas geht morgen zu ihm und dann wollen wir weiter von dieser Sache reden. Hat er jetzt den Augenblick als Atiotant beim König Dienst zu machen so sieht es freilich bös aus. Trotz des schlechten Wetters hatte ich Besuch alle Tage. Alles möglich unter einander. Wie oft hat es mich schon gelöchert zu hören daß Leute welche zu mir geführt worden waren, nach her sich gewundert keine stolze weise alte u. s. w. Person in mir gefunden zu haben. Kann ich von der Tann nicht jetzt malen so soll mein Dominofräulein bald ganz fertig werden damit sie in den Kunstverein kommt. Ein Engelsköpfchen habe ich in der Arbeit seit gestern Copie nach einer Copie, von wem, weiß ich nicht, um den Verwandten ein Osterei zu geben. Ich habe das Bild wider meine Gewohnheit grau in grau untermalt  ! Um denn bloß mit Lasurfarbe die Fleischtöne zu malen. Morgen um 14 Tagen ist schon Ostern unbegreiflich  ! Wohin ist die Zeit  ?? Wahrscheinlich werde ich grad zu dem Feste Eure Briefe bekommen und ich sehne mich eigentlich jetzt schon danach. Gestern war meine Sehnsucht nach Euch allen wieder ein Mal recht lebendig in mir erwacht und ich konnte nicht begreifen wie die Zeit bis ich Eure Briefe habe nur vergehen soll, heute ist es besser | nur bin ich nicht ganz geheilt. Was ist es doch für ein schönes Mittel um das Schreiben um auch aus der Ferne sich Mittheilungen zu machen  ; obgleich sie so weit hinter der mündlichen Unterhaltung steht so preise ich mich glücklich wenigstens das zu haben. Sonntag d  : 23.  – Grad 8 Tage sind’s seit ich nicht schrieb  – im Geiste that ich’s oft nur konnte ich durch äußere Umstände verhindert nie in Wirklichkeit dazu kommen – Am Tage malte ich sehr fleißig und des Abends übte ich auf der Zither oder ich hatte anders wo zu thun. Vergangenen Sonntag – ich will von da beginnen wo ich stehen blieb – schrieb ich ehe ich von Hause ging an die alte gute Herrmann darauf machte ich einen Besuch dem Hofmaler Etzdorf (Ihr erinnert Euch wol seiner, der mir das Kohlen lehrte etc.) da er mir einige Tage vorher einen Besuch gemacht. Ich sah sehr hübsche Sachen bei ihm namentlich sehr schon Portionen aus Schweden. Ein wilder reißender Charakter im Vergleich zu den großen herrlichen Formen Tirols. Nachdem ich dort viel gesehen und mich erfreut ging ich zu Ledebour.390 Der Alte mit Nichte waren nicht daheim doch

390 Zu diesem Zeitpunkt beginnt die enge Freundschaft mit der Familie des Botanikers Carl Friedrich von Ledebour, dessen Frau Elisabeth, geb. von Mirbach, eine Kurländerin war und einen geselligen Kreis in ihrem Haus etablierte, zu Ledebours vgl. Anm. 65. Die Ziehtochter der Ledebours, Julie Dreuttel (Lebensdaten unbekannt), wurde eine enge Freundin Julie Hagens, auch über die Münchner Zeit hinaus.

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aber die alte Frau welche mir sehr angenehm ist, aus jedem Worte spricht herzliches Wohlwollen, Wahrheit und Aufrichtigkeit. d  : 25 März 1850. Ihr seht nun selbst wie es mit meinem Schreiben geht  – Kaum begonnen muß ich’s auch schon liegen lassen. Aber heute soll mich nichts stören, ich werde nicht ein Mal die Zither spielen um den ganzen Abend bei Euch sein zu können und so will ich denn auch gleich wieder dort, wo ich stehen bleib anfangen zu erzählen. Also Ledebours. Sie empfing mich herzlich und sagte mir wie sie stolz auf mich sey etc. etc. | Ihre Worte  : »Meine liebe Landsmännin ich kann Ihnen aufrichtig sagen, ohne Ihnen damit ein Compliment machen zu wollen, Sie haben hier schon einen Namen als Künstlerin« – Sie möchte mir gern für die Zukunft behilflich sein kurz ich hatte mit Freude unsere nordische Freundlichkeit in dieser Frau wieder erkannt.  – Sie ist seit ich sie zuletzt sah recht alt geworden aber ruhig und wohlauf wie es scheint. Ich muß gestehen daß ich von neuem die hiesige Sitte nicht des Abends aus zu gehen, recht ausgesucht dumm finde, wie gern ginge ich dort hin und dahin um meinem einfachen Geiste einige Anregung zu verschaffen aber es geht nun ein Mal nicht, dies habe ich zwei Tage später nach dem Sonntage so recht lebhaft gefühlt und erkannt. Nämlich die Doctorin Förster391 geborene Jan Paul kam zu mir um mich zum Mittwoch abend zu sich zu laden – Ich sagte zu, ohne zu wissen wie den Abend heim kommen da wir niemand haben der nach kommen konnte – unsere Magd ist eine stumme u dumme taube Person mit der nichts anzufangen ist. Dort fand ich gegen 20 lauter junge Mädchen denen ich theils vorgestellt wurde, theils ließen sie sich mir vorstellen. Man sprach viel von meinen Arbeiten, glaubte schon daß ich von der Tann gemalt habe u. s. w. München ist voll von dieser Neuigkeit  ! Und ich erhalte jetzt erst Bedeutung da ich allein auch was zustande bringe.  – Um 12 Uhr ließ die Förster mich nach hause führen. – Am Sonntag kam Rugendas Nachmittag und sagte mir daß von der Tann gleich nach Ostern erst sitzen kann während dessen sind zwei Bilder entstanden. Das Engelsköpfchen, das bewußte Osterei für Tante und Onkel und dann ein Beduine, ein Mohr im Beduinenmantel welches Bild nicht übel geworden mir scheint, wenigstens ist es außerordentlich Charakteristisch in seiner Einfachheit, die Stimmung ist gut, Luftgrund welcher nach unten zu in heißem | Sandstaub sich verliert. Es ist sehr sehr einfach aber ich glaub gut und ansprechend.  – Morgen beginne ich den Hintergrund zur Dominofräulein zu malen, ich möchte so gern bis Ostern das Bild fertig haben, will sehen ob es geht. – Bisher hatte ich eine wunderliche Scheu vor Mohren  ; allein dieser hat mir alle alberne Furcht genommen. Er ist nicht mehr jung nah an 40 Jahre muß er sein und ist äußerst unterrichtet, in allen Fä391 Emma Förster (1802–1853), die Tochter Jean Pauls, war verheiratet mit dem Maler und Kunsthistoriker Ernst Förster (vgl. Anm. 351).

466 | Die Briefe chern der Wissenschaft eingeweiht. Wenn er nicht Modell sitzt giebt er Stunden in der Spanischen, Italienischen und Französischen Sprache. Manches Mal setzte er mich, durch seine richtig scharf und tief gefühlten Ansichten in erstaunen und bis weilen konnte er mich rühren durch seine schöne Sprachweise, alles was er sagte klang ordentlich dichterisch, so französisch elegant, fein nobel. Ich muß sagen daß ich sehr eingenommen bin von diesem armen Kerlen. – Von der guten Herrmann aus Dresden hatte ich heute einen Brief. Die Kamelien blühen bei Seidel ganz herrlich obgleich auch dort völliger Winter ist seit 14 Tagen ist es bitter kalt 8 und 10 Grad abwechselnd. Sehr empfindlich nach der Wärme von 17 Grad Wärme im Schatten. Der Wind ist unausstehlich und jetzt erst habe ich mir die Finger der rechten Hand verfrohren. Ich glaube beim Malen da dem guten Rugendas dasselbe passirt. – Es schneit immer wieder und friert dann umso heftiger. Am Sonnabend mußte Rugendas zum Thee zur Königin Marie392 mußte viel erzählen. Gestern als im Palm Sonntag waren wir im Conzert des großen Oratorium  : | »Christus am Ölberg« – wurde aufgeführt, mir eine unverständliche Musik nach der ersten Abtheilung sagt der König Max zu Rugendas sehr naiv  : »Die Königin Marie hat heute Kopfschmerzen« (sie war nicht im Conzert) Rugendas antworte  : »ich auch Majestät.« Ich habe in dieser Zeit wieder viel Besuch gehabt und man hat mir adlige Damen aus Wien angemeldet – nur zu  ! – Charfreitag d  : 29 März 1850. Es ist ein trüber Tag, alles geht herum als wäre Geist und Körper todt krank. Die Witterung ist in selber Stimmung und auch ich bin’s nicht traurig sondern ärgerlich über eine Kleinigkeit vielleicht nur. Rugendas Geburtstag ist nämlich heute ich hatte ihm ein Lorbeerkranz bestimmt und der Onkel brachte welche nach Hause, vom Markt die aber schon halb trocken sind, als ich den Kranz binden wollte fand ich das und ließ es gut sein was er nicht begreift und empfindlich thut. Solch ein Empfindlichthun, oft wo ich keinen Grund mir zu sagen weiß ist unnatürlich, auch die Tante hat dieses an sich. Lieber offen sagen dann weiß man woran man ist. – Möchten Eure Briefe nur schon da sein  !  ! Heute soll und will ich nicht arbeiten was mich jetzt schon anuirt. Gestern übermalte ich eine Hand an dem Dominomädchen und sie ist aber ebenso schlecht geblieben wie sie war. Wenn ich nur wüßte wie ich es anfange schöne Hände zu bekommen, das Malen wäre dann leicht. – Später. Nach dem Essen. Gestern Festtag wo mehr denn 4 ausgezeichnet schmackhafte Speisen. In Rußland ist das Fasten Unsinn, hier aber noch mehr. Die Fasten|speisen sind immer so schön daß man sich überfrißt. Nach langer Zeit speiste ich zu Mittag. Die Nachspeise versuchte ich nicht mehr und die Tante 392 Marie von Preußen (1825–1889), seit 1842 Gemahlin des bayerischen Thronfolgers, der 1848 als Maximilian II. Joseph König von Bayern wurde. Sie war die Mutter Ludwigs II. und Ottos I.

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Abb. 18  : Hermann Eduard Hartmann, Miniaturbildnis von Carl Hagen, Bruder der Künstlerin, 1850, Privatbesitz

brachte als Dicer mir Eure Briefe. Ich war recht froh und habe bis jetzt daran gelesen. Das Porträt von Carl (Abb. 18) mag ähnlich sein nur hätte ichs an einem fremden Orte ohne Name und Unterschrift nicht als meinen Bruder erkannt. Er sieht alt und angegriffen aus. Sein Haar ist selten dünn, sie sind ihm wol nach der Krankheit aus gegangen  ? Er sollte sie sich ganz kurz schneiden. Der Ausdruck ist große Verwunderung, Erstaunen. Während ich schreibe liegt das Bildchen mir zur Seite und ich werfe bei jedem Worte das ich sage ein Blick darauf prüfend ob mein Auge mich nicht täuscht und es will mir scheinen daß, je öfter ich’s ansehe, die alten Formen mein Gedächtnis wieder findet. Morgen wird er lebendig vor mir stehen. Herrmann ist doch ein gar guter Kerl, wie viele Mühe giebt er sich um mir Freude zu machen.393 Wäre ich nun jetzt in Dorpat, ich würde ihn öfter als ein Mal küssen, wer übernimmt gern dieses Art ihm zu danken in meinem Namen  ? Miezchen als Braut bei der möchte das Gewissen dagegen sprechen aber Marie vielleicht  ? Gott da fällt mir ein  : das Mädchen von 16 Jahren und 7 Wochen fängt an zu fühlen, also Johannchen, mein kleinstes Schwesterchen das muß dem guten Herrmann recht herzlich danken, schreibt mir ob sie’s gethan so wie ich oben an geführt – dann soll sie auch etwas geschickt bekommen, oder ich schreibe ihr einen langen Brief – | 393 Unter den Porträt-Zeichnungen, die Hermann Hartmann von den Mitgliedern der Familie Hagen für die Künstlerin anfertigte, um sie ihr nach München zu schicken, ist nur eine auf das Jahr 1850 datiert und beschreibt daher naheliegenderweise den in diesem Jahr nach Dorpat zurückgekehrten Carl Hagen. Das Blättchen erhielt sie demnach mit dem kürzlich eingegangenen Brief aus Dorpat. Sein Verbleib ist heute nicht mehr bekannt, es befand sich bis 2013 im Nachlass der Familien Hagen und Schwarz in Tartu/Estland.

468 | Die Briefe Das neue Blatt hat lang gelegen ohne daß ich den Muth hatte ein Wort da­ rauf zu schreiben, der Unmuth von heute Früh hat sich wieder meiner Seele bemächtigt  ; ich weiß eben so wenig wie bis jetzt. Tante sagt ich kann noch hier bleiben, Onkel sagt gar nichts, das ist genug meint Ihr. Mein Gefühl verlangt mehr, ich möchte nicht daß man mich bloß duldet. Übrigens laß ich diese Sache gehen wie es geht. Merke ich daß ich nicht mehr angenehm bin so gehe ich ohne mich viel zu bedenken. Es wird mir wirklich schwer immer nur zu nehmen ohne etwas zu geben. Ich will ganz schweigen heute bin ich eigentlich unausstehlich widerwärtig. – Morgen ist Samstag übermorgen Ostern und es ist kalt sehr sehr eisig. Gestern wieder 10 Grad Kälte. Ihr seht mit unserem Frühling sieht es eben auch nicht sauber aus, die armen Blumen noch ärmeren Vögel  ! Morgen werde ich wahrscheinlich auch wol nicht arbeiten und dennoch, ich möchte so gar gern es thun, Donnerwetter  ! ich bin heute verdrießlich und gewiß nur weil ich nicht arbeite. Nachher gehe ich mit der Tante in die Kirche, die Gräber besuchen, vielleicht wird mein Ingrim sich in Demuth verwandeln. Ihr seit alle ziemlich wohl. Gott lob  ! Mit Alexanders Arbeiten geht es so weit auch nach Wunsch. Miezchen hat Briefe, Carl ist zufrieden und heiter. Ich wünsche nichts weiter als daß es so bleiben möchte. – Das Mädchen mit dem Blumenstrauß ist ebenso weit wie gewesen, da ich noch immer kein passendes Modell zur zweiten Figur gefunden und noch kein Costüm habe. Wann reißt die | Carus  ? Damit ich mich richten kann danach. Wie unendlich lang muß man an einem Bilde arbeiten bis es endlich fertig ist, das habe ich empfunden und empfinde es täglich mehr. Wie oft muß man seine Kratzmesser schärfen um zum Ziel zu gelangen, glaubt man daß Dieses oder Jenes gelungen so paßt es wieder nicht zu dem übrigen und das in Wirkungsetzen eines Bildes ist jedenfalls das Schwierigste, womit der Maler zu kämpfen hat. Die Hände und Arme meiner Wäscherin welche mir so ziemlich gelungen waren habe ich leider schon abgekratzt um mich in meinem festen Willen nicht doch noch schwanken machen zu lassen. Der roth wollene Rock ist äußerst pastos gemalt, was selbst Kaulbach, besonders in der Behandlung rühmte und ich gestehe daß ich mich noch nicht recht entschließen konnte da verheerend drein zu fahren und doch, es muß sein  ! Ich will dem Rugendas Deinen Wunsch mittheilen und sagen was nöthig ist. Ich habe an eine nächste Sendung durch die Carus gedacht und kein einziges Bild gefunden, welches fertig wäre, es ist wirklich schrecklich  ! – Aber ohne will ich auf keinen Fall sie heim gehen lassen – So viel hübsche Köpfchen stehen da und überall fehlt das Kostüm. Darin ist München verwünscht arm. Das Theater hat bloß Fetzen | mit denen ein Maler nichts anfangen kann – Um sich selbst etwas machen zu lassen dazu gehört eben ein großes Vermögen, welches Julie Hagen nicht besitzt. – Ist von Wilhelm lang kein Brief eingegangen  ? Wo ist er, was treibt er  ? – Minna Meyer ist eine dumme Gans. Wenn sie den Mann nicht liebt so soll sie es bleiben lassen und

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sich nicht lang besinnen, solch Unentschlossenheit ist mir in den Todt zu wieder. Wachters sind wie ich merke so ziemlich die Alten, es freut mich, auch Marga und Otto Dumberg springen nach alter Sitte einen Abend im Zimmer herum, recht so  ! das erinnert mich an meine Zeit. Macht denn Otto noch nicht sein Examen  ? Toller Kerl  ! Warum zögert er  ? – Sivers ist also wieder in Riga, seine Frau wol in Dorpat  ? An alle Grüße. Die Beschreibung des Bildes vom Italiener in Petersburg gemalt und zum Schluß das Gefühl des Neides und der Wunsch es möchte Julie gemalt haben, hat mich außerordentlich gedemüthigt  – noch nie erkannte ich so deutlich wie hoch Deine Erwartungen und Wünsche Ansprüche etc. in meine Leistungen gespannt sind. Ich begreife nicht wie der Gedanke nur bei Dir erregt worden ist da mein Weg mein Ziel ein durchaus verschiedener ist. Ich kann erstens die Studien nicht machen welche ein solches Bild, eine solche Composition erfordern und gewiß fehlt mir gänzlich jede schöpferische Kraft. Um des Himmels Willen erwarte und verlange nicht mehr als | ein erträgliches Porträt, darin liegt gewiß auch schon ein recht ernstes Studium und gehört nicht etwa zu den leichtesten Fächern der Malerei. Wenigstens kannst Du mir glauben daß ich mich getummelt habe und tummeln werde noch so lang ich in Deutschland weile und auch später {um} ein immer währendes Fortgehen mich bemühe. – Ich fühle das es nicht geht mit dem Componiren was mir allerdings Schmerz macht allein ich denke es führte zu nichts Rechtem wollte ich’s erzwingen meine Kräfte überspannen. Ist doch van Dück394 groß berühmt geworden durch seine bloßen Köpfe steht er nicht als alleiniger Meister vor uns  ? Und wäre er so groß wenn er Historische Bilder gemalt hätte  ? – Mit Zinober male ich fast nie außer wenn es ein Gewandt erfordert. – Das Indisch Roth ersetzt ihn vollkommen d. h. im Fleisch und ist haltbar. Daß der Kobaldt sich verändert wundert mich, hier wird er stark gebraucht, die Landschaftsmaler brauchen z. B. in ihren Lüften nie Ultramarin sondern Kobald. Jede Farbe hat seine nachtheiligen Seiten der echte Ultramarin frißt sich durch wie mir versichert wurde von Bernhardt. Deinem Wunsche gemäß werde ich von jetzt an mit Ultramarin malen. – Haben Schulzens denn die Verwandten dann gar nicht gesehen und gesprochen  ? Ich möchte wol diese Frage beantwortet sehen. Ich habe innerlichst lachen müssen daß Du mir die ganze kleine Seite zur Disposition bei meiner Rückkehr versprichst, ich danke Dir allein was soll | ich mit einer Familienwohnung anfangen  ? Nur ein großes geräumiges helles Zimmer ohne Reflexbeleuchtung genügt mir, bin ich in Petersburg dann freilich muß ich pompös wohnen, königliche Möbell Spiegel z. B. sind nothwendig um den Leuten Respect ein zu flößen, einigen Glauben an seine Tüchtigkeit zu geben. Thuen es doch sogar hier diejenigen welche 394 Mindestens ein Porträt des flämischen Malers Anthonis van Dyck hatte Julie Hagen in der Dresdener Gemäldegalerie kopiert, vgl. Anm. 226. Diese Kopie ist bis heute verschollen.

470 | Die Briefe einen Namen sich erworben und erwerben wollen. Die freundliche Erinnerung des guten braven Ulmann395 freut mich mehr als alle übrigen, von Gräfinnen etc. – Ich dachte mir wol daß mein Brief Euch und vor allem Dir lieber Vater eine große Freude machen würde denn er war so reich wie dieser arm ist, er sollte Dich aber nicht außer Fassung bringen. Die 5 Thaler Banknote schicke ich nicht zurück sondern behalte sie hier. Schreibt mir ja wenn die Carus nach Deutschland geht bitte sehr darum. – Vielleicht nimmt die geborene Liven396 mir an Bilder etwas über die Gränze. – Ich will nachher zu Rugendas gehen und morgen erst den Brief abschicken. Dem Carl und Mieze dankt herzlich für ihre lieben Zeilen und sie mögen immer wieder schreiben. Johannchen soll nicht vergessen Hartmann auf die angegebene Weise zu danken, lebt also für heute wohl. d  : 30 März 1850. Die arme Tante Cecilie ist gefallen und hat sich die linke Hand so geprellt daß sie schon 4 Wochen unbrauchbar ist, den armen Leuten geht es recht schlecht  ! Sie haben fast keine frohe Stunde. Das Verhältniß zwischen dem reichen Bruder und den armen Schwestern schmerzt mich tief | auch denen möchte ich helfen und ich bedarf selbst noch der Hülfe  ! – Ostersonntag. Ich will den Brief auf die Post tragen, ich weiß Euch nichts weiter zu sagen als eine herzliche Gratulation zum Feste und der Schwester Mieze einen doppelten Glückwunsch zum Geburtstag, ich möchte bei Euch sein  ! Mein Osterei heute in der Früh bestand in 6 herrlichen Taschentüchern, jedes anders gestickt und zwei Kragen, Es ist wieder 10 Grad Kälte draußen aber doch wenigstens heiter. Es ist als wollte es nicht Sommer werden. Meine Kleine hat mir geschrieben und auch an Euch Grüße bei gelegt, das gute Mädchen, ich vermiße sie sehr schwer – wir sollten auf ewig verbunden sein das soll aber nun einmal nicht sein. – Gestern war ich nicht zum guten Rugendas gekommen und will daher noch heute hin werde diesen Brief wohl erst dort schließen. – Wie ein zweiter Vater kommt er mir vor durch seine freundlichen Winke und guten Lehren die er mir giebt. Er hat viel Kinderliebe an seinem Kopfe und dies bestetigt seine Handlungsweise. Mit Kindern giebt er gern sich ab und hat auch immer einen Pflegbefohlenen bei sich. Seit drei Jahren war ein junger talentvoller Bildhauer bei ihm für den er sorgte wie für sein Kind, dieser aber wollte in letzterer Zeit nicht mehr thun wie R. wollte, die Anerkennung seines Talents machte ihn üppig so daß R. ihn laufen ließ. | Er war nicht 4 Wochen allein so ließt er von einem armen Studenten welcher um Quartier bittet und dagegen abschreiben möchte er geht 395 Karl Christian Ulmann (1783–1871), Theologe, war lange Zeit in Dorpat ansässig und lebte zu dieser Zeit als Lehrer und Geistlicher in Riga. 396 Vermutlich die Landsmännin Marie von Bruiningk, die eine geborene Gräfin (später Fürstin) von Lieven aus Kerstenshof (Kärstna) war. Die Familie von Lieven gehörte zu den alten Adelsfamilien in Livland.

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hin und fordert ihn auf bei ihm zu sein. – Der arme Junge hat nun nicht allein Quartier sondern auch das Essen ohne abschreiben zu dürfen. – Er sagte mir ein Mal als der Bildhauer ihn verlassen mußte »wären Sie ein Junge so müßten Sie zu mir, es ist mir Bedürfnis für ein Kind zu sorgen« – Tante und Onkel grüßen herzlich. Mir ist als hätte ich noch recht viel Euch zu erzählen und doch ich weiß nichts. Noch habe ich mich nicht entschlossen länger hier zu bleiben ich denke immer noch es drauf an kommen zu lassen, der Augenblick wird entscheiden – Später bei Rugendas. Er grüßt sehr und will Deinem Wunsche gemäß die Wäscherin mit einer kleinen Veränderung wieder zu einer machen, indessen ist’s noch nicht ganz bestimmt entschieden. Er meint nur daß es nicht hier wol aber in Augsburg ausgestellt werden kann was ihm um des Kopfes und des Halses oder besser Schulter wegen leid ist. Er laß mir eben einen Brief von Riedel aus Rom vor, der sagt »o komm doch her, nimm Deine russische Künstlerin auf den Rücken und macht daß ihr her zu uns kommt etc.« – Es ist wirklich bitter kalt. Lebt wohl Mit Liebe umarmt Euch alle Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 4.4.1850 München d  : 4 Aprill 1850 Meine lieben theuren Aeltern  ! Ich will einen neuen Brief beginnen, noch habt Ihr meinen letzten nicht, aber ich bin immer froh wenn ich einen Anfang habe, ist es mir dann doch gewiß daß er fortgesponnen wird. Es ist wol Mittagszeit  ? so frage ich mich (mein Magen nicht), und weiß nicht was thun  ? – Bin etwas langweilig weiß nicht recht was thun da ich vortisch meinen Beduinen lasirt habe und kein anderes Model besitze um was anderes zu machen, zeichnen könnte ich zwar, hab aber keine Lust es regnet, man kann also auch nichts sich besorgen wenn man auch wollte. – Ein Bild also wäre bereit zur Reise nach Rußland. Der heiße Westinder zeigt Courage  ; wenn nur die andern Bilder auch schon so weit wären  ! – Könnte man alles haben, was man braucht was wäre das schön und leicht seine Bilder fertig zu machen. Vor einer Stunde waren 9 Damen und 7 Herren bei mir. Sie schienen alle erfreut über das Gesehene fort zu gehen, es waren mir nur einzelne unter dieser Hetze bekannt d. h. dem Anschein nach, wie z. B. Hanfstengl’s, ein junger Dichter Baron Perfall397 und Graf Arko398 – bei solchen Gelegenheiten glaub 397 Der Komponist Karl von Perfall (1824–1907). Er hatte die Kompositionen zum Künstlerball 1849 im Odeon geliefert. 398 Der schon oben erwähnte Maximilian von Arco-Zinneberg. Möglich ist auch, dass es sein Vater

472 | Die Briefe ich mich immer äußerst einfältig zu benehmen. Rugendas welcher mit dieser Gesellschaft kam, da sie sich gestern ihm und zugleich mir melden ließen, sagte daß man schon oft gesagt habe  ; »wie jung und bescheiden« Ich glaube nicht Bescheidenheit sondern Dummheit ist es. | Obgleich ich nur gerne mit recht ausgeschriebenen Federn schreibe so ist dieses Papier doch gar zu dünn, ich wundere mich daß Ihr nicht schon lang darüber geklagt habt. Neulich fiel mir ein als eben ich den Brief in den Briefkasten geworfen hatte daß ich eine Frage nicht beantwortet in Deinem Briefe lieber Vater nämlich was das Bild von Rugendas, das Geschenk meiner guten Kleinen vorstellt. – Nichts als ein einzelner Indianer zu Pferde auf einem Kamm, er ist mit der Lanze und anderen Waffen versehen, man sieht er hält Wache, der Morgen graut. – Das Bild ist sehr schön in seiner Einfachheit, Sobald ich etwas schicken sollte und nicht selbst komme so soll es mit gehen, damit Ihr Euch daran erfreut, kann ich doch das Glück alle Tage haben wenn ich will – Ich habe nicht recht Lust die Wäscherin nun doch zu naiv zu machen, nachdem ich den schwersten Theil der Arbeit, ich meine die Hände schon weg gekratzt habe, welche nicht so schlecht waren. Von der Tann ist auch noch nicht daran gewesen, was mir sehr unlieb ist da die Münchner Welt ganz entsetzlich viel schon darüber referirt hat und noch referirt, alle augenblick werde ich gefragt oder eines von den Verwandten ob er schon fertig ist und noch ist er nicht angefangen. – Am Ostermontag war ich bei den beiden alten guten Tanten. Cecilie kann noch immer ihre Hand nicht brauchen sie tragen mir immer so oft ich sie sehe tausend Grüße an Euch allen auf. – | d  : 8 Aprill 1850. Der Sonntag ist von mir ein für alle Mal d. h. der Abend wenigstens zum Schreiben an Euch bestimmt, gestern nun gab es für uns einen doppelten Sonntag da Schwester Mieze’s Geburtstag war. Im Bette dachte ich daran ihr selbst zu schreiben aber es wurde nichts daraus. Der Vormittag verging mit Vesiten machen wobei sich meine Kopfschmerzen, welche ich schon am Morgen spührte vermehrten und dergestalt häftig wurden daß ich mich ins Bett zu legen gezwungen war. Ich habe schon seit längerer Zeit die Beobachtung gemacht daß ich seltener an diesem Übel leide als früher, aber dann auch mit solcher Gewalt daß ich beinahe alle Sinne verliere. Die Nacht ist mir völlig schlaflos vergangen, die sonst weichen Federkissen waren zu Steinen geworden, an allen Fingerspitzen fühlte ich den furchtbaren Nervenschmerz. Heute habe ich noch Ludwig von Arco war. Ernst Förster verweist in seinem München-Handbuch unter der Rubrik »Privat-Kunstsammlungen« auf die Sammlung des Grafen Louis von Arco »neben der Theatinerkirche« mit »Oelgemälden von deutschen Künstlern der neuesten Zeit«, darunter auch Genredarstellungen von August Riedel. (Ernst Förster, München. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische mit besonderer Berücksichtigung der Kunstschätze dieser Residenz-Stadt, 3. Aufl., München 1843, S. 186).

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Kopfweh allein ich glaub es ist bloß noch Schwäche, ich sehe sehr angegriffen aus und fühle mich auch selten müde. Heute früh wurde ich sehr angenehm überrascht durch das lang ersehnte Model von der Tann, welcher kam und sagt daß er Zeit zum Sitzen habe. Für morgen Vortisch haben wir die erste Sitzung besprochen. Zu Heute Nachtisch erwarte ich die Tochter des bekannten und berühmten Hanfstengl welche mir zur Hand des Dominomädchens sitzen will. – Die eine Hand will mir durchaus nicht gelingen, es ist die welche die Larve hält. – d  : 9ten Aprill 50. Wieder sitze ich auf der selben Stelle wo ich gestern um die Zeit saß und Euch schrieb. | Es ist im Attelier am Fenster vor meiner Staffelei. Die Hanfstengl,399 welche als sehr schön gilt und von meinem Dominomädchen ähnlichkeit hat kam und mit viel Ausdauer und Freundlichkeit allein meine Hand ist eben doch nicht viel besser geworden, will etwas auf das erste Mal nicht gelingen so soll man’s nur gleich weg wischen oder abkratzen denn sonst wird es durch das wiederholte Übermalen immer trüber und trüber. – Die andere Hand dagegen ist mir so gut wie keine in meinem Leben gelungen. Heute also den Tann angefangen. Die Sitzung dauerte 3 Stunden, der Kopf ist angelegt und ich bin mit der Anlage zufriedener als gewöhnlich. Rugendas ist es auch und hat große Hoffnungen. Ich male ihn erst auf eine kleinere Leinwand um seinen Character recht erst zu studieren und kennen zu lernen (Farbabb.  13). Das Bild wird gestochen werden, wenigstens hat sich ein Kupferstecher gemeldet. Da siehst Du das Bild und außerdem verspreche ich Dir eine Copie im verkleinerten Maaßstab. Ich werde große Freude haben wenn ich erst an dem großen Bilde arbeite, hab ich dann doch wieder vollauf zu thun  !400 Darnach sehne ich mich nur immer. Tann ist ein äußerst ruhiger Mann, einfach und nett. – er kann wol schon 40 Jahre alt sein er ist gescheut und oft bin ich verlegen was mit ihm reden. Rugendas ist geistreich und ich fühle nicht diese Verlegenheit | wie kommt wol das  ? – ich glaube, daß 399 Pauline Hanfstaengl, verh. Walther (1832–1864). 400 Der Verbleib des ausgeführten Werkes konnte bis heute leider nicht ermittelt werden. Die Künstlerin schickte einen Entwurf nach Dorpat, von dem aber nicht eindeutig festzustellen ist, ob es sich um eine Vorstudie oder um eine skizzenhaft ausgeführte, verkleinerte Kopie, wie oben angekündigt, handelt  : Julie Hagen Schwarz, Ludwig Freiherr von der Tann-Rathsamhausen, 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 38 × 29 cm, Tartu Art Museum, Inv.-Nr. TKM 732 M (vgl. Farbabb. 13). Eine Kopie nach Julie Hagen von Gustav Adolf Krausche (1850–1917) von 1906 befindet sich im Besitz der Nachfahren von der Tanns (frdl. Mitteilung von Michael von der Tann, Tann [Rhön]). Bei dieser Kopie, zu der der Verfasserin weitere Angaben nicht bekannt sind, handelt es sich um ein Bildnis in Halbfigur. Das von Julie Hagen ausgeführte und im Münchner Kunstverein im Mai 1850 ausgestellte Bildnis von der Tanns muss ein solches Bildnis in Halbfigur gewesen sein.

474 | Die Briefe jenem ein kindlich Gemüth fehlt. – Der Hofmann ist oder wird mehr oder weniger ein unzugänglich Geschöpf. – Ich bin eigentlich froh darum daß ich mich mit solchen Männern nicht leicht spreche.  – Gestern Abend als ich heim kam hieß es »wir gehen ins Concert  !«, also samt meinem heißen Brummkopf mußte ich mit. Sophie Schröder401 70 jährige, alte, berühmte Schauspielerin wirkte mit durch ein Paar Declamationen. Sie ist die Mutter der Schröder Devrient, welche in Dorpat vor zwei Jahren sang und lebt leider in Augsburg. Man empfing sie mit stürmischem Jubel, ein Gedicht vom Vater meiner lieben Kleinen402 declamierte sie auch was mir großes Vergnügen gemacht, ich kannte es, er selbst laß es mir vor als ich im vergangenen Winter in Altötting war und krank im Bette lag, da pflegte er mich so liebreich und suchte mich auf alle mögliche Weise zu zerstreuen, so kam es dann daß er unter anderen auch einige Gedichte von sich mir vorlaß dieses eine ist sehr schön und betitelt sich »May- oder Frühlingskäfer am Sonntagsmorgen.« – Ich werde es mir geben lassen. Das Conzert war bis auf die Hitze, hübsch. Die Luft draußen ist seit einigen Tagen köstlich, so warm daß man in Schweiß gebadet ist, nach jedem Gang, – alles schläg{t} aus, Bäume und Gesträuch, nicht mehr lang und es ist grün und voll Blüthen allenthalben. – | Donnerstag d  : 11 Apl. Nun sitze ich wieder ohne eigentliche Beschäftigung – ich warte auf Tante welche nun endlich sich entschlossen noch einmal zu sitzen. Tann’s Kopf ist gemalt, aber macht mich kleinmüthig trotz der Ähnlichkeit. Welche ich jetzt Gott sey es gedankt wol immer habe und oft frappant, aber die Ausführung ist mir nicht recht was mir freilich in der Retusche gelingen muß und ich hoffe, auch wird. Es ist bei männlichen Modellen, seyen es gemiethete oder eben wie dieser Tann ein Hofmann mir in der Regel schlecht gegangen mir wird da erst recht meine Kurzsichtigkeit fühlbar. Meine weibliche Scheu läßt mich nicht so nah an den Männern herantreten wie es mein Auge verlangt. Bei solchen Gelegenheiten sehe ich doch daß ich noch nicht emancipiert genug bin, ich empfinde es, doch ohne den geringsten Schmerz. Die drei geistreichsten Männer an denen mir viel lag, sind die schlechtesten geworden, ich meine Rugendas Fretschner und jetzt Tann. Fretschner kommt wol im May nach München dann kann ich nach dem Leben das Bild fertig machen und das beruhigt mich einiger Maaßen. Rugendas ging sehr böse und verdrießlich heute von mir, kam wieder um mir die Lafiten zu lesen, er sagt der Kaiser von Rußland wird mir 401 Die Schauspielerin Antoinette Sophie Luise Schröder, geb. Bürger (1781–1868), lebte während ihrer ersten Ehe zeitweilig in Reval (Tallinn), sie machte als Schauspielerin in Wien, Breslau, Hamburg, Prag und München eine glänzende Karriere. Ihre Tochter Wilhelmine Schröder Devrient (1804–1860) gilt als eine der größten Sopranistinnen des 19. Jahrhunderts. Ihr bewegtes Leben war Anlass zahlreicher literarischer Bearbeitungen. 402 Vgl. Anm. 193.

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nicht | drei Tage hintereinander sitzen und so sollte ich nicht von diesem Mann verlangen daß er aus hält bis das Portrait in Schmelz und Zeichnung vollkommen ist – – in Gottes Namen denn  ! ich will sehen was die Retusche thut. Bei genauerer Bekanntschaft fand ich daß Tann recht sehr nett ist, ich verlor zuletzt die Befangenheit und schwatzte über alles mögliche kurz er machte mir ein Compliment welches mir zwar schon öfter gemacht worden ist, nämlich daß er es nicht so langweilig findet wie er geglaubt, das Sitzen, als Rugendas zum ersten Mal zu ihm gekommen sey um ihn zu bitten mir zu sitzen so hätte er ihn lieber zur Thür hin aus geworfen solche Furcht hatte er vor dem Sitzen. Sonntag d. 14ten Aprill Ich sitze im Attelier und warte auf Tante weiß aber nicht ob sie kommt. Sie ist verdrießlich, empfindlich, weint und sagt nicht weshalb. Herr Gott ist das peinlich für jenen, der kein Vertrauen sich erworben und abspringt in jeder und aller Beziehung. Dann keine Seele zu haben, der man sich anvertrauen mag und darf. In solchen Momenten fühle ich mächtig wie unsäglich allein ich in München stehe seit die Kleine fort ist. Ich habe es so gern jeden aufkommenden Gedanken, jedes Gefühl einem | empfänglichen Herzen mit zu theilen ohne irgend etwas damit bezwecken zu wollen, nein nur um meiner Seele Klarheit und Genugthuung zu geben. – d  : 17 Aprill 50. Bald müßen Eure Briefe kommen und der meinige wird nun wieder arm und nüchtern. Mein Leben außerhalb meinem Attelier ist auch arm zu nennen, so leer wie eine Wüste. Wenn ich eine Goldrahme hätte so würde ich nächsten Sonntag den Mohren ausstellen, er findet Beifall bei all denen die ihn sehen. Tann’s Bild ist auch heute fertig geworden bis auf die Retusche wozu er wol in dieser Woche noch sitzen wird. Neulich sagte mir Bernhardt er male den Adjutanten des Königs Graf Rechberg403 und ich zur selben Zeit von der Tann auch Adjutant des Königs. Das wäre nun höchst komisch wenn mein Adjutant mehr Interesse erringt was wahrscheinlich der Fall sein wird da man Tann als ein Wunder hier ansieht, jener ist gleichgültig. – Ehe ich’s vergesse – der Mieze könnt Ihr sagen daß ich die Absicht habe ihren Schwarz in der Eskimotracht zu malen wenn er zurück kehrt sie soll es ihm jetzt schon schreiben damit er sich vorbereitet und vollständig die Kleider mit bringt. Zum todtlachen possierlich muß er | aussehen, ich kann laut lachen wenn ich ihn mir denke so

403 Der Enkel Bernhardts nennt in seinen Artikeln die Bildnisse Albert Graf von Rechbergs (1803–1885) und seiner Frau Walburga Gräfin von Rechberg (1809–1883), datiert allerdings das männliche Bildnis auf 1846, das weibliche auf 1840. Letzteres soll auf der Porträtausstellung des Württembergischen Kunstvereins in Stuttgart 1881(bibliografische Daten des Katalogs konnten nicht ermitteln werden) ausgestellt gewesen sein, der Verbleib der Bildnisse ist nicht angegeben, vgl. Oberpfalz, 1935, S. 62, und Oberpfalz, 1956, S. 33. Ein weiteres Rechberg-Bildnis von Bernhardt konnte nicht ausfindig gemacht werden.

476 | Die Briefe gemalt. Mit Schreck empfinde ich Schmerzen in einem meiner Backenzähne, Ihr werdet mich wol zahnlos wieder sehen  ! – Findet Carl mich in meinem Bilde verändert  ? Es regnet viel und ist dann wieder schön Wetter. Die Bäume haben schon lichtgrüne Blättchen bei Euch mag es schmutzig sein recht sehr. Tantes Kopf ist sehr sehr ähnlich. Die erste Anlage in nicht ganz drei Stunden steht unfertig. Rugendas bat um Gottes willes es so stehen zu lassen denn es wäre fertig, damit würde ich Dir eine Freude machen versicherte er und ich glaube selbst denn auch mich überrascht die Farbe Haltung und Zeichnung als bloße Anlage. Somit bekommen wir dann zwei Portrait’s von Tante. Das vorig jährige und diese Anlage. Ich fing natürlich gleich ein Drittes an welches nun ausgeführter ist aber den selben Eindruck macht wie die Anlage. Ich habe noch häufig Besuch kaum könnt Ihr mehr haben welche meiner Bilder wegen kommen als ich hier. Und von Modellen werde ich fast überlaufen und frage ich sie wer ihnen gesagt hat wo ich wohne, so sind es immer Künstler und selten daß ich einen, außer dem Namen nach kenn. Aus Augsburg hatte ich neulich einen Brief worin ich dringend gebeten wurde etwas dort auszustellen, will sehen  !  – Der hiesige Kunstverein fragt auch ob ich nicht ausstelle. Die Goldrahmen werden mich allmählig geniren – | d  : 19. April 1850. Heut sind es vier Wochen als ich Euren letzten Brief erhielt. Der Zufall wollte es daß {ich} nichts thun konnte im Attelier da ging ich dann in die Kupferstichsammlung in Begleitung von Rugendas welcher mich aufmerksam machte auf manch schönes Portrait von verschiedenen Meistern. Nach Tisch d. h. ich speiste nicht wie immer ging ich nach Hause in der sicheren Überzeugung Euren Brief zu empfangen, er war noch nicht gekommen. Nach einer halben Stunde wird die Glocke gezogen und ich erkannte die Hand die kräftige des Briefträgers, ich eilte, im Geiste den Brief schon begrüßend um die Thür zu öffnen – wol war es der Briefträger allein nicht für mich sondern für die Tante brachte er Botschaft. Ich kann nicht sagen wie eine solche Täuschung weh thut. Eiligst machte ich mir etwas zu thun um der Tante nicht meine Thränen, die wie Perlen eine nach der andern schnell auf ein ander folgten, zu zeigen. Wäre ich heut Abends erst heim gekommen ich glaub es wäre die Trauer nicht so groß gewesen als nun wo ich den Briefträger selbst kommen sehe. Ich habe auch Gründe für das längere Ausbleiben, der Verstand, der trockene, weiß wol sich zu beruhigen aber das Herz will nicht immer zu allem ja sagen, unsere langweilige träge Post  ! wüßtet Ihr wie ich mich sehne nach Euch allen Ihr würdet nicht schelten. Und immer wenn ein Tag der Muße sich mir bietet so leide ich entsetzlich an Heimweh, ich würde es wahrscheinlich nicht hier aushalten wenn ich nicht mit Leib und Seele malte | und meine Gefühle durch die Anstrengung betäubte. Wer irgend ein Seelenleiden hat, und Schmerzen geistiger Art leidet dem rathe

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ich Maler zu werden. d. h. zuvor muß er von Phrenologen sich sagen lassen ob er die nöthige Fähigkeit besitzt oder nicht, dies ist das beste Mittel einen leichteren Kampf zu kämpfen, meines Erachtens wenigstens. Ich war auch heut bei der Ledebour. Er ist so freundlich den russischen Gesandten zu fragen ob als Russin ich wagen dürfe Tann zu malen d. h. als Feldherr in Schleswig Holstein. Vielleicht wird nichts daraus wenn selbst ich die Erlaubniß hätte da die Sachen dort sich anders gestalten. So sehe ich’s denn kommen daß ich doch noch in diesem Jahre heim komme. Wenn ich mir das nöthige Geld nicht selbst erwerben kann welches zu meinem Studium verlangt so weiß ich nicht wie machen daß ich bleibe. Ich brauche immer mehr und mehr und das Fragen um Geld wird mir so entsetzlich schwer. Meine Schuld häuft sich auch mit jedem Tage, ein wirkliches Vertrauen kann ich mir bei aller Offenheit nicht erwerben also denn  ! Das Fortgehen würde mir so schwer wie das Bleiben. Du mein guter Vater hast oft und wiederholt von Deinem Alter, Deinem Körperzustand gesprochen und mich sehr geängstigt. Wüßte ich wie lang ich Euch noch habe. Gott im Himmel behüte es  ! aber was kann nicht alles in einem Jahre geschehen  ? Ein ewiger Vorwurf würde an meinem Herzen nagen nicht meinem Gefühle gefolgt zu sein das in manchen Fällen sich schon als sehr ahnungsreich bewiesen hat. Könnte ich jetzt eben mich ins Bett legen und nicht früher erwachen bis der Briefträger an der Glocke zieht, ich weiß nicht wie die Zeit vergehen soll. | Sonntag d  : 21 April Ich konnte nicht mich überwinden heute wie ich’s gewöhnlich sonst thue an Euch zu schreiben. Es war ein so grauer regnerischer Tag daß man zu nichts aufgelegt sich fühlte. Nach 6 Uhr Abends kam endlich Euer Brief wo ich beinahe die Hoffnung schon aufgegeben hatte. Ich vermied um meiner selbst willen laut meine Sehnsucht nach demselben und die Unruhe seines Ausbleibens wegen auszusprechen denn dann konnte ich auch nicht mehr die Thränen zurück drängen. Der Morgen verging mir unter Flicken von Strümpfen und anderer Wäsche, dann im schrecklichsten Regen wanderte ich zum Freund Rugendas das ist so angenommen, daß ich regelmäßig am Sonntag Morgen ihn besuche und er erwartet auch mich immer, es ist das meine Andacht, wenn ich ihm zu sehen darf indem er arbeitet und wir mit einander über Kunst plaudern. – Ich blieb nicht lang sondern eilte nach Hause in der Hoffnung Euren Brief zu begrüßen doch immer nichts.! – Nach dem Essen, das mir aber immer schlecht bekommt, mir den ganzen Nachmittag verdürbt las die Tante im Fremden Blatt  : »Assessor v. Paumgarten im Stachusgarten« als Fremder. Also Ignatz404 ist in München und besucht seine Geschwister nicht. Ich sprang auf um augenblicklich mich zu kleiden und hinzugehen. Es regnete wie mit Spännen gegossen. Mein Gang war umsonst, er war schon fort. – So liebevoll 404 Vgl. Anm. 34.

478 | Die Briefe sind Geschwister hier sich gesinnt. So weit ich noch Gelegenheit hatte in die hiesigen Verhältnisse zu gucken | so fand ich immer eine gewiße Spaltung zwischen Aelter und Kinder und Geschwister unter einander. – Laßen wir dieses Kapitel bis später ich mag gern Eure Briefe beantworten, bin gerad in der rechten Stimmung, der Kopf brennt mir vor Aufregung. – Alexanders Krankheit beunruhigt mich und dämpft die Freude welche ich hatte als ich vernahm daß Rugendas Gemälde und mein Lichtbildchen verkauft sey. Es ist nur gut daß die Krankheit in dieser Zeit wo das Frühjahr naht, gekommen, wenn es nun einmal sein mußte, wo der Halbgenesene bald völlige Kraft wieder findet und ihn nicht dann zu rasch geistig angestrengt, seine Augen könnten leicht für immer einen Stoß bekommen weiß ich nur zu gut was ich nach der Krankheit in Dresden an ihnen litt. Also Fräulein Wahl hat dem Liphardt die Bilder, oder wie Mieze sagt »ein Bild« weg gescherzt, recht so  !405 Morgen werde ich ihm {Rugendas} eine große Freude damit machen wenn ich ihm Deinen Brief bringe und erzähle was mich freut, denn ich werde ein Paar Tage bei ihm malen, die beiden Köpfe welche ich bei ihm gemalt müßen also auch in selber Beleuchtung fertig gemacht werden, das Profil soll morgen dran.  – Von meinem Glück erzähle ich ihm für’s Erste noch nicht damit meine Freude größer ist. Warum aber will der Schwärmer meines Bildes nicht seinen Namen genannt wissen  ? Wie der Blitz zuckte mir der Name Müller durch die Seele, gewiß ist’s dieser und kein anderer.406 Einem Fremden oder Befreundeten wird es nicht einfallen anonim zu bleiben und er hat sich | ja nicht nöthig zu schämen ein Bild von mir zu kaufen gern zu haben. Durch Sivers der ihn kennt und damals sehr gern hatte  !, ja wohl es ist kein anderer  ! – Frage doch Sivers ob er gelobt den Namen nicht zu verrathen – ich bin recht glücklich daß Ihr etwas verkauft nun wünsche ich auch daß Ihr das Geld anwendetet indessen 405 Aus den Briefen Emilie Hagens geht hervor, dass eine Frau von Wahl Ende März 1850 eines von Rugendas’ Bildern für 40 Rubel Silber gekauft, den Preis aber im Juni noch nicht bezahlt hatte. (Emilie Hagen an Ludwig Schwarz aus Dorpat, März 1850 und Juni 1850, Briefe in Privatbesitz). 406 Auch hier geben die Briefe der Schwester Emilie Hagen Auskunft  : »Was mich aber in dieser Zeit am meisten geärgert hat ist die Entdeckung das Müller Juliens Lichtbild gekauft, der Schurke, Schirren und auch Sievers hatte er verboten seinen Namen zu nennen, aus Furcht wohl daß es ihm denn nicht gegeben wird, wozu hat er diese Furcht nöthig wenn er ein reines Gewissen hat. Ein Geizhals ist er obendrein, er ist ein einzelnstehender Mann soll eine beträchtliche Einnahme haben u dennoch waren ihm die 150 RS das erste Mal zu viel. Weis Gott was Julie sagen wird, wenn sie erfährt in wessen Hände ihre Lieblingsarbeit gelangt an der ihr so viel gelegen war daß es einen würdigen Eigenthümer bekommt, ich muß gestehen ich gönne ihm das Bild nicht, namentlich weil er sich so knausrich gezeigt hat. Vater scheints sogar lieb zu sein daß ers hat, er hatte es sogar geahnt daß er der Käufer ist.« (Emilie Hagen an Ludwig Schwarz aus Dorpat, 10.4.1850, Brief in Privatbesitz). Julie hatte hier also die richtige Ahnung, denn es gab nicht viele potentielle Käufer in ihrem Heimatland, die einen Grund gehabt hätten, ihren Namen zu verschweigen.

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darüber habe ich keine Stimme im Rath. – Es ist vielleicht lächerlich wenn ich sage daß mir nicht gleichgültig ist wer, in welche Hände meine Arbeiten gerathen Wüßt Ihr noch wie entsetzlich kindisch ich weinte als das Fruchtstück in so unwürdige Hände gerieth. – Könnt ich nur jetzt ein Paar meiner fertigen Bilder zu Euch zaubern ich glaub Ihr hättet viele Freude. Mein blauer Domino ist nun auch fertig. Gestern that ich das Bild in neue Goldrahme wodurch es äußerst gewonnen wahrscheinlich wandert es zum Sonntage nach Augsburg. Leider darf ich’s für jetzt nicht hier ausstellen. Da Stieler mich intriguirt und dieser armen Person 2 Louisdor geboten für jede Sitzung, ich sage »für jede Sitzung« wenn sie sich malen läßt für die Königliche Schönheitsgallerie. Sie ist die Tochter eines armen Bürgers und hat weder Rang noch Geld um dem König Ludwig zu imponiren, es ist nur zu bekannt daß alle Mädchen aus diesem Stande nicht glücklicher wurden nachdem sie gemalt worden | im Gegentheil sie verloren ihren guten Namen etc. Es ist mir selbst sehr leid aber was ist zu machen die Unschuld eines Mädchen’s ist am Ende wohl mehr werth als mein Bild, ich stelle aber vielleicht den Mohren aus und wenn Ihr diesen Brief bekommt so könnt Ihr eines oder das andere im Kunstverein hängen Euch denken. – Ist Lola Montez die zweite diejenige Frau Gräfin Manteufel welch in Berlin sich in allen Gallerien und besondern im Attelier von Rauch407 das Ansehen gab von großer Wißbegierde, Schönheitssinn und Kenntniß etc.? – Was fällt ihr denn ein so ihr Betragen zu forsieren  ? etwas Freiheit sich machen schadet nichts nur nicht so arg wie sie es macht. – Das Verlangen von Rottmann ein Bild zu besitzen begreife ich sehr aber ich zweifle daß ich’s befriedigen kann da der Hofmaler nur mit Gold seine Arbeiten wägt indessen ich will sehen was ich thun kann. Etzdorf hingegen wäre leichter zu haben. Eine Cohlezeichnung habe ich selbst mir gewünscht und dachte mir immer so bald ich mir Geld verdiene so will ich mir eine kaufen. Will ihm nächstens einen Besuch machen. Gestern hat mich der Hofmaler des Herzogs Max besucht, namens Maier.408 Wirklich es ist schrecklich daß ich nichts Euch mittheilen kann 407 Der in Arolsen geborene Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857) zählt zu den bedeutendsten Bildhauern der Berliner Bildhauerschule im 19. Jahrhundert, er war zunächst in Potsdam tätig und lebte und arbeitete ab 1819 in Berlin. 408 Heinrich von Mayr (1806–1871) war auf Pferde- und Genremalerei spezialisiert. Er lernte in Nürnberg, führte bald Gemälde für den Hof Thurn und Taxis aus, wo der Herzog Maximilian in Bayern auf ihn aufmerksam wurde und ihn 1838/39 als künstlerischen Begleiter auf seine Reise in den Orient mitnahm. Zu dieser Zeit erhielt er den Titel als herzoglicher Hofmaler. Nach dieser Reise gab Mayr zwei Aufsehen erregende Prachtbände seiner Orient-Ansichten heraus. Neben der Malerei betätigte sich Mayr mithilfe der von den Reisen mitgebrachten Gegenstände als Dekorateur, was ihm sogar einen Ruf nach St. Petersburg eintrug. Später war er auch als Keramiker tätig. Herzog Max in Bayern war ein großer Liebhaber der Zithermusik, die er in die höfischen Kreise einführte. Durch ihn und seinen Lehrer Johann Petzmayer wurde das Instrument zum bayerischen Nationalinstrument.

480 | Die Briefe außerhalb der Kunst. Der Brief wird nun wieder so dürr und arm daß es kaum werth ist ihn zu bezahlen. Johanna soll auch einen Brief haben aber Ihr gebt ihn ihr nicht früher bis sie | nicht dem Herrmann für mich in meinem Namen gedankt. Wahrscheinlich schreibe ich ihm nicht da ich mit dem Briefe Eile habe indem er ohne hin 3 Tage länger ausblieb als gewöhnlich, d. h. der Eurige. – d  : 22 April 50 Es ist nun wieder Abend geworden und morgen früh soll der Brief auf die Post. Als ich in meine Tasche greif um Eure Briefe heraus zu holen so findet sich diese leer. wie dumm  ! da habe ich ihn nun im Attelier vergessen, ob in meinem oder in Rugendas Attelier, das weiß ich nicht ein mal. R. grüßt herzlich es hat ihn sehr gelöchert als er den Satz »ich gebe Ihnen meine Tochter ganz so weit ich kann« laß in Deinem Brief. Wir wetteiferten in tollen Bemerkungen. Dabei erzählte er mir dann daß in Amerika die Antwort auf die Frage lautet  : »was macht Ihre Frau  ? – Antwort  : »Sie steht zu Ihrer Disposition« – Wird ein Kind geboren so sagt der Vater zu seinen Bekannten  : »Sie haben einen Diener mehr« – etc. – Indessen er hat heut recht väterlich für mich gesorgt indem er mir von seiner Hausfrau etwas zu Essen bestellt hatte, da ich über Mittag wie gewöhnlich dort blieb. – Kiel ist nicht hier, er ist abgereist nach Rom, ich zweifle daß er mich protegirt denn er scheint sich wenig um mich zu kümmern. Suche ja zu hintertreiben daß der alte Bröcker409 einen Artikel schreibt, ich kann so etwas nicht leiden es nutzt mir auch nicht ein Mal davon bin ich überzeugt. | Vor Schlaf weiß ich kaum wohin und dennoch muß ich fertig werden. Das Wetter hat mich wol so müde gemacht, dasselbe will nicht schön werden es regnet und ist trüb ohne Unterlaß einen so hartnäckigen Winter kann sich Deutschland nicht so bald wieder rühmen und weiß sich kaum eines ehnlichen zu erinnern. Das Geld für das Feuermädchen sollte wol einen kleinen Theil Schulden decken, das wäre besser als das Geld aufheben. – Johanna muß doch noch warten auf den Brief, ich bin ganz fürchterlich schläfrig geworden, auch Herrmann nur einen herzlichsten Dank und Gruß. – Gott gebe daß Alexander sich bald bessert und niemand weiter krank wird. Lebt wohl und genießt das Frühjahr. grüßt alle und behaltet mich lieb. Eure Euch innig liebende dankbare Tochter Julie Tante und Onkel grüßen herzlich, sie sind glücklich daß endlich Bilder verkauft sind. – 409 Gemeint ist der Jurist Gustav Erdmann von Bröcker, vgl. Anm. 40. Wie »Das Inland« in einem Nachruf auf Bröcker beschreibt, hat er zwei Aufsätze über Julie Hagen verfasst, wobei Ersterer »aus einem von v. Bröcker bei seiner Reise im Auslande der Künstlerin abgestatteten Besuche hervorging« (siehe Bröcker, 1851), zitiert nach  : Das Inland, 19. Jg, Nr. 13, 1854, Sp. 218.

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Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 28.4.1850 München d  : 28. April 50. Meine theuren guten Aeltern  ! Schrecklich wenig aufgelegt Briefe zu schreiben bin ich heute und schon seit lang, und dennoch muß ich, will ich’s thun, ist es doch Sonntag und zwar Palmsonntag. Zum Zitherspielen freut es mich auch nicht also dann will ich trocken und halb verstimmt schreiben. So eigentlich hatte ich keinen Grund mißver­ gnügt zu sein, es geht gut, wol hat das unerträgliche häßliche Wetter alle Schuld auf sein Gewissen wahrscheinlich bekommen wir noch Schnee denn es ist eisig kalt und regnet ohne Unterlaß. Noch habe ich den Garten nicht ein Mal durch und umschritten, dies ist genug um die Unfreundlichkeit des Frühlings zu bezeichnen. Ich glaube daß dieser harte Winter nur gewesen um den wenigen Russen in Deutschland den Aufenthalt so viel als möglich ist zu verkümmern, in wenig Tagen ist der erste May und statt mit Blüthen weiß werden Bäume und Böden mit glänzendem Schnee bedeckt sein. Meine Frostbeulen in der rechten Hand fangen an zu jucken, ein sicher prophetisches Zeichen, Holla  ! ich bin ganz verdrießlich über dies einfältige Wetter weder kann man mit trockenem Fuß nach Haus kommen noch kann man gut und lustig in der Finsterniß arbeiten. 2 May 50. Es ist wahrlich nicht recht so lang nicht zu schreiben zu mal da ich wol Angenehmes in Bezug auf meine Kunst Euch sagen könnte, ich weiß nicht weshalb ich’s auf schob wol weil mich Huldigungen oder eigentlich Lob nicht entzückt also auch nicht zu sprechen auffordert, der Mensch ist leicht an Allem zu gewöhnen. Das Höchste galt mir früher, und zum Theil |auch jetzt noch in dem Auge eines wirklichen Künstlers einige Geltung zu haben. Das Lob brachte mir schlaflose Nächte, entzückend süße Stunden am Tage, so war es als Rugendas ausgestellt war und meinem Namen einigen Klang verschaffte und jetzt schon läßt es mich fast kalt wo man mir täglich Neues Lob spendet über den Neger welcher seit dem Sonntage ausgestellt ist. In meinem Willen liegt es nicht so kalt zu sein, zu empfinden, worin denn  ? Ein Prüfstein daß ich nicht verdorben werde, vielleicht ist’s die Frage die sich mir immer und immer aufdrängt  : »wie kann es nur sein daß es gut ist, ich fühle mich noch so unendlich schwach  ? – Indessen es ist genug der Fragen ich thue gut wenn ich zurück gehe bis in die vergangene Woche, wo ich den Anfang meiner Erlebniße finde. Am vergangenen Donnerstag, heute vor 8 Tagen kam Bernhardt und sah einmal wieder nach was ich gethan, und hat nur wenig aus zu setzen gehabt, meist an den Hintergründen Veränderungen gewünscht wie z. B. an dem Neger den rothen Sirokostaub in Landschaft etc. umzu wandeln was aber nicht geschehen ist und wird, an dem blauen Domino wollt er auch nicht

482 | Die Briefe den offenen Grund hinter der Gardine, in welchem man ein Paar Köpfe, Lichter unbestimmt sieht oder nur ahnt, an den Hauptsachen, der Figur selbst hat er höchstens nur Kleinigkeiten auszusetzen, des Negers und der Tante Porträt war übrigens diejenigen welche er untadelhaft erklärte. Als ich nun endlich den | von der Tann (vgl. Farbabb. 13) ihm zeigte sah er es still schweigend an, dann sagte er  : »Fräulein ich sag es Ihnen nur gleich jetzt damit Sie nicht später meinen ich hätte nach Ihrem Bilde gemalt, Graf Rechberg Adjutant des König’s ist von mir ganz so gestellt aufgefasst, Blick, Beleuchtung und was noch merkwürdiger ist das der helle Luftgrund, dieselbe Farbe, dieser Form der Wolkenmaßen hat, es ist als hätten wir aus einen Farbentopf gemalt, oder einer von dem andern copiert.« – Dieses eigenthümliche Zusammentreffen ist allerdings höchst drollig, es scheint mir wie eine gelinde Strafe für Bernhardt, welcher früher gegen alle hellen Gründe eiferte und es nun nach dem er an meinen wiederholten Versuchen, ein glückliches Gelingen erfahren, es auch versucht und gleich das erste Mal muß es so bös sich treffen jetzt gilt es mein Bild vor dem seinigen aus zustellen, entweder kann er dann seinen Adjutanten nicht ausstellen oder er blamiert sich. Wenn ich einen goldnen Rahmen auftreiben könnte so geschehe es Sonntag, an Eurem Ostertage – Heute saß Tann zur Retusche und der Kopf ist nicht schlechter geworden, ist sehr ähnlich und ziemlich blilliant [sic] in der Farbe. Jetzt also zu meinem Neger. Die Urtheile wie ich höre sind alle gut, die Begeisterung ist nicht so groß wie bei Rugendas seinem Bilde, da die Persönlichkeit nicht das Interesse hat. Einige Äußerungen indessen will ich hier unten nieder schreiben, welche ich zum Theil selbst hörte und auch sagen ließ. »Es ist eine | Schülerin von Bernhardt. – nichts seltenes daß Schüler und Schülerinnen ihre Meister todt schlagen  !  !« und ein andrer fragt »ist das die berühmte Russin  ?« König Ludwig trifft im Künstlerverein einen Mann mit Tochter aus Regensburg, Freund von Rugendas, und fragte das junge Mädchen  : »– sind Sie Künstlerin, sind die Künstlerin  ?  ! – Als ich hinauf kam sagt der Conservator daß die Herren Künstler mir das schönste Compliment machen über meine Arbeit. Ich stand eine Weile vor einem sehr schönen Bilde von Rahl410 das neben dem meinigen hängt und beobachtete die Beschauer und freute mich zu sehen wie sie 3 und 4 Mal sich über zeugten ob denn wirklich Julie Hagen auf dem Zettel steht und dann es laut priesen. Der berühmte Hess411 stand lange vor dem Bilde, die Arme in 410 Der Wiener Maler Carl Rahl (1812–1865), in dessen Atelier in München Anselm Feuerbach (1829–1880) 1849 eintrat. Rahl war zu dieser Zeit vor allem als Porträtist tätig, kurz darauf ging er nach Wien, wo er zeitweise Professor der Kunstakademie war und eine erfolgreiche Privatschule für Monumentalmalerei unterhielt. 411 Hier ist wohl der Schlachten- und Historienmaler Peter von Hess (1792–1871) gemeint und nicht sein erfolgreicherer Bruder Heinrich Maria von Hess (1798–1863), siehe den Hinweis der Künstlerin vom 9.5.1850 weiter unten. Peter von Hess hatte ab 1839 auch Aufträge für den

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einander geschlungen. Ich ging fort, kam wieder durch den Saal und er stand noch prüfend davor der jüngere Kaulbach412 hat zu seinen Schülern gesagt sie mögen hin auf gehen und sich den Neger besehen welcher sehr gut sey. Einer von diesen hat es im Kaffeehause, der Jungengländer (Künstlergesellschaft)413 erzählt und gefragt ob ich dieselbe sey welche R. gemalt und unter dem Namen Russin bekannt sey. Das wäre nun wol ziemlich alles was ich sagen könnte daß es einige geben wird welche dagegen sprechen glaube ich gern aber die Mehrzahl ist zufrieden. | Bernhardt hat zu Frl. v. Trott gesagt daß ich wieder Vorschritte gemacht habe, und daß er mich für ein großes Talent erklärt. Nur glaube ich daß es mit ihm jetzt wol aus sein wird da ich seinen Rath betreff des Grundes im Mohren nicht befolgt. – Neulich hat die alte Ledebour, und ein Paar Tage später der Alte mit seiner Nichte mich besucht, besonders die alte Frau schien eine große Freude zu haben wenigstens äußerte sie sich sehr lebhaft. Aus dem großen Bilde nach Kiel wird wol nichts werden, der Gesandte meint es würde mir von Petersburg aus sehr übel genommen daher nun wird dieses Brustbild entweder Lithographiert oder galvanisiert. Der blaue Domino wird wol doch auch hier aus gestellt. In der letzten Woche habe ich eine kleine Muse mit Lorbeer bekränzt gemalt, als kleines Medallionbildchen, Kopf und etwas von den Schultern blos ein niedlich Profil. Sonst habe ich immer noch hier und da gefeilt an diesem oder jenem. Heut ist also wirklich Schnee gefallen und wiederholt, es ist das abscheulichste Wetter das man sich nur denken kann. Man giebt bald die Hoffnung auf einen Sommer zu erwarten, das Frühjahr so ist vergangen ohne nur einen Sonnenblick uns zu spenden. Man prophezeit uns ein schlechtes Jahr, keine Ernten wodurch Krieg und ein Zusammensturz des Deutschen Kaisers voraus zu sehen ist.  – Noch immer muß geheitzt werden, noch bin ich keine halbe Stunde im Freihen gewesen, kein Mal das Bedürfniß empfunden hinaus zu gehen. Es ist sehr traurig  ! – | Alexanders Krankheit macht mir recht viel Sorge. Bei solcher Gelegenheit ist es so schwer so lang auf neue Briefe warten zu müßen. Die Künstler rüsten sich wieder zu einem Feste das im August statt finden soll, dann nämlich soll die kolossale Bavaria auf gestellt werden, man sagt es wird ihnen ein horendes Sümmchen kosten, wofür sie nichts haben als höchstens die Ehre, den Ruhm. König Ludwig soll bei der Gelegenheit ein Album bekommen.414 russischen Zaren in St. Petersburg ausgeführt und war daher vielleicht auch August Matthias Hagen persönlich bekannt. 412 Friedrich Kaulbach, vgl. Anm. 308. 413 Gemeint ist die bereits oben erwähnte Künstlervereinigung »Neu-England«. 414 Zur Einweihung der Bavaria am 9. Oktober 1850 überreichten die Münchner Künstler Ludwig I. aus Anlass seines 25-jährigen Thronjubiläums das »König-Ludwigs-Album«, eine Sammlung

484 | Die Briefe Ihr seht ich habe wenig mit zu theilen, Ihr dürft Euch nicht wundern da es natürlich ist. – Heute dachte ich mir daß vielleicht Emma’s Bräutigam wol schon gekommen sein könnte zur Hochzeit. Von Hüttels bekomme ich keinen Brief entweder ist Augustens Hochzeit schon gewesen oder der Vater ist krank daß sie nicht daran denken können und mögen. – d  : 4. Mein Von der Tann, Bild nämlich, habe ich eben in den Kunstverein expedirt. Der Diener welcher es holte meldete daß von Stieler auch ein Bild oben sey mit der Bemerkung  : »den haben Sie nicht zu fürchten« – Die Leute im Vereine sprechen das nach was sie von den Künstlern auffangen. Es haben sich einige um einen Preis für ein Portrait erkundigen lassen, ich gab keine bestimmte Antwort noch. Weiß nicht was ich thun soll. Meine Popularität bringt aber auch viel Unangenehmes mit sich, wie z. B. die daß junge Leute kommen fragen nach mir und endlich bitten sie um einen Beitrag damit es ihnen möglich werde weiter zu studieren | so etwas preßt mir das Herz zusammen, wol auch einige Thränen aus den Augen und ich kann nicht helfen, bin ich ja doch selbst noch in dem Zustand von andern das Nöthige zu fordern, zu erbetteln  ! Dieses Angehen von armen Studenten ist mir in kurzer Zeit zwei Mal geschehen. Ach könnte ich doch nur erst den nächsten Verwandten und Angehörigen helfen  !  ! – Wie ich heute erfahre hat Bernhardt sich verdrießlich geäußert daß ich seinen Rath nicht befolgt was den Neger betrifft, und auch gemeint daß ich auf Rugendas Rath mich zu sehr stützte, dies wäre doch nicht der Mann etc. – die Urtheile sind aber im Allgemeinen gut und hatten doch die Anfragen betreff des Preises zur Folge. Ich werde allmählich mich hier schwer stellen denn ich habe mehr Feinde als ich dachte. Denen ich nicht schaden kann die sind freundlich und gefällig die andern aber resonniren. Mit Bernhardt ist es mir leid habe ihm doch viel zu danken aber ich sah es so voraus kommen und es machte mir schon damals Kummer mehr als zu viel. Es ist mir furchtbar daß auch bei mir das Sprichwort an zu wenden sein wird  : »Undank ist der Welt Lohn  !« – Was ist aber zu machen  ? Einem kann man nur unbedingt folgen mir wird nur nicht recht wohl werden unter so vielen Gekränkten oder Misstrauischen. B. ist aber doch auf der anderen Seite wiederum erstaunt über mein Talent, – will sehen was der morgige Tag bringt für Urtheile. | d  : 9 May 1850. Viel wäre nach zu holen seit dem Sonntag oder vielmehr schon seit dem Samstag Nachtisch. Es ist mir manches begegnet daß Euch beweisen wird wie man mich zu intrigiren anfängt. Es soll aber Euch nicht Bekümmerniß verursachen oder fast ein Mißstimmen bringen sondern Euren Glauben an mich befestigen. Mir ist es ordentlich ein Liebes Zeichen daß ich als Mädchen von 177 von zeitgenössischen Künstlern gestalteten Blättern, die später bei Piloty & Löhle reproduziert und weit verbreitet wurde.

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in der Kunst mehr leiste als es den Männern Portraitmalern recht ist. – Als der Tann von einem der Kunstvereindienern abgeholt wurde sagte er daß also von Stieler ein Bild käme und außerdem sehr viel Landschaften da seyen etc. Ich fürchtete daß man daher meinem Bilde nicht grade den besten Platz anweisen würde, schon weil ich selbst nicht Mitglied bin.415 Ich ging also Nachtisch hinauf um den Conservator zu bitten um einen möglichst guten Platz zu bekommen. Als ich meine Bitte für den Adjutanten vorlegte erhielt ich eine kurze Antwort, er habe ihm einen Platz angewiesen. Natürlich suchte ich ihn auf und fand daß das Bild nicht in dem gewöhnlichen Portraitsaal hing sondern in einem nebenanstoßenden Saal wo zwar sehr gutes Licht ist aber das Bild hatte dicht an der Thür den letzten Platz. Ich suchte also den Conservator wieder zu sprechen und bat ihn abermals, sagte ihm ungefähr die Worte  : »Nicht mein Egoismus, sondern der reinste Verstand bittet dem Mann, dem einzigen Bayrischen Helden einen anständigen Platz an zu weisen etc.«  – Man drehte mir statt eine Antwort zu geben den Rücken zu. | Ich blieb einige Augenblicke verdutzt stehen, ging ihn dann zum dritten Male mit meiner Bitte an, doch kalt ohne einen eigentlichen Grund anzu geben schlug man’s mir ab. Rugendas, welcher zum Unglück an dem Tage nach Augsburg zu kommen versprochen, war schon fort vermittelst der Eisenbahn. Ich war natürlich gleich zu ihm gelaufen um mir Rath zu holen. Die Nacht verging mir fast schlaflos vor Aerger, der Tante und dem Onkel ging es ähnlich. Am Montag früh kommt R. zurück und ich erzählte ihm wie es mir gegangen. Vor Wuth wußte dieser arme Teufel nicht wie sich fassen. Im Laufe des Vormittags ging er also hinauf und hat dem Herrn Conservator die furchtbarsten Grobheiten gesagt. Hat sich dabei so furchbar geärgert daß er an den wüthensten Kopfschmerzen den ganzen Abend und Nacht gelitten. Am Ende seines Streits hatte er gesagt. Wenn innerhalb 24 Stunden mir keine Satisfaction gegeben worden ist würde er in dieser Sache bis zum König gehen. Den Tag darauf ist der Ausschuß zu sammen berufen worden Bernhardt gehört dazu, ist wüthend, hat dem Onkel vor der Sitzung eußerß aufgeregt auf der Straße begegnet und gesprochen, kann mich nicht begreifen u. s. w. – Was war aber das Ende vom Liede, das Bild fand ich anständig verlegt. Es hängt doch wenigstens in der Mitte der Wand wo es sich gut macht. B. hatte gesagt daß diese Geschichte mir keine Rosen bringen würde. 415 Unter den 2855 Mitgliedern sind im Rechenschaftsbericht des Vereins für 1850 als »außerordentliche Mitglieder« circa 190 Frauen verzeichnet, worunter sieben Künstlerinnen waren, eine davon Julie Hagen (vgl. Rechenschafts-Bericht Kunstverein München, 1851, S.35). Das heißt, dass sie sich im Laufe des Jahres 1850 entschlossen hatte, »Mitglied« zu werden. Für Frauen bestand diese Mitgliedschaft aber nicht aus einer Vollmitgliedschaft, da sie nur als »außerordentliche«, nicht stimmberechtigte Mitglieder zugelassen waren. Joseph Bernhardt war Stellvertreter des Vorstandes.

486 | Die Briefe (Bin auch zufrieden mit andern Blumen) Aber seit Tann ausgestellt ist habe ich wieder | viel Besuch und neuerdings eine Anfrage ob ich die beiden Töchter des berühmten Professor Martius416 (Botaniker) malen möchte auf einem Bilde. – Am Montag schon meldete sich der Lithograph Koller um das Bild auf Stein zu zeichnen. Schwinger417 soll es aber wol durch Galvanoplastik vervielfältigen. Cotta die große berühmte Buchhandlung übernimmt mit tausend Freuden den Verlag, will auch sogar für das Drucken, Papier etc. sorgen. Der Graf Reisach,418 Schwager des Cotta wird dieser Tage zu mir kommen ebenso Freunde des Tann um mir ihre Zufriedenheit zu erkennen zu geben, kurz das Bild hat recht viel Beifall vielleicht einiges Aufsehen gemacht, – zum Trotz meiner Feinde, welche mich größten Theils nicht persönlich kennen. Peter Hess von dem ich schon neulich sprach hat mit einem alten Mann Goldarbeiter Schmidt,419 (Bekannter der Verwandten und Freund aller hiesigen Künstler, (hat selbst eine ganze Sammlung Bilder), höchst ehrenwerther Mann, mir der Liebste unter allen Bekannten des Onkel’s (die Parantese ist fast zu lang) also hat gestanden mit diesem Schmidt vor meinem Bilde und es mit einander besehen. Hess wusste nicht daß Schmidt mich kennt. Daher fragt dieser, nämlich Hess  : »Das Bild scheint mir doch nicht so schlecht zu sein  ?« Hess »Schlecht  ? es ist vortrefflich  !, soll mir ein Maler ein solchen Kopf malen, in München findet sich keiner  ! und wissen Sie wer das gemalt  ? dieselbe Dame | welche den R. gemalt hat. Sie sollte nach Paris Sie hat was Vernatsches in ihrem Pinsel u. so fort« – Dies ist doch eine 416 Der Botaniker und Direktor des Münchner Botanischen Gartens Carl Friedrich Philipp von Martius (1794–1868) war ein enger Bekannter von Moritz Rugendas aus der Zeit seiner ersten Brasilienreise. Martius hatte einen Sohn und drei Töchter  : Caroline (1825–1892), verheiratet mit Michael Erdl (1815–1848), Prof. der Anatomie und Physiologie in München, Marie (1830–1892), verheiratet mit Jakob Julius Graff (1820–1906), Angestellter der Eisenbahn, und Ernestine (1827–1909), unverheiratet. Ein weiterer Sohn verstarb kurz nach der Geburt. 417 Weder ein Lithograf »Koller« noch ein Plastiker »Schwinger« sind nachzuweisen. Vielleicht ist Julie Hagens Schreibweise der Namen nicht korrekt. 418 Gemeint ist Hermann von Reischach (1798–1876), der die Tochter des Verlegers Johann Friedrich von Cotta, Ida (1807–1862), heiratete. Reischach übernahm gemeinsam mit dem Sohn Cottas, Georg von Cotta (1796–1863), nach dem Tode des Vaters bzw. Schwiegervaters das Familienunternehmen. Georg von Cotta, der hier gemeint ist, leitete den Verlag mehr als 30 Jahre lang. 419 In einem »Verzeichnis sämmtlicher Herren Mitglieder der Gesellschaft des Frohsinns in München« (München, 1832, S.  21 und S.  25) sind sowohl ein Karl von Paumgarten als auch ein »Joseph Schmid, Goldarbeiter« aufgeführt. Es ist aber nicht zu bestätigen, ob diese Personen mit dem Onkel bzw. dem hier erwähnten »Goldarbeiter Schmid« identisch sind. Vgl. https:// books.google.de/books?id=fxlPAAAAcAAJ&pg=PA25&lpg=PA25&dq=Schmidt+M%C3%BC nchen+Goldarbeiter&source=bl&ots=uDHCgtOzZ6&sig=LOfgP2_LFLcY61aBNf4MFu5-­QA Y&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiQu9KvgY3SAhVH7BQKHdpSB8A4ChDoAQgfMAM#v=on epage&q=Schmidt%20M%C3%BCnchen%20Goldarbeiter&f=false (aufgerufen am 16.8.2018).

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Autorität dessen Ausspruch einige Erquickung meinem bedrängten und einiger Maaßen gekränkten Herzen verschafft. Der größere Theil ist sehr zufrieden. Einstimmig wird gesagt, man sollte nicht glauben daß es die Arbeit von einer Dame ist. – Was will ich mehr  ? Künftige Wochen gehen 3 meiner Bilder dann endlich nach Augsburg. Rugendas Portrait, der blaue Domino, und der Neger. – Heute ist Christi Himmelfahrt und es hat geregnet wie mit Spännen, das Wetter will und will sich nicht bessern. d  : 3ten May 1850. 8 Tage früher als sonst kam das Mal euer Brief, ich erschrecke deshalb und zögerte ihn zu öffenen aus Furcht es habe sich Alexanders Zustand verschlimmert, es war aber nicht – Gott sey es gedankt  ! der Fall. – Ihr seit außer ihm gesund und das allein wiegt alles andere Leiden, die alltäglichen Armseligkeiten auf. Der Verlust durch Fählmanns420 rasches Dahingehen in die andere Welt hat mich ungewöhnlich erschittert Ich hatte den vortrefflichen Mann so lieb, meine ganze Hochachtung gehörte ihm – War er denn krank oder starb er am Schlage  ? Nun sollte Rieder421 sich in Dorpat nieder lassen. Es wäre doch so übel nicht indessen hat Dorpat so viel ich weiß noch genug der geschickten Ärzte auf zu zählen. – Wohin bist denn Du mit Deiner Zeichenanstalt hingezogen  ? Alles hast Du das Mal nur andeutungsweise mir gemeldet. Ein Mal dachte ich schon daran ob es denn nicht möglich wäre mich in Deiner Academie einzunisten aber das geht wol nicht  ? | Gestern hattet Ihr den ersten May und zugleich Geburtstag zu feiern, ich bringe nachträglich dem lieben Bruder meine herzlichsten Wünsche.422 Es war hier ziemlich warm, erträglich wenigstens und der erste schöne Tag in diesem Frühling. Also hat sich meine Ahnung betreff O. Müller’s bestätigt, ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Ich möchte bezweifeln daß es ihm so sehr gefallen. Mich überraschte es nicht mehr. Habe nachgedacht ob ich nicht noch alte Verehrer zähle in der Welt um meine Studien vortheilhaft anzu bringen, leider findet sich keiner sonst. Von Schirren hatte ich in diesen Tagen auch endlich wieder einen Brief in welchem er auch vom Lichtbildchen spricht aber auch den Namen seines Herrn nicht nennt indessen nennt ohne Umstände einen Liebhaber des kleinen Tyro420 Friedrich Robert Fählmann (1798–1850) war Arzt und Schriftsteller. Er lebte in Dorpat und war ein Freund der Familie Hagen. Er starb am 22.4.1850. Fählmann war Este und wird noch heute von seinen Landsleuten für seine sprachwissenschaftlichen Arbeiten zu estnischen Sagen und Mythen geschätzt. Fählmann war Mitbegründer der Gelehrten Estnischen Gesellschaft. 421 Ein Arzt namens Rieder hat sich in Dorpat nicht nachweisen lassen. 422 Hier kann nur der Bruder Friedrich gemeint sein, der zu dieser Zeit nicht mehr im Haus der Eltern lebte, sondern auf dem Land untergebracht war, weil es offenbar Probleme bei der Erziehung dieses Sohnes gab. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt, er war der jüngste der Brüder Julie Hagens, geboren zwischen 1830 und 1833.

488 | Die Briefe lers Baron v. Wolf.423 Da kann ich nun nicht anders als nächstens wenn ich ihm antworte etwas malitiös zu sein. – Die Leute sollen einsehen daß man dann doch nicht gar so dumm für solche Sachen ist. Es ist mir ein Räthsel übrigens wie er sich selbst möchte das anthun  ; wird das kleine unschuldsvolle reine Gesichtchen nicht immer und immer, alle Tage, jede Stunde ihn an mich erinnern  ? wird er nicht einige Gewissensbiße fühlen  ? oder nein, das kann er vielleicht nicht, hat er doch keine Schuld an meiner Leichtgläubigkeit  ! – In diesem Sinn ist es mir lieb daß er es hat, sonst nicht. – Wollen wir ihn laufen lassen. – Der Onkel Ignaz ist noch nicht bei den Schwestern gewesen. Heute sah Tante Ottilie seine Frau auf der Straße flüchtig, auch diese kommt nicht zu uns. Und doch hat Onkel | Carl im vorigen Jahr ihm Geld gegeben um zum Theil eine alte Schuld zu bezahlen, die gnädige Frau und ihre koketten Schwestern mögen wol die Schuld dieses häßlichen Benehmens tragen. Durch die Zeitung sehen wir daß Ignatz versetzt ist nach Illerdießen doch ohne anwesend zu sein, er ist zweiter Assessor geblieben.  – Ich werde nächstens an ihn schreiben und mich bedanken für seinen Besuch, er muß sich doch am Ende stark schämen. – Von Rottmann sah ich neulich als ich einen Goldrahmen für meinen Tann suchte, ein Bild, Abendbeleuchtung nicht doch von den besten seiner Sachen aber unverkennbar seine Farbe sein Pinsel, ich fragte nach dem Preis und er lautete 200 Gulden. Wol gibt er es auch billiger her wenn man zeigt daß es ernst mit dem Kauf ist. – Ich will schon was finden, sey ohne Sorgen. Von Etzdorf wollt ich Dich nur noch fragen ob Du nicht von seinen prächtigen Kohlenzeichnungen eine oder ein Paar besitzen möchtest  ? oder im Fall unbedingt lieber ein Ölbild so muß ich dann doch wissen ob eine nordische oder südliche Natur  ? – Im nächsten Brief bitte ich Antwort darüber. Ich war neulich bei ihm und fand ein kleines Bildchen etwa ein Schuh hoch und ein einhalb Schuh breit. Abend, warm und reizend eine Baumgruppe und ein stiller See, mit fernen unbedeutenden Bergen, aus der Nähe Münchens. – Die Übrigen Sachen waren alle größer. Er malt sehr hübsch, eigenthümlich weich, äußerst contrastirt von Rottmann’s Malweise. Seine Kohlenzeichnungen möchte ich fast vorziehen.  – Du brauchst mir kein Geld zu senden, ich lege für Dich, im Fall ich kaufen soll das Nöthige aus. Den{n} ich habe ja Bestellungen | Portrait zu malen, und ich denke daß ich jetzt mir etwas Geld verdienen kann, denn Täglich werde ich gefragt wie theuer ein Kopf sey. Die Diener im Kunstverein gleichfalls fragten da sie öfter darum angegangen sind. Als mir das Bild von Tann am Sonnabend gebracht wurde, sagte mir der Diener daß die Sache, Rugendas äußerste Häftigkeit, sehr gut gethan habe. 423 Die Freiherren von Wolff waren aus Schlesien stammend und seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Narva heimisch. Zeitlich kommen hier mehrere Vertreter dieser Familie als Käufer des Tirolers infrage.

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Dann sagt er »so viel wir bemerkt, haben Sie Beneider, würden Sie was zu samm schmieren so würde man Ihnen vielleicht den besten Platz ein räumen damit das Publikum recht lachen kann, und wenn Sie wieder was ausstellen wollen so gebe ich Ihnen den Rath, bitten Sie H. Rugendas daß er es dem Conservator sagt da bekommt Ihr Bild gewiß den besten Platz den R. fürchten sie jetzt da er bei Hof gut steht etc.« – Wer weiß ob die guten Augsburger nicht etwas in die Zeitung rücken lassen wenn ihr Prachtexemplar, ihr Stolz und Freude dort ausgestellt wird. Ich wünsche es für Euch, für Bröker, damit er seine heiße Zunge in Bewegung setzen dürfte. Sagt ihm nichts damit er nicht bestimmt erwartet und sich getäuscht sieht. – Daß die Schröder Devrient eine Lievländerin geworden ist mir ganz was Neues. Wo lebt sie denn  ? – Ist den ihr zweiter Mann »Döring« gestorben  ? Ich verstehe das nicht ganz. –424 | Ihr hattet am Gründonnerstag und Charfreitag Schnee auch wir hatten dasselbe erlebt an einigen Orten wie z. B. in Augsburg wo er höher als ein Schuh hoch gefallen also mag es wol in ganz Europa geschneit haben zu gleicher Stunde. Es ist auch heute wieder recht kühl, ohne zu heitzen ist kein Leben in den Stuben, entsetzlich  ! – Du sagst Siller habe mit Frau und Kindern keinen Paß bekommen. Ist den dieser Mann wieder von den Todten auferstanden  ? ich denke mich doch nicht zu irren daß mir ein Mal gemeldet wurde er sey durch vieles Fressen vom Schlagfluß gestorben und damals bedauerte ich äußerst sehr die arme Frau, Bertha Struve – oder irre ich mich am Namen  ?425 – Das Ledebour den Gesandten betreff Tann gefragt fand ich sehr freundlich da ich von allen Seiten auf die riskante Sache aufmerksam gemacht wurde und zugleich ängstlich – ständest Du gut mit dem Courator dann wollt ich nichts sagen aber die Leute halten ja wie die Teufel zusamm. Tann’s Bildniß hat einen ganz hellen Luftgrund, er selbst den Kopf weg gewendet den Blick forschend hinaus gesendet in die Weite, in Uniform, aber ohne alle und jede Dekoration nicht einmal Epoletz und ein schwarzer Militär mantel liegt auf der einen Schulter und wird sichtbar auf der andern Seite unten an der Stelle des Gürtels wo er ihn unter dem Arm nach vorn zusammen zieht, ohne Hand  ; Du bekommst wol | wenn meine Studien gehen können ein oder einige Exemplare durch Gelegenheit vervielfältigt, auch Rugendas Bildniß wird wahrscheinlich auf diese Weise vervielfältigt werden.  – Rugendas selber hat durch den Doctor Scheve Phrenologen sehr viel Zeit verloren und 424 Wilhelmine Schröder Devrient ließ sich von ihrem zweiten Mann, dem Offizier David Oskar von Döring nach einem guten Jahr scheiden und heiratete im März 1850 den Livländer Heinrich von Bock, vgl. Anm. 122. 425 Karl Friedrich Eduard Siller (1801–1852) heiratete in zweiter Ehe Bertha Struve (geb. 1826), wohl ein Mitglied der Familie des Astronomen Wilhelm Struve (1793–1864). Siller und seine Frau wanderten 1850 nach Amerika aus, wo Siller 1852 in Milwaukee starb. Vgl. https://ambur ger.ios-regensburg.de/index.php?id=90566&mode=1 (aufgerufen am 16.8.2018).

490 | Die Briefe sitzt jetzt eben noch an einem Stein worauf er für den Scheve, Köpfe für das Studium der Phrenologen zeichnet, um die verschiedenartige Vertheilung der Organe recht anschaulich zu haben.426 Die Wahl seiner Zusammenstellung ist sehr interessant und ein Blatt werde ich jedenfalls mir erringen, wenn es Dich interessiert so schicke ich’s dann im Herbste mit. – Sonst hat er viele angefangene Bilder, aber keines fertig. Er ist so gut und menschenfreundlich daß er seine Zeit mehr für seine Nebenmenschen opfert als zu seinem eigenen Besten benutzt. Es ist einer derjenigen Männer, welcher am wenigsten Egoismus besitzt, ich glaube das behaupten zu können ohne ihn ganz frei zu sprechen von dieser Eigenschaft. Als ich heute bei ihm war seines Portrait’s wegen und dasselbe von der Wand gehoben war mußte ich mich abwenden davon denn ich fand es doch recht sehr schlecht, auch Rugendas fand das im Vergleich zu meinen jetzigen Bildern ich bin nicht betrübt sondern froh habe ich doch wieder etwas gelernt seither  ! und jetzt erkenne ich erst Bernhardt’s Ausspruch daß ich wieder Fortschritte gemacht habe. Zu Deiner Beruhigung kann ich sagen daß ich auch dünner auftrage, meine alte Natur | kommt schon wieder, dafür hatte ich nie Angst. – Tante und Onkel sind recht herzlich oder eigentlich freundlich und grüßen sehr. Ich glaube daß die vielen guten Äußerungen sie aufmuntern und wenn sie sagen können »es ist unsere Nichte« – Ledebour’s sind eben so jetzt, sie sagt oft daß sie stolz auf ihre Landsmännin sey. Nächstens soll ich zum Musikalischen Abend hin, weiß nur nicht recht wie nach Haus kommen denn fast der größte Durchmesser der Stadt liegt zwischen unserem und ihrem Quartier. – Sievers und den guten Hartmann grüßt recht herzlich. Fanny Wachter, Marga Dumberg eben so sehr. Du gute Mutter sagst, als Du von Otto Dumberg und Serwald sprichst »So wird denn Marga’s Hochzeit auch lang noch nicht sein« – ist sie denn wirklich Braut  ? Davon weiß ich ja garnicht’s  ! Von meiner Seite und zu meiner Zeit war es nur eine Neckerei ohne den geringsten sicheren Grund. Junge Mädchen müßen sich nun einmal immer necken mit oder ohne Gegenstand und ich hielt es nicht so ernst mit diesen beiden. – Es wäre aber nett und meinen Segen aus voller Brust  ; sag ihr das. Louise Lenz Mama habe ich in den letzten 3–4 Briefen gar nicht genannt gefunden, wie kommt das  ? ich will nicht Schuld haben daran grüßt alle Lenzens von mir auf ’s freundlichste und durch diese sendtet tausend Grüße an mein liebes Malchen ich denke so oft an das prächtige Wesen. – Die 150 R. S. bitte ich nicht auf zu heben, Ihr müßt das Geld ausgeben | ich wünsche nichts davon zu haben, meine Paßkosten machen mir jetzt keine Sorge mehr, also durchaus nichts aufheben  ! sonst komme ich auf den Gedanken meine Bilder im Kunstmuseum hier anzubieten wo nicht die Hälfte bezahlt wird, 426 Vgl. Gustav Scheve, Phrenologische Bilder, Leipzig, 1852, und Conrad/Trepesch, 2016, S. 160– 163.

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um dann Euch das Geld zu senden. Außerdem ist es Geld daß mir keine rechte Freude machen würde, ich mag es für meine Person nicht verwenden. – Kiel ist nach Rom um die dortige Academie abzugeben, die Stelle als Director ist ihm freilich genommen aber er hofft (das sage ich Euch im Vertrauen denn die alte Ledebour, Jugendfreundin von ihm, bat mich noch nicht davon zu sprechen) nach Antwerpen die Römisch russische Academie zu verlegen und dort das Directorat fort zu führen. Er hat wenigstens dem Kaiser den Vorschlag gemacht. Der Mann ist mir wirklich unangenehm. Er scheint dumm zu sein und doch übt er eine unerträgliche Befangenheit durch seine kalte abgemessene stolze Art zu sein, auch R. meint daß er dumm ist nur durch Gesellschaft einen gewissen Anstrich von Bildung erlangt. d  : 19. Fanny Wachter bitte ich sehr der Emma meine Gratulation in ihrem nächsten Brieg [sic] zu senden, ich kann ihr selbst noch nicht schreiben da mir die Adresse fehlt welche ich von ihr selbst hoffe bald zu erhalten. Mariens’s Handschrift fängt an recht hübsch zu werden, sie hat mich überrascht, so daß ich nicht gleich erriet von wem geschrieben. Ich danke ihr und Gotton | gleich den andern Geschwistern für die Zeilen, und werde schon ein Mal allen schreiben. Tante sagt, und ich auch daß ein Vorlegelöfel von ½ pf Schwere zu kolossal ist wir wogen den der Tante und derselbe ist nicht klein hatte etwas weniges über 8 Loth, auch ihre Theelöfel nur 1 ½ Loth. Es hat mich gelöchert daß Miezchen für 12 Kinder Hauslehrer und Gouvernanten berechnet, da einige Dutzend Mägde und Bedienten etc., denn für zwei Menschen die von Liebe leben wirft ein halbpfundiger Löfel die Suppe mal auf mal, um und um. Sie bekommt zwei recht hübsche große dafür. Vielleicht ist es noch möglich die Bestellung beim Herrn Nagel (wahrscheinlich macht der sie) zu verändern. – Die Tante sorgt auch für Miezchen hat jetzt zwei Dutzend Hemden zu geschnitten recht fein und schön und ich mache die bekannten Zacken dazu, Taschentücher u dgl. liegen auch schon bereit. Für meine Wenigkeit hat die gute sorgsame Tante auch wieder prächtige Hemde genäht, und ich bedauere nur immer nicht ohne Unterröcke und Kleid gehen zu können um mich beneiden zu lassen von aller Welt. Eines Morgens als ich ein frisch gewaschenes Hemd von den neuen angezogen hatte band ich mir ein atlas Gürtel um den Leib, setzte auf meine ungekämten Haaren ein Ballkränzchen auf und erschien so zum Kaffee ohne Strümpfe und sonst anderer Bedeckung. Für einige Augenblicke waren wir in die heiterste Stimmung versetzt, wir lachten alle ganz fürchterlich. – Es ist wieder ganz abscheuliches Wetter, wir haben nicht aufgehört zu heitzen und erwarten Schnee. Ich werde also wieder bleiben von neuem und will sehen ob nicht ich den Wunsch zu Riedeln nach Rom erreichen kann durch Portrait malen, dieser ist jetzt mein Gott mein König in der Kunst den ich fast anbete  ! – Wenn ich nun ganz hier bleiben möchte was geschieht mir dann von seiten unse-

492 | Die Briefe rer Regierung  ? Schreibt mir auf diese flüchtige Frage denn meine Idee ist es nicht doch werde ich häufig gefragt ob das nicht ginge. – Schirren sagt daß er keine Nachrichten von Euch habe auf seinen letzten Brief. Er stellt mir die Heimat als fürchterlich schwarz vor und prophezeit mir den Untergang daselbst. Der arme Junge verkümmert auch dort in dem Livländischen Land, ein liebes Gedicht sendete er mir, schöne Bilder enthaltend aber ungeheuer melancholisch sein eigenes Leben gezeichnet. Es ist traurig daß ein Aug und Herz so fühlend und offen für das Schöne wie das seinige so ungetränkt verkümmern muß während tausend andere unempfindlich in die Welt hineinstieren, die ihnen in ihrer Schönheit nichts ist und werden kann. Ich will schließen lebt alle herzlich wol und behaltet lieb Eure treu ergebene Julie NB. Auguste Hüttel ist schon verheirathet lebt überselig in Leipzig. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 21.5.1850 München d  : 21 May 1850 Meine lieben theuren Aeltern Zwei Tage sind vergangen die 2 Pfingsttage, an welchen ich nichts arbeitete und auch nicht nach gewohnter Weise an Euch schrieb, nicht an Euch wol aber nach Riga an Schirren ist heute ein starker Brief abgegangen, in welchem ich ungeheuer giftige Worte findet [sic] betreff des Lichtbildchens. Ich that nämlich als wenn ich noch nicht wüßte wer der Besitzer desselben ist. Will sehen was er mir darauf antwortet, wahrscheinlich wird er die Stellen umgehen. Er erzählt mir unter andern daß Bröderlo alle galloppirenden Pferde seiner Gallerie zu Steifböcken ummalen läßt. Diese Frechheit ist zum Schlagtreffen und ich möchte den Pferdebändiger kennen, diesen unverschähmten kühnen Maler, damit ich einst ihm volle Verachtung bezeuge, daraus wird er sich vielleicht nichts machen, das thut auch nichts, habe ich mir doch wenigstens genüge gethan.427 Das Wetter war am ersten Pfingsttage sehr kalt und trüb, wir speisten in der blauen Traube am Table de kote [sic] in Gesellschaft des Freundes Rugendas, die Tafel war sehr besetzt, meist Herren während der Tafel war schöne Musik auf dem Chor 427 Was hier genau gemeint ist, ist unklar. Der Pferdekenner Brederlo beschäftigte keinen Verwalter oder Kunstagenten im engeren Sinne. Er kaufte seine Bilder gern selbst direkt in den Ateliers der Künstler. Die Bandbreite der Sammlung ist groß. Besondere Förderung unter den baltischen Künstlern erhielt Alexander Heubel (geb. 1813) durch Brederlo, dieser starb aber bereits 1847. Werke von Julie Hagen waren in der Sammlung Brederlo nicht vertreten. Zur Sammlung Brederlo in Riga vgl. Upeniece, 2000.

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das aber so angenehm es auch war, störend für die Unterhaltung bleib. Das Essen war gut, der Wein vielleicht auch, da habe ich kein Urtheil, der Schampagner, den Rugendas springen und schäumen ließ hatte mir bewiesen daß ich bekannter bin als man meinen sollte. Ganz fremde Leute kamen und baten mit mir anstoßen zu dürfen auf das Leben der Kunst. Ich mag mich recht dumm dabei benommen haben, ich glaube es gern, denn ich fühlte wie das Bluth sich in meinem Kopfe festsetzte. Leider wurde die Tante sehr unwohl und wir mußten plötzlich fort. Sie bekam Bauchkneifen und ein art Cholerien, und ist noch nicht ganz wohl. – Heute nun bin ich herum gelaufen um Modelle für das Bild »die beiden Mädchen mit den Blumen« (vgl. Farbabb 12) | zu suchen und für morgen zu bestellen. Ich muß endlich dran gehen wenn es fertig werden soll denn fast kommt die Zeit heran und ich kann nichts fort schicken. Noch weiß ich nicht was den beiden Mädchen anziehen. Das ist immer dasjenige was am meisten Qual und Noth bringt. Gestern und heute ist’s erträglich draußen, vielleicht wird es nun doch besser. Dem Onkel Ignatz schrieb ich auch in diesen Feiertagen und machte ihm in Deinem Namen, gute Mutter Vorwürfe seines häßlichen Benehmens wegen, ich wunderte mich selbst daß der Brief so vernünftig und doch pikant, äußerst giftig war, es schadet ihm nichts er muß sich schämen oder ärgern. Auf Euren nächsten Brief freue ich mich sehr, da höre ich denn wol von Emmas Hochzeit etwas. Wie oft dachte ich an sie jetzt ist sie also Frau, glückliche Frau  ? – Am vergangenen Sonnabend wurde hier ein armer Sünder hingerichtet. Und im Augenblick wo er das Leben verlohr starb einer von den Zuschauern am Schlage und 4 Soldaten wurden ohnmächtig. So schreckliche Acte werden nun wol häufiger vorkommen, fürchterlich schrecklich  ! Wenn die Leute Phrenologie studirten dann würden Verfahren jedenfalls nicht mehr stattfinden. Man könnte solchen armen Leuten lebenslänglich Beschäftigung in den Bergwerken geben, wenigstens in Ketten geschlagen, wäre das nicht besser und sogar vortheilhafter  ? – d  : 23 Mai 1850 So viel nur daß meine Bilder, vor allem Rugendas (vgl. Farb­ abb. 11) großes Aufsehen in Augsburg macht, so sagt eine Frau, nicht zu mir, die gestern aus Augsburg kam. Ich male bei Rugendas seit gestern aber bis jetzt geht es noch schlecht, das Modell ist nicht ruhig und der Ausdruck den ich nöthig hatte war | in der Anlage drin und jetzt ist es verschwunden Wenn ich sie heute nur wieder finde  ! Rugendas meint bei solchen Gelegenheiten daß ich zu lang arbeite und hieß mich gestern urplötzlich aufhören, ich gehorchte aber hatte lieber geweint. – |

494 | Die Briefe Angehängt an diesen Brief ist eine Abschrift eines Briefes von Louise ­Rugendas (1807–1873), der Schwester von Moritz Rugendas Worte aus einem Brief an Rugendas von seiner Schwester aus Augsburg 24 May 1850 Im Gedanken nahm ich jede Stunde die Feder zur Hand um Dir zu schreiben über den großen ungemeinen Beifall den die Bilder unserer lieben Julie, einärnten zu melden  ; aber ich war so von Arbeiten umringt, daß ich jetzt mit Gewalt mich loß reiße um Dir Bericht zu erstatten. H. Professor Geyer428 rühmt Dein Portrait und den blauen Domino ungemein  ; Die sprechende Ähnlichkeit ist immer der erste Ausruf der Bewunderer und namentlich der kühne Entwurf der Stellungen u. s. w. Es ist nur eine Stimme über dieses Kunsttalent. Ich war 4 Mal im Verein und immer strömen die Leute wie zu einer Wallfahrt dahin. Gestern erhielt ich von einer Dame ein Briefchen, der ich eine Karte zum Kunstverein gab und die mir dafür Dank sagt mit den Worten  : »Ich habe die schönen Bilder Ihrer Freundin, den ganzen Abend vor den Augen und beneide die geniale Hand die in Besitz so großer Kunstfertigkeit ist.« Mütterchen die 2 Mal dort war kann sich immer nicht davon trennen und wir wünschen nur daß unsere gute Julie hier wäre um sich überzeugen zu können daß ich die Wahrheit geschrieben. Die Grafen Pappenheim429 und Völlderndorf430 sagten zur lieben Mutter, Sie können den besten Beweis der Ähnlichkiet von Moritz geben denn der Mutter Herz sey die beste Richterin. Aber, Du bist nicht der einzige der bewundert wird. Die Herrn fühlen sich zur schönen Blond|ine sehr hingezogen und wünschen die schwellenden Lippen in natura zu sehen und zu prüfen. Es war Beistengel431 mit seiner Frau da, welche behaupteten es wäre die Tochter von Hanfstengl, ich glaubte aber es sey das Modellchen von welchem Du früher schon sprachst u zog mich bescheiden zurück weil die Leute glauben es darf kein andrer Mensch ein hübsches Gesichtchen haben etc. –

428 Johann Wilhelm Rudolf Geyer (1807–1875) war Genre- und Historienmaler in Augsburg  ; er hatte seine Ausbildung an der Münchner Akademie absolviert und war seit 1833 Professor an der Polytechnischen Schule in Augsburg. 429 Welcher Graf Pappenheim hier gemeint ist, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Das Geschlecht gehörte zum Hochadel und war im fränkisch-schwäbischen Raum beheimatet. Der Ort Pappenheim liegt zwischen Nürnberg und Augsburg. 430 Vermutlich der Jurist und spätere Staatsmann Otto von Völderndorff (1825–1899). 431 Diese Person konnte nicht identifiziert werden.

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Fortsetzung von Julies Brief d  : 26 May 50 Gestern Abend noch hatte ich auch einen Brief von der einen Tochter des Doctor Girl aus Augsburg432 der voller Entzücken über meine Arbeiten ist und auch sagt daß eine wirkliche Aufregung in Augsburg seit her ist, die Sachen bleiben daher auch noch eine Woche dort hängen. Der Conservator, wie man mir schreibt hat meinen Bildern den Ehrenplatz gegeben, die hängen also gut, im besten Lichte. Im blauen Domino will man immer mich erkennen und glaubt ich sey die Schwester der berühmten Schauspielerin Hagen433 mich ärgert das, da die Person als Weib einen recht schlechten Ruf hat. Girls haben daher immer nur zu erklären, daß das nicht der Fall ist u. s. w. | Sonntag 26 May 50. Noch bin ich nicht gekleidet, weder gekämmt noch gewaschen, habe Kopfweh und bin nicht ganz ruhiger Laune. Das Wetter ist nicht entschieden heiter und heute um 11 Uhr sollen wir in Gesellschaft des trefflichen Rugendas nach Weihern um die berühmte Lotzbecksche Gallerie434 zu sehen. – Wenn es nur nicht regnet, das wäre recht fatal. Am Freitag war bei Ledebour musikalische Gesellschaft. Da ich nicht bei mir zu Hause arbeitete waren sie vergeblich 3 Mal dagewesen und schickten zuletzt auch zum Onkel hinunter und ließen einladen. R. hatte versprochen mich nach Haus zu begleiten aber da es so entsetzlich weit ist so sagten die Verwandten sie wollten gegen 10 Uhr auch kommen. Das war denn auch geschehen aber wie es denn immer bei solchen Gelegenheiten geht, die Wirthe der Gesellschaft lehnt sich gegen solche Sachen 432 Der oben schon erwähnte Vater von Helisena, Marie und Ottilie Girl. 433 Charlotte von Hagn (1809–1891) war als Schauspielerin vor allem in München und Berlin tätig, spielte jedoch auch an anderen großen Bühnen, darunter in St. Petersburg. Eine 1848 mit einem Gutsbesitzer geschlossene Ehe wurde 1851 wieder geschieden. Sie hatte eine Affäre mit Franz Liszt und gleichfalls wurde ihr ein Verhältnis mit König Ludwig I. nachgesagt, daher wohl die abschätzige Meinung Julie Hagens über ihre Namensvetterin. Joseph Stieler verewigte Charlotte von Hagn im Auftrag Ludwigs I. für die »Schönheitengalerie« des Königs (Joseph Stieler, Charlotte von Hagn, 1828, bez. a. d. Rückseite »Charlotte von Hagn K. B. Hofschauspielerin geboren 1810 in München gemalt als Thekla in Wallenstein von J. Stieler 1828«, Öl auf Leinwand, 73,2 × 59,5 cm, Schloss Nymphenburg, Inv.-Nr. Ny. G0027  ; vgl. Abb. in  : Hojer, 2011, S. 55). 434 Den Grundstock für die Privatsammlung der Familie von Lotzbeck soll der Fabrikant Karl von Lotzbeck (1786–1873) gelegt haben (vgl. Otto Grautoff, Die Gemäldesammlungen Münchens. Ein kunsthistorischer Führer, Leipzig 1907, S. 100–104)  ; sein Sohn Alfred von Lotzbeck (1819–1874) aber begründete die öffentlich zugängliche Sammlung im Schloss Weyhern, wie sie Julie Hagen zu dieser Zeit vorfand. 1890 wurde die Sammlung nach München verlegt und ging schließlich an die Neue Pinakothek München. Wegen Unklarheiten in der Erbfolge war die Sammlung allerdings bis vor Kurzem nicht zugänglich. Sie setzt sich fast ausschließlich aus Werken der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen, stark vertreten sind die Nazarener, wenige altdeutsche und italienische Meister vervollständigen die Sammlung.

496 | Die Briefe auf und ich mußte also da bleiben da die Musik erst jetzt begann. Auch die Nacht schlief ich bei ihnen. Die Gesellschaft war recht zahlreich und doch wurde da ich fast allen vorgestellt. Und hörte von der sogenannten Nichte der Ledebour435 (äußerst nettes gescheites Mädchen) wie auch von den alten guten Leuten als wir gegen 3 Uhr ins Bett gingen daß die meisten durchaus nicht haben glauben wollen daß ich die für welche die gesehenen Sachen gemalt, meine scheinende Jugend hat sie frappirt. | Die Musik war sehr gut und die Wirthe sehr liebenswürdig. Beim Suppe kam die alte Ledebour mit einem Glase Wein um auf Euer Wohl zu trinken. Ein Herr von Martin, Angestellter an der russischen Gesandtschaft ließ sich mir vorstellen. Der sagte mir daß er schon zwei Mal sich das Vergnügen machen hat wollen mich im Atelier aufzusuchen aber mich immer nicht gefunden. Den muß ich warm halten, vielleicht kann er etwas thun betreff eines Stipendiums, vielleicht ohne daß ich ihn bitte da er selbst kommt ungerufen, ich sprach davon daß meine Sehnsucht nach Rom ginge aber wie ich eben durch aus keine Gewährung dieses Wunsches nur im Entfernten vor Augen sehe etc. – Mein zweites Köpfchen ist wieder passable im Ausdruck geworden, jetzt übe ich an den Händen, wobei es immer nicht erwünscht geht. Der Maler Volz436 (Viehstückmaler) hatte am Freitag, nach dem ich fort gegangen den R. besucht und dieser zeigt ihm mein Bild (das NB  : immer versteckt ist) Volz war außer sich vor Entzücken und hat gesagt  : »Sie muß mir meine Frau malen, ich habe kein Geld, aber vielleicht möchte sie einen Handel machen, ich gebe ihr ein Bild von mir.«  – Natürlich möchte ich das denn Volz ist der beste Thiermaler und mich freut’s sehr. Gestern nun ist er wieder um dieseselbe Zeit da gewesen mit seiner Frau in der Hoffnung mich zu treffen. Montag früh kam er zum dritten Mal und bringt gleich das Maaß von | von [sic] seinem Portraite mit. Er hat gestern denn R. gesagt daß er ganz besonders ungeduldig sey. Er hatte noch keine weiblichen Köpfe gesehen von mir und diese hätten ihn sehr überrascht. Mich freut dieser Antrag doppelt. Erstens weil es der eines Künstlers und sehr tüchtigen ist und zweitens weil ich für Dich 435 Zu Julie Dreuttel vgl. Anm. 65. Einige Briefe von ihr haben sich im Nachlass der Künstlerin erhalten (Verbleib unbekannt). 436 Der Tiermaler Friedrich Voltz (1817–1886) gehörte  – wie Bernhardt  – seinerzeit zu den erfolgreichsten Fachmalern Münchens. Schon sein Vater Johann Michael Voltz (1784–1858) war Maler gewesen, ebenso sein Bruder Ludwig (1825–1911) und seine Schwester Amalie (1816– 1870), die aber öffentlich nicht in Erscheinung trat. Der Sohn Richard Voltz wurde ebenfalls Maler. Friedrich Voltz spezialisierte sich auf die Tiermalerei, gilt insbesondere als Begründer des »Kuhporträts«. Er war ebenfalls ein hervorragender Landschaftsmaler, wobei er sich an den Niederländern orientierte und auf die Landschaft seiner Heimat Bayern konzentrierte. Eng befreundet war Voltz mit den Malern Carl Spitzweg (1808–1885), Christian Morgenstern (1805–1867) und Eduard Schleich d. Ä. (1812–1874).

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ein Bild verdiene. Das Bild soll Dir gehören lieber Vater.437 Rottmann ist sehr gefehrlich krank und lebt mit seiner Familie nicht im besten Verhältnis, die Frau ist eifersüchtig, ich meine gehört zu haben nicht ohne Grund. Sonst würde ich wünschen daß ich hier auch einen solchen Handel machen könnte. Gestern früh ging es mir sehr comisch mit dem König Ludwig als ich von Ledebour’s nach Haus gekommen mich eingekleidet und gefrühstückt hatte wanderte ich um ¾ 8 Uhr wieder zur Arbeit. Als ich vom englischen Garten in den Hofgarten den kleinen Berg hinaufsteige sehe ich den König Ludwig, ganz hell und sommerlich gekleidet stehen und mit einem Manne sprechen. Nicht auf dem Tratouar sondern dicht daneben auf der Fahrstraße woselbst ich auch ging. Als ich ihn, den König erkannte, lenkte ich also um auf dem Fußweg zu gehen woselbst es nicht besonders gut ist da Kies gestreut ist, König Ludwig bemerkt das und ruft mit lauter Stimme  : »Fräulein gehen Sie nicht dort da ist schlecht gehen kommen Sie zurück auf den Weg, wir machen Platz.« – ich natürlich gehorcht und blieb vor ihm stehen und murmelte einige unverständliche Worte, »Majestät« schickte ich hörbar voraus. Nächstens fragt | er gewiß wie ich heiß und ob ich verheirathet bin etc. Er sucht übrigens wenn ich nicht irre die Julie Hagen zu finden da man ihn öfter schon fragen gehört haben will  : »Sind Sie Künstlerin  ?« Für heute höre ich auf da ich mich doch kleiden muß. Lebt wohl  ! – d  : 28 May 1850. Es ist höchst langweilig wenn man von den Modellen und ihren Launen abhängt. Heute habe ich den halben Vormittag gewartet und ihn wirklich verloren im Warten denn sie kam nicht welche zu den Händen mir sitzen sollte. Seit gestern ist es äußerst gewitterschwül draußen, gestern Abend blitzte und krachte es sehr heftig und jetzt eben sieht es wieder schwarz aus. Der Körper und der Geist fühlt sich matt. In solchen Stimmungen bin ich unlustig zu jeder Arbeit nur zum malen, eigenthümlicher Weise habe ich immer Muth und Lust. Das liegt wol in der Beschäftigung selbst  ? Sie belebt den Geist läßt ihn nicht sinken, die gleichgültige Tagesbeschäftigung hat nicht die Kraft das Welken und Ermüden sowol von Körper und Geist zu verhindern, und ich fühle schon jetzt wo es eben 10 Uhr ist daß mir der Tag entsetzlich lang wird. Am Sonntag waren wir also in Weihern um Riedels Sakontala zu sehen (vgl. Farbabb. 5). Das Bild zu beschreiben ist nicht möglich ich kann Euch nur sagen daß ich stumm war wie ein Fisch und als wir fort ging platzte ich und lief in heißen bitteren Thränen aus, es bemerkte dies niemand als der gute Rugendas welcher mich auch verstand. Die Gallerie ist klein | und besitzt ausgesuchte Sachen aber dennoch hat man kein Auge kein Sinn mehr für die übrigen Bilder außer der Sakontala. Alles was man in Farbe aufbieten kann ist hier wieder gegeben. Es ist das herrlichste Werk was 437 Zum Bildnis der Kathatrina Voltz und dem als Bezahlung überbrachten Gemälde von Voltz vgl. Conrad/Trepesch, 2016, S. 92 f. und S. 180–182 und Farbabb. 14 und 17).

498 | Die Briefe ich noch je sah  ! Zwei Bilder von Ari Scheffer aus Paris (vom selben den ich kennen lernte im vergangenen Herbst). Faust und Gretchen im Garten spaziren gehend (vgl. Farbabb. 4) und Mephistopheles mit Marta oder wie sie hieß – auf einem Bilde, welches mich nicht befriedigte  ; hingegen das andere »Grethchen als Wahnsinnige mit dem todten Kinde« ist großartig tief gefühlt, herzzerreißend schön gegeben. Was die Sakontala in Farbe ist hat Grethchen im Ausdruck und Zeichnung. Diese beiden Bilder haben mich den Abend lang nicht ein schlafen lassen und als ich zuletzt doch einen späten Schlummer fand träumte ich unaufhörlich von diesen beiden süßen unschuldsvollen Geschöpfen, das eine so himmlisch ruhig das andere voll Zerrißenheit ohne Bitterkeit und beide so unbeschreiblich tief ergreifend, so wunderschön  !  – Herr Gott, was bin ich doch für ein Schwächling für ein Stümper  !  – Es freut mich nicht mehr an meinen Sachen zu arbeiten, alles sieht schülerhaft und gequält aus. Und kommen dann solche Nachrichten wie heute wieder aus Augsburg, daß meine Sachen immer noch umlagert sind, daß der Prinz Max sich verliebt habe in der Blonden (dem Domino) daß er ihr nachstellt und es so auffallend macht, daß ganz Augsburg davon spricht, so muß ich bedauern | die Leute, die noch nichts sahen, fast fühle ich Vernichtung für die jenigen welche meine Arbeiten gut wol gar ausgezeichnet finden. Ich kann mich nicht darüber freuen. Vielleicht versteht Ihr nicht darin aber es ist das Gefühl der augenblicklichen Nichtachtung gegen sich selbst, das jeder Mensch wenn er nicht zu egoistisch ist ein Mal wenigstens im Leben empfunden haben wird, Aber solche Augenblicke sind erforderlich, das Streben wird erneut, das Ziel wird weiter gesteckt, die Thätigkeit im Menschen läßt ab von der Trägheit in der man sich oft gefällt. Man sinnt auf Neues und findet nicht Befriedigung noch Ruhe und darin liegt doch auch ein Segen, den man, wenn auch nicht gleich so doch später erkennt und sich freut. – Meine beiden Mädchen mochte ich fast nicht ansehen als ich gestern sie auf die Staffelei stellte und anfing zu arbeiten. Rugendas malte eine Skizze Landschaft. Anfang einer neuen Reihe für die Kupferstichsammlung und ich ließ ihm fast keine Ruhe da mich’s drängte über die beiden herrlichen Werke zu sprechen, wenn nicht anders so seufzte ich laut was ihn sehr amisirte. Noch eine Bemerkung schaffte ihm ungemein Vergnügen. Ich sagte nämlich  : »ich möchte Sie gern wie die Sakontala malen« ich meinte in meinem Eifer b{l}oß in der Sonnenbeleuchtung, was er freilich nicht wußte und furchtbar über eine solche tolle Idee lachen mußte. In dessen hat dieses uns dahin gebracht, daß ich so bald das Bild aus Augsburg retour | kommt das Maaß nehme, einen Rahmen und Leinwand bestelle und ihn wirklich in der Sonne male, da ich in meinem Attelier keine Sonne habe so muß es bei ihm geschehen. Wir versuchten auch gleich wie es sich macht. Die Balkonthüre wird geöffnet, wodurch die Sonne hineindringt, das Oberlicht giebt den blauen Lichtreflex was ganz herrlich sich macht ich selbst komme aber da auf den Balkon zu

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sitzen mit meiner Staffelei. Eine starke Zumuthung in der Sonne zu sitzen, aber ich denke es soll doch gehen, ich habe ihm versprochen daß er denn das Bild bekommt  ! Wenn es ihm besser gefällt, wenn es überhaupt nicht verunglückt und das andere schicke ich dann im Herbst mit den übrigen Sachen, und das zweite kommt denn hier auf die große Ausstellung, wenn es fertig wird, jetzt häufen sich Arbeiten auf Arbeiten. Maler Volz war gestern wieder da und möchte das Portrait seiner Frau schon haben welche ich nun auch wol noch in dieser Woche anfangen werde müssen. Ich weiß nicht ob H. Hartmann Dir gesagt von dem Buche »Bilder des Geistes in Natur und Kunst« von Deutinger438. Es kommen sehr schöne Sachen darin vor, Was mich etwas auf die Länge genirte war der ungewöhnliche Bilderreichthum der oft das Folgen in die Tiefe seiner Gedanken mir wenigstens erschwerte. Ich komme wenig, so eigentlich gar nicht zum Lesen und mir wäre es so nöthig, nöthiger als das täglich Brod. Was macht denn der liebe gute Herrmann  ? Ist er gesund und heiter  ? – | Ich hörte auch von meinem Leinwandlieferant daß schon Bestellungen für Kotzebou439 gemacht seyen, also ein Landsmann hier, wie wird das aussehen  ? Ich freue mich nicht weil ich fürchte ohne eigentlich bestimmt zu wissen was. Da ich nicht lange der beiden Damen wegen im Attelier bleiben konnte so bat ich Vieder440 bald seinen Besuch zu erneuern was er auch versprach. Heute hat Volz sein Portrait441 zu mir gebracht welches schlecht ist und vielleicht kommt 438 Martin Deutinger, Bilder des Geistes in Kunst und Natur, aus freier Hand gezeichnet auf einer Pilgerfahrt nach Florenz im Jahre 1845, Augsburg 1846. 439 August Alexander von Kotzebue (1815–1889) war ein Landsmann, Sohn des von Karl Ludwig Sand ermordeten August von Kotzebue (1761–1819), der zunächst die militärische Laufbahn in Petersburg eingeschlagen hatte und dann dort Malerei studierte. Nach Aufenthalten in Paris, Belgien und Italien, ließ er sich 1850 in München nieder. Er war als Schlachten- und Historienmaler tätig, war Professor der Petersburger Kunstakademie und Ehrenmitglied der Kunstakademie in München. 440 Dies ist vermutlich der Genremaler Wilhelm Wider (1818–1884), der 1845 bis 1848 in Livland lebte and arbeitete und offenbar auf seinem Weg nach Rom, wo er ab 1850 ansässig war, durch München kam. Der ihm befreundete Alexander von Kotzebue kam zur selben Zeit wie er nach München, vermutlich machten sie die Reise gemeinsam. Wider hat während seines Aufenthalts in Livland zahlreiche Bildnisse baltischer Persönlichkeiten gemalt (vgl. Neumann, 1908, S. 169). 441 Im Besitz der Nachfahren befindet sich ein Bildnis Friedrich Voltz’, das ein Pendant zu dem Bildnis der Katharina Voltz von Julie Hagen ist. Es hat dasselbe Maß und den gleichen Rahmen. Möglich, dass es damals schon existierte und dass Voltz es als Vorlage zum Maß mitbrachte. Ein weiteres Bildnis von Voltz aus dieser Zeit ist im Besitz der Nachfahren nicht vorhanden. Das Voltz-Bildnis ist auf dem Keilrahmen mit »Buchner pinx.« bezeichnet und wird daher Carl Buchner (1821–1918) oder seinem Bruder Georg Buchner (1815–1857) zugeschrieben (um 1850 entstanden, Öl auf Leinwand, 69 × 56 cm, Privatbesitz). Theoretisch könnte es sich auch

500 | Die Briefe es dazu daß auch er mir sitzt, das würde ich in so fern wünschen da er außerordentlich bekannt ist und ich dadurch mich gut recomandire. Mich freut auch diese Aufforderung ohne irgend eine Anregung, außergewöhnlich, sie hat sich frei von selbst gemacht, die erste Bestellung für einen Künstler und denn einen tüchtigen, ich kann nicht sagen wie mich das freut. d  : 2 Juni 50. Es ist ja Sonntag und vielleicht schon spät um zu schreiben d. h. spät da ich ins Theater gehen werde die Oper Tell zu hören und danach, es ist einmal so festgestellt am Sonntage muß ich immer Euch wenigstens grüßen, mehr weiß ich im ganzen auch nicht zu sagen – Heute wollte ich einige Höflichkeitsbesuche machen fand aber keinen Menschen zu Haus, begegnete aber Bernhardt, war zum Glück nicht allein sonst wäre ich wol stehen geblieben und wir hätten jedenfalls debattirt, ich glaube daß es mit unserer Freundschaft so zu sagen aus ist. Es schmerzt mich aber es ist ja nicht anders geworden als ich’s voraus sah und es erwartete, also muß man sich darin fügen  ! – | Ich habe etwas Sehnsucht nach meinen Bildern aus Augsburg und kann sie erst zu Ende dieser Woche zurück erwarten, da sie nicht vermittelst Eisenbahn gehen sondern durch einen Boten, da die Eisenbahn nicht garantirt. Ich hoffe nicht daß sie länger noch ausgestellt bleiben obgleich sie sehr gefallen sollen. Von Euch ist auch kein Brief gekommen ich schmeichelte mir mit der Hoffnung da der letzte nach 3 Wochen gerade an kam. Lebt wohl für heute  ! – d  : 6. Juni 50. Ehe ich fort gehe, nur einen Guten morgen  ! – Gestern erhielt Rugendas von der Schwester den Augsburger Anzeiger worin von mir oder von meinen Bildern gesprochen ist, ich hoffe das Blättchen Euch zu senden  – nur wünsche ich daß nach dieser Anzeige ein kleiner Artikel durch die Allgemeine Zeitung zu Euch käme. Es wäre recht fatal wenn es nicht geschieht. Ich weiß nicht warum der Lärm mir Hoffnung gab zu solcher Feier. Aber wahrlich nur wünsche ich’s um Euretwillen. Für meine Person, ich würde vielleicht es als Ironie betrachten und danach mich auch freuen. – Meine Bilder sind noch nicht gekommen und wenn sie diese Woche nicht eintreffen so sind sie wol noch die dritte Woche ausgestellt geblieben. Hanfstengl machte mir gestern einen Besuch und lud mich ein sie in Hochschloß zu besuchen woselbst es wunder herrlich sein soll. Ich freue mich darüber und trauere zuletzt da ich ein Ausfahren fast für eine Unmöglichkeit ansehe. In München glaubt man immer sich große Verbindlichkeiten auf zu legen, wenn man ein Glas Bier oder eine Tasse Kaffee bei jemandem trinkt. Die Gastfreundlichkeit ist einmal hier nicht daheim und man hat keine Idee davon. | um ein Werk Julie Hagens handeln, wenn der Keilrahmen zwei Mal benutzt wurde. In einem Brief vom 29.8.1851 schreibt sie, dass sie Voltz kurz vor ihrer Abreise aus München noch gemalt habe, vgl. S. 673.

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d  : 7 Juni 50. Ledebour’s sind außerordentlich freundlich besonders die sogenannte Nichte von ihnen scheint mich sehr lieb zu haben, bewundert mich u. s. w.  – Auf mein Zureden sind sie gestern in Weihern gewesen um das herrliche Werk Riedels zu sehen und heute kam denn Julie (so heißt nämlich die Nichte oder Gesellschafterin) und brachte mir einen Eichenkranz und bekränzte mich indem sie sagte daß Riedels Sakontala es mir sende. Rugendas war zu gegen und erzählte denn daß er mit eben einem solchen Kranze gekrönt worden sey als er zum ersten Male vor dem Bilde stand und staunte über seinen großen Freund Riedel. Ein junges Mädchen hatte leise ihn bekränzt was ihm einen unvergeßlichen Eindruck bereitete. Vieder besucht mich fast täglich und immer mehr finde ich daß er ein großer Schwätzer ist. Für lang wünsche ich mir seine Gesellschaft nicht. Maler Volz ist glücklich über sein Weibchen und sagt es wäre das beste Portrait das ich bis jetzt gemalt habe, ich hätte sie nicht besser auffassen können und nicht schöner in Farbe malen (Farbabb.  14). Ich meine auch daß das Kolorit recht klar und durchsichtig geworden. Er wird nun sich auch malen lassen, das gibt denn ein paar Bilder für den Kunstverein, ich freue mich sehr  ! – Von Schirren hatte ich dieser Tage auch wieder einen Brief, er hat augenblicklich geantwortet. Seine Briefe sind alle so schön, für den Druck geschaffen. Ganz herrliche Gedanken, überraschend schöne, neue finde ich in jedem seiner Briefe. | – Meine römische Sehnsucht hat ihn sehr ergriffen so daß er zu dem kindischen Wunsche hingerissen wurde selbst thätig zu sein um den Plan nicht als Plan hin sterben zu lassen. Er bittet mich auf tausend Mittel zu sinnen und sagt dabei folgende Worte  : »Ich habe hier, – ich besinne mich nicht mehr auf die Quelle, erzählen hören, daß Sie einmal die Absicht hätten, nach Konstantinopel zu gehen, die Frauen des Harem’s zu malen. Ist das Lüge oder Wahrheit  ? Es wäre ganz hübsch, wenn Sie dann mit dem Golde des Radschah in die Stadt des Papstes einzögen. Aber ich scherze nicht, haben Sie wirklich den Plan und können ihn ausführen, so führen Sie ihn aus. Immer aber vergessen Sie Rom nicht.« – – So klatscht man also wie ich sehe  ; aus Dorpat geht diese Dummheit bis nach Riga in die Gesellschaft und zuletzt kann sie sogar zum Paschah selbst wandern als Vorbote, als Ankündigung. Dann muß ich hin, das könnte mich verpflichten  ! Mich ärgert das nicht, im Gegentheil ich lachte und sah ein, wie vorsichtig man selbst in seinen Scherzen sein muß. Zu Ende seines Briefes sagt er, seine Mutter freue sich sehr über den Plan mit Constantinopel und er glaubt, sie hätte Lust mit zu reisen. – Vielleicht findet sich eine ganze Gesellschaft Frauen, die mit mir gehen  ? Das wäre so übel nicht. – Wollen wir die Zeit nur erst kommen lassen, ha das kann nett werden  ! – Lebt wohl für heute. Sonntag d  : 9 Juni 50. Noch nicht gekleidet soll mein erstes Geschäft heute sein Euch für den gestern angekommenen | Brief zu danken, er ist dünn aber enthält alles was ich zu wissen wünschte. Ihr seit gesund im Allgemeinen und

502 | Die Briefe was will ich mehr  ? Ich danke immer dem Himmel wenn ich das lesen darf. Daß Dir die Zeit rasch unter vielfacher Beschäftigung vergangen freut mich sehr, in der Erinnerung wird sie Dir länger, ausgedehnter und reicher erscheinen als eine Zeit die still zu stehen Dir schien, dies ist der Vortheil, welchen die jungen Menschen haben, die großen Wechsel in ihrem Leben erfahren namentlich welche durch reisen und dergleichen ruhlose Lebensthätigkeiten, ihr Leben vollbringen. Sie werden alt ohne zu wissen wie aber schauen sie zurück dann erschließt sich vor ihren inneren Blicken eine unendliche Tiefe, ein unermeßlicher Reichthum, lange Tage und viele Jahre, und dabei ist ihr Geist jung geblieben. Ich denke dabei an den lieben vortrefflichen Freund Rugendas und freue mich seiner. Dein Plan betreff meiner Rückkehr will fast mich wieder in ein Wanken und Schwanken versetzen, was vor wenig Monaten ich fest und sicher glaubte was ich wünschte war damals Deiner Überzeugung zu wider, jetzt, wo ich und Tante und Onkel ruhig wieder mich weiter studiren sehen wollen, jetzt magst Du gern daß ich doch noch dieses Jahr heim kehre. Ich wundere mich nicht, ich weiß welche Beweggründe vorhanden sind um Dich zu leiten allein ich sehe nun wol ein daß ich allein handeln muß wo es um meine eigene Person sich handelt. Immer noch machte ich die | Erfahrung daß ich am besten that so bald ich keinen Menschen um Rath fragte sondern dann handelte, so bald meine innerste Überzeugung rein und klar und fest, für oder gegen die Sache sprach – ich will deshalb nun auch die Sache fallen lassen und in mir reifen lassen um zu handeln. Rugendas ist am meisten dagegen daß ich grade jetzt heim soll, er denkt lebhaft an Rom und Riedel und da will ich denn auch gegen den schweigen um ihn nicht ungeduldig zu machen. Nach Rom muß ich  ! Schon um des willen das ich unter tausend die einzige wäre welche das hohe Glück hätte von Riedel unterrichtet zu werden. Gehe ich jetzt ohne Rugendas Hoffnungen in meine künstlerischen Bestrebungen zu erfüllen so fürcht ich daß ich ihn und sein ungewöhnlich reges Interesse für meine Ausbildung verliere und somit nie auf die Gunst Riedels zählen darf  ; denn Rugendas ist sein liebster Freund. Außerdem kann ich nicht früher fort bevor nicht mein Ruf voraus gegangen, das habe ich mir versprochen und endlich wenn ich Tann doch noch malen soll442 so ist schon gar kein Reden von 442 Zu diesem Zeitpunkt war also immer noch nicht klar, ob es bei dem Auftrag, den Rugendas über Forchhammer vermittelt hatte, blieb. Das bisher entstandene Bildnis Tanns war eine Halbfigur und im Mai 1850 im Münchner Kunstverein ausgestellt worden, vgl. Der Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 162, 11.6.1850. Das Bildnis für Forchhammer sollte eine ganzfigurige Darstellung werden, wie sie die erhaltene Studie im Kunstmuseum Tartu zeigt, vgl. Julie Hagen Schwarz, Bildnis Ludwig von und zu der Tann (Studie), 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 38,2 × 28,5 cm, Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 732 (vgl. Farbabb. 13). Das entstandene Porträt hatte die Künstlerin aus Rücksicht auf ihre russische Untertanenschaft zunächst nicht als Auftrag für die Städte Schleswigs deklariert.

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Reisen. Ich will alles aufbieten damit ich doch noch das große Bild beginne, denn Professor Vorkhammer aus Kiel ist seit ein Paar Tagen hier, hat das gehört und ist sehr unglücklich, er wird mich besuchen und dann werde ich mit ihm drüber sprechen, vielleicht macht er Schritte zum Gesandten, vielleicht Rugendas, ich will Letzterem Deinen Kummer darüber mittheilen. Und ich will alles auf | bieten um es dennoch durch zu führen. Ledebour hat nicht viel Schuld wie Du meinst. Ich bat ihn ja darum, nur hat er, aus zu großer Gewissenhaftigkeit den Versehen begangen zu sagen »als Geschenk« sollte es nach Kiel. Daß ich ihn bat war natürlich da man mich von allen Seiten warnte es, ohne zu sagen, zu thun. – – Was mich sehr traurig macht ist der gute liebe Sivers. Deine Bemerkung liebe Mutter betreff seiner Schwiegereltern ist sehr traurig, wie wird es einst um ihn und seine Familie aussehen  ? Herr Gott  ! Er ist der beklagens wertheste Mensch auf der Welt  ! Ich habe das aber immer befürchtet, in der Farbe hat er nur wenig Talent und das ist bei einem Maler wol fast die Hauptsache. Alexander wird darin so viel haben wie ich, denn seine Kopfbildung ist ganz die meinige, ich erkenne mich in seinem Portrait, deshalb soll er nur rastlos arbeiten um die Anlagen aus ihrem tiefen Schlummer zu wecken, es geht schwer aber nur den Muth und den Willen, den festen, starken nur nicht verlieren, dann wird er schon den Segen empfinden. Gestern ging ich in das Gasthaus der blauen Traube, da mir Rugendas welcher dort speist gesagt hatte daß aus Riga ein Paar alte Leute angekommen seyen. Ich verlangte das Fremdenbuch und laß  : »Kaufmann Holzt«,443 sie waren ins Bad nach Kreut abgereist. | Ich freue mich sehr, daß ich dies Jahr Gelegenheit haben werde, einige Vaterländer zu sehen und zu sprechen. Wird Gustav Lenz444 nicht auch bald heiraten  ? Das arme Louischen thut es wol nicht  ? Ihr wünschte ich’s am meisten. Die Beschreibung von der Hochzeit Emma’s hat mich außerordentlich gefreut und der Mieze danke ich recht herzlich, mir ist es möglich geworden durch die Ausführlichkeit mich zurück in die Tage der Feier zu versetzen, ich habe alles mit erlebt und genossen. Jetzt erwarte ich nur noch einen Brief von der jungen Frau selbst, möchte er nur bald kommen  ! – Sagt der Mieze daß so arg wir nicht gelacht haben über ihren Eß oder Vorlegelöffel, es ist einfach bloß unsere Meinung so gewesen, vielleicht war ich im Augenblick bloß besser gelaunt dummes Zeig zu schwatzen und dann ist ja vielleicht das hiesige Loth auch schwerer als bei Euch. Wenn Miezchen an Schwarz schreibt so bitte ich tausend Grüße und Küße auch von mir ihm zu senden, auch seinem Bruder, unserem künftigen

443 Ein Mitglied der Familie von Holst aus Riga. 444 Gustav Lenz (1823–1852) war ein Bruder der schon erwähnten Louise, Amalie und Eduard Lenz aus Dorpat. Eine weitere Schwester von ihm, Marie Lenz (1812–1886), hatte Valentin von Holst (1808–1860) geheiratet, der Pastor in Fellin war. Gustav Lenz verstarb unverheiratet 1852.

504 | Die Briefe Schwager mein Gruß, ich meine Vio.445 Fanny Wachter, Dumbergs, alle alle sind herzlich gegrüßt. Sivers, Hartmann, ja nicht vergessen. – Rottmann ist immer noch sehr krank und ist auch wol nie ganz herzustellen. Er hat sich seine Leber durch die verbotenen Morison-schen Pillen ganz verdorben, welche er einige Jahre hindurch heimlich auf eigene Hand gebraucht hatte.446 Seit gestern regnet es unaufhörlich und sehr häftig. Gestern war der Tag des Heil. Modestus und da es an diesem Tag regnet so ist die erfreuliche Aussicht | vorhanden 40 Tage Regenwetter zu haben. Schrecklich  ! Ich merke daß mein Brief heute d. h. das Mal recht stark wird und vielleicht ist nichts darin was der Mühe werth wäre zu lesen, ich selbst weiß wenigstens diesen Augenblick nichts was er Interessantes enthält. Nachtisch. Es hat aufgehört zu regnen ist aber entsetzlich schmutzig. In München braucht es nie viel so ist es kaum zu gehen da außer der alten Stadt alle Straßen ungepflastert sind. Ich ging zu Rugendas und erzählte ihm Deinen Verdruß. Er war bedenklicher und sagte nur eines, was sehr gut ginge, nämlich man müße einen Mann finden welcher seinen Namen dazu hergiebt d. h. in sofern daß man der Gesandtschaft sagt dieser Mann hat es bestellt um dem Museum ein Geschenk zu machen da kann man freilich und ich hoffe es, nichts dagegen haben. Sprecht Ihr noch nichts darüber, bis hier die Sache im Reinen ist. Sollte sich’s dennoch machen so muß selbst der inthümste Freund nicht wissen daß es nur Vorwandt sey, selbst ihn muß man glauben machen daß eine zweite Bestellung erfolgt ist, was der im Sinne hat mit dem Bilde, kann mir als Maler gleichgültig sein. Bei Volz war ich auch, welcher Morgen noch nicht sitzen kann, wie ich wünschte. Morgen kommen, so hoffe ich, meine Bilder aus Augsburg, die Anzeige der Absendung ist wenigstens gemacht worden. Ein Rosenstock im Garten blüht wunderschön ich wollt ich könnt alle Menschen von Nah und Fern herzaubern damit man ihn sieht. – | Aus der Schweiz haben wir lang keine Nachrichten und Tante Cecilie war vor einigen Tagen bei mir und war gesund. Ihre Hand ist noch immer dick aber sie arbeitet trotz dem alles zu Hause, das ist eine herrliche arme Seele  ! – Du guter Vater erwähnst Deine Schülerinnen außer dem Hause  ; ich lache über die Kühnheit dieser daß sie ihre Arbeiten unter Deiner Leitung, mit anderen Worten, von Deinen Händen als selbstständiges Erzeugnis der Welt 445 Wilhelm Vio (gest. 1865) war ein Stiefbruder Ludwig Schwarz’ aus der zweiten Ehe seines Vaters Eduard (1799–1863) mit Emilie Guthke (gest. 1862), die in erster Ehe mit dem Schauspieler Wilhelm Vio (gest. 1836) verheiratet war. Vio studierte in Dorpat Medizin und war stets ein geschätzter Gast im Haus der Hagens gewesen und daher Julie gut bekannt. 446 Die Morison’schen Pillen, eine Art drastisches Abführmittel, waren strengstens verboten, da sie in vielen Fällen zum Tode geführt hatten. Zu ihren Bestandteilen gehörten Aloe, Gummigutt, Koloquinten und Weingeist. Sie galten als gefährliches Geheimmittel und wurden seinerzeit häufig missbräuchlich angewandt.

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presentieren ohne nur eine Ahnung von den schmerzhaften Wunden der Dornen zu haben welche, während sie die Rosen unter Deinen Händen erblühen sah, Dir, als Maler geschlagen wurden. – Ich will nicht als Vorwurf dies nieder geschrieben haben sondern der Name  : »Lola die Zweite« fiel mir ins Auge da Dein Brief offen vor mir liegt. – An Freund Sivers habe ich wieder neuen Beweis daß es nicht möglich ist in irgend einer Kunst stehen zu bleiben und vorwärts zu kommen in unserer Wüste noch unmöglicher, d. h. wenn man noch nicht sicher und fest gestanden hat man Deutschland verlassen. Der gute Mann macht mir wirklich Sorge. Montag d  : 10 Juni 50. Gestern waren eine Menge Menschen hier um den herrlichen Rosenstock, der sich an das Treibhaus hinein zieht und weit drüber hinaus ragt, an zu sehen, Jeder sagte noch daß dies eine Übertreibung der Natur sey. Unter andern erfuhr ich daß Rottmann schwerlich mehr aufkommen wird, der Arzt giebt alle Hoffnungen auf. Es ist gar kein Vermögen da und das ist nun wol traurig für seine Familie indessen wird für sie gesorgt werden. Er selbst stirbt ehe er gewahr wird | wie alt er in Kurzem geworden und wie bald er ein Greis werden wird und das ist für ihn ein Glück. Beim Gedanken dessen hat er oft heiße Thränen vergossen. Wie man mir erzählte. Außerdem ist seine Blüthezeit als Künstler vorüber. König Ludwig hat auch nicht mehr große Summen für Gemälde zu verwenden, und jedenfalls hätte das Alles beigetragen ihm ein sehr unglückliches Alter zu bereiten. Eigenthümlich wird die Seele ergriffen wenn man in seiner Straße vorbeigeht. Da sieht man sein Attelier, das er vom König zum Gebrauch viele Jahre hindurch hatte, bis auf den Grund niedergerissen und er selbst von der andern Seite der Straße fast gegenüber todtkrank. Das Gebäude in welchem mehrere Atteliers sich befanden ist abgerissen so wie mehrere andere um dem Kunstausstellungsgebäude einen großen freien Platz zu umgeben, geschmückt mit Gesträuch allenfalls. – Dienstag 11 Juni Es ist 6 Uhr, obgleich schon ganz gekleidet so bin ich dennoch schläfrig. Seit ich aus Euren Briefen weiß daß Ihr so früh aufsteht, schon um 5 ½ Uhr im Garten Brunnen trinkt lasse ich mich auch in dieser Zeit wecken und stehe auf obgleich es mir äußerst schwer wird, und doch gehen wir schon um 9 Uhr ins Bett. Um die Zeit ist es völlig finster und so kühl daß man sich im Garten nicht mehr aufhalten kann. – Von Nachtigallen hat man hier kaum eine Idee, im Freien halten sie | sich nicht auf der Kälte wegen. Tante und Onkel sind beide recht wohl, die Erdbeeren fangen zu reifen an und jeder Gast wird durch diese Erstlinge überrascht. Kirschen habe ich gestern übrigens von Rugendas bekommen, die ersten Tiroler. Vieder war gestern auch da und da habe ich mich über sein inormes Gedächtnis gewundert, er erzählte mir so viel von Dorpat, kennt alle noch am Tauf- und Familiennamen, welche ich fast vergessen und nur dunkel mich erinnerte – er läßt grüßen. Rugendas gleichfalls, er ist flei-

506 | Die Briefe ßig und dennoch hat er nichts Besonderes gethan, Skizzen allenfalls, die aber immer ganz herrlich werden. Die Sache meines Bleibens hier geht mir recht in dem Kopf herum und zuletzt werde ich’s doch dem guten Rugendas sagen müssen, Wenn ich nicht selbst mir das Nöthige erwerben kann so möchte ich nicht bleiben und in München zweifle ich sogar daß es geht, denn München ist überfüllt von Malern. Aber jetzt schon in das innere von Rußland dringen um zu verdienen  ?  ! Das macht mich zittern, ja so gar weinen, wo ich so recht mit Ernst daran denke. Wenn ich das eine Jahr noch bleibe so wäre | es so vorbei mit meinem Passe da zwingt mich dieser, aber jetzt will ich nichts weiter, noch sagen da es doch Worte nur sind. – Tante und Onkel lassen herzlich grüßen und für die Briefe danken. Bleibt gesund und munter. Das beifolgende gedruckte Blättchen schnitt ich heraus um nicht das ganze zu senden da es nur unnütz den Brief um ein Vieles erschweren würde. Ich scheide schwer da ich nichts bestimmtes weiß über mich und die Ungewißheit ist mir von je her eine Pein, eine Last die mit ungeheurer Schwere auf mich ruht. Marie, Bertha, Gotton sollen alle schreiben mit den Sachen welche für die Tante durch Brünings kommen. Sagt ihnen daß sie nicht mir sondern besser der Tante und dem Onkel schreiben sollen da sie sich unbendig freuen. Von mir an alle Grüße und Küsse. Der guten alten Großmutter wie den übrigen Verwandten meine ganze Liebe versichert, sobald Ihr schreibt, ich bitte sehr, das nicht zu vergessen. Lebt wohl mit inniger Liebe umarmt Euch Eure treue Tochter Julie {Von Juni 1850 ist kein Brief erhalten.} Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 13.7.1850 München d  : 13 July 1850 Meine lieben Aeltern  ! Ich will wieder einen Brief anfangen. Es ist zwar Samstag heute aber einige Augenblicke habe ich noch Zeit ehe es ins Atelier geht. Seit etlichen Tagen haben wir unsere Winterkleider wieder heraus gezogen da es so kalt ist daß man heitzen muß um einger Maaßen erträglich es in den Stuben zu finden. Es regnet immer und immer in schweren großen Tropfen. Dieser Sommer ist wahrlich kein Spaß Pulver werth. In den Zeitungen werdet Ihr wol gelesen haben daß Rottmann Sonntag früh gestorben ist.447 Es war ein großer Schlag namentlich für seine 447 Nach Hyacinth Holland starb Carl Rottmann am 7. Juli 1850 nach »namenlosem Leiden« im Alter von 53 Jahren (vgl. ADB, 1875–1912, Bd. 29, 1889, S. 395–399).

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Freunde. König Ludwig machte durch bittere Reden seinem Kummer Luft. Er begegnet nämlich dem Professor Anschütz448 – (welcher durch die Lolla die Stelle bekam) und sagt in großer Heftigkeit zu diesem  : »Rottmann stirbt  ! Alle gescheuten tüchtigen Männer verlassen mich, nur die Esel bleiben  !« Dieser Mann ist nun wirklich ein erz Esel aber die andern dürften sich auch beleidigt fühlen, was auch viele sind  ; aber dennoch soll ihm im August ein prachtvolles Album geschenkt werden. Möchte ich doch kein Esel sein und das thun  ! – Da es so hier regnet wandern meine Gedanken mitleidsvoll häufig nach Wrangelshof da ich fürchte daß Ihr eher schlechteres Wetter habt als wir, was sehr betrübt wäre denn in der Stadt erträgt man leichter die Stubenluft als auf dem Lande. – Sonntag, ich glaube wir schreiben schon den 21ten Juli. Mein lieber vortrefflicher Vater, ich weiß daß Du Strohwittwer bist und wenn Du auch keine Langweile hast so wäre es doch besser Dir von meiner Seite täglich eine halbe Stunde durch mein Plaudern zu verkürzen aber Du kannst mir gewiß glauben alle und alle Tage dachte ich daran und nie konnte ich auch beim besten Willen dazu kommen. Anfangs hatte das kalte Wetter mir einen ganz gewaltigen Katarr gebracht, und diesem Übel | ungewohnt wußte ich mich gar nicht dabei zu benehmen. Denn ich hatte sogar auch Fieber dabei. Jetzt den Augenblick ist der Schnupfen nur noch vorhanden, wie ich, war auch das ganze übrige Haus gequält, allenthalben hörte war nur Krächzen und Schnauben kurz es war recht unangenehm. – Darauf brachte eines Morgens früh zur ungewöhnlichen Stunde Freund Rugendas die Nachricht daß der Kaiser von Rußland449 in wenig Tagen käme, er soll’s dem Prinzen Carl geschrieben haben damit dieser für ein Quartier Sorge trägt in Kreut, da er die Kaiserin seine Gemahlin dahin führt. Sollte das wahr sein so muß ich eine Audienz beim Kaiser bekommen wobei ich alle meine Sachen zeige und ihn um ein Stipendium nach Rom bitte und wenn das in München nicht geht so müßen die Arbeiten bis nach Kreut oder Tegernsee. Alles muß gewagt werden da habe ich denn natürlich gearbeitet wie toll, um möglichst viele Bilder zu vollenden damit wenigstens die Zahl imponirt und weich stimmt. Rugendas zieht allenthalben Erkundigungen ein kann aber nichts Bestimmtes erfahren. Vielleicht war es nur ein leeres Geschwätz was mich ärgern würde denn ich sah mich schon auf der Reise nach Rom, arbeitete dort schon eifrig kurz es wäre mir dann doch ein Strich durch meine Rechnung. Du mußt wissen daß ich so oft ich von der Staffelei aufstand allerhand Bücklinge und demuthvolle Gesichter im Spiegel mir vor machte um mich zu üben damit mein 448 Der Maler Hermann Anschütz (1802–1880) studierte in Dresden und an der Düsseldorfer Kunstakademie unter Peter von Cornelius, mit dem er nach München kam. Hier wurde er später Dozent der Kunstakademie. 449 Zar Nikolaus I.

508 | Die Briefe Compliment dem Kaiser keinen unangenehmen | Eindruck mache. Ein Mal indessen ist es mir so gut gelungen daß es mich selbst bis zu Thränen rührte jetzt muß ich drüber lachen und Ihr müßt es nun auch thun  ; aber ich hatte in der That ein ganz bescheiden dummes Gesicht gemacht. Und sollt denn das alles um sonst gewesen sein  ? – Nein das kann nicht sein  ! – wofür ich mich am meisten fürchte ist statt Kaiserliche Majestät Königliche Majestät zu sagen, das würde er mir denn doch recht übel nehmen, meinst Du nicht lieber Vater  ? – Dazu kam nun noch das lang ersehnte und angemeldete Päckchen von den Schwestern. Am Donnerstag früh trat ein junger blonder Herr zu mir ein und brachte mir einen Brief von der Fürstin Liven wie er sagte. Meine Frage ob er etwa ein Lievländer sey verneinte er, geborener Münchner beliebte er zu sein. Das Was, Wie und Wo ließ er nicht aus dem Hinterhalt. Wußte nur aus zu sagen das die Fürstin wol auf immer fort gegangen sey und sich in Berlin bei allen Gesandtschaften um die Erlaubniß bemüht den politischen Verbrecher Professor Kingla in der Festung besuchen zu dürfen. Das finde ich denn nun etwas gewagt von ihr. Ihr Brief wahr [sic], wenn gleich kurz, so doch sehr freundlich, sie sagt auch darin daß sie wohl von ihren Freunden in Dorpat auf viele Jahre Abschied nahm, also ist wohl kein Zweifel mehr daß sie ganz hier bleibt. Den August | Monat wollen sie in Baden Weiler zubringen wohin ich ihr schreiben werde.450 Die schönen Arbeiten der beiden Mädchen haben uns lange nichts als ein oft wiederholtes und langgedehntes  ; Ach  ! Ach  ! Ach  ! sagen lassen, Dann folgte  : »nein, was ist das köstlich gearbeitet  ! Aber um Gottes Willen die Augen  ! So etwas in der Hekelei 450 Marie von Bruiningk verließ mit ihrer Familie in diesem Sommer wegen eines Herzleidens und Asthmas endgültig das Baltikum. Auf Kurreisen zuvor hatte sie den Lyriker Emanuel Geibel (1815–1884) und den Dichter, Theologen und Republikaner Gottfried Kinkel (1815–1882) kennengelernt und sich für die demokratischen Ideen der Freiheitsbewegung begeistert. In Berlin wohnte sie im Hause Bettina von Arnims (1785–1859) und ersuchte um Kontakt zu Kinkel, der zu dieser Zeit wegen Beteiligung an mehreren Aufständen in Spandau im Gefängnis saß. Ihr Ersuchen löste bei der russischen Gesandtschaft großen Ärger aus. Sie reiste daraufhin nach Bonn zu Kinkels Frau, der Komponistin Johanna Kinkel (1810–1858), der sie eine größere Summe zum Fond für Kinkels Befreiung schenkte. Anschließend reiste sie zur Kur nach Badenweiler und verbrachte den Winter mit ihrer Familie in Venedig. Kurze Zeit später floh sie Hals über Kopf nach London ins Exil, als sie durch ihre Briefwechsel mit Viktor Hehn (1813–1890) und Eduard Osenbrüggen (1809–1879) selbst als Verdächtige galt  ; in London bildete ihr Haus einen gesellschaftlichen Mittelpunkt für politische Flüchtlinge. Vgl. Hermann von Bruiningk, Das Geschlecht der Bruiningk in Lievland  : Familiengeschichtliche Nachrichten, Riga 1913, S. 249 ff.; Monica Klaus, Johanna Kinkel  : Romantik und Revolution, Köln 2008, v. a. S. 227 f., 248 f.; Rigasche Zeitung, Nr. 98, 1.5.1914 (Kunst und Wissenschaft). Interessant wäre, den Inhalt des Briefes der Bruiningk zu kennen, der hier beiläufig erwähnt wird. Auffällig ist die Bezeichnung als »Fürstin Liven« und die falsche Namensbezeichnung »Kingla«, ebenso die Anonymität des Überbringers des Bruiningk-Briefes. Diese Ungenauigkeiten dürften nicht ohne Kalkül gegenüber unerwünschten Mitlesern gewesen sein.

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findet sich in ganz Deutschland nicht wieder  !« (abermals) Ach, nein, wie ist das nur möglich  ! etc. etc.  – So ungefähr lautete unser Erstaunen unserer Freunde. Von Tante höre ich noch alle Tage diese abgegriffenen, mit Ausrufungszeichen versehenen Sätze. Und namentlich wenn jemand aus der Bekanntschaft kommt dann beginnt ein vielfaches »Stönen«, möchte ich’s nennen über diese enorme Arbeit besonders des Schwals. Dann muß aber auch alles erzählt werden wie alt die jungen Künstlerinnen sind ob hübsch oder häßlich wie das eine Exemplar in München und wenn dann die Leute genügsam erfahren dann heißt es  : »eine glückliche Familie, eine ganze Künstlerfamilie  !« – So wird man den von andern als glücklich gepriesen, alles scheint der Welt bewundernwerth was uns vielleicht Kummer macht. Wer in der Welt ist glücklich und was ist Glück  ? – Meinen Dank für alles die beiden Krägelchen von Marie sind mir sehr lieb und werth, besonders das von der groben Baumwolle hat ganz meinen Beifall, und bald werde ich mit ihnen mich schmücken das Zeug zu Unterkränzchen liegt schon bereit. | Das hübsche Bild von dem lieben Freunde Herrmann hat mich lange den Abend nicht ruhen lassen, es ist allerliebst besonders die Farbe Deiner Arbeitsstube  ; ich starrte es den ganzen Abend hindurch an ohne Worte zu sprechen und dennoch erzählte ich fort und fort, suchte alle zu finden und fand sie auch, kurz das Bildchen hat mich wehmüthig gestimmt. Nichts ist so vorzüglich gut als Deine Stube und darin mein Meister Hagen. Diese sitzende Gestalt wie ist sie wahr und lebendig, wie fein gefühlt, jede Linie offenbart mir wie gern und freundlich gestimmt der gute liebe Freund daran gearbeitet. –451 d  : 25 Juli 1850. Gestern Abend war Dein und Carls Brief gekommen d. h. ich erhielt ihn von der Tante dann erst. Er überraschte mich nicht wenig da ich ihn noch lange nicht erwartet. Denn noch sind’s 3 Wochen da ich den letzten begrüßte. Die Post geht freilich um einige Tage rascher als früher. Dieser letzte Brief war 8 Tage unterwegs. Das ist doch ungeheuer rasch. Und ich bin verlegen erst einen Bogen geschrieben zu haben, mein armer Brief wird wenig Freude Euch verwaisten bringen aber wahrhaftig ich kann nur wenig oder gar nichts dafür. Daher bitte ich, ehe Eure Briefe beantwortet werden mir nicht zu zürnen. Außer malen thue ich fast nichts, selbst die liebe Zither hat mich schon lange bloß auf Momente gesehen. Die Abende sind so kurz, das nach dem Essen was gleich geschieht so bald ich heim komme, (also um 7 Uhr) nichts mehr gearbeitet werden kann. Licht an zu stecken schieben wir gern so lang als möglich auf um nicht das Gefühl des Winters dadurch uns lebendig zu erwecken und so kommt es denn häufig bei trüben | und kalten Abenden daß wir um halb 9 Uhr schon zu 451 Hermann Hartmann hatte demnach ein (farbiges) Abbild des Ateliers von August Matthias Hagen mitsamt dem darin sitzenden Künstler an Julie Hagen geschickt. Dieses Werk ist heut nicht mehr bekannt.

510 | Die Briefe Bett gehen. Um Eure Sommerabende beneide ich Euch alle und alle Abend, wenn ich draußen bin, und trotz der Sammetjacke mit Wolle gefüttert, friere. Hätte ich kein Gescheft wie der Onkel und könnte von meinem Gelde leben gewiß würde ich nicht in München bleiben entweder viel südlicher meine Heimath mir suchen oder selbst nördlicher wärmere Luft finden. München ist kalt und rauh immer dar.  –  – Der scharfe und häufige Ostwind wirkt immer nachtheilig auf meine Kopfnerven. – Ihr seit gesund und so fleißig an der Staffelei, Carl im Laboratorium. Ich freue mich darüber weil ich eine gewisse Sympatie mit mir herausfinde. Die Klimpen mit Schwarzbeersause ließen mir das Wasser im Munde groß werden. Seit ich in Deutschland bin habe ich das nicht gegessen. Statt dieser Beere wird der Holler452 gebraucht, der matt und nüchtern dagegen ist. Saure Milch ist ebenfalls etwas was nur ich hier esse und das sehr selten da man behauptet sie sey ungesund. Aber Schnecken und Frösche werden in Unzahl verspeist ohne es ungesund noch wiederlich zu finden. Ich habe noch nie mich dazu entschließen können und werde es auch nicht thun. – Neulich habe ich bei Ledebour’s gegessen und sie hatten unter andern Lieblingsspeisen von mir, auch Klops gemacht. auch eine Speise die ich nicht mehr sah seit ich Dorpat verließ.  – Von Ledebour’s erzähle ich später mehr. Die große Liebhaberei für Rosenmalen begreife ich sehr gut und zu dem Zweck werde ich Euch rosa | Kraplack senden, diese Farbe ist ganz besonders schön außer ordentlich zart und lieblich.453 – Das Alex mehr Fortschritte macht, macht mich wahrhaft glücklich und weiß der Himmel so gar stolz. Nur fleißig und muthig beharren dann kann’s bei ihm nicht fehlen, so oft ich sein Portraitchen ansehe so finde ich daß er einen Schädel hat wie sein Vater und seine Schwester und da muß es mit etwas Anstrengung ja doch gehen. – Hat doch Rottmann der große nicht leicht zu befriedigende Meister wiederholt bei Ledebour’s gesagt  : »Ich habe viel Damen im Leben kennen gelernt, in Rom und Neapel Deutschland und Griechenland, welche sich der Kunst gewidmet aber keiner traue ich so viel Talent zu als der Hagen. Die ist das größte Talent unter den Damen, das ich noch bis jetzt sah  !« – Soll mich das nicht erheben  ? – Ich habe auch einige Blumen gemalt d. h. im Haar des Bauermädchens mit dem Strohhut hinten am Rücken es waren nur wenige Feldblumen, welche ich mir aus dem Kirchhof brachte, und sehr flüchtig und ohne besondere Mühe hin patzte, trotz dem werden sie aber von allem bewundert, ich fand daß ich auch mit 452 Holunderbeeren. 453 Dies bezieht sich wohl auf Hagens eigene Arbeiten, mehrere Blumenstillleben von seiner Hand haben sich in estnischen Sammlungen erhalten, z. B. August Matthias Hagen, Blumenstillleben, ohne Datum, nicht bez., Öl auf Papier, 42 × 31,5 cm, Tartu Art Museum, Inv.-Nr. TR 4281 M 717. Die »Liebhaberei für Rosenmalen« könnte sich aber auch auf Hagens Schüler und vor allem Schülerinnen beziehen.

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Liebe sie malen könnte, hier dürfte es nur nicht sein da das übrige nur geschmiert ist. – Du klagst daß ich nichts im Paket von Bildern gethan. Es ist mir auch recht leid allein meine Gründe glaube ich damals angeführt zu haben weshalb es nicht geschehen konnte. Der Carus werde ich schreiben und sie bitten mir meine Sachen mit zu nehmen.454 – Das die kleine Johanna ein wunderlich Gesichtchen über den | kalten Wassersturtz machte, finde ich recht begreiflich, weniger daß sie nicht weinte. – Später Etzdorf’s Kohlenzeichnungen sind Landschaften, ich weiß nicht recht wie Du darauf kommst zu fragen ob Landschaft oder Köpfe – Damals als er die Güte hatte mir seine Kniffe darin zu zeigen zeichnete er zwar einen Kopf um eben mir’s zu zeigen, derselbe wurde eben nicht schön da er sich darin nicht geübt. Mit Rugendas habe ich heute nicht sprechen können da ich immer Besuch gehabt. Als ich in der Früh von Haus ging, was etwas später war als es sonst der Fall ist, da ich der Tante helfen mußte Tapeten aussuchen, und aus dem englischen Garten in den Hofgarten trete sehe ich einen Mann kommen der nicht aus weicht sondern auf uns loß steiert. Als er grüßt sehe ich natürlich ihn an und erkenne Junker455 aus Dresden, Du mußt Dich noch seiner erinnern. Meine Freude war ungeheuer groß, so groß daß ich ihn wenn es nicht auf der Straße gewesen wäre umarmt und geküßt hätte ohne mich viel zu besinnen. Er ist gestern erst angekommen und hatte mich vergebens schon zwei Mal gesucht im Attelier. Er versichert mir daß meine Sachen ihn auf ’s höchste überrascht und daß ich meinen Meister überflügelt – ich glaube daß das was er sagt ohne viel Schmeichelei ist, denn er ist ein guter Junge und ich muß gestehen daß ich einige Angst hatte denn er ist außerordentlich tüchtig, war eine zeitlang in Belgien und hat in Dresden voll auf zu thun und bleibt wahrscheinlich für immer dort. – Er thut recht da er keine | Aeltern mehr in Livland hat. Meine alten Freunde in Dresden sind meist verheirathet oder verlobt, was sehr drollig ist, mir erscheint es wenigstens so. – Was mich sehr entzückt hat ist daß ich in Dorpat noch einiges freundliches Andenken mir bewahrt unter den Mussenträgern. Der Name Bernewitz456 ist mir äußerst sehr bekannt  ; allein ob ich je mit ihm mich unterhalten weiß ich nicht, wenigstens kann ich mich durchaus nicht seiner Fisiono454 Julie Hagen beabsichtigte Marie Carus (1831–1914), die sich nun in Deutschland (Leipzig) befand, für ihre Rückreise eine Bilderkiste mitzugeben, um die Unwägbarkeiten der ersten Sendungen zu vermeiden. 455 Johann Karl Wilhelm Juncker (1820–1901), aus Wenden in Livland stammend, wo er anfangs als Stubenmaler tätig war, studierte von 1843 bis 1848 an der Dresdener Akademie Malerei. Anschließend ging er nach Antwerpen und war danach wieder in Dresden ansässig, wo er sich als Porträtist einen Namen machte. 456 Die aus Brandenburg stammenden Bernewitz waren seit dem 16. Jahrhundert in Kurland ansässig. Welcher Bernewitz hier gemeint ist, ist nicht klar ersichtlich, vielleicht der Vater des

512 | Die Briefe mie erinnern, das ist auch zuletzt Nebensache wenn man nur freundlich von mir denkt und spricht denn bin ich herzlich froh und dankbar, zumal da er wie ich weiß und es auch Dein Brief sagt ein Curländer ist, welcher Landsmannschaft ich eigentlich nie sehr zugethan war. Ich hatte eher die Rigenser lieber und bin auch jetzt ihrer Farbe gewogen. d  : 26 Juli 1850. Wieder habe ich heftiges Kopfweh und kann meinen Katarr nicht an bringen, was entsetzlich langweilig ist. Auch habe ich nichts Aechtes zu thun. Das Favoritköpfchen (die kleine Seyboldt, Steub’s Nichte) von Kaulbach wollte ich in dieser Woche fertig machen fing auch an aber mußte es liegen lassen da das Modell mich mittendrin sitzen ließ, nun natürlich muß ich warten bis es ganz völlig trocken ist um es denn zu übermalen  – das sind Störungen, die unerträglichsten. Im Haus ist fast kein Plätzchen wo man Ruhe findet in allen Stuben sind Arbeiter von allen Zünften, fast alle Öfen im Hause werden neu gesetzt ebenfalls die Küche anders organisiert. Stuben neu tapezirt und da liegt denn Alles bunt umher.  – Es will auch wieder wie es scheint schlechtes Wetter werden dann kann man des Abends nicht ein Mal hinaus gehen  – Wohin wir in diesem | Jahre reisen ist noch gar nicht besprochen aber Tante möchte über Mehran und Botzen bis nach Triest und Venedig. – Was wäre das schön  ! Gewiß schöner als im vergangenen Jahre, möchte man nur nicht so rasch und eilig alles durch fliegen aber wie ich meine Leute kenne so wird es nicht anders werden. – Wenn mein Brief nicht die gehörige Dicke hat so werde ich die Grabrede des Rottmann von einem hiesigen Künstler geschrieben und gesprochen Euch beilegen. – Ledebour’s sind alle nach diesem Todesfall krank vor Kummer geworden, jetzt noch liegt der Alte und immer so bald der Name R.{ottmann} genannt wird sieht man Thränen in den Augen der Frauen. Mich betrachtet man dort im Hause garnicht mehr als eine Fremde, mir geht es gleichfalls so. Mein Attelier ist nun zum Glück nicht weit von ihrer Wohnung da kann ich denn hier und da und zu jeder Stunde einen Sprung zu ihnen machen, ohne daß es nöthig wäre zu Haus es den Verwandten zu erzählen um die leidige Eifersucht nicht wach zu erregen. Neulich war ich zu Tisch gebeten was übrigens oft geschehen ist aber das Mal sollten Curländer da sein. Ein Mann, dessen Name mir nun leider entfallen ist, mit seiner Tochter welche von seinem Vermögen blos lebt und nirgend seine rechte Heimath findet, namentlich die Frau fühlt sich nicht wohl. Er hat sich nemlich von Rußland ganz los gemacht und lebt nun bald dort, bald da, war in Dresden einige Jahre, dann in Heidelberg und zieht jetzt nach Brüssel. Er erkundigte | sich nach August Oetting457 den er in Heidelberg kennen gelernt. Bildhauers Karl Hans Bernewitz (1858–1934), Fedor Bernewitz, der Kaufmann in Wenden war, woher auch Juncker stammte. 457 Dies ist der sechste der oben schon erwähnten Oettingen-Brüder aus Wissust bei Dorpat, vgl.

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Wenn Ihr den Namen des naiven Diebes der reichen Schatulle kennt dann theilt ihn mir doch auch mit, es interessiert mich sehr ihn zu kennen  !458 – (später abends) Es ist spät aber ich kann nicht anders als noch ein Paar Worte als Beschluß des Tages zu sagen. Der Tag ist vergangen in Nichts thun. Den Morgen ging ich zu der Tante u da heute der Anna ihr Namenstag ist und brachte nebst den Kragen von den Schwestern ihnen ein paar Gulden was diesen armen Seelen eine heimliche Freude bereitete. Vielen tausend Dank und ebenso viel Grüße von ihnen an Euch allen, sie sind Gott lob ziemlich gesund, sonst geht es eben auch so nach dem Alten. – Bei Ledebour geht es noch immer schlecht, von den Tanten ging ich dort hin um nach zu fragen. Es scheint als sollten sie nicht fort ins Bad in diesem Sommer, dann besuchte ich nach langer Zeit ein mal die Gliptothek und eilte jetzt erst ins Attelier. Als ich an kam gab man mir einen Blumenstrauß, und aus einer Art Composition eine allerliebste Madonna mit dem Christuskindlein auf dem Schoos und zur Linken Johannes. Meine Frage von wem  – wurde beantwortet, ein junger Herr habe gebeten mir’s ins Attelier zu stellen. – Noch ist mir nicht bekannt welch zarte Hand oder welches Herz mir das beschert. Indessen mir ist das nichts Neues mehr, denn ich werde immer mit den allerschönsten Blumen versorgt. Und sehr oft ist mir unbekannt von wem. – | Rugendas fragte ich ob er mir wol die Skizze aus der vorigjährigen Mappe geben könne, was er etwas gewagt fand allein es doch thun will und wird. – Bei Etzdorf war ich auch heute schon fand ihn aber nicht zu haus. Ich begreife nicht wo Du das Geld her nimmst um diese Sachen zu kaufen. Ich habe mir gedacht, wenn Du noch einen Theil von dem Gelde für das Lichtbildchen hast so könntest Du es um wechseln und zum Ankauf von Bildern mir senden was sich am Ende wol immer bezahlt machen wird, im Fall Dir die Sachen nicht gefielen und sich Käufer fänden. Immer werde ich dabei Deinen Wunsch von Rottmann ein Bild zu besitzen nicht aus dem Auge verlieren  – vielleicht kann ich

Anm. 374. Alle Brüder machten glänzende akademische Karrieren und nahmen wichtige Positionen im livländischen akademischen und öffentlichen Leben ein. August von Oettingen (1823–1908) studierte zunächst Jura in Dorpat, 1844 in Heidelberg, 1845 schloss er mit dem Dr. jur. ab und begab sich nach Italien und Frankreich, bevor er in seine Heimat zurückkehrte. Dort war er überwiegend in Riga ansässig, wo er unter anderem als Zivil-Gouverneur, Landrat und als Stadtrat tätig war. 458 Aus den Briefen der Schwester Emilie Hagen an Ludwig Schwarz erfahren wir von einer kuriosen Geschichte, die sich auf einer Dorpater Hochzeit in Adelskreisen zugetragen hat. Dort war eine Schatulle mit 1000 Rubeln gestohlen worden. Dies sorgte für viel Gesprächsstoff im Städtchen, da der Dieb unter den Gästen, d. h. unter den Adeligen, zu finden war. Emilie schreibt  : »[…] der livländische Adelsstolz hat durch diese Geschichte einen gewaltigen Stoß bekommen.« Der Bräutigam auf dieser Hochzeit war einer der Oettingens. Vgl. Conrad, 2012, S. 195 f. (Emilie Hagen an Ludwig Schwarz aus Dorpat, 23.5.1850, Brief in Privatbesitz).

514 | Die Briefe noch einen auf finden der mich und Dich erfreuen würde.459 Junker läßt Dich und Sivers herzlich grüßen, er ist sehr nett geworden erzählt mir recht viel von Dresden, wie auch er der Stachel im Aug der dortigen Künstlerwelt ist und wie er die infamsten anonimen Briefe bekommt da er als Fremder diesen das Brod nimmt. Er sagt  : »ich lebe wie ein Prinz reise viel, habe ganz Deutschland und Belgien durchreist und konnte mir schon einiges Geld in Papieren anlegen« – Ich kann nicht sagen wie mich das freut. Mir läßt er keine | Ruhe in dem er mich bittet ein Bild auf die Ausstellung nach Dresden zu senden, seine Worte  : »ich möchte gern mit ihren Arbeiten pralen und den dortigen einigen Ärger bereiten.«460 Wenn ich nicht wüßte daß das Bild dann nicht mit der Carus abgehen kann so thäte ich’s aber so wird wol nichts draus. Jetzt aber gute Nacht  ! Tante bittet mich noch nicht morgen den Brief ab zu senden da sie wahrscheinlich auch schreiben will. Der Kraplack der folgt ist heute von mir selbst pulverisirt. Das nächste Mal sende ich Euch von dem dunklen Lack auch etwas und so öfter nach ein ander, schlaft wohl  ! d  : 28ten Abends. Ungeheuer verdrießlich gestimmt haben mich entsetzlich viel Besuch welche grade heute so störend hier waren trotz dem das eine Gesellschaft mir eine Bestellung macht nämlich eine junge Braut zu malen, die Tochter eines Kaufmanns welche nach Trient heirathet, und ihr Bildniß den Eltern zurücklassen möchte. Dienstag soll ich aber schon anfangen.461 Jetzt erklärt Tante sie könne nicht schreiben da sie durch die Arbeiten im Hause zu viel zu thun bekommen, sie entschuldigt sich und dankt recht herzlich vorläufig durch mich. – Vielleicht kann ich noch zwei Briefe von Euch haben so lang ich hier bin d. h. ich meine bevor wir fort gehen nach Venedig, oder sonst wohin. – Heute früh um 7 Uhr ging ich mit Ledebour’s Julie auf den Kirchhof um Rottmann zu besuchen, – | beide hatten wir ihm Kränze und abgeschnittene Blumen in Gläsern hinaus gebracht, wir wählten diese frühe Stunde um nicht von der Familie angetroffen zu werden oder dieselbe daselbst anzutreffen, aber unsere Sorge war wol um sonst denn kein Zeichen des Andenkens fand sich auf 459 August Matthias Hagen besaß nachweislich im Jahr 1870 mindestens ein Werk von Carl Rottmann, Der Hohe Göhl (nicht näher bezeichnet, vgl. Katalog der Dorpater Gemäldeausstellung im April 1870, Dorpat 1870, Nr. 11), und im Jahr 1875 ein weiteres, Alpensee im baierischen Oberlande bei Mondbeleuchtung (Im Gebirgszuge verschwindet das Alpenglühen) (ohne nähere Bezeichnung, vgl. Katalog der dritten Gemäldeausstellung, Dorpat 1875, S. 13, Nr. 121). Der Verbleib dieser Rottmann-Gemälde ist nicht bekannt. 460 Julie Hagen hatte 1846 bereits auf den Dresdener Akademieausstellungen ein Werk gezeigt  : Ein weibliches Porträt, in Öl gemalt von Julie Hagen aus Dorpat, vgl. Prause, 1975, Kat.-Nr. 444 (1846). Soweit bekannt, hat Julie Hagen danach nicht mehr in Dresden ausgestellt. 461 Maria Diß (um 1834–1891), die einzige Tochter des Münchner Kaufmanns Philipp Diß (1804– 1865).

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seinem einsamen Grabe, ganz leer nicht ein Mal trockene Blumen waren zu sehen. Das ist doch recht schrecklich nach dem Tode keine Seele zu finden welche auch mit inniger Zärthlichkeit dort einen sucht und findet und eine Thräne des Andenkens weint. Wir thaten es beide. Julie Dreuttel beweinte ihren Freund und ich einen Meister, einen großen Glaubensgenossen  ! Ich will auch recht oft hinaus gehen und ihm Blumen bringen da es der Familie zu schwer wird. Der alte Ledebour ist noch nicht besser liegt also auch heute noch zu Bett. – Eine Telegraphische Depesche brachte die Nachricht daß Schleswig Holstein verloren habe, was mir sehr leid ist, obgleich es voraus zu sehen war. Wenn ich nicht so verstimmt und abgespannt wäre so würde ich vielleicht manches noch finden Euch vorzuschwatzen aber ich finde es ist besser wenn ich schließe und vielleicht dem guten Herrmann noch einige Zeilen schreibe. Tante und Onkel grüßen herzlich. Carl meinen Dank für seinen Brief und so lebt denn wohl und recht vergnügt Eure treue Julie Ich sehe eben daß es bald 12 Uhr um Mitternacht ist also werde ich kaum dem Freude Herrmann schreiben können, er bekommt nächstens Brief und Dank, für heute also nur Grüße. | Rede am Grabe Carl Rottmanns München am 9 Juli 1850. Freunde  ! Kunstgenossen  ! Manchen lieben Gefährten unseres Lebens und Sterbens, manchen großen To­ dten haben wir bestattet, kaum einen, dem in so manichfach pulsirendem Herzen so gleichmäßige Liebe schlug, keinen in seiner Größe unbestrittener als Carl Rottmann dem wir heute den Lorbeer um die kalte Schläfe winden  ? Wer von uns fühlt nicht im Hinblick auf diese erstarrte Meisterhand doppelt den Werth ihres sonst so belebend warmen Druckes, der jedem sagte, hier öffnet sich Dir ein treffliches Mannesherz, hier fühlt neidlos eine glühende Künstlerseele das Weh und Lustgedränge des Schaffens in der Brust des Mitstrebenden und breitet großmüthig den eignen Fittig aus, jugendlichen Eifer mit sich empor zu tragen. Wer sinnenden besorgten Blickes die rastlosen Schwankungen unserer Kunst betrachtet, wie sie bald hier auf die Sandbank des platten Naturalismus geschleudert, bald dort nach entlegenen ausgelebten Küsten klassischer Ideale verschlagen wird, der schaut sich ängstlich um nach Steuermännern, und möchte salzigere Thränen weinen als das bittere Meer sie hat, wenn er solch seltenes klares Seemann’s Auge brechen sieht, wie’s dem Verblichenen beschieden war. Ihn ließ der Genius nicht hinter den Chorführern früherer Epochen seiner Kunst zurück und stelten ihn nicht eben hin,  – auf ihren Schultern wies er ihm den hohen

516 | Die Briefe Standpunkt an, von dem aus der am Geschaffenen geklärte Blick frei heim kehrt | in die ewige neue Schöpfung. Auf dieser Höhe schwindet das kleinlich bunte Formen und Farbengewirr der Kinder der Natur, und steigt die Mutter wie eine riesige Caritas als große Form im Farbenschmelz empor, und trunken schaut das begeisterte Auge, die Natur über sich selbst erhaben. Auf dieser Höhe stand der Meister der jetzt zu unseren Füßen ruht, nach dieser Höhe weist uns seine That. Er war ein Künstler, war ein Künstler unserer Zeit und war ein Deutscher Künstler. – Seltner war es ihm vergönnt sich hinzugeben an heimisch Berg und Thal  ; ihn hatte sein dankbar treu geliebter Königlicher Freund ja früh nach Hellas und Italien geführt doch er bewies, »daß Deutschthum nicht an dem Stoffe klebe.« Und hätte König Ludwig mich an das Eismeer geschickt, ich würde auch dort der Natur etwas abgewonnen haben«  – So scharf und zugleich so schlicht drückte der Meister einmal den Umfang seiner selbstständigen Naturanschauung aus.  – Für seinen Kunstbegriff waren die nationalen und klimatischen Schlagbäume nicht vorhanden, womit der Erdgeist die Oberfläche seines Körperballes abgränzt, denn Er belauschte überall den Weltgeist, der über den Planeten schwebt und ihn durchdringt, – und malte seinen Gottesfrieden. – Er stand wie Faust auf des Bergeszinnen, tauchte die Brust ins Abendgold und steckte sehnsüchtig die Arme den ziehenden Kranichen nach, aber der eingeborene Trieb des Schaffens fand ein Genügen an sich selbst. | Mit den Geistesschwingen holte er sich die Glut der Sonne und des Regenbogens Farbenharmonien vom Himmel, und schuf aus seiner Sehnsucht – Bilder, welche tausende von Herzen nach ihm mit der gleichen elegischen Wonne erfüllen werden  ; – und das war deutsche Kunst. Die Werkstadt liegt im Staube  ! Der Meister ist fortgezogen – heimgegangen  ! Noch in der letzten Stunde schwelgte die Phantasie des Scheidenden in herrlichen Bildern, wie er sie künftig malen wolle. Leuchtende Wolkenzüge, Lüfte von unbeschreiblicher Klarheit umschwebten sein Haupt. Diese Bilder der Zukunft, – sie waren der Friedenskuß des Weltgeistes, der noch einmal in der rein und brünstig geliebten Gestalt irdischer Natur ihm nahte und die Künstlerseele sanft in seinen Schooß zurückschloß  ; diese Bilder der Zukunft sie sind das Vermächtniß des Genius an Euch seine Freunde und Kunstgenossen  ! – Es starb ein Steuermann, – wahret das Schiff. Wer künftig an einem blühenden Strande landet, der mag neue Kränze winden, den vollsten | den unverwelklichsten wird die Kunstgeschichte unserer Zeit auf dieses Grab legen, als ein Zeichen dankbaren Andenkens als ein nimmer verhallendes Lebewohl  ! A Teichlein462 462 Anton Teichlein (1820–1879) war Maler und Schriftsteller, jedoch in erster Linie Verfasser kunstkritischer Schriften. Er lernte unter Wilhelm von Kaulbach zunächst Historienmalerei, später wandte er sich der Landschaft zu, konnte sich aber nicht als Maler durchsetzen und

G. Der Kampf mit dem Vater um Selbstbestimmung August 1850 bis November 1850 Mitte August 1850 erreichte Julie Hagen ein Brief des Vaters, der einen tiefen Einschnitt für sie bedeutete. Er schrieb, er habe »Erkundigungen« eingezogen und verlangte von der Tochter sittlicher Bedenken wegen die Aufgabe ihres Ateliers, sie könne im Schlafzimmer der Verwandten weiterarbeiten. Offenbar ging dieser Forderung ein heimlicher Briefwechsel zwischen der Tante und dem Vater voraus. Julie war über die Heimlichkeiten und den Mangel an Vertrauen von Seiten des Vaters tief gekränkt. Rugendas versuchte sofort zwischen allen Parteien zu vermitteln, doch zunächst ohne Erfolg. In ihren Briefen bot Julie Hagen eloquent und eindringlich alle Argumente auf, um den Vater umzustimmen. Sie führte ihm vor Augen, dass alles bisher Erreichte damit zunichte gemacht werde  ; sie fürchtete ein Zurückfallen in den Dilettantismus, zumal ihr Lehrer Rugendas sie im Haus der Verwandten nicht unterweisen konnte, da es zu weit von seinem Atelier entfernt lag. Sie thematisierte auch erstmals das schwierige Verhältnis zu den Verwandten, das Misstrauen und die Eifersucht der Tante, um derentwillen sie kaum noch ausgegangen sei. Die Auseinandersetzung um das Atelier führte zu eisigem Schweigen im Hause Paumgarten, die Situation war für die Malerin kaum noch erträglich. Da sie keine Wahl hatte, willigte sie schließlich ein, ihr Atelier aufzukündigen, bat nur darum, die angefangenen Arbeiten beim selben Licht fertig malen zu dürfen. Ein Stoßseufzer ging nach Dorpat  : »ach wenn ich doch kein Mädchen wäre  !« Unter all den Querelen fanden Planungen zu einer Sommerreise nach Venedig statt, zu der die Künstlerin verständlicherweise wenig Lust verspürte. Vor der Reise stellte sie eine weitere Bilderkiste zusammen, in der auch einige Werke von Rugendas und Christian Etzdorf (1801–1851) für den Vater enthalten waren. Die verlegte sich später aufs Schreiben. Teichlein heiratete 1860 Rottmanns Tochter Sylvia und war ab 1871 Konservator der Galerie in Schleißheim. Seine Aufmerksamkeit als Schriftsteller galt der belgischen und französischen Malerei, gleichfalls widmete er sich Moritz von Schwind und Peter von Cornelius, wobei er die französische Malerei als letztlich überlegen und fortschrittlicher ansah. Carl Rottmanns Landschaften allerdings galten Teichlein als ebenbürtig mit dem Paysage intime, deren Vertreter er besonders bewunderte. Teichleins pathetische Rede gehört ganz dem Geist des 19. Jahrhunderts an. Einerseits betont er »das Deutsche« bei Rottmann, dessen Motive ja hauptsächlich im Süden Europas lagen, andererseits das über dem Nationalen, sogar über dem »Erdgeist« stehende Wesen von Rottmanns Kunst als vom »Weltgeist« beseelte Landschaftsdarstellung.

518 | Die Briefe Kiste wurde noch rechtzeitig Anfang September, diesmal auf dem Schiffsweg, über Stettin und Riga in Richtung Dorpat geschickt. Die geplante Italienreise wurde am 7. September angetreten, die Reisegesellschaft gelangte über die Alpen, den Comer See, Mailand und Verona nach Venedig, wo sie sich neun Tage aufhielt. Die Reisebeschreibungen sind in diesem Abschnitt enthalten. In Füssen stieg ein junger Bildhauer zu, Alexander Gilli (1823–1880) aus Berlin, der sein Romstipendium angetreten hatte. Man verstand sich ausgezeichnet und er reiste entgegen den Planungen bis Venedig mit, was den Reisenden, insbesondere Julie, sicher sehr gut getan hat. Sie hielt auch nach der Reise Briefkontakt mit ihm und traf ihn später in Rom wieder. Die Reise dieses Herbstes verstärkte die Italiensehnsucht der Künstlerin noch einmal sehr und mobilisierte, allen Widerständen zum Trotz, weitere Kräfte in ihr, um nach Rom zu gelangen. Nach der Rückkehr von dieser Reise erwarteten sie allerdings zunächst wieder Forderungen und Bedenken des Vaters. Wieder bot sie alles auf, um ihm ihre Situation zu erläutern und ihn umzustimmen. Rugendas intervenierte nach allen Seiten, und es war letztlich wohl seinem Engagement zu verdanken, dass der Vater und auch die Tante Ende Oktober einlenkten. Julie Hagen konnte in ihrem Atelier in der Nähe ihres Lehrers weiterarbeiten. Der Friede im Haus der Verwandten schien wiederhergestellt, er erwies sich jedoch als brüchig. Der misstrauische Charakter der Tante zeigte nur allzu bald erneut sein Gesicht. Auch die Bilderkiste war nach Ende der Sommerreise noch nicht in Dorpat angekommen und nicht einmal in Riga, was neue Sorgen bereitete. Erst Mitte November gab es ein Aufatmen, alle Werke hatten unversehrt ihr Ziel erreicht. Der Vater verkaufte aber sogleich die für ihn bestimmten Arbeiten Moritz Rugandas’ an Eduard von Liphart, wogegen die Tochter heftig protestierte, da sie sie sich aus den für die königliche Sammlung bestimmten Mappen gleichsam erbettelt hatte. Sie forderte die Ölstudien zurück. Das konzentrierte Arbeiten litt unter den Streitereien sehr. Die Künstlerin berichtet in diesem Abschnitt wenig darüber, führt aber an, dass sie für den Winter genügend Porträtaufträge habe. Das lang zuvor begonnene Liebesbriefchen (vgl. Farbabb. 12) stellte sie in dieser Zeit fertig, eines der wenigen Werke, das sich aus der Münchner Zeit erhalten hat. Am 9. Oktober nahm Julie Hagen am großen Fest zur Enthüllung der Bavaria und zur Übergabe des Albums der Künstler an Ludwig I. zu seinem 25-jährigen Thronjubiläum teil. Gleich darauf, schrieb sie, fand ein Trauerzug zu Ehren des Historienmalers Carl Schorn statt, der am 7. Oktober unter ähnlichen Bedingungen wie Rottmann verstorben war. Freud und Leid lagen, wie überall, eng zusammen.

Der Kampf mit dem Vater um Selbstbestimmung 

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Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 9.8.1850 München d  : 9.August 50. Meine lieben theuren Aeltern  ! Endlich da ich alle nothwendigen Briefe abgefertigt, wende ich mich wieder zu Euch. 6 Abende hinter ein ander schrieb ich und habe nun wieder Kopfweh  ; aber kann ich anders meine Pflichten gegen meine Bekannten erfüllen als wenn ich mir vom Schlaf einige Stunden abzweige  ? Deshalb freue ich mich eigentlich auf den Winter, es geschieht doch noch etwas nach dem Abendessen, entweder zittere ich oder schreibe und bin frei von Gewissensbissen. Meinen letzten Brief habt Ihr lang schon ich will es hoffen daß der Krapplack ihn Euch nicht vorenthalten hat, ich francirte ihn deshalb nicht was ich anfänglich beabsichtigte da das Porto um ein Bedeutendes billiger geworden. Schreibt mir doch wie viel ihr jetzt zahlen müßt. Der Bruiningk, der Fanny Carus, Herrmanns, Hüttels nach Dresden etc. habe ich allen geschrieben  ! Während dessen war Junker in München, ich sah ihn fast täglich er hat mich auch gezeichnet d. h. für sich. Es hatte mich sehr gefreut daß er seinen Livländischen Anstand nicht mit der gewöhnlichen Rohheit der Deutschen vertauscht. Er hatte mir wiederholt Grüße an Euch aufgetragen. Um 5 Uhr etwa kam General Kiel zu mir ins Attelier, Rugendas war gerade da. Ich war sehr erstaunt über den Besuch namentlich als er sagte daß er erst angekommen. Noch hatte ich mir die Frage nicht gethan  : weshalb kommt er zu mir  ? – als er | mich fragt woher ich die Nachricht habe betreff der Versetzung der russischen Academie nach Belgien. Es habe ihm seine Schwester geschrieben  : »Fräulein Hagen hat geschrieben, dass die Academie von Rom nach Belgien versetzt worden ist.« Mein Schreck darüber kann ich nicht schildern, statt roth wurde ich eben bleich, und erklärte daß diese Äußerung von mir keines wegs geschehen worden ist und daß jedenfalls ein Mißverständniß obwalte. Bei Ledebours fand ich bloß die Alte zu Hause, was mir sehr erwünscht kam, ich eilte nämlich gleich zu ihnen um ihrs zu sagen. Rugendas gab mir den Rath dort ja nicht ein zu gestehen sondern zu sagen daß von mir eine bloße Bemerkung gemacht ich in meinem Briefe an Euch daß nämlich die wenigen russischen Künstler sich nach Belgien ziehen, da in Rom und Paris ihnen der Aufenthalt versagt wird, wie z. B. Kotzebu, Junker und andere mehr. – Die alte gute Frau schwitzte Angstschweis und ich war auch äußerst verlegen. – Ich bitte Euch meine Briefe nicht so ganz und gar der Welt wahrlos hin zu geben. Grade solche Sachen verschweigt doch der Welt, denn ich schrieb es unter dem Siegel der Verschwiegenheit, diese Sache wird mich die Nacht nicht schlafen lassen es ist mir sehr sehr unangenehm. – | Ihr seht daraus wie alles, selbst die harmlosesten Scherze von Stadt zu Stadt als große Wichtigkeit wandern. – Heute werde

520 | Die Briefe ich kaum noch schreiben denn andere Dinge kommen mir gewiß nicht mehr in Sinn, schlaft daher wohl. Samstag d. 10 August. Seit lange quält mich der Gedanke daß ich nur wenig Arbeiten durch die Carus senden werde können. Angefangen sind viele aber fertig will nichts werden. Außerdem möchte ich noch vorher zwei von denen nach Augsburg in den Verein schicken und immer findet sich dies und das noch zu flicken. Die beiden Mädchen mit dem Briefchen kann ich auf keinen Fall fertig bringen, es ist mir herzlich leid, aber meine Schuld ist es gewiß nicht, ich bedarf soviel zu dem Bilde was ich nicht herbei schaffen kann, – ich hoffe daß sich öfter Gelegenheit findet wo ich denn wieder ein paar Arbeiten schicken kann. Das Porträt der jungen Frau hat mich auch aufgehalten und dennoch bereue ich nicht sie gemalt zu haben, das ist mir eine gute Rekomandation. Die Mutter weiß vor Glückseligkeit nicht was anfangen. Stieler hat sie durchaus malen wollen hat es ihr öffter angetragen und nun mußte sie seine Feindin malen, ich freue mich sehr über seine Erbitterung.  – An Besuchen hat es mir nicht gefehlt. Und mehrere Bestellungen sind mir verheißen, ich glaube daß | ich für den Winter vollauf zu thun werde haben. Mit jedem Tage erwarte ich einen Brief von der Carus. Sonntag d  : 11 August. Morgen ist der erste bei Euch, die Ferien haben ein Ende. Mutter mit den Kindern wird vielleicht gestern aus Wrangelshof zurück gekehrt sein, Alles fängt an den gewohnten Gang in Arbeit und Schaffen zu gehen, während man hier erst anfängt an einen Landaufenthalt oder Ferienreise zu denken. Bisher ist aber auch noch kein Wetter dazu gewesen. Der Sommer ist dahin und man hat ihn nicht gefühlt  ! – Meiner diesjährigen Sendung wegen mag ich nicht an ein Fortgehen denken, ich wollt es käme nicht dazu. Mir wäre durchaus kein Kummer dadurch bereitet. Noch ist das Haus voll Arbeitsleute daher noch nicht ernstlich über das Wohin gesprochen. Mir ist’s gleichgültig da ich weiß daß es wieder eine Reise werden wird im Fluge und mehr als das. Ich genieße gern das Schöne in Natur und Kunst mit Ruhe und Bewußtsein, kann ich das nicht werde ich leicht matt, folglich verdrießlich verstimmt  ; mir selbst zu wider. Vorigen Sonnabend ging der Onkel mit mir in den Cirkus Ledebours Julie und Junker schlossen sich uns an. Die Trupp ist sehr gut wenn auch nicht ausgezeichnet. Mich hatte es Zittern gemacht und der Schrecken über die Halsbrecherischen Künste gaben mir Thränen, daran ich mich schähmte. Es sind | meine Nerven jetzt wieder leicht zu erregen, es kann mich das Geringste aus dem Gleichgewicht bringen, So z. B. war es gestern der Fall. Der alte Ledebour wie ich schon früher berichtet war sehr krank (eine Art Polip oder so etwas ähnliches) ich [sic] konnte vorgestern zum ersten Mal das Zimmer auf ein viertel Stündchen verlassen. Gestern arbeitete ich ganz ruhig als geklopft wurde, als ich öffne ist der gute, noch recht angegriffen aussehende Mann mit der Julie

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draußen. Meine freudige Überraschung, mein Dankgefühl äußerte sich durch Thränen. – Die kleine Seyboldt, Nichte des Doctor Steub habe ich jetzt, ich glaube ganz fertig und ließ ihn, den Doctor, durch Rugendas ersuchen ob ich das Bild hier ausstellen dürfe, erhielt aber eine entschieden abschlägige Antwort, das ist in fam  ! Nie können und wollen diese hoch gelehrten Männer sich aus ihrem Kittel zwängen nie in Wirklichkeit sich über die Alltäglichkeit erheben, ja in Büchern geht es vortrefflich. Deshalb ist es gut wenn man solche Geister nie persönlich kennen lernt um nicht von hoher Stuffe in den tiefsten Abgrund geschleudert zu werden, so geht es mit den Dichtern, so mit den Malern. Immer nur aus der Ferne gesehen erblickt man einen hell glänzenden großen Stern.  – Nach Augsburg sende ich sie aber doch und müßte das Bildchen hier bleiben | was ich den leicht durch die Post nach senden kann. Möchte nur die Carus mir schreiben daß sie erst im October geht dann ist alles das unnöthig, meine Sorgen und meine Zweifeln. – Die Zeit geht hin, ich weiß nicht wie  ! Gleich Nachtisch. Frische Kartoffeln Hühner und Kirschkuchen haben mich träge gemacht und dennoch möchte ich heute noch malen, wird es gehen  ? es muß gehen  ! – Von der Tann’s Portrait wegen hatte ich verschiedenen Besuch. Der Director der Porzelanfabrik Neureuther463 kam um mich um das selbe zu bitten, indem er kleine Büsten darnach arbeiten wollte lassen und auf Tellern und Tassen etc. ihn malen. Am selben Tage kam Hanfstengl, wie ein Fuchs unter einem anderen Vorwande, ich durch schaute aber gleich seine Absicht. Es ist nach Schleswig deshalb geschrieben worden wie, auf welche Weise er es vervielfältigt zu sehen wünscht. – Wißt Ihr nicht die Adresse der Amalie Laursonn,464 im Fall der Kammerdiener des Herzog Leuchtenberg sich mit dem Absenden des Packets Zeit läßt. Es wäre gut wenn jemand es ihm abfordert und es zur Post expedirt. Ich will den Namen des Herrn Kammerdiener mit diesem Brief Euch zu senden den{n} Leuchtenberg ist angekommen. Die Nachricht ist schon hier.  – Der Kaiser kommt nicht, also | auch ein Geschwätz ohne Grund. – d  : 14ten August. Schon zwei Tage habe ich meine Jagd nach großen derben, aber dabei schönen Armen und Händen, erneut um die dumme Wäscherin endlich fertig zu bringen und womöglich mit zu senden denn ich mag sie nun 463 Eugen Napoleon Neureuther (1806–1882) leitete die künstlerische Abteilung der Königlichen Porzellanmanufaktur Nymphenburg von 1848 bis 1856. Er war später Professor an der Königlichen Kunstgewerbeschule. Er ist bekannt durch zahlreiche Illustrationen und romantische Randzeichnungen bekannter Dichtungen, war aber ebenso als Öl- und Freskenmaler tätig. Zu Neureuthers Tätigkeit in der Nymphenburger Manufaktur vgl. Bauer, 2006. Nachfragen nach den oben genannten Nacharbeiten in bzw. auf Porzellan ergaben keine Funde. 464 Zu Amalie Laurson vgl. Anm. 95. Es ist nicht klar, um welches Paket es sich hier handelt.

522 | Die Briefe nimmer sehen, aber dieser Artikel ist so schwer zu haben und ich möchte sagen daß ich in einige Verzweiflung deshalb gerathen, meine Sendung wird am Ende ärmer das Jahr ausfallen als die im vergangenen Jahre und weiß Gott das ist mir unangenhem. Bin ich ja doch nicht müßig gewesen. Zwar habe ich kürzere Zeit als damals gehabt und dabei eben die schönen Köpfe zwei Mal gemalt um sie zu besitzen. Unter den hiesigen Modellen, welche man für Geld hat findet sich nichts nobles mehr im Ausdruck, selbst die Form hat selten Adel. – Ich glaube daß 10 Bilder worin Tantes und Onkels Portrait sich befindet und 3 bis 4 kleine Studien Köpfe kommen. Könnten nur alle fort dann wären es schon mehr als im vergangenen Jahre. Die kleine Seyboldt schicke ich nach Augsburg vorher, ich glaube kaum daß ich sie bis zur Zeit wo ich die Sachen packe zurück haben kann. – Ich bin heute früher als gewöhnlich heim gekommen nachdem ich mich halb todt gelaufen um die besprochenen Arme und Hände. Zu Hause angekommen sagt man mir daß der erste Liebhaber der hiesigen Bühne, Herr Dahn465 da gewesen | und sich nach meinem Attelier erkundigt da ein berühmter Mann aus Riga mich zu besuchen wünscht in dem er von meinen Arbeiten dort gelesen etc. Er ist Schauspieler u. s. w. – Ich rieth gleich auf Lenz,466 und so ist es. Morgen werde ich wol einen Besuch von den beiden Männern bekommen mich freut es sehr. Da höre ich denn endlich von Euch vielleicht Sachen die schon lang mir geschrieben worden sind aber das schadet nicht hört man’s doch immer wieder von Neuem gern, alles was aus der Heimath kommt, geschrieben oder gesprochen, es ist alles süß  ! Donnerstag d  : 15 August 50. Ein großes Fest, wie man sagt, Maria Himmelfahrt. Ich feiere den Tag auch nach seiner Weise. Am Vortisch saß mir Onkel, ich lassirte das vergangen jährige Portrait, dann ging er zu Tisch und ich blieb da ich Lenz erwartete, gleich nach 12 Uhr kam er auch in Begleitung des Schauspielers Jost,467 (langweiliger Patron), Ich begrüßte ihn mit der größten Freundlichkeit, ich darf es wol sagen da mir es aus der Seele kam, ich brauchte mich nicht zu zwingen. Er sah meine Arbeiten mit großer Theilnahme – wie es schien – an. Versicherte mir alle mögliche Theilnahme und Hochachtung, kennt all meine Verhältnisse etc. etc. – Ich trug ihm beim Abschied tausend Grüße an Euch auf da er im nächsten Winter wieder in Dorpat sein wolle, Morgen will er wieder | München verlassen. Sein Begleiter war mir unangenehm – ich mag ihn auf der 465 Friedrich Dahn (1811–1889) war ein deutscher Schauspieler und Regisseur in München. 466 Johann Reinhold von Lenz (1778–1854), geboren in Pernau, schlug zunächst die Militärlaufbahn ein, bevor er sich der Schauspielerei zuwandte. Unter dem Namen »Kühne« war er in St. Petersburg, Königsberg, Berlin, Braunschweig, Lübeck und Hamburg tätig, wo er das Stadttheater auch leitete. Ab 1844 zog er sich nach Riga zurück und starb zehn Jahre später dort. 467 Wohl Johann Karl Friedrich Jost (1789–1870), der sowohl am Hamburger Stadttheater als auch seit 1837 bis zu seinem Tode an der Münchner Hofbühne als Charakterdarsteller tätig war.

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Bühne nicht leiden und außerhalb derselben erscheint er mir nun noch weniger liebenswürdig, – kurz derselbe genirte mich in Fragen über Lenzens und meine Familie. So also habe ich nicht viel erfahren können. Beim Abschied sagte Lenz ich würde bei meiner Rückkehr auf den Händen getragen werden, und ungeheuer viel Geld verdienen. Das sind freilich sehr hübsche reizende Aussichten. Mich erkannte er nach meinem Bild wieder, wenigstens sagte er’s und nebenan machte er die Bemerkung wie hübsch dasselbe eingerahmt sey. Der wachende lebende Rahmen hat mich sehr gerührt und immer so oft ich das Bildchen des guten Herrmann ansehe so frage ich mich ob ich’s bin, die solche Ehrenbezeugungen zu hause genießt. Mir ist’s als müßte ich was dazu thun auf mein Portrait in einem der entfernsten Winkel zu stecken denn ich fühle zu deutlich daß ich einer so schönen Umkränzung noch lange nicht Werth bin. – Das neue Möbel der Papagaienkäfig hat mich imponirt, woher habt Ihr den denn  ? Ich bilde mir ein daß die Baronin Bruiningk ihn Euch verehrt hat. d  : 16 August. Heute zu Mittag zu hause, ich holte die Tante ab zu meiner jungen Braut um deren Aussteuer zu besehen welche wunderschön ist. Die sonderbare Sitte, die Aussteuer aus zu stellen ist auch nur in München zu finden, mir gefällt sie nicht. –468| d  : 17 August. Heute regnet es viel, Gestern Abend bekam ich noch sehr heftiges Kopfweh welche mir die Nacht schlaflos vergehen ließen, Heute Früh ging ich ins Attelier, äußerst sehr matt – wollte auch nichts bedeutendes arbeiten, nur ein Paar Feigen in einem Fruchtkorb, welchen ich für die Tante angefangen, und nun sitze ich schon wieder zu hause, die Uhr ist eben 3. Rugendas war einige Tage fort, hatte eine kleine Fußpartie über Hochschloß nach Pathenkirchen u. s. w. gemacht, Gestern früh ging er zum alten Lenz um dem einen Besuch zu machen fand ihn recht anständig und gescheut. – Heute verbot er mir zu arbeiten da ich angegriffen aussehe. Ich ging zu Ledebour’s da die Alte ins Bad reiste. Er und Julie bleiben noch 14 Tage und wollen dann die Frau abholen und zusamm nach Botzen gehen. Von der Carus habe ich noch keinen Brief, ich fürchte sie ist nicht in Leipzig. Und kann ich meine Sachen nicht absenden dann kann ich auch nicht mit Ruhe München verlassen. d  : 18 Sonntag. Ein wunderbar gemischtes Gefühl überfiel meine Seele als ich gestern das Blatt verließ und an einem der niedlichen Krägelchen der Schwester Marie, arbeitend bescheftigte. Die körperliche Mattigkeit stimmt mich immer etwas herab. Ich hatte ja Zeit über mancherlei Dinge nach zu denken und die Gedanken | fest zu halten und so fühlte ich denn sehr bald daß ein gewisses Heimweh mich befangen genommen  ; ich wanderte von Dorpat nach Leipzig 468 Hier handelte es sich um die Aussteuer der jungen Maria Diß, die Julie Hagen gemalt hatte. Der Verbleib des Bildnisses ist nicht bekannt.

524 | Die Briefe zur Carus und endlich nach Dresden zu den unvollendeten Arbeiten. Plötzlich klagte das Herz mir gewaltig und der Gedanke war da daß es gescheuter wäre jetzt nach Dresden zu gehen um die Bilder sendt fertig zu machen statt mit den Verwandten die Reise zu machen. Der Tante welche mir gegenüber saß theilte ich’s mit, natürlich auch die Gründe weshalb. Sie fand es wol natürlich und gescheuter als bis zum letzten Augenblick zu warten, war so gar nicht erfreut und wollte mit dem Onkel darüber reden. Da die Reise ohne dies nicht von Bedeutung werden wird da die Reparaturen des Hauses weit die anfänglich gemachte Berechnung der Kosten überstiegen haben, würde es mir sehr angenehm sein, da ich die Carus noch selbst sprechen könnte. Am Abend aber wo es anfing dunkel zu werden wurde die Tante plötzlich stille und ich merkte daß sie weinte, bald darauf verschwand sie, sie hatte sich nieder gelegt. d  : 21 August 50. Es ist schon Mittwoch und schon am Sonntage erhielt ich Deinen Brief. Du darfst nicht fragen weshalb ich nicht gleich geantwortet, es ist doch sonst nicht meine Art so lang zu warten oder viel mehr Euch warten zu lassen. Eine tiefe Verstimmung welche ich Dir verdanke hat mich verhindert mit Ruhe und Freudigkeit an das Blatt Papier zu treten und mit Liebe und Innigkeit Euch zu begrüßen. | Und wäre ich nicht deine Tochter, die es weiß wie meine Briefe von Dir erwartet werden, ich würde lang noch nicht schreiben, denn weshalb soll ich Dich kränken  ? Ich möchte es nicht thun, und thue es sobald ich nicht mein Gemüth ins Gleichgewicht gebracht. – Das wird lange dauern ich werde Zeit brauchen um wieder zufrieden zu sein. Wir wollen zur Sache gehen, Stillschweigen wäre zwar das beste da Rugendas an Dich geschrieben, daher es eigentlich sogar unnöthig wäre aber ein Ende muß der Brief haben, und der übrige ganze Brief von Euch ist mir weniger wichtig als die Stellen das Verändern meines Atteliers betreffend. – Wüßtest Du lieber Vater was Du mir durch Deinen Wunsch und Willen, Deinen Anordnen, Eingreifen in Verhältnisse, aus einer so großen Entfernung, zu gezogen, ja vielleicht auf immer das bessere Verhältnis mit Tante und Onkel gelöst Du hättest mich oder Rugendas bevor befragt, der doch einzig als Künstler hier ein Wort zu sagen hat.  – Deine Worte  : »Mittler Weile habe ich Erkundigungen ein ziehen lassen und gefunden daß Du sehr gut zu hause ein Attelier aufschlagen kannst.« Wer ist denn der vortreffliche Freund gewesen der Dir darüber Aufschluß gab  ? Auch ich möchte dieses liebenswürdige Subjekt kennen der ein besser Urtheil abgeben kann als mein Lehrer den Du für mich erkohrst. Wer kennt überhaupt mich, wer meine Bestrebungen als Künstlerin, wer meine Bedürfnisse als solche  ? Nenne mir nur einen Namen den ich als ehrenwert nannte in der ganzen Bekanntschaft der Verwandten. Ich glaube nicht daß Du Dich erinnern kannst daß ich mit Begeisterung von irgend einem sprach. Es sind aber alles Leute welche aus den materi-

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ellsten Bestandtheilen geformt sind, die keine Ahnung von der Begeisterung einer Künstlerseele haben für Natur und Kunst haben [sic].  – Ich thue nicht unrecht wenn ich sie mit dem Beiworte bezeichne, neidische Kaffee- und Klatschseelen, die mir die geringste Stecknadel, welche ich von den Verwandten erhalte mißgönnen. – Das was ich fühle sage ich meiner Umgebung oder gebe es ihnen zu verstehen auf irgendeine Weise, also weiß die Tante wie gern ich mit den Leuten, welche nur das Geld des Onkels lieben umgehe. Sie hat lange mit ihrer eigen­ thümlichen Eifersucht es mißbilligend angesehen daß ich von den vornehmsten und berühmtesten Leuten aufgesucht worden, so daß ich selten in letzterer Zeit ihr mittheilte daß ich Besuch gehabt oder daß ich bei Ledebour’s oder sonst wo gewesen wo ich gewöhnlich die Mittagsstunde dazu verwandte. Weshalb denn bin ich bei Tirsch, bei Förster, der Baronin Hornmeyer469 und so vielen anderen weg geblieben  ? weshalb that ich’s da ich auf ’s Freundlichste aufgenommen wurde von alle diesen Leuten u nur aus Furcht die Tante in eine ewige Verstimmung zu erhalten, was immer noch statt hatte, so bald ich unter solchen Leuten mich befunden hatte.  – Daß Du doch sie, die sorgenden Verwandten gegen ein Alleinsein gewonnen, giebt mir zu [gestr.: verstehen] erkennen, [gestr.: daß] da das Schlafzimmer jetzt einen Ofen bekommen | das einzige Zimmer welches ein freies Licht hat und dasselbe [gestr.: ist] hat des Nachmittags Sonne. Das Zimmer hat einen Alkoven und es möchte die Frage sein ob das Anständiger ist fremde Leute zu empfangen in einem Zimmer wo, wenn auch die Betten entfernt würden, doch immer gedacht wird  : das ist ein Schlafzimmer, oder in einem Zimmer das nichts als Studien, Blendrahmen in einer Ecke einen Tisch mit Farbenkasten und andern Geräth, einen andern mit Gips Händen und Füße und endlich 4 Strohstühlen enthält. Du hast mir aus schönenden Rücksichten nicht von den Gefahren die mich bedrohen sprechen wollen. Lieber Vater in jedem Verhältnisse, und wo ich auch sey drohen mir dieselben Gefahren so bald ich nur will, und selbst wenn ich im Kloster steckte. – Wie hast Du überhaupt mich einer fremden Welt preisgeben können, mich unerfahrenes Kind daß ich doch damals noch war  ? Bin ich in die Welt gegangen um schlechter zu werden  ? Studirte ich um mich jetzt wie ein Maulwurf zu verkriechen oder in das alte schimliche Mauseloch zurück zu kriechen  ? Nein Vater  ! Ich habe viele bittere Stunden im Leben genossen und mir durch die Kunst noch mehr bereitet, ich habe als Mädchen manch schweres Opfer gebracht aber nimmst Du mir mein Attelier, dann nimmst Du mir auch das Leben. Des 469 Dies ist die Witwe des Historikers Joseph von Hormayr (1781–1848), Maria von Hormayr-Hortenburg, geb. Speck von Sternburg (1813–1881), die später, in den Jahren 1857 bis 1859, mit Julies Bruder Alexander Hagen eine Reise durch Südamerika unternahm (vgl. Allgemeine Zeitung, 1857, S. 4754, und Allgemeine Zeitung, 1859, S. 4418). Sie erwähnt hier diese Bekanntschaft erstmals, die später für den Bruder von großer Bedeutung war.

526 | Die Briefe Abends wenn ich ins Bett gehe freute ich mich daß ich den andern Morgen ins Attelier zurück könne wo ich in schönern Regionen mich | wähnte als hier auf der krippelhaften Erde. – Meine Seele verkaufe ich nicht um Geld, nein gewiß nicht  !  ! Und das nenn ich Seelenverkauf wenn man mich von der ganzen gebildeten Welt abschließt. – Außer Rugendas, den ich wie Du weißt verehre, der mir ein wahrer treuer Freund und Bruder ist – kommt kein Herr zu mir ins Attelier außer ich male einen. Alle diejenigen welche die Attelier’s von Bernhardt besucht, habe ich den Zutritt hier verweigert. Oder hat man Dir vom Gegentheil geschrieben  ? Rugendas weiß daß ich keinen Besuch von jungen frechen Leuten empfange und fühlte sich als ich ihm Deinen Brief zu lesen gab sehr gekränkt und zwar so gekränkt daß er, wie ich von dem Gelde der 3 Skizzen mit ihm sprach, er sie mir um Geld verweigerte, er sagte  : »ich gebe sie Ihnen, allein verkaufen mag ich nur solche wo es mich selbst freut.« Läßt er sich nicht zahlen dann mußt Du verzichten auf dieselben, als Geschenk nehme ich sie nicht an  ! auf keinen Fall  ! Bin ich denn die Einzige welche außerhalb des Hauses arbeitet  ? erkundige Dich doch gefälligst, ich bitte Dich darum. Und soll ich jetzt wo man mich als Künstlerin anerkennt wieder in den Diletantismus zurück geworfen werden. Wem, werde ich meine Arbeiten da unten im Englischen Garten zeigen  ? | Kann ich Rugendas jeden Augenblick haben wo ich ihn brauche in einer Entfernung von einer halben Stunde, denn so weit ist seine Wohnung von der Wohnung des Onkels entfernt  ? Nein das geht nicht, ich kann nicht ein Mal verlangen daß er alle Tage dahin unter kommt. Und schließlich, hättest Du mir diesen Wunsch damals geschrieben als Du wolltest daß ich doch in diesem Jahr heim sollte, dann wäre ich gekommen und hätte ich mir den Hals gebrochen. Willst Du nicht daß ich mit der ganzen Welt umgehen soll dann hättest Du auch nicht wollen daß ich Künstlerin werde. – Noch hat die Tante mir kein Wort gesagt, sie fühlt wie unrecht man mir thut, – Ehe ich Deinen Brief erhielt am Sonntage hatte ich wieder eine Scene mit ihr  ; ich mußte eben wieder hören daß ich nur aus dem Grunde gern nach Dresden möchte um nicht mit ihnen zusamm zu sein, sie hatte das heraus gefunden nach längerem Nachdenken, nachdem sie anfangs es sehr vernünftig erachtet. Von meinen Aeltern oder Geschwistern spreche ich gegen niemanden mehr etwas als gegen meinen Freund Rugendas der meine Sehnsucht und meine Liebe zu diesen begreift und schätzt. – | Bei solchen Verhältnissen wird man ängstlich und sagt ein ander mal nichts mehr und niemand sollte aus der Ferne mir vorwerfen nicht offen genug zu sein, gegen meine Wohltätern da ich aus Schmerz manches ihnen verschweige. In Dorpat hat man mir oft den Vorwurf gemacht ich sey zu offen, und um so viel habe ich mich den{n} doch nicht verändert. Ich weiß nicht wie ich mich jetzt verständigen werde. Du allein hast mir das bereitet aus väterlicher Besorgnis die ich natürlich finde aber ohne nur tiefer in meine Verhältnisse geblickt zu haben und

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überhaupt die Stellung der Künstler in München bedacht zu haben. Dieser ist der Tonangeber wenigstens in München, und noch niemand hat mich mit der geringsten Mißachtung behandelt im Gegentheil mit einer Hochachtung die mich manches Mal verlegen gemacht. Rugendas sein Brief470 kommt wol früher an als der meinige, er hat mir gesagt was er geschrieben daher werde ich wol nichts mehr hin zu fügen dürfen als es mir leid ist wie mit einem Male Du das Vertrauen zu Deinem Kinde verloren das keinen Grund dazu gab. – | später Es ist nun wieder Abend geworden und ich werde mich glücklich preisen wenn die Uhr morgen 8 ist dann bin ich nicht mehr daheim. Die Verwandten sagen nichts und ich wüßte nicht, weshalb ich’s thun soll da es ja nicht im geringsten mein Wunsch ist. Vielleicht kommt es noch dazu daß ich heim gehe – – statt nach Venedig. – Ich weiß nicht ob ich eine Einlage von ihnen erhalte obgleich ich’s ihnen sagte daß ich meinen Brief morgen abzuschicken gedenke. – Ehe ich’s vergesse Rugendas braucht zu seinen Luften Ocker, besonders Goldocker nur zu Morgen- und Abendgluthen nimmt er das sogenannte Kadmium. – Ob Ihr das Krapplack erhalten davon ist kein Wort in dem Briefe.  – Auf den ganzen übrigen Brief vermag ich jetzt nicht zu antworten ich werde es nach holen. In den letzten Tagen malte ich ein 3jähriges Kind, eine Art Bestellung von durchreisenden Nürnbergern. Lebt wohl, alle seit Ihr gegrüßt und Ihr könnte bald wieder einen Brief von mir erwarten. Dieser Brief wird Dir vielleicht nicht besonders viele Freude machen aber gewiß nicht so vielen wirklichen Kummer als der Deinige mir gebracht. Lebt wohl Eure Julie | d  : 22 August 50 Ich möchte nicht daß dasjenige was ich über Tantes Eifersucht und Mißtrauen gestern nieder schrieb ihr wieder zu Ohren kommt, geschieht das dann weiß ich nicht wie mich gegen meine Aeltern benehmen. Es besteht das scheußlichste Verhältnis zwischen uns jetzt, ich wollt ich wäre Gott weiß s wo, nur nicht in München  ! Wärst nur Du offener zu Werk gegangen, denkst denn Du daß ich nie meinen Verstand befrage wenn ich was thue und unterlasse ich kann nicht begreifen daß man mich für ein so dummes Kind hält. Die Carus hat mir geschrieben doch keine bestimmt Zusage gegeben da sie nicht weiß wie und wann sie reist. Eure Julie

470 Dieser Brief ist leider nicht erhalten.

528 | Die Briefe Julie Hagen an ihren Vater aus München, Anfang September 1850 Lieber Vater  ! Die bekannten Worte sing ich vor mich hin  : »Ich wäre ja fröhlich so gerne« Doch kann ich recht fröhlich nicht sein. Gott wie soll das enden  ? weinen und nichts als weinen könnte ich  ; selbst über das Leiden und die Freude der wild fremdesten Leute weine ich schwere große Thränen. – Das Portrait der jungen Braut wurde heute in einem prachtvollen Gold­ rahmen in meinem Attelier aufgestellt und dem Vater presentirt, welcher keine Ahnung bis dahin hatte. Er trat voll Ehrerbiertung ins Zimmer wurde mir von seiner Frau vorgestellt, er beugte sich über meine Hand welche ich ihm zum Willkommen gereicht und küßte dieselbe indem er mir sehr artig über meine bis jetzt gesehenen Arbeiten sprach und für die Erlaubnis dankte jetzt in mein Attelier ein zu treten. (Nota bene er ist einer der achtungswerthesten Bürger Münchens, unter den Künstlern gern gesehen sogar genau Bekannter oder bester Freund des entschlafenen Meisters Rottmann). Ich erwiderte zitternd seine liebenswürdigen Worte, indem ich bedauerte nur wenig ihm zu zeigen nur ein Bildchen wäre vollendet etc. Er drehte sich nach der Staffelei um und stutzte im selben Moment, | rief die Worte aber halb durch Thränen erstickt, das ist ja meine Tochter  ! Mein liebes Kind  ! – Meine Augen waren feucht und bald sah ich mich vom glücklichen Vater umarmt, – Mutter Tochter Onkel Bräutigam, ich dumme Gans, alles weinte und jetzt wo ich daran worüber gehe weine ich wieder, vielleicht hätte ich’s nicht gethan wenn ich nicht so tief innerlich wehmüthig gestimmt wäre. – Von Tante und Onkel höre ich keinen hörbaren Gutenmorgen noch Guten­ abend, es ist mir entsetzlich  ! es sind fürchterliche Stunden die ich zu hause zu bringen muß  ! Es sind die fürchterlichsten Bissen die ich im Leben genossen  ! Onkel ist bei Rugendas gewesen und der hat es wie es natürlich ist nicht gebilligt, und eben den Grund, daß ich von wenig Leuten Besuche empfangen würde angeführt. Dieses hat die Tante eben wie immer falsch verstanden und fragt in großer Wuth, ob ihr Haus verrufen sey  ? etc. Gestern nun habe ich ihr geschrieben da ich bei solchen absichtlich bös gedeuteten Äußerungsausbrüchen mich nicht mehr halten kann und leicht sehr empfindliche Antworten gebe um dem zu umgehen sagte ich ihr also | in kurzen Worten weshalb ich durchaus nicht darin zu billigen geneigt gewesen, sagte ihr die Gründe in ruhigen Worten und bat sie schließlich mir nur zu erlauben die ein Mal angefangenen Arbeiten in demselben Licht zur Vollendung gedeihen zu lassen und daß ich dann gern ihrem Willen folgen würde. Falls sie dieses nicht zu gewähren für gut findet möge sie es mir sagen. Nachdem ich also gestern Abend meine Suppe herunter gewirgt hatte und den

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Tisch abgekrumt gab ich ihr den Brief. Ging dann zum Säubern meiner Pinsel und dann in den Garten wo ich sie erwartete allein sie kam nicht, auch heute früh sprach sie nichts. Bei Rugendas haben sie mich verklagt und R. bei mir, beide sollen wir grob gewesen sein. R. ist so höflich und ruhig gegen Onkel gewesen hat sogar ihm guten Rath gegeben mich durch einige Ruhe und Freundlichkeit für den Plan zu gewinnen. Allein sie hatten ja keinen Zeugen also kann man wol sagen er ist grob gewesen. Rugendas sein höchster Gedanke war mir einen Namen zu schaffen, eine Art Celebritait aus mir zu machen, und | in einem halben Jahre, ich darf es wohl sagen ist es ihm gelungen daß ich nicht allein bekannter bin als manch armer Maler mit vielleicht mehr Talent in mehreren Jahren. Nicht allein daß ich bekannt bin ich habe bereits den Beinahmen  : berühmt.  – Und jetzt wo es nur wenig noch braucht um mit Sicherheit auf ein sicheres Stehen für meine Heimath zu bauen jetzt soll es zu nichts werden  ! Vertrauen ist ja alles was ich brauche und der Name giebt das dem Nicht Kunstverständigen, selbst der sogenannte Kunstkenner sieht ein Bild von einer nicht berühmten Hand gemalt immer mit Mißtrauen an und zieht ein weniger Gutes dem vor wenn es nur einen bekannten Namenszug trägt. – Ich will aber hinunter und die Folgen wird man erleben  ! – Ich begreife nur nicht weshalb man heimlich alles zu recht gesponnen wenn man denn meint es wäre so ganz gut so. Als Mädchen geben sie mir zu viel aber zu wenig für eine Künstlerin. Heute war die Jan Paul Förster471 bei mir um zu fragen weshalb ich sie denn gar nicht besuche, ja wie soll ich’s denn thun. Entweder muß ich den Leuten sagen wie es ist oder ich muß mich schelten lassen. – | Montag d  : 26 Statt sich zu bessern verschlimmert sich mein Verhältnis zu den Verwandten von Tag zu Tag. Auf meinen äußerst ruhigen und artigen Brief habe ich noch keine Antwort erhalten und ich sehe mich nicht befugt mir sie ab zu zwingen da es freundliche Bitten nicht vermacht haben. Habe ich früher nicht zu Mittag gegessen so esse ich jetzt zum Abend auch nichts mehr, ich setze mich immer zum Schein und die wenigen Bissen welche ich nehme bleiben mir im Halse stecken. Ich möchte es verwünschen daß man mir ein Glück in dem Künstlerleben zeigte, ja verwünschen möchte ich’s, da man, wo ich es eben erfaßt zu haben glaubte, mir’s mit aller Härte zurück fordert. Hätte man mir nie es kennen lernen lassen  ! Ach mir ist ganz furchtbar zu Muth  ! Und ich glaube wenn ich betteln gehen müßte ich würde es allen, die an mich zweifeln zeigen wie furchtbar Ernst mir ist als Künstlerin über die Mittelmäßigkeit mich zu erheben. Ich hungere gern um diese, und Gottlob ich werde nicht die einzige sein, die das 471 Zu Emma Förster vgl. Anm.  391. Ihr Sohn Brix Förster hat nach dem Tod der Mutter eine Briefsammlung von ihr herausgegeben, in der Julie Hagen aber nicht erwähnt ist. Brix Förster, Das Leben Emma Försters, der Tochter Jean Pauls, in ihren Briefen, Berlin 1889, Nachdruck, Bremen 2012.

530 | Die Briefe that  ! Gestern trat Bernhardt, merke wol ich sage Bernhardt, der mir ja böse war, ins Attelier um meine letzten Arbeiten zu sehen da man mit großer Begeisterung ihm davon erzählt. Und seine Worte nachdem er alles gesehen  : »ich kann Sie nur gratuliren, sie haben große Fortschritte gemacht« – Die beiden Mädchen mit dem Briefchen, das letzte Portrait und zwei Profile fand er wunderschön in der Auffassung und in der Malerei. Das ist mir ein neuer Beweis | daß ich als Künstlerin ein Recht habe etwas zu fordern, was Euch gering scheint. Ich kann nicht glauben lieber Vater daß Du das nicht ein siehst. Das Wunderliche ist daß die Verwandten es wollen und noch nie den Rugendas um das Licht im Schlafzimmer befragt haben, er sah das Zimmer nie. Die Bilder welche gegenwärtig in Augsburg sind sah natürlich Bernhardt nicht, er bat sich aber aus so wie sie kommen es ihm zu sagen so wie auch dann wenn die beiden Mädchen vollendet sind. – Die Eifersucht  ! Die Eifersucht  ! Was kann die für Unglück bringen  ! Sonntag d  : 1 Sept. 50 Es sind beinahe 8 Tage vergangen ohne daß ich schrieb. Am vorigen Montage da ich zuletzt geschrieben hatte, war ich zu Ledebours zum Thee gebeten da die Bühler472 mit ihrer Nichte da sein sollten.  – Mein Brief an die Tante war immer noch nicht beantwortet von ihr auch mit keiner Silbe also sagte ich zu und auf das hin brach das hartnäckige quälende Schweigen der Tante. Man ließ mich nicht fort, ich dadurch immer mehr gereitzt wurde dermaßen heftig daß ich mit Gewalt mich loß machen wollte, aber immer wieder zurück gehalten wurde. Bald sank ich kraftlos auf einen Stuhl, und Tante bekam einen Kropf. Alles das | was ich den Abend, die Nacht und bis jetzt empfinde verschweige ich Euch, nichts Süßes war es. Wir haben nichts weiter von der Sache besprochen was mir im höchsten Grade unheimlich ist. Die junge Braut jetzt Frau hat mir neben einem Louisdor noch einen sehr hübschen Ring geschenkt und die Mutter werde ich nun auch malen sobald sie aus Paris zurück ist was in 4 Wochen sein wird. Noch ein anderes Portrait ist mir angesagt. Ich hoffe, daß ich mich wol das Jahr hindurch in München halten kann. – Die Carus ist noch nicht angekommen. Die Bühler ist eine arge Jungfrau geworden d. h. eine recht langweilige Person. Das Portrait der Diss473 so heißt die Braut – hat mir so viel Freude gebracht durch die Dankbarkeit und Freude dieser Leute daß ich immer in meinem Kummer mich gestärkt fühlte. Und diese Anerkennung, dieses Glück das sie äußerten that mir wohler als tausend und aber tausend Goldstücke. – Ich möchte um nichts in der Welt die rührenden Scenen der Aeltern und Verwandten hergeben, sie werden mir unvergesslich sein und mich begleiten durch mein ganzes Leben. Und bei all dem begleitet mich der 472 Die Familie Bühler war ebenfalls aus Dorpat stammend, ohne dass hier eine nähere Angabe zu den Personen möglich wäre. 473 Vgl. Anm. 461.

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Wunsch  : ach wenn ich doch kein Mädchen wäre  ! – Ob wir reisen oder nicht das ist so ungewiß als nur was sein kann. | d  : 4 Sept. Noch sitzen wir hier, ein Besuch aus Augsburg eine alte Klatschschwester ist auf einige Tage hieher gekommen. Diese Woche soll es aber doch noch fort ich begreife nicht ganz wie es sein kann. Meine Sachen aus Augsburg sind nicht gekommen und früher können wir nicht die Bilder packen. Es werden indessen mehr Studien kommen als ich dachte, vielleicht sogar mehr als im vergangenen Jahre. Das Register dazu sende ich mit diesem Briefe. Wenn sie nur schon bei Euch wären  ! Die Sendung aus Petersburg soll auch schon bei Euch sein, so sagt der Kammerdiener der Herzogin Leuchtenberg und gab uns ein Postschein wofür 11 Gulden und etliche Kreutzer zu bezahlen war. Nun fragt sich ob Ihr nicht ebenso viel zu zahlen habt, denn erstens hatte man dem Onkel gesagt man könne in Rußland keine Pakete unfrancirt versenden und zweitens kann man deutlich wahrnehmen wie eine andere Hand die Zahlen auf den Schein um geschrieben ja sogar mit einem Messer abgekratzt ist. Also ein offenbarer Betrug. Mit Angst und Schrecken erwarte ich Deinen ersten Brief. Du hast etwas Böses zu bekämpfen, sollst niemandem weh thun am wenigsten Tante und Onkel und da wir alle hitzige Köpfe haben und einen gewissen Stolz Gottlob besitzen, so fürcht ich sehr mit mir wird sichs mehr verschlimmern. | Seit dieser einfältigen Geschichte kann ich die Nächte nicht schlafen den Tag nicht ruhen  ; ich bin in aufgeregtester Stimmung. Von der andern Seite zeigen sich mir so freundliche Aussichten daß ich denke wenn ich Zeit gewinne so fügt sich’s nach aller Wünsche so vortrefflich als wir es nie machen können.  – Aus Augsburg, nämlich die Tochter des Doctor Girl (vgl. Abb. 14) soll nicht Bernhardts sondern meine Schülerin werden. Meine letzten Bilder dort sollen viel Lärm machen, kommt es wirklich dazu so nehmen wir zwei Zimmer und wir schützen uns gegenseitig was die Sittlichkeit betrifft.474 Wenn überhaupt die Rede von einer Unschicklichkeit im Alleinsein als Künstlerin hier, ich sage  : hier, sein kann. In Dorpat und in ganz Rußland lasse ich’s mir gefallen, da wäre ich selbst dagegen, aber mache auch keine höheren Ansprüche auf irgend eine An474 Zu dieser Zeit suchte Vater Girl für die ambitionierteste seiner Töchter, Helisena, eine Ausbildungsmöglichkeit in München, so entstand in dieser Situation die für beide Frauen vorteilhafte Idee einer Ateliergemeinschaft, möglicherweise durch Moritz Rugendas. Warum es letztlich nicht zur Umsetzung kam, ist nicht bekannt. Helisena Girl reiste im Oktober 1850 mit ihrer Mutter nach München und hatte dort einen anderen Lehrer gefunden, den in Augsburg gut bekannten Genremaler Gisbert Flüggen. Damit ist auch dokumentiert, dass zu dieser Zeit Joseph Bernhardt nicht mehr der einzige Maler Münchens war, der Damen in sein Atelier als Schülerinnen aufnahm. Allerdings sind für Flüggen zwar mehrere Malerinnen als Schülerinnen nachweisbar, jedoch betrieb er keine größere Schule, wie sie Bernhardt bis in die 1860er Jahre hinein unterhielt. Vgl. https://www.gisbertflueggen.de/ (aufgerufen am 16.8.2018).

532 | Die Briefe erkennung, Namen, Ruf etc. – Zweitens hat sich wieder eine junge Frau gemeldet welche ich porträtieren sollte, da es den Augenblick nicht sein konnte, so wird es geschehen sobald ich wieder zurück bin von der Reise. – Ich wollte ich dürfte hier bleiben und wie eine Rasende arbeiten, ohne Ende arbeiten, ich fühle mich ja doch sonst nicht wohl. Sobald dieser Brief ankommt so bitte ich gleich zu antworten damit ich neben den, wol sehr aufgeregten Briefe noch einen späteren in ruhiger Stimmung geschrieben finde | länger als 3 Wochen werden wir nicht fort bleiben da kann wol ein Brief wieder da sein. In diesen letzten Tagen habe ich am Fruchtkorb fort gemalt. Leider sind noch keine schönen Trauben zu haben welche übrigens nie schön in München vor kommen, entweder unreif oder zu Brei zerklopft kommen sie aus Südtyrol an. – Die Luft ist des Morgens und des Abends schon außerordentlich kalt, der Wind weht über die Stoppeln  ! – d  : 5 Donnerstag. Sehr confus eile ich umher und kann nicht klug werden wie ich meine Sachen fertig bringe. Heute erklärte der Onkel daß morgen gereist werden soll. Noch ist nichts gepackt, noch nicht entschieden wie die Bilder gehen sollen. Die Carus hat nicht bestimmt versprochen, also riskire ich sie wieder zurük zu bekommen. Sende ich sie mit der Post so werden sie in Riga geöffnet werden müssen und ich müßte sie dem Schirren wieder senden, und weiß nicht ein Mal ob er in Riga ist, ich hoffe es aber. Dann habe ich gestern einen geringen Schrecken gehabt die Bilder aus Augsburg kamen zurück gerollt, wie ich sie verlangte und da sich das Papier angelegt hatte wusch ich mit einem Schwam und fand bald daß die Lasuren mit fort gingen. Das kann nun freilich allen Bildern passiren, da sie alle noch frisch sind. Namentlich | hat der Ungare gelitten und ist doch nur einen Tag gerollt gewesen.475 Ich sehe schon wie die Arbeiten alle ganz ruinirt an kommen und bitte daher recht vorsichtig zu säubern, besonders nicht mit Seife sie abzu waschen und nicht sie zu trocknen d. h. mit Tüchern zu wischen sondern nur mit einem recht feinen Tuche abzudecken. Ich habe gestern bemerkt daß die Lasurfarben sich abrollen in Folge des Wischens. – Das Verzeichnis will ich hier hin schreiben bis mir ein fällt was ich noch schreiben könnte. 1) Tante 2) Onkels Portrait 3) Rugendas Portrait (vgl. Farbabb. 11) 4) Der blaue Domino 5) Der Negoer  ? 6) Die kleine Seyboldt (Nichte Steub’s) 475 Mit dieser Aussage steht fest, dass das Bildnis der Laura Seyboldt und der Ungar im August 1850 im Augsburger Kunstverein ausgestellt gewesen waren (vgl. Julies Aussage vom 10.8.1850, dass sie zwei Bilder auf die Ausstellung geben wolle). Beider Verbleib ist unbekannt.

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7) Das schöne Profiel im weißen Beduinen Mantel 8) Abermal Profil, Bäuerin durch den Wald ziehend 9) Drittes Profil Muse ohne bestimmten Namen 10) Ein Mädchen im Hemde 11) Eine alte Schwäbin 12) Der Ungar 13) Vier Kinder Köpfe, Studien 14) Mein eigen Portrait Copie nach meiner Kleinen (Marie Berger-Lattner). Dann 4 Scizzen von Rugendas und das Bildchen welches ich zu Weihnachten von der Kleinen erhielt. Von mir 3 Pausen von den noch nicht fertigen Bildern um Dir eine Idee von ihnen zu geben.  – Endlich von Etzdorf zwei Kohlezeichnungen, das eine Tyrolerfelsenpartie, das andere eine Schwedische Landschaft,476  – Sie kosten weit mehr als Du wünschtest aber ich kann mich nicht entschließen zu billigeren Preisen welche | auszusuchen. So wie mir das Beste lieber ist als das weniger Gute so glaubte ich daß es auch Dir recht sey. Eines von diesen mache ich Dir daher zum Present. Ich habe ja jetzt Geld verdient. Da Du nun wol auch wissen wirst wollen wie theuer sie sind so höre es denn  : 60 Gulden beide zu samm. – Ich hoffe Du wirst zufrieden sein, so auch mit den Landschaften meines genialen Freundes und Lehrers. Also erhälst Du 23 Blätter in Allem. Eine von den kleinen Studien Köpfen gehört meinem freundlichen Freunde Hartmann. Er muß sich eines aussuchen. Anfangs wollte ich ihm mein Portrait geben allein man könnte etwas Absicht oder sonst was drin suchen. Aber er muß sich selbst das jenige von den kleinen Köpfen nehmen welches ihm am besten gefällt. Ich werde ihm das übrigens selbst schreiben. Ich habe die Sache hin und her erwogen und gefunden das es am Sichersten ist die Kiste nach Riga an Schirren zu senden und der Carus bloß die Ölfarben zum Mitnehmen zu schicken was sie mir denn doch nicht abschlagen wird und kann. Sendet sie die Bilder falls sie sie nicht selbst mit nehmen kann fort so riskire ich daß die | Kiste in Riga geöffnet wird ohne wieder gut verpackt zu werden, deshalb ergreife ich lieber das Gewiße statt dem Ungewißen. Ich schreibe noch heute Nacht an Schirren und der Carus. Dann mag Gott weiter helfen  ! Das kleine beifolgende Gedicht ist ein neuer Beweis der warmen Gesinnung der Familie Diss. Ich war dort und nahm Abschied vergaß mein Etui mit Bleistiften welches mir dann nebst diesem Gruß bald gesendet wurde. d  : 6 Sept. Doch ist es morgen daß wir München verlassen, ich bin sehr froh darum. Die Bilder sind gepackt und zur Spedition nach Riga an Schirren 476 Julie Hagen hatte auf Geheiß des Vaters zwei Zeichnungen von Christian Etzdorf gekauft, wo sie verblieben sind, ist heute nicht mehr bekannt.

534 | Die Briefe adres­siert, abgegeben Gott gebe daß sie gut ankommen  ! Dem Schirren magst Du schreiben ob er sie ausstellen soll oder nicht oder ob er die Bilder ungesehen Euch senden soll. – Ein Kistchen mit Ölfarben für 20 Gulden sende ich der Carus nach Leipzig und somit wäre ich dann fertig. Meine letzte Bitte sey so gut lieber Vater und schreibe doch gleich nach diesem Brief damit wir einen zweiten von Dir vorfinden | sobald wir heim kommen was in drei Wochen der Fall sein wird. – Bitte  ! Bitte  ! Lieber Vater schreibe der Tante ja freundlich denn für diese unglückliche Eigenschaft der Eifersucht kann sie ja nichts und ich möchte um alles in der Welt nicht daß wir einst in Verdruß scheiden, sie haben für mich zu viel gethan so viel daß ich’s ihnen nie vergelten kann. Es wird sich alles besser gestallten als Du glaubst, sey ohne Sorgen, ich muß als Künstlerin mir einen Weg bahnen und ich hoffe meiner Familie keine Schande zu machen. Grüße an alle Bekannten Mutter und Geschwister umarme ich zärtlich. – Wenn dieser Brief an kommt befinden wir uns vielleicht in Venedig oder sonst in einem Winkel des köstlichen Italiens, leb recht wohl mein lieber guter Vater, verzeihe mir wenn ich heftig gewesen aber ich bin meines Vaters Kind und ich kann nichts dafür daß meine Natur so und nicht anders ist. Lebt alle wohl  ! Eure Julie d  : 5 Sept 1850. Ein Mädchen zum Fressen Hat den Bleistift vergessen Eilet nach wie der Wind Zum talentvollen Kind  ! Den Einen ergreif ich – Mit ihm geschwind schreib ich, Mein letztes – Adje  ! Das Scheiden thut weh  ! Herrn Onkel, Frau Tante Zu grüßen bitt’ ich Im südlichen Lande Denkt heiter an mich  ! Und seht Ihr ein Weibchen Ein Münchener Kind – Ihr kennt wohl mein Täubchen O  ! grüßt mir’s geschwind

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Kehrt heiter nach Hause Vom Ausflug zurück Zum duftenden Strauße, Blüh der Erinnerung Glück  ! G Diss

Julie Hagen an ihre Tante Ottilie von Paumgarten in München, September 1850 Liebe Tante  ! Beide befinden wir uns in höchst aufgeregter Stimmung und in solcher ist es besser ich spreche mich schriftlich aus als mündlich, denn durch das leicht Erregtsein werden wir uns nie verständigen. Es ist mir recht leid daß es so ist aber ich kann nichts dafür, es mag an meiner Erziehung liegen. Daß Du es mit mir gut meinst das habe ich lang erfahren durch die unerschöpflichen Beweise Eurer Güte und wäre ich ein Mädchen in den hiesigen abgeschlossenen Verhältnissen groß erzogen dann thätest Du recht, ein Alleinsein während der Stunde der Arbeit mir zu versagen, dann aber hätten meine Aeltern gewiß keine Künstlerin aus mir gemacht und es wäre in der Ordnung so. – Da ich aber nun das Glück habe durch Eure große außergewöhnliche Güte zur Künstlerin gebildet zu sein und als solche anerkannt zu werden und die höchsten Achtungsbezeugungen statt des Gegentheils genieße, warum jetzt mit einem Male mich wie ein unmündlig dummes leichtfertiges | Mädchen behandeln, welches unter Aufsicht genommen werden muß da ich noch keinen Grund zu Befürchtungen mancherlei Art gab. Ich zweifle sehr daß eine wohlerzogene Seele je eine Unanständigkeit von mir wahrgenommen noch zweifle ich dass man überhaupt in moralischer Hinsicht mir was Böses nachsagen kann. Und wer das Arbeiten außerhalb des Hauses als unanständig erachtet der trägt selbst ein schmutziges Gefühl in sich und ist nicht im Stande eine Künstlerseele zu begreifen. Und nehme ich an es wäre dann wirklich gegen alle Begriffe des Anstandes wie kommt es dann dass ich von achtungswerthen, in jeder Beziehung anständigen Damen Besuch erhalte  ? Von den Herren will ich gar nicht reden, die kämen lieber so bald ich leichtsinnig wäre. Und diesen Besuch, was eines jeden Künstlers größter Wunsch sein muß, verdanke ich lediglich nur meinem Lehrer | Rugendas, der nicht nur als Lehrer seine Pflicht thut, sondern nebenbei mein Talent der Welt bekannt zu machen strebt. Bernhardt – wie Du weißt, thut keinen Schritt mehr als seinen Besuch täglich und war es dort nun so anständiger zu arbeiten, als hier  ? – Der Künstler gehört der Welt an  ; will er leben, muß er eine öffentliche Person werden und in Mün-

536 | Die Briefe chen ist er der Tonangeber. Was hat München zur berühmten Stadt Deutschlands anders gemacht als die Künstler. All den Besuch werde ich nicht haben da die Entfernung von Rugendas Wohnung bis in den englischen Garten zu groß ist als daß er zu jeder Stunde seine fortgehenden Besuche zu mir hinunter führen könnte. Ich werde also wieder ein Dilettantenleben führen, nicht weil, wie Du gestern fragtest  : »Ist unser Haus verrufen  !« nein, nicht deshalb, sondern weil es zu weit entfernt ist. Ich bin | bekannter in einem halben Jahre geworden als manch armer Künstler in ein paar Jahren nicht, dieses Bekanntwerden hat die natürliche Folge zu Portraitbestellungen wozu ja der Anfang gemacht ist und das ist ja das was ich mir zur Bedingung machte als ich meine Reise in die Heimath, auf Vaters Bitte an Euch mich noch länger hier zu behalten, aufschob. Ich sagte damals  : »Erschließt sich mir keine Hoffnung bis zum Herbst durch Portraitmalen mir das nöthige selbst zu erwerben, dann gehe ich« – Du erinnerst Dich gewiß dessen  ? – Du klagtest Sonntag erst noch dass sowol ich als der Vater von Wohlthaten spräche und Dich damit kränkt und jetzt, siehst Du wohl, als Künstlerin verlangte ich einen Augenblick mehr als Ihr thatet, ich sage  : als Künstlerin, als Mädchen habe ich zu viel all zu viel genossen von Euch  ! | Aber diese vielen Worte sind eigentlich unnütz, ich wünschte Dir bloß zu sagen, daß ich Deinem und des Onkels Willen folgen werde und immer dankbar sein für die Opfer die Ihr mir bringt, nie kann und werde ich vergessen was ich Euch schulde  ! Nur um Eines bitte ich Euch, nämlich meine angefangenen Arbeiten in diesem Lichte zur Vollendung kommen zu lassen, dann werde ich gern den Winter unten arbeiten. Dasselbe habe ich auch meinem Vater geschrieben. Diese Bitte, sollte sie Euch nicht angenehm sein, dann habt Ihr wohl die Güte mir’s zu sagen. Mit großer Dankbarkeit die ewig dauern wird bin ich Eure Nichte Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 2.10.1850 d  : 2 October 1850. Meine lieben guten Eltern  ! Gestern mit dem Beginn des bösen Herbstmonat’s sind wir um 11 Uhr des Abend’s angekommen. Eure Briefe begrüßten mich welche mich vor 2 Uhr nicht ins Bett ließen, und erst als der Tag anfing zu grauen fand ich einen kurzen Schlummer. Es regnet und ist kalt, der Herbst  ! der Herbst  ! Wie thut der graue Himmel die halb entblätterten Bäume und die eisige Luft weh nach der italienischen köstlichen Natur. O die goldenen Tage, sie kommen nicht mehr wieder  ! – Alle diese trüben Eindrücke obgleich ich sie erwartet und ich mich sehr darauf vorbereitet haben eine Stimmung in mir hervorgerufen, die ich mit Mühe verberge, ich wünsche nichts als nach Italien zu gehen, Rom  ! ja nach Rom

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zieht es mich gewaltig hin.  – Auch zu Euch möchte ich um wenigstens mich als die alte Julie, welche vor 4 Jahren von Euch ging zu presentiren, die gewiß nicht schlechter geworden, wenn eben auch nicht besser. Ich weiß nicht, warum nun heute der Gedanke, daß ich außer der weiblichen Sphäre mich bewege, also Künstlerin bin so entsetzlich erscheint, daß ich fortwährend Thränen in meinen Augen fühle. Es sind wol Deine Briefe daran schuld, mit all den Befürchtungen und Wünschen. Ich möchte diese Angelegenheit bis auf später versparen da ich noch weder mit mir jetzt, noch mit den Verwandten im Reinen bin. Nur wollte ich Euch sagen daß ich entsetzlich traurig bin damit ich Entschuldigung finde wenn ich weniger heiter meine Reise zu erzählen beginne, als ich möchte und auch wollte.  – Leider wird sie das Jahr nicht sehr ausführlich werden da ich wenig oder gar nichts notirt habe, sondern mich auf mein Gedächt|niß zu verlassen gezwungen war da ich fast immer mit der Tante ein Zimmer theilte und nicht länger als sie aufbleiben wollte um nicht durch das Licht sie im Schlafen zu stören, weshalb das war werde ich später erklären. d  : 7 Sept. 50 also um 11 Uhr morgens reisten wir ab mit der Eisenbahn nach Augsburg und weiter bis Kaufbeyern,477 dann mit Stellwagen nach Füßen wo selbst wir um Mitternacht ankamen, ich mit häftiges Zahnweh. Als wir aus dem Wagen stiegen klagte ich darüber und wie ich ihn verlassen, im selben Augenblick war der Schmerz spurlos verschwunden, denn ich fiel nämlich aus dem Wagen und der Schreck hatte das etwas regsame Blut ins Stocken gebracht. – Mit dieser selben Gelegenheit reiste ein junger Mann aus Berlin, (sein Vater ist Italiener, Bildhauer daselbst) Namens Alessandro Gilli478 (ausgesprochen Dschilli) welcher von der preusischen Regierung zur weiteren Ausbildung in der Sculptur nach Rom gesandt wird. Mit diesem machten wir tags darauf die Partie nach Hohenschwangau, trotz der Kälte, Regen und Unwetter. Es war der Namenstag der Königin, die hohen Herrschaften konnten nicht wie beabsichtigt war eine 477 Kaufbeuren. 478 Carl Alexander Wilhelm Gilli (1823–1880) war der Sohn des Italieners Ceccardo Gilli (1798– 1862), der mit Tieck 1819 aus Carrara nach Berlin in die Rauch-Werkstatt kam. Alexander studierte ab 1839 an der Berliner Kunstakademie Bildhauerei, war ab 1842 Schüler von Christian Daniel Rauch (1777–1857) und Christian Friedrich Tieck (1776–1851) und erhielt 1850 das Rom-Stipendium. Bis 1855 war er überwiegend in Rom ansässig, danach lebte und arbeitete er vor allem in Berlin. Ab 1868 war Gilli Hofbildhauer des Prinzen Carl von Preußen (1801–1883). Es gibt nur wenige erhaltene Werke von ihm. Zu den in Rom entstandenen Entwürfen gehört der Schlangentöter, der in einer Ausführung von 1874 erhalten ist (Marmor, Höhe  : 83 cm, bez.: A. Gilli. 1874, Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück, Dauerleihgabe der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Alte Nationalgalerie, Inv.-Nr. NG B 5205  ; vgl. Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914, hrsg. von Peter Bloch, Sybille Einholz, Jutta von Simson, Ausst.-Kat. (Hamburger Bahnhof, Berlin), Berlin 1990, S. 111. Zu Alexander Gilli allgemein vgl. Nehls, 1988.

538 | Die Briefe Gebirgspartie machen daher auch uns der Zutritt ins Schloß verweigert wurde. Um 11 Uhr wurde es etwas heller, es regnete wenigstens nicht und wir wagten es einen Berg zu besteigen um bis auf die sogenannte Jugend zu gelangen von wo aus uns ein Überblick von Hohenschwangau mit seinen Senen [sic] und Hügeln wurde. – Den selben Tag fuhren wir noch nach Reuthi,479 bedauerten nicht den Wasserfall besuchen zu können denn es schneite | so arg, wie es bloß im Winter zu thun pflegt. Der Abend indessen verging so ziemlich fröhlich und heiter in der Wirthsstube. Den Morgen darauf, in aller Früh fuhren wir weiter, es war ein halb Fuß hoher Schnee über Nacht gefallen, alle Berge in einem dicken Schleier gehüllt daß man kaum ahnte daß man zwischen hohen Bergen sich befand, den ganzen Vormittag fiel der Schnee in großen schweren Flocken aber wir waren sehr munter, vielleicht im Vorgefühl daß es bald wieder schön würde. Zu Mittag hatten wir auch wirklich das schönste Wetter. Gilli und ich durften im Kabriolett sitzen da wir in das Obere Inthal gelangten, die prachtvollsten, vollendetsten Bilder, bei himmlischer Beleuchtung wechselten mit jeder Minute bis Landeck wo wir den Abend blieben. Wir jauchzten vor Vergnügen, hatten nicht Worte kaum Athem genug um unsere Wonne zu erkennen zu geben. In Landeck gingen wir noch etwas spazieren, bestiegen eine Burg die hoch am Berge liegt und jetzt zu einer vollständigen Kaserne umgewandelt worden ist. Auf diesem Spaziergang fanden wir daß Landeck zu den schönst gelegenen Gebirgsstädtchen gehört, ein hübsches bewegtes munteres Wasser rauscht mitten durch, hübsche Häuser, alte schöne Mauern namentlich besitzt es. – d  : 10 Sept. aus Landeck um 5 Uhr morgens bei eisig schneidender Kälte, doch spiegel reinem, heiterem Himmel. Mit Mühe hatten wir die beiden Plätze im Kabriolett bekommen. Die Thäler fingen bald an in den lieblichsten Farben bei der aufgehenden Sonne zu erglühen, die schneebedeckten Spitzen vermehrten unendlich den Reiz. | Die pitoresken Formen und die schöne Vegetation ließen keinen Moment mich ruhen, ich wünschte bloß jemand bei mir zu haben den ich in meinem Wonnegefühl umarmen und zerdrücken hätte können. An Dich mein lieber Vater dachte ich so oft, ach so unendlich oft denn diese Bilder, so vollständig mit allem was der Künstler sich wünschen kann sieht man so leicht nicht wieder. Ich schwelgte wahrhaft und ich fühlte wol daß ich einen glückseeligen Tag verlebt, nachdem wir die Finstermünz passiert und auf die Malser Heide kamen erblickten wir plötzlich die Ortelerspitze.480 Durch dieses Bild wurde am Nachtisch unserem Glücke die Krone aufgesetzt. Diese herrliche Gebirgsspitze mit der ganzen Kette hatten wir wol noch zwei Stunden vor uns und so rein und klar wie 479 Gemeint ist Reutte in Österreich. 480 Der Ortler ist der höchste Gipfel der zwischen Bormio und Bozen gelegenen Ortlergruppe.

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sie nur selten gesehen werden kann. Nie kann und werde ich den bezaubernden Anblick dieser Gletscherkette vergessen er ist gar nicht zu vergleichen und der Tag gehört unstreitig zu den glücklichsten Tagen meines Lebens. Auch durfte ich nicht allein genießen, eine gleichgestimmte empfängliche Künstlerseele fand ich in Gilli, der nicht selten Thränen der Wonne in seinen Augen sehen ließ. Ach hätte ich Euch da haben können  ! Die Luft war hier aber schon recht rauh und unfreundlich d. h. als die Sonne unter gegangen war fühlte ich’s sehr bedeutend in der Nähe der Gletscher zu sein. – | d  : 11 Sept. von Mals mußten wir Extrapost nehmen um über das Wormserjoch nach Bormeo481 zu gelangen. Gilli welcher anfänglich eine andere Ruthe nach Mailand machen wollte bereute nicht von Tante und Onkel sich bereden lassen zu haben, mit uns diese Tour zu machen, und uns wurde durch seine Gewandheit, regen Schönheitssinn und sonst großer Liebenswürdigkeit, die Reise sehr angenehm und später in Italien durch seine Sprachkenntniß sehr erleichtert, ich muß ihn daher zu uns rechnen denn allmählich sahen wir ihn als Theil unseres Kreises an. Er also ging zu Fuß einige Stunden früher fort, erwartete uns in der zweiten Post woselbst wir zusammen vergnügt frühstückten darauf ging er wieder fort und wir fuhren nach, verloren ihn aber bald, da er durch kürzere Fußsteige den Fahrweg abzuschneiden wusste. Der Berg ist wundersam durch seine Straße geworden. 3 Posten gehen bis hinauf. Hatten wir den Tag vorher der Natur uns ganz hingegeben so mußten wir hier der Baukunst mit eben so viel Wärme auch ein Auge zu wenden. Es ist kaum zu begreifen mit welcher Hartnäckigkeit man hier die Straße durchgeführt und wie sicher und solid gebaut überhaupt hat Österreich im Straßenbau Unglaubliches geleistet. Gegen Mittag hatten wir einen Gletscher unter uns. Alle Vegetation hörte allmählich auf und oben auf der Ferdmans Höhe war es so kalt daß uns die Zähne klapperten, allenthalben sah man lange Eiszapfen hängen und der schneidende Wind brachte Schnee vom | Himmel. Nichts als Moos bedeckte die Felsspitze die sich in einen Craterähnlichen Rundkreis auftürmten es sah schauerlich droben aus, es sauste und tobte wild durcheinander. Eine Stunde abwärts langten wir an die Post St. Moritz, wo Gilli abermals auf uns wartete. Im Kamin war Feuer angemacht, aber durch Fenster und Thüren zog der Wind hinein ohne Unterlaß. Die Leute sahen alle so kalt und scheu aus daß mir war als wären wir in eine Mördergrube gerathen, und mir war wohl als wir wieder im Wagen saßen und den Berg hin unter fuhren bis Bormeo wo wir blieben, schon hier ist alles auf italienischem Fuß, sowol Sprache als häusliche Einrichtung. Durchaus männliche Bedienung, viel Schmutz und Unsauberkeit, die von Ort zu Ort von hier ab zu nimmt und einen unglaublichen Grad erreicht. – Den andern Morgen gingen wir weiter und erreichten spät in 481 Bormio.

540 | Die Briefe der Nacht den Komosee, der Tag war köstlich, uns beiden Künstlern war wieder die Aussicht im Kabriolett gewährt und wir genossen sie auch in vollen Zügen. Die lieblichsten und interessantesten Bilder gruppirten sich jeden Augenblick vor unseren Augen. Namentlich sah man häufig Morillo’s482 in den naschenden Kindern oder Ungezifer suchenden Weibern etc. mehr. So schmutzig und arm die Menschen auch hier gekleidet sind so wol that es unserm Auge | denn es lag an der Art und Weise wie sie sich tragen immer ein stolzes Bewusstsein darin daß sie zum schönen Volk gehören, jeder Schritt und Tritt, jede Bewegung eines solchen schwarzäugigen Jungen hatte etwas was den Künstler zur Schwärmerei auffordert, und was ein natürlicher Adel bloß erzeugt, nicht ist es möglich es zu erlernen. Die Luft ist außerordentlich mild und die Sonne heiß, der Wein wächst allenthalben. Lange Laubengänge ziehen sich der Poststraße entlang hin und die Weinberge ließen sich hier gerne ansehen, die Reben ranken frei umher  ; nicht wie am Rhein wird jede Ranke am Spalier mühsam heran gezogen. Der scharfeckige Naturfelsen zeigt sich unpolirt und wird schön und frei durch die frischen üppigen Ranken bekleidet. Auf dem Komosee hatte ich wie am Ende alle Tage die verschiedenartigsten und größten Eindrücke die wirklich nicht zu beschreiben sind, ich fühlte damals und noch heute, bloß ohne mit Worten zu sagen, wie. Der Himmel war uns auf unserer ganzen Reise so auch auf dieser Seefahr{t} günstig. Tausend und aber tausend Schlösser und Villen von ungewöhnlichem Reich­thum reihen sich an den Ufern des feierlich in dunkelgrüner Farbe glänzendem See’s. Cipressen, Lorrbeer, Wein und Myrthen machen die Hauptvegetation aus. Auf der Villa Belladigo machten wir halt und wanderten in allen Hängen oder Felshöhen um her um die kostbarsten Aussichten auf den See und seinen reichen | Ufern uns zu verschaffen. Nachdem wir gegessen hatten ließen wir uns in einer Gondel nach der Villa Sommariva fahren um das schönste Werk des Meister Canova  : »Amor und Psyche«483 zu sehen. Ich weiß nicht ob ich’s gestehen darf ohne mißverstanden zu werden daß ich bei diesem Werke recht empfunden habe, welcher Himmel in einem Kuße liegt. Das Schloß besitzt sonst noch sehr schöne Sachen von Canova und Gemälde aus der französischen Schule, die mich kalt vorüber gehen ließen, Mein Auge war todt nach diesem Werke. Von 482 Hier spielt sie auf die pittoresken Straßenszenen des spanischen Malers Bartolomé Esteban Murillo an. Murillos »Kinder« zeigen, bei aller Armut und Entbehrung, eine Schönheit des einfachen Lebens, die den Kostümbildern der Deutschrömer nicht unähnlich ist. 483 Antonio Canovas (1757–1822) marmornes Original befindet sich im Louvre in Paris. Die Plastik entstand zwischen 1787 und 1793. Eine zweite Fassung gab Prinz Nikolai Borisowitsch Jusupov in Auftrag (entstanden 1794 bis 1796), diese befindet sich heute in der St. Petersburger Eremitage. Die vom Grafen Sommariva 1819 in Auftrag gegebene Fassung ist eine Kopie nach dem Originalgips, die nicht von Canova selbst ausgeführt wurde. Sie befindet sich – damals wie heute – in der Villa Carlotta am Comer See, die heute als Museum genutzt wird.

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hier aus erwarteten wir nun wieder das Dampfboot und kamen am Abend spät in Mailand an, es war am 14ten Sept. – Der Dom war das erste was wir suchten und gewiß ist es auch das jenige Werk das zu den herrlichsten der Art gehört, welches mein Auge je gesehen, Was ist der Kölner Dom dagegen gegen diesen grandio­ sen Marmorpallast mit dem Wald von den zierlichsten und reich geschmückten Thürmen und Thürmchen auf dem Dache. Der ganze Tag war hier vergangen, von oben vom Thurm hatten wir eine schöne weite Fernsicht, die Stadt ist sehr groß und zum ersten Male fand ich die Ansicht der Stadt aus einer solchen Höhe schön. Die Dächer von Mailand, und die von Salzburg lassen sich gerne sehen, am Abend gingen wir auf dem Corso spazieren fanden aber nicht so viel Leben als | wie wir erwartet. Die Stadt ist seit der Revolution todt  !484 Unser Freund und Reisegefährte Gilli hatte einen Freund hier Professor Katschatorie, Bildhauer dessen Sohn führte uns so lang wir in Mailand waren allenthalben um her.485 Am 15 Sept. Es war Sonntag und die Eröffnung der Kunstausstellung. Durch unseren Begleiter konnten wir schon um 7 Uhr am Morgen in die Gallerie wo wir neben den neuen Bildern zugleich die alten sehen konnten. Hier blieben wir bis ½ 12 Uhr und eilten dann in den Dom zur Messe. Diese Stunde vergesse ich mein Lebtag nicht, ein Gefühl bewegte während des Gesanges meine Brust welches ich um alles in der Welt nicht mehr hergeben möchte. So mannigfaltiges traf im Augenblick zusamm daß meine Seele unbeschreiblich weich machte und ich fühlte deutlich wie das höchste Glück in Thränen liegt. Nachdem das Amt vorüber war ging es zurück in die Academie oder Gallerie. Manch schönes Bild so wol alt als neu. Eine wunderbar schöne Landschaft von Calami.486 Dann ganz köstliche Portrait’s von Prozzi487 und viele andere Sachen die mich entzückten, schlechte, sehr schlechte Sachen fand man doch aber auch und so gar eine Menge Sculpturen aus Marmor in großer Menge und so schön wie sie Schwanthaler noch nicht gemacht. Die Italiener leisten viel doch es wird ihnen auch leicht gemacht, die Natur ist so reich, der Maler namentlich braucht nicht zu suchen, er hat bloß 484 Gemeint ist der erste Italienische Unabhängigkeitskrieg 1848/49. 485 Wohl einer der Bildhauer Benedetto oder Candido Cacciatori, beide waren Söhne des Bildhauers Ludovico Cacciatori (gestorben 1854). Benedetto war bis 1860 auch Professor an der Mailänder Akademie. Sein Bruder und sein Vater halfen ihm bei der Ausführung seiner zahlreich in Mailand erhaltenen Plastiken. Die Bildhauerfamilie Cacciatori stammte aus Carrara wie Alexander Gillis Vater Ceccardo. 486 Der Schweizer Maler Alexandre Calame (1810–1864), der mit seinen atmosphärisch dichten, dramatischen Alpenlandschaften großes Aufsehen in Paris und Berlin erregte. Seine Arbeiten zeichnen sich durch große Naturnähe aus. Sein Werk ist heute über ganz Europa und US-Amerika verstreut. 487 Vielleicht Domenico Pozzi (1745–1796), der Historien- und Porträtmaler war und zu der aus dem Tessin stammenden Künstlerfamilie Pozzi gehörte.

542 | Die Briefe abzuschreiben und hat | er das verstanden dann sieht er gewiß auch ein Meisterwerk auf seiner Staffelei stehen. Um 5 Uhr speisten wir zu Mittag und dann gingen wir auf das schöne Thor  : »Arko della Pace« zu sehen. Wir stiegen auch hinauf und hatten die Freude die Sonne untergehen zu sehen, es war ein köstlicher Himmel  ! Er ist hier blauer als in München, weit blauer  ! ist eben Italien, das goldene Italien  !  !  ! – Der Haß der Mailänder gegen alles was deutsch heißt ist großartig und tief. Ich kann es wol begreifen  ! Auf der Straße sieht man bloß schwarz gekleidete Damen, bunte Farben tragen bloß die Fremden. Hunderte von Paläste und Häuser der Reichen sind zu Kasernen umgewandelt und traurig von den Soldaten mitgenommen. Am Montage führte uns der junge Katschatorie noch in viele Kirchen und am Abend schon verließen wir Mailand. Unser Freund Gilli wollte nun von hier aus nach Genua und sofort nach Rom gehen und wir nach Venedig – also hier sollten wir uns trennen  ! Dieser Gedanke war dem Onkel und der Tante fast unerträglicher kurz es kam dazu daß er, wenn gleich mit schwerem Herzen, das Anerbieten mit uns zu reisen, auf Onkels Kosten an nahm. Bis es dazu kam gab es höchst rührende Scenen zwischen uns, kurz wir hatten einander sehr lieb gewonnen. – | d  : 17 Sept. Am Gardasee. Die Nacht im Eilwagen durchfahren fürchterlichen Staub geschluckt bei Mondschein. In Escenzano488 um 6 Uhr Morgens steif angekommen und bis 2 Uhr das Dampfschiff erwartet. – Der Gardasee ist schön allein lang nicht so schön wie der Komosee. Die Ufer sind zwar auch reich bebaut, aber hält trotz Oliven und Orangen keinen Vergleich mit denen des Komosee’s aus, es fehlt ihm der unendlich Liebreiz. – Am 18 kamen wir nach Verona, blieben 1 1/2 Tage hier. Das Amphytheater hat uns alle in unseren Erwartungen weit übertroffen. Wir gingen erst bei hellem Mondschein hin ein, und hinauf und waren äußerst sehr glücklich und zufrieden. Sonst ist wenig mehr zu sehen, eben so in Padua wo wir um 4 Stunden uns herumtummelten. Beide Städte, besonders letztere trägt das Gepräge von unendlichem Alter, die Kirchen hatten uns sehr ermüdet, die Unzahl alter Gemälde drückten mich förmlich nieder, Weder diese noch die Gebäude selbst hatten für mich etwas wirklich Erhabenes nach dem der Mailänder Dom sich tief in meiner Seele gegraben. – In Venedig kamen wir Abends an. Die Bahn auf den Lagunen hatte schon unsere, etwas schlaff gewordenen Nerven empor gerissen und immer frischer wurden sie als wir erst durch den Canal Grande bei hell glänzendem Mondschein fuhren, wir alle wurden vom wunder ährlichsten Eindruck überwälltigt. Der Mond goß über diese, sonst schon wundersame Stadt einen ganz fähenhaften Zauber aus. Die Gondel außerordentlich | lang und schlank gebaut, brachte uns durch weite dann enge dunkle 488 Vermutlich Desenzano am Gardasee.

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finstere Kanäle durch die Seufzerbrücke des Dogenpallastes an den Markusplatz. Gaslampen und Mondlicht wetteiferten in gleichem Maaße unseren Augen gefällig zu werden. Ein lautes  : Ach löste sich von unserer Brust los. Der Platz hat die Form eines Winkelfadens und ist von Arkaden mit Kaffeehäusern Kaufläden und Prachtgebäuden eingeschlossen und ist wie die ganze übrige Stadt mit Marmorquadern belegt.  – Es wimmelte von Spaziergängern. Unsere erste Sorge war unser Gepäck in ein Gasthaus unter zu bringen und dann ging es wieder fort über den Platz an das Wasser, welches tausend Lichter in sich aufnahm und in weiten Verlängerungen wiederspiegelte. Das Plätschern der taktmäßigen Ruderschläge der Gondelführer trug wirklich Musik in sich. Wir schwelgten in dieser harmonischen Fülle und ich erntete den andern Tag von allen Dank ein daß ich darauf gedrungen den Abend in Venedig anzukommen. Im Deutinger hatte ich gelesen daß der Eindruck ein unvergesslicher ist bei Mondschein Venedig zum ersten Mal zu sehen. Es ist auch wirklich so. Den andern Tag bei Sonnenschein waren wir verwundert das zauberhafte Bild nicht mehr vor uns zu haben es war eben alles schärfer gezeichnet und diese Prosa der italienische Schmutz war deutlich und häufig anzutreffen. | Die Museen in den Italienischen Städten sind meist nur von Werken der venetianischen Schule vertreten. Von Tizian nur Maria Himmelfahrt gewiß eines seiner schönsten Bilder. Dann von Paul Veronese  : ein Festessen Christi im Hause des reichen Juden Lewi und von Palma  :489 Christus die kranken Frauen heilend, sind die drei welche von allen mich entzückten und wie sie nicht leicht eine zweite Gallerie haben wird. Der Nachtisch wurde verwendet den Markusthurm zu besteigen. Man sieht nicht wie ich hoffte in die kleineren Kanäle der Stadt, die Häuser sind zu hoch, die Straßen zu schmal dazu. Die Abende haben wir immer auf dem Markusplatz zugebracht oder sind in einer Gondel spazieren gefahren. Am Sonntag d  : 28 sind wir viel umher gelaufen, in der Kirche St. Maria Gloriosa haben wir über das Grab Canova’s gesehen,490 das von ihm selbst für 489 Jacopo Negretti d. Ä., genannt Palma il Vecchio (um 1480–1528), Christus und die kanaanäische Frau, 1500–1528, Öl auf Holz, 95 × 155cm, Inv.-Nr. 310, Galleria dell’Accademia, Venedig (derzeit im Depot, frdl. Mitteilung von Roberta Battaglia, Venedig/Italien). Seinerzeit befand sich auch Tizians Mariä Himmelfahrt (entstanden 1516–1518, Öl auf Holz, 690 × 360 cm) in der Sammlung der Accademia, heute ist sie an ihrem Ursprungsort, der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari, zu finden. Paolo Veroneses (1528–1588) Gastmahl im Hause des Levi (1573, Öl auf Leinwand, 560 × 1309 cm) war ursprünglich für das Refektorium des Klosters Santi Giovanni e Paolo in Venedig geschaffen worden und gelangte Anfang des 19. Jahrhunderts in die Sammlung der Accademia. 490 In der soeben erwähnten Frari-Kirche befinden sich neben Tizians Mariä Himmelfahrt zahlreiche weitere Kunstwerke, darunter Grabmale für Tizian und für Antonio Canova, eine nach seinen Entwürfen (ursprünglich für Tizian bestimmten und) von seinen Schülern gefertigte Grabpyramide, die die Urne mit dem Herz Canovas enthält.

544 | Die Briefe Tizian entworfen war, aber auf Kosten Europa’s für ihn selbst ausgeführt worden ist. So oft ich daran in Gedanken vorüber gehe sträuben sich meine Haare und das Blut rieselt kalt durch meine Adern, es ist ein Bild der tiefinnigsten Trauer. Mehrere Nächte hinter einander träumte mir von diesem Werke. Am Tage unserer Abreise ging ich noch einmal hin und auch zu den oben genannten Bildern, es waren schöne himmlische Stunde{n}, die ich vor diesen Werken verbrachte. – Der Ruhm von der Schönheit der Venezianerinnen ist uns durch kein Beispiel bestätigt, alles hässliche | Gesichter, höchstens sieht man hier und da einen interessanten Mann. Die Trikolore der Italiener findet man an jedem Italiener beiden Geschlechts. Ihr Haß für den Deutschen ist gar nicht zu beschreiben. Am Sonntag Abend wurde von österreichischen Soldaten von 4 Chören Musik gemacht auf dem Markusplatz  ! Wir richteten unsere Gänge so ein daß wir um die Stunde dort eintrafen wir hofften die elegante Welt beisammen zu finden und freuten uns auf die schönen Gesichter allein es war nicht so. Kein Venezianer war zu sehen, nur Deutsche Offiziere mit ihren Frauen und Kindern, außerdem nur Gondelführer, alte Weiber und Nichtsthuer. Die Nobile von Venedig verschmähten die deutsche Musik. Ich für meine Person finde das hübsch und begreife das furchtbare Gefühl einer Herrschaft angehören zu müßen deren Sprache, Sitten und alles was zum Leben gehört total anders ist und in gar keiner Hinsicht Hand in Hand geht. Die Gondeln alle sind schwarz angestrichen und mit schwarzen Tüchern behangen während sie mit Purpur und Gold früher geziert wurden. Am Montag fuhren wir auf die Insel Lido. Man sagte uns daß ein Volksfest gefeiert werde. Das Fest bestand aber bloß aus ein Paar Dutzend jungen Burschen | welche am Meeresstrande auf eigene Hand sich ergötzten. Wir suchten uns zum Andenken an das Adriatische Meer Muscheln und tranken Cipern-Wein und sehr schöne große Weintrauben. – Am selben Abend um Mitternacht verließen wir Venedig und auch unsern lieben kleinen Freund Gilli. Wir gingen zur See und er einige Stunden später nach Mailand zurück. Die Seefahrt nach Triest war außerordentlich ruhig. Wir hatten Siroko, eine Wärme die mich beinahe betäubte. Das Wasser war ruhig und gegen Morgen ruhte es förmlich aus, die Oberfläche wurde allmählich spiegelglatt, kurz es war nicht die geringste Bewegung zu sehen und zu spühren. In Triest haben wir nicht viel mehr gesehen von Interesse als die Unzahl Schiffe und Costüme. Besonders Griechen sieht man häufig welche übrigens schon in Venedig sich zeigten. Der Siroko brachte Regen und vertrieb uns. Wir gingen über Graz nach Salzburg, mein göttliches Salzburg  !  – einen Tag hier, der Mönchsberg wurde gleich nach unserer Ankunft bestiegen und ich habe das selbe Gefühl empfunden als vor zwei Jahren. Als ich zum ersten Male dort war. Es ist doch ein lieber Ort. So  ! also wäre ich mit meiner Beschreibung fertig sie ist eben nicht ausführlich genug weil ich fast | nichts notirt hatte. Es ging nicht gut da gewöhnlich Onkel

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und Gilli ein Zimmer mitsammen hatten und so mit Tante und ich eines. Im Italienischen giebt es selten Zimmer für eine Person, es sind mächtig große Betten wenigstens für 3 Personen groß. Also nehmt damit vorlieb. – Eure Briefe welche ich vorfand will ich morgen beantworten. Heute will ich nur noch sagen daß ich neben den Briefen eine Karte von Ulmann491 fand und noch eine Meldung von 3 Damen aus meiner Vaterstadt, sie hatten keine Karten dagelassen also glaubte ich daß es wol Carus gewesen sein möchte, ich ging ins Gasthaus wo sie wohnten fand aber niemand mehr. Dirsens und Firks laß ich im Fremdenblatt.492 Carusens sind noch nicht da gewesen, das Geld auch noch nicht gekommen auch habe ich keinen Brief von Carus, wohl hätte ich geantwortet wenn ich einen erhalten hätte. Was hat er mir denn wol sagen wollen  ? – Freitag d  : 4 Okt. 50 Es ist wol Zeit daß Ihr wieder von mir Nachricht erhaltet also muß ich an das gehen woran ich immer denke und was mich entsetzlich schmerzt quält und irre an mich und Euch macht. Ich war heute bei Rugendas und | hörte daß er Dir schon geantwortet demnach brauchte ich’s nicht zu thun und weiß Gott, ich weiß auch nicht was ich denken, geschweige sagen soll zu Deinem hartnäckigen Wunsche mich als Künstlerin unter Couratell zu setzen.493 Solang ich in Deutschland bin hab ich nur einen Zweck und der ist mich in der Malerei weiter zu bilden. In dieser Absicht ging ich nach Dresden und wo ich allein stand und um 4 Jahre jünger war als jetzt, also auch um vieles weniger Erfahren hatte als heut zu Tage. Diese Absicht nahm ich mit nach München und habe, (das wird und muß mir jeder nach sagen der nur im mindesten beobachtend mein Thun und Lassen verfolgt) mein Ziel mit einem festen bestimmten Willen zu erreichen gesucht, ich habe keinen Augenblick in dem, was ich mir als Lebensaufgabe gestellt, geschwankt und wurde es mir noch so sauer und bitter  ; ich habe als Mädchen gewiß einen harten Kampf gekämpft, und viele Opfer gebracht. Soll denn nun das umsonst gewesen sein  ? – Was willst denn Du thun wenn ich nach Rom gehe  ? wem willst Du da mich übergeben wer soll mich bewachen während 491 Karl Christian Ulmann (1793–1871) war Theologieprofessor und Dekan der Universität in Dorpat gewesen und musste 1842 Dorpat wegen Unterstellungen, er würde die Studenten aufwiegeln, verlassen. Ab 1844 war er vor allem im Volksschulwesen in Riga maßgeblich für positive Entwicklungen verantwortlich und erlangte später Genugtuung, als ihn Zar Alexander II. 1856 in St. Petersburg zum Vizepräsidenten des evangelisch-lutherischen Generalconsortiums und 1858 zum Bischof ernannte. Julie Hagen Schwarz porträtierte ihn später in einem repräsentativen Bildnis als Würdenträger der Kirche (ohne Bildangaben, das Bildnis befindet sich im Besitz der Nachfahren Ulmanns, Quelle in Familienbesitz). 492 Über diese beiden Namen ließ sich kein Nachweis führen. 493 Dieser Brief Rugendas’ hat sich leider nicht erhalten. Wie in späteren Briefen vom 3.2.1851 und 10.7.1851 (vgl. weiter unten) zeigt sich aber schon hier, dass Rugendas immer wieder die Interessen der Künstlerin gegenüber dem Vater vertrat und sie in ihrer Argumentation unterstützte und entlastete.

546 | Die Briefe meiner Arbeitsstunden  ? – Lieber Vater hast Du kein Vertrauen zu Deinem Kinde dann hättest Du es nie an die Staffelei setzen müßen und ihr darin ein Glück zeigen um ihr dasselbe wieder zu rauben. Was helfen aber meine Worte in einer Zeile ist gesagt wie ich denke. Es ist nicht Eigensinn | sondern feste Überzeugung daß es eine solche Änderung wie Du sie uns vorschreibst meiner Kunst meinen Fortschritten nachtheilig ist und das sehr. Hauptsächlich der Entfernung wegen. – Indessen will ich dir das nur sagen daß ich meine Stube aufgekündigt und was weiter geschieht weiß ich noch gar nicht, Ich mag nicht an Malen denken, da diese Angelegenheit so störend auf mich wirkt. Und ich weiß gewiß daß ich keinen Eifer in mir fühlen werde solang nicht ich mich frei als Künstlerin fühle. So lang ich in Deutschland bin sollte man mich auch nicht anders behandeln als als Künstlerin um meinen Aufenthalt hier nicht zwecklos zu machen. Wolltet Ihr mich als Hausfrau erziehen dann ist’s was anderes, aber darauf habe ich längst schon verzichtet das wißt Ihr ja so lang schon, so lang ich Euch verlassen. – Ich fürchte das Geld durch die Carus ist mit untergegangen das wäre mir entsetzlich unangenehm. – Rugendas Adresse genügt in seinem bloßen Namen, doch ich schreibe ihn hier unten her  : »Moritz Rugendas Sophienstraße Nr. 1 im hinter Gebäude.« | Die Briefe sind bedeutend billiger geworden einige 20 Kreuzer während früher 48–52 also werde ich hier franciren. Daß Rugendas doch die Skizzen mir gab ist bloß geschehen weil ich sehr weinte und unglücklich war. Ich will sehen wie sie Dir gefallen dann sollst Du sie auch alle bezahlen dürfen wenn Du zufrieden bist. Im entgegengesetzten Falle werde ich die Summe mir durch Portraitmalen erwerben und namentlich jetzt wo mir es ziemlich gewiß scheint daß Deine 75 R. S. in den Wogen der lieben Ostsee um hergetreigt [sic] werden. Es ist recht betrübt daß das arme Livland wieder von der Hungersnot heimgesucht wird was will daraus werden  ! – Alexander soll nur fleißig sein. Zu Bernhardt muß er auf jeden Fall woselbst ich ihn lang schon angemeldet. – Was ich von Bernhardt vor ein, zwei und drei Jahren sagte  –  ; das ist noch heute meine Meinung. Nicht fällt es mir ein ihn mit Undank zu belohnen oder zu vergessen was er als Lehrer für mich gethan. Ich sage noch heute daß in München keiner im Stande ist, einen Kopf mit soviel Leben Wahrheit und Delikatesse zu malen wie eben Bernhardt und wäre es nicht eben Dein Wille gewesen so hätte ich Bernhardt nicht verlassen obgleich ich auch | ohne ihn weiter geschritten bin und in einem Maaße daß es Bernhardten selbst überraschte. Zu Ende Deines einen Briefes finde ich so eben die Worte  : »Bedenke ich was Du während den 10 Monaten, bis zum nächsten Johanni494 alles lernen könntest, so möchte ich über Deinen Eigensinn 494 Der 24. Juni ist der Johannestag oder Johanni, das Fest der Geburt Johannes’ des Täufers, und

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blutige Thränen weinen« – Sieh da hast Du’s selbst ausgesprochen. Ich kann ja nicht so viel wie Du und ich es wünschen lernen sobald ich frei von dem Lehrer lebe, welcher eine ganze Stunde braucht um zu mir hinunter zu kommen d. h. hin und zurück. Ich kann ihm nicht zu muthen des morgens, wenn ich ein neues Bild, oder eine Stellung der Hände etc. mehr, beginne daß er zu mir kommt, im Laufe des Vormittags wieder um nach zu sehen ob ich es recht oder schlecht verstanden. Das ist’s ja was mich bedroht daß ich nur selten R.s Rath haben kann und nicht wenn es nöthig ist zu jeder Stunde. Aber lassen wir diese Sache, ich werde thun was ich kann. – Gestern vergaß ich zu sagen daß wir auch einen Tag, ehe wir nach Salzburg kamen, in Ischel uns aufgehalten. Ich vergaß es wol weil es schlechtes Wetter war und ich Fieber hatte, die gute Tante quälte sich mit Leibschmerzen also fanden wir wenig Freude. – Onkel und Tante waren auf der ganzen Reise sehr liebenswürdig und sind es auch jetzt noch, auch bin ich’s so glaub ich. | Was ich früher von der guten Tante geschrieben ist alles wahr aber es reut mich danach es gesagt zu haben da ihre guten vortrefflichen Eigenschaften diese Schwächen übertreffen deshalb habe ich auch drei Jahre hindurch hier von geschwiegen.  – Ich hätte Manches noch in Deinen Briefen was mich auffordert zu sprechen aber da ich meine Häftigkeit kenne so ist es vernünftiger meinen Schmerz und Kummer über das alles zu verbeißen, ich werde mich allmählich dran gewöhnen und es als Gesetz an sehen, den Tag über zu lachen, meistens heiter zu scheinen, um die Nacht zu weinen. – Hoffentlich habt Ihr nun bald meine Bilder welche als Vermittler für mich und Fürsprecher auftreten werden. – Das Schirren Bräutigam ist würde mich nicht gerade wundern da das Fräulein Müller ein sehr hübsches Mädchen ist  ; aber ich glaub’s noch nicht, da er mir einmal auf meine Frage, ob er verlobt sey – eine verneinende Antwort gegeben.495 – Klatschereien und Wäschereien werden ewig in der Welt dauern und hat nicht ein jeder Mensch an ihnen zu passieren  ? – Du sagst es sey ein Jahr daß der Briefwechsel zwischen Euch aufgehört, wie kommt denn das  ? er klagte in einem seiner letzten Briefe an mich daß er keine Antwort auf seinen Brief erhalten habe, aber nun wieder schreiben wolle das war wenn ich nicht irre, im Juni dieses Jahres. | Hoffentlich erhalte ich bald wieder einen Brief. An Hartmann kann ich wieder nicht schreiben, ich werde ein Extra Brief an ihn absenden und das recht bald ist eng mit der Sommersonnenwende verbunden, die im Baltikum noch heute als großer Festtag begangen wird. Offenbar war ein Bleiben Julies bis zum nächsten Juni vereinbart, was nun durch die Aufkündigung des Ateliers wieder zur Diskussion stand. 495 Vgl. Anm. 272. Schirrens Braut war nicht verwandt mit dem schon erwähnten Otto Müller, an den sich Julie Hagen nur ungern erinnerte.

548 | Die Briefe bis dahin Grüße und Mitheilungen aus diesem Briefe, erzählt ihm wie allen andern Freunden wo ich mich um getrieben und sagt ihnen allen daß ich so glücklich in jener Zeit war wie schon lang nicht wieder. Die Sehnsucht nach Italien ist in mir groß geworden und ich sage daß ich nicht früher sterben kann bevor ich nicht nach Rom gekommen, dann meinethalben  ! – Tante und Onkel grüßen Euch, sie sind beide arg gute Leute. Wir haben einander so lieb aber durch diese Liebe wird oft der freie Blick, die Unbefangenheit getrübt und man thut sich weh ohne eigentlich zu wollen. Freunde die sich vor Verehrung und Liebe oft fressen möchten zanken sich aber auch zu Zeiten wie Rohrsperlinge. – Lebt wohl meine guten Aeltern und Geschwister verlasst Euch auf Eure Tochter, sie wird handeln nicht wie ein Mädchen, sondern nach bestem Wissen und Überzeugung. – Lebt wohl  ! Mit kindlicher Liebe umarmt Euch Eure Tochter J. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 13.10.1850 München d  : 13 Oct. 1850 Meine theuren Aeltern  ! Sonntag ists. Meiner alten Gewohnheit treu bleibend will ich nun wieder einen neuen Brief beginnen. Wären die Wege besser so würde ich meinen daß mein letztes Schreiben und das erste nach unserer Reise heute zu Euch gelangt. Es ist aber sowol hier als bei Euch der böse October welcher mit seinen schlimmen Gaben nicht fern bleibt und da kann es noch ein paar Tage an stehen bis Ihr meinen Brief bekommt. Das Wetter auch hier ist immer und immer schlecht, hier und da ein leise fallender Schnee, mahnt zu sehr an den nahen Winter. Es ist mir als hätte ich von der warmen köstlichen Luft in Italien bloß geträumt, denn nicht scheint es mir möglich in so kurzer Zeit, im Sommer und auch schon im Winter zu leben, der Contrast ist außerordentlich. Am 9. dieses Monats schien zum ersten Mal nach lange die Sonne wieder und das war denn ein Tag der Freude und der Trauer zugleich. Das Künstlerfest zur Enthüllung der Bavaria fand statt und gleich darauf ein Trauerzug zu Ehren des Professors Schorren496 welcher nach unsächlichem Leiden endlich heim gegangen ist. Die Morisonschen Pillen 496 Karl Schorn (1800 [auch 1802 oder 1803] –1850) war ein in Düsseldorf geborener Historienmaler. Seine Ausbildung erfolgte in Düsseldorf und Paris (bei Antoine Jean Gros und Jean-Auguste-Dominique Ingres). Mit Peter von Cornelius kam er nach München, hielt sich einige Jahre in Berlin und Italien auf und kehrte dann Anfang der 1840er Jahre nach München zurück, wo er zum Professor der Akademie der Künste ernannt wurde.

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sind auch bei ihm, wie bei Rottmann die Schuld eines früheren Todes als es sonst wol der Fall gewesen. Das sind nun Verluste die nicht zu ersetzen sind und Mühe machen mit jedem neuen Tag, mit jeder Stunde Rückschritte, welche mit der Abdankung des König Ludwig ihren Anfang nahmen. Seit ich hier bin sind drei große Männer gestorben, mehrere unfähig zur Arbeit, das ist denn doch zu viel in so kurzer Zeit. | In Schorren ist ein vortrefflicher Lehrer im Hystorischen Fach gegangen, die Jugend wird tief empfinden wie rathlos sie jetzt da steht und das einst ein Meister und Lehrer lebte. Er hat das Bild gemalt welches in der Wagnerschen Gallerie zu Berlin uns vor 4 Jahren sehr auffiel durch seine tiefergreifende Schönheit. Nämlich Luther wird dem Papste durch einen schwarzköpfigen Chorknaben vorgestellt. D. h. das Bildniß unseres Reformaten.  – Im Ausdrucke des Papstes sprechen wundersam vereinigt hohe Entrüstung, Verehrung und Bewunderung zu gleicher Zeit. – Der Chorknabe wenn Du Dich seiner schwarzen Locken, seiner Nase und antiken Mundes noch erinnerst, ist unser kleiner Reisegefährte, unser Freund Gilli. Ich erkannte ihn nach dem Bilde d. h. ich vermuthete er sey es, und irrte mich nicht. –497 Das Fest war sehr, sehr schön und der König gerührt. Die Zeitungen werden wol besser erzählen als ich’s vermag. In der ganzen Zeit meines Hierseins habe ich gemalt an dem Fruchtkorbe den ich für die Tante vor unserer Abreise begonnen. Bis auf den Teppich, der den Tisch bedecken soll ist das Bild so ziemlich fertig. In seiner Ausführung steht es meinem ehemaligen Meister Jensen weit zurück allein in der Wirkung und vielleicht Composition glaube ich’s auf gleicher Stuffe stellen zu dürfen. Die Weintrauben sind sehr reif saftig und duftig geworden ebenso Aprikosen und Firsich. Am 13ten | December ist Tante Namenstag an welchem ich ihn ihr geben will. – Vor zwei Tagen erhielt ich die 75 R. S. mit einigen Zeilen aus Leipzig und sie freut sich wieder nach Dorpat zu kommen da sie sich nicht mehr recht heimisch fühlt. Ich erinnere mich noch daß gerade diese Frau furchtbar an Heimweh gelitten und glaubte nie bei uns sich einleben zu können und jetzt schon geht es mehr und besser als ich erwartete. Woher kommt das  ? Die Deutsche Frau findet gewiß in unserem Norden mehr für ihren Geist als sie hier verließ das ist einmal gewiß  ; und deshalb freue ich mich sehr einmal wieder nach Haus zu kommen. Nach Italien möchte ich freilich eben so sehr gehen und es ist mir mit jedem Tage mehr und mehr als dürfte ich nicht ruhen bevor ich nicht Rom betreten. Auf 497 Das Gemälde Karl Schorns Papst Paul III. betrachtet Cranachs Luther-Bildnis von 1838/39 (nicht bez., Öl auf Leinwand, 138,5 × 210 cm, Inv.-Nr. W.S. 217) gehört zum Gründungsbestand der Alten Nationalgalerie Berlin aus dem Vermächtnis des Bankiers Joachim Heinrich Wilhelm Wagener. Es ist abgebildet und besprochen in dem Reprint zur Ausstellung zum 150. Jubiläum der Nationalgalerie, vgl. Sammlung Wagener, 2011, S. 118, Nr. 217.

550 | Die Briefe der diesjährigen Reise hatte ich wieder Gelegenheit zu fühlen daß ich mannichfacher Anregung, größere Verhältnisse brauche um meinen Geist rege zu erhalten, zu kräftigen und ganz zu erfüllen. Ob mein Kistchen mit Ölfarben in ihre Hände gelangt ist, davon schreibt sie nichts, ich will es aber hoffen. Da ich nicht Zeit genug zu haben glaubte um ihr zu danken und eine glückliche Reise zu wünschen so bitte ich Euch es zu thun. Sie so wol als Fräulein Fanny bitte ich recht herzlich zu grüßen. Ich sah doch Fräul. Fanny nie in meinem Leben, wenigstens nicht mit Bewußtsein und doch steht sie meinem Herzen so nahe daß ich oft im Geiste mich mit ihr unterhalte und meine ihr schreiben zu müssen. | Ich suche darin die Gewißheit daß sie ein sehr liebenswürdiges Mädchen ist. Es ist mir in einer Beziehung leid das die junge Sängerin nicht nach München kam doch in anderer Hinsicht hat sie es dort besser findet leichter sich, da sie bei und umgeben von Verwandten ist.498 – Von Marianne Otto habt Ihr mir lang nichts mehr geschrieben. Hat der garstige einäugige Witte sich besonnen ein so hübsches Weibchen wie Marianne ist in seine Arme zu schließen oder hat M. gefunden daß er zu winzig und dumm aussieht, daß sie nicht mit Stolz auf ihre Stütze sehen kann  ? ich möchte das wol wissen. Diesen Leuten auch meine Grüße. Toska Göbele hatte ich auch ein Mal ganz gern, Sie bewies sich stets als gutmüthig und jedenfalls ehrlicher als ihr Vater. Bei Gelegenheit auch ihr meinen Gruß. Außer Fanny Wachter, Marga Dumberg und Rosalie habe ich wol niemand den ich gerne grüßen und küßen möchte, ich suche durch alle Straßen Dorpat’s und finde nur noch Minna Sturm welche befreundet ist, das ganze Dorpat ist mir in den wenigen Jahren völlig fremd geworden, wie wird es sein wenn ich nun noch ein Jahr länger bleibe  ? – ich möchte doch wissen wer die drei Damen gewesen welche während meiner Abwesenheit aus Dorpat mich hier besuchen haben wollen. Ich begreife nicht daß man so ungeschickt war weder eine Karte noch seinen Namen mündlich hinter ließ. | Von Schirren habe ich auch noch keine Nachricht betreff meiner Bilder, jetzt dürften sie doch schon dort, sogar schon in Dorpat sein. – Ich bin sehr begierig ob Du einen Fortschritt anerkennst oder nicht und ob Du dann noch sagen kannst daß es mir nicht ernst genug um die Kunst ist. Dem Schirren sandte ich 10 Thaler damit Du nicht so viel zu zahlen hast, ich bat ihn das noch fehlende auszu legen, da die Kiste zur See ging wird sie hoffentlich nicht so theuer kommen wie im vorigen Jahre. Von hier bis Stettin ist sie auch francirt. – Bis auf 20 Gulden habe ich alle eingesandten Bilder bezahlt, und dieser Rest wird, so hoffe ich auch nicht lang mehr bleiben. Dem guten Hartmann bitte ich selbst einen 498 Die Rede ist hier von der schon mehrmals erwähnten Marie Carus, deren Schwester Fanny Carus, verh. Mercklin, war. Im Folgenden erwähnt sie die schon häufiger genannten Freundinnen ihren Dorpater Jugendjahre, einzig »Toska Göbele« erwähnt sie erstmals, möglicherweise eine Tochter des Dorpater Pharmazeuten Carl Christoph Göbel (1794–1851).

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Kopf sich aussuchen zu lassen von den 4 Kindern und falls ihm mein Portrait im Halbschatten gefallen sollte und Ihr es gerne thut so mag er das nehmen, ich schulde ihm recht viel das fühle ich und bin nicht dazu gekommen ihm etwas zu malen was ihm wirkliche Freude machen könnte. Was Sivers zu meinen Studien sagt das möchte ich gerne hören, besonders wie die Rothhaarige gefällt, denn der Ungar und die beiden Profile, das sind Köpfe welche Bernhardt, Kaulbach und alle übrigen Künstler den Vorzug vor allen übrigen geben. Vielleicht sind aber Eure Hoffnungen zu hoch gespannt und das wäre für mich schrecklich. An etwas Neues mag ich jetzt noch nicht gehen bevor ich nicht meine alten Sachen fertig habe. Das Onkel Portrait hoffe ich wird Dir als Malerei auch gefallen, es ist sehr ausgeführt für einen Männerkopf allein sein Gesicht seine pedantische Sauberkeit, | die steinartige weiße Binde, welche er vor 25 Jahren grad so getragen hat wie heute noch, alles das hat einen Anstrich von Delikatesse  ; deshalb mußte ich auch mehr ausführen. Dasjenige welches hier geblieben ist noch mehr ausgeführt, wenigstens hat es weniger dicke Farbe noch, als das welches ich Euch sandte, mir war das unsrige immer lieber und ich war froh daß die Tante dem andern den Vorzug gab. Als Portrait ist es außerordentlich ähnlich. – d  : 17 Oct. Eben beendete ich einen Brief an Emma Rieckhof und es liegen so viel Briefe vor mir die beantwortet werden sollen daß mir der Kopf schwindelt. Aus Dresden habe ich in diesen Tagen 3 Briefe gehabt. Die alte Herrmann schreibt mir daß Fräulein Andersens499 aus Dorpat dort seien und im Portraitmalen Unterricht nehmen, ich weiß nicht weshalb ich’s bei diesen Damen drollig fand. Haben sie noch Jugendkraft und Ausdauer genug um die große Aufgabe zu lösen, um die unendlich schweren Anforderungen der Kunst zu bestehen  ? Ich möchte es bezweifeln. Seit zwei Tagen sind Ledebours nun wieder in München, sie waren bei Botzen. Von denen erfuhr ich daß aller Wahrscheinlichkeit nach Fräulein Striek und Fräul. Pahlen aus Dorpat500 mich aufgesucht haben da sie auch bei ihnen gewesen, während ihrer Anwesenheit  – Ich möchte fragen wie unsere Aristokratie darauf kommt mich auf zu suchen, da sie mich nie sahen in Dorpat, und wahrscheinlich auch nicht kommen würden wenn ich nach Haus heute oder | morgen komme, sie fühlten sich wol verlassen hier, und hatten einen Weg machen nöthig gehabt  ? Ist’s nicht so  ? – Seit einigen Tagen beschäftigt die berühmte Schauspielerin Rachel aus Paris ganz München.501 Morgen tritt sie 499 Die dilettierenden Malerinnen Karolina und Angelica Anders. 500 Mitglieder der Familie von Stryk und von der Pahlen, zwei alte Adelsgeschlechter, die seit vielen Generationen in Livland ansässig waren. 501 Die französisch-jüdische Schauspielerin Élisa Rachel Félix, genannt Rachel (1821–1858), war ein Star in Europa, nach ihr wurden Parfums benannt und ihre Büste wurde in Abgüssen als Souvenir verkauft. Sie gilt als eine der größten Tragödinnen ihrer Zeit und machte kurz darauf auch in Russland Furore.

552 | Die Briefe zum letzten Mal auf wo wir wahrscheinlich hinein gehen, – Von unserem Reisegefährten dem kleinen Gilli hatten wir einen lieben freundlichen Brief aus Carrara, Tante und ich haben ihm auch schon geantwortet nach Rom. Wir waren alle sehr erfreut über diesen Brief. Ich habe leider keine Adresse an Wilhelm sonst würde ich ihm schreiben zum Geburtstag gratuliren, wenn Ihr es thut so sendet meine Glückwünsche mit dazu. – Ich wünsche, wenn die Kiste mit Studien noch nicht angekommen ist, daß sie am Tage meiner Geburt ankommen möchte auf das Ihr unsern 26ten Geburtstag feiern könnt.502 Ich hoffe daß mancher Kopf doch einige Freude gewähren wird und wenn alle Euch kalt lassen so werden die Portraits der Verwandten doch einige Freude machen. – Ich denke mir Dich gute Mutter jetzt im Augenblick mit Wurstmachen beschäftigt, alle Herbstarbeiten werden sich gehäuft haben daß ich bisweilen hineilen möchte um zu helfen aber mit den Wellen läßt sich nicht fliegen und mit den Vögeln nicht wandern  ! – d  : 20. Sonntag 50. Gestern Abend waren wir im französischen Theater der Rachel, sie gab Maria Stuart, daß sie tüchtig ist und groß in ihrer Kunst das ist anerkannt allein in dieser Rolle hat sie mir | wenigstens nicht gefallen. Ich werde mich hier inacht nehmen das zu sagen, wo man außersich vor Entzücken ist allein Euch darf ich wol mittheilen was mir aufgefallen. Das Mienenspiel und all ihre Bewegungen sind herrlich und ergreifend aber als die Stuart war sie zu heftig, beinahe wüthend, sie hatte nicht die adelige Ruhe, das edele vornehme weibliche Betragen, wie sie Schiller, so meine ich – gewollt hatte. Für mich war sie keine Stuart sondern die unendlich leidenschaftliche Rachel.  – Noch habe ich niemand gesprochen und weiß daher nicht ob andere auch der Meinung sind. Mir war sie interessant als Fräulein Rachel doch nicht als Maria Stuart. Die Nacht habe ich fort während von ihr geträumt. – Unter ihren Verehrern ist Rugendas einer von den größten auf dessen Urtheil ich wol was gebe. Es ist immer schlechtes Wetter, kalt und unfreundlich ist es, ich kann nicht sagen mit welcher Sehnsucht ich das Frühjahr erwarte, ach wäre es nur schon da, dann wird ja mit mir entschieden, was mit mir geschehen soll. Nach Rom möchte ich gerne und meine Sehnsucht dahin ist erst groß geworden da ich etwas italienische Luft geathmet, Wärme genießen von Außen und von Innen ist doch ein hohes Gut  ! Warm leben, warm sterben  ! Diese Sicherheit zu besitzen denke ich mir tröstend. – Neulich hatte der Onkel den Brief auf die Post getragen und wie ich jetzt erst erfahren mir bis zur Gränze bezahlt was mir sehr unangenehm ist. Der Brief an Emma hat nur 21 Kreuzer gekostet also werde ich immer hier meine Briefe bezahlen auch die welche ich erhalte. – |

502 Sie meint ihren Geburtstag am 27. Oktober und den ihres Zwillingsbruders Wilhelm, der allerdings am 26. Oktober war.

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d  : 23ten October 50. Der liebenswürdige Winter ist also wirklich auch schon bei uns eingekehrt. Gestern schneite es den ganzen Tag und heute sieht es aus als wüßte es nicht was zu thun ist, ob regnen, schneien ob frieren, kurz es ist eine Trauer in der Natur die nicht angenehm ist. – Die Abende sind nun auch schon so lang wie im Winter selbst. Meine Zither die einige Zeit geruht ist nun wieder meine Beschäftigung, ich wollt ich dürfte etwas lesen, um meinen Geist etwas zu erweitern allein die Augen  ! Die Augen  ! Miezens sechs Hemde die sind jetzt in Arbeit, meine Zacken sowol für diese, als den vieren, die ohne nach Dorpat gesendet wurden sind auch fertig und nun ist die Frage ob ich wol noch welche machen soll, ob Mieze zu ihrer Aussteuer welche brauchen kann  ; oder ob sie gehäkelte oder gestrickte Ansätzchen vorzieht  ? Ich bitte mir darüber eine Antwort. Wenn irgend jemand welche brauchen kann dann werde ich welche machen. Seit zwei Tagen treibe ich mich in allen Gärten Münchens herum um eine blühende Datura zu finden allein vergebens und das hindert mich am Fortarbeiten meines Bildes was höchst langweilig ist.503 – Tantes Schawll von der Mieze gearbeitet wird von ihr jetzt wo es kalt wird häufig und mit Liebhaberei getragen und findet außerordentlich viel Bewunderung. Für Schenillien504 wollen es die meisten halten. Tante bedauert nur daß hier keine Industrieausstellung ist sonst hätte sie es dazu gegeben und wer weiß ob es nicht den Preis in der Häkelkunst gewonnen. Neben seiner Schönheit ist es noch dazu so warm daß es gut einen wattirten Mantel ersetzt. Ein Brief von Riedel aus Rom an Rugendas berichtet verschiedenes, unterandern daß der Halbrusse | Wiedder505 sich sehr quält und äußerst sehr zahm 503 Dies ist das schon häufiger erwähnte Motiv der beiden Mädchen mit der Blüte einer Engels­ trompete, in der ein Briefchen verschwindet  : Das Liebesbriefchen, 1851, nicht bezeichnet, Öl auf Leinwand, 103 × 81 cm, Privatbesitz. Vgl. Christin Conrad, Das Liebesbriefchen und seine Bedeutung im Gesamtœuvre Julie Hagen Schwarz’, in  : Künstlerinnen schreiben, 2018, S. 35–44, vgl. Farbabb. 12. 504 Chenille ist ein Garn, aus dem ein Gewebe mit samtartiger Oberfläche hergestellt wird. 505 Dies ist wieder der (hier anders geschriebene) Genremaler Wilhelm Wider (vgl. Anm. 440), der seit 1850 in Rom eng mit dem Kreis der Deutschrömer verkehrte, so auch mit August Riedel, der ihn mehrfach in seinen Briefen erwähnte (vgl. Briefe von August Riedel an Paul Emil Jacobs, Bayerische Staatsbibliothek, Bestand Cgm 8035 [Riedel], z. B. Briefe vom 8.6.1854 und vom 23.9.1854). Franz von Lenbach nannte den Kollegen, der gemeinsam mit August Riedel, Ernst Meyer u. a. auf Ludwig Passinis Aquarell des Caffé Greco abgebildet ist, später »Zuwider«, offenbar war er ihm, wie auch Julie Hagen, nicht sehr sympathisch (vgl. Ludwig Passini, Caffé Greco, 1856, Aquarell, 49 × 62,5 cm, Kunsthalle Hamburg, Inv.-Nr. 2522). Briefe von Riedel an Rugendas sind bisher kaum auffindbar. Im Bestand des Stadtarchivs Augburg (Bestand HV H 271) hat sich ein einziger Brief Riedels an Rugendas vom 7.8.1853 erhalten (fol. 189–190). Dieser erwähnt aber weder Wider noch Julie Hagen, die zu dieser Zeit schon Riedels Schülerin in Rom war.

554 | Die Briefe wird. Ich glaub’s gern und für seinen Hochmuth thut Rom’s Größe gut. Außerdem fragt Rieder [sic] was ich thue und ob ich denn nicht nach Rom komme. Diese zwei einfachen Fragen haben mich aber entzückt und über alles glücklich gemacht. – d  : 27/15 Oct. Sonntag und Geburtstag zu gleicher Zeit feiern wir heute. Mein und Wilhelm’s Ehrentag ist’s so sagt man ich muß es glauben da man so thut. Heute bin ich nicht vergnügter als sonst an dem Tage. Da ich noch ein Kind war so weinte ich in der Regel an diesem Tage ohne zu wissen weshalb  ; später als eine erwachsene Person wußte ich weshalb ich trauerte, es war das Fühlen das ich älter geworden und nicht mehr das glückliche Kind war, und die Furcht vor der Zahl 30 gab mir, wie allen Mädchen etwas Beengendes. Jetzt wo ich stark darauf loß steiere jetzt werde ich gleichgültig. Und das ist mir sehr lieb, ich freue mich bis weilen mich in eisgrauen Haaren zu sehen ohne deshalb jetzt schon alt­jüng­ ferlich zu sein, nur zu oft bin ich noch recht kindisch. – Eure Briefe kamen gestern Abends, obgleich ich es wünschte Nachrichten von Euch zu erhalten, so hoffe ich’s nicht, mir kam die Zeit zu früh vor. Nun aber danke ich Euch herzlich. Der Jammer über das Ausbleiben meiner Kiste mit Bildern hat mir recht weh ge­than und im innersten verstimmt. Daß es mich nicht wenig beunruhigt daß könnt Ihr Euch wol leicht denken und es ist mir ein Räthsel wo die Sachen nur stecken. Diese verfluchten Grenzbeam|ten  ! ich habe gestern vor Ärger und Zorn geweint und die ganze Nacht nicht schlafen können. Hin und Her wälzte ich mich und konnte der quälenden Gedanken nicht Herr werden, der Morgen kam und ich stand auf kaum dran zu denken daß ich 26 Jahre voll bin. Ich steckte mich in kaltes Wasser um mir dadurch etwas Frische zu geben da es der Schlaf versäumt, und noch nicht völlig abgetrocknet, kam die Tante um mir zu gratuliren. Eine goldene Uhrkette und ein Krägelchen haben mir Thränen aus den Augen und dem Herzen gepreßt. – An Schmuck brauche ich nun nichts weiter, alles was je in meinen Wünschen drin lag fand Befriedigung. Der gelbe Kringel wird nach alter Sitte und Gewohnheit wol heute auch bei Euch und unter Euch verzehrt werden, für diesen Beweis von Liebe danke ich Euch sehr, Fanny wird bei Euch sein, was mir sehr lieb ist zu wissen. Nächstes Jahr, ich hoffe und wünsche den Tag in Eurem Kreise zu verbringen, aber Gott mag wissen was er über mich beschließt. Später  : Es ist heute Sonntag deshalb traf ich meinen Speditören nicht um ihm die nöthigen Aufträge zu geben meiner Kiste wegen. Daher ich vorläufig Dir sagen kann daß die Kiste von hier aus am 11 Sept. unter Carl Schirrens Adresse nach Riga durch den Kaufmann und Speditören Faulstich an den Speditoren Herrmann Schultze in Stettin direct auf der Eisenbahn, francirt abgegangen ist. Da Du im vergangenen Jahre mir den Vorwurf machtest zu viel Werth angegeben zu haben da ich doch nur 200 Gulden bestimmt und die infamen Russen aus diesen 200 Gulden 2000 R. S. gemacht, was ich nicht voraus sehen konnte –

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so ließ ich also | sämliche Bilder als Ölskizzen und Zeichnungen, Werth 75 Reichsthaler vom Stappel laufen, denn ich dachte mir daß unsere Beamten wenn gleich in diesem Fache unverständig doch zum wenigsten den Ausdruck Skizze von Bilde wol zu unterscheiden wußten um solche nicht an Werth den fertigen Bildern gleich zu stellen. Die Abfahrten aus Riga sind geschehen am 10/22 Sept und 24/6 October. Sollte die Kiste liegen geblieben sein oder sich für die erste Fahrt verspätet haben so kann sie wol jetzt in Riga erst sein. Nur liegt darin wenig Trost selbst für mich so viel ich mich auch zu beschwichtigen suche durch solche Möglichkeiten. Daß die Kiste in Stettin ist oder gewesen ist, ist wol für gewiß an zu nehmen denn sonst hätte der Speditör Schultze wol geschrieben. d  : 28. Montag. Nicht kann ich an ein Arbeiten an der Staffelei denken die Sachen beunruhigen mich ganz gewaltsam. In aller Früh war ich zu Faulstich gegangen und habe mir nur das wiederholen lassen was ich Euch gestern geschrieben. Er als Kaufmann begreift es eher als wir da er oft wochenlang auf Kisten zu warten hat die (in wenig Tagen) an Ort und Stelle sein müßten. Verlohren kann sie auf keinen Fall sein aber es wird heute noch nach Stettin geschrieben und auch ein Laufzettel wird von Postamt zu Postamt abgehen. Ausdrücklich ist das Dampfschiff Düna von mir zur | Überfahrt bestimmt worden. Ich konnte doch wahrhaftig nicht mehr thun. Daß ich die Bilder nicht an die Carus schickte geschah weil sie mir’s nicht bestimmt versprach mit zu nehmen. Sollte ich riskiren sie wieder zurück geschickt zu bekommen da sie doch ziemlich lang und schwer war. Denn sie schrieb mir ausdrücklich daß sie die Kiste zurück senden würde wenn sie zu groß wäre etc. Im vergangenen Jahre hast Du mir auch den Vorwurf gemacht einer schlechten Besorgung und ich glaube sie war ungefähr ebenso lang unterwegs geblieben. Du hattest Dich nachher doch überzeugt daß ich nichts davor [sic] konnte. Gott wird helfen, jedenfalls werde ich mein Möglichstes thun, werde noch heute an Schirren nach Riga schreiben. Aber jedenfalls werde ich nie wieder der Post solche Sachen anvertrauen denn die Sorge und die Angst ist nicht zu bezahlen die man sich dabei macht. Ich hatte mich nun so gefreut daß ich mit diesem Briefe schon Nachrichten über die Ankunft meiner Kinder haben würde und immer vergebens  ! Im Warten wird einem freilich die Zeit um so länger und banger aber um alles in der Welt verliere nur nicht den Muth verloren können die Bilder nicht sein da kein Schiff gestrandet, keine Eisenbahn verunglückt ist. – Den gestrigen Abend verlebte ich in dem ich an Hartmann einen Brief zu schreiben begann denn ich dachte mir ihn bei Euch am Theetisch oder Glavier sitzend, wurde aber dabei so schläfrig daß ich gegen 8 Uhr einschlief und um 9 Uhr das Bett suchte. Ich träumte sehr verworren, habe auf dem Mistberge mich herum getrieben und all möglichen Situationen, mir war’s als wohnten wir noch in der Kreisschule, und heute sausen immer meine Ohren, der ganze Kopf ist et-

556 | Die Briefe was dumpf und dumm, wahrscheinlich ist | das gestrige viele Essen schuld daran, ich habe Ungewöhnliches geleistet. Unter den Bekannten von Onkel ist ein alter Mann namens Schmidt, Silberarbeiter, dem ich unter allen den Vorzug gebe, denn es ist ein durchaus biderer achtenswerther Mensch, den nun hatte Tante zu Mittag geladen um mich zu überraschen, sie hatte es auch errathen denn mir war es eine liebe Freude und Überraschung. Auf Eure Gesundheit haben wir getrunken. Zu Mittag speisten wir eine Reissuppe mit Huhn auf italienische Weise, nur besser – gekocht, dann folgte Rindfleisch mit Saucen und Salat, darauf Blumenkohl mit Fleischplätzchen, eine fette Gans und endlich Äpfel im Schlafrock, diese habe ich gemacht und sie waren recht gut gerathen. Von all diesen Speisen habe ich sehr viel gegessen was nicht vernünftig war. Als die Gans verzehrt wurde dachte ich daß vielleicht im selben Augenblick auch auf Eurem Tisch eine tranjirt wird. Daß die Baronin Bruiningk in Venedig gewesen, das hätte ich wissen sollen. Ihr Bild ist mir so wenig in der Erinnerung geblieben daß ich ihr wol vorüber gegangen sein kann ohne sie zu erkennen. Ihr seit sehr irrig wenn Ihr meint daß die Gemälde des Dogenpallasts versteigert sind. Alle sind noch da alle Wände, alle Decken sind mit den herrlichsten Bildern belegt, von Tizian, von Paul Veronese, leider sind sie sehr schmutzig. Der Pallast Manfrin506 hat seine prächtigen Gemälde an Rußland verkauft. Wir ließen uns durch einen Gondolier hin fahren, stiegen die breiten antiken Marmorstiegen hinauf, allein fanden nichts mehr in den großen verlassenen Räumen. Es that mir für den Augenblick leid, doch freute ich mich doch da ich die Hoffnung habe sie einst zu sehen. Das | kannst Du dem Liphart sagen. – Das Bulgarin einen Artikel über meine Sachen der Nordischen Bühne geben will,507 ist mir schon recht nur kann ich niemand hier auffordern über meine Arbeiten zu schreiben, denn das wiederstreitet mein innerstes Gefühl und besonders nicht bevor ich nichts ausgestellt. Ich bin nicht Mitglied und werde es werden müßen um ähnlichen Auftritten zu entgehen wie die letzten waren.508 Ich kann nur bitten Gedult zu haben und es muß alles 506 Der im frühen 18. Jahrhundert umgebaute Palazzo Venier-Manfrin besaß im 18. Jahrhundert, als der Tabakindustrielle Girolamo Manfrin Eigentümer war, eine umfangreiche Gemälde­ sammlung, die Manfrin unter anderem mit Hilfe des Malers Giuseppe Zais (1709–1784) zusammengestellt hatte. Heute ist die Sammlung verstreut. Hauptstück der Sammlung war Giorgiones Gewitter (La Tempesta). 507 Faddei Bulgarin (1789–1859), Autor mehrerer Romane und Literaturkritiker, gab von 1825 bis 1839 die »Nordische Biene (Северная пчела)« heraus, ein drei Mal wöchentlich in St. Petersburg erscheinendes politisches Blatt, und gleichzeitig das bis 1859 erschienene politische Tageblatt »Sohn des Vaterlandes (Сын отечества)«, von dem Julie Hagen hier wohl spricht. Diese Vermittlung war sicherlich dem Vater zu verdanken, denn Bulgarin lebte in seiner Datscha in der Nähe Dorpats. Ein Artikel konnte aber nicht nachgewiesen werden. 508 Sie meint eine Mitgliedschaft und Ausstellung in St. Petersburg. Was sie mit den »letzten Auf-

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von selbst sich machen, forssieren kann und muß man solche Sachen nicht, und ich am aller wenigsten. Sobald ich die beiden Mädchen fertig habe so werde ich’s ausstellen trotz dem daß ich’s der Dame die mir dazu saß versprochen habe, es nicht zu thun. Ich mache sie mir böse allein was kann ich anderes thun  ? – Marie ist also auch eine angehende Sängerin, auf die bin ich beinahe am begierigsten sie wieder zu sehen, denn sie muß ja nun auch schon erwachsen sein. – Deine Reiselust und Sehnsucht in ein südliches Land zu pilgern begreife ich nur zu sehr. Ist es mir hier schon zu kalt wie muß es dort sein  ! Italien, es gibt nur ein Italien  ! – Im August hiesigen Styls war ich noch in München also hätte Samson509 mich wol finden können, durch wen hat er erfahren daß ich abwesend sey  ? – Du enthälst Dich über Manches mich zu befragen und zu antworten, wo Du es solltest und könntest. Warum thust Du es nicht  ? ich will Dir schon Red und Antwort stehen denn ich besinne mich nicht was ich geschrieben das Dir so räthselhaft erschien. Jederzeit bin ich bereit Dir auf jede Deiner Fragen zu antworten, also nur zu  ! – | Emma’s Munterkeit macht mir viel Spaß. Ihre schwarze Haube hat mich wiederholt lachen gemacht. Sie, wie Auguste Helberg geborene Hüttel schreibt mir auch daß der Storch angefangen ein Nest zu bauen, so etwas Ähnliches wenigstens sagt sie – Die Briefe von ihr und der Schwester aus Dresden kamen an meinem Geburtstage, haben mich sehr erfreut. – Marga Dumberg ärgert mich auch. Nicht kann ich begreifen wie man eine arme zerbrechliche Mutter allein lassen kann und auf so lange Zeit. – Vor ein halbes Stündchen kam ein langer Brief vom Freunde Hartmann, sein Brief beweist mir daß er eine warme Gesinnung immer und immer für mich bewahrt und selbst wenn ich Monate lang nicht schreibe. Am Ende sagt er nebenbei daß meine Geschwister wol auf einer kleinen Hochzeit ein Tänzchen machen werden. Das war am 6 October, davon schreibt Ihr mir nichts, wer heirathet denn schon wieder  ? Später An Schirren habe ich geschrieben und auch an Hartmann die Einlage folgt. – Was mein Quartier betrifft ist die Tante ganz gegen eine Änderung, denn ich sagte ihr eines Abends als wir allein waren daß ich mich, obgleich ich einsehe wie nachtheilig es mir sein wird in der Kunst ihrem Willen fügen wolle  ; aber sie hat durch aus gewünscht daß ich fort machen solle.510 Das Quatier ist tritten« meint, ist nicht klar. Vielleicht hatte sie schon einmal vor 1846 in St. Petersburg ausgestellt. 509 Ein Mitglied der baltischen Adelsfamilie Samson-Himmelstjerna. 510 Nun scheint sich dieser große Streitpunkt zwischen dem Vater und Julie gelöst zu haben, was wohl mehreren Briefen von Rugendas zu verdanken war, die leider nicht erhalten sind. Der Vater hatte offensichtlich eingelenkt und die Verwandten waren nun auch zufrieden. Julie Hagen arbeitete weiterhin im eigenen Atelier in München in der Nähe ihres Mentors Rugendas.

558 | Die Briefe bis jetzt noch nicht geheitzt worden da es unnöthig war und wird es so kalt daß ich es nicht erheitzen kann, wird wol ein besseres sich gefunden haben jedenfalls darfst Du in dieser Sache | Dir keine Sorgen machen. Mein Bild der »beiden Mädchen« müßen nun jetzt trocknen. Bernhardt dem ich begegenete wird mich dieser Tage besuchen um es anzu sehen bevor ich daran lassire. d  : 29. Ehe ich diesen Brief schließe kann ich Euch sagen daß alle nöthigen Schritte, Briefe nach Stettin und Laufzettel abgegangen sind. Du erinnerst Dich wol vor zwei Jahren war die kleine Kiste mit den Bildern nach Petersburg gegangen um den Weg nach Dorpat zu machen und hatte sich deshalb auch ein Paar Monate aufgehalten. – Mit der größten Ungeduld werde ich den nächsten Brief von Euch erwarten. Gott werde ich bitten daß die Sachen bis dahin in Euren Händen sind. Lebt alle wohl  ! Herzliche Grüße von den Verwandten  ! – Die armen Tanten sehe ich sehr selten und wenn es geschieht gehe ich gewöhnlich für lang traurig weg. Tante und Onkel sind nun wieder die alten liebenswürdigen Pflegältern gegen mich. Lebt herzlich wohl  ! Mit größter kindlicher Innigkeit umarmt Euch alle Eure Tochter und Schwester Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 3.11.1850 München Sonntag d  : 3 Nov 1850 Theure geliebte Aeltern  ! Kaum kann ich den Tag ganz scheiden sehen ohne daß ein neuer Brief begonnen hat zu sein. Der Kopf brennt mir, ich fühle mich im höchsten Grade aufgeregt. Morgen ist des Onkels Namenstag, zu dem selben habe ich ein kleines Bildchen copiert nach Freuermüller511 [sic], ich dachte zu spät an den Tag und mußte mich sehr daran halten um fertig zu werden. Heute denn waren eine Maße Menschen zur Gratutation hier denen ich unsere Reise d. h. einigen welche sich dafür interessierten erzählte ich habe mich dabei ganz furchtbar erhitzt, es ist mir aber immer wenn ich’s thue als durchlebte ich Alles noch ein mal und eine unbendige Sehnsucht ergreift mich und zieht mich hinfort  ! Seit Eurem letzten Brief finde ich noch in anderer Beziehung keine Ruhe besonders wollen die Nächte mir wenig erqickenden Schlaf spenden die Kiste ist’s, welche mich aus den quälendsten Sorgen nicht heraustreten läßt, ich kann nicht begreifen wo sie nur steckt. Alle die ich darüber spreche haben böse Erfahrungen gemacht, 511 Der Maler Moritz Müller (1807–1865), wegen seiner effektvollen feuerbeleuchteten Genredarstellungen und Volksszenen »Feuer-Müller« genannt, war in Dresden ausgebildet worden und lebte seit 1830 in München.

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Ledebour’s z. B. mußen oft 6 Monate warten auf den verschriebenen Thee. Die Eisenbahn soll darin sich Freiheiten erlauben die gar nicht zu begreifen ist. In diesen Tagen muß ein Brief von Stettin kommen. Die Träume welche ich habe gehen ins aschgraue dieser Sache wegen. – Schirren kann meinen Brief heute haben. Ihr wol kaum. – | Am Freitag war der Allerheiligentag und ein allgemeines Gräberbesuchen  ; am Abend des selbigen Tages Eröffnung der Gasbeleuchtung und großes Conzert, Tante und ich besuchten dasselbe  ; es war auch sehr schön, bei solchen Gelegenheiten fühle ich nur zu sehr wie wenig ich in die tiefere Musik eingehen kann, mir fehlt das Kunstverständniß, eine solche Symphonie von Bethoven ist doch was herrliches zumal vom Münchner Orchester aber ich verstehe sie doch nicht und der Genuß ist kaum zur Hälfte mir gestattet. Die Gasbeleuchtung hat für die ersten Abende viel Menschen hinaus gelockt  ! Ein ganzes Rudel Menschen umkreist und folgt dem Mann der die Lampen anzündet, was mir recht kindlich erschien. – Sonst hat sich nichts Erhebliches zugetragen, es regnet viel und ist recht häßliches Wetter.  – Ich habe auch noch wenig Lust zur Arbeit, an etwas Neues mag ich gar nicht denken und die Lust zum ernsten Studium wird auch wol früher nicht kommen bevor ich nicht weiß wie es mit der Sendung steht. Ich mache mir bisweilen deshalb einen Vorwurf aber zuletzt bedarf die Kunst wenn sie gedeihen will Ruhe namentlich die der Seele und die fehlt mir ja gänzlich. – d  : 6 Nov. Es vergeht ein Tag nach dem anderen und ich kann nichts thun. Tante versprach immer und immer zum Fertigmachen mir zu sitzen und läßt mich warten ohne Wort zu halten, jetzt werde ich also nicht früher was malen bevor sie kommt, sie soll ein Mal sehen daß es mir Ernst ist ihr Bild fertig zu machen. Noch ist keine | Nachricht aus Stettin, es ist mir ein Rätsel  ! Wenn ich an Deine Ungeduld, Deinen Jammer denke möchte ich rasend werden, und auch ich habe bald keinen andern Gedanken mehr als diesen einen. – Heute früh begegnete ich einem Briefträger ich fragte diesen ob er nicht für Fräulien Hagen ein Brief habe, ja, war seine Antwort aber leider gehörte dasselbe an die Berlinerin Hagen. »Morgen bringe ich für Julie Hagen in der Königinstraße einen Rußen« mit diesem Versprechen ohne daß ich meinen Namen ihm nannte ging der Mann schalkhaft aussehend seiner Wege weiter, möchte er doch geweissagt haben  ! – d  : 11 Nov. 1850. Schon so lang habe ich geschwiegen ich sollte es auch jetzt noch thun. Denn jetzt kann ich nichts thun als mit Dir lieber Vater klagen, jetzt ist auch meine Geduld hin, jetzt weiß ich selbst nicht mehr was ich sagen soll. Nicht erhalte ich Briefe aus Riga nicht kommt aus Stettin eine Anzeige, daß die Kiste angekommen und expedirt. Vorgestern ließ ich wiederum dahin schreiben und zugleich hinzu fügen daß man mir die Bilder lieber zurück senden soll sobald sie nicht rasch und zuversichtlich weiter geschickt werden kann, d. h. zu Lande. Wen ich auch darüber spreche findet das bei jetziger Zeit sehr natürlich, das ist

560 | Die Briefe mir freilich wenig Trost. Die Eisenbahnen sollen jetzt, da so vieles Melitär weiter geschafft werden müßen – sich häufig sollche Sachen zu Schulden kommen lassen. Namentlich Kaufleute klagen allgemein über langes, oft mehrere Monate langes Warten, aber was helfen mir diese Entschuldigungen. | Weiß ich ja nur zu gut daß ich bei Dir keine Entschuldigung finde, ich sehe Dich in Verzweiflung ach und das ist mir furchtbar  ! Aber bin ich nicht doppelt gestraft beim besten Willen kann ich nicht arbeiten. Die Nächte vergehen, ich wältze mich hin und her und finde nicht was ich suche. Gott mache es doch gut  ! Zu all dem Kummer mußte ich neulich einige Brieffragmente mit Bleistift finden, d. h. sie fielen mir in die Hände da etwas darin gewickelt gewesen. Da fand ich denn zu meiner ganzen Betrübniß daß immer noch meine – ich glaubte lang vergessene Geschichte noch fort besprochen wird und daß es immer kein Ende finden will. Wann Tante den Brief geschrieben kann ich nicht wissen denn sie thut es ohne mir davon ein Wörtchen zu erzählen, was ich am Ende auch nicht verlange. Allein sie sagt daß ihr sehr sonderbar erschienen sey daß Rugendas am 20ten Tage nach unserer Rückkehr gekommen um versöhnend zwischen den streitenden Teilen zu wirken – und führt denn fort in ihrem Mißtrauen all mögliche Verleumdungen, die gegen sie, von R und meiner Seite gemacht worden, zu sprechen, welche sie voraussetzt. Ich war an dem Tage d. h. zur Stunde als R. da gewesen nicht zu Hause. Drei Tage vorher blieb ich zu hause weil ich unwohl mich fühlte und da ich nun nach Hause kam sagte Tante daß R. fragen kam ob ich krank sey, da er | mich mehrere Tage nicht im Attelier gefunden etc. Tags darauf erzählte er mir denn nun daß er Tante allein gefunden und Gelegenheit genommen habe mit ihr über das Vorgefallene zu sprechen und eben nur im Gespräche mit hineingeflochten habe, daß Du ihn aufgefordert im Falle es nöthig sey als Vermittler zu wirken. – Ich muß voraus sagen daß Rugendas seit wir zurück sind zwei Mal vorher schon bei uns gewesen war und nicht jetzt am 20 Oct zum ersten Male. Ich erkenne nun wieder von Neuem daß auch überall und immer bei dem Harmlosesten, Unschuldigsten etwas Böses untergeschoben wird, immer und ängstlich sucht man andere Motive als wirklich vorhanden sind. »Du gleichst dem Geist den Du begreifst, nicht mir« so spricht Göthe und diesen Spruch wende ich hier an er findet Anwendung. Daß ich der Tante einen Brief von Dir vorlesen habe müßen das hat sie gewiß verschwiegen. Ich durfte es thun da der Eine voll der häßlichsten Dinge für mich war. Sie schien beruhigt, doch ich sehe es schien nur so, leider  ! –Sonst kann ich nicht klagen sie ist gegen mich freundlich und gut, recht gut  !  ! d  : 18 Sonntag. Die Tage vergingen in der furchtbarsten Unruhe, von keiner Seite kamen mir Nachrichten, weder gute noch böse, bis endlich vor einer halben Stunde von meinem Speditör und Freund des Onkels, Herrn Kaufmann Faulstich, ein Brief aus Stettin von Schulze kam, der meldet daß das Colly am 4ten

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Oct. von Stettin mit dem Dampfschiff Düna | abgegangen und an C R Krüger512 befördert worden und von dem selben an den Adressanten abgeliefert ist. Ein mächtiger Stein ist mir vom Herzen gefallen, ich weiß doch nun daß die Bilder nicht verloren gegangen, weshalb sie Schirren aber nicht bekommen kann ich mir nicht erklären. Ich werde ihm heute noch schreiben und den Brief aus Stettin beilegen um ihm dadurch gleichsam das Recht zu geben die Kiste abzuholen im Fall man ihn nicht gefunden oder sonst nachläßig im Befördern derselben gewesen. Die ganze Sache hat mir all mein Fell welches ich mir in Italien angelegt, wieder abgestreift ich bin ganz mager geworden, die Nächte konnte ich vor Sorge nicht schlafen und den Tag über kaum arbeiten. Immer nur dachte ich an Deinen Jammer und das Herz wollte mir dabei brechen. Aber jetzt will ich wieder froh sein da ich die Kiste in Riga wenigstens weiß, will ein Mal wieder ruhig schlafen. Doch diese Bemerkung mache ich heute wie seit Deinem letzten Brief daß ich gewiß nie wieder Bilder schicken werde um uns allen solche schrecklichen Monate zu ersparen. – Kinkle’s Flucht aus dem Gefängnis zu Berlin habt Ihr durch die Zeitung vernommen, ich denke mir die Liven als seinen Befreier, das wäre so übel nicht, ich fände es interessant und würde stolz auf meine Landmännin blicken.513 Hier, wie überall hat dieser Fall außerordentlich viele Freude hervorgerufen. Die neue Oper »der Prophet« beschäftigt | die guten Münchner sehr. Wir waren auch gestern hineingegangen und sehr befriedigt nach hause zurück gekehrt. Die Musik hat sehr viel Melodie, die Ausstattung ist außerordentlich reich, die Decorationen meisterhaft. Das was mich wahrhaft entzückt hat war das darin vorkommende Schlitschuhbalett, vom ganzen Balettcorps ausgeführt. – Heute habe ich an die Tante Elisabeth in die Schweiz geschrieben. Zum Namenstag des Onkels kam ein Brief, welcher uns ihr Wohlbefinden meldet aber zugleich auch daß der Sohn von 21 Jahren an der Lungensucht514 gestorben ist und der ältesten Tochter Kind gleichfalls, nachdem es 3 Monate alt wurde, diese irdische Welt verließ. Aus Florenz ist auch ein Brief von unserem Reisegefährten Gilli gekommen welcher uns Freude machte. Sonst ist nichts in unserem kleinen Kreise vorgefallen daß das Erwehnens werth wäre. Daß wir einen Fuß hohen Schnee haben und gehabt haben ist etwas was Euch wundern könnte. Wenn nur erst das Weihnachtsfest vorüber wäre  ! – In diesen Tagen muß ich nun wol wieder einen Brief von Euch 512 Die Speditionsfirma Carl Robert Krüger in Riga. 513 Sie vermutet hier richtig, dass Marie von Bruiningk maßgeblich beteiligt war, indem sie eine große Summe für die Flucht Kinkels zur Verfügung gestellt hatte (vgl. Anm. 450). Gottfried Kinkel avancierte zu einer Symbolgestalt der demokratischen Bewegung, die Verwirklichung seiner politischen Visionen blieb ihm aber zeitlebens versagt (vgl. http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/K/Seiten/GottfriedKinkel.aspx [aufgerufen am 16.8.2018]). 514 Tuberkulose.

562 | Die Briefe bekommen. Hat Mieze keinen Brief von Schwarz  ? Man hat mir lang nichts von ihm erzählt, ich möchte wissen wie es ihm geht, Grüße an ihn und das recht herzliche. – d  : 20 Morgens. Es ist noch so dunkel daß ich kaum schreiben kann, es regnet vom Himmel herab was es nur immer kann. Ein Tag zum Malen  ! Gestern fing ich ein Portrait | an, das des Grafen Wolkenstein,515 Es wird wol etwas dunkel in der Farbe ausfallen bei solchem Wetter, beim Arbeiten gleich am Morgen hatte ich etwas Fieber der Kopf fing an mir zu glühen und ich bekam große rothe Flecken die sich bis zum Abend auf meinem Gesichte aufhielten. Das schreibe ich der vorvergangenen Sorge und Unruhe der verlorenen Kiste wegen zu. Denn die Ruhe nach solcher Aufregung war ein zu starker Contrast. – Dem Schirren schrieb ich augenblicklich, schickte ihm den Brief von Schulze aus Stettin mit. Ich weiß nicht warum er mir nicht antwortet, dies ist nun der 4te Brief den er von mir erhält. Sollte er krank sein, oder abwesend von Riga  ? – Was Carus mir hat schreiben wollen hast Du vergessen mir mitzutheilen, ich wiederhole daß ich keinen Brief von ihm gehabt habe. Wie bist Du mit den Farben zufrieden  ? Alexander (vgl. Abb. 13) soll nur recht fleißig sein, ich denke stark daran ihm bald möglichst auf eine oder die andere Weise zu nützen. Nur immer viel thun damit die Hand lernt den Stoff begreifen und allmählich in ihrer Gewalt haben. Aus der Wäscherin wird eine sich kleidende Italienerin werden, Mit wenig Mühe kann das geändert werden, nur fehlen mir immer noch die nöthigen Arme um daran zu arbeiten, Es freut mich daß ich das Bild ändern kann, ohne daß es in der Hauptsache geändert wird. Zu begierig bin ich auf Deinen Brief den ich täglich erwarte. | d  : 21 Nov. 50. 10 Uhr Abends. Es ist Nacht geworden, ich sitze in meinem Schlafkämmerlein, das nicht geheitzt, also kalt ist aber ich spüre es nicht, mein Kopf, mein Herz brennt  ! Der ganze Körper pulsirt fieberhaft und es wird mir unmöglich in’s Bett zu gehen, wo ich doch lang keinen Schlummer finden kann, ohne Euch zu sagen wie glücklich mich Eure Briefe gemacht haben. Ach unbeschreiblich glücklich  ! Nachdem wir zu Abend gegessen hatten und ich nach alter Gewohnheit meine liebe liebe Zither zu schlagen begann, und heute mit besonderem Gefühle, was zum Theil meine innere Stimmung erzeugte, zum Theil aber auch die Äußerung meines Lehrers zur Tante daß ich seine beste Schülerin sei. So wurde plötzlich geschellt und ich eilte mit den Worten um auf zu machen  : »gewiß der Briefträger mit dem ›Rußen‹ –   !« So war’s  ! Tante laß ihren Brief von Mutter und machte mich zittern durch ihre Worte welche sie heraus ließ  : »heute sind Julie’s Bilder ange515 Die Grafen Wolkenstein-Trostburg und Wolkenstein-Rodenegg gehörten einem alten Adelsgeschlecht aus Tirol an. Wer der Porträtierte war, konnte nicht geklärt werden.

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kommen etc.« – Jetzt konnte ich kaum den Anfang schnell genug durchfliegen um bis an die Stelle zu gelangen wo ich erfahren sollte daß es wirklich so ist, daß all die Sorge und der Kummer dieser Sachen zu vergessen ist, Herr Gott wie bin ich froh, wie glücklich, wie seelig  !  – Weniger dachte ich an die Arbeiten die verloren gegangen als an Deine Ungeduld und Kummer und weiß Gott noch was Alles, wodurch natürlich Deine Stimmung eine höchst beklagenswerte ist. – Ich weiß wahrhaftig kaum was ich alles Euch sagen soll von meinem Glück das ich in diesem Augenblick empfinde. Eines nur ärgert und betrübt mich, daß Du lieber Vater diese Skizzen516 dem Liphart | abzutreten gedenkst oder schon abgetreten hast. Du hast vergessen daß ich Dir schrieb daß diese in keinem Fall verkäuflich sind und selbst wenn sie Dir durchaus nicht gefallen sollten so wollte ich sie mit dem größten Vergnügen behalten. Du hast vergessen daß ich diese aus seinen Mappen von jetzt hundert Skizzen aussuchte und daß ich allein Recht hatte es zu thun also schon um deswillen sie nicht verkäuflich sind, diese 4 Landschaften sind meine ganze Schwärmerei gewesen und nun soll ich sie nicht mehr mein, nicht unser nennen  !  ! Sieh ich möchte weinen darüber  ! Den Reiter auf dem gelben Pferd darfst Du nicht verkaufen für keinen Preis der Welt da es ein Doppelandenken für mich ist, erstens eine Arbeit von Rugendas, zweitens ein Weihnachtsgeschenk meiner lieben süßen »Kleinen« Marie Lattner (Berger). Daß die ausgeführten Sachen von R. heute von viel wenigerem Werthe sind habe ich Dir gewiß schon öfter geschrieben und diese genialen Landschaften giebst Du ohne Weiteres weg  ?  ! Im Fall Liphart sie noch nicht in Händen hat und der Händel zurück gehen könnte so wäre es mir lieb, ich zahle Dir die 4 Louisdor, meinethalben auch 5 nur muß Du sie mir lassen. Für Liphart will ich andere unter dem Vorwand für Dich zu erlangen suchen nur laß mir diese nicht in ein Haus wandern wohin ich nicht oft hin dürfte wenn ich zurück nach Dorpat käme. Damit sie nicht | in Riga bleiben sollten schrieb ich sogar dem Schirren daß sie um keinen Preis verkäuflich sind. Sage dem Liphart er könne um 3 Louisdor welche haben, diese gehörten mir. – Die rothhaarige Seyboldt mag er haben. Kaulbach bedauerte neulich das Bildchen nicht fertig gesehen zu haben in dem er wieder sie bezeichnete durch – mein Favoritköpfchen, so nennt er sie schon öfter auch das Profil im weißen Beduinenmantel. Du hast recht die Todeln sind schwer allein sie sind national. Die hellblauen Augen des Dominos sind portrait und eigenthümlich, wie eben alles rein portrait ist. Das Beduinenfräulein also das Profiel ist im ¾ Profiel gemalt und zwar ist sie diejenige, welche das Liebesbriefchen in der Datura versteckt (vgl. Farbabb.  12). Die Datura habe ich mir zu sam componirt durch getrocknete Blüthen des alten Ledebour dann Natur516 Die vier Skizzen von Moritz Rugendas, die sie für den Vater mit der Bilderkiste nach Dorpat schickte.

564 | Die Briefe zeichnungen des Rugendas und Naturskizzen in Oel von mir von der unechten bloß (Farbabb. 15).517 Aber die Pflanze ist so gut daß alle meinen ich hätte sie treu nach der Natur gemalt. Die Sorge wäre also beseitigt. – Gestern schickte ich nun wieder einen kläglichen Brief nach Riga ab mit dem Briefe aus Stettin und umsonst  ! – Einige Beschädigungen werden nothwendig zu verbessern sich finden wie z. B. die dicken Lichtskleckse an dem Golde des Ungarn werden durch das Rollen geplatzt sein daher bitte ich die Schäden zu repariren nur nicht den Neger zu verkleinern | hierin bin ich nicht ganz Deiner Meinung indessen sollte ich heute lieber versuchen etwas zu schlafen um morgen frisch zu sein, ich fürchte aber daß mich die Skizzen und die Freude daß endlich die Sachen angekommen sind nicht schlafen lassen. – Freitag d  : 22 Nov 50. So war es ich fand keinen Schlummer  ! Wol hundert Mal drehte ich mich um und um aber immer um sonst, der Schlaf bleib mir fern. Ich weiß nicht was mehr Schuld hatte die Freude oder der wahre Kummer betreff der Skizzen. Ich meine daß es Dir nicht schwer werden könnte sie wieder zu haben denn ich sehe nicht ein wie man solche Sachen für diesen Preis außer dem Lande haben will und kann, dabei hast Du weder Transportkosten, noch meine Sorgfalt, die ich hatte sie zu bekommen berechnet. Ich werde ein Blättchen schreiben das allenfalls Liphardt lesen kann und sogar soll damit es nicht aussieht als hättest Du Dich anders besonnen. Dem Rugendas werde ich’s kaum erzählen da er sich ärgern würde. Abends. Rugendas sprach ich nur kurz heute. Von Schirren und dessen Schwester erhielt ich auch heute einen Brief lieb und freundlich. Da hab ich mich denn geärgert daß er die Kiste leer und die Bilder ausgepackt nebenbei von dem Kaufmann erhalten hatte ohne jede Adresse. Der Brief aus Stettin sagt daß die Kiste mit dem Dampfschiff Düna abgegangen am 4 Oct. und jetzt erfahre ich daß dies eine Schurkerei gewesen denn man hat sie einem Kofor|deischiff518 anvertraut, das ist doch infam  ! Ich möchte den Leuten allen die Augen auskratzen, so ärgert mich diese Gewissenlosigkeit  ! – Hab ich nun Schuld an all diesen Sorgen die die dumme Kiste Dir, Euch mir gemacht  ? gewiß habe ich alles Mögliche ge­ than ohne mir einen Vorwurf zu machen, noch machen zu lassen. Aber jetzt ist es doch schon zum dritten Mal so gegangen. Gewiß schicke ich nichts wieder der Art in meine Heimath  ! – Der ganze Tag ist mir fast fieberhaft vergangen die 517 Eine solche Ölskizze hat sich erhalten  : Datura, um 1850, nicht bezeichnet, Öl auf Leinwand, 35,5 × 49,1 cm, Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Inv.-Nr. M 06214, (vgl. Farbabb. 15). Eine Idee des Motivs erhielt der Vater von dem in Arbeit befindlichen Liebesbriefchen (vgl. Farb­ abb. 12) durch eine der mitgeschickten »Pausen« der unfertigen Bilder. 518 Gemeint ist »Kauffa(h)rteischiff«, eine alte Bezeichnung für Handelsschiffe, vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde. in 32 Teilbänden, Leipzig 1854–1961, Bd. 11, Sp. 331.

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Nacht wie schon gesagt hab ich kein Aug zu gemacht. Mir gingen Eure Briefe bunt durch den Kopf herum, Freude, und ich wiederhole es, nochmehr Kummer ließen mir keinen späten Schlummer finden, die Skizzen von Rugendas sind nicht verkäuflich  ! ich begreife nicht wie Du diesen meinen ausdrücklichen Wunsch, den ich in einem meiner früheren Briefe ausgesprochen so vergessen konntest, erstens hab ich sie mir gleichsam erbettelt von R. denn ich suchte diese 4 aus der königlichen Mappe von gegen 100 Exemplare aus. Er hat mir ein Opfer gebracht indem er diese durch Copien ersetzte, diese Landschaften die so schön in der einfachen genialen Weise ihrer Behandlung sind waren meine ganze Schwärmerei und damit ich sie leichter und gewisser mein oder besser unser nennen durfte sagte ich Dir bloß von 3 Louisdor das Stück während sie 5 Louisdor kosten, ich habe durch Portrait aber mir das Geld zu verschaffen gewußt und nun hast Du | im ersten Moment, vielleicht in fieberhafter Aufregung dem Herrn von Liphardt sie zu gesagt. Ich könnte weinen  ! und weiß Gott ich that es schon, wenn ich mir denke daß diese Sachen, die nur mir gehören sollten jetzt in ein Haus kommen wo sie wol vielleicht besser passen möchten doch wo ich ihnen fern gerückt bin selbst wenn ich in Dorpat sein sollte nur höchst sellten meine Lieblinge zu sehen bekäme. Heut sah ich Rugendas bloß flüchtig denn er mußte zur Königin Marie und dem König Otto von Griechenland,519 dem äußerte ich bloß im Vorübergehen Deine Absicht und sein Gesicht wurde finster indem er sagte, das würde mich sehr ärgern, da ich sie aus der königlichen Mappe nur für Ihren Vater und für Sie nahm etc. Sprich mit Liphardt er kann unmöglich, selbst wenn er sie schon in seinem Besitze hätte sie behalten wollen bei solchen Umständen, Ich zahle Dir gern das Doppelte als Du bezahlt hast nur müßen sie mir bleiben. Dem Liphardt verspreche ich falls er welche haben will sehr gute vielleicht sogar bessere, er soll bestellen. Eben so wenig als diese Landschaften ist der Indianerreiter verkäuflich da es ein Doppeltandenken ist und einzig mir gehört, Meine »Kleine« schenkte das Bild mir im vorigen Jahre zu Weihnachten. Das die Landschaften gefallen würden | wußte ich wol deshalb schrieb ich auch dem Schirren nach Riga daß sie um keinen Preis der Welt verkäuflich sind und jetzt was hat es mich genutzt  ?  ! Zuweilen werde ich über diese Gedanken so ungeduldig daß ich nur vergehen möchte. – Ich meine einen Theil meines eigenen Selbst durch diesen Verlust zu verlieren denn der Gedanke daß sie mein sind hat mich unendlich glücklich gemacht und war so sicher und fest hin gestellt. 519 Der zweite Sohn Ludwigs I., Otto Friedrich Ludwig (1815–1867), war 1832 bis 1862 als Otto I. König von Griechenland. Mit »Königin Marie« kann nur Marie Friederike von Preußen (1825– 1889) gemeint sein, die 1842 den Thronfolger und späteren bayerischen König, Maximilian II. Joseph, geheiratet hatte. Otto I. war mit Amalie von Oldenburg (ab 1836 Königin Amalie von Griechenland, 1818–1875) verheiratet.

566 | Die Briefe Erzähle dem Liphardt einfach wie es sich verhält, und er wird ohne Zweifel sie Dir zurück geben da Du Etwas verkauft was so eigentlich Dir nur zum Theil gehörte. Damit ich nicht zu spät damit komme sende ich morgen den Brief ab, es läßt mich gar nicht mehr ruhen und mit wahrer Angst werde ich Deinen nächsten Brief erwarten  ! So geht es mir aber, dasjenige was ich im vergangenen Jahre für solche Liebhaber wie eben Liphardt und Brederlo schickte und mit meinem Gelde bezahlte das blieb mir, ich habe ihnen einen Gefallen thuen wollen durch namentlich Brederlo’s Veranlassung. Jetzt wo ich für mich was gesandt will man es haben ohne meine Mühe und Sorge um dieselben zu berechnen. Sieh zu wie Du sie zurück erhälst, kann das nicht mehr geschehen so werde ich einen bleibenden Kummer mir dadurch bereitet haben und ich werde bloß bereuen je daran gedacht zu haben, mir sie anzueignen. | – Wenn Liphardt das rothhaarige Nichtchen des bekannten Dichters Steub kauft so hat er einen Kopf welcher unter allen Künstlern, Kaulbach nicht ausgenommen große Theilnahme fand. Du sagst ich hätte ich [sic] die Haare lassiren sollen, ich that es da das Gesicht wie die Kleidung lassirt wurde, die Haare sind keineswegs zu roth gegen die Natur gehalten. Ich begreife nicht wo der Urwald von welchem Krüger Dir so viel erzählt, hier in München steckt. Selbst R. den ich wiederholt fragte weiß von keinem, in Berlin befinden sich zwei sogar. Bitte Krüger mich zu sagen wo ich ihn suchen und finden kann. – Das Portrait der guten Tante ist besser welches ich hier behielt, ich beabsichtige es mir dagerotipiren zu lassen. Die Zeichnung die ich im ersten Jahre Euch sandte möchte ich doch gern sehen. Ihr könntet sie mir wol schicken, da habe ich doch Gelegenheit zu sehen wie ich sie aufgefasst damals oder besser wie ich fort geschritten seit der Zeit. Die Hand des Dominos mit dem Handschuh nannte Rugendas immer »Vernetsch gemalt«. Sie ist in einer Stunde entstanden während die andere mit der Maske, ich meine 6 Mal übermalt ist und doch schlecht ist. Ob ein gelb seiden Gewand besser gethan hätte wäre die Frage, indessen magst Du wol Recht haben, ich dachte mir oft daß weiß Atlas | sich schöner gemacht hätte als blau. Dem ist nun nicht zu ändern, Du mußt sie als Studie ansehen und ertragen ich habe etwas gelernt dabei und das hat auch sein Gutes. Hier hat sie, selbst unter den Künstlern Beifall gefunden. – Betreff der Goldrahmen will ich mich eifrigst erkundigen obgleich ich bis jetzt weder was gehört noch gesehen in der beschriebenen Art. – Dir lieber Bruder Carl danke ich daß Du dem lieben Wilhelm von mir und meinem Treiben schreiben willst oder solches schon gethan hast denn ich komme wahrlich nicht dazu einen ordentlichen Brief an ihn zu schreiben da ich weder Zeit noch die gehörige Stimmung bis jetzt fand. Es macht mir recht große Sorge daß Du so an Brustschmerzen leidest. Nimm Dich doch ja in Acht lieber Bruder  ! Dein Brief hat mich sehr erfreut obgleich er eigentlich traurig ist, eben so rührte mich Alexanders Aufregung über meine Arbeiten, es ist mir

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ein liebes Zeichen daß er bleich geworden als er die Kiste von Rimthel’s520 abholte kann ich begreifen nach so langem harten Harren, ich danke ihm herzlich dafür, wie auch den übrigen Geschwistern. Euch gefällt die Muse im rothen Gewande nicht, sie ist gerade auch nicht das Beste doch gefiel sie hier manchen auch schreibt Schirren darüber erfreut. Was Sivers zu meinen Studien | sagt, berichtet mir streng und genau mir liegt daran es zu wissen. Der Kircheisen schreibe ich wol sellbst denn das ist zu viel Güte mich so zu schmücken, mir ist’s als müßte ich mich schämen, da ich mich so hoher Gaben für unwürdig halte. Ihr müßt mir den Kranz aufbewahren damit ich ihn einst schauen kann. – Eigen­ thümlich daß an meinem Geburtstage so viele Menschen meiner gedacht indem Schirren meine Bilder ausgestellt. Ich glaube nicht daß er’s wußte. Der Zufall hat hier hübsch gespielt  ! Von meinem Portraite, Copie nach meiner Kleinen hat aber auch keiner von Euch ein Wort erwähnt habt Ihr es nicht erkannt  ? oder gefällt es Euch nicht  ? es ist ähnlich so sagen einige, andere ziehen mein eigenes im Hut diesem vor. Das Mädchen im Hemdchen und gekreuzten Ärmchen ist eigentlich nicht fertig, Alles, Kopf, Arme, Hände, Schulter gehört einer Person an, nur ist das Ding schlecht und unsicher gemalt. Alles ist prima, so auch dieses und hier ließ es mich sitzen. – Aus einiger Entfernung macht es aber einen lieben Eindruck daher hänge dasselbe so hoch es immer möglich. Nächstens berichtet Ihr mir wol wie Ihr die Bilder plassirt alles interessirt mich, ich begreife nicht woher Ihr den Raum für alle nehmt. | Das Blatt vor diesem kannst Du lieber Vater dem Liphardt vorlesen um die Skizzen zurück zu erhalten. Der Hofmaler Krüger kann sie ihm ja allenfalls copieren (ich weiß nämlich daß die Sachen von Rugendas gar nicht, oder nur sehr schwer zu copieren sind) ich weiß das aus Erfahrung. Dir gute Mutter verspreche ich die beiden guten Tanten Anna und Cecilie auch zu malen, wenn es nur nicht so weit wäre  ! Im Frühling müßen sie daran. – Kaum habe ich mehr noch zu berichten, oder zu beantworten. Herrmann Hartmann muß einen Studienkopf bekommen, ich schulde zu viel ihm dem lieben treuen Freunde, Meiner Schwester der Frau Staatsräthin werde ich zur Aussteuer ein paar Bilder malen. Der kleinen Johanna nächstens einen Brief schreiben. Für jetzt an alle recht herzliche Grüße und Küße. Tante und Onkel sind gesund und freuen sich daß die Sachen angekommen. Ich habe dem Rugendas mit nächstens einen Brief von Dir versprochen. – Er grüßt freundlich ebenso Tante und Onkel. – | d  : 23 Morgens. gestern wurde es spät da ich aufhörte zu schreiben, das beifolgende Briefchen an Rosalie Kircheisen besorgt doch freundlich begleitet mit den freundlichsten Grüßen. Fanny Wachter soll auch nächstens einen 520 Dieser Name konnte in Dorpat nicht nachgewiesen werden.

568 | Die Briefe Brief haben, sagt Ihr sie möge mir nicht grämen aber ich habe so viele Briefe zu schreiben daß ich die Lieblinge warten lasse. Kuß und Gruß ihr wie dem guten Hartmann, dessen Schwester, der Marga und meinen übrigen Freunden, Bekannten – Lebt wohl  ! Das Weihnachtsfest kommt ich weiß noch gar nicht was ich den Verwandten geben soll  ! – Meine lieben Skizzen  ! Die lassen mich nicht ruhen, sieh doch ja sie wieder zu bekommen. Lebt wohl und schreibt mir bald wieder und wenn es geht wieder alle. Der letzte Brief war ein reicher lieber Brief. Lebt wohl  ! Herzlich wohl  ! treu in Liebe bleibe ich Eure Julie NB Vor einigen Tagen hatte ich einen recht häßlichen Traum von Wrangelshof, und habe ihn mir sellbst gedeutet. Schreibt mir doch was das liebe Großmütterchen macht. Möchte ich sie doch noch ein Mal sehen, schreibt Ihr so grüßt alle besonders die liebe gute Großmutter Lebt wohl  ! —

H. Nach Rom  ! Vorbereitungen Dezember 1850 bis Januar 1851 Vermutlich trat durch die Ankunft der Bilderkiste in Dorpat ein Sinneswandel beim Vater ein. Die Planungen für die Romreise der Künstlerin nahmen nun Gestalt an. Julie Hagen setzte die Reise jetzt als bestimmt voraus und vertrat diese Bestimmung selbstbewusst gegenüber dem Vater. Die römischen Lebenshaltungskosten wurden überschlagen, täglich nahm Julie Italienischunterricht, den ihr Julie Dreuttel, die Ziehtochter der Ledebours, auf Kosten der Tante erteilte. Darüber hinaus äußerten sich die Verwandten, von denen sie nach wie vor finanziell abhing, nicht über den Modus Operandi. Julie ging davon aus, dass sie mit ihr gemeinsam die Reise in den Süden, die für den Herbst angesetzt wurde, unternehmen wollten. Der treue Freund Rugendas nahm die übrigen Vorbereitungen in die Hand und schrieb August Riedel nach Rom mit der Bitte, die junge Kollegin bei ihrer Ankunft in der Ewigen Stadt freundlich in Empfang zu nehmen. Leider war die Künstlerin auch jetzt noch nicht vor den brieflichen Attacken des Vaters gefeit. In dieser Phase war jeder Brief aus Dorpat wegweisend für Stimmung und Schicksal. Dem ersten Brief dieses Abschnitts von November fehlt ein Bogen, da der Vater ihn in einem Brief von Januar 1851 zurück nach München geschickt hatte als Beleg für ein neues Vergehen von Seiten der Tochter  : sie wäre »heftig« gewesen und solle nun doch nicht nach Rom gehen. Der väterliche Brief war offensichtlich gespickt mit neuen Vorwürfen. Julie hatte wohl in ihrem Brief kein Blatt vor den Mund genommen, was die unsäglichen Streitereien mit den Verwandten vom letzten Sommer anging. Auf den kalten Brief des Vaters reagiere Julie klug, indem sie seine neuerliche Forderung einer augenblicklichen Gefühlswallung zuschrieb und ihn beschwichtigte und um Versöhnung bat. Ihr Temperament, so schrieb sie, sei seinem zu ähnlich (»Ich muss so sein … um etwas zu leisten«), er müsse Verständnis haben. Sie stellte ihr spezielles Verhältnis zum Vater heraus – als älteste Tochter und als Künstlerin. Was Rom beträfe, konstatierte sie energisch  : »ich muss und ich werde gehen  !  !« Er möge sie nicht wie ein Kind behandeln, sie sei nicht für die »gewöhnliche Mittelmäßigkeit« geschaffen  : »Ich muss, ich will, ich werde Höheres erreichen … als mein Geschlecht es sonst thut.« Dieses selbstbewusste Auftreten dem Vater gegenüber ist bemerkenswert. Es wurde ihr durch die Rückendeckung von Moritz Rugendas möglich, durch den der große Traum der Künstlerin Hagen, als Schülerin Riedels in Rom zu leben, Wirklichkeit wurde. Tatsächlich schrieb Riedel umgehend zurück, dass er Julie im Herbst als Schülerin in Rom erwarte. Was für ein Glücksmoment  ! Riedel sagte sogar zu, für ein

570 | Die Briefe Atelier zu sorgen. Nur kurz flackerten in diesem Glückstaumel in der Künstlerin Zweifel auf, ob sie für Rom reif genug sei und wie sich nach dem Aufenthalt im Land der Sonne und der Farben eine Rückkehr nach Russland auf ihr Kunstschaffen auswirken werde. Derweil stellte der Vater die angekommenen Werke in Dorpat aus, zuerst im November 1850 und noch einmal, ergänzt um 34 eigene Werke, im Januar 1851, beide Male im von Liphart’schen Haus am Barclayplatz. Die Ausstellung war ein Erfolg, sie brachte der Familie gute Einnahmen. In dem kleinen Städtchen war die junge Künstlerin nun eine Berühmtheit. Von Liphart kaufte endlich Werke von Rugendas und Julie Hagen. Eine Frau von Krüdener begehrte das große Rugendas-Porträt, das Julie zum Verkauf freigab. Der alte Hagen selbst machte nun Bestellungen bei Rugendas. Nur wenig berichtete sie von ihren aktuellen Arbeiten in München. Rugendas verschaffte ihr Aufträge in den bekannten Augsburger Familie Forster und Schaez­ ler. Die Eltern Diß wollten sich malen lassen und auch der Tiermaler Friedrich Voltz wartete noch auf sein Bildnis. Julie vollendete endlich das wichtige Liebesbriefchen (vgl. Farbabb. 12) und malte eine Italienerin, die die Gesichtszüge der Maria Diß trug. Sie stellte wieder erfolgreich im Münchner Kunstverein aus und wurde dort Mitglied, gehörte somit zu den wenigen (nicht stimmberechtigten) weiblichen Mitgliedern des Vereins. Einen interessanten Eindruck gewährte sie in ihre Maltechnik, indem sie dem Vater detailliert ihre Palette und ihre Vorgehensweise beim Porträtmalen beschrieb. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 26.11.1850 München d  : 26 Nov 1850. Meine lieben theuren Aeltern  ! Eure letzten Briefe haben mir unendlich viel Liebes gebracht, ich lese sie immer noch von Zeit zu Zeit durch und meine noch immer Neues zu entdecken. Seit drei einen halben Monat habe ich nur wenig ruhige sorgenlose Augenblicke gekannt auf der Reise allenfalls und da nur wenn die vielen herrlichen Naturund Kunstschöpfungen mich betäubten. So hatte ich mich denn gewöhnt an die nagende Sorge, anfangs bei Euch und den Verwandten die gewohnte Liebe verloren zu haben später Dich um die verlorenen Bilder in einem gar nicht zu beschreibendem Kummer zu wissen. Kurz, entfremdet der Zufriedenheit kann ich jetzt die glücklichen Empfindungen kaum ertragen, – Am Tage rege ich mich auf daß ich bald einen glühenden Kopf bekomme daß ich kaum arbeiten kann und nicht ein Mal mag sondern möchte ausgelassen wie ein Kind sein, kommt dann der Abend und die Nacht heran so finde ich fast keinen Schlaf. – So ist es denn öfter geschehen daß ich mir wiederholt Licht an gemacht habe und end-

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lich aufgestanden bin um mich auf irgend eine Weise zu beschäftigen. Großes Glück ist gleich großem Kummer nachtheilig, ich spreche jetzt aus Erfahrung. In Deinem nächsten Brief erwarte ich, und besonders Rugendas eine bestimmt ausgesprochenes Urtheil betreff meiner Arbeiten was Arangement und Anordnung betrifft mit einem Wort ob Rugendas als Lehrer Deinen Wünschen besser entspricht als Bernhardt. | Von den Pausen meiner unfertigen Bilder welche ich mitsendete hat kein Mensch ein Wort erwähnt, sollten sie verloren gegangen sein  ? da der Kaufmann in Riga die Bilder hat durchsuchen lassen ohne nur dem Schirren eine Anzeige zu machen. So oft ich an die infame Willkür denke möchte ich mich hinsetzen und all den Herrn, so wol in Stettin als Riga, grobe Briefe schreiben. – Der Neger wäre Dir lieber als Brustbild, dann müßte freilich alles übrige geändert werden, ich hätte kaum Luft, Siroko und ich weiß nicht was noch alles nicht malen können. Zweitens mußt Du diese Sachen immer noch als Studie betrachten und nicht als Bilder, denn so lange ich Tag für Tag ohne Unterlaß arbeite so thue ich es um was zu lernen und suche eben Köpfe die brauchbar zu dem Zwecke sind. Hab ich nun also den Kopf so wird denn die Frage gestellt, »was mache ich daraus  ?« Und so lange ich treu Portrait male kann ich nicht anders zu Werke gehen. Habe ich ein Bild im Sinne etwa eine Composition (wozu ich freilich wenig Geschick oder besser Talent besitze) so kann ich Monate lang und dann noch vergebens um einen Kopf mich um sehen der in mein Bild hinein paßt –. Dem Liphart sage daß das rothe Köpfchen in einen ovalen Rahmen berechnet ist d. h. wenn er sie wirklich kauft. – Meine lieben | Skizzen  ! meine Skizzen  ! – Eben so ist es mit dem Mädchen welche durch den Wald zieht, ich malte den Kopf nur weil die Farbe schön ist. Die Formen sind stumpf und das Gesicht dumm. Im Profil allein konnte ich Schärfe hinein bringen daher ist es eben ganz Profiel geworden und nicht anders  ! – d  : 1 Dec. 50 Sonntag. Ein etwas kühler Tag, trüb doch kein Regen, was seit dem ganzen Jahre fast ohne Unterlaß geschah und so beinahe uns zur Gewohnheit wurde. – Der Winter scheint ein milder, aber naßer werden zu wollen, mir ist’s nicht recht. Die Tage sind so finster daß es kaum möglich wird zu arbeiten. Neben den Portraiten welche ich zu Weihnachten zu malen habe ist eine Italienerin auch begonnen, ein liebes Gesichtchen. Das Kostüm habe ich noch nicht, R. fragt bei seinen Bekannten nach. Das Bild ist in seiner Atetüde sehr nett, so scheint es mir. Sie kommt oder geht in die Kirche im Hintergrund Kolosseum etc. die Hände sind über ein ander geschlagen so daß die eine Hand vom rechten Arm beinahe bedeckt wird die Rechte hält einen Rosenkranz. Ich werde mit großer Liebe an dem Bilde arbeiten die Stellung der Hände und der Ausdruck des Gesichts hat was ungemein Züchtiges, mädchenhaft Unschuldiges. Vor Weihnachten habe ich noch manches zu thun, für die Verwandten und die

572 | Die Briefe bestellten Portrait’s. Wenn nur die Tage länger wären  ! – Heute früh um ½ 6 Uhr war Tante und ich schon auf die Straße, es war noch völlig nacht, pech schwarz, Wir gingen | in die Kirche um das erste Engelamt zu hören. – Die Baßilika, die schönste Kirche in München ist vor einigen Tagen auch eingeweiht, eines Abends waren wir beide auch zur Predigt und Litanei hinaus gegangen. So selten reich geschmückte von Gold und Kunstschätzen überfüllte Gottestempel findet man nicht leicht wieder wie hier. König Ludwig hat sich einen unsterblichen Namen in den Kirchen erworben. Alle Tage gehen Truppen fort nach Hessen und alle Tage kommen neue um zu folgen Östreicher sieht man häufig. Man sagt sogar daß wir Östreicher zum Schutze bekommen. – d  : 10 Dec. 50. Es ist doch schrecklich daß ich nimmer zum Schreiben komme. – Es begegnet und passirt mir so wenig daß ich mich gehen lasse da ohne hin die Weihnachtszeit heran gerückt ist und es mancherlei zu thun giebt – Für die Verwandten habe ich ein Bild in der Arbeit das wie ich glaube sehr gut werden wird. Eine Mulatin. Ich werde das Bild für Dich copiren. Es ist doch was einziges um eine tief braune Farbe, es ist Kraft und leben darin. Seit Eurem letzten Brief kann ich nur selten die Nächte gut schlafen. Ich begreife meine Aufregung nicht. Vor einigen Tagen hatte ich in meiner Stube Einquartirung, nämlich einen Bienenschwarm der gefüttert werden mußte und dazu war es draußen zu kalt. Vorige Nacht konnte ich nun wieder wenig schlafen und amusirte mich auf ’s prächtigste mit meiner kleinen Gesellschaft sie machten einen solchen Lermen und aus verschie… | {Blatt fehlt}521 … Silber den Tag ausgekommen so irrst Du sehr. Wol kann das vor 25 Jahren der Fall gewesen sein doch die Zeit ist vorüber und hat ein Anderes hingestellt. Hier muß ich Modellen 2 Gulden und sogar mehr noch täglich bezahlen was ja allein schon 1 R 40 Kop. S. ungefähr ist, da habe ich also weder zu essen noch Wohnung noch Lehrer, noch Malmaterial. Daß das Leben um die Hälfte theurer in Rom als in München ist hat mir der Bildhauer Schöpf im vorigen Winter gesagt welcher schon viele Jahre dort lebt. Indeßen kann ich das Alles genau durch unseren Freund Gilli erfahren.  – Die Haare der rothen Jean Paul genannt Laura von Seyboldt, Steub müßen sehr dunkel geworden sein, denn sonst könnte ich’s nicht begreifen.522 Ihre in der Natur waren noch greller roth. Dieser 521 Weiter unten im Brief vom 18.1.1851 an den Vater (S. 588) ist zu lesen, dass dieser einen Bogen an sie zurückgeschickt hatte, in dem sie »heftig« gewesen sei, um ihr ihre Unangemessenheit vor Augen zu führen. Um den hier fehlenden Bogen dürfte es sich dabei handeln. 522 Die Verbindung des Porträts Laura Seyboldt, Nichte des Dichters Ludwig Steub, zu Jean Paul

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Kopf ist ungefähr heute vor einem Jahr noch bei Bernhardt gemalt worden, doch nicht unter dessen Leitung sondern unter R. Aufsicht. Bernhardt lag zu Bett und war krank. Rugendas kennt Steub genau und bat diesen daß seine Nichte mir sitzen möge, erst im Sommer machte ich es fertig. An all den Bildern die ich Euch das Mal geschickt hat Bernhardt keinen Theil. Die kleinen Studienköpfe etwa, der Tante Portrait welche vor zwei Jahren gemalt ist. – NB  : hat Herrmann Hartmann meinen Kopf bekommen  ? gebt ihm mein Portrait wenn es ihm gefallen sollte. Ich habe mich darin besser erkannt als in mein eigen gemaltes. Was den Hintergrund des Rothköpfchens betrifft so habe ich ihn ganz und gar allein gemalt. Rugendas hat mich nur verhindert ihn zu vertreiben er kam zur rechten Zeit. Seine Worte  : »Laßen Sie ihn ja so stehen das ist Rottmann­ isch etc.« – also beruhige | Dich es sind meine Farben, durch R. Lehre zwar mir eigen geworden. – Die Augen und die rothe Farbe der blauen sind Portrait. Das Futter des Ärmels der Rechten ist so falsch nicht, der Natur habe ichs zu treu abgeschrieben. Das weiße Futter ist nicht so dicht gewesen als daß nicht das Licht, ich meine das Tageslicht durchscheinen könnte, und da das Blau vor dem Weiß steht mußte es nothwendig wol blau beschienen oder vielmehr reflexirt werden. Ich bitte Dich, überzeuge Dich von der Wahrheit, nimm die beiden Stoffe von gleicher Farbe und stelle sie gegen das Licht in der Beleuchtung wie mein blauer Ärmel ist. Ich hätte ihn freilich umschlagen sollen da wäre es weniger störend gewesen. Warum schreibst Du mir denn nichts von den drei Pausen, von den hier gebliebenen Bilder, die nicht fertig wurden  ? Sollten sie übersehen sein und mit dem übrigen Papiere in denen jedes Bild einzeln gewickelt war, weg geworfen sein  ? ich freue mich daß Du einsiehst und begreifst daß ich nach Rom muß daß ich nun nimmer mehr umkehren darf noch stehen bleiben kann. Ich danke Dir daß Du es mir auch sagst vor zwei oder drei Monaten hast Du mir Manches nicht glauben wollen und nun finde ich darin eine liebe Genugthuung. – Nur glaube ich ja nicht daß ich so ohne Weiteres zu Riedel kann, das geht nicht so leicht. Nimmt er sich meiner an so thut er’s bloß Rugendas zu Liebe, der sein einziger Freund ist. Riedel nimmt keine Schüler, eben so wenig | wie der erste Bildhauer

erschließt sich hier nicht. Das Bildnis ist erwähnt in der Besprechung einer Ausstellung des Jahres 1851 in Dorpat im Haus Eduard von Lipharts  : »In demselben Saal fesseln uns besonders die Bilder der 3ten Wand, namentlich ein Kind mit rothem Haar in hellgelber Morgenkleidung auf lichtem Grund. … ohne in eine detaillierte Kritik einzugehen, glauben wir bemerken zu dürfen, daß dieses Bild das interessanteste der Ausstellung sein möchte.« (Dörptsche Zeitung, Nr. 13, 1851, S. 8). Wie aus einer Handschrift der Künstlerin aus ihrem Nachlass (Privatbesitz) hervorgeht, hat Liphart dieses Bildnis später für seine Sammlung erworben, bisher konnte aber kein Nachweis über dessen weiteren Verbleib geführt werden (frdl. Mitteilung von Inge Kukk, Tartu/Estland).

574 | Die Briefe daselbst, Namens Tenerani.523 Gilli ist von Rauch und dem Prinzen Carl von Preussen an ihn empfohlen worden auf ’s dringendste. Er wird sein Schüler, da Rauch Teneranis liebster Freund ist. Wenn ich Riedels Schülerin werde bin ich die beneidenswertheste Person auf der Welt. Und ich weiß daß ich auch beneidet werde, unter den sämlichen Künstlern aber ich werde Glück haben im Publikum  ! – Es ist mir als dürfte ich mich jetzt seit dem mein Name eine Woche lang das Stadtgespräch geworden – nicht mehr in Dorpat zeigen, man würde mich nicht mit den Fingern nachzeigen aber doch wie ein halbes Wunderthier den Leuten erscheinen und das ist mir fatal.524 Selbst hier gehe ich ungern am Sonntage in den Kunstverein wo es voll Menschen wogt, 3–400 Person immer zu gleicher Zeit. Onkel und der Tante macht es Spaß wenn sie mal auf Mal hören entweder meinen Namen nennen oder mich als die Russin bezeichnen etc. Wie oft sind Leute an mir vorüber gegangen, oder sie haben mich so um ringt und achtungsvoll gegrüßt und ordentlich Fronte gemacht was mir sehr unangenehm und peinlich ist. Und am Ende würde ich’s jetzt schon vermißen wenn ich das Gegentheil bemerkte. – Um wie viel mehr würde das nun nicht in Dorpat sein, auch in Riga kennt man mich nach meinem Portrait. – Über Sivers wundere ich mich. Ist er denn gar nicht bei Euch gewesen ich hoffte daß er Theilnahme zeigen würde, weil ich’s wünschte, der gute Hartmann bleibt doch immer derselbe gute alte lieber Kerl, viele Grüße an ihn, auch an Sivers. | Es freut und wundert mich daß so viel Geld durch die Ausstellung eingegangen ist. – Ich erinnere mich nicht des Herren von Striek als unseren Reisegefährten vielleicht mit dem pucklichen kleinen Engelhart in Verbindung  ? mir am ende auch einerlei  ! – Daß Mariane Otto schlimm ist haben wir wol auf der Reise Gelegenheit gehabt zu bemerken, sie schulmeisterte den armen Duo (Vetter von ihr) wie einen Buben von 10 Jahren, er war ihr zu wenig sparsam etc. aber daß sie schlimmer ist als ihre Frau Mama dachte ich eben doch nicht  ! indessen könnt Ihr sie grüßen In Deinem Briefe liebe Mutter finde ich denselben Irrthum in dem der gute Vater sich befindet, nämlich ein Gulden ist nicht ein halber R. S. sondern 60 Kop. S. ungefähr. – Mir hat Emma […] vor einiger Zeit sehr heiter geschrieben und über eine in Aussicht stehende Begebenheit durchaus nicht unzufrieden, im 523 Pietro Tenerani (1789–1869) war Schüler Antonio Canovas und Bertel Thorvaldsens (1770– 1844). Tenerani war Professor der Accademia di San Luca und hatte als solcher viele Schüler. Über Gillis römische Jahre ist wenig bekannt. Insbesondere auch nicht, welchem Lehrer er sich anschloss. Als Deutsch-Italiener unterhielt er aber zahlreiche Kontakte zu den dort lebenden und arbeitenden Bildhauern, darunter auch Tenerani (vgl. Nehls, 1988, S. 133). 524 Sie bezieht sich hier auf die in ihrer Heimatstadt im November 1850 veranstaltete Ausstellung ihrer und der von Rugendas und Etzdorf übersandten Werke im von Liphart’schen Haus am Barclayplatz (vgl. Beilage zur Dörptschen Zeitung, 1850).

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Gegentheil außerordentlich lustig. Dem Herrn Vio meine Gratulation, wo wendet er sich hin nach seiner Promotion  ? vielleicht hat er noch nicht daran gedacht  ? ich bin vielleicht zu voreilig. Wie heißen die jungen Damen, liebe Mieze welche bei Fanny den Lesezirkel bilden  ? Was macht Julinka Wagner  ? Sonderbar träumte mir neulich von ihr – wie geht es der lieben Kattinka Seebach  ? ich verehre das Mädchen ungemein. Rosalie nebst Vater, den armen Kranken, Fanny, Minna Struve, Marga herzliche Grüße  ! – Was macht Bruder Carls | Brustschmerz  ? Hat er an Wilhelm geschrieben  ? – Was malt Alexander  ? Mit der italienischen Sprache werde ich mein Möglichstes thun. Die Tante hat mir nichts gesagt, noch. In den Weihnachtstagen denke ich die beiden alten Tanten zu malen, will sehen ob es dazu kommt. Weiß der Himmel ich habe wenig Ruhe mehr hier, ich möchte schon fort sein, möchte pilgern in dem gelobten Lande  ! Ich wage nur nicht davon zu sprechen um den Gedanken der so süß ist nicht zu verscheuchen. Für Alexander muß vorerst gesorgt sein, das steht fest in mir  ! also nur jetzt noch Ruhe  ! ich arbeite um mein Ziel zu erreichen und ich hoffe es wird mir gelingen  ! d  : 17 Dec. 50. Meine theuren Aeltern  ! Gestern habe ich nicht geschrieben und heute war ich auf dem Punkt alles Vorhergegangene zu vernichten und in etwas ruhigerer Stimmung zu schreiben allein ich denke am Ende nicht anders als noch am Sonntage.525 Verzeiht mir und laßt mich heute wieder von Neuem beginnen. Im Grunde habe ich’s nicht böse gemeint. Die Häftigkeit erfaßt mich nur Manches Mal mit begreiflicher Gewalt. Aber ich mußte so sein so geboren werden um etwas zu leisten. – Ich lese Eure Briefe noch ein Mal durch und finde da eine Frage die ausdrücklich beantwortet werden muß – »ob also R. Bildniß verkauft werden darf  ?« – Wol hatte ich nicht daran gedacht aber ich gebe meine Zustimmung wenn ich überzeugt bin daß er’s nicht erfährt. Er würde darin eine gewisse Mißachtung oder Dergleichen heraus finden was ich ihm ersparen möchte. Kannst Du | das Bild gut verkaufen so thue es, natürlich spreche ich ihm nichts davon. Für mich kann ich ihn ja wieder malen. Er wird nach Rom schreiben, Riedel mit Aufträgen überladen. Er sagt daß ein Model täglich 3 Gulden wenigstens bekommt, und die ganz besonders schönen eben noch mehr. Tante schreibt dies Mal nicht. Grüßt bloß wie auch der Onkel. Vor drei Wochen sagt sie habe sie erst geschrieben also doch, und Ihr sagt mir keine Sylbe. Ich wiederhole daß R. nicht gekommen war um zu vermitteln sondern zu fragen ob ich krank sey. – Es hat nicht leicht jemand so viel Tact wie gerade er. – Tante und Onkel übrigens sind recht gut und lieb wir vertragen uns herzlich  ! Gott gebe daß es lange dauern möge  !  !  ! – Heute erhielt ich von Emma ei525 Dies kann sich nur auf den fehlenden Teil dieses Briefes beziehen. Der 17.12.1850 war ein Dienstag, demnach schrieb sie die Passage davor am 15.12.1850, von der ein Briefbogen offenbar entfernt wurde.

576 | Die Briefe nen Brief, derselbe ist lang, aber ernster als die früheren. – Heute in 8 Tagen ist die Weihnacht bei uns. Weiß der Himmel ich freue mich nicht auf den Tag, ich möchte daß er schon vorüber wäre und ich wieder in voller Thätigkeit. Tante läßt sagen daß sie für die italienische Sprache sorgen wird und auch sonst für das übrige. Ihre Worte  : kommt Zeit, kommt Rath  ! – Neulich hat Kaulbach mich besuchen wollen und am selben Tage von der Tann, leider war ich nicht im Attelier. Rugendas ist sehr fleißig hat | ein Paar allerliebste Bilder in Arbeit für Herrn Schätzler.526 Das Eine, eine Hängematte worin zwei Edeldamen im Schatten von Fächerpalmen und andern Tropengewächsen ruhen und von der Hitze matt und schläfrig scheinen vor ihnen lagern zwei Lama’s oder Guanakki’s, Seitwärts sind verschiedene Mulaten und Negerinnen welche kleine Wickelkinder vor sich liegen haben, alles schläft  ! – Im Hintergrunde durch das saftige Grün der Bäume sieht man Springbrunnen und Gebäude oder eigentlich Säulengänge in schöner Architektur (Farbabb. 16). Eine köstliche Stimmung ist darin, diese goldene Ruhe und Wärme ruht in jeder Bewegung in jeder Linie. – Das Pendent ist eine Gruppe Indianer mit Kindern jungen Mädchen jungen Burschen theils zu Pferde und sehen tanzenden weißen Mädchen zu. – So schön dort die Ruhe ist, so herrlich ist in diesem die Lebendigkeit und Heiterkeit dargestellt.527 – In der vorigen Woche hat er wieder nach Hof müßen. Die königliche Familie sieht ihn sehr gern. Er erzählt aber auch vortrefflich. – Ledebour’s sah ich lange nicht, ich komme nirgens hin. Die Tanten sind gesund. ich besuchte sie vor 14 Tagen. – Jetzt werde ich wol so ziemlich fertig mit meiner Erzählung sein, ich habe nicht viel mit zu theilen. Was Alexander malt und wie er fort schreitet darüber berichtet mir ich wünsche darüber mir neue Nachrichten. – | Welche Krüdner528 ist R. Verehrerin  ? R. erwiedert den Gruß an Stackelberg529 und grüßt auch Euch. Wenn ich nicht mehr vor Weihnachten schreibe 526 Hier kommt wohl am ehesten der Augsburger Bankier und Unternehmer Ferdinand Benedikt von Schaezler (1795–1856) als Auftraggeber infrage. Möglich wäre auch sein jüngerer Bruder Ludwig Karl von Schaezler (1800–1861). Ferdinand von Schaezler war seit 1848 in München ansässig, unterhielt aber als führender Unternehmer weiterhin engen Kontakt mit seiner Vaterstadt Augsburg, in der er auch karitativ tätig war. 527 Diese Werke konnten identifiziert werden als La Siesta, 1850, bez. u.  r.: »MR/1850«, Öl auf Leinwand, 50,7 × 62,5 cm, Sammlung Banco Itaú, São Paulo (vgl. Farbabb. 16), und La Danse, 1850, bez. u. r.: »M. R. 1850«, Öl auf Leinwand, 50,5 × 62 cm, Privatbesitz, Courtesy of Sotheby’s. 528 Die Familie von Krüdener entstammt einem alten livländischen Adelsgeschlecht. Sie ist in Riga zu lokalisieren. Um welche Frau von Krüdener, von der im Folgenden noch öfter die Rede ist, es sich handelt, lässt sich zurzeit nicht abschließend feststellen. 529 Auch die Familie von Stackelberg gehört zu den alten livländischen Adelsfamilien mit einst umfangreichen Besitzungen im Baltikum. Hier ist wohl der Jurist Reinhold von Stackelberg (1797–1869) gemeint, von dem weiter unten wieder die Rede ist. Von ihm hat sich ein kurzer

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so wünsche ich Euch dies Fest recht heiter, froh und glücklich zu verbringen und werde wol fleißig sein bis auf den ersten Feiertag, das nahm ich mir vor  ! – Bröckern meinen Dank für seine Bemühung ich hatte nicht geglaubt daß auch ein mal die Reihe an mich käme durch seine Posaune dem Publikum bekannt gemacht zu werden.530 Werden keine Bälle in diesem Winter sein  ? – Sieht man hübsche Mädchen in Dorpat  ? Bleibt Herrmanns Nichte, die arme kranke Carantejef in Dorpat. Er hat mir oft schon von der Armen geschrieben so daß ich herzlich Theilnehme.  – Was geschieht mit den russischen Unterthanen welche über die Zeit des Passes außerhalb der Grenze bleiben  ? Kommen sie nach Sibirien oder ins Kloster  ? – Wie geht es den beiden Andersens in Dresden  ? Haben sie einen Lehrer gefunden  ? – Diese Masse Fragen werden Euch Langeweile bereiten. Lebt wohl und schreibt mir recht bald wieder mit inniger Zärthlichkeit grüß ich Euch alle und umarmt Euch Eure Julie Hagen Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 25.12.1850 München d  : 25 Dec. 1850. Meine lieben theuren süßen Aeltern  ! Die Weihnacht ist vorüber, der erste Festtag ist auch vergangen und ehe der Tag völlig zur Ruhe geht will ich an Euch schreiben. Ich hätte so gerne es schon früher gethan aber es wollte sich nicht machen. – Dein lieber herzlicher Brief lieber Vater kam am Sonntage, ich hatte den ganzen Tag gearbeitet und am Abend durfte ich als Lohn diese lieben Zeilen lesen  – sie machten mich so glücklich, so froh daß ich’s Euch gar nicht beschreiben kann. Ich freute mich aus Allem zu lesen daß Du mir doch nimmer mehr böse bist und ich wünschte nur Dich umarmen zu können um Dir meine Dankbarkeit recht fühlbar zu machen. Jetzt bin ich also Deine Schuldnerin was die Skizzen von R. betrifft nicht wahr  ? – Du hast sie Dir copirt und ich werde Dir gerne das zahlen was Liphardt geben wollte nur im Augenblick nicht. Unseren Handel wollen wir übrigens so machen indem ich Dir ein Bild sende damit ich nicht nöthig habe das Geld hinein zu senden und Du es mir wieder zu solchem Zweck hinaus schickst. Ich werde ein andermal ein Verzeichniß zu den Sendungen wenn ich welche überhaupt mache bei legen und bemerken welche verkäuflich sind, welche nicht, auf das uns nicht wieder ähnlich Unannhemlichkeiten geschehen. Es freute mich recht Brief an Rugendas erhalten, in dem er sich und seine »Damen« zu einem Besuch ankündigt (Brief vom 13.4.[1851], Stadtarchiv Augsburg, Bestand HV H 271, fol. 269r). 530 Hier dankt sie für Bröckers Besprechung ihrer Ausstellung in der Dorpater Wochenzeitung, vgl. Beilage zur Dörptschen Zeitung, 1850.

578 | Die Briefe herzlich zu lesen daß Du eifrig an einem Urwald maltest und bereits fertig bist. Ich freue mich einst ihn zu sehen. Wie oft ist in mir der Wunsch so recht lebendig von Dir Arbeiten zu sehen und mich daran zu erfreuen, aber immer muß ich mich beschwichtigen und dachte mir  : ach es wird nun nicht mehr lange dauern. Jetzt aber fühle ich daß sich diese Hoffnung immer weiter und weiter in die Zeit hinein | zieht Es werden Jahre vergehen und ich werde immer noch fern sein von Euch von all dem was ich einst so liebte  ! Gehe ich nach Rom, werde ich mich los machen können ohne viel in der Kunst erreicht zu haben, weit größere Schritte vorwärts gethan zu haben  ? – nein  ! ich glaube wenn ich hungern müßte ich würde bleiben so lange bis ich das erreicht was ich in Deutschland nicht bei aller Mühe finden würde. Es ist mir als wäre es von höheren Mächten beschlos­sen daß ich nach Rom als Jünger der Kunst pilgern muß und werde und ich finde wenig Ruhe mehr in München. – Ich spreche noch wenig im Hause mit den Verwandten darüber, um desto mehr mit Rugendas, der muß sorgen für meine weitere Ausbildung. Er hat mir versprochen an Riedel zu schreiben und die nöthigen Schritte zu thun. Daß Liphard den Karrenführer gekauft freut mich herzlich und weiß Gott es hat mich ungemein gewundert daß meine alte Rembrandt ihm gefallen, denn so viel ich mich erinnere ist sie doch nichts weniger als gut gemalt (Abb. 19).531 Die Lachende und der Junge in der Pelzmütze stehen höher mit denen machte ich zu ihrer Zeit in Dresden Furore. Ich bin indessen doch erfreut sonderbar daß er jetzt kauflustig wird. – Also ist die Verehrerin des R. die Krüdner, Nichte der Frau von Meyners.532 Wenn sie das Bild besitzen möchte weshalb will sie es denn nicht gleich kaufen, warum durch die Lotterie an den Mann bringen  ? Das erscheint mir sonderbar. – Laß uns Schirren nicht den Roman, Nord und Süd von Seisfild533 vor  ? – Es ist mir so, ich denke so oft an diesen Roman zurück wenn ich die Hängematte bei Rugendas sehe, die ist 531 Sie meint hier die Kopie nach dem seinerzeit Rembrandt zugeschriebenen Dresdener Gemälde Rembrandts Mutter als Goldwägerin (Rembrandt-Nachfolge, Öl auf Leinwand, bez. o. li. (falsch)  : »Rembrandt f. 1643«, 113 × 99,5 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. Gal.-Nr. 1564). Eine erhaltene Kopie dieses Motivs aus dem ehemaligen Besitz von Lipharts wurde bisher mit Alexandrine von Wistinghausen (1850–1914) assoziiert (vgl. Raadi of Our Dreams, 2015, S. 190, Nr. 25). Die kurze Erwähnung macht eine Urheberschaft Julie Hagens wahrscheinlicher und damit eine Datierung in ihre Dresdener Jahre 1846/47  : Die Goldwägerin (Kopie nach Rembrandt-Nachfolger), 1846/47, nicht bez., Öl auf Leinwand, 109,5 × 96,5 cm, Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Inv.-Nr. VM 260. 532 Die Familie von Meiners gehörte wie die von Krüdeners zu den alteingesessenen livländischen Familien. Die genaue Identität der Frau von Krüdener ließ nicht ermitteln. 533 Charles Sealsfield, Norden und Süden, Stuttgart 1842/43. Sealsfields letzter Roman beschreibt eine Reise durch Mexiko und basiert auf seinen Tagebuchaufzeichnungen während seiner Reise durch Mexiko im Jahr 1828. Sealsfields eigentlicher Name war Carl Anton Postl (1793–1864), er stammte aus Poppitz bei Znaim (Südmähren), flüchtete 1823 nach Amerika, wo er sich eine

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Abb. 19  : Julie Hagen Schwarz (zugeschrieben), Rembrandts Mutter als Goldwägerin (Kopie nach Rembrandt-Nachfolger), 1846/47, Estnisches Kunstmuseum Tallinn

bezaubernd schön soll ich Dir nicht ein solches Bild bestellen  ? Denn nichts ist so romantisch poetisch als eine solche Matte unter den saftig glänzenden Blättern der Fächerpalme und großblättrigen Baumartigen exotischen Gewächsen Brodbaum die ein kräftiges glänzendes Grün, wie alle Gewächse der Tropen besitzen, | unter deren Schatten sich Gestalten und Geschöpfe lagern. Der Gedanke neue Identität als Charles Sealsfield aufbaute und lebte später in der Schweiz. Erst nach seinem Tode wurde seine frühere Identität enthüllt.

580 | Die Briefe daß durch uns dem Marienasil ein Anfang zu einem selbständigen Capital geworden macht mich sehr glücklich. Wo ist das Asil  ? Beschreibt mir den Platz. – Daß die Kinder krank sind hat mich erschreckt, hoffentlich wird es von keiner so großen Bedeutung sein. Die Manschetten der Marie machte ich gar nicht auf sondern legte sie so versigelt für die Tante auf den Weihnachtstisch. – Sie sind sehr sehr hübsch und ernteten Bewunderung ein. Ich danke ihr recht von Herzen  ! Ich bin recht reicht beschert worden, nur zu reich  ! ein schwarz atlas Kleid vom schwersten Stoff hat mich beinahe traurig gemacht. (so schöne Sachen trage ich so sehr ungern). Das selbe war schon gemacht mit zwei Tallien, eine hohe und eine ausgeschnittene.  – Dann zwei Sonnenschirme, einen kleinen und einen großen, zwei Schleier, schwarz und kornblau, zwei Malerschürzen, Schuhe, Sommer und Winterschuh, Knüpftüchelchen, Kragen, Postpapier Lack und ein Federmesser. Herrliche Pinsel  ! und sonst noch nothwendige Kleinigkeiten. – Ich habe den Verwandten ein Bild gemalt eine Mulatin – und eine prächtige Rahme dazu machen lassen. Ich krichte gezankt daß ich so viel Geld dafür ausgegeben hatte doch es scheint mir daß sie sich doch jetzt freuen. Ich merke das wenn sie es fremden Leuten zeigen, es spricht sich dann immer ein gewisser Stolz aus und das thut auch mir wohl. – Bei den Tanten war ich erst heute Nachtisch und brachte ihnen eine kleine Gabe hinaus und einen Pfefferkuchen und anderes Naschwerk von meinem Baume. Derselbe wird übrigens aufgehoben bis an Eure Weihnacht, dann zünde ich ihn noch ein Mal an und gedenke Euer. Möchtet Ihr glücklich sein  ! wie so gern möchte ich beitragen zur Heiterkeit. Ein leerer Brief ohne eine kleine Gabe ist das Porto nicht wehrt. | d  : 1 Januar 51 Wieder ist ein Jahr vergangen und seltsam schnell. Wie ein Traum liegt es hinter mir, ich kann’s nicht glauben daß es wahr ist und doch  ! doch  ! wir steuern rasch vorwärts  ! je älter desto geschwinder scheinen Tage und Monate zu fliegen. Es hat mich eine ängstliche Trauer ergriffen schon gestern während wir bei einem Glase Punsch das alte Jahr beschloßen. Ich gedachte Euer lebhaft, dachte an so vieles was geschehen, und geworden, was das Herz gewünscht, gehofft und gedacht hatte und wie doch Alles anders geworden ist. – Vor einem Jahre glaubte ich heute gewiß in Eurem lieben Kreise zu sein, meinte mich in unseren, oder Euren Lebensverhältnissen hineingefunden zu haben und nun  ? ist es nicht fest bei dem Alten noch  ? Soll man nicht ganz den Muth verlieren, selbst für die nächste Zukunft nur Bestimmungen zu treffen  ? O gewiß. Da ich weiß daß ich für Rom, der Ansicht der Sterblichen nach bestimmt bin so gebe ich auf mich und Euch durch eitele Hoffnungen für meine Zukunft zu stören. Ich wünsche nichts weiter als daß ich im Jahre 1851 um diese heilige Zeit mich längst heimisch fühlen möge, gehoben durch den Anblick herrlicher Werke der anerkannt

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talentvollen Künstler dort  ! Und daß Ihr alle gesund sein möchtet und Freude an mir erlebt. Ich kann mir nicht denken daß ich und Ihr durch mich ohne Lohn, ohne Anerkennung meine ich, einst den Weg den mühevollen und für ein Mädchen doch traurigen und ernsten verlasse, den ich muthig gehe. – Ich sage verlasse, das zwar werde ich nie können und in welchen Verhältnissen ich auch lebte. Aber in Livland und Russland fürchte ich tritt für das Streben eine gewisse Ruhe ein und dauert die lang so geht die Seele allmählich dem Tode entgegen. Der Gedanke kommt mir jetzt häufiger als je, und wird diese Furcht nicht erst recht erwachen wenn ich in Rom gewesen bin. | Das neue Blatt soll nicht wieder mich fort reißen ohne vor allen Euch ein glücklich neues Jahr zu wünschen. Der Tag ist zwar noch für Euch nicht heran gekommen allein ich versage mir darum nicht das Vergnügen meine herzlichsten Wünsche noch ein Mal Euch zu bringen. Meine guten Aeltern und Geschwister, möchtet Ihr stets gesund bleiben und Zufriedenheit in Eurem stillen Leben finden. Das Leben ist immer mehr ernst als heiter. Jedem Sterblichen ist sein Maaß zugetheilt aber Gott möchte Euch und uns vor einem wirklichen Unglücke schützen  ! Diese letzten 8 Tage und die nächst kommenden sind vom Hauche der Weihnacht wie geheiligt, weder hat man Lust geregelt zu arbeiten noch hat man Lust nichts zu thun und befindet sich in diesem Zweifel garnicht wohl. Ich habe die Zeit mit Lesen hingebracht einige nothwendige Briefe expedirt auch etwas italienisch getrieben was wie ich merke recht schwer gehen wird, denn was ich heute gelernt ist morgen gründlich vergessen, auch habe ich noch keinen bestimmten Lehrer nach dem Heiligendreikönig Fest will ich aber diese schöne Sprache, die wie man sagt nur Liebende sprechen sollten mit harter eiserner Faust fassen und nicht wieder loß lassen. – Segne Gott meinen festen Willen  ! – Ich habe auch niemand gesehen, Ledebour’s allenfalls, das Wetter ist so garstig daß es eine Schande ist um diese Zeit. Ein Paar Portraitbestellungen sind neuerdings gemacht eine Baronin Schätzler und eine Frau von Forster aus Augsburg.534 Manches Mal stellt sich der Gedanke bei mir ein daß ich nächstes Frühjahr Dich lieber Vater und Alexander | hier erwarten sollte um dann alle drei in das himmlische Italien zu ziehen, wie wären wir glücklich  ! Aber ich muß darüber für jetzt noch schweigen um 534 Beide Aufträge waren sicher durch Vermittlung von Moritz Rugendas zustande gekommen. Um wen es sich genau handelte, konnte nicht festgestellt werden. Bei der »Baronin Schätzler« könnte es sich um die Ehefrau des schon genannten Ferdinand von Schaezler, Emilie, geb. Froelich (1802–1852), handeln, bei der »Frau von Forster« um eine Nachfahrin des Naturforschers Georg Forster (1754–1794), denn Rugendas war mit der Witwe Forsters, Therese Huber (1764–1829), seit seiner Jugend bekannt. Die älteste Tochter Therese Forster (1786–1862) lebte zeitweise in Augsburg. Entsprechende Bildnisse konnten bis heute nicht ausfindig gemacht werden.

582 | Die Briefe mich nicht zu erschrecken wenn nichts daraus wird. Aber da ich jetzt diese Seite angeschlagen so denk ich wird sie bei Euch wieder klingen und man vertreibt beim Luftschlößer bauen auch angenehm eine kurze Zeit. Es wäre so göttlich könntest Du Dich überzeugen an Ort und Stelle von meinem Thun und Streben, dürftest unsere Verwandten und meinen väterlichen Freund und Meister Rugendas kennen lernen und dann mit Ersteren in die Stadt des Papstes einziehen. Alexander bleibt entweder hier bei Bernhardt oder er geht besser mit mir, da es dann weniger kostet, er schützt mich, ich ihn und ich kann ihm manchen künstlerischen Rath geben ich würde eine gewisse Vormundschaft über ihn behaupten. Du lieber Vater könntest dann mit Tante und Onkel ehe Ihr nach dem Norden Euch zurück wendet erst noch nach Neapel gehen denn das müßt Ihr gesehen haben während wir uns erst diesen Anblick verschaffen als Lohn nach der anstrengendsten Thätigkeit. Der Römer sagt  : »Sieh Neapel und dann stirb  !« – Das will viel sagen aus dem Munde eines Römers. – Du wirst staunen über diese tollkühnen Luftschlößer aber nur Geduld es kommt vielleicht noch dazu, wer zuletzt lacht, lacht am besten sagt das Sprichwort. Ich kann fast keine Nacht ruhig schlafen vor Unruhe | oder besser freudiger Ungeduld meine Reise anzutreten. d  : 5/25 Januar 51. Es ist Weihnachten, bei Euch und auch für mich hat der Tag immer noch eine tiefe Heiligkeit. Ihr habt Euch ohne Zweifel gestern am Christabende durch allerhand Besorgungen, häusliche Arbeiten etc. betäuben lassen als daß Ihr meiner gedenken konntet, Ich glaube in Euren Ohren müßte es oft und viele Mal gesungen haben denn mein Geist beschäftigte sich unablässig mit Euch allen. Wie so gern hätte ich den Baum geschmückt  ! Mutter Miezchen und Alexander sah ich die Äpfel anbinden während Marie und Gotton der Bertha und Johannchen in der Schlafstube Geistergeschichten erzählten um sie weniger auf das Verschwinden der lieben Mutter und größeren Geschwister aufmerksam werden zu lassen. Ich hatte den ganzen Tag gearbeitet an meiner Italienerin zum Theil gut, aber zum Theil auch schlecht so daß ich weg gratzen mußte etc. und brachte sehr heftiges Kopfweh nach Hause. Mein Bäumchen sollte angezündet werden, derselbe war schon aus meiner Stube verschwunden, die liebe Tante hatte ihn in die Speisestube hinüber gebracht und ihn dort feierlichst aufgestellt. Eine Freundin von ihr fand sich auch ein und als der Onkel heim kam wurde der Baum angezündet. Zu meiner Überraschung fand sich denn für jeden wieder ein Geschenk. Ich z. B. bekam ein grünes wollen Zeug zum Kleide und drei prächtige Pinsel, Vertreiber oder besser Verderber. Wir waren recht vergnügt, aßen dann Bartwürste [sic], | plünderten den Baum, tranken ein Glas Wein auf Euer Wohl, und gingen frühzeitig ins Bett. Heute früh erwachte ich wie immer früh und hörte im Geiste die Kinder schon plaudern und ihre wenigen Geschenke mustern und sich freuen. Ich fühlte mich so hinein daß ich

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Thränen im Auge hatte als ich mir bewußt wurde daß ich weit von Euch war. Heute ist nun das Wetter so festlich als nur immer möglich, die Sonne ist warm, so warm, daß die Damen mit Sonnenschirm spazieren gehen, was ich nicht thue denn ich sonne mich gerne, ich fürchte durch einen frühzeitigen Schutz die Sonne zu vertreiben. Der Tag wächst auch schon, ach  ! Es ist zu schön dem Frühling entgegen zu gehen. Die Kunst in mir übrigens wollte keinen Feiertag halten. Kommen der Tage, der Stunden doch genug, wo die Phantasie rastet, wo der schaffende Geist in uns Feiertag macht – und wir mit aller inne wohnenden Kraft nicht zu schaffen vermögen. – Ich war glücklich dabei  ! Bald war ich bei Euch, bald in Rom in Venedig und allenthalben führten mich meine wechselnden Gedanken hin. Wer Italien indessen geschaut sehnt ewig sich dort hin  ! Aber so geht es immer. Im Norden gedenkt man des Südens und im Süden wol auch des Nordens. Sehnsucht ist überall  !  ! – d  : 11 Januar. Silvesterabend meine lieben theuren Aeltern ich kann nicht das Jahr zur Ruhe gehen sehen ohne we|nigstens meinen Gruß hinüber gesendet zu haben. Seit einigen Tagen schon erwarte ich einen Brief von Euch  ; auch ist der heutige Abend vergangen ohne daß die sehnlichst erwartete Nachricht kam, vielleicht morgen  ! – Wenn ich nicht ein Hasenfuß wäre so würde ich das neue Jahr einsam in meinem Stübchen erwarten und meine Gebete für Euch meine Lieben zum Allmächtigen steigen lassen. Ihr werdet ohne Frage aufbleiben. Meine Italienerin ist ohne Zweifel das beste Bild das ich gemacht habe, sie ist zwar noch lang nicht fertig doch freut sie mich selbst sehr, und wer sie sieht ist so zu sagen entzückt. Morgen ist mir sehr viel Besuch angemeldet, große Cour also, Aus Paris sind ovale Rahmen angekommen wohinein ich nun die beiden Ältern der jungen Braut der Diss malen werde.  – Neulich saß mir Julie Dreuttel zu ein Paar Händen, welche mir anbot italienische Stunden zu geben, sie spricht die Sprache sehr gut und ich glaube bei ihr es besser und schneller zu lernen als bei jedem andern. Montag beginne ich – Zum Briefschreiben, außer Euch komme ich dann wol gar nicht, ach und ich empfange so gern Briefe  ! – Ob Ihr heute Abend Glück gießen werdet  ? So frage ich mich. Ich für meine Person werde meinen Schuh beim Auskleiden über den Kopf werfen um danach zu sehen wohin er sich wendet. Ich denke er soll nach Süden hin blicken, ich erzähle es Euch morgen schlafet wohl und träumt süß  ! – | d  : 12/1 Januar 51. Nach großer Freude folgt immer großer Schmerz, tiefer Kummer, und ebenso im Entgegengesetzten Falle. Freude folgt dem Kummer  ! Meine guten theuren Aeltern  ! Euer Brief ist angekommen so eben habe ich ihn gelesen, Deine liebevolle Art sonst, mein lieber guter Vater gegen Deine unwürdige Tochter sich aus zu sprechen hat sich in bittere Ironie, in Ärger und Häftigkeit verwandelt. Was Du an mir tadelst habe ich leider in den letzten Zeilen, oder vielmehr in den

584 | Die Briefe letzten Seiten Deines sonst so gütigen und liebevollen Briefes wieder gefunden. Ohne Dir ein Vorwurf zu machen, wage ich’s Dich zu erinnern daß ich Deine älteste Tochter bin, die sogar stolz ist Dir, meinen theuren Vater in Allem zu gleichen, selbst in der Häftigkeit. Deine schneidende Kälte hat mich für den Augenblick vernichtet denn ich weiß daß ich häftig im letzten Briefe geschrieben und habe es auch tausend Mal bereut, Dem Reuigen gilt Vergebung  ! Und Vergeben ist doch offenbar schöner als zürnen nicht wahr guter Vater  ? Für mich wenigstens. – Und da wir einander so ähnlich sind so wirst Du dasselbe fühlen was meine Seele bewegt, Vergieb mir und sei mir um Alles in der Welt wieder gut. Du wirst mich doch lieber ein Mal häftig sehen wollen als daß ich ein Gefühl erheuchelte daß nicht mein Eigenthum ist und gewesen war  ? – Im ersteren Falle | wirst und mußt Du mich tadeln, im andern Falle mußt Du mich aber verachten. Lieber also lasse ich einen Hagel von Schlägen Deiner Faust auf mich herunter regnen als daß ich, und sey es nur auf einen Augenblick nur, Verachtung von Dir erlitte. – Später Ich will diese letzte Epistel garnicht beantworten denn gleich mir hast Du in wild aufgeregter Stimmung geschrieben und lassen wir das in die Vergessenheit versinken ohne uns weitere Kränkungen zu zu fügen, da wir uns im Grunde unseres Herzens doch gut sind. Könntest Du herkommen und Dich überzeugen daß ich immer noch die alte Julie bin  ! In Dorpat bin ich auch heftig gewesen aber damals wagte ich es dem Vater nicht so zu zeigen wie Du überhaupt Deine Kinder nicht ganz und gar kennst. Bin ich nicht die Einzige unter 10 Geschwistern die meinen Vater nicht allein als Vater liebt, schätzt und verehrt, sondern auch als einen theuren Freund betrachtet, dem ich mich ohne Rückhalt ganz mit allem Bösen und Guten hingebe. Lehre mir anders zu denken, eine bessere, richtigere Anschauung ich werde nicht wieder mir so strafbare Fehler zu Schulden kommen lassen. Vergieb mir, sey mir wieder gut theurer Vater, reiche mir die Hand zur Versöhnung. Bitte  ! Bitte  !  ! – Der Brief liegt offen vor mir, ich lese und freue mich der Heiterkeit und Zufriedenheit die in den ersten Bogen durch geht. Lass mich Dich vor Allem Dir | meine so sehr einfache Palette vorführen. Ich glaube Du wirst über die Einfachheit staunen. Also. Weiß als Anfang. Dann folgt  : Neapelgelb Lichtocker, Goldocker Dunkel Ocker, dann Indischroth. Zinober, Lack, Persisch roth. Ultramarin. Dann gebrannter Dunkelocker, Schwarz, Asphalt und Kasslerbraun. So mit diesen Farben male ich alle und alle Köpfe. Das Weiß mische ich mit Indischroth in drei Nuancen, dann eine vierte Portion rein mit Zinober und eine fünfte mit Indischroth und Lichtocker. – das wären also meine Fleischtöne. – Dann folgt ein ganz rein Blau aus Weiß und Ultramarin gemischt für das Licht und ein fast Grün aus Blau und Neapelgelb und Weiß gemischt um eben in die reinen Farben hinein zu spielen. Die Schatten töne

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mische ich gar nicht, denn ich habe die Erfahrung gemacht daß man das nicht so genau berechnen kann. Der Dunkelocker, der fast wie gebrannte grüne Erde aussieht, und den man hier nur bei einem Farbenfabrikanten bekommt ist für die Schatten ganz vorzüglich, oft hat man keine Beimischung nöthig sie reicht aus an manchen Stellen und in manchen Köpfen. – Das Roth der Wangen mische ich theils mit Zinober und rosa Lack. Die Übergänge oder Metzotinten mit Persisch­ roth. – Diese Grundtöne müßen natürlich, je nach | den kleinen Verschiedenheiten, Abwechslungen und Zufälligkeiten der Haut es erfordert mit reinen Farben nach gemischt werden, natürlich gleich während des Malens und mit dem Pinsel. Bernhardt hat eine weit größere Palette und mischt sich auch mehr Töne  ; allein es ist das eine mehr oder weniger Gefühlssache. Ich komme vollkommen mit meinen Farben aus. Meine Köpfe sind alle prima gemalt und sind dann mit Zinober und Kobald und Schwarz lassiert wo es nöthig war. Den Zinober den ich in diesem Briefe bei legen werde ist nur zur Lassur bestimmt d. h. von mir bestimmt. Riedel gebraucht ihn immer. Er muß etwas besser gerieben werden bis er etwas gelblich wird, und nicht mit Oel sondern mit Terpentin lassire ich, Oel nehme ich bloß bei Farben die schwer trocknen d. h. gekochtes Leinöl, das sogenannte Trockenoel. Mit Terpentin lassirt hat es den Vortheil daß die Farben nicht dunkeln und das Bild nicht schmirig aussieht, d. h. hier ist und kann nur immer von Köpfen die Rede sein. Liphardt muß doch eine ausgezeichnte Sammlung von Kunstschätzen haben. Wenn seine künftigen Erben nur es recht zu schätzen wüßten, es wäre schade wenn diese reiche ausgesuchte Sammlung einst verschleudert würde. – | Das arme Schwarzchen hat mit viel äußeren Widerwärtigkeiten zu kämpfen, wenn er nur gesund bleiben möchte. Ich denke so oft an ihn, ich hoffe meine liebe Schwester hat auch von mir die herzlichsten Grüße ihm gesendet. – Heute vortisch hatte ich also sehr viel Besuch meine Italienerin ist ein sehr idealistisches Portrait der Diss jetzt Maria Lugo535 ich hatte sie heimlich copiert und verschönert, machte sie also fertig und bat die Aeltern heute zu mir zu kommen mit der ganzen Familie um meine letzte Arbeit zu besehen. Um 11 Uhr kamen sie und es gab eine tief ergreifende rührende Scene. Das Ende vom Liede war daß ich sie für die Aeltern copieren muß. Da ich dieses Bild nicht verkaufen

535 Der Ehename der Maria Diß könnte hier auch »Lego« gelesen werden. Laut Angaben im Grabbuch zum Alten Münchner Südfriedhof war ihr Name Maria Lugo, sie verstarb 57-jährig am 10.3.1891 als Gutsbesitzers-Gattin (frdl. Mitteilung von Reiner Kaltenegger, München). In einer Heiratsmeldung des Münchner Tageblatts vom 6.9.1850, 48. Jg., Nr. 247, ist der vollständige Name des Ehemannes angegeben  : Anton Johann Lugo, Kaufmann aus Trient. Der Name der Braut lautete Maria Friederika Josepha Carolina Diß aus München. Danach war sie zum Zeitpunkt der Verheiratung erst 16 Jahre alt.

586 | Die Briefe will, diese Umarmungen und Küsse die ich von alt und jung erhielt sind kaum zu zählen. Das Bild wird von allen sehr angenehm gefunden. – d  : 13/2 Januar. – Das gewünschte Werk von Rugendas besteht aus 20 Heften. Hier wie er sagt giebt es gegenwärtig kein gutes Exemplar, doch meint er daß in Petersburg bei Engelmann Conté536 welche sein müßen. Das von ihm selbst gezeichnete Blatt, der Brasilianische Urwald, hat er mir lang schon geben wollen aber ver|gebens gesucht einen guten Druck zu bekommen, ich war eben so begeistert über diesen Wald wie Du mein guter Vater. (ich spreche zu Dir als wenn Du mir ernstlich vergeben hast, nicht wahr es ist so  ?) Da hat er sich denn heute entschieden ausgesprochen daß er Dir diesen Wald, grad diesen malen wolle Dann magst Du triumphieren das Originalgemälde zu besitzen während andere nur eine Lithographie haben. Er verlangt 15 Louisdor, welche ich ihm zugesagt. – Da können wir also unsere Rechnung auf diese Weise machen ich zahle dasjenige Geld was ich Dir für die Skizzen schulde welches ungefehr 12 Louisdor beträgt und Du schuldest mir die übrigen 3 Louisdor und so hätten denn wir beide unsere Rechnung gemacht. Bist Du’s zufrieden so  ??? – Für ein Bild wie ich Dir’s beschrieben in einem dieser Blätter verlangt er auch 15 Louis. d. h. ein Gangre Bild. – NB  : Dieses Bild welches der Krüger gesehen haben will ist nicht dieser brasilianische Urwald, wenigstens glaubt es Rugendas nicht. – Kannst Du Dich nach Petersburg der gewünschten Hefte wegen wenden so wäre es einfacher als durch hier, wenn nicht so berichte und Du hast sie dann, wenn Du mir die Art und Weise des Versendens angiebst. – Die italienischen Stunden haben begonnen wie es scheint in einer sehr ausgezeichneten Metode, ich | fühle, daß man auf diese Weise wol eine Sprache lernen kann. – Wenn ich weniger schreibe so sucht den Grund in meinem Eifer für diese süße Sprache, jeden Tag nach dem Malen habe ich eine Stunde. – In den Heften des Rugendas sind ungefähr 25 Landschaften enthalten. 3 Blätter gezeichnet von Bonnington537 (Engländer) sollen ganz wunderschön sein. Über meine projectirte Reise spreche ich jetzt im Augenblick gar nichts, was Riedel betrifft über536 Rugendas publizierte zwischen 1827 und 1835 seine »Malerische Reise in Brasilien« als Lieferungswerk bei Engelmann & Cie. in Paris. Das Werk enthielt 100 Lithografien und erfuhr zahlreiche Neuausgaben. 537 Der britische Maler Richard Parkes Bonington (1802–1828) galt zum Zeitpunkt seines sehr frühen Todes als großes Talent. Er war in Paris ausgebildet worden und wurde im Salon de Paris des Jahres 1824 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Für Rugendas’ »Malerische Reise« lithografierte er drei Tafeln  : 1. Entrée de la Rade de Rio de Janeiro, 2. Embouchure de la Rivière Caxoera, 3. Campos sur les bords du Rio das Velhas (gemeinsam mit V. Adam). Er interpretierte dabei die Vorlage von Rugendas auf sehr freie Weise und machte aus der ruhigen Bucht von Rio ein bewegtes Seestück, auf dem zwei Schiffe in schwere See geraten sind (frdl. Mitteilung von Pablo Diener, Cuiabá/Brasilien).

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lasse ich dem Rugendas zu schreiben. – Daß ich mit einem Mal nicht nach Rom soll weil ich heftig gewesen wäre eine zu große Strafe. Ein Lamm bin ich nicht und wäre ich ein mildes Schaf dann hättest Du Grund mich unter Deinem Schutze zu sehen und nicht in die weite Welt zu schicken. Ich kann nun ein Mal nicht ohne Kunst leben und soll ich jetzt aufhören zu streben dann hast Du mich lebendig begraben. Ich muß und werde nach Rom gehen  !  !  ! – Alles wird recht werden nur Geduld  ! – Wenn Du die Hefte des Rugendas in Petersburg bei oben genannten Engelmann Conte bekommen solltest so muß auch der Text dazu verlangt werden da er nothwendig ist. Das Buch »Nord und Süd« von Säsfild werde ich lieber nicht lesen, jetzt wenigstens nicht da ich sonst Alles | andere liegen und stehen lassen würde, ich muß jetzt alle meine Kraft und all mein Denken dem Pinsel und der italienischen Sprache zu wenden. Daß dieser Schriftsteller und Rugendas viel Ähnlichkeit in geistiger Hinsicht mit einander haben glaube ich auch. Nicht allein daß er so schön durch Farben spricht er, nämlich R. erzählt auch ganz vorzüglich. Alles was er erzählt ist so lebendig so vollendet schön daß es schade ist daß er nicht immer ein Stenograph bei sich führt. Ich wünsche nichts so sehr als daß Du ihn persönlich kennen könntest um ihn in seiner wahrhaften Größe, als Mensch, als Künstler hoch zu verehren. – Wenn doch ein solcher Stackelberg mit 4 Millionen S. R. einem solchen zur Herausgabe seinen Werkes sein möchte, das unsterblich wäre und für alle Ewigkeit bestehen würde. Wenn Dir die Augen des blauen Dominos ihrer Helle wegen noch so unangnehm sind wie bis her so kannst Du sie ja mit etwas Kobaldt oder Schwarz lasieren. Die Eigenthümlichkeit geht denn freilich verloren, aber da man das nicht als Portrait betrachtet und betrachten soll so gilt es ja gleich. – Fanny Wachter, Fanny Carus, Minna Sturm, Marga herzliche Grüße von Hartmann erzählt niemand etwas, weshalb nicht  ? – Otto Dumberg auch freundliche Grüße wie auch Freund Sivers und Rosalie Kircheisen nebst Vater. | Die beiden Tanten habe ich seit dem neuen Jahre nicht gesehen, sie sind wol wohl. Tante Ottilie hat wieder an ihren Augen große Schwäche und der Onkel häufig migren Kopfschmerz, gleich mir also Familienleiden, die beiden alten Tanten plagen sich auch häufig mit diesem Schmerz. – Des Onkels Amt im Steuerausschuß wird in einigen Tagen zu Ende gehen.  – Für Bälle für diesen Carnevall, der sehr lang das Jahr dauert, werden schon Anordnungen getroffen, die Künstler wollen wieder was großartiges geben, den Olimp oder ohne Aufführung einen römischen Carnevallsball geben. Ich für meine Person werde wieder nicht tanzen und habe somit keine Sorgen mit dergleichen, bin recht froh darob  ! – Ich denke zu schließen da mir nichts einfällt das zu berichten gäbe, außer daß ich gestern die Oper »der Prophet«538 gehört, welche unstreitig zu den schönsten Opern gehört. Es ist eine so volle, reiche rauschende 538 Eine Große Oper in fünf Akten von Giacomo Meyerbeer (1791–1864), die 1849 in Paris urauf-

588 | Die Briefe Musik die aber so viel Melodie durch und durch hat, daß man mehr erfrischt nach 5 Stündigen Zuhören ist als betäubt und müde. Lebt wohl liebe theure Aeltern und Geschwister  ! Und seit nimmer böse Eurer treuen Julie Julie Hagen an ihren Vater aus München, 18.1.1851 München d  : 18 Januar 51 Mein lieber theurer Vater  ! Während ich diese Zeilen beginne ist mein letzter Brief, Antwort Deines entrüsteten Briefes unterwegs und Gott lob  ! wol auch in wenig Tagen in Deinen Händen, und Du wirst mir bald vergeben haben und mich wieder gern Deine Tochter, Dein Kind heißen  ! Unterdessen sind zwei andere Briefe angekommen, einen an die Tante, der zweite an mich. Obgleich Du sagst daß Du den der Tante mit dem meinigen gleichzeitig auf die Post getragen, so erfuhr ich seine Ankunft erst 4 Tage später, – Der Brief nun mit dem Theile meiner Heftigkeit ist gestern angekommen. Als ich Deine liebe Handschrift erblickte war ich ganz außermir vor Freude ich küßte die Tante halb schwindelich welche neben mir saß und gestehe ich’s mir, ich blickte bloß auf die Anrede und Ende des Briefes und war glücklich, ich fürchtete mich den Brief zu lesen. Er hat mich nachdenken gemacht. Du hälst mich für viel schlimmer als ich war und bin. Den Brieftheil von mir laß ich mit Aufmerksamkeit und gab ihn auch der Tante zu lesen um nicht für mich zu sprechen und sie wie ich, fanden daß ich die Wahrheit gesagt, zwar in Aufregung und Heftigkeit. Hätte ich ihn heute zu schreiben wo ich kleinlaut und in Demuth bereue was ich angerichtet, ich glaube ich würde | grad so schreiben, denn heute fühle ich grad so wie damals. – Dem sey nun übrigens wie es wolle ich hätte die Wahrheit in Heichelworte, zart und fein hüllen sollen, das wäre allerdings besser gewesen. – Sey überzeugt lieber Vater daß ich oft schon bereut Dir Schmerz verursacht zu haben, aber sey auch überzeugt daß ich nicht jetzt erst so große Untugenden entwickle und zwar wie Du meinst durch den Umgang des Rugendas. O gewiß Du bist im Irrthum  !  – Rugendas ist derjenige welcher mich sanfter durch sein Beispiel macht, an mir schon Manches gerügt hat und manchen guten Rath gegeben. Dieser vorigjährige Auftritt, des unglückseligen Atteliers wegen, solche Auftritte sind nur zu oft, ja leider zu oft vorher vorgekommen. Anfangs im ersten Jahre gab es ein ewigen Streit zwischen dem Onkel und mir betreff der Religion, damals kannte ich ihn noch zu wenig um zu wissen daß er keinen Widerspruch duldet, jetzt widerspreche ich nie, aber es ist auch so weit gekommen geführt wurde und kurz zuvor, im Jahr 1850, in Hamburg ihre deutsche Erstaufführung erlebt hatte.

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daß wir nur von den allergewöhnlichsten alltäglichen Dingen uns unterhalten. Später gab es einen ewigen Kampf betreff der Vetter. Ich sah bald daß ich von Spionen umgeben war die der Tante und dem Onkel hinterbrachten wenn ich ein freundschaftlich Wort zu diesen gesprochen es kam also so weit daß ich an ihnen gleichgültig vorüber ging wo ich sie auch immer begegnete wir kannten uns nicht mehr um der Ruhe willen  ! | Dies war der letzte geistige Umgang den ich so sehr bedurfte. Damals habe ich nie gegen Euch davon gesprochen um Euch nicht zu betrüben und da man im Leben immer Opfer bringen muß, und daran mußte ich mich wol mehr als eine jede Andere gewöhnen lassen vom Schicksal  ! Daß ich von diesen Kämpfen mit Euch sprach war weil Du mit wirktest und ich lasse mir’s nicht nehmen, von Tante und Onkel geworben warst. Wäre es ihr alleiniger Wille gewesen dann wäre es mir leichter geworden meine Sache zu erkämpfen und nie, wenigstens nicht brieflich hättet Ihr etwas erfahren da es schwarz auf weiß immer finsterer aussieht. – In diesen Tagen habe ich auch wieder gesehen wie man mich wie ein kleines dummes Kind wünscht zu zügeln, das geht nun nimmer, als Künstlerin muß ich meinen ein Mal eingeschlagenen Weg fort schreiten, wenn mein Streben gedeihen soll, als solche handele ich nach meiner innersten Überzeugung und meinem Gewissen. – Ich fühle daß ich nicht für die gewöhnliche Mittelmäßigkeit geboren bin, ich muß, ich will, ich werde Höheres erreichen, Größeres leisten als mein Geschlecht es sonst thut, und dieses Bewußtsein giebt mir die Kraft, meine Überzeugung geltend zu machen. Ich verliere darum nichts an meiner Weiblichkeit, außerhalb der Kunst bin ich Kind mit den Kindern, und nirgend wird mir wohler als unter Kindern, das Zeugniß wird mir ein Jeder geben können der mich kennt. | Was meine Einbildung betrifft so sieht es so schlimm nicht aus. Das Portrait vom von der Tann kann und soll immer noch durch Galvanoplastik vervielfältigt werden, es konnte nicht geschehen da Herr Schöninger539 bis her so beschäftigt war daß er diese Arbeit nicht vornehmen konnte. Von Thiermaler Voltz bekomme ich ein Bild welches ich Dir verehren werde (Du kannst es verkaufen wenn es Dir nicht gefallen sollte etc.)540 Nur muß ich ihn selbst auch noch malen. – Das Riedel mich erwartet ist ebenso wahr und keine Einbildung, nur kann man keine Bedingungen jetzt schon machen, ich muß dort sein und er von mir Arbeiten gesehen haben um Lust zu bekommen, übrigens erwartet R. einen Brief mit der bestimmten Zusagen mich zu unterrichten  – Und Du wirst einst wol erkennen daß ich nicht so sehr an Einbildungen kränkle als Du jetzt meinst. – Wenn ich von jetzt an nur immer von der trocknen Gegenwart schreiben werde, 539 Wohl der Maler und Lithograf Leo Schöninger (1811–1879). 540 Vgl. Anm. 437.

590 | Die Briefe so wundere Dich ja nicht ich thue es denn um nicht ähnliche Vorwürfe mir machen zu lassen. – Der Satz heißt nicht  : »warm Lieben sondern warm Leben warm sterben  !« – im ersteren Falle wäre gewiß kein Sinn und kein Verstand. Die Carus sandte mir 75 R. S. – Auf einen bayrischen Louisdor gehen 11 Gulden. – | Auf den ganzen übrigen Brief will ich garnicht antworten, es kommen manche Vorwürfe darin vor die ungerecht sind, so gewiß wie Gott über uns alle waltet  ; aber was helfen mir meine Entschuldigungen, Schweigen ist das Beste um die Sache nicht zu verschlimmern. Könntest Du Dich an Ort und Stelle überzeugen daß ich noch das alte anhängliche Kind bin die vor 4 Jahren das väterliche Haus verließ dann wäre ich Deiner Liebe und Vergebung gewiß. So aber heißt es tragen ein Mal kommt aber die Zeit heran, und Gott sey Dank daß ich das so gewiß weiß als ich Julie heiße, wo Du mich umarmen wirst und mich als Deine alte unverdorbene, nur etwas bestimmtere und mit festerem Willen begabte Tochter erkennen. Gott mag die Zeit dieser schöne Augenblick bald kommen  !  ! – Tante und Onkel sind wohl und grüßen, Tante Anna leidet an Gichtschmerzen. Morgen als am 19 Januar sind zwei Portraits von mir im Kunstverein ausgestellt. Onkels und der Graf Wolkenstein. Ich bin Mitglied geworden541 – Der Brief von Rugendas ist so dünn daß ich leicht diesen mit hinein legen kann. Meiner theuren Mutter und Geschwistern wie Freunden meine herzlichen Grüße und Umarmungen. Und so lebt denn wohl und vergebt mir was, wie ich hoffe nie wieder vorkommen wird. Mit inniger Liebe umarmt Dich Deine Tochter Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 21.1.1851 München d  : 21 Januar 51. Meine lieben theuren Aeltern  ! So eben habe ich einen Brief nach Rom an Gilli beendet und um Auskunft betreff des Lebens für einen Künstler gebeten. Er wird, so hoffe ich, gleich antworten und dann theile ich’s Euch mit. – Seit dem Sonntag wo ich den letzten Brief mit Rugendas seinem542 abschickte sind die beiden genannten Portraits ausgestellt, ich höre viel Gutes von den Künstlern sowol als auch dem Publikum. Noch bin ich nicht im Verein gewesen aber sie haben die Ehrenplätze erhalten. An Onkels Portrait lobt man die Ähnlichkeit mit der Bemerkung  : Bernhardtisch ausgeführt ohne Farbe. Beim andern wird einstimmig nicht allein die Ähnlichkeit gelobt sondern die Farbe und die Art der Malerei. –

541 Vgl. Anm. 415. 542 Dieser Brief von Rugendas hat sich nicht im Nachlass der Künstlerin erhalten.

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d  : 2 Februar 51. Ich bin erschrocken, dieses Blatt da ohne Worte zu erblicken, vollends da Eure lieben Briefe vor einer Stunde ankamen, noch habe ich sie nicht zum zweiten Male gelesen nur flüchtig erst durchflogen und will sie auch nicht früher beantworten bevor ich nicht mich wenigstens entschuldigt. Aber wie soll ich’s auch anfangen um zum Schreiben zu kommen  ? Nichts in meinem Leben betreibe ich halb, alles ganz oder garnicht  ! So geht es mir jetzt mit der italienischen Sprache, nach längerem Zaudern, als es gut war packte ich sie endlich und treibe sie mit allem in mir liegenden Ernste, und da bleibt | mir denn gar keine Zeit für andere Beschäftigung. Des Morgens um 8 Uhr gehe ich ins Attelier bleibe bis 4 ½ 5 Uhr, eile dann in meine italienische Stunde und komme denn nach 6 Uhr nach hause, dann esse ich und wasche meine Pinsel, ist das geschehen dann geht es an das studiren meiner italienischen Aufgabe, welche mich dermaßen beschäftigt daß ich im Traum immer meine Aufgaben wiederhole bis ich aufwache und dann bei vollem Bewußtsein mir alles laut hersage. Ich hadere häufig mit meinem Hühnerkopfe und denke mir daß ich was Sprachen betrifft von Gott vernachlässigt worden bin, indessen es soll doch noch gehen, Julie Dreuttel hat eine außerordentliche Metode zu unterrichten. Nun um aber auf das zu kommen was seit ich auf der künstlerischen Laufbahn mich befinde – mir als das höchste Glück schien (was aber niemand noch erreicht) will ich gleich, ehe ich auf andere Dinge übergehe sagen. Auf Rugendas Brief an Riedel mit der Bitte mich zu unterrichten mir Freund und Schutz in Rom zu sein ist unerwarteter Weise gleich eine Antwort gekommen und die einfachste, aber freundlichste Zusage mit Allem was er kann beizustehen. Rugendas hat mir die Stellen des Briefes herausgeschrieben | das Euch von dem überzeugen wird. Ich erzählte es mehreren schon welches Glück mir wiederfahren ist, man mag es nicht glauben, mir selbst erscheint es wie eine Fabel. Als der Brief kam konnte ich garnicht, vor Übermaaß innerer Seligkeit arbeiten. Ich wußte garnicht wie mir geschah  ! – Ach Ihr würdet begreifen wie ich das als das höchste Glück auf der Welt an sehen kann, wenn Ihr nur ein Mal ein Bild von ihm geschaut hättet. In Rom ist Riedel der erste Colorist und will das nicht alles sagen  ? Noch nie hat sich einer rühmen können sein Schüler gewesen zu sein, Himmel was bin ich glücklich  ! wie wird, wie muß man mich beneiden  ! In diesen Tagen muß ich an ihn selbst schreiben, ich zittere, ich finde nicht die schicklichen Worte für einen Mann den ich als Künstler so hoch stellte und stelle wie keinen, den ich anbetete als solchen. – Freunde die mächtig sind hat nicht ein jeder. Durch Rugendas habe ich erreicht was ich durch keinen Menschen erreichen konnte, meine Dankbarkeit soll aber auch über mein Leben hinaus reichen. Seit einigen Tagen male ich ein kleines Bettelkind (Abb. 20), ganze Figur in bittender Stellung, die eine Hand ausstreckend, die andere hält in dem Röckchen ein Bündel Holzreiser, die Landschaft soll Winter werden. Das Bild kann gut werden, außerdem | habe ich Portrait gemalt, neue Bestellungen

592 | Die Briefe sind eingegangen. – Besuche habe ich auch gehabt heute am Sonntage z. B. waren zu gleicher Zeit 18 Personen da. Darunter Ministerinnen und Baronessen etc. Unter Künstlern besuchten mich Bernhardt, Hundertpfund mit seinen Schülern und Schülerinnen aus Augsburg. Fermärsch543 etc. Jetzt wäre mir nicht angst hier eine Existenz zu finden doch wo es anfängt bunt oder besser mit den Bestellungen zu werden, gehe ich nach Rom ab. Wenn ich nur schon da wäre  ! ich kann die Zeit nicht erwarten und doch zittere ich davor, immer dünkt mich daß ich für Rom noch nicht reif genug bin. – d  : 3 Febr. 51. Heute hab ich nun Mal wieder häftige Kopfschmerzen, und lege mich deshalb wol früher ins Bett. Ich erhielt sie erst im Laufe des Tages bei der Arbeit, an der ich angesträngt saß, ich habe die beiden Händchen meines Bettelkindes gemalt, welche nicht ganz schlecht geworden sind. Heute besuchte mich eine Dame und weinte über den Ausdruck meines Kopfes, sie fand daß derselbe einen tiefen Kummer verrieth. Zum Theil freute ich mich darüber denn das habe ich hinein legen wollen, aber ich erschrack auch wol eben so sehr. – Morgen fange ich die zerlumpten Kleider zu malen an, ich wollt sie wären noch zerrissener, in Italien da giebt es prachtvolle Lumpen, allenthalben sieht man Morillio’s  ! | Ihr seit alle unwohl  ; bei Euch ist der gelinde Winter wol auch schuld, wie hier, oder Scharlach und das Schleimfieber kommen häufig vor.  – Riedel schreibt daß es so warm in Rom sey daß schon seit 14 Tagen die Mandeln in voller Blüthe stehen. Wir hier haben noch keine Kälte gehabt. Ich z. B. gehe immer bloß mit einem wollenen Tuche aus und erhitze mich darin nur zu häufig, man hört auch die Frühlingsvögel schon lustig trällern. – Der Landschaftsmaler Kummer544 in Dresden ist wie man mir schrieb im vergangenen Jahre nach Amerika gegangen, vielleicht ist er wieder gekehrt, wie es so viele gethan. – Die beiden Bilder von Rugendas malt er auf Bestellung und bekommt 15 Louisdor per Stück, er ist noch nicht fertig, aber sobald er diese Arbeit beseitigt dann wird er nur für Dich arbeiten, ich will ihn schon daran zu halten suchen. – Ich habe die Gewohnheit Deine Briefe immer der Reihe nach zu beantworten, so auch heute obgleich alles 543 Ivo Ambros Vermeersch (1810–1852) war ein belgischer Vedutenmaler, der in Gent studiert hatte. Nach ausgedehnten Reisen durch Europa in den Jahren 1840/41 ließ er sich in München nieder. 544 Der Dresdener Landschaftsmaler Carl Robert Kummer (1810–1889) war für A. M. Hagen von besonderem Interesse. Laut Verzeichnis der Gemälde im Nachlass der Künstlerin (Familienbesitz) befanden sich zum Zeitpunkt ihres Todes drei Werke von Kummer in ihrem Besitz, wahrscheinlich Erbstücke des Vaters. Sie wurden von den Nachfahren verkauft, ihr Verbleib ist heute unbekannt. Kummers Reisetätigkeit war sehr ausgedehnt  : neben Italien, Ungarn und Montenegro bereiste er Schottland, Portugal und Ägypten. Über seinen Aufenthalt in Amerika ist nur wenig bekannt. In seinem Werk gibt es keine bekannten Verweise auf diese Reise (frdl. Mitteilung von Elisabeth Nüdling, Fulda).

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Abb. 20  : Julie Hagen Schwarz, Bettelkind, 1851, Fotografie nach verschollenem Gemälde, Familienbesitz

bunt durch ein ander geworfen mit Absicht scheint, nur so weiß ich nur daß ich nichts vergesse. Der Ausspruch der guten Tante  : kommt Zeit, kommt Rath  ! – hat Dich von Italien sprechen gemacht. Ich bin froh darum, obgleich ich ja doch wußte daß Du mich nicht so strafen könntest. Du warst eben auch heftig wie es Deine Tochter war. Ich weiß in der That nichts Bestimmtes über ihr Denken, Thun und Wollen in dieser Sache. Wie ich nie weiß wie weit sie in ihren Wohlthaten, die sie spenden gehen können und wollen, so weiß ich auch nicht was sie mit mir für künftig im Sinn haben, dasjenige was ich mir denke will ich Dir sagen. – Sie wünschen daß ich nach Rom gehe, und freuen sich daß Riedel sich meiner annehmen | wird. Daß sie zufrieden sind wenn ich selbst Mittel habe um dort zu studiren glaube ich  ; doch ebenso sehr glaub ich, würden sie mir nie vergeben wenn ich nicht darauf rechnete daß sie mich dahin begleiteten. Riedel wie Du sehen wirst erwartet mich eigentlich erst im Herbste und früher als August würden die Verwandten auch nicht München verlassen. Tante war sogar schon einigermaaßen verstimmt daß Du mich zu Ostern schon in Rom wünscht. Ich füge mich in Allem nur meine ich wäre für mich der Aufenthalt sozusagen nutzlos ohne die Gegenwardt Riedels. Du wirst nun wol selbst beurtheilen. In Rom finde ich wol mehr Bekannte als ich in München und Dresden fand. Unter Künstlern namentlich finde ich mehrere, im Herbste

594 | Die Briefe geht eine Schülerin des Hundertpfund, Engländerin nach Rom, diese Dame ist für meine Arbeiten enthusiastisch eingenommen, und weinte vor Freude als sie hörte daß ich wol auch hin käme.545 Ehe ich’s vergesse, die älteste Tochter der Hüttel in Dresden, Auguste Helbing hat ein Töchterchen. Für ein Attelier hat Riedel die Sorge übernommen. Sein Attelier soll einem Tropengewächshause ähnlich sehen, ein ganzes förmliches Glashaus wo er denn nach belieben die Sonne, die Reflexe etc. durch das Öffnen oder Verhängen der Fenster sich verschafft. – | Ich staune über die Zahl der Bilder und nur aus einem Hause.546 Wenn ich doch die ich hier habe auch dazu stellen könnte. – Bernhardt sagte mir neulich als er daß Bild der beiden Mädchen mit dem Liebesbriefchen sah (denn jetzt ist es fast fertig zu nennen, nachdem das ganze wieder übermalt ist) das Bild macht Ihnen alle Ehre, stellen Sie’s doch bald aus (vgl. Farbabb.  12). Du hast in einem Deiner letzten Briefe gesagt daß es Dir nicht gefällt, daß Manches zu wünschen Dir gekommen wäre. Ich wünsche auch daß es zehntausend Mal besser wäre aber schlechter ist es nicht als meine andern Arbeiten die Du besitzt und ich hoffe Du wirst Dein Urtheil zurück nehmen wenigstens hoffe ich Du wirst ihm einen freundlicheren Blick zu wenden als deine Worte waren. –547 Daß der Brief mit der Haube angekommen daß habe ich erfahren doch wann das weiß Gott  !  !  – Sagt der Schwester Mieze daß ihre feinen Kragen an die Tante heute von einem Brüsseler Spitzenfabrikant bewundert wurden. Nämlich Rugendas bat uns darum um damit gleichsam zu pralen da der Mann im selben Gasthaus wohnt, in welchem R. speist. Gleichzeitig zeigte er ihm eine Arbeit der Indeaner. – Hier habe ich aber auch nichts so fein gefädeltes gesehen. Tante und Onkel meinen daß das Sicherste sey eine Anweisung auf Rom statt Wechsel, indessen ich will mich noch näher erkundigen. – | Die Fotographie des Rugendas, welche ich hier beilege gieb in meinem Namen dem Liphardt oder der Frau von Krüdner, Du wirst wol erkennen wer von den beiden sich mehr freuen würde. Wenn Dir übrigens diese besser gefällt als dasjenige welche ich Dir früher sandte, so tausche um. d  : 4 Feb. – Die Nacht und der ganze Tag mit heftig Kopfschmerzen geplagt gewesen, möchte lieber mich ins Bett legen als schreiben aber der Brief muß fort. Auch an Riedel will ich heute noch schreiben. Ach ich hätte an so vielen 545 Dies könnte Philippa Swinnerton Pearsall (verheiratete Hughes, 1824–1917) sein, die bis 1849 Liberat Hundertpfunds Schülerin war. Sie lebte mit ihrer Familie in der Schweiz, wo ihr Vater, der Komponist Robert Lucas Pearsall (1795–1856), das Schloss Wartensee im Kanton St. Gallen gekauft hatte. 546 Sie spielt hier auf die Wiederholung der Ausstellung, ergänzt um 34 Gemälde von August Matthias Hagen, im Januar 1851 im von Liphart’schen Haus in Dorpat an. 547 Zur Problematik dieses Werkes vgl. Conrad in  : Künstlerinnen schreiben, 2018, S. 35–44.

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Leuten zu schreiben  ! – Alle müßen sich mit Grüßen bloß begnügen, Wachters, Kirch­e isens, Hartmanns und alle übrigen Freunde. Dieses Blatt ist zu sehr durch geschlagen als daß ich noch darauf schreiben könnte. | Hat Frau von Meyners noch dieselbe Kammerjungfer die sie vor ungefähr 5–6 Jahren nach Dorpat brachte  ? Das war ein liebes gescheutes Mädchen, in Dresden besuchte sie mich einige Male, wenn sie noch bei der alten Dame sein sollte so bitte ich sie wie auch unser Hannchen zu grüßen, wie geht es Letzterer  ? Hat sie Kinder etc.? – Liebe Mutter  ! Du wunderst Dich daß der Onkel auch ein Amt bekleidet, das war ja bloß der Fall während der Kapital- und Vermögenssteuereinnahme. Jetzt hat das auch ein Ende. Ob er auch dafür einen Lohn in Geld bekommt weiß man noch nicht. Ich habe mich wegen der spanischen Piaster erkundigt. Man weiß mir bei jetzigen Verhältnissen nichts besseres zu rathen als eine Anweisung, welche man per Post mit einem Briefe senden kann ohne zu fürchten beraubt zu werden, indessen werde ich in jedem Fall noch Erkundigungen ein ziehen. – Tante und Onkel sind wohl und grüßen vielleicht schreibt Erstere morgen in aller Früh noch einige Zeilen. Ich zweifle daran.  – Wo steckt Wilhelm jetzt  ? Hat Karl ihm geschrieben  ? Und von mir erzählt  ? Großmutter und die übrigen Landbewohner herzliche Grüße. Fritz vor Allem. Miezchen trage ich herzliche Grüße an Schwarz auf, ich werde ihm selbst schreiben wenn ich Zeit finde, sie mag mich entschuldigen. Rugendas hat heute noch etwas geschrieben neben den | auf mich sich beziehenden Stellen aus Riedels Brief. Er beschäftigt sich im Kopfe mit Deinem Urwald, er sprach mir davon wie er es gedenkt zu malen und ich denke es soll sehr schön werden. – Meine gute Mutter wenn dieser Brief an kommt, ist wol Dein Geburtstag, ich möchte Dir so vieles wünschen aber Wünsche die nur Wünsche bleiben ohne zur Erfüllung beitragen zu können ist herzlich wenig, – Möchtest Du wenigstens gesund und heiter den Tag wie das ganze Jahr verbringen. Meine Gedanken werden Dich an dem Tage umschwärmen meine Gebete zu Gott für Dein Wohl aufsteigen. Lebt nun alle herzlich wohl  ! Tante läßt sehr für die Briefe und die schöne Haube von der Marie danken, der französische Brief hat ihr viele Freude gemacht, sie schreibt wol das nächste Mal Lebt wohl und behaltet lieb Eure Euch zärtlich umarmende Julie

596 | Die Briefe Moritz Rugendas an August Matthias Hagen aus München, 3.2.1851 München d. 3ten Febr. 1851

Verehrter Herr u Freund, von Fräulein Julie unterrichtet, daß Sie sich noch sorgten, ob Riedel in Rom – auch ganz gewiß die Leitung ihrer Studien u Arbeiten – während eines Ihnen beliebigen Aufenthaltes – übernehmen werde u um sicher zu gehen – erst positive Zusage von ihm wünschten – so beeile ich mich Ihnen diese – wie sie in seinem letzten – vor 3 Tagen erhaltenen Briefe vom 24ten Januar enthalten ist mit zu theilen. Und zwar lauten seine eigenen Worte  : »Da ich heute unsere Briefe zu schreiben habe Dein Brief der letzte war welchen ich erhielt u bekanntermaßen die letzten die ersten werden, so will ich mit Dir anfangen, ein Paar Worte auf dieses Papier nieder zu schreiben. – – Was hast Du da für eine Menge Worte gebraucht mir begreiflich zu machen, daß Fr. Julie Hagen hier in Rom – erwartet, gut aufgenommen zu werden – weil Du der M. Rugs aus Augsb. bist. – Daß versteht sich ja von selbst – aber eine andere Frage ist, ob sie etwas von mir lernen kann. Was ich weiß von der Malerey theile ich ihr gerne mit, aber es ist eben nicht weit her, denn von besonderen Geheimnissen in der Farbenmischung etc. weiß ich eben verflucht wenig, ich suche es so natürlich u lebendig zu machen – als ich kann – u frag den Teufel danach ob die Farbe dick oder dünn ist. Kurz – was | ich dienen, helfen, – sagen, rathen u so weiter thun kann –––– von Herzen gern. Ich glaube nun Sie können auf diese Zusage hin versichert seyn  – daß sich mein alter Freund auf ’s wärmste für Fräulein Juliens Studien interessieren wird  – gewiß nicht weniger  – als ich es wünsche  – und Sie wünschen mögen. Ihre Tochter  – als Nichte Hrn. v. Paumgartens  – ist ihm ohnehinn ein besonderes Wesen,  – er sagt in seiner launigen Art »Vergesse nicht Hrn u Fr. v. Paumgarten zu grüßen, wäre nicht übel – wenn ich mich nicht mehr auf Sie erinnerte.« Auch Ihre Base läßt er grüßen als Freund bemerkt dann noch im Postscript »Du weißt daß während der Sommer Hitze in Rom nicht gut arbeiten ist u dort ich um meiner Gesundheit wegen – ein paar Monate zu den nahen Bergen Albanos oder Olevanos herum schlengle  – oder die Bäder in Civita Vechia gebrauche  – behalt das in Gedanken und benachrichtige mich also bey Zeiten über Deiner Schülerin Kommen auf daß sie mich finde  ––– . Ich werd ihm also die Zeit wenn die Reise beschlossen ist schreiben.  – Hier freut sich alles (daß heißt  – alle Künstler)  – daß die Ausbildung des schönen Talents Riedel übernehmen will  ––– der zwar | Nachahmer in Polack548  – 548 Der Genremaler Leopold Pollak (1806–1880) galt als ausgesprochener Nachahmer Riedels, er lebte wie dieser seit den 1830er Jahren vorwiegend in Rom. Von ihm stammt Riedels Porträt

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Marr549 etc. hatte – aber keine Schüler hatte. – Er wird Ihre Tochter nicht in seine Weise ganz hineinziehen wollen sondern ihre Eigenthümlichkeit hervorzuheben u auszubilden verstehen – u ich erwarte freudig die schönsten Resultate. ---------Fräulein Julie theilte mir aus Ihrem neusten Briefe mit  – daß Sie keine Wiederholung des schon lithographirten Waldbildes v mir wünschen wohl aber ein demselben im Charakter ähnliches Waldbild. Ich freue mich etwas neues zu machen u. hab ein gutes Motiv im Kopfe. Noch versichert mich Fräulein Julie  – daß Ihnen 2 anderen Bilder – Wiederholungen der auf meiner Staffelei grade der Vollendung nahen – willkommen seyn würden. Ich fürchte mein werther Herr – daß Sie diese Bestellungen aus Freundlichkeit für den Studienpfleger – mehr als aus Künstlerverlangen mir auftragen wollen. Ich bitte mein werther Herr – legen Sie sich ja keine Gèné auf – u bedenken Sie wohl daß der Enthusiasmus eines dankbaren Gemüths – Ihrer Julie – zum Lob meiner Arbeiten verleitet – die denn vor den Critikerbliken nicht so gut bestehen möchten  – Ich bin darum auch verwundert u besorgt – hör ich von Ausstellen – meiner Scizzen – in Gesellschaft der vollendeten Arbeiten Anderer.550 Fräulein Julie wird Ihnen gemeldet haben mit welcher Materie sie beschäftigt ist. Sie werden – von ihren weiteren Fortschritten schönes Zeugniß geben –––. Wiederholt mich Ihrem freundlichen Angedenken empfehlend so wie Ihrer Frau Gemahlin u. Familie – auch dem Kunstfreund Hrn Lippert habe ich die Ehre zu sagen Ihr ergebenster Freund u Diener M. Rugendas

aus dem Jahr 1851  : Der Maler August Riedel, 1851, bez. u. li.: »Pollak fec. Rom 1851« und a. d. Rs.: »Maler Aug. Riedel gemalt von Pollak. Rom 1851.«, Öl auf Leinwand, 48,1 × 37,5 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlung – Neue Pinakothek, Inv.-Nr. 9566, vgl. Farbabb. 18. 549 Der nachahmende Maler »Marr« lässt sich vermutlich mit Heinrich Marr (1807–1871) identifizieren. Er war für seine volkstümlichen bayerischen Genreszenen bekannt und lebte zeitweilig in München, wo er ab 1825 auch einen Teil seiner Ausbildung an der Akademie absolvierte. 550 Auch hier ist wieder die Ausstellung in Dorpat Anfang 1851 gemeint, in der die im Sommer 1850 übersandten Skizzen Rugendas’ mitausgestellt waren  ; unter den insgesamt acht Werken waren jedoch auch ausgeführte Arbeiten, die er früher bereits durch Julie nach Dorpat geschickt hatte, vgl. Dörptsche Zeitung, Nr. 13, 1851, S. 8. Die beiden Werke, die Rugendas gerade auf der Staffelei hatte, waren das Werk La Siesta und La Danse (vgl. Anm. 527)  ; unter den fünf noch zum Zeitpunkt ihres Todes im Besitz der Künstlerin befindlichen Rugendas-Werken ist ein in der Nachlassliste mit Siesta bezeichnetes Werk gewesen. Keines dieser Werke von Rugendas hat sich heute bei den Nachfahren erhalten.

I. Sicherung der finanziellen Mittel  : ein Stipendium vom Zaren Februar 1851 bis August 1851 Nachdem die Abreise nach Rom beschlossen war, arbeitete die Künstlerin täglich bis zur Erschöpfung an den versprochenen Aufträgen und an Werken, die sie für den Zarenhof bestimmte, um Protektion zu erlangen. Sie hatte ein »vaterländisches Werk« zweier barmherziger Schwestern mit einem sterbenden Soldaten im Sinn, für das sich aber zunächst weder Modelle noch die nötige Bekleidung finden ließen. Reihenweise schlug sie aus Zeitknappheit nun Porträtanfragen aus, dazu kamen reichlich Besuche, die sie zwar von der Arbeit abhielten, für die Bewerbung um ein Stipendium aber willkommen waren und gepflegt werden mussten. Die Briefe wurden nun kürzer und kompakter. In Dorpat wurden nach Beendigung der Ausstellung Werke Julie Hagens versteigert und brachten einen ersten finanziellen Erfolg. Das Rugendas-Bildnis wechselte dort seinen Besitzer. In München und Augsburg stellte die Künstlerin weiterhin in den Kunstvereinen aus und war mit einigen Werken sehr erfolgreich, darunter das Bettelkind (vgl. Abb. 20), zu dem sie mehrere Kaufanfragen erhielt. Ihre Publizität stieg, nicht nur in der Heimat berichteten die Zeitungen nun von ihren Arbeiten. Besondere Aufmerksamkeit scheint Julie Hagen die Ausstellung dreier Werke im Münchner Kunstverein im März 1851 eingebracht zu haben  : zu sehen waren das Liebesbriefchen, eine Mulattin und die Kleine Bittende. Als Folge dieser Ausstellung stellten sich bei der Malerin viele wichtige Besucher und noch mehr Anfragen ein. Sie erhielt Porträtaufträge aus angesehenen adeligen Kreisen. Sie malte in dieser Zeit die Fürstin Wrede, vier Bildnisse der Familie von Stransky und die Verwandten des russischen Gesandten, Mitglieder der Familie von Wimpffen. Daneben schuf sie ein intimes Porträt des jungen Landsmannes Wilhelm Blum (1831–1904), malte die Eltern Diß und den Bruder ihres zukünftigen Meisters, den Architekten Eduard Riedel (1813–1885). Alle diese Bildnisse sind bis heute unauffindbar. Die Künstlerin fühlte sich nun sicher genug, um zielstrebig eine finanzielle Unterstützung durch das Zarenhaus einzuwerben. Dabei entwickelte sie eine regelrechte Strategie, die aber zunächst nicht fruchtete. Der erste Weg zum Zaren sollte auf Vorschlag des Landsmannes und Malerkollegen Alexander von Kotzebue, der sie nun oft besuchte, über den St. Petersburger Hofmaler Carl Timoleon Neff führen. Da der Vater diesen persönlich kannte, wurde beschlossen, ihm Bilder nach St. Petersburg zu schicken. Neff aber hatte Vorurteile gegenüber malenden Frauen, er

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hielt sie für nicht ausdauernd. Schnell wurde klar, dass von ihm keine Unterstützung zu erwarten war. Der zweite Weg wurde über die Lieblingstochter des Zaren, die Großfürstin Olga (1822–1892), Ehefrau Karls I. von Württemberg, gewählt. Der Violinvirtuose Jerome Gulomy (1821–1887) aus Pernau, den Julie auf einer geselligen Abendveranstaltung bei Ledebours kennengelernt hatte, nahm die Kleine Bittende mit zu seinem nächsten Engagement nach Stuttgart samt einem Begleitschreiben an die Großfürstin mit der Bitte um Empfehlung beim Zaren. Aus Stuttgart kam jedoch keine Antwort. Der dritte, letztlich erfolgreiche Weg gelang über den russischen Gesandten Dimitri Petrowitsch Severin (1792–1865), der durch Vermittlung von Moritz Rugendas im April 1851 mit seiner Frau, einer geborenen von Moltke, und seinen Nichten im Atelier der Künstlerin erschien. Nach Besichtigung der Gemälde sagte Severin Unterstützung und Vermittlung zu, versprach vor allem Karl Leopold von Kiel, den Tutor der russischen Pensionäre in Rom, zu mobilisieren. Im Juni 1851 erschien Kiel endlich, machte die nötige Werbung für die Malerin und führte weitere wichtige Besucher in ihr Atelier. Ein kurzer Besuch der Herzogin und des Herzogs von Leuchtenberg in München Ende August 1851 brachte die ersehnte Wende. Es war ein Besuch zur rechten Zeit, ein neuerlicher Glücksfall für die Malerin Hagen. Die Vorhut bildeten Severin und der Vice-Präsident der »Kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der Künstler in St. Petersburg« Matvei Wielhorski (1794–1866), ein Vertrauter der Herzogin. Nun musste alles ganz schnell gehen  : der Gesandtschaftssekretär Otto Moritz von Vegesack (1807–1874) hieß die Künstlerin, ihre Bilder am kommenden Tag in das Leuchtenberg’sche Palais bringen zu lassen. Tags darauf, 12 Uhr, wurde sie zur Audienz mit weiteren Werken gebeten. Die Herzogin von Leuchtenberg – Zarentochter Maria Nikolajewna  – war höchst angetan vom Talent der Untertanin und sagte ihr finanzielle Unterstützung für die weitere Ausbildung in Rom zu. Die Herzogin war es schließlich, die das zuvor schon vielfach begehrte Bettelkind kaufte. Wielhorski erwarb die Mulattin, die 1853 über eine Verlosung in der »Kaiserlichen Gesellschaft« ebenfalls in den Besitz Maria Nikolajewnas gelangte. Aus den Fonds jener »Gesellschaft« erhielt Julie Hagen ab 1852 die ersten Zuwendungen, ab 1853 fiel ihr ein persönliches Stipendium Zar Nikolaus I. zu. Auch in diesem Zeitraum schickte Julie Hagen einige Bilder nach Hause, darunter das vieldiskutierte Liebesbriefchen (vgl. Farbabb.  12). Der Vater machte zwei Bestellungen bei Moritz Rugendas, eine Wiederholung des Werkes Siesta, das noch im Jahr 1902, dem Sterbejahr der Malerin, in ihrem Besitz war, und einen Urwald, zu dem allerdings der alte Hagen so viele Anweisungen gab, dass Rugendas die Ausführung schwerfiel. Rugendas zeigte überhaupt einen zunehmenden Mangel an Kontinuität beim Arbeiten. Immer wieder geriet er in Verzug und damit auch in Geldschwierigkeiten.

600 | Die Briefe Die Ausbildung des Bruders Alexander war weiterhin ein wichtiges Thema in Julies Briefen. Durch Verhaftungen in Russland um den Fall Bruiningk verschärften sich die Passvorschriften just in dem Augenblick, als die Aufnahme Alexanders im Haus der Verwandten beschlossen war. Seine Ausreise verzögerte sich noch um ein gutes Jahr. Ab September 1852 lebte er in München, wohnte bei den Verwandten und studierte an der Münchner Kunstakademie. Im November 1853 zog er nach Rom zu seiner Schwester und blieb dort drei Jahre ansässig. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 15.2.1851 München d  : 15/3ten Februar 51

Meine theuer geliebten Aeltern  ! Es ist ein heiliger Tag heute für mich, der Geburtstag unserer guten heiß geliebten Mutter  ! Die Nacht, die stille dunkle in welcher es möglich wird einem Gedanken nach zu gehen, ihn fest zu halten ohne zu fürchten, von Einwürfen auf dem Wege abgeleitet zu werden – ist mir halb wachend verstrichen, ich gedachte Deiner, meine lieben süßen Mutter, möchtest Du meine Gebete im Traum vernommen haben oder wenigstens geahnt haben, ich bin traurig aufgestanden, traurig und ernst, so daß ich noch nicht den Verwandten sagte welche Heiligkeit der Tag für mich hat. Wann kommt die Zeit wo ich Dir mündlich meine Wünsche bringen darf  ? Ja wann kommt sie  ?? Ich wage es kaum mehr zu hoffen daß sie bald erscheint, als Mensch gehöre ich in meine Heimath aber als Kunstjüngerin finde ich nur hier im Süden Nahrung und Leben. Ich bin zu weit in der Kunst gegangen um für immer wieder nach Livland zurück zu kehren. Zerrissen hier und zerrissen dort, nirgend mit ganzer Seele  ! So klingt es fast wie ein Klagen, nein ich sollte zufrieden sein, jeder hat Wünsche für sich im Busen. – Möchte der liebe Gott diesen Tag noch viele, viele Mal wiederholen lassen und womöglich im Kreise Deiner Kinder  ! An diesem Tage suche ich immer die gute Tante Cecilie, welche kommt mir zum Namenstage (der Morgen ist) zu gratuliren und da ich Dir nichts schicken kann so habe ich’s mir zum Gesetz gemacht den armen Tanten immer eine Kleinig|keit, und wenn es noch so wenig ist zu geben, leider kann ich so wenig für diese guten Seelen thun. Gestern Abend erhielt ich einen Brief aus Rom von Gilli, die Stellen über die materiellen Bedürfnisse daselbst werde ich für Euch heraus schreiben. – Vorgestern waren wir auf einem Ball oder einem sogenannten Picknick der Offiziere, ich bin mir treu geblieben und habe nicht getanzt, obgleich ich sehr oft aufgefordert wurde. Mit diesem Ball hat denn wol der Karnevall für mich ein Ende. Das zu sehen übrigens ermüdet fast eben so sehr als das Tanzen. Und doch ist trotz allem Sehen mir nichts aufgefallen das mich mit anhaltender Freude erfüllt hätte. Sehr hübsche Toilette und liebe niedliche Gesichtchen, doch keine

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einzige Schönheit, der Prinz Adalbert551 tanzte wie wahnsinnig alle Tänze mit und suchte sich wie natürlich ist die hübschesten Mädchen aus, schade daß der König Ludwig nicht dort war. – Ich bin sehr begierig wie Euer Jahrmarkt ausgefallen und die Vergnügungen, welche man sich und andern sonst in der Zeit zu bereiten pflegte. – Jetzt ist auch alles wieder vorüber. – Wenn Ihr im Verhältniße so strenge Kälte habt wie wir so muß es bös bei Euch aussehen. Seit einigen Tagen pfeift es 11–15 Grad unter Null. Bis jetzt trifft die Witterung mit dem hundertjährigen Kalender überein. Morgen ist die Verloosung im Kunstverein, möchte auch etwas gewinnen Landschaften etwa, das übrige ist nicht | viel werth. – Der guten Emma Rieckhof habe ich schon lang nicht geschrieben, ich sollte es thun und komme nicht dazu wenn doch Fanny mich entschuldigte bei ihr und ihr sagt wie es mir im Allgemeinen geht. Ich bin leidlich gesund und fleißiger als je. d  : 22 Sonnabend. Schon wieder sind 8 Tage vergangen und ich habe nicht geschrieben aber doch an Euch gedacht. Die Woche ist vergangen ich hatte manches was ich Euch schreiben hätte sollen und muß nun nachholen das Versäumte. Am Montage wurde mir die Anzeige gemacht daß Kotzebou mich besuchen würde und vergeblich schon drei Mal dagewesen sey unglücklicher Weise aber immer die Stunde gewählt wo ich zur italienischen Stunde gegangen war. Er hatte nämlich Rugendas besucht um durch den zu erfahren zu welcher Stunde ich zu treffen wäre. Meine Scheu vor ihm hatte ich durch diese zwanglose Freundlichkeit nicht verloren, ich erwartete ihn mit einiger Beklemmung. Zwischen drei und vier kam er, grüßte hofmännisch mit Worten begleitet, die mir schmeicheln durften. Meine zuletzt ausgestellten Köpfe, namenlich der eine habe ihn entzückt etc. Die Feuerbeleuchtung, die früher Waschende, jetzt sich ankleidende Person lobte er außerordentlich auch die beiden Mädchen und mehr oder weniger die übrigen Bilder alle. Während er alles sehr genau und lang prüfend ansah fragte er warum ich nicht schon lang etwas dem Kaiser geschickt um mir eine Pension zu ver|schaffen und gab mir den Rath dem Neff ein Paar Arbeiten zu senden mit der Bitte sie dem Kaiser zu zeigen und um ein Stipendium zu verlangen. Kotzebou sagt daß dieser Weg unfehlbar sey und Früchte tragen müße denn der Kaiser giebt alles auf Neffs Wort zumal da er sobald er die Atteliers besucht immer guter Laune ist. Kotzebou bemerkte weiter  : Neff ist ein wohlwollender Mensch, thut alles gern es muß ihm nur keinen Rubel kosten, und er ist als Professor oder Director der Academie die beste Person. – Da Du lieber Vater Neff persönlich kennst, so wäre es mir sehr lieb wenn Du an ihn schreibst und ihm die Sache vorlegst und zu gleich ein Paar von meinen Bildern ihm sendest etwa den Rugendas, die Blaue Muse, den Neger oder den Ungar, der Ungar übrigens fürchte 551 Der jüngste Sohn Ludwigs I., Adalbert Wilhelm Georg Ludwig von Bayern (1828–1875).

602 | Die Briefe ich hat die Lasur verloren und mag im Schmelz eben nicht gut sein obgleich er mit zu den besten Köpfen gehörte. Magst Du das nicht, scheinen Dir die Sachen zu wenig gut, so schreibe mir’s augenblicklich und ich schicke direct von hier aus ihm die beiden Mädchen welche ich so eine Zeitlang für den Kaiser bestimmt hatte da Du so wenig zufrieden Dich über die Composition geäußert hattest, sie sind so weit daß sie als fertig wol reisen | können, natürlich müßte ich denn erst einen goldenen Rahmen bestellen und hier sie ausstellen wozu ich schon von der einen Dame die Erlaubniß erhalten habe. Wünscht Du daß ich das Bild nach Petersburg an Neff schicke so wäre es aber doch gut wenn Du ihn erst benachrichtigen würdest. – Ich war wie gesagt fest entschlossen das Bild dem Kaiser zu schenken um Dir und Alexander die Möglichkeit zu verschaffen im Sommer nach München zu kommen um denn mich nach Rom abgehen zu sehen oder selbst dahin zu begleiten. Nachdem aber hatte ich über den Gegenstand einigen Zweifel und dachte an ein anderes Bild welches ihn als Soldat mehr anregte. Der Gedanke zum Bilde war gefunden die Composition auch da aber die Modelle fehlten und endlich da ich das eine fand legten sich andere Hinderniße in den Weg und ich kann eben nicht beginnen. Ich habe nämlich einen verwundeten Soldaten malen wollen welcher von einer Barmherzigen Schwester verbunden wird. Die barmherzige Schwester fand Rugendas (der überhaupt mein Modelllieferant ist) in einer Perückirsfrau, welche aber in gesegneten Umständen ist und nicht sitzen kann und mag. – So geht es aber hier immer mit den Modellen, es ist noch kein Markt wie in Rom wo sie sich zu hunderten lagern und auf die Künstler warten. | Wenn das aber durch Neff abgemacht und arangirt werden kann so brauchte ich an das Bild für das Erste gar nicht zu denken ich könnte es mit mehr Ruhe, wenn ich das Modell oder die Frau des Perückirs haben kann  – malen. Mir scheint dieser Weg und diese Person die beste zu sein und ich will selbst wenn Du meinst an Neff schreiben. – Schon meines Passes wegen ist es gut wenn ich einen entschiedenden Schritt thue – Und für Alexander wäre denn auch in so fern gesorgt daß er mit dem Gelde heraus kommen könnte das jetzt auch noch für mich bestimmt ist –– Du natürlich begleitest ihn dann und wir feiern ein über seliges glückliches Wiedersehen. Überlege Dir diese Sache genau und schreibe mir darüber damit ich zur rechten Zeit mein Bild von hier abschicken kann  – unter dessen will ich auch thätig sein. Am Mittwoch war Ball bei Ledebour und zwar maskirter Ball. Mir wurde es schwer mich dahin von zu hause los zu eisen, zu letzt ging es doch, mein sehr brilliantes Kostüm das ich vor zwei Jahren mir machte wurde hervor geholt wieder aufgefrischt und ich habe mich in 4 ½ Jahren nicht so gut unterhalten wie an dem Tage oder eigentlich in der Nacht. Es war eine außerordentliche Gesellschaft dort und die Wirthe auf das Höchste liebens-

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würdig, ja aufopfernd.552 Es war mir als wäre | ich im Himmel so kindisch froh und heiter war ich. Die Uhr war 5 als ich nach hause kam, die Milchfrauen trugen schon durch alle Straßen ihre Milch aus kurz der Tag begann seinen Anfang zu nehmen. Manch interessante Bekanntschaft habe ich gemacht. Es ist gewiß etwas werth wenn man in der Gesellschaft einen gewissen Rang besitzt, ich fühlte mich gefeiert indem sich die ältesten wie die jüngsten Männer und Frauen mir vorstellen ließen. Denn das Bewußtsein daß mein Kostüm das geschmackvollste, malerischte war gab mir die gehörige Stimmung, zuletzt noch ein Kampf über Schönheit mit dem Professor Marzius553 setzte mir vollens die Krone auf denn ich habe ihn glorreich geschlagen, im Beisein von einem Dutzend Herren die alle meiner Ansicht waren und mir halfen so daß der Herr Professor verstimmt war und zu einem der Herrn gesagt hatt »es thut mir leid daß ich mich über diesen Gegenstand eingelassen aber ich glaubte nicht eine so kräftige Gegnerin in Fräul. Hagen zu finden obgleich ich von ihrem Verstande schon überzeugt war.« (Es ist sehr komisch man hält mich hier für sehr verständig) – Außerdem habe ich einen höchst liebenswürdigen Landsmann kennen gelernt Gulomy554 Pernauer und ist Violinvirtuos, gab vor einigen | Monaten hier ein Conzert und mit großem Beifall. Er hat was außerordentlich Einnehmendes, und Bescheidendes. Er geht mit dem König Otto nach Griechenland. Ein mal war er bei mir, gleich nach dem Ball, seine Freude in mir eine Landsmännin zu finden kann übrigens nicht größer sein als in mir, ein Mal wieder Livländisch sprechen zu hören ist doch köstlich. Morgen wird er wieder bei Ledebour’s sein und zwar dort spielen ich bin auch dazu geladen  ; doch weiß ich noch nicht wie ich’s der Tante sagen soll, ich möchte zu gerne hin. – Gulomy hat als 6 jähriges Kind in Dorpat Conzerte gegeben, das war vor 23 Jahren, sein Vater ist als französischer Gefangener nach Rußland und zwar nach Sibirien gekommen und später am Gimnasium zu Pernau angestellt gewesen. Er erregt hier sehr viel Theilnahme, alles schwärmt für ihn. Gestern waren wir in einem Conzert das für die Wittwe des Musikers Kreutzer,555 der 552 Elisabeth von Ledebour unterhielt einen Künstler-Salon, genannt »Die Ecke«, in dem später Dichter wie Paul Heyse und Emanuel Geibel, der Kunsthistoriker Wilhelm Riehl oder Adolf Friedrich von Schack, der Begründer der Schack-Galerie, verkehrten. Er wurde zu einer feststehenden Einrichtung nach dem Tode Carl Friedrich Ledebours am 4. Juli 1851, jedoch auch zuvor verkehrten im Haus der Ledebours Künstler und Literaten sowie Musiker zum gemeinsamen Gedankenaustausch. Julie Hagen und auch Moritz Rugendas waren regelmäßige Gäste. 553 Der Botaniker Carl Friedrich Philipp von Martius (1794–1868). 554 Jérome Gulomy, 1821 in Pernau geboren, war Violinist und Dirigent, er starb 1887 in Bückeburg. 555 Der Dirigent und Komponist Conradin Kreutzer (1780–1849) starb in Riga, wo seine Tochter, die Sängerin Marie Kreutzer (1828–1888), zu dieser Zeit ein Engagement hatte. Seine Witwe war Anna, geb. Speil von Ostheim (1802–1886).

604 | Die Briefe in Riga starb, gegeben wurde, der Zufall wollte es daß Gulomy grade vor uns saß und in den Zwischenpausen unterhielten wir uns natürlich über unser Vaterland und die dort lebenden Freunde und er trug mir einen recht herzlichen Gruß an Carus | und dessen Familie auf – Er hat in Leipzig krank gelegen und ist von ihnen so liebevoll gepflegt worden. Er erinnerte sich dessen mit großer Dankbarkeit und Freude. Das Conzert fand im Theater statt, überfüllt war es nicht doch glaube ich wird die Einnhame doch ziemlich bedeutend sein.  – Von der alten Herrmann habe ich einen freundlichen Brief. Sie grüßt Euch sehr  – erzählt von Fräulein Anderssens daß diese von Barri556 (mein einst maliger Verehrer) wöchentlich eine Stunde habe und große Fortschritte machen, so daß sie hoffen im Sommer auf der Gallerie zu copiren, um dann gestiefelt und gespornt nach Hause zurück zu kehren. Glück zu  ! – d  : 26 Feb. – Es regnet und ist trüb, nachdem wir drei Wochen hindurch frisches heiteres Wetter hatten, kalt ohne Schnee. Dabei fing die Erde an zu keimen, die Sonne wirkte so sehr trotz der 8–10 Grad Kälte  ! Am Sonntag war ich bei Ledebour’s wo Gulomy spielte, anfangs kam ich äußerst heiter hin doch die tiefergreifende Art wie er dem Instrumente Töne entlockt hat mich außerordentlich melancholisch gestimmt, ich war froh wie ich allein war konnte ich doch weinen und immer wieder weinen, es war dazu der Umstand hinzu getreten daß es der Vorabend Deines Geburtstages war, die Erinnerung wurde thätig und die, tief in der Seele sprechenden Töne der Violine mußten natürlich große Wirkung thun. Gulomy ist übrigens | einer der größten Virtuosen unserer Zeit. Er verbindet eine unendliche Kraft mit einer unbegreiflichen Zartheit, kurz ich habe noch nie so vollendet auf der Violine spielen gehört. Hier schwärmt alles für ihn – er hat ein sehr angenehmes Äußeres und dabei allgemein bescheiden. – Wir sind zum Studentenball gebeten welcher am Sonntag sein soll, bei mir naht die Grippe, vielleicht kann ich nicht gehen, werde nicht weinen deshalb, im Gegentheil. – Warum kommt denn kein Brief von Euch  ? es könnte doch schon einer da sein. – Ich weiß nicht ob ich schon erzählte daß ich Kotzebou besucht und erstaunt über seine große Tüchtigkeit war. Er ist zwar noch kein Horas Vernet  ; allein er zeigt in allem ein schönes Streben nach diesem einzigen wahrhaften Künstler seines Faches. Ich werde ihn öfter besuchen – unsere Münchner können alle von ihm lernen Kaulbach nicht ausgenommen. Seine Frau ist unwohl sonst hätte ich sie schon besucht da sie auch zwei Mal vergeblich mich aufgesucht hatte,

556 Eduard Robert Bary (1813–1875) war Historienmaler in Dresden, ab 1853 Professor an der dortigen Akademie. Bary hatte Julie Hagen in Dresden den Hof gemacht und sie gebeten, sich von ihm malen zu lassen, was sie allerdings ausgeschlagen habe (Julie Hagen an ihre Eltern aus Dresden, 26.6.1847, Brief in Privatbesitz).

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gleichzeitig mit dem Manne, sie soll übrigens über alle Begriffe kalt sein, das ist so etwas für mich. d  : 28. Ich erfahre daß in Petersburg eine große Privatausstellung von Gemälden sein soll, ich weiß nicht genau zu wessen Wohl. Das gilt aber gleich es wäre doch gut wenn von mir etwas hin kann | vielleicht durch Neff. Sivers muß ja wol dort sein und wird, wenn dem so ist berichten. – Montag d  : 3 März 51. Gestern kam Dein lieber Brief nebst den 12 Th. und dem Zeitungsartikel. Ich war sehr erfreut und hätte gerne gleich geantwortet allein es kam ein alter Mann und blieb den Abend, und außerdem fühlte ich mich sehr katzenjämmerlich, denn am Sonnabend waren wir zum großen Studentenball557 gebeten, welcher außerordentlich brilliant, sowol was Dekoration als Menschenmenge betraf, wo 3–400 tanzende Paare waren immer in Bewegung. Der ganze große Saal war zu einem förmlichen Blumengarten umgewandelt, Springbrunnen allenthalben, In den Nebensäälen, in von Blumen und hohen Gewächsen arangirten Nischen sprangen sogar kleine Brunnen von wohlriechenden Wassen [sic]. Ein großer Buchsus wurde entwickelt. Um ½ 4 Uhr fuhren wir nach Hause von der inormen Hitze sehr müde. Daß Ihr aber auch wieder ein Mal einen Ball mit gemacht und die beiden Schwestern recht getanzt haben freut mich recht von Herzen. Immer noch denke ich mit innerem Vergnügen an die Musse558 und an meine Ballzeit. Mein Gott was war die golden  ! Soll denn die Musse ewig Krankenhaus bleiben  ? Das hieße denn doch ein verrätherisch Spiel mit den Studenten treiben – Wie waren die Schwestern gekleidet  ? | jede Kleinigkeit interessiert mich, ich möchte alles wissen die Mädchen beschreiben mir’s hoffentlich im nächsten Brief. – Die Stelle Deines Briefes wo Du beschreibst wie die Frau von Krüdner Dir die 200 R.{ubel} gebracht hat mir schon 3 mal Thränen gebracht, gerade die einfache Art, wie sie zu Dir kommt rührt mich immer wieder von Neuem und heute noch hatte ich im Sinn ihr selbst durch einige Worte zu danken für die Mühe, welche sie nicht scheute, aber besonders für die liebenswürdige Freundlichkeit mit der sie alles that  ; – doch nun wo ich am Schreibtisch sitze zag ich und ich fürchte sie könnte es weniger günstig aufnehmen als ich’s wünschte und als einen mündlichen Dank durch Dich lieber Vater. Ich bitte also von mir herzlich zu danken. Mir ist die Wahl559 so unangenehm nicht, da ich hoffe daß sie jetzt ausgesöhnt sein wird, es ist ja die Frau welche damals, ehe ich ins Ausland ging so fürchterlich spectakelte – Am liebsten hätte ich das Bild der Frau von Krüdner gewünscht, es sollte aber nun ein Mal nicht sein. 557 Der große Studentenball fand am 26. Februar 1851 im Odeon statt. 558 Zum Begriff »Musse« vgl. Anm. 104. 559 Die Zuordnung zu einer konkreten Person der Familie von Wahl ist hier nicht möglich. Frau von Wahl war offenbar das Bildnis Moritz Rugendas’ bei der Gemäldeverlosung zugefallen.

606 | Die Briefe Es freut mich sehr daß man Dir mit Begeisterung von Riedels Arbeiten gesprochen hat, ich wollte nur Du könntest etwas von ihm sehen, denn jede Schilderung vermag die Größe seiner Kraft nicht zu geben. Man beneidet mich hier, vor allen wird in den verschiedenen Künstlerkreisen viel davon gesprochen | – Er war allerdings vor länger als drei Jahren krank durch übermäßiges arbeiten doch jetzt völlig hergestellt. Im Sommer thut er wenig oder gar nichts wie er schreibt. Ob Rugendas begonnen oder nicht  ? er hat angefangen das eine Bild die Hängematte im Garten ist ein sehr überhötes Bild (das Maaß schicke ich mit.) das jenige welches er für Herrn Schätzler gemalt ist breit und niedrig dieses aber höher als breit indes er bessere Vegetation geben kann und auch die Matte besser hängt. Deshalb nun kann das kein Pendent bekommen d. h. nicht das vorhandene der tanzenden Mädchen, indessen hättest Du auch wenig Landschaft darin, was Dir so doch die Hauptsache ist. Die Landschaft der Urwald ist erst in sehr kühnen Strichen gezeichnet und auf eine größere Leinwand als das Maaß. Rugendas weiß noch nicht ob er an der Leinwand wird schneiden oder ob er das ganze braucht. Daher kann ich erst nächstens das Maaß senden. Du hast vergessen lieber Vater daß Du im vorigen Brief blos 5 Thaler mir schicktest – dies ist kein Vorwurf ich wollte Dich nur erinnern, vielleicht sende ich Dir das Blatt aus Deinem Brief damit Du Dich überzeugen kannst. – Rugendas indessen hat eine große Bestellung erhalten, eine Indierschlacht bei Nacht, die Composition hat er schon länger | als ein Jahr als Kohlezeichnung auf seiner Staffelei stehen, die mich immer, so oft ich’s sah entzückte. Die Berechnung der Thaler in Gulden ist richtig und endlich was Alexander betrifft kann ich das Mal noch nichts sagen. Ich habe mit Tante noch nicht recht darüber reden können. Gelänge es mir durch Neff mit dem Kaiser dann brauchten wir weiter gar nichts. Du könntest Alexander herausbringen und mit uns weiter gehen. Nur bitte ich Dich mir deshalb zu schreiben, ob ich von hier aus dem Neff was schicken soll oder ob Du es thust. Etwas muß geschehen  ! – Das ist ja ordentlich merkwürdig daß die Töchter des Schulz alle mit einem Mal unter die Haube kommen. Was aber macht das Geld nicht liebenswürdig und interessant  !  ? – Hat denn der junge Bröcker schon einen Bart  ? Hier sah er noch recht bubenhaft aus. – Neulich machte ich die Bekanntschaft eines jungen Mannes welcher mit wahrer Begeisterung von der Brüningk geborene Liven sprach. Er war durch einen Teil der Schweiz Italien mit ihr im vergangenen Herbst gereist. Seine Augen glühten als er von ihr sprach. Was hört man von ihr, ist sie noch in Wien. | Die Nichte des Fräul. von Bühler560 ist ein kleines unansehnliches Ding – sie schien 560 Fräulein von Bühler lässt sich nicht nachweisen. Offenbar war sie auch eine Bekannte der Eltern.

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mir wenig Interesse zu haben. Ich hörte ihre holde Stimme bloß wenn ich speciel eine Frage an sie richtete.  – Die Bühler hat mich bei Ledebours immer mit dem Beinahmen bezeichnet  : »das deliziöse kleine Mädchen« – so daß es ordentlich zum Sprichwort geworden ist  !  – Tante und Onkel sind recht wohl bis auf Grippe die auch ich habe und alle Welt. Die Kälte fängt aber auch jetzt erst recht an, heute am 3ten März waren es 15 Grad das will denn doch viel sagen. Der Karnevall hat nun auch ein Ende, die Versetzhäuser sollen voll und voll mit den verschiedenartigsten Gegenständen sein. – Die Datura steht doch nicht so sehr im Vorgrunde wol im Vorgrund doch sehr in der Ecke des Bildes, ich habe in der Pause ungefähr angegeben wie es werden soll, denn von all den Nebensachen war noch nichts gemacht, das Bild war eben erst angetuscht, und eben so darfst Du durch aus nicht den Ausdruck der Gesichter auf der bloßen Zeichnung als richtig annehmen, die Dir ja nur eine kleine Idee geben sollte. Indessen ich würde jetzt das Bild auch wol besser malen, finge ich jetzt erst an, es soll nun nächstens ausgestellt werden. | Tante erwartet glaube ich einen Brief wenigstens eine Bemerkung neulich ließ mir’s erkennen sie sagte nämlich daß ich sie verklagt haben müße denn Eure Briefe seyen kürzer als früher und auch anders. Also wenn Du ihr schreibst laß es recht freundlich u liebevoll sein. Für heute gute Nacht  ! Morgen will ich noch einige Zeilen hinzu setzen. Fastnacht, heute nur noch einen Gruß von mir und der Tante und dem Onkel. Die Zeit drängt ich muß ins Attelier da am Vortisch Theater ist statt am Abend und uns es trifft. Tante wünscht daß ich hinein gehe. Lebt wohl alle, alle  ! Herzliche Grüße allen meinen Freunden. Mit Innigkeit umarmt Euch Eure Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 14.3.1851 Freitag d  : 14. März 51. Meine theuren vielgeliebte Aeltern  ! Während ich früher fast jeden Tag schrieb erscheint es mir jetzt fast wunderlich wenn ich in der Woche und zu einer Stunde wie dieser, eine so liebe Beschäftigung vornehme. Es will mir bisweilen ordentlich scheinen als ob ich nicht mehr zu schreiben verstünde, und dieses Gefühl verhindert den ungezwungenen Verkehr mit den fernen Lieben. Dazu kommt nun noch der gänzliche Zeitmangel der mir und andern als Entschuldigung dienen muß. Meine gute Emma, meine »Kleine« und die Dresdener Freunde liegen mir schwer auf dem Herzen. Während der Jahre, die ich als Fremdling in der Fremde mich bewege, trug ich all diejenigen Briefe, welche noch nicht beantwortet waren in einer Brieftasche bei

608 | Die Briefe mir bis sie beantwortet waren. Dies ist nun jetzt ganz unmöglich  – ein hoher Stoß von allen Seiten her hat sich angehäuft den ich mit Kleinmüthigkeit und Zagen ansehe so oft ich an ihm passieren muß und durch einen neuen Ankömmling vergrößern muß. Daß ich also heute zum Schreiben komme am Morgen um 8 Uhr findet seinen Grund darin indem ein junges schönes Mädchen von 18 Jahren, aus unserer nächsten Nachbarschaft (Hofrath Dessauer’s Tochter)561 an der Schwindsucht gestorben ist und heute der Gottesdienst statt findet von dem ich mich nicht, wie sonst immer aus schließen mag. Nachtisch will ich aber wieder arbeiten. | Der März hat uns Kälte und viel Schnee gebracht, die armen Vögel verstummen und wissen nicht wie sie einen so kalten Gruß und Empfang bei ihrer Ankunft zu nehmen haben. Das Gras das munter und neugierig ihre Hälschen aus der Erde steckten bekommen natürlich für ihre Vorwitzigkeit auch einen Hieb. d  : 24 März 51 Vor 10 Tagen fing ich diesen Brief an und später schrieb ich nicht wieder. Unterdess ist ein lieber Brief von Hartmann eingelaufen und Eure lieben Briefe gestern, ganz gegen meine Erwartung früh um 8 Tage früher als sonst. Ich will mal wieder in der Reihenfolge die Briefe beantworten um nichts zu vergessen. Es freut mich daß Alexander fleißig ist und fortschreitet. Wie viel ein junger Mensch in München braucht kann ich im Augenblick nicht sagen, doch der Unterricht bei Bernhardt per Monat kostet 25 Gulden morgen mehr über diesen Punkt. Die Resursenbälle562 möchte ich wol auch mit machen. Jedenfalls sind sie hübscher als dergleichen Vergnügungen hier in denen es von tausende von Menschen wogt und von Tanzen fast keine Rede ist. Während ich zu meiner Zeit in der Studentenwelt allgemein die kleine Hagen genannt wurde so möchte ich jetzt wol in Gesellschaft von zwei | jüngeren und hübschen Schwestern zum Unterschied die alte hässliche Hagen benannt werden und desshalb wenig oder garnicht vom Tanzen profitieren  ; allein das würde mich dann auch wenig geniren da ich mich hier darin gewöhnt diesen Vergnügungen zu entsagen ich würde Freude und das recht herzliche darin finden meine Geschwister tanzen zu sehen. Des Aufsatzes im Inland sowol als der Critik über meine geringen Arbeiten in der Dorpatischen Zeitung hat mich amüsirt.563 Den Verwandten zeigte ich sie wol aber sonst Niemanden denn mich dünkt es zu viel als daß es mir zu käme davon zu sprechen. Rugendas zeigte ich’s nicht ein Mal weil ich mich ihm als 561 Ludmilla von Dessauer starb 19-jährig am 10. März 1851. Sie war die Tochter des Juristen Georg von Dessauer (1795–1870), der 1837 als »wirklicher Hofrath« von Ludwig I. in den erblichen Adelsstand erhoben worden war. 562 Vermutlich Studentenbälle. 563 Siehe Bröcker, 1851, und Dörptsche Zeitung, Nr. 13, 1851.

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Künstler sehr unterordne und dadurch ich mich gleichsam selbst erhebe. So etwas ist für unser Land recht sehr gut und es freut mich wenn die Menschen nun zuletzt nicht mehr lachen als Theil nehmen »Der Prophet gilt in seinem Lande nichts« – sagt das alte Spruchwort deshalb mißtraue ich allen Huldigungen, indessen bin ich dankbar. Es ist sehr eigenthümlich seine eigenen Worte, die man in aller Unbefangenheit gedacht gefühlt und ausgesprochen, gedruckt zu lesen. – Der Bericht aus Rom564 über die Bedürfniße dort selbst, möchte wol so ziemlich mit dem von Gilli übereinstimmen, in der Hauptsache wenigstens, Mittagessen, Abend und Kaffee hat er übrigens billiger angegeben. Da ich nun nicht gewohnt bin zu Mittag zu speisen so werde ich vielleicht um ein paar Scudi monatlich billiger leben, | dafür aber mehr Modelle brauchen da ich statt 4 Stunden, 8 und mehr des Tages arbeite. – Es soll mich sehr freuen den jungen Blum565 zu Ostern hier begrüßen zu dürfen, ich will sorgen daß er alles Sehenswerthe mit Leichtigkeit sieht und kann ich’s machen so werde ich ihn malen wenn er mich nur gleich aufsucht damit wir uns gegenseitig einrichten können. Ich werde dem Fräulein Bühler schreiben. Es ist mir recht unangenehm daß der Brief an Rugendas mit den verschiedenen Einlagen an mich verloren gegangen ist, mir eigentlich ein Räthszel. Haben die Leute auf der Post ihn unterschlagen und Geld darin gefunden so zweifle ich daß wir ihn wieder erhalten. Rugendas ist gestern nach Augsburg hinüber, da seiner Mutter 80ster Geburtstag heute ist. Morgen früh kommt er wieder und da geht er wol gleich um nach dem verlorenen Brief zu fragen. Jetzt weiß ich doch weshalb Freund Schirren nicht an mich schreibt er ist glücklicher Bräutigam  ! ich lobe seinen Geschmack, das Fräulein Müller ist sehr hübsch zart gewachsen, gescheut, dabei naiv so kam es mir vor in den wenigen Augenblicken wo ich Gelegenheit hatte sie zu sehen. Ich weiß nicht ob ich zum Schreiben kommen werde um ihm meine herzlichen Glückwünsche zu bringen, deshalb, wenn Ihr ihm schreiben solltet sagt ihm daß diese Nachricht mich sehr erfreut. Eines thut | mir nur leid daß er sich zu früh bindet mit Knoten die sich von Jahr zu Jahr immer fester und fester ziehen und ihm verbieten die Gränze zu überschreiten und dadurch seiner, oft so lebhaft ausgesprochenen Sehnsucht nach zu kommen. Für jeden andern Menschen thäten größere Verhältniße nicht so Noth wie grade dieser poetischen, reich ausgestatteten Natur, ich bewunderte ihn stets und wünschte ihm nur das Eine sich 564 Scheinbar ein Bericht an den Vater durch eine unbekannte Person. Julie hatte Alexander Gilli gebeten, ihr zu schreiben, was sie an Kosten für das Leben in Rom einplanen müsse. 565 Wilhelm Blum (1831–1904) war ein Sohn des Historikers Karl Ludwig Blum (1796–1869), der Professor und Dekan der Dorpater Universität war. Er wurde Jurist und engagierte sich in politischen Ämtern, von 1871 bis 1884 war er Abgeordneter im Reichstag. Seine Wahlheimat wurde Heidelberg. 1872 heiratete er die Frauenrechtlerin Anna Helwerth (1843–1917).

610 | Die Briefe von der staubigen Scholle los reißen zu können, sich Nahrung, Wärme, Kraft zu sammeln in einem besseren Lande und jetzt wird er so gut wie verloren gehen, als Dichter jedenfalls  ; denn man muß nicht allein ahnen von dem Großen und Herrlichen in der Natur sondern man muß auch mit eigenen Augen sehen damit das Herz ganz erfüllt wird dann nur wird man sich über die Mittelmäßigkeit hin über schwingen. Doch der Mensch ist sich sein eigener Herr, sein eigener Knecht  ! – Sievers der Arme thut mir herzlich leid  ! wie wird seine Zukunft einst ausschauen  ? ich zittere so oft ich daran denke  ! Der Frau von Krüdner werde ich schreiben hast Du ihr die neulich übersandte Fotographie von Rugendas gegeben, oder hat sie der Liphardt bekommen  ? Ebenso möchte ich wissen welchen Kopf Hartmann erhalten, er dankt großartig, giebt ihm all mögliche vortreffliche Eigenschaften und ich konnte vielleicht | deshalb nicht errathen welche Studie er bekommen. Die arme Schwester Mieze dauert mich, daß sie ihren Schwarz noch so lang entbehren muß. Es ist ein wahres Glück daß in Träumen wir oft in schöneren und erwünschteren Verhältnißen leben als in der kalten nackten Gegenwardt. Die Nachricht die sie mir über meine liebe Emma giebt hat mich beinahe platzen machen vor Lachen. – Deine Schilderung gute Mutter über die Geschwister hat mir viele Freude gemacht. Marie kann ich mir gar nicht als erwachsen denken, wie sieht es denn mit ihrem schiefen Körper aus  ? Eben so kann ich das liebe Johannachen schon am Schultisch beschäftigt sehen, ich kenne ihre Stimme nicht mehr – sieht sie mir noch so ähnlich  ? – Wo ist denn eigentlich Wilhelm  ? Du musst Dich nicht wundern liebe Mutter daß der Onkel nicht schreibt denn es kostet immer ein Ernst und vielen Ärger bisweilen sogar, bis die Tante ihn dazu bringt in sehr wichtigen Geschäftssachen zu schreiben. Wo es angeht übernehme ich zuweilen statt seiner das Beantworten von eingelaufenen Briefen. Wenn die Tante nicht wäre könnte die Welt unter gehen und er würde keinem Menschen Nachricht von sich geben. – | Da ich das Blatt umwende bemerke ich erst wie dumm und verkehrt ich meinen Brief begonnen habe, das ist mir glaub ich auch noch nie passiert. So etwas konnte einem den Faden völlig abschneiden so daß man nicht im Stande wäre dort fort zu schreiben wo man’s gelassen. Meine Dinte ist auch so abscheulich daß die sonst gute Feder auch schlecht wird und somit auch meine Handschrift. Ist das Material nicht wie es sein soll so wird der Gedanke unwillkührlich in ihm gebannt und kann nicht fort. Eine böse Erfahrung machte ich in diesen Tagen an meinem Kopfe. Und ich fürchte das besprochene Bild für den Kaiser, »die barmherzigen Schwestern mit dem Soldaten« (Abb. 21) wird nicht zu stande kommen da mich das Mißgeschick fort und fort verfolgt  ! Ein halbes Jahr suche ich Modelle zu demselben endlich findet sich eines und auch wol das zweite, Rugendas macht die Composition, ich suche das Kostüm zu bekommen – vergebens. Der

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Abb. 21  : Julie Hagen Schwarz, Barmherzige Schwestern, 1851, Fotografie nach verschollenem Gemälde, Familienbesitz

Orden des Klosters verbietet’s das Kostüm aus dem Hause zu geben, trotz dem fange ich mit Muth an, lege den Kopf der einen Schwester an und freue mich auf den andern Tag ihn fertig zu machen, als ich komme finde ich den Kopf trocken. Die Blase Weiß die ich angeschnitten ist, weiß der Teufel womit gerieben kurz ich werde den Kopf wol abschleifen müßen obgleich er im Ausdruck ist, wie | ich ihn brauche. Den Farbenmann, von dem ich seit ein Paar Jahren immer das Weiß kaufte weil das seine weniger schnell trocknete als dasjenige in den verschiedenen Fabriken – könnte ich vor Zorn umbringen. Indessen eine Strafe soll ihm doch werden er wird in Zukunft nie wieder an mich verkaufen und das wird ihn mehr schmerzen als wenn ich ihn vor das öffentliche Gerichtsverfahren brächte. – Gestern war zu meiner Überraschung – Kotzebue wieder da um nach zu sehen was ich gethan. – Neulich sprach ich Bernhardt auf der Straße der erzählte mir daß Kotzebue außerordentlich anerkennend über meine Arbeiten sich geäußert habe, im Künstlerkaffeehaus. Außerdem hatte ich einigen andern Künstlerbesuch kurz ich darf zufrieden sein. Meine italienischen Stunden waren in Etwas gestört durch Unwohlsein von beiden Seiten. Ganz München hat die Krip  – Ich habe auch einige Nächte in Fieber zu gebracht und war höchst langweilig am Tage, außerdem kann ich un-

612 | Die Briefe erträglich viel schlafen, ein Schlaf der schwer und nicht erquickend ist, ich speise um mein Blut etwas flinker zu machen jeden Tag Rabarbarawurzel. – | d  : 25 – Du fragst lieber Vater was ich arbeite, ich hätte Dir im letzten Brief nichts mit getheilt, Du hast recht ich that es mit Absicht nicht denn ich spreche nicht mehr, wie Du weißt, von den zu hoffenden im Werden begriffenen Dingen, ich habe mir ein für alle Mal vor genommen immer nur von der Gegenwarth zu schreiben obgleich man in allen Dingen immer eine ernstere Stimmung trifft, aber eben dieser Ernst ist mehr wahr und dauernder als jede Heiterkeit. Damals hatte ich ein kleines Kind in Arbeit mit aufgelößten Haaren im Hemdchen in Bittender Stellung, nicht betend, jetzt ist dasselbe fertig und wird in diesen Tagen gepackt um nach Stuttgart zur Grossfürstin Olga566 ab zu gehen. Gulomy der Violinvirtuose, unser Landsmann hat mich zu diesem Schritt beredet und unterstützt es durch Briefe an Adelung’s567 ihren Privatsekretären – er selbst verspricht mir und sich gute Erfolge da er bei Hof sehr gut angeschrieben steht. Wir wollen sehen was es für Wirkung macht. Wenn es gelingt so ist es der beste Weg zum Kaiser zu gelangen, da sie eine Lieblingstochter ist. – Hätte ich nur erst das Kostüm zu dem Bilde für den Kaiser so könnte ich doch daran fort arbeiten wahrscheinlich werde ich zum Bischof gehen müßen um von dem die Erlaubniß zu erhalten das Kostüm zu haben aus | dem Kolster [sic]. Hier muß man Zeit haben um zu etwas zu gelangen. Das Bild der kleinen Bittenden die Mädchen mit dem Liebesbrief und die Mulattin sind im Kunstverein diese Woche ausgestellt. – Ersteres war nur zwei Tage sichtbar die andern beiden ließen sich bewundern mit unter wird auch wol manches falsche Wort, manches bittere scharfe Wort ein fließen. Die beiden Mädchen haben nun wieder im besten Saal den ersten Platz erhalten obgleich der jüngere Kaulbach568 zwei fürstliche Damen oben hat, die Bilder hängen wo sonst nur höchst selten Portraits plassiert werden. Man sagt mir viel zu Lobe. Heute ging ich zur Baronesse Stransky569 um eine Sitzung für morgen anzusagen und nahm gleich die beiden jungen Damen mit in den Kunstverein um nur einiger Maßen beschützt zu sein. Ich dachte mir daß diese Mädchen durch ihre schlanken Figuren und hübschen Gesichter mich so verdunkeln werden daß ich mit 566 Olga Nikolajewna Romanowa (1822–1892) war das dritte Kind des Zaren Nikolaus I. und seiner Frau, der preußischen Prinzessin Charlotte, und die Schwester der Großfürstin Maria von Leuchtenberg. 1846 wurde sie die Frau Karls I. von Württemberg und somit später Königin von Württemberg. Sie war als karitativ tätige Königin sehr beliebt bei ihren Untertanen. 567 Staatsrat von Adelung war tätig im Sekretariat der Königin Olga. 568 Sie meint Friedrich Kaulbach. 569 Es gibt zahlreiche Eintragungen »Stransky« in den zeitgenössischen Quellen, so dass sich keine genaue Zuordnung der Person herausfiltern lässt. Vgl. http://www.bavarikon.de/search? terms=Stransky&start=12&rows=10 (aufgerufen am 16.8.2018).

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Ruhe und unbemerkt die neuen ausgestellten Bilder mir ansehen kann doch dem war nicht so, als ich in den Saal trat wo die Mädchen hingen war das Bild förmlich belagert, ich stellte mich nicht weit davon um eine sehr schöne Landschaft an zu sehen doch meint Ihr daß ich was sah. Wenn ich mich frage  : wie sah die Landschaft uns und von wem | war sie  ?  : ich weiß es bei Gott nicht, denn plötzlich hörte ich leise sprechen, eine starke Bewegung entstand und mir entging nicht daß ich erkannt war, ich glühte, blieb also stehen vor der Landschaft ohne etwas zu sehen bis die Röthe verschwunden war und ging also weiter  ; aber was muß ich sehen, es hatte sich förmlich ein Spalier gebildet, ich mußte der neugierig gaffenden Menge Front passieren und man folgte mir sodann. Mir war nicht mehr wohl ich eilte fort und hätte mich halb todt gelacht, wenn es angegangen wäre. Kotzebue’s Bild ist auch ausgestellt zum besten armer Künstler. Wenn ich jede Bemerkung Euch schreibe die man mir aus dem Verein bringt so hätte ich freilich viel zu thun  ; doch gestern kam Julie Dreutel fast Athemlos zu mir gestürtzt um mir zu sagen wie meine Bilder gefallen. Natürlich gehen meine Bekannten hin­ auf um zu hören was man sagt. Vor meiner Mulattin z. B. hatten um 3 Künstler mehrere Laien gestanden und deren Urtheil angehört, um nach dem auch eines zu haben. Einer von diesen Künstlern fragt den andern, wo hat sie denn nur ihre Schule genossen  ? (Antwort) erst in Dresden, dann bei Bernhardt und jetzt unter Rugendas. | (Frage) und man sagt mir sie sey noch ganz jung  ? (Antwort) ja höchstens 21 Jahre, kaum das. – »ja wie ist denn das möglich schon so weit zu sein etc. etc.« Ledebour’s sagten mir daß dieser erleuternde Künstler mit einiger Zufriedenheit das alles gesagt habe. – Ich möchte zu gerne als Unsichtbare hinter den Leuten stehen wenn meine Bilder ausgestellt sind obgleich ich manches hören müßte das nicht angenehm ist denn sobald man öffentlich auftritt giebt man jedem dummen Jungen das Recht sein Urtheil laut aus zu sprechen. Julie Dreuttel ist bei Ledebour’s schon 8 Jahre ist durch aus nicht verwandt mit ihnen, wird aber behandelt wie eine Tochter und sie gilt auch für Ledebour’s Nichte. Sie ist die Tochter eines Predigers aus Heidelberg, sehr reich erzogen doch durch Unglückfälle verarmt, war 5 Jahre in Antwerpen Gouvernante sollte dann heirathen doch nachdem der Tag der Hochzeit bestimmt und alle Vorbereitungen getroffen wurden zu dieser Feier, starb der Bräutigam und zerknirscht wie sie war lernte sie Ledebour’s kennen und ist seit dem bei ihnen. Ein merkwürdig gebildetes geistreiches Mädchen ist sie dabei ist sie sehr bescheiden und hat | für alles Schöne in Kunst und Natur ein warmes enthusiastisches Herz. Diese und meine Kleine sind mir das Liebste das mir in Deutschland passirt. d  : 26 März 51. An Emma Rieckhoff und der Frau von Krüdner folgen kleine Briefchen den ersteren besorgt bei Gelegenheit wol die gute Fanny nach Hasenpoth. Um einen ordentlichen Brief zu schreiben fehlt mir die Zeit und so ziehe ich’s vor ihn als Einlage ihr zu kommen zu lassen. Sagt der Fanny sie möge

614 | Die Briefe mir nicht zürnen daß ich ihr nicht schreibe allein ich komme rein zu gar nichts mehr. Auch der herzlich gute Hartmann wird lange warten müßen, nur bitte ich allen herzinnige Grüße zu bringen, auch nach Sibirien bitte ich keinen Brief abzuschicken ohne von mir zu grüßen. Vio auch einen Gruß. Dumberg ist doch ein sonderbarer Kautz  – weshalb macht er nicht Examen  ?  – Der Brief an die Krüdner folgt offen leset ihn durch und ist er nicht zu dumm so magst Du ihn leicht siegeln und ihn ihr nebst Empfehlung bringen. Ich kenne die Frau nicht und wußte daher nicht welchen Ton ich anschlagen sollte um von ihr gut aufgenommen zu werden. Du lieber Vater wirst das wol zu beurtheilen wissen. Was den Neff betrifft so muß ich nur wiederholen daß er mir von Kotzebue als äußerst freundlich geschildert worden ist d. h. es muß ihn keinen | Rubel kosten außerdem hat jeder Kaiser selbst Augen und Gefühl für so etwas indessen thue wie Du’s für gut findest ich werde an Neff schreiben so bald ich mein Bild fertig habe das Maaß kann ich noch nicht senden da ich nicht genau weiß ob ich nicht etwas von der Leinwand ab nehme doch im nächsten Brief schicke ich’s genau auch das vom Urwald der bereits begonnen ist und die Größe hat von dem Indierraub der weißen Frauen. – Rugendas ist neulich bei der Königin Marie und dem König Otto gewesen und es scheinen sich Aussichten, für die Herausgabe seines Werkes, zu machen – die Königin interessirt sich sehr für ihn. Heute hatte ich auch einen Besuch der mir von Wichtigkeit sein kann nämlich Fräulein von Küster Hofdame der Königin.570 Man sagt es sey die gescheuteste Dame in München. – Beim Fortgehen sagte sie, sie wolle der Königin von meinen Sachen sprechen. Dieser Besuch Folge des Kunstvereins. Der König Ludwig hat heute genau sich nach mir erkundigt. Ich höre alle Tage mehr, daß die Bilder sehr gefallen. Nun hätte ich noch die Frage betreff Alexander zu beantworten, wie viel nämlich ein junger Künstler braucht. Genau kann | ich’s zwar nicht angeben doch ist es hier um ein Dritel billiger als in Rom, und was Kleidungsstücke betrifft findet man es nicht leichter billiger als hier. Was z. B. in Preußen und Sachens [sic] ein Thaler kostet bekommt man hier zu einem Gulden. Tante mochte ich so unmittelbar nach Empfang des Briefes nicht fragen denn ich weiß doch daß ich keine bestimmte Antwort bekomme und sie würde wieder irgend etwas Empfindliches für sich heraus finden. – Onkel und Tante sind gesund und grüßen alle herzlich. Der Garten fängt an den Onkel zu beschäftigen, die Grasplätze sind ganz grün, die Kornelkirsche blüht allenthalben. Es wird nun bald recht schön sein  !  – Ledebour’s grüßen auch, die Alte freut sich über den Brief der […], auch der alte 570 Sie soll eine Tochter des früheren preußischen Gesandten in München, Johann Emanuel von Küster (1764–1833) gewesen sein. Nach Heyses Angaben war sie als Erzieherin für die Kronprinzessin Theresia engagiert worden, als diese nach München kam (vgl. Heyse, 2014, S. 263).

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Hartmann ist von diesen guten Leuten gegrüßt aber so herzlich wie von mir. – Ich denke jetzt zu schließen ich weiß nichts mehr Euch mitzutheilen. Lebt alle wohl und gedenkt mit Liebe Eurer treuen Julie Das Liebesbriefchen ist bedeutend kleiner als mein Portrait, die Pause denke ich hat ungefähr das Maas. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 3.4.1851 München d  : 3 Aprill 51 Meine theuren lieben Aeltern  ! Heute ist mir das Herz so voll daß mir der Mund über geht und so soll denn dieser Brief ein außergewöhnlicher werden. Ob ich ihn übrigens schon morgen abschicke weiß ich nicht vielleicht aber Montag. Meine ausgestellten Bilder nämlich haben Epoche gemacht.571 Die Hofdame so und so besuchte mich öfter hat mit mir einen Tag besprochen wo sie mich zur Frau von Kotzebou572 führen will etc. Vor einigen Tagen wurde die Frage von unbekannter, das heißt ungenannter Person gethan ob ich die Mulattin verkaufen wolle etc. – Gestern sitze ich ruhig und male an dem Hintergrund des Bettelkindes, welcher eine Winterlandschaft vorstellt, ich höre wie man nach der russischen Künstlerin fragt. Eine Frau tritt herein ohne sich vorzustellen und stellt mir eine ihr folgende Dame vor, deren Name ich aber nur halb hörte, dann folgte ein hübscher sehr adelig aussehender Knabe und ein quasi Hofmeister, Herr Holzer nannte sie ihn. In einigen artigen Worten sagte sie daß sie meine Arbeiten im Kunstverein bewundert und nun auch mein Attelier besuchen wolle. Während des Gesprächs merkte ich bald daß es eine Livländerin war, ich bat | erfreut darüber natürlich gleich um ihren Namen. Halb laut verstand ich  : geborene Lilienfeld. – Ich fragte natürlich nicht weiter denn mir entging nicht daß sie mit Absicht mir ihren Namen verschwieg. »Ihr Vater, sagte sie – ist auch Maler, er hat für meinen Bruder gearbeitet etc.« Ich zeigte alles was ich hatte, sie war einsilbig und ging dann bald nachdem sie sagte sie könne mir gratuliren daß ich Schülerin des großen Riedel würde da sie wisse daß er nie Schüler gehabt. Unter der Thür 571 Wie im Brief zuvor erwähnt, waren die ausgestellten Bilder eine Kleine Bittende, die Mädchen mit dem Liebesbriefchen (vgl. Farbabb. 12) und eine Mulattin. In einem Artikel der Bayerischen Landbötin vom 2.4.1851, S. 313, werden nach Friedrich Kaulbachs Bildnissen die Arbeiten Julie Hagens als bemerkenswert herausgestellt, jedoch nicht ohne eine Kritik an der »Stellung des Mädchens mit der Blume«. 572 Die Frau des Malers Alexander von Kotzebue, Charlotte von Kotzebue, geb. von Krusenstjern (1824–1903).

616 | Die Briefe sagte sie noch  : »ich schreibe in diesen Tagen nach Hause in unsere Heimath und werde über sie berichten.«  – Ihr könnt Euch denken daß dieser Besuch mir so rätselhaft, als nur möglich war. Ich ging darauf zu Ledebours erzählte es Ihnen, welche hier keine Lilienfeld573 kannten doch sich zu erkundigen versprachen. Heute bin ich nun wieder in die italienische Stunde. Hatte mich etwas länger als gewöhnlich dort aufgehalten denn ich mußte mit ihnen zu Mittag essen und nach dem Essen erzählte ich viel von Dorpat und erhitzte {m}ich dabei sehr. Die Uhr war bald zwei geworden und ich eilte ins Attelier zurück. Kaum war ich in meine Stube getreten, noch hatte ich meinen Hut auf dem Kopfe die Bücher in der Hand als ich eine | Männerstimme nach der russischen Künstlerin fragen hörte ich öffnete die Thür. Ein Mann, dem 3 Damen folgten, trat ein mit den Worten in einem etwas gebrochenen Deutsch  : »ich stelle mich ihnen als einen Landsmann vor«  – noch ein Landsmann  ! Wie schön ist das  ! Rief ich aus und weiß Gott ich war in einer Stimmung in der ich ihm lieber um den Hals fallen hätte mögen. – »ich bin der russische Gesandte«574 – Herr Gott wie war mir zu Muth den hatte ich mir im Traum nicht erwartet, da ich nie mich um ihn bemüht, ihm nie meine Aufwartung gemacht. Mein ungezwungenes lautes, ja ich möchte sagen kindliches Bezeugen meiner innigsten Freude einen Landsmann zu begrüßen – wurde natürlich in Etwas schüchterner – er stellte mir seine Damen vor, lauter Verwandte von ihm, denen ich nun Stühle reichte und ihnen meine Arbeiten zeigte (die eine von diesen Damen Fräul von Wimpfen Nichte von ihm malt Landschaften).575 Da sagte er denn sehr fein, doch ich fühlte die Pille durch, die er mir dadurch reichte – »wären ich [sic] gestern bei mir gewesen so hätte ich sie in das Attelier meiner Nichte geführt.« Dann sagte er daß ich nach Rom gehen wolle und zu Riedel und daß ich sehr glücklich sein dürfte die einzige | Begünstigte von ihm zu sein. Er wußte genau wie lang ich studire daß ich bei Bernhardt gewesen und seit einem Jahre allein male etc, endlich fragte er mich weshalb ich noch nichts dem Kaiser geschickt 573 Der Jurist und Rittergutsbesitzer Otto Gustav von Lilienfeld (1805–1896) könnte der Bruder sein, für den August Matthias Hagen gearbeitet hatte. Danach wäre jene mysteriöse Dame Amalie Juliane von Staal, geb. von Lilienfeld (1801–1861). 574 Das war seinerzeit Dimitri Petrowitsch Severin (1792–1865), der von 1837 bis 1863 russischer Gesandter in Bayern war. 575 Dies müsste Katharina von Wimpffen (1818–1875) sein, die unverheiratet als St. Annen-Stiftsdame überwiegend in München lebte. Ihre Tante war die Gattin Severins, Sophia Fedorowna von Moltke (1797–1882), eine Schwester der Mutter Katharinas, Elisabeth von Wimpffen, geb. von Moltke (1795–1832), eine Hofdame der Königin Katharina von Württemberg. Katharinas jüngere Schwester Pauline von Wimpffen (1822–1900) hatte 1850 in Triest ihren Vetter Gustav Adolf Felix von Wimpffen (1805–1880) geheiratet und war also zu diesem Zeitpunkt kein Fräulein mehr. Werke von Katharina von Wimpffen ließen sich nicht nachweisen.

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und fügte hinzu  : »schicken wir etwas hin. Herr von Kotzebou sendet sein Bild bald dann schicken wir ein Bild mit. Mein für den Kaiser begonnenes Bild zeigte ich ihm und er rieth mir keine bairischen Kostüme zu brauchen, sondern russische. Kurz er war auf das höchste freundlich und auf eine hübsche Art bot er mir seinen Schutz und seine Hilfe an. Natürlich gehe ich jetzt hin und werde ihn benutzen er wird sich meiner an nehmen da er durch meine Arbeiten angeregt worden ist und nicht durch Fürbitte und Protectionen gewogen worden. Vor lauter Freude habe ich nichts mehr gearbeitet sondern dem glücklichen triumphirenden Gefühle ganz hingegeben. Nach hause gekommen erzählt ich’s den Verwandten die auch unbeschreibliche Freude zeigten und erzählten daß auch sie Besuch gehabt vom Grafen Mongelan576 und Graf X – – und deren Familien die die Mulattin nicht im Kunstverein gesehen hatten und so viel gehört daß sie sich’s nicht versagen konnten sie im Hause zu suchen. Sie wollen auch zu mir hinaus kommen. | Nachdem ich also alles erzählt und mich meines Glückes gefreut giebt mir die Tante Euren Brief. Ich erbrach rasch und was lese ich, es ist zum todtlachen – ich soll suchen durch Ledebour oder sonst jemanden beim russischen Gesandten an zu klopfen. Ha er hat so eben bei mir angeklopft  – rief ich aus. Dein Wunsch ist also früher erfüllt als Du denkst und auf so günstige Weise. Jetzt haben wir also drei Wege auf welchen wir zum Kaiser gehen. Die Großfürstin wird hoffentlich ihm schreiben, Neff wird mit ihm sprechen und der Gesandte erzählt ihm daß ich hier Aufsehen erregt und errege  ; also da muß es wol treffen. Glück zu, geht es mir gut dann soll auch gleich für Alexander gesorgt sein und so Gott will auch für die andern Geschwister. Gott  ! Gott  ! was bin ich glücklich  ! Wenn ich nun noch in meiner großen Aufregung bitten darf um Eines so ist es das schicke mit den Sachen womöglich das Bildniß des Rugendas mit nach Petersburg, das Bild bedarf keinen Rahmen, die Persönlichkeit besticht doch etwas sehr. Der kleine Tiroler scheint mir für diesen Zweck schwach indessen es schadet nichts. Für heute genug ich bin rasend aufgeregt. Vielen Dank für die Nachrichten. Schlaft wohl  ! | d  : 4 Aprill 51 Ich bin entschloßen diesen Brief heute abzusenden denn es läßt mich kaum ruhen, in 14 Tagen habt Ihr ja doch wol wieder einen neuen Brief von mir. Die Nacht ist mir recht unruhig geworden in Folge der Aufregung. – Sonntag werde ich dem Gesandten meine Aufwartung machen und ihn um Manches befragen und mich ihm empfehlen. – In 3 ½ Jahren habe ich doch erreicht was hunderte mit mehr Talent nicht bezwecken und was ich nie gewagt habe zu hoffen. Das ich mehr Glück als Verstand habe, das steht wol fest da. Nur wünsche ich daß 576 Hier ist ein Mitglied der bayerischen Adelsfamilie Montgelas gemeint.

618 | Die Briefe es mich nicht verwöhnt um nicht über alle Maaßen unglücklich mich zu fühlen wenn dieser Segen sich zurück zieht, und die Zeit kommt gewiß  ! Meine italienische Stunde wird heute geschwenzt da ich nichts zu derselben gearbeitet habe. Ich werde aber hingehen und ihnen Theilnehmen lassen an dem Glücke das mir wiederfahren. – Ist der Bildhauer Schwarz577 in Petersburg Vio’s Stiefbruder nicht ein leiblicher Bruder unseres Schwarz  ? Ich würde mich unbeschreiblich freuen in unseren zukünftigen Verwandten einen Künstler zu bekommen. | Vio fängt an mich zu interessieren da er wie es scheint  – gern bei Euch ist und er Euch auch gefällt, meinen Gruß darf ich wol bitten bei Gelegenheit anzu bringen d. h. wenn er ihn freundlich aufnehmen geneigt sich zeigt – ich bin schüchtern darin da ich meine er konnte mich nicht recht leiden, ich eben war auch nicht besonders freundlich gegen ihn gewesen. Was denkt denn Liphardt daß ich erst Schritte thuen soll wenn ich in Rom gewesen  ? Dann ist es wol zu spät  ! Denn Riedels Lehre muß ich wol einige Zeit genießen um Früchte davon zu tragen indessen es macht sich wie Ihr seht alles von selbst und durch sich selbst, nur Geduld  ! – Die Pocken und der Scharlach sind zu fürchtende Gäste wenn sie nur Euch verschonen mögen  ! Das Mieze französische Stunden nimmt freut mich aber bei der unglücklichen Marie Karantejef  ?578 ich nehme vielen Antheil was das arme Mädchen betrifft obgleich ich nichts Bestimmtes über ihren Zustand weiß. Herrmann hat mir so viel geschrieben aber doch alles so rätselhaft und unbestimmt daß ich die Zuflucht nahm mir zwischen den Zeilen das Fehlende zusammen zu buchstabiren, und ich glaube mit | Recht sie bedauern zu müssen. Meine Grüße an alle Hartmanns und alle Freunde die sich meiner erinnern. Der Fanny besonders herzliche Grüße. Tante und Onkel lassen grüßen auch Rugendas der sich mit mir freut wie ein Kind, und ist er nicht die Ursache dieser Anerkennung  ? Dein Urwald wird wol in der künftigen Woche vorgenommen, ich freue mich sehr darauf. Diese

577 Anton Schwarz (1818–1882) war Bildhauer in St. Petersburg, wo er die Akademie der Künste ab 1836 besucht hatte. Er arbeitete zunächst auch als Ornamentierer und Dekorateur. Er schuf vor allem Arbeiten in St. Petersburg, Nowgorod und Woronesch. Sein ganzes Leben verbrachte er in Russland. Als seine Hauptarbeiten gelten die Verzierungen der großfürstlichen Winterpaläste und verschiedener Petersburger Privathäuser. 1870 ernannte ihn die Petersburger Akademie zum »ehrenvollen freien Mitglied«. Er war der ältere und leibliche Bruder von Ludwig Schwarz. Wilhelm Vio war der Stiefbruder von Anton und Ludwig Schwarz. 578 Die junge Marie Karantejef war eine Verwandte Hermann Hartmanns, ist jedoch nicht näher zu bestimmen. Offenbar lag bei ihr eine Art Geisteskrankheit oder Hysterie vor. Sie wird auch in den Briefen der Schwester Emilie Hagen erwähnt, indem sie Ludwig Schwarz nach Sibirien von der kranken Freundin und den Französischstunden bei dieser berichtete (z. B. Emilie Hagen an Ludwig Schwarz, 25.3.1851, Brief in Familienbesitz).

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Woche hat R. starken Unwohlseins wegen nichts gethan er hat sich zu Ader lassen müssen etc. – Lebt wohl und freut Euch meiner Freude. Mit Innigkeit umarmt Euch Eure treue Tochter und Schwester Julie Sonntag über 8 Tage werde ich wahrscheinlich mein Bettelkind (vgl. Abb. 20) austellen. Ihr bekommt vielleicht grade diesen Brief und könnt im Geiste davor stehen und das Urtheil der Menge belauschen. Ich denke das Bild soll Efect machen. Lebt wohl  ! Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 6.4.1851 München d  : 6. April 51.

Meine theuren Aeltern  ! Ich will also weiter berichten obgleich ich mich heute zu nichts aufgelegt fühle. Den Vormittag malte ich und wurde allmählich so verdrießlich daß ich mit Mühe den inneren Mißmuth verbergen konnte. Kopfweh trägt wesentlich zu dieser Häßlichkeit bei und dieses Kopfweh ist Folge zu großer Aufregung  ; denn ich kann nicht leugnen daß der Besuch des Gesandten oder die Liebenswürdigkeit seiner Damen mich sehr aufgeregt haben. – Ich hatte die Absicht ihm Sonntag meine Aufwartung zu machen doch änderte ich meinen Entschluß da ich fürchtete der Kirchendienst könnte mich leicht zwingen bloß eine Karte dort zu lassen was mir unangenehm gewesen wäre, deshalb ging ich schon am Sonnabend nach 12 Uhr in das Gesandtschaftshotel in der Absicht, zuerst das Fräul v. Wimpfen in ihrem Attelier aufzusuchen. Ich ließ mich zu ihr führen doch sie brachte mich augenblicklich in die pompös eingerichteten Fremdenzimmer d. h. Empfangssäle, und sendete den Bedienten zum Herrn Gesandten, der mein Dasein melden sollte. Der Gesandte kam mir die Hand reichend, setzte sich neben mir und scherzend fragte er ob ich klein zeichnete ich natürlich verneinte, er lächelte schalkhaft und meinte ich möge doch seine Karikatur zeichnen. Die Art wie er und seine Familie ist ließ mir den Muth auch zu scherzen, kurz ich bin eingeführt und fühle keineswegs Befangenheit. Er sagte unter anderem daß er meinen Fleiß und meine Fortschritte beobachtet und er müßte mich bewundern, dann sagte er – Talent haben Sie, das haben Sie von der Natur bekommen aber dasselbe auf diese hohe Stuffe in so kurzer Zeit zu bringen dazu gehört Fleiß und Kraft. | Er bedauerte daß Italien in so bösen Ruf in Petersburg stehe und daß Kiel so ganz für Belgien eingenommen ist aber dennoch wolle er an Kiel schreiben der sich wol jetzt wieder in Rom befindet. Dann erzählte er mir daß er eine Stunde später, als er mich besucht habe, des Kostüms der barmherzigen Schwestern, wegen mit einem Manne gesprochen habe und er hofft mir eines zu verschaffen etc. Beim Fortgehen gab

620 | Die Briefe er mir wieder die Hand mit den Worten  : »auf baldiges Wiedersehen«. Ich ging da mehrere Personen kamen um Musik zu machen, diesen stellte er mich vor als  : »unsere große Künstlerin« – Am Nachmittag kam der Legationsrath an der russischen Gesandtschaft Herr von Marthini579 zu mir um sich zu erkundigen wie viel ich mir für ein Porträt bezahlen lasse. Der Gesandte habe ihn gebeten sich zu erkundigen bei Ledebour’s oder sonst wo. – Ich sprach offen mit ihm und sagte auch daß ich so eigentlich niemand mehr malen dürfe um meine Reise nicht weiter hinaus zu schieben dann am selben Vormittag strich ich die Frau Baronin Stransky von meiner Liste dagegen aber trat die Fürstin Vrede580 ein, Erstere gab es auf gemalt zu werden da sie unwohl ist und zwei Töchter verheirathen muß. Gegen Abend ging ich zu Kotzebou mit dem Fräul. von Küster Hofdame. Dem erzählte ich vom Gesandten und zuletzt kam es heraus daß Kotzebou gar nicht wuste daß ich wirklich russische Unterthanin bin, er meinte Du seyst aus | Deutschland nach Dorpat berufen, da sagte er denn erfreut  : Das ändert die ganze Sache, am Montag bin ich beim Gesandten und ich werde mit ihm von Ihnen sprechen, ich habe es gar schon gethan allein so wie von einem jeden andern Münchner Künstler. Ich zweifle keinen Augenblick daß es jetzt auf eine oder andere Weise gehen wird. Kotzebue fragt ob Du dem Neff geschrieben hättest und sagte wieder daß er allein der rechte Mann für solche Sachen sey. Ich bin jetzt am Ruder oder besser ich komme in Mode wo es zu spät wird, aber ich erfreue mich dessen doch, Tante und Onkel sind sehr heiter gestimmt mich so gefeiert zu sehen, es ist aber auch der einzige Lohn für all die Opfer, die sie mir gebracht. Von allen Seiten wurden mir Besuche gemeldet, die Diener des Kunstvereins fragen und betteln um Bilder in ihre Säle – das macht mir vielen Spaß und ich denke mir wenn doch Ihr da wärt und Euch von dem überzeugtet was ich nur unvollkommen und flüchtig beschreiben kann.  – Ich habe gestern einen Brief aus Rom von Gilli erhalten er schreibt viel und freundlich, freut sich der herrlichen Natur dort aber klagt über die Eiseskälte der Deutschen welche dort leben. Die Fastnachtszeit ist unter vielem Unsinn vergangen, die Rohheit der Franzosen und Ungezogenheit der Engländer sollen wesentlich dieses, sonst so herrliche Fest verdorben haben. Von Riedel schreibt er ganz entzückt sowol als Maler, wie auch als Mensch betrachtet, | er schreibt  : »Seine Arbeiten sind einzig in ihrer Art. Er ist hier König unter den Malers und das mit Recht. Seine Bilder machen einen herrlichen Eindruck und nehmen Herz und Sinne gefangen. Aber ungleich größer erscheint es mir daß aus seinen Bildern das tiefste Studium aus jeder Falte, jedem Blatte, geschweige in den Hauptsachen sich klar und deutlich 579 Der Diplomat Adolf von Martini (1789–1875). 580 Um welche Person der bayerischen Adelsfamilie Wrede es sich hier handelt, ist nicht zu bestimmen.

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aus spricht, und doch ist kein Atom von Gequältem drin zu entdecken. Um so etwas zu erreichen muß man viel und mit dem angestrengtesten Fleiß und Talent arbeiten.« – Ja ich will auch fleißig sein und doch kann ich ein Riedel nie werden  ! – Daß was ich Euch da geschrieben von dem Gesandten bitte ich keinem der Zeitungsredactöre zu erzählen, denn diese benutzen es und könnten mir eher schaden als nützen denn den Neid fürchte ich mehr als den Todt. – Für heute genug. Lebt wohl  !  !  ! – d  : 8 April 51. Gestern Abend wollte ich verschiedenes schreiben ging um meine Schreibmappe und Dintzeug in meine Stube und noch war ich nicht aus meiner Kammer als mit einem fürchterlichen Getöse das Dintzeug zu Boden fiel und in tausend Splitter zerbrach, ich lachte wie toll während meine herzueilenden Zuschauer wüst drein schauten. Denn es ist kaum 6 Wochen, so passirte mir dasselbe auf ein und dieselbe Weise. Manches Mal komme ich mir vor wie die gute Emma die auch alles zu Boden warf und zerbrach das ihr unter Händen kam, es ist nur gut das ich über so Etwas nicht erschrecke. | Heute früh um 8 Uhr schon als ich eben in mein Attelier getreten begrüßte mich die Hofdame Fräul. v. Küster um mir zu erzählen daß sie gestern Abend beim russischen Gesandten gewesen woselbst von mir sehr viel gesprochen worden sey und daß er dieser Tage den Grafen Stackelberg581 mit Tochter zu mir führen wolle. Stackelberg ist eben gekommen, ich weiß nicht welcher das ist. Der Gesandte hatte unter andern die Bemerkung gemacht daß Kiel jetzt ganz für Belgien bloß schwärme  : »allein – sagt er – den wollen wir schon herum kriegen, sie muß nach Rom etc.« – Die Küster sagte außerdem daß sie sich freue daß ich einfach gekleidet hingegangen sey denn das habe außerordentlich gefallen. Die Einfachheit wie sie sich ausdrückte mit der ich so wol im Benehmen als Kleidung presentirt habe große Wirkung gethan. – Nachdem ich also einen so liebenswürdigen Morgengruß gehabt arbeitete ich eifrigst und es meldete sich ein alter Herr, Staatsanwalt so und so. – Dann kam der alte Ledebour und brachte mir einen jungen Landsmann den ich nicht erkannte, doch der Name »Blum« ließ ihn mir auf das herzlichste willkommen sein  – Ledebour ging und ließ ihn bei mir, ich plauderte eine Stunde lang, natürlich von Dorpat – und bat ihn morgen früh wieder zu kommen um zu besprechen was alles er sehen möchte. Die Kirchen, die Residenz und anderen Prachtegbäude übernimmt Onkel ihm zu zeigen, außerdem werde ich sorgen daß er alle übrigen Sehenwürdigkeiten bequem sieht, | ich selber werde leider wenig fort können da ich wol auf den Besuch des Gesandten und Stackelbergs warten muß außerdem habe ich doch viel zu thun. – Ostern ist vor der Thür, das Bettelkind ist fast fertig – ich wollte es ausstellen am nächsten Sonntag muß es aber wol aufschieben bis Ostern da ich 581 Wie sich später herausstellte, war dies der Landrat Reinhold von Stackelberg (1797–1869).

622 | Die Briefe früher keinen goldenen Rahmen bekommen kann. – Der junge Blum ist zu einem Manne heran gewachsen, Schnurrbart und rassiertes Kinn und vor 5 Jahren sah ich ihn als kleinen Burschen, dem die Marga englische Stunden gab. So im halben Maßstab werden auch meine Geschwister herangewachsen sein und die älteren gealtert haben. Ich sprach schon mit ihm betreff des Malens, er scheint keine große Lust zu haben da er sich jetzt gerade am allerwenigsten gefällt indessen werde ich noch ein Mal davon sprechen, zwingen werde ich ihn nicht. Er ist ganz nett geworden, schade daß die Mutter ihn nicht als Erwachsenen sehen kann.582 Wahrscheinlich wird er früher seinem Vater schreiben als dieser mein Brief nach Dorpat kommt. Ich freue mich wenn er öfter kommt natürlich erfahre ich dann manches über Euch und Dorpat. Den Bruder Carl scheint er sehr gern zu haben, wenigstens hat er seiner mehr als ein Mal erwähnt und das freundlich und theilnehmend. Die arme Tante liegt zu Bette, hat sehr heftiges Gesichtsreißen, ist ganz arg geschwollen. Es ist aber auch immer noch hunde kalt hier – Der junge Blum | erzählte mir daß er sehr hat lachen müssen über das Urheil der Dorpatenser über meine Bilder, z. B. soll man gesagt haben  : »wer hätte das gedacht daß das Mädchen das leisten würde, denn sie war eine wilde unartige kleine Person etc« – War ich denn so unartig  ? – wild  ? ja – lustig auch, aber nicht unartig, d. h. unartig nach meinen Begriffen nicht. Meine Landsleuten will ich übrigens noch in Erstaunen setzen, sie sollen sehen daß das Unansehnliche auch etwas Ernsteres zu schaffen im Stande ist als die Alltäglichkeit – Jetzt werde ich wahrscheinlich häufig Landsleute sehen – d  : 11 April. Ehe ich zur Arbeit gehe einige Worte. Gestern hoffte ich vergebens W. Blum würde mich auf ein Stündchen besuchen wie er’s bisher gethan, doch er kam nicht ich schrieb daher ein Paar Zeilen worin ich ihn bat heute mir zu sitzen da wir keine Zeit zu verlieren haben. Mit diesem Briefchen ging ich in sein Hotel fand ihn aber selbst und konnte mündlich mit ihm besprechen. Er begleitete mich, da er in die Oper gehen wollte. Obgleich wenig Zeit so beredete ich ihn doch mit mir nach Hause zu kommen damit ich ihn den Verwandten vorstellen konnte. Die Tante ist sehr krank d. h. ein ganz geschwollener Kopf verbunden mit häftigen Schmerzen kurz sie konnte sich ihm nicht zeigen. Ein Brief von Dir traf mein Blick auf dem Tisch, ich erbrach rasch und konnte jetzt dem jungen Freunde den seines Vaters überreichen, wir lasen beide und jubelten. Da war denn der Gang hinunter zu uns in Etwas belohnt. Heut beginne ich ihn zu malen, bloß Kopf da er nicht lange bleibt. | Wäre er nicht so eilig mit seiner Abreise, er will nämlich zu Ostern schon wieder fort so müßte er mir zu dem Bilde sitzen für den Kaiser, er müßte den Verwundeten, vielleicht sterbenden Offizieren machen aber die Zeit  ! Die Zeit  ! Ich freue mich dem alten Blum ein 582 Vgl. Anm. 565. Die Mutter Emilie Blum, geb. Schulz, war 1846 43-jährig verstorben.

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Andenken von mir senden zu können, wir waren ganz gute Freunde in Dorpat wenigstens sah er mich immer freundlicher an als alle übrigen gescheuten Leute und ich möchte mich ihm dankbar bezeugen wenn es nur recht ähnlich wird  ! und wenn er sich nur nicht seit seiner Abwesenheit sehr verändert hat. – d  : 12 April 51. Wilhelm Blum ist ein ganz netter gescheuter lieber Junge, ich muß mich inacht nehmen damit er nicht dahinter kommt welchen Schafskopf er an mir vor sich sitzen hat. Sein Portrait wird ähnlich aber ich weiß nicht weshalb ich mich mit diesem Kopfe mehr als an jedem andern quälen muß. Die Farbe will nicht pariren, morgen hoffe ich mit dem Kopfe so weit zu sein daß er ruhig trocken werden kann. Ich fühle mich sehr müde und freue mich wenn die Ostertage kommen wo ich nichts thuen werde als höchstens Kleinigkeiten. Blum hat den Schnupfen und Katarr. Seine Nase ist roth gefärbt etc. alles Dinge nicht günstig zum malen. – Heute kam der Graf Stackelberg allein ohne Gesandten und Tochter. Ich erkannte ihn augenblicklich denn eine solche Hagerkeit und Dürre möchte wol nicht leicht wieder zu finden | sein, doch ich that nicht dergleichen, empfing ihn, ohne Jubel doch artig aber ernst. Sein festes Gesicht war rührend und noch mehr seine Worte  : »wenden Sie ihren Blick nur einen Augenblick nach Dorpat zurück und sie werden einen Landsmann Graf St. in mir erkennen.« Mein Gesicht muß gestrahlt haben so verzerrte ich dasselbe zur Heiterkeit kurz er fühlte sich, wie er versichert – innerlichst gedrungen mich gleich zu besuchen  : »Denn erst seit vorgestern bin ich in München.« Donnerwetter der Kerl lügt dachte ich mir, vor 8 Tagen war er beim Gesandten wo er von mir sprechen gehört und vor bald 14 Tagen liest man seinen Namen in der Zeitung als neu angekommen. »Wenn Sie meine Tochter besuchen« sagt er unter andern, gewiß thue ich das nicht, denn die kann mich aufsuchen ich fragte deshalb auch garnicht in welchem Hotel er wohne um mich keinen Augenblick zu vergeben als Künstlerin. Das adelige Pack in Livland ist doch gar nicht zu ertragen, ist hunde dumm. Indessen war ich artig bis zuletzt und nehme mir vor gegen alle dergleichen Subjecte, die aus der Sandwüste meiner Heimath kommen – mich so zu betragen damit sie nicht Ursache haben über das Gegentheil zu klagen. – Morgen ist der Palmsonntag, Tante ist ein wenig besser, die Geschwulst hat ein wenig nach gelassen. Das Wetter scheint sich auch jetzt zu bessern, heute war es wenigstens sehr warm. – Lebt wohl für heute  ! d  : 15. April. Donnerwetter über Donnerwetter seit drei Tagen folgen fast unablässig, es regnet stark, ist aber warm dabei was das Gras stark wachsen hat machen, auch die | Bäume fangen an sich zu bekleiden. – Wilhelm Blum habe ich bis auf die Retusche fertig, er hat nicht 2 ½ Tag gesessen, deshalb bin ich mit der Ausführung auch nicht zu frieden, ähnlich ist es sehr, das Stückchen Rock ist nur angelegt skizzenhaft – sage dem guten Blum ich könne es besser machen nur wollte ich seinem Sohn nicht so viel Zeit rauben. –

624 | Die Briefe Stackelberg war gestern mit seiner Tochter welche recht niedlich aussieht, dann seiner Schwester die Löwenwolde Wittwe und einem alten Fräulein Striek,583 wenn ich nicht irre, bei mir. Letztere bat sich einen Brief an Dich aus, ich werde es thun damit sie einen Grund hat zu Euch zu kommen und mündlich erzählt wie sie mich gefunden, sonst schreibe ich nichts hinein da die Nachricht alt werden wird. Stackelberg thut außerordentlich gelehrt, dehnt und reckt sich nach allen Seiten hin. Spricht über Kunst mit einer wahren Frechheit, lobt berühmte Werke, so neben an und erhebt über diese, Mittelmäßigkeiten. – d  : 16ten Heute habe ich viel Künstlerbesuche gehabt, z. B. Riedels Bruder Baurath,584 welcher seit kurzem aus Griechenland hier ist woselbst er lange Jahre mit seiner Familie gelebt. Ich war sehr erfreut über diesen Besuch, er hat mir versprochen für seinen Bruder zu sitzen – Er versicherte daß sein Bruder in Rom Freude haben wird meine Studien zu leiten. Nachtisch kam unter andern Kotzebou. – Stackelbergs waren bei Rugendas | dem ist sein gelehrt thun auch aufgefallen. Blum habe ich fast täglich gesehen, er ist so freundlich immer mich zu besuchen nur leider habe ich wenig zu seinem Vergnügen beigetragen, Rugendas hat hier und da, obgleich unwohl – geführt und eingeladen sowol zu Mittag als Abends in das Kaffeehaus. Tantes Unwohlsein hat ihn noch immer nicht zu uns geführt. Außerdem hat er viel Ortsinn und scheint am liebsten allein zu gehen. Charfreitag. Gestern Abend erhielt ich Deinen Brief und freue mich Euch wohlauf zu wissen. Neffs dumme Ansicht als Künstler585 hat mich sehr geärgert und man erkennt den eingefleischten Russen wol heraus, indessen sind die Damen selbst schuld, nie halten sie fest an den schönen Künsten bis ans Lebensende. Hier sind eine Menge welche malen  ; ich selbst kenne 7–8 mit denen ich zum Theil bei Bernhardt studirt, unter denen sogar große Talente waren und die sich einige Jahre eifrigst mit Malen beschäftigten dann plötzlich liegen ließen und außer Übung natürlich kommen mußten, sahen sie nun daß es nicht gleich wieder gut ging war die Lust ganz dahin.  – Mit mir muß es denn doch noch 583 Sowohl die Familie von Löwenwolde als auch die von Stryck gehören zu den alten baltischen Adelsgeschlechtern. Eine Schwester Reinhold von Stackelbergs, die eine verheiratete Löwenwolde oder deren Mann Besitzer des Ritterguts Löwenwolde war, gab es nicht, vgl. Genealogisches Handbuch der Baltischen Ritterschaften, hrsg. von den Verbänden des livländischen, estländischen und kurländischen Stammadels, Teil  : Estland, Bd. I, S. 340 (frdl. Mitteilung von Wolfhardt Frhr. von Stackelberg). 584 Der Architekt Eduard Riedel (1813–1885) war der Bruder August Riedels. Er lebte ab 1840 in Athen, wo er als Hofarchitekt die Residenz König Ottos vollendete. 1850 kehrte er nach München zurück und wurde dort 1853 zum Hofbauinspektor, später zum Hofbaudirektor ernannt. 585 Neff hatte sich offenbar abschlägig geäußert mit der Begründung, dass Frauen keine ernsthafte Tätigkeit als Malerinnen durchhielten. Von ihm hatte sie also keine Fürsprache beim Zaren zu erwarten.

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gehen und geht es jetzt nicht so später, ich setze alles daran. Einmal vielleicht kommen die Herrn und bieten mir an was ich jetzt krumm erbettele – Für’s Erste kann ich nach Rom, denn durch Portraitmalen habe ich auch noch einiges Geld mir erspart, einige hundert Gulden und seit ohne Sorgen, | es wird sich von selbst machen, es muß sich machen, ich habe Freunde, die zuletzt mächtig sind. Nur kann nicht gleich für Alexander gesorgt werden allein ich hoffe er wird früher nach Deutschland als wir in diesem Augenblick meinen, nur nicht verzweifeln mein ganzes Streben kennt nur das eine Ziel Euch meine Aeltern zu erfreuen und meinen Geschwistern nützlich und förderlich zu werden. Das Eine ist mir in diesen wenigen Jahren wol gelungen doch das Andere hoff ich ist im Werden. Aus Stuttgart ist noch keine Nachricht gekommen, ich verstehe das nicht recht. Mein Bild hatte nur den Zweck mich durch sie beim Kaiser zu empfehlen, das Bild wurde an ihren Privatsecretären Adelung geschickt und ausdrücklich gesagt in dem Briefe daß ich durchaus kein Geschenk wünsche nur ihre Empfehlung. Eine Antwort dürfte wol schon da sein. – Deine Frage wie viel ich bekomme für ein Porträt – ich habe bis jetzt 5 Louisdor erhalten. Baron Schwarz586 der auch nur von 5 wußte gar [sic] mir aber 100 Gulden, wenn meine Liste nicht geschlossen wäre, d. h. wenn ich jetzt noch neue Bestellungen annehmen könnte so würde ich mehr verlangen da es reichere vornehmere Leute sind die mich um den Preis fragen. | Ostersonntag. Ein schöner, doch gewitterschwüler Tag Ich soll in die Kirche mit den Verwandten, möchte lieber Euch schreiben, denn es hat sich wieder manches zu erzählen gehäuft  ; Die Abende der letzten Tage habe ich die Musiken in den Kirchen gehört, die doch hier ganz herrlich sind, mich aber beim Stehen so ermüdet daß ich noch vor 9 Uhr ins Bett ging, überhaupt werde ich darin immer fauler, ich mag nicht mehr regelmäßig länger aufbleiben und mich beschäftigen wie es früher meine Liebhaberei war. Je mehr ich darüber nachdenke desto unangenehmer ist’s mir daß Du dem Dummkopf von Neff Bilder geschickt hast nachdem es keinen guten Erfolg versprach, doch lasse ich das, die Folge wird zeigen was wir für Beamte in Petersburg haben. Noch war ich nicht bei Kotzebou um es ihm zu erzählen. – Gestern erhielt ich zur größten Freude einige Zeilen von Riedel aus Rom, der Brief ist so einfach so unendlich bescheiden daß ich ihn Euch abschreiben werde. Er schreibt dem Rugendas daß er mir einen recht langen zierlichen lehrreichen Brief hat schreiben woll, da mein Brief ihn so erfreut hatte, allein er kam denn bald dahinter daß er mir eigentlich nichts zu sagen hätte etc. Dieser Brief vom größten Maler unserer Zeit ist ein Andenken, ein Kleinodie um das mich schon viele beneidet und noch 586 Wer dieser »Baron Schwarz« ist und wofür er ihr 100 Gulden gab, für sein eigenes oder das Porträt einer anderen Person, ist nicht bekannt.

626 | Die Briefe beneiden werden, man hat mich sogar von hiesigen sehr tüchtigen Künstlern um Abschriften gebeten. – – Glaub Du ja nicht mein lieber Vater daß Du den Bildern auf ewig Lebewohl gesagt hast, Du be|kommst sie alle wieder aus Petersburg. Verkaufen wird sie Neff auf keinen Fall, er müßte sie erst preisen wollen. Mit dem Grafen Stackelberg habe ich hier gesehen wie unser Adel es macht mit einer bürgerlichen Person. Beim Gesandten hatte man von ihm außerordentlich günstig über mich gesprochen so daß er also zu mir kommt, darauf geht er zu Rugendas und tritt mit den Worten zu ihm in die Stube  : »Ich komme um ihnen im Namen der ganzen Nation zu danken daß Sie sich des Fräuleins Hagen so annahmen.« – Mit St. war ein Gesandtschaftssecretär, welcher vor Kurzem angestellt worden ist Herrn von Fegesack587 bei Rugendas. Die Griechin, welche noch immer nicht vollendet ist, da ich das Kostüm nicht haben kann, hing bei ihm und das gab Veranlassung über mich zu reden. Rugendas dessen Aufgabe es ist mich bekannt zu machen hat mich so heraus gestrichen daß die Herrn und Damen den Mund aufgesperrt hatten. – Kurz die Folge war daß Stackelberg den folgenden Tag mich zu Mittag bittet, in eigener Person, ich war nicht aufgelegt und hatte außerdem zu thun kurz ich schrieb ab, gestern in der Früh kam er wieder und sprach sein ungeheures Bedauern aus und forderte abermals auf mit ihnen zu speisen allein ich konnte und weiß Gott ich wollte auch nicht. Denn es ärgert mich daß er thut als wäre er jetzt schuld daß ich bekannt geworden und daß die | hohen Herrschaften sich für mich interessieren, so sagte er mir daß er mich auf das Wärmste dem Fegesack empfohlen habe und diesem und jenem noch. Fegesack hatte neulich, ehe noch Stackelberg hier war, bei Ledebour’s von mir gesprochen und gesagt daß der Gesandte nicht allein sich für meine Kunst interessiere sondern auch für meine Person da ich so einfach dabei sey und durchaus keine Presentation mache. Ledebour’s könnt Ihr denken haben auch wol mein Lob gesungen denn sie sind mir von Herzen gut. Der arme Alte wird unendlich schwach, ich glaube er wird nicht mehr lange leben. Er schwindet ganz und gar zu sammen. Sein Auge leuchtet noch durch den Schleier, der sich drüber gelegt. Er nimmt auch an Allem Theil und erfreut sich an der Jugend und all den tollen Einfällen das er einen ordentlich rühren kann. Ohne Scheu kann man seine Seele mit all den guten und bösen Regungen offen vor ihm nieder legen ohne zu fürchten man könnte verkannt werden. Nur was die russische Politik betrifft da ist er streng, da er ihr sehr anhängt. Die alte Ledebour dagegen ist frisch und gesund bis auf ihre Füße. –

587 Otto Moritz von Vegesack (1807–1874) war Diplomat und zeitweise als Gesandtschaftssekretär in München tätig. Er war gebürtig aus Riga.

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Blum ist wol morgen zu Mittag bei uns d. h. wir werden im Bairischen Hof essen, er muß mir morgen zur Retusche sitzen und wird dann wol auch reisen. Ich habe ihn täglich gesehen und erfreute mich an seiner Liebenswürdigkeit. Für einen Menschen von 20 Jahren ist das wirklich viel. | Ich habe dem kleinen Blum erzählt wie man die Mädler588 überschüttet mit Kränzen und er hat sehr gelacht. Von den Pocken hört man hier noch gar nichts nur die Krippe hat stark gewüthet welche sich auf sehr verschiedene Weise äußerte. Mit jedem Jahre, so will es mir scheinen, treten neue, früher nie gekannte Krankheiten auf gleich der pariser Mode. – Es fängt an grün zu werden, in wenig Tagen werden die Obstbäume in voller Blüthe stehen. Mein Bild ist noch immer nicht ausgestellt erst künftigen Sonntag kann es geschehen. Der goldene Rahm ist nicht fertig geworden. – Es ist Zeit daß der junge Herrmann heirathet denn in Dresden hat er viele Körbe nach Hause getragen, man machte sich über ihn unbeschreiblich lustig. Er hatte aber auch den Organ, den die Phrenologen mit Nr. 1 bezeichnen sehr stark ausgeprägt.589 Was die Bilder von Rugendas für Dich betreffen so stehen sie eben beide noch als Untermalungen. Er hat seit 4 Wochen wenig gethan da er sehr unwohl war jetzt ist er auf einige Tage nach Augsburg. Ich mache ihn durchaus nicht irre denn das Hängemattenbild ist ganz reizend – Der Urwald wird auch herrlich werden, die Anlage ist großartig. Von der Akademie halte ich nichts, hier in München wenigstens sieht es wol am schlechtesten aus, in Dresden mag es besser sein doch ist meine Ansicht daß Alexander in die Schule eines | tüchtigen Zeichners kommt und angestrengte Studien nach nackte Körper zeichnet ohne den langsamen Schneckengang in den Akademien zu gehen wo noch die Lebenslust der Kameraden ihn von dem Ernst abbringen könnte der dazu erforderlich ist. Er macht die Akademien nicht in zwei Jahren durch während er in einem halben Jahre einen Körper zeichnen lernt und dann zu Bernhardt geht. Ist er erst draußen dann wird er schon Lehrer finden nur keine Akademie  ! Ich habe es selbst erlebt daß junge Leute welche 10 Jahre auf der Akademie gearbeitet und dann zu Bernhardt kamen nichts konnten und hier erst große schnelle Fortschritte machten.  – Die Italienerin (die Diss) ist noch ohne Hintergrund. Die sich ankleidende Lichtbeleuchtete Person ist auch noch nicht weiter gekommen immer noch fehlen die großen derben Arme. Man findet so schwer die schöne Natur hier. Onkel arbeitet jetzt viel und eifrig im Garten ist dabei gesund und auch heiter ebenso die Tante sie wollen beide schreiben. – 588 Zu Minna von Mädler vgl. Anm. 31. 589 Das Organ Nr. 1 steht nach Ansicht der Phrenologen für die Geschlechtsliebe und liegt am Hinterkopf über der Nackenwölbung (vgl. z. B. Zeitschrift für Phrenologie unter Mitwirkung vieler Gelehrter, hrsg. von Gustav von Struve und Dr. med. Eduard Hirschfeld, Bd. 1, H. 2, Heidelberg 1843, S. 136).

628 | Die Briefe Dem Fräulein Adelheid v. Thiesenhausen590 meinen herzlichen Gegengruß und Dank für das freundlich Andenken. Ebenso Dumberg, Wachters, Hartmann und alle die sich meiner erinnern freundliche Grüße. Der alte Blum natürlich darf nicht vergessen werden.  – Zu den alten Tanten gehe ich in diesen Feiertagen hinaus, Cecilie war vor einigen Tagen hier und ist gesund. Gegrüßt seit Ihr alle und immer auf das Herzlichste von ihnen. | Abends Heute zu Mittag war ich zum Hofrath Dessauer gebeten, ein brilliantes Dine. Morgen früh soll dieser Brief fort und deshalb will ich ihn heute schließen. Was den Brief an Rugendas betrifft so ist er wol jedenfalls verloren gegangen und da er Geld enthielt ohne bezeichnet zu sein kann man auch kaum weitere Nachsuchungen veranstalten. Meine besten Grüße und Küße an Euch wie den Geschwistern. Lebt alle herzlich wohl  ! Die Wrangelshofschen und Fritz wie Wilhelm grüßt sobald Ihr schreibt Lebt wohl  ! recht wohl  ! Eure treu ergebene Julie Dem Fräulein von Bühler habe ich geschrieben aber noch keine Antwort erhalten. {Schreiberwechsel (Tante Ottilie?)} Julie glaubt Alexander wird Sie nach Deutschland begleiten | Riedels Briefchen Bestes Fräulein  ! Unrecht ist es daß ich nicht schon längst Ihr freundliches Schreiben beantwortet habe. Sie selbst aber sind hauptsächlich Schuld, warum lassen Sie eine so große Freude an meiner Kunst sehen, die ich leider selbst nie habe, was soll ich nun darauf antworten? – Daß ich Ihnen mit Rath und That beyspringen werde und mittheilen werde was Ihnen die Arbeit erleichtern soll, können Sie überzeugt sein, aber ich bitte Sie nicht gar zu viel von meiner Malerey zu erwarten, denn ich selbst probire immer noch in der Hoffnung ein Mal was Ordentliches zu liefern und werde darüber alt und begreife am wenigsten was man von mir lernen kann, freilich weiß ich am besten wo es mir fehlt, freilich ist auch oft meine

590 Vermutlich die Tochter von Hans Heinrich von Tiesenhausen (1786–?), Adelheid von Tiesenhausen (1820–?), die einen N. N. Kiel heiratete.

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Muth­losigkeit ein kranker Zustand. Doch kommen Sie bald, Sie werden Rom lieb gewinnen und die Kunst noch lieber und rechnen können Sie auf Ihren ergebenen Riedel Julie Hagen an ihre Mutter aus München, 21.4.1851 d  : 2ten Osterfeiertag {1851}

Meine gute theure Mutter  ! Heute erst ist ein starker Brief an Euch abgegangen, wie stark er eigentlich wurde weiß ich nicht denn der Onkel hat auch geschrieben und da ich um 8 Uhr schon ins Attelier ging um den jungen Blum zu lassiren so ließ ich all meine Briefbogen loß liegen und bat ihn sie zu besorgen, ich freue mich, er enthält doch Einiges das Euch freuen wird. Jetzt kommt die Tante und fordert auf wieder einige Zeilen zu schreiben da sie nicht geschrieben hat wie sie sagt um den Brief nicht zu dick zu machen. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen und sollte ich auch nicht mehr thun als Dir sagen daß ich Dich liebe warm und zärtlich wie damals als ich Dorpat verließ. Blum war zu Mittag bei uns d. h. im Gasthause | und begleitete uns dann nach Hause eben nahmen wir Abschied, er will morgen Früh fort um nach Baden zu gehen. Er hat mir so viel von Dorpat erzählt daß das liebe Städtchen mir wieder bekannter ist. Sagt auch unter andern daß Schwester Mieze um vieles magerer geworden ist. Schwärmt für Schwarz, hat den alten Hagen sehr lieb und findet Alexander sehr hübsch etc. mehr. Für Alexander scheint von seiten der Tante und Onkel gesorgt zu werden was seine Studien im Auslande betreffen. Sie haben mir nichts davon gesagt doch werde ich mich kaum täuschen. Sie wollen durchaus daß Vater heraus kommen soll und meine Vorstellungen dagegen wo das Geld her nehmen wollen ihnen als geringe Überwindungen erscheinen | ich wäre freilich selig dürfte ich einen oder den andern hier begrüßen, der Gedanke allein preßt mir Thränen aus. Herr Gott wenn das ginge  ! Vater und Geschwister allen herzliche Grüße und Küße Mit inniger Liebe umarmt und küßt Dich Deine Tochter Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 26.4.1851 München d  : 26 April 51

Meine theuren lieben Aeltern  ! Durch einen Zufall erfuhr ich daß das Fräulein Striek nach Wien gereist ist um dort Fräulein Bühler abzuholen um mit der nach Dorpat die Reise anzu-

630 | Die Briefe treten. Der Striek hätte ich gerne ein Bild mitgegeben allein sie bat um einen Brief an Euch und verbat sich zugleich jede Art von Paket. Den Brief hat sie nun freilich auch nicht bekommen, denn durch die Post geht es bequemer und die Leute bilden sich nicht ein, einem einen großen Gefallen gethan zu haben. Jetzt wundert’s mich nicht das Fräulein Bühler nicht geantwortet auf meinen ersten Brief und der zweite Brief wird nun auch nicht viel helfen denn ich schrieb wieder da ich glaubte der Brief vor einigen Wochen wäre nicht angekommen. – Vielleicht kommst Du selbst mein guter Vater und dann wäre alles besser. Vor einigen Tagen d. h. vorgestern besuchte mich die eine Hofdame der Herzogin von Altenburg, welche an Prinz Eduard verheirathet ist und meldete mir die Herzogin für die nächsten Tage an.591 Eben so hat mich die Gräfin Pra592 oft schon besucht mit immer neuen Herrschaften. So gestern mit einer Schwester von ihr welche mich durchaus bereden wollte nach Badenbaden zu kommen um sie und ihre Töchter zu malen etc. Stackelberg’s und Vilboie’s593 sind fast täglich bei mir gewesen. Stackelberg ist ein Narr durch und durch, verspricht mir eine Maße Arbeit wenn ich nach Livland komme, seine Tochter ist in Wien vom besten Maler gemalt594 und die Vilboi jammert und sagt  : »ach man kann das Bild nicht ansehen so bald man von Ihnen Arbeiten gesehen hat.« – | d  : 30 April 51. Es hat mehrere Tage hintereinander stark geregnet und geschneit, heute zwar scheint die Sonne doch ist es Hundekalt. Die Baumblüthen werden gewiß gelitten haben. Das Bettelmädchen ist endlich im Kunstverein seit Sonntag ausgestellt, sie figuriert im Ehrensaal und hat wie ich höre Beifall, man wundert sich immer wieder von Neuem über meine Jugend und Tüchtigkeit  ; wol nur in dieser Beziehung. Rugendas ist in Augsburg deshalb weiß ich noch nichts über die eigentliche Stimmung der Künstler, er kommt heute wieder. Der Ausdruck des Kindes wird besonders erwähnt. Das Bild beabsichtige ich nach Augsburg zu schicken da der Verein mich gebeten hat. – Gestern war ich nach der Italienischen Stunde mit Julie Dreuttel hinauf gegangen im ärgsten Regen. Und als ich in den Saal trat, in welchem mein Bild hing standen mehrere davor und betrachteten es und ich fühlte wie das Blut mir zu Füßen schoß, ich wurde 591 Eduard von Sachsen-Altenburg (1804–1852), ein Bruder der Frau Ludwigs I., war bayerischer Generalleutnant. Seine zweite Frau war Luise Caroline Reuß-Greiz (1822–1875). 592 Dieser Name ist nicht bekannt. 593 Die Familie Guillemot de Villebois aus Riga, jene Villebois, auf die das Stipendium der Künstlerin zur Reise nach Dresden zurückging. 594 Damit dürfte Josef Kriehuber (1800–1876) oder Friedrich von Amerling (1803–1887) gemeint sein. Ein Bildnis der Stackelberg-Tochter ist nicht nachzuweisen. Reinhold von Stackelberg hatte zwei Töchter  : Sophie Heloise Euphrosine Marie (1825–1909), ab 1843 verheiratete von Nolcken, und Adele (Ada) Julie Euphrosine Marie (1833–1915), ab 1853 verheiratete von Ungern-Sternberg.

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bleich wie der Todt. – In diesen Tagen malte ich Julie Dreuttel, es ist ähnlich geworden und auch wieder nicht, wie man’s nehmen will. Sie hat ein Gesicht das so wechseln{d} im Ausdruck ist daß man einen ganze Ciklus Bilder von ihr malen könnte. Schirren hat mir geschrieben, sehr liebenswürdig und geistreich wie immer, er klagt von Dir keine Antwort zu bekommen. Ich antworte ihm auch, schon um ihm meine verspätete Gratulation nicht länger noch vorzuenthalten. Daß meine liebe »Kleine« wahrscheinlich mit mir nach Rom geht habe ich wol noch nicht erzählt, ihr Oheim will ihr die Mittel geben und hat ihr dieser Tage geschrieben. Das wär zu schön  ! Zu Riedel wird sie freilich nicht können und das könnte manche Störung herbei führen. Sie spricht italienisch und ich hätte es leichter auch in dieser Beziehung, indessen will ich noch nichts davon sprechen da es noch nicht ganz entschieden ist. | d  : 1. May 51. Gestern Nachtisch arbeitete ich fleißig und war ganz bei meiner Arbeit. gegen 3 Uhr klopfte es an meiner Thür und wer tritt herein? Der Gesandte mit Frau und übrige Familie und einem Grafen Ochotka, quasi Vizekönig von Bömen. Er ist Verlobter der jungen Moltke.595 Severin’s gehen jetzt aufs Land. Bei Starenberg und laden mich ein sie dort zu besuchen  – außerordentlich liebenswürdig waren sie und beim Fortgehen sagte der Gesandte indem er mir die Hand reichte  : Haben Sie nur Geduld, was in meiner Macht liegt soll geschehen das versichere ich Sie. Lassen Sie aber nur erst den Kiel kommen, den will ich schon bearbeiten und dann schicken wir dem Kaiser eine ganze Batterie zu und Sie bekommen eine Pension, nur Geduld, Geduld  !  – Am Abend kam ich heim und fand einen Brief von Fräulein Bühler vor, welcher mir die Zusage meiner Bitte bringt.596 Ich schicke ihr meine Sachen nach Dresden und Ihr habt sie dann vielleicht in spätestens 6 Wochen. Noch weiß ich nicht was ich sende, es ist mir schwer jetzt mein Attelier zu entblößen, da ich so viele Schaulustige bei mir sehe. Blum geht jedenfalls durch diese Gelegenheit. Mein Bild im Verein sende ich nicht denn dasselbe soll erst nach Augsburg. Hier hat es viel Freude gemacht, man erzählt mir manche Äußerung der Künstler, die mich ganz närrisch vor Freude machen. Unter ihnen ist nur eine Stimme daß ich ein großes Talent sey etc. – Stackelberg hat in Augsburg am Tabel du kot [sic] von seiner Landsmännin gesprochen, natürlich fand er dort Leute die meinen Namen kannten und wahrscheinlich ist er entzückt seinen Weg weiter gegangen. Schreibt mir 595 Anton Graf Chotek von Chotkow (1822–1893), Erbherr mehrerer böhmischer Besitztümer und Gesandter der österreich-ungarischen Monarchie in St. Petersburg, heiratete 1851 Olga von Moltke (1833–1906), eine Tochter des russischen Diplomaten Paul Friedrich von Moltke (1786–1846), der wiederum ein Bruder der Severin-Gattin Sophia Feodorowna, geb. von Moltke (1797–1882), war. 596 Es war also die Absicht der Künstlerin oder die Idee des Vaters, über das Fräulein von Bühler einige Arbeiten nach Dorpat zu schicken.

632 | Die Briefe ja was er in Dorpat von mir erzählt, es wird mir Spaß machen. | Bestellungen werden mir täglich gemacht  ; allein standhaft zurück gewiesen, manche legen sich auf ’s Bitten doch es hilft nicht’s ich muß fort nach Rom, immer nur Rom. Ich reise schon jetzt und begreife nicht wie ich noch Arbeiten kann bei dieser Unruhe, d. h., ich reise in Gedanken. – d  : 4 May 51 Es ist doch wahr daß der Ausdruck meines Bettelkindes rührend ist und daß er nicht nur die schwachen Nerven einer Dame ganz zu ergreifen im Stande ist sondern auch die Augen der Männer mit Thränen zu füllen vermag (vgl. Abb.  20). Laßt Euch erzählen wie es mir gestern ging. Daß das Bild sehr gefallen und unter den Künstlern namentlich einigen Lerm gemacht steht fest. Heute z. B. sagte einer im Kunstverein  : Ihre Manier in der Technik und die Richtung überhaupt ist in München ganz einzig und Riedel ist der Einzige der Ihnen was lehren kann, hier unter diesen vielen Künstlern wäre keiner der Ihnen als Lehrer dienen könnte etc. – Im Hause wo ich mein Attelier habe sind andere Miethsleute eingezogen welche außer meiner Stube noch eine vermiethet haben an einen Landschaftsmaler aus Königsberg. Der sagte mir daß er, als er mein Bild im Verein gesehen habe, mich in jedem Fall selbst kennen lernen hat wollen, erkundigt sich also wo er mich finden könne und war förmlich erschrocken als er erfahren daß ich seine Hausgenossin sey, er wundert sich über meine Manier etc. heute nun ging ich in sein Attelier, fand da recht hübsche Studien und er fing an von dem Bettelkinde zu sprechen und erzählte mir daß er mich so gefunden wie er sich meine Wenigkeit gedacht und schildert mir sein Vergnügen darüber, dann sagte er  : »des | Kindes Ausdruck ist so hinreißend wahr und tief gefühlt daß es auch die Seele der Künstlerin erkennen ließ und ich habe mich nicht getäuscht sie konnten nicht anders sein  ! ach der Ausdruck, dem Kinde ist nicht möglich was abschlagen  !  !« – Thränen füllten seine Augen, beinahe hätte ich aus lauter Gutmüthigkeit mit geweint was sagt Ihr dazu  ? und noch will ich das Bild hier behalten, ist das wohl Recht  ? Der Augsburger Verein wünscht es sehr und ich versprach es ihm auch, möchte ich nicht ganz mein Attelier leer sehen. Die Mullatin die beiden Mädchen, ein Studienkopf und Blum sende ich durch die Bühler. Dieser Tage gehen die Bilder nach Dresden ab, ich adressiere an die alte Herrmann, heute schickt ich einen Brief an die Bühler ab, in welchem ich ihr die Anzeige machte wo sie die Rolle zu suchen hat. Gestern erwartete ich die Herzogin von Altenburg welche ihre Hofdame zu mir schickte um zu fragen ob ich ihre 6 jährige Tochter in ganzer Figur malen wolle, das Bettelkind hat sie veranlaßt dazu  !597 Ich war offen und sagte daß ich keine Zeit mehr habe  ; 597 Marie von Sachsen-Altenburg (1845–1930) war das jüngste in München geborene Kind des Prinzen Eduard von Sachsen-Altenburg und seiner zweiten Frau Luise von Reuß-Greiz. Sie wurde später durch Heirat eine Fürstin von Schwarzburg-Sondershausen.

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allein wie sie mir in Petersburg durch Empfehlung nützen kann das würde mir Grund sein, andere Arbeiten liegen zu lassen und diese Ehrenvolle Bestellung an zu nehmen. d  : 11 Sonntag. Meine lieben Aeltern länger als es mir lieb ist habe ich mit meinen brieflichen Mittheilungen Euch fern gestanden, aber wie es eben gehen will, ich bin nicht dazu gekommen | einige nothwendige Briefe mußten geschrieben werden wie z. B. an die alte Herrmann. Noch habe ich zwar die Bilder hier doch hoffe ich gehen sie morgen oder übermorgen ab. Das eine wollte nicht recht trocken werden, die Luft der Mulattin, welche wärmer hätte werden dürfen, doch ich wagte nichts mehr daran zu machen um es nicht länger noch hier zu behalten. Blum, den ich gestern aus meinem Attelier mit nach Hause nahm und in meine Schlafstube stellte hat mich einen Augenblick komisch berührt. Ich kleidete mich nämlich aus ohne an die Bilder zu denken sondern dachte wol an Dorpat, an Euch meine Lieben und stand nun bald im Hemde vor mein Bett. Ein Blick auf die daneben stehende Komode traf die Augen des kleinen Blümchens und ich erschrak so furchtbar daß ich ordentlich zitterte denn im Augenblick meinte ich ihn in Natur vor mir stehen zu sehen. Natürlich mußte ich furchtbar lachen über diesen Wahnsinn, lachend stieg ich in mein Bett, schlief darüber ein und lachte im Traum fort. Ich freue mich sehr wenn Du dem alten Blum das Bild bringst. Das Blümchen sagte mir, sein Vater habe ihm gesagt ich hätte zu weilen gute Einfälle vielleicht ist das nun auch ein guter Einfall daß ich ihn gemalt  ; obgleich Du lieber Vater mich auf die erste Idee gebracht hast. Gleichviel, es ist ein ähnlich Portrait wenn gleich in manchen Theilen | etwas skizzenhaft. – Die Herzogin von Altenburg ist früher abgereist als es in Ihrem Sinn lag deshalb schrieb mir ihre Hofdame und sagt daß ich sie im Hochsommer malen müßte etc. Daraus wird nichts wenn ich fort will, mir ganz lieb  ! Die gute Tante war in der vorigen Nacht von einem starken Koleraähnlichen Anfall ergriffen worden, kein Wunder denn der May ist unbegränzt kalt. Die Zeit der Baumblüthe ist uns verloren gegangen, durch Regen und Kälte. Der Sommer darf schon schön werden um uns zu entschädigen. In dieser Woche habe ich die Griechin vorgenommen nachdem ich sie vor einem ganzen Jahre angefangen habe. Ich bin eines Theils unzufrieden, andern Theils zufrieden. Im ersten Fall ist sie aber nicht so wie ich sie jetzt wol malen könnte, die Farben waren grau und manches fehlte das ich mit größter Mühe wieder zurecht machte. Da ich nun lasirte und nebenbei mit Deckfarben hinein malen mußte so ist natürlich der Kopf im Schmelz nicht so ganz kauscher. Im zweiten Fall freute mich’s als es mir war als gehörte nicht mir die Arbeit sondern einem anderen Maler in welchem ich mich nicht ganz zu Recht fand, ein Beweis das ich fort geschritten. Das Kostüm der barmherzigen Schwestern habe ich | nicht bekommen selbst nicht einmal den Schnitt, nachdem alle und jede List ersonnen, jeder nur mögli-

634 | Die Briefe che Gang gemacht worden ist, ging Rugendas zum Erzbischof und klagte dem unsere Noth, welcher alles natürlich fand und auf das freundlichste versprach der Generaloberin zu schreiben daß sie das Kostüm mir geben könne doch alles umsonst, gestern brachte man mir die Nachricht daß selbst diese Bischöfflichen Worte in den Wind gesprochen seyen. Es ist wirklich zum verzweifeln, ich begreife nicht wie ich’s anfangen werde. Einen ganzen Kunstladen habe ich neulich um und um gekehrt und kein Bild gefunden um ein Kostüm nothdürftig danach machen zu lassen. Die Bornirtheit und Bosheit dieser Weiber soll ins Aschgraue gehen. Du erhälst durch die Bühler einige Lithographien von den früheren Arbeiten des Meister Riedel die Abdrücke sind schlecht und können Dir unmöglich eine Idee von dem geben was die Originalgemälde sind. Der Zauber der Farben ist natürlich durch Schwarz auf Weiß nicht zu geben außerdem ist in fast allen Gesichtern der merkwürdige Liebreiz nicht da. Es ist mir leid aber ich fand keine besseren Exemplare auch meine Lieblingsbilder konnte ich nicht haben, wie z. B. Sakontala, die Italienerinnen in ganzer Figur welche Blumen über einen Gartenzaun598 | werfen, und andere mehr. – Morgen ist Bruder Carl’s Geburtstag ich werde an ihn denken und im Stillen ihm Glück wünschen. Nachtisch. Mit dem Onkel knieend rollte ich die Bilder auf, als ich das Schellen des Briefträgers erkannte und wirklich war es der Brief von Euch, ich laß ihn nicht früher als wir fertig mit dem Packen waren, jetzt habe ich Lebewohl meinen Kindern gesagt, doch ohne Schmerz, im Gegentheil ich bin herzlich froh daß ich die Bilder nicht mehr sehen darf, vieles würde ich anders machen wenn ich die Bilder jetzt beginnen würde. Kurz ich werde mich freuen wenn sie an Ort und Stelle sind. Deine Mädchen mit dem Briefchen machen mir am Ende jetzt Sorge, sie könnten Dich täuschen in Deinen Erwartungen, denn schon zu viel haben wir davon gesprochen als daß Deine Fantasie, die rege und ewig schaffend ist sich nicht ein reizendes Bild gedacht hätte, wo natürlich meins weit zurück stehen muß. Das ist am Ende jetzt nicht zu ändern, Dieser Tage habe ich viel Geld ausgegeben, erstens ließ ich das Bild einige Mal fotografieren um es zu haben damit Riedel eine kleine Idee bekommt wie mich anpacken, außerdem wünscht Rugendas ein Abdruck, der Dame die mir dazu saß versprach ich eines, die Tante soll eines haben und endlich will ich nun noch Dir einen Abdruck schicken damit Du nicht durch das eigentliche Bild wieder gedonnert wirst, d. h. ich sende Dir vielleicht in diesem Brief es schon wenn es gut ausfällt. Das negative 598 August Riedel, Frauen aus Albano, 1837/38, bez. u. l.: »A. Riedel. fec Rom. 1838.«, Öl auf Holz, 93,7 × 72,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Alte Nationalgalerie (aus der Sammlung des Bankiers Wagener), Inv.-Nr. W.S. 188, abgebildet in  : Sammlung Wagener, 2011, Nr. 188. Zu Riedels Sakuntala vgl. Farbabb. 5.

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Bild sah ich | und konnte danach nicht beurtheilen wie sehr gut es geworden. Die Mulattin hätte ich auch wol fotografieren lassen sollen. Heute brillirt mein Bettelkind in Augsburg (vgl. Abb. 20). Außer den 4 Lithographien nach Riedel folgen einige Kunstvereinsgeschenke, welche Tante Dir sendet, die besseren Sachen sind schon verschenkt. – Daß die guten Verwandten Dich durch ihr Anerbieten unruhig gemacht thut mir herzlich leid und daß Du diesem Rufe nicht folgen kannst beklage ich noch mehr, aber weiß Gott mir ist’s doch als müßte ich Dich erwarten. Nichts haben sie mit Dir zu besprechen was nicht auch brieflich abgemacht werden kann, sie wollen Dich kennen lernen und Dir wie mir Freude durch ein Wiedersehen bereiten. Daß ich außer mir vor Glück wäre kannst Du wol leicht denken, und noch seliger wenn ich alle, die gute Mutter und Geschwister wieder sehen könnte. Himmel was wäre das für eine namenlose Seligkeit  ! – Sivers schreibt nicht und Adelung aus Stuttgart auch nicht. Geduld bricht Rosen  ! – Mariens Brief beweist mir von Neuem daß sie nicht mehr Kind ist sondern erwachsen. Die Handschrift ist gut der Stiel auch, ich habe Respect, könnte ich sie nur alle ein Mal wieder sehen  ! Ich freue mich daß meine Ansichten über Stackelberg so sehr mit den Deinigen übereinstimmen und ich that also nicht unrecht daß ich mich ihm nicht zu Füßen warf  ? ich weiß nicht ob ich schon schrieb daß er sogar in Augsburg von seiner Landsmännin großartige Dinge erzählt der Narr ist ja ganz selig sich an jemanden anzuklammern. | d  : 12ten Ich sollte an das Geburtstagskind selbst schreiben doch was soll ich ihm erzählen, die guten Wünsche trage ich in meinem Herzen immerdar und andere Dinge konnte ich ihm kaum erzählen, er ließt ja alle meine Briefe und hat so ein Bild meines Lebens von innen und außen. – d  : 13ten May. Die Angelegenheit des Reiseproject macht auch mich unruhig. Auf 14 Tage nach München kommen wer schön, doch traurig so wenig für eine solche Reise gesehen zu haben nicht ein Mal in den Gebirgen Salzburgs einen Blick thun zu können, außerdem die Sorge ob Dir’s nicht vergolten wird von Oben her. Ich erwarte mit Ungeduld Deinen Brief mit der Entscheidung, wäre er nur schon da  ! Tante sagt »was aufgeschoben ist nicht aufgehoben« – Du mögest später kommen, nach dem Du von der Knechtschaft befreit bist. Doch was hab ich denn davon  ? Der Egoismus wird laut bei mir. Ich bin dann in Rom und Du in Deutschland und wir können einander nicht sehen, nicht sprechen nein das wäre schrecklich  ! Lassen wir das indessen ruhen. Die Zeit wird wirken, wird vollenden. – Gestern hatte ich einen Brief aus Augsburg wo man mir erzählt daß meine Bilder sehr gefallen sollen. – Später Es regnet doch fort und fort, das Wetter ist zum verzweifeln schlecht. Das ist ein Sommer wieder das Gott sich erbarmen möchte  ! und weiß Gott ich bin verdrießlich habe mir naße Füße und Kleider geholt bei all dem Laufen, ver-

636 | Die Briefe geblichem Laufen. Bin im Krankenhaus gewesen und die Heckse von General­ oberin giebt mir nicht das Kostüm. Ich schimpfe in allen Tonarten in mich hinein und möchte vor Ungeduld drein schlagen. | Auch konnte ich noch keine Fotographie haben also später bekommst Du eine. Von Ledebour folgt ein Briefchen an Blum. Der Frau v. Krüdner einen Gruß und Dank für die freundlichen Zeilen. Hätte ich eine Bibel so würde ich jedenfalls den Vers aufschlagen auf den sie mich hinweist. – Fanny Wachter bitte ich tausend Mal zu grüßen, was macht Emma  ? Was Hartmann Marga und andre Freunde  ? Vio auch einen Gruß – Wie geht es denn unserer Hannchen  ? Bitte erzählt mir doch von ihr, ob sie sich meiner noch erinnert  ? Den Fingerhut welchen sie mir beim Abschied schenkte läßt mich oft an sie denken, wir hatten einander recht lieb  ! Nichts fällt mir ein zu schreiben es ist leer in meinem Kopfe, etwas Italienisch soll noch hinein trotz aller Faulheit und Unlust. Meine italienische Stunde habe ich jetzt von ½ 8 bis ½ 9 Morgens, weil es mich sehr stört in der Arbeit abzubrechen und fort zu gehen. Von den Verwandten an alle herzliche Grüße, Dein Brief liebe Mutter hat Freude gebracht auch Mariens Brief machte der Tante Spaß, ich indessen ließ ihn mir schenken. Lebt wohl  ! herzlich wohl  ! mit inniger Liebe umarmt Euch Eure ewig treue Julie. Der Onkel geht ins Theater und bringt noch heute diesen Brief auf die Post. –– Rugendas grüßt auch. –– Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 21.5.1851 München d  : 21 May 1851. Meine theuren lieben Aeltern  ! Statt in die italienische Stunde zu gehen will ich Euch einen neuen Brief beginnen, es ist lang schon Zeit. Meine Sehnsucht es zu thun war auch groß aber ich konnte sie nicht stillen. Manche Freude, mancher Kummer wechselte in dieser Zeit fort und fort mit einander ab. Dein Brief daß Du nicht kommst und Deine Sehnsucht nach Deutschland bekämpfen mußt hat mich in tiefe Trauer versetzt obgleich ich’s beinahe nicht anders voraus sah. Schirren hatte mir ein Mal eine Stelle aus Göthe citirt worin es heißt  : »was man sich in der Jugend wünscht, hat man im Alter in Fülle« – Dieser Satz tönt mir immer in den Ohren und ich kann nicht die Hoffnung aufgeben daß Du nächstes Jahr heraus kommst. Abends  : Hier wurde ich unterbrochen und wüthend setze ich mich ans Schreiben, ich möchte schreien vor Wuth, schreien vor Trauer und Schmerz, weinen kann ich noch nicht, ich zittere und weiß nicht was anfangen. Noch weiß ich nicht wer eigentlich so ungeschickt ist, ob die alte Herrmann oder das Fräu-

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lein Bühler. Soeben bekomme ich einen Brief aus Dresden worin mir die alte Herrmann schreibt daß Stackelberg die Kiste mit Bildern mit sich nimmt, welcher Unsinn  ! Deshalb habe ich ein halb Dutzend Briefe geschreiben. Der Bühler und ich weiß nicht wem allen, damit die Bilder 4 Monate unterwegs sein sollen denn im August erst kommt dieser Mensch nach Hause. Gewiß ist die Kiste zu groß gewesen dem zarten Fräulein. Da siehst Du nun daß ich auf keine Weise Glück habe immer und trotz aller Mühe geht es schief ich habe das Meine gethan. Herr Gott hätte ich Deinem Willen nicht gefolgt, sondern meiner Ahnung denn die Weitläufigkeit der | Bühler habe ich hier erkannt zur Genüge und weiß Gott ich sah nichts anderes voraus aber ihre heuchlerischen Versprechungen hatten mich auf kurze Zeit irre gemacht. Noch später  : Der Abend ist vollständig da, noch habe ich keinen Bissen seit heute früh in den Mund genommen und doch ist mir’s als hätte ich mir zu viel gethan. Ich bat Tante und Onkel mir überlegen zu helfen was zu thun sey, ich allein war unfähig mir einen Gedanken fest zu halten immer nur dachte ich an Deinen Ärger, Deine zerschlagene Freude. Wir kamen überein gleich der alten Fummel nach Dresden zu schreiben falls Stackelberg noch dort sey mir umgehend die Bilder zurück zu senden. Ich that das und erwarte mit Angst eine Antwort. Blum’s Portrait welches ich nun bald schon in Dorpat meinte kommt vielleicht hin wenn es zu spät sein wird. Alles ist zu Bette gegangen ich brüthete den Abend und fand einige Thränen, jetzt sollte ich auch schlafen gehen aber ich weiß ja daß ich keinen Schlummer finde, meine Pulse schlagen wie ich’s erst selten in meinem Leben gefühlt. Wenn ich nicht wüßte wie Du sehnsüchtig den Studien von mir entgegen siehst würde es mir keinen solchen Kummer machen und jetzt schon denke ich mit Angst und Schrecken daran wenn ich aus Rom Bilder senden soll, wo sie nicht allein auf der russischen Grenze aufgemacht werden sondern allenthalben  ; natürlich kommen Ölbilder verdorben an, das Rollen an und für sich schon ist schädlich, für die Lasuren besonders. d. 22. Ich habe die Nacht fast gar nicht geschlafen, gegen morgen träumte mir lebhaft von der dummen Bühler ich könnte diese Person zerreißen  ! Da ist aber wieder ein Beweis von der großen Unfähigleit unserer Landsleute aus lauter Egoismus zusammengesetzt. | Wenn ich die Kiste zurück bekäme wäre ich noch froh denn ich sehe nicht gut daß Stackelberg sie nicht unterwegs ein Paar Male auf macht. Er hat sich ja dessen gerühmt, wie die alte Herrmann schreibt, daß er ein inthümer Freund der Familie Hagen sey – Mit Rußland scheint es mir nicht gut gehen zu wollen, während ich in Deutschland gewinne verliere ich dort  ! d  : 26ten Die Kleidermacherin wird erwartet und ich kann nicht wie sonst um 7 Uhr morgens in die italienische Stunde gehen also schreiben, ja schreiben  ! Die gute liebe Tante steuert mich aus, an Kleidern und an Wäsche. Ich habe Thränen der Rührung geweint und der Abschied kommt mir schon jetzt. Das Einzige

638 | Die Briefe womit ich ihnen lohnen kann wird sein daß sie gerne meinen Namen nennen da es andere thun. Alles setze ich daran um mich so zu stellen daß die Verwandten wie Ihr mit einiger Zufriedenheit auf mich blickt. Da ich eben erzähle daß ich ausgesteuert werde so will ich nur gleich dazu sagen daß ich baumwollene Hemde bekommen werde. Meine 30 Hemde bleiben hier da Tante fürchtet in Rom würden sie verderben und zweitens trägt man dort bloß Baumwoll um sich vor Erkältungen zu schützen. Gestern am Sonntage habe ich Strümpfe und Unterröcke für mich gemarkt. Nachtisch ging ich mit dem Onkel in dem prächtigen englischen Garten spaziren und Abends ins Theater was sehr langweilig ausfiel. Um 9 Uhr kam ich heim und fand Blum’s liebenswürdigen Brief mit der Einlage von Dir vor und einen andern Brief aus Augsburg vom Conservator des Vereins,599 davon später. – Ich bin sehr glücklich über | den Brief von dem Manne, den ich zu meiner Zeit in Dorpat weiß Gott wie hoch stellte, ich sah so gerne in seine schönen geistvollen Augen aber immer mit der geheimen Furcht er möchte mich anreden und auf trocknen Sand stoßen und jetzt habe ich den Muth mich über seinen Brief zu freuen daß ich ihm antworten will. Wie verändert sich doch der Mensch wenn er allein steht  ! Meine Corespondenz ist so groß wie es ein Mädchen von meinem Schlag und Alter nicht so leicht wieder haben wird. Ihr seit wohl das geht aus den Briefen hervor, Sivers verdrießt Dich, mich die dumme Gans von Bühler. Aus Dresden muß wol ein Brief in diesen Tagen eintreffen und ich erfahre ob ich die Bilder zurück erhalte oder nicht. Der arme Blum ist auf diese Weise gänzlich angeführt, so oft ich an dieser Dummheit vorüber gehe werde ich roth vor Ärger. d  : 29. Gestern schreibt mir die alte Herrmann daß Fräulein Bühler doch die Kiste mitgenommen, welcher Jubel brach in unserem kleinen Kreis aus. Die alte habe ich die Hölle heiß gemacht und sie in Bewegung gesetzt bis sie mir das berichten konnte. Gott lob ich bin herzlich froh darüber  ! Kann ich doch nun wieder mich an dem Freudigen erfreuen oder überhaupt daran denken das mir hier wiederfährt, ich will auch gleich damit heraus rumpeln und Euch es nicht noch länger vorenthalten. Nämlich das Bettelkind wie ich Euch schon schrieb 599 Andreas Eigner (1801–1870), in München bei Dillis ausgebildet, war seit 1832 Inspektor der Königlichen Gemäldegalerie in Augsburg und seit 1836 dort »Conservator«. Eigner war 1833 die treibende Kraft bei der Gründung des Augsburger Kunstvereins und bis 1857 Mitglied im Vorstand (vgl. Ulrike Vogelsang, Gemälderestaurierung im 19. Jahrhundert am Beispiel Andreas Eigner, Stuttgart 1985). Ob Eigner 1851 noch »Conservator« des Kunstvereins war, ist nicht bekannt, es gab kein angestelltes Personal. Auch Jakob Gaisser d. Ä. (1797–1866/70), Maler und Lithograf, käme zu der Zeit als »Conservator« infrage  ; er war von 1855 bis 1862 Lehrer für Freihandzeichnen an der Sonntags-Zeichenschule der Polytechnischen Schule in Augsburg. In den Unterlagen des Kunstvereins erscheint er 1850 als Mitglied des Vorstandes und wird als »Konservator« bezeichnet (frdl. Mitteilung von Renate Miller-Gruber, Augsburg).

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hat hier sehr gefallen und der Kunstverein sogar wünschte es zu kaufen, darauf bekam ich ein Gedicht das mit folgt von dem Maler der mich besuchte und mit feuchten Augen von dem | Bilde sprach. Ich schickte das Bild nach Augsburg und bekomme Briefe über Briefe welchen Beifalls es sich erfreut. Der Vorstand des Vereins hat zwei Mal an mich geschrieben in den wärmsten Ausdrücken und mich gebeten das Bild ihrem Verein abzutreten. Natürlich würde ich Dir ein Kapital an Freude rauben und aus dem Grunde gab ich’s nicht her, vielleicht bist Du jetzt in Deinen Erwartungen getäuscht allein das macht nichts. Du wirst lange an den Arbeiten zähren müßen da ich aus Rom wol nicht so bald was schicken werde, ich denke im Vatican mal nach der Antike zu zeichnen, diese Studien gehen mir ja gänzlich ab und sind unerläßlich. Der Conservator schreibt mir daß er mir die Bilder mit schwerem Herzen packen läßt um sie mir zu senden, gleich darauf kommt ein zweiter Brief, welcher in Eile meldet daß er mit Bitten, sie noch eine Woche ausgestellt zu lassen – so bestürmt worden sey daß er mich bitten muß sie noch da zu lassen. – In einem Augsburger Blatt laß ich eine recht freundliche Kritik, ich denke ich sende sie nicht, es ärgert mich daß es nicht die Allgemeine Zeitung meldet  : doch Geduld  ! Seit ich nicht schrieb habe ich zwei Portraite gemalt die Fürstin Frede und den Bräutigam der Baronesse Stransky.600 Das 4te Portrait in dieser Familie. d  : 31 May Dieser Monat hat also ein Ende und kein einziger Tag war warm und sonnig. Gestern sogar hatten wir starken Reif. Der Garten kann gar nicht | genoßen werden es ist ein wahrer Jammer  ! Diese Zeilen schreibe ich ehe ich mich kleide um zur Fürstin Frede zum Thee zu gehen. Es ist eine der liebenswürdigsten, gescheutesten Frauen die ich kennen gelernt, ich bin ganz entzückt und ich freue mich daß die erste Fürstin welche ich malte so nett war. Denn ich würde gewiß die Folgende mit der größten Unbefangenheit empfangen und sie behandeln wie eine andere Dame der ich Achtung zollen darf. In meinem Verhältnisse macht man wol manch interessante Bekanntschaft die man sonst nicht machen würde aber diese Bewegung bringt auch manches Leid mit sich, jedenfalls ist das Leben aber reich und schöne Erinnerungen nimmt man sich mit für die Zukunft – – Pfingsten  : Ich komme aus der Kirche mit entsetzlichen Kopfschmerzen so daß ich mich wol strecken werde. Ich nahm heute nämlich das Abendmahl. Ich gestehe daß ich mich nicht gerade sehr dazu aufgefordert fühlte aber ich that es 600 Aus diesen wenigen Angaben kann kein sicherer Rückschluss auf die Identität des Porträtierten gezogen werden. Es waren mehrere Baronessen Stransky, wohl Schwestern, zu denen Julie Hagen Kontakt hatte, in München ansässig. Eine könnte Therese von Stransky-Stranka-Greifenfels (Lebensdaten unbekannt) gewesen sein, eine Hofdame unter Ludwig I. und selbst auch künstlerisch tätig. Bei der porträtierten Fürstin von Wrede ist ebenfalls keine Benennung der Person möglich.

640 | Die Briefe ein Mal um der Verwandten willen und dann auch da ich in Rom keine Gelegenheit finde so etwas zu genießen. Wer kann wissen wie lang ich bleibe. In den letzten Tagen malte ich das Portrait meines zukünftigen Meisters, den Baurath Riedel, welcher seit ungefähr einem Jahre aus Athen hier lebt. Das Bild bringe ich seinem Römer Bruder, es ist außerordentlich ähnlich und in kaum 1 ½ Tag zusammen gefegt, ich wundere mich selbst bald über meine Schnellligkeit im Malen und dem Hervorbringen von frapanter Ähnlichkeit. | {Der Brief endet hier.} Das Bettelkind. (vgl. Abb. 20) Mit trauten schwermuthsvollen Kummer-Zügen Unnennbar rührend seine Hand erhoben, Das süße Auge von Thränenschmelz umwoben  : Muß dieses Kind ein jedes Herz besiegen. Wer sieht den Blick, verschämt gelenkt nach oben, Wer sieht des treuen Hundes fröstelnd Schmiegen, Wer sieht das All im Todtenschlafe liegen Und wird die Meisterhand nicht freudig loben  ? Wer es vermag mit solcher Kraft und Treue, Was tief ihm in der schönen Seele glühte, Auf kalte todte Leinwand hin zu schreiben Genoß die Seligkeit der Musenweihe, Und was er schuf, aus dichtrischem Gemüthe, Als »Bettelkind« wird unvergeßlich bleiben. M. 14/5 51 Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 11.6.1851 d  : 11 Juni 1851 Meine theuren lieben Aeltern  ! Vor wenigen Augenblicken kam Dein lieber Brief mit der freudigen und beglückenden Nachricht daß wirklich meine Bilder angekommen. Gott lob sage ich und ich möchte platzen vor lauter Vergnügen darüber. Die nachstehenden Blätter werden Dir sagen warum ich so glücklich bin. Der Brief ist so eigentlich in

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verzweiflungsvoller Stimmung geschrieben und dennoch schicke ich ihn Euch da ich überzeugt bin daß Ihr Euch nun nimmer ärgern werdet und mir in meinem Seelenleben auf diese Weise folgen könnt. Ich habe furchtbar gelitten und mehr als ich je durch Worte es auszusprechen im Stande wäre. Eben so bin ich froh daß die Bilder gut angekommen sind denn die gute alte Herrmann hat ihrem Gelüste nicht widerstehen können – trotz meinem ausdrücklichen Wunsche die Kiste nicht zu öffnen, die Bilder anzusehen, ich wollte früher nicht davon sprechen doch jetzt darf ich’s ja thun. Ihr werdet der Tochter – ich bitte darum nichts sagen deshalb  ; denn ich habe der Alten die Hölle heiß gemacht. Dies ist auch hauptsächlich der Grund weshalb ich überhaupt so wenig und selten schrieb. So oft ich die Feder zur Hand nahm um mit Lust und Freude mit Euch ein Stündchen zu verplaudern so drängte sich der fatale Gedanke, daß die Bilder verdorben ankommen möchten dazwischen und ich ließ das Schreiben sein. | Ich bin so glücklich daß ich’s Euch gar nicht sagen kann daß wieder ein Mal ein Lichtstrahl in Euer Haus durch diese wenigen Arbeiten gekommen ist und daß meine Arbeiten nicht als ganz schlecht erachtet werden von Dir. Manches tadle ich selbst und denke mir  : wenn ich’s jetzt anfinge würde es besser werden – Ich bin sehr froh die beiden Mädchen besonders nicht mehr sehen zu dürfen vor zwei Jahren fing ich dasselbe doch schon an. d  : 12. Ich habe sehr unruhig geschlafen, ich war durch und durch freudig erregt und will nun beantworten was ich zu beantworten finde damit bald mein Brief bei Euch ist da er länger als gewöhnlich ausbleibt. Der eine Studienkopf ist wirklich eine Künstlerin, ich wundere mich daß ich’s nicht schon schrieb, es ist die Baronesse Barellie unsere sogenannte »Große« bei Bernhardt. Ich hatte anfangs die Absicht sie mit mir zu nehmen allein ich stehe {ihr} grade nicht so nah, obgleich wir uns jetzt noch fast täglich sehen als daß es mir schwer geworden wäre das Bild zu mißen. Ihr findet vielleicht einen Käufer denn jedenfalls ist der Kopf sehr interessant. Daß der Blümchen so ähnlich gefunden wird freut mich. Was Ähnlichkeiten betrifft da fehle ich nicht so leicht ebenso lege ich den erforderlichen Charakter in einen jeden Kopf. Das ist es was man mir hier sagt und dann werden meine Augen im Durchschnitt alle gelobt. Man hörte neulich sogar auf dem Kunstverein sagen vor einer englischen Baladensängerin  : »Fräulein Hagen hätte die Augen hinein malen sollen dann wäre es vielleicht ein Bild das man ansehen könnte.« | Blum’s Freude über seinen Sohn macht mich ganz glücklich, ich schreibe vielleicht und lasse den Brief offen damit Ihr ihn lesen könnt und dann erwägen ob er ihn erhalten soll, oder ob er über Bort geworfen wird. Wenn Du die Mulattin in Natura sehen könntest würdest Du staunen wie wenig imposant sie ist. Das Gesicht zwar ist nach der Natur, bis auf den Ausdruck, den Mund sogar mußte ich sehr in der Form ändern um diesen Trotz in ein zu bringen. Das Mädchen hat gar keinen Ausdruck, ihre Augen sind groß aber

642 | Die Briefe glotzend und dann der Körper ist kurz und untersetzt. Den natürlich streckte ich und gab ihm Energie damit er in Einklang mit dem Gesichtsausdruck kam. Rugendas der mir alle hübschen Gesichtchen zuführt hat auch diese aufgefunden. Man kennt sie in München wenig da sie sich ganz französisch kleidet und dadurch ihre schönen Haare gänzlich von den einfältigen Hüten verdeckt werden. Die Haare können vielleicht etwas Lasur vertragen, obgleich sie in der Natur fast noch ärger glänzen. Was nun das Liebesbriefchen (vgl. Farbabb. 12) betrifft so laß Dir erzählen welche Idee mir fortwährend vorschwebte so lang ich daran malte. Die Ältere von den beiden Mädchen dachte ich mir als Erzieherin in einem adeligen stolzen Hause wo selbst sie sich verliebt, etwa in den Sohn des Hauses welcher das Gefühl mit ihr theilt aber vor den stolzen Aeltern es verbergen muß. Die jüngere von beiden kann eines ihrer Zöglinge sein welche sie nicht | weg schicken kann wie man’s wol mit einer Schwester thun würde. Die Liebe dieses Mädchens sollte jedenfalls, meinem Gefühle nach einen tiefen Ernst haben und der Gesichtsausdruck mußte darum ernst sein, mußte beweisen daß Verhältnisse sie zu dem zwingen und nicht der Leichtsinn, die Jüngere freilich hätte ein ganz klein wenig mehr Schalkheit haben dürfen, doch auch nicht viel mehr da ihr eben erst der Gedanke kommt  : »holla was ist das  ?« – Wie gesagt lieber Vater ich würde es jetzt wol besser machen. Deine Idee, das Bild in die Epheulaube zu stellen ist eine sehr gute, ich kann mir wol denken daß sich’s hübsch macht. d  : 13ten Abends 10 Uhr. Ich komme eben aus dem Theater ganz müde, fürchterlich erhitzt und finde zu hause angekommen einen Brief vom Freunde Schirren und dessen Braut jetzt noch möchte ich einige Worte schreiben obgleich ich müde bin, ich habe sehr fleißig gemalt endlich seit 3 Tagen an der Feuerbeleuchtung, endlich fand ich schöne Arme und kann das Bild endlich fertig bringen. Tante sagte mir heute sie wolle auch schreiben aber könne nicht früher als morgen daher kann der Brief noch nicht fort. Ehe ich’s vergesse ich habe eine Bitte welche Du mir abschlagen kannst wenn sie Dir nicht angenehm ist. Du weißt daß ich der Tante einen Fruchtkorb malte und versprach ihr einen Blumenkorb auch ein Mal als Pandent zu malen, nun finde ich aber dazu keine Zeit noch Lust und dachte an die Kopie nach Jensen würdest Du wol das | Bild durch Gelegenheit schicken d. h. wenn Du es gern thust, denn sonst muß ich hier noch Etwas in Eile malen um ihr den letzten Beweis meiner Dankbarkeit zu geben. Es ist wirklich großartig was sie für mich sorgt, sie rührt mich oft bis zu Thränen. Es ist jetzt bestimmt daß meine Kleine mit nach Rom geht. Mir ist das ein großes Glück wir werden ein ander nach Kräften unterstützen, sie mich in Sprachen und anderen geistigen Vorzügen und ich sie im Malen. Der gute alte Ledebour ist sehr bedenklich krank schon seit 8 Tagen. Zwei Ärzte besuchen ihn täglich 3–4 Mal, er hat heute 12 Blutegel bekommen. Seine Frau und Julie Dreuttel sind außersich. Wenn er nur nicht stirbt. Blums Brief hat ihm viel Freude gemacht. –

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Morgen besucht mich ein Landschaftsmaler aus Heidelberg. Heute ließ er um die Erlaubniß bitten. Von der Tann war auch fast eine Stunde bei mir er war mehrere Wochen krank. Er war sehr liebenswürdig, erzählte allerlei nette Sachen und unter andern wünscht er sehnlichst es möge bald im deutsche Reiche loßbrechen und drunter und drüber gehen, diese Ruhe sey so langweilig wie möglich. Unter andern fragte er ob ich mehre Damen von Adel malen wolle, natürlich lautete die Antwort nein. | d  : 14ten Morgens. Es regnet schon wieder. Kaum daß es schön war. – Du gute Mutter hast schon lang nicht mehr an mich geschrieben auch keines meiner Geschwister. Ich vermisse es jedes Mal und suche förmlich mal auf mal das ganze Couvert durch um doch noch die lieben Zeilen zu finden. Mize, Carl, Alex­ ander und Marie sollten mir ein Mal zusammen schreiben und wenn der Brief die doppelte Schwere erhält so macht das nichts ich werde glücklich sein von diesen lieben Geschwistern wieder etwas zu hören. Mariens Brief an die Tante habe ich mir schenken lassen um einen von ihr zu besitzen, er hat mir bewiesen daß sie sich entwickelt hat und daß sie mir dadurch etwas ferner gerückt ist wenn ich nun öfter von ihr selbst Briefe bekäme so würde ich bald wieder ganz nah ihr stehen wenigstens im Geiste wenn ich auch nicht dem Heranwachsen des Körpers folgen kann. Von Emma höre ich nichts, bitte schreibt mir doch was die Gute macht, ebenso über Fanny Dumberg Hartmanns und meine wenigen Freunde sonst. Was erzählt die Kulberg über Amalie  ? ihre Kinder müßen ja auch schon erwachsen sein und hübsch dabei, vielleicht sorgt sie jetzt schon für Aussteuer, denn reiche Mädchen dürfen nicht lange warten auf einen Mann. | Der kleine Zeitungsartikel oder die Brieffragmente aus München über meine Wenigkeit hat mich sehr anuirt und klingt ganz nach Stackelberg. Wenn nun auch alles etwas übertrieben ist wie z. B. daß ich die Angelika Kaufmann weit in den Hintergrund schiebe, so macht das nichts. Die Leutchen waren gerade zu einer Zeit gekommen wo man viel über mich sprach wenigstens war man im Gesandtschaftshotell eben ganz enthusiastisch für mich eingenommen. Mir that es leid nichts in der Zeit ausgestellt zu haben dann hätten sie wol noch mehr zu sprechen gehabt. – Das größere Mädchen mit dem Brief (vgl. Farbabb. 12) ist das Profil im weißen Burneß. Das Profil ist ungleich schöner. Ihr Name ist Mathilde Soratroi601 Kaufmanns Tochter, ist hier bei Verwandten und Braut eines Kaufmanns. Die jüngere von beiden ist ein Soldatenkind, das ich auf der Straße aufgegabelt. Der Studienkopf im Schatten, offenen Haaren Hemdärmeln, und den Du nach Petersburg geschickt ist dasselbe Kind, nur ich glaube ein paar Jahre früher gemalt. 601 Mathilde Soratroi stammte aus Augsburg und wurde von Rugendas verpflichtet, wie alle ihre Modelle.

644 | Die Briefe Sie heißt Catti Nolde. – Die Mulattin ist hier so fremd daß in der Critik, die damals über meine Bilder in einer Zeitung heraus gekommen war, gesagt wurde. »Der Kopf der Mulattin scheint uns copirt«602 – Ich habe erst jetzt durch einen Zufall diesen Artikel gelesen. Neff der dumme Kerl ärgert mich, ich sehe schon die Leute stehen alle unter einer Decke, keiner | will dem andern vorgreifen. Du hast recht ich gehe nicht in die Mausefalle, und machen die Leutchen mir Schwierigkeiten so geht mein bischen Talent für Rußland ganz verloren. Sobald ich das Bild für den Kaiser fertig habe so gehe ich hinaus auf ’s Land zum Gesandten übergebe es ihm und kümmere mich nicht weiter darum, mögen sie kommen ein Mal mit ihrem Gelde vielleicht wenn es zu spät ist. Abends  : heute war ich vor 8 Uhr zu Ledebours und erfuhr daß es etwas besser mit dem Patienten ginge. Als der Kranke hört daß ich da sey verlangt er mich zu sehen. Ich gehe also zu dem Guten aber welches Gefühl überkam mich, elend wie ich noch keinen Menschen gesehen, verstellt daß ich ihn nicht erkannt, hätte ich nicht gewußt wer es sey. Einen ganzen Satz konnte er nie zu Ende bringen er vermochte keinen Gedanken fest zu halten, die Kiefer wurden krampfhaft zu sammen gezogen so bald er zu sprechen begann. Er fragte mich wohin dem Blum zu schreiben sey, natürlich antwortete ich »nach Dorpat guter Staatsrath« – Das schien ihn sehr zu beruhigen. Denn er antwortete  : »so, so, ich werde ihm auf seinen freundlichen Brief antworten«, dann kamen wieder einige lateinische Sätze kurz der alte gute Mann ist sehr übel daran und es wird ein Wunder sein wenn er durch kommt. Ich vergesse | den Eindruck gewiß nicht so leicht, mir hat es den heutigen Tag viele Thränen gebracht. Es ist aber auch nicht leicht ein Mensch auf der Welt den ich so achte und verehre wie den alten Ledebour. Ich habe ihn durch Julie Dreuttel mehr kennen gelernt als es sonst wol der Fall gewesen wäre. Wol fühle ich daß ich dieses Kapittel fallen lassen muß um nicht in heißen Thränen auszubrechen denn an Blum will ich ja doch auch noch schreiben. Die Tante hat übrigens noch immer nicht geschrieben das ist recht fatal. – Die Photographie der beiden Mädchen welche ich wol mit bei lege ist nur denn ganz gut wenn man es gegen das Licht hält  ! Sollte es nicht gehen das Blatt auf eine Glastafel zu kleben und in ein kleines dunkeles Rämchen zu thun um es als Lichtbild zu brauchen  ? Das Armband ist nicht mein, ich borgte es aus einem Goldladen, meines von Tann ist nicht zu malen, hat keine Steine sondern ist ganz von Gold und gegliedert, ist aber so breit wie das gemalte Armband. – Über Rugendas kann ich im Ganzen wenig sagen als daß er an Deinem Urwald malt und ich hoffe bald fertig ist mit dem selben. Er läßt schön grüßen und freut sich herzlich über Deine Freude, er war ordentlich gerührt wie ich’s ihm erzählte. All meine Zeit außer dem Attelier benutze ich theils für die italienische Sprache, 602 Vgl. Bayerische Landbötin vom 2.4.1851, S. 313.

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t­ heils aber auch zum Nähen, ich bin jetzt daran mir eine Menge Kragen zu machen. | Es fällt mir jetzt im Augenblick nichts ein also gute Nacht  ! Sonntag d  : 15. Es regnet Gottes jämmerlich und ich muß ins Attelier um Besuche zu empfangen. Heute früh las Onkel in der Allgemeinen Zeitung von der Brühningk daß man bei ihr Hausuntersuchungen gehalten habe. Die Frau sollte sich doch recht sehr in acht nehmen sonst könnte es ihr in Deutschland bald sehr unbehaglich werden und die Sehnsucht nach dem Norden wieder erwachen. Neulich war meiner Kleinen Vater hier um nach Hannover zu reisen und die Tochter zu holen. Der sagte mir ich habe ein neues Lustspiel geschrieben und mich als Hauptcharakter gezeichnet nur einen Fehler begangen indem er mich »das Fräulein aus Refall«603 statt aus Dorpat nennt. Er war im Wahn ich sei aus Refall. Ich habe mich nicht wenig gewundert daß ich einem Dichter zu etwas dienen könnte. —— Die Photographie kann ich kaum senden da es zu groß ist. Lebt wohl und vergnügt und denkt mit alter Liebe Eurer Tochter Julie An alle Gruß und Kuß  ! Zu Mittag  : Tante schreibt doch noch, eine solche Verzögerung ärgert mich so oft es vor kommt. Der alte Ledebour fantasirt noch immer und ist außerordentlich schwach das Auge gebrochen. Wenn er nur das mal noch mit dem Leben davon kommt  ! Lebt wohl  ! Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 27.6.1851 München d  : 27 Juni 71. Meine lieben theuren Aeltern  ! Bald sind es 14 Tage als ich meinen letzten Brief an Euch auf die Post gab. Ich hatte wol Manches zu schreiben aber die Unruhe um den guten Ledebour hat mir jede Freude an anderen Dingen verscheucht und so auch fand ich keine Lust Briefe zu schreiben, und sonderbar des abends kann ich selten nur aufbleiben, was früher zu meinen Hauptliebhabereien gehörte  ; ich bin ein arger fataler Schlafsack geworden. Mein armer alter Freund ist sehr übel daran. Drei Fieber sind zusammen getreten das Nerven- Wechsel- und Gastrische Fieber. Die Ärzte haben ihn aufgegeben und heute ist der critische Tag nämlich der 21te. Ich gehe mit mehrer Angst hin. Zu Anfange der vorigen Woche kommt eines nachmittags der Onkel in Begleitung eines jungen französischen Modejournalstutzer zu mir 603 Karl Philipp Lattner, gen. Berger, Ludwig der Vierzehnte und sein Hof, oder Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, Lustspiel in 3 Akten, Landsberg, Warthe, 1853.

646 | Die Briefe ins Attelier, nach langer stummer Begrüßung, nach dem ich fast schon ungeduldig wurde kommt denn endlich der Name »Mannteuffel«604 heraus welcher mir sowol Deine, als seiner Mutter und Schwester Carte brachte. Der junge Mann war gestriegelt und gebügelt, so daß ich eine Art Scheu oder Befangenheit fühlte wie ihn unterhalten. Seine beiden Frauen waren unwohl in Heidelberg zurück geblieben und schickten mir den Jungen um ihm in drei Tagen alles zu zeigen. In ganz entsetzlicher Ortographie schreiben sie beide und baten um meine | Protection. Mich setzte es in nicht geringe Verlegenheit, ich ihn führen  ? nein, das geht nicht dachte ich mir, er soll sich nur einen Lohnbedienten annehmen. Doch als er mich verließ sagte ich ihm er möge den andern Tag morgens um 9 Uhr zu mir kommen ich wolle meine Kataloge aufsuchen und ihn vielleicht in die Pinakothek führen. Die Uhr wird 9 die wird auch 11, mein Herr Graf kommt nicht und draußen regnete es wie mit Spännen gegoßen. Endlich höre ich einen Wagen anfahren, bald auch heftig an meine Thüre klopfen, ich mache auf und der schmutzige Fuhrmann steht draußen und sagt  : »ein junger Herr ist im Wagen und bittet sie mögen ein wenig heraus kommen.« Mir stieg vor Zorn das Blut in den Kopf und sagte also dem Menschen  : »Fragen Sie ihren Herrn zu wem er will, falls er Fräulein Hagen zu sprechen wünscht so soll er herein kommen.« – Nicht lang so vernehm ich ein leichtes elegantes Hüpfen über die wenigen Stuffen und der Herr Graf stand vor mir mit der Frage ob ich mit fahren wolle. Nein antwortete ich kurz und noch roth vor Ärger – gab ihm meine Kataloge und entließ ihn mit dem Versprechen für mich dem dummen Jungen keinen Schritt zu gefallen zu thun. So ein livländischer Graf ist doch von einer Arrogans begabt die seines Gleichen sucht. | Am Abend erzählte ich meinen Verdruß zu hause und während ich davon spreche wird geschellt. Mein eleganter Herr Graf kommt sehr höflich und bringt mir meine Bücher zurück, Wol fühlte ich’s ihm an daß er seine Ungezogenheit, welche absichtlich oder unabsichtlich geschehen – bereute und bot durch vieles Erzählen mir die Hand der Versöhnung. Um 11 Uhr ging er erst fort, es war mir peinlich für die Verwandten. Die Tante übrigens, die sich gar nicht zeigte ging wie wir es gewohnt sind um 9 Uhr schon ins Bett. Auf diese Weise war er denn 5 Tage in München ohne daß ich ihn irgend wo begleitet hätte, nur die Leuchtenbergische Gallerie sah er durch Onkels Vermittlung da sie seit dem Tode der Herzogin nicht auf ist.605 Er kam übrigens täglich zu mir und zuletzt that er 604 Ein Mitglied der livländischen Adelsfamilie Zoege von Manteuffel. 605 Hier ist die kürzlich verstorbene Herzogin von Leuchtenberg und Tochter Maximilians I. von Bayern, Auguste Amalia Ludovika von Bayern (1788–1851), gemeint. Den Titel erlangte ihr Ehemann Eugène de Beauharnais (1781–1824), der Stief- und Adoptivsohn Napoleons I., als Schwiegersohn Maximilians I.

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mir leid da er verlassen und allein sich in München fühlte. Er schien zu mir zu kommen um doch ein vernünftig Wort zu sprechen. Seiner Schwester schrieb ich einige Zeilen und war froh als er fort war. Welcher Unterschied zwischen dem Grafen Mannteuffel und dem kleinen Blum  ! Tante und Onkel machten auch diese Bemerkung. In der Zeit waren auch noch Moskowiter bei mir, zwei Familien, welche aus Italien kamen und noch immer ihre Nasen ganz auf die Bilder setzten um zu untersuchen ob es auch fein gemalt sey – Einige Tage später besuchte mich der Baron Fegesack Atasche bei der russischen Gesandtschaft. Mir ein höchst unangenehmer stolzer Mann. Vielleicht irre ich mich. | Er schien im Auftrage des Gesandten zu kommen aber that als müßte ich ihm die Hand küssen. Er wollte nämlich Notizen haben um nach Petersburg zu schreiben, meines Passes wegen. – Damals dachte ich mir, lieber mit dem Gesandten zu thun haben als mit seinem Diener und ebenso lieber mit dem Kaiser als mit seinem Minister. So daß war also alles in der vorigen Woche geschehen. Als ich gestern ins Attelier komme sagt mir die Hausfrau daß vorgestern Abend, nachdem ich meine Arbeit verlassen ein General, Landsmann da gewesen sey, welcher etwas von mir sehen müße ich solle also nicht ausgehen er würde als gestern kommen. Niemand anders als General Kiel der gefürchtete Mann ist wieder hier. Ich bereitete mich also vor was ich ihm alles sagen wolle im Fall er gegen meine römische Reise ist. Ich hatte mir nämlich vorgenommen die Fragen an ihn zu stellen ob ich wol den Kaiser um Erlaubniß fragen müße wenn ich dem Wunsche meiner hiesigen Verwandten, die mich bisher wie ein eigenes Kind behandelt und studiren haben lassen folge und bairische Unterthanin werde oder mich verheirathe – ich hatte die Absicht ihn damit zu schrecken  ; doch das war ganz und gar nicht nöthig. Kiel kam in einer fast aufgeregten Stimmung zu mir, es ist viel daß er mich nicht umarmte. | Seine Worte  : »Ich habe schon so viel gehört von Ihren Arbeiten, von Ihren Fortschritten wo ich mich sehen lasse werde ich gefragt ob ich schon was sah von Ihnen. Noch eben sprach ich Peter Hess welcher ein großer Verehrer Ihrer Bilder ist und Sie müssen wissen daß es ein Mann ist welcher mit seinem Lob sparsam ist etc. etc.« –– Ihr könnt leicht denken wie der Herr General nach diesen Äußerungen meine Bilder ansah und sie vortrefflich hieß, meine Kühnheit konnte er nicht genug loben und ist durch aus damit ein verstanden daß ich nach Rom gehe da ich in Belgien und Deutschland keinen Lehrer mehr finde, kurz nachdem er eine ganze Stunde bewundert ging er, versprach mir seine russische melitar. Uniform zu schicken und nach Petersburg zu schreiben. Sprach davon daß der Gesandte sich außerordentlich für mich interessiert und Vegesack ihm einen Aufsatz gezeigt der für mich nach Petersburg abgehen soll. Kiel versicherte es könne nicht fehlen wenn ich das Bild, die barmherzigen Schwestern (vgl. Abb. 21) nach Petersburg an den Kaiser sende und er dazu schreibt.

648 | Die Briefe Einige Tage später d  : 30. Kiel ist mit einigen Freunden bei mir gewesen um denen meine Bilder zu zeigen machte dabei einen solchen Lärmen daß ich mich fast schämte, sein Lob war wirklich übertrieben doch das schadet nichts wenn er mir nur ein Stipendium heraus reißt. –– | Außer diesen sehr günstigen Ereignißen habe ich täglich Porträtaufträge zurück zu weisen, oft des Tags zwei – So z. B. vorgestern die Herzogin v. Leuchtenberg606 d. h. Copie, nach mehreren Bildern zusammen zu stoppeln. – Noch habe ich nur zwei Monate vor mir und so viel Arbeit noch nicht gemacht ich weiß nicht wie ich fertig werden soll. Es muß eben gehen  ! Ihr müßt mir verzeihen wenn ich so wenig schreibe an Euch, nur immer das Erlebte und dasselbe so kurz und mangelhaft daß ich die Briefe nicht lesen möchte. Indessen ich nehme mir vor Morgen Abend auf zu bleiben und etwas mehr zu schreiben. d  : 4 Juli 51. Wollte ich neulich am Abend schreiben  ? Ja wohl ich nahm mir’s vor und bin eben doch nicht dazu gekommen, eine gänzliche Verstimmung machte mich unfähig zu jeder Beschäftigung die eine gewisse ruhige Überlegung verlangen. Ich muß mal wieder einen ganzen Tag finden um ordentlich alles Aufgesparte mit Euch zu besprechen, aber wann werde ich den Tag finden, jede wede Stunde ist mir an der Staffelei nöthig zu verbringen. In der letzten Woche bin ich sehr fleißig gewesen habe meine junge Italienerin nochmals gemalt da sie jetzt hier ist auf Besuch bei ihren Aeltern,607 natürlich fehlt noch viel in dem Bilde außerdem malte ich meine Griechin ganz fertig und die Fürstin Wrede. – Manches Mal werde ich gestört was unangenehm ist gerade jetzt. Fremde besuchen mein Attelier als gehörte dasselbe zu den | Sehenswürdigkeiten von München. Aus Riga, aus Venedig, Paris in den letzten Tagen, auch Kiel war zum dritten Mal bei mir, ist entzückt und verspricht mir alles Mögliche etc. Von meinem guten alten Ledebour habe ich gar nicht gesprochen obgleich ich täglich gleich nach 7 Uhr hingehe, es geht wunderbarer Weise besser obgleich die Gefahr noch nicht vorbei ist. d  : 8 Juli 51. Heute ist der Geburtstag der alten guten Ledebour und gestern brachte man ihn zur Ruh auf ewig es war ein schwerer Tag  ! Verzeiht mir daß ich so lange nicht an Euch geschrieben und der Brief auch abgeschickt worden. Als ich die letzten oben stehenden Worte über das Bessergehen des alten Freundes nieder geschrieben ging ich mit Zuversicht im stärksten Regen hinaus um nach dem Kranken zu sehen und was muss ich hören  ? Daß es die Nacht plötzlich umgeschlagen sey und er nun rettungslos verloren ist. Ich war wie vom Donner geschlagen und versuchte zu arbeiten. Gegen 12 Uhr wurde ich von den Frauen 606 Vgl. Anm. 605. Nicht gemeint ist hier die Herzogin von Leuchtenberg, geb. Maria Nikolajewna Romanowa, die Julie Hagen kurze Zeit später kennenlernte. 607 Die junge Maria Diß, verheiratete Lugo, lebte zu dieser Zeit in Trient.

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des Gesandten besucht mit der dringensten Bitte die verheirathete Nichte zu malen  ; es half nichts ich mußte es versprechen d. h. jetzt anfangen und nach 6 Wochen fort fahren da sie alle zur Hochzeit der Cousine reisen.608 Nachdem die fort waren eilte ich zu Ledebour und fand alles in wahrer Verzweiflung wartend auf den Tod. Mein Bleiben war nicht da und als ich zum dritten Mal gegen 5 Uhr hinaus kam sagte die Magd mir »gehen Sie nur rasch er stirbt | eben« – und so war es als ich an sein Bett trat löschte er aus. Erlaßt mir den Jammer zu beschreiben den alle Anwesenden hatten, es war furchtbar, Ich kam nach hause ganz verschwollen ich habe den Mann unendlich achten gelernt und ihn hoch verehrt. Die arme Julie Dreuttel hat mehr als einen Vater verloren, wenn doch die Alte halb so liebenswürdig wäre  ! – Als ich also heim kam, fand ich Deinen großen Brief vor, den ich kaum durch lesen konnte so weh thaten mir die Augen. Ich danke Dir tausend Mal für die lieben kleinen Zeichnungen sie haben mir große Freude gemacht. Hab ich doch jetzt einen Theil meiner kleinen Heimath hier, vielleicht hat ein ahnungsvolles Gefühl Dich aufgefordert mir diese Freude zu machen, vielleicht ist mir’s nicht vergönnt sie a natura je wieder zu schauen. So wie ich die Bildchen sah durchfuhr ein Gefühl mein Inneres das mir etwas Ähnliches andeutete. Ahnungen Sympathien u. s. w. giebt es das ist gewiß. Ein Zufall, am Freitag, Todestag des alten Freundes hat mich doch – so sehr ich’s auch als Zufall gelten lassen will – sehr zusammen geschreckt. Nämlich er starb 5 Minuten vor 5 Uhr und als ich abends mich auskleide um zu Bette zu gehen lege ich meine Uhr ab und auf meinen Schreibtisch, ich sehe sie an und sie kommt mir so wunderlich vor, sehe ernstlich prüfender hin und finde daß sie stehen geblieben und sonderbarer Weise auf 5 Minuten vor 5 Uhr. Die Nacht war mir fürchterlich, ich konnte garnicht schlafen immer horchte | ich ob ich ihn nicht kommen oder athmen höre. – Zwei Tage vor seinem Tode durfte ich ihn noch sehen und da bat er mich in seinem Namen dem Staatsrath Blum zu schreiben, ihm zu danken für seinen freundlichen Brief und ihn zu bitten daß er ihm nicht böse werde seines Schweigens wegen indessen möge er überzeugt sein daß sein erstes Geschäft sein wird sobald er das Bett verlassen darf ihm zu antworten. Alles was er mir damals sagte war mit einer solchen Sicherheit und Festigkeit daß ich staunte. Sein Portrait, Lithographie hat er ausdrücklich gewünscht mir zu geben, das war ihm während der Krankheit eingefallen. Ich denke aber an Eure Briefe zu gehen und später, wenn mir noch Zeit bleibt von L. zu sprechen. Du gute Mutter wars{t} 608 Bei der zu Porträtierenden handelt es sich wahrscheinlich um Pauline von Wimpffen, die im Februar 1850 geheiratet hatte. Die sich jetzt verheiratende Nichte Severins war Olga von Moltke, die Hochzeit mit Anton Graf Chotek von Chotkow fand auf Schloss Ortenberg statt. Olgas Vater Paul Friedrich von Moltkes, Paulines Mutter Elisabeth von Wimpffen und Sophia von Severin waren Geschwister. Vgl. Anm. 575 und 595.

650 | Die Briefe und bist am Ende noch unwohl, das ängstigt mich sehr. Worin dieses Unwohlsein eigentlich bestand habt Ihr mir nicht mitgetheilt, bitte unterlaßt doch das nie ich erwarte mit einiger Bangigkeit schon jetzt den nächsten Brief von Euch. Ich will der Reihe nach Deinen Brief beantworten. Du meinst eine dunklere Wolkenmaße hätte dem Bilde der beiden Mädchen in der Wirkung gut gethan. Du irrst, Anfangs war es so, der Kopf ging hell vom Grunde los während er sich jetzt dunkel ablößt und da war es mir nicht möglich sie hervor treten zu machen also stimmte ich die Luft um und jetzt erst standen sie frei da. Dieser Grund ist der dritte oder vierte. Du kannst mir glauben daß ich mich plagte bis | ich das Ding in Stimmung brachte. Wo die Mulattin her ist  ? aus Neuburg, ein kleiner Ort nicht weit von München entfernt ist sie gebürtig, also keine Brasilianerin. Ihr Großvater war ein Neger der dem königlichen Hofe angehörte. Die Mutter ist mehr noch Mulattin hat auch noch die Negerfigur in der Form und Haare. Diese d. h. mein Bild also ist eigentlich, wie Rugendas sagt, Mestitze. – Wie oft ist hier dieselbe Frage an mich gethan worden und oft setzte es mich in eine nicht geringe Verlegenheit zu sagen »Es ist ein Münchner Kind«  –– Hat denn Meyners sich mit seiner Frau ausgesöhnt daß er mit ihr herum reißt. Damals als er von Dresden zurück nach Livland ging erzählte man sich wunderliche Geschichten daß er mit einer ganz verächtlichen Person reise etc. – Sein Wunsch von mir gemalt zu werden ist höchst drollig aber mir ganz lieb. Ich habe alle Gestalten der Unterwelt der Reihe nach gemustert und gefunden daß keine einzige so häßlich ist wie dieser Ritter Meyners.609 Da heißt es viel zugeben, es ist nur gut daß er selbst fühlt daß ich idealisiren muß. Dieser dumme Neff. Sage ihm nichts von meinen hiesigen Freunden wie z. B. Kiel’s Interesse etc. es könnte doch sein daß er Boßheit genug besitzt und mir absichtlich schaden will. Es ist doch zu dumm daß er von Vorurtheilen sich immer noch nicht befreit fühlt nachdem er meine Arbeiten weit | besser fand als er erwartete. Seine unverschämten Preise indessen erzählen mir mehr als all seine Worte. Hier nennt man ihn Scharlatan, selbst Kiel auf dessen Urtheil ich indessen wenig gebe sprach von ihm wegwerfend. Kiel hat mir selbst seine Uniform gebracht also ist in 8 Tagen 3 Mal bei mir gewesen. Jetzt ist er wieder abgereist, wol an irgendeinen Spieltisch, vielleicht nach Homburg. Weshalb zeigst Du die Bilder den Leuten nicht die da kommen und sie sehen wollen  ? ich wundere mich drüber. Sehr freut es mich daß Carl sein Examen so gut gemacht, 609 Das Baltische Biografische Lexikon enthält zu der alteingesessenen livländischen Familie von Meiners keinen Eintrag. Möglicherweise ist hier Friedrich Johann von Meiners (1796–1869) gemeint, der in Dorpat studiert hatte und als Gutsbesitzer in Laudon (heute Laudona im Osten Lettlands) lebte (vgl. Hermann Beyer-Thoma (Hrsg.), Bayern und Osteuropa aus der Geschichte der Beziehungen Bayerns, Frankens und Schwabens mit Rußland, der Ukraine und Weißrußland, Wiesbaden 2000, S. 302).

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ich bin sehr neugirig was er thut ob er Chemie studirt oder nicht. Wenn er nur Mittel hätte dann wäre es schon gut aber so ganz ohne einen Pfennig ist es doch ein gar schweres Ding. Grüßt ihn recht herzlich von mir. Wann ich München zu verlassen gedenke  ? Hoffentlich anfangs September. Das Gesandtschaftsportrait ist mir freilich in die Quere gekommen allein ich werde jetzt arbeiten daß mir der Kopf rauchen soll, immer an zwei Bildern zu gleicher Zeit, so wie mein Modell mich verläßt nehme ich eine andere Arbeit vor. Ich will es noch zwingen  ! Du hast mir das Geld durch einen Wechsel senden wollen, es ist mir so leid daß es nicht Euer bleiben darf, | ich weiß nicht bei wem ich mir darüber am besten Rath hole, Später davon – Es ist mir leid daß ich das Blumenstück nicht haben kann. Die Mulattin ist keine Copie nach dem Bilde der Tante sondern ein zweites Original mit einigen Verbesserungen und Veränderungen. Das Bild hier ist auch kleiner. – Emil Devrient ist hier und gastirt, ich sah ihn im Hamlet und habe mir selbst das Versprechen gegeben nicht wieder ins Theater hier zu gehen um mir den Eindruck, den ich durch diesen großen Schauspieler hatte nicht zu verderben. Das Schauspiel ist wirklich ganz erbärmlich hier. Tante und Onkel sind heute im Don Carlos, ich beneide sie fast darum. Onkel ist bisweilen unwohl scheint an der Leber oder Magen überhaupt zu leiden.  – Was die Tante Dir neulich geschrieben davon habe ich keine Idee auch nicht ob Ihnen Dein Brief Freude gemacht oder nicht.  – Sprich um Gottes Willen nie ein Wort von Erbschaft etc. Das könnten sie furchtbar übel nehmen, denn sie sind so geheimnisvoll mit dem was sie haben, daß es ins Fabelhafte geht. In einem Deiner früheren Briefe fand ich die Frage  : »wer wird | ihr Erbe sein« – etc. –– Also bitte mache nie eine Anspielung darauf hin. – Den beiden Schwestern herzlichen Dank für ihre Berichte. Emma Rieckhoff meine Gratulation wie heißt denn das kleine Töchterchen  ? Das gute Hannchen hat mich recht gerührt durch ihren Brief. Ich werde ihr nächstens selbst schreiben, grüßt sie bis dahin herzlich. Das arme Ding  ! Sie dauert mich doch recht. Hartmann Sivers, Fanny Marga meine Grüße, Rosalie nicht zu vergessen ebenso Minna Struve. – Künftigen Sonntag stelle ich meine Feuerbeleuchtung in Augsburg aus,610 ich denk es soll Wirkung machen. In Farbe ist es vielleicht das Beste was ich machte. 610 Das Augsburger Tagblatt (Nr. 190, 13.7.1851, S. 1057) nennt unter den ausgestellten Werken »Eine Dame an dem Schmuckkasten beschäftigt, von Julie Hagen« in der Ausstellung des Kunstvereins mit dem Zusatz  : »Das unterzeichnete Conservatorium des hiesigen Kunstvereins glaubt die hochverehrlichen Mitglieder desselben aufmerksam machen zu dürfen auf das nur kurze Zeit ausgestellte Bild der Fräulein Julie Hagen. C. Glocker, Conservator«. Der Sohn Carl Glockers, Christian Glocker, schrieb sich 1856 an der Münchner Akademie in der Antikenklasse ein, der Vater ist dort als »Galleriediener« aufgeführt, hat aber wohl auch selbst gemalt, vgl. http://matrikel.adbk.de/matrikel/mb_1841-1884/jahr_1856/matrikel-01343 (aufgerufen

652 | Die Briefe Auch hier möchte ich’s ausstellen doch ist das Modell zu sehr bekannt, was mich eigentlich etwas genirt. Neulich haben wieder Personen beim Anblick meines Bettelkindes furchtbar geweint. Es ist spät geworden und ich denke zu schließen mit den herzlichsten Grüßen und Umarmungen. Lebt herzlich wohl. Grüßt Blum wenn er noch in Dorpat ist, wüßte ich das gewiß so würde ich selbst an ihn schreiben da es des Freundes letzter Wunsch war. – Mit Liebe bin ich stets Eure Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 11.7.1851 München d  : 11/7.51 Meine theuren Aeltern  ! Als ich meinen Brief auf die Post gebracht hatte bringt mir Freund Rugendas diese Zeilen mit der Bitte sie mit an zu schließen, leider war es zu spät und da ich eben mehrere Briefe zu schreiben habe so will ich Euch alle herzlich grüßen da ich glaube es macht Euch doch Freude selbst wenn ich auch gar nichts Wesentliches zu sagen habe. – Heute erwarteten wir Schnee, so eiskalt ist es, das Wetter ist mehr wie es die Herbstzeit bringt als das Frühjahr und Hochsommer. Die Fenster sind beschlagen. Morgen ziehe ich vielleicht ein Winterkleid an, ist das nicht erbärmlich  ? Der furchtbare Sturm dabei macht die Leute glauben es naht uns ein Erdbeben. Die armen Rosen, die armen Vögel welche eben erst aus den Eiern und den Nestern gebrochen sind müßen verderben. – Die Bienen schwärmen auch nicht, kurz es ist traurig in diesem Jahre. Weniger denke ich an mich, wenn es so pladert und stürmt und kalt thut denn ich brauche wenig um in meinem Attelier glücklich zu sein  ; aber ich denke an Euch die Ihr so kurz nur Sommer habt und einen so harten langen Winter. Heute meine lieben theuren Aeltern habe ich endlich an meinem großen Bilde für den Kaiser begonnen zu arbeiten, jetzt soll es aber auch gehen in drei Wochen spätenstens muß ich damit durch sein sonst werde ich nicht fertig. | Madam Diss611 habe ich auch begonnen und der Herr Diss wartet mit Schmerzen darauf daß ich ihn folgen lasse. – Onkel hat sich heute am Nachtisch zu Bette gelegt er ist selten ganz wohl ich weiß seine Krankheit nicht zu nennen im Bauch ist’s ihm halt nicht gut. Am Dienstag war ich mit Ledebour’s auf den Kirchhof gefahren da des alten seligen Freundes Geburtstag war. Wir schmückten sein Grab mit Kränzen und am 16.8.2018). Die Personalie »Conservator« des Kunstvereins Augsburg ist nicht schlüssig zu klären. Möglich sind 1851 sowohl Glocker als auch Eigner und Gaisser in dieser Funktion (vgl. Anm. 599). 611 Gattin des Philipp Diß war Friederika Diß, geb. Schneider (1813–1891).

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weinten eine stille Thräne. Die arme arme Julie  ! wie dauert mich das gute Mädchen sie leidet furchtbar in ihrem Kummer. Montag soll ich zur Fürstin Wrede zum Thee ich weiß noch nicht ob ich hin gehe, obgleich ich’s gerne thäte, ich fühle eine große Sympathie für sie und wie es scheint sie für mich. Was malt Alexander  ? und was macht Fritz  ? Johannchen und alle übrigen Geschwister wie geht es ihnen  ? Wilhelm hat wol gar nicht geschrieben  ?  – Dem guten Hartmann und den guten Wachters schreibe ich aus Rom, hier habe ich gar keine Zeit mehr, habe mehr als zu viel Briefe noch zu schreiben. Lebt wohl und schreibt bald und Alle an mich. Die Verwandten grüßen herzlich. Das Briefchen dem lieben Hannchen nebst Gruß. Lebt herzlich wohl das wünscht Euch Eure Julie Moritz Rugendas an August Matthias Hagen aus München, 10.7.1851 München. July 10. 1851. Geehrter Herr und Freund. Mit großem Vergnügen erfüllte mich wieder Ihre angenehme Zuschrift, in welcher Sie Ihre Zufriedenheit mit den lezten eingesandten Arbeiten Ihrer lieben Tochter aussprechen – Es macht mir dabey herzliche Freude bestätigt zu sehen – daß Sie die Richtung und Auffassungsweise beloben  – zu welcher sie  – unter meiner Leitung überging und welche sie so standhaft u glücklich verfolgt – ungeachtet des anfänglichen Widerspruches der hiesigen Portraitisten u ihrer Schule, welche nun – Ihrer Tochter weise – nachahmen oder sich in ihr versuchen. Sie dürften von den spätern u schon der nächsten Sendung noch befriedigter werden. Ein Bild besonders, schon über ein Jahr angefangen – (das erste eigentlich unter meiner Direction aber an dem Fräulein Julie durch wunderliche – Skrupel Hrn Bernhards die Lust verleidet worden –) jetzt endlich vollendet – gehört nicht allein zu dem besten was Fräulein Julie gemalt  – sondern auch zu den glücklichsten Kunstleistungen überhaupt. Ich spreche von dem Bilde – daß Ihnen annoncirt war – als »Ein junges Weib – vor einem Kaminfeuer waschend« – nun in eine im sich putzen begriffene – verwandelt wurde. | Die Schatten Seite Feuer Reflexe zeigend – besonders über Schultern u Brust – ist zum Erstaunen schön gemalt – die Arme trefflich u es ist nur eine Stimme von allen Künstlern u Kunstverständigen, die es gesehen – daß es majestätisch gelungen. Die kleine Bettlerin ist als Ausdruck reizend schön. Es ist bey diesen Arbeiten (– besonders bey dem ersteren) zu bedenken – daß kein bestimmter Gedanke beym beginnen der Arbeit vorlag  – nicht eben in der Natur Beobachtetes  – sondern nur eine schon in Gegenwart der Modelle ausgebildete Aufgabe – wodurch denn das Abrücken des Gedankens  – durch den Raum der Leinwand auf der man schon

654 | Die Briefe begonnen verhindert oder erschwert ist  – Später  – wenn Fräulein Julie  – mit gesteigerter Sicherheit u  – eines Motives  – eines bestimmten Gedankens sich bewußt – an die Arbeit geht – wird sie auch in diesem Bezuge – ihren Bildern mehr Bedeutung geben. Ihre Anmerkung  – bey dem Portrait des jungen Hrn. Blum  – ist wohl gegründet. Ihre Tochter erreicht die größtmögliche – u. geistreichste Ähnlichkeit in ihren Portraiten – u zwar immer schon in den ersten Momenten der Anlage. Es kann ihr schon darum nie an Bewunderern | und Bestellern fehlen, u an einem reichlichen Auskommen. Doch glaube ich – verdiente ihr Talent ein schöneres Loos  – als alle die flachen unbedeutenden Gesichter  – in Fracks u Spitzenhauben – wieder zu geben – ein Volk daß sich verewigt wünscht, ohne jemand interessieren zu können – als die ebenso abgeschmackte Familie. Es ist eine harte Arbeit – den Launen der Personen – ihrer Eitelkeit zu genügen – u. ein gelungen fleißig Portrait – ein gut gemaltes zu liefern ohne daß man die Sitzungen einhalten oder sich in denselben benimmt – wie ungezogene Kinder. – Alle Freud an der Arbeit geht über solche Arbeit verlohren – , daher die vielen Portraits – welche unbefriedigt lassen – u. die vielen Portraitkünstler – welche immer u immer schlechter in ihren Arbeiten werden – weil eben auf diesem Wege – nichts gutes geleistet werden kann – als ein fleißig Salonportrait a la Winterhalter –.  – Der wahre Künstlerberuf – soll ein höherer seyn – die Heiterkeit der Seele geht über solchen regelmäßig alltäglichen Portrait Arbeiten verlohren. Es mag bestehen neben dem andern Streben – nur Hauptsache soll es nicht werden. Ihre Tochter kann u wird Gemälde liefern – welche sich an die besten Arbeiten der tüchtigsten Zeitgenossen | wohl auch noch an gerühmte Arbeiten der würdigsten Alten anreihen u in Gallerien der Nachwelt aufbewahrt zu werden verdienen  – Wie Gerard612  – Scheffer  – de la Roche613 pp Portrait u Historie vereinten – so mag Ihre Tochter – wie Schnetz in seinem Bilde – Papst Sixtus als Hirtenknabe – im großen Genre arbeiten.614 Beide Bestrebungen können ne612 Der französische Historien- und Porträtmaler François Gérard (1770–1837) zählt heute zu den größten Porträtisten des französischen Klassizismus. 613 Paul Delaroche (1797–1856) gehörte zu den gefeierten Historienmalern seiner Zeit, er war zwischenzeitlich vergessen und erlebt aktuell eine Neubewertung. 614 Jean Victor Schnetz (1787–1870) war als Genre-, Historien- und Porträtmaler tätig und galt als Vertreter eines neuen Kolorismus. Das erwähnte Gemälde Sixtus V. als Hirtenknabe stellt die legendenhafte Begegnung des kleinen Felice Peretti mit einer Zigeunerin, die ihm das spätere Papstamt weissagte, dar. Das Werk war im Auftrag Athanasius Raczyńskis entstanden und gelangte schon 1830 in seine Sammlung, es befindet sich heute im Nationalmuseum Poznań (entstanden 1830, bez. u. r.: »V.or Schnetz/Rome 1830«, Öl auf Leinwand, 155 × 124 cm, Inv.-Nr. Mo 1289). Das Werk ist abgebildet in  : Sammlung Graf Raczyński. Malerei der Spätromantik aus dem Museum Poznań, hrsg. von Konstanty Kalinowsky, Christioph Heilmann, Ausst.-Kat.

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beneinander bestehen. – In Italien erst wo es noch ein Volk giebt, daß in jeder Beschäftigung – sich plastisch schön zeigt – wird sie ihres Berufs sich erst recht bewußt werden.  – Ohne Riedels Farbenpoesien zu folgen  – wird sie in ihrer Weise so viel herüber nehmen – daß ich auf große Erfolge zähle. – Wie sie hier von allen Kunstfreunden u Künstlern als Künstler (nicht Künstlerinn heißt man sie) geachtet und anerkannt wird – so wird es auch in der römischen Kunstwelt der Fall seyn  – in Rom  – wohin ich sie  – ungeachtet ich  – meinen guten Cameraden Julie – stark vermißen werde – bald mit Freuden gehen sehe. – – Ich arbeite gegenwärtig an den Bildern für Sie  – mein werther Herr  – es geht mir langsam – der Urwald wollte nur zu zahm werden – doch sah ich allmalig Chaos genug. – Ich hoffe im nächsten Monat mit beiden Bildern Wald u Limennerinnen in Hängematten,615 fertig zu werden. Das Blatt zu Ende empfehle ich mich Ihnen – Ihrer Gattin und Familie bestens Ihr Mor. Rugendas Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 19.7.1851 München d. 19 Juli 51. Meine theuren Aeltern  ! Die Woche ist zu Ende, die Augen thun mir weh und dennoch muß ich schreiben um mich zu beruhigen da mich der Gedanke quält daß ich fast nie mehr zum Schreiben komme selbst des Sonntag’s nicht mehr. Morgen den ganzen Tag habe ich Sitzung vom Herrn Diss. Ich sehe schon ich muß die Nächte allmählich zur Hilfe nehmen wenn ich mit den Briefen und dem übrigen Sachen die zu ordnen sind zu rechte kommen soll. Besuche mache ich fast gar keine mehr um so mehr finden sich Leute bei mir. zum Beispiel gestern am Vortisch kam der Dichter August Lewaldt616 und ging entzückt fort und brachte mir heute Früh seine Frau, es ist ein kleiner sehr gescheit aussehender Mann, seine Augen haben ein angenehmes Feuer, das den höheren Geist verräth. Er hat sich verliebt in mein Bettelkind (vgl. Abb. 20), die Dichter scheinen besonders diesem Kinde den Vorzug zu geben, fragte wiederholt nach dem Preise, möchte es besitzen, etc. – Gestern Nachtisch nach dem meine Sitzung aufgehoben war und ich im (Bayerische Staatsgemäldesammlung – Neue Pinakothek München, Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie, Kunsthalle Kiel), München 1992, Kat.-Nr. 60. 615 Das heute als Siesta bekannte Werk von Moritz Rugendas ist ein peruanisches Motiv, die Frauen, die er darstellte, stammten aus Lima. 616 Der aus Königsberg gebürtige August Lewald (1792–1871) war als Schauspieler, Intendant, Schriftsteller und Publizist tätig. Als junger Mann war er für das zaristische Hauptquartier tätig gewesen. Er veröffentlichte seine Schriften auch unter mehreren Pseudonymen. Fanny Lewald (1811–1889) war die Tochter seines Vetters.

656 | Die Briefe Begriffe stand meine Paletten zu putzen wurde | geklopft, ich mache auf und ein Mann mit zweien Damen sahen mich freundlich an und sagen sie kämen aus Dorpat und ob ich sie nicht erkenne  : Der Herr Oberpastor Bienemann617 nebst Tochter und Fräulein Bergmann618 aus Riga waren es. Obgleich ich immer die Hoffnung hegte daß mich dieser Pietist mit seinem Besuche verschonen möchte so freute ich mich doch sehr ein Dorpater Gesicht zu erblicken und sein gealtertes Auge hatte auf mich einen nicht üblen Eindruck gemacht kurz ich bot meine ganze Liebenswürdigkeit auf diesem Besuche nicht das Recht zu geben mir einst in Dorpat durch ein ungünstiges Urtheil zu schaden. Nachdem sie nun meine Bilder gesehen und bewundert sprachen wir von verschiedenen Dingen und es kam so weit daß der Alte aufstand und mich umarmte und links und rechts herzlich und väterlich abküßte und was das Beste vom Liede war, er segnete mich feierlichst was mich ganz zerstreut machte, verwundert sah ich ihn an und indem ich mich abmühte aus meinen Lachfalten heraus in eine ernste Stimmung zu gerathen | wurde ich so purpurroth daß ich auf diese Weise ein sehr gerührtes Ansehen bekam. d  : 22. Juli. Es ist eben 9 Uhr, die Stunde welche uns ins Bett gehen läßt, aber ehe ich dasselbe suche will ich Euch noch sagen daß Bienemann mit seiner Tochter Sonntag Vortisch nach der Kirche bei mir war und wirklich recht liebenswürdig. Einige Worte von ihm machten mich herzlich weinen. Er sagte nämlich nachdem er alle meine Bilder wieder einzeln gesehen hatte  : »jetzt begreife ich erst recht das Glück Ihrer Aeltern und ich gäbe was darum, hätte ich eine so begabte Tochter etc.« –– in dieser Weise sprach er herzlich und theilnehmend. Heute nun kamen die beiden jungen Mädchen allein und ich begleitete sie denn ins Gasthaus um nochmals vom Alten abschied zu nehmen, er trug mir Grüße an Euch auf und seine Tochter an Mieze und Marie. Wenn Ihr vielleicht seine Frau sehen solltet, so sagt Ihr doch, daß Mann und Tochter wohl und munter hier angekommen und über Tegernsee nach Insbruck gehen d. h. schon morgen. Die Tochter scheint ein gutes Kind zu sein, weniger gut gefiel mir die Bergmann aus Riga. |

617 Friedrich Gustav Bienemann (1794–1863) war von 1825 bis 1855 Oberpastor in Dorpat, danach lebte er in Stuttgart. Bienemann war auch als Schriftsteller tätig. 618 Ein Mitglied der aus Ostpreußen stammenden und seit dem 17. Jahrhundert in Livland ansässigen Familie von Bergmann. Die Stammhalter dieser Familie waren vorwiegend als Geistliche oder Ärzte tätig, vielleicht handelt es sich um eine Tochter des Kollegen Bienemanns, Richard von Bergmann (1805–1878), Pastor zu Rūjiena (Rujen, Lettland), der auch der Vater des bekannten Chirurgen Ernst von Bergmann (1836–1907) war, der später von Julie Hagen Schwarz porträtiert wurde.

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Sonntag d  : 27 Juli Gestern war ich auf ’s Höchste überrascht daß schon wieder ein neuer Brief von Euch hier war, tausend Dank dafür. Die Paßerschwerung macht Euch Sorgen mir auch wol. Wenn nur Alexander noch einen Paß bekäme dann will ich mich wenig darum kümmern, ich gehe in jedem falle nach Rom und sollte ich auch ganz für Rußland verloren gehen, als Fremde, d. h. wenn ich Deutsche Unterthanin werde, kann ich leichter nach Rußland als es jetzt der Fall ist und wer weiß ob ich je zurück kehren darf wo ich jetzt bin, wenn ich als Russin die Grenze überschreite. Nach Rom muß ich das steht fest und ich gebe Euch mein Wort daß Rußland [gestr.: mich] einst bereuen soll mir Hindernisse in den Weg gelegt zu haben ich fühle daß ich meinem Vaterlande einst Ehre machen kann. Neulich machte ich dem Peter Hess einen Besuch natürlich wurde ich auf das artigste empfangen. Dieser große berühmte Künstler sagte mir Dinge, welche ich Euch nur wieder sagen will da Ihr es nicht falsch deuten sondern Euch freuen werdet mit mir. Meine Kühnheit und Wahrheit lobte er und bemerkte dabei  : »Mein Gott ich habe die große Angelika Kaufmann gekannt aber so hat sie nicht gemalt, überhaupt sind Sie die einzige Dame die leistet was von den Männern verlangt etc.«–– Neulich war ein junger Petersburger bei mir dessen Name mir fremd geblieben ist. Dem sagte Rugendas daß ich nicht nach Rußland dürfe, die Deutschen Künstler | würden das nie dulden. Der gute Mann machte große Augen. – Ich bin freilich sehr erstaunt daß Alexander kommen soll, freilich hatte ich keine Ahnung davon Gott gebe daß es glückt  ! Aber daß Rugendas die Schuld tragen muß, daß es publik geworden daß ich nach Rom gehe ist nicht recht, ich habe es all meinen Bekannten erzählt daß Tante und Onkel mich aller Wahrscheinlichkeit nach hin bringen da ich kein Unrecht darin sehe. Seit der verdammten vorigjährigen Geschichte kann der gute thun, sagen, lassen was er will es ist auch nichts recht. Tante und Onkel können es mir nie verzeihen daß sie damals im Unrecht waren. Wenn ich zurück denke an jene entsetzenvolle traurige Zeit für mich dann zittere ich vor innerer Kränkung doch lassen wir das Thema. Deine Bemerkung lieber Vater, daß es Dich genire einen Urwald ohne Luft zu sehen hat den Rugendas außerordentlich gehindert ihn recht zu machen. Sein Urwald ist jetzt schon zum 6ten Mal umgemalt und hat endlich einen etwas tropischen Charakter bekommen. Die Bäume wurden ihm stets zu klein da die Vegetation im Mittel- und Vorgrunde natürlich immer zu bedeutend wurden. Er hat sich sehr gequält ist jetzt Gott Lob bis auf Kleinigkeiten fertig und arbeitet am andern Bilde. Das fehlende Geld lege ich dazu da ich allmählich meine 4 Skizzen vom vorigen Jahre bezahlen muß. Also keine | Sorgen deshalb. – Den Verwandten sage ich kein Wort, daß Alexander kommt, nämlich daß ich’s weiß, da es eben eine Überraschung für mich sein soll. Was das Zeichnnen in Rom betrifft

658 | Die Briefe wird sich das wol machen, er muß auf die Academie denn ich will ja auch dort im Zeichnen mich befestigen. Zu Riedel natürlich kann er auf keinen Fall. Ich als seine Mutter will schon für sein Fortschreiten sorgen, nur muß er mir versprechen, mir gehorchen zu wollen wie ein feines Schäfchen, da ich doch manche Erfahrung in 5 Jahren gemacht habe und immer mehr machen werde. Marie Lattner ist auch hier und ich hoffe wir werden ein ganz niedliches Pfilisterium bilden, streng mit unserer Zeit und unseren Mitteln Haushalten ohne uns Vergnügungsstunden zu versagen. – Montag d  : 28. Die Sonne ist bereits am stärksten verfinstert,619 das Licht ist eigenthümlich die wenigen Strahlen die auf die neugierige Menge sich senken haben auch keine Idee von Wärme. Das Volk in München hat mit Beben diese Stunde erwartet da die weisen Priester in der Kirche ihm gepredigt daß nur durch Gebet, das Untergehen der Welt verhindert werden könne. Der Andrang zu den Beichtstühlen ist so arg gewesen daß man hat einschreiten müssen. Und eine solche Unwissenheit kann in unserer Zeit noch vorkommen  ?  ! es ist schrecklich, da schimpft man über den Rußen und weiß | gar nicht wie Stockfischähnlich man selbst ist. So bald als möglich werde ich mit dem Gesandten meines Aufenthalts im Auslande sprechen, ich kann nicht denken daß es mir fehlen soll. Die Generalin Wimpfen,620 seine Nichte welche ich malen muß und versprochen das Bild auf dem Lande bei ihnen am Starnbergersee fertig zu machen ist schon Grund genug mir einen längeren Aufenthalt zu verschaffen also macht Euch meinetwegen keine Sorge. Möchte es nur mit Alexander gelingen. Für Briefe nach Rom an den Gesandten dort wird auch gesorgt und außerdem habe ich ja die besten Protektionen, die vornehmsten Kreise auf deren Worte man doch was giebt. Daß Lewaldt zum dritten und vierten Mal bei mir war, glaub ich schrieb ich noch nicht. Mein Bettelkind scheint vorzugsweise den Dichtern zu gefallen, denn er wollte das Bild kaufen. Mein Bild in Augsburg mußte noch die dritte Woche bleiben weil der Andrang von Schaulustigen Leuten ganz unerhört gewesen sey. Daß Otto Müller in Deutschland reist hat mich eigentlich nicht erschreckt und fast wünsche ich’s ihm zu begegnen, ich befinde mich in einer Gemüthsverfassung die mir wol erlaubt ihm scharf ins Auge zu schauen, wol auch ein freundlich Wort mit ihm zu wechseln. Wer weiß, wenn ich nicht zu spät über den kalten Schneegürtel steige um in die heiteren Felder Italiens zu pilgern | ob ich ihn nicht in irgend einer der vielen Gallerien oder Kirchen treffe. – Worin bestanden die Andenken von Blum welche er Euch schickte  ?  – ich glaube nicht daß ich ihm nach Hanau schreibe da es mir an Zeit gebricht, auch 619 Am 28. Juli 1851 war in München zwischen 14  : 20 und 16  : 20 Uhr eine Sonnenfinsternis zu beobachten. 620 Pauline Wilhelmine von Wimpffen, vgl. Anm. 575.

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meiner guten theuren Emma werde ich wol erst aus Rom aus schreiben, ein ganzer Berg von unbeantworteten Briefen hat sich mir aufgehäuft was mir noch eine schwere Arbeit machen wird. Mein großes Bild die Barmherzigen Schwestern habe ich bald zusammen gefegt (vgl. Abb.  21). Aber dann geht erst die rechte Arbeit an, das Feilen und Kratzen und neu Malen bis alles in seinen Linien und Farben klapt. Zum Offizieren saß mich ein niedlicher rosenrother Student. Mir that der arme Buben leid aber es mußte sein, ich mußte ihn todt machen bei der ersten Sitzung und habe mich selbst bei dieser Grausamkeit halb todt lachen mögen. Der arme Teufel bricht eben zu sammen und löscht in den Armen der schönen Schwester aus. Der Ausdruck und die Farbe ist mir so gelungen daß man unwillkürlich sagen muß, ach der Arme. – Rugendas habe ich noch nicht gesprochen von wegen den Skizzen, es waren heute Freunde bei mir wodurch ich gehindert worden bin. – Du beklagst Dich lieber Vater daß ich nichts über ihn erzählt. | Was soll ich erzählen  ? Daß er derselbe aufrichtige, wahre Freund mir ist und bleiben wird so lang ich male, das ist Alles, eine enthusiastische Schilderung von seiner Genialität habe ich in meinen früheren Briefen unbefangen gegeben ohne Furcht darin mißverstanden zu werden, da es mir aber so übel gedeutet wie im vorigen Jahre es doch der Fall war unterlasse ich’s gerne. Ihr kennt mich bloß als Tochter, nicht aber als Künstlerin, was wol zu unterscheiden wäre  ? Bin ich ein Mal in Rom hört ja wol Alles auf und ich werde herzlich froh sein  ! – Sein großer kräftiger Geist ist über all den alltäglichen Jammerkram hinaus und wird von der pfilisterösen Alltagswelt deshalb nicht verstanden. – Das einzelne Blatt seines Urwaldes ist hier gar nicht zu haben, ich bemühte mich schon ein Mal, doch ich will mit ihm selbst noch sprechen. Später. Der ganze Vortisch ist vergangen um ein passendes Modell zu den Händen meines Kriegers zu finden, doch vergeblich also wieder einen Tag verloren, es ist zum verzweifeln  ! Rugendas läßt Dir sagen daß der Urwald das einzelne Blatt höchstens in Paris bei Gubil621 zu haben sein wird, außerdem meine ich daß er nicht mehr als 3 Louisdor für | eine Farbenskizze verlangen wird. – Tante und Onkel sind wohl Gott lob, Erstere schäffert und sorgt für mich, strickt all meine Strümpfe an, Onkel hat dagegen 8 Tage an einem Gastrischen Fieber darnieder gelegen und sieht noch etwas matt aus. Die beiden Tanten sehe ich äußerst selten sie wohnen so weit daß ich keine Zeit finde den Weg zu machen  ; das ist mir bisweilen ein rechter Kummer. Damit der Brief noch heute fort kommt so will ich schließen mit den herzlichsten Grüßen so wohl an Euch allen als an meine Freunde in Dorpat.

621 Goupil & Cie war eine international tätige Kunsthandlung, deren Hauptsitz in Paris war. Der Firmengründer war Adolphe Goupil (1806–1893).

660 | Die Briefe Lebt wohl und vergnügt und schreibt mir recht bald. Meine Neugierde ob Alex ­a nder kommt ist ungeheuer groß und mit Ungeduld erwarte ich den nächsten Brief. Die Verwandten sollen nichts merken daß ich um das Geheimniß weiß, ich will Ihnen die Freude mich zu überraschen nicht rauben. Lebt wohl  ! Eure treue Julie Rugendas und die Verwandten grüßen. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 13.8.1851 München d  : 13 August 51. Meine theuren Aeltern  ! So lange Zeit ist vergangen ohne daß ich dazu kam an Euch meine einzig geliebten Aeltern und Geschwister zu schreiben. Es gab am Ende auch wenig Stoff dazu. Die ganze Zeit ist unter beständiges Arbeiten hingegangen, so wie ich die Staffelei verlasse so geht es an eine Näharbeit oder Strickzeug um alles in Ordnung zu bringen damit ich in Rom, wenigstens die erste Zeit nicht an dergleichen denken muß. Außerdem habe ich meine Briefe und Papiere sedirt geordnet und gepackt, je näher die Zeit rückt desto mehr ist zu thun. Von Blum ist noch nichts gekommen ebenso wenig scheint ein Brief an die Tante von Dir lieber Vater da zu sein, welcher über Alexander bestimmtes spricht. Mit wahrer Ungeduld warte ich darauf. d  : 14. Heute bin ich zerknirscht und glücklich zugleich, ich weine halb aus Kummer halb vor Freude doch ich will der Reihe nach erzählen  : Als ich beschäftigt in meinem Attelier saß, ohne Modell zwar wurde gegen 11 Uhr, wie es freilich nicht selten geschieht an meine Thür geklopft und ich war erstaunt und erfreut Bröcker622 nebst Frau zu erblicken, welche mich im englischen Garten gesucht und nun herauf gefahren kamen. Sie sah wohl und sogar rosig aus und ich nahm nicht anstand genug es ihr zu sagen was ihr sehr komische Gebärden abzwang, sie eilte vor den Spiegel riß ihren Hut herunter und erzählte, in dem sie sich entschuldigte diesen Reisehut auf zu haben (welcher nebenbei gesagt ganz prächtig war) daß sie einen ganz feinen schönen Hut wohl habe allein da es zu regnen drohe habe sie es gerathener | gehalten diesen aufzusetzen, na ich beruhigte sie und nun erst begannen sie meine Sachen zu besehen. Meine Schlacht (so will ich mein Kaiserbild, die barmherzigen Schwestern nennen) stand auf der Staffelei und meinen Gäste fingen an in Ausrufungen, in Ach’s und Augenverdrehungen zu wetteifern, bald machte sie ihren Herrn Gemahlen auf die schönen Augen der einen oder den halb geöffneten Mund der anderen Schwester aufmerksam dann schrie er wieder  : »Nein sieh doch diesen Finger, es ist doch als wäre es 622 Gustav Erdmann Bröcker, vgl. Anm. 40 und 409.

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eine lebende Hand, nein um Gottes Willen dieser Finger, sieht doch wie er sich hebt, ich bin ordentlich erschrocken, nein, nein Du mußt es sehen ganz in der Nähe, wie täuschend  !« etc. – Ihr glaubt nicht welchen Lärmen diese beiden Leutchen machten so daß ich vor Lachen nicht wußte wohin. Nachdem sie also über dieses Bild genügsam ihre Ach’s und O’s hören lassen haben – zeigte ich Ihnen dann noch die anderen Bilder und da entstand den bald ein so lebhafter Streit daß ich erwartete sie würden förmlich bös aufeinander werden. Nämlich sie die Frau Bröcker623 war begeistert für meine Griechin und er für die Italienerin, und keiner von beiden Theilen wollte einsehen daß beide hübsch jedes in seiner Art ist, dieses Durcheinanderschreien war auf ’s höchste drollig. Bröcker notirte sich was ich sagte z. B. äußerte ich erzähl’s weise wie ich öfter ins Krankenhaus gegangen um den Charakter der Schwestern zu studiren | da antwortete er denn darauf hastig  : »das ist ein Glück daß Sie mir das sagen denn das ist ein sehr guter Gedanke«, und schrieb diese einfache Bemerkung in sein Büchle. Nachtisch kamen seine beiden Kinder und waren entschieden für die Griechin. – Als ich darauf nach Hause komme finde ich einen Brief aus Hanau624 und eine Rolle, also das Blumenstück von Alexander gemalt dachte ich und freute mich wie narrisch. Tante hingegen fragte was es wol enthalte und fing zu resimiren an daß man Bilder aus Rußland hierher sendet während wir hin ein schicken, unter Scherzen und Lachen suchte ich sie zu beruhigen indem ich begann das vermeinte Bild aus zu packen endlich war die letzte Schnur los geschnitten und welcher Schrecken, mein guter lieber Vater sah mich freundlich und liebend an. Mir stürzten Thränen aus den Augen und ich mußte es tausend und aber tausend Mal mit heißen Küßen bedecken. Jetzt erst laß ich meine Briefe und fand daß der liebe brave Sivers mir diese Freude bereitet. Ich will ihm heute noch schreiben, zu aufgeregt um heute nach gewohnter Weise früh, ins Bett zu gehen denn ich finde mich noch nicht ganz hin ein in das Bild, so oft ich’s ansehe so muß ich von Neuem weinen denn es sind mehr als 5 Jahre über Deine Stirne hinweg gestreift und ich begreife erst heute wie die Zeit und die Sorgen des alltäglichen Lebens an einem nagen und arbeiten um ein anderes aus uns zu machen als wir einst waren. | Ich danke auch Dir daß Du dem lieben Freunde saßt um mir diese Freude zu bereiten. Das Bild hängt über meiner Komode und sieht mir zu daß ich Thränen im Auge habe, Du sollst nun doch mein Begleiter sein wohin ich auch gehe. Blum’s Brief ist außerordentlich liebenswürdig. Das Geld mit den übrigen für uns bestimmten Sachen hat er mir nicht senden können da durch ein Versehen Einiges in Tilsit geblieben ist woselbst er seine Kalesche gelassen also Gedult.

623 Lydia Dorothea Bröcker, geb. Schultz (um 1798–1875). 624 Von Wilhelm Blum.

662 | Die Briefe Zum Schluß noch  : Kotzebou hat mich heute auch besucht und mich zu bereden gesucht einen Monat länger in München zu bleiben damit ich ihm seine Frau malen könnte. Viel Ehre für mich. Er sagte unter anderm daß der Herzog von Leuchtenberg zu mir kommen müße – wollen sehen was geschieht, mir wäre es schon recht. Gute Nacht für heute. | Wie oft hat das Herz in mir geblutet wenn ich dieses oder jenes seidene Kleid bekam und tragen sollte oder mir unnütze Dinge Luchsusartikel zu floßen während Ihr und die beiden armen Tanten hier unter der Last der aller geringsten Sorgen hin keuchten. Gott lob daß ich, bei allem materiellen Wohl im Hause der Verwandten nie vergesse daß ich’s nie so gut hatte und vielleicht nie haben werde. Ich trage mich stets so einfach was Kleider betrifft wie ich’s in Dorpat gewohnt war obgleich ich in Seide gehen könnte. Meine 4 wollenen Kleider, welche Du mir in Berlin und Dresden gekauft habe ich noch und trage sie immer. Sie werden mich auch falls ich nach Rom gehe dahin begleiten wie wol dieses oder das Andere schon stark geflickt ist. Darum lieber Vater sey ja nicht angst daß ich strebe auffallend in irgend einer Weise zu gehen oder mich zu betragen, weder habe ich im äußeren Tragen noch im Benehmen die Sucht etwas Apartes zu haben oder mir’s anzueignen, da mir diese Schwäche zu der aller belachenswerthesten zu gehören scheint. Ich erinnere mich nicht mehr bei welcher Gelegenheit ich Dir schrieb daß Du mich bloß als Tochter nicht aber als Künstlerin kennst, dem sey aber wie es wolle jedenfalls hast Du mich darin ganz und gar falsch verstanden. Wenn ich mich vergleiche mit früher wo ich daheim war so finde ich dieselben Gefühle, Regungen in mir, grad in der Heftigkeit wie damals d. h. was mich als Mensch, als Mädchen berührt, bisweilen werde ich irre an mir und kann nicht glauben daß ich bald 27 Jahre zähle so kindische Empfindungen tauchen in mir auf und nieder. Bin ich versehen mit Palette und Pinsel dann freilich | tritt Ernst, Ruhe bisweilen sogar Stolz an die Stelle ich fühle in mir einen zweiten Menschen der mit Bestimmtheit und Sicherheit auftritt und handelt. Nicht daß ich mir’s vornehme so zu sein, nein es ist so, da mag denn der Fürst oder der Bauer herein treten, jeder wird gleich behandelt ohne Schüchternheit ohne Zagen, während zu Hause ich gegen die geringste Kaffeeschwester in Verlegenheit gerathe und mich wie nur immer möglich linkisch benehme. Dieses Gefühl trage ich in mir, dasselbe leitet mich das weiß ich, nur kann ich nicht wissen welchen Eindruck es auf andere Menschen macht, darüber mögen andere Menschen sprechen und Ihr werdet Gelegenheit finden Euch erzählen zu lassen ob ich mich in den befürchteten Narrheiten gefalle oder nicht. Die Zeit ist bei mir vorüber wo das vorkommen könnte. Ich sehe endlich wol ein welcher Ernst dazu gehört die Kunst zu verfolgen und nicht in verzweiflungsvoller Stunde sie fah-

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ren zu lassen. Könntest Du bisweilen in mein Herz schauen, Du würdest sehen welche namenlose Zerrissenheit, welche Wunden dort bluten, nachdem ich den Tag über mich gequält und das Resultat am Abend endlich so gar gering ist. Ja könntest Du schauen in meine Seele Du würdest zusammen schrecken und mir nie den Vorwurf machen daß ich mich überschätze. O das hat mich betrübt bis ins tiefste Innere. meinte ich Dir doch Freude zu bereiten wenn ich Dir erzähle was man von mir sagt d. h. von meinen Arbeiten | und jetzt muß ich erleben daß Du mich falsch darin verstehst. Glaub mir lieber Vater, nur zu gut weiß ich was mir fehlt aber zugleich auch daß es meine Schuld nicht ist. Was in meinen Kräften gelegen hab ich gethan, darin kann niemand mir einen Vorwurf machen. Daß ich die Gedanken anderer benutze, Du lieber Gott thun wir das nicht alle  ? Wir hätten nicht lesen und schreiben lernen müßen um durch nichts Fremdes unsere Originalität zu stören und uns das Denken wenn auch nicht zu ersparen so doch zu erleichtern. Aber damit Du Dich nicht wieder durch Befürchtungen foltern läßt so will ich in Zukunft unterlassen von den Blüthen zu erzählen die man mir zwanglos auf den ernsten Weg der Kunst streut, wofür ich zwar dankbar bin, ohne sie so recht an mein Herz zu drücken. d  : 18. am Morgen. Mein Licht war gestern ausgebrannt weshalb ich nicht weiter schreiben konnte, außerdem hatte und habe ich heftiges Kopfweh daß ich vielleicht viel Dummes geschrieben habe und kaum meine Augen schloß ­während der ganzen Nacht, ich befinde mich in einer Unruhe daß ich sogar fiebere. Daß Tante die Anfrage gemacht ob Du Bilder bestellt ist mir neuer Beweis ihres grenzenlosen Mißtrauens. Dieses Suchen mich auf ein Unrecht zu ertappen hat mich schon zu öfteren tief gekränkt. In dieser Sache begreif ich ihr Verfahren um so weniger da sie so wol von mir als von Rugendas selbst weiß daß Du bestellt hast. | Montag den 18 August Dieses Blatt habe ich in meiner Zerstreuung ein Mal wieder verkehrt zur Hand genommen. Dein Brief lieber Vater trägt den Stempel seltener Aufregung wodurch die verschiedenartigsten Empfindungen in mir wach erregt worden sind. Gestern kam er an nachdem ich 10 Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet hatte also müde sehr müde nach hause kam, Dein Brief aber verscheuchte alle Abspannung und ließ sogar mir die Nacht schlaflos vergehen. Das hat nun freilich nichts zu sagen da ich in letzterer Zeit das gewohnt worden aber was antworten  ? ich besitze so wenig Mittel um zu helfen daß mir im Erkennen dessen mein Herz blutet und ich am ganzen Körper zittere als ahnte ich ein großes Unglück. Dasjenige was mir am grellsten in die Augen fiel ist das Verfahren der Regierung mit der Frau von

664 | Die Briefe Brühningk.625 Du warst ja nicht einer der letzten und der am wenigsten gern gesehen wurde in dem Hause. Gott schütze uns vor dem Furchtbarsten das passiren könnte  ! Mit Beben erwarte ich den Brief. Solltest Du im Mindesten fürchten so sage es mir ich bitte Dich darum um’s Himmels willen, damit ich statt nach Rom, zu Euch eile, ich werde keinen Augenblick säumen daß Versprechen gebe ich hier so wahr ich deine Tochter bin, obgleich ich den schönsten Traum meines Lebens zerstört sehen werde. Das soll aber mich nicht hindern freudig das Verlangen der Pflicht unter zu ordnen. Mein ganzes Streben seit 5 Jahren kennt nur ein Ziel Euch meine Lieben eine Stütze zu sein. Leider daß es noch nicht schon längst sein konnte. Aber hängt man selbst an tausend Fäden von andern ab wie will man da daran denken daß es Menschen giebt welche auf Rosen nicht gebettet sind. | {Ein Bogen dieses Briefes fehlt.} … außerdem ich ihr das Geld zur Aufbewahrung gegeben welches Du mir gesendet. Einfach will ich Dir nur etwas sagen daß Tante und Onkel nicht begreifen wie man, zu mal ein armer Mensch wie ihr Schwager ist, außer Essen und Trinken noch ein geistiges Bedürfnis haben kann. Es kann nun nicht mehr lang dauern so kommt es zur Sprache und ich kann alles recht fertigen mir bangt nicht.626 Die Zahlung für das eine Bild übernehme ich da ich für einige Portraits dieser Tage Geld erwarte also deshalb keine Sorge. Das indeßen schrieb ich schon neulich. Bin ich doch lang genug Deine Schuldnerin gewesen wofür ich Dir Dank weiß. Der Urwald hat wenig Luft und ist recht schön geworden, mir gefällt es sehr. Du selbst hast ausdrücklich gewünscht Luft zu sehen deshalb thut es Rugendas. – Beim Gesandten bin ich seit 8 Tagen vergebens 3 Mal gewesen ich kann ihn nicht sprechen, heute gehe ich nun wieder hin da er endlich zur Stadt gekommen ist weil die Herzogin Leuchtenberg627 heute Abend kommt. – d  : 20 Früh. Mein lieber Vater  ! Nachdem ich gestern viel herum gelaufen bin, am Morgen der Familie Bröker einen Besuch machte dann zum Gesandten wiederum vergeblich ging dann ins Kloster spazierte um mir Dinge an zu sehen um an meinem Bilde fort zu arbeiten, das nun bald vollendet ist, kam ich heim und fand einen Brief vom Blum und zu gleich das Geld ohne die übrigen Sachen. Onkel war im Theater und | ich mit der Tante allein. Natürlich kam dann die Bildergeschichte zur Sprache und wir verstanden uns gut wenigstens hatte sie kei625 Vgl. Anm. 450. In Livland waren einige Personen aus dem Umfeld der Maria von Bruiningk inhaftiert worden. 626 Es geht wahrscheinlich darum, dass die Verwandten sich mokierten, dass August Matthias Hagen bei Moritz Rugendas Bilder bestellt hat. 627 Die Zarentochter Maria Nikolajewna Romanowa.

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nen Grund auf Widersprüche zu stoßen und mich mit Vorwürfen zu geißeln, jede Aussage klagte und ich konnte meine Hände in Unschuld waschen da ich damals mit den 4 Farbenskizzen im Unmuth mir und Dir das Versprechen gab, nie wieder eine Bestellung zu machen und Du thatest es also selbst. Gestern also wieder beim Gesandten gewesen. Er war den kaiserlichen Herrschaften {Leuchtenbergs} entgegen gefahren und die Damen in solcher Aufregung mit Vorbereitungen daß Niemand zu sprechen war indessen habe ich mich erkundigt und höre daß die Bruhningk einzig und allein an der neuen Paßverordnung schuld hat. Kotzebou welcher mich häufig besucht und noch gestern da war erzählte daß die Erbitterung über diese Frau groß sein soll und jetzt niemand die Hoffnung hat einen Paß zu erhalten. Betreff Deiner Frage hieß es entschieden nein. – Dann sprach ich mit ihm von Alexander und er gab mir den Rath daß er nach Petersburg gehen möge natürlich setzte ich ihm auseinander wie eben das Geld fehle etc. etc. Später Alles ist in Ordnung. Das Geld ist heute gekommen d. h. für meine Portraits und Deine Bilder also werden wol morgen bezahlt, jetzt sind sie ganz Dein. Du hast nichts zu fürchten noch zu sorgen wir sind miteinander darin quitt. Deine 4 Skizzen gehören jetzt mein und mir lacht das Herz im Leibe. Daß ich mit | den Verwandten in übliche Conflikte gerathe wie im vorigen Jahre hast Du nicht nöthig zu fürchten. Da diese Sache so rein da gestanden können sie sich über nichts ärgern, Alles ist in Ordnung mit der Tante habe ich gestern bis 10 Uhr gesprochen über manche Sache, habe gelacht und gescherzt, kurz wir verstehen uns gut. Sie will Dir selbst schreiben  ; wol betreff des Geldes, welches Du wol behalten wirst. Sie weiß nicht daß ich weder um Alexander noch um den Brief betreff der Bilder weiß also kein Wort mehr weiter. Brökers waren sehr liebenswürdig gegen mich, der Sohn hat sich in meine Griechin verliebt so daß ich ihm das Haus beschreiben mußte damit er sie persönlich zu sehen bekommt. Der Alte will Artikel über meine Arbeiten in die Heimath senden so wol für die nordische Bühne als für das andere Blatt. Der Name ist mir entfallen. Sehr auffallend sind mir die Briefe des alten Blum, er spricht mich an mit  : Meine theure Freundin und erzählt mir von Verhältnissen von seinen Gemüthszuständen als spräche er zu einem genauer alten Bekannten, natürlich bin ich sehr geschmeichelt dadurch. – Das Geld kam allein gestern und da mit seinen Sachen einiges aus Versehen in Tilsit geblieben ist so sendet er mir das übrige von Euch sobald er aus dem Bade zurück kehrt. Sein Wilhelm {Blum} hilft ihm nämlich die Langeweile des Badelebens in Kissingen ertragen. Das Fräulein Bröker ist ja recht manirlich | geworden, sie ist aber immer noch dieselbe in ihren Reifröcken. Nervös über alle Maaßen, exaltirt und weiß Gott was noch alles. Der Alte ist übrigens zum todt lachen mit seinem großen Orden um den Hals. Rugendas hat ihm vielen Spaß gemacht, er rief entzückt ein Mal über das andere Mal aus  : nein wie hat sie Sie gemalt  ! etc.

666 | Die Briefe Spät abends. Morgen bin ich zur Taufe des Baurath Riedel, Bruder des großen Meisters gebeten, Zwillinge sind angekommen, ein Bub und ein Mädchen. Das macht mir vielen Spaß. Morgen Früh sende ich ein Briefchen an die Nichte des Gesandten {Katharina von Wimpffen} ins Palais um erstens zu fragen wann die Generalen Wimpfen kommt damit ich mich mit meiner Zeit danach richte und dann auch ob es sich nicht machen ließe daß man die kaiserlichen Herrschaften mit meinen Arbeiten bekannt macht. Ich bin bereit sie zu jeder Stunde zu empfangen, das Resultat könnt Ihr nun erst im nächsten Brief erfahren. Lebt daher wohl. Wenn meine Briefe kurz sind so sucht den Grund darin daß ich von Arbeiten aller Art umlagert bin, aus Rom sollen wieder Tagebücher an Euch kommen das verspreche ich Euch d. h. wenn ich nicht zu Euch zurück muß. In Liebe und Verehrung bin und bleibe ich Eure treue Julie Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 25.8.1851 München d  : 25/8 51.

Meine theuren vielgeliebten Aeltern  ! Eine Maße Nachrichten habe ich heute in Petto welche ich aber der Reihe nach erzählen will. Am Sonnabend628 um 1 Uhr zu Mittag wurde ich mit der Lasur der Nonnengewänder fertig und den Nachmittag hätte ich gerne noch ein Paar Hände fertig lasirt mußte aber erst das Modell mir holen, ich besann mich nicht lang sondern ging in der furchtbarsten Hitze in die Vorstadt Lechel629 und nachdem ich diesen dienstbaren Geist angerufen und bis 3 Uhr gemalt kommt Baron Fegesack Atache bei der russischen Gesandtschaft, und sagt daß er, der Gesandte und der Graf Wilchurski,630 Marschall der Großfürstin bei mir gewesen doch alles verschlossen gefunden hätten etc. und er nun im Auftrag des Gesandten käme ich möge meine Bilder in den herzoglichen Pallast tags darauf 628 Am 23.8.1851. 629 Das Lehel (im Bayerischen ausgesprochen  : Lächl) ist heute ein zentraler Stadtteil Münchens. Es wird im Osten von der Isar begrenzt und liegt am Englischen Garten. Die Königinstraße, wo Julie Hagen wohnte, markiert die Grenze zwischen Lehel und Maxvorstadt bzw. Schwabing. 630 Matvei Wielhorski (1794–1866) war Kunstliebhaber und Amateurmusiker (Violoncello). Er schlug ab 1812 zunächst die Militärlaufbahn ein und war bis 1821 Adjutant des Fürsten V. S. Trubeckoy. Danach bekleidete er verschiedene Ämter am Russischen Hof und im Außenministerium. Er wurde auch zum Mitglied des leitenden Ausschusses des St. Petersburger Hoftheaters ernannt. Besonders eng war seine Verbindung zu der Zarentochter Maria Nikolajewna, Herzogin von Leuchtenberg, deren Stallmeister und Oberhofmeister er wurde. Für Julie Hagen besonders inter­ essant  : Er war der stellvertretende Vorsitzende der St. Petersburger »Kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der Künstler« (frdl. Mitteilung von Marat Ismagilov, St. Petersburg/Russland).

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schicken da die Grossfürstin Marie sie zu sehen wünscht. Meine Schlacht (vgl. Abb. 21) also vor allem, welche nun aber völlig naß war. Doch was war zu machen es mußte sein. Augenblicklich schickte ich in den Kunstverein und bestellte mir ein Paar Diener und glücklich langten sie den Sonntag Morgen da selbst an. Das war also gestern. Heute Früh um 8 Uhr im Attelier um eine von den Tanten zu malen kommt eiligst ein Bedienter und bittet mich augenblicklich zum Baron Fegesack zu kommen er habe mir Mittheilungen zu machen und es wäre keine Minute zu versäumen. Bleich wie der Todt wurde ich. | Jetzt ist mein Urtheil gesprochen, entweder gehe ich nach Rom erhalte Paß und Pension oder muß zurück in meine Heimath. So dachte ich mir und ängstlich betrat ich die Schwelle des Hauses wohin ich bestellt war – Der Bediente wartete schon vor der Hausthür und führte mich hinauf. Mein Herr Baron Fegesack liebenswürdig über alle Begriffe, grade das Gegentheil von dem wie er sich früher, namentlich das erste Mal als er bei mir war, gegen mich benahm – empfing mich mit den Worten  : »ich freue mich Ihnen sagen zu können daß die Grossfürstin außerordentlich überrascht gewesen über Ihre Bilder und gleich gesagt  : »ich übernehme Alles, ihre ganze fernere Ausbildung und morgen wünsche ich sie nach 12 Uhr zu sehen auch noch ihre anderen Arbeiten, wenn sie welche hat etc.« Der Graf Wilcherski ist Scheff der Akademischen Gesellschaft631 wie mir F. sagt und habe geäußert daß sie nur kleine Fong’s haben allein die beiden Brülof’s632 wären auf ihre Kosten gereist und ich werde wahrscheinlich aus ihrer Kasse eine Pension bekommen,633 außerdem hat die Grossfürstin das Bettelkind (vgl. Abb. 20) gekauft. Nachdem ich das nun in aller Weitläufigkeit erfahren eilte ich 631 Wie zuvor erwähnt war Wielhorski Vizepräsident der »Kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der Künstler« in St. Petersburg. Die Vereinigung war die erste nichtstaatliche Organisation, die sich im zaristischen Russland der Unterstützung von Künstlern verschrieb. Zu den Fördermaßnahmen gehörte besonders auch die Bereitstellung finanzieller Mittel zum Zwecke der künstlerischen Ausbildung, besonders in Rom. Die Fonds setzten sich aus Mitgliedsbeiträgen und aus staatlichen Zuschüssen zusammen. Das Modell der russischen »Gesellschaft« war den europäischen Kunstvereinigungen entlehnt, insbesondere den sich im 19. Jahrhundert in Deutschland konstituierenden Kunstvereinen (frdl. Mitteilung von Marat Ismagilov, St. Petersburg/Russland). 632 Karl Pawlowitsch Brüllow (1799–1852) war an der Petersburger Kunstakademie ausgebildet worden und wurde der erste russische Maler, der international bekannt wurde. Er reiste 1822 gemeinsam mit seinem Bruder, dem Architekten Alexander Brüllow (1798–1877), nach Italien. Sie erhielten Mittel aus der »Kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der Künstler«. Es gab einen dritten Bruder, Friedrich (1793–1869), der ebenfalls Maler war, aber in Russland blieb. 633 Tatsächlich erhielt die Künstlerin ab 1852 finanzielle Unterstützung durch die »Kaiserliche Gesellschaft«, wie aus einem Schriftstück der Sitzungsberichte der Gesellschaft von 1852 und 1853 hervorgeht (Central State Historical Archive, St. Petersburg, Fund 448, Opis 1, Delo 248). Wie lange und in welcher Höhe die Zuwendung erfolgte, ist nicht bekannt (die Verfasserin dankt Marat Ismagilov für diese wichtige, bisher unbekannte Information).

668 | Die Briefe nach Hause brachte das ganze Haus in Aufregung kleidete mich und fuhr dann mit der Tante ins Attelier da es fürchterlich regnete um die andern Bilder in den Pallast zu senden um 12 Uhr wartete ich um vorgelassen zu | werden. Fegesack kam auch, Wilchorsky sprach sehr artig über mein Talent und endlich durfte ich hinein in den Empfangssaal. Ich fühlte mich gar nicht verlegen, verbeugte mich tief, doch nicht all zu tief. Die Grossfürstin trat mit den Worten zu mir  : »ich gratulire zu ihrem schönen Talent, ich habe mich an ihren Sachen erfreut, wo ist ihr Vater angestellt  ? in Riga oder Dorpat  ? Sie wünschen nach Rom zu gehen  ? wäre es nicht besser wenn Sie hier blieben  ? u ich »nein Kaiserliche Hoheit, die Natur mangelt mir«, sie »das ist es eben« – sie – »bleiben Sie ja original in ihren Leistungen streben Sie nicht ihre Kunst nach zu ahmen« etc. »ich höre Sie arbeiten erstaunlich fleißig greift es ihre Gesundheit nicht an  ? – welches ist ihnen das Liebste von den Bildern  ?« ich – »ich gestehe das Bettelmädchen«, sie – weshalb  ? u ich  : »weil ich mich durch diese Armuth in mein Heimathland zurückversetzt etc« – und da sah sie ihren Mann den Herzog an und nickte mit dem Kopf als wollte sie sagen, also wirklich so treu und anhänglich ihrem Vaterlande – Nachdem nun noch einige solche Fragen sich gefolgt verbeugte sie sich und sagte »ich hoffe es wird alles gut gehen, ich hoffe ihre Wünsche werden erfüllt«. – Also war ich entlassen. Was soll ich | mehr hoffen  ? Kann ich mehr als ihre Protection. Komme ich einst nach Petersburg, so sagt der Graf W.  – so müßte ich mich gleich an ihn wenden und ich hätte fortan keine Rivalen zu fürchten. – Weiß Gott es ist so schlimm nicht vor einer so hohen Person zu stehen, ich fürchte meine Reise könnte sich um ein Paar Wochen aufschieben bis ich aus Petersburg meinen Paß erhalten und ich habe kein Quartier mehr zu malen. d  : 26. Tante ist im Theater, der Onkel zu Bette gegangen. Der Arme ist seit mehreren Tagen wieder recht unwohl und ich in großer Aufregung. Heute malte ich an der lieben guten Cecilie, mit der ich bis weilen einige Thränen weinte während der Arbeit, das arme gute herzliche Wesen, erinnert sie mich doch in ihrem Wesen in der unbeschreiblichen Demuth so sehr an meine süße Mutter. Kurz die Augen mit Thränen gefüllt mußte ich den Baron Fegesack empfangen. Ihr erinnert Euch wohl noch daß ich mich über diesen Mann d. h. über seine sehr flegelhafte Art zu sein, beim ersten Besuch bei mir, beklagte, kurz dieser ist jetzt von einer Liebenswürdigkeit und Artigkeit die nur seines Gleichen suchen darf. Er kam also um zu sagen daß die Grossfürstin abgereist und an der Eisenbahn noch gesagt daß ich ohne Sorgen sein dürfe | sie wolle sorgen für Alles. Das Bettelkind hat sie für 200 R. S. gekauft, denn die Mulattin hat der Graf Wilchursky sich aus gesucht giebt 300 glaubt aber es für 500 R. S. in Petersburg verkaufen zu können.634 Ich bin erschrocken im ersten Augenblick, da die Mulattin nicht 634 Die Mulattin stellte Wielhorski Anfang Januar 1852 in der »Kaiserlichen Gesellschaft zur För-

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mein ist  ; doch er sagt daß es jetzt nun nicht mehr zu ändern sey da sie die Bilder übermorgen schon packen wollen damit sie bald in Petersburg sind. Ich sagte es mit Verlegenheit den Verwandten, welche ganz vergnügt darüber sind. Der Herzog hat seine Gemahlin bis Bamberg begleitet und kommt morgen Abend’s wieder so lang lasse ich das Bettelkind photographieren auf das Du wenigstens es auf diese Weise sehen kannst. Glaub mir sicher ich habe Thränen vergoßen daß Dir nun doch die Freude geraubt wird das Bild zu sehen doch es ist Schicksal so, jetzt ist es entschieden daß ich unterstützt werde und Gott lob es ist alles auf dem natürlichsten Wege gekommen meine Arbeiten haben mir das Wort gesprochen ohne daß ich durch viel Bittschriften mir diese | Gnade erpreßt. Nachdem Fegesack mir das gesagt besorgte ich im Kunstverein mir für morgen ein Paar Diener welche den Bildertransport wieder übernehmen und wurde vom Conservator schon gratulirt, daß die Grossfürstin mich so gnädig empfangen, und er erzählte daß keiner von den vielen Malern welche ihre Bilder zum Kauf angeboten Glück gehabt da sie zu theuer gewesen etc. – Ihr seht wie das gleich bekannt wird. Nachdem ich nun eine Stunde zuhause, kommt die Baronesse Scherer Freundin der Gesandtin um mir zu sagen daß die Gräfin Wimpfen am 29ten kommt um mir dann gleich zu sitzen, mir recht lieb – bei der Gelegenheit erzählte sie mir die Dinge die ich noch nicht wußte daß die Herzogin nämlich gestern den ganzen Abend sich mit Bildern beschäftigt habe bald hier an diesem noch eine Lampe mehr hat anzünden lassen, bald dort an jenem eine stärkere Beleuchtung befohlen kurz nur immer über die Sachen gesprochen und besonders oft ausgerufen habe, nein der Ausdruck ist so wunderbar schön. Das hat sie mir indessen auch mehrere Male ge|sagt  ! Was außerdem noch mein Glück ist, ist daß ich durch meine Einfachheit, wie sich die Leute ausdrücken einen sehr wohlthätigen Eindruck sowohl auf die Grossfürstin als ihren Gemahlen gemacht. Ich bemerke Euch das damit Du lieber Vater nicht fürchten mögest ich strebe mich im Äußeren auszuzeichnen vor andere Mädchen. Es freut mich das besonders, da ich mich nie in einem seidenen Kleide wohl fühle und gestern fürchtete man möge mir das Unbehagen anmerken. Eines macht mich bange nämlich die Grossfürstin ist nicht ganz für Rom und habe von Brüssel gesprochen doch darüber bespreche ich mich in diesen Tagen mit dem Gesandten den ich wol morgen besuchen und dann häufig bei mir sehen werde wenn seine Nichte sitzt und zuletzt in Starenberg wird manches auf die natürliche Weise zur Sprache kommen was jetzt im Augenblick nicht geht. Auch für Alexander kann ich vorbereiten ein Wort sprechen daher bitte ich nichts durch eine Übereilung zu derung der Künstler« den Anwesenden vor. 1853 wurde das Gemälde verlost, Maria von Leuchtenberg gewann es. Der weitere Verbleib ist bis heute unbekannt (frdl. Mitteilung von Marat Ismagilov, St. Petersburg/Russland).

670 | Die Briefe verderben. Deinen Brief durch Irmer635 habe ich erhalten und derselbe hat mich in einige Verlegenheit gesetzt da ich den Verwandten von meinem Mitwissen ihres Planes | wegen nichts sagen sollte und nun mit einem Male sie fragen ob das –– geht. Ich besann mich einen Moment und fragte als handelte es sich um einen Andern und kann also leider mit Bestimmtheit mit Nein antworten. Du wünscht keine Detail’s also es geht nicht, leider nicht  ! – Nur jetzt etwas Geduld ich werde bald sehen ob ich wagen darf der Grossfürstin mit einer Bitte zu kommen meinen Bruder auch zu protegieren, kommt er aber auf die mir angedeutete Weise so könnte für alle Zeit das eben aufkeimende Glück in ein Nichts zerfallen und in Rußland ist immer noch eher Geld zu machen als hier. Jetzt habe ich für’s Erste Geld genug und hoffe bald Euch Etwas senden zu können. O, Glück verlasse mich um des Namen Willen nicht  ! – Das Bild  : »Die Nonnen« (vgl. Abb. 21) sollen übrigens womöglich auch schon in 8 Tagen mit den Sachen des Herzogs nach Petersburg gehen damit so lang das Eisen warm ist geschmiedet wird.  – Heute ist mir schon oft der Gedanke gekommen daß die Kleine und die Grosse damals bei Bernhardt mich am Ende nicht umsonst die Kaiserlich russische Hofmalerin genannt, auf dem besten Wege bin ich jetzt es zu werden. Fürchte nicht daß ich’s im Ernste nehme es ist nur Scherz von mir diesen Brief sende ich morgen ab. Will heute noch an Blum schreiben obgleich ein ziemlich dicker Brief nach Hanau abging. Tante und Onkel grüßen Euch und freuen sich meines Glückes. Lebt alle herzlich wohl mit Liebe und Treue Eure Julie.

635 Der Arzt Theodor Irmer (1814–1874) aus Riga. Er hatte in Dorpat Medizin studiert.

J. Aufbruch nach Rom September bis Oktober 1851 Nach dieser ausgesprochen glücklichen Entwicklung setzten mit Hochdruck die letzten Vorbereitungen zur Reise nach Rom ein. Angefangene Porträts wurden vollendet, die beiden Tanten noch für die Eltern gemalt und das überfällige Bildnis des Friedrich Voltz in dessen Atelier ausgeführt, wofür die Künstlerin das lang versprochene Voltz-Gemälde als Bezahlung erhielt, das sie dem Vater zum Geschenk machte. Marie Berger, die mitreisen sollte, befand sich in gleicher Konfusion wie Julie Hagen, die auf Rat des Gesandten Severin auf dem Pass der Verwandten eingetragen wurde, um Komplikationen zu vermeiden. Severins Empfehlungen nach Rom sorgten u. a. dafür, dass sie dort gleich nach ihrer Ankunft Kontakt zum russischen Gesandten und von diesem eine einjährige Aufenthaltskarte erhielt. Der Abschied aus München fiel der Künstlerin sehr schwer. Am 13. September verließ die kleine Reisegesellschaft die Stadt. Moritz Rugendas fuhr bis zum Sendlinger Tor mit, es war ein Abschied auf Jahre. Die noch feuchten Gemälde, die sie zurückließ, verschickte Rugendas Ende des Monats nach Dorpat. Im letzten Brief beschreibt die Malerin ihre Reise nach Rom und die ersten Tage und Erfahrungen in der Ewigen Stadt. Höhepunkte der verregneten Reise waren die Aufenthalte in Florenz und Bologna, wo die Malerin Werke von Raffael und Guido Reni tief beeindruckten. Am 5. Oktober erreichten sie Rom. Der Freund Alexander Gilli hatte bereits ein Quartier besorgt und half mit seinem Italienisch bei den ersten Formalitäten. Für ihren neuen Lehrer Riedel hatte die Künstlerin mehrere Geschenke im Gepäck, darunter das Bildnis seines Bruders und das des Freundes Rugendas. Am 9. Oktober stellte sie sich bei Riedel vor, der freundlich, aber zurückhaltend reagierte und sich zukünftig im Caffè Greco, der Anlaufstelle aller neu ankommenden Künstler aus Deutschland, »zwischen 1 und 2« sprechen ließ. Riedel hatte für Julie Hagen ein Atelier in der Villa Malta, einer Besitzung Ludwigs I., gefunden, ein neues enormes Glück für sie, da die Villa eine der schönsten Künstlerresidenzen Roms war. Dort lebten der Bildhauer und Kunstagent Ludwigs, Johann Martin von Wagner (1777–1858), als Verwalter der Besitzung und auch der Bildhauer Peter Schöpf (1804/05–1875), den sie in München schon kennengelernt hatte. Sofort geriet Julie Hagen ins Schwärmen über die in Riedels Atelier gesehenen Werke, seine Albaneserin diente ihr als Vorbild für ihre erste große Arbeit in Rom, die Lautenspielerin.

672 | Die Briefe Doch zunächst war ans Malen nicht zu denken. Zu viele Eindrücke waren zu verarbeiten. Zudem planten die Verwandten am 23. Oktober wieder in München zu sein, bis zu deren Abreise also blieb Julie ihre ständige Begleiterin. Wenige Tage nach der Ankunft in Rom überraschten die Verwandten sie überdies mit der Absicht, gleich nach Neapel weiterzureisen, um dort noch eine Woche zu verbringen. Der Onkel hatte zugesagt, ein weiteres halbes Jahr für den Lebensunterhalt der Nichte zu sorgen. Danach, so hoffte Julie Hagen, wäre die Zusage der Großfürstin eingelöst und die finanzielle Abhängigkeit von den Verwandten beendet. Es kam aber anders. Dank der Empfehlungsschreiben, die sie von Severin und Rugendas in München erhalten hatte, deuteten sich am Ende des Briefes erste neue und interessante Verbindungen an. Dem Schweizer Maler Salomon Corrodi (1810–1892), dessen Familie bald zu den engsten Bekannten Julie Hagens in Rom gehören sollte, war sie durch drei Schreiben empfohlen. Alles in allem war damit ein vielversprechender Anfang für die römischen Jahre der Malerin Julie Hagen gemacht. Julie Hagen an ihre Eltern aus München, 29.8.1951 München d  : 29/8 51. Meine theuren Aeltern  ! Obgleich ich sehr müde bin so will ich denn doch daran denken einen neuen Brief anzufangen denn sonst kommt der Eurige und ich habe wieder kein Wort bereit. Meine Geschichte will ich weiter erzählen. Alle Tage sehe ich diesen oder jenen von der Gesandtschaft und Leute welche mir gratuliren kommen so z. B. Kotzebou, der sagt mir daß ich den Umfang meines Glückes das ich gemacht noch gar nicht kenne, ich wäre jetzt so gestellt daß wenn ich heute oder in 10–15 Jahren erst nach Petersburg käme ich gleich den ganzen Hof zu malen bekäme da die Grossfürstin und die Kaiserin mich protegiren. Gestern ging {ich} zum Gesandten um mich zu bedanken den ich höchst vergnügt fand er erzählte wie er sich die unbedingte Mühe gegeben nämlich die Gesandtin hatte zuerst der Fürstin von mir und meinem Talente erzählte welche aber nur mit halben Ohren zu gehört, es war ja von einem Mädchentalent die Rede, darauf spricht der Gesandte selbst am Abend beim Thee doch auch das Mal fiel die Sache ohne Interesse zu erregen was den alten guten Mann in Verzweiflung gebracht und dem Grafen Wilchursky gesagt  : »Sie müßen mit mir ins Attelier unserer Landsmännin gehen«, das geschieht also auch und wie der Zufall es will findet er mich nicht zu hause, nichts wollte ihm glücken und dennoch hörte er nicht auf immer wieder von Neuem anzufangen bis es endlich | klapte. d  : 4 Sept Die Gräfin Wimpfen habe ich angefangen und bald fertig. Leider waren die Damen auf die schöne geschnürte Tallie besonders capizirt [sic] weshalb das Bild weniger gut in der Anordnung geworden als es hätte sein kön-

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nen. Alle Tage habe ich die Gesandten im Hause, einer oder der andere, auch neulich den österreichischen Gesandten, den Fürsten Esterhatzi.636 Mit meinem Paß bin ich also so weit im Reihnen daß ich auf den Paß der Verwandten als Nichte bei gesellt werde, meinen eigenen mitnehme, welcher natürlich nicht vesirt werden kann aber mir dort den Aufenthalt sichert da ich der Gesandtschaft dort empfohlen werde. Der Gesandte sagte mir heute noch  : »anders ginge es nicht, Ihre Sachen stehen so gut da daß wir ja nichts verderben müßen.« Das schlechte Wetter und der Herzog {von Leuchtenberg}, welcher heute abgereist ist, hat die Herrschaften in München erhalten und so gehe ich nicht hinaus nach Starenberg, Samstag oder Sonntag male ich noch die Tante Anna und ziehe Montag aus637 Dienstag, Mittwoch Donnerstag male ich den Maler Volz noch und reisen dann vielleicht Samstag oder Sonntag ab. Von Blum habe ich einen sehr sehr liebenswürdigen Brief, er möchte noch nach München kommen bevor ich ab gehe. Daß Bidders638 hier waren erfuhrt Ihr wohl durch sie selbst früher als durch mich. Die 6 Hemden für Mieze | und ein wollenes Kleid, zu sammen gemacht zu einem Rock nehmen sie bereitwillig mit. Die Tante bestimmt alles der Mieze, bei der nächsten Gelegenheit schickt sie den andern was. Montag d  : 8 Sept. Die Uhr ist bereits 11 geworden unter Kramen in meinen Mappen und Papieren. Der Kopf ist mir ganz toll geworden, nicht weiß ich recht wo beginnen und wo enden, so viel habe ich zu besorgen, zu thun, Vesiten zu machen und endlich noch immer zu malen. Heute fing ich den Maler Volz noch an, schon in seinem Attelier da ich das meine verlassen muß, wol morgen in der Früh werde ich alles fort schaffen lassen, Tante Anna ist gemalt, zum Lachen ähnlich in 5 Stunden zusammen gefegt worden. nehmt vorlieb damit. Gestern kam Euer Brief meine lieben, lieben Aeltern welcher mir große Freude gemacht, ich will schon sehen wie ich ihn ordentlich beantworte denke ihn erst den Meinigen den Tag vor unserer Reise abzusenden denn am nächsten Sonnabend reisen wir wol wenn wir fertig werden und der Onkel wieder wohler ist, welcher übel aus sieht und gern das Bett sucht. Dem Veturin ist der Contrakt gemacht, er bringt uns bis Florenz in 13–14 Tagen über Insbruck Botzen Trient Verona etc. und sind wir mit ihm zufrieden so führt er uns auch nach Rom. Leider daß die guten Verwandten am 22 October wieder in München sein müßen, sie werden wenig Vergnügen sich schaffen können, weshalb  ? das weiß ich nicht. Geschäfte, Geschäfte  ! – Tante arbeitet wie ein gehetztes Lastthier sie strickt, flickt, wäscht 636 Graf Valentin Esterházy von Galántha (1814–1858) war ab 1850 österreichischer Gesandter in Bayern und ab 1853 in Russland. Bis 1849 war er Gesandter in Schweden gewesen. 637 Das heißt, am 8. September 1851 gab Julie Hagen ihr Münchner Atelier auf. 638 Die Familie des Physiologen Georg Friedrich Karl Heinrich von Bidder (1810–1894), der Pathologe an der Dorpater Universität war.

674 | Die Briefe und bügelt wie toll für mich | – auch Rugendas schreibt und zeichnet für mich, Alles ist in Thätigkeit. Marie Berger Lattner (meine Kleine) geht mit und ist noch confuser als meine Wenigkeit obgleich sie weit weniger zu thun hat. Meinen Brief mit der Freudesbotschaft habt Ihr nun wohl erhalten. Der Gesandte ist außerordentlich freundlich, ich bekomme eine Menge Empfehlungen an einflußreiche Personen. Ottos sind hier, waren bei uns, die alte Fummel hat Thränen afectirt als Tante ihr von meinen jüngsten Erlebnißen erzählt. Sie werden mich grade jetzt jeniren. Walters639 müßen wohl auch bald eintreffen. Vielleicht nehmen diese etwas für Euch mit da jene sich dagegen verwehrt obgleich sie gethan als ob sie unsere inthümsten Freunde wären etc. – Mitwoch d  : 10 – Noch einige flüchtige Worte und dann ins Bett wo ich glaube heute Schlaf zu finden nachdem ich seit lange nicht mehr Erquickung fand, es ist eine Unruhe in mir welche ich durch Worte nicht zu gezeichnen weiß. Heute bin ich von ½ 8 Uhr unterwegs, habe Besorgungen und Vesiten gemacht und bin bis auf ein Paar fertig geworden. Gott Lob. Morgen wird gepackt – Der Onkel hat trotz dem Unwohlsein viel meinetwegen laufen müßen bis man endlich mich auf seinen Paß gesetzt. Der Hofmarschall des Herzog v. Leuchtenberg war zum Glück verwandt mit dem Polizeidirektor und durch dessen Fürsprache ist das dann endlich gegangen. Der Gesandte hat mir einen Brief für den dortigen d. h. einen römer Gesandten gegeben und ich hoffe noch daß mir einige zufließen werden. | Leider ist es zu spät, nicht ist es mir möglich eine Dagerotipe von meinem Bilde machen zu lassen da dasselbe schon nach Petersburg abgegangen ist – Die Photographie ist nicht ganz gut, die eine Schwester die mit aller Geistesgegenwart dem halb todten den Puls fühlt, roth und gesund, frisch in jeder Beziehung im Bilde aussieht hat sehr verloren, der Ton ist sehr dunkel geworden und auch dadurch im Ausdruck verloren, wahrscheinlich werde ich die Sachen an Dich nicht packen können da weder Rugendas Bild trocken ist noch die Tante Anna. Mein Bildchen von Volz (Farbabb. 17) mache ich Dir zum Present als Entschädigung für dasjenige was Du von mir nicht mehr sehen kannst, ich hoffe es wird Dir gefallen. Die Lichtbeleuchtung nehme ich nach Rom mit, als Farbstudie um dem Riedel einen Anhalt zu geben außerdem habe ich seinen Bruder und Freund Rugendas gemalt, um sie mit zu nehmen. Gestern ist ein halber Landsmann, Landschaftsmaler Krause640 aus Rom gekommen der erzählte daß 639 Die Familien Otto und Walter waren Bekannte aus Dorpat. Die hier genannte Familie Otto ist nicht näher zu bestimmen, bei Walters handelte es sich vermutlich um den Arzt der Hagen-Familie Piers Uso Friedrich Walter (1795–1874) und Familie. 640 Robert Krause (1813–1885) war in St. Petersburg geboren, daher wohl die Aussage »halber Landsmann«. Krause überquerte zusammen mit Moritz Rugendas 1837/38 die Anden nach

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Riedel von mir wiederholt gesprochen und sich freue mein Talent zu cultuwiren [sic]. Er selbst soll immer noch fort schreiten und fabelhaft malen. Leider daß die Sachen von Euch durch Blum zu spät kommen, meine Zeichnungen muß Tante mir nach Rom schicken. | Was Alexander betrifft, glaube ich sicher, daß von Tante und Onkel für ihn gesorgt werden wird. Denn als meine Staffeleien nach Hause kamen wurden sie auf dem Boden in Verwahr gelegt. Tante machte die Bemerkung  : man solle Alles was ich nicht mit nehme zusammen stellen damit wenn Alexander ein Mal käme er es benutzen könne. Namentlich wird gesorgt werden wenn ich eine Pension bekommen sollte. – Auch für die Tanten kann mehr geschehen, Gott lob ich habe Tante überzeugt daß die arme Cecilie nicht mit der Anna hilft und Böses spricht von diesen Verwandten. – Letztere hat nämlich nach dem Tode der Großmutter sich Dinge erlaubt die nicht in der Ordnung waren z. B. eine jährliche Rente verlangt und ganz impertinente Briefe schreiben lassen etc. Das Alles hat sich nun durch die Sitzungen aufgeklärt und vermittelnd trat ich auf. Cecilie die gute arme Seele muß leiden durch die Herrschsucht der Schwester so daß sie vor Kummer und Elend vergeht, es ist schrecklich daß die Noth immer zankt. – Tante hat mir versprochen die Cecilie unterzubringen überhaupt mehr für sie zu sorgen was mich ganz unbeschreiblich glücklich macht. Grüße von allen Verwandten. Die Tante sagt | sie könne unmöglich schreiben. Was die Bilder betrifft von Rugendas so kannst Du ruhig sein ich habe es bezahlt d. h. ich meinte und wollte daß von meinem Gelde es bezahlt würde doch Tante will es anders, wie sie mir jetzt sagt – Die 6 Louisdor sind für ein Portrait von mir ein gegangen. Auf meine Aufforderung das Geld für mich ein zu senden hast Du durchaus nicht nöthig zu warten, dasselbe gehört Euch, ganz und gar Euch – Habe keine Angst daß ich mich expatrisire641 solche Äußerungen thut man häufig ohne Überlegung in Momenten der Aufregung, ich habe Euch zu lieb als daß ich im Ernste solche Pläne machte. Es wird mir doch so schwer ums Herz daß ich um so viel weiter ziehe von Euch, nie glaubte ich daß eine Trennung von München mir so vielen Kummer machen würde. Wenn es nicht zur Reise käme d. h. wenn plötzlich ein Hinderniß eintreten würde so glaube ich daß es mich nicht erschrecken würde. Seht das ist nun wieder die augenblickliche Stimmung welche mich so reden macht. Tante ist aber auch aufopfernd. Sie läßt Dir sagen Argentinien, auf dieser Reise erlitt Rugendas durch einen Sturz vom Pferd schwere Kopfverletzungen, woraufhin Krause die Reise abbrach und mit ihm nach Chile zurückkehrte. Krause hat umfangreiche Tagebücher hinterlassen, in denen auch dieser Unfall festgehalten ist. 1840 kehrte Krause zurück nach Deutschland und begab sich nach Italien, bis Herbst 1851 weilte er in Rom und muss zu diesem Zeitpunkt gerade in München angekommen sein, vgl. Ring, 2013. 641 Hier  : die russische Staatsbürgerschaft aufgeben.

676 | Die Briefe daß es gescheuter wäre wenn wir unsere Briefe nach München adressierten, von wo aus sie augenblicklich wieder weiter geschickt werden | denn das Porto würde wenn sie direct nach Rom gingen ungleich höher kommen als so da nur bis zur Gränze francirt werden kann. Den ersten Brief, also eine Antwort auf diesen bitte ich aber jedenfalls nach Rom zu adressiren und zwar post restante. er kommt dann wol mit mir zur gleichen Zeit an. Daß die »Kleine« mit geht erzählte ich wohl schon  ? – Um Otto’s kann ich mich gar nicht kümmern um so weniger da sie nichts mit nehmen mögen. Wenn Irmer nur zum Rugendas findet denn der hat alles zu besorgen auch die gewünschte Farbe soll er Dir bringen. Viel sende ich nicht da ich selbst gestern für mich gegen 40 Gulden gekauft. Die Tante Cecilie hat einen schwarzen Schleier auf dem Kopfe und der sanftere Ausdruck wird sie Euch gleich erkennen machen. Daß Großmutter noch frisch ist freut mich ganz unerhört. Ich verspreche ihr Augenwasser nebst meinen herzlichen Grüßen. Mariana Otto finde ich alt aussehend, es ist gut daß sie heirathet sonst bleibt sie sitzen. Sivers, Wachters Rosalie Kircheisen, H. Hartmann und allen Freunden meine Grüße. | Wenn Mieze an Schwarz schreibt so soll sie ihn grüßen von mir. Abends  : Heute vor Tisch ging ich noch einige Besuche und Besorgungen zu machen und zugleich auch zu Ottos fand ihn den alten Manne allein. Ich gewann Muth ihn zu bitten die wenigen Farben für Dich mit zu nehmen, er versprach’s und vor einer Stunde war ich bei ihnen, sie die Alte war unausstehlich, das kleine Päckchen hat sie ganz uns wieder gebracht, mich berührte es wenig nur fürcht ich möchte der Alte leiden daß er sich von seiner Gutmüthigkeit hat hinreißen laßen mir diese Gefälligkeit zu erweisen. Mariana sieht doch schon recht alt aus, sie erzählte mir daß ich so liebenswürdige und fleißige Geschwister hätte etc., sie machte mir natürlich große Freude. Der ganze Tag ist vergangen in furchtbares Laufen und Packen, bin Hunde müde, morgen natürlich geht es nicht besser und übermorgen Früh geht es fort. Tante und Onkel haben mir einiges Geld 200 Gulden in Gold gegeben welche ich in meinen Unterrock genäht und mir gesagt daß sie ein halbes Jahr noch für mich sorgen wollen ich habe schon oft und viel geweint. | Der Abschied wird mir schwer sehr sehr schwer. d  : 12 Sept. Die Nächte vergehen schon seit lange schlaflos, ich fühle mich am Morgen müder als am Abend wo ich mich nieder lege. Gedanken und Gefühle stürmen durch einander ohne daß ich einen auf länger als Secunden fest zu halten vermag. Eine Trauer hat sich meiner bemächtigt es ist mir selbst als müßte ich von Euch abschied nehmen als wäre erst jetzt eine körperliche Trennung für uns gekommen. Ruhe finde ich wohl erst im Wagen, morgen um 6 Uhr geht es also fort. Vielleicht schreibe ich Euch aus Florenz  ; doch bestimmt verspreche ich’s nicht, auf Reisen ist man nicht sein eigener Herr. Das Wetter ist hier so kalt so winterlich wie es bei Euch kaum sein kann. Mit den Schwalben ist gut ziehen

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wenn man nur die Seinigen mit sich nehmen dürfte. Zwei große Koffer sind mit Kleidern und Wäsche allein für mich gepackt außer den Kisten und Kästen mit Malaparat. Meine liebe Zither begleitet mich auch, dieses Instrument ist ganz für ein Malerattelier geschaffen. Im letzten halben Jahr habe ich mir manche halbe Stunde vertrieben wo ich auf mein Modell zu warten hatte. Selbst im | Schreiben findet Ihr Alles und Alles durcheinander geworfen, verzeiht mir, es sollen schon wieder bessere Briefe kommen. Da ich noch viele Besorgungen habe so schließe ich denn und nehme mit tiefem Schmerz von Euch abschied, im Geiste presse ich Euch alle an meine heiße Brust. Gott erhalte Euch und führe Euch gesund durch den kalten Winter  ! Lebt alle herzlich wohl und glücklich  ! mir ist entsetzlich schwer ums Herz und doch muß geschieden sein, lebt wohl  ! alle, alle  ! Eure treue Julie ich erwarte Post restante einen Brief in Rom, gewiß, gewiß  ! herzliche Grüße von Onkel und Tante. Rugendas wird schreiben wenn wir fort und die Bilder expedirt sind. Die kalte Witterung läßt sie nicht trocken werden es ist recht fatal. Moritz Rugendas an August Matthias Hagen aus München, 27.9.1851 München d. 27sten September

Mein geehrtester Herr, Sie erhalten hiermit die Bilder Ihrer Fräulein Tochter u die Photographien der Bilder welche Kayserliche Hoheit die Frau Großfürstinn – Herzogin – Leuchtenberg an gekauft – so daß Sie – diese wenigstens in einer getreuen – obwohl farblosen Abbildung kennen lernen. In diesem Augenblick  – den ich als einen für Sie  – so freudigen annehmen darf  – möchten Sie nicht aufgelegt seyn  – einen längeren Brief von mir zu lesen – Sie gehören jetzt ganz der Freude – nur durch Ihre treffliche Tochter – Ihres geschaffenen Kunstgenusses, Sie besprechen sich – mit den treuen Portraiten Ihrer Frau Schwester  – es wäre fast indiscret  – Ihnen jetzt  – eine Brieflectüre aufdrängen zu wollen. Ich schreibe lieber direct durch die Post und Sie erhalten die Voranzeige des Abganges  – heute erscheine ich demnach nur als Speditor u – ergreife nur die Gelegenheit mich Ihnen mit aller Hochachtung zu empfehlen sowie Ihrer Gattinn u. Familie. – Ihr ergebener Diener Mor. Rugendas

678 | Die Briefe Hr Staatsrath von Blum – u Sohn Welche seit 14 Tagen – hier verweilen – lassen sich Ihnen freundschaftlich empfehlen. Nochmals Ihr MR Julie Hagen an ihre Eltern aus Benediktbeuern, 14.9.1851 Benedict Beyern d  : 14 Sept. Morgens Meine innig geliebten theuren Aeltern  ! Gestern642 um 7 Uhr unter Thränen verließ ich das Haus in welchem ich 4 Jahre lang warm gebettet war. Rugendas begleitete uns bis in die Sendlingerstraße wo wir die Kleine abholten mit der Bemerkung indem er einstieg  : »ich will den Anfang der italienischen Reise mit genießen.« Noch nicht 10 Schritte vom Hause entfernt wurden mir Blumensträuße und Wünsche in verschiedener Form in den Wagen gereicht, von Malern und Bildhauern. Die Schmerzen der Trennung vermehrten sich statt daß sie geringer wurden und meine Brust wurde krampfhaft zusammen gezogen, ich mußte meine Reisekleider öffnen, die zwar breit genug waren, es half das natürlich auch nichts erst am Abend legte sich dieser quälende Schmerz, dieses Wühlen. – später  : Heute sind wir bei Kochel vorüber und sind zu Fuß über den Kastelberg. Das Gehen ist angenehm in so reiner Bergluft, es scheint aber schlechtes Wetter werden zu wollen. d  : 17 in Klausen. Regen, nachdem wir gestern schönes Wetter hatten über den Brenner, dagegen aber den enormsten Staub. Der geschlossene Wagen unseres Veturino läßt nicht ganz die Landschaft genießen, welche indessen noch so schön nicht ist. Insbruck hat so eigentlich keinen Eindruck auf mich gemacht, die Berge ring’s um sind sehr schön haben wol jetzt im Augenblick an Rang gewonnen da die Spitzen mit Schnee bedeckt sind also ist es nicht so warm daß mir meine wollenen Reisekleider, welche noch dazu wattiert sind, lästig geworden wären. Die Gallerie ist erbärmlich mit ganz schlechten Copien angefüllt. In Tyrol sind durchgehend schöne Kellnerinnen zu sehen, heute hört man schlechtes Deutsch und schlecht Italienisch sprechen, morgen wol schon lauter Italienisch | ich bin herzlich froh. Weinberge und Weinlauben wechseln schon mit einander ab. Sonntag d  : 20. In einem abscheulichen Nest müßen wir ein Paar Stunden uns durch Langeweile zu vertreiben suchen. Dieser Schmutz, diese Unsauber642 Am Sonnabend, den 13. September 1851.

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keit im Äußern wie im Innern und allenthalben ist gar nicht zu beschreiben. Bis beinahe Verona haben wir Regen gehabt somit nichts von der Aussicht gesehen, sie schien monoton zu sein, immer dieselben Berge. Links und Rechts, immer nur Weinberge und immer nur schmutzige Dörfer, dieses Letzteres war zwar was meinem Auge am wohlsten that, grade der grenzenlose Schmutz, die zerrissenen Mauern, die pudelnärrische Bauart ist über alle Maßen malerisch nur wenn der Maler Hunger empfindet dann weiß Gott verwünscht er wol auch das Land wo die Zitronen blühen. Das Verona ist doch eine ganz wunderschöne Stadt, ich war ganz glücklich wieder die alten Straßen zu durchwandern. d  : 21 Mantua. Nachtisch hier angekommen, gingen gleich spazieren fanden nicht viel, die Kirchen sind grade nicht viel, einzelne Häuser haben aber Styl. Heute Früh besuchten wir die köstliche Arena ehe wir von Verona abreisten. Der köstliche Bau hat aber lang nicht diesen bezaubernden Eindruck auf mich gemacht wie im vorigen Jahre beim hell glänzenden Mondschein.  – Es ist heute Sonntag das merkt man aber gar nicht. Das Volk ist eben so schlampig und schmutzig wie sonst, auf dem Markte wird ebenso mit derselben Lebhaftigkeit gekauft und verkauft wie sonst, Alles schreit durch ein ander und bietet seine Waren an, höchstens sieht man hier ein Weib aus dem Volk oder dort ein greulich aussehender | Blusenmann auf der öffentlichen Straße sitzen, dieser läßt sich den Bart abnehmen, jene die Haare kämen oder die Läuse absuchen, hu  : zuweilen überfällt einen doch ein wahrer Graus bei dieser grandiosen Unsauberkeit ein Glück ist es übrigens daß das Malerauge sich in solchen Dingen wohl fühlt. Diese sogenannten Osterien sehen aus wie Hexenküchen oder Mördergruben in denen man sich wol fragt ob man trinken soll oder nicht von dem vorgesetzten Wein, ob diese grinsende alte Hexe mit den grauen fliegenden Haaren oder jener klebrige, beinschwarze Mann mit der abgetrenten Sammethose nicht Giftmischer sind. Das Melitär ist das einzige Völkchen das sauber dahin geht, es ist ordentlich als müßte man sie warnen nicht zu nah an den Häusern zu kommen um ihre weiße Uniform nicht zu besudeln. d  : 22. Im Regen sitzen wir im Wagen nach dem wir eine greuliche Nudelsuppe zu uns genommen haben. Baron Corf aus Livland643 reiste eben mit Frau und einem Verwandten durch quälten sich auch mit den Leuten da sie der Sprache nicht mächtig waren. Ich gab mich ihnen nicht als Landsmännin zu erkennen da sie ihre hohe Geburt sehr sichtlich zu verstehen gaben. Traurig daß es regnet obgleich die Gegend ganz erschrecklich langweilig und monoton, in nichts als Maulbeeren besteht so zeigen sich bisweilen schon Zipressen | an den Villen und 643 Korff oder Korff-Schmising ist ein ursprünglich westfälisches Adelsgeschlecht, das mit dem Deutschen Orden nach Kurland und Livland kam. Die hier genannten Personen lassen sich nicht bestimmen.

680 | Die Briefe Kirchen, üppig und dunkelsaftig grün, von Ferne sehen sie fast schwarz aus. Hier und da ist schon die Weinernte angegangen. d  : 24 Auf den Apeninnen schreibe ich Euch meine theuren Aeltern und Geschwister, die Pferde werden gefüttert es regnet wie mit Spännen gegoßen, ein Regentag folgt dem andern es ist ordentlich grausam daß der Himmel uns diese Gebirgskette so in einem dichten Nebel hüllte daß wir nicht zwei Schritte weit vor uns sehen konnten. Dieses Gebirge welches ich bisher immer mit einer gewissen Ehrfurcht ausgesprochen, tausend ich möchte drein fahren mit einem Zauberstab und den Schleier theilen, der uns die schönsten Bilder verdeckt. Unser Achsenvorspann ist heute das Einzige was unser Auge sieht, die Größe und Dicke dieser Tiere bewundere ich übrigens. Von Trachten ist übrigens hier noch gar nicht die Rede. Modena hat nichts was bemerkenswerth für uns gewesen wäre dagegen ist Bologna reich an Werken der Kunst. Gestern kamen wir ziemlich früh hier an und gingen sogleich in die Gallerie wo ich die prachtvollen Guido Reni’s fand Christus am Kreuz. Maria zur Rechten, Johannes zur Linken und Magdalena ihn zu den Füßen ist bewunderungswürdig schön in Farbe, Composition, in Ausführung etc. Das Bild beschäftigt mich unablässig.644 Die Nacht die ich schlaflos durchmachte unter | den furchtbarsten Magenschmerzen schwebte mir dieses einzige Werk unablässig vor das innere Auge und ich meine daß diese geistige Beschäftigung lediglich beitrug daß ich nicht ernstlich krank wurde. Auf Reisen leide ich immer an Magenbeschwerden aber es schien mir als wäre es so arg noch nie gewesen, ich wundere mich in der That daß ich keine Entzündung bekommen obgleich ich mich heute so unwohl, so müde und abgespannt fühle als hätte ich eine schwere Krankheit durchgemacht. – In Bologna giebt es prachtvolle Gebäude, die feine Architectur, die solide Bauart bewunderten wir sehr und sie gab uns den Maaßstab wie sehr herab dieses so große kraftvolle Volk gekommen, ein wahres Lumpengesindel jetzt, es stimmt einem das Gemüth gewiß recht herab wie man so zu Vergleichen gezwungen wird. Der eisgraue Bettler geht noch mit einem irren stolzen Gefühl, mit einer Grandezza durch die Straßen antik, malerisch kühn den in tausend Fetzen zerlumpten Mantel um seine schlotternden Gebeine drapirt, umher. Ich bin zu wiederholten Malen stehen geblieben und hätte weinen mögen, so tief erschütterte mich dieses Bild, wo Hoheit Stolz und Armuth in einer Person so innig verschmolzen war. – Wenn nur der Regen Einhalt thun möchte denn so ist es gar zu trübselig halb verzweifelt legen wir 644 Die für die Kapuzinerkirche in Bologna, heute San Giuseppe sposo, gefertigte Kreuzigungsdarstellung Guido Renis befindet sich heute in der Pinacoteca Nazionale Bologna (1619, Öl auf Leinwand, 397 × 266 cm, Inv.-Nr. 441). Die Pinacoteca ist seit dem frühen 19. Jahrhundert in Bologna öffentliche Sammlung und im gleichen Gebäude beheimatet wie die Accademia di Belle Arti, zu der sie bis in die späten 1880er Jahre gehörte.

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uns des Abends zu Bette selbst die höchst drollige Bemerkung unseres Veturino kann uns nur selten ein Lachen abgewinnen wenn wir nämlich fragen ob wir wol gute Milch zum Kaffee bekommen werden, den wir den Morgen darauf trinken | sollen so giebt er zur Antwort  : »il Latte é vergine« (d. h. nämlich die Milch ist jungfräulich). d  : 25 In Florenz. Unser Veturino mit dem wir sehr zufrieden waren brachte uns in eines der ersten Gasthöfe in welchem man die Kraft des Geldbeutels der unglücklichen Reisenden bedeutend prüft. Heute Morgen schien uns die Hoffnung zu besserem Wetter zu werden und als es mehrere Gewitter gegeben wurde es klar und wir konnten wenigstens einen kleinen Theil der Apeninnen vor Florenz noch sehen. Dieses Gebirge ist so wunderbar schön in seiner Formation, in seinen tausend verschiedenen Höhen und Bergen welche so üppig von schöner Südvegetation grünen und in einander greifen und in sanften Linien bis an den Meeresspiegel sich hinziehen. Einige wenige Stunden vor Florenz stiegen wir aus um unsere steifen zusammen gerüttelten Glieder zu strecken und zu dehnen, sahen Florenz vor uns liegen und erfreuten uns auch wol an das Strohflechten der Bauerfrauen hier zu Lande. Einige Schlangen machten mich zittert, die unbesorgt die Straßen durchkreuzten. Diese Bestien könnten mir den Aufenthalt in Italien wol verleiden. d  : 3 Oct. Terni. In Florenz waren wir nur 4 Tage geblieben, haben uns gehörig herum getrieben und manches herrliche gesehen trotz allem Regen, die Gallerien sind reich ungeheuer reich, köstliche Raphaels besonders hat mich | seine Fornarina entzückt und dann eine Madonna mit dem Kinde, unstreitig der schönste Raphael der existirt welcher vor noch nicht ganz zwei Jahre aufgefunden und einer Privatsammlung angehört.645 Unsere Reise ging mit einem Veturino über Cortona und Perugia, beide Städte zauberhaft schön gelegen, schön gebaut, hoch oben auf dem Berge, von wo aus man die köstlichsten Aussichten genießt, hier und da sieht man auch schon eine römische Tracht, was bis jetzt gänzlich fehlte. Perugia namentlich ist so antik aus einer so pompös schönen Zeit daß es eine 645 Vermutlich sah sie in der Galleria Palatina, die 1833 für das Publikum geöffnet wurde, Raffaels Porträt einer Dame (La Velata) (1512–1515, Öl auf Leinwand, 82 × 60,5 cm, Inv.-Nr. Palatina n. 245, 1912), von der allgemein angenommen wurde, dass dieselbe Person – die Geliebte Raffaels, Margherita Luti (Lebensdaten unbekannt) – dargestellt sei wie auf dem La Fornarina (die kleine Bäckerin) genannten Bildnis, das sich in Rom im Palazzo Barberini befand und noch heute befindet (um 1520, Öl auf Holz, 87 × 63 cm, Inv.-Nr. 2333). Bei der genannten Madonna kann es sich um die Madonna della Seggiola handeln, die ebenfalls zum Bestand der Galleria Palatina gehört (1513/14, Öl auf Holz, ∅ 71 cm, Inv.-Nr. Palatina n. 151, 1912). Die Aussage, es sei ein erst kürzlich wiedergefundenes Gemälde, kann nicht bestätigt werden, da die Bilder seit langem bekanntermaßen im Medici-Besitz waren (frdl. Mitteilung von Jürg Meyer zur Capellen). Die Galleria Palatina befindet sich im Palazzo Pitti und gehört zu den Sammlungen der Uffizien.

682 | Die Briefe wahre Lust ist in den Straßen die fort während bergauf und bergab gehen herum zu steigen. Hier in Terni kamen wir um 4 Uhr an, Postpferde brachten uns augenblicklich zu dem berühmten Wasserfall der doch noch 4 Stunden etwa vom Orte selbst entfernt ist, noch hatten wir denselben nicht erreicht fielen schon schwere Tropfen, rings um blitzte es in langen feurigen Zackenstrahlen und der Donner rollte und krachte als wäre das jüngste Gericht gekommen. Pechschwarze Finsterniß, Grausen geht uns aus den tiefen Schluchten und Hölen entgegen, kurz es war schauerlich. Als wir nun endlich aussteigen durften um den Fußweg bis zum Wasserfall zu verfolgen sahen wir uns bald von einem ganzen Rudel schreienden | Leuten großen und kleinen, alten und jungen, in seltsame Fetzen von allen zweifelhaften Farben gewickelt, umringt, welche wie die Katzen schmeichelnd uns ihre Dienste anboten aber in einem Geschrei aus allen nur denkbaren Tönen. Hu das war eine wahre Höllenbrut  ! Der Regen hatte die ohne hin unebenen Wege schlüpfrig gemacht und an manchen Stellen sammelte sich in wenigen Minuten das Wasser so an daß wir bis über den Knien einsanken. Der Efect war aber großartig und eine Fabel möchte man es nennen wenn man denkt daß es kein Werk der Natur ist sondern das eines Menschen. Das Wasser stürzt aus einer beträchtlichen Höhe vom Dachsteinfelsen in die Tiefe welche aber dem Auge unsichtbar bleibt da er in seinen eigenen Nebel sich versenkt der denn in ewigen Wolken weit über die Berge auf und hinaus steigt. Es ist wol unstreitig der schönste Fall in Europa, wenigstens der in Deutschland, der Schweiz und Italien.646 – Der Regen wurde immer häftiger und ärger, zuletzt wurde es fast so dunkel wie die Nacht selbst ist und im Zurückgehen durch die Schluchten und den fürchterlichsten Platzregen die nur von den Blitzen glühend erhellt wurden und in Begleitung dieser grauenvollen Katzenbrut | der Hölle war mir’s doch als wäre es leibhaftig die wilde Jagd in der Wolfsgrube im Freischützen. Keinen Faden am ganzen Körper brachten wir trocken ins Gasthaus, zum Glück, hatten wir unsere Hüte in dem Wagen gelassen, so daß wir doch mit Ehren in Rom einziehen können. Die Gegend ist abwechslungsreich, alte Ruinen reihen sich an einander wie Perlen an einer Schnur jeder Berg fast wird durch ein Städtchen geziert, o, es ist wunderbar solche goldenen Scherben  ! – d  : 5 Rom. Die Nacht ist mir in unendlicher Aufregung vergangen, eine ganz unbeschreibliche Sehnsucht nach Euch erfaßte mich und der Gedanke daß ich nun bald in Rom bin erhöhte mein muthloses Gefühl immer mehr und mehr bis ich endlich herzlich weinen konnte. – Wir schliefen in Civita Castelana, von hier ab fing die Campagna von Rom an, kahl und öde, heiß über alle Begriffe, 646 Die Cascata delle Marmore nahe Terni ist ein künstlich geschaffener Wasserfall und mit einer Höhe von 165 m der höchste seiner Art weltweit. Erste Arbeiten, deren Zweck die Trockenlegung eines Sumpfgebietes bei Rieti war, erfolgten im Jahr 271 v. Chr.

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kein Baum, kein Strauch, nur dürr aussehendes Gras, Sümpfe und Steinfelder auf denen Herden Schafe  ; wol an 5–6000 Stück weideten – wechselten mit einander ab. Die Poststraße war bis Rom gepflastert da der Weg sonst zu schlecht wäre. Zu Mittag gingen wir, die Kleine und ich voraus und erreichten eine Anhöhe von wo aus wir den Peter in Rom als kleinen Punkt an der Horizontlinie erblickten, in selber Linie rechts das Meer, unsere Herzen pochten | gewaltig auf und wir fragten einander ob es wahr ist daß wir vor den Thoren Rom’s ständen, es schien uns nicht möglich, Gegen 5 Uhr fuhren wir in die Stadt ein, wenig Menschen begegneten wir, auf 20 Civilisten 3 Geistliche die mit einer gar nicht zu sagenden Frechheit den Damen ins Antlitz schauten, an der Dogana647 wunderte ich mich über diese Pfaffen auf eine unbeschreibliche Weise, unverwandt sahen sie in unseren Wagen mit doppelten Lorinetten versehen. Gilli unser vorigjähriger Freund hatte den Auftrag für uns ein Quartier zu miethen und dieser liebe Bursch war uns entgegengekommen um Zeuge unseres Einzuges zu sein und bei den verwünschten Doganen hilfreich Hand zu bieten. d  : 9 October 51. Eben von Meister Riedel (Farbabb. 18) gekommen dem ich meine Photographien gezeigt und so glücklich bin daß er sich seinen Bruder und Freund Rugendas von mir aus bat, er lobt nicht gerade sehr stark in Worten sagte aber daß er überrascht sey über meine Fertigkeit und daß ich in Rom wol weiter schwimmen könne ohne zu ertrinken. Er ist sehr leident hat die fürchterlichsten Kopfschmerzen war aber so lieb und nett, daß ich schon jetzt ohne Scheu mit ihm sprechen kann. – | Den Tag nach unserer Ankunft wollten wir gleich zu Riedel, welcher zwar erst von 11 bis 12 zu sprechen ist, früher nimmt er ungern Besuche an wir wurden aber in der Dogana so aufgehalten daß die Zeit verging ohne diesen so wichtigen Besuch zu machen. Also am Dienstag Schlag 4 Uhr standen wir vor seiner Thür, mein Herz pochte hörbar und ich zitterte wie ein Espenblatt, ich fühlte je länger ich zögerte desto häftiger wurde diese Spannung, kurz angeklopft mußte werden, ich hörte drinnen ein Geräusch und es dauerte einige Minuten ehe aufgemacht wurde. Mit einem Mal ging die Thür auf und Riedel stand vor uns, Tante sagte nichts also bot ich ihm die Hand mit den Worten  : »Meister Riedel Ihre Schülerin.« Sein Gesicht erhellte sich und seine Antwort war sehr herzlich und freundlich. Rugendas hatte mich ihm schon angemeldet und er hatte seine Blicke nach einem Attelier in seinem Sinne schon herum geschickt, ein Zufall, oder mein enormes Glück wollte es daß ich eines der schönsten Atteliers in ganz Rom bekomme und zwar in der Villa Malta, König Ludwigs Besitzung in welcher nicht allein von 3 Seiten Licht durch große Malerfenstern hereinströmt sondern ich habe den Garten mit einem Bilveder von wo aus ich die ganze große sieben647 Italienisch  : Zoll.

684 | Die Briefe hügelige Stadt Rom übersehe, zur Benutzung in welchem zwar Schlangen hausen sollen, aber in dem ich die prächtigsten Pflanzenstudien machen kann da sogar | eine große famose Palme dort ist, unsere Wohnung ist in derselben Straße ungefähr 10 Schritt von der Villa Malta entfernt, von wo aus ich ohne Hut ins Attelier bequem gehen kann. – Der alte berühmte Bildhauer und Director der Academie Wagner648 residirt dort und Bildhauer Schöpf649 ebenso berühmt hat auch sein Attelier dort, Alles Freunde vom Riedel und Rugendas. Was könnte ich besseres mir wünschen sogar darin kann ich mir Rath holen wenn ich Gipshände oder Füße brauche. O wenn das nie aufhören möchte d. h. die glücklichen Zufälle, die sich mir bieten und die ich doch noch nicht verdiene  ! Riedels Albaneserin,650 von welcher die Zeitungen schon oft geschrieben und welche nach Würtemberg kam hat er noch ein Mal gemalt. Ich wollt das Bild machte eine Reise um die Welt damit jeder Mensch sie sehen könnte, so etwas Liebliches habe ich noch nie gesehen, diese Zartheit im Lachen nein es giebt keine Worte um sie zu schildern und dann die Beleuchtung, Himmel hier hört es auf Farbe zu sein, reines Licht, die herrlichste Sonne strahlt uns entgegen, selbst wenn es Nacht wird (er machte nämlich durch Läden sein Attelier ganz dunkel) leuchtet es in einer Weise daß man staunend und sprachlos davor stehen bleibt.  – Daß er für mich in jeder Beziehung der Kunst sorgen will versprach er in einer so liebenswürdigen Weise 648 Der Maler und Bildhauer Johann Martin von Wagner war als Kunstagent Ludwigs I. in Rom und auch Verwalter der Villa Malta. Leider hat sich bisher keine Quelle finden lassen, die im Überblick Auskunft über die damaligen Bewohner bzw. Nutzer der Ateliers gibt, hier ist noch Grundlagenforschung zu leisten. Die Ateliers der Villa wurden in der Regel an deutsche Künstler vermietet, die Vermittlung Riedels war für die Künstlerin ein Glücksfall. Von Wagner lebte als Kustos der Villa seit 1831 dort, 1841 war ihm von seinem Gönner, Ludwig I., der Posten des Generaldirektors der Pinakotheken angetragen worden, den er aber nicht antrat, da er Rom nicht verlassen wollte. Neben vielen anderen Ehrungen und Orden wurde von Wagner auch nomineller zweiter Direktor der Münchner Akademie, wie Julie hier schreibt. Zur Villa Malta vgl. Gregorovius, 1997, S. 249–272  ; Deutsche Künstler um Ludwig I. in Rom, 1981, S. 7–13  ; Christiane Schlachtner, Johann Christian Reinhart. Die vier Ansichten von der Villa Malta auf Rom 1829–1835, Magisterarbeit München, 2007, S. 7–18. 649 Der Bildhauer Peter Schöpf (vgl. Anm. 362) lebte überwiegend in Rom und kehrte nur kurzzeitig zu arbeitsbedingten Aufenthalten nach München zurück. Er arbeitete in Rom zeitweise in von Wagners Bildhauerwerkstatt mit und wohnte ab 1844 in der Villa Malta, 1857 übernahm er das Amt des Verwalters der Villa. 650 August Riedel, Römerin aus Albano, um 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 140 × 100 cm, Privatbesitz, abgebildet und erläutert in  : Conrad/Trepesch, 2016, S. 122–125. Hierbei handelt es sich um die von König Wilhelm I. von Württemberg erworbene Fassung. Das Gemälde beeindruckte Julie Hagen so sehr, dass sie wenig später mit demselben Modell, einer jungen Römerin namens Assunta, Studien begann. Mit ihrem ersten großen Werk in Rom, der Lautenspielerin, hielt sie sich eng an diese Riedel’sche Vorlage (Julie Hagen, Lautenspielerin, 1852, nicht bez., Öl auf Leinwand, 157 × 106,5 cm, Verbleib unbekannt  ; abgebildet in  : Portraitarea, 2011, S. 34).

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daß ich ihm lieber um den Hals hätte | fallen mögen. Mein Meister sagte mir daß er mich genau kenne, alle meine Tugenden, wie Fehler etc. Tag’s darauf gingen wir abermal hin um zu erfahren wie es ihm geht, und nun sprechen wir ihn täglich zwischen 1 Uhr und 2 im Kaffee Greco,651 dort wo sich alle Künstler versammeln, – einen Brief von Rugendas fand ich dort an mich adressiert, schon der zweite seit ich von München entfernt bin. Im ersten Brief nach Florenz schreibt er so erfreut und glücklich über den hübschen Aufsatz von August Lehwald »Kunst und Leben in München«652 – in welchem er auch mir einen Kapitel gewidmet hat, einige Bruchstücke schickte er mir mit bis er das Ganze Gelegenheit findet zu senden, dann bittet er mich um meinen Namenszug auf einen Bogen Zeichenpapier damit er die Handzeichnung d. h. mein Porträt von ihm für den alten Vogel von Vogelstein in das Künstleralbum zu Dresden zeichnen kann.653 Das alles übrigens wird er wohl selbst berichtet haben da er mir jetzt schreibt daß er Dir lieber Vater geschrieben habe. Blum654 ist am Tage meiner Abreise in München angekommen. Hätte er mir auf meinen letzten Brief noch 651 Treffpunkt und erste Anlaufstelle der deutschen Künstler in Rom war das Caffè Greco in der Via dei Condotti, dort trafen sie täglich auf Landsleute, konnten sich eine erste Orientierung geben lassen und holten ihre Post ab, wie auch Julie Hagen schreibt. 652 Im Archiv des Kunstmuseums Tartu befinden sich noch einige wenige Dokumente aus dem Nachlass der Familien Hagen und Schwarz, darunter mehrere zeitgenössische Zeitungsausschnitte. Unter diesen ist ein Kunst und Leben in München II. betitelter Artikel, der sich Leben und Werk Moritz Rugendas’ widmet. Dieser ist einer der Teile, die August Lewald 1851 unter diesem Titel veröffentlichte (Augsburger Postzeitung, 165. Jg., Nr. 230, 24.8.1851, S. 858/859). Insgesamt erschienen in der Augsburger Postzeitung drei Artikel des Titels, vgl. auch Augsburger Postzeitung, 165. Jg., Nr. 231, 23.8.1851, S. 853/854, und Nr. 233, 26.8.1951, S. 863/864. Julie Hagen ist in keinem der Artikel erwähnt. Für die Kopien aus dem Archiv des Kunstmuseums Tartu dankt die Verfasserin Peeter Talvistu. 653 In der heute in Dresden noch überlieferten Sammlung Carl Christian Vogel von Vogelsteins (1788–1868) befindet sich kein Porträt Julie Hagens, sie enthält aber ein Selbstbildnis des Moritz Rugendas (Moritz Rugendas, Selbstbildnis, 1850, bez. in der Zeichnung, rechts  : »MR de ipse fecit. München 1. August 1850«, unter der Zeichnung  : »Mor. Rugendas. geb. zu Augsburg, 29ten Maerz 1802. Wagen gewinnt  !«, Graphit, z. T. gewischt auf Papier, 34,1 × 26,3 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 3361). Sicher kam Julie Hagen der Bitte Rugendas’ nach. Möglicherweise handelt es sich bei dem im Stadtmuseum München überlieferten Porträt Julie Hagens von Moritz Rugendas um die gewünschte Lieferung, die sich vielleicht verspätete und aus einem uns heute unbekannten Grund nicht mehr in die Sammlung Vogelsteins gelangte (Moritz Rugendas, Julie Hagen, 1854, bez. unten Mitte  : »Julie Hagen«, am unteren Bildrand  : »Gezeichnet von meinem Bruder Moriz im Jahr 1854. Rugendas«, Bleistift auf Papier, 31,9 × 21,6 cm, Stadtmuseum München, Inv.-Nr. G-M-IV-2637). Vogelstein kannte Julie Hagen bereits aus ihrer Dresdener Studienzeit. Er hatte ihr 1847 die Möglichkeit gegeben, in seinem Atelier zu malen. 1853 ließ er sich in München, also in unmittelbarer Nähe zu Rugendas, nieder. Vgl. Conrad/Trepesch, 2016, S. 168–171, dort auch Abbildungen beider Blätter. 654 Hier ist der Vater Wilhelm Blums, Karl Ludwig Blum, gemeint.

686 | Die Briefe geantwortet daß er kommen wolle dann hätten wir wohl die Reise auch noch verschoben. Rugendas nimmt sich seiner freundlichst an und er schreibt mir daß der alte ein fideler Gesellschafter sey und jünger ist als sein Sohn, kurz er gefällt ihm sehr wohl. | Daß Kaulbach sich meine Photographien angeschafft hat um sie in seiner Wohnung zu hängen weiß ich nicht ob Ihr schon wißt. Rugendas schrieb mir’s jetzt, überhaupt erhält er von allen Seiten den Auftrag immer noch welche zu bestellen. – d 15 Oct. Gestern endlich nachdem ich alle Tage auf die Post gerannt fand ich Euren Brief, tausend Dank für denselben, Ihr seit gesund und erfreut über meine glücklichen Ereignisse was bedarf ich mehr  ? hier in dieser Natur, O könnt ich Euch alle herzaubern  ! Hier läßt sich trotz der französischen schweren Besatzung doch frei athmen, es ist so ganz anders als in München, anders als in Paris, ach so einzig so göttlich  ! Sonntag beim kostbarsten Wetter speisten wir in Tivoli im Tempel Adrian655 nachdem wir eine lustige Eselpartie durch die prächtigen Berge machten um die vielen Wasserfälle zu sehen, es war ein Tag so golden wie es schwerlich wieder erscheinen kann. Ich dachte so lebhaft an Euch und meinte ich müßte aus voller Brust rufen damit Ihr den entzückend schönen Tag mitgenießen könntet, mein Auge spähte weit über die herbstlich braune Campagna in die offene Landschaft gegen Norden hin und ich sandte Grüße Euch auf den Sirokowind, der immer nicht aufhört zu wehen. Ich weiß nicht was ich Euch schon geschrieben, von Kunst wol wenig oder | nichts, das erlaßt mir auch, obgleich ich unendlich viel schon sah so hat es mich für’s Erste erst noch dümmer gemacht, alles wirrt sich bunt durcheinander. Und namentlich heute fehlt mir vollends die Muße daran zu denken da soeben die Verwandten mir eröffnen daß wir morgen mit dem Dampfschiff nach Neapel abreisen um 8 Tage dort zu weilen Glück über Glück  ! was sagt Ihr dazu  ? – Die Kleine reist mit. Verzeiht mir diese Eile aber glaubt mir ich bin wie ein gehetztes Reh die ganze Zeit über gewesen. Einen Tag hätte ich wol zu hause bleiben können um Euch Nachrichten zu geben in aller Weitläufigkeit werdet Ihr meinen, doch das ging nicht da die Verwandten mir’s übel hätten nehmen können, wenn ich sie in der letzten Zeit unseres Zusammenseins verließe. Was die Briefe betrifft muß ich Euch bitten ja kein Couvert zu machen sondern auf einen ganzen Briefbogen zu schreiben damit jedes Fleckchen beschrieben ist, für Briefe haben die Italiener keine Taxe und dieselben werden nicht nach dem Gewicht bezahlt, das Couvert z. B. bezahlt einen doppelten Brief, so kommt es vor daß man mehrere Scudi zahlen muß für einen, welcher in Deutschland als ein gewöhnlicher passirt, für | den gestern eingegangenen Brief habe ich fast einen Scudi bezahlt und da hat man sich gewundert daß er nicht 655 Der Tempel liegt innerhalb der Palastanlage der Hadriansvilla bei Tivoli, der Sommerresidenz des römischen Kaisers Hadrian (76–138).

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theurer war, was ferner das Absenden oder das Adressiren über München betrifft bin ich auch dafür gleich direct zu schreiben, daß mußt Du lieber Vater den Verwandten selbst schreiben ich kann’s ihnen nicht sagen ich weiß daß sie mit ihrem Mißtrauen gleich schwarz sehen würden. Später in großer Confusion befinde ich mich, die Reise nach Neapel ist mir zu rasch gekommen, noch kann ich den Gedanken nicht fassen, um so weniger mich in ihm finden. – Eine Frage in Deinem Briefe will ich beantworten, nämlich die  : wer den Preis für das Bettelkind (vgl. Abb. 20) gemacht. Im ersten Augenblick der Überraschung wo ich noch zitterte von Dankgefühl und Wonne daß die Grossfürstin entzückt sey sollte ich gleich den Preis bestimmen, natürlich war ich bereit ihr das Bild zu Füßen zu legen was nicht angenommen wurde, da bat ich denn selbst einen Preis zu machen was wieder nicht ging also machte ich ihn selbst, meinem Gefühle war es gänzlich zu wider ihn höher zu stellen im Augenblick wo man mich mit so großen Gnaden überhäufte, wo man für alles zu sorgen verspricht. | Auf all die Fragen die etwa noch vor kommen im nächsten Brief der ruhiger und geregelter geschrieben sein wird, ich werde dann schon etwas gearbeitet haben und die Abendstunden werden am Schreibtisch verbracht indem ich Euch erzähle was mich freut oder schmerzt in dieser goldenen Stadt. Gestern sahen wir den Papst,656 er kam von einer Spazierfahrt zurück. Vor seinem verschlossenen Wagen ritten drei Vorreiter und rings um denselben mit einer bedeutenden Eskadron Soldaten bedeckt, er theilte dem Volk daß sich in den Straßen zum Theil nieder knieten den Segen aus, o Ihr könnt gar nicht glauben welchen schrecklichen Eindruck mir dieser arme gefangene Papst machte, ich fing furchtbar an zu weinen und ich setzte die Meinigen in nicht geringes Erstaunen. Mein Gesandter in München hat mich hier sehr warm empfohlen, eine Aufenthaltskarte auf ein Jahr habe ich erhalten und zugleich die Aufforderung mich in jeder Lage an die Gesandtschaft zu wenden auch sobald ich jemanden kennen lernen will soll ich’s dem Gesandten sagen. Als ich ihm gestern erzählte daß ich Riedels Schülerin sey wurde er ganz roth u konnte es kaum begreifen da R.{iedel} nie Schüler gehabt heute schickte er mir einen Brief an einen Maler Corodi657 | von dem ich ganz herrliche Aquarelle im Frühling auf dem Münchner Kunstverein sah, das ist nun schon die dritte Empfehlung die ich in dieses 656 Pius IX. (1792–1878) war Papst seit 1846. 657 Der Schweizer Maler Salomon Corrodi (1810–1892) hatte sich als Aquarellist auf Veduten spezialisiert, mit denen er sehr erfolgreich war. Sein Haus war einer der gesellschaftlichen Mittelpunkte für deutsche und Schweizer Künstler in Rom. Julie Hagen gehörte bald zu den engeren Freunden dieser Familie. Salomon Corrodi war 1845 eines der Gründungsmitglieder des Deutschen Künstlervereins in Rom und von 1853 bis 1856 dessen Präsident. Zu Corrodi vgl. Steinhoff, 1992.

688 | Die Briefe Haus bekomme, Tante und Onkel grüßen, lebt alle wohl und vergnügt und verzeiht mir meine Eile. Grüße natürlich folgen an alle meine Freunde, ich will ihnen allen schreiben weiß es aber nicht anzufangen lebt wohl und glücklich, o möchtet Ihr so glücklich sein wie es ist Eure treue Julie. Du sprichst da von Geld das mir sein soll nichts gehört mir verwendet es für Euch ich bitte darum, mir fehlt es jetzt nicht und ich kann arbeiten also ohne Scheu nehmt das Geld. Kann welches […] ich bat ja schon so oft darum, was hilft mich’s denn wenn es im Kasten liegt während es ein Anderer nöthig braucht – ich habe Geld für ein halbes Jahr und hoffe so lang nicht auf die Grossfürstin warten zu müssen. Lebt wohl  ! –

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Farbabb. 1  : Carl Rohde, Die Neue Pinakothek mit den Wandgemälden nach Entwürfen Wilhelm Kaulbachs, um 1860, kolorierte Lithografie, Stadtmuseum München

Farbabb. 2  : Wilhelm Kaulbach, Die von König Ludwig I. zur Ausführung seiner Ideen berufenen Künstler im Fach der Historien-, Schlachten-, Landschafts- und Genremalerei, um 1849, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München

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Farbabb. 3  : Louis Gallait, Ein Mönch, Arme speisend, 1845, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München Nächste Seite: Farbabb. 4  : Ary Scheffer, Faust und Margarete im Garten, 1846, National Gallery of Victoria, Melbourne, erworben 2007 von Ian Hicks AM und Familie, gestiftet in Erinnerung an Dorothy Hicks

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Farbabb. 6  : August Riedel, Judith, 1840, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München Vorige Seite  : Farbabb. 5  : August Riedel, Sakuntala, 1841, Privatbesitz

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Farbabb. 7  : Julie Hagen Schwarz, Bildnis Ludwig Schwarz, um 1855, Familienbesitz

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Farbabb. 8  : August Matthias Hagen, Selbstbildnis, um 1845, Privatbesitz

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Farbabb. 9  : August Riedel, Badende Mädchen, ohne Datum, OÖ. Landesmuseum, Schlossmuseum Linz

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Farbabb. 10  : Julie Hagen Schwarz, Selbstbildnis mit Strohhut, um 1850, Tartu Art Museum

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Farbabb. 12  : Julie Hagen Schwarz, Das Liebesbriefchen, 1851, Privatbesitz

Vorige Seite  : Farbabb. 11  : Julie Hagen Schwarz, Bildnis Moritz Rugendas (Studie), 1849, Estnisches Kunstmuseum Tallinn

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Farbabb. 13  : Julie Hagen Schwarz, Bildnis Ludwig Freiherr von und zu der Tann-Rathsamhausen (Studie), 1850, Tartu Art Museum

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Farbabb. 14  : Julie Hagen Schwarz, Bildnis Katharina Voltz, 1850, Privatbesitz

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Farbabb. 15  : Julie Hagen Schwarz, Datura, 1850, Estnisches Kunstmuseum Tallinn

Farbabb. 17  : Friedrich Voltz, Viehabtrieb, 1851, Privatbesitz

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Farbabb. 16  : Moritz Rugendas, La Siesta, 1850, Sammlung Banco Itaú, São Paulo

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Farbabb. 18  : Leopold Pollak, Bildnis August Riedel, 1851, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München

Nachbetrachtung Julie Hagens Porträt von Moritz Rugendas in Bild und Wort Pablo Diener1 Im Jahre 1849 malte Julie Hagen ein epochales Porträt von Moritz Rugendas. Sie stellte ihn als reisenden Künstler bei der Arbeit auf dem amerikanischen Kontinent dar. Damit schuf die junge Malerin aus Dorpat ein Werk, das uns aus heutiger Perspektive in zweierlei Hinsicht interessiert  : Einerseits tritt Rugendas hier als ein Künstler auf, der sich der Welt im schöpferischsten Moment seiner Biografie zeigt, nämlich auf den Reisen in Übersee, wo er selbst von den Einheimischen aufgrund seiner Beobachtungsfähigkeit bewundert wurde  ; andererseits geschieht dies nach der Rückkehr nach München, in einer Phase seines Lebens, die in der bisherigen Geschichtsschreibung2 als Phase des Scheiterns, der Erfolglosigkeit und der Niedergeschlagenheit beschrieben wurde. Julies Briefwechsel mit ihren Eltern erzählt Schritt für Schritt die Details des Arbeitsprozesses an diesem Bild und präsentiert dabei den Augsburger Maler weiterhin als einen stolzen und selbstsicheren Künstler. Somit lieferte die Malerin nicht nur ein Bildnis der körperlichen Gestalt, sondern auch der geistigen Verfassung eines nach wie vor kreativen Mannes. In diesem Essay soll erläutert werden, unter welchen Bedingungen Julie Hagen dieses »neue Porträt« von Rugendas schuf und inwieweit die Briefe unser bisheriges Verständnis vom Künstler ergänzen oder gar verändern. Der reisende Künstler Johann Moritz Rugendas erreichte schon in den frühen Jahren seiner Karriere großes Prestige. Mitverantwortlich für den Ruhm des Malers aus Augsburg war Alexander von Humboldt, der ihn bereits 1826 als einen intelligenten und geschickten Maler gepriesen hatte, unmittelbar nachdem der Vierundzwanzigjährige mit ersten Erfahrungen in Südamerika als Zeichner der Brasilienexpedition Georg Heinrich von Langsdorffs nach Europa zurückgekehrt war. Humboldts Urteil hat wesentlich dazu beigetragen, dass der junge Rugendas sein Werk »Malerische Reise in Brasilien« in der bestdenkbaren Form publizieren konnte, nämlich als Großfolio-Band mit 100 Lithografien, an denen über 20 hochspezialisierte Druckgrafiker mitwirkten, bei dem renommierten Verlag von 1 Für die aufmerksame Revision des deutschen Textes bin ich Christin Conrad zu Dank verpflichtet. 2 Siehe dazu u. a. Richert, 1959  ; Löschner, 1976  ; Diener, 1997.

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Nachbetrachtung

Godefroy Engelmann.3 Nachdem der preußische Wissenschaftler die erste Lieferung des Bandes erhalten hatte, schrieb er begeistert  : Ich bin so glücklich gewesen, hier in Paris zuerst das große Talent zu rühmen, dass Sie in Auffassung des physiognomischen Teiles der Landschaft besitzen. Ihr liebenswürdiges Wesen, Ihre geistige Bildung, Ihr reiner künstlerischer Geschmack erhöhen solch ein Talent, die Ausführung des Werkes macht es zum ersten, das über die Tropennatur erschienen ist, […].4

Nach der Herausgabe mehrerer Hefte dieses prächtigen Lieferungswerkes eilte dem Künstler, wohin auch immer er kam, sein Ruhm voraus. So etwa auf einer Italienreise in den Jahren 1828/29, als er in Ancona den Dichter August von Platen traf, der mit Interesse in seinem Tagebuch die Projekte des reisenden Künstlers kommentierte  ;5 oder kurz danach, als ihn der Freund August Riedel als charmanten jungen Mann porträtierte und sein Modell ergänzend als den »Schönsten seines Geschlechts« charakterisierte6. Selbstbewusst und mit dem Segen Humboldts sowie dessen Vermittlung finanzieller Unterstützung startete Rugendas bald darauf eine zweite Amerikareise. Diesmal unternahm er die künstlerische Tour auf eigene Faust  ; sie begann in Veracruz, im Golf von Mexiko, und sollte ihn gut 15 Jahre lang durch große Teile Lateinamerikas bis hin zum Kap Horn führen. Ein Brief aus Mexiko-Stadt, an die Schwester Louise, kurz nach seinem dreißigsten Geburtstag geschrieben, lässt die Selbstsicherheit des Künstlers erkennen. Er habe bisher wenig gemalt, erzählt er der Schwester, und trotzdem hätte er nun den Eindruck, dass diese Technik ihm gar nicht so schlecht gelänge  ; Mexiko biete auf Schritt und Tritt unendlich viele und prächtige Motive für den reisenden Künstler, die er nun gut zu erfassen gelernt habe. Als Ausdruck der Zufriedenheit mit sich selbst berichtete er der Schwester, wie gut er sich in der Gesellschaft der mexikanischen Hauptstadt eingelebt habe. Zum Schluss äußerte er sich gutgelaunt über die eigene Erscheinung  : Unwillkürlich zog michs aber an [den] Spiegel, um an den lichten Haarstellen eine Gruppirung der noch stehenden Haarpartien zu ersinnen u. nach verschiedenen Arrangements, glaub ich, entschlüpfte mir  : ja  ! 27 kann ich noch angeben.7

3 Johann Moritz Rugendas, Malerische Reise in Brasilien, Paris  : Engelmann & Co., 1827–1835. 4 Zitiert nach  : Richert, 1959, S. 18. 5 August von Platen, Die Tagebücher von August von Platen, hrsg. von G. von Laubmann, L. von Scheffler, Stuttgart 1896, S. 903. 6 Zitiert nach  : Conrad/Trepesch, 2016, S.120. 7 Löschner, 1976, S. 194.

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Rugendas war zu diesem Zeitpunkt ein erfolgreicher Mann und er zeigte sich stets mit der dazugehörigen Attitüde. Auch auf der zweiten Etappe seiner Expedition, einer Reise durch Chile, wurde er überall mit offenen Armen empfangen. In Santiago gelang es ihm schnell, in den berühmtesten Salons zu verkehren, darunter im Hause der renommierten Opernsängerin Isidora Zegers. Von dort aus konnte er leicht die Verbindungen knüpfen, die ihn zu zahlreichen Bilderaufträgen führen sollten, aber auch zu politischen Instanzen, die ihm den Weg zur künstlerischen Erfassung des Landes ebneten. So gelangte er auch in der chilenischen Provinz an die richtigen Adressen, bei denen er gern als prominenter Gast empfangen wurde. Bald lernte er in der südlichen Stadt Talca die Salonnière Carmen Arriagada kennen, woraus sich eine Liebesbeziehung entwickelte, die ihn über zehn Jahre lang begleitete. Was ihm seine Kunst an Bekanntheit noch nicht verschafft hatte, dazu verhalf ihm – zumindest in Chile – die Liebesaffäre im Handumdrehen. Anhand des umfangreichen Briefwechsels,8 den wir dieser Liebesbeziehung verdanken, eröffnen sich zahlreiche Perspektiven, um die Persönlichkeit des reisenden Malers aus heutiger Sicht studieren und einschätzen zu können. In den folgenden Jahren und bis zum Ende seiner Amerikareise, sei es in Lima, Buenos Aires oder Rio de Janeiro, fand Rugendas stets schnellen Zugang zu den jeweiligen Gesellschafts- und Regierungskreisen und – im Falle von Brasilien – zu dem königlichen Hof. Das Image des anerkannten und erfolgreichen Künstlers sollte nach seiner Rückkehr nach Europa zunehmend verblassen. In Paris erschien zwar eine große Reportage seines amerikanischen Œuvres in »L’Illustration. Journal Universel«, von Max Radiguet,9 den er aus Lima kannte, und in München interessierte sich der König für sein Südamerikawerk, das gegen eine Pension für die Staatssammlungen angekauft wurde. Aber die Hoffnung, eine umfangreiche Publikation seines lateinamerikanischen Zeichenwerkes zu realisieren, konnte er nie verwirklichen. Aus diesem und weiteren Misserfolgen entwickelte die Geschichtsschreibung für Rugendas’ späte Jahre in Deutschland das Bild eines Menschen, der sich hoffnungslos dem Dasein eines gescheiterten Künstlers hingegeben habe und nicht mehr im Stande gewesen sei, den Lebenskampf weiterzuführen. Diesem Bild widersprechen vehement die hier von Christin Conrad editieren Briefe Julie Hagens an ihre Eltern. Knapp zwei Monate nachdem Julie Hagen Rugendas kennengelernt hatte, schrieb sie ihren Eltern  : »Diese poetische

8 Siehe dazu die Publikation von Oscar Pinochet de la Barra, Carmen Arriagada, cartas de una mujer apasionada, Santiago de Chile 1989. 9 Radiguet, 1847.

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Natur entzückt alle Menschen[,] die ihn kennen« (20.12.1848).10 Seit der ersten Begegnung schwärmte sie für den Augsburger Maler, ihre Lobesworte betrafen alle Bereiche seiner Existenz. Sie beschrieb ihn als »ein[en] höchst interessante[n], ungeheuer lebhafte[n] schon bejahrte[n], wenigstens nicht mehr junge[n] Mann« (16.11.1848), dessen Ausstrahlung nicht im Geringsten durch manche körperlichen Fehler beeinträchtigt werde. Denn, so beschrieb sie weiter, die »Hälfte seines Gesichts ist nämlich steif, bewegungslos[,] er lacht nur von einer Seite, hört auch nur auf einem Ohr und schi[e]lt zuweilen recht anmutig«, diese Folgen eines Unfalls auf einer seiner Reisen durch Südamerika würden jedoch im näheren Gespräch, so Julie, bald »als Schönheit erscheinen« (8.1.1849). Gewiss dürfen wir annehmen, dass sich die junge Künstlerin aus der nordeuropäischen Provinz von dem Weltreisenden so begeistern ließ, dass sie kaum in der Lage war, irgendeine Kritik über ihn zu äußern. Sie ging sogar so weit, ihn hypothetisch als Ehemann in Betracht zu ziehen, eben sie, die stets die Möglichkeit einer Verehelichung abgelehnt und in jener Zeit sogar eine angeblich gute Partie entschieden ausgeschlagen hatte. »Was das Heirathen oder besser Nichtheirathen betrifft so bleibt der Entschluss den Ihr kennt fest und ruhend in mir außer es müßte ein Rugendas kommen« (16.11.1848). Welches Urteilsvermögen dürfen wir Julie ihrem Lehrer gegenüber unter solchen Gegebenheiten zuschreiben  ? Eines ist sicher  : Der angeblich gescheiterte Künstler war doch nicht derart zusammengebrochen, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, die junge Malerin zu beeindrucken. Ganz im Gegenteil  ! Sie sah zwar in ihm das traurige Schicksal eines Mannes, der kein zu Hause mehr in Europa finden konnte und sich in die Wahlheimat, den amerikanischen Kontinent, zurückwünschte, aber unabhängig davon berichtete sie zugleich, welche enorme schöpferische Kraft er besitze. Eben diese Widersprüchlichkeiten innerhalb der Persönlichkeit des Freundes Rugendas faszinierten Julie an ihm. Was sie ihren Eltern mitteilte, lässt annehmen, dass er im Münchner und Augsburger Künstlermilieu nach wie vor eine nicht irrelevante Rolle spielte und sich dessen auch bewusst war. Besonders aussagekräftig in dieser Hinsicht sind die Schilderungen der Entstehung und Ausstellung des anfangs erwähnten Porträts, das Julie von Rugendas malte. Bald nach dem ersten Kontakt wünschte sich der Augsburger Künstler Julies Lehrer zu werden. Er beanstandete die Unzulänglichkeiten der Schule Joseph Bernhardts, in dessen Atelier sie bisher gearbeitet hatte, meinte allerdings auch, dass die Malerin durchaus in der Lage sei, ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zu diesem Zweck schlug er vor, sie solle ein großformatiges Öl10 Für alle Briefe, die Julie Hagen an ihre Eltern aus München nach Dorpat schickte, wird nur das Datum angegeben.

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porträt von ihm malen, ein Bild also, von dem er glaubte, sie könne ein großes Publikum ansprechen. Mit sicherem Gespür setzte er die Idee durch, und Julie folgte ihm willig. Ihr Enthusiasmus war enorm  ; Tag für Tag berichtete sie ihren Eltern, wie sie mit der Arbeit an diesem Bildnis vorankam, und etwa gleichzeitig beschrieb sie eingehend die Komposition in einem Brief an ihren Schwager, Ludwig Schwarz  : Der Name Rugendas ist Ihnen bekannt nicht wahr  ? – und diesen selten großen Mann habe ich gemalt, im brasilianischen Kostüm also als reisenden Maler. Das Bild hat die Höhe von 3 ½ Ellen, dies sage ich nur weil es das größte und man sagt auch, das beste Bild ist das ich bis jetzt gemalt. Die wollenen Decken von bunten Farben (dort Mäntel) machen sich großartiger als man denken sollte. Er steht, die Mappe auf die eine Hüfte gestützt und zeichnet, hinter ihm rechts sieht ein Indeaner neugierig ihn an – links sieht man entfernte Schneeberge in wolkenähnlichen Formen, dann Pflanzen und endlich auf einem Stein Hut und Sebel liegend. Das Bild hat einigen historischen Werth und deshalb wird es vielleicht ausgestellt, […] (Brief von Julie Hagen an Ludwig Schwarz, München, 20.8.1849).

Wieso sollte Rugendas dem Schwager bekannt gewesen sein, zumal letzterer damals in Sibirien lebte und nicht unbedingt über die Kunstwelt Bayerns oder überhaupt Mitteleuropas informiert gewesen sein dürfte  ? Gewiss trieb Julie damit ein rhetorisches Spiel, wodurch sie die Bedeutung des hochverehrten Meisters übersteigern wollte. Nach ihren Angaben dürfte das Bild um die zwei Meter hoch gewesen sein und, nach dem was sie den Eltern berichtete, soll es als Kniestück ausgeführt worden sein. Dabei wurden die Landschaft, die Vegetation und der belauschende Indianer als Attribute eingesetzt. Auf diesem nur durch eine Replik in kleinem Format bekannten Gemälde (Farbabb. 11) tritt der Maler als souveräne Gestalt eines Reisenden auf, der unter freiem Himmel in einer außereuropäischen, wohl südamerikanischen Umgebung zeichnet. In dieser für Rugendas typischen Inszenierung taucht ein Indianer auf, der kurios über die Schulter des Künstlers auf das Zeichenblatt blickt. Es handelt sich um eine Figur, die aufgrund der Gesichtszüge und der Haartracht als Araukaner, d. h. als ein Mitglied der Ur-Bevölkerung im Süden Chiles, identifiziert werden kann. Das Bild verwirklichte die Idee, dass der Künstler sich die durchreiste Welt mittels seiner Kunst aneignete, und damit seiner Berufung als Chronist Amerikas nachging. Schon im Lieferungswerk Álbum de Trajes Chilenos11 [Album chilenischer Trachten] hatte sich Rugendas so dargestellt, nämlich in einer Szene, in der er in 11 Johann Moritz Rugendas, Álbum de Trajes Chilenos [Album chilenischer Trachten], Santiago de Chile 1838.

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einer ihn bewundernden Volksmenge seine Bilder zur Schau stellte und großzügig verteilte (Abb. 22). Die Bildidee für das Porträt dürfte demnach wohl von ihm stammen und er muss sie an seine Protégée weitergegeben haben, so wie auch die einzelnen ikonografischen Merkmale, mit denen er identifiziert werden wollte. Während Julie an diesem Gemälde arbeitete, warb Rugendas für seinen Schützling und organisierte Besuche von Künstlern und potentiellen Auftraggebern im Atelier. Stolz erzählte sie den Eltern, Karl Rottmann sei bei ihr gewesen, und Wilhelm von Kaulbach habe sie auf der Straße angesprochen  : »ich höre sie malen Rugendas«, soll er ihr gesagt haben, »und es soll so gut werden ich werde sie besuchen« (8.7.1849). In der Tat hatte dieses Projekt für die junge Malerin so erfreuliche wie unerwartete Folgen. Die Nähe zu Rugendas brachte überhaupt wesentliche Veränderungen in Julies Leben  ; diese erreichten einen Höhepunkt am 10. Oktober 1849, als das Bild im Münchner Kunstverein ausgestellt wurde. Julie strahlte vor Freude und konnte mit der errungenen Berühmtheit beim Vater prahlen. Dass auch die beiden Könige sich das Bild angesehen hatten, verdiente eine besondere Erwähnung in ihren Briefen  : »Ludwig, der Künstlervater hat große Freude geäußert«, und er habe »genau sich nach mir erkundigt« (11.10.1849). Darüber hinaus war es ihr zu Recht besonders wichtig hervorzuheben, dass sie nun endlich als Künstlerin, also als Frau, anerkannt werde. Erquickt zitierte sie dazu ein Gespräch einer Gruppe von Besuchern der Ausstellung, von dem sie vom Hörensagen erfahren hatte  : »[…] ha das ist der R[ugendas]  ! – ein gutes Bild, famos  ! – von wem gemalt  ? – Julie Hagen  ? Eine Dame  ? Nein das kann nicht sein – (etwas erstaunt) doch es ist eine Dame  !« Pause – »Aber es ist doch gut  !« (10.10.1849)

Rugendas hatte sich für das Debüt seiner Schülerin voll eingesetzt und sogar ein eigenes Gemälde kurz zuvor im Münchner Kunstverein ausgestellt. Dieses Gemälde des reisenden Malers ist uns nicht bekannt, sein Inhalt wurde jedoch von Julie bereits in einem Brief vom 20. Dezember 1848 als das Treffen zweier Karawanen beschrieben, zwischen denen der reisende Künstler sich bei der Arbeit selbst darstellte. Es handelte sich wahrscheinlich um eine Variante der Skizze, die Rugendas 1847 für Paulo Barbosa, den Haushofmeister des brasilianischen Kaisers Peter II. in Paris gezeichnet hatte (Abb.  23). Auch hier stellte sich der Maler in der ihm so beliebten Pose eines Chronisten dar. Dieses Bild hat Rugendas etwas früher ausgestellt, Ende September, und zwar mit der ausdrücklichen Absicht, dass damit ihr Bildnis mehr Interesse fände. Das Verhalten von Rugendas in dieser Episode zeugt vom Selbstbewusstsein eines Mannes, der sich seiner Ausstrahlung in der Öffentlichkeit sicher ist. Er

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Abb. 22  : Moritz Rugendas (zugeschrieben), Álbum Trajes Chilenos [Album chilenischer Trachten] (Titelblatt), 1838, Museo Nacional de Bellas Artes, Santiago de Chile

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weiß, dass er das Publikum mit seiner Lebensgeschichte und mit seinem Werk packend ansprechen kann. Deshalb hat er Julie mit gutem Gewissen von den großen Erfolgschancen überzeugen können, die sie bei ihrer Ausstellungspremiere mit seinem emblematischen Porträt haben würde. Mit dieser Selbstwahrnehmung trat er stets bei ihr auf, nämlich als ein Künstler, der seine beruflichen Ziele verfolgte und allen Widerständen zum Trotz zu handeln bereit war. Im persönlichen Verkehr mit Julies Münchner Verwandten führte sich der Augsburger Maler ebenso gut ein. Er übernahm die Rolle eines Ratgebers in Bezug auf die berufliche Laufbahn der jungen Malerin, vermittelte, wenn deren Verhalten oder deren Entscheidungen zu kritischen Situationen führten, und überhaupt war er ein hochangesehener und willkommener Gast im Familienkreis. Man hörte ihn auch gern über seine Abenteuer in Übersee berichten, er war bekannt als spannender Erzähler und besaß ein großes Themenrepertoire. Über die Gefangenschaft in Mexiko und wie »er zum Todte verurteilt worden« war, erzählte er zum Beispiel – so Julie an ihre Eltern – »in den lebendigsten Worten« während gut zwei Stunden und er habe damit »einen seltsam tiefen Eindruck auf alle Zuhörer gemacht. Tante z. B. ist wiederholt bleich vor Schrecken und Angst geworden und hat die Nacht vor Aufregung nicht schlafen können« (24.12.1849). Wenn wir den Worten Julies Glauben schenken dürfen, war Rugendas auch am bayerischen Hof immer wieder eingeladen  : »In der vorigen Woche«, berichtete sie gut ein Jahr nach der Episode im Haus ihrer Tante, »hat er wieder nach Hof müssen. Die königliche Familie sieht ihn sehr gern. Er erzählt aber auch vortrefflich« (17.12.1850). Im gesellschaftlichen Spiel war Rugendas zeitlebens ein geschickter Akteur, der sich überall einen leichten Zugang in alle Kreise erarbeiten konnte  ; in Bezug auf die Empfindlichkeiten im Bereich der Sitten unter den Bürgern der neuen lateinamerikanischen Nationen oder am brasilianischen Hof fand er immer die richtigen Umgangsformen, um sich klug an die örtlichen Verhaltensregeln anzupassen. Auch in München hat er in dieser Hinsicht weiterhin geschickt agiert. Er kannte ja die sozialen und politischen Grundsätze seiner Heimat und setzte vorsichtig die Grenzen dessen, was er im Rahmen seines intellektuellen und künstlerischen Schaffens im öffentlichen Leben durchführen durfte. So zum Beispiel wollte er nach dem Erfolg der ersten Ausstellung Julies das Projekt eines neuen Bildes initiieren, das eine Allegorie der Freiheit darstellen sollte  : Er schlug vor, dass sie »ein Barrikadenmädchen in ganzer Figur« malen solle und die junge Künstlerin erklärte ihre Begeisterung über das Thema. Sogar das Modell war schon bestellt, als Julie erste Bedenken äußerte, schließlich sah auch Rugendas die Risiken einer solche Thematik ein  : »er fand auch[,] dass ich’s nicht wagen könne ohne den Hals zu brechen[,] also musste aus der Freiheit etwas Konservatives werden« (18.1.1850). Daraus wurde nun eine Genreszene mit dem Motiv ei-

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Abb. 23  : Moritz Rugendas, Allegorie Lateinamerikas mit dem Selbstporträt des Künstlers (Ausschnitt), 1847, Privatbesitz

nes Mädchens beim Waschen in der Küche. Das Thema der allegorischen Gestalt der Freiheit verarbeitete Rugendas dann für sich selbst, führte es allerdings nur in einer kleinen Ölskizze auf Papier im Format von 41,5 × 27 cm aus, die er jedoch nie zeigte.12 Bei diesem Werk versinnbildlichte er die Idee der Revolution in der Figur der südamerikanischen Unabhängigkeitsheldin Anita Garibaldi, also Giuseppe Garibaldis Ehefrau (geborene Ana Maria Ribero), wobei Eugène Delacroix’ Die Freiheit führt das Volk (1830) den Augsburger Maler deutlich inspirierte. Unabhängig von der für ihn wohl unumgänglichen Notwendigkeit, sich den Moden seiner Zeit und Umgebung zu beugen, findet man ausgesprochen kritische Bemerkungen von Rugendas bezüglich der künstlerischen Traditionen im Münchner Raum im Briefwechsel mit August Matthias Hagen, Julies Vater. Er beklagte sich besonders über die herrschenden motivischen Einschränkungen, die eben im Hinblick auf die Laufbahn seiner Schülerin zu beachten waren. 12 Siehe Diener und Costa, 2012, Kat.-Nr. O-23  ; Conrad/Trepesch, 2016, Kat.-Nr. 34.

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Sie begreifen nicht hier – daß das einfachste – der Natur entnommenen Motiv – künstlerisch gut aufgefaßt und trefflich gemalt Kunstaufgabe seyn könne.  – Sie begreifen nur Fabel – Mythe – Historie und Gott weiß wie. So sind wir beinahe genöthigt an der gelungensten Arbeit ihrer Julie eine Änderung vorzunehmen und der Wäscherinn eine andere Beschäftigung zu geben – weil den Leuten waschen nicht malbar würdig erscheint u. man unmoralisch findet daß die Wäscherinn nicht ein Halstuch umgethan und nicht geschnürt ist. – Daß sagen Kunstwäscher. Die Herren wollen nur Mußen […].13

Mit solchen Äußerungen zur Kunsttätigkeit können wir deutlich erkennen, dass Rugendas Positionen vertrat, die den Lehren des Realismus sehr nahestanden. Dies basierte einesteils auf ästhetischen und sozialpolitischen Überzeugungen, die er gewiss durch seine frühe Vertrautheit mit der französischen, namentlich mit der Pariser Welt, bekräftigt sah. Solche Stellungnahmen dürften andernteils aber auch auf seine Amerika-Erfahrungen zurückgehen, als er die Eigentümlichkeiten der jeweiligen Bevölkerung der jungen Nationen vor allem durch genaue Beobachtung der Menschen darzustellen versuchte. Dass er sich zur Haltung der Münchner Kunsttradition derart kritisch äußerte, erklärt sich nicht zuletzt dadurch, dass er eben darin die größte Hürde für die Realisierung seines eigenen künstlerischen Lebensprojektes sah  : Er wollte seine Zeichenmappen über Land und Leute Lateinamerikas veröffentlichen und dabei einerseits eine Taxonomie der Landschaften, andererseits eine Typologie der Völker, ihres Aussehens und ihrer Sitten in der regionalen bzw. nationalen Verteilung darstellen. Weil sich dies nie verwirklichen ließ, blieb die Amerikaexpedition für den reisenden Künstler auf immer ein Torso. In dem Brief an August Matthias Hagen erläuterte er allerdings nicht in erster Linie seine persönlichen Hoffnungen und Enttäuschungen  ; dort ging es um Julies Karriere, die er mit Überzeugung förderte. Hier erörterte er die Schwierigkeiten, die die Schülerin überwinden müsse. Er betonte immer wieder, seine Aufgabe sei es, ihr Mut und Selbstvertrauen einzuflößen  : »Dass die liebe Schülerin an Zuversicht zu sich selbst gewinne ist meine Hauptaufgabe« (ebda.). Aus dem Briefwechsel der Künstlerin mit ihrer Familie und auch aus den Briefen, die Rugendas im Zusammenhang mit der Laufbahn seiner Schülerin schrieb, gewinnt man den Eindruck, dass der Augsburger Maler in Julies Erfolg zum Teil einen Weg für die Verwirklichung seines eigenen künstlerischen Projektes sah. Sehr bald hatte sich zwischen beiden eine sehr enge Beziehung mit gleichsam symbiotischem Charakter entwickelt. Julie wurde für ihn eine wichtige Gesprächspartnerin, die stets die Arbeit des Meisters mit Begeisterung kommen13 Brief von J. M. Rugendas an A. M. Hagen, München, 6.3.1850.

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tierte und ihm sogar dazu verhalf, manche Bilder in ihrer Heimat zu verkaufen. Es scheint, dass Julie neue Perspektiven und Hoffnungen in Rugendas’ Leben brachte. Er zeigte seinerseits als reifer Künstler ein enormes Engagement, damit sie sich durchsetzen konnte  ; abgesehen von den wichtigen Impulsen für ihren Erfolg in München setzte er sich auch dafür ein, dass sie ihren Bildungsweg in Italien fortsetzen konnte. In der Tat fuhr Julie Anfang 1851 nach Rom, wo sie unter der Leitung von Rugendas’ Freund August Riedel malte. Nach einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Italien veränderten sich für Julie die Umstände jedoch unerwartet. Kurz nach der Rückkunft nach Dorpat, ihrer Heimatstadt, verlobte sie sich mit ihrem inzwischen verwitweten Schwager Ludwig Schwarz und folgte ihm nach der Hochzeit nach Irkutsk in Sibirien. Enttäuscht und verbittert schrieb ihr Rugendas Anfang Februar 1855 aus Augsburg. In einem Brief voller Vorwürfe warnte er sie, dass dies das Ende ihrer Karriere bedeute. Es kommen in diesem Brief auch deutlich seine Gefühle der Schülerin gegenüber zum Ausdruck  : Hätten Sie es sich in den Jahren 49/50 merken lassen  – daß Sie absolut einmal auch Weib und Mutter seyn wollen, so hätt ich vielleicht alle mir noch zu Gebot stehende Liebenswürdigkeit aufgeboten um Sie in mich verliebt zu machen – damit Sie am wenigsten v[on] der Kunst abgewendet werden.14

Tief betrübt schrieb Rugendas, er bliebe nun allein »für immer[,] mehr als je – ohne Freude des Daseyns«. Denn er habe viele ihm liebe Menschen verloren, aber »Sie liebe Julie lebten u[nd] blieben mir und der Kunst  ! Nun sterben Sie mir auch«, behauptete er lapidar und bitter.15 Der Maler betrauerte den Verlust der Schülerin, die er inzwischen zur Partnerin der eigenen kreativen Tätigkeit erhoben hatte. Infolgedessen erklärte er abschließend in dramatischem Ton  : »ich bin ebenfalls entschlossen die Kunst aufzugeben u[nd] eine Schwefelfabrik zu gründen zwischen dem Cotopaxi u[nd] Chimborazo«.16 Falls überhaupt ein Projekt für eine solche Unternehmung im ecuadorianischen Raum jemals existierte, wurde es jedoch nie verwirklicht. Rugendas musste in jenem Jahr, 1855, noch das ihm zur Last gewordene Wandbild zur Landung des Kolumbus in Amerika, ein Auftrag Maximilians II. für das Münchner Maximilianeum, beenden. Nach Fertigstellung dieses Auftrages sind uns keine weiteren bedeutenden Arbeiten vom reisenden Künstler bekannt.

14 Brief von J. M. Rugendas an J. Hagen, Augsburg, 4./5.2.1855. 15 Ebda. 16 Ebda.

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Es lässt sich nun, auf der Basis dieser von Christin Conrad ans Tageslicht gebrachten großen Dokumentensammlung zu Julie Hagen, eine erweiterte Hypothese zum Verlauf der letzten Jahre Rugendas’ in Deutschland aufstellen  : Der Maler hat sich noch knapp ein Jahrzehnt  – von 1846 bis 1855  – mit viel Elan um die Verwirklichung seines Lebensprojektes bemüht. Dabei schwächten ihn Misserfolge zwar zunehmend, nach und nach erhielt er aber neue Aufträge, die ihm zumindest kurzfristig aus der finanziellen Not halfen. Parallel dazu setzte er viel Hoffnung auf Julies Karriere, möglicherweise mit der unausgesprochenen Erwartung auf eine künstlerische Partnerschaft, wodurch neue, bessere Arbeitsbedingungen in einer nahen Zukunft hätten entstehen können. Die Entscheidung der ehemaligen Schülerin, plötzlich die lange aufgebaute Laufbahn als Malerin aufzugeben und einen neuen Weg einzuschlagen, war für Rugendas eine große Enttäuschung. Beruflich und in persönlicher Beziehung hatte er ja viel in sie gesetzt  ! Es war wohl in jenem Moment, als er zusammenbrach. Nun sah er sich vereinsamt, denn »wenn Eins sich nach dem Nordpol wendet u[nd] schon begiebt und das Andere nach der Tropenwelt strebt u[nd] dem Australpol[,] so ists … Abschied für die Ewigkeit«.17

17 Ebda.

ANHANG

Kurzbiografie der Künstlerin »Julie« (Juliana Wilhelmine Emilie) Hagen, verh. Schwarz (1824–1902) Porträt- und Genremalerin 1824 am 27. Oktober (15.Oktoberjul.) geboren auf dem Gut Klein-Wrangelshof (heute  : Väike-Prangli) bei Dorpat (heute  : Tartu) als Tochter des Landschaftsmalers August Matthias Hagen (1794–1878) und der Passauerin Johanna von Paumgarten (1802–1885). 1826 Umzug der Familie nach Dorpat. 1840 legt das Gouvernantenexamen ab. Seit ca. 1840 Malunterricht beim Vater. 1842 erste Ausstellung in Riga (auf der »ersten Gemälde-Ausstellung inländischer Künstler«). 1845 fünf Werke auf der Ausstellung des »litterärisch-practischen Bürger-Vereins« in Riga. 1846 Zusprechung des Villebois’schen Stipendiums, im Juni Reise mit dem Vater nach Dresden, kopiert in der Gemäldegalerie nach alten Meistern (Kontakt zu Caroline Tridon [1799–1863] und Helene Köber [1825–  ?]). Seit dem Winter Unterricht bei Christian Friedrich Gonne (1813–1906), danach bei Carl Gottlieb Rolle (1814–1862) und Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788–1868). Stellt ein weibliches Porträt auf der Kunstausstellung der Dresdener Akademie aus. 1847 im September Reise nach München mit den mütterlichen Verwandten von Paumgarten, bei denen sie in München wohnt und unter deren Protektion sie studiert. Im Oktober Eintritt in die Malschule Joseph Bernhardts (1805–1885). Sie teilt sich zunächst ein Atelier mit der Augsburger Malerin Lina List (1829– 1911).

Kurzbiografie der Künstlerin 

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1848 Ateliergemeinschaft mit der aus Altötting stammenden Malerin Marie Berger-Lattner (1825–  ?). Im Oktober Bekanntschaft mit Moritz Rugendas (1802–1858), in der Folge entwickelt sich eine enge Freundschaft. Rugendas wird ihr Mentor. Reise nach Salzburg und Tirol. 1849 im Oktober erstes im Münchner Kunstverein ausgestelltes Werk Moritz Rugendas in brasilianischer Tracht. In der Folge etabliert sie sich im Münchner Kunstkreis, Bekanntschaften u. a. mit Wilhelm von Kaulbach (1805–1874), Carl Rottmann (1797–1850), Peter von Hess (1792–1871), Alexander von Kotzebue (1815–1889), Friedrich Voltz (1817–1886). Reise nach Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Straßburg, Ostende, Brüssel, Antwerpen und Paris. 1850 auf Geheiß des Vaters verlässt sie im Januar die Malschule Bernhardts und nimmt sich ein Atelier in der Nähe des Alten Botanischen Gartens, Rugendas leitet ihre Studien. Nähere Bekanntschaft mit der Familie des Botanikers Carl Friedrich von Ledebour (1786–1851), die in München einen Kreis Gelehrter, Literaten und Künstler um sich versammelt, genannt »die Ecke«, zu denen auch Julie Hagen und Moritz Rugendas gehören. Im Sommer Reise nach Mailand und Venedig mit den Verwandten, Reisebekanntschaft mit dem Berliner Bildhauer Alexander Gilli (1823–1880). Die Idee, durch Rugendas’ Vermittlung ihre Studien in Rom bei August Riedel (1799– 1883) fortzusetzen, konkretisiert sich. Sie beginnt, Italienisch zu lernen. Im November umfangreiche Ausstellung von Werken Julie Hagens und Moritz Rugendas’ im von Liphart’schen Haus in Dorpat. Besucht gemeinsam mit Rugendas die Vorträge des Phrenologen Gustav Scheve (1810–1973). 1850 bis 1854 zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen in den Kunstvereinen in München und Augsburg und auf der Münchner Akademieausstellung 1853. 1851 im Januar Wiederholung der Ausstellung in Dorpat am gleichen Ort ergänzt um 34 Arbeiten von August Matthias Hagen. Im Februar erfolgt die Zusage August Riedels, Julie Hagen in Rom als Schülerin zu unterrichten. Im August erhält sie nach einer Audienz bei der Großfürstin Maria von Leuchtenberg (1819–1876) von dieser das Versprechen, für ihre künftige Aus- und Weiterbildung aufzukommen.

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Anhang

Am 13. September Abreise aus München, am 5. Oktober Ankunft in Rom. Bezieht ein Atelier in der Villa Malta, August Riedel wird ihr Lehrer. Bekanntschaft mit dem Landschaftsmaler Salomon Corrodi (1810–1892). 1852 der Bruder Alexander kommt nach München, studiert dort an der Kunstakademie. Im Juni besuchen die russischen Großfürsten Nikolai und Michael das Atelier der Künstlerin in Rom, kaufen mehrere Werke an. Pfingsten und Sommer  : Reisen nach Frascati, Genzano, Albano und Tivoli in Begleitung mehrerer Künstlerfreunde, darunter Johann Michael Wittmer (1802–1880) und Gottlieb Biermann (1824–1908). Seit September Heiratspläne mit Alexander Gilli, die vom Vater der Künstlerin abgelehnt werden. Im Herbst Ankunft des Vaters August Matthias Hagen in Rom. 1853 im Februar erkrankt der Vater in Rom schwer. Am 15. März erhält Julie Hagen das lang versprochene Stipendium des russischen Zaren. Zerwürfnis mit dem Vater, der Ostern vorzeitig aus Rom abreist, weil die Tochter an ihren Heiratsplänen mit Gilli festhält und sich weigert, mit ihm nach Dorpat zurückzukehren. Im Sommer Reisen nach Neapel, Amalfi, Pompeji, Sorrent, Salerno und Paestum. Im Dezember holt sie den Bruder Alexander zu sich nach Rom. 1854 nähere Bekanntschaft mit Peter von Cornelius (1783–1867). Nach dem Tod ihrer Schwester Emilie am 26. Januar plant sie ihre Rückreise nach Dorpat, um sich mit dem Vater zu versöhnen. Ein intensiver Briefwechsel mit dem verwitweten Schwager Ludwig Schwarz (1822–1894) beginnt. Im Mai nach achtjährigem Auslandsaufenthalt Rückreise nach Dorpat über München, wo sie vermutlich noch einmal mit Moritz Rugendas zusammentrifft. Zunächst ist die Rückkehr nach Rom geplant. Einbruch in ihr Atelier in der Villa Malta in Rom. Ende des Jahres längerer Aufenthalt in St. Petersburg. 1855 am 26. Januar (14. Januarjul.) Heirat mit dem Astronomen und späteren Direktor der Dorpater Sternwarte Ludwig Schwarz. 1855 bis 1857 begleitet sie ihren Mann auf einer Ostsibirienexpedition und lebt in Irkutsk. Geburt der beiden Söhne Eduard Emil August (1855) und Gustav Leopold Ludwig (1856). Die Künstlerin ist weiterhin als Porträtistin tätig und

Kurzbiografie der Künstlerin 

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wiederholt Motive der italienischen Kostümbilder. Sie signiert in dieser Zeit mit »Julie Schwarz«. Im Sommer 1857 Rückkehr mit den Kindern nach Dorpat. 1858 im März Ausstellung im Atelier des Fotografen Pluchart in St. Petersburg. Im April mit vier Werken auf der Akademieausstellung in St. Petersburg vertreten. Die Akademie erteilt ihr den Rang einer Akademikerin im Porträtfach (sie signiert von nun an offiziell mit »Julie Hagen Schwarz«). Lässt sich mit ihrer Familie endgültig in Dorpat nieder. Hier wird sie vor allem als Porträtistin tätig, widmet sich aber auch der Landschaftsmalerei, zunächst noch dem Genre, malt Altar- und Herrscherbilder und ist kunstgewerblich tätig (Majolikaarbeiten). Unterrichtet auch Schüler, darunter Sally von Kügelgen (1860–1928). 1860 Geburt der Tochter Sophie Emilie Johanna, die sich später ebenfalls der Malerei widmet. Sommer 1861 bis Frühjahr 1862 in Deutschland und Maisons Lafitte nahe Paris bei ihrem Bruder Alexander. Auf der Durchreise besucht sie Freunde in Dresden, München und Berlin, darunter die Ledebour’sche Ziehtochter Julie Dreuttel und Maria Diruf, geb. Girl (1834–1917) in Bad Kissingen. Im Februar Wiedersehen mit Helisena Girl (1831–1916) in Paris, einer ihr aus München bekannten Malerin. Ende 1863 bis 1865 begleitet sie ihren Mann nach Deutschland, lebt vor allem in Berlin, dort 1864 Geburt der Tochter Wilhelmine Marie Julie. 1874 Reise nach Hapsal (Haapsalu, Estland) und Reval (Tallinn, Estland). 1878 verschwindet der zweitgeborene Sohn Ludwig, genannt Louiska, spurlos. 1884 Reise nach Helsingfors. 1887 nochmals längerer Aufenthalt in Deutschland (München, Dresden, Berlin). Die Künstlerin verlegt sich in ihren späten Jahren überwiegend aufs Porträtieren und malt einige Landschaften. Die Porträts des erhaltenen Spätwerks bestechen durch charaktervolle, realistische Auffassung, feine, malerische Ausführung und sind von besonderem kulturhistorischem Wert, da zahlreiche namhafte Persönlichkeiten der Region sich von ihr malen ließen, wie der Naturforscher Karl Ernst von Baer (1792–1876) und der Sprachforscher Leo Meyer (1830–1910). 1902 am 20. Oktober (7. Oktoberjul.) stirbt Julie Hagen Schwarz in Dorpat.

Verwandtentafel (Grosseltern, Eltern, Geschwister) Ernst Andreas Hagen, * 1767 in Wiezemhof, † 1846 in Klein-Wrangelshof, Heirat 1792 Christine Dorothea Busch, * 1772 in Gut Erla (Ubbenorm), † 1852 in Klein-Wrangelshof. I. August Matthias Hagen, * 12. Feb. 1794 in Wiezemhof, † 20. Nov. 1878 in Dorpat, Heirat 1823 in Passau Johanna Maria von Paumgarten, * 15. Feb. 1802 in Passau (Tochter von Christoph Ignaz Xaver von Paumgarten und Anna Maria Held), † 20. Jan. 1885 in Dorpat. A. Carl August Hagen, * 1823 in Bayern, Heirat Emilie Wellmann. B. Wilhelm Julius Hermann Hagen, * 1824 in Klein-Wrangelshof, Heirat Meta Schumacher. C. Juliana (Julie) Wilhelmine Emilie Hagen, * 27. Okt. 1824 in KleinWrangelshof, † 7. Okt. 1902 in Dorpat, Heirat 14. Jan. 1855 in Dorpat Ludwig Peter Carl Schwarz, * 1822 in Danzig, † 1894 in Dorpat. D. Alexander Ernst Hagen, * 1827 in Klein-Wrangelshof, † 1869 in Huanuco/Peru, Heirat 1866 in München Crescentia Kolbeck, * 1849, † 1926. E. Emilie (Mieze) Johanna Malwina Hagen, * 1829 in Dorpat, † Jan. 1854 in Dorpat. Heirat Jun. 1853 in Dorpat Ludwig Peter Carl Schwarz, * 1822, † 1894. F. Friedrich (Fritz) Johann Hagen. G. Marie Hagen, * 1834 in Dorpat, † 1905 in Dorpat, Heirat Johann Leopold Gahlenbäck, * 1855, † 1934. H. Gotton Bertha Auguste Hagen, * 1837 in Dorpat. † 1912 in Dorpat, Heirat 1862 Bernhard Eduard Otto Körber, * 1837, † 1915. I. Bertha Amalie Natalie Hagen, * 1843 in Dorpat, † 1894 in Rappin. J. Johanna Mathilde Christine Hagen, * 1845 in Dorpat, † 1897 in Dorpat, Heirat 1872 Hermann Gerhard von Kügelgen, * 1828, † 1897. II. Friederica Nathalia Hagen, * 1796. III. Ernst Christian Friedrich Hagen, * 1798, † 1800.

Verwandtentafel (Großeltern, Eltern, Geschwister) 

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IV. Christina Sophia Hagen, * 1800. V.

Ernst Christoph Franz Hagen, * 1803, † 1844.

VI. Karl Woldemar Hagen, * 1805. VII. Alexandra Charlotta Dorothea Hagen, * 1807, † 1840. VIII. Eduard Johann Hagen, * 1811. IX. Dorothea Emilie Hagen, * 1814, † 1815. Christoph Ignaz Xaver von Paumgarten, * 1752 in Mauthausen (Ober­ österr.), † 1822 in Passau, Heirat 1789 Anna Maria Held, * 1763 in Unterkreuzberg, † in Passau (vor 1847). I. Maria Anna Johanna von Paumgarten, * 1790. II . Karl Thomas Anton von Paumgarten, * 1797 in Passau, (1) Heirat 1827 Ottilia Rehrl, *1791 in Wazing, † 1854 in München. (2) Heirat 1855 Maria Wilhelmina Gilli, * 1825 in Berlin, † 1906 in EglfingHaar. III. Christoph Friedrich von Paumgarten, * 1799, † 1800. IV. Johanna Maria von Paumgarten, * 15. Feb. 1802 in Passau, † 20. Jan. 1885 in Dorpat, Heirat 1823 in Passau August Matthias Hagen, * 12. Feb. 1794 in Wiezemhof, † 20. Nov. 1878 in Dorpat. V.

Ignaz Michael von Paumgarten, * 1804, † 1887, Heirat 1842 Maria Anna Antonia Katharina von Bebay, † 1875.

VI. Cecilia von Paumgarten. VII. Elisabeth von Paumgarten, Heirat van Bourg. VIII. »Pegi« von Paumgarten, Heirat Kugler.

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Anhang

Abb. 24  : Julie Hagen Schwarz mit ihrem ältesten Sohn, um 1857, Fotografie, Privatbesitz

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (zu Lebzeiten) Die Liste ist als vorläufig und nicht vollständig anzusehen. Ist der Ort nicht näher bestimmt, fanden sich keine Angaben über den genauen Ausstellungsort, dasselbe gilt für das Datum und die ausgestellten Werke. Sind die Angaben Ausstellungskatalogen entnommen, erfolgte die ­Nennung der ausgestellten Werke (einschließlich der Nummerierung) wie dort beschrieben, andernfalls wurden die Werke in der Reihenfolge der Erwähnungen in den Quellen genannt. Angaben in eckigen Klammern sind Ergänzungen der Verfasserin. Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Quelle

Riga, Schwarzhäupterhaus

3.–15.9.1842

192. Ein Blumenkorb 193. Eine Vase mit Früchten

Verzeichnis der Kunstwerke, Riga, 1842

Riga

Oktober/November 1845

147. Blumen- und Fruchtstück, nach Jensen 148. Bouquet in einer Vase 149. u 150. Blumen und Früchte 151. Ansicht von Wenden

Verzeichnis der Gemälde, Riga, 1845 Rigasche Stadtblätter, Nr. 48, 29.11.1845

Dresden, Akademie der Künste

1846

444 Ein weibliches Porträt, in Öl gemalt von Julie Hagen aus Dorpat

Prause, 1975, Kat.-Nr. 444 (1846)

München, Kunstverein

ab 7.10.1849 [für etwa 10 Tage]

Moritz Rugendas in brasilianischer Tracht

Briefe der Künstlerin aus München, 10.10.1849

München, Kunstverein

ab 31.3.1850

Mohr [Beduine  ?]

Briefe der Künstlerin aus München, 4.4.1850

München, Kunstverein

ab 4.5.1850

Bildnis Ludwig von der Tann

Briefe der Künstlerin aus München, 28.4.1850

Augsburg, Kunstverein

Mai 1850

Bildnis Moritz Rugendas Der blaue Domino Mohr [Beduine  ?]

Briefe der Künstlerin aus München, 21.5.1850

München, Kunstverein

Juni 1850

Bildnis Ludwig von der Tann

Der Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 162, 11.6.1850, S. 1337 [dort als »Fräulein Hagn« angegeben]

726 | 

Anhang Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Quelle

Augsburg, Kunstverein

August 1850

Drei Naturstudien [lt. Tagespresse] Bildnis Laura Seyboldt [lt. Briefen] Ungar [lt. Briefen]

Augsburger Tagblatt, Nr. 232, 25.8.1850 Der Lechbote. Eine Augsburger Morgenzeitung, Nr. 323, 25.10.1850, S. 927 Briefe der Künstlerin aus München, 9.8.1850 und September 1850

Dorpat, v. Liphart’sches Haus am Barclayplatz

November 1850

1. Der blaue Domino 2. Die kleine Seyboldt 3. Portrait von Moritz Rugendas 4. Portrait 5. Portrait 6. Brustbild eines Magyaren 7. Armstudie 8. Ein Neger 9. Eine Beduine 10. Profil, Bäuerin im Walde 11. Bildnis einer 82-jährigen Schwäbin 12.–17. Studien, Kinderköpfe 18. Bergtyroler 19. Tyroler 20. Mädchen bei der Toilette 21. Pilger 22. Klio, Rückenstudie 23. Bacchantin, Bruststudie 24. Dachhauerin 25. Münchner Kellnerin 26. Eine Schweizerin 27. Selbstportrait 28. Blumenvase 29. Fruchtstück 30. Fruchtstück Kopien  : 31. Oliver Cromwell nach van Dyck [Anthonis van Dyck] 32. Magdalena, nach Guido Reni 33. Rembrandts Mutter, nach Rembrandt [Rembrandt van Rijn]

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 136, 18.11.1850

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (zu Lebzeiten)  Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Quelle

34. Das lachende Mädchen, nach Rembrandt [Rembrandt van Rijn] 35. Brustbild im Pelz, nach Rembrandt [Rembrandt van Rijn] 36. Portrait des Malers van der Helst, nach van der Helst [Wallerant Vailland] 37. Kapuziner, Messe lesend, nach Noger [Guiseppe Nogari] 38. Kastanienrösterin, nach Noger [Guiseppe Nogari] 39. Männlicher Kopf mit einer Brille, nach Noger [Guiseppe Nogari] 40. Der Blinde auf dem Kirchhof, nach Schlichting [Hermann Schlichting)] 41. Fruchtvase, nach Jensen [Johan Laurentz Jensen] Dorpat, v. Liphart’sches Haus am Barclayplatz

Januar 1851 (bis 31.1.1851)

München, Kunstverein

Januar 1851

Wie im Nov. 1850, vermehrt um ein Original und zwei Kopien der Künstlerin, d.h. 31 Originale von Julie Hagen und 13 Kopien von Julie Hagen nach anderen Meistern

Dörptsche Zeitung, Nr. 5, 11.1.1851

Zwei männliche Porträts  : Carl von Paumgarten Graf Wolkenstein

Bayerische Landbötin, Nr. 22, 26.1.1851, S. 89

Dörptsche Zeitung, Nr. 13, 30.1.1851, S. 7–9

Briefe der Künstlerin aus München, 18.1.1851 München, Kunstverein

April 1851

Mulattin Das Liebesbriefchen Kleine Bittende

Bayerische Landbötin, Nr. 78, 2.4.1851, S. 313 Briefe der Künstlerin aus München, 3.4.1851

München, Kunstverein

April 1851

Kind, um Almosen bettelnd ­[»Bettelkind«]

Briefe der Künstlerin aus München, 26.4.1851

Augsburg, Kunstverein

Mai 1851

Mestize Kind, um Almosen bettelnd [»Bettelkind«]

Augsburger Tagblatt, Nr. 129, 11.5.1851, S. 713 Bayerische Lechbötin, Nr. 108, 7.5.1851, S. 435

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728 | 

Anhang Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Quelle Der Lechbote. Eine Augsburger Morgenzeitung, Nr. 130, 12.5.1851 Der Lechbote. Eine Augsburger Morgenzeitung, Nr. 132, 14.5.1851

Augsburg, Kunstverein

Juli 1851

Eine Dame an dem Schmuckkasten beschäftigt

Augsburger Tageblatt, Nr. 190, 13.7.1851, S. 1057

München, Kunstverein

1853

Lautenspielerin

Münchner Punsch, 1853, S. 260

München, Kunstverein

1853

Pilgernde Italienerin

Münchner Punsch, 1853, S. 268

München, Akademie der bildenden Künste

1853

324. Lautenspielerin 325. Italienisches Pilgermädchen 326. Studienkopf.

Verzeichniß der Werke, 1853, Nr. 324, 325, 326

München, Kunstverein

Juni 1854

Der Räuber und seine Tochter (Brustbild) Die Tochter des Räubers, den gestohlenen Schmuck betrachtend Studienkopf Studienkopf Studienkopf

Münchner Punsch, Nr. 24, 11.6.1854, S. 192 Beilage zur Neuen Münchner Zeitung, Nr. 136, 8.6.1854 Der Bayerische Landbote, 30. Jg., Nr. 161, 8.6.1854, S. 635 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 161, 10.6.1854, S. 2570

Augsburg, Kunstverein

Juli 1854

St. Petersburg, Atelier des Fotografen Pluchard

März 1858

St. Petersburg, Akademie der Künste

April/Mai 1858

Der Räuber und seine Tochter

Augsburger Tageblatt, Nr. 188, 11.7.1854, S. 1190 Briefe der Künstlerin aus St. Petersburg, März 1858

1. Bildnis Mad. Vio [Frau des Dr. Wilhelm Vio aus Petersburg] 2. Neapoletanerin mit schlafendem Kind im Arm

Dörptsche Zeitung, Nr. 56, 16.5.1858, S. 6/7 (Übers. aus  : Charles de Saint Julien [Petersburger

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (zu Lebzeiten)  Ort

Riga

Datum

1859

Ausgestellte Werke

Quelle

3. Italienische Bäuerin 4. Kind, das mit der Hand eine Kerze deckt

Zeitung], in  : Le Di­ manche, Nr. 30, 4.5.1858)

Mädchen mit Licht

Das Inland, Nr. 24, 1859, Sp. 363 Rigasche Stadtblätter, Nr. 17, 23.4.1859

München, Kunstverein

1862

Porträts Junger Bacchus

Die Dioskuren. Deutsche Kunst-Zeitung, 7. Jg., Nr. 20, 18.5.1862, S. 157 Die Dioskuren. Deutsche Kunst-Zeitung, 7. Jg., Nr. 25/26, 22.6.1862, S. 196

St. Petersburg, Akademie der Künste

1868

Mehrere Köpfe Kleiner Bacchus

Die Dioskuren. Deutsche Kunst-Zeitung, 13. Jg., Nr. 3, 19.1.1868, S. 20

Berlin, Akademie der Künste

18.9. bis 6.11.1870

725. Italienische Bäuerin mit einem Kinde

Verzeichnis der Werke lebender Künstler ausgestellt in den Sälen des königl. Akademie-Gebäudes zu Berlin 1870, XLVII. Kunstausstellung der Königlichen Akademie der Künste, Berlin 1870

Dorpat

April 1870

6. Weibl. Portrait (Besitzer Hr. Czapski) 9. Weibl. Portrait (Besitzer Hr. Prof. Walter) 16. Männl. Portrait (Besitzer Ludwig Schwarz) 23. Weibl. Portrait (Besitzer Consu­ lent Wulffius) 37. Ein Knabe (Eigentum der Künstlerin) 42. Fruchtstück (Besitzer Ludwig Schwarz) 47. Mädchen mit dem Licht (Eigentum der Künstlerin) 48. Italienerin (Eigentum der Künstlerin)

Neue Dörptsche Zeitung, 16.4.1870 [Italienerin mit Fruchtkorb, Mädchen mit Licht beschrieben] Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1870

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Anhang Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Quelle

50. Skizze nach E. Hildebrandt (Eigentum der Künstlerin) 53. Weibl. Portrait (Besitzer Hr. von Knorring) 59. Männl. Portrait (Besitzer Hr. von Knorring) 60. Ein Bachus (Eigentum der Künstlerin) 67. Männl. Portrait (Besitzer Hr. Czapski) 70. Mutter mit dem Kinde (Besitzer Hr. Walter) 73. Starenberger See (Besitzer Frau Prof. Vogel) 75. Italienerin (Besitzer Hr. Walter) 103. Männl. Portrait (Besitzer Frau v. Helmersen) 110. Weibl. Portrait (Besitzer Prof. Schmidt) 117. Männl. Portrait (Besitzer Prof. Schmidt) 120. Portrait zweier Knaben (Besitzer Gräfin Solohub) 121. Italienerin (Besitzer Aug. Hagen) 137. Studie (Eigentum der Künstlerin) 149. Italienerin (Eigentum der Künstlerin) 153. Beduine Studie (Eigentum der Künstlerin) 166. Bildnis eines Mädchens (Besitzer E. von Liphart) 195. Finnische Landschaft (Besitzer Frau Brasch-Aya) 197. Römische Campagna (Besitzer Hr. Prof. Walter) 210. Männl. Bildnis (Besitzer Frau Baronin Bruiningk) Dorpat, Alte Universität

1871

128. Bildnis einer Dame 131. Bildnis einer Dame 145. Männliches Brustbild

Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1871 [Zweite Dorpater Gemäldeausstellung auf Initiative von J. Hagen Schwarz und W. Krüger]

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (zu Lebzeiten)  Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Dorpat

1875

49. Copie nach Rembrandt. Lachen- Katalog der Gemäldeausdes Mädchen. Original in Dresden. stellung Dorpat, 1875 Im Besitz des Hrn. A. Hagen. 51. Kinderportrait. Professor Engelmann. 73. Portrait des weiland Generals von Wrangell. Frl. von Wrangell. 94. Copie nach van Dyk. Original in Dresden. Ein Officier in voller Rüstung, mit einem Stabe in der Hand. A. Hagen. 96. Bildnis eines jungen Mädchens. K. v. Liphart. 107. Portrait des weiland Prof. emer. P. Walter. Im Besitze der Frau Prof. Walter 125 Copie nach Guiseppe Nogari (XVII. Jahrh.). Eine alte Frau wärmt die Hände an einem Kohlebecken. Frau Prof. Walter. 145. Kinderportrait. Prof. Bergmann. 157. Weibliches Portrait. Prof. Engelmann. 189. Weibliches Portrait.

Quelle

St. Petersburg, Akademie der Künste, »Gesellschaft für Kunstausstellungen«

März 1877

Portrait Karl Ernst von Baer

Feuilleton-Zeitung des St. Petersburger Herold, 22/10.3.1877

Riga, Kunstverein, Städtische Gemäldegalerie

Juni 1880

Bildnis des Ministers Ssaburow Bildnis Karl Ernst von Baer [beide verkäuflich]

Beilage zur Rigaschen Zeitung, Nr. 135, 25/13.6.1880

Riga, Kunstverein

1885

Rigasche Zeitung, Nr. 140, 19.6.1880 Männliches Bildnis

Rigasche Zeitung, Nr. 45, 23.2.1885

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Anhang Ort

Datum

Ausgestellte Werke

Quelle

Reval, Börsenhalle

24.–30.4.1888

34. Portrait des weil. Sup. Girgensohn 166. Ein Münchner Kind

Katalog der Gemälde-­ Ausstellung in der Börsenhalle vom 24. bis zum 30.4.1888, Reval, 1888 Rigasche Zeitung, Nr. 83, 11.4.1888

Riga, Kunstverein

1891

Römischer Studienkopf

Düna Zeitung, Nr. 255, 9.11.1891

Dorpat, Commerz-­ Club

April 1895

Nicht spezifiziert

Rigasche Rundschau, Nr. 78, 6.4.1895 [es soll einen Katalog gegeben haben]

Riga, Salon des Kunstvereins (Kunstgewerbeausstellung)

1899

Sammlung Majolikaarbeiten [Keramiken] Wandschirm(e)

Rigasche Rundschau, Nr. 54, 6.3.1899

Riga, 10.6.–1.8.1901 88. Bacchus. Kunst-Verein 89. Römerin mit Kind. Eigent. Dr. E. Schwarz, Riga. 90. Porträt des Kaisers Alexander II. Eigent. Grosse Gilde in Jurjew (Dorpat). 91. Porträt des Professors Carl Ernst v. Baer. Eigent. Dommuseum zu Riga.

Rigasche Rundschau, Nr. 64, 19.3.1899 [lt. Quelle Majolikaarbeiten schon vor ca. 20 Jahren entstanden] Ausstellung von Werken baltischer Künstler aller Zeiten. Vom 10. Juni bis 1. August 1901. Riga  : Selbstverlag des Rigaschen Kunst-Vereins, 1901.

Vorläufige Werkliste Die Werkliste wurde nach bestem Wissen zusammengestellt, sie spiegelt den Kenntnisstand bei Drucklegung wider. Trotz eingehender Prüfung können Dopplungen nicht ganz ausgeschlossen werden, da Zuordnungen anhand unterschiedlicher Quellen, vor allem im Nachlass der Künstlerin, nicht immer mit letzter Sicherheit vorgenommen werden konnten. Die Aufzählung der Werke erfolgt ohne Verweise in den Briefen, die den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätten. Sie dient vor allem als Beleg für die enorme Schaffenskraft der Künstlerin und für die heute noch so umfangreich nachweisbaren und erhaltenen Werke der Malerin Julie Hagen Schwarz. Allein durch die Anzahl der erhaltenen Werke, gar in der Gesamtheit der unten genannten, noch bekannten Werke, gehört Julie Hagen Schwarz zu den wenigen Malerinnen des 19. Jahrhunderts, deren professionelle künstlerische Tätigkeit sich durch ein umfangreiches Œuvre belegen und erschließen lässt. Sie war eine Ausnahmeerscheinung unter den malenden Frauen ihrer Zeit. Neben ihrem schriftlichen Nachlass bietet ihr umfangreiches Werk einen hervorragenden Ausgangspunkt für die Künstlerinnenforschung des 19. Jahrhunderts, die bis heute – auch aus Mangel an substanziellem Material – wenig Resonanz erfahren hat. Die Liste dient aber auch dem Bewusstsein, dass wir bisher vom Verbleib vieler Werke oder aber von ihrer Existenz nur wenig wissen. Noch nicht ausgewertet werden konnten die bisher unbearbeiteten römischen Briefe der Künstlerin. Bröcker berichtete nach seinem Besuch im Atelier der Künstlerin, Julie Hagen habe in München in 1 ½ Jahren 65 Gemälde geschaffen.1 Die Malerin selbst schrieb in einem Brief an Wilhelm Neumann,2 dass sie erst 1872 begonnen habe, ihre Bilder zu inventarisieren, und sie von 1872 bis 1898 etwa 500 Porträts geschaffen habe. Damit ist klar, dass die nachfolgende Werkliste das Gesamtœuvre unvollständig erfasst, in einigen Schaffensphasen mehr, in anderen weniger. Daher seien mit dieser Publikation der Aufruf und die Bitte verbunden, der Verfasserin Kenntnisse über Werke Julie Hagens oder über deren Verbleib zu übermitteln, damit die Liste ergänzt werden kann. 1 Bröcker, 1851, Sp. 713. 2 Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, Dorpat, nach 1898, Privatbesitz.

734 | 

Anhang

Die Erarbeitung eines vollständigen Werkverzeichnisses auf Grundlage dieser Liste ist wünschenswert und bleibt einem späteren Zeitpunkt vorbehalten. Die der Verfasserin zur Kenntnis gelangten Werke wurden in drei Gattungen unterteilt  : Gemälde (G), Zeichnungen und grafische Werke (Z) und plastische Arbeiten, hier  : Kunstgewerbe (P). Alle Werke wurden fortlaufend nummeriert, um sie mit einer Werknummer zu identifizieren. Für jedes Werk wurde eine Quelle benannt, sofern nicht die Angaben der besitzenden Institutionen oder der Privateigentümer herangezogen werden konnten. Alle angegebenen abgekürzten Quellen sind im Quellen- beziehungsweise Literaturverzeichnis erschlossen. Die Verfasserin dankt den Kolleginnen und Kollegen der estnischen Museen für ihre hilfreiche und freundliche Unterstützung, insbesondere dem Kunstmuseum Tartu und dem Estnischen Kunstmuseum Tallinn für die Möglichkeit, die Werke im Original zu begutachten. Desgleichen dem Historischen Museum in Tallinn und dem Kunstmuseum der Universität Tartu. Sie dankt ferner den vielen privaten Eigentümern für die wichtigen Auskünfte und Hinweise sowie für die stets freundliche, interessierte Zusammenarbeit. Allen Museen und Privateigentümern sei vielmals für die Übermittlung von Werkdaten und Reproduktionen gedankt. Viele der genannten Werke liegen der Verfasserin erfreulicherweise in Abbildungen vor. Ohne die Kooperation internationaler Institutionen und Privateigentümer hätte die folgende Auflistung der noch bekannten Werke Julie Hagen Schwarz’ nicht realisiert werden können.

Gemälde Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G1

Blumenkorb

G2

G3

Verbleib

Quelle

vor 1842

unbekannt

Verzeichnis der Kunstwerke, Riga, 1842, Nr. 192

Vase mit Früchten

vor 1842

unbekannt

Verzeichnis der Kunstwerke, Riga, 1842, Nr. 193

Der Blinde auf dem Kirchhof, Kopie nach Hermann Schlichting (1812–1890)

1844 bez. »IH 1844«

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 882

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 40, 1850

Öl auf Leinwand

Maße

83,5 × 67,3 cm

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

G4

Blumen- und Fruchtstück, Kopie nach Johan Laurentz Jensen (1800–1856)

vor 1845

G5

Blumen und Früchte

vor 1845

Öl auf Leinwand

unbekannt

Verzeichnis der Gemälde, Riga, 1845, Nr. 149

G6

Blumen und Früchte

vor 1845

Öl auf Leinwand

unbekannt

Verzeichnis der Gemälde, Riga, 1845, Nr. 150

G7

Ansicht von Wenden

vor 1845

Öl auf Leinwand

unbekannt

Verzeichnis der Gemälde, Riga, 1845, Nr. 151

G8

Blumen

1845 bez. u. r. »I HAGEN 1845«

Öl auf Leinwand

83 × 62 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 2549

G9

Blumenstillleben

um 1845 nicht bez.

Öl auf Leinwand

59 × 45 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 47

G10

Bildnis Zar Nikolaus I., Kopie nach Iwan Winberg (1798–1852)

um 1845 bez. u. re.: »I. Hagen«

Öl auf Leinwand

99 × 76,5 Privatbesitz cm

http://www. bonhams. com/auctions/23222/ lot/33/ (aufgerufen am 10.9.2018)

G11

Weibliches Porträt

vor 1846

Öl auf Leinwand

Öl auf Leinwand

Verbleib

Quelle

unbekannt

Verzeichnis der Gemälde, Riga, 1845, Nr. 147 Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 41, 1850

unbekannt

Prause, 1975, Kat.-Nr. 444 (1846)

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736 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G12

Bildnis Annette von Villebois

vor 1846  ?

Öl auf Leinwand

72,5 × 52,5 cm

Tartu Linnamuuseum, Inv.-Nr. TM 1361 K 51

G13

Bildnis einer jungen Frau mit Schal, Kopie nach Jean Baptiste Santerre (1658–1717)

vor 1846 nicht bez.

Öl auf Leinwand

69 × 85 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 552

G14

Bildnis Ludwig Struve (zugeschrieben)

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

34,5 × 28,5 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM_133 65G4736

G15

Selbstbildnis

vor 1846

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, Dresden, 1.1.1847

G16

Lesender Mönch, Kopie nach Raymond Auguste Quinsac Monvoisin (1790–1870)

1846 Öl auf LeinMitte li.: wand »Iulie Hagen 1846 d’après voisin«

Privatbesitz

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 37, 1850

G17

Totenkopf, Kopie nach unbekanntem Meister  ?

1846

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, Dresden, 23.8.1846

G18

Die Alte mit dem Kohlenbecken, Kopie nach Giu­seppe Nogari (1699–1766)

1846

Öl auf Leinwand

unbekannt

Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1875, Nr. 125

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G19

Männlicher Kopf mit Brille (Der Gelehrte  ?), Kopie nach Giu­seppe Nogari (1­ 699–1766)

1846

G20

Rembrandts Mutter (Eine alte Frau), Kopie nach Jan Lievens  ? (1607–1674)

1846

G21

Die Gold­ 1846/47 wägerin, nicht bez. Kopie nach Rembrandt-­ Nachfolger (zugeschrieben)

Öl auf Leinwand

G22

Selbstbildnis

1846/47 nicht bez.

Öl auf Leinwand

G23

Bildnis, Kopie nach Anton Graff (1736–1813)

1847

Öl auf Leinwand

G24

Englischer Offizier (»Cromwell«) (Bildnis eines Geharnischten mit roter Armbinde), Kopie nach Anthonis van Dyck (1599–1641)

1847

Öl auf Leinwand

Maße

Verbleib

Quelle

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 39, 1850

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 33, 1850

112,6 × 109,5 cm

Estnisches Kunstmuseum Tallinn (Kadriorg), Inv.-Nr. VM 260

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898 (vgl. Abb. 19)

43,5 × 35,4 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 726

70,2 × 90,2 cm

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, Dresden, 8.2.1847

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 39 Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 31, 1850

| 737

738 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G25

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster, Kopie nach Jan Vermeer van Delft (1632–1675)

1847

Öl auf Leinwand

G26

Lachendes 1847 Mädchen (Saskia van Uylenburgh als Mädchen  ?), Kopie nach Rembrandt van Rijn (1606–1669)

Öl auf Leinwand

Maße

51 × 43 cm

Verbleib

Quelle

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, Dresden, 20.3.1847

unbekannt

Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1875, Nr. 49 Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 34, 1850 Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 35

G27

Saskia mit roter Blume, Kopie nach Rembrandt van Rijn

1846/47

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 18.1.1850

G28

Christuskopf mit Dornenkrone, Kopie nach Guido Reni (1575–1642)

1846/47

Öl auf Leinwand

unbekannt  ? (möglicherweise identisch mit G98 [Kirche zu Užara, Lettland  ?])

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, Dresden, 9.4.1847

G29

Selbstbildnis

1847

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, Dresden, 24.8.1847

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G30

Brustbild im Pelz (Bildnis eines jungen Kriegers), Kopie nach Rembrandt-­ Umkreis

1846/47

Öl auf Leinwand

G31

Selbstbildnis des Wallerant Vailland, Kopie nach Wallerant Vailland (1623–1677)

1846/47

Öl auf Leinwand

G32

Männliches Bildnis, Kopie nach Bartholomeus van der Helst (um 1613–1670)

1846/47

G33

Bildnis eines Edelmannes, Kopie nach unbekanntem Meister

G34

Stillleben, Kopie nach Antonio da Correggio (1489–1534)

G35

Bauernschlägerei, Kopie nach Adriaen Brouwer (1605–1638)

Maße

57 × 70 cm

Verbleib

Quelle

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 35, 1850

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 36, 1850 Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 37 oder 38

1846/47

Öl auf Leinwand

43 × 60 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 37 oder 38

Öl auf Leinwand

unbekannt

Hinweis von Ludwig Schwarz

Öl auf Leinwand

34,5 × 35 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 40

Öl auf Leinwand

25 × 35 cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 36

unbekannt

| 739

740 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G36

Gipskopf

G37

Maße

Verbleib

Quelle

1847

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 25.9.1847

Draperie (blauer Atlas)

1847

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 23.10.1847

G38

Porträt eines alten Mannes

1847

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 23.10.1847

G39

Bildnis des Vetters Alois Rosner

1847

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.11.1847

G40

Bildnis des Vetters Xaver Rosner

1847

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.11.1847

G41

Bildnis Elise oder Emilie List

1847

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 18.12.1847

G42

Umgebung von München (Studie)

nach 1847

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 48b

G43

Knabenkopf

1848

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 30.1.1848

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G44

Junges Mädchen von 14 Jahren

1848

G45

Büßende Magdalena, Kopie nach Guido Reni

1848

Öl auf Leinwand

Maße

116 × 88 cm

Verbleib

Quelle

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 30.1.1848

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 32, 1850 Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 42

G46

Büßende Magdalena, Kopie nach Guido Reni

1848

G47

Bildnis des Vetters Ludwig Rosner

G48

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 14.4.1848

1848

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 27.2.1848

Weibliche Aktstudie I

1848

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 16.3.1848

G49

Weibliche Aktstudie II

1848

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 16.3.1848

G50

Bacchantin

1848

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 23, 1850

Öl auf Leinwand

| 741

742 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G51

Konfirmandin in weißem Gewand

1848

G52

Kleine Wäscherin

1848

G53

Maße

Verbleib

Quelle

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 15.5.1848

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 30.7.1848

Studienkopf 1848 im Halbdunkel

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 30.7.1848

G54

Studienkopf (im Profil)

1848

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 28.9.1848

G55

Bildnis des Vetters Alois Rehrl

1848

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 28.9.1848

G56

Schweizerin

1848

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 26, 1850

G57

Nacktes Mädchen

um 1848

Öl auf Leinwand

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 19

G58

Bildnis eines dreijährigen Kindes

1848

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 19.11.1848

64 × 47 cm

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G59

Bildnis Schillers, Kopie einer Kopie von Joseph Bernhardt nach Joseph Karl Stieler (1781–1858)

1848

G60

Bildnis des Onkels Carl von Paumgarten

1849

G61

Mädchen mit Licht

G62

Kopie der Schweizerin (Appenzellerin)

G63

Bruststudie

G64

Bildnis Amalia de Barellier

G65

Bildnis Moritz Rugendas

Maße

Verbleib

Quelle

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 19.11.1848

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 20.12.1848

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 20.3.1849

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 20.3.1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 9.4.1849

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.5.1849

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 3, 1850

lebensgroß

| 743

744 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G66

Bildnis Moritz Rugendas, Skizze

1849 Öl auf LeinBez. a. d. wand Keilrahmen  : oben  : »Skizze von Moritz Rugendas zu einem grossen Bilde«, seitlich  : Dass. von der Frau Hagen Schwarz nach Dorpat gebracht wurde wo das grosse Bild nicht bekannt«

40,2 × 24,2 cm

Estnisches Kunstmuseum Tallinn (Kadriorg), Inv.-Nr. VM 685

(vgl. Farb­ abb. 11)

G67

Bildnis Alois Rehrl, Bruder der Tante Ottilie von Paumgarten

1849

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.10.1849

G68

Bildnis Alois Rehrl, Bruder der Tante Ottilie, Replik von G67

1849

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 28.10.1849

G69

Kopf eines Kindes

1849

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.10.1849

G70

Bildnis Oberst Wiegardt

1849

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.10.1849

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G71

Selbstbildnis vor der Staffelei

1849

Öl auf Leinwand

lebensgroß

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 27, 1850 (vgl. Abb. 1)

G72

Bildnis Laura Seyboldt

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 2, 1850

G73

Bildnis Laura Seyboldt, Replik von G72

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 28.10.1849

G74

Kniestück Gouvernante

1849

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 28.10.1849

G75

Bildnis Marie Berger-Lattner, verh. Keller (1825–  ?)

1849 Öl auf Leinbez. a. d. Rs  : wand »Julie Hagen 1849«

G76

Klio (Rückenstudie)

1849

G77

Bildnis Ottilie von Paumgarten

1849 Öl auf Leinbez. a. d. Rs  : wand »Julie Hagen 1849«

68,5 × 56 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 828

G78

Dachauerin

1848

lebensgroß

unbekannt

G79

Bildnis H. Keller

1849 Öl auf Leinbez. a. d. Rs. wand (Keilrahmen und Leinwand)  : »H.

oval

61,5 × 49,5 cm

Öl auf Leinwand

Öl auf Leinwand

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 926 unbekannt

56,5 × 47 Privatbesitz cm

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 22, 1850

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 24, 1850 Hinweis von Mart Sander, Tallinn

| 745

746 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

52 × 43 cm

Privatbesitz

Hinweis von Mart Sander, Tallinn

Keller geb. Paumgarten. Von J. Hagen gemalt. München 1849« G80

Bildnis R. Keller

1849 bez. a. d. Öl auf LeinRs. (Keilwand rahmen und Leinwand)  : »R. Keller. Von J. Hagen gemalt. München 1849«

G81

Bergtiroler

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 18, 1850

G82

Tiroler

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 19, 1850

G83

Pilger mit langem Bart

1848–1850

Öl auf Leinwand

73 × 58,5 Privatbesitz cm

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 21, 1850  ? Hinweis von Anne Lillioja, Galerie St. Lukas, Tallinn

G84

Münchner Kellnerin

1849

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 25, 1850

G85

Porträt 1849 einer der Girl-­ Schwestern (vermutlich Marie Girl)

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 9.4.1849

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G86

Bäuerin im Walde (Profil)

1848–1850

G87

Mädchen bei der Toilette

Verbleib

Quelle

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 10, 1850

1848–1850

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 20, 1850

G88

Magyar, Brust- 1848–1850 bild

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 6, 1850

G89

Griechin

1851

unbekannt

Bröcker, 1851, Sp. 714

G89

Mulattin

1851

unbekannt (angekauft vom Grafen Matvei Wilhorski 1851)

Bröcker, 1851, Sp. 714

G90

Mulattin

1851

G91

Armstudie

1848–1850

G92

Putten

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

G93

Mestize

1848–1851

Maße

Öl auf Leinwand

Öl auf Leinwand

33 × 41 cm (längsoval)

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 27.6.1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 27.6.1851

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 7, 1850

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 3593 unbekannt

Der Lechbote. Eine Augsburger Morgenzeitung, Nr. 132, 14.5.1851

| 747

748 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G94

Bildnis Norbert Pfretzschner

1850

G95

Bildnis des Onkels Carl von Paumgarten

G96

Maße

Verbleib

Quelle

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.2.1850

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.2.1850

Bildnis des Onkels Carl von Paumgarten

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 13.10.1850

G97

Bildnis Bergerhof

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 10.2.1850

G98

Christuskopf mit Dornenkrone, Kopie nach Guido Reni

1850

oval

Kirche zu Užara (Hasau), Lettland

Vitolds Mašnovskis, Latvijas luterāņu baznīcas (The Lutheran Churches of Latvia  : An Encyclopedia in Four Vol­ umes), Riga 2007, Bd. 4, S. 249–251 (Hinweis von Baiba Vanaga, Riga)

G99

Hochalpenlandschaft, Kopie nach unbekanntem Meister

ohne Datum

54,5 × 41,2

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 33

Öl auf Leinwand

Öl auf Leinwand

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G100

Alte Schwäbin

1850 bez. Öl auf LeinMitte re.: wand »Julie Hagen 1850«, auf der Rs. oben  : »Iulie Hagen 1850«

60,5 × 46,7 cm

Privatbesitz

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 11, 1850

G101

Alte Schwäbin (Replik)

nach 1850 nicht bez.

Öl auf Leinwand

60,5 × 48 cm

Privatbesitz

G102

Mohr

1850 nicht bez.

Öl auf Leinwand

47,2 × 42,5 cm

Privatbesitz (als Dauerleihgabe im Tartu Art Museum)

G103

Afrikaner (Diener Ludwigs I. von Bayern)

um 1850

Öl auf Leinwand

70 × 92 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 20

G104

Der blaue Domino

1850

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 1, 1850

G105

Engelsköpfchen, Kopie nach unbekanntem Meister

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 12.3.1850

G106

Bildnis Ludwig 1850 Freiherr von und zu der Tann

Öl auf Leinwand

Brustbild, lebensgroß

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 4.4.1850

G107

Bildnis Ludwig 1850 Freiherr von nicht bez. und zu der Tann (Studie)

Öl auf Leinwand

38,2 × 28,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 732

(vgl. Farb­ abb. 13)

| 749

750 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G108

Bildnis der Tante Ottilie von Paumgarten (Studie)

G109

Verbleib

Quelle

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 4.4.1850

Bildnis der Tante Ottilie von Paumgarten

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 4.4.1850

G110

Selbstbildnis mit Strohhut

um 1850 bez. a. d. Rs. (Keilrah­ men, Etikett)  : »Selbstporträt v. Julie Hagen (Schwarz)«

G111

Früchte ­(Studie)

G112

Öl auf Leinwand

Maße

46 × 40,5 Tartu Art cm Museum, Inv.-Nr. M 829

(vgl. Farb­ abb. 10)

um 1850

32 × 24 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 38b

Rosen (Studie)

um 1850

36 × 27 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 39b

G113

Pfirsiche (Studie)

um 1850

26 × 19 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 40b

G114

Fuchsie ­(Studie)

um 1850

28 × 19 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 41b

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G115

Blumenstudie (lila)

um 1850

57,3 × 29,3 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 42b

G116

Blumen und Früchte

um 1850

35 × 24,7 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 43b

G117

Wasserrosen (Studie)

um 1850

29 × 27 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 46b

G118

Bildnis Katharina Voltz

1850 nicht bez.

Öl auf Leinwand

69 × 56 cm

Privatbesitz

(vgl. Farb­ abb. 14)

G119

Bildnis eines jungen Offiziers (Ungar)

1850 Öl auf Leinbez. a.d. Rs  : wand »Julie Hagen 1850«

71,5 × 58,5 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 12

G120

Bildnis der Maria Diss

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 13.7.1850

G121

Bildnis einer Dreijährigen

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 9.8.1850

G122

Fruchtkorb mit Feigen, Weintrauben, Pfirsich und Aprikosen

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 13.10.1850

G123

Kopie nach 1850 Moritz Müller (genannt »Feuermüller«)

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 3.11.1850

| 751

752 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G124

Bildnis des Grafen Wolkenstein

G125

Verbleib

Quelle

1850

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 3.11.1850

Bildnis eines jungen Mannes

um 1851

unbekannt

Hinweis von Mart Sander, Tallinn, ohne Bildangaben

G126

Studie nach einem weiblichen Modell (»Etüde«)

um 1851 bez. a. d. Rs.: »Skizze zu einem Bilde (Rom) von meiner Mutter, Julie HagenSchwarz, W. S. Mühlenthal geb. Schwarz«

G126

Mädchen in der Hängematte

um 1851

G127

Datura

1850 bez. a. d. Rs  : »Blumen­ studie meiner Mutter Julie Hagen­Schwarz W. Müh­­ lenthal geb. Schwarz«

G128

Datura

1850

Öl auf Malpappe

Öl auf Papier auf Leinwand

Maße

29,3 × 22 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 5915

41,5 × 35 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 32b

35,5 × 49,1 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 6214

(vgl. Farb­ abb. 15)

51 × 37 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 45b

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G129

Das Liebesbriefchen

1851 nicht bez.

Öl auf Leinwand

103 × 81 cm

Privatbesitz

(vgl. Farb­ abb. 12)

G130

Italienerin in einer Kirche

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 25.12.1850

G131

Italienerin in einer Kirche, Replik von G130

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 27.6.1851

G132

Bildnis Wilhelm Blum

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 8.4.1851

G133

Bildnis Julie Dreuttel

1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 26.4.1851

G134

Bildnis der Fürstin Wrede

1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 21.5.1851

G135

Bildnis des Bräutigams der Baronesse von Stransky (Sigmund von Pfeufer  ?)

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 21.5.1851

G136

Bildnis Eduard 1851 Riedel

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 21.5.1851

| 753

754 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G137

Bildnis Friedrich Volz (zugeschrieben)

1851

Öl auf Leinwand

69 × 56 cm

Privatbesitz

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 30.6.1851 und 29.8.1851

G138

Bettelkind

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt (von Maria von Leuchtenberg 1851 erworben)

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 21.1.1851 (vgl. Abb. 20)

G139

Die barmherzigen Schwestern

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt (ehemals Zarenhof in St. Petersburg)

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 15.2.1851 (vgl. Abb. 21)

G140

Bildnis der Friederike Diß

1851

Öl auf Leinwand

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 11.7.1851

G141

Bildnis Philipp Diß

1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 19.7.1851

G142

Bildnis der Tante Cecilie von Paumgarten

1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 25.8.1851

G143

Bildnis der 1851 Pauline von Wimpffen, geb. von Wimpffen

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 29.8.1851

lebensgroß

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G144

Bildnis der Tante Anna von Paumgarten

G145

Maße

Verbleib

Quelle

1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 29.8.1851

Bildnis Moritz Rugendas

1851

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 29.8.1851

G146

Die Lautenspielerin

1851

Öl auf Leinwand

157 × 106,5 cm

Privatbesitz

G147

Italienerin mit Fruchtkorb

nach 1851 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

139 × 98,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 736

G148

Mädchen mit goldenem Stirnreif (vermutlich Marie Berger-Lattner)

um 1851 bez. a. d. Rs.: »Venezianischer Jüngling« (altes Etikett), »Mädchen mit goldenem Stirnreif« (neues Etikett), auf dem Keilrahmen mit Bleistift  : unleserlich, auf dem Bilderrahmen  : »3413 1936«

Öl auf Leinwand

44 × 35,5 verbrannt cm

(vgl. Abb. 9)

| 755

756 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G149

Italienisches 1851–1853 Pilgermädchen

49,5 × 31,5 cm

Privatbesitz

https://commons.wiki media.org/ wiki/File  : Julie_Hagen-­ Schwarz_-_ Italian_Mai den_On_ Her_Way_ To_Rome.jpg (aufgerufen am 11.9.2018)

G150

Studienkopf

vor 1853

unbekannt

Verzeichniß der Werke, 1853, Nr. 326

G151

Der Räuber und seine Tochter

vor 1853

unbekannt

Münchner Punsch, 1854, Nr. 24, 11.6.1854, S. 192

Öl auf Leinwand

Augsburger Tageblatt, Nr. 188, 11.7.1854, S. 1190 G152

Die Tochter des Räubers, den gestohlenen Schmuck betrachtend

vor 1854

unbekannt

Münchner Punsch, 1854, Nr. 24, 11.6. 1854, S. 192

G153

Bildnis der jungen Fürstin Sayn-Wittgenstein

1851–1853

unbekannt

Das Inland, 1853, Sp. 612

G154

Ansicht der Peterskirche in Rom

1851 nicht bez.

Öl auf Leinwand auf Holz

16,5 × 27,8 cm

Kunstmuseum der Universität Tartu, Inv.-Nr. KMM MA 71

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G156

Nemesis (Italienisches Wirtshaus)

1852 nicht bez.

Öl auf Karton

25,2 × 21,2 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 728

G157

Villa d’Este in Tivoli

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

58,8 × 41 Tartu Art cm Museum, Inv.-Nr. M 723

G158

Italienischer Brunnen mit Faunen

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

25 × 34 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 731

G159

Grotte

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Papier auf Karton

42,8 × 29,2 cm

Tartu Art Museum Inv.-Nr. M 1424

G160

Vegetation (Palmen)

um 1850 nicht bez.

Öl auf Leinwand auf Karton

30,3 × 26,8 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 733

G161

Blick auf den Petersdom in Rom

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Karton

19,3 × 30,8 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 734

G162

Italienische 1851–1854 Landschaft mit nicht bez. Esel

Öl auf Karton

28,5 × 39 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 727

G163

Gebirgslandschaft mit Hütte

nach 1858 bez. u. re.: »IHS«

Öl auf Leinwand

32,1 × 42,7 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 754

G164

Italienische Landschaft

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

32,9 × 39,8 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 906

G165

Römische Grotte (»Grüne Grotte«)

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Karton

38,6 × 28,2 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 730

Quelle

| 757

758 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G166

Höhle

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Karton

27,5 × 38,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 1425

G167

Drei römische Brunnenköpfe

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

17,4 × 17,6 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 5916

G168

Italienische Landschaft

1851–1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

32,9 × 39,8 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 906

G169

Castell am Meer

ohne Datum

26 × 39 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 52

G170

Villa Malta, Atelier der Künstlerin (Studie)

1851–1854

41,6 × 34 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 2b

G171

Ausblick vom Turm (der Villa Malta  ?), Studie

1851–1854

37 × 27,5 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 7b

G172

Treppe mit Ausblick

vor 1855

21 × 28 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 49b

G173

Portal, Architektur

vor 1855

28,5 × 37 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 50b

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G174

Muttergottesbild mit knieender Frau

vor 1855

27 × 20 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 51b

G175

Nische

vor 1855

30 × 26 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 23b

G176

Brunnen

vor 1855

30 × 26 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 24b

G177

Brunnen

vor 1855

26 × 36,8 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 10b

G178

Brunnen

vor 1855

37 × 28 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 17b

G179

Brunnen

vor 1855

26 × 36 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 18b

G180

Brunnen

vor 1855

28 × 34 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 19b

G181

Brunnen/­ Pinien

vor 1855

22 × 17/ 18,2 × 22,2 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 21b

| 759

760 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G182

Treppe

vor 1855

36,5 × 25,5 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 22b

G183

Haus mit Treppe

vor 1855

28,2 × 31,2 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 11b

G184

Steine, Amalfi

vor 1855

31 × 42,7 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 5b

G185

Steine

vor 1855

44 × 34 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 9b

G186

Steine am Meer

vor 1855

28 × 39,3 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 29b

G187

Vesuv

vor 1855

46 × 26 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 4b

G188

Bewachsenes Gemäuer

vor 1855

42 × 29 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 6b

G189

Frau am Torweg

vor 1855

48 × 37,7 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 8b

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G190

Fischerknabe, sitzend

vor 1855

39 × 31 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 30b

G191

Knabe, ­stehend

vor 1855

40 × 28 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 31b

G192

Waldinterieur

vor 1855

30 × 26 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 12b

G193

Weinschenke

vor 1855

28 × 21,2 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 13b

G194

Schloss am Meer

vor 1855

29 × 40 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 26b

G195

Haus auf Felsen am Meer

vor 1855

28 × 43 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 27b

G196

Oru in Estland (»Ufer eines Sees«)

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

32,5 × 45,5 cm (längsoval)

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 2498

G197

Küstenlandschaft mit Burg

1866–1867 nicht bez.

34,2 × 46 Estnisches cm Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 228

Öl auf Leinwand

| 761

762 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G198

Nächtliche Landschaft mit Wanderer

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

19,4 × 24,1 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 541

G199

Steinige Landschaft

ohne Datum Öl auf Leinbez. a. d. Rs.: wand »Steinige Landschaft von J. HagenSchwarz«

36 × 53 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 53

G200

Bildnis Friedrich Johann Hagen, Bruder der Künstlerin

ohne Datum Öl auf Lein(wohl nach wand der Rückkehr Julie Hagens nach Dorpat im Jahr 1854 entstanden)

36,7 × 29,7 cm

unbekannt

Tartu Art Museum, Archiv  : Fotografie TKM 00938F, Inventarbücher

G201

Bildnis Friedrich Wilhelm Kienast

1855–1858

unbekannt

Album IV, Familienbesitz

G202

Bildnis Eduard 1856 Schwarz als Baby

unbekannt

Fotografie in Familien­ besitz

G203

Stein im Gras (Studie)

nach 1858 bez.: »J.H.S.«

Öl auf Papier auf Karton

18,4 × 26,6 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-­Nr. M 1001

G204

Italienerknabe

nach 1851 nicht bez.

Öl auf Leinwand

51 × 38 cm (oval)

Privatbesitz

G205

Italienisches Mädchen

nach 1851 nicht bez.

Öl auf Leinwand

47 × 37 cm

Privatbesitz

G206

Klostergarten, Kopie nach Oswald Achenbach (1827–1905)

nach 1851

Öl auf Leinwand

53,5 × 46 unbekannt cm

Öl auf Leinwand

Quelle

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 11

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G207

Neapolitanischer Fischer

nach 1851 bez. u. re.: »I. Hagen Schwarz«

57,3 × 46,8 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 16

Öl auf Leinwand

angeboten im Kunstisalong Tartu 14. Auktion, 3.6.2005  ; http://www. e-kunstisa long.ee/?e= oksjonid&l= en&o=9&num =357 (aufgerufen am 12.9.2018) G208

Dudelsackspieler in der Campagna

nach 1851

Öl auf Leinwand

28 × 24,3 unbekannt cm

G209

Abruzze

1852 bez. a. d. Rs.: »1852«

Öl auf Leinwand

45 × 40 cm

Privatbesitz

G210

Räuber mit Pistole

um 1852 bez. u. li.: »J. Hagen Rom«

Öl auf Leinwand

98,5 × 74,8 cm

Tretjakow-Galerie Moskau, Inv.-Nr. G-1024

G211

Italienische Landschaft mit Ruinen (ohne Staffage)

nach 1851 bez. a. d. Rs.: »gemalt von meiner Mutter Julie Hagen Schwarz W. J. Mühlenthal geb. Schwarz«

Öl auf Leinwand

48,5 × 67,5 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM_9792 G 1878

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 26

| 763

764 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G212

Italienische 1867 Landschaft mit bez. u. li.: Ruinen (mit »I Hagen Staffage) Schwarz 1867«

G213

Mondlandschaft (Monte S. Angelo bei Neapel)

G214

G215

Quelle

Öl auf Leinwand

62,2 × 81,5 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 878

nach 1852

Öl auf Leinwand

61,5 × 32 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 21

Mondlandschaft (Monte S. Angelo bei Neapel) (zugeschrieben)

nach 1852 bez. a. d. Rs.: »Kopie nach Jul. HagenSchwarz«

Öl auf Pappe

50,6 × 33,3 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 730, Leihgabe aus Privatbesitz (Tartu)

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 22

Frau von Meiners in italienischer Tracht

1853 bez. a. d. Rs.: »HagenSchwarz«, a. d. Bilderrahmen  : »LATVIESU UN KRIEVU MAKSLAS VALSTS MUZEJA IPASUMS. INV. No. 1220. KÜNSTLER Hagen – Schwarz, J. [auf Russisch] 1824–1902. NOSAUKUMS Weibliches

Öl auf Leinwand

103 × 84,6 cm (oval)

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 2866

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

62,2 × 53,5 cm (oval)

Lettisches Hinweis von Nationalmu- Baiba Vanaga, seum Riga, Riga Inv.-Nr. ĀMM GL360

Portrait [auf Russisch]. SAMERI, X. M. 103X84. Logata No« G216

Bildnis einer jungen Italienerin

1853 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1853«

Öl auf Leinwand

G217

Bildnis August Matthias Hagen

1853

Öl auf Leinwand

G218

Eine Mutter mit ihrem kranken Kind

G219

unbekannt

Das Inland, 1853, Sp. 612

ohne Datum

unbekannt

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

Bacchusknabe aus goldener Schale nippend

ohne Datum

unbekannt

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

G220

Mädchen mit einem Bündel Futterkraut, Sichel und Harke

ohne Datum

unbekannt

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

G221

Altrömische Figur mit Urnenvase

ohne Datum

unbekannt

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

G222

Mädchenporträt

1854 bez. u. li.: »Hagen 1854«

Öl auf Leinwand

45 × 35 cm

Privatbesitz

| 765

766 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G223

Bildnis Hermann Eduard Hartmann

1854 Öl auf Leinbez. u. re.: wand »Julie Hagen 1854«

45 × 37 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 759

(vgl. Abb. 7)

G224

Landschaft im Nebel

ohne Datum

35 × 55 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 59

G225

Bildnis Otto Duhmberg

1854 Öl auf Leinbez. u. r.: wand »Julie Hagen 1854«

Privatbesitz

Fotografie in Familienbesitz

G226

Bildnis Mar1854 Öl auf Leingarethe von bez. u. r.: wand Sehrwald, geb. »Julie Hagen Duhmberg 1854« (Schwester von Otto Duhmberg)

Privatbesitz

Fotografie im Besitz der Verfasserin

G227

Bildnis Friederica Nathalia Hagen

nach 1854

Öl auf Leinwand

G228

Bildnis Johann Reinhold Patkul

nach 1854

Öl auf Leinwand

G229

Bildnis Johanna Hagen (»Schneckenmädchen«)

1854 bez.: Öl auf Lein»1854«, wand auf der Rs.: (Keilrahmen oben) »… Kügelgen«, (Keilrahmen unten) »Hanna von Kügelgen von ihrer Schwester Schwarz-

Öl auf Leinwand

45,6 × 36,7 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 739 unbekannt

45 × 37 cm

Privatbesitz

Fotografie des Arbeitszimmers von Carl Schirren, Familienbesitz

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

Hagen« [von fremder Hand, 20. Jhd.] G230

Bildnis Bertha Hagen

um 1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

45 × 37 cm

Privatbesitz

G231

Bildnis Bertha Hagen  ?

um 1854 nicht bez.

Öl auf Leinwand

53 × 44 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn Inv.-Nr. TAAM 9622/ G1874

G232

Bildnis Heinrich Laakmann (zugeschrieben)

ohne Datum

Öl auf Leinwand

G233

Jugendbildnis Ludwig Schwarz

um 1855 nicht bez.

Öl auf Leinwand

45 × 35 cm

Privatbesitz

G234

Bildnis Ludwig Schwarz

um 1855

Öl auf Leinwand

35 × 28 cm

Privatbesitz

G235

Selbstbildnis

1855 bez. a. d. Rs (Keilrahmen)  : »Selbstportrait der Künstlerin 1855 (Irkutsk)«

Öl auf Leinwand

43,7 × 34,7 cm (oval)

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 722

G236

Bildnis eines italienischen Modells

1855

Öl auf Leinwand

oval

Privatbesitz

G237

Italienerin mit Kind (Kind ohne Hemd)

1856  ? bez. u. li.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

133 × 101 cm

Privatbesitz

unbekannt

Baltikum-Index, 2005–2006 (Sammlung Georg von Krusenstjern)

(vgl. Farb­ abb. 7)

Album III, Familienbesitz

| 767

768 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G238

Italienerin mit Kind (Kind mit Hemd)

1856  ? bez. u. li.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

135 × 103 cm

Privatbesitz

Fotografie in Familienbesitz

G239

Bildnis Alexander Nikolai Brasche

1851 bez. a. d. Rs. (Keilrahmen)  : »A. N. Brasche im J. 1851 von J. W. Hagen gemalt.«

Öl auf Leinwand

84,5 × 55,5 cm (oval)

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 9

G240

Bildnis Elmire Alexandrine Wagner, geb. Brasche

1854 bez. Öl auf Leina. d. Rs. (auf wand neuem Keilrahmen)  : »Dieses Gemälde wurde im Jahre 1974 von Prof. Knubben in Köln restauriert. Der originale Keilrahmen hatte die folgende Inschrift  : ›Elmire Alexandrine Wagner, geb. Brasche, anlässlich ihrer Trauung mit Heinrich Wagner von unserer guten Freundin,

101 × 77 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 11

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

unbekannt

Siehe Bezeichnung des Bildnisses der Ehefrau (G240)

Eremitage St. Petersburg, Inv.-Nr. ЭРЖ-2636

Hinweis von Boris Asvarišč, St. Petersburg

Fräulein Hagen, gemalt.‹ Dazu gehört auch ein Gegenstück von Herrn Wagner, 1822–1907, Heute wahrscheinlich im Besitz der Familie Wagner.« G241

Bildnis 1854 Heinrich Adolf Wagner

Öl auf Leinwand

G242

Bildnis einer Unbekannten

1855–1858 bez. u. li.: »Iulie Schwarz«

Öl auf Leinwand

97,5 × 72,5 cm (oval)

G243

Waldbach in Sibirien

1855–1858  ? bez. u. li.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

35,8 × 58 Estnisches cm Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 770

G244

Sibirische Landschaft

ohne Datum

43 × 57 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 28a

G245

Sibirische Landschaft

ohne Datum

26 × 20 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 31a

G246

Thüringische Landschaft, Baumschlag I

ohne Datum

36 × 47 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 29a

| 769

770 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G247

Thüringische Landschaft, Baumschlag II

ohne Datum

28 × 37 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 30a

G248

Wald

1855–1858  ? nicht bez.

Öl auf Leinwand

150 × 110,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 930

G249

Bildnis Georg Friedrich Parrot, nach Gerhard von Kügelgen (zugeschrieben)

nach 1858 nicht bez.

Öl auf Leinwand

81 × 61 cm

I. Kramskoi Museum Woronesch, Inv.-Nr. 285 Ж

G250

Bildnis Julie Köhne

1859 Öl auf Leinbez. u. re.: wand »Iulie Hagen Schwarz 1859«

64 × 53 cm

Privatbesitz

G251

Römerin

1859 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1859«

58,5 × 46,5 cm

Privatbesitz

Öl auf Leinwand

Dorpat – Yuryev – Tartu and Voronezh, 2006, S. 314 f.

angeboten im Kunstisalong Tartu, 15. Auktion, 9.11.2005  ; http://www.ekunstisalong. ee/?e=oksjo nid &l=en&o =15&num =356 (aufgerufen am 12.9.2018) Verzeichnis der Werke im ­Nachlass der Künstlerin, Nr. 17

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G252

Kopfstudie einer jungen Römerin

nach 1860

Öl auf Leinwand

51,5 × 40,5 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 40

G253

Bildnis Gustav Leopold Ludwig Schwarz, genannt Louiska, Sohn der Künstlerin

um 1860

Öl auf Leinwand

40 × 49 cm (oval)

Privatbesitz

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 7d

G254

Bildnis der beiden Söhne der Künstlerin, Eduard und Louiska Schwarz

1861 bez. u. re.: »I. Hagen Schwarz 1861«

Öl auf Leinwand

67 × 51,5 cm (oval)

Privatbesitz

G255

Junger Bacchus

vor 1862

unbekannt

Die Dioskuren. Deutsche Kunst-Zeitung, 7. Jg., Nr. 25/26, 22.6.1862, S. 196 Die Dioskuren. Deutsche Kunst-Zeitung, 13. Jg., Nr. 3, 19.1.1868, S. 20

G256

Bildnis ­Alexander Hagen

1862 nicht bez.

G257

Bildnis 1862 bez. einer Tante der u. li.: »I HaKünstlerin  ? gen Schwarz 1862«

Öl auf Leinwand

42 × 32,5 Tartu Art cm Museum, Inv.-Nr. M 722

Öl auf Leinwand

73 × 55 cm

Privatbesitz

| 771

772 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G258

Bildnis einer Frau

1863

Öl auf Leinwand

62,4 × 49,3 cm (oval)

Lettisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. ĀMM GL1016

G259

Porträt in italienischer Tracht (Frau Treboux)

1862 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1962«

Öl auf Leinwand

79 × 62 cm

Privatbesitz

G260

Bildnis einer Unbekannten

1863 bez. u. li.: »I. Hagen Schwarz 1863«

Öl auf Leinwand

67 × 53 cm (oval)

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 1835

G261

Bildnis Charlotte von Hueck, gen. Otti

ohne Datum

Öl auf Leinwand

G262

Porträt Elisabeth von Bruiningk, geb. Carmel-Davy  ?

ohne Datum Öl auf Leinbez. u. re.: wand »I. Hagen Schwarz«

G263

Bildnis Johanna Hagen, geb. von Paumgarten, Mutter der Künstlerin

1863 bez. u. li.: »Hagen Schwarz 1863«

G263

Bildnis Eduard Louis Peregrinus Schwarz, Schwiegervater der Künstlerin

G264

Bildnis eines jungen Mädchens

Quelle

Fotografie im Besitz der Verfasserin

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

oval

verschollen, ehemals im Dommuseum in Riga

Herder-Institut Marburg, Fotografie, Inv.-Nr. 4f695

Öl auf Leinwand

63,2 × 49,3 cm

Privatbesitz

vor 1863 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

63 × 51 cm

Privatbesitz

1863 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1863«

Öl auf Leinwand

67 × 54 cm (oval)

Privatbesitz

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G265

Bildnis Peter Helmling

um 1865

G266

Bildnis Anna Helmling, geb. von Wulf

G267

Maße

Verbleib

Quelle

Öl auf Leinwand

unbekannt

Baltikum-Index, 2005–2006 (Sammlung Georg von Krusenstjern)

um 1865

Öl auf Leinwand

unbekannt

Baltikum-Index, 2005–2006 (Sammlung Georg von Krusenstjern)

Bildnis Christian Heinrich von Pander

um 1865

Öl auf Leinwand

verschollen, soll sich im Dommuseum in Riga befunden haben

https://de.wikipedia.org/ wiki/Christian_Heinrich_Pander (aufgerufen am 12.9.2018)

G268

Bildnis Antonie Elisabeth Sophie von Hueck, verh. von Schmidt

1866  ? Öl auf Leinbez. u. re. wand (unleserlich)

oval

unbekannt

Album II, Familienbesitz

G269

Bildnis Karl Ernst Heinrich von Schmidt

1866 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1866«

Öl auf Leinwand

oval

unbekannt

Album II, Familienbesitz

G270

Bildnis Johanna Hagen, Mutter der Künstlerin

1866 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1866«

Öl auf Leinwand

67 × 52 cm (oval)

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AMG 1876

G271

Bildnis Johanna Hagen, Mutter der Künstlerin

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

70 × 54 cm (oval)

Privatbesitz

Album I, Familienbesitz

| 773

774 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G272

Bildnis Johanna Hagen, Mutter der Künstlerin

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

52,7 × 40,4 cm

Privatbesitz

G273

Italienerin

1866 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1866«

Öl auf Leinwand

68,8 × 51 cm (oval)

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 956

G274

Bildnis Karl Ernst von Baer

1867

Öl auf Leinwand

G275

Italienerin

1867 bez. Mi. li.: »I Hagen Schwarz 1867«

Öl auf Leinwand

82 × 63 cm (oval)

Privatbesitz

G276

Weibliches Porträt in italienischer Tracht

1867 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1867«

Öl auf Leinwand

68,7 × 51,5 cm

Privatbesitz  ? Hinweis von Eda Tuulberg, Tallinn

Zoologisches Museum St. Petersburg

Quelle

Hinweis von Erki Tammiksaar, Tartu

http://www. haus.ee/?c= oksjon-toi munud&l= en&id=387 (aufgerufen am 12.9.2018)

G277

Bildnis Sophie Schwarz, Tochter der Künstlerin

1867 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1867«

Öl auf Leinwand

45 × 35 cm

Privatbesitz

G278

Bildnis Sophie Schwarz, Tochter der Künstlerin

um 1868 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz […]«

Öl auf Leinwand

43 × 34 cm

Privatbesitz

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 6d

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G279

Blauberg bei Wolmar I

1868 nicht bez.

Öl auf Leinwand

25,9 × 48,6 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 724

G280

Blauberg bei Wolmar II

1868 nicht bez.

Öl auf Leinwand

30,9 × 40,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 729

G281

Bildnis Gregor 1869 von Unbez. u. re. gern-Sternberg »I Hagen Schwarz 1869«

Öl auf Leinwand

64 × 45 cm (oval)

Privatbesitz

G282

Bildnis 1869 Georg von Un- bez. u. re. gern-Sternberg »I Hagen Schwarz 1869«

Öl auf Leinwand

64 × 45 cm (oval)

Privatbesitz

G283

Bildnis Wilhelmine von Pereira, geb. von Wulf-Serbigal

1869 bez. u. re. »I Hagen Schwarz 1869«

Öl auf Leinwand

75 × 54 cm (oval)

Privatbesitz

G284

Bildnis Georg von Pereira

vermutlich 1869 Signatur nicht erkennbar

Öl auf Leinwand

73 × 60 cm (oval)

unbekannt

Fotografie in Familienbesitz versteigert 2016 bei Rütten/ München

G285

Bildnis Christoph Heinrich Otto Girgensohn

um 1869

unbekannt

http://www. liveinternet. ru/users/2010 239post29378 4648/ (aufgerufen am 12.9.2018)

G286

Bildnis Ludwig Schwarz

um 1870

Öl auf Leinwand

48 × 60 cm

Privatbesitz

Quelle

| 775

776 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G287

Skizze nach E. Hildebrandt

vor 1870

G288

Starnberger See

vor 1870

Maße

19,2 × 26,5 cm

Verbleib

Quelle

unbekannt

Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1870, Nr. 50

unbekannt

Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1870, Nr. 73 Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 51

G289

Beduine (Studie)

vor 1870

unbekannt

Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1870, Nr. 153 Beilage zur Dörptschen Zeitung, Nr. 9, 1850?

G290

Bildnis Ludwig 1870 Schwarz bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1870«

Öl auf Leinwand

72,5 × 53,5 cm (oval)

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 640

G291

Bildnis Ludwig Schwarz

nach 1870 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

71 × 52 cm (oval)

Privatbesitz

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 5d

G292

Bildnis Auguste Helene Wagner, geb. Brasche

um 1870 nicht bez.

Öl auf Leinwand

76,5 × 54 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 21

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G293

Mädchen mit Licht

1870

Öl auf Leinwand

66 × 48,3 unbekannt cm

http://artsales index.artinfo. com/auctions/ Julie-Wilhel mine-Hagen-­ Schwarz638259/Girlwith-­candleholder-1870 (aufgerufen am 12.9.2018)

G294

Bildnis Luise Friederike Caroline Emilie Langermann, geb. Krug

1870

Öl auf Leinwand

oval

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

G295

Bildnis Ferdinand von Wrangel

1870

Öl auf Leinwand

oval

unbekannt

Album III, Familienbesitz Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1875, Nr. 73

G296

Bildnis Carl Johann von Seidlitz

um 1870 bez. u. re.: »AND«  ?

Öl auf Leinwand

49 × 90 cm  ?

G297

Bildnis Carl Johann von Seidlitz

um 1870 nicht bez.

Öl auf Leinwand

47,5 × 36 Kunstmucm seum der Universität Tartu, Inv.-Nr. M 31

G298

Bildnis Karl Christian Ulmann

um 1870

Öl auf Leinwand

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

G299

Bildnis Carl von Middendorff

1872 bez. u. re.: »JHS 1872«

Öl auf Leinwand

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 43

56 × 42 cm (oval)

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 37

| 777

778 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

G300

Bildnis einer unbekannten Frau

ohne Datum

Öl auf Leinwand

76 × 61,5 unbekannt cm

http://www. arcadja.com/ auctions/de/ private/baltic/2011/5/5/ 1450533753/ ?rvn=2 (aufgerufen am 12.9.2018)

G301

Bildnis Ludwig 1872 von Schwabe

Öl auf Leinwand

oval

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

G302

Bildnis Wilhel- 1872 mine Amalie Ida von Schwabe, geb. Langermann

Öl auf Leinwand

oval

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

G303

Mädchen mit Licht

1872 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1872«

Öl auf Leinwand

69 × 49 cm

Privatbesitz

G304

Mädchen mit Licht

um 1872 nicht bez.

Öl auf Leinwand

66 × 50 cm

Privatbesitz

G305

Bildnis Piers Uso Friedrich Walter

1873

Öl auf Leinwand

unbekannt

Album II, Familienbesitz

G306

Bildnis Elisa1873 beth Katharina bez.: »I HaWalter, geb. gen Schwarz Rösner 1873«

Öl auf Leinwand

unbekannt

Album II, Familienbesitz

G307

Bildnis Jenny (Johanna Marie Friederike) Kauzmann, geb. von Gavel

Öl auf Leinwand

Carl-Schirren-Gesellschaft Lüneburg, Inv.-Nr. CSG Mal 7/01

Hinweis von Dr. Eike Eckert, Ostpreußisches Landesmuseums Lüneburg

1873

60 × 46 cm

Verbleib

Quelle

Album I, Familienbesitz

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G308

Bildnis August Matthias Hagen

1873 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz«

Öl auf Leinwand

60,5 × 46,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 720

G309

Bildnis Friedrich Wilhelm von Wrangell

1873

Öl auf Leinwand

G310

Bildnis Helene 1873 Athenais Kabez. u. li.: simira Marie »I. Hagen von Wrangell, Schwarz geb. Zoege von 1873« Manteuffel

Öl auf Leinwand

oval

Quelle

unbekannt

Baltikum-Index, 2005–2006 (Sammlung Georg von Krusenstjern)

unbekannt

Baltikum-Index, 2005–2006 (Sammlung Georg von Krusenstjern) Archiv des Estnischen Kunstmuseums Tallinn

G311

Bildnis Molly Kupffer, geb. Stamm

1874 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1874«

Öl auf Leinwand

G312

Bildnis Adele von Rummel, geb. Iversen

1875

Öl auf Leinwand

G313

Bildnis Peter von Bradke

ohne Datum

G314

Bildnis Emilie Köhne

1876 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1876«

Öl auf Leinwand

63 × 47 cm

67 × 48 cm (oval)

Privatbesitz

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

unbekannt

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

Privatbesitz

| 779

780 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G315

Bildnis Karl Ernst von Baer

G316

Verbleib

Quelle

1877

unbekannt, ehemals Akademie der Wissenschaft St. Petersburg

Thieme/Becker, 1992, Bd. 15, S. 58

Bildnis Karl Ernst von Baer

ohne Datum

unbekannt, ehemals Universität Dorpat

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

G317

Bildnis Karl Ernst von Baer

ohne Datum

unbekannt

Lt. Heinrich von Knorre weitere Fassung, die sich bis 1919 im Herrenhaus in Piep befand, darauf in den Besitz von Maria Etzold, geb. von Baer, gelangte und im Zuge der Umsiedlung 1939 nach Posen kam, wo sich die Spur 1945 verlor.

G318

Bildnis Karl Ernst von Baer

1878 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1878«

zerstört, ehemals Universität zu Königsberg

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

Öl auf Leinwand

Maße

78 × 59 cm

Große Deutsche in Bildnissen ihrer Zeit  : Ausstellung

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle aus Anlaß der XI. Olympischen Spiele August – September 1936, Berlin im ehemaligen Kronprinzenpalais, Berlin 1936

G319

Bildnis Alfred Vogel

1878 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1878«

Öl auf Leinwand

G320

Bildnis Ernst von Bergmann

1878 bez. u. Öl auf Leinre.: »I Hagen wand Schwarz 1878«

G321

Bildnis Ernst von Bergmann

ohne Datum

unbekannt, lt. Brief der Künstlerin eine weitere Fassung »in Berlin«

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

G322

Bildnis Karl Ernst von Baer

ohne Datum

unbekannt

Fotografie im Besitz der Verfasserin, von den Nachfahren übergeben, abfotografiert aus nicht genannter Publikation

G323

Bildnis Alexander von Oettingen

1879 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1879«

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 46

Öl auf Leinwand

65 × 50 cm (oval)

Kunstmuseum der Universität Tartu, Inv.-Nr. KMM MA234

74,5 × 55,5 cm (oval)

Universität Tartu, heute Universitätsklinik Tartu

102 × 73 cm

| 781

782 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G324

Bildnis Alexander von Oettingen (Kopie nach unbekanntem Meister  ?)

ohne Datum

Öl auf Leinwand

85,5 × 67,8 cm

unbekannt

angeboten im Kunstisalong Tartu, 29. Auktion am 11.11.2012  ; http://www.ekunstisalong. ee/?e=oksjo nid&l=en&o =29&num =4879 (aufgerufen am 12.9.2018)  ;

G325

Bildnis Arthur von Oettingen

1879 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1879«

Öl auf Leinwand

102 × 73 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 47

G326

Bildnis Eduard 1879 bez. von Oettingen u. li.: »I Hagen Schwarz 1879«

Öl auf Leinwand

102 × 73 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 48

G327

Bildnis Nikolai 1879 bez. von Oettingen u. li.: »I Hagen Schwarz 1879«

Öl auf Leinwand

102 × 73 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 49

G328

Bildnis August von Oettingen

Privatbesitz

Fotografie im Besitz der Verfasserin, von den Nachfahren übergeben, abfotografiert aus nicht genannter Publikation

ohne Datum

Baltikum-­ Index, 2005–2006 (Sammlung Georg von Krusenstjern)

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G329

Porträt Franz Adolf Brasche

1879 bez.?

Öl auf Leinwand

74,5 × 55,5 cm (oval)

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 14

G330

Bildnis Andrei S(s)aburow

vor 1880

Öl auf Leinwand

unbekannt

Beilage zur Rigaschen Zeitung, Nr. 135, 25/13.6.1880

G331

Bildnis Agnes Brasche, geb. Jerzembsky

1880 bez.?

Öl auf Leinwand

74,5 × 55,5 cm (oval)

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 15

G332

Bildnis einer Unbekannten in hellblauem Kleid

1880 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1880«

Öl auf Leinwand

72 × 58 cm

Privatbesitz

angeboten im Kunstisalong Tartu, 11. Auktion am 25.3.2004 und 16. Auktion am 29.3.2006  ; http://www.ekunstisalong. ee/?e=oksjo nid&o=11& num=2 (aufgerufen 12.9.2018)

G332

Bildnis einer russischen Adeligen

1880 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1880«

Öl auf Leinwand

76 × 55 cm (oval)

unbekannt

angeboten von der Galerie Frank Schnürpel 2011 (nicht verkauft)

G333

Bildnis Anna von Eltz, geb. Sodoffsky (zugeschrieben)

um 1880

Privatbesitz

Album II, Familienbesitz

G334

Bildnis Arnold Friedrich Christiani

um 1880 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz«

Petrikirche Tartu

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 28

Öl auf Leinwand

70 × 55 cm

| 783

784 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

G335

Bildnis Hermann Johannes von Berg

1881 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1881«

Öl auf Leinwand

68 × 50,5 Privatbesitz cm

G336

Bildnis Peter Zoege von Manteuffel

1882 bez. u. li. »I Hagen Schwarz 1882«

Öl auf Leinwand

70 × 52 cm oval

Privatbesitz

G337

Bildnis Lud1882 milla Zoege bez. a. d. Rs. von Manteuffel (Keilrahmen)  : »gemalt 1882«

Öl auf Leinwand

70 × 53 cm oval

Privatbesitz

G338

Bildnis Louis Körber als Kadett

um 1882 bez. a. d. Rs. (Keilrahmen)  : »Louis August Bernhard Körber 1863–1919, gemalt v. Julie Hagen Schwarz, eventuell gemalt von Sophie Schwarz«

Öl auf Leinwand

43,5 × 35,5 cm

Privatbesitz

G339

Bildnis Johann Georg Noël Dragendorff

1882 bez.: »I Hagen Schwarz 1882«

Öl auf Leinwand

Höhe 70 cm

Privatbesitz

Album I, Familienbesitz

G340

Bildnis Eduard 1882 Bernhard Otto bez. u. re.: Körber »I Hagen Schwarz 1882«

Privatbesitz

Fotografie im Besitz der Verfasserin

Öl auf Leinwand

Verbleib

Quelle

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G341

Bildnis Gustav Mühlenthal

1883 bez. Mi. re.: »I Hagen Schwarz, 1883«

Öl auf Leinwand

70 × 55 cm

Privatbesitz

G342

Bildnis Gustav Girgensohn

1883 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1883«

Öl auf Leinwand

70 × 54 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 53

G343

Bildnis Marissa von Wolff, geb. von Oettingen

um 1883

im Schloss Alt-Schwaneburg 1905 verbrannt

Album I, Familienbesitz

Bildnis Julie von Stackelberg, geb. von Ditmar

1884 Öl auf Leinbez. u. r. wand (unleserlich)

G344

74 × 55 cm (oval)

Privatbesitz

Quelle

Das Bildnis war Teil eines Grabmals, das der Ehemann im Schloss Alt-Schwaneburg zu Ehren seiner früh verstorbenen Frau (1857–1883) errichten ließ. Vgl. G345 Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 56 Album III, Familienbesitz

G345

Bildnis Marissa von Wolff, geb. von Oettingen

1884 bez. Mi. re.: »I Hagen Schwarz 1884«

Öl auf Leinwand

71,3 × 51,5 cm (oval)

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 625

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 52,

| 785

786 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G346

Bildnis Auguste Mühlenthal

1885 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1885«

Öl auf Leinwand

70 × 52 cm (oval)

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 25

G347

Bildnis Anna 1886 Schwarz, geb. bez. u. li.: von Engelhardt »I Hagen Schwarz 1886«

Öl auf Leinwand

66 × 48 cm (oval)

Privatbesitz

G348

Bildnis Moritz 1886 von Engelhardt bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1886«

Öl auf Leinwand

70,3 × 52,9 cm

Carl-Schirren-Gesellschaft, Lüneburg, Inv.-Nr. CSG Mal 701/89

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 59

G349

Bildnis Gotton Körber, geb. Hagen, Schwester der Künstlerin

1887 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1887«

Öl auf Leinwand

Privatbesitz

Fotografie im Besitz der Verfasserin

G350

Bildnis Emmeline Wilhelmine von Cossart, geb. Schmidt

ohne Datum

unbekannt

Album I, Familienbesitz

G351

Bildnis Carlos 1887 Gustav Ludwig Guido von Cossart

unbekannt

Album I, Familienbesitz

G352

Bildnis Platon Thudor Isidor von Ackermann

1887

unbekannt

Album I, Familienbesitz

G253

Bildnis Wilhelmine Adolphine von Ackermann

ohne Datum

unbekannt

Album I, Familienbesitz

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G354

Bildnis Sophie Marie Annette Adele von Cossart, verh. Ackermann

G355

Maße

Verbleib

Quelle

ohne Datum

unbekannt

Album I, Familienbesitz

Bildnis Arthur August von Ackermann

ohne Datum

unbekannt

Album I, Familienbesitz

G356

Bildnis Julius von Ackermann (zugeschrieben)

ohne Datum

unbekannt

Album I, Familienbesitz

G357

Bildnis eines Unbekannten

1887 bez. »I Hagen Schwarz 1887«

Öl auf Leinwand

75,6 × 57,5 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 873

G358

Bildnis Hugo Bernhard Kapp

1888 bez. u. re.: »J. HagenSchwarz / 1888«

Öl auf Leinwand

66 × 52 cm

Kunstmuseum der Universität Tartu, Inv.-Nr. M 9

G359

Bildnis einer Unbekannten

1888 bez. re. u.: »I Hagen Schwarz 1888«

Öl auf Leinwand

78,2 × 58,8 cm

Privatbesitz

http://www. kettererkunst. de/result.php (aufgerufen am 13.9.2018)

G360

Bildnis Ada Freymuth

1888 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1888«

Öl auf Leinwand

70,7 × 51 cm (oval)

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 32

G361

Bildnis Ludwig 1889 bez. Schwarz u. li.: »I Hagen Schwarz 1889«

Öl auf Leinwand

74 × 54 cm

Privatbesitz

| 787

788 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

G362

Die Ruinen von Toolse

ohne Datum nicht bez.

Öl auf Malpappe

23,5 × 34,3 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM_9697 G 1880

G363

Strand von Käsmu

1889

Öl auf Leinwand

35,5 × 83,5 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 3543

G364

Strand von Käsmu

um 1889

Öl auf Leinwand

27 × 57 cm

unbekannt

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 62

G365

Küstenlandschaft

ohne Datum

Öl auf Leinwand

24 × 61 cm

unbekannt

Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009, Nr. 61

G366

Steine am Strand

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

15 × 35 cm

Privatbesitz

G367

Küste von Käsmu

1889 bez.: »J Hagen Schwarz 1889«

26,7 × 56,8 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 4940

G368

Strandlandschaft in Käsmu

ohne Datum Öl auf Leinbez. u. li. wand von fremder Hand  : »HagenSchwaz« [sic] 

24,6 × 61 Estnisches cm Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 472

G369

Käsmu

1889 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz«

32,5 × 65 unbekannt cm

Öl auf Leinwand

Öl auf Leinwand

Quelle

angeboten im Kunstisalong Tartu, 41. Auktion am 7.4.2018  ; https://www.ekunstisalong.

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

| 789

Quelle ee/Kasmu_ Julie_Wilhel mine_HagenSchwarz_ 8865 (aufgerufen am 12. 9. 2018)  ;

G370

Strand von Käsmu

ohne Datum

Öl auf Leinwand

28,5 × 39,3 cm

unbekannt

Tartu Art Museum, Archiv  : Inventarbücher

G371

Wald an der Küste von Käsmu

ohne Datum

Öl auf Leinwand

29 × 38,5 unbekannt cm

Tartu Art Museum, Archiv  : Fotografie TKM 00940F und Inventarbücher

G372

Kasperwieck

ohne Datum

33,5 × 13,8 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 1a

G373

Kasperwieck (Boot)

ohne Datum

41 × 15 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 7a

G374

Kasperwieck (Strand)

ohne Datum

28,8 × 63 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 8a

G375

Kasperwieck (Steine am Wege)

ohne Datum

30 × 18 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 9a

G376

Strand Kasperwieck I

ohne Datum

20,3 × 29,3 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 16a

790 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

G377

Strand Kasperwieck II

ohne Datum

24 × 11,8 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 17a

G378

Strand Kasperwieck III

ohne Datum

35 × 14 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 18a

G379

Wald am Strande, Kasperwieck

ohne Datum

36 × 19,5 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 24a

G380

Strand bei Kasperwieck IV

ohne Datum

40 × 16 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 25a

G381

Pflanzenstudie

ohne Datum

27,8 × 24,5 cm

unbekannt

Tartu Art Museum, Archiv  : Fotografie TKM 00941F und Inventarbücher

G382

Blattstudie

ohne Datum

38 × 47 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 37b

G383

Peterskapelle, Hütte am Walde

ohne Datum

37,5 × 29 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 20a

G384

Wald bei Peterskapelle

ohne Datum

29 × 40 cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 223a

Öl auf Malkarton

Verbleib

unbekannt

Quelle

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

G385

Odenpä (estnisch  : Otepää)

ohne Datum

30 × 51,5 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 26a

G386

Ontika (estnische Steilküste)

ohne Datum

49 × 32 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 27a

G387

Baumschlag (Hühner mit Stall)

ohne Datum

28 5 × 39 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 14a

G388

Heiligensee (Estland) I

nach 1858

Öl auf Leinwand

Verbleib

Quelle

62 × 122 Privatbesitz cm (falls mit Nr. 28 des Verzeichnisses der Gemälde im Nach­ lass der Künstlerin identisch)

vermutlich identisch mit Nr. 28 des Verzeichnisses der Gemälde im Nachlass der Künstlerin Fotografie in Familienbesitz

G389

Brücke in Heiligensee

ohne Datum

34 × 42 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 2a

G390

Heiligensee II

ohne Datum

50 × 29,5 unbekannt cm

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 3a

G391

Heiligensee III

ohne Datum

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 5a

| 791

792 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

G392

Bremenhof bei Heiligensee

ohne Datum

27,5 × 38,5 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 6a

G393

Ufer des Heiligensees

ohne Datum

36 × 46 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 13a

G394

Heiligensee IV

ohne Datum

65 × 40 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 19a

G395

Heiligensee V

ohne Datum

26 × 36 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 21a

G396

Estnische Küste

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

30 × 40 cm

Privatbesitz

G397

Küste bei Tiskre

ohne Datum Öl auf Leinnicht bez. wand

45 × 32 cm

Privatbesitz

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 63

G398

An einem See (Paargivade)

ohne Datum Öl auf Leinbez. u. li. wand (unleserlich)

37,5 × 47,5 cm

unbekannt

http://www. arcadja.com/ auctions/de/ private/ha gen_schwarz_ julie_wil helmine/ kunstwer ken/67688/0/ (aufgerufen am 13.9.2018)

G399

Meeresbrandung (estnische Küste)

ohne Datum Öl auf bez. u. re.: Karton »I Hagen Schwarz«

28 × 58 cm

unbekannt

https://com mons.wiki media.org/ wiki/Category  :Julie_

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle Wilhelmine_ HagenSchwarz  ? uselang=de#/ media/File: Julie_HagenSchwarz_-_ Estonian_ Coastal_ View.jpg (aufgerufen am 13.9.2018)

G400

Bildnis Eduard 1890 Georg von bez. u. li.: Wahl »I Hagen Schwarz 1990«

G401

Bildnis Friedrich Heinrich Bidder

ohne Datum

G402

Bildnis Karl Ernst von Baer

1891 bez. u. re.: »I Hagen Schwarz 1891«

G403

Bildnis Nikolai 1892 von Oettingen bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1892« beschriftet o. re.: »Landrath u Landmarschall

Öl auf Leinwand

74,5 × 55,5 cm (oval)

Universität Tartu, heute  : Universitätsklinik Tartu unbekannt

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

Öl auf Leinwand

unbekannt, ehemals im Dommuseum in Riga (Inv.-Nr. 134587)

Herder-Institut Marburg, Fotografie nach einem Ölgemälde von Julie Hagen Schwarz aus dem Dommuseum in Riga

Öl auf Leinwand

unbekannt, ehemals im Dommuseum in Riga

http://www. digiporta. net/index. php?id=9699 21376 (aufgerufen am 13.9.2018) Thieme/Becker, 1992,

| 793

794 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Nicolai von Oettingen GEB. 1826 GEST. 1876.« G404

Bildnis Adele Ottow, geb. von Tobien

G405

Bildnis Georg Johann Friedrich von Nolcken

Quelle Bd. 15, S. 58

ohne Datum

Öl auf Leinwand

310 × 168 cm

verschollen

Brief des Sohnes Benno Ottow vom 25.1.1955, Familienbesitz

unbekannt, ehemals im Dommuseum in Riga

Thieme/Becker, 1992, Bd. 15, S. 58

Kirche zu Põltsamaa (Oberpahlen) in Estland

https://register.muinas.ee/ public.php?menuID=monument&action=view&id=21305 (aufgerufen am 13.9.2018)

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

G406

Kreuzigung

1894 nicht bez.

G408

Kreuzigung

ohne Datum (vor 1894)

8,5 × Kirche zu 5,125 × Äksi (Eeks) 10 m (lt. in Estland Album I)

G409

Kreuzigung

ohne Datum

zerstört 1941, ehemals Marienkirche Dorpat

Zeitungsartikel ohne Angabe der Quelle, Familienbesitz

G410

Die drei Frauen am Grabe (zugeschrieben)

ohne Datum bez. u.: »Was sucht Ihr den

unbekannt

Album II, Familienbesitz

Album I, Familienbesitz

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

Quelle

https://register.muinas. ee/public. php?menuID=en_monument&action=view&id=1732 (aufgerufen am 13.9.2018)

Lebendigen bei den Todten  ? Lucas 24,V.5.« G411

Jesus im Garten von Gethsemane

1894 bez. u. (unter dem Stein und Busch)  : »J. Hagen Schwarz 1894 fecit nach Hofmann«

Öl auf Leinwand

180,3 × 118,5 cm

Tallinn, Domkirche

G412

Bildnis Peter I.

1895

Öl auf Leinwand

80,5 × 64,5 cm

Estnisches Nationalmuseum (Eesti Rahva Muuseum), Inv.-Nr. ERM K 1718

G413

Bildnis Peter I., ohne Datum Öl auf LeinSkizze wand

39,8 × 24,3 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AMG 1885

G414

Bildnis ­Alexander II.

ohne Datum

Brustbild

unbekannt

G415

Estnische Küste

1895 bez. u. li.: »I Hagen Schwarz 1895«

Öl auf Leinwand

39,8 × 75,2 cm

Estnisches Kunst­ museum Tallinn, Inv.-Nr. M 2676

G416

Küste der Insel Aegna (Estland)

ohne Datum

Öl auf Leinwand

27 × 42 cm

Privatbesitz

Brief von Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

Fotografie im Besitz der Verfasserin

| 795

796 | 

Anhang Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

G417

Weizengarben auf einem Feld

ohne Datum Öl auf Leinbez. u. li.: wand »I Hagen Schwarz«

G418

Bildnis August Friedrich Wilhelm Hörschelmann

1896

G419

G420

Maße

Verbleib

Quelle

Privatbesitz

Fotografie im Besitz der Verfasserin

Öl auf Leinwand

41,5 × 36 cm (oval)

Carl-Schirren-Gesellschaft Lüneburg, Inv.-Nr. CSG Mal 15/02

Hinweis von Dr. Eike Eckert, Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg

Bildnis Moritz 1897 von Engelhardt bez. Mi. re.: »I Hagen Schwarz 1897«

Öl auf Leinwand

75,6 × 57 Carl-Schircm ren-Gesellschaft Lüneburg, Inv.-Nr. CSG Mal 714/89

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 64

Zar Alexander III.

Öl auf Leinwand

überlebensgroß

Brief Julie Hagen Schwarz an Wilhelm Neumann, nach 1898

ohne Datum

unbekannt, vermutlich zerstört

Fotografie in Privatbesitz G421

Interieur mit Anfang Stuhl und Vor- der 1880er hang (Entwurf Jahre  ? für das Porträt Alexanders a. d. Rs. (von III.) fremder Hand)  : »Gemalt von meiner Mutter Julie Hagen Schwarz / Skizze zum Bilde ­Alexanders III in der Aula

Öl auf Leinwand

55,7 × 45,7 cm

Sammlung der Universität Tartu, Inv.-Nr. ÜAM 901  :2 AjK 697

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung Technik Bezeichnung

Maße

Verbleib

der / Universität zu Dorpat / W. L. Mühlenthal / gebor. Schwarz« G422

Bildnis Leo Meyer

um 1900 nicht bez.

Öl auf Leinwand

71,1 × 61,2 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. M 832

G423

Männliches Bildnis

ohne Datum Öl auf Malbez. a. d. Rs.: pappe »[…] Hagen Schwarz […] Dorpat […] 1914« und »Julie Wilhelmine HagenSchwarz, Klein-Wrangelshof Sund 1824 a. […] K. Dubase, […] Tallinna K Mauritz  !? 2434 (In Riga im Museum einige Exemplare) K. Dubas.«

50,4 × 37,6 cm

Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Inv.-Nr. M 903

Quelle

| 797

798 | 

Anhang

Zeichnungen/Grafik Nr.

Titel

Datierung

Z1

Das Haus des Onkels in München

1848

Technik

Z2

Selbstbild- 1848 nis

Z3

Bildnis der 1848 Tante Ottilie von Paum­ garten

Z4

Skizze zur kleinen Wäscherin

1848

Z5

Füße

1849 bez. u. li.: »Julie. 11 Fe… 1849«

Kreide auf Papier

Z6

Porträt eines Mädchens

vor 1855 bez. u. re.: »IH«

Kreide auf Papier

Z7

Treppe in Rom

Z8

Italiener

Verbleib

Quelle

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 14.4.1848

Größe eines Briefes

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern München, 5.5.1848

Größe eines Briefes

unbekannt

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 30.7.1848

unbekannt (Geschenk an Marie Berger-Lattner)

Brief Julie Hagen an ihre Eltern, München, 28.9.1848

44,8 × 29,3 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. B 1340

(vgl. Abb. 16)

63,4 × 48,3 cm

Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Inv.-Nr. G 20909

1851–1854 Bleistift auf bez. a. d. Rs.: Papier »Skizze aus Rom von meiner Mutter Julie Hagen Schwarz W. L. Mühlenthal (geb. Schwarz)«

29 × 38,6 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM 9726 G 1831

1851–1854 nicht bez.

35 × 25,5 cm

Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Inv.-Nr. M 185

Aquarell auf Papier

Maße

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Datierung

Technik

Z9

Italiener auf einem Pferd

1851–1854

Aquarell auf Papier

Z10

Frau in Rot

1851–1854

Aquarell auf Papier

Z11

Alte Frau

ohne Datum

Z12

Italienerin mit Tamburin

1851–1854

Z13

Sitzende Italienerin

Z14

Maße

Verbleib

Quelle

unbekannt

Fotografie erhalten aus Privatbesitz (ohne nähere Angaben)

21,8 × 32,5 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 2c

32 × 22,5 cm

unbekannt

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 3c

Aquarell auf Papier

32,5 × 21,8 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. A 254

1851–1854

Aquarell auf Papier

32 × 22 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. A 255

Sich aufstützende Italienerin

1851–1854

Aquarell auf Papier

32 × 21,7 cm

unbekannt

Z15

Sorrento

ohne Datum bez. u.: »Sorento« [sic] Papier geprägt u. li.: »DELIUS… PAPIER PELLEE … TOILE 4a TEINTE«

Schabepapier-Technik, Bleistift, getöntes Papier

20,8 × 13,3 cm (oval)  ; Blattmaß  : 30,0 × 22,6 cm

Kunstmuseum der Universität Tartu, Inv.-Nr. KMM JO 81

Z16

Terracina

ohne Datum bez. u.: »Terra Cina« Papier geprägt o. li.: »DELIUS… PAPIER PELLEE … TOILE 4 TEINTE 17«

Schabepapier-Technik, Bleistift, getöntes Papier

13,0 × 17,8 cm (oval)  ; Blattmaß  : 20,0 × 30,0 cm

Kunstmuseum der Universität Tartu, Inv.-Nr. KMM JO 82

Verzeichnis der Werke im Nachlass der Künstlerin, Nr. 7c

| 799

800 | 

Anhang Nr.

Titel

Technik

Maße

Verbleib

Z17

Bildnis nach 1859 Eduard bez. u. re.: »Julie Louis Hagen Schwarz Peregrinus pinxit« Schwarz (vgl. G263), nach Julie Hagen Schwarz

Datierung

Lithografie, Heinrich Ditlev Mitreuter (1817–?)

21,5 × 20,5 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM_9714 G 1828

Z18

Kinderohne Datum bildnis, bez.: »Julie die Toch- Hagen Schwarz – ter der Tochter der Künstlerin Künstlerin« Sophie Schwarz (vgl. G277)

Kohle und weiße Gouache auf Papier

41 × 24 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM_9784 G 4046

Z19

Bildnis der ohne Datum Johanna (um 1860) Hagen, geb. von Paumgarten, Mutter der Künstlerin

Kohle und weiße Gouache auf Papier

51 × 40 cm

Privatbesitz

Z20

Bildnis des August Matthias Hagen, Vater der Künstlerin

ohne Datum (um 1860)

Kohle und weiße Gouache auf Papier

Z21

Bildnis Marie Hagen, Schwester der Malerin

um 1870 nicht bez.

Kohle und Kreide auf Papier

unbekannt

48,4 × 37,8 cm

Tartu Art Museum, Inv.-Nr. B 1300

Quelle

verkauft durch das Auktionshaus Günther in Dresden im Oktober 2010

Vorläufige Werkliste  Nr.

Titel

Technik

Maße

Verbleib

Z22

Selbstbild- um 1880 nis (zuge- bez. a. d. Rs. schrieben) (von fremder Hand)  : »Bildnis meiner Mutter Julie Hagen Schwarz gezeichnet von ihrer Tochter, vollendet von ihr selbst W. L. Mühlenthal, geb. Schwarz«

Datierung

Kohle auf Papier

52 × 37,5 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, Inv.-Nr. AM_9666 G 1820

Z23

Strand bei Peters­ kapelle

ohne Jahr bez. u. li.: »… d. 25 Juli«

Bleistift auf Papier

34 × 21,5 cm

Estnisches Historisches Museum Tallinn, ohne Inv.-Nr.

Z24

Bildnis einer jungen Frau

1887 bez. u. re.: »I. Hagen Schwarz 1887«

Kohle und Kreide auf Papier

56,8 × Tartu Art 45,3 cm Museum, (oval 51 Inv.-Nr. B 3518 × 40,7 cm)

Z25

Bildnis einer jungen Frau (zugeschrieben)

ohne Datum

vermutlich Kohle und Kreide auf Papier

37,5 × 28,5 cm

Z26

Bildnis Carl von Seidlitz, nach Julie Hagen Schwarz

1882

Kupferstich, Blatt Estnisches Viktor Alexe- 30,4 × Kunstmuseum jewitsch 22,5 cm, Tallinn, Inv.-Nr. Bobrov Druck- EKM G 6504 (1842–1918) platte 15,8 × 12,3 cm

Z27

Bildnis einer Unbekannten

ohne Datum nicht bez.

Kohle auf Papier

45 × 35 cm

Privatbesitz

Privatbesitz

Quelle

Fotografie in Familienbesitz

Überlieferung der Nachfahren der Abgebildeten

Julie Hagen Schwarz, 1990, Nr. 65

| 801

802 | 

Anhang Nr.

Titel

Technik

Maße

Verbleib

Z28

Bildnis Jo- um 1897 hanna von Kügelgen, geb. Hagen, Schwester der Künstlerin (zugeschrieben)

Datierung

Kohle und Kreide auf Papier

56 × 46,5 cm

Privatbesitz

Z29

­Stillleben mit Zwiebeln, Milchkanne und Butterfass (zugeschrieben)

Aquarell, Tempera

22 × 27 cm

Estnisches Theater- und Musikmuseum Tallinn, Inv.-Nr. ETMM _ 11340 ML 255

ohne Datum

Quelle

Kunstgewerbe Nr.

Titel

Datierung

P1

Vase

P2

Vase

Technik

Maße

Verbleib

1890er Jahre Keramik

Höhe  : 35,0 cm  ; Durchmesser oben  : 10,0 cm  ; Durchmesser unten  : 13,0 cm

Estnisches Museum für Angewandte Kunst und Design Tallinn, Inv.-Nr. ETDM R 6536 18515-jKe

1890er Jahre Keramik

Höhe  : 51,0 cm  ; Durchmesser unten  : 18,0 cm  ; Durchmesser oben  : 42,0 cm

Estnisches Museum für Angewandte Kunst und Design Tallinn, Inv.-Nr. ETDM R 6536 18516-jKe

Quelle

Literatur- und Quellenverzeichnis Quellen Augsburg  : Stadtarchiv Bestand  : HV H 271 (Johann Moritz Rugendas). München  : Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Geheimes Hausarchiv Akte 89/6 II und 88/1 II (Berichte Johann Martin von Wagner an Ludwig I.). München  : Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung Bestand  : Autogr. Bernhardt, Joseph. Bestand  : Autogr. Riedel, August. Bestand  : Cgm 8035 (August Riedel). Bestand  : Autogr. Rugendas, Johann Moritz. Bestand  : Nachlass August und Eduard Riedel (noch nicht eingegliedert). Bestand  : Cgm 6238 (Johann Martin von Wagner, Selbstbiografische Aufzeichnungen). Bestand  : Cgm 360 (Karl Philipp Lattner). Baltikum-Index. Bilddokumentation zur Kunst und Geschichte in Estland und Lettland (Historische Provinzen Estland, Kurland, Livland und Ösel), hrsg. von Bildarchiv Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte Philipps-Universität Marburg, Mikrofiche-Edition (Marburger Index, Abt. 7), München 2005/06. München  : Graphische Sammlung Johann Moritz Rugendas, Inhaltsbestand und Folge sämtlicher Portefeuilles von Mexiko, Central- und Südamerika. Maschinengeschr. Transkription von September 1947 der von Rugendas erstellten Liste der an die bayerische Krone abgegebenen Bilder und Zeichnungen. Riga (Lettland)  : Historisches Staatsarchiv Bestand  : B. 5759, Be. 2, Akte 1016, S. 6–11 (Künstlerlexicon der baltischen Ostseeprovinzen [3 Cladden] von Julius Döring, unveröff.). Tartu (Estland)  : Archiv des Tartu Art Museum Hagen-Schwarz-Nachlass, Restbestand  : zeitgenössische Zeitungsartikel (ohne Inv.-Nr.).

804 | 

Anhang

Fotobestand zu den Künstlern August Matthias Hagen und Julie Hagen Schwarz (ohne Inv.-Nr.). Inventarbücher des Kunstmuseums Tartu. Familienbesitz Schwarz Briefe Julie Hagens an ihre Eltern aus München, 1847 bis 1851. Briefe Moritz Rugendas’ an Julie Hagen und an August Matthias Hagen, 1850 bis 1854. Briefwechsel Emilie Hagen und Ludwig Schwarz, 1850 bis 1853 (Originalbriefe und unveröffent. Manuskript  : Christin Conrad, »Jetzt trennen uns ja nicht mehr Jahre, sondern nur Monate …«. Der Briefwechsel zwischen Emilie Hagen und Ludwig Schwarz in den Jahren seiner ersten sibirischen Expeditionsreise 1847 bis 1853, Bd. II). Weitere Archivalien im Familienbesitz Schwarz. Sonstiger Privatbesitz Dokumente und Bildmaterial im Archiv der Verfasserin. Digitalisat des Hagen-Schwarz-Nachlasses (ehemals im Kunstmuseum Tartu), Estland. Nachlass Eduard Riedel (Besitz der Nachfahren).

Internetquellen Baltische Biographische Lexika  : http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/ Baltisches biographisches Lexikon digital  : http://www.bbl-digital.de/ Bavarikon  : https://www.bavarikon.de/ Bayerische Landesbibliothek, Bavarica  : http://www.bayerische-landesbibliothek-online. de/bavarica-volltexte Bibliotheca Hertziana  : http://db.biblhertz.it/noack/noack.xql Deutsche Biographie  : http://www.deutsche-biographie.de/ Digitale Textsammlung älterer Literatur Estlands  : http://www.utlib.ee/ekollekt/eeva/in dex.php?lang=de&do=index Estnisches Museumsportal  : https://www.muis.ee/en_GB/ Lettische Nationalbibliothek  : http://www.periodika.lv/ Neue Deutsche Biographie  : http://www.ndb.badw.de/adb.htm Wikipedia  : https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia  :Hauptseite

Literatur Achenbach, 2009  – Sigrid Achenbach (Hrsg.), Kunst um Humboldt. Reisestudien aus Mittel- und Südamerika von Rugendas, Bellermann und Hildebrandt, Ausst.-Kat. (Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett), München 2009.

Literatur- und Quellenverzeichnis 

| 805

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Conrad, 2019 – Christin Conrad, O caso de Rugendas  : Lembranças da América e Amizade com Julie Hagen, in  : Thiago Costa, Ariadne Marinho (Hrsg.), O jardineiro de Napoleão  : Alexander von Humboldt e as imagens de um Brasil/América (séculos XVIII e XIX), Curitiba 2019, S. 88–111. Conrad, 2018 – Christin Conrad, »Ein Mädchen kann froh sein wenn sie ein erträgliches Porträt zu stande bringt …«. Möglichkeiten und Grenzen des Aktstudiums für Julie Hagen in München, in  : Eesti esimene naiskunstnik Julie Hagen-Schwarz. The First Estonian Femals Artist. Die erste Künstlerin Estlands, Ausst.-Kat. (Kunstimuuseum, Tartu), Tartu 2018, S. 133–144. Conrad, 2016 – Christin Conrad, »Das Bild hat einigen historischen Werth und deshalb wird es vielleicht ausgestellt…«. Zum Ausstellungsdebüt Julie Hagens in München  : Das Porträt des Freundes und Mentors Moritz Rugendas, in  : Baltic Journal of Art History, Nr. 12, Autumn 2016, S. 29–58. Conrad/Trepesch, 2016 – Christin Conrad, Christof Trepesch (Hrsg.), »Mut, liebe Julie  !«. Moritz Rugendas und die Malerin Julie Hagen Schwarz, Ausst.-Kat. (Schaezlerpalais und Grafisches Kabinett, Augsburg), Augsburg 2016. Conrad, 2013  – Christin Conrad, Kaotusedja leidmised. 1854 Julie Hageni pöödeline aasta kirjades, übers. aus dem Deutschen und bearb. von Epp Preem, hrsg. von Eesti Ajaloomuuseum, Tallinn 2013. Conrad, 2012  – Christin Conrad (Bearb.), »Leb wohl, leb wohl, Du mein Alles  !«. Der Briefwechsel zwischen Emilie Hagen und Ludwig Schwarz in den Jahren seiner ersten sibirischen Expeditionsreise 1847 bis 1853, Bd. 1, hrsg. von Peter Schwarz, Dresden 2012. Das Inland, 1851, Sp. 142–146 – Julie Hagen in Rom  !, in  : Das Inland – Eine Wochenschrift für Liv-, Est-, Kurlands Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur, 16. Jg., Nr. 9, 26.2.1851, Sp. 142–146. Das Inland, 1853, Sp. 612/613 – O. A., in  : Das Inland – Eine Wochenschrift für Liv-, Est-, Kurlands Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur, 18. Jg., Nr. 28, 15.7.1853, Sp. 612/613. Deseyve, 2005 – Yvette Deseyve, Der Künstlerinnen-Verein München e. V. und seine Damen-Akademie. Eine Studie zur Ausbildungssituation von Künstlerinnen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, München 2005. Destouches, 1894  – Ernst von Destouches, Geschichte des Historischen Museums und der Maillinger Sammlung der Stadt München, München 1894. Deutschbaltische Porträtkunst, 2003  – Deutschbaltische Porträtkunst in Estland 1700– 1900. Beitragssammlung und Katalog der im Estnischen Kunstmuseum im Ritterhaus zu Tallinn 1999 veranstalteten Ausstellung, hrsg. von Anne Lõugas, übers. aus dem Estnischen von Meddea Jerser, Tallinn 2003. Deutschbaltisches Biographisches Lexikon, 1970 – Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710–1960, hrsg. von Wilhelm Lenz, Köln 1970. Deutsche Künstler um Ludwig I. in Rom, 1981  – Deutsche Künstler um Ludwig I. in Rom, Ausst.-Kat. (Schloss »Villa Ludwigshöhe«, Edenkoben/Pfalz), bearb. von Gisela Scheffler, München 1981.

Literatur- und Quellenverzeichnis 

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berg, geb. Stuntz. Eine Münchner Malerin, Lithographin und Radiererin, München 1985. Friedrich List und seine Zeit, 1989  – Friedrich List und seine Zeit  : Nationalökonom  – Eisenbahnpionier – Politiker – Publizist, 1789–1846, hrsg. von der Stadt Reutlingen, Ausst.-Kat. (Heimatmuseum, Reutlingen), Reutlingen 1989. Fuhrmann/Muysers, 1992 – Dietmar Fuhrman, Carola Muysers, Profession ohne Tradition  : 125 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen, Ausst.-Kat. (Berlinische Galerie in Zusammenarbeit mit dem Verein der Berliner Künstlerinnen), Berlin 1992. Galerie Hans, 2006 – Caspar David Friedrich und sein Umkreis, hrsg. von der Galerie Hans, Hamburg 2006. Gebhardt, 2017 – Heinz Gebhardt, Die Lola-Montez-Story  : Wie Bayerns König Ludwig I. von einer Tänzerin aus Irland gestürzt wurde, Grünwald 2017 Gerhart/Grasskamp/Matzner, 2008 – Nikolaus Gerhart, Walter Grasskamp, Florian Matzner (Hrsg.), 200 Jahre Akademie der Bildenden Künste München, München, 2008. Geschichte der Frauen in Bayern, 1998 – Geschichte der Frauen in Bayern. Von der Völkerwanderung bis heute, hrsg. von Agnete von Specht, Ausst.-Kat. (Ausstellungshallen im Klenzepark, Ingolstadt), Regensburg 1998. Gleisberg, 1992  – Dieter Gleisberg, Das 19. Jahrhundert in München. Gemälde und Zeichnungen aus dem Besitz des Museums für bildende Künste Leipzig, Leipzig 1992. Gollwitzer, 1987 – Heinz Gollwitzer, Ludwig I. von Bayern, Königtum im Vormärz. Eine politische Biographie, 2. Aufl., München 1987. Gottzmann/Hörner, 2007  – Carola L. Gottzmann, Petra Hörner (Hrsg.), Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs  : Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 3 Bde., Berlin 2007–2011. Gregorovius, 1997 – Ferdinand Gregorovius, Wanderjahre in Italien, München, 5. Aufl., 1997 [1967]. Hagen, 2007 – August Matthias Hagen, Tagebuch einer Reise nach Deutschland. Bd. I. Juli bis Oktober 1820, bearb. von Christin Conrad, hrsg. von Peter Schwarz, Dresden 2007. Hagen, 2009 – August Matthias Hagen, Alpenreise. Tagebücher, Bde. II und III  : Oktober 1820 bis Oktober 1821, bearb. von Christin Conrad, hrsg. von Peter Schwarz, Dresden 2009. Hagen, 2011 – August Matthias Hagen, Kunstniku reisipäevikud 1820–1821, übers. aus dem Deutschen und bearb. von Epp Preem, hrsg. von Eesti Ajaloomuuseum, Tallinn 2011. Hasselblatt, 1889 – Arnold Otto Gustav Hasselblatt, Album academicum der kaiserlichen Universität Dorpat, Dorpat 1889. Heilmann, 1987 – Christoph Heilmann (Hrsg.), »In uns selbst liegt Italien«. Die Kunst der Deutschrömer, Ausst.-Kat. (Haus der Kunst, München), München 1987. Helbing, 1931 – Gemälde alter Meister, alte Möbel, Porzellane, Antiquitäten, Skulpturen  : aus dem Nachlass Karl Ed. von Liphart-Rathshoff sowie Beiträge aus anderem Besitz, Versteigerung in der Galerie Hugo Helbing  : Freitag, 27. März, sowie Samstag, 28. März 1931, München 1931.

Literatur- und Quellenverzeichnis 

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Heyse, 2014  – Paul Heyse, Jugenderinnerungen und Bekenntnisse, Berlin 1900, Nachdruck, Hamburg 2014. Hinnov, 1967 – Virve Hinnov, August Hagen, in  : Tartu Kunstimuuseumi almanahh (Almanach des Kunstmuseums in Dorpat), Nr. 2, Tartu 1967, S. 70–80  ; übers. aus dem Estnischen als Manuskript von cand. Iur. Leo von Lingen, Jena. Hojer, 2011 – Gerhard Hojer, Die Schönheitengalerie Königs Ludwigs I., 7. Aufl., Regensburg 2011. Howitt, 2002  – Anna Mary Howitt, Herrliche Kunststadt München. Briefe einer englischen Kunststudentin 1850–1852, Cornelia Oelwein (Hrsg.), Dachau 2002. Julie Hagen-Schwarz, 1990 – Julie Hagen-Schwarz (1824–1902), Ausst.-Kat. (Museum für das Fürstentum Lüneburg, Englische Kirche, Bad Homburg), Lüneburg 1990. Julie Hagen Schwarz 1824–1902, 2009  – Julie Hagen Schwarz 1824–1902, Väike Baltisaksa Kunstialbum, Tallinn 2009. Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1870 – Katalog der Dorpater Gemäldeausstellung im April 1870, Dorpat 1870. Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1871 – Katalog der Zweiten Gemäldeausstellung in Dorpat (Alte Universität), Dorpat 1871. Katalog der Gemäldeausstellung Dorpat, 1875 – Katalog der Dritten Gemäldeausstellung in Dorpat, Dorpat 1875. Keevallik, 1993 – Juta Keevallik, Kunstikogumine Eestis 19. Sajandil, Tallinn 1993. König Ludwig I. von Bayern und Johann Martin von Wagner, 2017 – König Ludwig I. von Bayern und Johann Martin von Wagner. Der Briefwechsel. Teil 1/2  : 1812–1815, bearb. von Mathias René Hofter und Johanna Selch in Zusammenarbeit mit Friedegund Freitag und Jörg Zedler, hrsg. von Martin Baumeister, Hubert Glaser, Hannelore Putz, München 2017 (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns V). Königliche Sammellust, 2014 – Königliche Sammellust. Wilhelm I. von Württemberg als Sammler und Förderer der Künste, hrsg. von der Staatsgalerie Stuttgart, Ausst.-Kat. (Staatsgalerie, Stuttgart), Stuttgart, 2014. Kommer, 1998 – Björn R. Kommer (Hrsg.), Rugendas. Eine Künstlerfamilie in Wandel und Tradition, Ausst.-Kat. (Städtische Kunstsammlungen, Deutsche Barock-Galerie im Schaezlerpalais, Augsburg), Augsburg 1998. Kovalevski, 1999 – Bärbel Kovalevski, Bettina Baumgärtel (Hrsg.), Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Künstlerinnen der Goethe-Zeit zwischen 1750 und 1850, Ausst.-Kat. (Schlossmuseum, Gotha, Rosgartenmuseum, Konstanz), Ostfildern-Ruit 1999. Garten der Frauen, 1997  – Garten der Frauen. Wegbereiterinnen der Moderne in Deutschland 1900–1914, hrsg. von Ulrich Krempel, Ausst.-Kat. (Sprengel Museum, Hannover, Von der Heydt-Museum, Wuppertal), Berlin 1997 Krüger, 1995 – Günter Krüger (Hrsg.), Die Zeichenschule der Universität Dorpat 1803– 1891. Teil II  : Unter der Leitung von August Matthias Hagen und Woldemar Friedrich Krüger, Ausst.-Kat. (Bad Homburg, Lüneburg), Husum 1995. Kukk/Preem, 2002  – Inge Kukk, Epp Preem (Hrsg.), 200 Jahre Kunstlehre in Estland. Zeichenschule der Universität Tartu 1803–1893, Tartu 2002. Künstlerleben in Rom, 1992 – Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen – Der dänische

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Bildhauer und seine deutschen Freunde, Ausst.-Kat. (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig), Schleswig 1992. Künstlerinnen. Neue Perspektiven, 2017  – Künstlerinnen. Neue Perspektiven auf ein Forschungsfeld der Vormoderne. Schwabenakademie Irsee (Kunsthistorisches Forum Irsee, 4), Petersberg 2017. Künstlerinnen schreiben, 2018 – Künstlerinnen schreiben. Ausgewählte Texte zur Kunsttheorie aus drei Jahrhunderten, hrsg. von Renate Kroll, Susanne Gramatzki, Berlin 2018. Langenstein, 1983 – York Langenstein, Der Münchner Kunstverein im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entwicklung des Kunstmarkts und des Ausstellungswesens (Diss. München 1983), (Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München  : Miscellanea Bavarica Monacensia, 122), München 1983. Lehmann, 1896 – Rudolf Lehmann, Erinnerungen eines Künstlers, Berlin 1896. Löschner, 1976  – Renate Löschner, Lateinamerikanische Landschaftsdarstellungen der Maler aus dem Umkreis Alexander von Humboldts (Diss. FU Berlin 1976), Berlin 1976. Löschner, 1984 – Renate Löschner, Johann Moritz Rugendas in Mexiko. Malerische Reise in den Jahren 1831–1834, Ausst.-Kat. (Ibero-Amerikanisches Institut Preußischer Kulturbesitz, Berlin), Berlin 1984. Ludwig, 1981 – Horst Ludwig, Münchner Maler im 19. Jahrhundert, 4 Bde., München 1981. Mader, 2009 – Rachel Mader, Beruf Künstlerin  : Strategien, Konstruktionen und Kategorien am Beispiel Paris 1870–1900, Berlin 2009. Maillinger, 1876/86 – Josef von Maillinger, Bilder-Chronik der königlichen Haupt- und Residenzstadt München. Verzeichnis einer Sammlung von Erzeugnissen der graphischen Künste zur Orts-, Cultur- und Kunst-Geschichte der bayerischen Capitale vom 15. bis in das 19. Jahrhundert, 4 Bde., München 1876 (Suppl. 1886). Metzger/Trepesch, 2007 – Christof Metzger, Christof Trepesch (Hrsg.), Chile und Johann Moritz Rugendas, Ausst.-Kat. (Museo Nacional de Bellas Artes, Santiago de Chile, Kunstsammlungen und Museen, Augsburg), Worms 2007. Miller-Gruber, 2008  – Renate Miller-Gruber, Brigitte Herpich, Michael Kochs (Hrsg.), 175 Jahre Kunstverein Augsburg. Rückblicke, Ausst.-Kat. (Holbeinhaus, Augsburg), Augsburg 2008. Mongi-Vollmer, 2004 – Eva Mongi-Vollmer, Das Atelier des Malers. Die Diskurse eines Raumes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 2008. Mosebach, 2014 – Charlotte Mosebach, Geschichte Münchener Künstlergenossenschaft, königlich privilegiert 1868, München 2014. Münchner Künstlerfeste, 1925 – Münchner Künstlerfeste, Münchner Künstlerchroniken, hrsg. von Georg Ernst Wolf, München 1925. Mundorff/Seckendorff, 2006 – Angelika Mundorff, Eva von Seckendorff (Hrsg.), Die Millers. Aufbruch einer Familie, Ausst.-Kat. (Stadtmuseum, Fürstenfeldbruck), München 2006.

Literatur- und Quellenverzeichnis 

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Mundorff/Seckendorff, 2008  – Angelika Mundorff, Eva von Seckendorff (Hrsg.), Electrine und die anderen. Künstlerinnen 1700 bis 2000, Ausst.-Kat. (Stadtmuseum, Fürstenfeldbruck), Germering 2008. Muysers, 1999 – Carola Muysers, Die bildende Künstlerin. Wertung und Wandel in deutschen Quellentexten, 1855–1945, Dresden 1999. Nagler, 1835–1852  – Neues allgemeines Künstler-Lexicon oder Nachrichten von dem Leben und Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter, etc., 22 Bde., bearb. von Georg Kaspar Nagler, München 1835–1852, 2. Aufl. ab 1872, bearb. von Julius Meyer. Nehls, 1988 – Harry Nehls, Alexander Gilli (1823–1880). Ein vergessener Künstler der Berliner Bildhauerschule, in  : Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte, Bd. 39, Berlin 1988, S. 129–143. Nerlich/Savoy, 2013  – France Nerlich, Bénédicte Savoy (Hrsg.), Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Bd. I  : 1793–1843, Berlin 2013. Nerlich/Savoy, 2015  – France Nerlich, Bénédicte Savoy (Hrsg.), Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Bd. II  : 1844–1870, Berlin 2015. Neue Münchner Zeitung, 1855 – Neue Münchner Zeitung, 13.10.1855, Beilage ohne Seitenzahl. Neue Pinakothek, 2014 – Neue Pinakothek. Katalog der Gemälde und Skulpturen, hrsg. von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, 4. Aufl., München 2014. Neumann, 1902 – Wilhelm Neumann, Baltische Maler und Bildhauer des XIX. Jahrhunderts. Biographische Skizzen mit den Bildnissen der Künstler und Reproductionen nach ihren Werken, Riga 1902. Neumann, 1908 – Lexikon der baltischen Künstler, hrsg. von Wilhelm Neumann, Riga 1908. Oberpfalz, 1935 – Richard Bernhardt, Joseph Bernhardt (1805–1885). Lebensbild eines Oberpfälzer Künstlers, in  : Die Oberpfalz, 29. Jg., März 1935, S. 57–68. Oberpfalz, 1956  – Richard Bernhardt, Joseph Bernhardt (1805–1885). Ein Oberpfälzer Bildnismaler der Biedermeierzeit, in  : Die Oberpfalz, 44. Jg., Februar/März 1956, S. 29–34 und S. 57–62. Pappe/Schmieglitz-Otten/Otten, 2002  – Bernd Pappe, Juliane Schmieglitz-Otten, Diet­ run Otten (Bearb.), Miniaturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Tansey, hrsg. von der Stiftung Miniaturensammlung Tansey im Bomann Museum Celle, München 2002. Portraitarea, 2011 – Portraitarea. Portree kujutavas kunstis. Eesti erakogude põhjal, Ausst.-­ Kat. (Mikkel Museum, Tallinn), Tallinn 2011. Passavant, 1851 – Galerie Leuchtenberg. Gemälde-Sammlung Seiner Kaiserl. Hoheit des Herzogs von Leuchtenberg in München. In Umrissen gestochen von Inspector J. N. Muxel, mit umgearbeitetem Texte von J. D. Passavant, 2. Ausg., Frankfurt am Main 1851.

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Anhang

Pohlmann, 1998 – Ulrich Pohlmann, Dirk Halfbrodt (Hrsg.), Alois Löcherer. Photographien 1845–1855, Ausst.-Kat. (Stadtmuseum, München), München 1998. Pohlmann, 2012  – Ulrich Pohlmann (Hrsg.), Zwischen Biedermeier und Gründerzeit. Deutschland in frühen Fotografien, 1840–1890, München 2012. Portrets Latvijā. 19. gadsimts, 2014 – Portrets Latvijā. 19. gadsimts (Das Porträt in Lettland. 19. Jahrhundert), hrsg. von Jānis Baltiņš, Dainis Bruģis, Sarmīte Fogele, Eduards Kļaviņš, Imants Lancmanis, Anita Meinarte, Riga, 2014 Prause, 1975  – Marianne Prause, Die Kataloge der Dresdner Akademie-Ausstellungen 1801–1850, Berlin 1975. Putz, 2014  – Hannelore Putz, Die Leidenschaft des Königs. Ludwig I. und die Kunst, München 2014. Raadi of Our Dreams, 2015 – Unistuste Raadi, Liphartite kunstikogu Eesti [Raadi of Our Dreams. The Liphart Family and Their Art Collection in Estonia], hrsg. von Juta Keevallik, Inge Kukk, Juhan Maiste, Ingrid Sahk, Piret Õunapuu, Katalog, Tartu 2015. Radiguet, 1847 – Max Radiguet, Le voyageur Rugendas, in  : L’Illustration. Journal Universel, Nr. 226, Bd. IX, Paris 1847, S. 263–266. Reiter, 1998 – Hermann Reiter, Die Revolution 1848/49 in Bayern, Bonn 1998. Reitmaier, 1985  – Marina Reitmaier, Die Jahresgaben des Münchner Kunstvereins 1825–1865 (Magisterarbeit München) , München 1985 (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München, 34). Rechenschafts-Bericht Kunstverein München, 1851 – Rechenschafts-Bericht des Verwaltungs-Ausschusses des Kunstvereins in München für das Jahr 1850, erstattet in der Generalversammlung am 31.1.1851, München 1851. Regnet, 1871 – Carl A. Regnet, Münchner Künstlerbilder, 2 Bde., Leipzig 1871. Reidelbach, 1888 – Hans Reidelbach, König Ludwig I. von Bayern und seine Kunstschöpfungen, München 1888. Reineking von Bock, 2007 – Gisela Reineking von Bock (Hrsg.), Künstler und Kunstausstellungen im Baltikum im 19. Jahrhundert. Zwölf Beiträge zum 11. Baltischen Seminar 1999, Lüneburg 2007 (Schriftenreihe Baltische Seminare, 9). Richert, 1952  – Gertud Richert, Johann Moritz Rugendas. Ein deutscher Maler in Ibero-Amerika, München 1952. Richert, 1959 – Gertrud Richert, Johann Moritz Rugendas. Ein deutscher Maler des XIX. Jahrhunderts, Berlin 1959. Ring, 2013 – Hartmut Ring, Robert Krause. Auf den Spuren des Landschaftsmalers durch das 19. Jahrhundert, Norderstedt 2013. Rommé, 2008 – Barbara Rommé (Hrsg.), Herrin ihrer Kunst – Elisabet Ney. Bildhauerin in Europa und Amerika, Ausst.-Kat. (Stadtmuseum, Münster), Köln 2008. Rott/Kaak, 2003 – Herbert W. Rott, Joachim Kaak (Hrsg.), Das 19. Jahrhundert. Die Neue Pinakothek, München 2003. Rott, 2003 – Herbert W. Rott, Ludwig I. und die Neue Pinakothek, München/Köln 2003. Russlands Seele, 2007  – Russlands Seele. Ikonen, Gemälde und Zeichnungen aus der Staatlichen Tretjakow-Galerie, Moskau, Ausst.-Kat. (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn), München 2007.

Literatur- und Quellenverzeichnis 

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Sammlung Wagener, 2011  – Die Sammlung des Bankiers Wagener. Die Gründung der Nationalgalerie, hrsg. von Udo Kittelmann, Birgit Verwiebe, Angelika Wesenberg, Ausst.-Kat. (Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie), Berlin/Leipzig 2011 Schäfer, 1860 – Wilhelm Schäfer, Die Königliche Gemälde-Gallerie im Neuen Museum zu Dresden. Beschreibung und Erläuterung sämmtlicher Gemälde nach der Ordnung der Räume begleitet von kunstgeschichtlichen und kritischen Erinnerungen, 3 Bde. (Bd. 3  : Die Königliche Gemälde-Gallerie zu Dresden zur Erleichterung eingehender Studien in der Geschichte der Malerei und deren Kunstkritik allen Jüngern und Freunden der Kunst), Dresden 1860. Schaper, 1962 – Christa Schaper, August Riedel. Ein Bayreuther Maler-Professor an der römischen Akademie San Luca, in  : Archiv für Geschichte von Oberfranken, Bd. 42, Bayreuth 1962, S.91–170. Schaper, 1985 – Christa Schaper, August Riedel (1799–1883), in  : Archiv für Geschichte von Oberfranken, Bd. 65, Bayreuth 1985, S. 417–429. Schmidt-Liebich, 2005  – Jochen Schmidt-Liebich (Hrsg.), Lexikon der Künstlerinnen 1700–1900. Deutschland, Österreich, Schweiz, Berlin 2005. Schulte-Wülwer, 2000 – Ulrich Schulte-Wülwer, Ernst Meyer (1797–1861). Ein Maler des römischen Volkslebens, in  : Nordelbingen, Bd. 69, 2000. Schulte-Wülwer, 2009 – Ulrich Schulte-Wülwer, Sehnsucht nach Arkadien, Heide 2009. Seeberger, 1860  – Gustav Seeberger, Grundzüge einer neuen Methode für angewandte Perspektive, München 1860. Seibert, 2009 – Katrin Seibert, Rom besuchen. Italienreisen deutscher Künstlerinnen zwischen 1750 und 1850 (Diss. Düsseldorf 2006), 2 Bde., München 2009. Singer, 1930–36  – Hans Wolfgang Singer, Allgemeiner Bildniskatalog, 14 Bde., Leipzig 1930–36. Steinhoff, 1992 – Christina Steinhoff, Salomon Corrodi und seine Zeit 1810–1892. Ein Schweizer Künstlerleben im 19. Jahrhundert, Uznach 1992. Sutherland Harris/Nochlin, 1978 – Ann Sutherland Harris, Linda Nochlin, Women Artists  : 1550–1950, Ausst.-Kat. (Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles), New York 1878. The Magic of Masterpieces, 2005 – Meistriteoste Lummus. Koopia Eesris 19. Sajandil. The Magic of Masterpieces. Copying in Estonia in the 19th Century, Ausst.-Kat. (Kadrioru Kunstimuuseum, Tallinn), Tallinn 2005. Thieme/Becker, 1992  – Ulrich Thieme, Felix Becker (Hrsg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, 37 Bde., Leipzig 1907–1950, unver. Nachdruck, München 1992. Tosi/Rosslyn, 2012  – Alessandra Tosi, Wendy Rosslyn, Women in Nineteenth-Century Russia. Lives and Culture, Cambridge 2012. Typisch München  !, 2008 – Typisch München  ! Das Jubiläumsbuch des Münchner Stadtmuseums, hrsg. von Wolfgang Till, Thomas Weidner, München 2008. Uhde-Bernays, 1925 – Hermann Uhde-Bernays, Die Münchner Malerei im 19. Jahrhundert, 2 Bde., München 1925.

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Anhang

Upeniece, 2000  – Daiga Upeniece (Hrsg.), Fridriha Vilhelma Brederlo kolekcija (Die Sammlung Friedrich Wilhelm Brederlo), Ausst.-Kat. (Kunstmuseum, Riga), Riga 2000. Vaga, 1971 – Voldemar Vaga, Kunst Tartus XIX Sajandil, Tallinn 1971. Verzeichnis der Kunstwerke, Riga, 1842 – Verzeichnis der Kunstwerke in der ersten Gemälde-Ausstellung inländischer Künstler in Riga, vom 3. bis zum 15. September. 1842. Verzeichnis der Gemälde, Riga, 1845 – Verzeichnis der Gemälde in der zweiten von dem litterärisch-practischen Bürger-Vereine zu Riga veranstalteten Ausstellung. Oktober und November 1845. Verzeichniß der Werke, 1853 – Verzeichniß der Werke hiesiger und auswärtiger Künstler, welche auf der diesjährigen von der K. B. Akademie der Bildenden Künste veranstalteten Kunstausstellung sich befinden, Bd. 1853, München 1853. Voit, 2014 – Antonia Voit, Ab nach München  ! Künstlerinnen um 1900, Ausst.-Kat. (Stadtmuseum, München), München 2014. Voltz, 1986 – Gedächtnisausstellung Johann Friedrich Voltz 1817–1986. Zum 100. Todestag, Ausstellung (Galerie im Alten Rathaus, Prien a. Chiemsee, Stadtmuseum, Nördlingen), Prien a. Chiemsee 1986. Weidner, 1998 – Thomas Weidner, Lola Montez oder eine Revolution in München, Ausst.Kat. (Stadtmuseum, München), München 1998. Wendler, 2005  – Eugen Wendler, Friedrich List. Leben und Wirken in Dokumenten, Reutlingen 1979. Westhoff-Krummacher, 1995  – Hildegard Westhoff-Krummacher, Als die Frauen noch sanft und engelsgleich waren. Die Sicht der Frau in der Zeit der Aufklärung und des Biedermeier, Ausst.-Kat. (Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster), Lengerich 1995. Widnmann, 2014 – Maximilian von Widnmanns Erinnerungen. Bildhauer und Professor der Akademie der Bildenden Künste in München, 1812–1895, bearb. von Tina Köstler, Norderstedt 2014. Wilhelmi, 2008 – Anja Wilhelmi, Lebenswelten von Frauen der deutschen Oberschicht im Baltikum (1800–1939). Eine Untersuchung anhand von Autobiografien, Wiesbaden 2008. Women Artists, 2003 – An Imperial Collection. Women Artists from the State Hermitage Museum, hrsg. von Jordana Pomeroy, Rosalind P. Blakesley, Vladimir Matveyev, Elizaveta P. Renne, Ausst.-Kat. (National Museum of Women in the Arts, Washington D.C., Frye Art Museum, Seattle, Wash.), London 2003. Yeldham, 1984 – Charotte Yeldham, Women Artists in Nineteenth-Century France and England. Their Art Education, Exhibition Opportunities and Membership of Exhibiting Societies and Academies (Diss. London), New York 1984. Zeller/Lerch, 2006  – Alfred Zeller, Manfred Lerch, Familienbild Max Kellers mit Con­ stanze Mozart. Eine Entdeckung im Stadtarchiv, Stadt Altötting 2006.

Abbildungsverzeichnis Farbabb. 1  : Carl Rohde (1840–1891), Die Neue Pinakothek mit den Wandgemälden nach Entwürfen Wilhelm Kaulbachs, um 1860, bez. u. l.: »Gez. u. lith. v. Rohde.«, u. r.: »Gedr. v. A. Schmidt.«, u. M.: »Neue Pinakothek in München.«, kolorierte Lithographie, 20,4 × 26,3 cm (Blatt) Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde, Inv.-Nr. G-Z1115 Farbabb. 2  : Wilhelm Kaulbach (1805–1874), Die von König Ludwig I. zur Ausführung seiner Ideen berufenen Künstler im Fach der Historien-, Schlachten-, Landschafts- und Genremalerei, um 1849, nicht bez., Öl auf Leinwand, 80,3 × 167 cm Bayerische Staatsgemäldesammlungen  – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. WAF 410 Farbabb. 3  : Louis Gallait (1810–1887), Ein Mönch, Arme speisend, 1845, bez. u. r.: »Louis Gallait 1845«, Öl auf Leinwand, 100,3 × 81,7 cm Bayerische Staatsgemäldesammlungen  – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. WAF 294 Farbabb. 4  : Ary Scheffer (1795–1858), Faust und Margarete im Garten, 1846, bez. u. r.: »Ary Scheffer 1846«, Öl auf Leinwand, 216,5 × 135 cm Erworben 2007 von Ian Hicks AM und Familie und gestiftet in Erinnerung an Dorothy Hicks National Gallery of Victoria, Melbourne, Inv.-Nr. 2007.394 Farbabb. 5  : August Riedel (1799–1883), Sakuntala, 1841, bez. u. l.: »A. Riedel. fec. Rom 1841.«, Öl auf Leinwand, 163 × 93 cm Privatbesitz Farbabb. 6  : August Riedel (1799–1883), Judith, 1840, bez. u. r.: »A. Riedel Roma 1840«, Öl auf Leinwand, 131 × 96 cm Bayerische Staatsgemäldesammlungen  – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. WAF 826 Farbabb. 7  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Bildnis Ludwig Schwarz, um 1855, nicht bez., Öl auf Leinwand auf Karton, 35 × 28 cm Familienbesitz Schwarz Farbabb. 8  : August Matthias Hagen (1794–1878) (zugeschrieben), Selbstbildnis, um 1845, nicht bez., 33 × 26 cm Privatbesitz (Familie Jägerhorn, Schweden) Farbabb. 9  : August Riedel (1799–1883), Badende Mädchen, ohne Datum, nicht bez., Öl auf Leinwand, 41,5 × 34,5 cm Oberösterreichisches Landesmuseum, Schlossmuseum Linz, Inv.-Nr. Ka 103 Farbabb. 10  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Selbstbildnis mit Strohhut, um 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 46 × 40,5 cm Tartu Art Museum, Inv.-Nr. TKM 829M Farbabb. 11  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Bildnis Moritz Rugendas (Studie), 1849,

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bez. a. d. Keilrahmen o.: »Skizze von Moritz Rugendas zu einem grossen Bilde«, seitlich  : »Dass. von der Frau Hagen Schwarz nach Dorpat gebracht wurde wo das grosse Bild nicht bekannt«, Öl auf Leinwand, 40,2 × 24,2 cm Estnisches Kunstmuseum Tallinn (Kadriorg), Inv.-Nr. VM 685 Farbabb. 12  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Das Liebesbriefchen, 1851, nicht bez., Öl auf Leinwand, 103 × 81 cm Privatbesitz Farbabb. 13  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Bildnis Ludwig Freiherr von und zu der Tann-Rathsamhausen (Studie), 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 38,2 × 28,5 cm Tartu Art Museum, Inv.-Nr. TKM 732 M Farbabb. 14  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Bildnis Katharina Voltz, 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 69 × 56 cm Privatbesitz Farbabb. 15  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Datura, 1850, bez. a. d. Rs.: »Blumenstudie meiner Mutter Julie Hagen Schwarz W. Mühlenthal geb. Schwarz«, Öl auf Leinwand, 35,5 × 49,1 cm Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Inv.-Nr. M 06214 Farbabb. 16  : Moritz Rugendas (1802–1858), La Siesta, 1850, bez. u. r.: »MR/1850«, Öl auf Leinwand, 50,7 × 62,5 cm Sammlung Banco Itaú, São Paulo Farbabb. 17  : Friedrich Voltz (1817–1886), Viehabtrieb, 1851, bez. u.  r. »…51 Fr Voltz Mün«, Öl auf Leinwand, 52 × 38 cm Privatbesitz Farbabb. 18  : Leopold Pollak (1806–1880), Bildnis August Riedel, 1851, bez. M. l.: »Pollak … Rom 1851«, Öl auf Leinwand, 48,1 × 37,5 cm Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München, Inv.-Nr. 9466 Abb. 1  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Selbstbildnis, 1849, Öl auf Leinwand, Verbleib unbekannt, zeitgenössische Fotografie nach verschollenem Gemälde Familienbesitz Schwarz Abb. 2  : August Matthias Hagen, um 1850, zeitgenössische Fotografie Privatbesitz Abb. 3  : August Matthias Hagen (1794–1878), Johanna Hagen mit ihrer jüngsten Tochter Johanna, um 1850, zeitgenössische Fotografie Familienbesitz Schwarz Abb. 4  : Briefseite von Julie Hagen an ihre Eltern aus München vom 18.12.1847, Tinte auf Papier, 22,1 × 13,7 cm Familienbesitz Schwarz Abb. 5  : Julie Hagen und ihre Tante Ottilie von Paumgarten, um 1850, zeitgenössische Fotografie Privatbesitz Abb. 6  : Alois Löcherer (1815–1862), Joseph Bernhardt, um 1850, Kalotypie (Salzpapier), 11,2 × 9,4 cm

Abbildungsverzeichnis 

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Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Inv.-Nr. FM-93/416-13 Abb. 7  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Hermann Eduard Hartmann, 1854, bez. u. r.: »Julie Hagen 1854«, Öl auf Leinwand, 45 × 37 cm Tartu Art Museum, Inv.-Nr. TKM 759M Abb. 8  : C. A. nach Franz Seitz (1817–1883), Der Engelsturtz, 1848, bez. o.: »DER ENGELSTURTZ«, u.: »11. Febr. 1848«, an den Rändern (von o. r. im Uhrzeigersinn)  : »Bürgermeister v. Steinsdorf – Prof. Thiersch«, »Senior der Alemannen Peisner, Bonbons. u. Schokoladefabrikant Mayerhofer«, »Graf Hirschberg«, »Gendarm Hauptmann Baur-Breitenfeld«, »Minister Thorn-Dittmar«, Lithografie, 49 × 38 cm Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde, Inv.-Nr. G-Z1872 Abb. 9  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Mädchen mit goldenem Stirnreif (vermutlich Marie Berger-Lattner), um 1850, nicht bez., Öl auf Leinwand, 44 × 35,5 cm, verbrannt Abb. 10  : Hermann Eduard Hartmann (1817–1881), Miniaturbildnisse Johanna Hagen, August Matthias Hagen, Marie Hagen, Johanna Hagen (die Schwester), 1848, alle bez. »HEH 1848.«, Marie Hagen  : »Im orthopädischen Schnürleib«, Bleistift auf Papier Privatbesitz Abb. 11  : Wilhelm Fröhlich († 1854), Moritz Rugendas, zw. 1852 und 1854, zeitgenössische Fotografie (bez. u.: »Photographie v. W. Froelich München«) Privatbesitz Abb. 12  : Amalia de Barellier (Lebensdaten unbekannt), Bildnis ihres Bruders Adolph Maurer, vor 1844, (lithografiert von G. Engelbach), bez. u. l.: »Amalia gez.«, u. r.: »G. Engelbach lith.«, u. M.: »Adolph Maurer. geb. zu Schaffhausen den 19. Novbr. 1834, gest. zu München den 24. Febr. 1844«, 20,2 × 13,3 cm, aus  : Heinrich Maurer-de Constant, Leben und Leiden eines Kindes, Andenken an Adolph Maurer, Als Manuscript für Freunde und Seelenverwandte gedruckt, München 1844 Stadtbibliothek Schaffhausen Abb. 13  : Alexander Hagen, der Bruder der Künstlerin, um 1855, zeitgenössische Fotografie Privatbesitz Abb. 14  : Helisena Girl (1831–1916), Bildnis Marie Girl, ohne Datum, bez. o. r.: »H Girl«, Öl auf Leinwand, 40 × 46 cm Privatbesitz Abb. 15  : Briefsiegel, Brief Julie Hagens an ihre Eltern vom 3.1.1850 aus München Familienbesitz Schwarz Abb. 16  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Füße, 1849, bez. u. r.: »Julie. 11 Fe… . 1849«, Kreide auf Papier, 44,8 × 29,3 cm Tartu Art Museum, Inv.-Nr. TKM 1340 B Abb. 17  : Moritz Rugendas (1802–1858), Gedicht für Julie Hagen zum Namenstag, Februar 1850, Tinte auf Papier, 35,2 × 11 cm Familienbesitz Schwarz Abb. 18  : Hermann Eduard Hartmann (1817–1881), Miniaturbildnis Carl Hagen, 1850, bez. u. r.: »HEH 1850.«, Bleistift auf Papier Privatbesitz

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Abb. 19  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902) (zugeschrieben), Rembrandts Mutter als Goldwägerin (Kopie nach Rembrandt-Nachfolger), 1846/47, nicht bez., Öl auf Leinwand, 109,5 × 96,5 cm Estnisches Kunstmuseum Tallinn (Kadriorg), Inv.-Nr. VM 260 Abb. 20  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Bettelkind, 1851, Öl auf Leinwand, Verbleib unbekannt, zeitgenössische Fotografie nach verschollenem Gemälde Familienbesitz Schwarz Abb. 21  : Julie Hagen Schwarz (1824–1902), Barmherzige Schwestern, 1851, Öl auf Leinwand, Verbleib unbekannt, zeitgenössische Fotografie nach verschollenem Gemälde Familienbesitz Schwarz Abb. 22  : Moritz Rugendas (1802–1858) (zugeschrieben), Álbum trajes chilenos [Album chilenischer Trachten] (Titelblatt), 1838, bez. o.: »Album Trajes Chilenos por M.R.«, u.: »1838«, in der Zeichnung  : »1838«, Bleistift und Tinte auf Papier, 36 × 25 cm Colección Museo Nacional de Bellas Artes, Santiago de Chile, Inv.-Nr. 2-1479 Abb. 23  : Moritz Rugendas (1802–1858), Allegorie Lateinamerikas mit dem Selbstporträt des Künstlers, Ausschnitt, 1847, bez. u.: »Belle Dame, faitez nous l’Obole du Souvenir  !‹ / Paris, le 26 May de 1847 / Maurice Rugendas.«, Bleistift auf Papier, 34,5 × 22,5 cm Privatsammlung, Rio de Janeiro Abb. 24  : August Matthias Hagen (1794–1878), Julie Hagen Schwarz mit ihrem ältesten Sohn, 1857, Fotografie Privatbesitz

Personenindex der Briefedition

Adalbert, Prinz von Bayern 97, 601 Adam, Albrecht 36, 240, 396 Adelung 612, 625, 635 Alexander II., Zar von Russland 143, 545 Alexandra Amalie, Prinzessin von Bayern 359 Amalie von Bourbón, Prinzessin von Bayern 97 Amalie von Oldenburg, Königin von Griechenland 565 Amerling, Friedrich von 630 Anders, Angelica 279, 340, 440 Anders, Emil 279 Anders, Karolina 279, 340, 440 Anders, Karolina und Angelica 551, 577 Angermüller 275 Anschütz, Hermann 507 Arco, Ludwig von 250, 472 Arco, Maximilian von 250, 444, 471 Arndt, Ernst Moritz 126, 306 Arnim, Bettina von, geb. Brentano 508 Arnim, Heinrich Alexander von 148 Asmuß, Napoleon 50, 58, 253 Auerbach, Berthold 48, 118, 122, 124, 176 Auguste Ferdinande von Österreich-Toskana, Prinzessin von Bayern 87, 110, 121, 125 Auguste von Bayern, Herzogin von Leuchtenberg 646, 648 Bähr, Johann Karl Ulrich 58, 247, 426 Bähr, Louise Amalie, geb. Kyber 247 Bandau, Fräulein 227 Barellier, Amalia Friederike de 254, 282, 284, 335, 641, 670 Barellier, Jean Claude de 254 Bary, Eduard Robert 91, 604 Baumgartner 93 Baykrat, Herr von 49 Beauharnais, Eugène de, Herzog von Leuchtenberg 39, 647

Beauharnais, Maximilian de, Herzog von Leuchtenberg 67, 344, 351, 521, 599, 662, 668 – 670, 673 Beethoven, Ludwig van 559 Beistengel 494 Bendemann, Eduard 54, 91 Bendemann, Lida, geb. Schadow 54 Bengler 272, 274 Bergerhoff 453, 456 Berger-Lattner, Marie, verh. Keller 158, 165, 166, 174, 177, 179, 181, 187, 200 – 203, 205, 210, 211, 227, 230, 231, 233, 234, 236, 237, 239, 241, 246, 249, 254, 256 – 258, 260 – 263, 265 – 269, 273, 274, 276, 282, 283, 285, 288 – 293, 296 – 298, 311 – 313, 315, 323, 325 – 327, 329, 330, 332, 334, 338, 345, 350, 352, 354, 362, 369, 372, 397, 400, 406, 407, 414, 415, 417, 419, 421, 422, 428, 429, 442, 450, 457, 470, 472, 475, 533, 563, 565, 607, 613, 631, 642, 658, 670, 671, 674, 676, 678, 683, 686 Berger, Wilhelmine, geb. Pichler 166, 233 Bergmann, Ernst von 656 Bergmann, Fräulein von 656, 657 Bergmann, Richard von 656 Berks, Franz von 116, 117, 129 Bernewitz, Fedor 511, 512 Bernewitz, Karl Hans 512 Bernhardt, Joseph 33, 43, 44, 47, 52, 54 – 57, 59, 62, 64, 65, 68, 70 – 72, 76 – 78, 83, 84, 86, 91, 92, 96, 99, 103, 106, 107, 111, 113, 116, 117, 122, 124, 125, 127, 131, 133, 134, 136, 138 – 141, 152, 158 – 161, 164 – 166, 168 – 171, 179, 181, 183, 184, 186, 187, 191, 193, 200 – 206, 210, 211, 213, 226, 228 – 234, 236, 239, 240, 242, 243, 246 – 248, 251, 254 – 257, 259 – 263, 265 – 267, 279, 280, 282, 284, 289, 293, 295 – 298, 300, 305, 311 – 313, 323, 324, 326, 327, 331, 332, 335, 340, 347 – 349,

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Anhang

352, 353, 355, 356, 358, 361, 362, 370, 372, 374 – 377, 379, 394, 398 – 402, 404, 405, 407 – 411, 414 – 416, 418, 419, 423, 427 – 429, 433, 435, 441, 446, 447, 449, 452, 455, 460, 461, 469, 475, 481 – 485, 490, 496, 500, 526, 530, 531, 535, 546, 551, 558, 571, 573, 582, 585, 592, 594, 608, 611, 613, 616, 624, 627, 641, 653, 670 Bethmann, Simon Moritz von 392 Bidder, Georg von 673 Bienemann, Friedrich Gustav 656 Birch-Pfeiffer, Charlotte, geb. Pfeiffer 103, 118, 122 Blanc, Louis 146 Blum, Emilie, geb. Schulz 622 Blum, Karl Ludwig 609, 622, 628, 633, 636, 638, 641, 643, 644, 649, 652, 660, 665, 673, 675, 678, 685 Blum, Wilhelm 598, 609, 621 – 624, 627, 629, 631 – 633, 637, 641, 647, 654, 659, 661, 662, 665, 670, 678 Bock, Heinrich von 114, 489 Bonington, Richard Parkes 586 Borg, Roderich von der 207 Bornemann, Wilhelm 150 Bose, Familie von 52, 95, 267 Bourg, Elisabeth van, geb. von Paumgarten 50, 75, 103, 304, 314, 561 Brederlo, Friedrich Wilhelm 323, 327, 362, 391, 392, 394, 400, 403, 492, 566 Bröcker, Gustav Erdmann von 54, 66, 69, 70, 72, 226, 375, 376, 480, 489, 606, 608, 660, 661, 664, 665 Bröcker, Lydia Dorothea, geb. Schultz 661 Broglie, Achille-Leon-Victor de 155 Brugger, Friedrich 237 Bruiningk, Karl Axel Christer von 252 Bruiningk, Marie von, geb. von Lieven 114, 203, 204, 206, 212, 470, 508, 519, 523, 556, 561, 600, 606, 645, 664, 665 Brüllow, Alexander 667 Brüllow, Friedrich 667 Brüllow, Karl 667 Buchner, Carl 499 Buchner, Georg 499

Bühler, Fräulein von 530, 606, 607, 609, 628 – 632, 634, 637, 638 Bulgarin, Faddei 556 Cacciatori, Benedetto 541, 542 Cacciatori, Candido 541 Cacciatori, Ludovico 541 Calame, Alexandre 541 Camphausen, Ludolf 150 Canova, Antonio 540, 543, 574 Carl, Prinz von Preußen 537 Carus, Agnes, geb. Küster 233 Carus, Elise, verh. von Ulmann 370 Carus, Ernst August 233, 280, 281, 283, 290, 291, 316, 334, 336, 345, 370, 409, 411, 424, 431, 545, 562, 604 Carus, Fanny, verh. Mercklin 233, 370, 550, 587 Carus, Marie, verh. von Hollander 280, 316, 353, 359, 363, 370, 431, 468, 470, 511, 514, 520, 521, 523, 524, 527, 530, 532 – 534, 545, 546, 549, 550, 555, 590 Charlotte von Preußen, Zarin von Russland 672 Chotek von Chotkow, Anton von 631, 649 Constant-Rebecque, Catharina de, verw. Barellier, verh. Maurer 254, 284 Cornelius, Peter von 37, 40, 410, 461, 507, 517, 548 Correggio, Antonio da 38, 84, 386 Corrodi, Salomon 672, 687 Cotta von Cottendorf, Johann Friedrich 338, 486 Cotta von Cottendorf, Johann Georg 69, 486 Dahn, Friedrich 522 Dannecker, Johann Heinrich von 392 Delaroche, Paul 654 Dessauer, Georg von 608, 628 Dessauer, Ludmilla von 608 Deutinger, Martin 499, 543 Deutsch, Luise 426 Devrient, Carl 114 Devrient, Eduard 43

Personenindex der Briefedition 

Devrient, Gustav Emil 43, 106, 651 Devrient, Gustav Emilie und Eduard 56 Dieffenbach, Johann Friedrich 66 Diß, Friederika, geb. Schneider 652 Diß, Maria, verh. Lugo 444, 514, 523, 530, 570, 585, 627, 648 Diß, Philipp 444, 514, 533, 535, 570, 583, 598, 652, 655 Döhler, Minna 97, 207 Dolci, Carlo 232, 233 Döring, David Oskar von 114, 489 Dreuttel, Julie 72, 464, 496, 501, 514, 515, 520, 523, 569, 583, 591, 613, 630, 631, 643, 644, 649, 653 Duhmberg, Familie 137, 283, 352, 359, 378, 405, 423, 439, 441, 457, 504, 628, 643 Duhmberg, Katinka 420 Duhmberg, Margarethe, verh. von Sehrwald 52, 63, 85, 115, 252, 292, 346, 469, 490, 550, 557, 568, 575, 587, 622, 636, 651 Duhmberg, Otto 137, 252, 280, 292, 469, 490, 587, 614 Duo 574 Dürer, Albrecht 36 Dyck, Anthonis van 141, 232, 389, 439, 469 Eckersberg, Christoffer Wilhelm 266 Ehrenstolpe, Adelaide, verh. Kroijerus 234 Ehrenstolpe, Carl Johann 234 Eigner, Andreas 638 Elisabeth, Herzogin in Bayern, Kaiserin von Österreich 126 Elisabeth Ludovika, Königin von Preußen 144, 151 Engelhardt 574 Erdmann, Henriette Charlotte, geb. Eckardt 82 Erdmann, Johann Julius Friedrich 39, 82 Esterházy von Galántha, Valentin 673 Etzdorf, Christian 419, 464, 479, 488, 511, 513, 518, 533, 574 Faber 109 Faber du Faur, Otto 444, 463 Fählmann, Friedrich Robert 487

| 821

Falkenstein, Ida von 52, 94 – 96, 114, 426 Faulstich 554, 555, 561 Feuerbach, Anselm 482 Fick, Ernestine von, geb. Herrmann 436, 443 Flüggen, Gisbert 531 Forchhammer, Peter Wilhelm 444, 452, 502, 503 Förster, Emma, geb. Richter 428, 465, 529 Förster, Ernst 410, 414, 436, 444, 465, 472, 525 Forster, Georg 581 Forster, Karl Ludwig 340 Forster, Therese 581 Franken, Paul von 52 Freyberg, Electrine von, geb. Stuntz 89, 182, 229 Friedrich August II., König von Sachsen 184, 331 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 151 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 134, 143 – 148, 151, 152, 382 Gahlnbäck, Herr von 67, 68 Gaisser d. Ä., Jakob 638 Gallait, Louis 378, 384, 392, 413 Gall, Franz Joseph 436 Gärtner, Friedrich Wilhelm von 37 Gegenbaur, Joseph Anton von 379 Geibel, Emanuel 265, 508, 603 Gérard, Francois 654 Geyer, Johann Wilhelm Rudolf 494 Gilli, Alexander 518, 537 – 539, 541, 542, 544, 545, 549, 552, 561, 572, 574, 590, 600, 609, 620, 671, 683 Gilli, Ceccardo 537 Giorgione 233, 556 Girl, Familie 322, 323, 338 Girl, Helisena, verh. Koch 176, 256, 257, 495, 531 Girl, Marie, verh. Diruf 256, 323, 329, 342, 347, 349, 355, 367, 495 Girl, Matthäus 243, 256 Girl, Ottilie, verh. Dubois 256, 495

822 | 

Anhang

Glocker, Carl 652 Glocker, Christian 652 Gluck, Willibald 237 Göbel, Carl Christoph 550 Göbel, Toska 550 Goethe, Johann Wolfgang von 187, 403, 447, 560 Gonne, Friedrich 142 Görres, Johann Joseph 105 Goupil, Adolphe 659 Gros, Jean 548 Gruithuisen, Franz von Paula 195 Guillemot de Villebois, Familie 630 Guizot, Francois 155 Gulomy, Jerome 599, 603, 604, 612 Gustapfel, Johann 215 Hademus 58 Hagen, Alexander 118, 138, 143, 148, 214, 302, 376, 378, 395, 415 – 418, 424, 429, 432, 434, 440, 441, 449, 454, 455, 458, 468, 478, 480, 483, 487, 503, 510, 525, 546, 562, 567, 575, 576, 582, 600, 602, 606, 608, 614, 617, 625, 627 – 629, 643, 653, 657, 658, 660, 661, 665, 670, 675 Hagen, Bertha 207, 429, 506, 582 Hagen, Carl 72, 90, 173, 203, 323, 334, 354, 362, 396, 441, 454, 456, 463, 467, 468, 470, 476, 509, 510, 515, 566, 575, 595, 622, 634, 643, 651 Hagen, Christina Sophia 203, 305, 366, 404, 439 Hagen, Christine, geb. Busch 203, 411, 595, 676 Hagen, Eduard 205, 252 Hagen, Emilie, verh. Schwarz 49, 51, 56, 63, 69, 86, 102, 135 – 137, 161, 171, 172, 174, 189 – 197, 202, 203, 205, 208, 209, 214, 241, 247, 252, 253, 258, 267 – 271, 275, 277, 278, 280, 315, 317, 318, 320, 321, 328, 333, 337, 344, 345, 350, 359, 363, 369, 371, 373, 377, 378, 403, 404, 406, 410, 412 – 414, 420, 421, 423, 424, 429, 431, 441, 442, 448, 454, 456, 467, 468, 470, 472,

475, 478, 491, 503, 513, 553, 562, 575, 582, 594, 595, 610, 618, 629, 643, 656, 673, 676 Hagen, Ernst Christoph 174, 226 Hagen, Friedrich 207, 265, 343, 345, 487, 595, 628, 653 Hagen, Gotton, verh. Körber 160, 336, 369, 379, 429, 491, 506, 582 Hagen, Johanna, verh. von Kügelgen 171, 174, 207, 214, 235, 336, 345, 429, 467, 480, 511, 567, 582, 610, 653 Hagen, Marie, verh. Gahlnbäck 174, 207, 259, 336, 344, 345, 369, 374, 379, 402, 419, 423, 424, 429, 467, 491, 506, 509, 523, 557, 580, 582, 595, 635, 636, 643, 656 Hagen, Natalie 203 Hagen, Wilhelm 90, 203, 291, 334, 358, 362, 413, 417, 468, 552, 554, 566, 595, 610, 628, 653 Hagn, Charlotte von, verh. von Oven 495 Halbig, Johann von 33, 58, 80, 335 Hanfstaengl, Franz 48, 50, 57, 58, 77, 103, 253, 257, 267, 269, 341, 348, 349, 355, 357, 421, 444, 446, 471, 473, 500, 521 Hanfstaengl, Pauline, verh. Walther 473, 494 Hannchen 353, 595, 636, 651, 653 Hartmann, Hermann Eduard 48 – 50, 57, 58, 71, 77, 78, 91, 115, 122, 136, 174, 184, 190, 194, 205, 237, 240, 257, 259, 267, 269, 278, 283, 292, 295, 300, 304, 305, 318, 328, 336, 353, 359, 366, 378, 405, 410, 423, 441, 450, 454, 456, 457, 463, 467, 470, 480, 490, 499, 504, 509, 515, 523, 533, 547, 550, 555, 557, 567, 568, 573, 574, 577, 587, 595, 608, 610, 614, 615, 618, 628, 636, 643, 651, 653, 676 Hauser, Franz 281, 283, 290, 291, 316, 334, 336, 345, 409, 431 Haydn, Johann Michael 223 Hehn, Viktor 508 Helwerth, Anna, verh. Blum 609 Herrmann, Ernst Adolf 64, 427, 627 Herrmann, Familie 42, 65, 87, 94, 332, 432, 442, 519 Herrmann, Karl Theodor 42, 52 Herrmann, Katharina, geb. Zimmermann

Personenindex der Briefedition 

53, 64, 90, 94, 184, 229, 247, 323, 335, 425, 427, 429, 436, 437, 464, 466, 551, 604, 632, 633, 636 – 638, 641 Hess, Heinrich Maria von 42, 482 Hess, Peter von 42, 482, 486, 647, 657 Heubel, Alexander 492 Heyse, Paul 603 Hildebrandt, Theodor 390 Himbsel, Johann Ulrich 428 Hirschberg, Eduard von 123 Hohenhausen, Leonhard von 104 Holst, Herr von 503 Holst, Valentin von 503 Hormayr, Joseph von 525 Hormayr, Maria von, geb. Speck von Sternburg 525 Hövemeyer, August 44 Huber, Therese, geb. Heyne, verw. Forster 581 Hübner, Julius 91 Hueck, Charlotte von, verh. von der Borg 207 Hundertpfund, Liberat 444, 462, 592, 594 Hüttel, Auguste 323, 341, 407, 423, 484, 492, 557, 594 Hüttel, Familie 34, 35, 51 – 53, 65, 70, 82, 102, 117, 125, 164, 186, 227, 229, 246, 276, 277, 323, 332, 335, 341, 407, 425, 427, 428, 439, 442, 484, 519 Ingres, Jean-Auguste-Dominique 548 Irmer, Theodor 670, 676 Jacobs, Paul Emil 553 Jean Paul, eigentlich Johann Paul Friedrich Richter 410, 428, 465, 529, 572, 573 Jensen, Johan Laurentz 266, 549, 642 Jerichau Baumann, Elisabeth 244, 390 Jerichau, Jens Adolf 390 Jessen, Ludwig 374 Johann, Erzherzog von Österreich 152, 195 Jost, Johann Karl Friedrich 522 Juncker, Wilhelm 176, 444, 511, 512, 514, 519, 520

| 823

Kally, Gottlieb 83 Karantejew, Marie 577, 618 Karl I., König von Württemberg 380, 599, 612 Karl, Prinz von Bayern 104, 118, 120, 126, 130, 132, 215, 507 Karl, Prinz von Preußen 574 Karl Theodor, Kurfürst von Bayern und von der Pfalz 250 Karow, E. J. 253, 257, 265, 267, 269 Katharina Pawlowna Romanowa, Königin von Württemberg 616 Kauffmann, Angelica, verh. Zucchi 181, 643, 657 Kaufmann, Fräulein 97, 267 Kaulbach, Friedrich 359, 483, 612, 615 Kaulbach, Friedrich August von 359 Kaulbach, Josefine, geb. Sutner 398 Kaulbach, Wilhelm von 33, 55, 69, 79, 90, 141, 163, 272, 345, 354, 355, 359, 375, 394, 397 – 399, 402 – 404, 410, 414, 436, 444, 446, 448, 454, 461, 468, 512, 516, 551, 563, 566, 576, 604, 686 Keller, Ignatz 166 Kiel, Karl Leopold von 153, 160, 343, 369, 375, 402, 405, 409, 410, 418, 429, 439, 444, 448, 452, 453, 456, 463, 480, 491, 519, 599, 619, 621, 631, 647, 648, 650 Kinkel, Gottfried 508, 561 Kinkel, Johanna 508 Kircheisen, Familie 595 Kircheisen, Rosalie 52, 61, 65, 85, 115, 241, 377, 410, 434, 441, 457, 550, 567, 568, 575, 587, 651, 676 Kleiber 356 Klenze, Leo von 37 – 39 Köber, Helene, verh. Franken 33, 52, 95, 131 Kolb, Gustav 338, 340 Koller 486 Korff, Baron 679 Kotzebue, Alexander von 444, 463, 499, 519, 598, 601, 604, 611, 613 – 615, 617, 620, 624, 625, 662, 665, 672 Kotzebue, August von 499

824 | 

Anhang

Kotzebue, Charlotte, geb. von Krusenstjern 615 Kraft, Adam 36 Kraslovsky 356, 362, 373 Krausche, Gustav Adolf 473 Krause, Julie, verh. Kirchenpauer 61 Krause, Robert 674 Kreutzer, Anna, geb. Speil von Ostheim 604 Kreutzer, Conradin 603 Kreutzer, Marie 604 Kriehuber, Josef 630 Krüdener, Frau von 49, 53, 570, 576, 578, 594, 605, 610, 613, 614, 636 Krüdner 51 Krüger, Carl Robert 561 Krüger, Woldemar Friedrich 91, 439, 440, 457, 566, 567, 586 Kücken, Friedrich Wilhelm 291 Kulbach, Ludwig 361 Kummer, Carl Robert 592 Küster, Fräulein von 614, 615, 620, 621 Küster, Johann Emanuel von 614 Kyber, Margaretha Jacobine, geb. Fock 247 Lamartine, Alphonse de 147, 156 Langer, Johann Peter von 182 La Trobe, Johann Friedrich de 380 Lattner, Karl Philipp 166, 201, 256, 474, 645 Laub, Ferdinand 88 Laurson, Amalie 93, 96, 203, 303, 358, 521 Ledebour, Carl Friedrich von 33, 72, 79, 96, 456, 464, 477, 489, 496, 503, 513, 515, 520, 564, 603, 617, 621, 636, 642, 644, 645, 648, 649 Ledebour, Elisabeth von, geb. von Mirbach 72, 483, 491, 603, 626, 648 Ledebour, Familie von 444, 456, 464, 465, 490, 495, 497, 501, 510, 512, 519, 523, 525, 530, 551, 559, 569, 576, 581, 599, 602 – 604, 607, 613, 614, 616, 620, 626, 644, 653 Leeb, Johannes 79 Lehmann, Henri 343 Lehmann, Leo 343

Leiningen-Hartenburg, Karl Friedrich Wilhelm von 120 Lenau, Nikolaus 274 Lenbach, Franz von 359, 553 Lenz, Amalie, verh. Schmidt 345, 420, 430, 490 Lenz, Anna, geb. von Cube 420 Lenz, Carl Eduard 345, 409 Lenz, Familie 430 Lenz, Gottlieb Eduard 345 Lenz, Gustav 503 Lenz, Johann Reinhold von 522, 523 Lenz, Louise 345, 409, 420, 430, 490, 503 Lenz, Marie, verh. von Holst 503 Lessing, Carl Friedrich 390 – 392 Lewald, August 655, 658, 685 Lewald, Fanny, verh. Stahr 655 Lieven, Johann Jakob von 131 Lilienfeld, Otto Gustav von 616 Liphart, Karl Eduard von 365, 394, 401, 403, 405, 418, 440, 478, 518, 556, 563 – 567, 570, 571, 573, 574, 577, 578, 585, 594, 610, 618 List, Elise, verh. von Theinburg 77 List, Friedrich 44 List, Karoline, verh. Hövemeyer 33, 44, 46, 47, 52, 55, 62, 77, 78, 89, 93, 99, 101, 103, 106, 108, 113, 127, 166, 176, 250, 257 Liszt, Franz 495 Löb, Fräulein 188 Lorrain, Claude 170, 365 Lotzbeck 445, 495 Lotzbeck, Alfred von 495 Lotzbeck, Karl von 495 Louis Napoléon Bonaparte, Kaiser der Franzosen 147 Louis-Philippe I., König der Franzosen 137, 154, 155, 387 Löwenwolde, Familie von 624 Ludwig III., König von Bayern 141 Ludwig II., König von Bayern 88, 141 Ludwig I., König von Bayern 34 – 38, 40 – 42, 44, 46, 55, 56, 58, 68, 71, 74, 77, 79, 87, 92, 97, 99, 104, 106, 108 – 111, 114, 116, 117, 120 – 128, 130, 132, 133, 138, 146, 149,

Personenindex der Briefedition 

169, 170, 176, 187, 206, 229, 257, 281, 321, 335, 336, 351, 359, 370, 396, 397, 410, 433, 444, 452, 457, 464, 465, 475, 479, 482, 483, 495, 497, 505, 507, 516, 518, 549, 565, 572, 601, 608, 614, 630, 639, 671, 683, 684 Luitpold, Prinz von Bayern 87, 104, 116, 141 Luti, Margherita 681 Mädler, Johann Heinrich von 50, 64, 77, 88, 98, 102, 112, 114, 122 Mädler, Minna von, geb. von Witte 50, 58, 63, 64, 627 Maes, Jan Baptiste Lodewijk 138 Manfrin, Gerolamo 556 Maria Leopoldine, Erzherzogin von Österreich 250 Maria Nikolajewna Romanowa, Herzogin von Leuchtenberg 351, 531, 599, 648, 664, 666 – 670, 672, 677, 687, 688 Marie von Preußen, Königin von Bayern 466, 537, 565, 614 Marjolin-Scheffer, Cornelia, geb. Scheffer 384 Mark, Heinrich von der 104 Marr, Heinrich 597 Martin, Herr von 496 Martini, Adolf von 620 Martius, Carl Friedrich von 486, 603 Martius, Caroline von, verh. Ertl 486 Martius, Ernestine von 486 Martius, Marie von, verh. Graff 486 Maurer, Adolph 255 Maurer-de Constant, Johann Heinrich 254 Maximilian, Herzog in Bayern 126, 133, 479, 498 Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Bayern 187 Maximilian II., König von Bayern 99, 104, 105, 116, 117, 132 – 134, 136, 141, 153, 166, 176, 236, 466, 485, 565 Maximilian I., König von Bayern 104, 410 Maydell, Ludwig von 83 Mayer, Ernst 58 Mayerhofer, Elise 213 Mayerhofer, Gregor 106, 111, 128

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Mayr, Heinrich von 444, 479 Meiners, Familie von 578, 595 Meiners, Frau von 207 Meiners, Johann Friedrich von 650 Mendelssohn Bartholdy, Felix 65, 312 Metternich, Klemens Wenzel von 146, 147, 276 Meyerbeer, Giacomo 588 Meyer, Ernst 240, 246, 254, 273, 346, 347, 411, 553 Meyer, Minna 456, 468 Mieroslawski, Ludwik 150 Milanollo, Maria 392 Milanollo, Teresa 392 Miller, Ferdinand von 41 Moltke, Olga von, verh. Chotek von Chotkow 631, 649 Moltke, Paul Friedrich von 631, 649 Montez, Lola, eigentlich Elisabeth Rosanna Gilbert 34, 37, 43, 46, 56, 62, 66, 68, 92, 99, 103 – 112, 114, 116, 122 – 124, 128 – 133, 146, 169, 176, 479, 505 Montgelas, Graf 617 Morgenstern, Christian 496 Morgenstern, Karl 454 Mozart, Wolfgang Amadeus 223 Müller, Antonie, verh. Schirren 303, 547, 609 Müller, Emilie 52, 53, 131 Müller, Julius Conrad Daniel 303 Müller, Moritz 558 Müller, Otto 185, 245, 289, 319, 328, 391, 401, 445, 478, 487, 547, 658 Murillo, Bartolomé Esteban 38, 332, 540, 592 Neff, Carl Timoleon 56, 380, 598, 599, 601, 602, 605, 606, 614, 617, 620, 624 – 626, 644, 650 Neureuther, Eugen Napoleon 521 Nieritz, Carl Gustav 164 Nikolai I., Zar von Russland 38, 41, 84, 103, 128, 134, 143, 147, 153, 154, 340, 351, 444, 474, 491, 507, 508, 521, 599, 601, 602, 606,

826 | 

Anhang

610, 612, 616, 617, 622, 625, 631, 644, 647, 648, 652 Noailles, Paul de 155 Nolde, Catti 644 Oettingen, August von 512 Oettingen, Georg von 440 Oettingen-Wallerstein, Ludwig von 105, 109, 110, 128 Oldendorf 386 – 388 Olga Nikolajewna Romanowa, Königin von Württemberg 599, 612, 617 Osenbrüggen, Eduard 508 Otto, Familie 674, 676 Otto I., König von Bayern 88, 141 Otto I., König von Griechenland 104, 368, 565, 603, 614, 624 Otto, Marianne 52, 192, 280, 550, 574, 676 Overbeck, Friedrich 182 Pahlen, Fräulein von der 551 Palma il Vecchio 543 Pappenheim, Graf 494 Passini, Ludwig 553 Paumgarten, Anna Maria von, geb. Held 62 Paumgarten, Cecilie von 39, 379, 434, 450, 504, 600, 628, 668, 675, 676 Paumgarten, Christoph Ignatz Xaver von 62 Paumgarten, Ignaz von 50, 53, 57, 194, 228, 360, 364, 477, 488, 493 Paumgarten, Maria Anna und Cecilie von 39, 40, 49 – 52, 60, 63, 71, 77, 82, 91, 92, 97, 112, 115, 118, 136, 162, 173, 183, 194, 203, 207, 208, 214, 258, 269, 273, 291, 353, 365, 411, 423, 472, 513, 558, 567, 575, 576, 580, 587, 600, 628, 659, 662, 667, 671, 675 Paumgarten, Maria Anna von 39, 40, 258, 379, 513, 590, 673 – 675 Paumgarten, Maria von, geb. von Bebay 57 Paumgarten, Pegi von 75 Pearsall, Robert Lucas 594 Pengg, Vincenz 244, 287, 288, 292 – 299, 301, 304, 305, 314, 315 Peretti, Felice 654 Perfall, Karl von 444, 471

Petzmayer, Johann 479 Pfretzschner, Norbert 444, 446, 449, 450, 474 Pius IX. 687 Pollak, Leopold 597 Pozzi, Domenico 541 Pra, Gräfin 630 Rachel Félix, Élisa 551, 552 Raczyński, Athanasius 654 Raffaello Sanzio 61, 79, 84, 386, 390, 681 Rahl, Carl 482 Rauch, Christian Daniel 479, 537, 574 Rechberg, Albert von 475, 482 Rechberg, Walburga von, geb. von Rechberg 475 Rehrl, Alois d.Ä. 225, 396 Rehrl, Alois d.J. 229, 232, 237 Reischach, Hermann von 486 Rembrandt van Rijn 186, 190, 439, 578 Reni, Guido 119, 163, 671, 680 Reuß-Greiz, Luise Caroline von, verh. Herzogin von Sachsen-Altenburg 630, 632, 633 Reyher, Gustav Adolph 77, 78, 90, 112, 128, 139, 172, 173, 176, 180 Rieckhoff, Familie von 199, 203 Riedel, August 159, 189, 244, 250, 336, 358, 380, 384, 385, 401, 405, 419, 445, 471, 472, 491, 497, 501, 502, 553, 554, 569, 570, 573 – 575, 578, 585, 587, 589, 591 – 597, 606, 615, 616, 618, 620, 621, 624, 625, 628, 629, 631, 632, 634, 635, 655, 658, 671, 674, 675, 683, 684, 687, 801 Riedel, Eduard 598, 624, 640, 666, 671, 674 Rieder 487 Riehl, Wilhelm 603 Rimthel 567 Rizzoni, Alexander 138 Rizzoni, Eduard 138 Rizzoni, Paul 138 Rosner, Alois 35, 37, 39, 60, 70, 72, 78, 80, 86, 104, 107, 109, 116, 128, 162, 163, 174, 178, 184, 203, 225, 238, 264, 294, 298, 353, 396

Personenindex der Briefedition 

Rosner, Ludwig 52, 125, 127, 225 Rosner, Xaver 39, 46, 52, 70, 88, 173, 178, 191, 201, 202, 238, 258 Rottmann, Carl 33, 58, 138, 243, 261, 262, 350, 352, 355, 361, 377, 445, 454, 479, 488, 497, 504 – 507, 510, 512 – 515, 517, 518, 528, 549 Rottmann, Sylvia, verh. Teichlein 517 Rubens, Peter Paul 38, 383, 386, 390, 406 Rückert, Friedrich 80 Rugendas, Eduard 257 Rugendas, Louise 352, 396, 399, 494 Rugendas, Moritz 58, 159, 240, 243 – 246, 253, 254, 256 – 261, 263, 264, 266, 267, 269, 272, 273, 275, 280, 282 – 286, 290, 296, 297, 305, 316, 322, 324, 326, 330, 331, 334, 335, 337, 338, 340 – 343, 347 – 349, 352 – 363, 365 – 369, 372, 375 – 380, 386, 388, 392, 394 – 411, 413 – 415, 417, 419 – 422, 427 – 430, 434 – 437, 439, 442, 444 – 446, 448 – 450, 452 – 460, 462 – 466, 468, 470 – 478, 480 – 487, 489 – 495, 497, 498, 500 – 507, 511, 513, 517 – 519, 521, 523, 524, 526 – 533, 535, 536, 545, 546, 552, 553, 558, 560, 563 – 567, 569 – 571, 573, 574, 576 – 579, 581, 582, 586 – 592, 594 – 599, 601 – 603, 605, 606, 608 – 610, 613, 614, 617, 618, 624 – 628, 630, 634, 636, 642 – 644, 650, 652, 653, 655, 657, 659, 660, 663, 664, 666, 671, 672, 674 – 678, 683 – 686 Rugendas, Regina Friedericke, geb. Lechler 255, 273, 322, 323, 347, 352, 396, 399, 609 Sachsen-Altenburg, Eduard von 630, 632 Sachsen-Altenburg, Marie von, verh. von Schwarzenburg-Sondershausen 632 Samson-Himmelstjerna, Herr von 557 Sand, Karl Ludwig 499 Sanguinetti, Francesco 79 Schack, Adolf Friedrich von 603 Schadow, Johann Gottfried 54 Schadow, Wilhelm von 390 Schaezler 606 Schaezler, Emilie von, geb. Froelich 581

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Schaezler, Ferdinand Benedikt 576 Schaezler, Ludwig Karl 576 Scheffer, Ary 384, 387, 388, 498, 654 Scherer, Baronesse 669 Scheve, Gustav 436, 445, 449, 453, 457, 490 Schiller, Friedrich 128, 263, 265, 447, 552 Schirren, Carl 49, 52, 61, 85, 89, 98, 114, 115, 127, 160, 163, 172, 180, 184, 194, 207, 227, 230, 233, 237, 239, 240, 252, 260, 263, 268, 275, 278, 282, 289, 303, 319, 330, 343, 346, 356, 357, 359, 360, 362, 367, 368, 373, 376, 377, 402, 409, 414, 419, 433, 441, 450, 478, 487, 492, 501, 532 – 534, 547, 550, 554, 555, 557, 559, 561 – 565, 567, 571, 578, 609, 631, 636, 642 Schirren, Carl Hieronymus 180 Schirren, Julie 52, 61, 160, 260, 303 Schlater, Georg Friedrich 440 Schleich d.Ä., Eduard 496 Schlotthauer, Joseph 40 Schmidt, Gustav Friedrich 263 Schmidt, Joseph 486, 556 Schnetz, Jean Victor 654 Schnorr von Carolsfeld, Julius 33, 34, 41, 42, 91, 331 Schoen, Friedrich Wilhelm 399 Schöninger, Leo 589 Schöpf, Peter 79, 433, 572, 671, 684 Schorn, Carl 33, 79, 518, 548, 549 Schröder-Devrient, Wilhelmine, geb. Schröder 114, 474, 489 Schröder, Sophie, geb. Bürger 474 Schubert, Franz 81 Schultze, Hermann 554, 555, 561, 562 Schultz, Karl Johann Stephan 54, 65, 127, 361, 362, 428 Schulz 606 Schumann, Robert 233 Schwanthaler, Franz Jakob 38, 350 Schwanthaler, Ludwig von 33, 38, 41, 90, 91, 256, 257, 321, 350, 433, 541 Schwarz, Anton 618 Schwarz, Eduard 504 Schwarz, Ludwig 49, 61, 70, 85, 114, 159, 184, 189 – 192, 195 – 198, 203,

828 | 

Anhang

205, 207 – 209, 211, 215, 227, 228, 233, 241, 245, 252, 257, 259, 267, 269 – 271, 276 – 278, 280, 283, 289, 292, 295, 303, 305, 317 – 319, 321, 328, 337, 344, 354, 359, 362, 366, 369 – 371, 373, 411 – 413, 415, 424, 449, 454, 456, 475, 478, 503, 504, 513, 562, 585, 595, 610, 618, 629, 676 Schwerin-Putzar, Maximilian von 150 Schwind, Moritz von 517 Schwinger 486 Sealsfield, Charles 275, 578, 587 Seeberger, Gustav 33, 89, 173, 177 Seeberg, Katinka 337, 575 Seeberg, Wilhelmine, verh. Henkel 63 Sehrwald, Julius Ernst von 63, 252, 280, 490 Seidler, Louise 42 Seinsheim, Karl von 206 Seitz, Franz 128 Severin, Dimitrij Petrowitsch 118, 599, 616, 617, 619, 621, 623, 626, 631, 647, 658, 664 – 666, 670 – 674, 687 Severin, Sophia, geb. von Moltke 631, 649 Seyboldt, Laura 406, 407, 444, 446, 512, 521, 522, 532, 563, 566, 573 Shakespeare, William 106 Shukowski, Wassili 83 Siller, Karl Friedrich Eduard 489 Simanowitz, Ludovike, geb. Reichenbach 263 Sivers, Peter Felix von 44, 53, 61, 64, 83, 87, 90, 95, 96, 103, 117, 136, 139, 140, 241, 277, 280, 300, 318, 328, 334, 345, 359, 365, 369, 378, 384, 402, 405, 416, 418, 438, 446, 447, 469, 478, 490, 503 – 505, 514, 551, 567, 574, 587, 605, 610, 635, 638, 651, 661, 676 Sohn, Carl Ferdinand 390 Soratroi, Mathilde 643 Speck von Sternburg 282, 284 Spitzweg, Carl 496 Staal, Amalie Juliane von, geb. von Lilienfeld 615, 616 Stackelberg, Adele (Ada) Julie Euphrosine Marie von, verh. Ungern-Sternberg 630

Stackelberg, Reinhold von 576, 577, 587, 621, 623, 624, 626, 630, 631, 635, 637, 643 Stackelberg, Sophie Heloise Euphrosine Marie von, verh. von Nolcken 630 Städel, Johann Friedrich 392 Stavenhagen, Wilhelm Siegfried 304 Steffan, Johann Gottfried 138 Steub, Ludwig 368, 406, 407, 436, 444, 446, 450, 521, 573 Stieler, Joseph Karl 77, 263, 359, 370, 375, 456, 479, 484, 485, 495, 520 Stielke, Hermann 390 Stöckl-Heinefetter, Clara, geb. Heinefetter 88 Stransky, Familie von 598, 612, 620, 639 Stransky-Stranka-Greifenfels, Therese von 639 Struve, Bertha, verh. Siller 489 Struve, Minna 575, 651 Struve, Wilhelm 489 Stryck, Fräulein von 551, 629 Stryck, Herr von 574 Stuck, Franz von 359 Studzinski, Paul Philipp 49, 61, 95, 97, 114, 160, 172, 180 Stuntz, Hermione 33, 89, 177, 229 Stuntz, Joseph Hartmann 229 Sturm, Minna 52, 85, 115, 194, 241, 283, 292, 378, 405, 423, 441, 550, 587 Swinnerton de Pearsall, Philippa, verh. Hughes 594 Tann, Ludwig von der 444, 452, 453, 456, 457, 464, 465, 472 – 475, 477, 482, 484 – 486, 488, 489, 502, 521, 576, 589, 643, 644 Tasso, Torquato 160 Teichlein, Anton 445, 516 Tenerani, Pietro 574 Therese von Sachsen-Hildburghausen, Königin von Bayern 59, 92, 106, 121 Thiersch, Amalie von, geb. Löffler 42, 50, 64, 69 – 71 Thiersch, Friedrich von 42, 58, 63, 64, 67,

Personenindex der Briefedition 

79, 98, 105, 108, 109, 117, 118, 128, 436, 525 Thorvaldsen, Bertel 433, 574 Tieck, Christian Friedrich 537 Tiesenhausen, Adelheid von, verh. Kiel 628 Tiesenhausen, Frau von 279 Tiesenhausen, Hans Heinrich von 628 Tiziano Vecellio 38, 71, 78, 233, 386, 543, 544, 556 Tridon, Caroline, geb. Sattler 33, 52, 53, 95, 131, 426 Trott, Fräulein von 327, 351, 483 Uexküll-Güldenbrand, Karl Peter Alexander von 118, 191 Uhing 91 Ulmann, Karl Christian 470, 545 Urban, Bonifaz Kaspar von 36 Utzschneider, Joseph von 72 Vegesack, Otto Moritz von 599, 626, 647, 666 – 669 Veit, Philipp 392 Vermeersch, Ivo Ambros 592 Vernet, Horace 387, 604 Veronese, Paolo 38, 543, 556 Vio, Wilhelm 504, 575, 614, 618, 636 Vogel von Vogelstein, Carl Christian 171, 685 Völderndorff und Waradein, Otto von 180, 494 Voltz, Amalie 496 Voltz, Friedrich 444, 496, 499 – 501, 504, 570, 589, 671, 673, 674 Voltz, Johann Michael 496 Voltz, Katharina, geb. Metzger 444, 497 Voltz, Ludwig 496 Voltz, Richard 496 W Wachter, Emma, verh. Riekhoff 52, 62, 72, 127, 199, 207, 209, 259, 269, 300, 344, 346, 350, 402, 407, 410, 420, 433, 484, 491, 493, 503, 551, 552, 557, 575, 576, 601, 607, 610, 613, 621, 636, 643, 651, 659 Wachter, Familie 115, 178, 184, 194, 208,

| 829

209, 228, 233, 240, 267, 268, 278, 283, 292, 317, 318, 337, 353, 359, 362, 377, 378, 405, 411, 423, 441, 450, 457, 469, 595, 628, 653, 676 Wachter, Fanny 52, 63, 72, 127, 199, 215, 259, 282, 300, 433, 490, 491, 504, 519, 550, 554, 568, 575, 587, 601, 613, 618, 636, 643, 651 Wagner, Adelaide, verh. Salles 138, 139 Wagner, Elise, verh. Puyroche 139 Wagner, Johann Martin von 78, 433, 671, 684 Wagner, Julinka 575 Wahl, Eduard Georg von 300 Wahl, Familie von 300, 439 Wahl, Fräulein von 410, 478 Wahl, Frau von 605 Walter, Familie 674 Walter, Piers 674 Weinbach, Baronin 132 Weinbach, Baron von 57, 101 Weißhaupt, Carl 104 Wendelbrick 344 Wern, Wilhelm 227 Widenbauer, Georg 42, 44, 50, 58, 77, 78, 82, 98, 102 Wider, Wilhelm 499, 501, 505, 553, 554 Widnmann, Max von 78 Wiegardt 400 Wiegmann, Marie, geb. Hancke 78, 244, 390 Wiegmann, Rudolf 390 Wielhorski, Matvei 599, 666 – 669, 672 Wild, Frau von 193 Wilhelm II., König der Niederlande 384 Wilhelm I., König von Preußen 148 – 151 Wilhelm I., König von Württemberg 380 Wimpffen, Elisabeth, geb. von Moltke 616 Wimpffen, Gustav Adolf Felix von 616 Wimpffen, Katharina von 616, 619, 666 Wimpffen, Pauline von, verh. von Wimpffen 616, 649, 658, 666, 669, 672 Winckelmann, Johann Joachim 163 Winterhalter, Franz Xaver 244, 358, 384, 387, 388, 405, 654 Witte, Friedrich von 50, 192, 280, 370, 550

830 | 

Anhang

Witthof 70, 103 Wolff, Baron von 488 Wolfram, F. 425 Wolkenstein, Graf 562, 590 Wrede, Carl Philipp von 121 Wrede, Fürstin 598, 620, 639, 648, 653 Wrede, Karl Theodor von 121

Zais, Giuseppe 556 Zeiß, Julie, geb. Herrmann 42, 94, 95 Zimmermann 101 Zimmermann, Clemens von 40, 101 Zoege von Manteuffel, Graf 646, 647 Zoege von Manteuffel, Gräfin 84, 479 Zoller, Karl von 68

Bildnachweis Banco Itaú Collection, São Paulo, Foto  : João L. Musa / Itaú Cultural  : Farbabb. 16. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München  : Farbabb. 2, 3, 6, 18. Andreas Brücklmair, Foto  : Farbabb. 7, 14. Pablo Diener  : Abb. 23. Estnisches Kunstmuseum Tallinn, Foto  : Stanislav Stepashko  : Farbabb. 11, 15, Abb. 19. Familienbesitz Schwarz  : Abb. 1, 3, 4, 15, 17, 20, 21. Christian von Lehsten, Foto  : Farbabb. 17, Abb. 15. Martin und Johan Jägerhorn af Spurila, Foto  : Kevin Beskow  : Farbabb. 8. Christian Mitko, Foto  : Farbabb. 5. Museo Nacional de Bellas Artes, Santiago de Chile, Foto  : E. Die  : Abb. 22. Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie  : Abb. 6. Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde  : Farbabb. 1, Abb. 8. Privatbesitz  : Farbabb. 12, Abb. 11, 14, 24. OÖ Landesmuseum, Schlossmuseum Linz  : Farbabb. 9. Stadtbibliothek Schaffhausen, Foto  : Christina Nicolet Wälchli  : Abb. 12. Tartu Art Museum  : Farbabb. 10, 13, Abb. 2, 5, 7, 10, 13, 16, 18.