Krieg bloggen: Soldatische Kriegsberichterstattung in digitalen Medien [1. Aufl.] 9783839420041

Blogs von Soldaten aus dem Irakkrieg sind Teil bedeutsamer Umstrukturierungen unserer Medienkultur: Soldaten werden zu J

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Krieg bloggen: Soldatische Kriegsberichterstattung in digitalen Medien [1. Aufl.]
 9783839420041

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1. Einleitung
Ein unbeständiger Gegenstand und ein Arbeitsbegriff
Das digitale Medium Blog in der Medienkultur
Vorgehen
Die Arbeit im Rahmen der Milblogforschung
Arbeiten mit digitalen Medien
2. Die Medienspezifik des Blogs
Die Merkmale des Blogs
Die Merkmale des Blogs und die interpersonale Kommunikation
Text im Blog: Das Posting
Der vernetzte Sprecher
Das digitale Medium Blog
Eine analytische Vorgehensweise
3. Milblogs: Ein historischer Überblick
Die Popularisierung von Newsblogs und Personal Blogs
Digitale Kriegsberichterstattung und Augenzeugenberichte aus dem Irakkrieg
Neue Medientechnologien und die Anfänge von Milblogs
Popularisierung und Zensur
Die Netzwerke von Milblogs: Milblogosphäre und Milblogging-Community
Milblogs als Teil des Infowar
Milblogs in der Gegenwart
4. Technolibertäre Newsblogs und der Warrior Citizen Journalist
Instapundit: Ein technolibertärerCitizen Journalist
Newsblogger als Citizen Journalists
Soldaten als Citizen Journalists?
Der Warrior Citizen Journalist
5. LT Smash: Ein Kabinett der Alltäglichkeiten
Drei Blogs: Ein Blogger
The Indepundit: Medienspezifik eines Newsblogs
LT Smash: Medienspezifik eines soldatischen Milblogs
Der Kriegsanfang in LT Smash
Sprecherpositionierung und Kriegsdarstellung in LT Smash
6. My War: Ein Soldat als New Journalist?
My War: Ein Publikumserfolg
Medienspezifik und Einflussfelder in My War
Kriegsdarstellung in My War: Die Postings und deren Kommentare
Die Kommentare: Zwischen politischer Diskussion und Lob
Das Posting Men in Black und dessen Rezeption
Kriegsdarstellung und Sprecherpositionierung in My War
7. 365 and a Wakeup: Orientalistische Kriegsdarstellung im Blog
365 and a Wakeup vor dem Hintergrund journalistischer und propagandistischer Darstellungen des Irakkriegs 2005
Die Medienspezifik von 365 and a Wakeup
Fotografien in 365 and a Wakeup
Kriegsdarstellung in 365 and a Wakeup
Textanalyse einer Posting-Serie: Elections – Part I-IV
Kriegsdarstellung und Sprecherposition in 365 and a Wakeup
8. Tendenzen der Kriegsdarstellung in Blogs
Kriegsdarstellung in Blogs
9. Fazit
10. Blogverzeichnis
11. Literaturverzeichnis
12. Register

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Johanna Roering Krieg bloggen

Johanna Roering (Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Amerikanistik an der Universität Tübingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Neue Medien und die Politik populärer Kulturen.

Johanna Roering

Krieg bloggen Soldatische Kriegsberichterstattung in digitalen Medien

Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich 437 »Kriegserfahrungen, Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit« (Tübingen) entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Johanna Roering Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2004-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Vorwort | 7  1. Einleitung | 9 

Ein unbeständiger Gegenstand und ein Arbeitsbegriff | 14 Das digitale Medium Blog in der Medienkultur | 19 Vorgehen | 26 Die Arbeit im Rahmen der Milblogforschung | 30 Arbeiten mit digitalen Medien | 40  2. Die Medienspezifik des Blogs | 45  Die Merkmale des Blogs | 48 Die Merkmale des Blogs und die interpersonale Kommunikation | 57 Text im Blog: Das Posting | 61 Der vernetzte Sprecher | 65 Das digitale Medium Blog | 70 Eine analytische Vorgehensweise | 72  3. Milblogs: Ein historischer Überblick | 75 Die Popularisierung von Newsblogs und Personal Blogs | 76 Digitale Kriegsberichterstattung und Augenzeugenberichte aus dem Irakkrieg | 80 Neue Medientechnologien und die Anfänge von Milblogs | 84 Popularisierung und Zensur | 88 Die Netzwerke von Milblogs: Milblogosphäre und Milblogging-Community | 96 Milblogs als Teil des Infowar | 102 Milblogs in der Gegenwart | 108 4. Technolibertäre Newsblogs und der Warrior Citizen Journalist | 113 

Instapundit: Ein technolibertärerCitizen Journalist | 116 Newsblogger als Citizen Journalists | 124 Soldaten als Citizen Journalists? | 129 Der Warrior Citizen Journalist | 140  5. LT Smash: Ein Kabinett der Alltäglichkeiten | 149 

Drei Blogs: Ein Blogger | 150 The Indepundit: Medienspezifik eines Newsblogs | 156 LT Smash: Medienspezifik eines soldatischen Milblogs | 161 Der Kriegsanfang in LT Smash | 169 Sprecherpositionierung und Kriegsdarstellung in LT Smash | 178  6. My War: Ein Soldat als New Journalist? | 181  My War: Ein Publikumserfolg | 182 Medienspezifik und Einflussfelder in My War | 185 Kriegsdarstellung in My War: Die Postings und deren Kommentare | 192 Die Kommentare: Zwischen politischer Diskussion und Lob | 201 Das Posting Men in Black und dessen Rezeption | 204 Kriegsdarstellung und Sprecherpositionierung in My War | 216  7. 365 and a Wakeup: Orientalistische Kriegsdarstellung im Blog | 219 

365 and a Wakeup vor dem Hintergrund journalistischer und propagandistischer Darstellungen des Irakkriegs 2005 | 220 Die Medienspezifik von 365 and a Wakeup | 227 Fotografien in 365 and a Wakeup | 230 Kriegsdarstellung in 365 and a Wakeup | 236 Textanalyse einer Posting-Serie: Elections – Part I-IV | 249 Kriegsdarstellung und Sprecherposition in 365 and a Wakeup | 255  8. Tendenzen der Kriegsdarstellung in Blogs | 257  Kriegsdarstellung in Blogs | 264  9. Fazit | 267   10. Blogverzeichnis | 273  11. Literaturverzeichnis | 277   12. Register | 299 

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Vorwort

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war geprägt von der rasanten Popularisierung digitaler Medien und dem einhergehenden Wandel der von Print und Fernsehen dominierten Medienlandschaft. Auch die Kriege, die in diesem Jahrzehnt stattfanden, waren in Bezug auf Kriegsführung, Kriegsberichterstattung und soldatischer Kriegserfahrung in diese Umwandlungen eingebunden. Der Blog ist ein zentrales Medium dieser Digitalisierung und war in den ersten Kriegen, die die USA in diesem Jahrhundert führte, Teil sowohl der interpersonalen als auch der berichterstattenden Kommunikation. Dieses Buch erforscht die Wechselwirkungen zwischen dem Medienereignis Irakkrieg und dem digitalen Medium Blog. Soldatische Blogs aus dem Irakkrieg bieten dafür ein besonders anregendes Fallbeispiel. Milblogs wurden zu Anfang dieser Forschungsarbeit 2006 hauptsächlich als alternative Kriegsberichterstattung rezipiert. Schnell wurde jedoch deutlich, dass in der textanalytischen Journalismusforschung etablierte Kategorien das Phänomen nicht alleine erschließen würden. Das vorliegende Buch ergänzt daher solch eine textanalytische Perspektive um für digitale Medien zentrale Kategorien wie Konvergenz, interpersonale Kommunikation und Netzwerk und integriert diese in die Analyse der Kriegsdarstellung. Dadurch konnte Einsicht in ein betriebsames, Teilhabe einforderndes Geflecht von militärischen Sprechern gewonnen werden, die in den Chor der um Deutungsmacht, Glaubwürdigkeit und ökonomischen Erfolg ringenden Teilnehmer am Medienereignis mit einstimmten. Manchmal schafften sie es, auch dem vielstimmigen Chor einen etwas anderen Klang zu verleihen. Der vorliegende Text ist im Wintersemester 2011/12 von der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen als Dissertation angenommen

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ȱ worden. Das Manuskript wurde für den Druck überarbeitet. Die Arbeit wurde von einem Stipendium der Landesgraduiertenstiftung Baden-Württemberg ermöglicht. Zur Erlangung dieses Stipendiums haben maßgeblich das Gutachten und die freundliche Unterstützung von Professor Dr. Gottfried Korff beigetragen. Dank der Assoziation mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich 437 Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit konnte ich meine Gedanken im interdisziplinären Austausch entwickeln und auf einer Forschungsreise unverzichtbare Interviews und Rechercheergebnisse einholen. Zudem stellte mir der Tübinger SFB großzügig ein Büro und einen Publikationszuschuss zur Verfügung. Frau Gertrud Bentele hat mich in diesem Rahmen stets freundlich unterstützt. Meinem Doktorvater Professor Dr. Horst Tonn möchte ich dafür danken, dass er mir die Gelegenheit gab, dieses ertragreiche Thema zu bearbeiten und es mir von Anfang an ermöglichte, mich sowohl in die Forschungsgemeinschaft als auch in die Lehre und den universitären Alltag einzufinden. Ich bedanke mich bei Professor Dr. Astrid Franke für die Übernahme des Zweitgutachtens und bei Professor Dr. Ingrid Hotz-Davies für die freundliche und ermutigende Unterstützung. Dr. Ellen Dengel-Janic hat nicht nur bereitwillig meine Arbeit gelesen, sondern mir auch den Einstieg in die Welt der Konferenzen und Forschung freundlich gestaltet. Nicht nur der Ausdruck und die Grammatik, sondern auch die Inhalte dieser Arbeit profitierten von dem Austausch mit Stephanie Schmitt, Janina Strötgen, Sebastian Duda, Florence Schnitzler und Lukas Hoffmann. Auch möchte ich von Herzen meinen Eltern Douglas und Sigrid Roering danken, die mir eine hervorragende Ausbildung und ein sorgenfreies Studium ermöglicht haben. Sie haben gemeinsam das Fundament in mir gelegt für den zugewandten, aber auch kritischen Blick auf die Welt, der es erst verlockend macht, sie verstehen zu wollen. Meiner Schwester Anne und meinen Freunden sei dafür gedankt, dass ich diesen und noch viel mehr mit ihnen gemeinsam ausprobieren konnte. Zuletzt sei Nils Löber gedankt, der diese Arbeit und ihren Entstehungsprozess am intensivsten begleitet hat, von Theoriediskussion und Formatierung bis zu liebevollem Beistand in unsicheren Zeiten. Ich finde, wir sind bereit für das nächste Großprojekt!

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1. Einleitung

Im Juni 2004 veröffentlichte das TIME Magazine einen Artikel über das vielversprechende neue Phänomen Blogs und betonte deren Originalität und Informationswert (Grossman und Hamilton 36). Als gewinnbringendes Beispiel wurde auch Just Another Soldier besprochen, der Blog eines amerikanischen Soldaten im Irak. Der Blogger, Jason Christopher Hartley, reagierte noch am gleichen Tag und begrüßte neue Leser mit folgenden Worten: If you want news about Iraq, congratulations, you’ve come to the wrong fucking place! If you are distrustful of the media and want to know exactly what’s going on in Iraq, you’ll have to pray for divine enlightenment, because only god knows what the hell is going on over here! (Hartley 2005:113)

Hartley wehrte sich mit diesem Kommentar gegen die Einschätzung der Zeitschrift, dass er eine besondere Nähe zum Ereignis liefern könne und verneint epistemologisch die Möglichkeit, überhaupt Informationen liefern zu können. Im nächsten Absatz stellte er klar, was ein Military Blog seiner Meinung nach leisten kann: „However, if you want to know how it feels to be a soldier in Iraq, to hear something honest and raw – that I can help you with. There is so much to discuss! Urban warfare tactics! Killing civilians! MASTURBATION“ (Hartley 2005:113). Statt zuverlässiger Information über den Irak verspricht er unverfälschte und skandalöse Intimberichte eines Soldaten. Zum Zeitpunkt der Besprechung im TIME Magazine wurde Just Another Soldier bereits über ein Jahr betrieben: Jason Christopher Hartley hatte seinen Blog kurz nach der Mobilisierung seiner Infanterieeinheit im September 2003 mit dem Eintrag Ground Zero eröffnet (18.9.2003). Nach

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dieser verheißungsvollen Eröffnung schildert Hartley die Vorbereitungen auf den Einsatz im Irak: Abseits der üblichen Erzählungen über Heldentum und Opferbereitschaft zeichnet er ein Bild seiner Einheit als mutige, aber recht chaotische Gruppe von Männern, denen außer Kampf und Sex nicht besonders viel zuzutrauen ist. Lobreden über Waffen vermischen sich mit Ausführungen über Homoerotik in der Infanterie zu einer satirischen Darstellung des soldatischen Alltags im Irak (Hartley 2005:25). Noch bevor die Einheit den Irak erreichte, erfuhr Hartleys Vorgesetzter von dem Blog und forderte ihn auf, sämtliche Inhalte aus dem Netz zu nehmen, da der Blog die Operational Security (OPSEC)1 verletze und die Einheit diskreditiere (Hartley 2005:55). Hartley wechselte daraufhin zu einem nicht öffentlichen Blogformat, entschied sich aber kurz vor dem Ende seiner Stationierung im Dezember 2004, seinen Blog wieder allgemein zugänglich zu machen. Die neuen Einträge verbreiteten sich schnell und Just Another Soldier wurde in den Netzwerken der am Irakkrieg interessierten Blogger bekannt. Kurz darauf stellten ihn seine Vorgesetzten unter Hausarrest. Nach der Rückkehr in die USA musste er sich wegen Missachtung eines Befehls und Verstößen gegen die Operational Security vor einem Militärtribunal verantworten (Hartley 2005:295/315). Die Anhörung und Bestrafung durch den Artikel 15 des Militärgesetzbuchs führte zu einer Geldstrafe und mehrrangigen Degradierung (Gross 2005). Sie erregte aber auch die Aufmerksamkeit der amerikanischen Medien, die Hartleys Erfahrungen wiederholt verwerteten. Die amüsanten und zugleich brisanten Inhalte und deren Zensur boten den etablierten Medien einen guten Anlass, das unentdeckte und zugleich kontroverse Phänomen Milblog zu diskutieren.2 Wahrscheinlich auch aufgrund der Rezeption in verschiedenen Radio- und Printmedien wurde Just Another Soldier schließlich 2005 als Buch veröffentlicht. In dem Buch ist Hartley darum bemüht, die Unhaltbarkeit der Vorwürfe seiner Vorgesetzten zu beweisen und seine Vorsicht und Loyalität zu betonen. Er zeigt jedoch auch die Grenzen seiner Verteidigung auf: „Given

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Der sperrige und nicht gebräuchliche deutsche Begriff Operationelle Sicherheit wird in dieser Arbeit durch den englischen Begriff Operational Security und dessen Abkürzung OPSEC ersetzt.

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Vgl. (2009; Claburn 2005; Gross 2005).

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that I was an infantryman in a combat zone being counseled by one of my superiors, I found it not only absurd but physically impossible to utter any sentence that might contain the words ‚freedom of expression‘ in defense of my actions“ (Hartley 2005:299). Die Zensur wird nicht ausschließlich als repressiver Akt, sondern auch als ein Resultat der widersprüchlichen Rollen des Bloggers, der zugleich Soldat und öffentlicher Berichterstatter ist, thematisiert. Die Geschichte des Milblogs Just Another Soldier erlaubt es, erste Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Phänomen Milblog zu machen: Bemerkenswert sind die Reaktion des Bloggers auf die Rezeption durch einen etablierten Medienanbieter, die Verneinung der Nachrichtenfunktion des Blogs durch den Blogger, das Alternativangebot einer intimen Perspektive auf den Krieg und die Thematisierung der prekären Rolle des schreibenden Soldaten. Zwar wird der Milblog in der Kriegsberichterstattung des Irakkriegs verortet, doch scheint der Blogger eine ganz neue Perspektive bieten zu wollen, die weder an die Qualitätskriterien journalistischer Berichterstattung noch an ein klassisches Rollenverständnis des Soldaten gebunden ist. Abstrahiert man diese Beobachtungen, wird die Eingebundenheit der Analyse des Phänomens Milblog in aktuelle kriegsmedienwissenschaftliche Fragestellungen deutlich: Eröffnen Milblogs als Medium der digitalen Kriegsberichterstattung eine neue Perspektive auf Krieg? Kann diese eine Alternative zu der von Kritikern wie Paul Virillio oder James DerDerian häufig als ungenügend wahrgenommene, professionelle Kriegsberichterstattung bieten? Sind Blogs die Vorboten einer neuen, partizipativen Medienkultur, in der Amateure sich genauso an einer journalistischen Berichterstattung beteiligen können wie Professionelle? Könnte die verbreitete Rezeption solcher digitalen Medien gar die ökonomischen Logiken des Nachrichtenfernsehens unterwandern? Oder macht uns die Kriegsberichterstattung in Milblogs schlicht darauf aufmerksam, dass mit der Popularisierung interaktiver Medien die Wirkungsfähigkeiten propagandistischer Kommunikationsinteressen weiterhin zugenommen haben? Die Untersuchung von Milblogs stellt uns also vor eine Reihe von Fragen, deren Erforschung erstens ein neues Medienphänomen erschließen und zweitens zur Erörterung von Fragen zur Medialisierung von Krieg und zur Veränderung unserer Medienkultur durch digitale Medien beitragen kann. Dieses Phänomen wurde jedoch wissenschaftlich noch kaum behandelt. Die

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bisher erschienenen Veröffentlichungen fokussieren zudem stark auf die kriegskritischen Potentiale von Milblogs und übergehen dabei Fragen nach der Beschaffenheit und Ordnung von Milblogs. Da bisher keine systematische Untersuchung von Milblogs vorliegt, ist es das Ziel dieser Arbeit, Milblogs deskriptiv und analytisch zu erschließen. Dieses Ziel wird über die diachrone und synchrone Beschreibung der Geschichte und Beschaffenheit von Milblogs und über eine Analyse der Eigenschaften einer milblogspezifischen Kriegsdarstellung und der Positionierungen von Milblogs in Bezug zu anderen kriegsbericht-erstattenden Medien des Medienereignisses Irakkrieg erreicht. Die Analyse der Kriegsdarstellung und der Positionierung im Medienereignis können durch die ineinandergreifende Bearbeitung dieser beiden Fragestellungen zudem miteinander in Beziehung gesetzt werden: beispielsweise wird Just Another Soldier in den Leserkommentaren gerade aufgrund der Verweigerung der Nachrichtenfunktion als lebensechtes Korrektiv der etablierten Medien rezipiert. Ein gegenüber etablierten Medien skeptisches Publikum schreibt der blogspezifischen Darstellung einen hohen Grad an Autorität zu.3 Indem Darstellungsverfahren in ein hierarchisiertes Medienereignis eingeordnet werden, kann die vorliegende Arbeit nicht nur Milblogs und deren Verortung im Medienereignis analysieren, sondern zudem Aushandlungsprozesse um Deutungshoheiten in der Repräsentation von Krieg im Milblog aufzeigen. Diese Arbeit leistet damit die erste ausführliche und systematische Erschließung des Phänomens Milblogs; Ausgangspunkt sind soldatische Milblogs aus dem Irak. Dazu werden folgende Vorannahmen gemacht: Blogs sind erstens dem Feld der Medien zuzuordnen und existieren als Teil medialisierter Kommunikationsprozesse, die konstitutiv für eine zeitgenössische Medienkultur sind. Zweitens prägen die medienspezifischen Merkmale des Blogs die Darstellung und die Beschaffenheit der Kommunikationsprozesse, in die Milblogs eingebunden sind. Obwohl Blogs noch im Entstehen begriffen werden, kann daher auf Basis der strukturellen Merkmale des Mediums und bereits etablierter Nutzungsweisen eine Medienspezifik bestimmt werden. Drittens verändert sich die zeitgenössische Medienkultur, die von

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Siehe dazu beispielsweise die Leserkommentare zu dem Eintrag I Heart Dead Civillians (24.4.2004).

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zentralisierten Medienanbietern und deren Produkten dominiert wird, durch die Digitalisierung von Kommunikation und Information und es kann eine multidimensionale Konvergenz beobachtet werden. Es ist jedoch von einer prozesshaften Veränderung und Konvergenz zu sprechen, da beispielsweise etablierte Medien in digitalen Formaten weiterbestehen und große Medienanbieter auch im digitalen Informations- und Kommunikationsmarkt dominieren (Jenkins 2006:8). Die Erschließung des Phänomens Milblog geschieht weiterhin unter Annahme der folgender Hypothesen: Ein Milblog wie Just Another Soldier von Jason Christopher Hartley ist eine durch den Sprecher und den Inhalt gekennzeichnete Untergruppe des noch im Entstehen begriffenen digitalen Mediums Blog. Milblogs sind im spezifischen Zusammenhang der digitalen Kriegsberichterstattung entstanden und Teil einer prozesshaften, sich verändernden Medienkultur. Die für Milblogs relevanten Veränderungen sind multidimensionale Konvergenzen, beispielsweise von Technologien, Medien und Gattungen. Auch durch diese Konvergenzen bedingt, kann die Entstehung von neuen Sprecherpositionen im Feld der Kriegskommunikation beobachtet werden. Da es sich aber um eine prozesshafte Veränderung handelt, sind für die Milblog-Analyse auch etablierte Zeitungen oder Fernsehsender als bedeutsame Bestandteile der Medienkultur heranzuziehen. Die Medienspezifik des Blogs ist maßgeblich durch die Organisation von Blogs in Netzwerken und durch den dominanten Blog-Sprecher charakterisiert. Die Kommunikationsprozesse werden durch die Interaktivität des Blogs, die Verortung in einem hierarchisch-organisierten Netzwerk und durch die strategischen Kommunikationsinteressen der kriegsbefürwortenden Milblogger geprägt. Die Kriegsdarstellung in Milblogs weist eine Grenzauflösung zwischen einzelnen Gattungen, Medien und Sprechern auf. Diese verschiedenen Formate und Stimmen werden jedoch stets durch die Ich-Perspektive des Blog-Sprechers vermittelt und von dessen Selbstdarstellung dominiert. Zugleich kann die Integration vielfältiger Darstellungsverfahren verwandter medienkultureller Texte beobachtet werden. Gerade die freimütige Verbindung von etablierten und blogspezifischen Darstellungsverfahren charakterisiert die Repräsentation im Blog. Ferner möchte ich postulieren, dass Milblogs nicht die Hoffnungen auf eine aufklärende und kritische Perspektive in der Kriegsberichterstattung erfüllen können. Im Gegenteil: Es lässt sich eine gelungene Integration von Milblogs in ein von strategischen Darstellungen und machtpolitischen

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Kommunikationsinteressen geleitetes Feld beobachten. Wenn Milblogs eine kriegskritische Wirkung aufweisen, dann eher unbeabsichtigt. Durch die Erweiterung der kommunikativen Funktionen des Blogs und durch die Integration in ein Netzwerk, ergänzen Milblogs die aktuelle Kriegsberichterstattung um eine Perspektive, die den Leser im Gegensatz zu der auf Ereignishaftigkeit ausgerichteten journalistischen Kriegsberichterstattung auf die unaufgeregte Alltäglichkeit von Verletzung und Sterben im Militär und auf die Langzeitwirkungen eines Kriegseinsatzes aufmerksam macht. In den folgenden Kapiteln sollen nun die obigen Hypothesen belegt und in größerer Komplexität dargelegt werden. Als erster Schritt müssen die oben bereits verwendeten Begriffe und analytischen Kategorien spezifiziert und das methodische Vorgehen begründet und erklärt werden. An die Begriffsklärung anschließend werden die übergeordneten Kategorien digitales Medium, Medienereignis, Medienkultur und Kriegsdarstellung erläutert. Weiterhin wird in Kapitel 3 zur Beschaffenheit und Entstehung von Milblogs die Popularisierung von Blogs im Rahmen des Medienereignisses Irakkrieg dargelegt und in Kapitel 2 die Medienspezifik des Blogs erarbeitet. Die Hypothesen werden auch kapitelübergreifend anhand mehrerer Milblog-Beispiele (Kapitel 4-7) und aus verschiedenen Beobachtungsperspektiven belegt werden. In den beiden Schlusskapiteln können die Thesen dieser Arbeit abschließend präsentiert werden.

E IN

UNBESTÄNDIGER G EGENSTAND UND EIN ARBEITSBEGRIFF Da sich die meisten Blogs im technischen Aufbau ähneln, werden sie diskursintern hauptsächlich über die Zugehörigkeit des Bloggers zu einem Netzwerk (siehe dazu Kapitel 2) und durch den thematischen Schwerpunkt definiert. Auch die Zuordnung einzelner Blogs und die Begriffsfindung für thematische und personenbezogene Gruppen oder Untergruppen finden vorwiegend innerhalb der Netzwerke selbst statt.4 Das heißt, Blogs werden

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Ein Beispiel ist der Blog Argghhhh!, der vom Blogger und von der Archivierungsseite Milblogging.com als Milblog identifiziert wird, dessen Verfasser aber momentan nicht beruflich mit dem Militär verbunden ist, als politischer Berater

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vor allem im Gebrauch benannt und die Bezeichnungen stimmen oft nicht überein, was zu einer Ansammlung unterschiedlicher Begriffe für ähnliche Phänomene führt. Daher werden im Folgenden erstens die unterschiedlichen diskursinternen Verwendungsweisen und zweitens der Arbeitsbegriff und das Untersuchungsgebiet vorgestellt. Für ein gutes Textverständnis ist es notwendig, die alternativen Begriffe und verwandten Gruppen zu kennen. Für die analytischen Zwecke dieser Arbeit reicht es jedoch zu einem Arbeitsbegriff für Milblog zu kommen, präzise den Gegenstand zu benennen und in das Umfeld der Blogs, die sich mit Krieg beschäftigen, einzuordnen. Der Begriff Milblog kann nahezu jeden in Verbindung mit dem Militär stehenden Blog bezeichnen5 und wird sowohl von Online- und Printmedien als auch von Bloggern häufig verwendet, um soldatische Blogs aus Kriegsgebieten zu kennzeichnen.6 Zusätzlich kann der Begriff auch Blogs von Veteranen, militärischen Beratern und Familienmitgliedern von Soldaten kennzeichnen. Die Mudville Gazette, deren Verfasser Greyhawk ein in Deutschland stationierter Air Force-Soldat ist, beschäftigt sich fast ausschließlich mit US-Politik. Der Blog der Soldier’s Angels hingegen wird von Frauen geschrieben, die den Kontakt mit US-Soldaten pflegen. Hier geht es um deren Bemühungen, die Soldaten zu unterstützen; Politik oder Militärisches spielen kaum eine Rolle.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ für einen Kongressabgeordneten und als Waffenexperte aber wichtiges Fachwissen beisteuern kann. 5

Der etwas weitere und neutralere Begriff Blogs of War, der oftmals synonym mit der Bezeichnung Milblog verwandt wird, kennzeichnet Blogs, die durch den Aufenthalt des Bloggers − sei er oder sie nun Zivilist, Soldat oder Journalist − in einem Kriegsgebiet identifiziert werden. Dieser Begriff ist vor allem von der Veröffentlichung Blogs of War geprägt (Burden 2006). Blogs von in Kriegsgebieten stationierten Soldaten werden noch Soldier’s Blogs oder Combat Blogs genannt. Um die unterschiedlichen Verwendungen und Meinungen zu den Definitionen nachzuvollziehen, bietet sich ein Blick auf die Editierungsverläufe in der englischsprachigen Wikipedia an.

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Siehe dazu zum Beispiel die Webseite www.milblogging.com oder den Artikel A Brief History of Milblogs (Mudville Gazette: 11.11.2005).

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Diese Blogs mit militärischem Fokus waren während des Medienereignisses Irakkrieg in ein weiteres Feld von Blogs, die sich mit dem Irakkrieg beschäftigten, einzuordnen: Newsblogs – Blogs, deren Fokus auf dem Zusammentragen und Kommentieren tagesaktueller Nachrichten liegt – waren 2002 und 2003 die bekanntesten und einflussreichsten Blogs. Der Begriff Warblog entstand in Vorbereitung auf den Irakkrieg, um eine intensive Beschäftigung solcher Newsblogs mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan zu benennen. Eins der bekannteren Beispiele ist The Command Post, der zu Beginn des Irakkriegs als kollaborativer Newsblog mit dem Anspruch des partizipativen Journalismus, genauer: des Citizen Journalism (siehe Kapitel 4), gegründet wurde und über die neuesten Entwicklungen zum Thema Irakkrieg postete.7 Mit der zunehmenden Dauer beider Kriege nahm auch deren Dominanz in den Nachrichtenmeldungen ab und viele der Warblogs wandten sich neuen Themen zu: Anfang des Jahres 2008 beschäftigten sich ehemalige Warblogs wie Little Green Footballs hauptsächlich mit dem Präsidentschaftswahlkampf; die Bezeichnung Warblog wurde dem Überbegriff Newsblogs wieder untergeordnet.8 Die obige Darstellung der unterschiedlichen Verwendungsweisen der Begriffe verdeutlicht die Notwendigkeit, zu einem klaren Arbeitsbegriff und einer Eingrenzung des Gegenstandes zu kommen. Da sich Blogs allgemein strukturell stark ähneln, können Milblogs jedoch nicht über formale Kriterien definiert werden, sondern müssen über die Situation und Identität des Sprechers, über den Inhalt und über die Netzwerke des Blog bestimmt werden: Milblogs sind Blogs, die sich militärischen Themen widmen und deren Sprecher sich als dem Militär zugehörig identifizieren. Milblogs sind

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Das Verb posten wird aus dem Englischen übernommen, um das Verfahren zu kennzeichnen, in dem ein neuer Eintrag in einem Blog oder einem Forum veröffentlicht wird. Obwohl solch ein Anglizismus in einem deutschen Fließtext holprig wirkt, ist dies doch eine gängige Bezeichnung, deren Verwendung nützlicher ist, als eine ebenso holprige deutsche Konstruktion. Zudem würde sich der Sinn des Geschriebenen bei einer Übersetzung des Verbs posten zum Beispiel zu veröffentlichen oder ins Netz stellen verändern. Das Gleiche gilt für die Anglizismen linken und online.

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Der Begriff Newsblog ist nicht politisch aufgeladen, ganz im Gegenteil zu Warblogs, die oft als konservativ und kriegsbefürwortend betrachtet werden.

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überwiegend Teil der Milblogosphäre, einem sozialen Netzwerk untereinander verlinkter Blogs, deren Blogger sich als dem Militär auf unterschiedliche Arten zugehörig identifizieren und das der interpersonalen und journalistischen Kommunikation über militärnahe Themen dient. Die zwei größten Gruppen von Milblogs sind Newsmilblogs, die als Blogs, die sich aus einer militärischen Perspektive mit politischem Tagesgeschehen beschäftigen, definiert werden und soldatische Milblogs aus einem Kriegsgebiet. Der Begriff soldatische Milblogs ist nicht tautologisch, da die Milblogosphäre aus verschiedenen militärnahen aber nicht unbedingt militärzugehörigen Sprechern besteht. Soldatische Milblogs bezeichnet die Gruppe der Milblogs, deren Sprecher sich als aktive Soldaten identifizieren. Soldatische Milblogs aus einem Kriegsgebiet benennt die Gruppe von Milblogs, deren Sprecher sich als aktive Soldaten im Einsatz in einem Kriegs- oder Krisengebiet kennzeichnen. Amerikanische soldatische Milblogs aus dem Irakkrieg und die Milblogosphäre, in der sie verortet sind, sind der Gegenstand dieser Arbeit.9 Zwar wird in dem historischen und in dem das Netzwerk charakterisierenden Kapitel die amerikanische Milblogosphäre als Ganzes betrachtet, für die Zwe-

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Das Auswahlkriterium der Kriegsteilnahme ist nicht unproblematisch, denn es spiegelt eine Fokussierung auf kriegerische Kampfhandlungen in den Nachrichtenmedien und in den Blogs selbst wieder, die durchaus kritisch zu betrachten ist: Der Krieg dient Bloggern, Journalisten und Wissenschaftlern nicht nur als Material, sondern auch als Motor für Darstellungen und Untersuchungen. Die Reproduktion dieses Fokus auf Kampfhandlungen kann durch eine Auswahl von Milblogs, die sich nicht nur auf Gefecht oder Frontdarstellungen konzentrieren, sondern auch Kriegsalltag oder die Gefühlslage des Bloggers zum Thema haben, abgeschwächt werden. Auch der Fokus auf Blogs von amerikanischen Soldaten aus dem Irakkrieg bedingt einige Auslassungen: Es werden keine Blogs von britischen oder australischen Bloggern behandelt. Die Perspektive der Zivilisten, also auch die der irakischen Zivilisten, wird nur stellenweise erwähnt aber nicht systematisch reflektiert und letztlich fallen die professionellen Berichterstatter nicht in den Bereich der Arbeit. Letztlich werden ausschließlich Blogs untersucht und keine verwandten Formen wie LiveJournal oder aber Blogs, die in andere neue Medien integriert werden, wie ein Blog auf einer MySpace-Seite.

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cke der Einzelanalysen muss dieser Gegenstand jedoch noch stärker eingegrenzt werden. Aufgrund der Vielfältigkeit und stetigen Veränderung des Gegenstandes kann keine repräsentative Auswahl geleistet werden, doch wurde versucht in den Einzelanalysen eine für die Bandbreite unterschiedlicher Milblogs charakteristische Auswahl zu treffen: Als erster Schritt der Eingrenzung des Korpus dieser Arbeit wurde der Verlauf des Kriegs nachvollzogen, angefangen mit den Vorbereitungen in Kuwait Ende 2002 bis zur Parlamentswahl 2005. Der Krieg hat in diesen Jahren entscheidende Entwicklungen durchgemacht, die sich in den Texten widerspiegeln. Die Popularität der Milblogs, also ihr Bekanntheitsgrad, die Leserzahlen und die Besprechungen in etablierten Medienanbietern, sind ein weiteres Auswahlkriterium: Die untersuchten Milblogs sollten eine gewisse Popularität aufweisen,10 denn die Möglichkeit, ohne Kosten einen Blog zu eröffnen, begünstigt ein gewisses Maß an vorzeitig abgebrochenen oder obskuren Projekten. In dieser ersten, groß angelegten Studie geht es darum, den Mainstream der Milblogs zu bestimmen und unter den Bekanntesten chronologisch eine Auswahl zu treffen. Letztlich wurde eine Auswahl für die Einzelanalysen getroffen, die die Dimensionen und Grenzen der gesamten Milblogosphäre zumindest andeuten kann. Im Folgenden sollen die übergreifenden theoretischen Kategorien, die dieser Arbeit zugrunde liegen, erörtert werden: So können der theoretische Horizont, mit dem Milblogs erarbeitet werden, offen gelegt und die Kategorien für das analytische Vorgehen präzisiert werden.

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D AS

DIGITALE

M EDIUM B LOG IN

DER

M EDIENKULTUR

Der Milblog wird in dieser Arbeit als digitales Medium konzipiert.11 Der Begriff Medium benennt eine systematisierbare Einheit, die dadurch gekennzeichnet ist, Vermittlungsinstanz in einem Kommunikationsprozess zu sein und Botschaften nicht nur zu vermitteln, sondern auch zu speichern. Dieser Einheit muss die kommunikationstechnische Funktion als Mittler zugesprochen werden und ihre Position als Dazwischen betont werden, welches das Übermittelte durch die Potentiale und Fähigkeiten des Mediums prägt (Roesler 2005:153). Zudem ist diese Einheit in Produktions-, Distributions- und Rezeptionsverfahren eingebunden. Medien sind über ihre spezifischen technologischen Eigenschaften als Träger und Vermittler hinaus, als eine systematisierbare Einheit begreifbar, die auch durch die Spezifik der Produktion, Distribution und Rezeption gekennzeichnet ist: Medien „gewinnen ihren Status als besonderes, d.h. systematisierbares Objekt gerade dadurch, dass sie das was sie speichern und vermitteln, jeweils unter Bedingungen stellen, die sie selbst schaffen und sind“ (Vogl

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11 In vielen frühen Blogstudien vor allem der Kommunikationswissenschaft wurden Blogs als kommunikative Gattung definiert: Susan Herring, Lois Scheidt und andere Vertreter des Gattungsansatzes der University of Indiana betrachten Blogs als eine im Entstehen begriffene Gattung, deren Vorläufer sowohl die persönliche Webseite als auch der Chat sind (Herring u.a. 2005). In der Literaturwissenschaft hält sich die gattungstheoretische Klassifizierung des Blogs als Tagebuchnachfolger bis heute hartnäckig. Der in diesem Rahmen häufig vorgenommene Vergleich von offline und online Tagebüchern kann wertvolle Einblicke beispielsweise in das Verhältnis von impliziten Lesern und Text geben oder auch die Marginalisierung von der zahlenmäßig viel größeren Gruppe von Personal Blogs im Vergleich zu Newsblogs erklären (Lejeune 2009; O'Sullivan 2005; Serfaty 2004b). Neben diesen wichtigen Hinweisen ist die Theoretisierung von Blogs als Übersetzung eines Offlinegenres und als Weiterentwicklung des Tagebuchs nur sehr eingeschränkt auf bestimmte Untergruppen von Blogs, also Personal Blogs ohne Kommentarfunktion und Blogroll, haltbar. Produktiver sind Ansätze, die in digitalen Medien Remediationen von Vorgängermedien unter den Bedingungen zum Beispiel des Internets sehen (Bolter und Grusin 2000).

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2002:140). Die Frage nach Bedingungen, wie der Blog speichert und vermittelt, gilt es im Verlaufe dieser Arbeit zu ergründen.12 Blogs können zudem produktiv als digitale Medien verstanden werden. Julie Rettberg argumentiert: Scholars have suggested that, rather than looking at the Internet as a single medium, it makes more sense to consider different authoring software as providing different media (Ryan 2005). A game made in Flash is thus using a different medium, with different constraints and affordances, from a video edited in iMovie and uploaded to YouTube. […] Within the medium of blogs, you might then identify different genres and sub-genres, such as the diary-style blog, the filter blog or the political blog. (Rettberg 2008:20)

Blogs werden dementsprechend in dieser Arbeit als digitale Medien13 konzipiert (siehe dazu unter anderem (boyd 2006; Nardi, Schiano und Gumbrecht 2004; Schmidt 2006; Schönberger 2006). Milblogs werden als Untergruppe dieses digitalen Mediums betrachtet. Digitale Medien kennzeichnen sich durch die Verfasstheit aller Daten im binären Code und damit in der gleichen symbolischen, mathematischen Sprache: Ein Blog ist eine Software, die eine spezifische Vermittlung ermöglicht. Er existiert in einer Datenbank, die eine spezifische Speicherung zulässt. Die Übertragungstechnologien sind die Protokolle des Internets, das wiederum aus einem dezentralen Netzwerk von Computern besteht. Sowohl der Computer, als auch das Internet können in erster Linie als kommunikative Infrastruktur verstanden werden, die als Infrastruktur für

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12 Diese Betrachtung misst ihnen eine konstitutive Rolle in der Ausgestaltung gesellschaftlicher Wirklichkeiten zu. Medientechnologien sind selbst jedoch auch sozial konstituiert und nicht außersozial determiniert. In einem sinngenerierenden Kreislauf stellt diese sozial konstituierte Einheit also Bedeutung her und speist sich wiederum in eine wirklichkeitskonstituierende Medienkultur ein. 13 Der Begriff digitale Medien wird häufig synonym mit der Bezeichnung Medien der computervermittelten Kommunikation verwendet. Susan Herring definiert diese folgendermaßen: „Computer-mediated Communication (CMC) is communication that takes place between human beings via the instrumentality of computers“ (Herring 1996).

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verschiedene „Vermittlungs- und Speichertechniken“ȱ dienen (Burkart 2004:45). In der Konzeptionalisierung von Blogs als Medien wird demnach den Eigenschaften dieser Infrastruktur eine besondere Prägkraft zugewiesen und es wird stets gefragt: Wie treten die Eigenschaften des Internets, dessen Hypertextnetzwerk World Wide Web und des Computers in der Medienspezifik des Blogs auf? Die Debatten um die Bedeutung des Computers14 und des Internets für die Medienspezifik von Blogs werden in die Untersuchung miteinbezogen, aber nicht losgelöst von Blogs diskutiert (siehe das Unterkapitel Das digitale Medium Blog). Die digitalen Medien Blogs sind Teil von Kommunikationsprozessen: Sie können als eine Instanz betrachtet werden, über die Kommunikationspartner in einem Kommunikationsprozess Austausch betreiben (Burkart 2004:35).15 Milblogs können beispielsweise dem interpersonalen Austausch zwischen Familienmitgliedern dienen. Sie sind in einen multimedialen Kommunikationsprozess zwischen Soldat und Eltern eingegliedert. Kommunikationsprozesse können als „wechselseitig stattfindende Prozess[e] der Bedeutungsvermittlung“ (Burkart 2004:32) konzeptionalisiert werden. Diese Bedeutung wird im Blog über multimediale, symbolische Zeichensysteme vermittelt (Burkart 2004:56). Der Erfolg eines Kommunikationsprozesses ist davon abhängig, dass die Teilnehmer auf eine geteilte Bedeutung zurückgreifen, die den Vollzug der Kommunikation überhaupt erst möglich

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14 Auch der Computer an sich wird als Medium konzeptionalisiert: das bekannteste Beispiel ist wahrscheinlich Sherry Turkle, deren psychoanalytisches Herangehen an den Computer als fragmentierende postmoderne Instanz eine der ersten bekannten Theoretisierungen nach dem Internetboom war und vielfach aufgegriffen und differenziert wurde (Turkle 1995). Neben der Kommunikationswissenschaft, die sich vor allem auf computervermittelte Kommunikation konzentrierte und den Computer dabei als Kommunikationsmittel sieht, geriet durch Turkle der Bildschirm als vermittelnde Instanz in den Blick und wurde zum Beispiel von Viviane Serfaty (2004a) für die Blogdiskussion nutzbar gemacht. 15 Kommunikation wird grundlegend als eine Form sozialer Handlung bestimmt. Eine Handlung wird dadurch sozial, dass sie sinnorientiert ist, womit auch jede kommunikative Handlung als eine intentionale Handlung begriffen wird. Aus einer kommunikativen Handlung lassen sich dementsprechend Kommunikationsinteressen ableiten (Burkart 2004:28).

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macht. Kommunikationsprozesse sind daher zudem symbolisch vermittelte und konventionalisierte, wechselseitig stattfindende Prozesse der Bedeutungsvermittlung (Burkart 2004:46). Begreift man Medien als Teil eines Kommunikationsprozesses, ergänzt dies die Frage nach dem wie der Vermittlung um die Fragen, was vermittelt wird und welche Funktion das Vermittelte in einem übergeordneten Kommunikationsprozess hat. Die Frage nach medienspezifischer Repräsentation wird um pragmatische Fragestellungen ergänzt, die unsere Aufmerksamkeit auf die „Handlungsdimension von Sprache“ (Berns 2004:618) lenken. Wie Ute Berns betont, können durch solch eine Perspektive die „dialogischen, institutionalisierten oder interventionistischen Dimensionen“ von Texten untersucht werden (Berns 2004:619). In dieser Arbeit wird diese Dimension von Texten durch die Kategorie Sprecher zugänglich gemacht und untersucht. Der Sprecher wird als Instanz im Text verstanden, anhand dessen kommunikative Handlungen und Kommunikationsinteressen abgeleitet werden können. Dadurch können die interventionistischen oder strategischen Funktionen von Milblogs erfragt werden. Die Kommunikationsinteressen einzelner Milblog-Sprecher sind – für die Zwecke dieser Arbeit – nicht auf die Subjektivität außermedialer Akteure, sondern auf kommunikative Handlungen in konventionalisierten Kommunikationsprozessen zurückzuführen.16 Der Begriff Sprecherfigur beschreibt eine komplexe, medien- und medienereignisspezifische Bündelung solcher Kommunikationsinteressen, die als eine spezifische Perspektive17 im Medienereignis zusammengefasst werden kann. Diese Perspektive äußert sich in der Darstellung und Bewertung zum Beispiel von Nachrichten und bedingt eine Reihe von kommunikativen Handlungen, darunter den kritischen Kommentar oder die Enthüllung. Diese konventionalisierte Sprecherperspektive kann als eine Leitfigur für einzelne Milblog-Sprecher dienen und bereits etablierte Sprecherpositionen im Medienereignis Irakkrieg

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16 Ontologische Grundlage dieser Arbeit ist trotz der Erweiterung der Analyse um die Kategorie Sprecher der medienkulturelle Text – wobei Text hier im weiteren Sinne eines kulturellen Artefakts, das eingebunden ist in mannigfaltige Aushandlungsprozesse einer durch Machtstrukturen geordneten Medienkultur, zu verstehen ist. 17 Vgl. dazu den erzähltheoretischen Begriff Perspektive (Suhrkamp 2004).

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zur Verfügung stellen. Die Sprecherfigur dient den Sprechern dazu, sich in den vielfältigen, hierarchisierten Kommunikationsprozessen des Medienereignisses Irakkrieg zu verorten und sich in Relation zu anderen Medien zu positionieren. Die Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist (Kapitel 4) stellt den einzelnen Milbloggern Sprecherpositionen im Medienereignis Irakkrieg zur Verfügung, die dann je nach Ausnutzung der Medienspezifik und Thematik unterschiedlich besetzt werden können. Blogs werden nicht nur als Teil verschiedener Kommunikationsprozesse, sondern – in einem größeren Zusammenhang – als Teil eines komplexen Geflechts von Bedeutungs-, Produktions- und Rezeptionsstrukturen betrachtet. Dieses Geflecht kann am besten durch das Konzept des Medienereignisses greifbar gemacht werden, denn Milblogs wurden als Teil des Medienereignisses Irakkrieg popularisiert und Blogs als spezifisches Kennzeichen dieses Medienereignisses rezipiert. Milblogs werden als Medien konzeptionalisiert, die in das Medienereignis Irakkrieg integriert sind und von diesem geprägt werden. Das Medienereignis Irakkrieg ist durch zeit- und ortsspezifische Produktions- und Rezeptionsstrukturen charakterisiert, beispielsweise die Dominanz der auf den Effekt der Liveness abzielenden Nachrichtensender und eine enge Kooperation zwischen berichterstattenden Journalisten und BushAdministration (siehe dazu Kapitel 3). Der Kulturwissenschaftler Douglas Kellner bezeichnet das Medienereignis als eine der maßgeblichen Repräsentationsformen der Medienkultur (Kellner 2005:5). Kellner bestimmt das Modell der Medienkultur folgendermaßen: Medienkulturelle Texte, zum Beispiel spezifische digitale Texte wie Milblogs, sind in ein Geflecht aus ökonomischen, politischen und sozialen Gegebenheiten eingebunden und werden innerhalb dieser produziert, sinnhaft gemacht und rezipiert und können nie unabhängig von ihnen gelesen werden. Diese Texte sind Teil einer zeitspezifischen Dominanz von Medien und Dominanz der Medialisierung von Ereignissen und gesellschaftlichem Leben. Es wäre falsch, von der Medienkultur der Antike zu sprechen, denn es geht um eine Handhabe für Phänomene der letzten Jahrzehnte und damit um einen Jetzt-Zustand, der von Kapitalismus und dem Übergang von industriellem zu postindustriellem Zeitalter geprägt ist. Media cultural texts sowie die Medienkultur, in die sie eingebettet sind, sind entsprechend dieser Verbreitung sowohl für identifikatorische, als auch für kognitive und machtpolitische Prozesse konstitutiv. Die Medienkultur vermittelt jedoch nach Kellner nicht nur hege-

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moniale Ansprüche einer herrschenden Klasse, sondern ist ein Ort, an dem ambivalente und konkurrierende Deutungsansprüche verhandelt werden. Es kann also nach der Verortung des Milblogs in das spezifische Medienereignis Irakkrieg und nach den Aushandlungsprozessen um Deutungshoheiten in der Kriegsdarstellung in Milblogs gefragt werden. Jenseits der spezifischen Charakteristika und Aushandlungsprozesse des Medienereignisses Irakkrieg können Medienereignisse auch abstrakt besprochen und daraus wichtige Fragestellungen abgeleitet werden: Guido Isekenmeier theoretisiert in seiner Arbeit The Medium is the Witness (2009) Medienereignisse am Beispiel der Fernsehberichterstattung des Irakkriegs. Er definiert das Ereignis als ein „außergewöhnliches Geschehnis, das erst durch seine mediale Vermittlung für eine öffentliche Wahrnehmung konstituiert wird“ (Isekenmeier 2009:29). Das Medienereignis wird zu einem eigenständigen Ereignis, das sich ständig auf die Nähe und unmittelbare Beziehung zu diesem außergewöhnlichen Geschehen beruft. Solch ein Medienereignis zeichnet sich dadurch aus, dass es versucht, ein Geschehen abzubilden wie es ist.18 Guido Isekenmeier versteht dieses Abbilden als einen performativen Prozess: Die vorgeblich unnarrativierte, visuelle Berichterstattung wird als eine performative, sprachlich und medial konstituierte Repräsentation begriffen. Ob ein Bericht als realistische Abbildung des Ereignisses gilt oder nicht, ist nicht eine Frage zum Beispiel der Nähe zum Kriegsgeschehen oder der Fähigkeit das Unsagbare auszusagen, sondern der „Art und Weise, in der ein Ereignis gezeigt wird“ (Isekenmeier 2009:34). Die Kriegsdarstellungen in Milblogs sind als Teil des Medienereignisses Irakkrieg von solchen performativen Repräsentationsprozessen, die sich besonders durch die Effekte der Faktizität, Nähe und Echtheit kennzeichnen, charakterisiert: Eine wichtige Funktion von Milblogs ist das Berichten19 über den Krieg; die Darstellungen in Milblogs sind an Konventionen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18 Im Gegensatz zu den ritualisierten Medienereignissen, die in der grundlegenden Arbeit zu Medienereignisses von Dayan und Katz im Vordergrund stehen (Dayan und Katz 1992). 19 Im Journalismus bezeichnet der Begriff Bericht die Wiedergabe von Ereignissen mit möglichst wenig Wertung durch den Journalisten. Nützlicher als diese normative Definition ist für meine Zwecke eine literaturwissenschaftliche Definiti-

ȱ

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der Kriegsberichterstattung20 angelehnt. Der Irakkrieg, seine Kampfhandlungen und sein Alltag, sollen dargestellt werden, wie sie sich zugetragen haben und besitzen demnach einen faktualen Anspruch. Dieses multimediale Darstellen ist wie das audiovisuelle Abbilden in der Fernsehberichterstattung ein konventionalisierter Prozess der Sinnkonstituierung.21 In der Kriegsdarstellung in Milblogs können daher solche Repräsentationsprozesse untersucht werden, indem gefragt wird, auf welche Art und Weise in Milblogs Krieg medienspezifisch dargestellt wird. Zudem können diese Repräsentationsprozesse als Aushandlungsprozesse um Deutungshoheiten untersucht werden, denn der hohe finanzielle, zeitliche und kulturelle Aufwand, der sowohl in die Produktion als auch in die Rezeption dieser Medienereignisse investiert wird, macht sie zu bedeutungsvollen Ausdrucksformen von Kultur und zu einem Ort der Aushandlung von Machtverhältnis-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ on: Der Bericht wird dort als ein „dynamischer, narrativer Modus, der, meist raffend und synthetisierend in Form der Handlungszusammenfassung durch den Erzähler, durch Figuren betriebene bzw. ihnen widerfahrene Ereignis- und Handlungsfolgen eines literarischen Textes wiedergibt“ (Nieragden 2004:60). Stanzel setzt ihn neben der szenischen Darstellung als die Grundform der Erzählens, bemerkt jedoch, erstens, dass diese beiden Formen meistens in Verbindung miteinander auftreten und, zweitens, dass diese Form stark von dem Erzähler und dessen Perspektive auf das Geschehen abhängt (Stanzel 1993:13-15). 20 Kriegsberichterstattung meint im normativen, journalistischen Sinne, die Schilderung von Ereignissen aus dem Krieg, wurde aber in aktuellen Konzeptionalisierungen um laienhafte Berichte aus Kriegs- und Krisengebieten erweitert und muss nicht mehr ausschließlich journalistische Berichte enthalten (Berenger 2006; Matheson und Allan 2009). Schmidt/Weischenberg definieren Medienschemata wie die Berichterstattung daher als kognitive Schemata, die vor allem in der Anwendung und Rezeption wirklich werden (Merten und Schmidt 1994:216). 21 Um die performierenden und konstitutive Dimension von Darstellen zu benennen, wird auch der Begriff Repräsentation verwendet. In dieser Arbeit werden sowohl der Begriff Darstellung als auch der Begriff Repräsentation verwendet um den performativen Charakter dieser Verfahren zu beleuchten. Bei keinem der beiden Begriffe ist die referentielle Funktion gemeint.

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sen. Anhand der Darstellungsverfahren können diese Aushandlungsprozesse untersucht werden. In der Diskussion der analytischen Kategorien wurden auch eine Reihe von Fragestellungen entwickelt, die im Folgenden der Analyse von Milblogs dienen werden: Was ist die Medienspezifik des Blogs? Was sind die Anteile der kommunikativen Infrastruktur des digitalen Mediums an dieser Spezifik? Auf welche Art und Weise wird im Blog das Medienereignis Irakkrieg dargestellt? In welche Aushandlungsprozesse des Medienereignisses Irakkrieg und der zeitgenössischen Medienkultur sind diese Darstellungen eingebunden? Welche Funktionen haben diese Darstellungen im Medienereignis Irakkrieg? Letztlich, wie positionieren sich milblogspezifische Sprecher im Medienereignis Irakkrieg? Diese Leitfragen greifen zudem ineinander und ergänzen sich: Die Frage nach den Spezifika des Blogs kann nicht ohne die Frage nach der digitalen Infrastruktur gestellt werden. Die Erarbeitung der Medienspezifik ist notwendig, um anschließend die Art und Weise der Darstellung analysieren zu können. Schließlich können die Fragen nach den Darstellungsverfahren und den Kommunikationsinteressen die Einbindung von Blogs in die Aushandlungsprozesse des Medienereignisses erörtern.

V ORGEHEN Das Ziel dieser Arbeit ist es, Milblogs deskriptiv und analytisch zu erschließen und die Eigenschaften einer milblogspezifischen Kriegsdarstellung und deren Eingebundenheit in das Medienereignis Irakkrieg zu erfassen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Untersuchung vorab im Kontext der bereits existierenden Forschung zu Milblogs verortet und einige Fragen zum Arbeiten mit digitalen Texten geklärt. Im Anschluss an die Bestimmung der Medienspezifik in Kapitel 2 wird eine textanalytische Methode vorgestellt und über die historische und diskursive Untersuchung der Netzwerke die kontextualisierende Erforschung der Kommunikationsprozesse, in die Milblogs eingebunden sind, geleistet. Als Ergebnisse können abschließend die Eigenschaften von (Kriegs-)Darstellung in (Mil-)Blogs und eine Charakterisierung der Milblogosphäre präsentiert werden. Ausgehend von einer Beschreibung der standardisierten Merkmale des Blogs wird im Kapitel Die Medienspezifik des Blogs die strukturelle Be-

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schaffenheit des Blog als digitales Medium dargelegt. In einem zweiten Schritt werden die formalen Merkmale des Postings beschrieben und die Möglichkeiten von Sprache und Text im Blog diskutiert, denn das Posting ist als zentrale Textinstanz am ergiebigsten für die Untersuchung von Darstellung. Anhand der Analyse der strukturellen und textuellen Merkmale kann die Medienspezifik des Blogs bestimmt werden: es werden zwei Hauptmerkmale festgelegt, die die Darstellung in und kommunikative Funktion von Blogs maßgeblich charakterisieren und Kriterien für eine Untersuchung der Texte bieten: der Sprecher und das Netzwerk (Kapitel 2). Aus der Bestimmung der Medienspezifik wird eine analytische Vorgehensweise für die weitere Arbeit und die Einzelanalysen abgeleitet (Kapitel 2): Die bereits vorgestellte theoretische Kategorie Sprecher wird in Bezug auf den Blog präzisiert und mit dem Netzwerk, die Struktur der Kommunikationsprozesse in Blogs ausgearbeitet. Die Kategorie Sprecher bietet die Möglichkeit, den Blogger als kommunikative Instanz im Medienereignis Irakkrieg zu analysieren und textanalytische Fragestellungen, beispielsweise zu Sprechsituation, Erzählperspektiven und Verfahren der Selbstdarstellung, auf den Blog anzuwenden. Dem Merkmal Netzwerk (Kapitel 3) ist mit solchen textanalytischen Instrumenten schwieriger beizukommen, denn die Netzwerkforschung wurde bisher fast ausschließlich von den Sozialwissenschaften geleistet.22 Doch lässt sich dieser methodischen Lücke folgendermaßen beikommen: Erstens müssen die maßgeblichen Netzwerke bestimmt werden. Dies wird im Kapitel 3 zur Entwicklung von Milblogs getan, ihre Beschaffenheit und Organisation wird mit Hilfe von Primärquellen und sozialwissenschaftlichen Sekundärquellen beschrieben. Zweitens wird aus netzwerkanalytischen Untersuchungen die Annahme übernommen, dass die Darstellungsverfahren und Kommunikationsprozesse der Sozialen Netzwerke23 die Darstellungen und Positionen der dazugehörigen Blogs maß-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 22 Nach Boris Holzer sind die zwei dominanten Traditionen in der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung die „auf die Beziehungen der Akteure abstellende Sozialtheorie“ und die Graphentheorie (Holzer 2006:19). 23 Der Begriff Soziale Netzwerke bezeichnet ein zeitgenössisches Phänomen der sozio-technologischen Netzwerkbildung im Internet (siehe dazu S.62).

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geblich prägen.24 In Kapitel 4 werden exemplarische A-List Blogs auf die Darstellungsverfahren und Kommunikationsprozesse hin untersucht, um so die zur Verfügung stehenden Kriegsdarstellungen und Sprecherpositionen zu ermitteln. Ausgehend von der konservativen Newsblogosphäre wird die Newsmilblogosphäre anhand der dort existierenden, politischen und populärphilosophischen Überzeugungen charakterisiert, um so die diskursive Beschaffenheit eines für die soldatischen Milblogs maßgeblichen Netzwerkes zu erschließen. Der erarbeitete, militärspezifische Technologieutopismus wird darüber hinaus in das Medienereignis Irakkrieg eingebunden, indem die Kommunikationsinteressen der Milblogger anhand der Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist nachgezeichnet werden. Der für diese Arbeit entwickelte Begriff Warrior Citizen Journalist wird in Anlehnung an den im Forschungsstand etablierten Begriff Citizen Journalist ausgebildet, um eine Sprecherfigur im Medienereignis Irakkrieg zu bezeichnen: Das Portrait des Warrior Citizen Journalist erschließt eine prototypische Figur der digitalen Kriegsdarstellung und deren spezifische Kombination von medienkritischen, politischen, populärphilosophischen und soldatischen Sprecherpositionen (Kapitel 4). In den ersten zwei Kapiteln werden somit nötige theoretische und methodische Vorarbeiten geleistet, um sich dann dem Milblog und der Milblogosphäre widmen zu können. Nachdem der historische Hintergrund vorgestellt und anhand einer Sprecherfigur ein maßgebliches Netzwerk beschrieben wurde, folgen die Einzelanalysen. Die Kapitel 3 und 4 widmen sich damit der Beschaffenheit von Milblogs in ihrer Gesamtheit. In den Einzelanalysen stehen die soldatischen Milblogs aus dem Irakkrieg und die Frage nach der Kriegsdarstellung stärker im Vordergrund. Die Frage nach der Kriegsdarstellung kann nicht beantwortet werden, ohne die Beschaffenheit von Milblogs zu kennen. Die Kriegsdarstellung in soldatischen Milblogs ist ein wichtiger Aspekt von Milblogs allgemein.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24 Diese Annahme ist in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen von Darstellungen fest etabliert, zum Beispiel von (Goffman 1976) In Bezug auf das Internet und Blogs von Jan Schmidt beispielsweise in: (Schmidt 2006; Zerfaß, Welker und Schmidt 2008).

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Die Einzelanalysen (Kapitel 4, 5 und 6) bieten eine chronologisch geordnete Untersuchung von drei populären soldatischen Milblogs aus dem Irakkrieg, deren Bestehen den Zeitraum vom Dezember 2002 bis Dezember 2005 abdeckt. Die Blogs werden anhand der analytischen Methode untersucht, die im Anschluss an das Kapitel zur Medienspezifik des Blogs vorgestellt wird. Obwohl sich die strukturellen Merkmale und Inhalte der Blogs oft ähneln, weist bereits die Analyse der standardisierten Merkmale darauf hin, dass jeder Blog auf sehr unterschiedliche Darstellungsverfahren zurückgreift. Deswegen wird in den Analysen zusätzlich auf eine Reihe von vorgängigen und zeitgenössischen Kriegsdarstellungen zurückgegriffen, um diese als medienkulturelle Einflussfelder für die Kriegsdarstellung in Milblogs zu benennen. Das erste Einzelanalysenkapitel widmet sich dem frühesten bekannten Milblog aus dem Irakkrieg: LT Smash – Live From the Home Front. Die Analyse zeigt die formale Ungebundenheit dieses frühen Milblogs auf und erarbeitet erste inhaltliche Schwerpunkte. Sie zeichnet damit einen maßgeblichen Entstehungspunkt von soldatischen Milblogs aus dem Irakkrieg nach. Als Nachfolger eines konservativen Newsmilblogs übernimmt LT Smash viele der inhaltlichen und strategischen Positionen des Warrior Citizen Journalist, doch werden diese in den Erfahrungsbericht eines Soldaten integriert. Der Blog weist eine formale Vielfalt auf und es kann kein einzelnes Einflussfeld bestimmt werden, vielmehr zeichnet sich der Blog gerade durch die Abwesenheit einer kohärenten Kriegsdarstellung aus. Die zweite Einzelanalyse hat den wahrscheinlich bekanntesten soldatischen Milblog zum Thema: My War: Fear and Loathing in Iraq. Die Kampfdarstellungen des mittlerweile als Buch veröffentlichten Blogs samt den Zensurmaßnahmen durch die militärischen Vorgesetzten bilden ein Schlüsselereignis in der Popularisierung von Milblogs. Gerade dieser Blog ist jedoch nicht in die militärspezifischen Darstellungsverfahren der anderen Milblogs eingebunden. Im Gegenteil ist die Kriegsdarstellung durch die Einflussfelder Punk und New Journalism an eine popkulturelle und literarische Tradition der Kriegsberichterstattung angebunden. Mit 365 and a Wakeup, kehrt die Analyse zu einem Blog zurück, der nicht nur viele der Positionen des Warrior Citizen Journalist übernimmt, sondern diese in einer orientalistischen Kriegsdarstellung ausformt. Dies geschieht blogspezifisch, indem ein selbstdarstellendes Narrativ, die orientalis-

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tische Reiseliteratur, im Blog remediatisiert wird und die Kriegsdarstellung in das interventionistische Projekt der Bush-Administration integriert wird. Die Blogs der Einzelanalysen weisen unterschiedliche Darstellungsverfahren und kommunikative Funktionen auf. Um sie dennoch zu systematisieren, dient der vorher etablierte Warrior Citizen Journalist als Orientierungspunkt im Medienereignis. Da der Warrior Citizen Journalist jedoch eine prototypische Sprecherfigur ist, geht es nicht um eine genaue Übereinstimmung der Blogs mit dieser Figur, vielmehr können die soldatischen Blogs verschiedene – in einer Figur zusammengefasste – Positionen übernehmen. So können die Blogs nicht nur in der digitalen Kriegsberichterstattung verortet, sondern auch ihre Zugehörigkeit zu dem porträtierten Netzwerk beurteilt werden: LT Smash und 365 and a Wakeup übernehmen die im Netzwerk zur Verfügung stehenden Sprecherpositionen und können in der Milblogosphäre verortet werden. My War ist nicht in der Milblogosphäre zu verorten und greift vielmehr auf journalistische Darstellungsverfahren und Sprecherpositionen zurück. Die Einzelanalysen bieten damit punktuell sehr tiefgreifende Analysen, erlauben aber zugleich einen Entwurf der Verbindungen von Milblogs untereinander und zu anderen Medien im Medienereignis. Abschließend ergibt sich ein zusammenhängendes Bild von Milblogs und ihrer Verortung in den vielfältigen Medialisierungen des Irakkriegs und es können die Eigenschaften der blogspezifischen Kriegsdarstellung in dem Ergebniskapitel Kriegsdarstellung in Milblogs präsentiert werden. Zuvor sollen die theoretischen und methodischen Vorarbeiten, die in dieser Einleitung geleistet werden, mit einem kurzen Überblick über die Milblogforschung und einigen Bemerkungen zum Arbeiten mit digitalen Texten abgeschlossen werden.

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M ILBLOGFORSCHUNG

Im Folgenden werden die bisherige Milblogforschung und angrenzende Forschungsliteratur besprochen. Die Forschung zu Milblogs wird in ihrer Gesamtheit vorgestellt, was bei der bisher recht übersichtlichen Literatur noch möglich ist, bisher aber in der Forschung nicht systematisch erfolgte. Zusätzlich werden die für diese Arbeit ertragreichen, angrenzenden Forschungsgebiete vorgestellt.

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Die Forschung zu Milblogs lässt sich in drei thematische Bereiche gliedern: Milblogs als Kriegsberichterstattung, Milblogs als juristischer Problemfall und Milblogs als Chance beziehungsweise als Bedrohung für das Militär. Diese Kategorisierungen entsprechen vorwiegend auch den Disziplinen der jeweiligen Forscher und machen die drei Wissenschaftszweige, die sich bisher mit Milblogs auseinandergesetzt haben, deutlich: Kommunikation- und Medienkulturwissenschaft, Rechtswissenschaft und Militärwissenschaft. Wie große Teile der Forschung zu digitalen Medien und Kriegsberichterstattung war Milblogforschung in ihren Anfangsjahren – ungefähr 2003 bis 2007 – von der Frage nach den Potentialen des Mediums bestimmt. Mit der Institutionalisierung von Milblogs, ab 2005, hat sich diese Perspektive verändert und gegenstandsorientierte Untersuchungen stehen im Vordergrund. Auch in dieser Arbeit wird nicht die Frage nach den Möglichkeiten, sondern nach der Beschaffenheit des Gegenstands gestellt. Die Journalismusprofessorin Melissa Wall veröffentlicht seit Anfang 2005 zu Warblogs:25 Sie berührt alle drei thematischen Bereiche in ihren Arbeiten. Die frühen Artikel fragen nach der politischen Gewichtung der Irakkriegsdarstellung von Milblogs und Warblogs: „[T]his study sought to assess the ways in which the new phenomenon of current events blogs framed the second Gulf war“ (Wall 2006b) und nach den Potentialen von Blogs:26 „[T]his study considers the role of a potentially new kind of journalist involved in covering war: bloggers“ (Wall 2006a). Wall ordnet Milblogs in diesen ersten Untersuchungen in journalistische Gattungen ein: In Blogs of War: Weblogs as News (Wall 2005) beschreibt sie Warblogs als postmoderne Nachrichten (2005 158) und leistet damit den ersten Beitrag zur methodischen Erschließung von War- und Milblogs, in dem diese Blog-Gruppen als Nachrichten konzeptionalisiert werden und deren Konventionen mit journalistischen Konventionen verglichen werden (2005:161). Sie fragt nach den Potentialen von Warblogs als

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 25 Vor allem frühe Arbeiten erforschten Warblogs, Milblogs und irakische Blogs als eine Gruppe unter dem Namen Warblogs, erst in den letzten Jahren wurde dies ausdifferenziert. 26 Ein weiterer früher Versuch Milblogs als Teil von Warblogs zu beschreiben und Warblogs zu konzeptionalisieren lässt sich in einer Netzwerkanalyse von Mark Tremayne finden (Tremayne u.a. 2006: ).

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Journalismus und nach deren Auswirkungen auf die etablierten Formen der Berichterstattung: Journalism as a modernist narrative explained news and provided normative ideals. […] Today, the narrative is said to be in crisis as we are no longer certain of what is journalism or if it is truly contributing to democracy. This article does not intend to replace an old grand narrative with a new one but rather to suggest that this questioning of modernity and hence of journalism is an opportunity to rethink news and to ultimately re-imagine its future (Wall 2005:167).

Die Frage nach der Art der Darstellung ist stets implizit in Walls Forschung enthalten: Die grundlegende Annahme ist, dass sich durch das Aufkommen von Blogs etwas verändert und dass dies einen Einfluss auf die Konventionen der Kriegsberichterstattung haben könnte. In einem Vergleich der Berichterstattung der ersten Kriegstage gingen auch Roering/Ulrich dieser Frage nach: Eine gegenüberstellende Analyse der Berichterstattung von CNN und Milblogs ergab, dass Milblogs auf CNN angewiesen waren, um Nachrichten zu präsentieren und dass CNN trotz des hegemonialen Anspruchs in der Berichterstattung versuchte, eine Webästhetik in das eigene Angebot zu integrieren (Roering und Ulrich 2009).27 Auch die Medienwissenschaftler Stuart Allan und Donald Matheson besprechen Milblogs als Teil einer ganzen Reihe von neuen Formen der digitalen Kriegsberichterstattung und interessieren sich für die Wechselwirkungen zwischen neuen, digitalen Medienangeboten und etablierter Berichterstattung. Sie konzeptionalisieren Milblogs als Citizen Journalism und ordnen sie dadurch in das aktuelle Forschungsfeld der partizipativen Nachrichtenproduktion ein und leisten ebenfalls einen Beitrag zur methodischen Erschließung von Milblogs (Matheson und Allan 2009).28 Stuart Allan fragt in Bezug auf Mil- und Warblogs, ob diese es schaffen könnten, die durch die

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 27 Jessica Siegel untersuchte 2010 die Funktion von Milblogs und Warblogs als therapeutische Augenzeugenberichte (Siegel 2010). 28 Einen ähnlichen Zugang haben auch Bart Cammaerts und Nico Carpentier (2009).

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televisuell geprägte Kriegsberichterstattung vorherrschende „culture of distance“ zu verringern (Allan 2009b:348).29 Dieser erste Überblick zeigt, dass die Untersuchung von Milblogs häufig vor dem Hintergrund einer Unzufriedenheit mit dem zeitgenössischen Mediensystem stattfindet. Allan und Zelizer untersuchen die digitale Kriegsberichterstattung mit hoffnungsvollem Blick auf die mögliche Ausdifferenzierung und Ausbalancierung der – aus ihrer Sicht – monolithischen zeitgenössischen Kriegsberichterstattung. Der Kommunikationswissenschaftler Michael Keren erhofft sich von Milblogs eine Kontextualisierung der seiner Meinung nach verkürzten und schemenhaften Kriegsdarstellung der Populärkultur (Keren 2005). In der Arbeit der Militärwissenschaftlerin Cori Dauber werden Milblogs ebenfalls als Chance betrachtet, die existierende Kriegsberichterstattung zu verbessern, doch bedeutet eine verbesserte Kriegsberichterstattung in Life in Wartime eine positivere Berichterstattung über das Militär und deren Aufgaben im Irak (Dauber 2006). Sowohl militärkritische, neutrale und militärnahe Forscher interpretierten Milblogs also als Ort der positiven Veränderung – jedoch werden stets andere Veränderungen erhofft. Die Ermittlung der Potentiale und Gefahren von Milblogs ist auch in der militärinternen Forschung die Leitfrage: Neben einer Reihe von Memoranda und Erlässen zu Blogs und Sozialen Medien (siehe Kapitel 4) wurden an einigen Militäruniversitäten auch wissenschaftliche Arbeiten zum Thema verfasst. Sowohl empirische Untersuchungen als auch Workshops ver-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29 Dieser erste Überblick zeigt, dass die Untersuchung von Milblogs häufig vor dem Hintergrund einer Unzufriedenheit mit dem zeitgenössischen Mediensystem stattfindet. Diese Gewichtung wird noch deutlicher wenn man Cori Daubers Arbeit zu Milblogs liest: Auch hier werden sie als zukunftsweisend betrachtet, doch die Hoffnung wird in Life in Wartime auf eine positive Berichterstattung über das Militär gerichtet (Dauber 2006). Dass sowohl militärnahe als auch militärkritische Forscher Milblogs als Ort der positiven Veränderungen lesen, zeigt die unterschiedlichen und teilweise auch strategischen Deutungen des Phänomens. Allan und Zelizer stehen der digitalen Kriegsberichterstattung auch nicht uneingeschränkt positiv gegenüber, aber sie bewerten diese doch mit Blick auf die mögliche Ausdifferenzierung und Ausbalancierung der aus ihrer Sicht monolithischen zeitgenössischen Kriegsberichterstattung.

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suchten zu ermitteln ob Blogs die Operational Security bedrohen oder vielleicht das sogenannte Perception Management des Militärs positiv ergänzen (Anderson u.a. 2006; Collings und Rohozinski 2009; Keren 2005; Keyes 2007; Robbins 2007; Wong und Gerras 2009). Einer ähnlichen Fragestellung geht der auf Technologieforschung und das Militär spezialisierte Kommunikationswissenschaftler Sean Lawson in seiner Untersuchung der Einbindung von Milblogs in den Infowar nach, jedoch weniger mit Blick auf den Ertrag (Lawson 2008).30 Auch die Untersuchungen von Melissa Wall (Wall 2010) und Johanna Roering (Roering 2010) untersuchen Milblogs im Rahmen militärischer Diskurse. Diese Texte bilden damit einen Schnittpunkt zum dritten Untersuchungsbereich, der die juristische Lage von Milblogs behandelt (Den Bleyker 2006; Kiel 2007; Lytle 2006; Mitchell 2006; Rosengarten 2006). Anschließend an Diskussionen über die Rechte und Pflichten von Soldaten, wird anhand von Milblogs die Problematik der Meinungsfreiheit in einem Militär der Freiwilligen diskutiert. Diese Fragestellungen sind für diese Arbeit interessant, da die Selbstpositionierung der Soldaten und des Militärs in der symbolischen Kriegsführung ausschlaggebend für die Kriegsdarstellung im Blog ist. Ergänzt werden die Arbeiten aus den drei großen Themenbereichen durch Forschung, die dort diaristische (Fricke 2008), religiöse (Brænder 2009b; 2009a; Roering 31.5. -3.6.2007), bezeugende (Siegel 2010) und anthropologische (Brown und Lutz 2007) Darstellungsverfahren untersucht. Diese vielfältigen Zugänge verweisen auf die vielschichtigen Einflussfelder in Milblogs, denn vor allem die frühen Milblogs sind noch nicht konventionell und bedienen sich vielfältiger Vorlagen und Darstellungsmöglichkeiten. Die Einzelanalysen werden zeigen, dass es möglich ist wichtige Anleihen aus verschiedenen Gattungen nachzuweisen. Dominant ist jedoch die Kriegsberichterstattung, da die Milblogs hauptsächlich im berichtenden Modus geschrieben werden und sich an Kriterien wie Glaubwürdigkeit und Unmittelbarkeit orientieren.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 30 Die Präsentation wurde als Teil einer umfassenden Arbeit zu den Wissensstrukturen des zeitgenössischen Infowar erstellt: [email protected]: nonlinear science and the emergence of information age warfare in the United States Military (Lawson 2008).

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Milblogs wurden also bereits aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Diese Untersuchungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Potentiale von Milblogs und auf die Rückwirkungen auf andere Nachrichtenmedien. Die anfängliche Frage nach der Wirkung wurde mit der Verbreitung von Milblogs um die nach der Institutionalisierung von Milblogs ergänzt (Deuze 2009; Wall 2009; 2010). Der neueste Artikel von Melissa Wall, In the Battle(Field), bearbeitet mit Hilfe von Pierre Bourdieus Feldbegriff das problematische Verhältnis zwischen bloggenden Soldaten und dem Militär als Institution: Im Fokus stehen dabei die Versuche des Pentagon, Milblogs zu zensieren. Melissa Wall betrachtet Milblogs nach wie vor als Teil eines umkämpften Deutungsgebiets, doch fokussiert sie nun auf Institutionalisierungsprozesse innerhalb des Militärs (Wall: 2010). Entsprechend steht nun auch die Frage, wie Milblogs die US- militärische Darstellungskonventionen verändern könnten, im Vordergrund. In meiner Bearbeitung von Milblogs wurden Milblogs ebenfalls zuerst im Rahmen des eigenen Fachs, der Literaturwissenschaft, als literarischjournalistische Gattung gefasst (Roering 2007b; 2007a). Die weitere Beobachtung der Entwicklung des Mediums machte die Verankerung von Milblogs in US-militärischen Diskursen und Darstellungsverfahren deutlich. Bei Wall führte diese Korrektur zur Einschränkung der Untersuchung auf die Institutionalisierungsprozesse von Milblogs. In dieser Arbeit führt die Einsicht in die militärische Prägung der Milblogs zu einer Analyse, die die Funktionen von Milblogs als Organisationsmedium militärischer Gemeinschaften und das Kommunikationsinteresse der politisch engagierten Milblogger innerhalb der Medienlandschaft als wichtige Strukturmerkmale versteht (Roering 2010). Es werden Formen der Kriegsdarstellung in Blogs herausgearbeitet und mögliche Konventionen der Darstellung in Blogs benannt. In Folgearbeiten können Milblogtypen herausgearbeitet werden. Dazu eignet sich die formative Phase der Milblogs, die hier untersucht wird, jedoch nicht. Ich hoffe, der nachfolgenden Forschung erstens Eigenschaften der Kriegsdarstellung in Blogs und in digitalen Medien aufzuzeigen und zweitens eine Untersuchung zur Verfügung zu stellen, die hilft, die Fragen nach den Potentialen von Milblogs zu beantworten. Stuart Allan und Donald Matheson integrieren ihre Untersuchung von Milblogs in eine Monographie zu digitaler Kriegsberichterstattung, in der sie diese als Ort der Veränderung und des Deutungskampfes begreifen (Matheson und Allan 2009). Auch Ralph Berengers Sammelband War in

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Cyberspace greift diese These auf (Berenger 2006). Die in Bezug auf Milblogs gestellten Leitfragen bleiben auch in diesem übergeordneten Forschungsfeld, das mehrere Medienformate behandelt, bestehen: Wie greifen digitale Medien die Konventionen des Journalismus auf und bilden sie eine alternative Form der Kriegsberichterstattung,31 die schließlich auf die etablierte Berichterstattung zurückwirkt (Matheson und Allan 2009:21)? In diesen Untersuchungen zur digitalen Berichterstattung werden auch die digitalen Medienspezifika analysiert (Andén-Papadopolous 2009; Kennedy 2008). Grundsätzlich bleibt die Frage jedoch die nach den reformierenden Potentialen der alternativen Berichterstattung. Die Untersuchungen zu verschiedenen Formen der digitalen Kriegsberichterstattung sind Teil eines breiten Forschungsfelds zur Medialisierung von Krieg, das hier nur in Bezug auf wichtige Kategorien der Analyse besprochen wird: Die Untersuchung der medienspezifischen Kriegsberichterstattung bildet einen Schwerpunkt der Forschung, die sich in den vergangenen Jahren hauptsächlich der visuellen Kriegsberichterstattung widmete (in Bezug auf den Irakkrieg unter anderem Daniel 2006; Isekenmeier 2009; Paul 2004; Sontag, Dilonardo und Jump 2007; Ulrich 2007). Die Effekte der visuellen Medien, beispielsweise die Glaubwürdigkeit der Fotografie und die Eventisierung durch das Fernsehen fanden besondere Aufmerksamkeit. Diese Arbeiten zu medienspezifischer Berichterstattung etablieren die Frage nach der Medienspezifik und können zur Untersuchung der in den Blog integrierten Medien beitragen. Die Untersuchungen zu verschiedenen Sprecherfiguren, in Bezug auf den Irakkrieg hauptsächlich der Embedded Journalist, ermöglichen es, die Sprecher in Milblogs mit anderen Sprecherfiguren in der Kriegsberichterstattung und deren kommunikativen Positionen zu vergleichen (zum Beispiel Löffelholz 2008; Roering 2007a; Sylvester und Huffman 2005; Zelizer 2004). Weiterhin sind Projekte, die sich auf die Wechselwirkungen von Militär und Berichterstattung konzentrieren und dabei die Konvergenz verschiedener Darstellungsverfahren von Krieg beobachten, für die Untersuchung von Milblogs wichtig (Keeble 2006; Kellner 2005; Sylvester und Huffman 2005; Tumber und Webster 2006). Sie weisen darauf hin, dass kommerzielle Berichterstattung und mi-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 31 Der Überbegriff Berichterstattung wird in diesen Veröffentlichungen ausgeweitet auf verschiedene Formen der laienhaften Produktion.

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litärische Darstellung eng verbunden sind und bereiten damit eine Untersuchung von soldatischen Kriegsdarstellungen im Rahmen von Kriegsberichterstattung vor. Ein Großteil der Untersuchungen zur Medialisierung von Krieg betrachtet diese im Rahmen von technologischen (z.B. Digitalisierung), politischen (z.B. das Ende des Kalten Kriegs) und sozialen (z.B. Medialisierung des Alltags) Veränderungen. Der Medientheoretiker James DerDerian konzeptionalisiert beispielsweise eine zeitgenössische Form von Krieg, in dem sich die technologischen Errungenschaften des Militärs und der medialisierte Interventionismus zu einem Virtuous War zusammenfügen, der dem westlichen Publikum Krieg als sauber und unbedenklich präsentiert wird (2009:xx). Digitale Technologien wie die netzwerk-zentrische Kriegsführung oder die Drohne bilden das waffentechnologische Pendant zu diesem Krieg aus der Entfernung, der sowohl für das westliche Publikum als auch für die beteiligten Armeen an Wirklichkeit verliert. Die These, die die Medialisierung als Kern für das Verständnis zeitgenössischer Kriege betrachtet,32 wird aktuell durch Arbeiten zum militärischen Perception Management und zur Bedeutung der symbolischen Kriegsführung ergänzt: Tumbler und Webster beobachten beispielsweise, dass auch die Kriegsführung sich zunehmend in den symbolischen Bereich verlagert und mit der Kriegsberichterstattung in ein unentzifferbares Medienereignis fließt (Tumber und Webster 2006). Phil Hammond betrachtet die aktuellen Kriege gar als Versuche nach dem Ende des Kalten Kriegs eine symbolische Ordnung wieder herzustellen (Hammond 2007). Obwohl große Unterschiede in der Einschätzung der Konsequenzen bestehen, wird die wesentliche Rolle die Medien und die symbolische Kriegsführung in zeitgenössischen Kriegen spielen, durchweg anerkannt. Diese Arbeit widmet sich diesen (digitalen) Medialisierungen und schätzt sie ebenfalls als wesentlich für das Verständnis von Krieg ein. Doch möchte ich nicht so weit gehen, Medialisierung als den ausschlaggebenden Faktor für die multiplen Ereignisse und Erfahrungen, Handlungen und Darstellungen, die unter dem Wort Krieg zusammengefasst werden, zu setzen. Dass Medien und Medientechnologien zwar ein, aber nicht der maßgeblichste

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32 Diese These wurde am provokantesten von Jean Baudrillard in seinen Essays zum Golfkrieg formuliert (Baudrillard 1995).

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Aspekt für das Verständnis von Krieg sind, verdeutlichen Untersuchung wie Mary Kaldors New Wars: Sie räumt den Medien eine wichtige Funktion in den New Wars ein, betrachtet aber ebenso ökonomische und identitätspolitische Aspekte (1999). Die mediale Darstellung muss daher als ein wichtiger Aspekt des Komplexes Krieg verstanden werden; Kriegswirtschaft, Gewalt, politische Strategie und Identität sind ebenfalls prägend. Um die Medienspezifik von digitaler Kriegsberichterstattung zu untersuchen, muss die Forschung zu diesen Medien, also die Blog-Forschung, miteinbezogen werden: In den ersten Jahren der Popularisierung von Blogs gab es viele Arbeiten, die sich damit beschäftigen Blogs zu konzeptionalisieren und sie für die unterschiedlichen Disziplinen zugänglich zu machen (Baoill 2004; Blood 2000; boyd 2006; Herring und Paolillo 2006; Herring u.a. 2005; Miller und Sheperd 2004; Nardi, Schiano und Gumbrecht 2004; Rettberg 2008; Schmidt 2006). Die Versuche Blogs zu definieren orientierten sich häufig an analogen Vorgängern (Dünne 2004; Herring u.a. 2005). Blogs wurden jedoch auch als eigenständige Medien beschrieben, deren Medienspezifika unabhängig von Vorgängermedien konzeptionalisiert werden können (boyd 2006; Deuze 2006). Vor allem die Kommunikationswissenschaft, die sich der computervermittelten Kommunikation widmet, leistete in vielen qualitativen und quantitativen Untersuchungen einen wichtigen Beitrag zur Erschließung des Phänomens Blog. Beispielsweise wurden dort die Merkmale und Strukturen von Blogs, der Aufbau und die Organisation von Blognetzwerken und deren internetspezifische Hierarchien analysiert (Herring u.a. 2007; Hesse 2008; Nardi, Schiano und Gumbrecht 2004; Papacharissi 2007; Schmidt 2006; Stefanone und Jang 2007). Diese Studien bilden ein wichtiges Korrektiv zu utopischen und dystopischen Vermutungen über das neue Medium und bieten einige produktive Fragestellungen: Wie sind die Nutzungsund Angebotsstrukturen digitaler Medien? Wie ist die digitale Kommunikation strukturiert? Sind sprachliche Veränderungen festzustellen? Was passiert wenn interpersonale und Massenkommunikation verschmelzen? Die Kommunikationswissenschaft leistet mit diesen Untersuchungen auch einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung der Medienspezifik von Blogs und liefert eine ganze Reihe empirischer Daten dazu. Sowohl Newsblogs als auch Personal Blogs werden in der Kommunikationswissenschaft häufig als Soziale Medien, die Teil einer partizipativen und konvergenten digitalen Medienlandschaft sind, begriffen (Jenkins

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2006). Blogs werden nicht als Einzelmedien betrachtet, sondern sind aus dieser Forschungsperspektive in digitale Strukturen integriert, die es den Bloggern erlauben Soziale Netzwerke zu bilden (Adamic und Glance 2005; Bruns 2008; Flew 2008; Tremayne 2007; Wellman 2002).33 Blogs werden dort beispielsweise nicht als Teil von Netzwerken, sondern als computervermittelte Netzwerke konzeptionalisiert, die auch als Soziale Netzwerke fungieren können (Rettberg 2008:64). Die Konzeptionalisierung von Blogs als Soziale Medien fließt auch in die Untersuchung von Selbstdarstellung und textuellen Identitäten in Blogs ein, die sowohl in der Kommunikations- als auch in den Kulturwissenschaften große Beachtung findet. Da Blogs vom Blogger dominiert werden, wurden sie von Anfang an auf ihr Potential als selbstdarstellendes Medium hin untersucht (Hevern 2004; Ibrahim 2006; Kennedy 2009; Reichmayr 2005; Sanderson 2008; Snider 2003; Sorapure 2003; van Doorn, van Zoonen und Wyatt 2007). Die Blog-Forschung schließt sich hier an übergreifende Fragestellung der Online-Forschung an, die sich spätestens seit Sherry Turkle mit der Beschaffenheit von Online-Identitäten oder virtuellen Identitäten auseinandersetzt. Es wird beispielsweise gefragt, wie sich die digitalen und blogspezifischen Merkmale auf die textuellen Identitäten der Blogger und auf Selbstdarstellung im Blog auswirken. Dieser Zugang bildet einen dominanten Zugang in der Literaturwissenschaft, die eine breite, vorbereitende Forschung bezüglich Autorschaft, Selbstdarstellung und SelfFashioning zur Verfügung hat. Neben der Verortung in der Tradition des selbstdarstellenden Schreibens untersucht die literatur- und kulturwissenschaftliche Blog-Forschung die neuen Medien hauptsächlich im Rahmen der Berichterstattung. Eine Reihe von Veröffentlichungen (Allan 2009a; 2010; Bruns 2008; Deuze 2006; Kenix 2009; Rosen 2008; Scott 2008) widmet sich der Untersuchung einer medienspezifischen Berichterstattung im Blog und den Potentialen von Blogs als Werkzeug aktiver Teilnehmender in einer sich verändernden Medienlandschaft. Die Erforschung der neuen Berichterstattungsformen dient daher auch dazu die etablierten Formen des Journalismus neu zu beleuchten und die Rückwirkungen zwischen den technologischen Verände-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 33 Einen Versuch Netzwerktheorie in einen geisteswissenschaftlichen Kontext zu übertragen, bietet Manfred Faßler (2001).

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rungen und den journalistischen Gattungen oder Produktionsverhältnissen zu diskutieren. In vielen Aufsätzen werden die Möglichkeiten dieser Wechselwirkungen besprochen: je nach Deutung können diese Banalisierung (Lemann), Subjektivierung (Allan 2009b) oder Ergänzung von alten und neuen Medien (Bruns 2008) sein. Primär die Untersuchungen, die den Citizen Journalist als strategische Figur der zeitgenössischen Medienlandschaft zu beschreiben, sind für diese Arbeit relevant, da die Konzeptionalisierung des Warrior Citizen Journalist als maßgebliche Sprecherfigur der Milblogosphäre daran anknüpft. Die Forschung, die den Citizen Journalist als zukunftsweisendes Modell für einen partizipativen Journalismus bestimmt, ist in diesem Kontext vielmehr als Primärquelle interessant. Die interaktive Beschaffenheit von Blogs führt dazu, dass sie in diesem Kontext häufig als Medium einer neuen partizipativen Öffentlichkeit oder Medienlandschaft untersucht werden und Teil von Makrotheorien zur Konvergenz und Partizipation werden (Castells 2000; Habermas 2008; Jenkins und Deuze 2008). Der Citizen Journalist verkörpert aus dieser Perspektive die Partizipation an einer Öffentlichkeit, die durch technologische und soziale Praktiken maßbeglich umstrukturiert wird (Hartley 2010; Jenkins 2006; Renzi 2008). Wie in der Darstellung zur Milblogforschung deutlich geworden ist, werden auch Milblogs in solch größere Zusammenhänge integriert. Neue Medien, wie der Blog, verändern die Fragestellungen und Vorgehensweisen der Forschungsbereiche, die sich mit ihnen auseinandersetzen. Die Einleitung abzuschließend, werden einige Anpassungen und Veränderungen im Umgang mit digitalen Texten diskutiert.

ARBEITEN

MIT DIGITALEN

M EDIEN

Da sich digitale Medientexte auf vielfältige Weisen verändern können und wenig von der materiellen und editorischen Stabilität gedruckter Bücher aufweisen, werden im Folgenden kurz die Besonderheiten von digitalem Text besprochen und die methodischen Folgerungen, die sich aus diesen Eigenheiten ergeben, dargelegt. Die Identifikation von Veränderung als grundlegendes Merkmal von digitalen Texten (Bleicher 2009:9) ist auf mehreren Ebenen bedeutsam: Erstens können Blogs auch Jahre nach der letzten Aktualisierung noch ergänzt, verändert oder gelöscht werden. Zweitens können sich Blogs vor der

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Untersuchung schon mehrfach verändert haben. Dies führt beispielsweise dazu, dass Kommentare auf ein ganz anderes Posting reagierten, als der Wissenschaftler es zum Zeitpunkt seiner Forschung vorfindet. Die Produktion und die Entwicklung von Blogs sind zwar größtenteils sichtbar (der Blogger postet die Inhalte allgemein gleich nach der Produktion und nicht Jahre später, wie es bei Buchveröffentlichungen der Fall sein kann), aber sie sind trotzdem oft schwierig nachzuvollziehen, denn die Änderungen werden nicht vermerkt und es gibt kein Blog-eigenes Archiv der früheren Versionen. Zum Beispiel kann oft nicht festgestellt werden, ob der Blog früher ein anderes Titelbanner hatte, oder ob ein Eintrag verändert oder zensiert wurde. Der Forscher ist auf eine Vielzahl von Hinweisen angewiesen, die ebenso unbeständig sind, wie der Blog selbst. Man muss sich in der Arbeit mit Blogs bewusst sein, dass der Blogeintrag ein Jahr nach seiner Veröffentlichung ein anderer sein kann, als der Text, der ursprünglich veröffentlicht wurde. Man muss sich zudem bewusst machen, dass nicht nur die nachträgliche Bearbeitung und Modulierbarkeit digitaler Medien zur Veränderlichkeit beiträgt, sondern auch die Rezeption an sich. Die Rezeption von Hypertexten ist ein interaktiver Prozess und die Wege durch einen linkreichen Blog sind wahrscheinlich stets andere. Dazu kommen Veränderungen in der Rezeption, die nicht auf Entscheidungen des Nutzers basieren: Vielleicht funktioniert während einer Analysephase ein Link, der davor nicht zur Verfügung stand oder der Softwareanbieter verändert die Angebotsstruktur. Zudem können die technologischen Bedingungen die Rezeption beeinflussen: Internetzugänge laden unterschiedlich schnell oder gar nicht, manche Rechner haben Java installiert, manche nicht oder eine verlinkte URL mit einem darauf gespeicherten Bild ist nicht mehr verfügbar. Digitale Texte verändern sich in der Rezeption nach Zeitpunkt, nach vorhandener Technologie und letztlich auch durch den Akt des interaktiven Lesens. Der Wissenschaftler muss reflektieren, dass die Rezeption von Blogs von vielfältigen Technologien abhängig und stets potentiellen Veränderungen ausgesetzt ist. Nicht nur die Einheitlichkeit oder Originalität digitaler Texte steht zur Disposition, sondern auch die Authentizität der Texte. Die Autorschaft eines Blogs kann teilweise nachvollzogen werden und die beschriebenen Ereignisse anhand anderer Darstellungen mit einer intersubjektiven Wirklichkeit verglichen werden (dies war zum Beispiel bei dem Vergleich von 365

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and a Wake Up mit Medienberichten aus der Zeit hilfreich, um dessen Bewertung politischer Ereignisse zu ermitteln). Letztlich ist die Verifizierung der Angaben über den Blogger und über dessen Erlebnisse in pseudonymen und anonymen Blogs schwierig. Noch weniger lassen sich die Angaben der allgemein anonymen Kommentierenden bestätigen. Dies ist jedoch für die Ziele dieser Arbeit auch nicht nötig: Gegenstand sind die Kriegsdarstellung und das Medienereignis und nicht eine Kriegswirklichkeit. Um der Veränderlichkeit des Blogs nachzukommen, wurden einige Regeln in der Bearbeitung aufgestellt, die den Umgang mit Blogs als digitalen Texten erleichtern und für andere Wissenschaftler nachvollziehbar machen: Veränderungen wurden soweit wie möglich nachvollzogen und in den Analysen festgehalten. Teilweise gibt der Blog selbst Hinweise auf Layoutveränderungen, gelöschte Einträge und Kommentare. Teilweise können Veränderungen mit Hilfe des sogenannten Internetarchivs, das eine chronologische Speicherung vieler Webseiten bietet, nachvollzogen werden. Ich habe mir ein grundlegendes Wissen der Internettechnologien angeeignet, um feststellen zu können, wo ein Bild vorhanden war, wo ein Link hinführte und ob ein Blog nachträglich verändert wurde. Ich arbeite gleichzeitig mit verschiedenen Versionen des Textes, um Veränderungen nachzuvollziehen und beschreiben zu können. Auffällige Veränderungen werden in der Dissertation festgehalten und die verschiedenen Versionen über die Angabe der URL in der Wayback Machine angegeben.34 Alle Blogs werden in der Blogbibliographie einmal mit voller URL zitiert. Wenn ein Blog nur einmal zitiert wird oder nur wenige Einträge zitiert werden, werden die Permalinks der zitierten Einträge in entsprechenden Fußnoten vermerkt. Bei Blogs die mehrmals zitiert werden, zum Beispiel die Blogs der Einzelanalysen, wird zu Anfang die URL zur Verfügung gestellt und dann werden die Postings mit Datum zitiert. Durch diese Zitationsweise wird die chronologische Ordnung der Blogs nachvollziehbar und die Postings werden unabhängig von dem Bestehen der Permalinks auffindbar. Schließlich wurde bei sämtlichen Blogzitaten der genaue Wortlaut

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 34 Die Wayback Machine ist selbst auch nicht unproblematisch, da die Aufzeichnungen sporadisch sind und die Webseite mal Fotografien lädt und mal nicht. Trotzdem ist die gemeinnützige Stiftung momentan der beste Ort um verschwundene Seiten und frühere Versionen von Blogs zu finden.

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zitiert und kein Zitat korrigiert. Da die Blogzitate sehr viele Fehler aufweisen, wurde darauf verzichtet, jeden Fehler in den Zitaten mit dem dafür üblichen sic zu vermerken. Neben den Problemen, die das Medium dem Wissenschaftler stellt, gilt es auch, den Umgang des Wissenschaftlers mit den Medien beziehungsweise dessen Produzenten zu klären. Den pragmatischen Regeln von Amy Bruckman vom Georgia Institute of Technology folgend (Bruckman 4.4.2002), gehe ich davon aus, dass Milblogs öffentlich sind und dass das Material zur öffentlichen Verwendung freigegeben ist, da es auf öffentlichen Webseiten zur Verfügung gestellt wurde. Einzelne Fotografien aus den Blogs wurden nur mit der Zustimmung des Bloggers abgedruckt.

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2. Die Medienspezifik des Blogs

Die Medienspezifik von Blogs wird in diesem Kapitel auf unterschiedlichen analytischen Ebenen untersucht und in dem Unterkapitel Das digitale Medium Blog als eine systematisierbare Einheit erfasst, um anschließend ein Analyseverfahren für diese Einheit vorzustellen. Die Analyse der Merkmale von Blogs im ersten Unterkapitel untersucht die Beschreibungsebene, die im medienwissenschaftlichen Vokabular häufig als technologisch oder aber als Kanal bezeichnet wird. Hier werden die technologischen Grundlagen des Blogs und dessen standardisierte Merkmale beschrieben.1 In einem zweiten Schritt werden, anhand der Postings, die Zeichensysteme des Blogs diskutiert. Damit wird die Beschreibungsebene erforscht, die im medienwissenschaftlichen Vokabular häufig als die symbolische oder textuelle Ebene bezeichnet wird. Unter Berücksichtigung der bereits bearbeiteten standardisierten Merkmale, werden im Unterkapitel Text im Blog: Das Posting der Aufbau und die Sprache des Blog-Postings analysiert. Aus der Untersuchung der Merkmale und des Textes werden zwei hervortretende Spezifika des Blogs ermittelt: der Sprecher und das Netzwerk, in dem dieser Sprecher verortet ist. Daher wird im Unterkapitel Der vernetzte Sprecher der blogspezifische Sprecher und die Eingebundenheit dieses Sprechers in internetspezifische Netzwerke diskutiert.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1

Das etablierte medienwissenschaftliche Vokabular lässt sich nicht unverändert übertragen, denn die Software auf ihre technologischen Eigenschaften, zum Beispiel die Programmiersprache, zu untersuchen wäre wenig aufschlussreich für die Kriegsdarstellung im Blog. Die hier untersuchte Ebene meint die Effekte der Software, die Merkmale, die der Nutzer sieht und anwenden kann.

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Blogs werden zudem im Verlauf dieser Analyse stets als entstehende Medien begriffen, die sowohl offline Medien als auch internetspezifische Formate blogspezifisch aufgreifen können. Diese Medientransformation geschieht unter historischen Bedingungen, die aktuell von Henry Jenkins unter dem Leitbegriff Konvergenz2 als ein vielschichtiger Prozess der Remediatisierung3, Partizipation und Zentralisierung beschrieben werden. Diese Perspektive erleichtert die Bestimmung der Medienspezifik, da Blogs dadurch mit anderen Medien verglichen und in eine Entwicklung eingeordnet werden können. Diese historische Perspektive auf das Medium wird in die ausgeführten Arbeitsschritte integriert und verschiedene online und off-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2

Konvergenz beschreibt das Zusammenfließen von Einzelmedien in anderen Medien, zum Beispiel Fotografie und Ton im Kino. Vor allem in Bezug auf digitale Medien ist der Begriff zu einem Schlagwort für das Potential digitaler Medien, alle anderen Medien in sich zu vereinen, geworden und steht für den Traum einer finalen Black Box, in der alle Medien vereint ein ultimatives Erleben versprechen. Die Medienwissenschaftler Henry Jenkins und Mark Deuze sind bemüht, das Konzept zu differenzieren und wissenschaftlich anwendbar zu machen (Deuze 2006; Jenkins und Deuze 2008). Konvergenz meint dann einen kulturellen Prozess, in dem die Funktionen und der Status von etablierten Medien durch die Einführung von neuen Technologien in neue Medien übertragen werden. Da Jenkins Medien als soziale Systeme versteht, bedeutet dies auch Veränderungen in der Zusammensetzung des Publikums und der Produzenten (Jenkins 2006:14). In Bezug auf digitale Medien meint Konvergenz beziehungsweise der weitere Begriff Convergence Culture dann das Zusammenlaufen unterschiedlicher Medien in Neuen Medien, die Partizipation des Publikums an der Produktion, Verteilung und Veränderung von Medien und Medieninhalten und die Konzentration von Medienproduktion in einigen wenigen Medienkonglomeraten (Jenkins 2006:17-18).

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Mit dem Begriff Remediation beschreiben Jay David Bolter und Richard Grusin die Repräsentation eines Mediums in einem anderen (1999:45). Dieser Prozess ist stets geleitet von den kulturellen Logiken der Unmittelbarkeit und Hypermedialität. Mark Deuze sieht Remediation als eine Art der Medienzusammenführung in dem übergeordneten Prozess der Konvergenz (Deuze 2006).

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line Medien und Gattungen als Vorgänger für die Bestimmung des Blogs herangezogen.4 Diese zwei Untersuchungsperspektiven ergeben zusammengenommen folgende Bestimmung des Blogs: Blogs sind entstehende, digitale Medien, deren wichtigste Merkmale der Sprecher und die Einbindung in ein Netzwerk sind. Der Blog weist Merkmale konventioneller, schriftlicher Darstellung auf. Die Darstellungsverfahren werden jedoch viel deutlicher als in Printgattungen variiert und es können diverse Formate in einem Blog auftreten (siehe dazu v.a. Kapitel 5). Gleichzeitig verändern die Digitalität, Dispersion, Interaktivität und Hypertextualität des Internets die Verfahren: zum Beispiel durch die Umstrukturierung des Textes in abgeschlossene Postings, durch ein ständiges Wegführen vom Text durch die Links und durch die fehlende Materialität und Institutionalisierung. Der Blog muss daher als entstehendes Medium begriffen werden, das vielfältige und internetspezifisch veränderte Muster der Darstellung vereinen kann. Die variierenden Darstellungsverfahren werden durch die Dominanz des Sprechers kohärent. Unterstützt durch eine dominante Autorfunktion und mehrfache Präsenz im Medium, knüpft dieser Blogsprecher an etablierte Modelle der Selbstdarstellung an, die ein einheitliches Subjekt postulieren. Doch die (Selbst-)Darstellung ist erstens maßgeblich durch die gängigen Darstellungsverfahren der Sozialen Netzwerke und zweitens durch die kommunikativen Positionen, die in den Netzwerken zur Verfügung stehen, geformt. Der blogspezifische Sprecher ist stets in ein Netzwerk aus Bloggern eingebunden, das sowohl die Arten und Weisen der Darstellung im Blog, als auch die Kommunikationsprozesse prägt.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4

Eine der Schwierigkeiten dieses Vorgehens ist, dass andere internetspezifische Medien, wie zum Beispiel die Webseite, in sich auch Remediationen von anderen Medien sind − weitere werden in dem Unterkapitel Das Neue Medium Blog beschrieben. Konvergenz kann nicht als linearer Prozess, in dem ein Medium im chronologischen Nachfolger aufgeht und alle Medien schließlich in einer Blackbox zusammengefügt werden, gedacht werden. Remediation muss als ein Prozess verstanden werden, in dem verschiedenen Medien, aber auch Teilaspekte von Medien, wie die Perspektive, oder in unserem Fall auch Gattungen, anhand bestimmter kultureller Logiken, ineinander aufgenommen werden oder aufgehen (J. D. Bolter und R. Grusin 1999:33).

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D IE M ERKMALE

DES

B LOGS

Die folgende Untersuchung der standardisierten Merkmale von Blogs bezieht sich auf die Blogs der großen Anbieter5 und orientiert sich am Aufbau eines Blogs, wie er für Nutzer auf dem Computerbildschirm erscheint (siehe Abb. 1 und 2). Die standardisierte Blogsoftware macht es möglich, trotz der immensen Zahl von Blogs, eine allgemeingültige Beschreibung der technologischen Voraussetzungen und der strukturellen Merkmale von Blogs zu geben. Grundlegend für den Blog ist die computervermittelte Kommunikation, die durch das Internet und das World Wide Web ermöglicht wird: Das Internet besteht aus einer Reihe von Digitalrechnern, welche über ein technisches Verfahren namens TCP/IP und tausenden darauf aufbauenden Verfahren, wie beispielsweise HTTP, Daten austauschen.6 Das World Wide Web ist die Summe aller über HTTP zugänglichen Ressourcen (Jones 2003:42). Jede dieser Ressourcen hat eine URL.7 Diese Ressourcen können unter anderem Dokumente, Bilder, Videos und andere multimediale Formate sein. Dokumente sind in der Regel in HTML/CSS kodiert. Die

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5

Vor allem Blogger beziehungsweise Blogspot, Wordpress und als Teil von anderen Angeboten auch MySpace und Messenger Blogs.

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Die Digitalität, also die numerische Repräsentationen aller Objekte, bedeutet, dass die Inhalte veränderbar, modulierbar oder auch transkodierbar sind (Manovich 2001:17). Zudem ist die Übertragung dispersiv, das heißt sie findet nicht von einem großen Sender hin zu vielen kleinen Empfängern statt, sondern wird über ein Netzwerk mit, infrastrukturell gesehen, vielen, kleinen, gleichwertigen Teilnehmern geleistet (Lister 2003:30).

7

URL ist die Abkürzung für Uniform Ressource Locator und wird in der Wikipedia folgendermaßen definiert: „URLs identifizieren und lokalisieren eine Ressource über die zu verwendende Zugriffsmethode (z.B. das verwendete Netzwerkprotokoll wie HTTP oder FTP) und den Ort (engl. location) der Ressource in Computernetzwerken“ (Wikipedia 2011). Eine Anmerkung zur Verwendung der Wikipedia: Obwohl die Wikipedia in vielen Fällen problematische Behauptungen beinhaltet, ist sie in Bezug auf technisches Wissen über digitale Medien eine zuverlässige Quelle und wird daher in einigen Fällen in dieser Arbeit als Definitionsquelle herangezogen.

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HTML/CSS-Software der Bloganbieter hält auf einer von den Anbietern zur Verfügung gestellten URL eine Reihe von standardisierten Features bereit. Diese Software kann auch in ein anderes Medienformat integriert werden und der Blog kann beispielsweise Teil eines MySpace-Profils werden. Aufgrund der erleichterten Konvergenz der digitalen Medien, spielen verschiedene webbasierte Dienste, wie zum Beispiel Flickr und YouTube, eine große Rolle, die wiederum eigene zugrundeliegende Software bereitstellen. Abbildung 1: Titelbanner, Posting, Kommentare und About

ȱ Quelle: A Day in Iraq (I Need Camera Advice: 4.11.2004)

Die URL eines Blogs besteht generell aus dem Titel des Blogs und dem Anbieternamen, zum Beispiel http://adayiniraq.blogspot.com/. Unter dieser URL ist stets die Hauptseite und der aktuellste Eintrag zu finden. Zusätzlich zu dieser Hauptseite erhält jedes Posting und teilweise auch jede Fotografie eine eigene URL mit dem Eintragstitel, dem sogenannten Permalink. Ein Blog besteht also zusätzlich zu seiner Hauptseite aus Einzelseiten, die auch individuell angelinkt, getagged oder gesucht werden können. Der Permalink zur Abbildung 2 ist beispielsweise http://adayiniraq.blogspot.com /2004/11/i-need-camera-advice.html#comments. Da der Blog also nicht aus einer sehr langen Webseite besteht, sondern aus vielen einzelnen Elementen, gibt er zwar durch seinen Aufbau gewisse Strukturen vor, die jedoch

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außer der aktuellen Hauptseite nicht dominant sind, sodass der Blog von jedem Nutzer potentiell unterschiedlich, in unterschiedlichen Reihenfolgen und durch verschiedene Einstiegspunkte genutzt werden kann. Zudem können die Permalinks einzeln verlinkt werden: Verlinkt man einen Blogeintrag, wird dieser dem jeweiligen Blogger über das Trackback angezeigt. Der Blogger könnte dann denjenigen, der ihn angelinkt hat, ebenfalls erwähnen. Der RSS-Feed erlaubt es, die Titel der neuen Einträge in einer Übersicht dargestellt zu abonnieren und erleichtert die Bildung von Sozialen Netzwerken (Schmidt 2006:14). Zudem ermöglichen Trackback und RSS-Feeds die Indexierung von Blogs durch Informationsaggregatoren wie das Nachrichtennetzwerk Digg oder die Bookmarkingwebseite Delicious. Abbildung 2: Archiv und Blogroll

ȱ Quelle: A Day in Iraq (I Need Camera Advice: 4.11.2004)

Vermutlich reflektieren die meisten Nutzer diese, dem Blog zugrundeliegenden, Technologien kaum, denn die Bloganbieter haben die technische Eigenleistung auf ein Minimum reduziert und machen den Blog zu einer Kombination verschiedener Anwendungen, in denen einzelne Teile persön-

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lich gestaltet werden können, der Hauptteil jedoch standardisiert ist.8 In der nun folgenden Untersuchung werden die für den Nutzer sichtbaren Merkmale des Blogs – Posting, Titelbanner, Kommentare, About, Archiv und Blogroll – analysiert. Das zentrale Merkmal eines Blogs ist das Posting (siehe Abb. 1), das sich in der Mitte der Webseite befindet. Es wird von einem Titel und unten von Angaben zum Datum, Uhrzeit und Autor des Postings eingerahmt. Es besteht meistens aus zusammenhängendem Hypertext und weist häufig Fotografien und Videos auf. Das chronologisch letzte Posting steht ganz oben, darunter folgen die vorangegangenen Einträge. Der Blog besteht aus einzelnen, in sich geschlossenen Einträgen, die durch die Permalinks jeweils eine eigene URL besitzen, von denen die Aktuellsten auf der Hauptseite chronologisch geordnet auftreten. Durch diese Posting-Struktur ist der Blog zeitlich offen, denn es gibt kein festgelegtes Ende, sondern stets nur das letzte Posting, das entweder in der kürzeren Vergangenheit oder sogar in einer geteilten Gegenwart zwischen Blogger und Leser existiert. In vielen Fällen wird ein Blog nach einer gewissen Zeit nicht mehr regelmäßig betrieben und nur noch selten aktualisiert. Ein Aufhören kann es nur dann geben, wenn der Blog gelöscht wird. Schon nach dieser kurzen Beschreibung wird deutlich, dass der Text, der dem Nutzer im Blog erscheint, zwar in einem bekannten Gesicht auftritt, aber die bekannte Druckschrift zum Beispiel durch Hypertextualität (die Links) und Transkodieren (das Einfügen von anderen Medien) ergänzt und verändert wird. Da es sich um Hypertext handelt, können Links in den Text eingebaut werden und die Digitalität erlaubt die Gestaltung multimedialer Postings mit zum Beispiel Musik, Fotografien oder Videos.9 Wird ein Posting verfasst, muss der oder die Bloggerin sich bei dem SoftwareProvider einloggen und kommt auf eine gesonderte Version des Blogs, in der editiert, überprüft und eingefügt werden kann. Das sogenannte push-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8

Lois Ann Scheidt und Elijah Wright bestätigen diese Annahme in einer Untersuchung des personalisierten Webdesigns von Blogs: „[I]ndividual webloggers do not tend to make substantive structural changes to the layout of their sites“ (Scheidt und Wright 2004).

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Bestehen die Postings eines Blogs zum Großteil aus Fotografien oder Videos werden diese einer Untergruppe, Fotoblogs oder Videoblogs zugeordnet.

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button publishing bietet vor der Veröffentlichung die Möglichkeit, die Einträge Korrektur zu lesen und im Vorschaumodus deren späteres Aussehen zu überprüfen. Blogger können auch schon veröffentlichte Postings editieren und Geschriebenes löschen oder verändern, ohne dass kenntlich gemacht werden muss, wenn eine Veränderung stattgefunden hat.10 In vielen Fällen folgt auf das Posting ein Link zu Kommentaren, die sich entweder auf dem Permalink direkt unterhalb des Textes befinden oder in einem separaten Kästchen sozusagen ausklappen.11 Nutzer können in diesem Feld meistens ohne Anmeldung einen Text hinterlassen, in welchem sie das Posting bekräftigen, kritisieren oder anders auf den Text reagieren und damit für jeden folgenden Nutzer zu einem Teil des Textes werden. Die Kommentare sind nicht Teil des Postings, werden aber direkt darunter angezeigt. Sie sind leicht zugänglich und eine weitaus augenscheinlichere Form der Interaktivität als der oben angesprochene Prozess des gestaltenden Lesens. Die Interaktivität ist jedoch limitiert, denn der Blogger hat die Möglichkeit moderierend in die Diskussionen einzugreifen (Nardi, Schiano und Gumbrecht 2004). Die Möglichkeit zur Moderation bedeutet, dass in der Analyse die Kommentare nicht uneingeschränkt als offener Austausch oder Interaktion betrachtet werden können, sondern, dass diese auch zensiert sein können. Das Posting wird von wechselnden Paratexten12 eingerahmt: beispielsweise Titelbanner, Bilder, Werbung und Spruchbänder an den Seitenrän-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10 Einige machen freiwillig Veränderungen kenntlich, indem sie Geschriebenes durchstreichen. 11 Auch die Aktivierung der Kommentarfunktion ist nicht hauptsächlich auf die Präferenz der Nutzer zurückzuführen, sondern vor allem auf die Einstellungen der Blogprovider (Herring u.a. 2005:7). Ist also bei Blogger die Kommentarfunktion standardmäßig eingerichtet, werden die Kommentare tendenziell zugelassen beziehungsweise die Funktion wird nicht geändert. Wenn Kommentare oder andere Features von dem Nutzer erst eingerichtet werden müssen, treten diese viel seltener auf. 12 Der Begriff Paratext ist aus der Narratologie importiert: Dort bezeichnet er Elemente außerhalb der Erzählung, die mit dieser verbunden sind (Abbott 2002:194). Der Begriff bezieht sich beispielsweise auf die Bindung, das Titelblatt und das Inhaltsverzeichnis eines Buches, kann aber auch Rezensionen oder

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dern. Nicht nur die Blogpostings, sondern auch die Paratexte sind multimedial und hypertextuell. Auch hier können verschiedenste Medien integriert beziehungsweise in Fällen wie dem Titelbanner, Bild und Text zusammengefügt werden. Einige dieser paratextuellen Elemente weisen nicht auf den Text selbst hin, sondern auf andere Webseiten. Abbildung 3: Das Titelbanner des Milblogs Army of Dude

ȱ Quelle: Army of Dude (Titelbanner)

Die Blogtitel werden mit Untertiteln, thematischen Motiven und Hintergründen in jedem Blog einzeln gestaltet. Diese Titelbanner dienen nicht nur der Identifikation des Blogs beziehungsweise der Selbstdarstellung des Bloggers, sondern auch der Einordnung in ein Netzwerk. Die visuelle Gestaltung greift daher häufig auf etablierte Motive der jeweiligen Blogosphäre zurück: Wiederkehrende Motive in Milblogs sind zum Beispiel Soldaten in Kampfuniform, Adler, Waffen und die Wüste.13 Diese visuellen Codes, die die Verortung beispielsweise in die Milblogosphäre erleichtern, haben eine hohe Funktionalität, denn sie lassen den Blognutzer leicht erkennen, in welchem Netzwerk der Blog zu verorten ist. Die Seitenränder des Blogs können für Links zu anderen SocialNetworking-Seiten, beispielsweise zum Facebook-Profil oder zum Twitter-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ähnliches bezeichnen. Im Kontext dieser Arbeit wird der Begriff aus der Narratologie importiert, um die Merkmale, die das Posting rahmen, also zum Beispiel das Titelbanner oder Werbung zu kennzeichnen und von den anderen Merkmalen des Blogs, wie das About oder die Blogroll, zu differenzieren. 13 Diese Motive sind nicht internetspezifisch, sondern entstammen größtenteils einer US-amerikanischen, militärischen Ikonografie.

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Account, genutzt werden. Wenn es sich um einen A-List Blog handelt, der in seiner Blogosphäre eine wichtige vernetzende Funktion hat, können dort Werbungen platziert oder Projekte und Anliegen der Gruppen präsentiert werden.14 Bisher wurde das Posting und dessen Paratexte vorgestellt, doch sind neben dem Posting noch weitere blogspezifische Merkmale auszumachen: Rechts und links des aktuellsten Postings befindet sich der Link zum About, häufig ein kleines Foto oder ein paar grundlegende Informationen zum Blogger sowie das Archiv wichtiger oder aktueller Postings, welche kalendarisch und thematisch aufgelistet werden. Das About bietet wichtige Überblicksinformationen, denn es gibt im Blog außerhalb der Postings keine Stelle, an der Anliegen, Funktion und Blogger dargestellt werden können. Bei Blogger und anderen Bloganbietern öffnet der weiterführende Link About einen Permalink, auf dem der Name des Bloggers und dann eine individuell zusammenstellbare Liste von Grunddaten, zum Beispiel Geschlecht, Beruf und Familienstand, stehen. Darunter erscheint der eigentliche Text, der sehr unterschiedlich ausfallen kann, von einer nüchternen Beschreibung in der dritten Person bis zu einer humorvollen und detaillierten Darstellung der persönlichen Überzeugungen. Optional kann darunter eine Liste von Favoriten folgen, in der zum Beispiel Lieblingsfilme und Bücher aufgelistet werden. Abgeschlossen wird das About in einigen Blogs durch eine Liste von eigenen Blogs und von Mitgliedern dieses Blogs. Das About liefert nicht nur wichtige biographische Grundinformationen, sondern charakterisiert den Sprecher zusätzlich durch das Netzwerk und intertextuelle, popkulturelle Codes. Im About lässt sich üblicherweise keine ausführliche Biographie finden, sondern eine dem Netzwerk entsprechende Sprecherpositionierung, in der Anliegen, Motivation, politische, sexuelle oder sonstige Orientierungen und Gruppenzugehörigkeiten geschildert werden. Zusätzlich zu dieser expliziten Selbstdarstellung sind die Listen, ähnlich wie die Bildcollagen der Titelbanner, Codes, die den Sprecher über ihre Verankerung in ein komplexes Bedeutungsgeflecht charakterisieren können (siehe dazu Kapitel 6). Die Charakterisierung des häufig pseudonymen Sprechers geschieht in diesen Fällen nicht in erster Linie über

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14 Dies geht mit der Kommerzialisierung von Blogs einher (Wall 2009).

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persönliche Daten, denn der biographische Teil ist meistens kurz gehalten. Sie resultiert aus der Positionierung innerhalb des popkulturellen Bedeutungsfeldes, das ähnlich wie bei einem literarischen Kanon von Distinktionsskalen durchdrungen ist. Das aus Permalinks bestehende Archiv befindet sich meistens unterhalb des Abouts und ist ein nach Monaten sortierter Kalender, der in manchen Fällen durch ein nach Kategorien sortierten, thematischem Archiv ergänzt wird. Diese Kategorien oder Tags15 unterstützen nicht nur die thematische Ordnung einzelner Blogarchive, sondern können von anderen Nutzern oder Suchmaschinen aufgegriffen, in verschiedene Sammelseiten aufgenommen und in weit größere Archive oder Datenbanken eingeordnet werden und machen die Blogosphäre über die erwähnten Sammelstellen und Suchmaschinen semantisch zugänglich.16 Das Archiv macht den Blog nicht nur übersichtlich und kategorisierbar, sondern es gibt dem Blog eine zusammenhängende, temporale Struktur, die Entwicklungen über die einzelnen Postings hinaus ermöglicht. Der Nutzer kann Einträge nachlesen und Aussagen des Bloggers bis zu einem gewissen Grad vergleichen oder überprüfen, denn der Blogger kann seine Einträge nach der Veröffentlichung verändern. Das Archiv ermöglicht eine Reihe von Lesarten, die über die chronologische hinausgehen: Über Links können einzelne Postings erreicht und sofort wieder verlassen werden. Der Kalender macht das Springen im Text genauso möglich, wie ein sorgfältiges, chronologisches Lesen und die Indexierung über die Tags lässt ein über die Inhalte strukturiertes Lesen zu. Das Archiv (siehe Abb. 2) grenzt Blogs von Chats und anderen synchronen Medien ab, denn durch diese Funktion erhält der Blog eine nach-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15 Der Begriff Tags bezeichnet vom Nutzer eingegebene Metadaten, die einen Text, Fotos etc. beschreiben und auffindbar machen. In vielen Fällen bedeuten Tag und Kategorie das Gleiche. Nur manche Anbieter, wie zum Beispiel Wordpress, machen hier einen Unterschied. 16 Es wäre falsch sich vorzustellen, dass die Tags die digitalen Informationen an sich in Bezug zu einander stellen. Nicht jeder Blog hat seine eigene Datenbank. Vielmehr ist es so, dass die großen Anbieter Datenbanken haben, in denen jeder Blog nur einen winzigen Teil ausmacht. Die Information ist also tatsächlich schon zusammengefügt, die Nutzer strukturieren sie dann durch ihre Links.

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vollziehbare Vergangenheit: Der Blog wird durch das Merkmal Archiv grundsätzlich von einem reinen Vermittlungsmedium zu einem Speichermedium. Medienformate, die näher an Chats angelehnt sind, wie zum Beispiel Imageboards, lassen nur eine bestimmte Zahl von Einträgen auf einer Hauptseite zu. Die vorher geposteten Bilder, Threads und Antworten verschwinden nach einer gewissen Zeit und müssen separat archiviert werden. Ein Blog kann zwar offline gestellt werden, aber solange er noch online ist, sind alle vergangenen Einträge zugänglich, vorausgesetzt der Blogger hat diese nicht gelöscht. Betrachten wir den Blog aus der bereits eingeführten diachronen Perspektive als entstehendes Medium, lassen sich die soeben beschriebenen Merkmale ordnen: Posting, About und Archiv können als Remediationen von Offlinemedien, wie dem Buch, beziehungsweise Offlinegattungen, wie dem Tagebuch, betrachtet werden. Die Postings erinnern an Kapitel, das About ist der Klappentext und das Archiv das Inhaltsverzeichnis. Nicht als Remediation von offline Medien oder Gattungen zu denken, sondern als internetspezifische Merkmale des Blogs sind die bereits besprochene Lesestruktur, die Kommentare und die vielen wegleitenden Links. Im Rahmen dieser internetspezifischen Merkmale muss schließlich noch die Blogroll analysiert werden. Diese Analyse erweitert die Betrachtung der Medienspezifik des Blogs als Remediation, um die Betrachtung von Blogs als Medien der interpersonalen Kommunikation,17 die soziale Netzwerke bilden können.

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ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17 danah boyd definiert Blogs als soziale Medien. Soziale Medien sind digitale Medien, die sowohl den Austausch zwischen Menschen als auch zwischen Menschen und Daten ermöglichen: „[W]eb software that is all about letting people interact with people and data in a fluid way“ (boyd 2006). Durch die interpersonale Kommunikation, die die Interaktion zwischen einzelnen Bloggern ermöglicht, und die Links, die als Verbindungsglieder zwischen den Blogs fungieren, können Blogs computervermittelte, soziale Netzwerke bilden.

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D IE M ERKMALE

DES B LOGS UND DIE INTERPERSONALE K OMMUNIKATION

Die Merkmale des Blogs bieten verschiedene Formen der interpersonalen Kommunikation. Diese Kommunikation kann zur Bildung von Beziehungen und Gemeinschaften von Kommunikationsteilnehmern beitragen (Hourihan 2002). Jan Schmidt bespricht in seiner Studie diese Funktion von Blogs im Aufbau sozialer Netzwerke: „Weblogs unterstützen den Aufbau und die Pflege von sozialen Netzwerken und verstärken damit einen allgemeinen Trend des relativen Bedeutungsverlusts räumlich begrenzter und eng verbundener Gemeinschaften zugunsten von eher locker verbundenen und geographisch dispersiven Netzwerken“ (Schmidt 2006:51). Die Blogroll ist eines der Blog-Merkmale, die die Bildung von Netzwerken verschiedener Blogs unterstützt. Sie besteht aus einer Liste von Links zu anderen Blogs, die sich meistens in der unteren, rechten Hälfte der Hauptseite findet. Auf die Blogroll werden Links gesetzt, die der Blogger lesenswert findet oder unterstützt; oder aber Blogs, die den eigenen Blog in die Blogroll aufgenommen haben (vgl. Abb. 2).18 Die soziale Vernetzung des Blogs findet neben der Blogroll zudem in den Kommentaren und Postings ihren Ausdruck: In den Kommentaren kann ein Leser direkt auf ein Posting reagieren; in den Postings können Links zu anderen Blog-Postings gemacht werden. Letztlich wird die interpersonale Kommunikation durch die bereits erwähnte Trackback-Funktion und den RSS-Feed erleichtert. Der Kommunikationswissenschaftler Barry Wellman betrachtet soziale Netzwerke als zeitgenössische Form der Gesellschaftsorganisation: Seit den 1970ern wurden Veränderungen der Ordnung von Gemeinschaft festgestellt, die dazu führten, dass lokal organisierte Gruppen, zum Beispiel die Dorfgemeinschaft, an Bedeutung verloren (Wellman 2002:156). Es wurde, auch durch Kommunikationstechnologien, möglich, ortsungebunden Gemeinschaften zu bilden.19 Um diesen Veränderungen nachzukommen und

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18 Die Blogroll wird ergänzt durch Links zu anderen frequentierten Onlinequellen, wie zum Beispiel zu Nachrichtenseiten oder Webseiten der eigenen Interessenverbände. 19 Soziologen wie Manuel Castells setzen Netzwerke als dominantes Paradigma für das Verständnis der zeitgenössischen Gesellschaft. In The Rise of the Net-

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diese neuen Gemeinschaften zu bezeichnen, wurde der Begriff Netzwerk gewählt: Given this movement from the local and the densely-knit to the far-flung and the sparsely-knit, it is not useful to think about community as group-like neighborhoods and villages. It is more useful to define community as networks of interpersonal ties that provide sociability, support, information, a sense of belonging, and social identity. (Wellman 2002:153)

Barry Wellman spezifiziert dieses Gesellschaftsmodell, indem er von individualisierten Netzwerken spricht, in denen der Einzelne ein Geflecht von unterschiedlichen Netzwerken navigieren kann (Wellman 2002:160). Mit dem Internet wurde in den 1990ern ein System von Computernetzwerken populär, das die interpersonale Kommunikation und die Bildung von räumlich losgelösten, sozialen Netzwerken erleichterte. Das Internet ist an sich bereits in einer technologischen Netzstruktur organisiert, doch die Ausformung und Popularisierung ist maßgeblich von sozialen Netzwerken bestimmt. Wellman betont diese Verschränkung: Computer networks and social networks resonate with one another. Because the developed world had already begun changing into a networked society, the Internet could take root in the 1990s. In return, the Internet’s flexible openness to intermittent communication with all comers encouraged the ongoing transformation of work and community into social networks. (Wellman 2002:160)

Computernetzwerke unterstützen daher die Ausbildung von sozialen Netzwerken. Solche computervermittelten, sozialen Netzwerke, die durch die Merkmale des Computers und des Internets geprägt sind, werden im akademischen Sprachgebrauch meistens als Social Networks, im Deutschen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ work Society beschreibt Castells Netzwerke als charakteristische, soziale Struktur des Informationszeitalters und erklärt anhand dieses Paradigmas zeitgenössische Phänomene wie die Globalisierung (Castells 2000).

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dann als soziale Netzwerke, oder aber als Social Networking Sites beschrieben.20 Blogs, in ihrer Eigenschaft als Medien, die den Austausch zwischen Personen und Daten fördern, können computervermittelte soziale Netzwerke bilden und sind im Rückkehrschluss maßgeblich durch die Strukturen dieser Netzwerke geprägt:21 Zum Werkzeug des Beziehungsmanagements werden Weblogs schließlich durch die Förderung interpersonaler Kommunikation, in deren Verlauf sich hypertextuelle und soziale Netzwerke herausbilden. Sie stellen dem Einzelnen Sozialkapital zur Verfügung, das wiederum für Informationszwecke, Unterstützungsleistungen oder für die Stabilisierung von (Teil-) Identitäten mobilisiert werden kann. (Schmidt 2006:172)

In Bezug auf Blogs werden diese Netzwerke auch als Blogosphären beschrieben: eine Gruppe von über die Blogroll verbundenen Blogs, die häufig ein Thema oder Interesse teilen und interpersonal kommunizieren (Kumar u.a. 2004:35). Diese Netzwerke sind durch Knotenpunkte strukturiert, die vielen kleinen Spinnennetzen entsprechen (Adamic und Glance 2005:5; Tremayne u.a. 2006:xi).22 Die Blogosphäre ist keine Gesamtheit,

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20 Terry Flew benennt die drei Ebenen: technical network, social network und socio-technical network (Flew 2008 30). Wenn in dieser Arbeit der Begriff Soziale Netzwerke verwendet wird, ist damit die dritte Ebene, das soziotechnologische Netzwerk gemeint. 21 Alle Blogs können aufgrund ihrer technologischen Beschaffenheit Soziale Netzwerke bilden, doch nicht alle tun dies. Wie Susan Herring und andere immer wieder betonen, gibt es sehr viele Blogs, die weder Links noch Kommentare haben und isoliert existieren (Herring, et.al. 2005 1). Die meisten im Rahmen dieser Forschung gesichteten Milblogs hatten jedoch sowohl Links und Kommentare und viele sind in die Milblogosphäre eingebunden. Die Betonung der Netzwerke in dieser Analyse ist daher plausibel, doch muss bedacht werden, dass dies ein Potential der Medienspezifik ist und keine zwangsläufige Nutzung beinhaltet. 22 Barry Wellman weist in seinen vielfältigen Untersuchungen von Netzwerkstrukturen darauf hin, dass soziale Netzwerke nicht da aufhören wo das Internet aufhört, sondern, dass ein Netzwerk sowohl online als auch offline existieren kann

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sondern zergliedert sich in kleinere Netzwerke, die untereinander stark vernetzt sein können, aber nicht unbedingt mit anderen Blogosphären vernetzt sein müssen (Rettberg 2008:52). Die Strukturen der Netzwerke sind nicht spontan oder jenseits von sozialen Machtstrukturen geordnet, sondern anhand von einer internetspezifischen Medienökonomie, die häufig als eine Aufmerksamkeitsökonomie bezeichnet wird (z.B. bei Goldhaber 1997; Löffelholz 2004). Abbildung 4: Das Netzwerk der A-List Newsblogs zu Anfang des Irakkriegs

ȱ Quelle: Mark Tremayne. Issue Publics on the Web, 2006

Diese Hierarchisierung der Netzwerke kann in Bezug auf Blogs durch die Betrachtung von A-List Blogs nachvollzogen werden, die Rebecca Blood schon in ihrem frühen Buch The Weblog Handbook als die aus der Masse herausragenden Spitzenreiter der Aufmerksamkeitsökonomie der Blogosphäre identifizierte (2002): In fast jeder Blogosphäre gibt es Blogs, die bekannter sind als andere, sei es weil sie früh angefangen haben, häufig posten oder, im Fall von Newsblogs, ein Versäumnis der etablierten Medi-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ (vgl. Wellman 2001, Wellman 2002). Dies trifft für das Netzwerk von Milblogs zu, denn die recht lose Verbindung von Blogs in der Milblogosphäre verdichtet sich offline zum engeren Netzwerk der Milblogging-Community.

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en aufgedeckt haben und dadurch Berühmtheit erlangten. Diese Blogs werden aufgrund ihrer Bekanntheit auf vielen Blogrolls angelinkt und dadurch verstärkt wahrgenommen und schließlich zu Knotenpunkten der jeweiligen Blogosphäre. Diese sind die sogenannten A-List Blogs, die durch hohe Zahlen von hinführenden Links viele Besucher und eine größere Medienpräsenz für sich beanspruchen können. Sie existieren im Gegensatz zur Mehrzahl von Blogs, die einen kleinen Kreis an oft vorher schon bekannten Nutzern haben (Adar u.a. 2004:3). Eine für die Analyse der Milblogosphäre relevante Illustration (siehe Abb. 4) bietet der Medienwissenschaftler Mark Tremayne (u.a.) durch die Visualisierung der Verbindungen zwischen konservativen und liberalen A-List Blogs zu Anfang des Irakkriegs, die zugleich die politische Newsblogosphäre dieser Zeit darstellt (Tremayne u.a. 2006). Zusammenfassend lässt sich feststellen: Der Betrieb des Blogs innerhalb des World Wide Web und die blogspezifischen Merkmale tragen dazu bei, „dass eine hochgradig intern und mit anderen Online-Inhalten vernetzte Blogosphäre entst[eht]“ (Schmidt 2006:14). Selbst wenn ein Posting als eigenständiger und nicht vernetzter Text auftritt und auch so gelesen wird, ist es in ein computervermitteltes soziales Netzwerk eingebunden. Dieses Netzwerk beeinflusst die Inhalte, das Format und die Rezeption durch Abgrenzung, beispielsweise von den MSM, durch Annäherung an das eigene Netzwerk und durch die Ökonomien und Hierarchien dieser Netzwerke. Maßgeblich für diese Netzwerke sind die interpersonale Kommunikation zwischen Bloggern und der Auftritt des Blogs als Medium eines bestimmten Sprechers. Diesem Aspekt wird in der folgenden Diskussion des Textes im Blog noch genauer nachgegangen.

T EXT

IM

B LOG : D AS P OSTING

Die Medienspezifik des Blogs ist durch eine prozesshafte Integration von etablierten Medienformaten in zeitgenössische computervermittelte Kommunikation charakterisiert. Der Text im Blog existiert in einem Netzwerk von Daten (Hypertext) und Personen (Soziales Netzwerk). Im Folgenden wird untersucht, wie Text unter solchen Bedingungen besteht.

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Jeder Blog besteht aus Postings, wächst und wird bekannt durch sie – ohne Postings bleibt der Blog eine leere Hülle.23 Die Aktualisierung des Blogs durch neue Postings und deren chronologische Anordnung geben dem Blog eine zeitliche Ordnung: Die Zeitangaben erlauben einen geteilten Zeitrahmen zwischen Bloggern und Nutzern, denn sowohl das Datum als auch die Uhrzeit des Geschriebenen sind für den Leser des Blogs nachvollziehbar. Der gesamte Blog wird meistens jedoch nicht anhand einer übergreifenden Dramaturgie geordnet und ohne ein konkretes Ziel geschrieben.24 Selbst schon lange nicht mehr aktualisierte Blogs werden plötzlich aktualisiert, der Blogger beginnt wieder regelmäßig zu schreiben oder hält seine Besucher zumindest immer wieder auf dem Laufenden. Statt eines Endes gibt es ein Stillgelegt werden, in dem nichts mehr passiert und die Erzählung sich dann im Nichts verläuft. Inhalte und Formate der einzelnen Postings können stark variieren und müssen sich vor allem nicht aneinander anschließen.25 Die resultierende Erzählung besteht aus vielen einzelnen Einheiten, durch die sich gleichbleibende Plot-Elemente ziehen können. Das Rückblickende, Zusammenfassende und Selektierende einer Autobiographie fällt weg. Klare Vorgaben dafür, was wichtig oder unwichtig, erzählenswert, belanglos oder zielführend für den Blog als Text sein mag, gibt es nicht. Von bewegenden Einträgen bis zu alltäglichen Anmerkungen, Intimes und Politisches, alles kann

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23 Das Posting ist das ausschlaggebende strukturelle Merkmal des Blogs. Postings können sehr unterschiedlich gestaltet werden: Bei Millionen von aktiven Blogs und verschiedenen Gattungen ist es nicht überraschend, dass das Potential auch unterschiedlich ausgenützt wird. Dennoch gibt es dominante Nutzungsarten, die vor allem in den Gattungsmerkmalen des Newsblog und des Personal Blog zum Ausdruck kommen: Der Newsblog ist stärker auf Links und die Integration anderer Quellen fixiert und weniger auf Fließtexte. Der Personal Blog besteht meistens aus einem Fließtext und weist nur wenige Links oder andere Zeichensysteme auf. Die folgende Analyse orientiert sich an Personal Blogs, da soldatische Milblogs deren formalen Merkmale sehr häufig teilen. 24 Es gibt auch Blogger, die vorher einen zeitlichen Rahmen bestimmen. In solchen Fällen ist der Blog von vornherein zeitlich begrenzt. 25 Deswegen scheint mir Serialität auch nicht unbedingt eine treffende Kategorie zu sein, außer eventuell bei fiktionalen Blogs (Thomas und Jacobs 2006).

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gemischt auftreten. Der Blog beinhaltet eine Vielzahl von Gattungen und Textformaten und weist eine Konvergenz verschiedener Formate auf. Die Postings erlauben einen hohen Grad an Referentialität, die in Form von Links explizit und in Form von intermedialen Referenzen implizit auftritt. Blogtexte sind stets hypertextuell. Das bedeutet, sie können gleichzeitig in einen anderen, digitalen Text eingefügt werden und sie können Links beinhalten, die eine Vielzahl von Funktionen erfüllen. Links können Informationen im Text vertiefen: wenn zum Beispiel eine Person eingeführt wird, kann ein Link zum entsprechenden Wikipedia-Eintrag Hintergründe liefern. Sie dienen der Beweisführung: beispielsweise wenn ein anderer Text kritisiert wird, würde der vollständige Text verlinkt und die Gegenargumente mit Links zu anderen Quellen unterstrichen. Schließlich kann ein Link auch eine soziale Funktion haben, da andere Blogs genannt und empfohlen werden können. Durch die soziale Funktion der Links, charakterisieren sie den Sprecher: Die Zeitungen, auf die er oder sie linken, geben seine politische Orientierung wieder. Die anderen Blogger, die angelinkt werden, ordnen ihn oder sie in ein Netzwerk ein. Die Hypertextualität wird durch eine große Bandbreite von intermedialen und, in den soldatischen Blogs, häufig popkulturellen Referenzen ergänzt. Die Referenzen können auch den anonymen Blogger differenziert in das von Distinktionsmechanismen beherrschte Feld der Pop- beziehungsweise Subkulturen einordnen. Die formale Pluralität des Schrifttextes wird durch die Integration verschiedener Medien ergänzt: Fotografien, aber auch Videos und eingefügte Texte und Bilder können Teil des Textes werden. Hinzu kommen computervermittelte Kommunikation kennzeichnende Codes, wie zum Beispiel das Einsetzen von Emoticons, die Gefühlszustände jenseits von Sprache signalisieren sollen, etwa der zwinkernde Smiley, der Ironie signalisiert (Huffaker und Calvert 2005). Die Vielzahl der Zeichensysteme kann die Kohärenz der Erzählung angreifen, da ständig neue Zeichensysteme integriert werden müssen, die jeweils auf unterschiedliche und teilweise auch widerstreitende Arten darstellen. Aber solch eine Pluralität kann die Inhalte auch beglaubigen, indem zum Beispiel Fotografien das im Text geschilderte ebenfalls darstellen (siehe Kapitel 7). Trotz der potentiellen Multimedialität bleiben viele Blogs beim Text und ergänzen diesen durch illustrative Fotografien.

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Die schriftliche Sprache selbst ist von Informalität und Umgangssprachlichkeit bestimmt.26 Diese Eigenschaften lassen sich durch die niedrigen Veröffentlichungshürden und das unscharfe Verhältnis von Sender und Empfänger erklären, die durch die Kommentare in direkten Kontakt treten können. In den Kommentaren lassen sich also häufig eine noch größere Informalität und auch das Fehlen von grammatikalischen und stilistischen Regeln feststellen. Die grammatikalischen Fehler und Abkürzungen können als internetspezifische Effekte verstanden werden, die die Schriftsprache an die synchrone Kommunikation annähern. Die oben geschilderten Eigenschaften des Postings betonen das von der Schilderung wegleitende, multimediale und popkulturelle Plastische und die offene, unstrukturierte Beschaffenheit des Postings. Der Blogtext scheint tatsächlich von vielen Seiten Konventionen der Druckgattungen anzugreifen, ob nun durch das Episodische, das Multimediale, die kommerzialisierten Paratexte, die geteilte Erzählzeit oder die öffentliche Intimität. Wie kann überhaupt von einem kohärenten Text gesprochen werden, wenn dieser kaum zusammenhängend geschrieben ist oder gelesen wird? Im Folgenden möchte ich argumentieren, dass es der Blogger als Sprecher ist, der dem Blog Kohärenz gibt, denn auch die größte Varianz bei den Inhalten und Formen kann immer im Paradigma des Sprechers gelesen werden. Der Blogger ist die Instanz im Text, die dessen episodischem, fragmentiertem Charakter eine Kohärenz oder wenigstens einen groben Zusammenhang geben: Der Ich-Erzähler, bereits durch die Paratexte etabliert, ist der Orientierungspunkt in der Darstellung; die subjektive Perspektive auf das Geschilderte und die Kontinuität des Protagonisten bewirken eine Kohärenz, die die medialen und erzählerischen Eigenschaften, das Ausufernde des Hypertextes und die Datenbankstruktur, konterkariert (Folger 2008). Die kohärenzstiftende Wirkung des Sprechers entsteht aus der stetigen Präsenz des Bloggers und seiner Perspektive. Dazu kommt der prozesshafte

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26 Wie bezüglich des Inhalts lässt die Offenheit des Postings viele Variationen und Möglichkeiten zu, von literarischen oder akademischen Schreibstylen bis zu einer grammatikalisch nachlässigen, von Abkürzungen bestimmten Jugendsprache. Untersuchungen von literarischen Blogs bieten Steve Himmer (2004) und Sylvia Ainetter (2006).

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Charakter des täglichen oder wöchentlichen Eintrages, der die Existenz des Sprechers ständig in Erinnerung ruft. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Blog mit dem Posting ein Merkmal in den Vordergrund stellt, das an konventionelle Texte, wie die Reportage oder das Tagebuch, anschließt. Diese Merkmale erfahren jedoch durch digitale Elemente wie Links, Kommentare und Multimedialität eine internetspezifische Prägung. Es entsteht ein Text, dessen Interaktivität, Multimedialität, Fragmentation und Hypertextualität die Darstellungsverfahren in den Blogs maßgeblich prägen. Als dominante Instanz tritt das Ich aus den Postings hervor.

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VERNETZTE

S PRECHER

Das, was durch die internetspezifische Medialität angegriffen oder aufgelockert wird, fügt der Blogger wieder zusammen: Die Autorfunktion ist im Blog stark, auch wenn der Blogger anonym ist: „[Blogs] reinvent and reaffirm authorship as the dominant paradigm for the metacommunication associated with written texts“ (Chesher 2005). Die Paratexte und der IchErzähler des Posting-Textes wirken dem semiotischen und medialen Wirrwarr und der nicht-linearen, ständig von sich selber wegweisenden Ordnung des Blogs, entgegen. Im Fall des Blogs, wie auch in der Autobiographie, treten Autor und Sprecher als identisch auf. Dass die Identität von Autor, Sprecher und Held, die in der Bezeichnung Blogger vereint werden, nicht in erster Linie durch die Namensidentität zustande kommt, wie es schon Philippe Lejeune für die Autobiographie behauptet hat (Lejeune 1994:27), wird im Blog besonders deutlich, da hier Anonymität beziehungsweise die Verwendung eines Pseudonyms häufig sind und die Autorisierung durch den Verlag ganz wegfällt. Wie die Autobiographie beansprucht aber auch der Blog eine Referentialität, grenzt sich damit deutlich von der Fiktion ab und erhebt Anspruch auf eine Ähnlichkeit des Berichteten mit dessen Referenten. Über die Paratexte und Textbeschaffenheit hinaus gilt für Blogs, wie für die Autobiographie, dass in der Rezeption die Autorfunktion und die generisch festgelegte Nonfiktionalität des Textes, eine Anerkennung der Identität von Offlineperson, Blogger und Ich-Erzähler bewirken.

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Daher finden die Möglichkeiten der Selbstdarstellung in Blogs tendenziell eine konservative oder konventionelle Auslegung, da sonst dieser Pakt nicht ausgeführt werden könnte. Doch ist die Position des Bloggers nicht so bequem, wie es zum Beispiel Linda Anderson für die Sprecherposition legitimierter Autobiographien schildert (Anderson 2001:3), denn die Autorfunktion wird durch die Onlineumgebung angegriffen und etablierte Beglaubigungsstrategien, zum Beispiel durch den Verlag oder den Klappentext, fallen weg. Gleichzeitig tut sich aber ein neues Potential der Autorisierung und Beglaubigung durch die sozialen Netzwerke von Blogs, zum Beispiel durch die Verankerung in einem Netzwerk, oder Inanspruchnahme internetspezifischer Autorisierungen auf, zum Beispiel durch die Position als A-List Blogger. Der Blog-Sprecher ist daher nicht auf die gleiche Art autorisiert und legitimiert, wie es der Autorerzähler einer Autobiographie wäre: Ein Blogger linkt zu anderen Bloggern und assoziiert sich selbst mit einer Gruppe oder Individuen mit ähnlichen Interessen. Andere Blogger wiederum linken zu seinem Blog; sie erkennen so seine Existenz an und validieren die Persona, die er in sein Blog projiziert. (Folger 2008:288)

Das, was vorher die institutionelle Rahmung durch den Verlag war, wird nun durch Netzwerke geleistet, die den Blog für Besucher erkennbar machen und durch die Verortung in einem Netzwerk – je nach Position – mit Autorität und Legitimität ausstatten. Der Sprecher im Blog rekurriert damit auf Vorstellungen eines einheitlichen Subjekts, das sich im Text ausdrücken und sein Erleben zwar subjektiv, aber wahrheitsgetreu darstellen kann. Dieses Ich ist aber explizit in einen Netzwerkkontext eingeordnet und von diesem in Bezug auf Anerkennung, Legitimität und Autorität stark abhängig. Die Dominanz des Sprechers lässt sich jedoch nicht nur aus der narrativen Situation des Postings erklären.27 Dass der Blog ein Selbstdarstellungsmedium ist, lässt sich auch als eine Nutzungsart deuten, die in Einklang mit einer generellen Betonung von Selbstdarstellung im Internet steht

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 27 Community Weblogs wie Metafilter zeigen, dass der Blog nicht zwangsläufig diese Ausformung erfahren.

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(Boyd 2008b): Eine der wichtigsten kommunikativen Funktionen des Blog ist „individual self-expression“ (Herring u.a. 2005:1) und ein sehr wichtiges Darstellungsverfahren die Selbstdarstellung (Chesher 2005; Folger 2008; Ibrahim 2006; Serfaty 2004a). In einem Personal Blog wird der Sprecher durch die Schilderung seiner alltäglichen Erfahrungen zusätzlich zum narratologischen Aufbau des Postings in den Mittelpunkt gerückt. Jan Schmidt betrachtet daher den Personal Blog als das zurzeit geeignetste Medium für Identitätsbildung: „[S]owohl kommunikationsleitende Regeln und Erwartungen als auch die spezifische Kommunikationsarchitektur von Weblogs [fördern] eine kontinuierliche Präsentation des eigenen Selbst sowie die Auseinandersetzung mit anderen über dieses Selbstbild“ (Schmidt 2006:75). Selbst bei News- oder Filterblogs bestimmt der personal twist das Geschriebene im Blog. Der Sprecher ist dort die Instanz im Text, aus deren Perspektive die Inhalte selektiert und bewertet werden: [B]logs are personal. They are usually written by individuals, and present an individual’s subjective view of – or log of – the Web, their life or a particular topic. Even company blogs tend to be written by an individual or a small group of individuals.” (Rettberg 2008:21)

Dieser Dominanz des Sprechers entsprechend beschäftigen sich viele aktuelle und vorangegangene wissenschaftliche Arbeiten mit dem Ich des Blogs, also dessen Subjekt oder textueller Identität. Untersuchungen fragten zum Beispiel nach den Motivationen, einen Blog zu führen und kamen häufig zu dem Schluss, dass Selbstdarstellung eine der hauptsächlichen Anlässe zur Blogneugründung bildet (Kaye 2007; Nardi, Schiano und Gumbrecht 2004). Auch nach den Möglichkeiten der Selbstdarstellung (Huffaker und Calvert 2005; Qian und Scott 2007), der Selbstpräsentation, des selffashioning oder der agency (Ibrahim 2006), die Subjekten in dem neuen Medium Blog angeboten werden, wird gefragt. In Blogs konstituierte Identitäten werden in einigen wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen postmoderner Annahmen über Sprache und Identität diskutiert, wie sie Sherry Turkle 1995 für den Computer formulierte (Turkle 1995:15): Madeleine Sorapure greift auf Lev Manovichs Modell der Datenbanken als strukturierendes Merkmal des Internets zurück, um Selbstdarstellung und Identität im Blog als kollaborativ und parataktisch zu charakterisieren: „In an online diary, pieces of information about the self

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may be brought together in different configurations, signifying multiple and shifting ways of understanding the self“ (Sorapure 2003:8). Robert Folger ist auf der Suche nach Bloggern, die als „editor sui“ nicht „das Produkt eines emphatischen Selbstentwurfes sind, sondern ein Effekt von braconnage (Wildern). Ein Selbst, das interstitial in Bezug auf das aufgelesene, gewilderte Material ist“ (Folger 2008:303). Sowohl ethnographische Untersuchungen zum Beispiel von Onlinespielen (Sundén 2003), als auch Textanalysen von Blogs (Chesher 2005) ergeben jedoch, dass die digitalen Medien und die virtuellen Netzwerke zwar verschiedene Möglichkeiten zur alternativen Selbstdarstellung bieten, die Angaben der Figuren oder Sprecher jedoch häufig den Offline-Angaben entsprechen. Online-Identitäten werden nicht so sehr im Rahmen alternativer oder subversiver Selbstdarstellung geschaffen, sondern häufig mit dem Wunsch nach einer möglichst getreuen Repräsentation der Offline-Person. Die Kommunikationswissenschaftler David A. Huffaker und Sandra L. Calvert kommen in ihrer qualitativen Inhaltsanalyse von Blogs von Jugendlichen zu folgendem Schluss: The results suggest that teenagers stay closer to reality in their online expression of self than has previously been suggested. [O]ur data suggest a tendency for adolescents to use language to create an anchor and a consistent public face as they engage in the very serious business of constructing a stable cohesive set of representations of who they are. (Huffaker und Calvert 2005:17)

Die performativen und medialisierten Aspekte von Identitätsbildung werden nicht verneint, aber das Spielerische der theoretischen oder künstlerischen Vorstellungen von Identitäten und Subversion sollte nicht leichtfertig auf Selbstdarstellung und Repräsentation in Onlinemedien übertragen werden. Eventuell führen gerade die formale Vielfalt und Flexibilität digitaler Medien dazu, dass die Selbstdarstellung stärkeren Einschränkungen unterliegt. Glaubwürdigkeit und die allgegenwärtige Realness werden zu gefragten Effekten. danah boyd stellt zum Beispiel in ihrer Untersuchung von dem Umgang Jugendlicher mit MySpace fest, dass deren „writing oneself into being“ sowohl von vielfältigen Wahlmöglichkeiten, als auch von strenger Selbst- und Gruppenzensur geprägt ist (boyd 2007:12). In vielen

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weiteren Untersuchungen zum Thema Genderrepräsentationen in Blogs wurden ähnliche Ergebnisse gefunden.28 Aber es gibt in der Tat wichtige Veränderungen: In einer anderen Untersuchung zu dem frühen Sozialen Netzwerk Friendster weist boyd darauf hin, dass das „Impression Management“ online leichter in Teilaspekte differenziert werden kann, also zum Beispiel in eine Online-Identität für das Hobby und eine andere für den Fetisch, deren Konfrontation dann zu Unannehmlichkeiten für den Betroffenen führen kann (boyd 2008a:20). Die potentiell vielfältigen virtuellen Räume und die sehr niedrigen Hürden zur Identitätsbildung ermöglichen Nutzern das Ausleben verschiedener Teilaspekte ihrer Identität, ohne dass diese unbedingt in Konflikt miteinander geraten müssen. Die geschriebenen beziehungsweise differenzierten Identitäten werden also durchaus durch das mediale und technische Setting beeinflusst.29 Die Zusammenhänge zwischen Offline und Online-Identitäten stehen in diesen Debatten stets zur Diskussion: Im Blog ist die Verwirrung besonders groß, da das Subjekt des Blogs, der Blogger, die verschiedenen kommunikativen Ebenen − Sender beziehungsweise Autor, Sprecher und Protagonist − in sich vereint und damit besonders akzentuiert Kohärenz herstellen muss und Glaubwürdigkeit braucht. Gerade die Unschärfe der verschiedenen Ebenen, das Verschmelzen von Medialisierung, Medium und Selbstdarstellung sind kennzeichnend für digitale Medien und für den Blog. Selbstdarstellung und Blog fallen zusammen, denn biographische und mediale Informationen überschneiden sich im Blog. Für den Milblog beispielsweise gilt: Der Soldat beginnt den Blog mit seiner Stationierung im Irak, kehrt er zurück oder stirbt er, endet der Blog. Im Blogger vermischen sich die kommunikativen Ebenen: Autor, Sprecher und Protagonist. Im Blogging wird diese Trias zusätzlich mit dem zeitlich und örtlich nachvollziehbaren Entstehungsprozess des Mediums verknüpft. Der Sprecher mit Anspruch auf Referentialität teilt den Zeitrahmen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 28 Es gibt ein breites Forschungsfeld zu diesem Thema, siehe zum Beispiel Frank Hesse (2008) und Susan Herring und John C. Paolillo (2006). 29 Selbst für anonyme Subjekte lässt sich eine eher konventionelle Selbstdarstellung feststellen, wie zum Beispiel in der Untersuchung der Korrelation von Anonymität und Selbstoffenbarung von Qian und Scott (2007) deutlich wird.

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und den Ort – die Blogosphäre – mit seinem Nutzer, der wahrscheinlich in die gleiche Teilöffentlichkeit eingebunden ist. Charakterisierend für Blogsprecher ist demnach, dass die textuelle Identität durchaus im Sinne eines einheitlichen Selbst angelegt ist. Der Aufbau des Blogs, das About, das Archiv und die Paratexte begünstigen einen starken Sprecher mit einer kohärenten Identität. Der Text tritt zudem durch die zeitliche und örtliche Nähe des Sprechers zum Adressaten eher als eine kommunikative Handlung des Berichtens auf, als eine Erzählung. Diese Kommunikation findet im Blog selber und in den Blognetzwerken statt.

D AS

DIGITALE

M EDIUM B LOG

Blogs sind textlastige, multimediale, chronologisch-kumulative und vernetzte digitale Medien, deren standardisierte Merkmale eine Vielfalt von Formaten und Inhalten zulassen, die jedoch häufig einer Blog-Gattung angehören und deren wichtigste Merkmale der Sprecher und das computervermittelte Netzwerk sind. Ein Blog wird durch den Sprecher und durch die Netzwerke, in die er durch die Blogroll integriert ist, spezifisch und wird maßgeblich durch die Kommunikationsprozesse und Darstellungsverfahren dieser Netzwerke bestimmt. Durch die einfache Eröffnung und Betreibung durch die Links, die Blogroll und die Kommentare, sind Blogs in eine Kommunikationssituation eingebettet, die charakteristisch ist für digitale Medien: die Sender sind nicht institutionell gebunden oder kontrolliert. Auch wenn sich dies kaum Umsetzt, macht die Dispersion des Internets es theoretisch möglich, ein Massenpublikum zu erreichen.30 Die meisten Blogs werden von Nutzern besucht und kommentiert, die den Blogger kennen und oft auch offline mit ihr oder ihm in Kontakt stehen.31 Nur selten und meistens aufgrund von au-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 30 Laut einer Studie des PEW Internet and American Life Project von 2006 empfingen nur knappe zehn Prozent aller Blogs öffentliche Aufmerksamkeit (Lenhart und Fox 2006:17). 31 Auch hier bestätigt die PEW-Studie, dass etwas weniger als die Hälfte aller Blogger, die eine Blogroll betreiben, unter zehn Blogs auf dieser stehen haben (Lenhart und Fox 2006:20).

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ßergewöhnlichen Ereignissen, wie zum Beispiel einem Krieg, erreichen Blogs einen größeren Kreis an Nutzern. Vor allem in Blogbeschreibungen, die das demokratische Potential des Mediums loben, entsteht häufig der Eindruck, mit dem Blog sei die Weltöffentlichkeit zu erreichen, was in der Formel n-to-many ausgedrückt wird (Tremayne 2007;Shirky 2008). Jedoch ist die Formel n-to-? wesentlich besser geeignet um die Kommunikationssituation zu beschreiben, da die Leserzahl zwar potentiell die eines Massenmediums ist, in den meisten Fällen jedoch sehr klein ist (Stegbauer, Schönberger und Schmidt 2007:6). Es handelt sich beim Blog nicht um ein Massenmedium, sondern um ein dezentrales, vernetztes Medium, das ein soziales Netzwerk unterstützt, welches aber potentiell eine große Leserschaft erreichen kann. Daher können Blogs gleichzeitig der interpersonalen Kommunikation (Stefanone und Jang 2007) und der Kommunikation mit einer breiteren Öffentlichkeit dienen. Die Blogosphäre ist in soziale Netzwerke unterteilt, die ab einer gewissen Größe durch sogenannten Power Laws strukturiert sind. also Aufmerksamkeitsgesetze, die Clay Shirky als unausweichliches Ergebnis von Geschmacksurteilen, Selektion und gesellschaftlichen Vorlieben sieht (Shirky 2003). Nicht nur die Leserzahl und Distribution sind entscheidend für die kommunikative Situation. Wichtig ist auch die Übermittlung an sich, die im Blog durch die Geschwindigkeit der Übermittlungsraten und die geringen Hürden der Veröffentlichungswege sehr schnell ist. Blogger und Nutzer teilen häufig einen Zeitrahmen und durch die Interaktivität des Mediums auch einen Veröffentlichungsort. Die Kommunikation ist zwar nicht synchron, wie es in einem Chat der Fall ist, sondern der Blogger postet und erst dann lesen und reagieren die Nutzer. Doch kann durch den schnellen Veröffentlichungs- und Reaktionsweg ein fast synchroner Dialog entstehen. Es handelt sich meistens um wenige Stunden, in denen ein Blogposting erscheint, verlinkt und besprochen wird.32 Nutzer integrieren die regelmäßige Veröffentlichung in ihr Leseverhalten und verfolgen die Einträge mit einer hohen Frequenz. Der Blog ist ein asynchrones Medium, das aber stellenweise ei-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32 Ein Kommentar zu einem Blogposting vom Vortag zu hinterlassen, bedeutet in den meisten Fällen, schon nicht mehr am Gespräch teilzunehmen.

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nen fast synchronen Dialog erlaubt. Er ist dadurch Teil der Konvergenz synchroner und asynchroner Kommunikation, die digitale Medien kennzeichnet. Produktion und Rezeption nähern sich zeitlich an und werden zudem in den Kommentaren sichtbar. Die Interaktivität des Blogs macht die Nutzer für den Blogger und nachfolgenden Besucher zu einem Teil der im Blog stattfindenden Kommunikation und zu einem Teil der Darstellung im Blog. Blogs vermitteln also in einer Kommunikationssituation, in der Dispersion, beschleunigte Asynchronität und Interaktivität Sender und Empfänger nahe zusammenrücken lassen. Die Hindernisse zwischen Sender und Empfänger werden schwächer und die interpersonale Kommunikation wird erleichtert. Die Inhalte und das Medium an sich verlieren an Einzigartigkeit und an Autonomie: die Digitalität der Software, die fehlende Dinghaftigkeit und Auflösung in Datenbanken, die ständig wegleitenden Quellen machen den Blog zu einem Medium, dass zwar beständige Elemente wie das Archiv hat, dessen Dasein aber als autonome Einheit durch die Vernetzung und durch die Ungewissheit über die Adressaten auch angegriffen wird. Doch verliert sich der Sprecher nicht in der konvergenten und vernetzten Kommunikationssituation, sondern erstarkt, durch die Selbstdarstellungspotentiale von Blogs.

E INE

ANALYTISCHE

V ORGEHENSWEISE

In der Einführung dieses Kapitels wurde bereits dargestellt, dass das Netzwerk, in dem die Milblogs verortet sind, bestimmt und mit den zur Verfügung stehenden Methoden analysiert werden muss. Dies wird in den nun folgenden Kapiteln geschehen, erstens indem in Kapitel 4 im historischen Überblick zwei maßgebliche Netzwerke beschrieben werden, nämlich die Milblogosphäre und die Milblogging-Community. Zweitens werden in Kapitel 4 die politischen und philosophischen Überzeugungen der Newsmilblogosphäre dargestellt und in eine Reihe von Sprecherpositionen im Medienereignis Irakkrieg übertragen. Diese Positionen und ihre Verortung in der Medienlandschaft werden anhand der Sprecherfigur des Citizen Journalist und der milblogspezifischen Ausformung dieser Sprecherfigur, dem Warrior Citizen Journalist, vorgestellt. Die Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist dient als Orientierungspunkt in der unübersichtlichen Milblogosphäre

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und stellt eine Reihe von Positionen und Darstellungsverfahren zur Verfügung, die in den analysierten soldatischen Milblogs übernommen werden können, aber nicht übernommen werden müssen. Nicht nur für den Gesamtaufbau der Arbeit, sondern auch für die Textanalyse der einzelnen Blogs ergibt sich aus der Bestimmung der Medienspezifik eine analytische Vorgehensweise: Die vorangegangene Beschreibung der Blog-Merkmale stellt ein Modell zur Verfügung, das bestimmte Merkmale betont und diese in einen Entwicklungsprozess einordnet. In den Einzelanalysen wird daher zuerst – dieses Modell heranziehend – die Ausgestaltung der Medienspezifik im jeweiligen Blog untersucht. Zusätzlich werden die Codes, die in der Ausgestaltung beispielsweise des Abouts auftreten, untersucht, denn die symbolische Gestaltung der Standardmerkmale kann uns wichtige Anzeichen für die Darstellungsverfahren und Kommunikationsprozesse der Kriegsdarstellung geben. Die Untersuchung der Merkmale und der dort aufzufindenden Codes bereitet die Textanalyse einzelner Postings vor, denn es werden bereits mögliche kommunikative Funktionen und Darstellungsverfahren angedeutet, die dann in der Textanalyse überprüft werden können. Das Posting wird dann als maßgebliches textuelles Merkmal einer Textanalyse unterzogen. Da der Blog als entstehendes Medium, das eine Vielzahl von Darstellungsverfahren beherbergen kann, definiert wurde, wird die Darstellung nicht in generische Kategorien systematisiert, sondern es werden dominante Einflussfelder herangezogen, deren Verfahren in der Kriegsdarstellung des einzelnen Blogs nachvollzogen werden können. Abschließend wird aus den Ergebnissen der Merkmal- und Textanalyse die Position des Sprechers im Medienereignis erarbeitet und die Spezifik der Kriegsdarstellung im Kontext des sozialen Netzwerkes und des Medienereignisses bestimmt. Zusätzlich zu dieser analytischen Vorgehensweise, ergeben sich aus der Bestimmung der Medienspezifik zudem einige Leitgedanken, die über die einzelnen analytischen Schritte hinweg der Analyse Kohärenz geben können: Es wurde deutlich, dass der Blog ein Selbstdarstellungsmedium ist und dass die Analyse der Kriegsdarstellung dieser Selbstdarstellung und dem Sprecher auf allen Ebenen Rechnung tragen muss. Zudem wurde das Eingebunden sein der Darstellung in computervermittelte Netzwerke deutlich: Auch wenn daher die Milblogs im Medienereignis Irakkrieg betrachtet werden, wird der spezifischere Kontext, nämlich ein militärisches computervermitteltes Netzwerk ebenso Teil der Analyse sein. Letztlich wurde er-

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kennbar, dass der Blog ein im Entstehen begriffenes Medium ist und dass die Kriegsdarstellung verschiedenste Formen aufweist. Zwar können noch keine generischen Konventionen bestimmt werden, doch wird in der Analyse nach Tendenzen gesucht, die die Kriegsdarstellung im Blog charakterisieren.

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3. Milblogs: Ein historischer Überblick

Im Herbst 2009 veröffentliche das Center for Strategic Leadership des Army War College den Arbeitsbericht Bullets and Blogs. Dort wird bereits in der Einleitung festgehalten: „The current and future geo-strategic environment requires preparation for a battlespace in which symbolic informational wins may precipitate strategic effects equivalent to, or greater than, lethal operations“ (Collings und Rohozinski 2009:14). Der symbolischen Kriegsführung wird ein potentiell größerer Einfluss als den materiellen Kampfhandlungen zugesprochen. In dem Bericht werden digitale Medien als die derzeitige Arena dieser symbolischen Kriegsführung identifiziert: „New adversaries understand the power of information effects. They realize that new media have levelled the playing field between state and non-state actors in the area of strategic communication“ (Collings und Rohozinski 2009:106). Digitale Medien werden somit als wichtiger Faktor in der Kriegsführung betrachtet. Zur gleichen Zeit begann das Pentagon und die Armed Forces eine Vielzahl von digitalen Medienangeboten zur Verfügung zu stellen: Die Armed Forces betrieben im Jahr 2012 einen Twitter-Account, mehrere Blogs von Soldaten, Offizieren und Generälen, verschiedene FacebookAccounts, einen YouTube-Kanal und eigene Webseiten, wie zum Beispiel Army Strong Stories und das Intranet Army Knowledge Online. Dieses vielfältige Angebot steht in starkem Kontrast zum anfänglich repressiven Umgang mit digitalen Medien von Seiten des Pentagons, der zur Zensur von Milblogs und zur Einschränkung des Internetzugangs von Soldaten geführt hatte. Die Neuerungen wurden von Seiten der Milblogger begrüßt, doch nicht so sehr als Fortschritt betrachtet, sondern vor allem als notwendige Anpassung an die aktuellen Begebenheiten der Kriegsführung.

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Einige Milblogger hatten bereits seit Jahren um ihre Anerkennung als ein Teil einer maßgeblichen, symbolischen Kriegsführung im Internet gekämpft und versucht, die Abneigung des Pentagon gegen ihren Beitrag zur digitalen Kriegsführung zu beschwichtigen.1 Sowohl die Versuche der Armed Forces, digitale Medien in ihren öffentlichen Auftritt zu integrieren als auch die verhaltene Reaktion der Milblogger illustrieren die komplexe Entwicklung von Blogs im Kontext des amerikanischen Militärs und des Irakkriegs. In diesem Kapitel wird die Entwicklung von Milblogs anhand ausgewählter Figuren, Daten und Veröffentlichungen nacherzählt. Da Milblogs ein unbeständiges Phänomen bilden, wird dabei der Fokus auf die medienhistorischen, technologischen und militärspezifischen Kontexte und auf bedeutsame Ereignisse und Sprecher gelegt. Zusätzlich zu der narrativen Chronologie werden die unterschiedlichen Dimensionen der Milblognetzwerke untersucht und die verschiedenen Akteure, die sich dort hervorgetan haben, eingeführt. Letztlich werden in diesem Rahmen wichtige Begriffe für die Analyse, wie beispielsweise Milblogging Conference und Milblogging Community, in ihrem historischen Kontext erklärt. 2

D IE P OPULARISIERUNG VON N EWSBLOGS UND P ERSONAL B LOGS 1998, sieben Jahre nach dem von Fernsehberichterstattung und Starreportern dominierten Golfkrieg, berichtete Matt Drudge auf seiner Webseite Drudge Report (Drudge), dass Newsweek einen Artikel über eine mögliche

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1

Parallel zu dieser Entspannung im Umgang mit Milblogs wurden, wie schon in den Jahren zuvor, mehrere Anleitungen zur Einhaltung der Operational Security veröffentlicht und einige Milblogger gezwungen, ihre Blogs offline zu nehmen oder den Inhalt zu editieren, beispielsweise The War on Big Tobacco (2009) und Kaboom (2008).

2

Es wird nicht die Geschichte von Milblogs erzählt. Es wird eine plausible und um Faktizität bemühte Entwicklung nacherzählt. Zu diesem Zweck werden auch einige analytische Differenzierungen, die in den anderen Kapiteln gemacht werden, etwas vernachlässigt.

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Affäre des Präsidenten Bill Clinton mit einer Praktikantin des Weißen Hauses zurückhielt.3 Damit löste er einen der größten politischen Skandale der letzten 20 Jahre aus. Ein Jahr später wurde im Kosovo das Internet zu einem maßgeblichen Instrument der Kriegspropaganda (Allan 2009a). Drei Jahre später waren es Blogs, die es schafften nach den Anschlägen auf das World Trade Center Informationen zu bündeln und die überlasteten Nachrichtenseiten der großen Anbieter effektiv und hilfreich zu ergänzen (Allan 2009b). Im Dezember 2002 hatte schließlich Trent Lott, damals das Oberhaupt der Republikaner im Senat, folgendes Zitat als Teil einer Lobrede für den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und Segregationsbefürworter Strom Thurmond vorgetragen: „I want to say this about my state. When Strom Thurmond ran for president, we voted for him. We’re proud of it. And if the rest of the country had followed our lead, we wouldn’t have had all these problems over all these years either“ (Rosen 2004).ȱ Obwohl es ein paar Presseberichte zur Rede gab, sorgte sie in den Medien kaum für Aufmerksamkeit (Rosen 2004). In einigen Newsblogs blieb die Rede und die darin geäußerten Rassismen jedoch Thema: John Marshall vom Newsblog Talking Points Memo (TPM) hatte die Rede der Webseite The Note von ABC entnommen. Von TPM aus wurden die Zitate aus der Rede und die mangelnde Berichterstattung vor allem auch der lokalen Medien weitergegeben und in anderen Blogs besprochen (Rosen 2004). Newsblogger wie Glenn Reynolds und Artois lieferten die Hintergrundinformationen, die Lotts Rede historisch im Rahmen der demokratischen Segregationsbefürworter kontextualisierte. Durch die anhaltende Diskussion wurde das Thema vier Tage später wieder von größeren Nachrichtenmedien aufgegriffen und entwickelte sich ebenfalls zu einem großen politischen Skandal, der Trent Lott noch im selben Monat zum Rücktritt zwang (Rosen 2004). Sowohl die Lewinsky-Affäre als auch der Sturz von Trent Lott sind Schlüsselmomente für die Popularisierung von Newsblogs, denn hier ließ sich das angebliche Versagen der Mainstream Media4 vornehmlich aufzei-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3

Auf der Webseite Australian Politics kann ein Screenshot des ursprünglichen Postings betrachtet werden.

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Mainstream Media, kurz MSM, ist ein umgangssprachlicher Begriff, der etablierte Medienanbieter wie CNN, FOX NEWS oder Zeitungen wie die New York

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gen. Zugleich traten einige der Hauptfiguren der politischen Blogosphäre auf die öffentliche Bühne, deren Blogs teilweise schon seit Ende der 1990er betrieben wurden, die aber davor nicht maßgeblich öffentlich wahrgenommen wurden (Shachtman 2002). Es war in solchen Krisenmomenten, in denen sich der Citizen Journalist5 als Sprecherfigur etablieren konnte, mit dem Anspruch, die Informationen von finanziell unabhängigen Instanzen sammeln zu lassen und eine Alternative zu traditionellen Nachrichtenformaten zu bieten (Allan 2009b:18). Parallel zu dieser zunehmenden Rezeption von Newsblogs lässt sich ein deutliches Wachstum von Personal Blogs feststellen, die Mitte der 1990er ihren ersten prominenten Vertreter in Justin Halls Justin’s Links from the

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ Times bezeichnet. Der Begriff ist negativ belegt und wird häufig in Zusammenhang mit deren begrifflichem Gegenteil – den alternativen Medien – benutzt. Die Urban Dictionary definiert den Begriff folgendermaßen: „Major television networks and newspapers. Most mainstream media outlets are biased right or left but pretend to be neutral“ und verwendet als Beispiel „I used to watch CNN, but i got tired of mainstream media propaganda.“ Blogger benützen den Begriff vor allem, um sich vom Status Quo der Berichterstattung abzugrenzen und sich als Außenseiter zu etablieren. Er benennt daher keine klassifizierbaren Orientierungen der etablierten amerikanischen Medien, sondern eine spezifische Haltung gegenüber institutionalisierten Medienanbietern, die, je nach politischer Orientierung, anders eingeschätzt werden. Die Urban Dictionary nimmt dies in einer weiteren Definition auch mit auf: „MSM. Abbreviation for ‚mainstream media‫ދ‬. No matter who you are, they’re not on your side.“ Im Folgenden werde ich den Begriff verwenden, wenn ich aus Perspektive der Blogger diese Entität benennen will. Der Begriff etablierte Medien bezeichnet dann eine neutrale Benennung von den großen, institutionalisierten Medien. 5

Aktive Blogger berufen sich meist auf die Definition von Journalistikprofessor Jay Rosen für Citizen Journalism: „When the people formerly known as the audience employ the press tools they have in their possession to inform one another, that’s citizen journalism“ (Rosen 2008). Eine weniger integrierte Definition bietet Mark Glaser: „The idea behind citizen journalism is that people without professional journalism training can use the tools of modern technology and the global distribution of the Internet to create, augment or fact-check media on their own or in collaboration with others“ (Glaser 2010:578).

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Underground hatten und deren Zahl Ende der 1990er explosionsartig zunahm. Wichtiger als einzelne Figuren und Skandale war für diesen Zuwachs die Etablierung von Sozialen Medien als alltägliche, vielen zugängliche Art der Mediennutzung: Im Anschluss an die Rezession der New Economy 2001 rückten verstärkt Medienformate in den Vordergrund, die auf Kooperation und Mitgestaltung der Nutzer basieren und Netzwerkbildung und interpersonelle Kommunikation fördern und die häufig unter dem Begriff Soziale Medien subsummiert werden (boyd 2008a:1). Die Interaktivität und Modularität des Internets wurde genutzt, um Anwendern die Gestaltung von Webseiten und deren Inhalten zu ermöglichen: der sogenannte user-generated content und die Idee des Web als Plattform standen unter dem Schlagwort Web 2.0 nun im Vordergrund. Zudem verbreitete sich die Nutzung des Internets allgemein und immer mehr private Haushalte gingen online (Madden u.a. 2003:4). Blogs wurden als Vorhut dieser Welle neuer Medienformate bekannt und als Medium der Partizipation mit demokratisierenden Potentialen rezipiert (Allan 2009b). In Kombination mit den Skandalen um Drudge und Lott konnten sich Newsblogs als Aufklärer etablieren und ein größeres Publikum als zuvor erreichen (Rainie, Fox und Fallows 2003:9).6 Personal Blogs wurden sowohl in etablierten Medien als auch in der Wissenschaft wenig besprochen, erlangten aber als Praxis, als Nutzungsart für das Medium, zahlenmäßig absolute Dominanz über die Newsblogs.7 Die Popularisierung und Verbreitung von Milblogs muss als Teil übergreifender Veränderungen im Feld der Mediennutzung begriffen werden:

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6

Dieses Publikum war dennoch nicht besonders groß: laut PEW besuchten vier Prozent der damaligen Internetnutzer Blogs, um sich über den Krieg zu informieren (Rainie, Fox und Fallows 2003:9).

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Susan Herring u.a. kritisieren zu Recht, dass Großteile der Blogforschung vor allem Newsblogs untersuchen und die viel größere Gruppe der Personal Blogs außer Acht lassen. Diese Prioritätensetzung reproduziert eine Aufmerksamkeitsökonomie, in der das Private und damit vor allem das von Frauen produzierte Material, weniger untersuchenswert (bzw. weniger Wert) ist als das Politische. In Bezug auf die Analyse der soldatischen Milblogs erledigt sich die Frage ohnehin, denn die Kategorisierung von soldatischen Milblogs entweder als Newsblogs oder als Personal Blogs ist nicht angemessen.

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Die Zahl von Personal Blogs wuchs bis 2003 auf viele Millionen, so dass sich zu Beginns des Irakkriegs vom Bloggen als einer etablierten Praxis sprechen lässt. Mit der Vorbereitung auf den Irakkrieg nahm das Interesse an Newsblogs weiterhin zu, wie sich auch die Medienrezeption im Allgemeinen und die des Internets vor dem Krieg verstärkte (Rainie, Fox und Fallows 2003:5). Newsblogs konnten, in Form von Warblogs, in einer politisierten und angespannten Vorkriegsmedienkultur, in der der Medienkonsum anstieg und das Medienvertrauen nachließ, eine antagonistische Position zu den etablierten Medien einnehmen und sich als alternative Quellen positionieren.

D IGITALE K RIEGSBERICHTERSTATTUNG UND AUGENZEUGENBERICHTE AUS DEM I RAKKRIEG Als sich der bevorstehende Einmarsch in den Irak im Herbst 2002 abzeichnete, spezialisierten sich viele Newsblogger auf das Sammeln und Kommentieren von Nachrichten zur Kriegsvorbereitung und einige Newsblogs wurden zu Warblogs. Schon im Zuge des Afghanistankriegs hatten sich einige der Newsblogs auf Kriegsberichterstattung im weitesten Sinne konzentriert,8 doch erst im Zusammenhang mit dem Irakkrieg wurde die Bezeichnung Warblog geprägt und diese Art von Blogs in der Rezeption als zusammenhängende Gruppe wahrgenommen und vermehrt gelesen.9 Zu dieser Zeit entstanden auch einige Warblogs, die das Geschehen aus einer militärischen Sicht kommentierten und damit die ersten Milblogs.10 Vom Skandal um Trent Lott und dem steigenden Misstrauen gegenüber etablierten Medien beflügelt (Gillespie 2004), nahmen Blogger im Vorfeld

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8

Zum Beispiel The Daily Dish von Andrew Sullivan.

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Der Begriff stammt von Matt Welch, der seinen eponymen Blog am 17.9.01 gründete und ihn als Warblog bezeichnete (Welch). Die Definition des Begriffs in der Wikipedia merkt zu Recht an, dass er bereits wenige Monate nach dem Einmarsch anachronistisch geworden war, da der intensive Blick auf den Krieg vor allem die Monate davor und danach beinhaltete, sich dann aber wieder auf andere Themen ausbreitete.

10 Dazu gehörten The Indepundit und Sgt. Stryker’s Daily Brief.

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des Krieges die Sprecherfigur des Citizen Journalist ein und profilierten sich als korrigierende und überprüfende Instanzen in der besonders dichten Berichterstattung der Vorkriegszeit. Die meisten Blogs boten jedoch ausschließlich die sekundäre Verwertung von Material, das ihnen durch die Recherche und Veröffentlichung in den gleichzeitig von ihnen verachteten MSM zur Verfügung gestellt wurde. Die Warblogs steuerten selten eigenhändig recherchierte Informationen zur Berichterstattung bei. Ende 2002 begann ein Zivilist direkt aus einem designierten Kriegsgebiet einen Blog zu führen und ergänzte die populären Warblogs damit um einen Augenzeugenbericht (Pax 2003a): Der pseudonyme Salam Pax veröffentlichte in dem Blog Where is Raed auf Englisch seine alltäglichen Beobachtungen und Kommentare aus dem Vorkriegs-Irak: The trenches and sandbag mountains I wrote about last week are now all over Baghdad. They are not being put there by the army; they are part of the Party’s preparations for an insurgence. Each day a different area of Baghdad goes thru the motions. Party members spread in the streets of that area, build the trenches, sit in them polishing their Kalashnikovs and drink tea. The annoyance-factor of these training days depend on the zeal of the party members in that area. Until now the worst was the [14th of Ramadan] street, they stopped cars searched them and asked for ID and military cards, good thing I wasn’t going thru that street, I still have not stamped my military papers to show that I have done my reserves training. (Ohne Titel: 5.2.2003)

Pax erlangte damit einen hohen Grad an Aufmerksamkeit und wurde schnell zu einem der meist gelesenen Blogs im Zusammenhang mit dem Irakkrieg (McCarthy 2003). Ihm kam während der ersten Kriegstage ein internationales Netzwerk von Bloggern zu Hilfe, die Pax in der Veröffentlichung seines Materials unterstützten (Pax 2003b:161). Die Authentizität des Blogs und des Bloggers wurden zwar wiederholt angezweifelt (Gillin 2003), doch die detaillierte Beschreibung des Alltags galt als wertvolle Alternative zur Berichterstattung durch Fernsehen und Print (Hickman 2003). Bis zu diesem Zeitpunkt waren vor allem die parteiischen und meinungsstarken Blogs, die die Berichterstattung anderer Medien kommentierten, als laienjournalistischer Beitrag zur Kriegsberichterstattung wahrgenommen worden. Mit Salam Pax wurde nun erstmals ein Blog, der primä-

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res Material zum Krieg liefern konnte, populär und es folgten weitere irakische Augenzeugenblogs wie Riverbend.11 Abbildung 5: Where is Raed, im Jahr 2003

ȱ Quelle: Where is Raed (20.3.2003)

Zeitgleich zur Popularisierung der zivilen Blogs aus dem Irak, nutzten auch einige Journalisten das Medium, um über den Krieg zu berichten: Der Journalist Christopher Allbritton sammelte im Vorlauf auf den Krieg mit Hilfe seines Blogs Back to Iraq Geld, um unabhängig von Arbeitgeber und dem Embed-System den Irak bereisen zu können. Innerhalb weniger Wochen konnte er mit dem gesammelten Betrag seine Irakreise finanzieren: Von dort aus lieferte er eine Berichterstattung, die eng an die Wünsche und Erwartungen seiner Nutzer gebunden war und stieg, wie bei Pax auch, in einen Dialog mit den Nutzern ein (Matheson und Allan 2009:79). Wenige Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im Irak, fing der CNN-Journalist Kevin Sites an, auf einem Blog Reportagen zu veröffentlichen, die er zusätzlich zu seinen Fernsehreportagen geschrieben hatte. Der Blog von Sites wurde binnen kürzester Zeit sehr bekannt und zu einem der damaligen Technorati Top 100 Blogs (Mernit 2003). Einen Tag nach

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11 Der Inhalt dieses Materials ist jedoch ebenfalls stark auf Medienrezeption ausgerichtet, denn vor allem in den ersten Kriegstagen konnte Pax seine Wohnung nicht verlassen und war auf Kriegsberichterstattung angewiesen.

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Kriegsanfang musste Sites den Blog auf Geheiß von CNN wieder löschen. Daraufhin entstand eine hitzige Diskussion um die Rechte von Journalisten, eigenes Material zu veröffentlichen und um die Öffnung von Fernsehsendern wie CNN für neue Formen der Berichterstattung. CNN gab sich damals noch selbstbewußt konservativ: „CNN.com prefers to take a more structured approach to presenting the news. We do not blog“ (Mernit 2003).12 Mit den US-amerikanischen Newsblogs, journalistischen Blogs und irakischen Augenzeugenblogs erhielten Blogs Einzug in das Medienereignis Irakkrieg. Korreliert mit dem zunehmenden Bekanntheitsgrad solcher AList Blogs und deren Integration in das Medienereignis, wuchs die Zahl von Warblogs in den Monaten vor dem Krieg und während der ersten Kriegsmonate: Nach dem Fall von Saddam Hussein entstand eine ganze Reihe von irakischen Blogs im Zuge einer allgemeinen Explosion der irakischen Medienlandschaft (Isakhan 2008); die Zahl der Newsblogs wuchs stetig und es kamen weitere A-List Newsblogger hinzu und Journalisten und Medienorganisationen eröffneten eigene Blogs. 13 Zudem kann innerhalb der konservativen Newsblogosphäre bereits eine Netzwerkbildung beobachtet werden (siehe Abb. 4). Diese Popularisierung wurde zwar durch Rezeption in etablierten Medien vorangetrieben, gleichzeitig lässt sich jedoch ein angespanntes Verhältnis der verschiedenen Teilnehmer des Medienereignisses beobachten: Sowohl die Echtheit als auch die Neutralität der frühen Blogger wurde stets in dessen Berichterstattung und Online-Rezeption diskutiert. Salam Pax wurde von verschiedenen Quellen als CIA-Mitarbeiter oder Hussein-Loyalist identifiziert und teilweise sehr aggressiv als Täuschung angegriffen (Pax 2003b:129). Auch Allbritton musste seine Position als bloggender Journalist verteidigen und versuchte in Back to Iraq eine journalistische Ethik im Blog umzusetzen (Allbritton 2003). Die damalige Haltung von CNN gegenüber Kevin Sites illustriert die schwierige Position, in der sich große Medienanbieter diesen neuen Formaten gegenüber befanden: wie Douglas Kellner aufzeigt, war der Anfang des Irakkriegs eine besonders wichtige Phase für Medienanbieter, da nun sowohl der ökonomische als auch der

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12 Aktuell ist CNN jedoch sehr bemüht, verschiedene Blogger und das Publikum in die CNN-Webseite einzubinden. 13 Darunter auch Josh Kucera und Audrey Gillan (Matheson und Allan 2009:53).

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Aufmerksamkeitsdruck sehr hoch waren. Die Konkurrenz zu anderen Medienanbietern war gestiegen und gerade CNN hatte durchaus einen hegemonialen Anspruch in Bezug auf die Kriegsberichterstattung (Roering und Ulrich 2009). Zugleich hatten sich jedoch die vorher angesprochenen Veränderungen in der Technologienutzung bereits so weit etabliert, dass der Ausschluss von unabhängigen Blogs wie Kevin Sites’ sofort den Vorwurf der repressiven Machterhaltung mit sich brachte. Auffällig war im Falle des Irakkriegs, dass nicht nur Warblogs parteiische Positionen bezogen, sondern auch, dass in diesem Fall Medienanbieter, die sich zur Neutralität verpflichtet hatten, diesen Ansprüchen kaum gerecht wurden. So hatten die traditionsreichen Tageszeitungen New York Times und die Washington Post unreflektiert Positionen der Regierung übernommen (Kellner 2005). Was bei den genannten Zeitungen im Nachhinein als Ausrutscher gewertet wurde, machte die Fox News Channel seit dem Beginn des War on Terror explizit zum Programm: eine massive Unterstützung des Kriegs, Angriffe auf Kriegsgegner und die Unterstützung von Präsident Bush. Die Parteinahme der Warblogs entspricht also auch einer ideologisierten Nachrichtenlandschaft der Vorkriegszeit (Sylvester und Huffman 2005:7).

N EUE M EDIENTECHNOLOGIEN ANFÄNGE VON M ILBLOGS

UND DIE

Anfang 2003 waren Milblogs noch ein sehr kleines Phänomen: Greyhawk, der Autor von Mudville Gazette, schätzte die Zahl während der ersten Monate des Jahres auf nicht mehr als ein Dutzend, von denen die meisten aus den USA geführte Newsmilblogs waren (Den Bleyker 2006:406). Zu diesen Newsmilblogs kamen im Laufe der Kriegsvorbereitungen Milblogs von Soldaten aus Kriegsgebieten hinzu: Kurz nach der Eröffnung von Where is Raed, im Januar 2003, änderte der Blogger LT Smash (Kapitel 6) den Namen seines Warblogs The Indepundit in Live From the Sandbox und signalisierte damit seine Teilnahme am Irakfeldzug beziehungsweise an dessen Vorbereitungen in Kuwait: „Our orders came through today. We report tomorrow morning. We’ll be working through the weekend, in order to be off for Christmas. Still not sure when we fly out and I couldn’t tell you if I did know, anyway“ (Finally: 19.12.2002). Im März 2003 begannen zwei weite-

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re US-Soldaten unter den Blogtiteln Chief Wiggles und The Primary Main Objective aus dem beginnenden Irakkrieg zu bloggen. Beide waren, wie LT Smash, in Kuwait stationiert. Diese frühen Milblogger partizipieren bereits an militärspezifischen, interpersonalen, computervermittelten Kommunikationsprozessen und waren Teil digitale Netzwerke: Zwar lassen sich die häufig geäußerten Vermutungen über Blogs aus dem frühen Afghanistankrieg nicht bestätigen,14 doch es hatte bereits Massenmails gegeben, die entweder von Einzelnen verschickt wurden, um sich das Schreiben an viele, einzelne Familienmitglieder zu ersparen oder aber es waren nach dem Kettenprinzip Briefe von Soldaten verschickt worden, die eine besondere Kamphandlung oder eine politische Stellungnahme beinhalteten (Alozie 2006:244). LT Smash: Live From the Home Front und The Primary Main Objective verweisen oft aufeinander und im Laufe des Jahres 2003 wurde ein Treffen der zwei beschrieben. Im März 2003 gab es zudem bereits Milblogs von Ehefrauen, deren Männer in den Krieg geschickt worden waren (All American Army Wife) sowie verschiedene Milblogs von active duty Soldaten aus den USA (Sgt. Stryker’s Daily Brief). Einen maßgeblichen Faktor in der Zunahme von Milblogs bilden die vielfältigen Kommunikationstechnologien auf den Militärstützpunkten im Irak:15 Die Arbeitsumstände und technische Ausrüstung der Stützpunkte er-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14 In verschiedenen Interviews und wissenschaftlichen Artikeln wird von Bloggern oder Diaristen aus dem Afghanistankrieg gesprochen, die schon vor dem Irakkrieg ihre Blogs begannen (Den Bleyker 2006; Lytle 2006). Es werden jedoch keine Namen oder andere Details genannt, geschweige denn Links zu den Blogs angeboten. Nach einer ausführlichen Recherche im Internet und im Internetarchiv und einem Gespräch mit Matthew Burden, dem Milblogger und Szenekenner, ist davon auszugehen, dass es keine soldatischen Blogs vor der Mobilisierung für den Irakkrieg gab. 15 Nachdem die alliierten Truppen im Frühsommer 2003 Saddam Husseins Regime gestürzt, die Koalitionsübergangsverwaltung (CPA) etabliert und verschiedene Militärstützpunkte aufgebaut hatten, ließ die Intensität der Berichterstattung durch die etablierten Medieninstitutionen nach. Cori Dauber behauptet, dass im Juli 2003 nur noch 23 eingebettete Journalisten im Irak waren und der Rest sich nun in Hotels aufhielt (Dauber 2006:181).

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laubte es den Soldaten relativ regelmäßig mit zu Hause Gebliebenen zu kommunizieren, ob dies nun per Mail oder Telefon war (Dauber 2006:181). Die außerordentlichen Verbesserungen der Kommunikationsmöglichkeiten im Vergleich zu früheren Kriegen galten hauptsächlich auf den Forward Operating Bases (FOB): Schon wenige Monate nach dem Einmarsch waren die FOBs so weit aufgebaut, dass das Militär den Soldaten neben anderen technischen Komforts wie Fernseher und DVD-Player im PX16 regelmäßigen Internet- und Telefonzugang zur Verfügung stellen konnte (Anderson u.a. 2006).17 Die militäreigenen Systeme wurden zudem schnell von irakischen Unternehmern entlastet, die auch innerhalb der FOBs Internetkioske aufstellten. Nachdem die Glasfasern, die die Internetzugänge ermöglicht hatten, im postwar chaos beschädigt worden waren, übernahm einer der vielen privaten Militärunternehmen die Internetversorgung und stellte den Soldaten Satellitenbreitband zur Verfügung, so dass sie nicht nur im Internet surfen, sondern auch sehr günstig über das Internet telefonieren konnten. Zusätzlich wurde den Soldaten die Möglichkeit geboten, eine eigene Satellitenverbindung zu kaufen, so dass Soldaten direkt aus ihren Zelten Zugang zum Internet und Satellitenfernsehen hatten (Wong und Gerras 2009). Nicht nur die große Verbreitung von digitalen Technologien im Jahr 2003, sondern auch die Nutzungsgewohnheiten der Soldaten beeinflussten diese Vielfalt an Angeboten: Wie in den Memoranda und Diskussionen über Blogs und OPSEC wiederholt festgestellt wird, waren die Soldatengenerationen des Afghanistan- und Irakkriegs hauptsächlich sogenannte digital natives, junge Menschen, die im Umgang mit modernen Technologien geübt sind und diese als Teil ihres alltäglichen Lebens und als wichtigen Komfort betrachten (Collings und Rohozinski 2009:X). Diese Soldaten waren bereit, privates Geld und Zeit in den Aufbau solcher technischer Systeme zu investieren. Die Kommunikationstechnologien waren dabei nur ein kleiner Teil einer vielfältigen Technologienutzung:

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16 Läden für das militärische Personal (Post Exchange). 17 Nicht alle FOBs sind gleich gut ausgerüstet. Viele Soldaten können die oben beschriebenen Bequemlichkeiten nicht in Anspruch nehmen (Wong ; Gerras 2006 1).

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Gadgetry, in particular, proliferates among the 138,000 troops stationed in Iraq: laptop computers, MP3 and DVD Players, digital cameras, televisions and video game consoles. On bases in greater Baghdad, many soldiers have cellphones and some have satellite dishes that pull in scores of stations. Personal DVD collections numbering several hundred are not uncommon; the legendary ones top 1,000. (Semple 2005)

Zusätzlich zu den erweiterten Kommunikations- und Unterhaltungsangeboten konnten die auf den größeren Stützpunkten stationierten Soldaten durch diese Technologien erstmals die Kriegsberichterstattung zu Hause ohne größere zeitliche Verzögerung mitverfolgen und diese schnell und bequem kommentieren (Dauber 2006:181). Die Veränderung der Möglichkeiten interpersonaler Kommunikation und der Teilnahme an einem Nachrichtendiskurs geschahen parallel: Der medial gut ausgestattete Soldat auf dem FOB konnte die Echtzeitberichterstattung auf CNN ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung rezipieren, um dann in seinem Blog oder auf seiner MySpace-Seite diese ebenfalls in kürzester Zeit zu kommentieren. Soldaten konnten im Irakkrieg durch die vorhandenen Medientechnologien am sogenannten 24-Hour Newscycle teilnehmen.18 Der Zugang zu vielfältigen Medien und die etablierten Mediennutzungsweisen der Soldaten sind maßgebliche Voraussetzungen für die Entstehung und Verbreitung von soldatischen Milblogs aus Kriegsgebieten: Laut der Untersuchung CU@the FOB von Leonard Wong und Stephen Gerras griffen Soldaten vor allem auf Telefongespräche und InstantMessaging zurück, um mit den zu Hause Gebliebenen Kontakt zu halten (Wong und Gerras 2009:11). Für Kontakt, zum Beispiel mit der erweiterten Familie oder dem Bekanntenkreis, wurden jedoch Emails oder aber Blogs bevorzugt (Wong und Gerras 2009:11). 19 Soldatische Milblogs dienten da-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18 An dieser Entwicklung lässt sich gut nachvollziehen, warum die Trennung von Newsblog und Personal Blog für diese Arbeit nicht sinnvoll ist, denn das Private wird an dieser Stelle eine berichtenswerte Information. 19 Viele der soldatischen Milblogs dienten in erster Linie der interpersonalen Kommunikation mit bereits bekannten Lesern aus dem Familien- und Freundeskreis (Long Strange Trip). In vielen Fällen waren solche Milblogs ursprünglich

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her häufig vorerst der interpersonalen Kommunikation: Frühen Milblogger, wie Jason Christopher Hartley, erregten dementsprechend kaum öffentliches Aufsehen: es gab nur wenige Besprechungen und die Leserzahlen blieben im Vergleich zu bekannten Newsblogs gering. Die Fundamente der Milblogosphäre waren damit gelegt: das übergreifende Netzwerk der konservativen Newsmilblogs war etabliert und einige der Blogs, die dort Knotenpunkte bilden würden, gegründet. Die Untergruppe der soldatischen Milblogs aus einem Kriegsgebiet war ebenfalls bereits vorhanden. Doch erst die Rezeption von Milblogs in den Medien, die maßgeblich durch die Zensur derselben bedingt war, popularisierte Milblogs und führte zur Expansion dieses Phänomens.

P OPULARISIERUNG

UND

Z ENSUR

Informationshoheit und Informationskontrolle sind integrale Bestandteile militärstrategischer Überlegungen (Collings und Rohozinski 2009:19). Die Zensur und Steuerung soldatischer Kommunikation und journalistischer Berichterstattung sind entscheidende Elemente des Informationsmanagements (Collings und Rohozinski 2009:2). Sowohl im Golfkrieg als auch im Irakkrieg versuchte das amerikanische Militär die Berichterstattung durch das Pool-System und Embedding zu beeinflussen.20 Auch die soldatische Kommunikation, wie Briefsendungen, Telefongespräche und computervermittelte Kommunikation, waren der Informationskontrolle des Militärs unterworfen (Lytle 2006:595). Die im Folgenden besprochenen Beispiele von Milblog-Zensur können daher als Teil einer dauerhaften Zensur soldatischer, interpersonaler Kommunikation begriffen werden. Diese verschränkt sich im Rahmen des Irakkriegs zusätzlich mit der Kontrolle von beziehungsweise der gestaltenden Einwirkung auf Kriegsberichterstattung. Im Fall von Milblogs, die sowohl der interpersonalen Kommunikation mit Familie und Freunden dienen als

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ als Ersatz für lange Email-Verteiler oder Rundbriefe gedacht, erst später mit der zunehmenden Rezeption und der Organisation von Milbloggern wurde die öffentliche Dimension stärker (2009:9). 20 Beispielsweise (Rid 2007) oder (Kutz 2006).

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auch öffentlich zugänglich sind und als Kriegsberichterstattung auftreten können, überschneiden sich also zwei Bereiche der Informationskontrolle; die Konvergenz von interpersonale und berichterstattender Kommunikation im Internet problematisiert die Zuständigkeiten, Potentiale und Risiken zusätzlich. Diese Problematik wird durch eine Veränderung im soldatischen Selbstverständnis begleitet, deren Selbstwahrnehmung, zum Beispiel als Experten im Feld (Ender 2009), sie dazu veranlasst, nicht nur auf unzensierte Kommunikation zu bestehen, sondern einen aktiven Teil in dem Informationsmanagement übernehmen zu wollen (siehe Kapitel 4 und 7). Tatsächlich kann, neben den Zensurversuchen durch das Verteidigungsministeriums und die Kommandierenden im Irak, auch eine graduelle Akzeptanz der aktiven Rolle von Milbloggern in der Information Warfare festgestellt werden. Im Folgenden sollen zuerst die Popularisierung und Zensur von Milblogs besprochen werden, um dann die zunehmende Verortung von Milblogs im Infowar zu besprechen. Obwohl es bereits wenige Monate nach Kriegsanfang zur Zensur eines Blogs kam, gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine spezifischen Regeln für den Umgang mit ihnen. Zwei Monate vor dem Einmarsch schrieb Donald Rumsfeld in einem Memorandum an alle Kommandierenden zwar: „The fact that for official use only (FOUO) and other sensitive unclassified information (e.g. conops, oplans, sop) continues to be found on public websites indicates that too often data posted are insufficiently reviewed for sensitivity and/or inadequately protected“ (Rumsfeld 2003). Doch bezog sich dieses Memorandum auf Webseiten im Allgemeinen. Die Regeln für öffentliche Webseiten lauteten zu diesem Zeitpunkt: „Heads of components are responsible for management of information placed on component websites. They must ensure that website owners take responsibility for all content to be posted to their websites“ (Rumsfeld 2003). Bereits vor dem Krieg gab es demnach ein Bewusstsein für mögliche Probleme im Zusammenhang mit Veröffentlichungen auf militäreigenen und privaten Webseiten. Die Verantwortung für die Webseiten wurde vorerst auf die einzelnen Kommandierenden übertragen, so dass lange keine einheitliche Regelung galt: Jason Hartley stellt die Zensur seines Blogs beispielsweise vor allem als persönliche Reaktion des Kommandierenden dar und nicht als systematische Zensur (2009:297).

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Das vorläufige Ende von My War, aufgrund von Eingriffen seiner Vorgesetzten, war der erste Fall von Zensur, der eine größere öffentliche Aufmerksamkeit erreichte: Im Juni 2004 hatte Colby Buzzell (Kapitel 6) angefangen, einen Blog aus dem Irak zu schreiben, nachdem er durch den in der Einleitung besprochenen TIME-Artikel, in dem auch Hartley erwähnt wurde, auf Blogging und Milblogging aufmerksam geworden war (Grossman und Hamilton). Im Gegensatz zu Hartley führte Buzzell den Blog unter einem Pseudonym, hielt jedoch den Ort der Stationierung und die Einheit nicht geheim und wurde schon nach relativ kurzer Zeit innerhalb seines Bataillon bekannt. Im August 2004 schrieb Buzzell den Eintrag Men in Black, in dem er detailliert über Kampfhandlungen in Mosul berichtete und diesen Bericht eindeutig als Gegendarstellung zur sehr kurzen Mitteilung auf CNN-Online kennzeichnete (Buzzell 2006:248). Buzzells Bericht wurde vom ehemaligen embedded Reporter Michael Gilbert in der Lokalzeitung The News Tribune besprochen und in der Blogosphäre verschickt und verlinkt.21 Dadurch wurde die Armee selber auf den Eintrag und den Blog aufmerksam: Buzzell musste das Posting zwar nicht löschen, wurde aber, wie Hartley auch, vorerst auf dem Stützpunkt festgehalten und konnte seine vorherigen Aufgaben nicht mehr erfüllen. Aufgrund dieser Maßnahmen entschloss er sich wenige Tage später, keine neuen Postings mehr zu schreiben. Der Eintrag Men in Black war bereits von einem Journalisten besprochen und in verschiedenen Blogs angelinkt worden, als die Entscheidung kam, den Blog zu beenden. Die Nutzer konnten so den Prozess der Zensur miterleben und die Berichterstattung vermehrte sich durch die neue Meldung zusätzlich.22 Es folgte eine ganze Reihe von Erwähnungen in der Presse, die meistens Buzzell als Aufhänger hatten, das Phänomen Milblogging aber auch allgemein vorstellten. Es scheint plausibel, dass die Pressebesprechungen einzelner Blogs und der Skandal um Colby Buzzells Eintrag Men in Black auch zum Zuwachs

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21 Dies kann daraus geschlossen werden, dass Buzzell angibt, von mehreren Lesern und Bloggern E-Mails zu seinem Bericht gekriegt zu haben (Buzzell 2006:270). 22 Vgl. dazu die Zeitungsartikel von Cooper (2004) und Niiler (2004). Beide erschienen kurz nach der Zensur.

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von Milblogs beigetragen haben. Der Milblogger Greyhawk spricht, wie gesagt, von ungefähr einem Dutzend Milblogger während des Einmarschs in den Irakkrieg und bezieht sich mit dieser Zahl nicht nur auf soldatische Milblogs aus einem Kriegsgebiet (Finer 2005). Sowohl Hartley als auch Buzzell erwähnen, dass ihnen zu dem Zeitpunkt jeweils nur ein Blog von einem anderen Soldaten aus dem Irak bekannt war, womit in Hartleys Fall wahrscheinlich LT Smash gemeint ist und in Buzzells Hartley selber (Buzzell 2006:114). Nach der Besprechung von My War wuchs die Zahl der Milblogs aber um ein Vielfaches: Im Sommer 2005 sprachen einige Journalisten von mehreren hunderten Milblogs, von denen nicht alle, aber doch mehrere, von Soldaten geschrieben wurden (Finer 2005; Hockenberry 2005).23 Im Oktober 2005 wurde auf der Webseite Milblogging.com eine Datenbank begonnen, die Milblogs aller Art sammelt und kategorisiert. Kurz nach der Gründung von Milblogging.com im Oktober waren 326 Milblogs verzeichnet. Diese Zahl verdoppelte sich bis Ende des Jahres monatlich und im Dezember 2005 waren bereits über tausend Milblogs in das Archiv aufgenommen worden, von denen wiederum 264 aus dem Irak geschrieben wurden. Anfänglich ist die stark steigende Zahl von Milblogs auch auf den Aufbau der Datenbank zurückzuführen, doch auch im Laufe des nächsten Jahres stiegen die Zahlen, wenn auch nicht mehr ganz so dramatisch. Nachdem Ende 2005 die 1000er Marke überschritten war, kamen monatlich ungefähr 50 Milblogs hinzu. Im August 2006 waren es bereits 1,450 Milblogs, im September 2010 wurden etwas mehr als 2,800 Milblogs dort gelistet. Auf Buzzells Erfahrungen mit der Popularisierung seines Blogs und der gleichzeitigen Zensur folgten ähnliche Fälle, in denen Blogs aufgrund von Eingriffen der Vorgesetzten offline genommen und dann vor allem in Printmedien besprochen wurden.24 Die Popularisierung und die Zensur von

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23 Die Zahlen lassen sich zu diesem Zeitpunkt nur aus Artikeln rekonstruieren, da es noch keine Datenbank gibt, die eine Orientierung bieten kann. 24 Zwei weitere Beispiele sind der Blog 67cshdocs von Michael Cohen, der im Dezember 2004 wegen Details über medizinische Eingriffe nach einem Selbstmordattentat in Fallujah zensiert wurde und der eponyme Blog von Leonard Clark, der wegen Verstoß gegen die Regel 92/134 des UCMJ – eine illegitime Beziehung zu einem Beschäftigten der gleichen Militärbasis – degradiert wurde.

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Milblogs sowie die zunehmenden Neugründungen fanden parallel statt und sind als Ereignisse miteinander verknüpft. Obwohl weitere Fälle der Blog-Zensur folgten, erfolgte diese jedoch immer noch unsystematisch und es gab keine einheitlichen Vorgehensweisen für den Umgang mit Blogs. Um diesem Mangel an offizieller Regulation beizukommen, wurde eine Reihe von Memoranda erlassen: Am 6. April 2005 wurde erstmals eine übergreifende Regelung, die sowohl den Inhalt offizieller Armeeseiten als auch persönlicher Seiten betraf, an die Kommandierenden im Irak verteilt. Es wird in diesem Memorandum befohlen, dass alle Soldaten der multinationalen Streitkräfte im Irak ihre persönlichen Webseiten oder Blogs bei ihrem Vorgesetzten registrieren müssen und dieser Listen über die bestehenden Blogs und Webseiten zu führen hatte: MCN-I personnel who post web logs must register the URL at which the blog is posted with their unit. […] MCN-I personnel who supply editorial content to but do not themselves administer a web page, web site, or web log must register any page or site to which they contribute editorial content […]. Personal web sites and web logs produced in a personal capacity and not in connection with official duties need not be cleared in advance. (Vines 2005)

Zu diesem Zeitpunkt wurde es jedoch noch nicht für nötig befunden, bei privaten Blogs jedes Posting zu überprüfen. Trotz des anfänglich offenen Umgangs mit persönlichen Blogs, war die prinzipielle Haltung gegenüber digitalen Medien restriktiv: Opsec is a chain of command responsibility. It is serious business and we must do a better job across the army. The enemy aggressively ‚reads‘ our open source and continues to exploit such information for use against our forces. Some soldiers continue to post sensitive information to internet websites and blogs, e.g. photos depicting weapon systems vulnerabilities and tactics, techniques, and procedures. (Schoomaker 2005)

Im November desselben Jahres wurde die Veröffentlichung von sogenannter Operational Information Teil einer langen Liste von verbotenen Aktivitäten, zu denen auch das Stehlen, der Besitz von Pornographie und Glücksspiel gehören. In diesem Dokument wurde, nachdem die Details der Vorschriften und Verstöße lange unklar waren, spezifiziert, was nicht veröffentlicht werden sollte:

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[I]nformation relating to ongoing missions, casualties, force protection, battle rhythm, unit strength, or otherwise prohibited information that puts coalition forces in danger, provides propaganda for the insurgency, is deliberately misleading, or meant to impugn members of the coalition, to include the Iraqi government or security forces. (Turner 2005)

Obwohl diese Liste auch spezifische Angaben zu verbotenen Details enthält, sind vor allem die Bereiche, die gegen Ende erwähnt werden, zunehmend vage und legen teilweise eine Zensurpraxis nahe, die sich nicht nur auf Sicherheit sondern auch auf politische Ziele bezieht.: Betrachtet man die Veröffentlichung im Kontext der Kriegsentwicklung, fällt zum Beispiel die Anweisung auf, keine alliierten oder irakischen Truppen zu kritisieren. Besonders während der heftigen Kämpfe 2005 war jedoch die problematische Zusammenarbeit mit der neugebildeten irakischen Armee ein wichtiges Thema für die Soldaten (vgl. Kapitel 7). Das Verbot jeglicher Kritik an irakischen Truppen bedeutete einen tiefen Einschnitt in die Möglichkeit, alltäglich Erlebtes zu besprechen. Die restriktive und eingreifende Haltung des Verteidigungsministeriums und der Kommandierenden verstärkte sich parallel zur Eskalation der Gewalt im Irak. Nach dem gelungenen Einmarsch rutschte der Irak Anfang 2006 allmählich in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand. Mit der Eskalation veränderte sich die öffentliche Meinung in den USA und der Krieg wurde zusehends unpopulär.25 Die Berichterstattung zugunsten der Regierung war öffentlich diskutiert und korrigiert worden (Kellner 2007:28). Im August 2005 begann das Verteidigungsministerium, aktiv Blogs von Soldaten zu kontrollieren (Newbern 2006): Die Army Web Risk Assessment Cell in Arlington, Virginia beauftragte laut Journalistin Xeni Jardin 2006 zehn Mitglieder einer National Guard Einheit damit, Milblogger zu überwachen und OPSEC Verstöße zu melden (Jardin 2006).26 Im Februar 2007

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 25 Die abnehmende Unterstützung wurde in verschiedenen Umfragen des PEW Research Center festgehalten. 26 Obwohl zu diesem Zeitpunkt Milblogger wie 365 and a Wakeup, Mudville Gazette oder Blackfive vor allem das Anliegen teilen, den Krieg in der öffentlichen Aufmerksamkeit zu halten; einige mit der Agenda, die für sie unhaltbaren politischen und militärischen Mängel der Kriegsführung aufzuzeigen, andere mit der

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veröffentlichte Noah Shachtman, Journalist der Zeitschrift Wired und ein Milblog-Experte, einen Regelkatalog (Army Regulation 530-1), der kurz davor intern veröffentlicht worden war und der nun endgültig das Verhältnis des Militärs zu den bloggenden Soldaten festlegen sollte.27 Diese Dienstvorschrift verschärfte nun bereits erlassene Regeln. Shachtman fast die Veränderungen unter dem Titel Army Squeezes Soldier’s Blogs to Death zusammen: Army Regulation 530-1: Operations Security (OPSEC) restricts more than just blogs, however. Previous editions of the rules asked Army personnel to ‚consult with their immediate supervisor‘ before posting a document ‚that might contain sensitive and/or critical information in a public forum.‘ The new version, in contrast, requires ‚an OPSEC review prior to publishing‘ anything – from web log (blog) postings to comments on internet message boards, from résumés to letters home. Failure to do so, the document adds, could result in a court-martial, or ‚administrative, disciplinary, contractual, or criminal action.‘ (Shachtman 2007)

Die zu dieser Zeit bereits teilweise recht stimmgewaltigen Milblogger reagierten empört auf diese extreme Einschränkung, die sich nun explizit auch auf persönlichen Kontakt bezog. Der Milblogger Blackfive prophezeite gar das Ende von Milblogs unter diesen neuen Regelungen, da der zeitliche und bürokratische Aufwand des OPSEC Revisionsprozesses im Widerspruch zur Aktualität und Schnelligkeit von Blogs stünde (Blackfive 2.5.2007).

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ Mission, Positives über den Krieg als Gegengewicht zu den angeblich überwiegend negativen Schlagzeilen der etablierten Medien zu bieten. 27 Mit der Army Regulation 530-1 wurde einer der Höhepunkte in der Geschichte der Zensur von Milblogs erreicht. Darauf folgten jedoch noch eine ganze Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen, um die neuen Möglichkeiten zur Kommunikation einzuschränken: Es wurde zum Beispiel im Mai 2007 noch der Zugang zu MySpace und YouTube auf den FOBs gesperrt (Shachtman 2007). Social Networking Seiten sollten auch dem OPSEC-Prozess unterstellt werden und es gab auch immer wieder mehr oder weniger öffentliche Fälle von Zensur einzelner Soldaten. Im Februar 2008 wurde schließlich für alle Mitglieder der Air Force der Zugang zu allen Webseiten, deren URL das Wort Blog enthielt, gesperrt.

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Ob die Zensur von Milblogs in der Tat hauptsächlich aufgrund von Operational Security eingeführt wurde, steht zur Diskussion. Im Mai 2007 wurde von der bereits erwähnten Army Web Risk Assessment Cell in Virginia eine Untersuchung veröffentlicht, die auf Armed Forces-eigenen Webseiten fast 2000 OPSEC Verstöße im vorhergehenden Jahr verzeichnete und auf Milblogs nur 29 solcher Verstöße (Shachtman 2007).28 In einzelnen Fällen lässt sich die Zensur auch als eine strategische Informationskontrolle zu Gunsten der amerikanischen Streitkräfte begründen, die dem institutionellen Ansatz des DODs, die bisher auf „information dissemination“ and „message control“ setzten (Collings und Rohozinski 2009:2), folgt. Jason Christopher Hartley besteht zum Beispiel darauf, dass er keine OPSECRegeln gebrochen hat (Gladstone und Garfield 2005). Dennoch lassen sich die Zensurversuche nicht alleine auf eine systematische Unterdrückung von ungeliebter Information zurückführen. Die Vorgänge sind vielschichtig und einzelne Motivationen nur schwer zu verallgemeinern. Wie die Militärstrategen des Berichts Bullets and Blogs bemerken, ist eines der Probleme, dass gegenwärtig digital natives und digital immigrants aufeinander treffen (Collings, Rohozinski 2009 5). Das Verbot von MySpace und YouTube erscheint aus der Sicht eines natives stark einschränkend und leicht zu umgehen. Nur in einzelnen Fällen kann beurteilt werden, ob das Militär durch die Zensur nicht nur versucht, die OPSEC zu erhalten beziehungsweise rückschrittlich auf Neuerungen reagiert, oder ob hier Machterhalt und Informationskontrolle durch Zensur erreicht werden soll. Unstrittig ist der immense Einfluss den diese Entscheidungen auf die Entwicklung von Milblogs hatten und noch haben werden. Matthew Curier Burden, einer der Protagonisten der Milblogging-Community, endet seine Milblog-Anthologie mit folgender Prognose: The effect of the guidance has been to restrict the majority of military blogs and put an end to some blogs altogether. Many have gone ‚dark‘, letting their blog registrations expire and the content disappear – bits and bytes no more – rather than face censorship. Others have followed the new OPSEC guidance and continue to blog but no longer post photos or stories about their experiences. (Burden 2006:257)

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 28 Die Untersuchung wurde auf der Webseite der Electronic Frontier Foundation veröffentlicht.

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2009 überwachte das DOD weiterhin soldatische Milblogs: Das Electronic Media Management Team (EMET) des Central Command überwacht die Milblogosphäre, besuchte die Konferenzen und kontaktierte diejenigen Milblogger, deren Inhalt das Team als Verstoß gegen die OPSEC Regeln wertet (Wall 2009:35). Die unterschiedlichen Erlasse, Zurücknahmen und Änderungen im untersuchten Zeitraum deuten aber darauf hin, dass es sich hier um einen Prozess der Annäherung, Verhandlung und Ablehnung von einem neuen Phänomen handelt, dessen Resultat noch nicht abzusehen ist, der aber nach einer anfänglich konservativen Reaktion auch eine Wendung hin zu den Potentialen und strategischen Nutzen der digitalen, soldatischen Kriegsberichterstattung vollzieht.

D IE N ETZWERKE VON M ILBLOGS : M ILBLOGOSPHÄRE UND M ILBLOGGING -C OMMUNITY Die Anzahl von Milblogs hatte während der ersten zwei Kriegsjahre im Irak stetig zugenommen: 2003 bis 2004 wuchs sowohl die Zahl als auch die Bekanntheit von Milblogs. Colby Buzzells Zensur 2004 und seine Buchveröffentlichung 2005, der Tod von Army Specialist Francisco Martinez, der aus Korea und Irak gebloggt hatte, im März 2005, die erste OPSECRegelung 2005 und die Zensur von Leonard Clark, brachten Milblogs immer wieder in die öffentliche und militärische Aufmerksamkeit. 2005 wurde ungefähr ein Drittel der über 1000 Milblogs aus den Kampfgebieten Afghanistan und Irak geschrieben.29 Eine Auswertung von mehreren Blogs, die im Dezember 2005 aktiv waren, ergab, dass ungefähr die Hälfte der Blogs eine ausführliche Blogroll hatte, die hauptsächlich aus anderen Mil-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29 Zu dieser Zeit waren das Pentagon und die Kommandierenden im Irak besonders bemüht ein positives Bild des Irakkriegs zu transportieren, denn auf anfängliche Siege, folgten ab Mitte 2005 zähe und blutige Jahre der Anschläge und des Bürgerkriegs, die erst mit der Aufstockung der Truppen im Februar 2007 endeten (Ricks 2009). Die Versuche, Milblogs aus den Kampfgebieten zu erfassen und zu kontrollieren − auch im Angesicht eines sowohl symbolisch als auch digital effektiv operierenden Feindes − können vorsichtig als Teil des Bemühens um positive Berichterstattung betrachtet werden.

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blogs bestand.30 Diejenigen Blogs, die zu diesem Zeitpunkt bereits länger aktualisiert wurden (zum Beispiel 365 in Iraq, Ma Deuce’s Gunner und Hooah Army Wife) weisen umfassende Blogrolls auf und sind selber auf vielen anderen Blogrolls vertreten. Diese Milblogs und die Verweise und Kommentare in Bezug zueinander können als das maßgebliche, computervermittelte Netzwerk der Milblogs, die Milblogosphäre, begriffen werden. Jedoch sind nicht alle Milblogs Teil dieses Netzwerks: Blogs, die nur kurze Zeit aktiv waren (zum Beispiel Daze of My Life oder Diary of An Army Wife. Alone), haben kaum Links. Sie bilden eine Art Peripherie des Netzwerks, zu dem viele Blogs gehören, die gegründet, aber nicht länger als einen oder zwei Monate geführt wurden und die heute nur noch schwer auffindbar wären, wenn sie nicht in der Milblogging-Datenbank archiviert worden wären.31 Innerhalb der Milblogosphäre lassen sich zwei dominante Gruppen identifizieren: einerseits diejenigen Blogs, die von Soldaten aus Kriegsgebieten geschrieben werden und andererseits solche, die sich durch Fleiß, Organisation und archivarische Tätigkeiten besonders in der Milblogosphäre hervorgetan haben und zu den bereits häufig erwähnten A-List Blogs wurden (siehe zu diesen Blogs das nachfolgende Kapitel). Die Leserzahlen dieser Blogs sind am höchsten und sie können eine hohe Zahl an hinführenden Links für sich beanspruchen. Es gibt aber auch Überschneidungen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 30 Zu diesem Zweck wurde auf die Datenbank von Milblogging.com zugegriffen. Es wurden zehn Blogs aus dem Bestand des Jahres 2005 willkürlich ausgesucht und ihre Blogrolls untersucht. Es wurden die Länge der Blogroll und der Inhalt betrachtet und überprüft ob sich A-List Milblogs dort finden ließen. 31 Zu dieser Milblogosphäre müssen eine Reihe von Live Journals und XangaProfilen gezählt werden: Zum Beispiel finden sich zu dieser Zeit Neugründungen von Blogs im Rahmen einer Live Journal-Gruppe I Love My Soldier. Live Journal und Xanga-Profile wurden bewusst aus dieser Arbeit ausgelassen, da die Beschaffenheit dieser Seiten als Kreuzung zwischen Blog und Social Networking Seite andere Fragen aufwirft als die Betrachtung von Blogs. Dennoch handelt es sich hierbei um einen interessanten Bereich, der weit weniger durch Modi der Kriegsberichterstattung und deutlich stärker von einem umgangssprachlichen und informellen Gestus geprägt ist (Schönberger 2006).

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zwischen diesen Gruppen (siehe dazu Sgt. Stryker’s Daily Brief und LT Smash). Es gab im Dezember 2005 laut der Milblogging-Datenbank ungefähr 260 Blogs von amerikanischen Soldaten aus dem Irak. Auch hier lässt sich aus der Untersuchung einer Auswahl dieser Blogs eine große Varianz feststellen: Einige wurden bereits vor der Stationierung geführt und überdauerten diese (A Soldier’s Perspective). Andere wurden sozusagen mit oder während der Stationierung gegründet, währenddessen durchgängig und regelmäßig geführt und endeten mit der Heimkehr (A Day in Iraq) und einige wurden begonnen und nie mehr als ein oder zweimal aktualisiert (Angry Soldier). Eine Zählung der 2005 in der Milblogging-Datenbank registrierten Milblogs aus dem Irak ergab, dass die meisten der 260 Milblogs von Sprechern, die sich als junge Männer identifizierten, geschrieben wurden. Es wurden um die zwanzig Blogs von Frauen ausfindig gemacht. Aufgrund des unsicheren Untersuchungsverfahrens32 und auch aufgrund der Anonymität vieler Sprecher können keine endgültigen Aussagen über Alter, Rang und Ethnizität der Soldaten gemacht werden. Doch es können einige der Erkenntnisse, die sich aus der Beschäftigung mit Milblogs ergeben haben, festgehalten werden: die meisten Milblogger scheinen weiß und männlich zu sein. Einen überdurchschnittlich großen Teil der Milblogger bilden Unteroffiziere, doch reicht das Spektrum von Infanterist bis General. Die Inhalte können von ornithologischen Blogs (Birding Babylon) bis zu Waffenkunde (Main Primary Objective) variieren. Als Schwerpunkte lassen sich der Alltag der Soldaten und Kriegsberichterstattung im Sinne des Berichtens von Kampfhandlungen, militärischem Tagesgeschäft und politischen Ereignissen bestimmen. Auch politisch gibt es ein breites Spektrum: sowohl Kritik als auch Zustimmung sind vertreten. Die meisten Sprecher haben jedoch eine positive Einschätzung der Mission und der BushAdministration. Einig sind sich die Meisten in ihrer Kritik der Berichterstattung. Da sowohl die Newsmilblogs als auch die soldatischen Milblogs mindestens ein oder zwei andere Milblogs auf der Blogroll haben und sich gegenseitig in Postings anlinken und kommentieren, kann von einem zusam-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32 Die Daten auf Milblogging.com sind nicht überprüfbar und die Daten der Blogs, aus denen sie generiert wird, umso weniger.

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menhängenden Netzwerk gesprochen werden.33 Die Verbindungen zwischen den Netzwerkteilnehmern können jedoch sehr lose sein: Es gibt zum Beispiel viele Milblogger, die auf der Milblogging-Datenbank registriert sind, aber nicht an den Aktivitäten, Spendenaufrufen oder den Netzwerkangeboten wie dem Milblog-Ring teilnehmen. Darüber hinaus gibt es kontinuierlich geführte Milblogs, die angelinkt werden, aber nur wenige andere Milblogs anlinken (ein Beispiel ist A Day in Iraq) und sich damit sogar dem recht lockeren computervermittelten Netzwerk entziehen. Letztlich gibt es Beispiele für sehr bekannte Milblogs, wie My War oder Just Another Soldier, die von der Milblogging-Community als populär und wichtig anerkannt werden, aber nicht auf den Konferenzen erscheinen und eventuell bewusst nicht Teil der Gruppe werden wollen. Innerhalb dieses recht losen Netzwerks, kann jedoch ein enger verknüpftes Netzwerk identifiziert werden, deren Sprecher recht homogene Sprecherpositionen aufweisen und die sowohl organisatorische als auch als berichterstattende Funktionen im Medienereignis Irakkrieg übernahmen: die Milblogging-Community. Mit dem Begriff Milblogging-Community wird ein stärker verbundenes Netzwerk innerhalb einer größeren, thematischen Bloggruppe bezeichnet, das auch eine offline Komponente hat und dadurch ein wichtiges Differenzierungsmerkmal zu anderen Blogosphären aufweist. Einige aktive Milblogger begannen Mitte 2003 damit, das computervermittelte Netzwerk, das sich aus verschiedenen militärnahen Blogs und deren Verlinkung untereinander ergeben hatte, aktiv zu fördern. Die frühen Milblogs entstanden in Anlehnung an die konservativen A-List Newsblogs wie Andrew Sullivan, Instapundit und Small Wars Journal. Die sogenannte Newsblogosphäre bildete ein Netzwerk, in dem vor allem innerhalb des Netzwerkes Informationen ausgetauscht wurden und ähnliche politische Meinungen vertreten wurden. Die angesprochenen, aktiven und bekannten Milblogger fügten sich in den ersten Jahren des Irakkriegs in ein Netzwerk ein, das eng mit der konservativen Newsblogosphäre verbunden war. Diese

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 33 Eine Visualisierung dieses Netzwerkes würde wahrscheinlich eine lose Verknüpfung der Mitglieder ergeben. Vor allem viele Soldaten, die während eines Kriegseinsatzes bloggten, lassen ihre Blogs nach der Rückkehr in die USA auslaufen.

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Blogger identifizierten sich als aktive Mitglieder der Military Community, mit dem Anspruch, positiv und produktiv zu dessen Bestehen und Fortkommen beizutragen und vertraten eine promilitärische, republikanische Orientierung. Daher ist es nicht überraschend, dass die zugleich aktiven und konservativen Milblogger auch in der Milblogging-Community einige der Protagonisten stellen: Mr. and Mrs. Greyhawk, Andi C., Blackfive, Chuck Ziegenfuss und CJ Grisham. Ebenfalls 2005 begannen einzelne, aktive Anhänger dieser Milblogosphäre das Netzwerk über den Informationsaustausch hinaus als organisatorisches Instrument zu nutzen und die Mitglieder auch offline zusammen zu bringen. Diese A-List Blogger boten nicht nur eine Orientierung und Ansprechpartner, sondern ermöglichen es bis in die Gegenwart weniger bekannten Milbloggern, auf ihrem Blog zu veröffentlichen: Die Mudville Gazette stellt zum Beispiel wöchentlich in der Rubrik Dawn Patrol eine Sammlung von soldatischen Blogpostings aus Kriegsgebieten zusammen, die auf dieser viel gelesenen Seite mehr Aufmerksamkeit erhalten können. Auch John Donovan bietet auf seinem Blog Castle of Arghh regelmäßig solche offenen Postings, auf denen Soldaten und andere ihre Erfahrungen und Meinungen kundtun können. Matthew Curier Burden von Blackfive veröffentlichte eine Anthologie von Milblog-Auszügen namens The Blogs of War, die Auszüge aus Milblogs der Öffentlichkeit präsentierte (Burden 2006). Aus diesen Bemühungen formierte sich das militärnahe Netzwerk, das von den Mitgliedern selbst als die Milblogging-Community bezeichnet wird. Nachdem im Oktober 2005 die Milblogging-Datenbank mit Geschlecht, Nation und Ort der Stationierung eingeführt wurde, fand im April 2006 die erste Milblogging-Konferenz statt. Die Konferenzen wurden mit dem Ziel veranstaltet, Bloggern die Möglichkeit zu geben öffentlich zu sprechen und wichtige Belange zu diskutieren. 2007 erreichten die Konferenzen einen Höhepunkt, als der damals amtierende Präsident George Bush, General Petraeus und Senator Ted Kennedy die Milblogging-Konferenz im Mai per Videoansprache und Grußbotschaften adressiert.34 Wenige Monate später

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 34 Auch unter Barack Obama wurden ausgesuchte Milblogger ins Weiße Haus eingeladen jedoch sprachen sie 2009 nur mit dem Sicherheitsrat und nicht mit dem Präsidenten selbst.

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wurden Vertreter der Milblogging-Community zusammen mit einigen bloggenden Journalisten und dem irakischen Blogger des Blogs Healing Iraq ins Weiße Haus eingeladen, um dort mit dem Präsidenten ein längeres Gespräch zu führen (2007). Abbildung 6: Banner der Milblog-Konferenz 2008

ȱ Quelle: Blackfive (24.7.2008)

Neben Vorträgen dienen die Konferenzen auch gesellschaftlichen Treffen und der weiteren Vernetzung und Gestaltung der Milblogging-Community: The milblogger meeting will be an informal, voluntary meeting to discuss items of interest to milbloggers. Among the items we’ll be discussing are how we can help raise money for troop charities, help veterans and families in need and better work together on various issues now that the community has become so large.

Letztlich werden die Konferenzen auch für Wohltätigkeitsprojekte genutzt, die als wichtiger Aufgabenbereich der Gruppe verstanden werden. 2009 wurde zum Beispiel ein Babyshower anlässlich der bevorstehenden Geburt des Kindes eines schwer verletzten Soldaten gehalten (Babies at the Milblog Conference: 2009). Ein bekannteres Beispiel sind die Soldier’s Angels, eine Organisation von Frauen, die sich unter dem Motto No Soldier Left Behind darum kümmern, verwundete Soldaten, die aus dem Irak nach Deutschland geflogen werden, dort zu versorgen. Die Soldier’s Angels sind ebenfalls hauptsächlich online und über Blogs organisiert und erreichen durch die Verbindungen zur Milblogging-Community einen recht hohen Grad an Aufmerksamkeit. Gemeinsam nehmen sie sich Projekten wie Valour IT an, um verwundeten Soldaten sprachgesteuerte Notebooks zu finanzieren. 2009 stellten einige Milblogger, wie zum Beispiel John Donovan, Bouhammer’s Afghanistan and Military Blog und CJ Grisham Infor-

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mationen und Hilfestellungen für Soldaten zur Verfügung, die unter posttraumatischem Stresssyndrom leiden. Letztlich sind die Online- und Offline-Netzwerke ein Ort, an dem die Ehrung gefallener und verwundeter Soldaten und die Unterstützung der Verbliebenen stattfinden kann beziehungsweise an dem auch über diese Fälle informiert wird. Sowohl Blackfive als auch die Mudville Gazette bieten Angehörigen die Möglichkeit auf ihren Blogs um die Gestorbenen zu trauern und Abschiedsbriefe zu veröffentlichen; beispielsweise können auf Blackfive zwei Abschiedsbriefe von Eric Freeman, der im Irak gestorben ist, an seine Frau und an Freunde und Familie gelesen werden (Blackfive 16.6.2006).

M ILBLOGS

ALS

T EIL DES I NFOWAR

Ende 2009 wurden die Milblogosphäre und die Milblogging-Community zumindest symbolisch von militärischer und regierender Seite anerkannt. Nach den anfänglichen Uneinheitlichkeiten im Umgang mit digitaler soldatischer Kommunikation, bildete sich nun ein gleichmäßigerer Umgang mit digitalen Medien heraus: Mehrere Webseiten des Verteidigungsministeriums bemühten sich, die OPSEC-Regeln zugänglich und verständlich darzustellen und sie nicht als Einschränkung, sondern als eine Art Schreibhilfe zu stilisieren. Zudem öffnete sich im Laufe des Jahres 2009 das Verteidigungsministerium für die vielfältigen Social Media-Angebote: auf dem DOD Social Media Hub konnten nun diverse Angebote wie Twitter, Facebook und der DOD Live Blog genutzt und gleichzeitig Informationen über OPSEC eingeholt werden. Nutzergenerierte Medienprodukte wie Grußvideos an die Soldaten oder Fotografien auf Flickr wurden in die eigene Informationsproduktion eingebunden und so die Struktur Sozialer Medien im Rahmen der offiziellen Seite nachgeahmt. Auf dieser Webseite, aber auch in diversen Veröffentlichungen, wurde die Bedeutsamkeit digitaler Medien und speziell der Milblogger wiederholt anerkannt. Zudem veröffentlichte das Verteidigungsministeriums im Februar 2010 eine Direktive, die den Umgang mit Sozialen Medien und die Operational Security genauer eingegrenzte (Defense 2010): „This policy recognizes that emerging internet-based capabilities offer both opportunities and risks and need to be balanced in ways that provide an information advantage for our people and mission partners“ (Brewin 30.9.2009). Die Gegenwart von computer-

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vermittelter Kommunikation und digitalen Medien kann als akzeptiert gelten. Neben der restriktiven Reaktion auf die veränderte Mediennutzung der Soldaten in Form von Zensur und Nutzungsverbot, lässt sich demnach auch ein Annäherungsprozess beobachten, der parallel zu den Zensurmaßnahmen stattfand. Der Einbezug von Milblogs als digitale Kriegsberichterstattung und Meinungsmacher an der Heimatfront, also in verschiedene Szenarien der Information Warfare35, ordnete sie in einen größeren Kontext der Transformation des amerikanischen Militärs ein und öffnete neben der Kriegsberichterstattung und der interpersonalen Kommunikation eine dritte Funktion für Milblogs als Waffe in einem globalen, vernetzten und symbolischen Krieg. Die Öffnung des Militärs gegenüber Milblogs fand vorerst vor allem an Militäruniversitäten und im Rahmen militärstrategischer Überlegungen statt. Doch auch hier wurden Blogs zu Beginn in erster Linie als Bedrohung der Operational Security eingeschätzt: Im März 2006 erschien der Forschungsbericht Opsec in the Information Age von Lieutenant Colonel Robert G. Michnowicz, der dort die neuen OPSEC Herausforderungen, die durch Milblogs entstehen, bespricht. Obwohl die Entwicklungen verhältnismäßig neutral zusammengefasst werden, endet der Artikel doch mit dem Appell, OPSEC streng und engagiert durchzusetzen. Eine Veröffentlichung des Department of Defense Joint Course for Communications an der University of Oklahoma 2006 beschäftigt sich eingehend mit der Geschichte und Beschaffenheit von Blogs und Milblogs und versucht in erster Linie die Wirkung von Milblogs auf die öffentliche Meinung zu bestimmen. Die For-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 35 Lawson gibt folgende Zusammenfassung der Bedeutung des Begriffs Information Warfare im US Militär: „Since that time (1980s), a number of theories of the Information Age warfare have been developed, including fourth generation warfare (4GW), asymmetric warfare, neocortical warfare, SOFTWAR, noosphere politics, netwar and others. All refer to potential adversaries who would employ creative combinations of both old and new technology and organizational forms to exploit U.S. weaknesses. They all refer to forms of war particularly suited to conflict in the Information Age. They all emphasize the increasing importance of the non-physical, political, narrative, or informational aspects of warfare in the Information age“ (Lawson 2007:18).

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schungsgruppe kommt zu dem Schluss, dass Milblogs keine Bedrohung für das Militär darstellen: [M]ilitary public affairs officials should not be concerned with milblogs having a negative effect on public opinion and should encourage the chain of command to allow individuals in the command to produce blogs. However, all milblogs should continue to be monitored by the military to ensure that they do not include operational security violations, force protection information or violations of the privacy act. (Lawson 2007:219)

Milblogs wurden demnach auch im militärwissenschaftlichen Bereich zu Beginn hauptsächlich als OPSEC-Angelegenheit und nicht als Teil der Information Warfare betrachtet.36 Mit der weiteren Popularisierung und Organisation der MilbloggingCommunity behauptete sich auf militärwissenschaftlicher Seite diese Einschätzung von Milblogs, auch wenn parallel strenge und sehr einschränkende OPSEC-Regulationen erlassen wurden. James Kinniburgh und Dorothy Denning vom Strategic Studies Department der Joint Special Operations University gehen in ihrem ausführlichen Bericht als erste Militärwissenschaftler auf das Potential von Blogs für sogenannte Influence Operations ein und wollen Milblogs als glaubwürdiges Instrument gegen die Verwendung von digitalen Medien durch den Feind im War on Terror eingesetzt sehen (2006). Die militärnahe Kommunikationswissenschaftlerin Cori Dauber beschreibt Milblogs 2006 als wertvolle Nachrichtenquelle, die

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 36 Auch hier kommentiert Lawson einsichtig: „[V]iewed in a broader historical context, we see that milbloggers perception of and responses to the recent controversy were not only constrained by the similarity of the situations [damit sind vorherige Zensurversuche gemeint], but also by an ,information warfare‘ discourse tradition that long preceded the advent of milblogging. There are a number of instances where ‚information warfare‫ ދ‬assumptions that underlie the milblogger response come to the surface. […] These assumptions have been conditioned by a great deal of prior discussion within the military about the meaning of the Information Age for the conduct of warfare, a far-reaching discussion, begun even before the end of the Cold War, that I will call the information warfare discourse tradition“ (Lawson 2007).

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angesichts der Unzulänglichkeiten der Mainstream Media einen wichtigen Beitrag im sich verändernden Infowar leisten könnten (Dauber 2006). Ähnlich urteilt auch Paul Keyes, ein Lt.Col. des Naval War Colleges, in seinem Bericht Live From the Front: Operational Ramifications of Military Web Logs in Combat Zones: Although OPSEC concerns are paramount to commanders’ decisions to allow milbloggers in their commands, they should not discount the positive influence milblogs can have on highlighting military successes not reported by the media. Military leaders must allow a permissive military web log environment, framed with sound operational security guidance and training, if they are to leverage the benefits that military web logs can provide to the operational commander. (Keyes 2007:19)

Seitdem bewerten eine ganze Reihe an Power Point-Präsentationen und Veröffentlichungen Milblogs zwar auch als Sicherheitsproblem, betonen aber den Nutzen als strategische Waffe im Krieg gegen Terroristen und im sogenannten Information Management in den USA selber (Clavette u.a. 4.11.2009; Collings und Rohozinski 2009; Drapeau und Wells 2009). Die Verortung von Milblogs im Infowar-Diskurs wird von einigen Milbloggern unterstützt beziehungsweise aktiv angetrieben. Vor allem die Gruppe der aktiven, A-List Milblogs, die ihre Blogs häufig mit politischen oder ideologischen Zielsetzungen verbreiten, betrachten sich nicht als Problem, sondern, ganz im Gegenteil, als Teil der Lösung um eklatante Mängel der Information Operations der US Armee zu beheben.37 Der Kommunikationswissenschaftler Sean Lawson beschreibt die Selbstwahrnehmung und Positionierung von Milbloggern in diesem Rahmen: There was a choice of issues for milbloggers to pursue once faced with the exigence38 of the Army regulations. The exigence could have been articulated primarily

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 37 Zum Beispiel: Blackfive, Bouhammer’s Afghanistan and Military Blog, Mudville Gazette, Milblogging.com, Argghhh! The Home of Two of Jonah’s Military Guys und From My Position… on the Way. 38 Mit „exigence of Army regulations“ meint Lawson die Zensur von Milbloggern durch ihre Vorgesetzten. Der Begriff exigence ist ein von Lloyd F. Bitzer ge-

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as a civil liberties/free speech issue[…] It could have been articulated primarily as an OPSEC issue (the Army’s own position). Instead, milbloggers articulated the exigence as an information warfare issue. By articulating this exigence in terms of information warfare, they have cast it as a professional, technical issue, indicating that they still see themselves within the military fold; their audience is other military professionals. [T]hey have tried to cast themselves as consummate insiders, seemingly more concerned with U.S. Victory and more knowledgeable about information warfare than the Army itself. (Lawson 2007:22)39

Die Milblogger, die dieser Gruppe zuzuordnen sind, nehmen die Zensurversuche der Vorgesetzten demnach nicht nur als Beschneidung der persönlichen Freiheiten wahr, sondern als gefährliche Ignoranz gegenüber neuesten Entwicklungen im militärstrategischen Bereich. So schreibt Matthew Currier Burden in seinem Blog Blackfive: „Operational Security is of paramount importance. But we are losing the Information War on all fronts. Fanatic-like adherence to OPSEC will do us little good if we lose the few honest voices that tell the truth about the Long War“ (Blackfive: The End of Military Blogging, 2.5.2007). Die oppositionelle Haltung gegen die Kommandierenden speist sich in diesen Fällen nicht in erster Linie aus dem Ruf nach Redefreiheit, sondern aus dem Willen, das Militär zu verbessern und den Feind zu besiegen: Military PAO [Public Affairs Office] activities are based on an (early) industrial-age model, with some slight modifications that come from experience in WWII. […] Blogs and Milblogs have shown some of what can be accomplished using more modern technology and models, as well as an innovative mindset. (Blackfive, Milblogging, Revamping, and a New Approach: 3.5.2007)

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ prägter rhetorischer Fachbegriff, der ein dringliches Problem meint (Lawson 2007:3). 39 Sean Lawsons Artikel ist sehr hilfreich um die Beteiligung der Milblogger an dieser Diskurstradition zu verstehen. Er tendiert jedoch dazu, seine These für die Milblogosphäre als Ganzes zu machen. Dies ist nicht haltbar, denn Milblogs erfüllen viele Funktionen und es lassen sich zum Beispiel auch unpolitische oder kritische Milblogs finden, die sich außerhalb des Militärs positionieren. Die These ist für die A-List Newsmilblogs relevant.

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Die Konstellation zwischen Milbloggern und Führungsebene muss dann in dem Begriffspaar alt versus neu gefasst werden und nicht konservativ versus progressiv oder hierarchisch versus liberal.40 Die Milblogger, deren Bedeutung durch den Besuch im Weißen Haus anerkannt wurde, präsentieren sich als interessierte Vertreter der Milblogging-Community und als Repräsentanten eines Neuen Mediums: „The President acknowledged, so to speak, the rise of the blogosphere –which he seems to see as complementary to the MSM, a view to which I subscribe, as well.“41 Das Militär und die Regierung räumten nun ein, was die politischen Milblogger schon lange zu etablieren versucht hatten: Neben den Soldaten, die Blogs schreiben, um mit der Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben oder, um über persönliche und alltägliche Themen zu schreiben, beinhaltet die Milblogging-Community eine aktive Fraktion von Milbloggern, die sich sowohl theoretisch als auch praktisch an der Verbesserung der Information Operations beteiligen wollen und vor allem in Bezug auf die positive Meinungsbildung in den USA kein Risiko, sondern ein Gewinn für die Armee und das Pentagon darstellen. Selbst George Bush bezog sich in einer Grußbotschaft für die Milblogging Konferenz auf diese Nutzen: „Milbloggers tell stories of courage and sacrifice, report important developments in the War on Terror, rally fellow citizens and strengthen our nation. Milbloggers are an important voice for freedom and understand that defeating terrorists must defeat their ideology.“42 Mit der Einladung ins Wei-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 40 Dass die OPSEC-Befürchtungen stark überzogen waren, wurde den Milbloggern in der vorher erwähnten Untersuchung von der Web Risk Assessment Cell in Arlington bestätigt. In der Untersuchung wurden über einen längeren Zeitraum sowohl Wild Blogs − also Blogs, die nicht Teil des offiziellen Webauftritts des Militärs sind − und offizielle Army-Webseiten gescannt. Auf Seiten der Blogs gab es monatlich nur einen oder zwei Verstöße, auf den offiziellen Webseiten aber über 100. So wurden zum Beispiel im August 2006 auf den offiziellen Seiten 118 Verstöße gefunden und korrigiert, auf den Blogs nur einer. 41 Das Zitat stammt von John Donovan, Blogger von Castle of Arghhh! (Armorer 14.9.2007). Siehe zusätzlich die Einträge von Blackfive und Mrs.Greyhawk (Greyhawk 2007) zu dem Treffen. 42 Zitiert in dem Postings 2007 Milblog Conference (5.5.2007) auf dem Blog Dadmanly (5.5.2007).

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ße Haus und auch den Grußworten verschiedener Generäle bei den Milblogging Konferenzen und letztlich mit den starken Aussagen des vorher zitierten Berichts Bullets and Blogs fanden Milblogs ein Stück Akzeptanz in der Führungsriege des Weißen Hauses und im Pentagon.

M ILBLOGS

IN DER

G EGENWART

Soldatische Milblogs existieren 2012 seit fast acht Jahren und Milblogs allgemein seit nahezu einem Jahrzehnt. Seit dem Beginn des Medienereignisses Irakkrieg und während dessen langwieriger Fortführung sind sie in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt und werden als Teil des Phänomens Internetkrieg von Medien und Wissenschaftlern rezipiert. Im Vergleich zu den etablierten Medien sind die Leserzahlen von Blogs immer noch verschwindend klein und selbst diejenigen, die das Internet nutzen, greifen eher auf die Webseiten der bereits bekannten Zeitungen und Fernsehsender zurück, als auf Blogs. Dennoch erfüllten Milblogs verschiedene Funktionen im Irakkrieg: Erstens reflektieren Milblogs aus dem Irak die veränderten Kommunikationsgewohnheiten der aktuellen Soldatengeneration und sind Teil der vielfältigen interpersonalen Kommunikationsangebote für Soldaten. Zweitens sind sowohl soldatische als auch A-List Newsmilblogs Teil des Medienereignisses Irakkrieg geworden, indem sie Kriegsberichterstattung im engeren Sinne geleistet, oder sie kontextualisiert haben. Drittens bieten Milblogs eine militärische Präsenz im Internet und ein enges online und offline Netzwerk mit sozialen und politischen Dimensionen. Die Integration von Milblogs in die Medienlandschaft um den Irakkrieg verlief vorerst zögerlich: Frühe Warblogger wie Kevin Sites und Salam Pax wurden anfänglich misstrauisch betrachtet. Ab Ende 2004 hatten vor allem Printmedien begonnen über Milblogs zu berichten. Die Brisanz des Themas erhöhte sich durch die vielfache Zensur, die Milblogs erfuhren und bis in die Gegenwart noch erfahren. Die Rezeption von Milblogs in den etablierten Medien ließ jedoch mit dem Rückgang der Berichterstattung zum Irak-

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und Afghanistankrieg ebenfalls nach.43 Die Milblogging Community ist jedoch weiterhin aktiv: 2011 konnten in dem Netzwerk rege Diskussionen, beispielsweise zur Aufhebung der Don’t Ask Don’t Tell-Regulierung oder zu sogenannten Military Scams beobachtet werden und 2012 wird wieder eine Milblogging-Konferenz stattfinden. Es wird jedoch von Milbloggern selbst ein starker Rückgang vor allem an soldatischen Blogs aus Kriegsgebieten beobachtet. Dies wird beispielsweise von dem Blogger Dave Marron auf neue Restriktion von Seiten des Verteidigungsministeriums zurückgeführt oder aber auf eine allgemeine Migration zu neuen, sozialen Medien wie Facebook und Twitter (Marron 20.2.2012). Im militärischen Kontext waren Milblogs einer doppelten Bewegung ausgesetzt: einerseits gab es viele Versuche sie einzuschränken und die Kommunikationsgewohnheiten der Soldaten zu begrenzen, andererseits wurden sie als mögliche Akteure im Infowar betrachtet. Diese Position ist es auch, die die aktiven A-List Blogger der Milblogging-Community gerne für sich beanspruchen würden, in Kombination mit einer Kritik und Korrektur der Mainstream Media (siehe Kapitel 4). Im Januar 2011 veröffentlichte das Verteidigungsministerium das bereits angekündigte U.S. Army Social Media Handbook, in dem beiden Potentialen der digitalen Mediennutzung Rechnung getragen wird (2011). Der vormals zensierte Blogger Alex Horton von Army of Dude wurde vom Department of Veterans Affairs eingestellt, um als kritischer Blogger dort Missstände aufzuzeigen. Im Februar 2012 wurden Vergehen in Bezug auf Blogs als Verstoß gegen den Uniform Code of Military Justice eingestuft (8.2.2012). Das Verhalten der militärischen Institutionen gegenüber Milblogs ist demnach weiterhin von widersprüchlichen oder konkurrierenden Zielen geprägt. Einige der in Kriegsgebieten stationierten Blogger konnten im Anschluss an ihre Stationierung, ihre Blogs als Bücher veröffentlichen: Colby Buzzell brachte als erster seine Blog-Einträge im Buchformat heraus. Die Postings werden dort editiert, von einem Vorspann und Nachwort ergänzt und im Verlauf des Buchs immer wieder durch Einfügungen unterbrochen, ein Konzept, das die meisten darauffolgenden Veröffentlichungen ebenfalls

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 43 J.P. Bourda sammelt auf Milblogging.com unter der Rubrik Milblogs in the News die Pressestimmen zu Milblogs und verzeichnet seit 2009 kaum noch neue Artikel.

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benutzten. 2010 gab es mehr als zehn Bücher von Milbloggern, die als Teil des Marktes um nonfiktionale Augenzeugenberichte zu den aktuellen Kriegen bestehen. Dazu gehören die schon erwähnten Blogs wie Buzzell und Hartley, aber auch Anthologien wie Blogs of War und Doonesbury’s: The Sandbox, Birding Babylon (2006), Saving Babylon (2005) und House to House (2007), Kaboom (2010). Der Großteil der soldatischen Milblogs aus Kriegsgebieten endet entweder kurz nach der Eröffnung oder spätestens mit dem Ende des Kriegseinsatzes des Bloggers. Meistens werden die Blogs nach der Rückkehr noch ein paar Mal aktualisiert, oft auch mit dem anfänglichen Versprechen weiter zu bloggen. Doch nach dem Kriegseinsatz bleibt eine Leerstelle im Blog. Viele der A-List Newsmilblogger sind jedoch weiterhin aktiv: Matthew Currier Burden kandidierte Anfang 2010 für ein öffentliches Amt und schöpfte seine Online-Kapazitäten voll aus, um Spenden zu sammeln und Wähler zu mobilisieren. Mr. und Mrs. Greyhawk führen ihre Blogs weiter fort und im April 2010 fand das fünfjährige Jubiläum der Milblogging-Konferenz statt. Donald Rumsfeld besuchte 2011 die MilbloggingKonferenz. Die Soldier’s Angels sind noch immer aktiv und werden von der Milblogging-Community unterstützt. Die vorangegangene Untersuchung von Milblogs und der Milblogosphäre ermöglichte eine historische Darstellung der Entwicklung des Phänomens. Zudem kann durch diese Untersuchung der Aufbau eines der auschlaggebenden Netzwerke, in denen Milblogs verortet sind, beschrieben werden: Die Milblogosphäre ist das dominante computervermittelte, soziale Netzwerk in Bezug auf Milblogs: ein Großteil der soldatischen Blogs, die meisten A-List Newsmilblogger, organisatorische und Pentagon-eigene Blogs sind in diesem Netzwerk verortet. Die Milblogging-Community bildet innerhalb der Milblogosphäre ein Kernnetzwerk, das sich durch eine dichte Verlinkung der Blogs untereinander und organisatorische Tätigkeiten der Netzwerkteilnehmer, die auch offline stattfinden, kennzeichnet. Die Untergruppe der soldatischen Milblogs aus dem Irak bildet kein eigenes Netzwerk, sondern die Großzahl ist in die Milblogosphäre integriert und einige der soldatischen Blogger aus Kriegsgebieten sind wichtige Sprecher in der Milblogging-Community. Die Untersuchung konnte zudem für die Milblog-Analyse relevante Aspekte des komplexen Geflechts von Produktions- und Rezeptionsstrukturen erfassen, welches für die Zwecke der Arbeit auf das Medienereignis Irak-

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krieg eingegrenzt wurde. Daran anschließend, wird nun nach den Kommunikationsinteressen gefragt, die die Darstellungsverfahren und Kommunikationsprozesse im Netzwerk Milblogosphäre während des Medienereignisses Irakkrieg prägten. Im Anschluss können maßgebliche Aushandlungsprozesse um Deutungshoheiten im Medienereignis in der milblogspezifischen Kriegsdarstellung nachvollzogen werden.

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4. Technolibertäre Newsblogs und der Warrior Citizen Journalist

Eine wichtige Erkenntnis aus der bisherigen Untersuchung der Milblogosphäre ist, dass sich dort über Funktion als interpersonale Kommunikation und organisatorisches Medium hinaus, auch politische und militärstrategische Kommunikationsinteressen der Netzwerkteilnehmer feststellen lassen (siehe das Unterkapitel: Milblogs als Teil des Infowar). Im Folgenden werden diese Kommunikationsinteressen der konservativen Newsmilblogosphäre anhand von exemplarischen Analysen herausgearbeitet und im Kontext des Technolibertarismus verständlich gemacht.1 Durch diese Kontextualisierung wird die Verbindung heterogener Sprecherpositionen in Milblogs, wie die des moralisch intervenierenden Soldaten, des Citizen Journalist und des technologie-liebenden Geek, plausibel. Schließlich wird durch diese Analyse auch die ideologische Verfasstheit der Milblogosphäre aufgezeigt.

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Da der Fokus der Analyse auf die Kriegsdarstellungen in Milblogs liegt und diese im Medienereignis Irakkrieg verortet wurden, werden Newsblogs in diesem Kapitel als relevantes Netzwerk betrachtet, doch sind soldatische Milblogs in mehrere Netzwerke eingebunden: Der in Kapitel 2 besprochenen Ausdifferenzierung im Internet entsprechend, kann ein Milblog in das Netzwerk der konservativen Newsmilblogs und ein verwandtes wie dem der sogenannten Open Carriers verortet sein und zusätzlich auch in ein Netzwerk aus bloggenden Familienmitgliedern.

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Die Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist wird eingeführt, um diese Verknüpfung konventionalisierter Kommunikationsprozesse in der Milblogosphäre zu beschreiben und diese Positionen für die Einzelanalysen zu bündeln. Wie in den theoretischen Vorannahmen dargelegt, lassen sich aus kommunikativen Handlungen kommunikative Interessen ableiten. Diese Handlungen sind jedoch nicht auf originäre Subjekte zurückzuführen, sondern sie sind Teil konventionalisierter Kommunikationsprozesse, die in das Medienereignis Irakkrieg eingebunden sind und durch das Medienereignis und die Medienkultur strukturiert werden. Diese konventionalisierten Kommunikationsprozesse stellen etablierte Sprecherpositionen im Medienereignis Irakkrieg zur Verfügung: Beispielsweise den Kommunikationsprozess der blogspezifischen Medienkritik und die Sprecherposition des laienhaften Medienkritikers. Die Sprecherfigur dient einzelnen Bloggern dazu, sich in den vielfältigen, hierarchisierten Kommunikationsprozessen des Medienereignisses Irakkrieg zu verorten und sich in Relation zu anderen Medien zu positionieren. In den Einzelanalysen können die strategischen Nutzungsweisen dieser Sprecherposition durch die Blogger untersucht werden und der Blogger so in Bezug zu anderen Milbloggern im Netzwerk Milblogosphäre verortet werden. Durch die ineinandergreifende Analyse der ideologischen Verfasstheit der Milblogosphäre und der Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist werden die Blog-Merkmale Netzwerk und Sprecher spezifisch in Bezug auf Milblogs ausgearbeitet und können zusammengefasst folgendermaßen beschrieben werden:2 Die konservative Newsblogosphäre ist von einer Bündelung libertärer und technologieutopischer Überzeugungen geprägt: der Populärphilosophie des Technolibertarismus. Dieser Technolibertarismus erfuhr nach dem elften September eine interventionistische Ausprägung. Der Citizen Journalist ist eine Sprecherfigur, die technolibertäre Sprecherpositionen übernimmt. Newsblogger eignen sich diese Sprecherfigur an und können sich so in der Berichterstattung als ein durch Technologie ermächtigtes, autonomes Individuum positionieren. Newsmilblogger eignen sich ebenfalls diese Figur an, jedoch erfährt sie in diesem Prozess einige Ände-

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Zudem wird die Zusammengehörigkeit dieser Kategorien, die im Unterkapitel Der vernetzte Sprecher bereits diskutiert wurde, am konkreten Gegenstand plausibel gemacht.

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rungen, denn die technolibertären Überzeugungen, die in vielen konservativen Newsmilblogs zum Ausdruck kommen, können nicht ohne Anpassungsschwierigkeiten in eine militärische Perspektive übernommen werden. Um die milblogspezifische Bündelung von Kommunikationsinteressen zu beschreiben, wird die Sprecherfigur des Warrior Citizen Journalist etabliert. Diese ist geprägt von einer medienkritischen Haltung und Abgrenzung zu den etablierten Medien, von dem Versuch einer strategischen Teilnahme am Infowar und von Ambivalenzen, die die aktuellen Problematiken einer stark geforderten Berufsarmee im digitalen Zeitalter zwischen Pflichten und Rechten, Selbstdarstellung und Uniformität, widerspiegeln. Es sind vor allem die konservativen Newsblogger und Newsmilblogger, die technolibertäre und interventionistische Kommunikationsinteressen äußern. Da diese Blogs wichtige Knotenpunkte in der Milblogosphäre bilden, können sie als einflussreiche Deutungsinstanzen darin identifiziert werden (siehe dazu Die Merkmale des Blogs und interpersonale Kommunikation). Im Folgenden werden am Beispiel des Newsblogs Instapundit die Sprecherpositionen eines technolibertären Citizen Journalist analysiert. Die ausgearbeiteten Sprecherpositionen werden dann anhand des Newsmilblogs Sgt. Stryker’s Daily Brief in Bezug auf den Warrior Citizen Journalist untersucht und sowohl Übernahmen als auch Abänderungen festgehalten. In den Charakterisierungen des Citizen Journalist und des Warrior Citizen Journalist werden die Ergebnisse aus den Analysen durch den Einbezug von Sekundärliteratur abstrahiert und auf andere Blogs anwendbar gemacht.3

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Es muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der folgenden Charakterisierung um Beispiele aus der konservativen Newsblogosphäre handelt. Auch der in diesem Kapitel dargestellte Citizen Journalist gründet hauptsächlich auf der Auswertung der konservativen Newsblogosphäre. Die meisten Milblogs sind entweder konservativ beziehungsweise libertär oder unpolitisch. Sie können größtenteils in die konservative Blogosphäre eingeordnet werden. Deswegen kann die linke Newsblogosphäre größtenteils außer Acht gelassen werden. Doch muss deutlich gemacht werden, dass die Sprecherfigur Citizen Journalist nicht nur konservativen Newsbloggern zur Verfügung steht. Eine andere wichtige Form von Citizen Journalism im Zusammenhang mit dem Irakkrieg sind bei-

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I NSTAPUNDIT : E IN TECHNOLIBERTÄRER C ITIZEN J OURNALIST Instapundit, einer der ersten explizit politischen Blogs, wurde Mitte 2001 von Glenn Reynolds4 gegründet. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die sich vor allem auf, wie Rebecca Blood sagt, „the web-at-large“ (2000) konzentrierten, war in diesem Blog Politik und nicht mehr das Internet an sich Themenschwerpunkt. Dass Reynolds mit Instapundit einen der frühesten explizit politischen Blogs, mit einer vergleichsweise großen Anzahl von Lesern und hinführenden Links betrieb – nach eigenen Angaben hatte Instapundit am 12. September 2001 bereits 4200 Leser (13.9.2001) und laut Wired Mitte 2004 um die 100000 pro Tag (Boutin 2004) – macht den Blog zu einem Vorbild für viele andere Newsblogs. Milblogger, die selbst A-List Blogs der Milblogosphäre betreiben, nennen Instapundit als Vorbild: Citizen Smash beschreibt seinen Einstieg beispielsweise folgendermaßen: „I discovered the world of blogging via Glenn Reynold‘s Instapundit in May of 2002, while surfing through some Internet bulletin boards, I immediately thought, ‚what a cool site!‘ Which was quickly followed by, ‚Hey, I could do this‘“ (Mudville Gazette: A Brief History of Milblogs, 11.11.2005). Sgt. Stryker begründet seine Anfänge ganz ähnlich: „As I was surfing the web, I happened upon Instapundit. I figured I could do what he was doing, so my blog changed from a Star Wars geek site to Sgt. Stryker’s Daily Briefing“ (Mudville Gazette: A Brief History of Milblogs, 11.11.2005). Instapundit ähnelt den damals bereits etablierten Blogs wie Scripting News von Dave Winers, dessen Webseite durch textlastige Einträge und ein

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Reynolds ist Jura Professor an der University of Tennessee und schreibt neben seinem Blog für unterschiedliche Zeitungen, zum Beispiel The New York Times und The National Review. Kaum eine Besprechung der Entwicklung von Blogs lässt Reynolds als Gründervater der Newsblogs aus (Drezner 2008; Gillmor 2006; Shirky 2008). Reynolds betreibt Instapundit heute im Rahmen der Firma Pajamas Media, die versucht, ein finanziell ertragreiches Netzwerk aus Blogs aufzubauen, in dem zum Beispiel größere Werbeaufträge angenommen werden können.

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einfaches Layout mit Banner und Links gekennzeichnet ist. Ein typisches Posting von Reynolds beinhaltet einen oder mehrere Links, 2001/2002 meistens zu Online-Zeitungen aber auch zu anderen Blogs, zum Beispiel The Daily Dish.5 Abbildung 7: Instapundit ganz zu Anfang

Quelle: http://web.archive.org/web/20010816183513/http://instapundit.blogspot.com

Die Links werden in einen selbstverfassten Text eingebaut und nicht im Blog zitiert: Der Leser muss dem Link folgen, um herauszufinden, welche Quelle verwendet wird. Daraufhin folgt häufig ein politischer Kommentar, der teilweise auch mit Zitaten aus dem verlinkten Text versehen ist.6 Die verwendeten Quellen reichen von der New York Times über Fox News und bilden keine eindeutige politische Meinung ab. Die technologieutopistische, libertäre Gesinnung von Glenn Reynolds wird erst im Kommentar deutlich. Dass sich einer der ersten bekannteren Blogs, die sich mit politischem Tagesgeschehen beschäftigten, nicht scheute, die dargebotenen Informationen parteiisch zu beurteilen, hatte an sich schon Vorbildcharakter für die vielen Nachahmer. Für die frühen Milblogs ist aber auch die politische Positionie-

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Ein weiterer maßgeblicher und früher Blogger, dessen Konservatismus ebenso libertär und komplex ist wie Reynolds (Sullivan 2007).

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Dieses Beispiel verdeutlicht wie auch in einem thematischen, linklastigen Blog der Sprecher als prägende und kohärenzstiftende Instanz fungiert.

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rung von Glenn Reynolds Ausdruck einer gemeinsamen Ausrichtung, auch wenn diese Positionen in den Milblogs noch einmal einen spezifisch militärischen Einschlag erhalten. Nachdem die formalen Merkmale von Instapundit kurz beschrieben wurden, werden im Folgenden die politischen und populärphilosophischen Sprecherpositionen anhand seines Blogs Instapundit und anhand der Buchveröffentlichung An Army of Davids (2006) untersucht. Reynolds bezeichnet sich als transhumanitarian libertarian und identifiziert sich damit als Anhänger einer Populärphilosophie7, die den Glauben an technologische und individuelle Weiterentwicklung mit einer regierungsfeindlichen und marktfreundlichen Haltung verbindet. Die Journalistin Paulina Borsook beschreibt diesen Technolibertarismus folgendermaßen: [H]igh tech’s dominant libertarian mind-set is less well known[.] It’s a pervasive weltanschauung, ranging from the classic eighteenth-century liberal philosophy of that which-governs-best-governs-least love of laissez-faire free-market economics to social Darwisnism, anarcho-capitalism, and beyond. It manifests itself in everything from a rebel-outside posture common in hightech (I program, I attend raves, and I practice targetshooting with the combat shotgun on weekends) to an embarrassing lack of philantrophy. (Borsook 2000:3)

Nicht nur Borsook erklärt diese Populärphilosophie mit dem Zusammentreffen verschiedener demographischer Gruppen in Kalifornien (Borsook 2000:8), wo Boehmes, Angestellte, Pioniere des Silicon Valley und libertä-

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Es ist nicht unproblematisch, den Technolibertarismus zu klassifizieren: Der Liberalismus ist eine politische Philosophie, die aber in ihrer popularen Ausformung eine bestimmte Parteipolitik oder aber eine Reihe von politischen Positionen bedeuten kann. Der Transhumanismus kann zwar auch einige Versuche aufweisen, eine systematische Ontologie zu entwickeln, doch sind dies meistens Stückwerke, die einer analytischen Prüfung nicht standhalten können (vgl. die Religionskritik und Entwurf des Transhumansimus von Max More). Der Technolibertarismus ist daher mehr eine Zusammenfügung verschiedener Versatzstücke zu einem System der Überzeugungen und wird daher als Populärphilosophie bezeichnet.

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re Individualisten aufeinander trafen und eine „Californian Ideology“ begründeten (Burbook und Cameron 1995). Wichtig für deren Verständnis ist der Ursprung dieser Bewegung in dem Nebeneinander von Enthusiasmus für Ayn Rand und Hightech-Unternehmer, die Mitte der 1990er in Kalifornien sehr produktiv aufeinander trafen (Borsook 2000:2). Um die libertären Aspekte von Reynolds Weltanschauung zu analysieren bietet sich ein Zitat aus seinem Wikipedia-Eintrag an: „Personally, Id be delighted to live in a country where happily married gay couples had closets full of assault weapons.“ Die Absage an den Staat kann Zustimmung zu liberalen, linksliberalen und konservativen Standpunkten bewirken. Die Forderungen nach einem reduzierten und säkularen Staatsapparat und größtmöglichen, individuellen Freiheiten − eben sowohl zur Abtreibung als auch zum Waffenbesitz − beruht zudem auf der grundlegenden Wertschätzung der individuellen Freiheit gegenüber einem interventionistischem Staat und dem Prinzip der Gleichheit (siehe dazu von Hayek und Bosch 2005). Der aufklärerische Wert Freiheit wird über die anderen Werte der Aufklärung – Brüderlichkeit und Gleichheit – gestellt. Wie im klassischen modernen Liberalismus wird das Individuum als Grundeinheit der Zivilgesellschaft gesehen, die wiederum vor allem als von Marktgesetzen bestimmt verstanden wird. Der Staat ist in diesem Modell ein notwendiges Übel, das die Freiheiten des Individuums begrenzt (Delanty 2000:12). Reynolds kritisiert in seinem Blog wiederholt Angriffe auf die Bürgerrechte und warnt schon am elften September 2001 vor deren Beschneidung, die dann einen Monat später mit dem Patriot Act folgte: It’s Not Just Terrorists Who Take Advantage: Someone will propose new ‚Antiterrorism‘ legislation. It will be full of things off of bureaucrats’ wish lists. They will be things that wouldn’t have prevented these attacks even if they had been in place yesterday. Many of them will be civil liberties disasters. (It’s Not Just Terrorists Who Take Advantage: 9/11/2001)

Die unbegrenzte Entfaltung des Individuums auf dem freien Markt bedeutet auch, dass der Staat schwächeren oder benachteiligten Gruppen oder Individuen keine sozialen Angebote wie eine staatliche Krankenversicherung oder Arbeitslosengeld anbieten sollte. Chancengleichheit für alle wird verlangt beziehungsweise auch schon postuliert. Da alle die gleiche Chance haben, ist jeder eigenverantwortlich.

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Reynolds und andere libertäre Blogger übernahmen bezüglich der Außenpolitik die interventionistischen Überzeugungen der neokonservativen Mitglieder der Bush-Administration.8 Dass Reynolds sowohl die Angriffe auf Afghanistan als auch auf den Irak befürwortete und zeitweise sogar zu einem Angriff Palästinas aufrief, widerspricht der Defensivpolitik libertärer Doktrin, wie sie zum Beispiel von dem Gründer des libertären Cato Institute Murray N. Rothbard vertreten wurde. Doch lässt Reynolds Haltung sich mit dem Recht zur Selbstverteidigung erklären, das nach dem elften September für viele Amerikaner konservativer und libertärer Gesinnung gegenüber der isolationistischen Einstellung überwog.9 (Only One Antiterrorism Method Works: 9.11.2001) Reynolds bestand dementsprechend auf dem Recht der USA, ohne Zustimmung der UNO und NATO-Partner den Krieg gegen den Terror führen zu dürfen und stimmte hierin mit der BushAdministration überein. Entsprechend betrachtete Reynolds die Kriege auch in einem größeren, moralisch-zivilisatorischen Zusammenhang, der es notwendig macht, die westliche Zivilisation vor verschiedenen Bedrohungen, vor allem dem islamischen Radikalismus, zu beschützen. Paul Wolfowitz legitimierte den Irakkrieg dementsprechend: Er rief die Welt dazu auf, den bedrohlichen und gewalttätigen Saddam Hussein im Namen der Demokratie und der Menschlichkeit zu stürzen10 (Ricks 2006:96). Die ungewöhnliche Mischung aus Libertarismus und Interventionismus wird durch Reynolds transhumanistische Überzeugungen ergänzt. Transhumanismus will die unbedingte Befürwortung technologischer Weiterentwicklung, die in der Ermächtigung des Individuums, des Dezentralen und des Lokalen resultieren wird, also in sich selbst schon eine Kombination libertärer und technologieutopistischer Werte. Der Transhumanismus ist eine Populärphilosophie, deren Gedankengut sich weit verbreitet hat und in verschiedenen Ausprägungen in Romanen, popkulturellen Texten und politischen Argumentationen auftaucht.11 Gerade wegen dieser breiten Rezeption

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Zu diesem Zeitpunkt vor allem Dick Cheney und Paul Wolfowitz (Ricks 2006).

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Siehe dazu auch: (27.4.2004).

10 Im Gegensatz zu Reynolds und anderen argumentierte Wolfowitz auch mit den Ereignissen der dreißiger Jahre und warf den Zögerern Appeasement-Politik vor. 11 Vgl. William Gibsons Neuromancer, Donna Haraways Cyborg Manifesto oder die World Transhumanist Organization.

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sind beide Strömungen und deren Kombination nicht vollständig zu beschreiben, dennoch lassen sich auch hier gewisse Grundzüge feststellen, die als Kontext für die Milblogs wichtig sind. Transhumanismus ist eine moderatere Version der extropischen Vorstellungen zweier Philosophie- und Politikstudenten, die Anfang der 1990er Jahre in Kalifornien den Entwurf für eine Zukunft präsentierten, die auf Optimismus, ständiger Weiterentwicklung, Selbsttransformation, intelligenter Technologie und spontanen Selbstordnungssystemen gründen sollte (Hughes 2002:2). Diese Ziele orientieren sich an einer radikal individualistischen Vorstellung, in der der Einzelne und die Technologie, vom Staat zurückgehalten und kontrolliert, stagnieren. Dagegen wurde vorgeschlagen, dem Markt und der Technologieentwicklung absolute Freiheit einzuräumen, um dadurch die größtmögliche Entwicklung garantieren zu können. Letztendlich würden die anarchistisch-kapitalistische Ordnung und Weiterentwicklung von Technologien zu einer für den Menschen verbesserten Welt führen: „Applying science and technology creatively to transcend ‚natural‘ limits imposed by our biological heritage culture and environment“ (Hughes 2002:3). Auch wenn die pseudonymen Gründer Max More und T.O. Morrow schnell als zu radikal abgetan wurden, fiel die positive Einschätzung von Technologie in Kombination mit der Betonung des Individuums im Internet auf fruchtbaren Boden. Über verschiedene Email-Listen und Foren wurden Nachfolgeorganisationen und -bewegungen gegründet, darunter die World Transhumanist Association, die die technikfreundliche Pionierstimmung dieser Tage widerspiegelt. Die technolibertäre Populärphilosophie lässt sich bei Reynolds vor allem im politischen Kommentar und in der strategischen Deutung der Medienspezifik des Blogs erkennen. Reynolds vermutet, dass in Zukunft, vor allem durch das Internet, eine Verschiebung großer institutionalisierter Industrien hin zu kleinen individuellen Unternehmen stattfinden könnte. Die Einleitung seines Buchs An Army of Davids zeichnet etwas selbstverliebt nach, wie Reynolds über die letzten zehn Jahre Schritt für Schritt die Produkte großer Industrien ablehnte und dazu überging, diese selbst herzustellen. Erst braute er sein eigenes Bier, dann produzierte er seine eigene Musik und schließlich begann er seinen eigenen Online-Journalismus in Form von Instapundit. Diese Entwicklung – für die er als Beispiele Ebay und den Amazon Marketplace anführt – würde die Lebens- und Arbeitsbedingungen

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verbessern und vom Einzelnen Mut und Selbstständigkeit verlangen (Reynolds 2006:1). Das kritische Potential seiner Vision wendet Reynolds hauptsächlich auf den Medienbetrieb an, der alle schlechten Eigenschaften der Goliath artigen Großunternehmen vereine und dem die Blogger – die Davids – entschieden mit kleinen, verlässlicheren Produkten entgegentreten sollten (Reynolds 2006:91). Blogs werden gleichgesetzt mit dem selbstgebrauten Bier und der eigenen Garagenband. Dies wird durch die Medienspezifik, die Blogs in der Rezeption und Selbstdarstellung zugeschrieben wird, erklärt: die Unentgeltlichkeit, der Angriff auf die journalistische Elite durch die Zugänglichkeit und die Aktualität. CNN und andere große Nachrichtenanbieter ihrerseits stünden in Opposition zu den kleinen aber feinen Produkten und verkörperten die großkapitalistischen Betriebe. Die Medienspezifik von Blogs, die vor allem den Eigenschaften des Internets zugeschrieben und sehr selektiv und strategisch reflektiert wird, sei mit der politischen Position vereinbar (Reynolds 2006:93-98). Diese selektive Medienspezifik wird als Teil der Medienkritik mitreflektiert und als Glaubwürdigkeitsbonus eingesetzt. Obwohl Reynolds nicht so weit geht ein Ende der großen Betriebe zu prophezeien, vermutet er, dass zeitgenössische Technologien dem Individuum die Arbeit, das Familienleben und die Freizeit vereinfachen und verbessern werden, da der Tagesablauf und maßgeblich das Geldverdienen nun viel mehr vom Einzelnen und nicht von dessen Eingliederung in ein großes System bestimmt wird. Er vertritt einen optimistischen und technikdeterministischen Standpunkt: [T]echnology seems to be shifting power downward, from large organizations to individuals and small groups. Newer technologies like nanotechnology, artifical intelligence, and biotechnology will move us much further along the road, but advances in electronics and communications have gotten us started. […] While a world of hugely and vastly empowered souls may lurk in the future, we’re already living in a world in which individuals have far more power than they used to in all sorts of fields. 12 (Reynolds 2006:265)

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12 Die transhumanistische Überzeugung Reynolds erklärt auch seine starke Befürwortung der Stammzellenforschung und des Klonens; Bereiche in denen die Bush-

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Man kann Reynolds trotz seiner patriotischen und prowestlichen Haltung keine voreingenommene Gedankenlosigkeit vorwerfen. Zum Beispiel postet er am elften September 2001: „THINGS TO WORRY ABOUT: Hysterical overreaction against American muslims and Arab-Americans“ (Things to Worry About: 9.11.2001) Die politische Haltung ist häufig sachorientiert und es werden für unterschiedliche Fragen multiple Perspektiven herangezogen. Auch schwierige Argumentationen und Ambivalenzen werden besprochen und die häufig starren Ansichten zu Freund und Feind dadurch verhandelbar. Dementsprechend kritisiert Reynolds die etablierten Medien prinzipiell und greift sie häufig konkret an (z.B. Another Update: 28.9.2002, Bellesiles Update: 30.10.2002). Dennoch sind sie eine ständige Bezugsquelle und vereinzelt wird zum Beispiel der New Yorker (I’ve Been Pointing Up Mugabe’s Misdeeds: 31.5.2002) für seine kritische Berichterstattung gelobt. Dennoch charakterisiert Reynolds die technolibertäre Perspektive seines Blogs nicht als eine von mehreren, gültigen Stimmen innerhalb der Medienlandschaft. Obwohl viele der Einzelansichten pragmatisch sind, wird der ideologische Überbau vom Glauben an Fortschritt und der Selbstverantwortung des Individuums bestimmt: Starke Individuen sind die Adressaten, die USA ist die Weltmacht mit dem besten gesellschaftlichen System und Patriotismus und der amerikanische Exzeptionalismus werden nicht in Frage gestellt.13 Kritiker oder vermeintliche Gegenspieler, vor allem die Mainstream Media, die UNO und die EU, werden häufig als schwach und heuchlerisch abgetan (Smarmily Trying to Capitalize on the Victory: 15.12.2001). Dagegen werden die eigenen Werte − Loyalität, Integrität und Mut − gestellt.14

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ Administration sehr konservative bioethische Standpunkte bezog und in welchem Reynolds von der konservativen Mehrheit abfällt (Instapundit: 8.8.2001). 13 An dieser Stelle geben die Transhumanisten die Gedanken wieder, die Ayn Rand in ihren Romanen mit am deutlichsten formuliert hat: ein furchtloser, starker, meist blonder Gewinner, der sein Glück erst in einer Welt finden kann, in der er umgeben ist von Ebenbürtigen und aus der die Schwachen verbannt sind (Rand 1943; 1957). 14 Die Kombination aus utilitaristischer Abwägung, kalifornischer Bohéme und ideologischer Überformung schlägt sich auch im Stil und rhetorischen Aufbau der Postings nieder: Gepaart mit dem informellen Gestus von Blogs, lässt sich

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N EWSBLOGGER

ALS

C ITIZEN J OURNALISTS

Die Analyse von Instapundit illustrierte die Bündelung libertärer und technologieutopischer Sprecherpositionen im Technolibertarismus, welche als wichtige Populärphilosophie technologie-affiner early-adopter identifiziert wurde. Die Kritik der aktuellen Begebenheiten, die in dieser Utopie impliziert ist, tritt bei Reynolds hauptsächlich in Form von Medienkritik auf; große Veränderungen werden im Bereich der Medientechnologien erhofft.15 Das Internet, dessen Dispersion, die Konvergenz von Produzent und Konsument und die Dominanz von Netzwerken ermöglichen – nach diesem Überzeugungssystem – eine Zukunft, in der Individuen beziehungsweise Amateure ebenso wie Institutionen und Journalisten eine große Öffentlichkeit in Anspruch nehmen können. Der Blogger, wie er beispielsweise in der Lott-Affäre auftritt, wird zum Hoffnungsträger, da er als laienhafter Nutzer eines vernetzten und nicht-institutionalisierten Mediums die Kritik umsetz-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ die typische Integration von popkulturellen Referenzen feststellen. Diese wird veranschaulicht durch folgende Beurteilung möglicher Reaktionen auf die 9/11 Attentate: „As I’ve written before, I’m amazed at all the previsouly pacifistic lefties I know who have become absolute war hawks. […] Me, I’m all for revenge. But I believe the Klingon proverb that revenge is a dish best served cold.“ Doch auch in diesem informellen Rahmen kann kritisiert werden: „FROM THE GET A CLUE DEPARTMENT: This article in Salon by Judith Greer argues that ,Civilian massacres like My Lai and No Gun Ri are inevitable in the exceptionally ruthless Western way of War. So, why can’t we just face up to it?‫ ދ‬Note the casual anti-Western slam here, as if no other culture ever waged war ruthlessly, or at the expense of civilians. Nope, no other – except for, basically, all of them. Has this woman ever heard of the Tai-Ping Rebellion? Timur the Lame? Genghis Khan? The Cultural Revolution? APPARENTLY NOT. But that’s characteristic of those who bash the West this way. They’re usually ignorant of other cultures – and of history – substituting a thin patina of New Age wishful thinking for actual knowledge“ (From the Get a Clue Department: 9/10/01). 15 Siehe dazu auch die populären Medienkritiker Dan Gillmor (2006) und Clay Shirky (2008).

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ten und ein digital-ermächtigtes Individuum in einer paritätischen Berichterstattung werden könnte.16 Diese Positionierung des Bloggers und die strategisch ausgelegte Medienspezifik wird mit einer ebenfalls strategischen Auslegung des Konzeptes Citizen17 zusammengefügt und der Citizen Journalist als emanzipatorischer Gegenspieler der etablierten Medien positioniert. Diese emanzipatorische Wirkung des Blogs wird auch auf die medialen Spezifika, beispielsweise die Zugänglichkeit, die kurzen Veröffentlichungswege und die Schnelligkeit des Blogs, zurückgeführt. Medienspezifik wird hier jedoch nicht – wie im Einleitungskapitel – als komplexes System wirklichkeitskonstituierender Darstellungs- und Kommunikationsverfahren gedacht, sondern, dem Medium werden bestimmte technologische Eigenschaften mit spezifischen Potentialen zugeschrieben, welche dann technologisch determinierte Nutzungsweisen zulassen:18 Medienspezifik reflektieren bedeutet in diesem

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16 Man sollte bei der Bewertung dieses Aussagen stets bedenken, dass diejenigen, die den Bloggern solche emanzipatorische Wirkungen beimessen, selbst Blogger sind. 17 Gerard Delanty identifiziert in seiner Diskussion des global Citizenship die grundlegenden Elemente und Formen des Bürgers: „Citizenship as membership of a political community involves a set of relationships between rights, duties, participation and identity“ (Delanty 2000:9). Die vier Elemente werden je nach Gesellschaftsmodell gewichtet: Im modernen Liberalismus werden die Rechte des Individuums betont, wohingegen im Kommunitarismus oder Republikanismus Partizipation und Identität im Vordergrund stehen (Delanty 2000:10). Wie auch schon bei der Thematisierung der Medienspezifik von Blogs, treffen die Blogger auch bei dem Rückgriff auf das Konzept Citizen eine strategische Auswahl: So scheint der bei Reynolds skizzierte Citizen eine Mischung aus dem formalistisch-staatlichen Bürgerkonzept des modernen Liberalismus und der Betonung von Partizipation der kommunitaristischen Gesellschaftsmodelle zu sein. 18 Schon in den vorherigen Kapiteln ist deutlich geworden, dass in der Beschäftigung mit Blogs sowohl thematisch als auch im Wortschatz viele Überschneidungen zwischen akademischen Auseinandersetzungen und nicht-akademischen Auseinandersetzungen stattfinden. Dafür spricht auch die große Anzahl von Veröffentlichungen, die populäre Darstellungen von akademischen Diskussionen sind und oft von amerikanischen Professoren geschrieben werden. Häufig

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Kontext, dass die kommunikativen Potentiale einzelner Medien anhand strategisch wertvoller Positionen ausgewertet und innerhalb der hierarchisierten Medienlandschaft ausgespielt werden. Der Citizen Journalist ist nicht ausschließlich eine Erscheinung der konservativen Newsblogosphäre, sondern wird aktuell als Etikett für viele Phänomene verwendet und aus mannigfaltigen Perspektiven diskutiert:19 Stuart Allan erklärt den Citizen Journalism jenseits von politischem Bloggen als ein Phänomen, das vor allem in der Berichterstattung verschiedener Krisen seit dem Jugoslawienkrieg entstand und auf eine Kombination veränderter Praktiken der Mediennutzung und auf die Popularisierung von neuen, zugänglichen Technologien zurückzuführen ist (Allan 2009b). Auch regierungskritische Projekte, die den lokalen, kritischen Journalismus autoritären Staaten und Großunternehmen entgegensetzen wollten, werden als maßgeblich an der Entwicklung der verschiedenen Formen des OnlineJournalismus beteiligt, betrachtet.20 Die Idee eines kollektiven, kritischen Citizen Journalism drückt auch Hong Eun-Taek, der Gründer von Oh MY News, eine der ersten Citizen Journalism-Webseiten, aus: Traditional means of news gathering and dissemination are quickly falling behind the new paradigm. We believe news is something that is made not only by a George W. Bush or a Bill Gates but, more importantly, by people who are all allowed to think together. The news is a form of collective thinking. It is the ideas and minds of the people that are changing the world, when they are heard. (Lemann)

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ wäre eine strenge Kategorisierung des Materials sinnlos und überheblich. Vor allem bei der Begriffsklärung sind jedoch viele dieser Autoren und die Blogger selber recht ungenau beziehungsweise strategisch. 19 Doch die verschiedenen Blogosphären haben auch viel gemeinsam: Der transhumanistische Libertarismus, wie Reynolds ihn beschreibt, kann auch als eine Vision von einem selbstbestimmten Individuum in einer kommunitaristischen Gesellschaft verstanden werden. Das Individuum muss jedoch seine Rechte nie zugunsten der Kommune aufgeben, sondern die Gemeinschaft scheint in dieser Vorstellung, so ähnlich wie der freie Markt, immer im besten Interesse des Individuums zu arbeiten. 20 Zum Beispiel identifiziert Chris Anderson die Webseite Indymedia als wichtigen Schritt in der Entwicklung von Citizen Journalism (Anderson 2006).

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Eine ganze Reihe von Veröffentlichungen betrachtet den Citizen Journalist als Speerspitze großer, gesellschaftlicher Veränderungen, die durch technologischen Fortschritt ermöglicht werden und zu denen auch das oben besprochene An Army of Davids von Glenn Reynolds zählt (Anderson 2006; Gillmor 2006; Shirky 2008). Sowohl bei Reynolds als auch bei seinem linksliberalen Gegenüber Dan Gillmor werden dementsprechend auch historische Figuren mobilisiert, um den Citizen Journalist in größere Zusammenhänge einzuordnen: „Personal Journalism is not a new invention. People have been stirring the pot since before the nation’s founding; one of the most prominent in America’s early history was Ben Franklin, whose Pennsylvania Gazette was civic-minded and occasionally controversial“ (Gillmor 2006:1). Thomas Paine, die Federalist Papers und die Muckrackers werden als Wegbereiter und Vorbilder genannt, um die Tradition der Idee eines über Medien partizipierenden Bürgers zu belegen. Diese programmatischen Bücher werden zudem von einer ganzen Reihe an wissenschaftlichen Veröffentlichungen ergänzt, die die Sprecherfigur Citizen Journalist ebenfalls als wichtige Entität in der sich verändernden Medienlandschaft betrachten und die ebenfalls nach dem demokratisierenden Potential fragen (Bruns 2008; Deuze 2009; Papacharissi 2007; Tremayne 2007). Ob Thomas Paine und die Blogger tatsächlich eine ähnliche Sprecherposition teilen und, ob die damalige Verwendung der Druckerpresse als Medientechnologie in eine Reihe mit Blogs gestellt werden kann, ist nicht relevant – ausschlaggebend ist, wie sich die Newsblogger und Newsmilblogger diese historischen Figuren und Ereignisse aneignen und in eine gewinnbringende Sprecherposition im Medienereignis umsetzten. Der Citizen Journalist kann daher als etablierte Sprecherfigur betrachtet und von der Newsblogosphäre strategisch zur eigenen Aufwertung genutzt werden: So aggressiv CNN und die New York Times kritisiert werden, umso mehr wird die Blogosphäre gelobt und gefördert. Die großen Medienanbieter seien veraltete Bürokratien und Monopolisten, deren schlecht ausgebildetes Personal wenig Zeit und Aufwand in die Recherche und Aufbereitung ihrer Artikel investiere und dementsprechend Ereignisse entweder nicht oder oberflächlich darstellen würden (Reynolds 2006:92). Reynolds geht so weit, den Journalisten und Bürokratien der großen Medienanbieter vorzuwerfen, sie wollten das Recht auf freie Meinungsäußerung für sich alleine beanspruchen und der Rest solle schweigen (Reynolds 2006:101). Im Gegensatz dazu biete der Blogger als Citizen Journalist im Angesicht der ma-

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roden Medienlandschaft eine kritische und anspruchsvolle Perspektive auf die Welt, die nicht auf Reputation sondern auf Inhalten und Überprüfbarkeit basiere. Es würden vernachlässigte Inhalte zum Vorschein gebracht und den Lesern eine ausgewogenere und verlässlichere Informationsquelle geboten. Garantiert würde die Verlässlichkeit und Ausgewogenheit durch die Möglichkeit, den Blogger zu konfrontieren und zu überprüfen (Reynolds 2006:94). Durch die strategische Positionierung als verantwortungsbewussten, aufklärenden Citizen Journalist, kann der Blogger einer der stereotypen Charakterisierungen des Newsblogger als geifernden Phrasendrescher, der ungehört seine parteiischen und paranoiden Fantasien online stellt, entgehen. Er kann zu einer wichtigen öffentlichen Figur stilisiert werden, die als Teil eines emanzipatorischen Ganzen dazu beiträgt, alte und korrupte Strukturen in Frage zu stellen und zu verbessern: Gut ist das Bloggen dann nicht nur weil es das Alte angreift, sondern weil an dieser Stelle das Individuum und emanzipatorische Technologie zusammentreffen, die zwei Grundpfeiler des transhumanitären Libertarianismus. So kann garantiert werden, dass der Wettbewerb, die technologische Weiterentwicklung und die Eigenverantwortung für grundsätzlich gute Berichterstattung sorgen. Sieht man den Blogger als Citizen Journalist, wird dieser legitimiert und es wird ihm Verantwortung gegeben: er nimmt jetzt als wichtige aufklärerische Instanz an einem öffentlichen Diskurs teil, der von den korrupten und parteiischen MSM dominiert wird. Die Medienspezifik des Blogs macht mit Hilfe der strategischen Verwendung der oben beschriebenen philosophischen und politischen Überzeugungen eine Sprecherposition möglich, die flexibel in die kommunikativen Hierarchien der Medienkultur eingeordnet werden kann. Fragmente unterschiedlicher Weltanschauungen werden herangezogen und strategisch ausgewertet: Citizenship, participation, investigative journalism, mainstram media und corporate media, the individual, technology, freedom und the future sind die Schlüsselwörter dieser Populärphilosophie. Die Sprecherfigur Citizen Journalist hilft sie in die Ökonomie der zeitgenössischen Medienkultur zu übersetzen und den Blog selbst mit Macht auszustatten, indem es ihn an verschiedenen Achsen der Glaubwürdigkeit, der Authentizität und der Neuheit verortet. Die Sprecherfigur Citizen Journalist beeinflusst die Rezeption und Selbststilisierung von Milblogs. Diese Sprecherfigur bildet nicht nur in der

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Rezeption von Blogs, sondern auch in der Medienkultur allgemein wichtige Muster, die vom Verlangen nach Faktizität, Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit bestimmt werden. Einzelne werden gegen eine übermächtige, institutionelle Einheit gestellt und es ist die Aufgabe der Einzelnen, sich gegen diese Übermacht mit Ehrlichkeit, Witz und Mut zu behaupten, um den Rest der Gesellschaft zu informieren und vor den Fehlinformationen dieser Übermacht zu schützen. Der Gemeinplatz, soldatische Blogs zeigten den Zuschauern den Krieg so nah und unvermittelt wie nie zuvor, übertrumpft sogar noch die gängige Kritik an den MSM durch Erfahrungen aus erster Hand. Diese primäre Information ist etwas, dass die klassischen Newsblogs kaum bieten, denn die allerwenigsten betreiben eigene Recherche, sondern kommentieren und korrigieren andere Medien. Bevor jedoch soldatische Blogs mit Postings aus Kriegsgebieten zu der am meisten rezipierten Gruppe unter den Milblogs wurden, gab es einige Blogger mit militärischem Hintergrund, die wie andere Nachrichtenblogs auch, hauptsächlich über Politik und Tagesgeschehen berichteten.

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Newsmilblogs übernehmen die in den Newsblogs etablierten Sprecherpositionen und stellen sie darauffolgend den soldatischen Milblogs aus Kriegsgebieten zur Verfügung. Wie in der Begriffsklärung bereits festgestellt, machen soldatische Blogs aus dem Irak die größte Untergruppe von Milblogs aus. Einflussreich sind aber eben auch jene Newsmilblogs, die von Militärs oder ehemaligen Militärs verfasst werden, die nicht im aktiven Einsatz sind und größtenteils in den USA leben und von dort aus schreiben. Wohingegen die soldatischen Blogs selten die Zeit der Stationierung im Irak überdauern, sind diese Newsmilblogs von großer Beständigkeit (beispielsweise die Mudville Gazette, Blackfive, A Soldier’s Perspektive und Arghh).21 Sie bilden die A-List der Milblogs, denn sie haben hohe Leser-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21 Andere wichtige Newsmilblogs sind oder waren: From My Position on the Way, Froggy Ruminations, Some Soldier’s Mom und Small Wars Journal.

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zahlen, viele Blogs auf der Blogroll und viele hinführende Links und sind organisatorisch innerhalb der Milblogging-Community tätig.22 Wie Reynolds Blog exemplarisch herangezogen wurde, um wichtige Sprecherpositionen der konservativen Newsblogs zu analysieren, kann solch ein Newsmilblog untersucht werden, um eine milblogspezifische Ausprägung der technolibertären Populärphilosophie und der Sprecherfigur des Citizen Journalist zu ermitteln. Im Folgenden wird der oben exemplarisch analysierte Newsblog Instapundit mit dem ebenfalls frühen und einflussreichen Newsmilblog Sgt.Stryker’s Daily Brief verglichen, um die Sprecherpositionen in Newsmilblogs und die Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist darzulegen. Die Sprecherfigur Citizen Journalist kann nicht ohne Veränderungen in eine militärisch geprägte Perspektive übertragen werden: Im abschließenden Teil des Kapitels werden daher die Sprecherpositionen des Citizen Journalist im Rahmen der Entwicklung und der Selbst- und Fremdwahrnehmung des US-militärischer Entwicklungen diskutiert. Indem der Citizen Journalist in Bezug auf die Möglichkeiten einer soldatischen Selbstdarstellung im Blog und der Verortung von Milblogs in der amerikanischen Medienlandschaft spezifiziert wird, lassen sich maßgebliche Sprecherpositionen der Milblogs ableiten, die dann in den Einzelanalysen genutzt werden können.

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ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 22 Zudem wird die Milblogging-Konferenz über diese Seiten organisiert und es wird Archivarbeit betrieben, das heißt Blog-Adressen und Beschreibungen werden gesammelt und wichtige Ereignisse protokolliert.

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Abbildung 8: Sgt. Stryker’s Daily Brief einige Monate nach der Gründung

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20020925025700/http://www.sgtstryker.com/

Der Newsmilblog Sgt.Stryker’s Daily Brief wurde kurz nach Instapundit als einer der ersten politischen Milblogs gegründet und wird bis heute fortgeführt.23 Formal ähnelt Stryker’s Daily Brief Reynolds Instapundit, vor allem durch die hohe Anzahl von Links, die in den Fließtext eingebunden sind und die meistens den Anlass für das Posting oder aber das Hauptthema bilden. Der Milblog unterscheidet sich aber durch die Anzahl und Länge der Postings. Stryker hat weniger Postings, diese sind jedoch durchschnittlich länger und vor allem ausführlicher. Die ausführlicheren Kommentare sind

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23 Aktuelle Einträge können unter http://www.sgtstryker.com/ gesichtet werden. Um Zugang zu den älteren Postings zu erlangen, die von dem Blogger nicht archiviert wurden, muss auf das Internet-Archiv zurückgegriffen werden: http:/ /web.archive.org/web/*/http://www.sgtstryker.com. Der Blog durchläuft in dieser Zeit jedoch einige Veränderungen: Am Anfang sind hauptsächlich der War on Terror und militärische Belange Thema, zu Beginn des Jahres 2002 zieht er sich aber zur Sorge seiner Leser zurück und gibt als Grund Angriffe auf seine Person aufgrund seiner Meinungsäußerungen an. Als Konsequenz schreibt er eine Zeitlang, parallel zu einem Umzug und Jobwechsel, einen Blog über unpolitische Themen, nur um dann recht schnell wieder zu dem ursprünglichen Format zurückzukehren. Um diese Zeit kommen einige Co-Blogger hinzu, die selbst Postings schreiben und ein integrierter Bestandteil des Blogs werden.

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oft wertender beziehungsweise kritischer und sprachlich informeller als bei Reynolds. Der pseudonyme Blogger Sgt. Stryker, ein Mechaniker der Air Force, gibt als Motivation für seinen Blog die Unzufriedenheit mit der Berichterstattung über den elften September an. In einem in der MilbloggingCommunity viel zitierten Interview zu den Anfängen seines Blogs, gibt er folgende Erklärung: Like I said, it was initially supposed to be about Star Wars, but after September 11th, it changed. I was disappointed by the media coverage, and especially the opinion I was hearing, because it seemed anachronistic compared to what had just happened. As I was surfing the web, I happened upon Instapundit. I figured I could do what he was doing, so my blog changed from a Star Wars geek site to Sgt. Stryker’s Daily Brief. (Mudville Gazette: A Brief History of Milblogging, 11.11.2005)

Die Motivation den Fanblog zum Warblog umzuwandeln wird im About ergänzt: „How did all this come about? Well, his wife got tired of him yelling at the TV one day, so in the spirit of domestic tranquillity he set up his Weblog to air his personal views in a more quiet manner“ (Sgt. Stryker’s Daily Brief: About). Wenn auch überspitzt, veranschaulicht dieses Zitat eine wütende Ohnmacht im Zusammenhang mit Nachrichtenrezeption.24 Im Gegensatz dazu bietet der Blog eine emanzipierende Sprecherposition, die der Passivität des Medienkonsumenten ein Ende bereiten könnte. Der Antagonismus zwischen etablierten Medien und dem Erzähler wird jedoch im About selbst und auch teilweise in den Postings abgemildert: „His wife would like to reassure everyone that he’s not this big an asshole in real life. Really. He also realizes that its creepy to talk about oneself in the third person“ (Sgt. Stryker’s Daily Brief: About). Die Medienkritik, die bei Reynolds sowohl der Positionierung als auch als inhaltliches Leitmotiv dient, tritt bei Stryker ebenfalls stark in den Vordergrund. Man kann davon ausgehen, dass die politischen A-List Blogs und deren Rezeption − im Rahmen von Medienereignissen wie dem Trent LottSkandal − die kommunikativen Strategien von weniger bekannten Nachfol-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24 Die Ohnmacht, die hier ausgedrückt wird, ist sicherlich nicht nur auf die Medienlandschaft zurückzuführen, sondern auch auf die berichteten Ereignisse.

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gern wie Sgt. Stryker’s Daily Brief maßgeblich beeinflussten. Die Abneigung gegen Großunternehmen, die in Reynolds Blog durch die libertäre Gesinnung des Bloggers erklären werden konnte, wird bei Stryker durch die Annahme verstärkt, die Medien seien von dem sogenannten liberal media bias durchzogen. Bei Instapundit lässt sich zwar eine Kritik an der angeblichen Parteilichkeit der Medien feststellen, diese ist jedoch vor allem gegen das Prinzip der kommerzialisierten, institutionalisierten Medien gerichtet. Bei Stryker wird dies zwar auch als Teil des Problems gesehen, der Hauptanteil der Kritik wendet sich jedoch gegen die Parteilichkeit und die angeblich anti-amerikanische, anti-militärische, oft sogar als pro-terroristisch verstandene Haltung der etablierten Medien: „I guess since the American news networks are now deprived of their daily ‚civillian casualty‘ tours by the Taliban, they now have to dig deep and expose ‚wartime atrocities‫ ދ‬by the Northern Alliance“ȱ (Chasing After A Gimmick: 13.11.2001). Dazu wird den sogenannten MSM Unwissenheit in militärstrategischen aber auch außenpolitischen Angelegenheiten vorgeworfen. Sowohl die prinzipielle Kritik an den Nachrichtenmedien als auch die Selbstdarstellung als aufklärender Citizen Journalist werden also übernommen, die Kritik wird jedoch ein Stück weit verlagert und verstärkt. Was bei Reynolds ganz selbstverständlich als Teil einer unvermeidbaren Umwälzung von Großunternehmen hin zu einer transhumanistischen Zukunft betrachtet wird, tritt bei Stryker nicht ungebrochen auf: Sowohl das Pseudonym Jon Stryker, das sich auf John Wayne’s Figur aus dem Kriegsfilm Sands of Iwo Jima (1949) bezieht, als auch der Ton, in dem das About gehalten ist, sollen auf eine parodistische Erzählhaltung des Bloggers hinweisen. Doch werden diese Marker, die den teilweise recht eigensinnigen Inhalt wohl abschwächen sollen, nicht wirklich durchgehalten. John Waynes Sgt. Stryker ist zwar am Anfang des Films als ausbildender Marine Sergeant unbeweglich und brutal, doch sobald seine Truppe ins Gefecht geschickt wird, stellen sich gerade diese Eigenschaften als unerlässliche Überlebensstrategien heraus, die nur durch die Ehre und den Mut von Stryker noch übertroffen werden. Die angeblich parodistische Namenswahl fällt auf die fiktionale Darstellung eines Marine-Soldaten, der den rauen Individualismus, den grimmigen aber unverstellten Blick auf die Realität und die Bereitschaft für die Kameraden ehrenhaft und stolz zu sterben verkörpert. Die negativen Aspekte des starren, unnachgiebigen Mannes werden zwar thematisiert und die Probleme und Ambivalenzen dieser Figuren an-

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gesprochen, doch bleiben beide für Stryker im Endeffekt die einzige verantwortungsvolle Möglichkeit, mit der verweichlichten und korrupten Umwelt umzugehen. Diese ambivalente Parodie, die eigentlich keine ist, lässt sich auch in dem bereits zitierten Interview nachvollziehen: I created Stryker to be a purposely over-the-top character reminiscent of a few people I had seen on Usenet and in the movies. I thought most people would get the joke (and they did), but some actually took it seriously. They didn’t realize that the whole Stryker persona was intentionally made to make fun of the mouth-breather types in the military who couldn’t rub two brain cells together to spark the fire of intellect. Given that, the content of what I was saying was close to what I actually felt, because I was angry and disappointed at how these professional opinion people, and the media itself, kept going through the same motions as if nothing had happened. (A Brief History of Milblogging. Mudville Gazette: 11.11.2005)

Das Motiv Strykers, durch den überspitzten Ton seiner Postings und das Pseudonym Unernsthaftigkeit zu signalisieren, kann in den vielfältigen Postings, die größtenteils ernsthaft einen Sachverhalt beurteilen und werten, nicht nachvollzogen werden. Im Gegensatz zum selbstverständlichen und selbstsicheren Gestus Reynolds, dessen öffentliche Auftritte auch durch seine Professur legitimiert werden, drückt sich hier eventuell ein problematisches Verhältnis von Soldaten zu öffentlichen Auftritten als politische Privatperson aus. Stryker und Reynolds haben nicht nur die Medienkritik und die formalen Eigenschaften gemein, sondern teilen viele Aspekte der bereits beschriebenen technolibertären und interventionistischen Weltanschauung. Doch verweist die Ironisierung der Sprecher und die aggressive Haltung gegenüber den Medienanstalten auch auf wichtige Unterschiede zwischen beiden Bloggern und bezüglich der politischen und sozialen Kommunikationssituationen. Dass ein technikbegeisterter Juraprofessor sich politisch einer Richtung zuordnet, die schon lange von besserverdienenden, gebildeten Akademikern besetzt wird, ist nicht weiter überraschend. Dass diese Position auf die politische Haltung eines Militärs übertragen werden kann, dagegen schon. Man muss bedenken, dass obwohl selbst die strengsten Libertären die Notwendigkeit der nationalstaatlichen Selbstverteidigung einräumen, das Militär als Institution viel von dem verkörpert, was eine libertäre Gesinnung

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verurteilt: eine Bürokratie mit einer strengen Hierarchie, penibel festgesetzten Abläufen, einer laut Kritikern ineffizienten und veralteten Verwaltung und, nicht zuletzt, eine staatliche Institution. Dazu kommen die militärischen Gebote des Gehorsams und der Kameradschaft, die nur über Umwege mit einem nach Selbstverwirklichung und Freiheit strebenden Individuum zu vereinbaren sind. Dennoch befürwortet Stryker eindeutig den Föderalismus, fordert Washingtons Politiker dazu auf, sich aus gesellschaftspolitischen Themen wie Sterbehilfe rauszuhalten und betont, nicht ganz so überraschend, das Recht auf Waffenbesitz (Respecting the Will of the People: 7.11.2001). Stryker ist, wie Reynolds, ein sogenannter early adopter und ist damit Teil der Gruppe technikbegeisterter junger Männer, die Paulina Borsook als die Hauptgruppe der Technolibertarians identifiziert (Borsook 2000:2). Er hat eine ähnlich positive Haltung gegenüber technischen Entwicklungen und bezeichnet das Internet ebenso als frontier, als Ort an dem neue, aufregende Dinge geschehen können: „I wonder if the great boom that comes along with the opening of any new frontier is past, leaving us with merely the steady refinement of what we have available now, or if there is still some great new thing’s coming down the pike“ (1.21 Jigawatts!!: 23.11.2001). Dazu kommt eine Affinität zur geek culture, Teil der oben beschriebenen, kalifornischen Verbindung aus Technik und Popkultur, die sich auch in der Nachrichtenmischung niederschlägt: Stryker beschäftigt sich in einem Posting mit dem Afghanistankrieg, nur um im nächsten ausführlich über den neuen Star Wars Film zu sprechen und tut dies mit der für das Internet selbstverständlichen Vermischung von Politik, Pop- und Hochkultur. Doch die Auseinandersetzung mit Technologie und den neuesten Entwicklungen findet bei Stryker und Milbloggern allgemein nicht nur in Bezug auf Medientechnologien, sondern auch in Bezug auf Militärtechnologien statt. Krieg, Militär und Technologie sind sowohl in akademischen als auch populären Diskursen eine vertraute Konstellation (Minkwitz 2008:66). Neue Technologien werden als wichtiger militärstrategischer Vorteil betrachtet. Das Versprechen einer überlegenen Machtposition, ist wohl der wichtigste Motor dieser Verbindung, die in der großen Untergruppe, der

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Militärtechnologie ihre Ausprägung findet.25 In Bezug auf das amerikanische Militär wurde technologischer Fortschritt seit dem Vietnamkrieg vor allem durch die Überlegungen zu der Revolution in Military Affairs (RMA) oder Transformation noch stärker als zuvor in den Vordergrund gerückt: Unter Reagan wurde der Versuch unternommen, das vom Vietnamkrieg gezeichnete Militär strategisch und technologisch zu reformieren und sozial und politisch in einen positiven, nationalen Diskurs einzubinden. Dieses sollte durch die sogenannte Transformation der Streitkräfte bewerkstelligt werden, die hauptsächlich technologische Weiterentwicklungen berücksichtigen und die militärstrategischen Probleme des Vietnamkriegs korrigieren wollte (Lewis 2007:300). Weiterhin sollte die RMA durch technologische Erneuerungen die zivilen Opfer und allgemein die Brutalität und Grausamkeit von kriegerischen Handlungen reduzieren (Dunlap 1999:2).26 Militärtechnologien spielen zudem eine große Rolle in der Ausrüstung der einzelnen Soldaten und der Strategiebildung der militärischen und der zivilen Führer im Pentagon. Momentan wird vor allem auf die Umstellung zur digitalisierten, vernetzten Kriegsführung und individualisierten, digitalen Technologien hingearbeitet (Boencken 2008:82). Noch 2003 glaubte der damalige Verteidigungsminister Rumsfeld, dass vor allem die überlegene Luftwaffentechnologie der amerikanischen Streitkräfte den langfristigen Erfolg im Irak zwangsläufig mache (Clodfelter 2008:154). In Bezug auf die Kriegsführung sollte sich diese Annahme auch bestätigen. Die langfristige Sicherung des Landes konnte eine überlegene technologische Ausrüstung dagegen nicht garantieren.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 25 Wie bereits erwähnt, war es das US-Militär, das die Technologien entwickelte, die das Internet ermöglicht haben. 26 Die Bedeutung von Technologie für die erfolgreiche Transformation der amerikanischen Truppen nach der Niederlage in Vietnam und die Hoffnung auf einen opferlosen Krieg wurde jedoch spätestens mit dem Irakkrieg relativiert: „Dass Technologie allein darüber hinaus ausreichend ist, um eine Revolution in militärischen Angelegenheiten in der strategischen Dimension auszulösen […] oder gar eine Militärrevolution […] mit historischer Tragweite – hier verstanden als die Entkopplung von Strategie, Politik und Krieg – darf angesichts des Verlaufs und der Ergebnisse der letzten Jahre als widerlegte These gelten“ (Minkwitz 2008:64).

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Zusätzlich zu zivilen Technologien werden in den Milblogs Militärtechnologien ausführlich diskutiert: Es lässt sich an vielen Stellen eine Begeisterung für Waffen und Waffentechnologie feststellen (zum Beispiel Argghhh!!!, From My Position… On the Way!). Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der Transformation bis hin zur sogenannten network-centric warfare, zu einer Kriegsführung, die auf der „Sammlung, Übermittlung, Darstellung und Verarbeitung von Informationen auf dem Gefechtsfeld“ basiert (Boencken 2008:82). Neben den Waffentechnologien ist die Information Warfare, die Informationsüberlegenheit, ein wichtiges Thema (Sauer 2008:105). Für die Newsmilblogger ist diese Art der Kriegsführung besonders interessant, da sie sich als Teil des Infowars sehen, auch wenn sie nicht aktiv an Gefechten teilnehmen. Zum Beispiel sehen sich viele Milblogger in der Position, die PR-Arbeit des Militärs übernehmen zu müssen, da das Pentagon ihrer Ansicht nach in diesem Bereich versagt (Lawson 2007:14). So wie die technologischen Eigenschaften des Internets in Reynolds Darstellung positive, gesellschaftliche Veränderungen hin zu einer technolibertären Weltordnung begünstigen, betrachten die Newsmilblogger den Blog als Chance für ein stärkeres und verbessertes Militär. Der Fokus auf Computertechnologien wird um die Auseinandersetzung mit Militärtechnologien ergänzt. Diese Ergänzung ist unproblematisch, da sich die Perspektiven auf die Technologien ähneln: Beide setzen auf Erneuerungen der Macht durch Technologie. Letztlich gibt es auch Parallelen auf der technologischen Ebene selbst: Die Technologien, um die es bei der network-centric warfare geht, sind, wie die verheißungsvollen Technologien von denen Reynolds spricht, digital und auf Kommunikation ausgerichtet. Die network-centric warfare zielt unter anderem darauf ab, jeden einzelnen Soldaten über Computer miteinander zu vernetzen. Von dieser stark an aktuelle Entwicklungen wie Facebook, Twitter und Online-Spiele angelehnten Transformation versprechen sich Befürworter einen großen Wissensvorteil für die eigenen Soldaten (Sauer 2008:104). Hier verschränken sich zivile Technologien, deren Ursprung militärisch war, mit militärischen und dies auch in Hinblick auf das Individuum, denn Ziel ist es, in diesem Prozess den einzelnen Soldaten stärker zu beteiligen. In dem Blog Danger Room kommen viele dieser Themen zusammen. Es wird über neueste Waffen, Entwicklungen in der Kommunikationstech-

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nologie und in der network centric warfare gesprochen. Viele dieser Entwicklungen werden hier als erstes vorgestellt, diskutiert und bewertet. Der Blog ist Teil der Zeitschrift Wired, der wichtigsten Veröffentlichung für die technolibertären Internetnutzer (Borsook 2000:118). Nicht nur politisch, populär-philosophisch und inhaltlich lassen sich demnach wichtige Überschneidungen zwischen einer hightech technolibertären Weltanschauung und der militärischen Auseinandersetzung mit Technologie feststellen, sondern auch institutionell.27 Nicht nur die Perspektive auf technologische Weiterentwicklung ist durch den militärischen Standpunkt bestimmt: Obwohl Innenpolitik und andere tagesaktuelle Themen durchaus in den Blogpostings ihren Platz haben, liegt der Fokus bei Stryker und vielen anderen Milblogs auf der Institution Militär, Außenpolitik und Auslandseinsätzen des Militärs. Stryker teilt, wie viele der technolibertären Blogger, die interventionistischen Überzeugungen der Bush-Administration und scheint darin ebenso wenig wie Reynolds einen Widerspruch zur isolationistischen Haltung früherer Generationen zu sehen. Noch deutlicher als bei Reynolds formuliert Stryker die interventionistische Position: „I’ll simply state what I believe American Foreign Policy should be: To promote and foster the growth and development of democracy across the world. Everything we do should reflect this basic vision“ (Keeping the World Safe for Autocracy: 29.11.2001). Paul Wolfowitz, 2003 der stellvertretender Verteidigungsminister Bushs, argumentierte wiederholt, dass man Hussein aus moralischen Gründen stürzen müsse.28 Der Afghanistan- und Irakkrieg wurden, neben der Selbstverteidigung nach dem elften September, vor allem unter diesen ideologischen Vorzeichen geführt: das heißt, als Intervention in eine Region, die von den Amerikanern stabilisiert und demokratisiert werden sollte und dadurch langfristig die Welt sicherer machen würde. Diese Haltung spiegelt sich in Strykers Auffassung der militärischen Einsätze wieder: Soldaten verteidigen mit Einsatz des eigenen Lebens nicht nur die Freiheit und De-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 27 Danger Room ist auch die wichtigste Veröffentlichung wenn es um Milblogs und deren Zensur geht (Holzer 2006). 28 Vor allem appellierte er an die möglichen Bündnispartner, nicht im Sinne der Beschwichtigungspolitik der dreißiger Jahre zu handeln und einen furchtbaren Diktator damit die eigene Macht stärken zu lassen (Ricks 2006).

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mokratie der Amerikaner, sondern ermöglichen diese auch anderorts. Die Funktion der Soldaten erweitert sich von einem Verteidiger zu einem Repräsentanten für Freiheit und Demokratie für eine Regierung, die nicht nur einen Konflikt gewinnen will, sondern das große Ziel Frieden, Freiheit und Demokratie verkörpern soll. Der Soldat ist nicht nur ein Nationalstaaten verteidigender Untertan, sondern ein Kämpfer für Freiheit und Demokratie. Abbildung 9: Eines der vielen Banner, die Milblogs zur Verfügung stehen

ȱ Quelle: http://www.mudvillegazette.com/milblogs/

Diese Maxime lässt sich in der Forderung nach unzensierten Milblogs, die als Banner an den unterschiedlichsten Orten in der soldatischen Blogosphäre auftaucht, ablesen: „Free Speech from Those Who Make it Possible.“ Daraus ergibt sich auch die Forderung nach bedingungsloser Unterstützung dieser Soldaten, die in diesem Kampf um ein öffentliches Wohl bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern: Here’s what you need to know about me. I support our troops. Period. End of story, no qualifications, no additions. I support our troops. Now that may not seem like a groundbreaking piece of news, but that simple sentiment is being lost in our society. […] It is possible to disagree with the war and still support the men and women fighting it. We live in a country that gives us the freedom to speak our minds and express our beliefs without fear of imprisonment or prosecution. And we have that freedom because there are brave women and men willing to fight for it. The simple fact that they have volunteered to do the dirty work and put their lives in danger if asked is reason enough to give them unqualified support and gratitude. (Sgt. Stryker’s Daily Brief: About)

Die militärischen Einsätze werden nicht in erster Linie durch strategische oder tagespolitische Anlässe legitimiert, sondern, zumindest in der medialen Inszenierung, durch die Moral. Auf diese Art wird der Krieg, den die Soldaten kämpfen, entpolitisiert. Übrig bleibt ein sauberer Held, der gewillt

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ist, Opfer zu bringen und sich durch diese Bereitschaft einen moralischen Vorsprung erarbeitet hat.29 Auch der Vergleich der politischen Aussagen von Instapundit und Sgt. Stryker’s Daily Brief macht die vielen gemeinsamen Sprecherpositionen deutlich und zeigt, dass Instapundit eine Vorbildfunktion für Sgt. Stryker’s Daily Brief hatte. Es konnte geziegt werden, wie populärphilosophische und politische Sprecherpositionen im Newsblog mit einer strategischen Auswertung der Medienspezifik kombiniert wurden, um eine Sprecherfigur zu stilisieren, die durch ihre oppositionelle Haltung zu den etablierten Medien und gleichzeitigen Herausstellung von Werten des Nachrichtendiskurses, wie Aktualität und Nähe, Autorität und Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen konnte. Um die Nutzbarmachung dieser Sprecherposition letztendlich für Newsmilblogs zu bestimmen, ist es notwendig darzulegen, wie sich die Figur Citizen Journalist unter den Bedingungen eines Sprechens aus der Kommunikationssituation eines Soldaten verändert.

D ER W ARRIOR C ITIZEN J OURNALIST Nachdem nun der Newsmilblog Sgt.Stryker’s Daily Brief vorgestellt wurde, anhand dessen sich auch die Zugehörigkeit der Newsmilblogs zu der konservativen Newsblogosphäre aufzeigen ließ, wird die oben skizzierte Sprecherfigur Citizen Journalist als Grundlage verwendet, um die milblogspezifische Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist30 auszuarbeiten. Wie in der

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29 Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Weltanschauung, die diese interventionistische Überlegung legitimiert, nicht von universell gültigen und gewollten Werten ausgeht. Trotz des universalistischen Anspruchs, der mit Begriffen wie Freiheit und Demokratie verknüpft wird, sind diese Werte kulturell geprägt und eng verknüpft mit der westlichen Perspektive. 30 Citizen Journalist ist ein gängiger Begriff. Warrior Citizen Journalist stammt dagegen von mir, um die militärspezifische Ausprägung des Citizen Journalist zu kennzeichnen. Ich bin mir daher auch bewusst, dass dieser Begriff nicht neutral ist, sondern der Selbstdarstellung der Soldaten entspringt, die sich als Krieger betrachten. Gerade diese an ein intrinsisches Vokabular angelehnte Beschreibung scheint mir jedoch für solch eine strategische Sprecherfigur geeignet.

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Beschreibung des Newsmilblogs Stryker’s Daily Brief deutlich geworden ist, lassen sich dort wichtige Ähnlichkeiten zu, aber auch Abweichungen von Instapundit feststellen.31 In die Charakterisierung des Warrior Citizen Journalists wird zudem die Beschaffenheit einer zeitgenössischen, soldatischen Kommunikationssituation durch den Rückgriff auf Sekundärliteratur zum amerikanischen Militär und zum Verhältnis zwischen zivil Gesellschaft und Militär, einbezogen. Die politischen Positionierungen bilden die augenscheinlichste Gemeinsamkeit neben der Zugehörigkeit zur gleichen Blogosphäre. Die Standpunkte bezüglich Außenpolitik, Technologie und Medien werden von ähnlichen grundlegenden Ideen geformt und die Verbindung ausgesuchter Aspekte der Populärphilosophie mit der strategisch ausgewerteten Medienspezifik von Blogs wird in beiden Untersuchungsfeldern gemacht. Die thematischen und formalen Schwerpunkte, die sich aus dieser Zusammenführung ergeben, bilden wichtige Anhaltspunkte für die Einzelanalyse, da Darstellungsmuster ausgearbeitet werden, die aufschlussreich für die Kriegsdarstellungen in den soldatischen Blogs an sich und deren Verortung im Medienereignis Irakkrieg sind. Denn, so wie sich Newsblogs als inhaltliches, formales und ideologisches Gerüst zu Newsmilblogs verhalten, können Newsmilblogs zu soldatischen Blogs aus dem Irak in Relation gesetzt werden. Um die Ausarbeitung des Warrior Citizen Journalists zu beginnen, reicht ein kurzer Blick auf die politischen Gemeinsamkeiten anhand der aggressiven Außenpolitik, die bei Instapundit und Sgt Strykers Daily Brief, aber auch bei Andrew Sullivan, Blackfive oder der Mudville Gazette vertreten wird. Vor allem nach dem elften September und zu Anfang des Irakkriegs wurden die präventiven und interventionistischen Paradigmen der neokonservativen Bush-Administration geteilt. Im neokonservativen Programm wird die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus und durch die arabischen Staaten häufig zu einem allgemeinen Kampf gegen den Terror abstrahiert. Die oft feindselige Haltung gegenüber islamischen oder arabischen Staaten und teilweise auch gegenüber arabischen oder islamischen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 31 Ähnliche Newsblog sind zum Beispiel The Daily Dish, The Volkoh Conspiracy, Technology Liberation Front und unter Newsmilblogs Blackfive, Command Control, Mudville Gazette und Michael Yon.

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Individuen ist in den Milblogs dagegen allzu offensichtlich und wird offen artikuliert. Diese Tendenz lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen, in denen anderenorts moderat geäußerte Kritik in den Milblogs deutlich ungestümer wiederholt wird.32 Ähnlich verhält es sich bei der Medienkritik, die zu den geteilten Sprecherpositionen gehört, aber stärker von der Medienspezifik, der Reputation von Blogs sowie der Sprechsituation der Blogger abhängt. Auf der inhaltlichen Ebene lässt sich vorerst jedoch feststellen, dass die etablierten Medien, wie bei vielen der konservativen Newsblogs, als unzureichend und teilweise auch korrumpierend betrachtet werden. Doch was Reynolds zu einem großen Teil der Struktur der Medienlandschaft anlastet, scheinen die Milblogger auf den sogenannten liberal media bias zurückzuführen. Vor allem die großen Zeitungen und Sender CNN, CNBC, die New York Times und die Washington Post gelten als politisch nicht neutral, wenn nicht sogar als eindeutig links und antimilitärisch. Spezifisch ist, dass mehr als bei Reynolds, der vor allem das Prinzip corporate media angreift, die Milblogger die MSM nicht nur als strukturell korrumpiert sehen, sondern in politischer Opposition zur eigenen Haltung einordnen. Die Medienspezifik der

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32 Wie bereits erwähnt, wurden für diese Analyse Newsblogs aus der konservativen Blogosphäre ausgewählt. Diese Auswahl musste für Newsmilblogs nicht getroffen werden, denn der Großteil der politischen Milblogs ist konservativ oder libertär. Eine mögliche Erklärung für diesen Trend ist die Einführung der Berufsarmee unter Nixon: Armeen die sich aus Wehrpflichtigen zusammensetzen sind eher repräsentativ für das ganze politische Spektrum einer Gesellschaft. Dies galt zum Beispiel für die amerikanische Armee im zweiten Weltkrieg, der von sogenannten Citizen Soldiers gekämpft wurde. Als, auch als Nachspiel des Vietnamkrieges, die Wehrpflicht abgeschafft wurde und das amerikanische Militär zu einer all-volunteer force wurde, verschob sich die demographische Zusammensetzung. Soziale Gruppen, deren Nationalismus und Patriotismus stärker waren als die des durchschnittlichen Bürgers, treten nun verstärkt auf (Bachman, Blair und Segal 1977:18). Diese Einschätzung ist jedoch nicht zu überbewerten: Die Umstrukturierung zur Berufsarmee bedeutete auch, dass sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Immigranten aus finanziellen oder staatsbürgerlichen Gründen nun überrepräsentiert waren. Die Milblogger, als meinungsstarke politische Kraft, sind nur für einen Teil der Soldaten repräsentativ.

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Blogs, das n-to-?, helfen den liberal media bias anzugreifen und damit auch deren antimilitaristische Tendenzen. Der Gültigkeitsanspruch konstituiert sich, ähnlich wie bei Reynolds, zu einem Teil aus der Medienkritik und zum anderen aus der Tatsache, dass die Newsmilblogger nicht zum Medienestablishment gehören, sondern Außenseiter sind: In der von oft widersprüchlichen Distinktionsmechanismen durchzogenen Medienökonomie können sie allein dadurch einen Glaubwürdigkeitsanspruch erheben. Dazu kommt bei den Militärs einerseits die Expertise in militärischen Angelegenheiten, die besonders in Bezug auf den War on Terror und den Irakkrieg die Autorität verstärkt, sowie ein Erfahrungsbonus, denn viele der Newsmilblogger waren schon einmal in einem Kriegsgebiet und können mit der aktuell so geschätzten Nähe zum Geschehen auftrumpfen. Im Fall des selbststilisierten Citizen Journalist Glenn Reynolds verknüpft sich Technikgläubigkeit mit der libertären Ablehnung großer Institutionen in der Kritik der aktuellen Medienlandschaft. Die Milblogger sind, ebenso wie die konservativen Newsblogger, durch neue Technologien ermächtigt die korrumpierenden Einflüsse der großen Medienanbieter anzugreifen. Die positive Einschätzung von Technologie wird auf das eigene Wirken übertragen, um die Texte mit Potential auszustatten. Die Positionierung innerhalb einer etablierten Medienlandschaft, die allgemein als verdorben und verzogen gilt, wird durch die Eigenschaften des Blogs als neue, individuelle, freie und innovative Kommunikationstechnologie aufgewertet und durch Opposition glaubwürdig gemacht. Die oppositionelle Funktion wird in den Milblogs verstärkt, wahrscheinlich durch die gefühlte Marginalisierung innerhalb einer amerikanischen Öffentlichkeit (Buley 2008:63) und um Öffentlichkeitsarbeit und langfristige, strategische Ziele im sogenannten Infowar ergänzt. Doch ist die Stellung schreibender Soldaten nicht ganz unproblematisch: Newsblogger wie Glenn Reynolds, Andrew Sullivan oder Eugene Volokh schreiben aus der öffentlich anerkannten Position von Professoren oder Journalisten, die als aufrechte Bürger in einer Demokratie ihrer aufklärerischen Pflicht nachkommen. Die Milblogger übernehmen an vielen Stellen diese Sprecherfigur: Auch sie greifen die Medien an und können die Glaubwürdigkeitseffekte digitale Technologie und Außenseiter noch durch ihre Erfahrung im Feld ausstaffieren; sie übernehmen zudem die positive Einschätzung von Individualität in Kombination mit Technologie und wol-

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len so nicht nur die öffentliche Meinung ändern, sondern auch die große Bürokratie, deren Teil sie sind, angreifen. Auch sie glauben, dass an dieser Front die neuen Kriege gekämpft werden und wollen hier mit neuesten Mitteln den Cyberterroristen begegnen. Doch ergeben sich in der Zusammenführung all dieser Utopien mit der gleichzeitigen Sprecherposition eines Soldaten einige Probleme: Der Sprecher weist im Fall der Milblogger nicht die gleiche Selbstverständlichkeit in der Sprechsituation auf, die in den Newsblogs vorliegt. Die BloggerPersona wird als Parodie auf einen überzogenen Militär identifiziert und das Ranten, eine Art wütender Monolog, wird im Blog durch Aussagen über die Funktion und die Erwähnung der Ehefrau relativiert. Dieses lässt sich vor allem an den Ironisierungen der Bloggerfiguren feststellen, die bei Stryker anhand des Abouts und einigen Textbeispielen illustriert wurden. Über Stryker hinaus lassen sich ähnliche Charakterisierungen feststellen, zum Beispiel in Citizen Smash und From My Postion on the Way. Gleichzeitig gibt es dort aber die viel drastischeren, politischen Ansichten, die durch ihre Offensivität für den politisch nicht ganz so meinungsstarken Leser unverdaulich werden. Aus dieser Überschneidung entsteht eine Sprecherfigur, die nicht so klar umrissen ist wie die von Reynolds, sondern zwischen Außenseitertum und wütender Kritik, zwischen dem Anspruch einer Dominanz der eigenen Meinung, Position und gesellschaftlichen Stellung und der Relativierung der eigenen Position oszilliert. Ein Sprecher, der lauthals die Richtigkeit seiner politischen Positionen einfordert, aber dies mit dem Bewusstsein tut, eventuell in seiner Eigenschaft als Soldat im journalistischen Feld nicht ernst genommen zu werden. Mehrere Faktoren bestimmen die soldatische Selbstdarstellung im Nachrichtendiskurs und die eingenommenen Sprecherpositionen: die gesellschaftliche Zusammensetzung der Berufsarmee (Janowitz 1976), das Verhältnis des Militärs zu einer amerikanischen Öffentlichkeit nach dem Vietnamkrieg (Buley 2008:63), die Rehabilitierung unter Reagan und nach dem elften September (Lewis 2007). Wichtiger noch als eine tatsächliche Einschätzung des Militärs in einer medialen Öffentlichkeit, ist die Wahrnehmung dieser Einschätzung im Militär. Dazu kommt der ständige Kampf gegen die Zensur aus den eigenen Reihen, die die meisten Newsmilblogger zwar nicht persönlich betrifft, aber dennoch für Wut und Ressentiments sorgt. Die Analyse von Newsmilblogs weist eine Kränkung auf, die so in den News-

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blogs nicht vorkommt und die eventuell auf die vielen oben benannten Faktoren zurückzuführen ist. Jenseits sozio-historischer Erklärungsversuche oszilliert der Text und dessen Sprecher, der Warrior Citizen Journalist, zwischen Selbstironie und Totalitätsanspruch. Die Sprecherfigur, die von Reynolds so leichtfüßig eingenommen wird − der öffentliche Anwalt einer lockeren, innovativen Avantgarde − wird durch die Position der schreibenden Soldaten in der Medienlandschaft kompliziert und das selbstsichere, technolibertäre Blogger-Individuum unterminiert. Anhand der Problematik in der Übernahme der Sprecherposition des Citizen Journalist lässt sich ein noch weiter gefasstes Problem in der Zusammenführung dieser internetspezifischen Sprecherfigur und einer militärischen Kommunikationssituation verdeutlichen: Die Grundelemente der technolibertären Überzeugungen sind Technologie und das Individuum. Aus diesen beiden gesellschaftlichen Faktoren soll sich die bessere, gerechtere und ästhetischere Zukunft entfalten. Wie oben gezeigt, kann die Übernahme des Technologieparadigmas recht problemlos erfolgen und militarisiert werden, doch wie steht es um das Konzept Individuum, das in der libertären Philosophie den Grundstein der ethischen, leistungsorientierten Gesellschaft ist? Der Citizen Journalist eignet sich die Rechte des Bürgers einer liberalen Gesellschaft und die Rolle des partizipierenden Bürgers eines kommunitaristischen Gesellschaftsmodells an (Delanty 2000:23). Das Militär fordert aber dazu auf, eben jene Rechte aufzugeben, die jedem Zivilisten sogar gesetzlich garantiert sind. Der an Gesetze gebundene, verpflichtete Staatsbürger steht im Vordergrund und bildet somit den Gegensatz zum partizipatorischen, aktiven und gestalterischen Individuum. Das Militär strebt auch nicht die Weiterentwicklung einzelner Individuen an, um dann durch eine Art Synergieeffekt zu einem großen Besseren zu gelangen. Ganz im Gegenteil, das Militär ist von der Uniformität der Soldaten abhängig, oder so der aktuell etablierte Konsens über den Aufbau von Armeen (Cohen 2001). Wie bereits angedeutet, lässt sich die paradox-anmutende Konstellation des individuellen Soldaten an den Verschiebungen, die sich zwischen einer militärischen und liberalen Auffassung des Citizen auftun, nachvollziehen: der Bürger, den Reynolds skizziert, hat zwar gewisse Pflichten, doch ganz eindeutig steht die Selbstverwirklichung über der Selbstaufgabe für die Ge-

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sellschaft.33 Dies ist bei Soldaten gemeinhin umgekehrt: die Opferbereitschaft muss die Selbstverwirklichung übertrumpfen, denn die Ideologie des Militärs will, dass die Nation vor dem Individuum steht. Dies wird auch ständig wiederholt: „Nation and God come first. Family first in the heart, but Nation is first because it says so“ (From My Position on the Way: About). Das heißt, indem Stryker viele von Reynolds Sprecherpositionen und die Figur übernimmt, konfrontiert er ein auf Pflichten und Nationalität basierendes Staatsbürgermodell mit einem auf Rechten und Partizipation ruhenden. Der Individualismus, der traditionsgemäß der Hierarchie des militärischen Lebens untergeordnet wird, tritt in den soldatischen Selbstdarstellungen des Irakkriegs in den Vordergrund und verändert die Sprecherpositionen von Soldaten. Aus dem Zusammenkommen von technolibertärer Populärphilosophie und soldatischer Kommunikationssituation entsteht die Sprecherfigur des Warrior Citizen Journalists, die geprägt ist von schwer vereinbaren Gegensätzen. Der gleichzeitig dem Militär und sich selbst verpflichtete Sprecher, muss einige Spannungen ertragen: Pflicht und Selbstverwirklichung, Opferbereitschaft und einen erhöhten Selbstwert und die ständige Betonung der Idiosynkrasien des Sprechers durch die Ich-Perspektive und Uniformität. In den nun folgenden Einzelanalysen wird dieser Warrior Citizen Journalist als wichtiger Orientierungspunkt dienen, um die Beziehungen der untersuchten Blogs zueinander und zu den maßgeblichen Deutungsinstanzen Newsmilblogs zu bestimmen und sie so im Netzwerk Milblogosphäre zu

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 33 An dieser Stelle drängt sich das Konzept des Citizen Soldiers auf. Der Citizen Soldier bezeichnet den zivilen Soldaten, der durch die Wehrpflicht verpflichtet ist, Soldat zu werden oder in einen Krieg zu ziehen. Seit dem die US-Armee eine Berufsarmee ist, existiert er nicht mehr auch wenn er gelegentlich noch in Filmen und Reden thematisiert wird (Cohen 2001). Für Mark Janowitz macht dieser Begriff deutlich wie sehr moderne Vorstellungen von Bürgerlichkeit und Bürgerecht an die Modernisierung des Militärs gebunden sind (Janowitz 1976). Im Zusammenhang mit dieser Analyse kommt das Konzept nicht weiter zum Tragen sondern verdeutlicht, dass in dem US-amerikanischen Kontext, das Konzept Citizen in den verschiedensten Diskursen greifbar ist und bezeichnend aber auch strategisch eingesetzt werden kann.

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verorten. Zudem können die soldatischen Blogs so auch in der digitalen Kriegsberichterstattung positioniert werden. Der Warrior Citizen Journalist darf nicht als eine Schablone verstanden werden, auf die die Einzelanalysen aufgelegt werden und mit der sie abgeglichen werden müssen. Die Figur bietet vielmehr einen exemplarischen Knotenpunkt im relevanten computervermittelten Netzwerk, der soldatischen Milblogs aus einem Kriegsgebiet eine Reihe von Sprecherpositionen zur Verfügung stellt.

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5. LT Smash: Ein Kabinett der Alltäglichkeiten

Hauptanliegen dieses ersten Einzelanalysekapitels ist es, die Merkmale der blogspezifischen Kriegsdarstellung des soldatischen Milblogs LT Smash – Live From the Sandbox zu untersuchen. Da der Blogger vor seiner Stationierung auch den Newsblog The Indepundit verfasste, dient dieses Kapitel auch dazu, den Übergang von Newsblog zu soldatischem Blog und die Veränderungen des Formats und des Sprechers zu beschreiben. Abschließend können die Merkmale der Kriegsdarstellung und die Sprecherposition in Bezug zum Warrior Citizen Journalist bestimmt werden. Obwohl der soldatische Milblog inhaltlich deutlich vom Newsblog abzugrenzen ist, bleiben die Perspektive der Sprecherfigur und die entsprechenden Sprecherpositionen auch im Milblog bestehen. Die Kriegsdarstellung in LT Smash ist von einer Konvergenz der Formate und von Produzent und Rezipient gekennzeichnet: Der Blog integriert Postings, die an Formate der Kriegsberichterstattung anschließen und solche, die den Krieg aus der Mikroperspektive des Soldaten erzählen. Parallel erfüllt der Blog eine interpersonale kommunikative Funktion, indem er den Austausch zwischen Sprecher und Familienmitgliedern ermöglicht und eine Plattform für das Trauern um einen gestorbenen Soldaten bietet. Die resultierende Kriegsdarstellung ist in die Produktions- und Rezeptionsmechanismen des Medienereignisses eingebunden und weist teilweise formale Einflüsse der televisuellen Berichterstattung auf, doch können nur selten die in der etablierten Berichterstattung vorherrschenden Effekte der Ereignishaftigkeit, beispielsweise Liveness, festgestellt werden. Durch die interpersonale Kommunika-

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tion und die organisatorische Funktion rücken der soldatische Alltag und das Sterben in den Vordergrund. Nach einer kurzen Einführung in die verschiedenen Blogs des Sprechers Smash, wird das in Kapitel 3 entworfene Analyseverfahren angewendet, um die Positionierung des Blogs in der Milblogosphäre und die Merkmale der Kriegsdarstellung zu erarbeiten: Zuerst werden die Medienspezifika von The Indepundit und LT Smash erarbeitet, indem die Standardmerkmale, das Format der Postings und die paratextuelle Charakterisierung des Sprechers, untersucht werden. So können auch die Ähnlichkeiten und Veränderungen im Übergang von Newsblog zum soldatischen Blog analysiert werden. Nachdem die Medienspezifik des Blogs LT Smash und der Sprecher durch diese Vorarbeiten genau bestimmt wurden, werden die Postings von LT Smash einer detaillierten Textanalyse unterzogen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der ersten Kriegswoche geschenkt. Abschließend können die Positionierung des Sprechers Smash in Bezug zum Warrior Citizen Journalist ermittelt und die Merkmale der Kriegsdarstellung zusammengefasst werden.

D REI B LOGS : E IN B LOGGER Die drei Blogs The Indepundit, LT Smash – Live From the Sandbox und Citizen Smash – Home From the Sandbox können aus heutiger Perspektive als Blogs des gleichen Sprechers identifiziert werden: Im Juni 2002 wurde The Indepundit auf der Domain www.indepundit.com gegründet und bis Dezember 2002 regelmäßig aktualisiert. Der Blogger Scott Koenig postete dort Kommentare und Links zu tagesaktuellen Themen. Im Dezember 2002 wurde The Indepundit stillgelegt. Im gleichen Monat wurde der Blog LT Smash – Live From the Sandbox eröffnet, dessen Blogger LT Smash aus Kuwait und dem Irak über den Irakkrieg berichtete. Im August 2003 wurden die Inhalte von The Indepundit auf den Blog LT Smash – Live From the Sandbox überführt und unter dem neuen Titel Citizen Smash – Home From the Sandbox von dem Blogger Citizen Smash, der sich nun als Blogger aller

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drei Blogs identifizierte, bis 2007 fortgesetzt.1 Dass The Indepundit von LT Smash abgelöst wurde, war im Dezember 2002 und auch zu Kriegsanfang jedoch noch nicht öffentlich bekannt. Der Newsblog The Indepundit wurde im Juni 2002 während der Kriegsvorbereitungen gegründet und spezialisierte sich, wie die anderen Newsblogs dieser Zeit, auf Berichterstattung zum War on Terror. Abbildung 10: The Indepundit

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20020722115542/http://www.indepundit.com/

Charakteristisch für damalige und heutige Newsblogs ist, dass dort viele Nachrichtenquellen verlinkt werden und der Blogger sich als Gegengewicht zu den etablierten Medien und ausgewählten Politikern positioniert. Nach eigenen Angaben erreichte The Indepundit in wenigen Monaten ungefähr 500 Leser am Tag (Greyhawk 2005). Vor allem eine Serie von kritischen Postings zu demokratischen Abgeordneten trug wohl zu einer Rezeption in der konservativen Blogosphäre bei (I Believe Cynthia Too!: 30.6.2002).2 Im Dezember 2002 wurde das Ende von The Indepundit angekündigt:

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Nach August 2003 erschienen alle drei Blogs als Teil desselben Blogs. In der folgenden Analyse werden die Blogs separat untersucht, jedoch mit besonderer Berücksichtigung der Übergänge.

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The Indepundit war damals auf mehreren A-List Blogrolls zu finden, beispielsweise Instapundit, The Command Post, Meryl Yourish.

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MY EMPLOYER has offered me a once-in-a-lifetime opportunity to take on a leadership role in a major international venture. […] Unfortunately, this means that I will be forced to give up many of the activities that bring me pleasure, including this journal […] I’ll be back. (Until We Meet Again: 9.12.2002)

Es wurde jedoch nicht erwähnt, dass Scott Koenig als Smash einen neuen Blog eröffnet hatte, um dort die Stationierung in Kuwait zu dokumentieren und laut dem Blogger erkannte kaum ein Leser, dass LT Smash zu der Zeit anfing als The Indepundit aufhörte. Smash ließ seinen alten Leserstamm zurück und hatte laut eigenen Angaben zu Beginn ausschließlich Familie und Freunde als Leser. Der Blog entwickelte sich vom Newsblog zum soldatischen Blog aus einem Kriegsgebiet. LT Smash – Live From the Sandbox3 ist meines Wissens der erste Milblog aus dem Irakkrieg.4 Ohne Zweifel ist LT Smash der erste populäre Milblog aus dem Irak, doch betont der Blogger selbst, dass sein Blog an eine ganze Reihe von Vorgängerformaten anknüpft: I think LT SMASH was the first widely-read blog from a war zone – which is somewhat ironic, because I was really ‚back in the rear with the gear.‘ […] Was I the first? 5 No. Sgt. Stryker's Daily Briefing was around long before LT SMASH.

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Die ursprüngliche Domain auf der der Blog gehostet war hieß lt-smash.us. Nach Scott Koenigs Rückkehr aus dem Irak wurden die Inhalte von www.indepundit. com auf die Smash-URL übertragen, wahrscheinlich weil dort die viel höheren Besucherzahlen vorzufinden waren. Seit 2008 ist der Blog ausschließlich über das Internetarchiv zugänglich und sowohl unter der URL lt-smash.us als auch indepundit.com sind sogenannte Parking-Seiten zu finden. Die Domains gehören nun nicht mehr Scott König und der neue Besitzer hat seinen Webspace an verschiedene Werbefirmen verkauft.

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Einige Monate später sollten Chief Wiggles und The Primary Main Objective dazu kommen, doch wurden deren Blogger erst im März 2003 im Irak stationiert.

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Smash bezieht sich mit „Was I the first“ auf Milblogs allgemein. Sgt. Stryker wurde im Kapitel zum Warrior Citizen Journalist dargestellt und seine Vorreiterrolle als Milblogger expliziert. Die Vermutung, dass es bereits 2002 in Afghanistan Milblogs gibt, ließ sich selbst nach ausführlicher Recherche nicht be-

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There were others, as well. […] Military LiveJournals have been around for a while. And before the blogging explosion, many military folks had simple do-it-yourself personal websites. Prior to that, mass e-mails were circulated. I had a mailing list that included about 25 people when I served on the Nimitz 97-98. My father forwarded my messages to probably 50 or so of his active duty friends, and they made the rounds at the Pentagon. (Mudville Gazette: A Brief History of Milblogs. 11.11.2005)

Smash verortet sich in einer Tradition von Newsmilblogs und interpersonaler Kommunikation und wird von vielen Milbloggern als Pionier des soldatischen Blogs betrachtet. Abbildung 11: LT Smash – Live From the Sandbox

Quelle: http://web.archive.org/web/20030401182515/http://www.lt-smash.us

Der Blogger Smash eröffnete seinen Blog im Dezember 2002 mit dem Posting Somewhere Dangerous, in dem die Mobilisierung der ebenfalls ungenannten Einheit bekannt gegeben wird und Smash berichtet, wie er diese Nachricht seiner Frau übermittelt. Dieses chiffrierte und intime Posting be-

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gründet einen Blog, der nicht nur die ersten Kriegstage dokumentiert, sondern auch die Vorarbeiten für den Krieg. Als der Krieg im März 2003 begann, existierte der Blog schon mehrere Monate, denn der Blogger war kurz nach Weihnachten als Teil einer der vorbereitenden Navy-Einheiten nach Kuwait entsandt worden. Mit Kriegsanfang waren die Leserzahlen, nach eigenen Angaben, um das Mehrfache gestiegen und einige Medienanbieter berichteten kurz nach dem Kriegsanfang über LT Smash.6 Smash war bis August 2003 in Kuwait und im Irak stationiert und führte bis dahin seinen Blog regelmäßig weiter. Abbildung 12: Citizen Smash

Quelle: http://web.archive.org/web/20040311050613/http://www.lt-smash.us/

Als Smash aus dem Irak zurückkehrte, benannte er seinen Blog in Mr.Smash Goes to Washington um und der Blogger wurde von Smash zu Citizen Smash. Seine Identität und die Verbindung zwischen The Indepundit und LT Smash – Live From The Sandbox wurden öffentlich gemacht. Die Inhalte der vorher getrennten Webseiten wurden auf der URL ltsmash.us zusammengefügt und können im Internetarchiv als ein kontinuierlicher Blog gelesen werden. Der Blog wurde noch bis Ende 2007 unregelmäßig weitergeführt. Nach der Rückkehr aus dem Irak wurde der Blog zu

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Zum Beispiel in dem Artikel Soldier ‚Bloggers‘ Report from War auf der CNNWebseite (2003).

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einem Forum sowohl für das Zusammentragen und Kommentieren von Nachrichten als auch für Alltagsbeschreibungen und persönliche Anekdoten. 2007 wurde der Blog nur noch selten aktualisiert. Nach einer Reihe von Postings aus den vorherigen Jahren, die dem Blogger besonders interessant oder wertvoll erschienen, wurde der Blog 2008 eingestellt und die Domain gekündigt. Alle Blogs wurden mit der Software des Anbieters Moveable Type erstellt. Moveable Type7 ist ein Blog-Publikationssystem, das dem Nutzer erlaubt, einen Blog auf dem eigenen Webserver zu installieren. Dies erklärt, dass die URL der verschiedenen Blogs stets auf Webseiten verweist, die nicht an einen Blog-Anbieter gebunden sind, sondern auf die eponymen Adressen lt-smash.us und indepundit.com und, dass die Blogs nur noch im Internetarchiv erhalten sind, denn das Betreiben einer eigenen Domain erfordert eine monatliche Beitragszahlung. Zusätzlich zur Kontaktinformation des Bloggers, wird in allen drei Versionen des Blogs eine Administratorin als Kontakt und technische Blog-Gestalterin angegeben (Mrs. Smash). Der Blog ist zwar hauptsächlich eine Plattform für den Blogger in seinen verschiedenen Sprecheridentitäten, doch die Administratorin meldet sich im Verlauf des Kriegseinsatzes des Bloggers mehrfach zu Wort. Das BlogPublikationssystem und die spätere Integration einiger Features des Anbieters Blogger, legen einen etwas größeren Aufwand bei der Blogeröffnung nahe. Die Blogs weisen jedoch kaum Spuren eines idiosynkratrischen Umgangs mit der Blogtechnologie auf und sind sehr schlicht gestaltet.

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Moveable Type wurde von 2002 bis 2007 als Veröffentlichungswerkzeug für die selbst erstellten Blogs genutzt. Dies lässt sich an einem kleinen Feld am linken Rand des Blogs Mr. Smash Goes to Washington ablesen, an dem Powered by Moveable Type steht. Smash integriert zudem beispielsweise das Feature About aus der Blogger-Software.

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T HE I NDEPUNDIT : M EDIENSPEZIFIK EINES N EWSBLOGS The Indepundit, vom Juni 2002 bis Dezember 2002 als Newsblog betrieben, ist text- und linklastig und beinhaltet außer den kleinen Bildern im Titelbanner keine Fotografien oder Videos. Die Ästhetik erinnert eher an die dicht bedruckten Seiten einer Zeitung, mit Spalten und Titel, als an digitale Medien, wie Chats oder MySpace-Seiten. Der Text des Blogs steht im Vordergrund und kann von Lesern durch das Titelbanner, die zitierten Nachrichtenmedien und die Titel der Postings als berichterstattender Newsblog erkannt werden. Das Titelbanner befindet sich über dem in der Mitte der Seite lokalisierten Posting und enthält den Namen und ein Motto: „The Indepundit. At long last, someone with whom everyone can disagree.“ Sowohl der Name als auch das Motto sind Kennzeichen für die politische Blogosphäre: Viele Blogger wählen Variationen der Begriffs Pundit8 um ihre Blogs zu betiteln (i.e. VodkaPundit, Instapundit, Muslim Pundit) und reihen sich damit in eine Tradition kritischer Kommentatoren zeitgenössischen Geschehens ein (Nimmo und Combs 1992:7). Das Motto unterstreicht diese kritische Haltung und parodiert sie gleichzeitig, indem der eigene Standpunkt als völlig außenstehend markiert wird. Die Kombination der Schlagwörter Independent und Pundit kennzeichnen, gemeinsam mit dem Motto, die ironische Verortung des Bloggers im politisierten Nachrichtendiskurs der USA (vgl. Mutz 2006): Ein unabhängiger Experte und Außenseiter schreibt in diesem Forum gegen etablierte Meinungen. Rechts vom Titel findet sich eine kleine amerikanische Flagge und links eine Skizze des Leuchtturms von Point Loma, eine Bucht nahe San Diego an der Küste Kaliforniens, auf dem sich auch ein Navy-Stützpunkt befindet.9 Die kaum ein Jahr nach dem elften September in den USA allgegenwärtige amerikanische Flagge, signalisiert nicht nur die Nationalität des

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Zum Vergleich die Definition aus der Oxford English Dictionary: „an expert in a particular subject or field, esp. one frequently called upon to give his or her opinion to the public; a commentator, a critic. […] He has fetched up swigging beers as a pundit on a late-night show“ (OED: Pundit).

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Obwohl Koenig zu diesem Zeitpunkt seine Zugehörigkeit zur Navy nicht explizit erwähnte, weisen verschiedene Blogmerkmale darauf hin.

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Bloggers, sondern auch dessen Patriotismus. Ihre Farben spiegeln sich in der Farbgebung des Blogs wieder, dessen cremeweißer Hintergrund durch blaue Trennlinien und Schrift und rote Links strukturiert wird. Die Zeichnung des Leuchtturms von Point Loma engt die Zugehörigkeit noch einmal auf den Staat Kalifornien, die Nähe zu San Diego und den möglichen Beruf (Navy) ein.10 Ungewöhnlich ist, dass am oberen linken Seitenrand wechselnde Zitate über den Blog eingeblendet werden, die sowohl unterstützend: „Funny, funny Guy – Meryl Yourish“ als auch kritisch sind: „Worth Reading? I think not. Scott M. Baron.“ Der Blog, der ansonsten kaum multimediale Features enthält, integriert an dieser Stelle ein modulares Element, das jedoch nicht an internetspezifische Modularität, wie zum Beispiel komplexere Hypertexte oder Graphiken, verweist, sondern an den Klappentext eines Buchs. Die weiteren Merkmale am linken Seitenrand sind schriftliche Links: Es finden sich dort die üblichen Kontaktadressen, ein Link zum About, Links zum sogenannten Indepundit Store (auf dem man T-Shirts und ähnliches erwerben kann) und Be a Co-Depundit, ein Link, der es erlaubt den Blog finanziell zu unterstützen. Es folgt eine Liste der Kategorien, die die Postings inhaltlich ordnen und die zu den dementsprechend sortierten Einträgen führen. Unter einem Suchfeld findet sich eine Liste der kürzlich erschienenen Einträge und Kommentare sowie zeitweise die beliebtesten Einträge und aktuelle Schlagzeilen. Das About enthält keine biographischen Informationen, zählt aber die Überzeugungen des Bloggers in einer Art Katalog der politischen Selbstidentifikationen auf: I am a liberal. I believe in keeping an open mind and treating all people with compassion and tolerance. […] I am a conservative. I believe that Judeo-Christian values form the cornerstone of our society, and I practice the virtues of integrity, civility and personal responsibility. (The Indepundit: About)

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10 Es ist nicht klar, wie bekannt Point Loma außerhalb Südkaliforniens ist. Gerade dann könnte die Graphik jedoch insider- und outsider-Leser markieren, denn ein Navy-Soldat aus Kalifornien würde die Darstellung wahrscheinlich erkennen und könnte dies dann auch signalisieren.

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Weiterhin ist Koenig ein „libertarian“, „environmentalist“, „capitalist“, „independent“ und letztlich „American“ (Indepundit: About). Diese Positionen, die, mit Ausnahme des Umweltschutzes, dem in Kapitel 4 beschriebenen Wertekanon der konservativen Newsblogger entsprechen, werden durch Links zu entsprechenden Artikeln oder Einträgen untermauert. Das Ich des Sprechers steht auch hier im Vordergrund. Es handelt sich jedoch nicht um ein About, in dem persönliche Details über den Blogger zu erfahren sind, sondern der Sprecher wird als politische und professionelle Persona charakterisiert. Am rechten Rand befindet sich eine sehr lange Blogroll, die die meisten großen Medienanbieter (von CNN, FoxNews, Reuters bis zu MSNBC) und viele der damals bekannten Newsblogger, darunter Drudge Report, Andrew Sullivan, Instapundit, Little Green Footballs, Volkoh Conspiracy und Talking Points Memo aufzählt. Zudem enthielt sie 2002 die wenigen militärnahen Blogs, die es zu dieser Zeit gab Armed Liberal, Sgt. Stryker, Sand in Gears, Truth Laid Bear und populäre Blogs wie Rebecca’s Pocket oder Amish Tech Support. Der Sprecher Indepundits kann sowohl aufgrund der politischen Selbstidentifikation als auch wegen der Verortung in der Newsblogosphäre als Warrior Citizen Journalist identifiziert werden. Die durch die Paratexte aufgebaute Sprecherposition bestätigt sich in den Postings, die häufig mit einer kurzen Einführung von Koenig beginnen, um dann einen längeren Auszug aus einem Artikel oder einer Rede zu zitieren und diese dann noch einmal kurz zu kommentieren. Stets wird der verwendete Artikel angelinkt und häufig auch der Blog auf dem er gefunden wurde. Es entsteht ein zitatreicher Text mit vielen Links, bei dem die Kommentierungen des Bloggers oft den kleineren Teil des Postings ausmachen, das Zitierte jedoch durch die Kommentare bewertet wird und die dargebotenen Informationen dadurch politisch gerahmt werden. Ganz im Sinne der im vorherigen Kapitel skizzierten selbstzugeschriebenen, aufklärerischen Funktion der Sprecherfigur, enthält The Indepundit mehrere Berichte über angebliche politische Missstände, die laut Koenig von anderen Medienanbietern übersehen wurden: Koenig versuchte zum Beispiel die öffentliche Aufmerksamkeit auf angebliche Verbindungen der demokratischen Abgeordneten Cynthia McKinney zu Islamisten zu len-

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ken.11 Er veröffentlichte eine Liste ihrer Spender, die beweisen sollte, dass McKinney am elften September 2001 eine ungewöhnlich hohe Zahl an Spenden von Saudis erhalten hatte (I Believe Cynthia Too! 30.6.2002).12 Dieser Versuch eine Watchdog-Funktion gegenüber demokratischen Politikern einzunehmen, wird durch die Kritik an Printmedien wie den New York Times und der Washington Post in Bezug auf ihre Berichterstattung über Militärstrategie und Kriegsvorbereitung ergänzt: In dem Eintrag Its the Logistics, Stupid! (31.7.2002) kommentiert Koenig beispielweise die Berichterstattung zur Kriegsstrategie der Bush-Administration, um dann mit einem Überblick über ausgewählte Informationen zur irakischen und USamerikanischen Armee eine eigene These zu entwickeln und diese mit logistischen Argumenten zu belegen. In diesen und anderen Postings spezifisch zu militärstrategischen Fragen, steuert der Blogger sein militärisches Expertenwissen bei, doch werden in dem Newsblog hauptsächlich andere Inhalte bewertet und kommentiert. Auch die prowestliche und teilweise antiislamische Sprecherposition der Warrior Citizen Journalists lässt sich in The Indepundit finden: Am 27.11.2002 schreibt Indepundit unter dem Titel Saudi Student Deported zum Beispiel über die Ausweisung eines saudi-arabischen Studenten aus den USA. Das Posting beginnt mit folgendem Text von Koenig selbst: „Essam Al-Ghalib is disappointed in America. The Saudi student had lived in the United States for fifteen years – until he was arrested by the INS, held in solitary confinement for several months, and eventually deported“, um dann die Kritik des Studenten am amerikanischen Justiz- und Vollzugssystems zu zitieren. Koenig weist im darauffolgenden Text auf einen Gesetzesverstoß des Studenten hin und weist ihn schließlich zurecht:

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11 Ein anderes Beispiel ist die Überwachung eines kriegskritischen, demokratischen Senators (Dashle Dawdle Watch: 16.9.2002). 12 Obwohl kurz nach deren Veröffentlichung auf Koenigs Blog auch die Washington Post die Anschuldigungen gegen McKinney besprach, fand keine umfangreiche Berichterstattung statt (Dart und Krupin ; Edsall). Unter den konservativen Bloggern erhielt Koenig jedoch Anerkennung für seine angebliche Aufklärungsarbeit: Zum Beispiel bei Instapundit (2002), Unqualified Offerings und The Greenehouse Effect.

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While I am really sorry that Essam was treated poorly […] I can’t help but think that if he had simply obeyed the law, he wouldn’t have had to go through all this. Where is the outrage against the terrorists who forced the United States to re-examine our lax enforcement of immigration laws? Essam might want to consider blaming the bad guys for causing his predicament and not the victims (Saudi Student Deported: 27.11.2002).

Koenig leitet Informationen aus einem Zeitungsartikel weiter, bereitet sie jedoch so auf, dass kaum eine andere Lesart als die des Bloggers möglich ist und bindet den Immigrationsstreit zudem in den War on Terror und in eine Posting-übergreifende Kritik ein. Die berichterstattenden Einträge überwiegen im Blog. Es lassen sich nur wenige Einträge finden die Persönliches in den Vordergrund stellen: Der Eintrag Your Globetrotting Pundit ist eine Art Reiseanleitung für Amerikaner im europäischen und arabischen Ausland (29.7.2002), der persönlichen Reiseerfahrungen des Bloggers verwertet. Auch die Kommentare des Newsblogs charakterisieren jedoch den Sprecher, zumal einige der politischen Anmerkungen in persönliche Kontexte, wie das Erinnern an den elften September, eingebunden sind. The Indepundit ist ein Newsmilblog, dessen Sprecher die Positionierung der Warrior Citizen Journalists übernimmt und diese durch verschiedene kommunikative Handlungen, wie die Medienkritik oder den Expertenbeitrag, wiedergibt. Wie in Bezug auf den Warrior Citizen Journalist wird die Sprecherposition durch die Parodie oder die Integration von fremder Kritik relativiert. Der Sprecher ist ein Kommentator des politischen Tagesgeschehens aus einer militärischen und konservativen Perspektive in der Vorkriegsmedienkultur. Selbstdarstellung findet außerhalb des Abouts kaum statt und der Blogger muss im Sinne eines impliziten Autors über die Argumentation, die Standpunkte und Meinungen erschlossen werden. Die wenigen persönlichen Einträge, zum Beispiel die Erwähnung einer Reise oder das persönliche Erleben des elften Septembers, füllen diese implizite Charakterisierung etwas aus. The Indepundit kann durch die Blogroll und Sprecherpositionierung in die vorbereitende Kriegsberichterstattung zum Irakkrieg eingeordnet werden und der Sprecher des Blogs als ein öffentlicher Sprecher, dessen Perspektive und Position sich maßgeblich aus den medienkritischen und politischen Positionen des Warrior Citizen Journalist ableitet, identifiziert wer-

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den. Wie im Folgenden deutlich werden wird, weist der soldatische Milblog zwar ähnliche Merkmale auf, doch die Selbstdarstellung des Sprechers und die Funktion des Blogs verändern sich maßgeblich.

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LT Smash hat ebenfalls eine schlichte Ästhetik, die stets auf die Teilhabe des Sprechers an einem Kriegs hinweist: Das Titelbanner beinhaltet nur noch den Titel (LT Smash) und den Untertitel (Live From the Sandbox). Die amerikanische Farbgebung von The Indepundit wird bei LT Smash durch Farben ersetzt, die zum militärischen Einsatz in The Sandbox passen: der Hintergrund ist beige, die einzelnen Features sind olivgrün betitelt und die Links sind in einem dunklen Blau, das an das Gold-Blau der Navy erinnert. Sämtliche Blogmerkmale werden nach militärischen Begriffen umbenannt: Das About ist nun die Orientation, die Liste der kürzlich erschienenen Postings und das Archiv mit Operations bezeichnet und die Postings werden untertitelt mit Transmissions from LT Smash. Es finden sich am rechten Rand noch eine Kontaktadresse, eine Liste mit kürzlich erschienenen Einträgen, das Archiv und eine Linkliste, namens Intel, die jedoch keine Blogs verlinkt und nicht als Blogroll bezeichnet werden kann. Smash entzieht sich durch das Ausklammern der Blogroll der Newsblogosphäre, in der The Indepundit durch die ausführliche Blogroll und die vielen Links fest verankert war. Während des Kriegseinsatzes wurden keine anderen Blogs angelinkt sondern ausschließlich Nachrichtenseiten, darunter Standardseiten wie CNN und BBC und einige militärspezifische Ressourcen wie Jane’s Defense Weekly und Military.com.13 Die meisten Links verweisen auf Webseiten des Verteidigungsministeriums, zum Beispiel für die Versorgung von Soldaten oder zu Rekrutierungsseiten. Dieser Rückzug aus der Blogosphäre korrespondiert mit der Angabe aus dem About, dass dieser Blog hauptsächlich für Familie und Freunde geschrieben wird.

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ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13 Im September nach der Rückkehr aus dem Irak werden dann noch einige Milblogs dazu genommen: Sgt.Stryker, A Minute Longer und Chief Wiggles.

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Abbildung 13: LT Smash einige Monate nach der Eröffnung

Quelle: http://web.archive.org/web/20030620103549/http://www.lt-smash.us/

The Indepundit als Namen kennzeichnete eine bestimmte medienkulturelle Funktion, zudem hatte der Sprecher einen bürgerlichen Namen zur Verfügung gestellt. In dem soldatischen Milblog aus dem Kriegsgebiet steht dem Publikum keine solche Rückbindung an eine nachvollziehbare Person zur Verfügung, sondern ausschließlich ein Pseudonym. Die resultierende Anonymität des Sprechers ist jedoch nicht absolut, da der Blog neben unbekannten Lesern auch an Familienmitglieder adressiert ist. Ferner charakterisiert das Pseudonym den Sprecher: Der Name LT Smash verweist auf eine Figur aus der Comicserie The Simpsons, die seit über zwanzig Jahren ausgestrahlt wird und deren Episoden viele popkulturelle und metafiktionale Referenzen, beispielsweise auf die Musikindustrie oder die US-Politik, herstellen (Gray 2006:6): In der Folge New Kids on the Bleech (Staffel 12, Episode 14) kommt der U.S. Navy-Rekrutierungsoffizier L.T. Smash, als Boyband-Manager getarnt, nach Springfield, dem Heimatort der Familie Simpson. Muskelbepackt, mit Bürstenhaarschnitt und Ausdrücken wie „chill in your crib“ und „the 411“ wird L.T. Smash als amüsante Mischform aus betont lässigem Popmanager und dümmlichem Soldaten charakterisiert. Er wählt Bart Simpson aus, um ein Mitglied der Boy Band Party Posse zu werden. Bart und seine Freunde wissen nicht, dass der geheime Zweck der Band ist, unterschwellige Rekrutierungsbotschaften an das junge

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Publikum weiterzugeben.14 Die Enttarnungsszene durch Barts Schwester Lisa macht den geringfügigen Unterschied zwischen einem Boybandmanager und einem Rekrutierungsagenten besonders deutlich: L.T. Smash heißt in Wahrheit Lieutenant L.T. Smash und offenbart, als er seine Perücke abzieht, einen nur etwas dunkleren Bürstenhaarschnitt. Lieutenant L.T. Smash verfällt im Laufe der Folge immer mehr dem Wahnsinn und muss nach einer wirren Attacke auf das MAD-Hauptquartier verhaftet werden, womit Barts Traum einer Sängerkarriere endet. L.T. Smash verkörpert auf prägnante Art die Konvergenz von Unterhaltung und Außenpolitik und die Schwierigkeit, die Grenzen zwischen diesen beiden Bereichen zu identifizieren. So ist auch die Satirezeitschrift MAD Magazine das Ziel des Angriffs und nicht die in den Musikvideos der Band gezeigten Terroristen. Die popkulturellen Codes, besonders der Verweis auf die Simpsons, charakterisieren den Sprecher: erstens wird durch diese Wahl die Zugehörigkeit zu einer großen pop- und technikinteressierten Fangruppe gekennzeichnet, zweitens weist die Wahl des Pseudonyms LT Smash auf die Militärnähe und die unverhohlene Identifikation mit dem Soldat-Sein hin, auch wenn dies die Klischees des grobschlächtigen und eindimensionalen Soldaten einschließt, der, mit Widerstand konfrontiert, einen Flugzeugträger entwendet und rücksichtslos New York und das MAD Magazine bombardiert. Letztlich verdeutlicht die Figur dem Leser die Nutzung der Medien durch das Militär für Propaganda und Rekrutierung und die schwammigen Grenzen zwischen Teilen der US-Medienlandschaft und dem US-Militär. Dies ist besonders interessant, wenn man an den Versuch der Milblogger denkt, die Öffentlichkeitsarbeit des Pentagons aktiv mitzugestalten. Die Namenswahl charakterisiert, in Kombination mit der Militärästhetik, den Sprecher als selbstironischen Soldaten, der sich seiner Übertriebenheit bewusst ist, diese jedoch nicht abstreitet, sondern sogar zelebriert. Die ironische Namenswahl erinnert an Sgt. Stryker, dessen Namensgeber, der

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14 Eine der versteckten Rekrutierungsbotschaften, eine Textzeile aus dem Hit der Band, lautet „yvan eht nioj“ (also „join the Navy“ rückwärts). Barts klügere Schwester Lisa deckt den Schwindel schnell auf und das Ganze endet in einer wilden Fahrt nach New York, dem Versuch die MAD Redaktion zu stürmen und einer Rettungsaktion durch die Boyband N’Sync.

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verrückte Sergeant aus The Sands of Iwo Jima (Dwan 1949), ebenfalls ungeniert promilitärisch, maskulin und hart auftritt. Der Zusatz Live From the Sandbox lokalisiert den Sprecher im Nahen Osten. Das Titelbanner kodiert ihn damit nicht nur popkulturell, sondern stellt auch grundlegende Informationen zur Verfügung: der Sprecher ist ein Soldat in einem Kriegsgebiet. Sandbox ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für den Irak oder den Nahen Osten allgemein, die einen informellen und alltäglichen Umgang mit dem Kriegsgebiet kennzeichnet und als paratextueller Marker für die lockere Kriegsberichterstattung, die den Nutzer im Blog erwartet, fungiert. In LT Smash finden sich im Vergleich zu The Indepundit kaum noch Zitate oder Links und die Postings sind der Darstellung des alltäglichen Erlebens des Sprechers gewidmet. Sie bestehen im Allgemeinen aus Text, sind selten über 300 Wörter lang und durch den das Tagesgeschehen wiedergebenden, soldatischen Sprecher gekennzeichnet. Das tägliche Leben auf der Militärbasis und die persönliche Erfahrung des Einmarschs im Irak stehen im Vordergrund. Mit dem bereits erwähnten Posting zur Mobilisierung, das zu einem großen Teil von der direkten Rede zwischen den Eheleuten und kleinen intimen Details wie „She went limp in my arms“ bestimmt wird, eröffnet der Blog (Somewhere Dangerous: 6.12.2002). Gleich zu Anfang wird die Einbindung des Einsatzes in das Privatleben des Sprechers betont. Der Einsatz an sich wird jedoch nicht detailliert ausgeführt, sondern nur andeutungsweise mit „overseas“ und „somewhere dangerous“ beschrieben. Dahingegen werden die Reaktionen der Frau und die Unterhaltung der beiden über das Thema ausführlich dargestellt. Der inhaltliche Fokus auf den Alltag des Sprechers bleibt in den Monaten vor Kriegsanfang bestehen: Inhalte der Postings sind zum Beispiel der Abschluss einer Lebensversicherung, der Verlauf der Pockenimpfung und Einkäufe für den Kriegseinsatz. Ungefähr einen Monat nach der Eröffnung des Blogs erfährt man, dass Smash nun in Kuwait angekommen ist und die Berichte über die Vorbereitungen werden von Beschreibungen zum Lageralltag, dem PX und der Kantine abgelöst. Die Postings haben häufig den Charakter einer schnell geschriebenen Email an einen gut informierten und bekannten Adressaten, da Informationen ausgespart und Formalitäten abgekürzt werden:

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Another dusty day today. This time, there is wind. […] I’m staying under cover as much as I can. I brought a member of my team with me today, so that he could use my computer to check his mail. He hadn’t checked it in two weeks, so he had hundreds of junk mail. […] Anyhow, he took up much of the time I was planning to spend checking the news and writing my journal, but I was glad to let him have it. Now I’m out of time. Back to work. (Sharing the Wealth: 21.2.2003)

Die Funktion des Blogs als interpersonales Benachrichtigungsmedium tritt in den Vordergrund: die Sprache und Ausdrucksweise ist informell und scheint Teil einer Kommunikation, in der viele Informationen oder Eckpunkte der Unterhaltung ausgelassen werden, da die an der Kommunikation beteiligten diese schon kennen. Militärische Details, Abkürzungen oder Schimpfwörter werden jedoch ausgespart. Diese Lücken legen einen größeren und teilweise auch zivilen Familien- und Freundeskreis als implizite Leser nahe. Ebenso enthalten viele der Postings kaum neue Informationen: „The sunrise this morning was beautiful. […] I was almost too busy to notice. Almost, but not quite“ (Just Another Day: 17.2.2003). Diese Postings erfüllen ihre kommunikative Funktion allein durch ihre Existenz: Aufgrund der Kriegssituation kann man annehmen, dass auch inhaltslose Botschaften einen hohen Informationswert für die Angehörigen haben, da sie über die Gesundheit des Soldaten Auskunft geben. Dennoch richtet sich Smash auch an Leser, die nicht zu seinen Bekannten zählen: Als erster soldatischer Blog aus dem Irak, war Live From the Sandbox noch keinen blogspezifischen Regulierungen oder Zensurmaßnahmen ausgesetzt15, doch übte sich Smash von Anfang an in großer Zurückhaltung: Since the military didn’t have any regulations that specifically addressed blogs, I decided to set up my own very strict guidelines. I didn’t use real names. I didn’t name my unit, describe our mission, or even say what branch of the service I was in. I didn’t say what country I was in, although it wasn’t hard to guess. Mostly, I wrote about day-to-day life in a military camp. (Mudville Gazette: A Brief History of Milblogs. 11.11.2005)

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15 Rumsfeld hatte zu diesem Zeitpunkt nur vor Sicherheitslücken im Internet allgemein gewarnt (Rumsfeld 2003).

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Der berufliche Alltag wird detailliert dargestellt und der Blog bietet dadurch einen Blick hinter die Kulissen einer Armee in der Kriegsvorbereitung: Es wird zum Beispiel auch noch in den ersten Kriegstagen ein Vorfall mit einer Vorgesetzten diskutiert (Dragon Lady: 28.2.2003) und die Herausforderungen an Smash als Team-Leader (Stress: 20.2.2003). Die Ankunft neuer Truppen und die Vor- und Nachteile dieser Aufstockung werden beschrieben (The Second String: 10.2.2003) und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Nationalitäten in der Kriegsvorbereitung (London Calling: 9.2.2003, The British Are Coming: 5.2.2003). Informationen zu den Kriegsvorbereitungen an sich, zum Beispiel welche Waffen kampfbereit gemacht werden oder wie viele, werden jedoch nicht angeboten. Smash betont immer wieder die Anforderungen der Operational Security und gibt nur sporadisch einen Hinweis auf einen möglichen Kriegsanfang: „We’re sharpening the sword“ (Just Another Day: 17.2.2003). Eine eindeutige politische Positionierung ist im Milblog nicht präsent, doch häufig folgen auf die Alltagsdarstellungen ideologisierte Kommentare: Das zweite Posting diskutiert die Erwartungen, die an die Mobilisierung geknüpft sind – jedoch fließt in den Text, in dem es um Weihnachten, Weihnachtslieder und die Vorbereitungen der Einheit geht, auch ein Kommentar ein, der zwar nicht explizit politisch ist, jedoch die Legitimation des militärischen Einsatzes betrifft, die besonders in der Zeit der Kriegsvorbereitung ein große Rolle in der Berichterstattung und den Presseerklärungen der Regierung spielte: The general mood in the unit was not one of dejection an concern, but rather anticipation and even a degree of excitement. While no one looked forward to leaving behind their loved ones once more, many of us were pleased to at least have the opportunity to put our unique skills and knowledge to use in service of our country. To put it simply, this was a call that we were proud to answer, despite the inherent dangers. (Ho, Ho, Ho: 8.12.2002)

Obwohl der eindeutig politische Kommentar des Newsblogs nun einer persönlichen Erfahrung untergeordnet wird, fließen eine Bewertung und politische Positionierung zum Krieg in diese Art der Darstellung ein. Auf ähnliche Weise wird die Medienkritik Teil des soldatischen Blogs:

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The latest quality-of-life improvement that we’ve initiated is the purchase of a satellite TV system. We got a single dish with two TVs. One is always tuned to CNN or FOX News International, and the other is for entertainment channels. […] I did manage to catch a few snippets of the news today. It continues to amaze me how many of the so-called experts are completely out of touch with the reality on the ground. I guess some things never change. (Dust in No Wind: 12.2.2003)

Teilweise werden diese ideologisierten Alltagsdarstellungen durch längere Postings unterbrochen. Zwei Wochen vor Kriegsanfang schreibt Smash eine Art offenen Brief an Saddam Hussein, in welchem er ihm persönlich droht und seine Überzeugung, dass die Alliierten gewinnen werden, deutlich macht: Hey Saddam, They say you want to be a big-time player. You want to dominate your neighborhood. You want to run with the big boys. You think you’ve got the game? I think you’re out of your league, Big Guy. […] You think picking on your neighbors and subjugating people makes you a big man? Sometimes I wonder what inadequacy you might be compensating for. You want to play in the Major Leagues? Here’s a news flash: the Yankees are on your front porch, suited up and ready to rock. COME OUT AND PLAY. (Welcome to ‚The Show‫ދ‬: 16.2.2003)

Smash baut eine persönliche Beziehung zu Saddam Hussein auf. Er spricht ihn wiederholt direkt auf informelle und beklemmende Weise an und weist ihn durch angebliche spielerische Herausforderungen zurecht. Saddam Husseins Strategie wird nicht argumentativ analysiert oder diskutiert. Der Konflikt zwischen den USA und dem Irak, der auch von Seiten der amerikanischen Regierung nicht nur als politischer Krieg, sondern auch als Vergeltung für den elften September begründet wurde, wird durch diesen Brief zu einer persönlichen Auseinandersetzung zwischen Blogger und Hussein. Wenige Tage später folgt eine Art Bekenntnis zum Krieg, in dem der Sprecher eine Reihe von selbstdarstellenden Aussagen macht, die ihn in die verschiedenen Repräsentationsmuster der Vorkriegszeit einordnen und die entsprechenden Schlüsselwörter (hero, courage, New York, Pentagon, terrorists, Saddam, appeasement, job) verwendet: I’m not a hero. That is to say, I don’t think of myself that way. […] But I do have courage. […] I didn’t come here looking for a thrill. I’m here because there is a hole

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in the ground in New York, where a couple of the world’s tallest building used to be. I’m here because I know some of those people in the Pentagon. I’m here because my seven-year-old nephew has nightmares about terrorists. […] I’m here because I don’t believe in appeasement. I’m here because someone has to be. I’m here because I was called. I’m here because I have a job to do. (Courage: 22.2.2003)

Der Irakkrieg, seine politischen und historischen Begründungen und die moralischen Stellungsnahmen der Bush-Administration werden in ein persönliches Bekenntnis zum Krieg übersetzt. Smash positioniert sich nicht als eingezogener Soldat, der seinen Einsatz aus Verpflichtung seiner Regierung gegenüber abarbeitet, sondern er erfüllt seine Mission aus Überzeugung, aus Rache an den Anschlägen des elften Septembers und als Beschützer der Schwachen. Die exemplarische Analyse der Postings der ersten Monate des Blogs LT Smash macht die Unterschiede zwischen dem Newsblog und dem soldatischen Blog aus dem Irak deutlich: Obwohl bereits wenige Monate nach dem Kriegsanfang sowohl The Indepundit als auch LT Smash in einen Blog gefügt wurden, gestaltet sich der erste Wechsel sehr deutlich. Vor allem die Inhalte und das Format der Postings ändern sich von einem Kommentierungsformat mit vielen Links und Zitaten zu einer textlastigen Alltagsdarstellung, deren Funktion als interpersonale Kommunikation im Vordergrund steht. In den kriegsvorbereitenden Postings überwiegt die Selbstdarstellung von Smash, die durch Alltagsbeschreibungen und Grußbotschaften, die den Sprecher als besonnenen und herkömmlichen Soldaten charakterisieren, bestimmt ist. Die Selbstdarstellung ist daher auch vor dem Kriegsbeginn eindeutig soldatisch geprägt und reflektiert die Veränderungen der soldatischen Selbstwahrnehmung in der Berufsarmee nach dem elften September, die in dem Kapitel zum Warrior Citizen Journalist diskutiert wurden. Ferner werden diese Selbstdarstellungsmuster durch spezifisch amerikanische Identifikationsangebote wie doing my job ergänzt (McClosky und Zaller 1984). Der Warrior Citizen Journalist wurde durch einen Sprecher ersetzt, dessen alltägliches Erleben, familiärer Austausch und persönliche Auslegung politischer Ereignisse im Vordergrund stehen. Dennoch ist die Perspektive der Sprecherfigur Warrior Citizen Journalist auch in den Alltagsbeschreibungen deutlich und wird durch die politischen und moralischen Deutungen und durch die Glaubensbekenntnisse in diese eingefügt. Die Ausprägung

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der Medienspezifik in LT Smash betont den Sprecher, dieser ist jedoch nicht in einem dominanten Netzwerk verortet, sondern er ist sowohl Teil eines familiären Netzwerks als auch der konservativen Newsblogosphäre beziehungsweise der sich zu diesem Zeitpunkt herausbildenden Milblogosphäre. Nachdem nun die Medienspezifik und der resultierende Sprecher von LT Smash untersucht wurden, werden im Folgenden die ersten zwei Kriegswochen vom 20. März bis zum 4. April 2003detailliert analysiert, um die Kriegsdarstellung im Blog ermitteln zu können.

D ER K RIEGSANFANG IN LT S MASH LT Smash bietet ein interessantes Beispiel eines Blogs, der dezidiert vom Newsblog abzugrenzen ist, einen hohen Grad an interpersonaler Kommunikation aufweist und Effekte des Persönlichen aufbaut, nur um am Medienereignis Irakkrieg teilzunehmen. Douglas Kellner legt dar, wie die verschiedenen Medienakteure im Vorlauf des Irakkriegs die Nachrichtenproduktion erhöhen und das Ereignis fokussieren. Das Medienereignis Krieg ermöglicht höhere Einschaltquoten und die langfristige Etablierung der eigenen Produkte (Kellner 2005:67). Die ersten Tage des Kriegsanfangs Ende März sind daher durch eine dramatisch gesteigerte Berichterstattung und ein sehr aufmerksames Publikum gekennzeichnet. Vor allem die Nachrichtensender richteten ihr Programm in diesen Tagen auf den Irakkrieg aus und versuchten über Ereignis- und Authentizitätseffekte eine möglichst große Nähe zum Irakkrieg zu vermitteln und die eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen (Isekenmeier 2009:36). Dass LT Smash ebenfalls in die materiellen Strukturen des Medienereignisses eingebunden war, zeigt sich sowohl an der erhöhten Frequenz der Postings und an den, laut Angaben des Bloggers, stark erhöhten Besucherzahlen ungefähr ab dem 15. März:16

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16 Newsblogs wie The Indepundit, die im Anschluss an den elften September und im Vorlauf auf den Irakkrieg entstanden, können als Teil dieses Phänomens beschrieben werden, denn die Popularisierung des Mediums und dessen Sprechers geschah im Rahmen einer allgemeinen Fokussierung auf Krieg.

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Hey, were did all these people come from? […] I started this journal with the idea that it would be a good way to keep my family and friends up to date on my adventures. I never knew that I had so many friends – the server log tells me I’m getting upwards of 6,000 hits per day! (Fifteen Minutes: 15.3.2003)

Die erhöhten Leserzahlen in der zweiten Märzhälfte spiegeln die intensivierte Produktion und Rezeption des Medienereignisses wider. Die Zunahme an Postings zeigt, dass der Blog nicht nur Teil der Rezeptionsökonomie des Medienereignisses ist, sondern dessen Gesetzmäßigkeiten auch in Bezug auf die Produktion folgt. Am 19. März 2003, einen Tag vor Kriegsanfang, findet sich ein Posting, das mit einer kurzen Beschreibung des Morgens beginnt und mit der eingefügten Email einer Frau endet, deren Mann am elften September in einem der abgestürzten Flugzeuge starb und die sich bei Smash für seinen Einsatz und seine Opfer bedankt: „Hi – My daughter gave me your email address… I’ve been reading your journal and love your sense of humor, rationale and reasoning. My husband was on Flt. 175, the 2nd plane to hit the WTC.“ Smash endet das Posting mit der Losung: „We will not forget. And we will not rest as long as our freedom and safety is threatened“ (For Robert: 29.3.2003), eine Art Schlachtruf aus dieser Zeit, der den intensiven Bezug zum elften September und das emotionale und persönliche Verhältnis des Bloggers zu diesem Datum, das in den vorherigen Postings bereits thematisiert wurde, bestätigt. Der Brief der Witwe und Smashs Antwort ordnen den Krieg in das übergreifende nationale und moralische Narrativ der Kriegslegitimation dieser Zeit ein, in dem der Irakkrieg als Vergeltung für den elften September und Verteidigung gegen zukünftige Angriffe gedeutet wurde. Die übergeordnete, politische Legitimation wird anhand einer persönlichen Geschichte expliziert: die Opfer werden in Form des Briefes der Hinterbliebenen repräsentiert und die Verteidiger in Form des Bloggers, dessen Kriegshandlung zur Verteidigung und Sühne wird. Neben dem übergeordneten nationalen Narrativ, etabliert dieses Posting auch die Stellung von Smash: Nicht nur das Militär, sondern Smash persönlich, trägt Verantwortung für die Witwe. Das Posting übernimmt damit auch eine Plot-motivierende Funktion: der Held muss aufbrechen und eine Mission, nämlich die Rache und Verteidigung einer Frau, erfüllen und steht sowohl in einer persönlichen als auch in einer gesellschaftlichen Bringschuld.

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Diesem Auftakt zum Irakkrieg folgt am 20. März eine Parodie auf eine öffentliche Bekanntmachung, in der Saddam Hussein vor Bauarbeiten in seiner Nachbarschaft gewarnt wird und das den aggressiv-spielerischen Ton des bereits zitierten Briefs an Hussein aufgreift: Subj: BLASTING OPERATIONS IN YOUR NEIGHBORHOOD. […] You may have noticed some blasting noises and disconcerting rumbling of the ground in your general vicinity over the past several hours. […] Bend over, Grab your ankles, Put your head between your legs and kiss your ass goodbye. (Memorandum: 20.3.2003)

Der krasse Stil- und Gattungswechsel sind ein erstes Kennzeichen für die formale Vielfalt, die die Postings der ersten Kriegswochen ausmacht. Der zweite Eintrag des 20. März folgt ebenfalls diesem satirischen Modus: „Saddam fired a couple of those Scuds that he doesn’t have at me this afternoon. He missed“ (Is That It?: 20.3.2003). Die Einträge verweisen zwar auf den Kriegsanfang und stellen die Information zur Verfügung, dass in der Nähe des Bloggers einige Raketen zu Boden gegangen sind, doch sind die Aussagen durch den satirischen Modus deutlich von einer um Faktizität bemühten Berichterstattung abzugrenzen und lassen kaum einen konkreten Rückschluss auf den Ort oder Verlauf des Abschusses oder die Nähe Smashs zu den Einschlagsorten zu. Parallel zur Individualisierung des elften Septembers und dessen Vergeltung werden auch die Gefechtshandlungen in diesen Postings individualisiert: Ein, durch die vorherigen Postings bereits lächerlich gemachter Saddam Hussein, wird persönlich angegriffen und greift den Blogger persönlich an. In diesem Fall führt diese Fokussierung des Kriegs auf die zwei Gegenspieler Smash und Hussein jedoch nicht zu einer moralischen und historischen Einordnung des individuellen Handelns, sondern die übergreifenden Ereignisse werden zu scherzhaften Einzelszenen. Der verwendete Humor erinnert an den trockenen, knappen Wortwitz, der den Actionfilmhelden der letzten Jahrzehnte als comic relief dient, der aber gleichzeitig ihren Mut und ihre Unerschrockenheit im Angesicht des Kampfes betont.17

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17 Sigurd Paul Scheichl verortet in dem Aufsatz Humor in der Kriegsberichterstattung diesen Humor nicht in einem zeitgenössischen Kontext, sondern bezeichnet ihn als Leonidas-Humor: „lakonische Bemerkungen, die einer gefährlichen oder

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Diese Assoziation lässt sich auch mit der oben angesprochenen Individualisierung des Kampfes in Zusammenhang bringen, muss doch der Actionheld, das Paradebeispiel ist an dieser Stelle John McLane aus der Die HardReihe, den Kampf gegen die Bösen immer alleine aufnehmen und ihn auch alleine gewinnen (McTiernan 1988). Am folgenden Tag werden die Informationen etwas spezifischer: „We’ve had several missile alerts in the past twenty-four hours. […] I’m nowhere near the front lines, but I can hear the occasional BOOM. No, hear isn’t the right word. I FEEL them“ (Staying Alive: 21.3.2003). Informationen über den Kriegsverlauf können auch an dieser Stelle nur wenige geboten werden, doch werden nun Auskünfte über die Kriegserfahrung des Soldaten geliefert. Die Bereitschaft und das Erleben der Raketeneinschläge in weiter Entfernung werden zwar nur äußerst knapp dargestellt, berichten jedoch über die Erfahrung des Kriegs in einem der hinteren Basislager. Im Zuge dieser ersten unverschlüsselten Darstellung von Kampfhandlung treten auch Realitätseffekte im Text auf: die Beschreibung des Einschlags durch die Großbuchstaben versucht das Ereignis durch das Schriftbild wiederzugeben, indem auf die gängige Internetpraxis zurückgegriffen wird, Schreien oder laute Geräusche in Großbuchstaben wiederzugeben. Eine ereignishafte Darstellung, auf die viele andere Medienanbieter zu dieser Zeit setzen, wird nur Stellenweise angedeutet, womit sich der Blog merklich von der sonstigen Berichterstattung zurückzieht.18 Dies wird in dem Posting Life During

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ tödlichen Situation mit einem durch Schlagfertigkeit ausgezeichneten Understatement begegnen“ (Scheichl 2007). 18 Guido Isekenmeier unterteilt die Darstellungsverfahren der Kriegsberichterstattung des Irakkriegs in realistische und narrative Darstellungsverfahren. Die narrativen Verfahren versuchen das Ereignis für den Zuschauer zugänglich zu machen und es zum Beispiel in nationale Diskurse einzuordnen. Die realistischen Darstellungsverfahren sollen den Eindruck erwecken, es „handele sich um eine reine Reproduktion des Ereignisses“ (Isekenmeier 2009:36). Das Medienereignis wird zum Beispiel durch ereignishafte Videosequenzen, die von der Bewegung der Kamera und der Plötzlichkeit der Geschehnisse bestimmt sind, realistisch dargestellt und durch die Einbindung dieser Video-Sequenzen in ein Studiobild, in dem sich der Nachrichtensprecher befindet, in einen räumlichen und zeitlichen Kontext eingeordnet.

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Wartime, das am 23.2.2003 veröffentlicht wurde, deutlich, als Smash bemerkt: „Caught the news this afternoon. Looks like things are going well, for the most part“ (Life During Wartime: 23.3.2003). Die Verwendung der Verlaufsform und das Fehlen eines Subjekts führen zu einem telegrammartigen Stil, der den humoristischen Ton des Vortages durch den Gestus der Kriegsberichterstattung ersetzt, doch die Information, die der Leser nun erhält, stammt nicht aus der persönlichen Augenzeugenschaft, sondern aus den Nachrichten. Der Blogger aus dem Krieg ist ebenso auf die mediale Vermittlung angewiesen wie das Publikum und das Ereignis scheint von ihm ebenso weit entfernt zu sein. Gerade dieses selbstreferenzielle Verweisen auf andere Medien, um den Krieg darzustellen, ist jedoch ein wiederkehrendes Motiv in der Kriegsberichterstattung (Drentwett 2009:54). Die vielen kurzen und unterschiedlichen Postings der ersten Kriegstage beziehen sich auf eine Vielzahl an Mustern aus der Kriegsdarstellung: die übergeordnete politische Legitimation der Bush-Administration wird ebenso integriert, wie Plot-Elemente aus dem Heldenepos, filmisch inspirierter Humor, ereignishafte Berichterstattung und mediale Selbstthematisierung. Doch steht im Vergleich zu der gefechtsorientierten, televisuellen Berichterstattung der Fernsehsender das Ereignis stark im Hintergrund. Im Vordergrund steht dagegen die Einordnung und Bändigung des Ereignisses (Isekenmeier 2009:28). Diese Narration erfolgt jedoch nicht in erster Linie über eine historische oder politische Einordnung, sondern der Krieg wird auf vielfältige Weisen in ein individualisiertes Narrativ eingebunden: Der Krieg ist ein persönliches Anliegen und ein persönlicher Kreuzzug Smashs. Zudem ist der Nutzer absolut an die Mikroperspektive des Sprechers gebunden, der zu dieser Zeit keine anderen Quellen zur Verfügung stellt. Es ist der Sprecher Smash, der die Vielfalt der Postings zu einem kohärenten Text macht, in dem die verschiedenen Dimensionen der Kriegsdarstellung an den Sprecher angebunden werden. Es findet zudem eine Art Sprecherberichterstattung statt: ein Posting bedeutet, dass der Blogger noch lebt, dass er gesund ist und, dass die Stellung wahrscheinlich noch die Gleiche ist. Die kurzen, auf die Erfahrung des Sprechers begrenzten Postings der ersten fünf Kriegstage, werden in den folgenden Tagen und Wochen durch die im vorherigen Unterkapitel thematisierten Alltagsbeschreibungen ergänzt. Thematisiert wird das Essen (Food Glorious Food: 24.3.2003, Same Ol’ Slop: 17.4.2003), das Wetter (Turning Up the Heat: 4.4.2003, Like

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Washing the Car: 16.4.2003), die Freizeit (A Day Off: 8.4.2003, Just Hanging Around: 8.4.2003) und die Ankunft von Briefen und Paketen (A New Day: 1.4.2003). Hinzu kommt mit dem Kriegsanfang eine Reihe von Postings, die den Kontakt zu Kuwaitis beschreiben. Es werden Unterhaltungen mit Kuwaitis über den Kriegsverlauf und deren Vorfreude über das Ende des Baath-Regimes wiedergegeben und einige Beschreibungen der Sitten, zum Beispiel wie gegessen wird. An einer Stelle wird unter dem Titel Heard on the Street (3.4.2003) eine Unterhaltung mit einem Einheimischen wiedergegeben, in der dieser über eine fürchterliche Gewalttat durch Husseins Männer berichtet. Am Ende des Postings wird noch einmal betont: „That’s the word on the street from here“ und damit der Eindruck eines Insider-Wissens vermittelt. Die Alltagsbeschreibungen sind kurz und drücken die Haltung des Sprechers zu den Erlebnissen durch einen humorvollen Kommentar aus und nicht über eine ausführliche Beschreibung der Wahrnehmung derselben. Eine Ausnahme bildet eine Reihe von Postings zum Positionswechsel des Bloggers vom Posten eines Mannschaftsführers zu einem Bürojob: Am 27.3.2003 wird unter dem Titel Passing the Torch berichtet, dass dies Smashs letzter Tag als Team-Leader war. Smash zitiert eine Rede, die er anlässlich seines Abschieds vor seinem Team hielt: This was my last day as the leader of my team. I’ve been doing this job much longer than anyone else in my unit has. I knew this day was coming. […] I spoke to my team before our shift began. For most of you, this will be the only time you will be in armed conflict. Treat this mission as if it were the last thing you will ever do in your military career. Don’t hold anything back. The troops on the front lines are counting on you. The people back home are counting on you. The oppressed people of Iraq are counting on you. […] I’m a little bit sad today. My new job in the unit will be busy and fulfilling, though I will probably never again have such a direct and involved leadership role in my military career. (Passing the Torch: 27.3.2003)

Das Wohlergehen verschiedener Gruppen, von Kameraden bis zu den Irakern, wird an die Leistung des Teams gebunden. Die Arbeit und Stationierung des Einzelnen wird im Rahmen des Kriegs und in einem größeren moralischen Rahmen sinnhaft gemacht.

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Smash beschreibt in mehreren Postings, den Kummer, den ihm der Wechsel bereitet: Die nüchterne Erlebnisschilderung ist an dieser Stelle immer noch vorhanden, wird jedoch durch Gefühlsbeschreibungen ergänzt: I never expected it to affect me this way. It’s only been a couple of days since I turned over my team, but I’m still feeling a profound sense of loss. […] If you’ve never experienced the bond of small unit leadership before, you can’t appreciate the comparison but more than anything else, it feels like separating from a loved one. (Separation: 29.3.2003)

Die Postings zu diesem Thema charakterisieren den Sprecher auf eine bisher nicht vorhandene Art: Emotionen werden thematisiert und der bissige Humor der vorherigen Postings ist abwesend. Wie bei anderen Postings über den Alltag, werden diese ebenfalls in größere Zusammenhänge des nationalen Zusammenhaltes und der Ehre eingeordnet, jedoch steht die Innerlichkeit des Sprechers im Vordergrund. Wie in der Beschreibung der ersten Kriegstage deutlich geworden ist, ist der Blog durch eine formale und inhaltliche Vielfältigkeit geprägt, die über den Sprecher und dessen individualisierende Narration kohärent gemacht wird. 19 Die Postings zum Positionswechsel bilden in dieser Vielfalt eines der Narrative, das dem Blog Kontinuität gibt. Die Mikroperspektive auf den Krieg, wie man sie zum Beispiel von eingebetteten Journalisten kennt, wird um eine persönliche und alltägliche Dimension ergänzt und damit deutlich von der Vielzahl angebotener Mikroperspektiven zu dieser Zeit abgrenzt. Der Blog bietet keine Nähe zum Kampfgeschehen, doch wird durch diese Postings eine Nähe zum Sprecher ermöglicht, die eventuell Ersteres ersetzt.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19 Eine letzte wichtige Kategorie sind die Antworten auf Emails, die Smash alle paar Wochen unter der Kategorie International Mailbag kommentiert und beantwortet. An dieser Stelle kommen ebenfalls andere Stimmen außer dem Blogger im Blog zu Wort und der Dialog zwischen Blogger und Publikum wird dargestellt. In dem ersten Posting dieser Art am 15.3.2003 beantwortet Smash eine Reihe von Fragen, die in den sparsamen Blogfeatures und dem About ausgelassen worden waren. Viele der Fragen sind Verständnis- bzw. Wissensfragen, die Smash gewissenhaft beantwortet.

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Der zweite kontinuierliche Handlungsstrang während der ersten zwei Kriegswochen ist eine Reihe von Postings, die sich mit dem Tod eines amerikanischen Soldaten beschäftigen: Am 25. März wird der Unfalltod von Thomas Mullen Adams, ein Freund von Smashs Bruder, auf dem Blog bekanntgeben. Der Unfall und Tod des Navy-Soldaten in Kuwait wird in den folgenden Wochen immer wieder besprochen und bietet Anlass externe Texte und zusätzliche Blogger in LT Smash aufzunehmen: Die Bekanntmachung erfolgt durch ein Zitat aus der Navy-Hymne und einen Brief von Adams Tante (von The Management gepostet), in dem der Tote beschrieben wird, der aber auch Organisatorisches zur Beerdigung bespricht. Kurz darauf nimmt ein weiterer Blogger namens Dad den Tod zum Anlass ein Posting über die Herkunft und Bedeutung der Navy-Hymne zu schreiben. Letztlich werden noch ein Brief des jüngeren Bruders und ein Zeitungsartikel, die die militärische Beisetzung beschreiben, gepostet. Es sind die vielfältigen Postings zum Tod des Soldaten Adams, die den Blog für externe Texte und verschiedene Sprecher öffnen: Nicht nur ein externes Zitat wird in den Blog eingebaut, sondern es werden auch mehrere neue Sprecher kurzfristig Teil des Blogs; sogar die persönlich nicht bekannte Tante und ihr Anliegen werden veröffentlicht. Die formale Konvergenz wird durch Multivokalität ergänzt: Smash und Dad greifen auf etablierte Ehrungen und Navy-spezifische Trauerangebote zurück. Dad untermauert dies durch die ausführliche Besprechung der Hymne. Der Brief der Tante und die Bitte um Erinnerungen zu dem Toten sind im Gegensatz dazu nüchtern und vergegenwärtigen die organisatorischen Aspekte des Sterbens und des Trauerns. Der Brief des Bruders, der mit einer Nachricht der Mutter beginnt, die den Brief kontextualisiert und mit einer persönlichen Nachricht an Smash endet, ist ebenfalls sehr nüchtern und bietet eine detaillierte Beschreibung der Beerdigung aus der Perspektive eines Freundes: Dear LT, We just received the below email from your younger brother. I thought you might be interested in reading it. It is concerning LT Tom Adams, his good friend that died in the helicopter crash while stationed with the British. We are so proud of the two of you. Keep safe. Love, MOM. Dear Mom & Dad, I got back from the HMS Ark Royal this morning. I was over there for the memorial service for Tom. I went over there with an enlisted guy from our squadron. When we got there, I went off with one of the officers to his stateroom. Then right after that we of course went to have some tea. I think the British have tea whenever they have a

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spare moment. After that we had lunch and of course a Guiness. Yes they had a bar, and yes I had a few beers. Tom would have been disappointed in me if I didn’t take advantage of the bar. […] We walked around some more and then they took the guy who was escorting Tom back to the states and me to see the caskets. That was a very emotional moment. After allowing us some time to pay our respects, we went up to the flight deck for the ceremony. The ceremony was very professional. (Goodbye, My Friend: 3.4.2003)

Die bereits fragmentierte formale Ordnung des Blogs bricht an dieser Stelle zusätzlich auf: Die Mutter des Bloggers postet unter dem Pseudonym Dad einen Brief des Bruders und dies nach einem Posting der Ehefrau zum aktuellen Stand der Renovierungen des Eigenheims. Die interpersonale Kommunikation des familiären Netzwerks tritt stark in den Vordergrund, so dass der Blog an dieser Stelle einem Forum gleicht, in dem verschiedene Sprecher Beiträge schreiben. Die Mikroperspektive auf die Kriegshandlungen weicht an dieser Stelle einer über Wochen andauernden Unterhaltung zum Tod des Bekannten und führt damit eine Perspektive auf den Krieg ein, die in der Kriegsberichterstattung ungewöhnlich ist, denn der Todesgrund, ein Zusammenstoß zweier Helikopter der Royal-Navy, wird nur kurz erwähnt. Die Aufmerksamkeit gilt Adams und der Trauer der Hinterbliebenen. Zwar wird auch die NavyHymne in diesen Prozess integriert, doch daneben ist die Auseinandersetzung mit dem Tod eines Einzelnen ausführlich und sachlich. Zwar wird Adams gelobt und geehrt, doch das sonst omnipräsente Sprechen über Helden, Opfer und Ehre ist auffällig abwesend. Der Blog bietet an dieser Stelle eine außergewöhnliche Perspektive auf die Konsequenzen des Kriegs: die vielen Postings und die Aufarbeitung des Tods können als eine Antipode zu den schnellen Fortschritten, der Ereignishaftigkeit und den sich ständig erneuernden Meldungen der Fernsehberichterstattung gesehen werden. Der sachliche und organisatorische Blick auf den Tod steht im Gegensatz zu der Verehrung von Gefallenen als Helden. Die Postings zu Adams weichen von den etablierten Mustern der Kriegsberichterstattung ab, verdeutlichen aber eine kommunikative Funktion der Milblogs, deren Netzwerke ein gemeinschaftliches Trauern ermöglichen. Doch ist der sachliche Umgang mit dem Tod nicht kennzeichnend für den Umgang mit gestorbenen Soldaten in Milblogs. Die öffentliche Trauer um einen Gefallenen findet häufig statt und ist eine der wichtigsten Funkti-

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onen der Milblog Community. Auch in anderen Milblogs, wird der Tod eines Soldaten zum Anlass genommen, vielen Stimmen Gehör zu verschaffen, vor allem den Angehörigen und Hinterbliebenen (siehe dazu das Unterkapitel Die Netzwerke von Milblogs und Kapitel 6).

S PRECHERPOSITIONIERUNG UND K RIEGSDARSTELLUNG IN LT S MASH Die Analyse von LT Smash hatte den Übergang vom Newsblog zum soldatischen Milblog zum Gegenstand, um die Spezifika des Milblogs und die Gemeinsamkeiten und Veränderungen der Sprecherposition zu erarbeiten. Die differenzierte Betrachtung des Newsblogs und des soldatischen Blogs zeigen eine unterschiedliche Ausprägung der Medienspezifik: The Indepundit ist durch dessen Netzwerke und den Sprecher in einen Nachrichtendiskurs integriert und fügt sich in dessen Darstellungsverfahren und Ökonomie ein. LT Smash erweitert diese Nutzung um interpersonale, kommunikative Funktionen und selbstdarstellende und berichtende Darstellungsverfahren, so dass die eindeutige Zuordnung, zum Beispiel zur Kriegsberichterstattung, erschwert wird. Die Grenzen zwischen Berichterstattung und interpersonaler Kommunikation werden im soldatischen Milblog aufgelöst und die subjektive Perspektive des Sprechers bestimmt die Kriegsdarstellung. Dass diese subjektive Kriegsdarstellung trotzdem in der Medienlandschaft positiv rezipiert wurde und nicht, wie Personal Blogs zum Beispiel, als banal abgetan wurde, lässt sich auf die Dominanz des soldatischen, am Krieg teilnehmenden Sprechers und auf die von den Newsblogs etablierte, strategische Deutung der Medienspezifik des Blogs als unvermittelt, nah und glaubwürdig zurückführen. Obwohl der Sprecher in LT Smash nicht explizit die Positionen der Sprecherfigur des Warrior Citizen Journalist einnimmt, verwendet er einige der politischen und medienkritischen Positionierungen und ergänzt diese durch die spezifischen Positionen eines am Krieg teilnehmenden Augenzeugen. Hauptsächlich hatte die Analyse von LT Smash die Kriegsdarstellung in diesem ersten, bekannten Blog zum Gegenstand: Die Postings bieten eine ungewohnte Konvergenz von Gattungen und Stilen, von Satire über Alltagsbeschreibungen bis hin zu propagandistischen Bekenntnissen. Die formale Vielfalt wird durch den Sprecher kohärent – dies geschieht durch die

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Medienspezifik des Blogs, doch in diesem Fall entsteht sie zusätzlich durch die kontinuierliche Ummünzung von Nachrichten in persönliche Angelegenheiten des Sprechers. Kriegsdarstellung ist in LT Smash vor allem eine fragmentierte, soldatische Selbstdarstellung. Die Ergebnisse der Analyse der Kriegsdarstellung stimmen daher mit der Einschätzung vieler Forscher überein, die Blogs als Teil einer Personalisierung und Subjektivierung der (Kriegs-)Berichterstattung betrachten.20 Aufgebrochen werden die Dominanz des Sprechers und dessen subjektivierte Kriegsdarstellung durch die Multivokalität des Blogs, die am Beispiel der Trauer über Tom Adams Tod illustriert wurde. Der Blog stellt nicht nur den Krieg aus der Perspektive des Bloggers dar, sondern erfüllt auch eine interpersonale, kommunikative Funktion indem verschiedene, vom Tod Betroffene zu Sprechern werden. Diese soziale Funktion des Blogs ist ein Vorbote für das, was später als Milblogging-Community bezeichnet wird. Obwohl an einigen Stellen auch Muster aus der Kriegsberichterstattung übernommen werden, liegt der Schwerpunkt der Kriegsdarstellung in den analysierten Wochen auf dem beruflichen Alltag und auf dem gemeinschaftlichen Trauern um einen gestorbenen Soldaten. Nicht Beschleunigung oder Nähe zum Gefecht stehen im Vordergrund, sondern die mikroperspektivische Erfahrung des Kriegs mit Fokus auf den Sprecher und die gemeinschaftliche Bewältigung der Konsequenzen. Es gibt kaum Postings, die die Muster der Gefechts- oder Ereignisdarstellung aufweisen. Die Perspektive, die auf den Krieg geboten wird, betrachtet diesen aus einer weiten Entfernung und folgt selten der auf Ereignishaftigkeit ausgerichteten Kriegsberichterstattung der ersten Tage, in der ständig neue, möglichst spektakuläre Informationen geboten werden sollten. Der Krieg wird wahlweise als Beruf, als Spiel zwischen Hussein und Smash, als Todbringer und als eine persönliche Angelegenheit des Bloggers dargestellt. Nicht der Kampf und das blutige Sterben stehen im Vordergrund der Dar-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20 Stuart Allan und Melissa Wall, die im Forschungsstand als maßgeblich für die Erschließung von Milblogs identifiziert wurden, machen ähnliche Beobachtungen, doch beziehen diese sich nicht auf die sozialen Funktionen von Milblogs, sondern auf die Mikroperspektive (beispielsweise bei Wall) oder die Interaktivität (bei Allan).

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stellung, sondern der schon eingetretene Tod, das Beisetzen und der lange Prozess des Trauerns. Koenig übernimmt in The Indepundit und Citizen Smash die Sprecherpositionen des Warrior Citizen Journalist. Im Blog aus dem Kriegsgebiet wird zwar das Nachrichtennetzwerk verlassen, doch sowohl die politischen Positionierungen als auch die Kritik der Medien ordnen den Blog der vorher etablierten Sprecherfigur zu. Smash wird durch die Primärinformationen, die er im Blog liefert, zum Augenzeugenberichterstatter, dessen Material dann in den größeren Nachrichtenkontext der Newsblogosphäre eingebunden werden kann. LT Smash ist politisch in der Nähe des Warrior Citizen Journalist zu verorten und damit auch in der Nähe der propagandistischen Anliegen der Bush-Administration, in deren Interesse es lag den Krieg möglichst sauber darzustellen. Doch haben die sozialen Funktionen des Blogs das Potential, der von Raymond Williams und Stuart Allan angeprangerten „Culture of Distance“, die auch das Medienereignis Irakkrieg prägte, durch die Betonung einzelner, unspektakulärer Tode und deren Konsequenzen zu entgegenzuwirken.

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6. My War: Ein Soldat als New Journalist?

Die Analyse von LT Smash zeigt, dass soldatischen Milblogs zu Anfang des Irakkriegs etliche Darstellungsverfahren und Kommunikationsprozesse zur Verfügung standen. Diese offene Konvergenz von Formaten und Stimmen charakterisiert die Kriegsdarstellung in LT Smash. Der Milblog My War: Fear and Loathing in Iraq weist eine ebenso uneingeschränkt konvergente Kriegsdarstellung auf, deren Einflussfelder jedoch gänzlich andere sind. Die Kriegsdarstellung in My War integriert zeitgenössische Muster der Kriegsberichterstattung blogspezifisch und übertrumpft diese durch die medienspezifischen Effekte Aktualität und Nähe. Sowohl die Darstellungsverfahren als auch die Sprecherpositionierung werden maßgeblich durch das Einflussfeld New Journalism, dessen Autorenfiguren und Berichterstattungsethik, bestimmt. Die blogspezifische Kriegsberichterstattung und die Einflüsse des New Journalism fügen sich zu einer subjektiven, ereignishaften und eng an den Erfahrungsraum des Lesers angebundene Kriegsdarstellung, die in den Kommentaren eine politische Diskussion ermöglicht und die sich in das Medienereignis einfügen konnte und My War zu einem der bekanntesten und ökonomisch erfolgreichsten Milblogs machte. Der Blogger positioniert sich als Außenseiter im Medienereignis. Diese Positionierung als andersartiger Berichterstatter, als ein subjektiver, antiautoritärer Augenzeuge, ist in der Aufmerksamkeitsökonomie des Medienereignises ein Vorteil: Der Blog kann die konkurrierenden Medienanbieter, die stets um mehr Nähe, Aktualität und Ereignishaftigkeit bemüht sind, durch die Effekte der blogspezifischen Darstellungsverfahren übertrumpfen und der Blogger kann sich beim Publikum durch die Sprecherpositionen des New Journalism als glaubwürdiger Außenseiter und Gegenpol zur korrumpierten Medienlandschaft etablieren. Die Sprecherposition, die der

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Blogger im Medienereignis einnimmt, ist partiell durch die strategische Auslegung der Medienspezifik des Blogs und die soldatische Expertise auch von den Positionen des Warrior Citizen Journalist bestimmt. Der Blogger ist jedoch nicht Teil der Newsmilblogosphäre oder der Milblogging-Community sondern anhand von journalistischen Sprecherpositionen im Medienereignis verortet. Der Sprecher CBFTWs nimmt nur wenige der Positionen der Sprecherfigur des Warrior Citizen Journalist ein, vor allem teilt er nicht die promilitärischen oder interventionistischen Positionen und bildet eher einen Gegenpol zum Warrior Citizen Journalist. Die Sprecherposition von CBFTW öffnet die Beschreibung der Punkte im Netzwerk für eine Ausnahmeposition. Dadurch werden im Gegenzug auch die promilitärische und interventionistischen Sprecherpositionen des Warrior Citizen Journalist deutlich. Im Folgenden werden zur Einführung der Blog und einige wichtige Entwicklungen des Medienereignis Irakkrieg dargelegt, denn My War wurde ungefähr neun Monate nachdem LT Smash wieder zum Newsblog Citizen Smash wurde, begonnen. Daraufhin werden die Beschaffenheit der Blogspezifik und die Codes der Paratexte analysiert, welche als Signale für die Einflussfelder des Blogs fungieren. Anhand der erarbeiteten Spezifik wird die Kriegsdarstellung in den Postings untersucht und der Sprecher charakterisiert. Eine Betrachtung der Kommentare kann die Postings abschließend erfassen. Daran anschließend wird die Textanalyse von Men in Black als Ausgangspunkt genommen, um einerseits die Kriegsdarstellung genauer zu bestimmen und um zu beschreiben wie diese durch die mediale Rezeption und durch die Zensur in die Medienlandschaft integriert wurde.

M Y W AR : E IN P UBLIKUMSERFOLG Der Blog My War wurde Ende Juni 2004 von dem anonymen Blogger CBFTW, der sich als Infanteriesoldat aus dem Irak identifiziert, begonnen und bis Anfang September 2004 regelmäßig aktualisiert. Bereits Anfang Juli, kaum drei Wochen nach der Eröffnung, hatte der Blog, nach Angaben des Bloggers, mehr als tausend Leser, die auch zunehmend Kommentare auf dem Blog hinterließen (I’m Soo Fucked: 10.8.2004). Auch in der Blogosphäre hatte My War zu diesem Zeitpunkt schon einen gewissen Grad an Bekanntheit erlangt, wie die zahlreichen Verlinkungen auf Blogrolls ver-

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deutlichen.1 Anfang August 2004 wurde das Posting Men in Black (4.8.2004), von einem US-amerikanischen Journalisten verwendet, um über Straßenkämpfe in Mosul zu berichten. Durch den Zeitungsartikel von Michael Gilbert in der News Tribune (Gilbert) wurden der Blog und der Blogger unter dessen bürgerlichen Name Colby Buzzell auch in den Printmedien bekannt. Verschiedene Zeitungen, wie die LA Times (5.9.2004) und das Wall Street Journal (Cooper 2004), wurden auf ihn aufmerksam.2 Die Zeitspanne des Blogs deckt die Monate vor den Gefechten um Fallujah (Battle of Fallujah) und Mosul (Battle of Mosul) ab, die den Anfang des langwierigen Kampfs um die Kontrolle im Irak nach der Besetzung bedeuteten (Ricks 2009:404).3 Im Juni 2004 begann, nach einer Phase der relativen Ruhe nach dem Einmarsch 2003, der Kampf verschiedener sogenannter aufständischer Gruppen im Irak gegen die alliierten Truppen (Ricks 2009:395). Obwohl im Laufe des Sommers 2004 die Gefechte und Toten im Irak stark zunahmen, war die Berichterstattung zu diesem Zeitpunkt nicht mit der zu Kriegsanfang und in den ersten Monaten zu vergleichen: „The attention of the U.S. public seemed to be drifting elsewhere, but the violence intensified in the summer and falls of 2004“ (Ricks 2009:295). Zudem wurden im April 2004 die Fotografien, die den Abu Grahib-Skandal auslösten, auf CBS veröffentlicht und die öffentliche Zustimmung zum Irakkrieg damit stark gesunken (Ricks 2006:378). Das Medienereignis, das den Hintergrund für den Blog LT Smash bildet, war einer reduzierten Berichterstattung gewichen: viele der Journalisten vor Ort waren wieder abgereist und die ausführliche Berichterstattung durch Kurzmeldungen in den Tagesnachrichten ersetzt worden (Dauber 2006:196).

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Zum Beispiel bei American Soldier und Doc in the Box.

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Im Folgenden wird der Sprecher des Blogs CBFTW genannt: Dies ist der Name, der im Blog verwendet wird. Um die Aktivitäten, die außerhalb des Blogs stattfanden, zu beschreiben, beispielsweise die Zensur und die Buchveröffentlichung wird auf den bürgerlichen Namen Colby Buzzell zurückgegriffen.

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Dies galt vor allem für den nördlichen Teil des Iraks und dessen größte Stadt, Mosul, da sich, nach dem Abzug von der 101st Airborne unter General Petraeus und deren Ersetzung durch die Stryker Brigade, die Konflikte verschärft hatten (Ricks 2009:228).

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Diese Umstände bilden den Hintergrund vor dem CBFTW das Posting Men in Black schrieb, das eine Straßenschlacht zwischen amerikanischen und irakischen Truppen und den sogenannten anti-iraqi forces in Mosul zum Thema hat. Die Popularisierung des Blogs durch die Rezeption des Eintrags führte vorerst zur Zensur und schließlich zu dessen Schließung, ein Umstand, der die Rezeption in den Medien aber beflügelt zu haben scheint. Nach seiner Rückkehr aus dem Irakkrieg im November 2004 änderte Buzzell den Titel des Blogs in My War: Killing Time in Iraq und kündigte die Veröffentlichung des Blogmaterials bei Putnam an. Vor der Publikation wurden einige Auszüge in der Zeitschrift Esquire abgedruckt, die bereits Ford Maddox Fords und Michael Herrs Kriegsberichterstattung veröffentlichte. Im Juni 2005 erschien das Buch My War: Killing Time in Iraq, in dem Blogpostings durch Tagebucheinträge und nachträgliche Schilderungen ergänzt wurden.4 Die Buchveröffentlichung ist die erste eines soldatischen Bloggers aus dem Irakkrieg und nach dem Buch Baghdad Blog von Salam Pax (2003), eines der ersten Blogbücher zum Irakkrieg. In unregelmäßigen Abständen tritt Buzzell als Redner zu kriegsverwandten Themen auf5 und wurde in der PBS Dokumentation Operation Homecoming (2007) als Experte zu soldatischem Schreiben interviewt. Buzzell ist demzufolge, zumindest für Journalisten und Akademiker, einer der etablierten Ansprechpartner zum Thema Irakkrieg und Medien, der für Beiträge und Meinungen zu dem Thema befragt werden kann. Er ist allerdings kein Mitglied der Milblogging-Community, wie sie in Kapitel 4 beschrieben wurde. Zwar wird er von anderen Milbloggern als wichtiger Blogger für die Entwicklung von Blogs genannt,6 doch gibt es kaum Bezugspunkte zwischen ihm und den Aktiven dieser Gruppe.

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Grundlage für diese Analyse bildet der Blog und nicht das Buch, das zwar so formatiert wurde, dass der Eindruck entsteht, die Postings seien unredigiert übernommen, das aber komplett editiert wurde.

5

2009 war er zum Beispiel bei der Buchvorstellung von John Pieslack zum Thema Musik und Krieg als Redner eingeladen.

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JP Bourda beschreibt ihn zum Beispiel als „the Godfather of Milblogs“ (Bourda 4.10.2005).

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Der Blog My War: Fear and Loathing in Iraq ist unter der URL http:// cbftw.blogspot.com bei Blogspot gehostet, einem der großen Bloganbieter, dessen Blogs diejenigen Merkmale enthalten, die auch im Kapitel zur Medienspezifik detailliert beschrieben wurden. My War weist eine schlichte Ausprägung der standardisierten Blogtemplates auf: es werden kaum multimediale Elemente inkorporiert, das Layout ist schlicht und der Fokus eindeutig auf das Posting gelegt. Der Blog ist funktional gehalten: Multimediale Features wie Werbebanner werden nicht ausgenutzt. Es werden zudem kaum externe Quellen verlinkt oder andere Medien integriert. Der Fokus liegt auf dem Text des Postings. Die standardisierten Features sind aber vorhanden: Die Kommentarfunktion des Blogs ist durchgängig aktiviert und es werden im Juli und August 2004 auch regelmäßig mehrere Kommentare hinterlassen. Unter dem About befinden sich eine Liste der vorangegangenen Postings, das Archiv, die Blogroll mit dem Titel My Allies und einige Links. Die Blogroll war zu Anfang der Bloggründung noch sehr klein, wurde dann aber stetig um neue Blogger ergänzt: Im Juli 2004 bestand die Blogroll aus einigen wenigen Milblogs aus dem Irak, irakischen Blogs und Blogs von regelmäßigen Kommentierenden wie 91Ghost und Vaderrrrgirl. Ende August hatte sich die Blogroll fast verdreifacht und vor allem Milblogs aufgenommen. Jedoch sind die Protagonisten der Milblogosphäre (z. B. Blackfive, Command Post, Mudville Gazette) abwesend.

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Abbildung 14: My War: Fear and Loathing in Iraq

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20040730101846/http://cbftw.blogspot.com/

Der Blogger CBFTW ist anonym und die Buchstabenkombination als Name erlaubt kaum eine Charakterisierung.7 Es gibt außer den spärlichen Angaben im About und den Paratexten nur die Inhalte der Postings, um den Sprecher zu identifizieren und einzuordnen. In My War findet keine interpersonale Kommunikation außerhalb der Kommentare statt: die Adressaten der Postings sind eine unbekannte Öffentlichkeit und es werden keine dem Blogger bekannten Personen direkt adressiert. Nur in den Kommentaren findet eine interpersonale Kommunikation zwischen verschiedenen Kommentierenden statt, die jedoch anonym sind. In My War treten folglich internetspezifische Merkmale, wie zum Beispiel die Vernetzung zu anderen Webseiten oder die Multimedialität, in den Hintergrund. Der Blog ist ein Vehikel für Texte, die durch ihre Länge und die fehlende Hypertextualität Zeitungsberichten oder Essays sehr ähnlich sind. My War hat einen schwarzen Hintergrund mit weißer Schrift. Das weiß umrahmte Titelbanner enthält den Titel und Untertitel und eine verkleinerte Abbildung von Pablo Picassos Guernica (1937), ebenfalls in schwarz-weiß. Der Titel My War nimmt die Perspektive des Blogs vorweg. Der subjektive Blick auf die Kriegserfahrungen des Bloggers steht im Mittelpunkt – sein

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Nachdem der Name des Bloggers bekannt wurde, ließ sich FTW als Fuck This War entziffern.

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Krieg – und nicht zum Beispiel ein militärstrategischer Blick. Weiterhin verweist der Titel auf das gleichnamige Album (1984) der Punkband Black Flag, deren Lied My War auch im ersten Posting vollständig zitiert wird. Black Flag ist eine der wichtigsten amerikanischen Punk-Bands und gilt als Hauptvertreter des LA-Punk, eine kalifornische Adaption der ursprünglich aus Großbritannien stammenden Subkultur, die Ende der 1970er begonnen hatte sich in Musik und Mode mit dem Leitsatz Do-It-Yourself gegen Hierarchien, Normen und allgemein das Establishment aufzulehnen (Marcus 1999:184). Im ersten Posting verweist CBFTW auf die PunkIkonen The Sex Pistols und das Prinzip DIY, um die Ziele oder eben Ziellosigkeit des Blogs zu begründen: „I have no set formula on how i‫ގ‬m going to do this, i‫ގ‬m just going to do it and see what happens. You think the Sex Pistols knew what the fuck they were doing when they first started jamming? They just fuckin‫ ގ‬did“ (Blogging From a Combat Zone: 22.6.2004). Punk wird im Titelbanner als kultureller Bezugsrahmen für die Selbstdarstellung des Bloggers etabliert und dient der Positionierung des Sprechers innerhalb der Subkultur des kalifornischen Skaterpunk. Neben dieser identifizierenden Funktion, signalisiert der paratextuelle Marker eine kulturelle und ästhetische Praxis, eben das DIY des Punks. Diese Praxis ist mit den programmatischen Aussagen der Citizen Journalists, die in Kapitel 4 dargestellt worden sind, vergleichbar: Charakteristisch für Punk ist seither das Streben nach der Etablierung eines alternativen, von der Kulturindustrie möglichst unabhängigen Produktionsapparates, in dem die Grenzziehung zwischen Konsument und Produzent aufgelöst ist. […] Punk entmystifizierte das Konzept des Experten und feierte stattdessen die eigene Laienarbeit. (Calmbach 2007:100)

Der laienhafte Blog, dessen grammatikalische Fehler und formale Unordnung, können als eine Ästhetik und als politische Aussage begriffen werden, die sich gegen die Beschränkung von Produktionsmöglichkeiten auf bestimmte berufliche Sparten, in diesem Fall Journalismus und nicht Musikproduktion, wendet. Diese politische Position dient schlussendlich auch als Deutungsschema für die Zensur des Blogs: Nachdem CBFTW alle Postings löschte, ersetzte er diese durch ein Zitat, das Johnny Rotten, der Leadsänger der Sex Pistols angeblich vor der Auflösung der Band als letzte Worte gesagt haben soll: „Ever Get the Feeling You’ve Been Cheated? –

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last words Johnny Rotten spit onstage at the Sex Pistols last gig in 1978“ (Over and Out: 27.8.2004). Die Integration der Punkcodes in die Merkmale und den Text erlaubt es dem Blogger sich, wie die Citizen Journalists auch, als Außenseiter im Feld zu positionieren. Die Begründung liegt jedoch nicht in einer emanzipatorischen und libertären Bürgerlichkeit und einem aufklärerischen Technologieutopismus, sondern in den kapitalismusfeindlichen und anarchistischen Programmatiken des Punks. My War wird ergänzt durch den Untertitel Fear and Loathing in Iraq, eine Aneignung der Fear and Loathing Titel, die New Journalist und Gonzojournalist Hunter S. Thompson für verschiedene Bücher verwendete, zum Beispiel Fear and Loathing in Las Vegas (1971) und Fear and Loathing on the Campaign Trail‘72 (1973). Der Titelverweis auf den vielleicht exzentrischsten Protagonisten des New Journalism und dessen Werke, kündigt den Inhalt des Blogs, den Irakkrieg und eine ausgefallene und kritische Perspektive auf diesen, an. In den Postings finden sich ebenfalls viele Verweise auf die Protagonisten des New Journalism, wie Michael Herr und Norman Mailer.8 Diese markieren den New Journalism als ein maßgebliches Einflussfeld und ordnen den Sprecher CBFTW in die Tradition der Journalisten ein, deren Persona stets Teil der Rezeption ihrer Texte war (Haas 2004:46). Zusätzlich zu den Referenzen auf die Autoren und der subjektiven Perspektive des Blogs, lassen sich zahlreiche stilistische und motivische Überschneidungen zum New Journalism finden. Die Textanalyse des Men in Black Eintrags wird zeigen, dass CBFTW einen sehr ähnlichen medienkritischen Einstieg wie Norman Mailer in Armies of the Night (Mailer 1968) verwendet, um seine Perspektive auf die Geschehnisse einzuleiten. Die paratextuellen und textuellen Referenzen positionieren den New Journalism als Einflussfeld in der Kriegsdarstellung des Blogs. Durch den Bezug auf den New Journalism positioniert sich der Sprecher des Blogs innerhalb einer bereits bestehenden Tradition der Kriegsberichterstattung und, gerade durch diesen historischen Bezug, außerhalb der etablierten Kriegsberichterstattung und als dessen Korrektiv. Diese Position wird je-

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Auch Kurt Vonnegut wird mehrfach erwähnt, dessen Factual Fiction Jonathan Hellman als eng verwandt mit dem New Journalism bezeichnet (Hellmann 1981:11).

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doch nicht aufgrund einer bestimmten Ideologie oder aufgrund von militärischem Wissen beansprucht, sondern durch die Nähe zum Geschehen und die Subjektivität der Perspektive − eben durch die Mechanismen, die den New Journalists ebenfalls mit Glaubwürdigkeit ausstatteten (Hellmann 1981:7). Sowohl Punk als auch New Journalism sind ästhetische und politische Einflüsse, die die Kriegsdarstellung in My War prägen. Doch sind dies nicht die einzigen Bezüge, die in den Paratexten hergestellt werden: Wie in der folgenden Beschreibung und Analyse deutlich wird, finden sich dort unter anderem kubistische Kunst, ein Plattencover und Links zu verschiedenen Marihuana-Zeitschriften. Diese Codes fungieren jedoch nicht als strukturierende Ästhetik und Schreibweisen, sondern bleiben Codes, die in der Zusammenfügung jedoch eine unbestimmte Antikriegstextur ergeben. Das Gemälde Guernica ist als Titelbanner über jedem Posting zu sehen und das visuelle Leitmotiv des Blogs. Im Text findet sich dazu folgende Erklärung: In case you’re wondering, the painting I have displayed on this website up above, is called Guernica, and was done by Pablo Picasso. It’s about the bombing of Guernica that left sixteen hundred civilians killed or wounded. Guernica is one of my favorites by Picasso. In fact, I had a poster of it hanging up on my barracks room wall back at Fort Lewis. Now when I look at it, it kinda reminds me of Iraq, in a way. The dark colors, the grays, and the women with outstretched arms, with that look on her face that says ‚why?‘ reminds me of the house raids we do out here, the scared crying Iraqi women in the corner, holding her child, who is also crying, while we search her house. The animals remind me of all the animals that roam freely in the streets here, at times they seem just as scared of us as the people. And the fallen soldier, with a broken sword stirs up a bunch of emotion as well. I don’t know, I don’t want to be all gay, and get all deep and emo, but what I like the most about this mural and what makes this such a powerful piece for me is that even with all that imagery of war and destruction going on in this painting, if you look by the fallen soldiers hand, in the bottom middle of the painting, you see a little flower growing. (Patrol Along the Tigirs River: 12.7.2004)

Viele Milblogs verwenden in ihren Titelbannern zeitgenössische, visuelle Kriegsmotive, wie zum Beispiel Wüsten, Adler und Hightech-Soldaten. Guernica bezieht sich zwar auf ein spezifisches Ereignis, ist aber auch eine

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Ikone, die Leiden im Krieg repräsentiert. Die Erklärung, die CBFTW zur Verwendung des Bilds gibt, involviert ihn sowohl als Täter, als derjenige, der die Frauen zum Weinen bringt, als auch als Opfer, in Form des sterbenden Soldaten, in das Bild. Das Bild stellt Krieg als Grundschlechtes dar, doch wird in der Interpretation die Hoffnung als Schlüsselelement des Bildes herausgearbeitet. Jenseits der offensichtlichen „War is Hell“ Bedeutung von Guernica, verweist die Interpretation des Postings auf das ambivalente Verhältnis des Bloggers zu Krieg und Kriegsdarstellung: weder die Leiden in einem Krieg noch die Möglichkeit des Tötens und des Sterbens, werden verneint. Im Gegenteil wird das mahnende Bild ohne zu Zögern auf die Situation im Irak angewendet. Dennoch dominiert in der Interpretation das Hoffnungsvolle der Darstellung, doch kann diese Interpretation nur unter Bedrohung der Maskulinität des Sprechers geleistet werden. Unter dem Titelbanner befindet sich auf der rechten Seite ein Auszug aus dem About: Das standardisierte Foto, das angeboten wird, um ein Portrait des Bloggers zu zeigen, ist eine Abbildung des Albums Meat is Murder von The Smiths (1985). Zur Gestaltung des Albumcovers wurde ein Standbild aus dem Dokumentarfilm In the Year of the Pig von Emile de Antonio (1968) verwendet, das einen Soldaten aus dem Vietnamkrieg mit Helm zeigt.9 Wie schon beim Titelbanner wird auf bekannte visuelle Codes der Kriegsdarstellung zurückgegriffen: das Foto des Soldaten ist an sich nicht ikonisch, aber der Soldat mit dem beschrifteten Helm ist ein typisches Motiv aus Vietnamkriegsfilmen und lässt sich auch auf Originalfotografien aus dem Krieg zurückführen (Vgl. Faas 1965).10 Der anonyme Blogger wählt dieses Motiv zwischen Pop und Krieg, um ein Foto von sich zu ersetzen. Der sich auf der Hauptwebseite befindende Ausschnitt aus dem About enthält die üblichen Haftungsablehnungen und die E-Mail-Adresse des Bloggers.11 Klickt man auf den Link des Abouts öffnet sich eine separate

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Die ursprüngliche Aufschrift auf dem Helm: „Make Love Not War“ wurde für das Album in „Meat is Murder“ umbenannt.

10 Man denke zum Beispiel an Full Metal Jacket (Kubrick 1987). 11 „This website is privately operated and is designed to provide personal information, views and commentary about the authors experiences in Iraq and elsewhere. The images depicted and opinions expressed on this website are solely

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Seite: Dort werden die Disclaimer aufgelistet und nur sehr knappe Informationen über den pseudonymen CBFTW zur Verfügung gestelltDZȱ „Gender: male, Industry: Military, Occupation: U.S. Army (Machine Gunner in the Infantry), Location: San Francisco : California : Iraq“ (Profile). Die darauf folgenden ausführlichen Interessenlisten können durch ihre referentielle Funktion als Typbeschreibungen dekodiert werden: „drinking, skateboarding, reading, music, anti social behavior, film, culture, politics, San Francisco, 80's music, Charles Bukowski, whiskey, Military History, cult movies, photography, art, punk rock, abandoned buildings, Your Mom, dive bars“ (Profile). Die Selbstdarstellung durch diese Codes kann den Blogger, je nach Leser, in einer Vielzahl von Milieus oder Demographien einordnen. Am stärksten deuten die Codes auf eine Verortung in eine alternative und männlich geprägte Subkultur hin. Die Blogmerkmale, das Titelbanner, das About und die Links, führen eine Reihe von Codes zusammen, deren kulturelle und soziale Ursprünge sehr unterschiedlich sind, die sich jedoch fast alle auf Krieg und Gewalt beziehen. Die Heterogenität der Codes legt nahe, dass nicht jeder Code auf ein Darstellungsverfahren verweist, wie es bei Punk und New Journalism der Fall ist. Zusammengefügt formieren sie eine Kriegstextur für die Postings, deren kritische und subkulturelle Ursprünge, zeitgenössischen Nutzern bekannt sein dürften. Die Postings werden in einem kulturellen Feld der Kriegsproduktion verortet, welches trotz einiger Referenzen, von der Ästhetik der Nachrichtenmedien abzugrenzen ist. Des Weiteren besteht ein Unterschied zu promilitärischen und nationalistischen Darstellungen vieler Milblogger, deren

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ those of the author and contributors and not those of any agency of the United States Government, expressly including, but not limited to, the Department of Defense, the United States Army, or the United States Army Reserve. The site is not designed, authorized, sanctioned, or affiliated, by or with, any agency of the United States Government, expressly including, but not limited to, the Department of Defense, the United States Army, or the United States Army Reserve. Users accept and agree to this disclaimer in the use of any information accessed in this website. Thank you. E-mail me at: [email protected] NOTE: Due to the large volume of e-mails and time constrants, I cannot respond to every e-mail. © 2004 CBFTW“ (My War: About).

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Adler, Fahnen und Helden hier keinen Platz finden. Als Einflussfeld kann die Ästhetik der Kriegsfilme der 1970er bestimmt werden, beispielsweise Apocalypse Now (Coppola 1979) und Full Metal Jacket (Kubrick 1987), die ebenfalls auf die Counterculture rekurriert, freimütig pop- und künstlerischer Darstellungen integriert und gegen Krieg ist. Wie durch die Besprechung der Paratexte deutlich geworden ist, charakterisieren diese den Blogger und die Inhalte des Blog und signalisieren zugleich Darstellungsverfahren im Blog. Die Medienspezifik und die Einflussfelder Punk und New Journalism ergänzen sich überraschend gut. In Kombination mit der gerade besprochenen Textur der Kriegscodes ermöglicht bereits die Analyse der verwendeten Blogfeatures und deren Codes eine Hypothese über die Kriegsdarstellung und die Positionierung des Bloggers im Medienereignis: Die Kriegsdarstellung ist geprägt von kriegsberichterstattenden Mustern (Subjektivität und Immersion), die durch eine strategische Auswertung der Medienspezifik des Blogs (Aktualität und Nähe) noch deutlich verstärkt werden können. Der Blogger positioniert sich als im weitesten Sinne korrigierender Außenseiter, doch greift er dafür auf andere Diskurse als beispielsweise Sgt.Stryker zurück.

K RIEGSDARSTELLUNG IN M Y W AR : D IE P OSTINGS UND DEREN K OMMENTARE Die Postings von My War sind lang und einheitlich, häufig gefolgt von ausführlichen Kommentaren. Durch die sparsam eingesetzten Blogfeatures rückt das Posting noch deutlicher in den Vordergrund als bei anderen Blogs.12 Die Postings werden grün übertitelt und jeweils mit der Zeit des Postings und dem Namen des Bloggers beendet. In den wenigen Monaten der regelmäßigen Aktualisierung gibt es häufig mehrere Einträge pro Tag, die mit durchschnittlich 700 Wörtern recht lang ausfallen. Neben der Zeitangabe befindet sich ein Link, der den Leser zum jeweiligen Permalink des Postings führt, unter dem die Kommentare chronologisch geordnet zu finden sind.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12 Das Gegenbeispiel sind Blogs wie die Mudville Gazette, in denen das Posting zwischen Werbung, Aufrufen und multimedialen Features kaum zu erkennen ist.

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Die Inhalte werden meistens im Format des mit Zitaten durchsetzten Erfahrungsberichts dargestellt. In den meisten Fällen beginnt das Posting mit einem just vergangenen Ereignis, zum Beispiel „Last night in the middle of the night (03:30am) I woke up to a very loud explosion“ (Attacked On An O.P.: 26.7.2004), um dann den darauffolgenden Einsatz oder Ähnliches detailliert zu beschreiben. Innerhalb dieser in sich geschlossenen Erzählungen schweift der Sprecher ab und integriert assoziativ andere Inhalte. Der Großteil der Postings sind Beschreibungen des soldatischen Alltags, stets eingefärbt durch den parallel laufenden Kommentar des Sprechers.13 Der soldatische Alltag besteht im Fall von CBFTW aus dem Lagerleben und aus den verschiedenen Dienstaufgaben, von Überwachung oder Patrouillen bis hin zu Razzias. – Ein Gefecht, wie es in dem Men in BlackEintrag geschildert wird, gehört nicht zum Alltag und bildet eine Ausnahme. – Das Posting Malaria Monday beschreibt zum Beispiel das wöchentliche Ritual der Tabletteneinnahme: „Every Monday here, is Malaria Mondays. That’s when we all line up in front of the platoon SGTs room at 07:00 hours and take our Malaria Pills.“ Die Einnahme und deren schmerzhafte Folgen werden nicht nur dargestellt, sondern zugleich kommentiert: „Most people try to get out o fit, or pretend to take them, like hide the pill under my tongue and spit it out later“(13.7.2004). Obwohl der Sprecher sich nicht an einen direkten Adressaten wendet, ist an dieser Stelle doch deutlich, dass die Anspielung auf den Regelverstoß an die Leser gerichtet ist, die dann auch prompt in den Kommentaren reagieren: „I rember having to takte that pill. It gave me all sorts of really really weird dreams“ (Kevin: 13.7.2004). Die Beschreibung der Malariaimpfung und die Abschweifungen, von einer leisen Kritik an den Vorgesetzten bis zum Wetter und der High School, charakterisieren sowohl das Leben im Basislager als auch den Sprecher. Wie bei Smash steht in diesen Postings nicht das Gefecht, der Feind oder Militärstrategie im Vordergrund: Trotz der angespannten Situation in Mosul 2004 ist der soldatische Alltag Hauptthema des

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13 Milblogspezifisch sind eine Reihe von Postings in denen Tipps an die nachkommenden Soldaten weitergegeben werden und die meistens parallel als humoristische Beschreibung der Kriegssituation dienen (Things to Pack in Your Rucksack if Your Going to Iraq: 11.7.2004).

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Blog, welcher allerdings stets von der Kriegssituation geprägt ist:14 Der Gang zum Essen wird durch einen Mörserangriff gefährlich und die Internetverbindung unterbrochen, weil jemand aus dem Bataillon gestorben ist und diese Information vorerst nicht nach außen dringen soll (Don’t Smoke the Hash: 17.7.2004). Die Postings bieten durch die detaillierte Schilderung der verschiedenen Abläufe, wie die Bemannung eines Kontrollpostens oder eine Überwachungsaktion, einen genauen Einblick in den dienstlichen Alltag. Darüber hinaus geben sie Auskunft über die Aufgaben einzelner Soldaten, inklusive deren Bewertung. Das heißt, selten wird einfach Schritt für Schritt eine Mission beschrieben. In den meisten Postings werden ihre Durchführbarkeit, Sinnhaftigkeit und der Erfolg beurteilt. Diese Kommentierungen finden jedoch vorwiegend nicht explizit statt, sondern werden implizit über den Ton der Schilderung vermittelt, wie die ironische Darstellung der Malariaimpfung zeigt. Häufig wird auf eine amerikanische Erfahrungswelt zurückgegriffen, wodurch die kommentierenden Darstellungen auch zu Erklärungen für die Leser werden. Dies geschieht als Einfügung in den Text, um Figuren oder Ereignisse zu charakterisieren, wie beispielsweise in Fuckin New Guys (10.7.2004): The worst kind of FNG to get are the 18 year old kids that grew up watching way too many Rambo movies, or the hardcore 2pac gangbanger that listens to country and is from the suburbs who cant wait to get into the shit and be shoot his weapon and be a real life action hero. (Fuckin New Guys: 10.7.2004)

Der Kriegsalltag wird einerseits am Beispiel von amerikanischen, popkulturellen Codes erklärt, andererseits wird auch auf einen geteilten praktischen Alltag zurückgegriffen, um die Dienstaufgaben zu beschreiben:

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14 Weitere Beispiele für diesen thematischen Schwerpunkt sind die Beschreibung der Ankunft von neuen Soldaten und die damit verbundene Schwierigkeiten (Fuckin’ New Guys: 10.7.2004) und die Kommunikation von Soldaten in Don’t Smoke the Hash (17.7.2004).

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If you want to know what an OP in Iraq is like, here’s what you do: go put on some boots, longs pants, long sleeve t-shirt, some skateboarding knee pads, gloves (Mandatory in my unit, don’t ask why) grab your high school football helmet, and a huge backpack. Not no first day of school backpack either, grab one of those outdoorsy heavy duty ones. (Fuckin New Guys: 10.7.2004)

Der Leser wird im Folgenden instruiert sich in eine Sauna zu setzen und eine Dose mit Mücken dort loszulassen. „This is what an OP in Iraq is like.“ Die Bezugnahme auf eine amerikanische Lebenswelt, die Blogger und viele Leser kennen, macht die Inhalte des Blogs zugänglich und verständlich. Die übergeordnete Funktion der Missionen oder auch der Irak als Land werden nicht unbedingt deutlicher, doch die alltägliche Erfahrung des Sprechers wird verständlich und nachvollziehbar.15 Der Irak tritt in den Beschreibungen hauptsächlich über das Wetter auf: Die für amerikanische Soldaten ungewöhnlich heißen Temperaturen sind ständiges Thema. Der Blog ist sehr umgangssprachlich geschrieben: Neben den zahlreichen Schimpfwörtern werden grammatikalische Regeln außer Acht gelassen und der Gestus des Gesprochenen über die Richtigkeit der Sprache gestellt. So beschreibt CBFTW zum Beispiel eine Mission folgendermaßen: „We had an all night joint mission with the Iraqi Civil police and the Iraqi National Guard (Iraq Army) It was in a bad part of town. (like there’s a good part, right?) Lots of barking stray dogs and trash. It sucked ass. The hard part was trying to stay awake all night“ (Prison Bound: 7.7.2004). Zu diesem Sprachgebrauch gehört auch eine Abkürzung der Verlaufsformen.16 Die Postings lassen sich aufgrund der Länge eher als Remediationen von Printformaten wie dem Bericht begreifen, als durch Chat und Multimedialität geprägte internetspezifische Schreibweisen, wie sie in den kurzen Botschaften von Smash vorhanden waren. Diese Textualität wird auch durch die Abwesenheit von Links, Fotografien und Videos unterstrichen. Die Nähe zum Geschehen, das Präsens des Textes und die erzählerische

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15 Schon hier wird die Ähnlichkeit zwischen My War und, zum Beispiel, Michael Herr deutlich, dessen Kriegsberichterstattung auf diese Erfahrungswelt abzielte. 16 Zum Beispiel: „going to“, „want to“ in „gonna“ und „wanna.“ Sogar in den nachträglich eingefügten Textstellen der Buchveröffentlichung werden diese Abkürzungen verwendet.

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Funktion, die der Sprecher in den Berichten über das Tagesgeschehen übernimmt, verweisen auf die Reportage. Jedoch bemüht sich der Sprecher nicht um Neutralität, sondern interpretiert und beurteilt das Geschehen. Dies ergibt eine subjektive Perspektive, welche die Postings nicht nur in der journalistischen Gattung der Reportage verortet, sondern auch die Ähnlichkeit zum New Journalism bekräftigt, die bereits in den Paratexten etabliert wurde. In der kommentierenden Reportage der New Journalists sollte die journalistische Distanz zu den Ereignissen zugunsten einer Immersion und Nähe zum Geschehen aufgegeben werden (Hellman 1981 3).17 Diese Verortung wird durch parallele Deutungsverfahren in CBFTWs My War und in Dispatches, der Sammlung von Reportagen zum Vietnamkrieg von Michael Herr, bestätigt: Um die Kriegserfahrungen, die Herr während seines Aufenthaltes in Vietnam sammelt, im Sinne der New Journalists angemessen18 zu vermitteln, bezieht Dispatches verschiedene Arten Rock ‘n‘ Roll in den Text ein. Horst Tonn beschreibt wie Rock ‘n‘ Roll in Dispatches als Deutungsschema verwendet wird, um den Vietnamkrieg kommunizierbar zu machen und die Erlebenswelt der Soldaten in den Vordergrund zu rücken (Tonn 2007:295). Der Rückgriff auf diese Erlebenswelt bedingt nicht nur die Integration der Counterculture und Popkultur in die Berichte, sondern bestimmt auch die ungeordnete Ästhetik des Buchs und die Selbstinszenierung der Journalisten (Tonn 2007:297). Auf eine ganz ähnliche Art bezieht der Blogger CBFTW den Punk in die Kriegsberichterstattung ein, dessen musikalische und performative Strukturen sich aus dem Rock ‘n‘ Roll herleiten (Marcus 1999:14).19 Das Do-It-Yourself, das in den niedrigen Hürden des Blogs seine Entsprechung findet und die aggressive

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17 Der Verlust der Neutralität wurde nicht als bedeutend angesehen, da die Neutralität oder Objektivität der Journalisten ohnehin als Inszenierung betrachtet wurde (Haas 2004:47). 18 Angemessen heißt nah an der Erlebenswelt der Soldaten und vor allem abweichend von den Strukturen des Pressekorps. 19 Die expressive und provokative Performativität des Rock ‘n‘ Roll und der „aggressiv-konfrontative“ Charakter des Rock ‘n‘ Roll können sicherlich als Einflüsse auf den Punk betrachtet werden (Tonn 2007). Doch unterscheidet sich Punk zumindest in manchen Ausprägungen bezüglich der Weltanschauung, die häufig nihilistisch ist (Marcus 1999).

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und ungehobelte Sprache des Punks beeinflussen die Ästhetik des Blogs. Weiterhin dienen sowohl die spezifischen Verweise auf Bands und Lieder als auch die kulturelle Praxis, die dadurch in den Text integriert wird, der Selbstdarstellung des Sprechers, der sich so erstens als kalifornischer Skater-Punk und zweitens als nonkonformistischer, provokativer und schwarzseherischer wenn nicht nihilistischer Außenseiter stilisieren kann. Punk als Deutungsschema positioniert den Sprecher über das Medienereignis hinaus in einem bestimmten sozialen Gefüge: „And then theres people like me, who just might vote for Ralph Nader, just because he’s the F-U vote“ (Vote? As If!: 31.7.2004). Der Punk positioniert den Blogger aber auch innerhalb des Medienereignisses, denn die gleichzeitige Selbstdefinition als Soldat und Punk verbindet schwer vereinbare Identitäten. In der Rezeption der Zensur wird genau dieser Konflikt thematisiert: „The people keeping CB from posting are the same people that kept him from skating the Ralphs parking lot back in the day...that is all you have to know about liberty and freedom, the politics of skateboarding – DL Comment written by a reader“ (My War Continues: 10.9.2004). Der Sprecher des Blogs gibt zwangsläufig die Distanz zum Beschriebenen auf, denn er ist nicht nur Beobachter, der sich mehr oder weniger auf das Geschehen einlässt, sondern er begibt sich durch seinen Einsatz und vor allem durch die Bedrohung seines Lebens vollkommen in die zu beschreibende Welt. Immersion und Nähe werden durch die Situation des Sprechers und damit auch durch die Medienspezifik des Bloggers nahegelegt. Die Sprache, der subjektive Sprecher und der stark perspektivierte Inhalt lassen sich nicht nur durch den Einfluss des New Journalism begründen, sondern auch in der Gattungsverwandtschaft zum Personal Blog. Der Sprecher erwähnt an einigen Stellen die Reaktionen seiner Eltern auf Anrufe und bedankt sich bei Lesern. Dazu kommen Angaben über den Tagesablauf, die an die Postings von Personal Blogs, die den meist unauffälligen Alltag des Bloggers zum Thema haben, erinnern: „Today was dull. Had a PLT layout. That’s when we all pull out our sensitive items, lay them all out in front of the PLT Sgts room, and the PL walks around with a clipboard and checks the Serial Numbers to make sure nothing is missing. Snore“ (Don’t Smoke the Hash: 17.7.2004). Der, durch die Oralität bewirkte Effekt der Nähe zwischen Sender und Empfänger betont die blogspezifische Grenzüberschreitung zwischen interpersonaler und Massenkommunikation.

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Der Personal Blog dient neben der Reportage als generisches Modell, denn er ist das Online-Medium, das die tägliche Veröffentlichung von vormals persönlichen Inhalten in den Jahren vor My War popularisierte. Obwohl auch hier über Alltag berichtet wird, sind die Themen meist andere, denn viele Blogger befinden sich nicht in einer Kriegssituation, sondern der Alltag ist von Beruf und Familie geprägt. Buzzells Blog kann formal als Personal Blog eingeordnet werden – versucht man den Blog im Rahmen von Online-Medien zu beschreiben. Doch vor allem die Situation des Bloggers stattet seine Alltagsbeschreibungen mit Nachrichtenwert aus. Durch die Gattungsüberschreitung lässt sich auch Buzzells wiederholt erwähnte Befürchtung erklären, aufgrund seines Blogs als unmännlich zu gelten: Sometimes, when I’d be sitting on my cot writing an entry into my journal; I’d look over an see Sgt. Vance sitting on his cot writing away in his journal too. Which was cool, because if Sgt. Vance, who I would consider to be a pretty masculine guy, was also writing in a journal, then I didn’t feel so weird about writing in mine. (Buzzell 2006:104)

Die Charakteristika des Personal Blogs und die der Reportagen der New Journalists überschneiden sich an einigen Punkten. Durch die narratologischen Ähnlichkeiten entsteht ein Sprecher, der nicht nur die Grenzen zwischen literarischem und journalistischem Schreiben aufbrechen kann (Bleicher und Pörksen 2004:30), sondern durch die Mikroperspektive den literarischen Journalismus mit den Authentizitätseffekten des Teilnehmenden ausstattet. Diese Subjektivität, die schon bei den New Journalists als Versuch galt der Wahrheit der Ereignisse näher zu kommen (Hellmann 1981:6), wird zudem durch die internetspezifischen Veröffentlichungswege und deren Unmittelbarkeitseffekte, unterstützt. Zudem werden an verschiedenen Stellen in den Texten Aspekte der Medienspezifik des Blogs betont, dies bezieht sich jedoch nicht so sehr auf digitale Schreibweisen, sondern auf die technologischen Potentiale des Blogs und auf die Situation des Sprechers. Wie bereits im Kapitel zu den Warrior Citizen Journalists besprochen, wird der schnelle Veröffentlichungsweg, also die Aktualität von Postings und die Nähe des Sprechers zum Geschehen als strategische Medienspezifik von Blogs eingesetzt, um Mustern der Darstellung des Medienereignisses entsprechen zu können. Das Posting Unexploded Mortar Round betont zum

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Beispiel die schnellen Veröffentlichungswege und die Nähe des Bloggers zum Geschehen und beschreibt nach der Einleitung „(this just happened five mintues ago)“ in nur wenigen ungrammatikalischen Sätzen einen Mörserangriff (8.7.2004). Diese Betonung der Aktualität und der Nähe des Geschehens wird in dem Posting Three Loud Explosions noch übertroffen: „I can hear small arms fire right now coming from outside the wire as I write this entry“ȱ(24.6.2004). Doch werden in den Fließtext Aspekte der Medienspezifik integriert, die mit den Darstellungsverfahren des Medienereignises Irakkrieg kompatibel sind.20 Die strategische Deutung der Medienspezifik von Blogs, die in den Newsblogs und Newsmilblog vorbereitet wurde und hier angewendet wird, entspricht genau dieser Dynamik, denn die erhofften Potentiale der digitalen Berichterstattung werden durch die Betonung der Nähe und der Aktualität in diese Entwicklung integriert. Unterbrochen und beendet werden die Postings häufig durch Zitate, die, wie die Paratexte, aus sehr unterschiedlichen Quellen stammen (von John F. Kennedy bis Social Distortion), die sich aber ebenso vorwiegend mit Krieg beschäftigen. Die Zitate kommentieren das Geschriebene noch einmal: So endet ein Posting zu christlichen Gebetskarten, die die Soldaten vor ihrem Einsatz bekommen mit einem Zitat von General Patton: „No bastard ever won a war by dying for his country. He won it by making the other poor dumb bastard die for his country“ (Pray For War: 8.7.2004). Der ironische Kommentar zu den Gebetskarten wird durch das abschließende Zitat besiegelt, in dem das Töten und nicht die christliche Nächstenliebe als kriegsentscheidend erklärt wird. Die abschließenden Zitate überspitzen oft die Inhalte oder Meinungen der Postings und hier finden sich auch einige der seltenen politischen Stellungnahmen. In einem Zitat von John F. Kennedy wird die Notwenigkeit von Krieg auf eine Art thematisiert, die an die Argumentationen des Weißen Hauses zu dieser Zeit erinnert: „The path we have chosen for the present, is full of hazard. The course to freedom is always high, but Americans have always paid it, and one path we shall never choose, is the path of surrender, or submission“ (Fuckin’ New Guys:

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20 Es ist paradox, dass der Blog der mehr als ein Jahr nach dem Kriegsanfang veröffentlicht wurde, viel deutlicher die von Isekenmeier besprochenen Darstellungsverfahren der Ereignishaftigkeit verwendet als der Blog, der zu Kriegsanfang geschrieben wurde.

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10.7.2004). Ergänzt werden die Texte ebenfalls durch Listen von Büchern (Prison Bound: 7.7.2004) oder Musik, die aktuell von dem Blogger gelesen beziehungsweise gehört werden und Verweise auf Bücher, Lieder und Filme in den Einträgen. Die Zitate und Listen formen, wie in den Paratexten, ein dichtes Geflecht der Kriegsdarstellungscodes: Rambo, Tecumseh, Apocalypse Now, die Hölle und Clausewitz kennzeichnen eine Kriegsdarstellung, dessen vage kriegsgegnerischer Zeichenvorrat maßgeblich durch die Vietnamkriegsfilme der 1970er und 1980er mitgestaltet wurde.21 Die Intermedialität der Postings bindet den Blog in diese Codes ein und verortet ihn in einer ästhetisierten und journalistischen Kriegsdarstellung, welche als popkultureller Kriegsrealismus bezeichnet werden könnte. Damit wird eine bestimmte Einstellung zum Krieg ausgedrückt, die sich auch im Blog wiederfindet: Die Zitate können einerseits als Indiz für die politische Haltung des Sprechers zum Irakkrieg und zum Krieg allgemein gelesen werden: es ergibt sich in der Auswertung dann eine widersprüchliche aber nicht unbekannte Mischung22 aus zwei Positionen: einerseits ist Krieg die Hölle (Mar-haba: 14.7.2004) und andererseits eine anthropologische Konstante und politische Notwendigkeit (JESUS – Friend to Terrorists: 9.7.2004, Don’t Smoke the Hash: 17.7.2004, I Don’t Want to Live Alone: 29.7.2004). Obwohl der Irakkrieg und das Leben im Irak als furchtbar und unmenschlich beschrieben werden, bedeutet dies nicht, dass CBFTW den Krieg prinzipiell für verurteilenswert hält. Wiederholt lassen sich Zitate und Textstellen finden, die Krieg als notwendig und den Irakkrieg als gerechtfertigt bezeichnen (Untitled: 7.7.2004). Durch die vielen Bezüge auf die Lebenswelt der Leser (auf Filme, Musik, Fernsehen und amerikanischen Alltag), wird der Text wahrscheinlich für große Teile der Leserschaft sehr zugänglich. Die Rezeption des Blogs als wahr und authentisch, liegt sicherlich auch an den Authentizitätseffek-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21 Die Filme selbst finden auch Eingang in den Blog, so wird als eins der Abschlusszitate Chef aus Apocalypse Now zitiert: „I used to think if I died in an evil place then my soul wouldn’t make it to heaven. Well, fuck. I don’t care where it goes as long it ain’t here“ (Thanks, But No Thanks: 25.7.2004). 22 Frank P. Tomasula spricht eine ganze Reihe ähnlicher Ambivalenzen in verschiedenen Filmen über den Vietnamkrieg an (Dittmar 2000).

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ten des Mediums und der Postings, doch sind diese im Vergleich zu den Möglichkeiten der visuellen Ereignisdarstellung eher gering. Dafür wird der Leser durch den Rückgriff auf den amerikanischen Alltag zur Beschreibung des Irak und durch die popkulturellen Codes, die zur Kriegsdarstellung verwendet werden, umso näher an den Text herangeholt.

D IE K OMMENTARE : Z WISCHEN D ISKUSSION UND L OB

POLITISCHER

Zu den ersten Einträgen gibt es kaum mehr als zwanzig Kommentare, es werden jedoch stetig mehr und der Eintrag I’m Soo Fucked (10.8.2004), kurz vor der Zensur, erreicht mit 242 Kommentaren die Höchstzahl an Reaktionen. Die Textmasse der Kommentare überschreitet den eigentlichen Eintrag dadurch oft um ein Vielfaches. Es werden nicht nur Reaktionen auf den Text gepostet, sondern es entwickeln sich eigenständige Diskussionen zwischen den Kommentierenden, hauptsächlich über politische Einschätzungen des Irakkriegs. Die Medienspezifik des Blog lässt die Distanz zwischen Sender und Empfänger deutlich kleiner werden. Aufgrund der Interaktivität des Blogs wird Jeder, der einen Kommentar hinterlässt, in das Medium integriert und zu einem Sprecher in diesem Medium. Aus den Spitznamen und dem Geschriebenen lässt sich eine Art Charakterisierung dieser vielen Sprecher ableiten: Häufig werden gängige englische Namen verwendet (Ken, Dawn, Jen) und nur teilweise identifizieren sich die Sprecher durch ihre Namen als ehemalige Soldaten oder Mütter von Soldaten (wie etwa Hooahmom). Am erkennbarsten sind diejenigen Kommentierenden, deren Name sie als Blogger eines anderen Blogs identifiziert, wie American Soldier und Doc in the Box. Einige Kommentierende hinterlassen viele und regelmäßige Beiträge, so dass sie zu Protagonisten der Kommentare werden. Dies erinnert an die Diskussionen in Community-Blogs wie Metafilter, in denen die Postings als Anlass genommen werden in den Kommentaren ausführliche Diskussionen zu führen, die häufig von den gleichen Beiträgern bestimmt werden. Die meisten Kommentare sind kurze Reaktionen auf den Blog. Viele wollen Lob oder Unterstützung für den Blogger bieten. Stets wird betont, wie stolz die Leser auf den Blogger sind und wie sehr sie seine Art zu schreiben schätzen. Neben dem allgemeinen Lob, finden sich sehr häufig

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direkte Reaktionen auf den Eintrag. Vor allem wenn das Posting eine brenzlige Situation für den Blogger beschreibt, melden sich viele Leser zu Wort und drücken Betroffenheit und Sorge über das Wohlbefinden des Bloggers aus: „For some fucking reason, the lack of any reports combined with the fact that you have yet to post today, makes me more nervous than yesterday“ (26.7.2004). Neben diesen Reaktionen werden die Kommentare vor allem im Juli und August zu einer Art Forum für politische Diskussionen. Diese Diskussionen finden vor allem zwischen den regelmäßige Beitragenden statt. Zum Beispiel wird der Blogger in den Kommentaren zu dem Posting Lets Have Fun At FOB Marez (11.7.2004) von artbyruth ermahnt: „Try not to complain too much…when my husband was a marine in the first Gulf War, all he had was a tent, and a hole in the ground to piss in…that’s it! […] I’m not even going to mention the Bataan Death March.“ Die Ermahnung von artbyruth ist nur der Aufmacher für einen langen Kommentar über die Leistung ihres Mannes und die Leistung amerikanischer Soldaten. Dieser Kommentar zieht eine lange Diskussion nach sich, die schnell zum Streit über Patriotismus wird. Einer der regelmäßigsten Leser, 91ghost, antwortet prompt und verteidigt das Recht des Bloggers sich im Blog über die Widrigkeiten im Irak auszulassen. Er tut dies vor allem in dem er artbyruth und den erwähnten Ehemann angreift: „Besides. She said her husband was in Bahrain –well, just for accuracy’s sake here, let me remind everyone that Bahrain was, and still is, a posh middle eastern oasis resort island […] So maybe he had to sit around and play with his pud in a tent. […] So fucking what“ (Let’s Have Fun At FOB Marez: 11.7.2004)? Es entsteht eine Diskussion zwischen den Nutzern, die das Thema des Postings, den Alltag auf dem FOB Marez, aus den Augen verliert und zu einer recht heftigen Diskussion über die Härte verschiedener militärischer Einsätze wird. Um ihre Unterstützung des Bloggers zu unterstreichen erwähnt artbyruth in einem Nachfolgekommentar, dass sie im College stets die Truppen und den Präsidenten gegen die Angriffe anderer Studenten verteidigen muss und löst damit eine erneute Diskussion aus, die nun eine viel allgemeinere politische Frage betrifft. Die politische Diskussion mündet schnell in einem Streitgespräch zwischen This We’ll Defend und artbyruth. Wie in der Analyse des Postings festgestellt, spielt die Medienspezifik des Blogs in der Kriegsdarstellung eine zweitrangige Rolle. In den Kommentaren tritt die Tatsache, dass es sich bei diesem Blog um ein digitales

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Medium, das von den kommunikativen Regeln des Internets bestimmt ist, viel stärker zu Tage. Der familiäre beziehungsweise etwas bevormundende Kommentar von artbyruth lässt sich vielleicht auf die Zugänglichkeit des Bloggers zurückführen. Die heftige Reaktion von 91ghost ist typisch für die Intensität, mit der Internetdebatten geführt werden, welche auf Anonymität und schnelle Veröffentlichungswege zurückgeführt werden kann (Döring 2003:149). Die Kombination von Reaktionen, Diskussion und Streit ist auch in den Kommentaren zu Thanks, But No Thanks (25.7.2004) zu finden, im CBFTW einen Einsatz in dem christlichen Stadtteil von Mosul beschreibt und dann über die Möglichkeit sich weiterhin zu verpflichten nachdenkt. Viele der knapp 70 Kommentare sind eine direkte Reaktion auf die anstehende Entscheidung. Wieder entspinnt sich jedoch neben den Reaktionen auf den Text, ein politisch motivierter Streit. Die irakische Bloggerin Najma (A Star from Mosul), kommentiert den Eintrag und fügt eine ganze Reihe von Fragen hinzu, die die amerikanische Präsenz im Irak kritisieren: It’s funny that I’m commenting to mmy enemy. I didn’t read the whole post coz I didn’t understand some words and this made me angry... To which neibourhood did you go? Those women who waived at you are probably all christians. We have two girls in my class-room who can die to see you wave at them, and believe me they are not welcomed in my class-room.And since I started talking, why are you still in Mosul? you’re job is done, and nothing is changed, right? (Thanks, But No Thanks: 23

25.7.2004)

Schnell reagiert Blondedogs2 auf den Kommentar, in dem sie den Einsatz verteidigt und die Haltung von Najma scharf kritisiert: „You choose to look at the ground when a man goes by, then go ahead and keep your face to the gutter. That’s where your face belong“ (Thanks, But No Thanks: 25.7.2004). Die Kommentarfunktion des Blogs und der tolerante Umgang mit dieser Funktion seitens des Bloggers, der nur wenige Kommentare löscht, füh-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23 Auch aus dem Streit losgelöst, ist dieses Kommentar interessant, da es dem Blog, der sehr einseitig aus amerikanischen Perspektive berichtet und die Iraker meist als Hajis beschreibt, eine irakische Perspektive hinzufügt.

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ren in diesem Fall dazu, dass eine amerikanische Kriegsbefürworterin und eine irakische Kriegsgegnerin miteinander konfrontiert werden. Diese Konfrontation wird jedoch nicht weitergeführt, sondern die anderen Kommentierenden reagieren nun und verurteilen sämtlich die verletzende Reaktion von blondedogs2. Schnell wird die zusätzliche Information geliefert, dass Najma ebenfalls eine Bloggerin ist und eine sechzehnjährige Schülerin. Blondedogs2 wird kritisiert und die Leser versuchen die Fragen zu beantworten. Aus diesen Bemühungen entsteht wiederum eine politische Diskussion um den Krieg. Die Kommentare sind der Ort an dem My War, schon vor der Rezeption im Medienereignis, in eine internetspezifische Unterhaltung eingebunden wird. Sowohl die kurzen, oft ungrammatikalischen Reaktionen auf den Blog als auch die Art der Diskussionen sind internetspezifisch. Die knappen Reaktionen von anonymen Sprechern wie Vaderrrgirl weisen Abkürzungen und internetspezifische Codes auf. Der Text, der sich noch stark an Printgattungen orientiert, wird um internetspezifische Texte ergänzt.24

D AS P OSTING M EN IN B LACK UND DESSEN R EZEPTION Der Blog wurde, wie die Analyse der Kommentare zeigt, schon nach wenigen Wochen von vielen Lesern besucht. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass er auf verschiedene Arten in das Medienereignis Irakkrieg und dessen Kriegsberichterstattung anknüpft. Doch erst nach der Veröffentlichung des Postings Men in Black wurde der Blog auch außerhalb des Internets rezipiert und durch Artikel und Interviews Teil des Medienereignisses. Um die Analyse der Kriegsdarstellung zu vervollständigen und zu einer abschließenden Bestimmung der Sprecherposition des Bloggers zu kommen, wird nun dieser Eintrag auf die Kriegsdarstellung, auf deren In-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24 Doch haben die Kommentare wenige Rückwirkungen auf den Text in den Postings, sie stehen lediglich in Beziehung zu Kategorie Mail Call, die auch bei LT Smash analysiert wurde (23.7.2004). Diese Art von Posting kann auf die Kommentarfunktion des Blogs und auf die leichte Erreichbarkeit des Bloggers zurückgeführt werden.

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tegration in verschiedene Darstellungsverfahren des Medienereignisses und auf die daraus resultierende Sprecherpositionierung untersucht. Nach dem Spannung versprechenden Titel Men in Black zitiert CBFTW einen kurzen Artikel von der CNN-Website, welcher bündig und nüchtern ein Gefecht zwischen irakischer Polizei und Aufständigen in Mosul zusammenfasst: „Clashes between police and insurgents in the northern city of Mosul left 12 Iraqis dead and 26 wounded, hospital and police sources said yesterday.“25 Daraufhin schreibt Buzzell: „And now here is what really happened“ (Men in Black: 5.8.2004) und beschreibt über mehrere Seiten seine Beteiligung an der mehrstündigen Kampfhandlung, die in dem CNNArtikel so geschildert wird, dass die amerikanische Beteiligung fast vollständig ausgespart wurde. Abbildung 15: Der Eintrag Men in Black

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20040903010405/http://cbftw.blogspot.com/

Die Beschreibung beginnt im Zimmer des Bloggers vor dem Einsatz: Seine Lektüre des Romans Thin Red Line wird durch eine Attacke des Lagers durch Mörserraketen unterbrochen. Daraufhin wird das gesamte Bataillon mobilisiert und der Blogger beschreibt zwei intensive Gefechte in einer

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 25 Men in Black bezieht sich in diesem Posting auf die Kämpfer der Al-Quaida, ist aber auch ein Verweis auf den gleichnamigen Science Fiction-Film (1997).

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Straßenschlucht zwischen amerikanischen Soldaten und den befeindeten Kämpfern: We were driving down Route Tampa when all of the sudden all hell came down around us, all these guys, wearing all black, a couple dozen on each side of the street, on rooftops, alleys, edge of buildings, out of windows, everywhere, just came out of fucking nowhere and started unloading on us. AK fire and multiple RPGs were flying at us from every single fucking direction. IEDs were being ignited on both sides of the street. I freaked the fuck out and ducked down in the hatch and I yelled over the radio: Holy Shit! We got fuckin’ Hajis all over the place! They’re all over goddamnit. I kind of lost it and was yelling and screaming all sorts of things ( mostly cuss words). I fired the 50.cal all over the place, shooting everything. (Men in Black: 5.8.2004)

Erst mit der Ankunft des Bloggers im Lager und dem Ende des Einsatzes und des Tages schließt das Posting. Das mit 2500 Wörtern überdurchschnittlich lange Posting ist ein Ereignisbericht mit dem Gestus eines noch unter dem Eindruck des Gefechts entstandenen inneren Monologs. Der Blogger gibt zwar die Ereignisse grob chronologisch wieder, doch vor allem während der intensiven Gefechtsphasen ist auch diese zeitliche Ordnung nicht mehr zu erkennen. Dementsprechend sind erzählte Zeit und Erzählzeit kaum in Einklang miteinander zu bringen, denn was im Text als die Handlung von wenigen Minuten erscheint, wird wenige Absätze später als ein 4 1/2-stündiges Gefecht identifiziert. Zudem werden deutlich weniger Erklärungen als in den anderen Postings hinzugefügt.26 Auch werden Angaben als bekannt vorausgesetzt,

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26 Der Vergleich zwischen dem Posting, das sich im Internetarchiv finden lässt und dem abgedruckten Posting im Buch ist auf vielfältige Weisen aufschlussreich: In der Archivversion wurden wahrscheinlich nachträglich einige Angaben über die Munitionslagerung außerhalb des Stryker, die dazu führte das der Sprecher mitten im Gefecht den Panzer verlassen musste, von dem Blogger selbst zensiert. Diese Einschübe sind im Buch vorhanden. Aber das Posting im Buch wurde eindeutig stark redaktionell bearbeitet: viele der Fehler sind verschwunden, die Struktur des Eintrags ist viel deutlicher und es sind nachträgliche Erklärungen eingefügt. Es ist ein Hinweis auf die Vermarktung des Buchs und des Autors,

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wie zum Beispiel Route Tampa oder Bezeichnungen für Waffen. Die fehlenden Erklärungen tragen zum allgemeinen Zustand der Verwirrung im Posting bei. Es ist zum Beispiel nicht ersichtlich wer Angreifer und wer Zivilist ist, die Gegner sind einfach „Men in Black“. Dies führt zwar zu einem Informations- und Verständnisverlust für den Leser, dient aber gleichzeitig der Etablierung eines vertraulichen, informellen Tons zwischen Sprecher und Leser. Zwar ist klar, dass der Sprecher den Text nachträglich schreibt, doch der wirre und fieberhafte Stil lässt die Ereignisse trotzdem als unmittelbar und den Sprecher als noch direkt betroffen erscheinen. Dies wird auch sprachlich umgesetzt. Der Text ist durchzogen von Fehlern: die Kommasetzung und die Interpunktion allgemein fällt dem flüssigen Schreiben zum Opfer und es werden wiederholt Flüchtigkeitsfehler gemacht. Beispielsweise verwendet CBFTW immer wieder there wenn eigentlich die Vokabel their semantisch richtig wäre. Neben den Fehlern lassen sich viele Abkürzungen und Vereinfachungen im Text finden, wie zum Beispiel „buncha“ anstatt „a bunch of“ und die bereits bekannten „gotta“ und „wanna“, die der Nähe zur synchronen Kommunikation zuzuschreiben sind, aber auch den Eindruck der Dringlichkeit des Geschriebenen verstärken. Diese Unmittelbarkeitseffekte werden verstärkt durch Einschübe, die die Wahrnehmung und Gefühlslage des Erzählers betreffen: All sorts of crazy insane Hollywood explosions bullshit going on all around us. I’ve never felt fear like this. I was like, this is it, I’m going to die. I cannot put into words how scared I was. The vehicle in front of us got hit 3 times by RPG’s. (Men in Black: 5.8.2004)

Die direkten Reaktionen auf das Geschehen betonen die Nähe, die noch zum Ereignis besteht. Es entsteht nicht nur der Eindruck einer gehetzt geschriebenen Nacherzählung, sondern des Versuchs ein die Sinne überwältigendes Ereignis zu fassen. Die Ereignishaftigkeit, die in der visuellen Berichterstattung so wichtig ist, wird in diesem Posting in den Text übersetzt: die fehlende Struktur, Flüchtigkeitsfehler, die Verwendung internetspezifi-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ dass diese Elemente editiert wurden, aber zum Beispiel die Abkürzungen wanna und gonna und die Schimpfwörter nicht (Buzzell 2006:248).

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scher Codes, wie das Großschreiben, aber auch literarische Stilmittel werden zu einem ereignishaften Text kombiniert. Diese Effekte können im Blog besonders gut bestehen, da sie mit der Medienspezifik, der Aktualität und der Immersion kombiniert werden können: Die Unmittelbarkeit wird jedoch nicht nur über den Effekt der Liveness oder eben der Ereignishaftigkeit hergestellt, sondern vielmehr über die detaillierte Wiedergabe aller Aspekte der Erfahrung des Soldaten, der noch so deutlich unter dem Eindruck des Gefechts steht: die über das Format, Stil und Sprache hergestellte Nähe zu Demjenigen, der die Erfahrung gemacht hat, bedingt die Unmittelbarkeitseffekte der Gefechtsbeschreibung. Ereignishaftigkeit verschiebt sich im Blog von der performativen Abbildung des Ereignisses zur Vermittlung des gescheiterten Versuchs des Sprechers das Ereignis zu fassen. Neben den Darstellungsverfahren der zeitgenössischen Kriegsberichterstattung sind auch Schreibweisen des New Journalism im Text vorhanden: Der Aufbau des Postings verweist auf Norman Mailers Armies of the Night: History as a Novel, the Novel as History (1968). Der sogenannte „nonfiction-novel“ des bekannten New Journalist über den March on Washington 1967, beginnt mit einem Zeitschriftenartikel über die Antikriegsdemonstration, um dann mit dem Satz „And now we may leave Time in order to find out what happened“ fortzufahren (Mailer 1968:4). In beiden Texten wird demnach der Bericht eines etablierten Medienanbieters verwendet, um das Geschehen einzuleiten und einen Kontrast zwischen herkömmlichem Journalismus und dem folgenden, abweichenden Text herzustellen. Mailers Text reiht sich so in den Versuch der New Journalists ein, die angebliche Objektivität von Berichterstattung und in diesem Fall auch von Geschichtsschreibung anzugreifen (Haas 2004:47). Ziel des Postings ist wohl nicht solch eine grundsätzliche Infragestellung journalistischer Werte, sondern vielmehr das konkrete Anliegen, die Beteiligung amerikanischer Truppen an dem Gefecht und das Ausmaß des Gefechts deutlich zu machen. Die Ich-Perspektive des Bloggers, der stream of consciousness und die Unmittelbarkeitseffekte betonen die Nähe und Immersion des Erzählers zum Berichteten. Vor allem während der intensiven Phasen des Gefechts nehmen die Ausführungen literarische Eigenschaften an: Anstatt zum Beispiel zu schreiben, dass sich die Men in Black an vielen Stellen der Straße befanden, listet der Text eine ganze Reihe von Orten auf:

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We were driving there on that main street, when all of the sudden all hell came down all around on us, all these guys wearing all black (Black pants, and a black t-shirts tucked in), a couple dozen on each side of the street, on rooftops, alleys, edge of buildings, out of windows, everywhere just came out of fucking nowhere and started firing RPG’s and AK47’s at us. I freaked the fuck out and ducked down in the hatch. I yelled ‚WE GOT FUCKIN HAJI’S ALL OVER THE FUCKIN PLACE!!! THERE ALL OVER GOD DAMNIT!!!‘ Bullets were pinging off our armor all over our vehicle, and you could hear multiple RPG’s being fired and flying through the air and impacting all around us. (Men in Black: 5.8.2004)

Diese Wiederholung bewirkt auch im Text den Eindruck einer kompletten Ausweglosigkeit. Hinzu kommt die internetspezifische Großschreibung, die das Zitat und dessen besonders deutliche Betonung unterstreicht. Die poetische Wiederholung von Orten und Farben und die direkte Rede stellen die Beschreibung der Wahrnehmung des Subjekts über die textliche Klarheit. Die emotional aufgeladenen Einzelaufnahmen bilden ein undeutliches und verwirrendes Gesamtbild des Gefechtes. Es entsteht eine Kriegsdarstellung, welche die emotionale und persönliche Schilderung von Kriegserfahrungen einem distanzierteren journalistischen Blick vorzieht. Nicht ein Tatsachenbericht oder Ereignisbericht stehen im Vordergrund, sondern die Erfahrung des Soldaten beziehungsweise der Versuch das überwältigende Ereignis zu fassen. Diese genauen Beschreibungen von Kampfhandlungen und die persönlichen Eindrücke Buzzells reihen sich in eine auf individuelle Authentizität gerichtete Kriegsberichterstattung ein, die annimmt, dass Krieg am ehesten durch Nähe zu Kampfhandlungen verstanden werden kann und die vor allem Kriegsfilme dominiert (Basinger 2003). Aber auch im Medienereignis Irakkrieg lassen sich Muster finden, denen diese Perspektivierung entspricht: zum Beispiel die Embedded Correspondents, deren Berichterstattung aus der Mikroperspektive zwar eine gewisse Nähe zum Geschehen vermittelt, die Zusammenhänge des Geschehens jedoch aus dieser Perspektive nicht erfassen konnten. Zudem thematisierten diese Journalisten wiederholt ihr eigenes Befinden oder die persönlichen Eindrücke des Gefechts (Schüly 2007:328). Diese subjektive Komponente lässt sich auch in den vielen Personal Interest-Berichten finden, die vor allem in den Lokalzeitungen die Berichterstattung nach Anfang des Kriegs dominierten und häufig die Soldaten aus der Umgebung fokussierten.

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Durch die Ich-Perspektive und die wiederholte Betonung der Nähe zu den Kugeln werden verschiedene, zeitgenössische Darstellungsverfahren durch Effekte der Nähe zum und Teilhabe am Ereignis übertroffen, denn die Möglichkeit, dass der Blogger hätte sterben können wird stets akzentuiert. Es wird eine gänzliche Verschmelzung des Sprechers mit dem Ereignis suggeriert und durch einen kurzen Perspektivenwechsel illustriert: Again, at one time I had the 50 cal traversed and pointing all the way back of the vehicle and I was firing at some guys who were shooting at us up on a rooftop, and I didn’t know I was shooting right above the guys heads who were in the back airguard hatchs on our vehicle. My roommate (Sgt from Idaho) tapped my arm, which startled the hell out of me and I quickly jerked back and looked at him and he yelled, ‚Hey!! Get that gun to the 12!!! Let that one go!! Your doing good!!!‘ He later told me, when he tapped me on the shoulder, and I jerked back to look at him, I had this crazed look in my eyes that kind of freaked him out. (Men in Black: 5.8.2004)

An diesem Zeitpunkt ist der Text bereits ziemlich lang und die vielen verschiedenen und verwirrenden Informationen haben sich zu einem Gefechtschaos zusammengefügt, das auch der Leser nur noch schwer überblicken kann. Der Wechsel zum Blickwinkel des Anderen, macht erst deutlich, wie wenig Distanz zum Ereignis der Sprecher in dem beschriebenen Moment hat. Der Eintrag Men in Black kann innerhalb der Darstellungsverfahren des Medienereignisses einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit beanspruchen, da er ein fast zeitgleicher Bericht von einem unmittelbar am Kampf Beteiligten ist. Combat ist das dominante Wahrnehmungsschema des vielschichtigen und unüberschaubaren Sachverhaltes Krieg. Buzzell reiht sich in den generellen Diskurs, um Authentizität und emotionale Echtheit als eng verbunden mit Extremen, Rauheit und Gewalt ein (Trilling 1972:165). Authentizität und Glaubwürdigkeit sind keine von Vernunft und Distanz geprägten Werte, sondern werden über Intimität und Nähe hergestellt.27 Das Konzept

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 27 Interessant ist, dass der Blog im Gegensatz zu seiner Selbststilisierung formal wenig Verifizierbarkeit bieten kann. Das heißt, dass die Angaben des Autors meist weder durch einen Verleger noch durch ein Publikum nachprüfbar sind. Es kann nur sehr begrenzt festgestellt werden, ob der Autor der ist, der er vor-

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der Authentizität, hier im Sinne von Echtheit der Angaben − auch ohne Einbezug der Einsicht, dass es ein kulturell verankertes und über Autorität konstruiertes Konzept ist − verstanden, wird stark angegriffen. Der strenge Anspruch der Echtheit und emotionalen wie persönlichen Authentizität steht in Kontrast zu einem Autoritätsverlust von Autor und Text. Obwohl dieser Eintrag aus dem Blog losgelöst, einen starken Fokus auf eine ereignishafte Mikroperspektive auf Krieg als Gefecht nahelegt, ist das Posting jedoch, wie gesagt, eingebunden in einen größeren Zusammenhang von Postings, die sich eben nicht nur mit Gefecht und Ereignishaftigkeit beschäftigen, sondern auch mit dem Alltag der Soldaten. Es waren jedoch nicht die zahlreichen Postings über den dienstlichen Alltag, die ausschlaggebend für die Rezeption des Blogs in den Medien waren, sondern eben der Eintrag Men in Black – sicherlich auch, weil sich dieser auf besonders viele Arten in die Darstellungsmuster des Medienereignisses einbinden ließ. Der Eintrag Men in Black wurde gepostet als der Blog bereits eine gewisse Verbreitung erreicht hatte, die Veröffentlichung trieb diese jedoch noch einmal maßgeblich an. Zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung von Men in Black hatte der Blogger über zwei Monate regelmäßig gepostet und sich als Blogger aus dem Irakkrieg etabliert. Bereits Anfang Juli hatte CBFTW angegeben über 1000 Besucher am Tag zu haben (Fuckin’ New Guys: 10.7.2010) und es wurden regelmäßig mehr als zwanzig Kommentare am Tag hinterlassen. Die Zahl der Leser wuchs nach Angaben des Bloggers und verschiedener Medienberichte stetig und erreichte Anfang August um die 10,000 Leser pro Tag (Cooper 2004). Auch die Kommentare nahmen im Durchschnitt zu und die Einträge vor und nach Men in Black erreichten bis zu hundert Reaktionen. Der Blog wurde zudem mehrfach angelinkt: Mehrere Blogger und Milblogger meldeten sich in den Kommentaren zu Wort und setzten My War auf ihre Blogrolls. Das Posting erhielt über hundert Kommentare, die die Bandbreite der großen Leserschaft reflektieren. Die Kommentare unterstreichen, wie oben bereits gezeigt, die Leistung und den Mut des Bloggers und dessen Unterstützung durch die Leser sowie die Qualität und die Spannung des Textes. Der Aufbau des Postings, der durch die Zitierung des CNN-Beitrags die

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ gibt zu sein, ob er oder sie tatsächlich im Irak ist und ob die persönlichen Erfahrungen mit einer konsensuellen Erfahrung übereinstimmen.

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Andersartigkeit des Blogtextes betont, wird in den Kommentaren aufgegriffen. Das Posting Nicht wird in diesem Rahmen nicht nur gelobt und im Gegensatz zum kurzen Medienbericht hervorgehoben, sondern auch aufgrund fehlender Information – sowohl von Seiten der Medien als auch der Armed Forces – angeprangert. Einige Kommentierende, die sich als Verwandte oder Freunde von in Mosul stationierten Soldaten identifizierten lassen (Strykeraunt, Hoaahhhmom), reagieren stark verärgert über die, aus ihrer Sicht, mangelnde Information über die Einsätze und Verwundungen der amerikanischen Soldaten. Vor allem die potentiellen Toten oder Verletzten, die auch in der Mitteilung der Stryker Brigade nicht erwähnt werden, sind bedeutungsvoll für diese Leser.28 An dieser Stelle bietet der Blog für eine spezifische Lesergruppe nicht nur eine weitere Perspektive auf das Kriegsgeschehen, sondern auch Informationen an, die über die Medienberichterstattung und über die Kanäle der Armee selbst nicht veröffentlicht wurden.29 Ähnlich wie bei Smash wird dann in den Kommentaren auch ein Aufruf gepostet für den an diesem Tag verwundeten Lt. Dan Armeni zu beten und es werden Folgeinformationen über dessen Krankheitsverlauf hinterlassen. Zudem wird die Aufnahme des Blogs in die Blogrolls der Kommentierenden erwähnt und es wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Juan Cole, der eine bekannte Webseite zum Nahen Osten führt, den Eintrag als unverifizierte Quelle zu den Kämpfen in Mosul und der Eintrag in dem bekannten, konservativen Blog Free Republik angelinkt wurde.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 28 Strykeraunt äußert sich folgendermaßen: „Okay, I am really tense right now so please bear with me. The mass media and releases from the military reported on the activities in Mosul yesterday are absolutely deplorable!! When I was reading the articles from various news sources last night I had a feeling that there was something missing. Frankly, I could not imagine that all hell broke loose in Mosul and there was no American military presence!!“ (Men in Black: 5.8.2004). 29 Neben den persönlich betroffenen Lesern, identifizieren sich viele Kommentierende als Soldaten. Wie auch in der Analyse der vorhergehenden Kommentare, bilden diese nicht nur ein Forum für Reaktionen auf den Text und innermilitärische und politische Diskussionen, sondern beherbergen eine ganze Reihe von Kommentaren, die sich weder auf den Text noch auf andere Kommentare beziehen.

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Obwohl der Blog durch diese verschiedenen Erwähnungen also bereits eine beträchtliche Webpräsenz erreicht hatte, scheint die Bekanntheit über das Web hinaus erst durch den bereits erwähnten Zeitungsartikel des Journalisten Michael Gilbert entstanden zu sein. Michael Gilbert, der den Artikel Stryker Brigade Slammed By Insurgents am 10.8.2004 veröffentlicht hatte, schrieb zu diesem Zeitpunkt für die News Tribune, eine Lokalzeitung aus Tacomah Washington, ein Ort der in unmittelbarer Nähe zu dem Infanterieausbildungslager Fort Lewis liegt. In dem Artikel geht es dementsprechend um die Einsätze der Bataillone aus dieser Gegend und um die Verwundung von Dan Armeni, der aus Tacomah stammt. Um die mangelnde Information aus Infanterie und Medienquellen auszugleichen bezieht sich Gilbert auf Buzzell und zitiert ihn ausführlich. Der Artikel scheint sowohl die folgende Zensur des Blogs und die weitere Rezeption in den Medien ausgelöst zu haben. Auf ihn folgen in recht kurzer Reihe ein Interview mit NPR, in dem der bürgerliche Name des Bloggers zum ersten Mal erwähnt wird (24.8.2004), ein Artikel in der LA Times über Milblogger mit Buzzell als Aufmacher und ein ausführlicher Bericht im Wall Street Journal über die Zensurmaßnahmen, denen Buzzell unterworfen wurde. Die Rezeption verlief, wie im Kapitel 4 beschreiben, ähnlich wie bei anderen Popularisierungen von Blogs in den etablierten Medien: erst wird der Blog in der Blogosphäre bekannt und auf vielgelesenen Seiten angelinkt. Dadurch steigt die Besucherzahl auf eine beträchtliche Zahl für einen Blog, auf mehrere tausend am Tag. Die Popularität im Web schwappt dann über in Printmedien: At first I was getting about, 50 hits a day, then 100 hits a day, then a thousand hits a day, then three thousand hits a day, then 5 thousand hits a day. That was like a month ago when I had a counter. (Some reason it disappeared one day) Its scary to think how many hits a day I get now. Since then, I’ve received e-mails from people in the Pentagon (saying: Everybody here reads it and loves it here!) a White House aide, a Wall Street Journal Journalist, several well known and lesser known journalists, a lady in Chicago asked if it was OK to do a play based on this blog, College Professors, One Professor who wants to bring up my blog in his class curriculum, Vietnam Vets, Gulf War Vets, WWII Vets, Police Officers, Authors, Literary agents, musicians, […], relatives from soldiers, soldiers in all the branches, soldiers in Iraq, lonely women, truck drivers, soccer moms, the list goes on and on. (I’m Soo Fucked: 10.8.2004)

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Auch wenn die erhöhte Aufmerksamkeit wahrscheinlich recht schnell wieder nachließ, folgte jedoch auch eine nachhaltige Rezeption von Buzzell: vereinzelte Postings wurden nach Buzzells Entlassung editiert im Esquire und in dem Buch My War: Killing Time in Iraq, ebenfalls editiert und in einen nachträglich geschriebenen Text integriert, veröffentlicht. Buzzell ist zudem einer der Experten zum Thema Irakkrieg, die zu den verschiedensten Gelegenheiten als Gastsprecher eingeladen werden.30 Die Rezeption im Web und in den Zeitungsartikeln und die Etablierung als Talking Head zeigen, dass sich zumindest das Posting Men in Black hervorragend in die Aufmerksamkeitsökonomie des Irakkriegs integrieren ließ: Die Ereignishaftigkeit und Perspektive des Eintrags gliederten ihn auf verschiedene Arten in die Kriegsberichterstattung ein und die nachfolgende Zensur erlaubte den Berichterstattungsmedien über eine sich entwickelnde Story zu informieren. Dazu kommt die Positionierung als Korrektiv anderer Medien, die den Blog mit Glaubwürdigkeitseffekten ausstattet. Weiterhin scheint die Betonung der Verfehlungen in den Rezensionen etablierter Medien (LA Times, Wall Street Journal, Time) darauf hinzuweisen, dass Medienanbieter von Buzzells Positionierung als Korrektiv profitieren und sich von anderen Medien absetzen können. Mit der Veröffentlichung in der News Tribune setzte aber nicht nur die umfassende Popularisierung des Blogs ein, sondern auch die Zensur, denn laut Christopher Cooper war auch die Pressestelle des Pentagon auf den Artikel gestoßen und hatte Buzzells Vorgesetzten auf ihn aufmerksam gemacht (Cooper 2004). Kurz nach der Veröffentlichung in der News Tribune beschreibt der Blogger im Eintrag I’m Soo Fucked (10.8.2004), wie er zu seinem Vorgesetzten gerufen wird, dieser den Blog zwar lobt und ihm garantiert, dass seine Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werden würde, ihn jedoch auch auf OPSEC-Verstöße hinweist. Nach diesen Hinweisen scheint der Eintrag geändert worden zu sein, denn dem, der sich im Internetarchiv befindet, fehlen Informationen, die im Buch zu finden sind.31 Obwohl in

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 30 Buzzell trat zum Beispiel als Redner bei einer Konferenz des Watson Instituts zum Thema Irakkrieg auf (Buzzell 2007). Bei einer CUNY Vorlesung zu Musik im Irak wurde er ebenfalls als Experte geladen (Buzzell 2010). 31 In dem im Internet-Archiv zu findenden Blogeintrag fehlen die Sätze, die beschreiben, warum Buzzell mitten im Gefecht den Stryker verlassen muss.

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diesem Eintrag die Konfrontation mit dem Vorgesetzten als versöhnlich beschrieben wird, werden möglichen Zensoren in den folgenden Postings angesprochen und provoziert: „I would like to take this time now, to say a nice warm ‚Mar-Haba‘ (that’s ‚Welcome‘ in Arabic) to all my new readers down at M.I. who are now reading this site and have this bookmarked on their computers“ (Sniper Fire (?): 12.8.2004). Die Zensur wird explizit thematisiert und im weiteren Verlauf des Blogs durch fehlende Details und besonders vage Angaben auch implizit: „The other day, we went somewhere, and did something“ (Sniper Fire (?): 12.8.2004). Abbildung 16: Over and Out: Der vorerst letzte Eintrag nach der Zensur

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20040903010405/http://cbftw.blogspot.com

Der weitere Verlauf der Zensur war damals für Leser bis zum Erschienen des Artikels Army Blogger’s Tales Attract Censor’s Eyes von Christopher Cooper im Wall Street Journal nur schwer nachzuvollziehen. Nach dem Eintrag I’m Soo Fucked wurden noch einige Postings geschrieben, die aber stets die Beobachtung und mögliche Zensur durch CBFTWs Vorgesetzte explizit oder implizit betonten. Am 19. August veröffentlichte CBFTW dann den Eintrag Stay Tuned, in dem er nur den ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten zitiert, um dann eine Woche später alle Einträge zu löschen und mit dem Posting Over and Out und dem erwähnten Jonny Rotten-Zitat zu ersetzten. Aus dem Zeitungsartikel von Christopher Cooper, der als erstes die Zensur des Blogs detailliert aufarbeitete und aus der Buchveröffentlichung wird ersichtlich, dass Buzzell kurz nach dem Gruß an die Military Intelligence, zu einem anderen Vorgesetzten gerufen worden

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war, der ihm mitteilte, dass er aufgrund von Anweisungen von höher gestellten Vorgesetzten, vorerst im Basislager bleiben müsse und nicht an Einsätzen teilnehmen könne (Buzzell 2006:285). Obwohl Buzzell wohl dank Coopers Anfragen bei den Vorgesetzten schnell wieder ins Feld durfte, entschloss er sich, nach der Schilderung im Buch, den Blog zu schließen, nachdem man ihm angeboten hatte, er könne weiter veröffentlichen, wenn er den Vorgesetzten die Postings vorher zeigen würde (Buzzell 2006:291). Die Zensur des Blogs wurde stets in die Rezeption des Blogs in den Medien eingebaut und trug sicherlich zur Popularisierung bei. Es vermischen sich in der Rezeption des Blogs sowohl im Militär als auch in den Medien verschiedene Ebenen, die auch aussagekräftig für die liminale Positionierung von Milblogs sind. Der Blog bietet Kriegsberichterstattung, aber diese wird erstens durch die soldatische Perspektive und zweitens durch die Bedrohung des Blogs durch die Zensur besonders aufgewertet und kann sich so im Medienereignis positionieren. Spannend ist, dass der Blog sich antagonistisch sowohl zu den etablierten Medien als auch zu der Presseöffentlichkeit des Militärs positioniert. Die Medien übertrumpft er durch seine Nähe und positioniert sich als Korrektiv. Das Pentagon und das Projekt des Infowars, das viele Milblogger für sich beanspruchen, lehnt er ab, in dem er sich gegen die Zensur auflehnt. Trotz oder eventuell auch gerade wegen dieser doppelten antagonistischen Positionierung ist My War der erfolgreichste Milblog.

K RIEGSDARSTELLUNG UND S PRECHERPOSITIONIERUNG IN M Y W AR Die Kriegsdarstellung in My War ist vielschichtig, doch es lassen sich dominante Darstellungsverfahren herausarbeiten: Der Blogaufbau betont das Posting und der Text weist wenige internetspezifische Merkmale auf. Obwohl auch die Gattungsmerkmale des Personal Blog zur Textgestaltung beitragen, wurde deutlich, dass die Darstellung hauptsächlich durch Verfahren der Kriegsberichterstattung geprägt ist. Diese treten blogspezifisch auf: Die Perspektive der Embeds ist in der subjektiven und unpolitischen Mikroperspektive des Sprechers wiederzufinden, die Nähe zum Geschehen, die die Embeds versprechen, wird durch die Alltagsbeschreibungen und durch

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die Teilnahme des Sprechers an Kampfhandlungen übertroffen. Die Aktualitätseffekte, die in der Berichterstattung des Irakkriegs vor allem über den Effekt der Liveness sichtbar wurden, lassen sich in der Zugänglichkeit, Interaktivität und den Zeitangaben im Text wiederfinden. Schließlich fand die Ereignishaftigkeit der Kriegsberichterstattung in der noch vom Ereignis überwältigten Wiedergabe des Sprechers eine blogspezifische Ausformung. Der New Journalism wurde in Kombination mit Punk als ästhetisches Einflussfeld herausgearbeitet: Die Schreibweisen des New Journalism und die Poetik des Punks vermischen sich mit einer strategischen Deutung der Blogspezifik zu einer populären Kriegsdarstellung, die mit Glaubwürdigkeitseffekten ausgestattet ist. Zudem sind diese Einflussfelder zentral für die Positionierung des Sprechers in Bezug zu anderen Medienanbietern und zu anderen Milblogs. My War ist nicht Teil militärspezifischer computervermittelter Netzwerke, noch dient der Blog der interpersonalen Kommunikation. Eventuell ersetzen die Einflussfelder New Journalism und Punk und das was als Antikriegstextur beschrieben wurde, dieses Netzwerk durch ein dichtes Geflecht an intermedialen Referenzen, in denen der Sprecher verortet werden kann. Die Einbettung in größere Zusammenhänge findet dann in My War nicht zugleich über soziale und semiotische Zusammenhänge statt, wie zum Beispiel in LT Smash, sondern vornehmlich über die semiotischen. Die Kombination der verschiedenen Verfahren im Blog ergeben eine Kriegsdarstellung, die den Krieg für ein amerikanisches Publikum leicht zugänglich macht, da sowohl die bekannten Berichterstattungsmuster vorhanden sind, als auch Bezug genommen wird auf die Erfahrungswelt der Leser. Zudem hat die Kriegsdarstellung aufgrund der blogspezifischen Ausformung der Berichterstattungsverfahren und der Positionierung durch den New Journalist besonders starke Glaubwürdigkeitseffekte. Durch diese leserfreundliche Kriegsdarstellung können die vielseitigen und häufig vom Bloginhalt autonomen Kommentare erklärt werden. Der Blog integriert so eine zusätzliche Dimension der Kriegsdarstellung und stellt sehr verschiedene Perspektiven auf diese zur Verfügung. Die Kriegsdarstellung positioniert den Blogger als in das Medienereignis integrierten Außenseiter, der aufgrund seiner Abgrenzung von den etablierten Medienanbietern eine besondere Glaubwürdigkeit beanspruchen kann. Diese Sprecherposition bedingte auch die Popularisierung und die Rezeption in den Medien. Der Blogger ist also über eine blogspezifische Ausformung verschiedener berichterstattender Darstellungsverfahren im

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Medienereignis verortet und teilt kaum die Positionen des Warrior Citizen Journalist, im Gegensatz zu LT Smash und Thunder6. Nur die medienkritische Positionierung im Sinne des Citizen Journalist, die noch durch die Augenzeugenschaft verstärkt wird, ist in My War vorhanden. Auffällig ist in diesem Zusammenhang die Zensur von My War, die eng verknüpft mit der Popularisierung und Rezeption stattfand: Zwar ist der Sprecher des Blogs ein Soldat, darüber hinaus kann der Blog jedoch nicht in den internetspezifischen, militärischen Netzwerken verortet werden. Auch wenn die Milblogging-Community sich gegen die Zensur von Milblogs wehrt, teilt sie zum größten Teil die Interessen des Pentagons und auch der Bush-Administration, wie anhand der Positionen des Warrior Citizen Journalist illustriert wurde. Auffällig ist auch, dass weder Smash noch Thunder6 zensiert wurden. In My War ist die Kriegsdarstellung und die Sprecherposition jedoch durch antiautoritäre Positionen gekennzeichnet. Auch wenn sich keine Kausalität zwischen Darstellungsart und Zensur beweisen lässt, wäre zu überlegen, ob die Zensur durch die Vorgesetzten vielleicht nicht nur auf OPSEC-Verstöße zurückzuführen ist, sondern auf die Art der Sprecherpositionierung, die nicht mit einer Militärischen zu vereinbaren ist.

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7. 365 and a Wakeup: Orientalistische Kriegsdarstellung im Blog

My War ist in der journalistischen Berichterstattung zu verorten und nicht in militärischen Netzwerken. Im Gesamtgefüge dieser Arbeit bildet der Blog daher eine Ausnahme und weicht von den bisher beschriebenen Positionen und Netzwerken ab. Die Kriegsdarstellung im Milblog 365 and a Wakeup ist dagegen von den außenpolitischen Positionen der Bush-Administration geprägt und teilt die Sprecherposition des Warrior Citizen Journalists. 365 and a Wakeup teilt nicht nur diese Positionierungen, sondern erfüllt auch die strategischen Forderungen der Milblogging-Community, aktiv an der symbolischen Kriegsführung teilzunehmen: Der Blog nimmt durch das kriegsbefürwortende Narrativ aktiv am Infowar teil. Ästhetisch weist 365 and a Wakeup jedoch wenige Ähnlichkeiten zu den Darstellungsverfahren der in Kapitel 4 analysierten Newsmilblogs auf: Nicht die journalistische Kriegsberichterstattung prägt die textuelle Kriegsdarstellung, sondern eine literarische Ich-Erzählung, deren maßgebliches Einflussfeld die britische und amerikanische Reiseliteratur ist. Die Kriegsdarstellung in 365 and a Wakeup ist eine literarische Umsetzung der außenpolitischen Doktrin der Bush-Administration – des hochtechnologisierten militärischen Interventionismus – und der zu dieser Zeit aufkeimenden Counterinsurgency-Taktiken des Militärs. Das folgende Kapitel arbeitet zunächst heraus, wie diese Doktrin im Blog in einen persönlichen Erfahrungsbericht übersetzt wird. Die Textanalyse wird zeigen, wie dieses politische Programm der Demokratisierung durch militärische Intervention in einer orientalistischen Kriegsdarstellung ihren Ausdruck findet, die von den Selbst- und Fremddarstellungen der

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Reiseliteratur beeinflusst ist. Der Blog übernimmt diese orientalistischen Darstellungsverfahren, muss diese aber in Einklang mit dem demokratisierenden Projekt der Regierung bringen. Die Vertreter des Interventionismus sind auf die orientalistischen Diskurse angewiesen, um sich einschalten zu können, doch gleichzeitig müssen Autonomie und Demokratie in Aussicht gestellt werden. Diese schwer zu vereinbarende Annahmen werden in zahlreichen Interaktionen mit Irakern, die in 365 and a Wakeup geschildert werden, gemeinsam dargestellt. Dazu kommt, dass die soldatische Mikroperspektive die vielen Toten des Bataillons betont und der Krieg nicht ungebrochen als ein sauberer oder Virtuous War dargestellt wird. Um diese komplexen Zusammenhänge zu erarbeiten, müssen einige analytische Schritte gemacht werden: Zuerst wird der Blog vor dem Hintergrund des Kriegs und der Kriegsberichterstattung 2005 vorgestellt und in diesem Zusammenhang der Interventionismus der Bush-Administration erklärt. Parallel zu den vorhergehenden Einzelanalysen schließt eine Ausarbeitung der Medienspezifik von 365 and a Wakeup an. Diese widmet sich einer Reihe von Fotografien, deren Darstellungsverfahren in der textuellen Kriegsdarstellung der Postings aufgegriffen werden. Einer Inhaltsanalyse der Postings folgt die Diskussion der Ästhetik des Textes und die Reiseliteratur wird als Einflussfeld bestimmt. Daraufhin wird die gezeigt, wie sich orientalistische Darstellungsverfahren der Reiseliteratur mit interventionistischen Ideologien zusammenfügen. Abschließend können die Spezifik der Kriegsdarstellung in 365 and a Wakeup und die Sprecherposition herausgearbeitet werden.

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AND A W AKEUP VOR DEM H INTERGRUND JOURNALISTISCHER UND PROPAGANDISTISCHER D ARSTELLUNGEN DES I RAKKRIEGS 2005 365 and a Wakeup wurde von Februar 2005 bis Januar 2006 regelmäßig aktualisiert. Auch außerhalb der Milblogosphäre wurde er besprochen und in einigen Zeitungsartikeln und Interviews zitiert, doch wurde der Blog nie über die Milblogging-Community hinaus populär. Anfang 2012 wurden ungefähr 800,000 Besucher insgesamt verzeichnet – eine geringe Zahl im

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Vergleich zu My War, der an einzelnen Tagen bereits mehrere zehntausend Besucher hatte.1 Abbildung 17: 365 and a Wakeup

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20060216082119/http://thunder6.typepad.com/ 365_arabian_nights/2005/12/elections_part__2.html

In den ersten Monaten identifizierte der Blogger sich sowohl im About als auch unter den Postings als Thunder 6. Doch die genauen Angaben im About und die in das Titelbanner eingefügten Fotografien des Bloggers relativieren die Verwendung eines Pseudonyms: Wahrscheinlich konnten Soldaten aus dem Bataillon oder Vorgesetzte ihn leicht erkennen. Im Juni 2005 wurde der Titel des Abouts geändert. Seitdem steht dort der bürgerliche Name Danjel Bout, der sich als Offizier einer Infanterieeinheit der kalifornischen National Guard identifiziert. Der Blog wurde Anfang Februar 2005 mit der Schilderung eines Überganglagers in Kuwait eröffnet (The Road to Hell is Paved With Good Inten-

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Das Layout des Blogs wurde im Sommer 2012 verändert und der Zähler befindet sich nun nicht mehr auf der Webseite. Das ursprüngliche Format des Blogs, wie es auch in dieser Arbeit in den Fotografien zu sehen ist, kann jedoch im Internet-Archiv eingesehen werden, dort findet sich auch noch der Zähler.

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tions: 2.5.2005).2 Der Hauptteil der Postings gilt der Beschreibung der verschiedenen Einsätze während der Stationierung dieser Einheit in Doura, einem ärmlichen Stadtteil von Bagdad. Letztlich werden das Ende der Stationierung und die Rückkehr nach Kalifornien geschildert. Die regelmäßigen Einträge enden mit einem Posting über die Rückkehr des Bloggers nach Kalifornien im Januar 2006 (Back Home: 25.6.2006). Obwohl der Blogger wiederholt ankündigt, dass er nachträglich noch Postings hinzufügen wird, wird der Blog nur noch einmal, im Juni 2008 aktualisiert (Sacramento Host Breakfast: 23. 6.2008). Im Jahr 2005 hatte sich das Verhältnis zwischen journalistischer Berichterstattung und Propaganda der Bush-Administration verschoben: Die Administration war nicht mehr die bestimmende Deutungsinstanz, welche sie noch 2003 war (Kellner 2005:63). Im vorhergehenden Winter hatten schwere Kämpfe um Bagdad, Fallujah und Mosul stattgefunden und es war deutlich geworden, dass der Krieg noch nicht, wie von Bush in der Mission Accomplished-Rede behauptet, vorbei war. Im Zuge der fast täglichen Anschläge auf irakische und amerikanische Truppen und auf Zivilisten wurde nun häufig über den Irak als bedroht vom Bürgerkrieg oder schon mitten im Bürgerkrieg gesprochen.3 Zudem wurde weniger und wenn dann häufig kritisch über die Kriegsführung des Pentagon berichtet (Kohut u.a. 2007; Rueß 2009:3): Die mangelhafte Ausrüstung der Truppen und die fehlende langfristige Strategie des Verteidigungsministeriums waren Gegenstand der Kritik4 (Greenberg und Dratel 2005; Hersh 2004). Nach der weitgehend re-

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Ich kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass dies das erste Posting ist. Obwohl nichts Gegenteiliges gefunden wurde, wirkt dieses Posting nicht wie ein erstes Posting, da es sehr abrupt und unvermittelt anfängt.

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Beispiele sind einige Kommentare in der New York Times (Brooks ; Friedman) und von Seymor Hersh im New Yorker und die fast täglichen Berichte über die Anschläge im Irak (Beaumont ; Cockburn).

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Die Berichterstattung hatte im Vergleich zum ersten Kriegsjahr weiterhin abgenommen: Viele der ‚embedded‘ Journalisten hatten den Irak wieder verlassen (Dauber 2006:196). Darüber hinaus gestaltete sich die Berichterstattung zunehmend schwierig, da Kriegsberichterstatter selbst zu Angriffszielen der Kriegsparteien geworden waren und kaum unabhängig bleiben konnten. Zu den quantitativen Veränderungen kam der Positionswechsel einiger großer Medienanbieter: Im

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gierungstreuen Berichterstattung während der Invasion, wurde diese nun differenzierter: Es gab durchaus noch Journalisten, die sich der Deutung der Administration anschlossen, aber auch eine zunehmend kritische Berichterstattung (Kellner 2007:27). Diese entzündete sich unter anderem am Einsatz von National GuardTruppen im Irak: Da die Truppenzahl maßgeblich erhöht werden musste, wurden 2004 auch solche Reserveeinheiten in die Kampfgebiete geschickt, deren Qualifikationen und Integrität jedoch zur Debatte standen (Shanker 2004).5 Das Bataillon, als dessen Angehöriger sich Thunder 6 identifiziert, war schon vor dessen Stationierung in der Berichterstattung kritisiert worden: Während der Ausbildungszeit wurde beispielsweise in dem Artikel Controversy Surrounds California Guard Officer in der LA Times die mangelnde Ausrüstung und Ausbildung der Einheit angeprangert und der Kommandierende Frey6 als Patton-artiger Wüstling mit einem seltsamen Faible für sein Beil porträtiert (Tempest und Gold). Die Kritik verstärkte sich nach der Stationierung in Doura, nachdem dort in kurzer Zeit mehrere Soldaten Straßenbomben zum Opfer fielen. Ihren Höhepunkt erreichte die kritische Berichterstattung über das Infanterie-Bataillon nachdem einige Soldaten der Alpha-Company, der Einheit die Thunder 6 später kommandierte, wegen Folter von Gefangenen angeklagt wurden (Gold). Die kriti-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ Vorlauf und zu Anfang des Kriegs hatten Medien wie die Washington Post und die New York Times, die eine neutrale Berichterstattung für sich beanspruchten, die Positionen der amerikanischen Regierung teilweise unreflektiert wiedergegeben und es hatte wenig kritische Distanz zu den Informationen aus Washington gegeben. Diese Verwicklung der großen Tageszeitungen in die Agenda der Bush-Administration war in den darauffolgenden Jahren selbstkritisch beleuchtet worden und versucht ein höheren Grad an Unabhängigkeit zu erreichen, indem zum Beispiel ein Ombudsmann für journalistische Objektivität berufen wurde (Kellner 2007:29). 5

Mark Danner fasste die Kritik in dem Essay The Forever War am Jahrestag des elften Septembers in der New York Times zusammen (Danner).

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Der in 365 and a Wakeup als LT Tomahawk auftaucht.

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sche Berichterstattung nahm erst ab, als LT Frey durch einen neuen Kommandierenden ersetzt wurde.7 Die konservative Newsblogosphäre und viele Blogger der MilbloggingCommunity bewerteten die zunehmend kritische Berichterstattung als unpatriotisch und antimilitärisch. Für Blogger wie Blackfive bestätigte sich nun die negative Einschätzung der großen Medienanbieter, die verkürzte Schlagzeilen liefere und Fortschritte außer Acht ließe (Lawson 2007).8 In diesem Kontext wurde es als eine der Aufgaben der Milblogger betrachtet, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die die Fortschritte und Leistungen der amerikanischen Soldaten im Irak würdigen würde und die Sicht auf den Irakkrieg als demokratisierende Befreiung wieder stark machen würde (siehe Kapitel 4: Milblogs als Teil des Infowar,). Diese Deutung des Kriegs ist maßgeblich vom moralischen Interventionismus der Bush-Administration geprägt: Gebiete, die in terroristischer Hand waren oder deren Regierungen Terroristen unterstützten, sollten im Namen der Freiheit beschützt und präventiv militärisch besetzt werden. Dies würde die Gefahr des Terrorismus bändigen und den dort lebenden Menschen Freiheit und Demokratie bringen. George Bush formulierte diesen Sachverhalt in seiner National Security Strategy-Rede 2002 folgendermaßen:ȱ „These values of freedom are right and true for every person, in every society – and the duty of protecting these values against their enemies is the common calling of freedom-loving people across the globe and across the ages“ (Bush 17.9.2002). Der Terrorismus sollte langfristig eingedämmt werden, indem die besetzten Länder sich, nach amerikanischem Vorbild, in autonome Demokratien umwandelten und Verbündete der Amerikaner wurden. Chris J. Dolan legt die historische Verankerung dieses Interventionismus dar: Bereits James Monroe sicherte den USA das Recht, die eigenen Interessen in der amerikanischen Hemisphäre zu vertreten und verknüpfte diesen Anspruch mit einem Idealismus, der von Woodrow Wilsons Internationalismus auf die gesamte Welt ausgedehnt wurde (Dolan 2005:10). Doch

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Nach der Rückkehr der Einheit, wurden sie als rehabilitierte Helden gefeiert (Parry ; Soriano und Kasindorf).

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Zum Beispiel die Posting-Serie How to Loose a War (Blackfive: 26.6.2005, 27.6.2005) oder News From Iraq: Part Five (Mudville Gazette: 24.6.2005).

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beschreibt Dolan auch die moralisch-religiöse Prägung, die dieser Interventionismus unter Bush erlebte: However, Bush occupies a unique position within this tradition since he possesses a deeply rooted mission. Bush’s friend former Secretary of Commerce Donald Evans contends that Bush’s sense of mission ‚gives [Bush] a desire to serve others and a very clear sense of what is good and what is evil‘. (Dolan 2005:17)

Die Mission muss vollbracht werden, sei es auf Kosten der Autonomie anderer Staaten oder der Genfer Konventionen, um letztendlich Sicherheit und Demokratie durchzusetzen: Hence, as Bush insists, the ultimate goal must be to spread democracy everywhere. The US must carry out the mission initiated by Woodrow Wilson: the world, quite literally, must be made safe for democracy, even those parts of it, like the Middle East, that have so far resisted that tendency. (Dolan 2005:18)

Der Irak unter Saddam Hussein wurde sowohl als Domizil für Terroristen betrachtet als auch als despotisches Regime, dem im Namen der Demokratie ein Ende gesetzt werden musste. Zwei neokonservative Vordenker, Robert Kagan und William Kristol, formulierten ihren Kriegsaufruf dementsprechend: Ultimately, what we do or do not do in the coming months about Saddam Hussein’s regime in Iraq will decisively affect our future security. And it will determine more than that. Whether or not we remove Saddam Hussein from power will shape the contours of the emerging world order, perhaps for decades to come. Either it will be a world order conducive to our liberal democratic principles and our safety, or it will be one where brutal, well-armed tyrants are allowed to hold democracy and international security hostage. (Kagan und Kristol 2002)

Zum eigenen Schutz, aber auch aus seiner moralischen Verpflichtung der Freiheit und der Demokratie gegenüber, sollte ein überlegenes, hochtechno-

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logisiertes Militär den Irak in einem schnellen und verlustarmen Krieg besetzen, befrieden und zum Verbündeten machen.9 Im Laufe des Kriegs wurde die militärische Strategie, die vorerst auf einen limited war ausgerichtet war, mit dieser politischen Doktrin abgestimmt und der Fokus des militärischen Einsatzes wurde die Demokratisierung des Iraks. Einer der wichtigsten Entwickler dieser neuen Strategie, General David Petraeus, stellte sie im Januar 2006 in dem Artikel Learning Counterinsurgency: Observations from Soldiering in Iraq vor: Empowering Iraqis to do the job themselves has, in fact, become the essence of our strategy […] I simply want to emphasize the importance of empowering, enabling, and assisting the Iraqis, an approach that figures prominently in our strategy in that country. (Petraeus 2006: 12)

Militärstrategische Ziele waren dann, den Irakern zur Autonomie zu verhelfen, sie zu Akteuren des irakischen Staats zu machen und das nationbuilding (Petraeus 2006: 13). Die Ratifizierung der Verfassung im Oktober 2005 und die Parlamentswahlen im darauffolgenden Dezember waren wichtige Schritte in diesem Prozess, der jedoch erst mit der Aufstockung der Truppen 2007 richtig umgesetzt werden konnte. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die journalistischen und propagandistischen Kriegsdarstellungen während der Zeit, in der 365 and a Wakeup geschrieben wurde, ausdifferenzierten, da deutlich geworden war, dass der Krieg kein leichter Erfolg sein würde. Die Versuche der Bush-Administration, die Kriegsdarstellung zu dominieren, wurden durch die sich verändernde Berichterstattung der etablierten Medien und die zunehmend kritische öffentliche Meinung erschwert. Dazu kam ein Umdenken in der Kriegsführung selbst, das 2006 im CounterinsurgencyManual seinen Ausdruck fand. Vor diesem Hintergrund wurden die Potentiale und Aufgaben der soldatischen Milblogs den Vertretern der Milblog-

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Kritiker des Interventionismus werfen dieser außenpolitischen Philosophie vor, ein Deckmäntelchen für die macht- und geopolitischen Bestrebungen der BushAdministration zu sein, die der fatalen Verknüpfung eines übertechnologisierten Militärs und einer ideologisch-ausgerichteten Administration entspringen (zum Beispiel Ira Chernus und Noam Chomsky).

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ging-Community als umso wichtiger eingeschätzt. Soldatischen Milblogs wurden zu wichtigen Instrumenten im sogenannten Information Management. 365 and a Wakeup setzt dies in den Postings um. Bevor jedoch die Spezifik der textuellen und visuellen Kriegsdarstellung erarbeitet wird, soll die Ausformung der Blogspezifik in 365 and a Wakeup analysiert werden.

D IE M EDIENSPEZIFIK

VON

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365 and a Wakeup wird auf dem Blogsoftware-Anbieter Typepad, unter der URL http://thunder6.typepad.com/ zu finden. Der Blog nützt nur eine kleine Auswahl an Blog-Features: Das Posting steht auch in diesem Blog im Mittelpunkt der Webseite und setzt sich durch weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund ab. Über dem Posting befindet sich das Titelbanner von 365 and a Wakeup, das den Titel und eine Bildcollage beinhaltet, die sich durch ihre grünlich-orangene Schattierung ebenfalls vom schwarzen Hintergrund abhebt. Abbildung 18: Das Titelbanner von 365 and a Wakeup

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20060216082119/http://thunder6.typepad.com/ 365_arabian_nights/2005/12/elections_part__2.html

Die Bildausschnitte von amerikanischen Soldaten, die in voller Montur mit arabischen Kindern posieren, ein schemenhafter Mann im Kaftan und militärische Fahrzeuge fügen sich zu einer Motivreihe, deren Inhalte und Farbgebung Teil eines visuellen Codes der Kriegsberichterstattung aus dem Na-

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hen Osten sind.10 Barbie Zelizer nennt in einer Analyse der visuellen Kriegsberichterstattung aus dem Irakkrieg die Farbe Orange als gängige Farbgebung journalistischer Fotografien des Irak (Zelizer 2004:123) und die Schattierung von kaltem Grün bis zu Orange erinnert an die Nachtaufnahmen des Kriegsanfangs und an die Wüstenaufnahmen der Embeds. Die Collage kennzeichnet den Blog durch die Verwendung aktueller, visueller Codes als Teil der Kriegsberichterstattung über den Nahen Osten. Das mittige Bild eines amerikanischen Soldaten, der ein irakisches Kind in den Armen hält, positioniert den Blog als Teil einer militärnahen Kriegsberichterstattung: Die Fotografie Little Girl von Michael Yon, die in der konservativen Blogosphäre weit verbreitet wurde, zeigt einen Soldaten, der ein kleines Mädchen rettet. Barbie Zelizer weist auf den ein Kind haltenden Soldaten als wiederkehrendes Motiv hin, das durch den Verweis auf vergangene Kriege die aktuelle Spezifik des Kriegs in den Hintergrund und nationalistische Deutungen in den Vordergrund treten lässt (Zelizer 2004:126). Diese soldatische Perspektive wird durch die weiteren Paratexte bekräftigt: Der standardisierten Verwendung der Blogsoftware entsprechend, befindet sich oben rechts ein Foto, das den Blogger abbildet. My War bot an dieser Stelle eine generische Fotografie eines Soldaten, die durch den Bezug zum Vietnamkrieg und The Smiths eine Antikriegshaltung suggerierte. In 365 and a Wakeup ist ein Bild des Bloggers mit Helm, Uniform und Waffe eingefügt. Der Sprecher des Blogs, Thunder 6, ist also auf der Hauptseite als lässiger Soldat mit Sonnenbrille und großkalibriger Waffe zu sehen.11 Der Link unter dem Foto führt zu einem separaten Permalink, der ab Dezember 2005 mit Danjel Bout überschreiben ist, so dass sich unter dem About sofort der bürgerliche Name des Bloggers finden ließ.12 Das About

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10 Beispielsweise tauchen diese Motive (Soldaten, Kriegstechnologien, Wüstenlandschaften und stereotype Araber) auf Buchveröffentlichungen zum Irakkrieg wie Moment of Truth in Iraq, Generation Kill oder Fiasco auf. 11 Nach der Rückkehr zeigt diese Bild den Blogger als hochdekorierten Soldaten. 12 Anfangs war dieser Name jedoch nicht vorhanden, sondern eine Collage von Bildern, mit ähnlichen Motiven und dem Schriftzug „Omne Initium Est Difficile“, der sich sowohl auf den Blog als auch auf den Irak beziehen könnte. Es kann

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stellt konkrete Informationen über die Heimat und den Ort der Stationierung zur Verfügung: I grew up in a great little city named La Verne, nestled in the foothills outside Los Angeles. My original reasons for joining the Army as an enlisted soldier were simple – I needed the college money. But something about serving in the Army seeped into my very bones, and rather then leave the service I went through OCS and became a commissioned officer. I’m currently deployed as the Commander of A Co, 1184 IN, 3ID in Southern Baghdad. In the ‚normal‘ world I am a newlywed who just happens to be the proudest, luckiest husband in the wide world. (365 and a Wakeup: About)

Auch wenn der Sprecher einen Großteil der Zeit ein Pseudonym verwendete, war er nicht anonym und der bürgerliche Name ließ sich durch die genauen Angaben wahrscheinlich auch ermitteln, bevor er auf der Webseite selbst stand. Der Blogger steht also nicht in einem antagonistischen Verhältnis zu seinen Vorgesetzen, das ihn zur Geheimhaltung seiner Identität zwingen würde. Im Gegenteil charakterisiert das About ihn als Offizier und überzeugten Soldaten. Unter dem Link zum About befindet sich die Blogroll, die während der Verlaufszeit stark wuchs. Zu Beginn finden sich dort nur sehr wenige Blogs, darunter The Indepundit, Blackfive und Doc in the Box, ebenfalls ein früher Milblog. In einer separaten Kategorie wird Major K angelinkt, ein Blog aus demselben Bataillon wie Thunder 6. Zu den Bloggern der Einheit stieß später noch der Blog Si Vis Pacem, Para Bellum hinzu, so dass nur das Bataillon ein eigenes, kleines Blognetzwerk hatte. Während der Blog noch regelmäßig aktualisiert wurde, wuchs die Blogroll stetig an und beinhaltete viele der bekannten Milblogs (zum Beispiel A Day in Iraq, Mudville Gazette, Ma Deuce Gunner und American Soldier) und Warblogs (Michal Yon, Arghhh! und Iraq the Model). Die Blogroll verortet 365 and a Wakeup eindeutig in der Milblogosphäre und durch die Auswahl an Blogs, zum Beispiel der konservativen Warblogs und der organisatorischen Blogs wie Soldier’s Angels auch in der Milblogging-Community. Dies bestätigt sich

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ angenommen werden, dass dies zu Beginn auch das Titelbanner des Blogs war, dies jedoch nicht in der Archivierung erhalten blieb und später ersetzt wurde.

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durch die Links zu militärischen Hilfsorganisation und in der Reihe von kleinen Graphiken, die auf den MilBlog Ring und Central Command hinweisen. 365 and a Wakeup nutzt hauptsächlich Standardmerkmale des Mediums. Die langen und zahlreichen Postings mit geschriebenem Text ohne Links dominieren den Blog. Die ausführliche Blogroll und die vielen zum Blog führenden Links vernetzen 365 and a Wakeup mit einem Großteil der Milblogosphäre. Damit steht neben dem Bericht die Netzwerkfunktion des Blogs im Vordergrund. Dieses Netzwerk und die oben besprochenen Paratexte verorten den Blog in der Milblogosphäre und charakterisieren ihn als einen pro-militärischen, soldatischen Blog.

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Um die Blogfeatures, die das Posting umgeben, abschließend zu untersuchen, wird eine Reihe von verkleinerten Fotografien am linken Seitenrand diskutiert, die als Links zu mehreren Fotoalben dienen. Diese Fotografien sind Teil einer breiten foto-journalistischen Berichterstattung im Irakkrieg, welche von einer Verschiebung der Grenzen zwischen journalistischer und laienhafter Fotografie charakterisiert wurde: Journalistische wurden durch persönliche Motive ergänzt und beispielsweise Fotos von Embeds in Uniform mit anderen Soldaten Teil der Kriegsberichterstattung (Matheson und Allan 2009:141). Die digitalen Aufnahmetechniken versprachen zu Anfang des Kriegs eine visuelle Berichterstattung in noch nie dagewesener Geschwindigkeit, die entweder Live oder mit nur kurzer Verzögerung Bilder und Videos direkt und aktuell aus den Kriegsgebieten liefern sollten. Doch wie Stuart Allan und Donald Matheson anmerken, verhinderten die Regeln des Pentagon und die Entführung und Tötung vieler Journalisten eine unabhängige Berichterstattung (Matheson und Allan 2009:17).13

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13 Die Reporter dokumentierten trotz der Bewegungsfreiheit, die die Technologien versprachen, den Krieg meist aus einer regulierten Perspektive, die den Irakkrieg als hochtechnologisierten und sauberen Krieg wiedergeben, wie DerDerian in Virutous War ausführt.

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Allan und Matheson betrachten vor diesem Hintergrund die Amateurfotografie als wichtige alternative Kriegsdarstellung im Irakkrieg: Viele Soldaten, Söldner und Zivilisten führten Kameras mit sich und dokumentierten den Krieg ausführlich. Zudem war es leicht möglich, die Fotografien hochzuladen und öffentlich zugänglich zu machen.14 Durch diese Entwicklungen gibt es heute tausende von Fotografien und Videos zum Irakkrieg. Webseiten wie Military Photo und Pictures From Soldiers stellen von Soldaten gemachte Fotografien zur Verfügung und machen sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.15 Jedes Foto in 365 and a Wakeup befindet sich auf einem separaten Permalink und wird durch eine Überschrift und kurze Erläuterung gerahmt und in Bezug zu einem der Postings gesetzt.16 In 365 and a Wakeup werden Text und Bild auf einer Webseite zur Verfügung gestellt, doch innerhalb der Webseite voneinander getrennt, so dass der Nutzer Text und Bild nicht gemeinsam betrachtet, sondern entweder getrennt oder nacheinander wahr-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14 Dies ist dann auch der wichtigste Unterschied zu vorangegangenen Kriegen, denn soldatische Selbstdokumentation gibt es schon lange, es war bloß kaum möglich die Fotografien einem großen Publikum zugänglich zu machen. 15 Es waren solche Amateurfotografien, beispielsweise aus Abu Grahib, die über ungewöhnliche Wege an die Öffentlichkeit gelangten und dann eine Gegenöffentlichkeit zu den sauberen Bildern des Kriegs bildeten (Matheson und Allan 2009:141). 16 Die vielen Fotografien in Milblogs sind auch ein Resultat der erleichterten Integration verschiedener Medien in eine Webseite, da die verschiedenen Formate aufgrund ihrer Digitalisierung als binärer Code in einem neuen Format eingegliedert werden können. Dass die Fotografien überhaupt zur Verfügung stehen, ist auch auf die Entwicklung digitaler Technologien zurückzuführen, da die Fotos schnell auf handlichen Geräten gemacht und auf Veröffentlichungsmedien übertragen sind. Doch diese Entwicklungen können nicht ausschließlich auf den technologischen Fortschritt zurückgeführt werden: die Praktiken der Fotografie, vor allem der Selbstdarstellung haben sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls maßgeblich verändert, beispielsweise die Praktiken der touristischen Selbstrepräsentation (Larsen 2005).

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nimmt. Es werden zwar die multimedialen Potentiale des Blogs ausgenutzt, doch die verschiedenen Medien kaum in Zusammenhang gestellt.17 Die Fotografien dokumentieren den Aufenthalt des Sprechers im Irak. Sie bilden den Postings entsprechende Inhalte ab und sind sowohl von Mustern der visuellen Kriegsberichterstattung als auch von touristischen Motiven geprägt. Die Fotografien geben den promilitärischen Fokus der Postings wieder und weisen ebenfalls orientalistische Darstellungsmuster auf, doch sind die Fotografien, mehr als die Texte, an gängige Muster der journalistischen und filmischen Kriegsdarstellung gebunden. Sie erhöhen die Glaubwürdigkeit des Sprechers, indem dessen Anwesenheit im Irak durch Aufnahmen von ihm in den beschriebenen Settings bestätigt wird. Die ungefähr 360 Fotografien können grob in zwei Motivgruppen aufgeteilt werden: Soldaten bei Alltagsbeschäftigungen und der Irak und dessen Bewohner. Im umfangreichsten Album A Day in The Life…, mit 300 Fotos, sind Bilder von Soldaten beim Essen, in Formation und beim Homecoming zu finden. Vor allem werden dort aber Soldaten im Einsatz gezeigt: Patrouillen, Checkpoints, die Bewachung der Wahllokale und der Transport der Soldaten. Auch dieten der Iraker und des Iraks kommen in diesem Zusammenhang zustande: vom Checkpoint aus wird der Sonnenuntergang fotografiert, aus dem Blackhawk eine Luftaufnahme gemacht und die irakischen Kinder mit gestifteten Bällen fotografiert. Es gibt mehr als zwanzig Bilder allein von amerikanischen Soldaten, die mit irakischen Kindern für die Kamera posieren. Dazu kommen einige Landschaftsaufnahmen der Wüste oder bemerkenswerter Gebäude. Die Fotografien ergänzen die Erfahrungsberichte spezifischer Postings, auch wenn sie ihnen nicht ausdrücklich zugeordnet sind: Wenn Thunder 6 zum Beispiel in einem frühen Posting beschreibt, dass er bei der Ankunft in seinem Basislager ein Graffiti mit den Worten „This is Rick James, Bitch“ gesehen hat, wird diese Beobachtung in einem der Fotoalben mit einem Foto davon bestätigt. In 365 and a Wakeup treten die Fotografien daher als ergänzendes visuelles Narrativ auf, das die Printtexte beglaubigt. Auch der

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17 Dies ist in Milblogs generell nicht der Fall. Es gibt viele, die die Fotografien direkt in den Text integrieren.

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Sprecher ist auf einigen Fotografien zu sehen.18 Die Perspektive des Bloggers wird an zahlreichen Stellen in den Fotoalben durch eine Außendarstellung bekräftigt, die es dem Betrachter ermöglicht, den Blogger nicht nur durch die Selbstdarstellung, sondern mit eigenen Augen zu betrachten. Die Perspektive des Sprechers wird durch die Fotografien manifestiert beziehungsweise die Betrachtung des Kriegs mit den Augen des Sprechers wird noch auf einer anderen medialen Ebene möglich. Die Fotos bestätigen seine Existenz und beglaubigen seine Autorschaft. Abbildung 19: Camera Time

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20060324155100/http://thunder6.typepad.com/ photos/a_day_in_the_life_of/img_0002_1.html

Trotz der generischen Auflösung von journalistischen und Amateuraufnahmen in solchen laienhaften Kriegsfotografien, bleibt der Impetus des Bildes als Abbildung einer Kriegsrealität (Sontag 2003:26). Im Blog wird jedoch kein professioneller Objektivitätsanspruch erhoben, sondern die Bilder erreichen ihre Autorität durch die Doppelung im Text und gerade durch

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18 Zum Beispiel ist die Aufnahme Thanksgiving, „SPC Spartan and I sit down for Thanksgiving Dinner“ untertitelt.

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den Anspruch touristische Motive darzustellen, ohne eine bestimmte Agenda: „It was precicesly the fact, then, that they were not motivated by an intention to ‚make waves‘, in public that gave the images their power“ (Matheson und Allan 2009:155). Diese Autorität beglaubigt die Kriegsdarstellungen, die eben keine Momentaufnahmen sind, sondern deren Darstellung zum Beispiel nationalistische Deutungsmuster von Krieg wiedergeben können (Zelizer 2004:125). Diese Deutungsrahmen zeigen in 365 and a Wakeup vor allem eine promilitärische Perspektive auf den Krieg, die die erfolgreiche Interaktion zwischen hochtechnologisierten Soldaten, ihren Waffen und orientalisierten Irakern zeigen soll. Die Perspektive auf den Krieg, die durch die Bilder entsteht, entspricht damit der promilitärischen Deutung in den Postings. Abbildung 20: Inbound

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20060324160157/http://thunder6.typepad.com/ photos/a_day_in_the_life_of/img_8189.html

Die Bilder greifen auf die visuellen Codes der Kriegsberichterstattung zurück: zum Beispiel Inbound, das zwei Soldaten in voller Montur und die herannahenden Blackhawks zeigt. Soldaten im Sandsturm, der Blick aus dem Helikopter und Gruppenaufnahmen werden im Blog als Alltagsdokumentation gerahmt, sie folgen aber einer filmischen Ästhetik, die die abenteuerlichen, sportlichen und technologischen Aspekte der Kriegsführung

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betont. Diese Portraits von Soldaten werden durch Aufnahmen mit Slumbewohnern ergänzt, auf welchen sie irakische Kinder Soldaten umringen und meist glücklich in die Kamera lächeln (siehe Abb. 19). Die Schilderungen der Patrouillen in den Slums von Bagdad und der verschiedenen Hilfseinsätze zugunsten der Slumbewohner werden in diesen Fotografien belegt. Barbie Zelizer weist in dem Text When War is Reduced to a Photograph darauf hin, dass Fotografien häufig nicht nur spezifische Bedeutungen haben, sondern größere Bedeutungsfelder und eine ganze Reihe an Reaktionen beim Zuschauer mobilisieren können. Die Gruppenfotos von irakischen Kindern schließen sich an bekannte Erzählungen des amerikanischen Soldaten als Wohltäter oder Retter an. Eventuell wird die Wirkung diese Bilder noch dadurch bestärkt, dass es sich hier um eine touristische Ästhetik handelt oder zumindest nicht um eine offensichtliche Anleihe an journalistische Darstellungsverfahren. Abbildung 21: Thunder6 vor dem Eingang des Sabre Stadiums

ȱ Quelle: http://web.archive.org/web/20060324161203/http://thunder6.typepad.com/ photos/a_day_in_the_life_of/crossed_sabers_2.html

In den photographischen Aufnahmen des Irak verschwimmen die Darstellungsverfahren des Journalismus endgültig mit denen des Amateurfotografen: Die Landschaftsfotografien ähneln touristischen Aufnahmen von Sehenswürdigkeiten, beispielsweise das Bild Sabre Stadium, und beschreiben

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die Andersartigkeit des Landes. Im Album Bagdad Snapshots befinden sich eine Reihe von Fotos, die ärmliche Wellblechhäuser und abgemagerte Tiere zeigen. Außerdem werden wiederholt Müllhaufen am Straßenrand oder inmitten eines Stadtteils festgehalten. Die Motive fügen sich zu einer visuellen Kriegsdarstellung, die den Soldaten in der Interaktion mit Land und Leuten betont. Die Bilder sind aus der Perspektive des Soldaten gemacht und verstärken den soldatischen Sprecher als Deutungsinstanz für die Wahrnehmung des Irak. Die im Text etablierte Sprecherfigur wird als Autor der Bilder gesetzt, er weitet sich sozusagen auf ein zweites Medium aus. Das mit dem Photographen sehen wird dadurch noch verstärkt und gleichzeitig wird der Sprecher des Textes durch die Bilder von ihm verändert. So wird dem Leser ermöglicht, die Perspektive des Sprechers zu verlassen und ihn von außen zu betrachten. Die in den Postings von 365 and a Wakeup vorherrschende politisierte Kriegsdarstellung bestätigt sich in der Wahl der Motive: Der amerikanische Soldat, der den Rollstuhl in den Slum bringt, verhilft dem stagnierenden Land zum Fortschritt.

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Ein Posting in 365 and a Wakeup besteht typischerweise aus einem längeren Fließtext, der weder durch Links noch durch Fotografien unterbrochen wird. Wie es dem standardisierten Blog entspricht, wird jedes Posting mit einem Datum begonnen. Darunter befinden sich die Titel der Postings und der Text. Diesem folgen die Angaben, wer zu welcher Uhrzeit den Text postete und drei Links, die zum Permalink führen, auf dem sich zusätzlich zum Text auch Kommentare und Trackbacks befinden. Durchschnittlich haben die Einträge um die zwanzig Kommentare. Einige der Einträge wurden wahrscheinlich zu anderen Zeitpunkten gepostet, als es die Datierung vermuten lässt.19 Dies fällt jedoch nur bei einer

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19 Dies lässt sich durch Angaben des Bloggers selbst und durch Ungereimtheiten zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit feststellen. Siehe dazu das Posting Filling in the Blanks (29.4.2005), in welchem Thunder 6 angibt: „Most of my next

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genauen Untersuchung auf und stört den Lesefluss kaum: Die Reputation des Bloggers, der schreibt und sofort veröffentlicht, greift trotzdem. Dieses Untersuchungsergebnis problematisiert aber die Definition des Blogs als chronologisch aktualisierte Webseite: Der temporale Aspekt müsste vielleicht genauer inspiziert werden. Die Einträge von 365 and a Wakeup sind einheitlich: typischerweise ist ein Posting ein literarischer Erfahrungsbericht, der von den jüngsten Erfahrungen des Sprechers handelt, welcher sich als Soldat im Kriegseinsatz im Irak identifiziert. Diese Berichte werden gesäumt oder unterbrochen von Reflektionen über die ihn umgebende Umwelt und Selbstreflektionen des Sprechers. Einträge zu Politik oder Medien sind selten. Die Berichte und Reflektionen ergänzen einander häufig: die Reflektion über die nachlassende Hitze am Morgen führt zum Beispiel eine Diskussion von Veränderungen im Irak und in der Kommandostruktur des Bataillons ein (Change of Fortune: 30.4.2005). Die Dominanz dieses Posting-Typs wird durch mehrere reproduzierte Reden unterbrochen, die auf den Trauerfeiern für die vielen getöteten Soldaten des Bataillons gehalten wurden (Lahaim: 10.4.2005, Godspeed: 26.6.2005, Grief: 27.9.2005, Loss: 19.9.2005). Dazu kommen noch einige technische Hinweise, zum Beispiel auf nachgeschobene Postings und einige kürzere Einträge, die formal einer Mitteilung entsprechen. 365 and a Wakeup inkorporiert auch interpersonale Elemente, da einige Postings direkt an die Leser gerichtet sind und zu Spenden oder zum Beispiel auch zur Wahl für den Milbloggie aufrufen (Best Of…: 22.10.2005, Web Nominations: 29.12.2005). Diese Art der Einträge ist jedoch im Vergleich zu den erzählerischen Postings kaum vertreten. Der Sprecher identifiziert sich als Offizier, der hauptsächlich mit der Planung, Leitung und bürokratischen Aufarbeitung der Einsätze beschäftigt ist: After a day that left me as worn and brittle as a dried palm frond, I settled into the broken plastic chair behind my desk and started to war-game our upcoming Air Assault mission. The plan had long since briefed to the maneuver units, but for the

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ few posts won’t show up as new - they cover some of the period I didn’t have an opportunity to write. Just scroll down to find them.“

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hundredth time I peered over the aerial imagery looking for details I might have missed. (Devil Island: 7.11.2005)

Die inhaltliche und perspektivische Ausformung, die die Kriegsdarstellung durch diesen Offizierssprecher erfährt, betont die gestalterischen und professionellen Anteile des militärischen Alltags. Zudem dehnt sich das Sprecher-Ich häufig zu einem Wir aus und Thunder 6 spricht nicht nur für sich, sondern für alle ihm Untergebenen. Inhaltlich weist 365 and a Wakeup ähnliche Schwerpunkte wie die bisher analysierten Blogs auf: der Arbeitsalltag, die Einsätze in Bagdad, das Wetter, die irakische Umgebung und das Gedenken an die Toten bestimmen die Postings. Hinzu kommen als Themen Militärtechnologie und die Empfindungen des Sprechers. Der Großteil der Postings handelt von Einsätzen in den Slums, in Konvois, als Kundschafter oder Vermittler. Diese Einsatzberichte sind detaillierte Beschreibungen zum Beispiel des Aufbaus eines Stützpunktes oder der Kooperation mit irakischen Soldaten und beinhalten kaum Kampfhandlungen. Der Blogger äußert sich selten explizit zu politischen Themen: Die politische Orientierung des Blogs wird vielmehr über die Inhalte und die Art der Darstellung ersichtlich. Die Einsätze führen den Sprecher in viele Ortsteile von Bagdad, zu verschiedenen Lagern, in irakische Häuser, in ehemalige Paläste und in verschiedene Gebiete, so dass der Irak ausführlich beschrieben wird. Vor allem Bagdad wird aus vielen verschiedenen Perspektiven geschildert: The flight over Southern Baghdad was nothing short of spectacular. From 500 feet in the air all the rot that clutters the streets seemed to melt into the background, and the settlements seemed to take on orderliness altogether absent from the ground. […] And through it all there was always the gentle curl of the Tigris in the background, reflecting the sun like a bright pane of shimmering glass. (High Flying: 21.8.2005)

Oder aber der Aufenthalt mitten in einem der Slums, die Thunder 6 und seine Soldaten so häufig patrouillieren, wird beschrieben: Like most shantytowns Redi-Mix was a motley collection of squatters, itinerant laborers, and sheep herders. The trash choked lane that meandered through the neighborhood was little more then an alley, bordered on both sides by skewed mud brick walls. Even by shantytown standards this place was a complete and utter disaster.

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The buildings were collections of mud bricks, oil cans, metal boxes and old furniture, all glued together by thick clots of congealed mud. Just outside the neighborhood a slow trickle of filth slithered through a streambed that served as an open air sewer. (Sickness: 24.8.2005)

Die Schilderung der Umgebung ist maßgeblich vom Wetter abhängig, dessen Hitze, Sand- und Schlammstürme sie als rau und unwägbar charakterisieren. Weiterhin werden viele Interaktionen mit Irakern beschrieben: Dabei handelt es sich hauptsächlich um Begegnungen mit irakischen Soldaten und Übersetzern und Treffen mit den Slumbewohnern. Individuelle Interaktionen mit Kindern sind oft Gegenstand der Postings: The children were jubilant, but there was a very different dynamic at work here – behind the smiles there was a hard edged desperation. I first noticed it when a 10 year old boy walked up holding a 4 year old boy. He pushed his way to the front of the throng and then demanded ‚Mr…. Toy for Baby, Toy for Baby.‘ (Sickness: 24.4.2005)

Die vielen Berichte über Einsätze dienen auch detaillierten Technologiebeschreibungen. Zum Beispiel bieten die gepanzerten M1 Abrams-Tanker bei einer besonders gefährlichen Patrouille den nötigen Schutz vor IEDs (Rolling with the Heavies: 23.4.2005, Back to the Basics: 4.8.2005) und die verschiedenen Vorzüge der Fahrzeuge werden ausführlich besprochen (A Winding Road: 16.4.2005). Dass die gepanzerten Fahrzeuge den Großteil der Technologiebeschreibungen bilden und teilweise sehr liebevoll und ausführlich dargestellt werden, ist, in Anbetracht der vielen Toten durch IEDs, nicht verwunderlich: Die Kritik, die gerade zu dieser Zeit an den Humvees geübt wurde,20 findet keinen Einzug in den Blog. Stets dienen die Waffentechnologien dem Schutz der Truppen oder der Iraker. Dennoch ist Gewalt ein wichtiges Thema im Blog: Der Guerillakrieg, der 2005 von sogenannten Anti-Iraqi-Forces vor allem durch IEDs geführt wurde, ist Gegenstand vieler verschiedener Postings: Einige dienen der Benachrichtigung über neue Todesfälle (Fallen Friends: 21.9.2005), in Weite-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20 Siehe dazu mehrere Artikel in der New York Times (Hakim ; Moss).

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ren werden die Trauerfeiern beschrieben und die dort gehaltenen Reden reproduziert (All Soul’s Day: 1.11.2005, Heros: 30.10.2005, The Line Holds Steady: 28.10.2005, Grief: 27.9.2005, Loss: 19.9.2005). Letztlich gibt es noch einige Postings, in denen der Sprecher selbst erlebte IED-Explosion und die Konsequenzen der Anschläge beschreibt.21 In dem Posting Abattoir (15.9.2005) stellt Thunder 6 die Nachwirkungen solch einer Explosion dar. Es sterben im Verlauf des Jahres so viele Soldaten der Einheit, dass die Beschreibungen der Trauerfeiern und die dort gehaltenen Reden eine eigene Untergruppe von Postings bilden: Dem Anlass entsprechend, sind es Lobreden auf den verstorbenen Soldaten, die die positiven Eigenschaften hervorheben und sie häufig anhand einer Anekdote illustrieren: „Dan was the man when it came to living in luxury in the harshest of Iraq’s conditions“ (Grief: 27.9.2005). Die Reden sind von einer pathetischen Sprache gekennzeichnet, die das Grandiose des Lebens und das Tragische des Sterbens hervorheben: There are over 300000 words in the English language, but I can’t find one to best describe SGT Mike Sonoda. There is nothing I can say that would make his death more tolerable, or less painful. When Mike died serving his God and country, but most of all he fought for us… to keep us safe. (Grief: 27.9.2005)

Abgesehen von der hohen emotionalen Wirksamkeit dieser Reden, bilden sie eine Brücke zu gängigen, militärischen Kriegs- und Selbstdarstellungen, welche oft von einem bestimmten Vokabular und sehr spezifischen Werten geprägt sind. Die Reden sowie die vielen Kommentare, die auf die Unglücksfälle reagieren, öffnen den Blog für andere Stimmen, die sich stark auf einen militärischen Ehrenkodex berufen und Kameradschaft, Ehre und Männlichkeit betonen. Mit den zunehmenden Todesfällen tritt die emotionale Selbstreflektion des Sprechers in den Vordergrund: There are times when the weight of everything settles on your chest like a murderous vise. You can take huge, swooping lungfuls of air but there is no cracking those invisible bands of stress. It just hangs there, threatening to splinter you like a ship in

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21 Die Konsequenzen amerikanischer Aggression werden nicht beschrieben.

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a sea of shifting ice. There is no preparing for it and no dodging it. Eventually the collective force of the squalor, the heat, the violence, the sense of loss and the separation from loved ones will find you, and test you. I managed to make it nearly six months, but last week the numbing sense of displacement and bitterness settled on me with the glacial force of artic ice. (Trudeau Makes Everything Better: 5.7.2005)

Die Schilderungen des emotionalen Zustandes verengen die Mikroperspektive des Blogs noch auf die Innerlichkeit des Bloggers. Die Gefühle, die das Geschilderte auslösen, die Ängste vor dem nächsten Einsatz oder der Stolz über die ihm unterstehenden Soldaten und die Sehnsucht nach seiner Ehefrau und seinen Eltern werden in diesen Reflektionen thematisiert. Kalifornien fungiert als eine grüne und friedliche Gegenwelt zu dem trockenen und kriegsgeplagten Irak und die Erinnerungen an Frau und Familie werden als Kontrast zum Geschilderten gesetzt. Wie die Inhaltsanalyse von 365 and a Wakeup deutlich macht, bestehen thematische Ähnlichkeiten zu LT Smash und My War: der Nahe Osten, der Berufsalltag und das Gedenken an die Toten kommen in allen drei Blogs vor. Formal ist 365 and a Wakeup jedoch deutlich von den bisher analysierten abzugrenzen, denn er weist eine literarische Sprache auf,22 wie die Beschreibung der gepanzerten Fahrzeuge, in denen sich Thunder 6 und seine Soldaten fortbewegen, zeigt: To untrained eyes our armored HMMWVs are ugly beasts. Their squat lines and hard angles are bereft of loveliness, their form shaped only by a cruel fusion of geometry and ballistics. But to a soldier they are beauty incarnate - their thick slabs of armor swaddle our troops in an armored cocoon. They are cold, inanimate pieces of

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 22 Einen Hinweis auf die Art der Sprache geben die literarischen Zitate, die die Postings einführen: so wird zum Beispiel an mehreren Stellen John Donne zitiert – einmal Be Not Proud in ganzer Länge – und Vertreter theologischer Literatur wie Reinhold Niehbur. Doch neben den religiösen Schriftstellern finden sich Autoren von Edna St Vincent Millay bis Christopher Marlowe. Sucht man diese Zitate online, führen sie auffällig häufig zu einer Webseite, die Zitate zu allen möglichen Themen bereitstellt. Die Zitate müssen also kein Hinweis auf ein spezifisches Einflussfeld sein, sondern könnten auf die Verfügbarkeit multipler Fragmente und Zitate bei digitalem Schreiben verweisen.

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steel but its hard not to anthromorphize them, especially when their adamantine panels absorb the hellish blasts of IEDs. (A Winding Road: 16.4.2005)

Die Darstellung von Militärtechnologien und deren Bewunderung durch die Soldaten ist ein gängiges Motiv in Kriegsdarstellungen. Doch die auf Nüchternheit ausgerichtete Ästhetik der journalistischen Beschreibung ist hier nicht vorhanden. Illustrierende Adjektive und sich über Sätze hinweg tragende Metaphern kennzeichnen die literarische Schreibweise: Der gepanzerte Wagen wird detailreich vorgestellt und mit Hilfe von ungewöhnlichen Vokabeln, wie „adamantine“ und Metaphern, etwa „cocoon“, ausgeschmückt. Die Definition der Eigenschaft literarisch ist nicht unproblematisch, doch lassen sich für die Analyse von 365 and a Wakeup zwei Kriterien besonders produktiv heranziehen. Literatur kann zunächst aus einer linguistischen Perspektive beschrieben werden: „Literatur is language that foregrounds language itself“ (Culler 1997:13). Diese Definition trifft auf 365 and a Wakeup zu und ist die Eigenschaft des Blogs, die ihn von vielen anderen Kriegsdarstellungen unterscheidet. Ob Kriegsfilm, journalistischer Bericht oder ein soldatischer Blog wie My War, die Performativität der Darstellung tritt in den Hintergrund und Realitätseffekte dominieren den Text. 365 and a Wakeup weicht von diesem Muster deutlich ab, da eine sehr ausführliche und bilderreiche Sprache zur Darstellung sich wiederholender Zustände oder Ereignisse verwendet wird: „Grief has hit like a sledgehammer these last few days, leaving deep gouges in the collective memory of our battalion“ (Pushing On: 24.9.2005). Die Verwendung literarischer Stilmittel akzentuiert die sprachliche Komposition und macht auf die performative Qualität einer Repräsentation aufmerksam. Literarisch ist auch der Aufbau der Postings: wie bereits beschrieben, ist der Erfahrungsbericht, der das Kernstück der meisten Postings bildet, häufig gesäumt von Reflexionen des Sprechers. Der Sprecher gibt – so die Logik des Textes – die Erfahrungen der letzten Tage wieder. Die Erfahrungsberichte ordnen den Text chronologisch. Die Inhalte sind darüber hinaus auch Gegenstand begleitender Reflexion. Ein Beispiel ist der Eintrag A Change in Fortune (30.5.2005), der mit einer Wetterbeschreibung beginnt: „In the soft light of morning a lazy breeze crossed the wet earth like a caress, leaving the FOB in tranquilized slow motion.“ Im nächsten Absatz wird der Bericht über die Wetterlage auf eine Beschreibung der Atmos-

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phäre ausgedehnt: „The atmospheric fluctuations seemed to mirror our last few weeks here, which have followed an erratic and wholly unexpected course.“ Der Eintrag endet mit der Ankündigung von Veränderungen im Bataillon, die nach dem Wetter und der Atmosphäre nun den ganzen Erdball umfassen: „Comparing that one ribbon of news to a tectonic shift is particularly apt, because in its shuddering aftermath months of planning tumbled down.“ Viele der Postings weisen solch ein Zusammenwirken von Form und Inhalt auf. Die Analyse der Sprache und Komposition zeigen die Literarität der Postings: Sprache ist nicht funktional der Berichterstattung untergeordnet und auch nicht Teil eines Dialogs, sondern geprägt durch verschiedene Stilmittel, die die Aufmerksamkeit auf den Prozess der Darstellung lenken. Doch der Text ist durchzogen von grammatikalischen Fehlern, beispielsweise verwendet der Sprecher häufig then statt than: „The police spokesperson mentioned that the AIF were little better then cowards, unable to fight like real men“ (The Abattoir: 15.9.2005). Die grammatikalischen Unreinheiten finden ihre Entsprechung auf der stilistischen Ebene, wenn unstimmige Bilder zusammengefügt werden und die Metaphern nicht kohärent sind: „Last night three rockets burned into the FOB, their hissing arcs cutting a sonic path through the night sky like angry serpents. Each carried a belly full of dagger sharp needles designed with one grim purpose – to rend flesh and bone“ (Chance: 1.5.2005). Obwohl in diesem Zitat ein griffiges Bild der herannahenden Raketen entsteht, verwirrt die Zusammenfügung des astronomischen Motivs mit dem Bild der Schlange, die ihr Gift über „Bauchnadeln“ versprüht. Literatur ist nicht nur durch linguistische Merkmale oder eine ästhetische Funktion gekennzeichnet, sondern wird als Großgattung durch Produktionskonventionen bestimmt und im Besonderen durch Rezeptionsgewohnheiten. Das zweite, wichtige Kriterium für diese Analyse ist die Beschreibung von Literatur als Textsorte, die unter bestimmten Bedingungen und Rahmenprozessen produziert werden. Jonathan Culler erklärt dies in seiner Einführung zur Literatur durch den Produktionsprozess, die Editierung und Veröffentlichung des Textes und durch die Verständigung zwischen Text und Leser, die sich darauf einigen, dass der Text trotz fehlender

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kommunikativer Kooperation eine Funktion hat (Culler 1997:26).23 Ein Aspekt von Literatur, oder von einem literarischen Text, ist also, dass dieser fehlerfrei ist und dass die unkonventionellen Aspekte des Textes keine Fehler sind, sondern eine ästhetische Funktion haben. Dieses Editiert-Sein, als Eigenschaft eines literarischen Textes, ist für die Analyse von 365 and a Wakeup besonders produktiv: Der Blog hat literarische Eigenschaften und er ist von fehlerhafter Grammatik und Rechtschreibung geprägt. Weiterhin ist er durchzogen von einer Inkohärenz der bildlichen Sprache. Man kann die Postings, aus literaturkritischer Sicht, als unredigierte, literarische Texte beschreiben – als Texte, die durchaus Literatur sein könnten, das heißt auch in diesem Rahmen veröffentlicht werden könnten, doch dazu fehlt ein Teil des Produktionsprozesses. Die Fehler verweisen in diesem Fall auf die Tatsache, dass es sich um einen blogspezifischen Text handelt, der womöglich ohne Korrektur und unter Zeitdruck veröffentlicht wurde. Dieser literaturkritische Blick auf den Text ist an diesem Punkt nützlich, denn er erlaubt es, auf eine Blogspezifik des Textes hinzuweisen: Wie in Kapitel 3 zur Medienspezifik des Blogs erörtert, ist ein Blog nicht an die Veröffentlichungswege von Printmedien gebunden, sondern durch die Eigenschaften als digitales Medium können Inhalte sofort und ohne längere Veröffentlichungswege zur Verfügung gestellt werden. Dieses push-button publishing wird in vielen Auslegungen der Medienspezifik als das Schlüsselmerkmal von Blogs beschrieben – das Gatekeeping der Verlage fällt weg und die Regeln der Editoren müssen nicht mehr befolgt werden. Diese Medienspezifik tritt auf, indem der Text unredigiert literarisch ist. Diese Eigenschaften des Postings können als Kennzeichen des fehlenden Gatekeeping im Veröffentlichungsprozess von Blogs verstanden werden. Das Literarische, das ansonsten eher ungewöhnlich für Blogs ist, wird durch eine Blogspezifik modifiziert und 365 and a Wakeup zu einem Beispiel, wie ein digitaler Text Literatur medienspezifisch ausformen kann. Der literarische Text der Postings von 365 and a Wakeup kann dadurch trotzdem die Effekte der Unmittelbarkeit und Aktualität bewahren.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23 Wenn in einem editierten Literaturband die Kommasetzung im Text fehlt, wird dies nicht als Fehler betrachtet, sondern beispielsweise als Ausdruck einer gewissen Haltung zur Sprache.

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Der Blog ist durch literarische Schreibweisen gekennzeichnet, die die Erfahrungsberichte prägen, diese werden jedoch blogspezifisch integriert: nicht nur durch das fehlende Gatekeeping, sondern auch durch den starken Sprecher, der sich durch die Paratexte und die Netzwerke charakterisiert und eine hohe Autorität über das Beschriebene reklamiert. Dieser Sprecher, die Mikroperspektive, die Mitteilungen an die Leser und der Dialog mit den Kommentierenden machen den literarischen Erfahrungsbericht zusätzlich blogspezifisch. Die intime Ich-Perspektive und der inhaltliche Fokus auf den Sprecher verdeutlichen darüber hinaus den Einfluss von bereits etablierten Blogschreibweisen auf 365 and a Wakeup.24 So berichtet Thunder 6 von dem Tod mehrerer Soldaten auch mit Blick auf die emotionale Verarbeitung dieser Ereignisse: A few weeks back my armor took a hit… and it was pierced. The wound was bloodless, but that didn’t mean it was painless. One of the key lessons you learn as a soldier is discipline, and that discipline kept me focused on the mission at hand. But for a few days I inwardly recoiled and set about my day to day tasks with the rigid formality you might expect from an automaton. It was ironic that just as the sun flared in the sky like a supernova I felt like everything seemed a little dimmer. (Rebound:15.7.2005)

365 and a Wakeup nimmt die Erfahrungsberichte häufig als Anlass solche inneren Prozesse zu schildern, so dass die Reaktionen auf die Erfahrungen deutlicher im Vordergrund stehen als zum Beispiel eine Einschätzung der politischen Bedeutung.25

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24 Viviane Serfaty charakterisiert Personal Blogs als Nachfolger von Tagebüchern, die die „inner porcesses of the self“ darstellen (Serfaty 2004a:90). 25 Dies wird auch in den Kommentaren reflektiert, die die Einträge als eine Art therapeutisches Schreiben gegen PTSD und ähnliches beurteilen und 365 and a Wakeup deswegen auch zur Offenheit ermutigen. In den Kommentaren zu Rebound wird zum Beispiel auf PTSD eingegangen und es werden vor allem positive, unterstützende Reaktionen auf den Text hinterlassen, in denen der Blogger und sein Einsatz stark bekräftigt werden: „Hi, T6 – I know thank you isn’t enough, but once again – Thank You – for everything! I appreciate the airing of your feelings and giving us a place to air ours (I love the „ripping the

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Die literarischen Schreibweisen sind zudem auf das spezifische Einflussfeld der literarischen Reiseliteratur zurückzuführen: Die Reise und die Selbsterkundung sind, laut Casey Blanton, spätestens seit der Renaissance eng miteinander verknüpft (Blanton 2002:4): der Reisebericht dient nicht nur der Beschreibung der Umwelt, sondern auch der des Wechselspiels zwischen dem Erzähler und den Anderen, die dort beschrieben werden (Blanton 2002:5). In britischen Reiseberichten sind narrative self-fashioning und travel writing eng miteinander verbunden (Hulme 2005), während in amerikanischen die Wechselwirkung von Reise einerseits und Leben als Reise andererseits, laut Blanton, noch deutlicher zu sehen ist. Blanton fasst die wichtigsten Kriterien der Gattung zusammen: Among the chief characteristics are a narrator/traveler who travels for the sake of travel itself; a narrative style that borrows from fiction in its use of rising and falling action, character and setting; a conscious commitment to represent the strange and exotic in ways that both familiarize and distance the foreign; a writerly concern with language and literature; and finally, thematic concerns that go beyond descriptions of people and places visited. (Blanton 2002:5)

Die augenscheinlichste Abweichung ist, dass der Sprecher aus 365 and a Wakeup nicht freiwillig reist: Thunder 6 muss in die Slums und tut dies als Soldat und nicht als unpolitischer Reisender. Neben dieser wichtigen Abweichung, lassen sich jedoch viele Übereinstimmungen zwischen 365 and a Wakeup und den aufgestellten Kriterien finden: Der Blog ist narrativ aufgebaut, mit einer literarischen Sprache versehen und die Beschreibung der Menschen ist in exotisierende Diskurse und einen größeren politischen Zusammenhang eingebunden. Die wichtigste Überschneidung für die vorliegende Analyse liegt jedoch in deren Einbindung in ein ideologisches Projekt: Vor allem die britische, aber auch die amerikanische Reiseliteratur über den Nahen Osten sind maßgeblich von dem politischen Projekt beeinflusst, dass dort von den zwei Mächten angestrebt wurde. Das heißt, 365

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ throats out“ comment). I think we all feel that way when we hear things detrimental to our great Military. Y’all continue the good job you’re doing and we’ll keep on hollerin’ at the naysayers! In my thoughts and prayers“ (Miss Birdlegs in Al, Rebound: 15.7.2005).

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and a Wakeup teilt nicht nur formale und inhaltliche Aspekte mit Reiseliteratur, sondern ist auch durch die ideologischen Strukturen derselben geprägt. Edward Said hat die Verbindung zwischen der akademischen Konstruktion des Orients und der institutionellen und wirtschaftlichen Beherrschung durch die Briten in Orientalism (1978) nachgewiesen. Billie Melman führt die Zusammenhänge zwischen politischer Beherrschung und tatsächlicher und diskursiver Erkundung in ihrem Aufsatz The Middle East/Arabia: ‚the cradle of Islam‘ in Bezug auf Reiseliteratur aus (Melman 2002). Sie postuliert Reiseliteratur als besonders ergiebiges Untersuchungsfeld, um die Verbindungen zwischen Kultur und Macht herauszustellen, macht aber zugleich auf die spezifischen Ambivalenzen dieses Felds aufmerksam: Reisende wie T. E. Lawrence und Wilfried Thesiger wollen zugleich einen arabischen Nationalismus formen und die noble Authentizität der arabischen Völker bewahren (Melman 2002:113, 16). Edward Said beschreibt am Ende seines Werks einen amerikanischen Orientalismus, der mit den wachsenden amerikanischen Interessen im Gebiet Einzug sowohl in die akademische Welt als auch in die Popkultur hält (Said 1978:285). Douglas Little zeichnet diese Stereotypen in American Orientalism noch genauer nach und zeigt, wie Araber in verschiedenen kulturellen Produkten (vom Blockbuster bis zur National Geographic) als fanatisch (Little 2004:38), despotisch (41), unzuverlässig (27), primitiv (17), aber auch als noble Wilde, die westliche Hilfe brauchen (17), dargestellt werden. Diese Stereotypen formierten sich, laut Little, in direktem Zusammenhang mit der Nahostpolitik nach dem zweiten Weltkrieg. Wie die kurze Zusammenfassung der Postings, die sich mit der irakischen Landschaft, den Kindern und den Soldaten beschäftigen, nahelegt, ist die Darstellung des Irak vor allem eine der Andersartigkeit des Landes und dessen Bewohner. Die Sonne und die Stürme, die immer wieder beschrieben werden, fallen eindeutig aus dem Erfahrungsrahmen des Bloggers heraus: „The heat is manageable, even with body armor. Miserable, but manageable. The sheer force of the sun is another matter entirely. The rays burn down with such force that the palm groves here rain down boiling sap“ (Meltdown: 16.8.2005). Der Schlamm scheint außerirdisch und die Sonne gemacht, um die Soldaten zu quälen. Ergänzt werden diese Beschreibungen durch die Besuche des Soldaten in den Palästen der gestürzten Despoten: Zum Beispiel wird ein Wohnhaus von Uday Hussein beschrieben und foto-

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grafiert, in dem der Sohn von Saddam Hussein seine Gegner an einen Tiger verfüttert haben soll.26 Die Beschreibungen sind stark von orientalistischen Darstellungsmustern geprägt: einerseits wird die Schönheit des Landes betont, andererseits die Armut und präindustrielle Bewirtschaftung. Die Darstellung der Iraker ist ebenfalls durch orientalistische Darstellungsmuster geprägt, die ergänzt werden durch aktuelle Stereotypen von Arabern. Auffällig ist, dass die Iraker kaum als Individuen auftreten, sondern meistens in Gruppen: Diese sind von Armut und fehlender Hygiene gezeichnet: die ärmliche Kleidung und Behausung der Slumbewohner wird in vielen Postings beschrieben und liefert den Soldaten die Möglichkeit, die Anwohner zu beschenken. Das eiterige Ohr eines Mädchens oder das faulige Bein eines kleinen Jungen, in Kombination mit der Betonung des Mülls, stellt die Iraker als ungepflegt dar. Der Ekel, der bei den Krankheitsbeschreibungen entsteht, findet seinen Höhepunkt in der Beschreibung einiger irakischer Sitten: Ein Schäfer behütet nicht nur seine Schafe, sondern saugt einem lebendigen Lamm das Blut aus dem Bein und bei der Einladung zum Essen gibt es Schafsköpfe, deren Augen die Iraker genüsslich verspeisen (The Silence of the Lambs: 6.9.2005). Wie auch schon der Orientalismus der frühen Orientforscher dem Westen die Diskursmacht über den Orient gab und Imperialismus und Missionierung rechtfertigte, so hängen auch heute die stereotype Darstellung der Araber und die Machtverhältnisse zwischen Ost und West zusammen. Hauptsächlich die Darstellung arabischer Länder als reich an Kultur, aber arm an potenzieller Entwicklung ist ausschlaggebend: Die Iraker erscheinen als stagnierendes Volk, das, unfähig zur Demokratie, von mittelalterlichen Despoten regiert wird. Den Amerikanern fällt dann die schwierige Aufgabe zu, diese Araber von der Demokratie zu überzeugen und sie zu mündigen Bürgern zu machen. Dieses Machtgefälle findet sich in den Beschreibungen der Interaktion mit den irakischen Soldaten, die zwar als bedingt lernwillig gelten, aber oft nicht fähig, die Probleme zu bewältigen. Durch den Einfluss des Reisberichts werden in 365 and a Wakeup die orientalistische Darstellung des Iraks mit dem interventionistischen Deutungsschema in der Kriegsdarstellung kombiniert. Die Soldaten sind unermüdlich im Einsatz, um das Leben der Iraker zu verbessern, sei es bei der

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26 http://thunder6.typepad.com/photos/iraq_pictures/palace_pics_003.html

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Verteilung von Spielzeug oder der Bemannung eines Wahllokals. Der Kontakt sowohl zu den Slumbewohnern als auch zu den Irakern geschieht im Rahmen eines zivilisatorischen Projekts, bei dem die amerikanischen Soldaten den Irakern helfen, Demokratie und Gerechtigkeit im eigenen Land zu etablieren. Doch verändert das demokratische Projekt auch die gängigen Darstellungsverfahren des Orientalismus, denn, im Gegensatz zu den britischen Imperialisten, die eine autonome Demokratie allgemein als unmöglich ansahen, ist das erklärte Endziel dieser Mission die autonome Demokratie im Irak. Dieses prägt ebenfalls die Kriegsdarstellung, denn viele der Berichte enden hoffnungsvoll sowohl für den Sprecher als auch für die Iraker (Balance 12.9.2005 und die Election-Serien I und II).

T EXTANALYSE EINER P OSTING -S ERIE : E LECTIONS – P ART I-IV Kurz vor dem Ende der regelmäßigen Aktualisierung des Blogs wurde die Serie Elections – Part I-IV veröffentlicht, in der die Parlamentswahlen im Dezember 2005 geschildert werden.27 Auf die ausführliche Serie folgen nur noch zwei Einträge: ein Posting zu einem Verstorbenen und ein kurzer Hinweis auf die Nominierung in einem Blogwettbewerb. Die Serie wurde insgesamt von ungefähr 70 Lesern kommentiert und auf verschiedenen AList Milblogs angelinkt.28 Eine abschließende Textanalyse zeigt einige, im vorherigen Unterkapitel bereits herausgearbeiteten Darstellungsverfahren, nun gebündelt auf. Die Einträge wurden zwar jeweils unter dem Datum des entsprechenden Ereignisses gepostet, doch scheint der Blogger die Texte nachträglich ver-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 27 Im Oktober 2005 wurde eine weitere Serie unter dem Namen Elections Part IIII veröffentlicht, die die Ratifizierung der Verfassung beschreiben. Auch hier werden die Bemühungen der amerikanischen Soldaten und Iraker für die irakische Demokratie beschrieben, doch sie endet mit der Verletzung eines kleinen Mädchens durch einen Querflieger. Mit der zweiten Election-Serie kehrt der Blog noch einmal zur aufblühenden Demokratie im Irak als Schauplatz für den militärischen Einsatz zurück. 28 Zum Beispiel Winds of Change und Milblogging.com.

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öffentlicht zu haben: Die ersten drei Postings sind am 13.12. und das Posting zum Wahltag am 15.12., dem Tag der Wahl, zu finden.29 Damit korreliert die Datierung der Einträge mit der offiziellen Datierung des Wahlverlaufs. Die Einträge im Internet Archive sind jedoch erst eine Woche später zu finden und die Kommentare zu den Beiträgen wurden einige Tage nach der Wahl hinterlassen.30 Zudem erwähnt der Sprecher das Bloggen in seiner Beschreibung der dicht verplanten Tage nicht. Thunder 6 leitet als Captain eine amerikanische Infanterieeinheit und ein irakisches Public Order Bataillon (kurz POB) bei der Sicherung und Bewachung einer zum Wahllokal umfunktionierten Schule. Elections – Part I-IV beschreibt die Anfahrt und die Sicherung des Wahllokals, die Wahl selbst und den Abzug. Die Wahlen und die politischen Parteien, die zur Wahl stehen, werden kurz besprochen, doch die Serie stellt hauptsächlich eine Mikroperspektive auf die Sicherung des Wahllokal in Bagdads Süden zur Verfügung, auf die Aufgabe amerikanischer Soldaten in den irakischen Parlamentswahlen. Dementsprechend stehen Militärtechnologien, der Einsatz an sich, die Aufgaben von Thunder 6 als Kommandierender und die Beschreibung der irakischen Soldaten im Vordergrund. Elections – Part I beginnt mit der Beschreibung der gepanzerten Fahrzeuge, die die Soldaten zur Schule bringen: As our lead elements turned into sector I started to laugh at the absurd amount of military might rumbling into our AO. Our normal patrols carry a fearsome amount of weaponry, but this was something altogether different. The point element was composed entirely of M1 tanks and the impregnable Buffalo IED clearing vehicle, as they cleared the road ahead of us the resembled nothing more then the armored prow of an icebreaker. Their appointed task was to keep a watchful eye for the insidious IEDs that seem to metastasize along our routes. Their titanic weight and their powerful engines seemed to bleed through the asphalt in trembling crests, a microquake with the convoy at its epicenter. They slowly moved out of sight, and eventually

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29 Ursprünglich scheint das Posting, das Election II und III enthält, jedoch am 14.12. gepostet worden zu sein. Dies lässt sich dem Internet-Archiv entnehmen (http://web.archive.org/web/*/http://thunder6.typepad.com). 30 Die Kommentare zu Election IV wurden größtenteils sogar erst am 29.12. hinterlassen.

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even the sound of their titanic engines was subsumed in the low din of morning. A few minutes later our election day convoy moved out, a sinewy strip of armor and weaponry. (Elections – Part I: 13.12.2005)

Der Sprecher positioniert sich als Beobachter, aus dessen Perspektive die folgenden Ereignisse beschrieben werden und der Leser nimmt die herannahenden Fahrzeuge durch dessen amüsiertes Auge wahr. Dieser Blick weicht jedoch schnell einer eindringlichen Beschreibung der Fahrzeuge: die Ankunft der bio-technologisch anmutenden Fahrzeuge – deren hydraulische Macht wellenförmig in den Asphalt blutet, um den ebenfalls organischen Feind, das Krebsgeschwür IED, zu vernichten –signalisiert gleich zu Anfang die Dominanz von Militärtechnologien in der Schilderung der Wahltage. Zudem verschmelzen die Panzer und deren Mannschaften: das „Their“ des Textes könnte sich sowohl auf die Soldaten als auch auf ihre Gefährte beziehen. Im folgenden Absatz wird diese organische Technologie märchenhaft: „The armored flanks of our element glinted in the morning light, as bright and hard as the scales of a storybook dragon“ und personifiziert „Our grim parade of vehicles were led out by the low, angry profile of M1 tanks“ (Elections – Part I: 13.12.2005).31 Die schon als lebendig beschriebene Militärtechnologie wird zu einem fabelhaftem Wesen, in dessen Angesicht der Sprecher zurücktritt und dessen Beschreibung als Einführung für die ganze Serie dient. Der zweite Absatz endet entsprechend mit dem Satz: „This assemblage had only one purpose – secure an election site in one of the worst areas in Southern Baghdad.“ Die Verschränkung von Waffentechnologien und amerikanischen Soldaten bleibt während der gesamten Serie bestehen und auch die Entpersonalisierung, die die Soldaten dadurch erfahren. Auch das irakische POB wird in Elections – Part II Teil der biotechnologischen Panzerwagen: As they pulled into the epicenter of our armored cocoon the chrysalis cracked and the formation folded into its next form. The outer rings of vehicles peeled away, splintering into their overwatch positions. What they left behind was a single wall of

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 31 Einige Sätze später folgt mit „bellowing war machines“ eine weitere Personifikation.

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armored vehicles with the vulnerable POB serving as the kernel seed. ǻElections –ȱ Part II: 13.12.2005Ǽ

Die Iraker werden in diesem Bild jedoch nicht nur Teil des Waffentiers, sondern sie sind − in einer der diskutierten inkohärenten Metaphern − der Kern der Raupe. Die Darstellung der irakischen Soldaten als Keim in Mitten der amerikanischen Macht, verweist auf den größeren ideologischen Zusammenhang, in dem die Wahlen und auch der Blog als Ganzes stehen: die USA beschützen die Geburtsstunde der irakischen Demokratie. Die irakischen Soldaten sind die Hoffnungsträger der Demokratie, doch sie werden zugleich durch orientalistische Darstellungsmuster charakterisiert: As I glanced at the POB element sitting there in their standard issue 4 door light pickup trucks I almost laughed, they seemed to be a cross between a college road trip and a collection of Chinese acrobats. […] Each cab was crammed with six to seven POB soldiers huddled together as tightly as a coiled spring. They were so tightly packed that when you looked into the cab you couldn’t identify individual occupants, it just seemed like a collection of limbs and heads were sprouting out of a crumpled pile of uniforms. […] The majority of their bodies seemed to be hanging off the vehicle, but they managed to balance there in defiance of all known laws of gravity. (Elections – Part II: 13.12.2005Ǽ

Die Iraker werden als ein unübersichtlicher Haufen vorgestellt. Sie sind unfreiwillig komische und kindliche Akrobaten, die nicht geordnet auftreten und keineswegs die Anmut der amerikanischen Militärtechnologien aufweisen. Diese humoristische Darstellung der Iraker dient als Comic Relief für die langen Technologie- und Einsatzbeschreibungen.32 Die lustvolle Be-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32 Durch den Rückgriff auf solche orientalistischen Stereotypen, kann auch eine Differenzierung zwischen amerikanischen und irakischen Soldaten gemacht werden, die zusätzlich dadurch unterstrichen wird, dass das Wort soldier, wenn es der Beschreibung von amerikanischen Soldaten dient, stets großgeschrieben wird, wenn es die irakischen meint jedoch klein.32 Professionalität dominiert die Charakterisierung der amerikanischen Soldaten: ihre Arbeit, ihre Effizienz und

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schreibung der Faxen der Iraker unterbricht die Ernsthaftigkeit der Vorbereitungen: The thoughtful DFAC crew had sent a mermite full of red jello, and watching the Iraqis poke and prod the wobbling scarlet cubes had me laughing outright. Finally one of the Iraqis grabbed one of the cubes and popped it in his mouth. As he chewed on the jello his grimace melted into a wide smile, and he quickly asked for more. From then on every POB soldier giddily asked for large portions of jello to accompany their meal. (Elections – Part II: 13.12.2005)

Die Charakterisierung der Iraker erinnert an die halbkindlichen Einheimischen kolonialer Texte, die breit grinsend dem westlichen Erzähler durch ihre Possen Vergnügen bereiten und greift auf eine Tradition von Darstellungen von Arabern als Kinder oder Tollpatsche zurück, die von Kiplings The White Man’s Burden (1899) bis Disney’s Aladdin (1992) reicht (Shaheen 2003:176).33 Diese humoristische Charakterisierung der Iraker ist Teil der orientalistischen Darstellungsverfahren, die beispielsweise in den Einsätzen im Slum dominieren, in denen die Iraker als unzivilisiertes oder stagnierendes, wenn auch hoffnungsvolles Volk beschrieben werden.34

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ihr Können in der Befestigung und Bewachung der Schule werden detailliert beschrieben. Die amerikanischen Soldaten werden als professionelle Einsatztruppe beschrieben, die routiniert und gekonnt in einem fremden Gebiet den Einsatz vorbereitet, durchführt und am Ende zum nächsten Schauplatz für weiterzieht: „We said our last goodbyes to the Iraqi troops and then slipped back into the night“ȱ(Elections – Part IV: 15.12.2005). 33 Der Filmwissenschaftler Jack Shaheen argumentiert, dass sogenannte Reel Arabs in Hollywoodfilmen vor allem Bösewichte oder Clowns sein können: „Scores of comedies present Arabs as buffoons, stumbling all over themselves.“ (Shaheen 2003:176) 34 Shaheen weist daraufhin, dass Reel Arabs teilweise sogar als Hunde oder Affen beschreiben werden (Shaheen 2003:177). Die Darstellung mit Hilfe von Tierbildern findet auch in Elections – Part III statt: „By the afternoon the election officials arrived in a sputtering column of ancient cars and trucks. As they stepped out of their vehicles they nervously scanned the area, their heads craning about like a frightened herd of elk. As they took in their surroundings

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Ein maßgeblicher Unterschied zu den Darstellungsverfahren des (amerikanischen) Orientalismus (Little 2004; Said 1978:286), ist jedoch, dass die Iraker nicht als Bösewichte dargestellt werden, sondern als lernwillig und dankbar.35 Der Sprecher schildert eine Interaktion mit dem irakischen Leutnant, der ihm als Kommandierender des POB unterstellt ist und während des Wahltags mit dem POB-Element die Wahlstation alleine bewachen muss. Thunder 6 muss seine Vorurteile über die Unzuverlässigkeit und die mangelnden, taktischen Fähigkeiten der irakischen Truppen während des Gesprächs revidieren: After he had given me the information I paused for a moment, waiting for the Iraqi LT to start his litany of supply requests. The silence seemed to yawn out, and as it started to become awkward I turned to Black Sheep and asked why he wasn’t demanding equipment. […] After a brief exchange Black Sheep turned to me and said ‚The LT has several shortages, but before he asks he wants to ensure his security positions are in the right location.‘ I’m not sure what answer I was expecting, but it certainly wasn’t that one. I silently chastised myself for being so jaded, and started towards the areas I wanted the Iraqis to occupy. As we walked to the first set of positions I felt utterly bewildered, and for the first time I started to question some of my preconceptions about their tactical utility. Once we were overlooking the area I wanted them to overwatch I explained my intent and asked the LT to show me where he planned to arrange his forces. Once Black Sheep finished translating the LT looked around for a few seconds and then pointed out two positions. The first location was tactically perfect, a commanding position with perfect views over the main avenues of approach. The second was tactically sound, but slightly off my as-

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ their gaze seemed to settle on the array of armored vehicles and weapons ringing the compound. Their eyes darted from vehicle to vehicle and from position to position, and as they did their nervous ticks dropped away like a winter coat. Emboldened by the unyielding forces deployed around them the election officials started to download equipment off the overburdened trucks“ (13.12.2005). Erst die amerikanische Militärmacht beruhigt die nervösen Wahlmänner. 35 Der Araber als cleverer Dieb und verschlagener Gauner ist ein ebenso etabliertes Darstellungsmuster (Shaheen 2003:172). Solche Muster werden in 365 and a Wakeup nur in Bezug auf Saddam Hussein und seine Familie verwendet. Selbst die AIF kommen nur selten vor.

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sessment of the best location. […] We walked from point to point, with the LT pointing out positions and asking for my assessment. Most of his choices were well made, and when he made mistakes I quietly pointed out where he might want to set up instead. Each time I offered a suggestion he readily agreed, and by time we moved to the second site he was choosing strong tactical positions. (Elections – Part II: 13.12.2005)

Das Zitat veranschaulicht die Anpassung orientalistischer Darstellungsverfahren an das demokratisierende Projekt der Amerikaner. Die Interaktion versinnbildlicht dieses Projekt, denn der amerikanische Soldat kann seine Fähigkeiten an den irakischen weitergeben und das Ganze geschieht, um eine faire Wahl zu ermöglichen. Das interventionistische Vorhaben der Demokratisierung des Iraks, in dem die USA und das amerikanische Militär das eigene Wissen und die eigenen Werte vermitteln, wird an einem persönlichen Beispiel illustriert. Der Leutnant nimmt diese Hilfe an und lernt, selbst die nötigen Entscheidungen zu treffen, womit ein exemplarischer Vermittlungsprozess von Lehrer zu Schüler stattgefunden hat. Zudem differenziert diese Interaktion die stereotype Darstellung grinsender Iraker. Das Reiseliteraturmotiv der Selbsterkenntnis durch Konfrontation mit dem Anderen (Blanton 2002:15) schließt die Begegnung von Thunder6 mit dem irakischen Leutnant ab: er legt seinen Zynismus im Angesicht dieser offenen Lernwilligkeit ab und wird zu einem zurückhaltenden Lehrmeister. Unter diesen veränderten Vorzeichen findet am Schluss der Serie die Wahl statt. Während des Postings ist bereits zweimal die Sonne hoffnungsvoll im Osten aufgegangen: Diese Hoffnung wird in der pluralistischen Gemeinschaft, die am Wahltag zur Wahl geht, erfüllt.

K RIEGSDARSTELLUNG UND S PRECHERPOSITION IN 365 AND A W AKEUP Die Analyse der Elections-Serie fasst die unterschiedlichen Ergebnisse der Interpretation des gesamten Blogs zusammen und lässt folgendes Resümee zu: Die Kriegsdarstellung in 365 and a Wake Up ist eine Darstellung des amerikanischen Militärs. Diese ist bestimmt von technologischen Motiven, die auf die Soldaten ausgeweitet werden. Das Militär ist ein zielgerichteter Garant für Sicherheit und Fortschritt, der maßgeblich am Erfolg der iraki-

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schen Demokratie beteiligt ist. Die Charakterisierung der Iraker ist zwar durch orientalistische Muster geprägt, wird jedoch mit dem interventionistischen Demokratieprojekt in Einklang gebracht. Letztendlich ist dieses Projekt auch erfolgreich: eine tolerante Gesellschaft geht an diesem Tag wählen. Doch auf die Serie folgt ein letztes Posting zu einem getöteten Soldaten. Wie in LT Smash bewirkt der Fokus auf den soldatischen Alltag, dass das Sterben im Krieg zu einem wichtigen Bestandteil des Blogs wird. Die propagandistische Kriegsdarstellung wird durch die vielen Toten und die Trauer des Sprechers angegriffen, denn es wird deutlich, dass das interventionistische Projekt nicht ohne Verluste durchzuführen ist. Es wurde gezeigt, dass 365 and a Wakeup die Ideologie, die die Außenpolitik der Bush-Administration prägt, blogspezifisch wiedergibt. Doch geschieht dies nicht, wie in den Newsmilblogs, indem politische Positionen erörtert werden. Die Erfahrungen werden in einem literarischen Bericht präsentiert, der durch den Ich-Erzähler und das fehlende Lektorat blogspezifisch wird. Sowohl narratologisch als auch in Bezug auf die Selbstdarstellung des Erzählers lassen sich die Darstellungsverfahren der Reiseliteratur in 365 and a Wakeup nachvollziehen. Der prägnanteste Einfluss dieser Gattung ist jedoch die Verwendung orientalistischer Darstellungsmuster. Doch können nur gewisse Aspekte des Orientalismus übernommen werden, denn der Interventionismus hatte – laut Doktrin − die autonome Demokratie zum Ziel. Der Sprecher übernimmt die außenpolitischen und militärstrategischen Positionen des Warrior Citizen Journalist. Doch werden diese Positionen nicht explizit gemacht, sondern sie fließen in einen mikroperspektivischen Alltagsbericht ein, dessen Effekte der Intimität und Personalisierung die Glaubwürdigkeit der Darstellung erhöhen. Der Blog erfüllt – neben interpersonalen und selbstdarstellenden kommunikativen Funktionen − eine Funktion als symbolische Kriegsführung, indem die Agenda der Administration und des Pentagon in diesem Rahmen vertreten werden. Thunder 6 teilt nicht nur die außenpolitischen Positionen des Warrior Citizen Journalists, sondern setzt auch das Kommunikationsinteresse der Milblogging Community, Milblogs strategisch im Infowar zu positionieren, um.

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8. Tendenzen der Kriegsdarstellung in Blogs

In den vorgehenden Kapiteln, deren Ziel es war, das Phänomen Milblog analytisch zu erschließen und die Eigenschaften einer milblogspezifischen Kriegsdarstellung zu untersuchen, bestätigt sich die Hypothese, dass Milblogs zum Untersuchungszeitraum nur mit großen Abstrichen zu typologisieren waren und solch eine Systematisierung der Komplexität der einzelnen Milblogs nicht hätte gerecht werden können. Die Ergebnisbündelung der Analysen ermöglicht jedoch einige Aussagen über Tendenzen der Kriegsdarstellung in Milblogs. Im Folgenden werden diese Ergebnisse und damit auch übergreifende Eigenschaften vorgestellt. Dieser Ertrag kann dazu beitragen, die in der Forschungsliteratur häufig gestellte Frage nach den Potentialen von Milblogs zu diskutieren. Zudem können diese Eigenschaften als Grundlage für weitere Untersuchungen von Milblogs verwendet werden: Nach den ungeordneten Anfangsjahren lässt sich aktuell ein Prozess der Institutionalisierung beobachten (Wall 2010). Es könnte sein, dass sich Milblogs nun in Typen systematisieren lassen oder aber Gattungsmerkmale bestimmt werden können. In der Sammlung der Ergebnisse muss zwischen Aussagen über Milblogs und über Blogs differenziert werden, denn die Formate und Inhalte von Blogs sind stets ausgeformt durch den Sprecher und das Netzwerk, in dem sie verortet sind. Demnach prägen der soldatische Sprecher und die Milblogosphäre die Kriegsdarstellung in Blogs. Nicht alle Aussagen, die über Milblogs gemacht werden, können auf Blogs allgemein angewendet werden. Daher werden die Eigenschaften der Kriegsdarstellung in Milblogs

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präsentiert und dann die von Blogs allgemein, losgelöst von der Spezifik des Sprechers und des Gegenstands. Die Kriegsdarstellung in Milblogs von 2003 bis 2005 weist eine Vielzahl von Verfahren auf: Als erste wichtige Eigenschaft muss deren Veränderlichkeit und Unstetigkeit festgehalten werden. Diese Varianz der Darstellungsverfahren findet jedoch in einem stabilen Rahmen statt, der durch die gleichbleibenden Merkmale des Blogs strukturiert wird. Trotz der Unbeständigkeit des Mediums lassen sich daher vier Eigenschaften bestimmen, die die Darstellung in Milblogs prägen: Erstens, eine multidimensionale Konvergenz, durch die auf verschiedenen Ebenen Inhalte, Formate und Akteure beziehungsweise Institutionen zusammenfließen. Zweitens die Dominanz des blogspezifischen Sprechers, durch die eine internetspezifische Selbstdarstellung zu einem ausschlaggebenden Merkmal der Kriegsdarstellung wird. Drittens das Netzwerk, das die Darstellungsverfahren und die Kommunikationsprozesse im Blog prägt. Viertens weist die Kriegsdarstellung in Milblogs einen hohen Grad an Medienreferentialität auf: Milblogs sind abhängig von den Primärinformationen anderer Anbieter und verweisen gleichzeitig auf deren Mängel zur eigenen Positionierung. Sie sind eingebunden in die Darstellungsverfahren des Medienereignisses Irakkrieg, deuten diese medienspezifisch um und verstärken sie. Eine blogspezifische Konvergenz von Medien, Formaten, Akteuren und Institutionen ist eine der maßgeblichen Eigenschaften der Kriegsdarstellung in Milblogs. Henry Jenkins versucht mit seinem Modell der Convergence Culture (2006) eine Vielzahl digitaler medialer Phänomene zu erfassen, die als Gemeinsamkeit die Auflösung bisher etablierter Grenzen und die Kombination bislang getrennter Einheiten aufweisen: Konvergenz beschreibt das Zusammenfließen unterschiedlicher Medien und Formate in digitalen Medien, die Partizipation des Publikums an der Produktion, Verteilung und Veränderung von Medien und Medieninhalten und die Konzentration von Medienproduktion in einigen wenigen Medienanbietern (Jenkins 2006). Dieses komplexe Phänomen kann auch eine Vielzahl der Eigenschaften der Kriegsdarstellung in Milblogs erklären und stellt uns ein übergeordnetes Modell für scheinbar unterschiedliche Vorgänge zur Verfügung. Milblogs greifen auf eine Vielzahl von Medien zurück, um Krieg zu thematisieren: Die Kriegsdarstellung ist multimedial. Dadurch integrieren Milblogs innerhalb des kleinen Formats verschiedene Medienanbieter, die auch in der Kriegsberichterstattung bedeutsam sind: Die analysierten Mil-

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blogs beinhalten Text, interaktive Kommunikation1, Bilder und Werbung – in anderen Milblogs finden sich zusätzlich Videos und Musik. Blogspezifisch ist, dass viele der multimedialen Elemente als Paratexte für die Postings dienen und, dass die mediale Konvergenz in Milblogs eher eine unterstützende Funktion – beispielsweise eine charakterisierende Funktion − für das textlastigen Posting hat. Weiterhin muss bedacht werden, dass die Darstellung nicht in einem abgesonderten Medium existiert, sondern, dass Milblogs als binärer Code Teil großer Datenbanken sind. Der Blog weist also nicht nur eine Konvergenz von Medienformaten auf, sondern ist Teil einer grundlegenden technologischen Konvergenz, die die Darstellung maßgeblich durch ihre Modularität und Hypertextualität strukturiert.2 Blogs können aufgrund dieser technologischen Konvergenz, wie alle anderen digitalen Medien auch, weitere Medien und Inhalte integrieren, indem sie diese einbetten oder verlinken. Andersherum können sie in neue, digitale Formate integriert werden: aktuell werden Blogs beispielsweise häufig genutzt, um die kurzen TwitterTexte mit Fotografien oder Text zu ergänzen. Weiterhin lässt sich die Konvergenz von Textformaten als eine der Eigenschaften der Kriegsdarstellung in Milblogs beobachten. Diese Konvergenz findet auf drei verschiedenen Ebenen statt: Erstens kann ein Blog viele unterschiedliche Formate in den verschiedenen Postings vereinen, so dass ein Bericht von einer Parodie abgelöst und durch einen Brief ergänzt wird. Zweitens kann ein Blog verschiedene Formate in einem einzigen Posting zusammenführen, beispielsweise einen Brief an die Ehefrau mit Nachrichtenkommentar und Wetterbeschreibung. Drittens werden Vorgängermedien und deren Darstellungsverfahren aufgegriffen und in blogspezifische Formate integriert, zum Beispiel der uneditierte und aktualisierte Rei-

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Die interaktive Kommunikation in den Kommentaren kann, wenn man nach einer medialen Entsprechung sucht, beispielsweise als Chat oder als Forum konzeptionalisiert werden. Susan Herring beschreibt den Blog als Brücke zwischen einer Webseite und einem Chat (Herring u.a. 2005).

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An dieser Stelle lässt sich auch die Zentralisierung von Unternehmen beobachten, die Jenkins ebenfalls als Teil der Convergence Culture identifiziert: die Großzahl der Blogs werden von dem Anbieter Blogger.com gehostet, der 2003 von Google gekauft wurde.

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sebericht mit Fotografien. Diese Integration und Umdeutung von Vorgängermedien und Gattungen ist in Blogs besonders durchlässig: Darstellungsverfahren eines literarischen Vorgängers werden aufgegriffen und in Kombination mit intermedialen Codes in die Kriegsdarstellung integriert. Die getätigten Referenzen können zudem stark variieren. Zu dieser Konvergenz von Textformaten kann letztlich noch die Konvergenz von kommunikativen Gattungen hinzugefügt werden: massenmediale Gattungen, solche die keine direkte Feedback-Schlaufe zwischen Sender und Empfänger erlauben und interpersonalen kommunikativen Gattungen treten hier in Kombination auf. Konvergenz beschreibt nicht nur mediale und textuelle Phänomene, sondern umfasst auch die Grenzaufhebungen zwischen Produzenten und Rezipienten in digitalen Medien. In Milblogs kann diese Verschiebung der Rollen der Medienakteure hauptsächlich als eine Partizipation vormaliger Rezipienten nachvollzogen werden: Der soldatische Sprecher nimmt als Laie und Soldat an einem öffentlichen, journalistischen und militärstrategischen Diskurs teil und kann potentiell an einer vorher nur schwer zugänglichen professionellen Kriegsberichterstattung teilhaben. Die soldatische und interpersonale Kriegsdarstellung kann Teil ganz neuer Kommunikationsprozesse werden und ist nicht an interpersonale Kommunikation gebunden. Weiterhin kann der Leser des Blogs durch die Kommentare aktiv an der Kriegsdarstellung teilhaben: Die Rezipienten, die nun treffender als Nutzer beschrieben werden, können in eine Interaktion mit dem Sprecher treten und werden für nachfolgende Leser zu einem Teil des Textes. Diese Konvergenz der Medienakteure hat zur Folge, dass Kriegsdarstellung in Milblogs und in der Milblogosphäre multivokal ist und neue Sprecher ihre spezifische Agenda im Medienereignis vertreten können. So kann eine soldatische Perspektive in die Berichterstattung integriert werden. Konvergenz muss als übergreifende Eigenschaft der Kriegsdarstellung in Blogs begriffen werden, die verschiedene Merkmale in sich vereint: Multimedialität, Modularität und Hypertextualität, Gattungs- und Formatvielfalt, Multivokalität der Darstellung und Teilhabe an bisher begrenzten journalistischen und militärstrategischen Kommunikationsprozessen. Eine weitere Eigenschaft der Kriegsdarstellung in Milblogs ist die Dominanz des Sprechers und die dadurch entstehende Perspektivierung: Die Kriegsdarstellungen sind durch die Ich-Perspektive des Sprechers ausgeformt, der durch die Blog-Merkmale About und Blogroll charakterisiert wird. Durch diese Dominanz des Sprechers wird Selbstdarstellung ein aus-

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schlaggebender Teil der Kriegsdarstellung in Milblogs. Diese Selbstdarstellung ist blogspezifisch: Die textuelle Identität im Blog ist stabil − man kann von einer stabilen Autorfunktion sprechen, denn der Sprecher wird durch die Blog-Merkmale charakterisiert und durch das Netzwerk legitimiert. Die textuellen Identitäten in Blogs sind maßgeblich durch die Netzwerke, in denen sie verortet sind, bestimmt. Die Thematisierung von Krieg weist eine blogspezifische Selbstdarstellung auf, von der vermutet werden kann, dass sie stabile Teilidentitäten produziert und nicht fragmentierte oder von Offline-Praktiken losgelöste Identitäten. Doch sind die Sprecher häufig anonym und nicht durch eine Institution, wie eine Zeitung, beglaubigt. Da die Dominanz des Ich-Erzählers die Kriegsdarstellungen maßgeblich perspektiviert, charakterisiert die Mikroperspektive die Kommunikationssituation im Milblog. Dies rückt die militärische Perspektive auf Krieg stark in den Vordergrund und betont beispielsweise die waffentechnischen Betrachtungsweisen einer Gefechtssituation. Politische und historische Zusammenhänge werden tendenziell ausgelassen und die Kriegsdarstellung in soldatischen Milblogs wird nicht kontextualisiert und zugleich personalisiert.3 Auch die Darstellung der Umgebung ist durch den militärischen und amerikanischen Sprecher perspektiviert, so dass beispielsweise der Irak häufig anhand des körperlichen Unwohlseins der Soldaten aufgrund des Wetters beschrieben wird und die Iraker die Rolle des fremden Gegenüber – des Other − im Selbstdarstellungsprozess übernehmen. Mikroperspektive und Selbstdarstellung prägen auch den Inhalt der Kriegsdarstellungen, denn es werden überwiegend die täglichen Erfahrungen des Bloggers und somit der soldatische Alltag geschildert: Verwaltungsarbeit, wöchentliche Reinigungsarbeiten, Wartezeiten, die Weiterbildung und der berufliche Aufstieg dominieren inhaltlich die Kriegsdarstellung. Gefechtsszenen oder Feindkontakt treten nicht in einer vergleichbaren Häufigkeit auf. Die soldatische – und zensierte − Mikroperspektive betont daher deutlich andere inhaltliche Elemente als die journalistische Kriegsberichterstattung. Ein weiterer, ansonsten vernachlässigter Aspekt von Krieg, der durch die Alltagsbeschreibungen in den Vordergrund rückt, sind die so-

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Diese Auslassungen werden von Newsmilblogs ergänzt: Die verschiedenen Blogs in der Milblogosphäre übernehmen verschiedene Funktionen der Kriegsdarstellung, vom Augenzeugenbericht bis zur politischen Diskussion.

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zialen und organisatorischen Dimensionen des Sterbens im Krieg, beispielsweise Beerdigung und Trauer. Durch die mikroperspektivische Alltagsdarstellung werden das Sterben und die Trauer betont. Wie die Besprechung der durch die Mikroperspektive hervorgehobenen Inhalte schon nahelegt, betont die Ich-Perspektive und die damit verbundene soldatische Selbstdarstellung die soldatische Rolle im Krieg. Die Kriegsdarstellung in Milblogs ist ein Verhandlungsort verschiedener Identitätsmodelle, die einer soldatischen Selbstdarstellung zur Verfügung stehen – vom rebellischen Grunt bis zum professionellen Nation-Builder. Dass diese Form der soldatischen Selbstdarstellung überhaupt möglich ist, lässt bereits auf maßgebliche Veränderungen der soldatischen Teilhabe an einem öffentlichen Diskurs und Veränderungen in der soldatischen Rolle in der Gesellschaft schließen.4 Die restriktiven Reaktionen des Verteidigungsministeriums und die Zensur spiegeln diese Veränderungen der soldatischen Position im Militär und im Krieg wider. Die Ich-Perspektive und die Selbstdarstellung sind bestimmende Eigenschaften der Kriegsdarstellung in Milblogs: Die Mikroperspektive auf den Krieg, der soldatische Alltag und die Selbstthematisierung treten in den Vordergrund der Darstellung. Weiterhin kann vermutet werden, dass dieser Fokus zu bestimmten thematischen Schwerpunkten in der Kriegsdarstellung führen wird: Neben der besprochenen Rollenverhandlung könnten Männlichkeit, soziale Beziehungen, Angst beziehungsweise posttraumatischer Stress und Fremdheit solche Themen sein. Wie in der Diskussion des Sprechers bereits angedeutet wurde, ist dieser und die Kriegsdarstellung maßgeblich bestimmt von der Organisation des Blogs in einem Netzwerk. Auch im Netzwerk dominanten Darstellungsverfahren, sozusagen die diskursive Beschaffenheit des Netzwerkes, wirken sich entscheidend aus. Milblogs sind häufig Teil eines militärnahen Netzwerks, dessen Kriegsdarstellung von militärischen Themen und von konservativen, medienkritischen und promilitärischen Darstellungsverfahren und Kommunikationsinteressen bestimmt sind.

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Diese Veränderungen können auch auf die Veränderungen in der Medialisierung von Krieg und in der Kriegsführung zurückgeführt werden (siehe dazu Kapitel 5).

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Durch diese Einbindung in ein soziales Netzwerk werden zudem die interpersonalen Beziehungen der Netzwerkmitglieder Teil der Kriegsdarstellung: Das Netzwerk, in dem der Milblog verortet ist, kann durch die Multivokalität des Blogs an der Kriegsdarstellung teilhaben. Die organisatorischen Aspekte eines Einsatzes, beispielsweise das gemeinschaftliche Trauern um einen Verstorbenen und die militärstrategischen Ziele, werden durch die computervermittelte Vernetzung von Blogs zu einem maßgeblichen Teil der Kriegsdarstellung. Abschließend lässt sich als eine Eigenschaft der Kriegsdarstellung in Milblogs ein hoher Grad an Medienreferenzialität feststellen: Milblogs weisen viele Ausformungen von zeitgenössischen Darstellungsverfahren auf. Diese werden blogspezifisch umgesetzt, wie in der schriftlichen Ereignishaftigkeit von My War oder der unredigierten Literarität von 365 and a Wakeup deutlich wurde. Oder aber sie werden blogspezifisch verstärkt, wie bei der Zuspitzung auf die Mikroperspektive, die durch die Teilnahme am Gefecht stärkere Unmittelbarkeitseffekte und durch den Einsatz des eigenen Lebens Authentizität beanspruchen kann. Auch positionieren sich die Sprecher von Milblogs als korrigierende Instanzen im Medienereignis und berufen sich hierbei auf eine strategisch ausgewertete Medienspezifik. Ihre Legitimität als Teilhaber an einem öffentlichen Diskurs ist von der Position als Korrektiv der etablierten Medien abhängig. Die soldatischen Milblogs sind aber auf Newsmilblogs angewiesen, um ihre Augenzeugenberichte in politischen oder strategischen Zusammenhängen zu verorten. Newsmilblogs wiederum produzieren keine originären Informationen, sondern sind auf die bereits existierenden Medienanbieter, vor allem auf die Nachrichtensender und deren digitale Angebote, angewiesen und verwerten deren Material in ihren Kommentaren. Die Kriegsdarstellung in Milblogs ist daher in besonderem Maße durch die Selbstreferentialität der Medien geprägt. Diese ist zudem durch eine Art Doppelbindung charakterisiert, denn Blogs nutzen sowohl die Informationen als auch die Formate anderer berichterstattender Medien und distanzieren sich durch eine strategisch ausgewertete Medienspezifik von den Medienangeboten, die aktuell ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen müssen – allen voran CNN.

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Obwohl Milblogs zum Untersuchungszeitraum ein vielseitiges und neues Phänomen waren, konnten einige allgemeingültige Aussagen über die Eigenschaften der Kriegsdarstellung getroffen werden. Ein Teil dieser Aussagen trifft auch auf Darstellung in Blogs allgemein zu, denn die Spezifik von Milblogs entsteht in erster Linie durch den soldatischen Sprecher und die Milblogosphäre. Eigenschaften, die jenseits dieser Besonderheiten auch auf die Medienspezifik des Blogs zurückzuführen sind, können daher auch geltend gemacht werden. Diese Untersuchungskategorien können für die Analysen von vergleichbaren Blogs und Blog-Netzwerken verwendet werden, also solche die ebenfalls ein geteiltes Thema und ein enges Netzwerk aufweisen.5 Die Darstellung in Blogs ist multimedial. Mit Hilfe der Konvergenz als Modell kann diese Multimedialität als Prozess verstanden werden, in dem Medien auf verschiedene Arten und Weisen ineinanderfließen.6 Die Multimedialität der Darstellung in Blogs ist einem größeren Prozess der medialen Konvergenz unterworfen. Dabei entsteht eine Pluralität an Formaten: besonders markant ist die Kombination von massenmedialen und interpersonalen kommunikativen Gattungen. Die formale Vielfalt lässt sich, ähnlich wie die mediale Konvergenz, nicht als ein zielgerichtetes Zusammenfügen von Gattungen oder Formaten beschreiben, sondern als offen und beispielsweise geleitet von Glaubwürdigkeitseffekten. Die mediale und formale Konvergenz –in der Darstellung selbst − wird durch eine Konvergenz verschiedener Kommunikationsprozesse, in die der Blog integriert ist, ergänzt: Die Konvergenz der Sprecher im Blog verändert die Kommunikationssituation, innerhalb derer die Darstellung produziert und rezipiert wird. Sprecher und Empfänger sind Kategorien, die noch

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Auf Blogs, die sich stark von Milblogs unterscheiden, können vermutlich nicht alle Erträge angewendet werden, aber doch eine Auswahl der diskutierten Eigenschaften. Es gibt beispielsweise viele Personal Blogs, die kaum Links aufweisen und die daher auch nicht in einem Netzwerk verortet werden können, aber einen dominanten Sprecher und konvergente Textformate aufweisen.

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Jenkins betont jedoch, dass am Ende dieses Prozesses keine Blackbox steht, in der alle Medien sich zusammenfügen (Jenkins 2006:13).

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gültig sind, die aber flexibler gestaltet werden können. Der Sprecher partizipiert an diversen Kommunikationsprozessen, auch an solchen, die Laien vorher unerschlossen waren. Der Empfänger wird zum Nutzer und kann ebenfalls an der Darstellung teilhaben. Der nachfolgende Nutzer rezipiert interaktiv eine Darstellung, die bereits multivokal ist. Konvergenz als Eigenschaft der Darstellung in Blogs verweist auf die Pluralität, Offenheit und Digitalität des Mediums. Der Sprecher als zweite bestimmende Eigenschaft der Darstellung kann als ein Gegengewicht zu diesen pluralen Prozessen betrachtet werden, so dass von einer Spannung zwischen einer dominanten Autorfunktion und den teilweise fragmentierenden Effekten der vielfältigen Medien, Formate und Nutzer gesprochen werden kann. Die Selbstdarstellungspotentiale des Blogs können sowohl die Form als auch die Inhalte bestimmen: Zwei wahrscheinliche Tendenzen der blogspezifischen Selbstdarstellung sind eine Mikroperspektive in den Postings und eine inhaltliche Betonung des Alltags des Sprechers. Die Selbstdarstellung in Blogs ist häufig in ein Netzwerk eingebunden und durch dieses geprägt. Dies könnte zu einer Ausdifferenzierung von textuellen Identitäten führen, so dass verschiedene Netzwerke auch entsprechende Teilidentitäten aufweisen. Die vernetzte Umgebung der Darstellung könnte weiterhin zu einer Inklusion von organisatorischen oder sozialen Aspekten dieser Netzwerke in die Darstellung führen. Blogs spiegeln hier eine Tendenz digitaler Mediennutzung wider, indem die Texte nicht in erster Linie der Darstellung dienen, sondern vielmehr einer Mediennutzung zur interpersonalen Interaktion. Die Darstellung ist dann das Resultat dieser sozialen Medienpraxis. Die obige Ergebnisbündelung macht deutlich, dass die (mil-) blogspezifischen (Kriegs-)Darstellungen auf vielfältige Arten und Weisen an zeitgenössische Theoretisierungen der Eigenschaften digitaler Medien anschließen: Joan Kirstin Bleicher benennt beispielsweise Veränderlichkeit als zentrales poetisches Charakteristikum des Internets (Bleicher 2009:9). Lev Manovich diskutiert die Modularität und Hypertextualität als kennzeichnende Merkmale der Ästhetik digitaler Texte (Manovich 2001). Jay Bolter und David Grusin untersuchen die Remediation von Formaten und Gattungen als einen kennzeichnenden Prozess der Digitalisierung von Medien. Selbstdarstellung wird als wichtiges Merkmal vieler Medienangebote im Internet betrachtet und als Erklärung für die Popularität von Blogs herangezogen (Lundby 2008:5). Die internetspezifische Ausdifferenzierung von

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Öffentlichkeiten und Identitäten löst Vermutungen über Fragmentierung ab (Döring 2003:329). Partizipation ist gegenwärtig eines der am häufigsten diskutierten Phänomene im Internet und wird als ausschlaggebendes Potential von Blogs benannt (Matheson und Allan 2009). Letztlich betont die Blog-Analyse die Notwendigkeit einer literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Netzwerk-Paradigma und dem Konzept der Medienpraxis. Obwohl sich die Diskussion der Kriegsdarstellung also an viele zeitgenössische Konzeptionalisierungen digitaler Medien anschließt, korrigiert die Ergebniszusammenfassung auch einige der Vermutungen über Blogs: Die Kriegsdarstellung in Milblogs ist in erster Linie eine militärische Darstellung des Kriegs. Sie existiert nicht losgelöst von den Darstellungsverfahren und der Ökonomie des Medienereignisses Irakkrieg, sondern sie weist eine ausgeprägte Medienreferentialität auf und ein spezifisches Kommunikationsinteresse. Milblogs partizipieren durchaus an journalistischen und institutionellen Kommunikationsprozessen, tun dies aber in vielen Fällen mit einer militärspezifischen Agenda. Diese neue Art der Kriegsdarstellung ist daher nicht weniger propagandistisch als die der Bush-Administration, aber sie betont Aspekte, allen voran die gesellschaftliche Langzeitwirkung beispielsweise in Form der gemeinschaftlichen Trauer, die vielleicht das Potential haben, die Culture of Distance der zeitgenössischen Kriegsberichterstattung zu konterkarieren. Die Vermutung, dass hier eine neue Stimme an der Kriegsberichterstattung teilnimmt, ist richtig. Doch trägt diese Perspektive nicht zu einer grundlegenden Kritik von Kriegsführung oder Medien bei, wie es von einigen Forschern vermutet oder erhofft wurde, sondern Milblogs stimmen in das Medienereignis mit ein. Die Darstellung in Milblogs ist Teil einer digitalisierten und symbolischen Kriegsführung, deren Wichtigkeit stetig zunimmt. Milblogs verdeutlichen auch eine kriegsspezifische Form der Konvergenz: sie sind zugleich Darstellung und Waffe. Dennoch birgt die Kriegsdarstellung auf ganz unerwartete Weise, nämlich durch die Betonung der sozialen Aspekte des Soldat-seins und dessen, was hier als Langzeitwirkung des Kriegs bezeichnet wurde, ein Gegengewicht zur Ereignishaftigkeit und Sauberkeit der aktuellen Kriegsberichterstattung. Vielleicht schafft sie sogar ein stärkeres Bewusstsein für die Verluste, die Krieg bedeuten kann.

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9. Fazit

Diese Arbeit leistet auf verschiedenen Ebenen einen Beitrag dazu, das Phänomen Milblogs zu erschließen: Es wurde zu Beginn festgestellt, dass Milblogs ein neues Phänomen der Kriegsberichterstattung sind und dass in der (Mil-)Blogforschung häufig die Potentiale des Mediums den Forschungsschwerpunkt bilden. Diese Gegebenheiten wurden als Anlass genommen, die Darstellungsverfahren und Kommunikationsprozesse von Milblogs zu untersuchen, um so eine systematische Analyse des Gegenstandes zu liefern. Die Arbeit hatte daher eine doppelten Zielsetzung: Da es sich um ein neues und bisher nur skizziertes Phänomen handelt, wurden Milblogs aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet mit dem Ziel einen ordnenden Entwurf des Phänomens zu präsentieren. Weiterhin wurde eine Bestimmung der textuellen Eigenschaften von Milblogs anhand der Analyse der Kriegsdarstellung vorgenommen. Die Untersuchung der Darstellungsverfahren, die Milblogs kennzeichnen, erwies sich als produktives Vorgehen: Ihr Ertrag wurde im vorherigen Kapitel zusammengefasst. Milblogs können aber nicht ausschließlich durch die medienspezifischen Darstellungsverfahren begriffen werden: Da Blogs auch Medien der interpersonalen Kommunikation sind und in computervermittelten Netzwerken organisiert werden, müssen auch die Kommunikationsprozesse, deren Teil sie sind, und ihre kommunikativen Funktionen untersucht werden. Aus diesem Grund erfolgte eine Analyse der Sprecherpositionierung in den Netzwerken und deren Einbindung ins Medienereignis. Abschließend werden nun diese Netzwerke und die Positionierung von Milblogs im Medienereignis zusammengefasst und Milblogs dadurch in ihrer Gesamtheit beschrieben.

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Milblogs und die Milblogosphäre sind ein flüchtiges Phänomen. Täglich beginnen neue und enden alte Milblogs. Es gibt keine Institution oder unabhängige Instanz, die Milblogs archiviert. Zudem existieren sie im unüberschaubaren Umfeld Internet, dessen Ordnungen und Strukturen erst langsam sichtbar werden. Um Milblogs zu beschreiben, ist es unerlässlich, deren Verortung in einer komplexen Medienkultur vorauszusetzen. Die Blogosphäre – die Gesamtheit der Blogs und ihrer Verbindungen untereinander – ist auf vielfache und komplexe Arten und Weisen in eine Medienkultur eingebunden und aus ihr entstanden. Dies wird unter anderem durch die im vorherigen Kapitel als doppelgebundene Medienreferentialität beschriebene Eigenschaft der Milblogs illustriert. Diese Medienkultur ist aktuell durch vielfältige Umstrukturierungen charakterisierbar: Die millionenfachen Neugründungen, die Interaktivität, die formale und mediale Konvergenz und die Partizipation von Laien an Nachrichtendiskursen, kennzeichnen Blogs als eines der Ergebnisse und einer der Motoren dieser Umstrukturierungen. Die Kommunikationsmodelle, Nutzungsarten und Ästhetik von Milblogs sind daher aufschlussreich für die Untersuchung dieser Veränderungen. Doch haben sowohl die Analyse der Medienspezifik als auch die Einzelanalysen deutlich gemacht, dass sich diese Entwicklung nicht als ein zielgerichteter Prozess betrachten lässt, der eine bestimmte Ausrichtung hat – sei diese nun Demokratisierung, Fragmentierung oder die ultimative Konvergenz in einer Blackbox. Besser als unter den Vorzeichen solcher zeitgenössischen Utopien oder Dystopien, lassen sich die unterschiedlichen Vorgänge als eine multidimensionale Konvergenz digitaler Medien beschreiben, in der auf verschiedenen Ebenen Medien zusammenfließen und neue Medien und neue Medienpraktiken gebildet werden. Die leitenden Strukturen dieser Konvergenz stehen noch zur Diskussion: Das von Sozialwissenschaftlern postulierte Netzwerkparadigma wird bei der Beschreibung einer New Media Culture dienlich sein. Die Blogosphäre kann beispielsweise nicht als ein zusammenhängender öffentlicher Raum begriffen werden, sondern unterteilt sich in viele Netzwerke. Diese Netzwerke entstehen durch die Verlinkung der Blogs und die interpersonale Kommunikation der Blogger. Sie sind durch die sogenannten Power Laws strukturiert, so dass Blogosphären nicht als flache Netzwerke gleichstehender Sprecher zu begreifen sind, sondern als durch Knotenpunkte geprägt. Diese Knotenpunkte −

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oder A-List Blogs − bekommen durch viele hinführende Links und Leser ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und können diese dann beispielsweise in finanziellen Gewinn umsetzten. Diese Netzwerke existieren nicht losgelöst, sondern überschneiden sich oder sind in übergreifende Netzwerke integriert. Die Milblogosphäre ist ein solches Netzwerk innerhalb der Blogosphäre, das aus einem Netzwerk von dem Militär auf unterschiedliche Arten verbundenen Blogs gebildet wird. Die A-List Blogs der Milblogosphäre sind Newsmilblogs und soldatische Blogs aus Kriegsgebieten. Dazu kommen Blogs, die hauptsächlich der Organisation der Aktivitäten dieses Netzwerks gewidmet sind, beispielsweise Hilfsprojekten für verwundete Soldaten, und die Blogs von Angehörigen von Soldaten, zum Beispiel trauernden Witwen oder Müttern. In den letzten Jahren sind Pentagon-eigene Blogs dazugekommen, die Teil des Versuchs des Pentagons sind, die Nutzung von digitalen Medien durch eigene Angebote zu kontrollieren. Zudem enthält die Milblogosphäre auch eine ganze Reihe von obskuren Projekten, abgebrochenen oder nur eingerichteten Blogs – und auch einige Blogs von verstorbenen Soldaten. Die A-List Newsmilblogs sind die formativen Knotenpunkte der Milblogosphäre. Sie weisen eine internetspezifische Mischung aus technologieutopistischem Libertarismus und moralischem Interventionismus auf, die das Militär als hochtechnologisierte, freiheitsbringende politische Instanz positioniert. Dies begründet die strategischen Kommunikationsinteressen der Newsmilblogs und auch einiger soldatischer Milblogs, die sich als Kämpfer in einem symbolisch stattfindenden Cyberwar positionieren. Dieser Krieg wurde aus Perspektive der Newsmilblogger entscheidend an der medialen Heimatfront geführt und hat hauptsächlichen den liberal media bias zum Feind. Weiterhin positionieren sich die Newsmilblogger als militärstrategische Pioniere, die durch ihre symbolische Kriegsführung die veralteten Verfahren des Pentagon reformieren. Die Zensur, die bei Bloggern wie Jason Christopher Hartley oder Colby Buzzell auch als Repression verstanden werden muss, wird aus dieser Perspektive zu einer restriktiven Reaktion einer etablierten Institution auf Neuerungen von Seiten innovativer Mitarbeiter. In einem Verbund mit diesen stark vernetzten, strategisch an einer Medialisierung des Kriegs teilnehmenden Newsmilblogs, stehen soldatische Milblogs aus Kriegsgebieten, die durch die soldatische Mikroperspektive

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und die strategisch ausgedeutete Medienspezifik die zeitgenössische Sehnsucht nach einer unmittelbaren und authentischen Kriegserfahrung befriedigen können. Die Newsmilblogs sind die Motoren einer Institutionalisierung der Milblogosphäre, doch die soldatischen Milblogs aus Kriegsgebieten statten sie erst mit den nötigen Glaubwürdigkeitseffekten aus und erlauben dadurch die Umsetzung der strategischen Potentiale. Zugleich sprengen die soldatischen Milblogs eine Reihe von etablierten Grenzziehungen der Medienkultur: Eine militärische Mikroperspektive auf Krieg drängt in den Nachrichtendiskurs und nimmt eine ganze militärische Gemeinschaft mit. Die interpersonale Kommunikation von Soldat und zu Hause Gebliebenen wird zu einem Teil der Kriegsberichterstattung, die nun persönliche oder wenigstens stark subjektive Formate zulässt. Die Milblogosphäre hat zudem eine organisatorische Funktion: Sie besitzt eine Reihe von selbstarchivierenden Webseiten; es finden sich eine Vielfalt an selbstgestalteten Bannern, Werbematerialien und Webseiten, die nur der Organisation des Netzwerks dienen. Die Milblogosphäre wird genutzt, um gemeinschaftlich Aktionen zu planen, Druck auszuüben oder Geld zu sammeln. Zudem dient dieses Netzwerk der Organisation einer Vielzahl von Offline-Aktivitäten: Es gibt eine ganze Reihe von als Buch veröffentlichten Milblogs. Die Milblogger treffen sich seit sechs Jahren jährlich zu einer Konferenz und organisieren darüber hinaus vielerlei Treffen, wie Krankenhausbesuche oder Partys für werdende Mütter. Letztlich präsentierten Milblogger bereits mehrmals ihre politischen und militärstrategischen Positionen im Weißen Haus. Die Milblogosphäre ist eine komplexe, stark variierende Gruppe von Blogs, deren gemeinsamer Nenner die Military-Community ist. Dieses weitgestreute computervermittelte Netzwerk hat einen dichter vernetzten Kern gebildet, die Milblogging-Community, die sowohl online als auch offline wirksam ist. Die Milblogosphäre weist noch eine große Bandbreite an Positionen auf. In der Milblogging-Community nehmen diese Varianzen stark ab und es bleibt ein Kernnetzwerk, das hauptsächlich der sozialen Interaktion einer bestimmten demographischen Gruppe und der Vertretung einer internetspezifischen militärstrategischen Agenda dient. Milblogs machen in erster Linie eine US-amerikanische, militärische Perspektive auf Krieg, Politik und Gemeinschaft öffentlich. Milblogs sind Ausdruck einer wichtigen Umstrukturierung im soldatischen Selbstverständnis: Der Soldat ist nicht mehr nur ein Pflicht erfüllen-

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der Bürger, sondern ein aktiver Gestalter, der, wie die militärische Führung und die journalistische Berichterstattung auch, beansprucht gehört zu werden und seine Stimme einem breiten Publikum zugänglich machen möchte. Die Hoffnung der Milblogforschung, dass Milblogs eine kriegskritische Öffentlichkeit bilden können, bestätigt sich jedoch nicht: Zwar gibt es eine, die üblichen militärischen Hierarchien angreifende, Teilnahme am Medienereignis und das soldatische Selbstverständnis wird in den Milblogs maßgeblich umgedeutet, aber die daraus resultierende Darstellung muss als eine gestaltende militärische Teilhabe an einem Wettbewerb unterschiedlicher Deutungsinstanzen begriffen werden. Der Milblog verkörpert eine weitere Konvergenz im Medienereignis, da er sowohl Darstellung als auch Waffe ist. Der Milblogger beansprucht ein Korrektiv zu etablierten und angeblich parteiischen Medienanbietern zu sein und zusätzliche und vernachlässigte Informationen zu liefern. Zugleich werden diese Informationen von kriegsstrategischen Kommunikationsinteressen geleitet. Berichterstattung und Kriegsführung verschwimmen in einem digitalen Medium zu einem kaum entwirrbaren Geflecht. Die große Unterstützung des Militärs durch das amerikanische Volk wird in den Milblogs bestätigt und verfestigt. Doch die interpersonale und soziale Funktion von Blogs greift die spektakuläre Ereignishaftigkeit des Medienspektakels durch die Hintertür an: Milblogs weisen den Leser auf die wenig glamourösen, persönlichen Konsequenzen des Kriegs für den Soldaten und dessen Angehörige hin. Nicht die stählende Ausbildung oder der virile Kampf stehen im Vordergrund, sondern die bleibenden Belastungen und der lange Nachhall seines Todes. Durch ihre Funktion als Organisationsforum für PTSD-Betroffene, Hinterbliebene und Beerdigungen betonen Milblogs die langwierigen Konsequenzen eines Kriegs für eine kriegsführende Nation. Milblogs bieten eine Alternative zur Ereignishaftigkeit der aktuellen Berichterstattung. Sie sind aber kein Angriff auf die Idee Krieg, sondern vielmehr ein Forum, das dessen alltägliche Umsetzung öffentlich macht.

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von Hayek, Friedrich und Alfred Bosch. Die Verfassung der Freiheit. Tuebingen: Mohr Siebeck, 2005. Wall, Melissa. „Blogging Gulf War II“ Journalism Studies. 1 (2006a): 11126. Wall, Melissa. „Blogs of War: Weblogs as News“ Journalism: Theory, Practice, and Criticism. 2 (2005): 153-72. Wall, Melissa. „Blogs Over Baghdad: A New Genre of War Reporting“ Cybermedia Go to War: Role of Converging Media During and After the 2003 Iraq War. Hg. Berenger, Ralph. Spokane, WA: Marquette Books, 2006b. 294-303. Wall, Melissa. „In the Battle (field): The US Military, Blogging and the Struggle for Authority“ Media, Culture & Society. 5 (2010): 863-72. Wall, Melissa. „Taming the Warblog“ Citizen Journalism: Global Perspectives. Hg. Allan, Stuart und Einar Thorsen. New York: Peter Lang, 2009. 33-42. Welch, Matt. Matt Welch. http://www.mattwelch.com/warblog.html. Wellman, Barry. The Internet in Everyday Life. Hg. Wellman, Barry. Malden, Mass.: Blackwell Publ., 2002. Wong, Leonard und Stephen Gerras. „CU @ the Fob: How the Forward Operating Base Is Changing the Life of Combat Soldiers“ Strategic Studies Institute. (2009). 11.01.2012 http://www.strategicstudies institute.army.mil/pdffiles/pub645.pdf. Zelizer, Barbie. „When War is Reduced to a Photograph“ Reporting War: Journalism in Wartime. Hg. Allan, Stuart und Barbie Zelizer. Abingdon, New York: Routledge, 2004. 115-35. Zerfaß, Ansgar, Martin Welker und Jan Schmidt. Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web: Grundlagen und Methoden: Von der Gesellschaft zum Individuum. Köln: Halem, 2008.

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12. Register

A Day in Iraq 49, 50, 98, 99, 227 A Soldier’s Perspective 98 A Star from Mosul 201 About 54 A-List Blogs 60 American Orientalism 245 An Army of Davids 117 Andrew Sullivan 99 Archiv 55 Argghhh!!! 136 Army of Dude 53 Army Regulation 530-1 94 Army Web Risk Assessment Cell 93, 95 Augenzeugenbericht 81, 259 Back to Iraq 82 Barbie Zelizer 233 Barry Wellman 57 Black Flag 185 Blackfive 94, 100, 102, 106, 140, 222, 227 Blogosphäre 59 Blogroll 57 Bullets and Blogs 75, 95, 108

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Bush-Administration 23, 119, 140, 217, 220, 224 Castle of Arghh 100 Christopher Allbritton 82 Citizen Journalism 78, 125, 127 CJ Grisham 100, 102 Colby Buzzell 181 Combat 208 Computervermittelte Kommunikation 21 Cori Dauber 33, 104 Danger Room 136 Danjel Bout 226 Digital Natives 86, 95 Dispersion 47, 70, 123 DOD Social Media Hub 102 Do-It-Yourself 185, 194 Donald Matheson 32, 35, 228 Donald Rumsfeld 89, 110 Douglas Kellner 23, 83, 167 Edward Said 245 Electronic Media Management Team 96 Forward Operating Bases 86

300 | K RIEG BLOGGEN

Glenn Reynolds 77, 115 Greyhawk 15, 84, 100, 110 Guernica 184, 187, 188 Guido Isekenmeier 24 HTML/CSS 48 Hunter S. Thompson 186 Information Operations 107 Information Warfare 89, 103, 104, 136 Informationsmanagement 88 Instapundit 115, 122, 150, 157 Interaktivität 177 Interventionismus 119, 137, 217, 222, 254, 267 James DerDerian 11, 37 Jason Christopher Hartley 9, 13, 88, 95, 267 Julie Rettberg 20 Just Another Soldier 9, 10, 11, 12, 13, 99 Justin Hall 78 Kevin Sites 82, 83, 108 Konvergenz 13, 36, 46, 47, 147, 256 Kriegsrealismus 198 Leonard Wong 87 Liberal Media Bias 141 Limited War 224 Little Green Footballs 16, 156 Mainstream Media 77, 105, 109 Mary Kaldor 38 Matt Drudge 76 Matt Welch 80 Matthew Curier Burden 95, 100, 151 ȱ

Medienereignis Irakkrieg 23, 80, 167, 220 Medienkultur 11, 12, 23, 127, 266 Melissa Wall 31, 34 Men in Black 203, 210 Michael Gilbert 90 Michael Herr 186, 193, 194 Milblogging Community 109, 254, 268 Milblogging.com 14, 91, 97, 98, 109, 247 Milblogging-Community 72, 99, 101, 102, 104, 107, 109, 110, 129, 177, 217, 222, 225 Milblogging-Konferenz 100 Milblog-Ring 99 Mosul 181 Mudville Gazette 15, 84, 100, 102, 115, 140, 227 Netzwerk Computervermitteltes Netzwerk 73 New Journalism 186, 190, 206, 215 Newsmilblog 17, 84, 88, 108, 128, 129, 139, 158, 197 Newsmilblogger 110, 113, 114, 126, 136, 142, 143, 267 Newsmilblogosphäre 28, 72, 112 No Soldier Left Behind 101 Noah Shachtman 93 Norman Mailer 186 Operation Homecoming 182 Operational Information 92 ȱ

R EGISTER | 301

OPSEC 10, 93, 94, 103 Pajamas Media 115 Parlamentswahlen 2005 248 Paul Keyes 105 Paulina Borsook 117, 134 Pentagon 75, 89, 107, 136, 161, 212, 267 Perception Management 34, 37 Personal Blog 67, 78, 195 Posting 51, 62 Punk 185, 189, 190, 194 Push-button Publishing 51 Raymond Williams 178 Reiseliteratur 244 Remediation 46, 47, 56, 263 Reportage 65, 194, 196 Revolution in Military Affairs 135 Robert G. Michnowicz 103 Saddam Hussein 252 Salam Pax 81, 108, 182 Scott Koenig 150 Sex Pistols 185 Soldier’s Angels 15, 101, 227 Sprecherfigur 23, 28, 72, 112, 126, 145 Stuart Allan 32, 35, 178, 228 Talking Points Memo 77 Technolibertarismus 113, 117, 123 The Command Post 16, 150 The Primary Main Objective 85 The Smiths 188 Thunder 6 221 TIME Magazine 9

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Titelbanner 52 Transhumanismus 117, 119 Trent Lott 77 U.S. Army Social Media Handbook 109 Virtuous War 37 Warrior Citizen Journalist 28, 147, 156, 178, 254 Wired 94, 115, 137 World Transhumanist Association 120 World Wide Web 21, 48 Zensur 88

Kultur- und Medientheorie Sabine Fabo, Melanie Kurz (Hg.) Vielen Dank für Ihren Einkauf Konsumkultur aus Sicht von Design, Kunst und Medien November 2012, ca. 180 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 19,80 €, ISBN 978-3-8376-2170-9

Erika Fischer-Lichte, Kristiane Hasselmann, Alma-Elisa Kittner (Hg.) Kampf der Künste! Kultur im Zeichen von Medienkonkurrenz und Eventstrategien Februar 2013, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-89942-873-5

Sandro Gaycken (Hg.) Jenseits von 1984 Datenschutz und Überwachung in der fortgeschrittenen Informationsgesellschaft. Eine Versachlichung November 2012, ca. 170 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN 978-3-8376-2003-0

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Kultur- und Medientheorie Sven Grampp, Jens Ruchatz Die Fernsehserie Eine medienwissenschaftliche Einführung Dezember 2012, ca. 200 Seiten, kart., ca. 16,80 €, ISBN 978-3-8376-1755-9

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Ramón Reichert Die Macht der Vielen Über den neuen Kult der digitalen Vernetzung Dezember 2012, ca. 200 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-2127-3

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Kultur- und Medientheorie Thomas Brandstetter, Thomas Hübel, Anton Tantner (Hg.) Vor Google Eine Mediengeschichte der Suchmaschine im analogen Zeitalter November 2012, ca. 280 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1875-4

Uta Daur (Hg.) Authentizität und Wiederholung Künstlerische und kulturelle Manifestationen eines Paradoxes November 2012, ca. 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1924-9

Özkan Ezli, Andreas Langenohl, Valentin Rauer, Claudia Marion Voigtmann (Hg.) Die Integrationsdebatte zwischen Assimilation und Diversität Grenzziehungen in Theorie, Kunst und Gesellschaft

Markus Leibenath, Stefan Heiland, Heiderose Kilper, Sabine Tzschaschel (Hg.) Wie werden Landschaften gemacht? Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Konstituierung von Kulturlandschaften Februar 2013, ca. 200 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1994-2

Claudia Mareis, Matthias Held, Gesche Joost (Hg.) Wer gestaltet die Gestaltung? Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Designs Dezember 2012, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2038-2

Tobias Nanz, Johannes Pause (Hg.) Politiken des Ereignisses Mediale Formierungen von Vergangenheit und Zukunft

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Dezember 2012, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1993-5

Urs Hangartner, Felix Keller, Dorothea Oechslin (Hg.) Wissen durch Bilder Sachcomics als Medien von Bildung und Information

Christoph Neubert, Gabriele Schabacher (Hg.) Verkehrsgeschichte und Kulturwissenschaft Analysen an der Schnittstelle von Technik, Kultur und Medien

Dezember 2012, ca. 260 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1983-6

Dezember 2012, ca. 250 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1092-5

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Zeitschrif t für Kultur wissenschaf ten Dorothee Kimmich, Schamma Schahadat (Hg.)

Essen Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 1/2012

Mai 2012, 202 Seiten, kart., 8,50 €, ISBN 978-3-8376-2023-8 Der Befund zu aktuellen Konzepten kulturwissenschaftlicher Analyse und Synthese ist ambivalent. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften bietet eine Plattform für Diskussion und Kontroverse über »Kultur« und die Kulturwissenschaften – die Gegenwart braucht mehr denn je reflektierte Kultur sowie historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. Aus den Einzelwissenschaften heraus wird mit interdisziplinären Forschungsansätzen diskutiert. Insbesondere jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kommen dabei zu Wort. Lust auf mehr? Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen 11 Ausgaben vor. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften kann auch im Abonnement für den Preis von 8,50 € je Ausgabe bezogen werden. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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