Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz: Ein Plädoyer gegen den Kreditstaat [1 ed.] 9783428480203, 9783428080205

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Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz: Ein Plädoyer gegen den Kreditstaat [1 ed.]
 9783428480203, 9783428080205

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 666

Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz Ein Plädoyer gegen den Kreditstaat Von

Roland Lappin

Duncker & Humblot · Berlin

ROLAND LAPPIN

Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 666

Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz Ein Plädoyer gegen den Kreditstaat

Von Dr. Roland Lappin

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lappin, Roland: Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz : ein Plädoyer gegen den Kreditstaat / von Roland Lappin. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 666) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08020-3 NE: GT

η2 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08020-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Meinen Eltern

Vorwort Ich danke herzlich meinem akademischen Lehrer, Herrn Universitätsprofessor Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider für die Betreuung der vorliegenden Dissertation. Ihm verdanke ich, gleichsam Zugang und Freude an wissenschaftlicher Arbeit gefunden zu haben. Herrn Professor Dr. iur. Helm gebührt aufrichtiger Dank für die Mühe, die er als Zweitgutachter dieser Dissertation auf sich genommen hat. Hamburg, im Januar 1994 Roland Lappin

Inhaltsverzeichnis Α. Einleitung I. Problemstellung Π. Fragestellungen und Abgrenzung

19 19 22

B. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht

24

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des Grundgesetzes 1. Abgaben a) Steuern b) Gebühren und Beiträge c) Sonderabgaben 2. Kredite 3. Exkurs: Verwendung des Bundesbanküberschusses

24 28 28 29 31 34 36

II. Der Rechtsbegriff Steuer 1. Die Regelung in § 3 Abs. 1 AO a) Geldleistung b) Voraussetzungslosigkeit c) Auferlegen durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen d) Erzielung von Einnahmen e) Allen aufzuerlegen, die durch Gesetz an die Pflicht zur Entrichtung der Steuer gebunden sind 2. Der grundgesetzliche Steuerbegriff a) Ableitung des Steuerbegriffs aus Art. 105 ff. GG b) Zweck der Steuer aa) Einnahmenerzielung bb) Wirtschaftslenkung c) Zölle ΙΠ. Der Steuerstaat 1. Verfassungsrechtliche Festlegung a) In der Finanzverfassung b) Durch die Grundrechte c) Durch das Sozialprinzip d) Durch das Rechtsstaatsprinzip

40 40 40 41 41 41 42 42 42 43 44 44 45 46 46 46 48 51 52

nsverzeichnis

10

2. Elemente des Steuerstaates

53

a) Grenzen der Besteuerung (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG)

54

b) Reproduktivitätsprinzip

56

IV. Erstes Zwischenergebnis

57

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex zur Kreditaufnahme des Staates ...

59

I. Gesetzliche Ermächtigung und materielle Begrenzung öffentlicher Kredite

59

1. Rückblick auf Art. 115 GG a. F. (Art. 87 WRV)

59

2. Die Neuregelung des Art. 115 GG

62

Π. Art. 109 GG

66

1. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht

67

a) Haushaltswirtschaft

67

b) Zur Definition des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes

68

aa) Die Teilziele des § 1 StabG

69

bb) Differenzierung der Teilziele

71

c) Wirtschaftswissenschaftlicher schaftlichen Gleichgewicht

Kenntnisstand zum gesamtwirt-

72

aa) Theorie J. M. Keynes

72

bb) Angebotstheorie

73

cc) Crowding-out-Effekte

74

dd) Auffassung des BVerfG d) Bestimmung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes 2. Normative Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG

75 75 76

a) Verpflichtung zu einer aktiven Konjunkturpolitik

76

b) Verbot einer prozyklischen Konjunkturpolitik

76

c) Verpflichtung zur situationsbezogenen Kreditaufnahme

77

aa) Boom-Phase

77

bb) Gleichgewichtszustand

77

cc) Rezessions-Phase

78

dd) Zusammenfassung

80

d) Das langfristig wachstumspolitische Ziel

80

aa) Intertemporale Allokation

80

bb) Interpersonaler Aspekt

81

3. Einfachgesetzlich normierte Grundsätze für das Haushaltsrecht, eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung (Art. 109 Abs. 3 GG) a) BHO und HGrG

83 84

nsverzeichnis

b) Regelungen für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft aa) Antizyklische Haushaltsplanung

84 85

bb) Antizyklischer Haushaltsvollzug

86

cc) Wertung

89

4. Sonderfälle einfachgesetzlich normierter Grundsatzgesetzgebungen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes (Art. 109 Abs. 4 GG) a) Begrenzung der Kreditaufnahme für Gebietskörperschaften und Zweckverbände b) Verpflichtung von Bund und Ländern, Konjunkturausgleichsrücklagen zu bilden 5. Das Verhältnis von Art. 115 Abs. 1 GG zu Art. 109 GG m. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG

90 90 91 93 94

1. Begriff des Haushaltsplanes

94

2. Meinungsstand im Schrifttum

95

a) Formale Interpretation

95

b) Materiale Interpretation

96

3. Objektive Auslegung des Ausgleichsgebotes a) Historische Auslegung

97 97

aa) Art. l l O G G a . F

97

bb) Entstehungsgeschichte

98

b) Grammatische Auslegung c) Systematische Auslegung aa) Sinneszusammenhang bb) Einfachgesetzliche Regelungen als Interpretationshilfe d) Wertung IV. Zweites Zwischenergebnis D. Der Rechtsbegriff Kredit

98 99 99 101 102 104 105

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

105

1. Ableitung des verfassungsrechtlichen Kreditbegriffes

105

a) Entstehungsgeschichte

106

b) Einfachgesetzliche Regelungen als Interpretationshilfe

107

aa) Bürgerliches Gesetzbuch (§§ 607 ff. BGB)

107

bb) Kreditwesengesetz (§§19 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 Ziffer 1 KWG) 111 cc) Bundesbankgesetz (§ 20 Abs. 1 BBankG) 112 dd) Haushaltsgrundsätzegesetz und Bundeshaushaltsordnung 112 ee) Stabilitätsgesetz (§§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 1 StabG) 114 ff) Strafgesetzbuch (§§ 263, 265b StGB) 116

12

nsverzeichnis

c) Wortlaut und Sinnzusammenhang

116

aa) Wortlaut des Art. 115 GG

116

bb) Sinnzusammenhang (Art. 109 und 110 GG)

119

cc) Zwischenergebnis

120

2. Konstitutive Elemente des verfassungsrechtlichen Kreditbegriffs a) Eigentum auf Zeit

121 121

b) RückZahlungsanspruch des Kreditgebers, Rückzahlungsverpflichtung des öffentlichen Kreditnehmers

121

c) Zinszahlungspflicht

123

Π. Grundgesetzlich verankerte Funktionen des Kredites 1. Kredit als Instrument, um zukunftsbegünstigende Ausgaben zu finanzieren

124 124

2. Kredit als Instrument, um eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft zu gewährleisten 124 3. Kein Instrument, um strukturelle Verschuldung zu rechtfertigen III. Entwicklung, Gläubigerstruktur und Formen öffentlicher Kredite 1. Entwicklung öffentlicher Kredite

126 128 128

a) Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis zur Verabschiedung der Haushaltsreform 1967/69

129

b) Zeitraum zwischen 1969 und 1972

129

c) Zeitraum 1983 bis zum Zusammenbruch der DDR (1989/90) ....

130

d) Phase seit der Wiedervereinigung

130

2. Gläubigerstruktur

131

3. Kreditformen

132

4. Exkurs: Kassenverstärkungskredite IV. Drittes Zwischenergebnis

135 136

E. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

137

I. Der Vorbehalt gesetzlicher Ermächtigung zur Kreditaufnahme 1. Kreditermächtigungen in der Finanzverfassung

137 137

a) Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG

137

b) Art. 111 Abs. 2 GG

138

2. Einfachgesetzliche Ermächtigungen

138

a) § 6 Abs. 3 StabG

138

b) § 20 Abs. 1 BBankG

139

II. Ermittlung der verfassungsrechtlich relevanten Höhe der Einnahmen aus Krediten 1. Die Auffassung im Schrifttum

139 139

nsverzeichnis

2. Objektive Auslegung

141

a) Wortlaut des Art. 115 GG

141

b) Sinnzusammenhang (Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG

143

c) Einfachgesetzliche Regelungen

146

aa) Einnahmen aus Krediten

146

bb) Bruttoveranschlagung

147

3. Quintessenz ΙΠ. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen 1. Die Höhe der veranschlagten Ausgaben für Investitionen als Kreditrahmen a) Sinn und Zweck des Art. 115 Abs. 1 GG

147 149 150 151

aa) Natürliches Begriffsverständnis

151

bb) Erfordernis eines engen Investitionsbegriffs

152

cc) Beschränkung auf das Inland

156

dd) Keine Berücksichtigung von Ausgaben für Ausbildung (human capital) und investiven Verteidigungsausgaben 156 ee) Keine Berücksichtigung von Inanspruchnahmen aus Gewährleistungen

157

b) Folgekosten öffentlicher Investitionen

158

c) Die Auffassung des BVerfG

159

2. Einfachgesetzliche Legaldefinition des Investitionsbegriffs (§§10 Abs. 3 HGrG, 13 Abs. 3 BHO)

160

3. Wertung

164

IV. Weitere Restriktionen, denen die Kreditaufnahme des Bundes unterliegt

165

1. Regulierungsfunktion des Art. 109 Abs. 2 GG

165

2. Leistungsfähigkeit der Steuerzahler

168

3. Kreditwürdigkeit des Staates

170

4. Exkurs: Art. 104c EG-Vertrag

171

V. Altschulden — Ein Dilemma fortwährender Umschuldung 1. Veranschlagung der Ausgaben für Schuldendienst im Haushaltsplan ...

172 172

a) Veranschlagung der Tilgungsausgaben

172

b) Veranschlagung von Zinsausgaben

175

2. Wie tilgt der Staat?

175

3. Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Haushaltsplanes

176

4. Wertung

177

nsverzeichnis

14

F. Verschuldung der Sondervermögen I. Begriff und Aufgaben der Sondervermögen

180 180

1. Begriff des Sondervermögens

180

2. Schuldenstand der Sondervermögen des Bundes per 31. 12. 93

181

3. Einnahmenerzielung — Aufgabe der Sondervermögen im Rahmen des Grundgesetzes? 182 Π. Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme der Sondervermögen in der Finanzverfassung 183 1. Art. 115 Abs. 2 GG

183

2. Art. 110 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG

184

3. Art. 109 Abs. 2 GG

185

4. Vorbehalte gegen die Ausnahmeregelungen der Art. 115 Abs. 2 und 110 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG 185 a) Haftungsausschluß 185 b) Situationsgebundene Kreditaufnahme des Bundes wird konterkariert

186

c) Rückwirkungen auf den Bundeshaushalt

187

d) Haushaltseinheit und parlamentarisches Budgetrecht eingeschränkt

187

e) Quintessenz

188

ΙΠ. Einfachgesetzlich normierte Aufgaben, Kreditaufnahmevorschriften, Haftungsausschlüsse und -übernahmen der Sondervermögen des Bundes 189 1. § 13 StabG und § 113 BHO

189

2. Die vier großen Sondervermögen

189

a) Deutsche Bundesbahn

189

b) Deutsche Bundespost

190

c) Kreditabwicklungsfonds

192

d) Fonds „Deutsche Einheit" 3. Sondervermögen sui generis: Treuhandanstalt IV. Viertes Zwischenergebnis

192 193 194

G. Zusammenfassung der Teil- und Zwischenergebnisse

195

Literaturverzeichnis

198

Abkürzungsverzeichnis a. Α. a. a. 0. ABl. Abs. a. F. Anm . AO AöR Art. Aufl. BayVBl. BB BBankG BbG Bd. BdF BGB BG Bl. BGHZ BGHSt BHO BK BMF bspw. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE dass. ders. d. h. dies. Diss. DÖV DVB1. EGKS

= = = = = = = = = = = = = = = = = =

=

= = = = = =

= = = = = = =

= =

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz alte Fassung Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Jahr und Seite) Artikel Auflage Bayrisches Verwaltungsblatt (Jahr und Seite) Betriebs-Berater (Jahr und Seite) Gesetz über die Deutsche Bundesbank v. 26.7.1957 Bundesbahngesetz v. 13.12.1951 Band Bundesminister der Finanzen Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.8.1896 Bundesgesetzblatt mit I = Teil I; mit Π = Teil II; III = Teil m Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band und Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band und Seite) Bundeshaushaltsordnung v. 19.8.1969 Kommentar zum Bonner Grundgesetz Bundesministerium der Finanzen beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Band und Seite) dasselbe derselbe das heißt dieselbe Dissertation Die Öffentliche Verwaltung, Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft (Jahr und Seite) Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr und Seite) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion)

16

Abkürzungsverzeichnis

et al. etc. Euratom EWG-V

= = = =

f. ff. FinArch. FKPG

= = = =

Fn. FS GBl. gem. GewArch.

= = = = =

ggfs. GG HdF HdFK

= = = =

HdStR HGrG

= =

h. M . hrsg. HS. i. d. F. i. e. insb. i. S. v. i. V. m . Jg. Jura JuS JZ KWG LS. m. a. W. m. E. MinBIFin MinBIFW

= = = = = = = = = = = = = = = = = =

m. w. N. N. F. NJW

= = =

et altera et cetera Europäische Atomenergiegemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ν. 25.3.1957 folgende (Seite; Randnummer; Paragraph; Artikel) folgende (Seiten; Randnummern; Paragraphen; Artikel) Finanz-Archiv (Jahr und Seite) Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms v. 23.6.1993 Fußnote Festschrift Gesetzblatt gemäß Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht (Jahr und Seite) gegebenenfalls Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.5.1949 Handbuch der Finanzwissenschaften Handbuch der Finanzkontrolle, Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz) v. 19.8.1969 herrschende Meinung herausgegeben Halbsatz in der Fassung id est insbesondere im Sinne von in Verbindung mit Jahrgang Juristische Ausbildung (Jahr und Seite) Juristische Schulung (Jahr und Seite) Juristenzeitung (Jahr und Seite) Gesetz über das Kreditwesen v. 11.7.1985 Leitsatz mit anderen Worten meines Erachtens Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers der Wirtschaft mit weiteren Nachweisen Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis

NVwZ p. a. PostVerfG RAO Rdnr. RSchO S. seil. sog. StabG Stb-Jb. StG Β THAKredG THG Tz. VermG ν. H. vorl. VV VVDStRL WiVerw. WRV ZfK ZHR ZKW ZParl

= Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr und Seite) = pro anno = Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost v. 8.6.1989 = Reichsabgabenordnung = Randnummer = Reichsschuldenordnung v. 13.2.1924 = Seite = silicet = sogenannt = Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz) v. 8.6.1967 = Steuerberater-Jahrbuch (Jahr und Seite) = Strafgesetzbuch v. 1.3.87 (BG Bl. I S. 945) = Gesetz zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt — Treuhandkreditaufnahmegesetz v. 3.7.1992 (BGBl. II S. 1190) = Gesetz zur Privatisierung und Reoranisation des volkseigenen Vermögens-Treuhandgesetz v. 17.6.1990 (G Bl. I Nr. 33 S. 300) = Textziffer = Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen v. 18.4.1991 = vom Hundert (Prozent) = vorläufige Verwaltungsvorschrift = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Wirtschaft und Verwaltung, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv = Weimarer Reichsverfassung, Die Verfassung des Deutschen Reiches v. 11.8.1919 = Zeitschrift für Konjunkturpolitik = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht = Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen = Zeitschrift für Parlamentsfragen

Α. Einleitung I. Problemstellung Die grundgesetzlichen Regelungen der Art. 104 a bis 115 GG zum Finanzwesen des Staates stellen neben den Grundrechten einen der wichtigsten Abschnitte des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland dar. Nur ein intaktes Finanzwesen bietet langfristig eine hinreichende Gewähr dafür, daß grundgesetzliche Leitentscheidungen für die in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatlichkeit oder aber die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine materielle Grundlage haben und nicht als substanzlose Prinzipien praktisch leerlaufen. Ein bankrotter Staat existiert weiter, gleichwohl ist nicht auszuschließen, mehr noch im Zweifel anzunehmen, daß Gläubiger eines Staates durch einen Staatsbankrott in den Ruin getrieben werden. Der Gefahr einer sich verselbstständigenden Staatsverschuldung ist durch eine enge Auslegung der grundgesetzlichen Regelungen zum Finanzwesen zu begegnen. 1 „Verfassungsrechtliche Schranken für die staatliche Ausgabenfreudigkeit sind heute nicht nur durch das Parlament, sondern auch gegen das Parlament zur Geltung zu bringen." 2 Besondere Aktualität erlangt die kritische Behandlung der kreditären Finanzierung öffentlicher Ausgaben durch die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der ehemaligen DDR, die am 3. Oktober 1990 durch den Beitritt der DDR gemäß Art. 23 GG vollzogen wurde. Ihr gingen die Verträge vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR sowie der Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 voraus. Die Umsetzung der Vertragsinhalte stellt an das Finanzwesen der Bundesrepublik Deutschland Anforderungen in historischer Dimension.3 ι Vergl. A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Aufl., 1789, S. 803: „Dort, wo die öffentliche Schuld einmal eine bestimmte Höhe überschritten hat, ist es meines Wissens kaum gelungen, sie auf gerechte Weise und vollständig zurückzuzahlen. Sofern es überhaupt gelang, ( . . . ) , bediente man sich stets dazu des Bankrotts, den man bisweilen auch unverhohlen zugegeben hat."; J. Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats, in: Goldscheid-Schumpeter, Die Finanzkrise des Steuerstaats, 1926, S. 352: „Kein Zweifel, der Steuerstaat kann zusammenbrechen." G. Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, 1980, S. 11; G. Hedtkamp, Krise des Steuerstaats?, in: Staatsfinanzierung im Wandel, 1982, S. 31: „Ohne Revision der Ausgaben ist eine Sanierung nicht vorstellbar". 2 P. Kirchhof \ Grenzen der Staatsverschuldung in einem demokratischen Rechtsstaat, in: Finanzpolitik im Umbruch, hrsg. von H. v. Arnim und K. Littmann, 1984, S. 274. 2*

20

Α. Einleitung

Zentral ist in diesem Zusammenhang einmal mehr die Beantwortung der Frage, wie der Staat unter Beachtung der ihn finanzverfassungsrechtlich bindenden Vorgaben seine Einnahmen zu erzielen hat. Das Verlagern öffentlicher Aufgaben in Nebenhaushalte, wie etwa den Fonds Deutsche Einheit, den Kreditabwicklungsfonds, den Entschädigungsfonds, die Treuhandanstalt, aber auch die Sondervermögen der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post mag kurzfristig den Haushalt des Bundes und damit seinen direkten Kreditbedarf formal entlasten. Als Sondervermögen i. S. von Art. 110 Abs. 1 und Art 115 Abs. 2 GG werden sie regelmäßig von der Restriktion des Art. 115 Abs. 1 GG, die ein Überschreiten der Höhe der Einnahmen aus Krediten über die Summe der veranschlagten Investitionen auschließt, ausgenommen. Nach Abschluß der Privatisierung ist jedoch nicht zu erwarten, daß die Höhe der Erlöse aus der Verwertung des Treuhandvermögens ausreicht, um auch nur näherungsweise einen Ausgleich der bis dahin eingangenen Kreditverpflichtungen zu bewirken. 4 Das Grundgesetz kennt nur vier Einnahmearten: Steuern, Gebühren, Sonderabgaben und Kredite. Ein Blick in den Finanzbericht des BMF verdeutlicht, daß vom Volumen her Steuern und Kredite die dominierende Rolle spielen. Dabei ist anzumerken, daß sich die Relation Ausgabendeckungsgrad durch Steuern seit dem Jahre 1969 signifikant vermindert hat, d. h. der kreditfinanzierte Anteil der Ausgaben (hier einmal ausgedrückt als Quotient der Nettokreditaufnahme zu Ausgaben [ohne Umschuldung]) von 1,25 v. H. im Jahr 1970 auf 16,9 v. H. im Jahre 1990 angestiegen ist. 5 Der gravierende Anstieg der Fremdfinanzierung von Staatsausgaben veränderte die Ausgabenstruktur der Haushalte einschneidend. Bereits im letzten Jahr vor der Wiedervereinigung (1989) wurden 11,1 v. H. der Ausgabenseite des Bundeshaushaltes durch Zinsen determiniert. Die mittlere Finanzplanung geht von einem weiteren Anstieg auf 21,6 v. H. im Jahre 1998 aus.6 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erlangt der bereits 1978 im Deutschen Bundestag einstimmig gefaßte Beschluß zur Konsolidierung der Staatsfinanzen erneut Aktualität. 7 Motive dieses eindeutigen Appells an die

3 Szenarien der zu erwartenden Zinslast- und Schuldenstandentwicklung hat L. Müller, Probleme der Staatsverschuldung vor dem Hintergrund der deutschen Vereinigung, in: Wirtschaftsdienst 1993, S. 121 ff. aufgezeigt. 4 Gemäß § 4 THAKredG v. 3.7.1992 (BGBl I, S. 1190) übernimmt der Bund die Haftung für Kreditaufnahmen der Treuhandanstalt von jeweils bis zu 30 Mrd. DM in den Jahren 1992 bis 1994. Die Schuldenregelung des Art. 23 Abs. 4 des Einigungsvertrages sieht darüber hinaus eine Übertragung der bis 31.12.93 aufgelaufenen Gesamtverschuldung des Kreditabwicklungsfonds auf die Treuhandanstalt und die neuen Bundesländer vor. Gemäß § 12 Abs. 1 ELFG vom 23.6.93 (BGBl. I S. 984) wurde die Frist bis zum 31.12.94 verlängert; vergl. unten, sub Ε, III. 3. 5 Siehe BMF, Finanzbericht 1991, Tabelle 1, S. 161 ff.; ermittelt man die gleiche Relation auf Basis Bruttokreditaufnahme zu Ausgaben (incl. Umschuldung), so ergeben sich für 1970 5,3 v. H. und 1990 30,6 v. H. 6 Vergl. BMF, Finanzbericht 1994, passim; in absoluten Werten bedeutet dies eine Zinsbelastung von 106 Mrd. DM allein für den Bund.

I. Problemstellung

21

Adresse des Haushaltsgesetzgebers waren „Zweifel an der Solidität der Staatsfinanzierung, Verlust des finanzpolitischen Handlungsspielraumes, Vertrauenseinbußen, Behinderung des Wirtschaftsaufschwunges, zu hohe Belastung künftiger Generationen, Notwendigkeit von Steuererhöhungen". 8 Indes läßt die seitdem zu konstatierende Fortführung der Staatsverschuldung resp. Kreditpolitik Zweifel aufkommen, daß der Haushaltsgesetzgeber dem damaligen Beschluß in ausreichendem Maße nachkommt. Entscheidend für eine rechtliche Bewertung der Staatsverschuldung ist die seit der Haushaltsreform, die durch das 15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes9 mit der Erweiterung des Art. 109 um Abs. 2 und mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums begann und durch das 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes10 mit der Neufassung insbesondere der Art. 110 und 115 sowie der Verabschiedung der Bundeshaushaltsordnung und des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder fortgeführt wurde, den öffentlichen Haushalten von Bund und Ländern zugewiesene wirtschaftliche Budgetfunktion. Während die Finanzwissenschaft spätestens seit/. M. Keynes 11 die Beeinflussung gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen durch gezielte kreditfinanzierte Ausweitung öffentlicher Haushalte behandelt, ist die Verpflichtung zur Beachtung dieser Erkenntnisse erst durch die Haushaltsreform rechtlich geboten und institutionell verfestigt (insb. durch Art. 109 Abs. 2 GG). „All diese Umstände haben den Staatskredit in neue Bahnen gelenkt. ( . . . ) Weise und umsichtig gehandhabt, gereicht er den Staaten zum Heile, wogegen eine leichtfertige Benutzung dieses Instruments demjenigen, der es handhabt, schweren Schaden zufügen kann."12 Ein Rückblick auf finanzpolitische Entscheidungen zeigt, daß allein in diesem Jahrhundert in Deutschland zweimal durch Gesetz (1923 und 21.6.1948 [Leitsätzegesetz v. 7.7.1948]) entschuldet wurde. Die Gläubiger des Staates mußten in beiden Fällen erhebliche Vermögensverluste in Kauf nehmen.

7 BT-Drucks. 8/1589, 83. Sitzung v. 13.4.78: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, ( . . . ) darauf hinzuwirken, daß der Haushalt des Bundes unter Berücksichtigung des Art. 115 GG dauerhaft konsolidiert wird; dazu muß der Schuldenzuwachs mittelfristig abgebaut werden und die Neuverschuldung niedriger liegen als bisher." Bemerkenswert erscheint, daß dieser Beschluß bereits bei einer Zinslast des Bundes (in 1978) von absolut 9,6 Mrd. DM entspr. relativ 5,1 v. H. getroffen wurde. 8 Vergl. K. Stern, Verfassungsrechtliche Aspekte der Staats Verschuldung unter Berücksichtigung von Art. 115 GG, in: Stb-Jb. 1982/83, S. 45. 9 Vom 8.6.1967 (BGBl. I S. 581). 10 Vom 12.5.1969 (BGBl. I S. 357). n „Means to Prosperity", London, 1933 und „The General Theory of Employment, Interest and Money", London, 1936. ι* v. Heckel / W. Lötz, Staatsschulden, in: Handbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., 1926, S. 825.

22

Α. Einleitung

I I . Fragestellungen und Abgrenzung Die nachfolgende Untersuchung hat zum Gegenstand, durch eine zusammenhängende Betrachtung der das Finanzwesen des Staates betreffenden Rechtsfragen zu ihrer Beantwortung beizutragen. Dabei werden sowohl finanz- als auch rechtswissenschaftliche Begriffe und Aspekte erörtert. Schon Lorenz von Stein kritisierte, daß die Rechtsbildung auf dem Gebiete des Finanzwesens auf einer weder hohen noch klaren Stufe seiner Entwicklung stehe.13 In einem globaleren Rahmen wird zunächst aufzuzeigen sein, daß der Finanzstaat des Grundgesetzes unzweideutig Steuerstaat u ist (Teil B). Ausgehend von dieser Feststellung gilt es, das Finanzierungsinstrument Kredit einer rechtlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Dabei werden die Art. 109, 110 und 115 GG sowie die einfachgesetzlichen Regelungen der Bundeshaushaltsordnung, des Haushaltsgrundsätzegesetzes und des Stabilitätsgesetzes behandelt. Zentraler Begriff ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht; es normiert die Verpflichtung von Bund und Ländern, eine auf Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ausgerichtete Haushaltswirtschaft zu betreiben. (Teil C). In Teil D wird der öffentliche Kreditbegriff hergeleitet, insbesondere dargelegt, daß zeitliche Befristung und RückZahlungsverpflichtung unverzichtbare Tatbestandsvoraussetzungen des Kredits sind. Darüber hinaus sind mit normativen Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG vereinbare Funktionen des öffentlichen Kredites zu erarbeiten, und es ist aufzuzeigen, ob eine kreditäre Finanzierung struktureller Defizite verfassungsrechtlich verankert ist oder nicht. In Teil Ε wird die gegenwärtige Haushaltspraxis der Kreditaufnahme hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der kreditbegrenzenden Intention des X. Abschnitts des Grundgesetzes überprüft. Zentrale Begriffe sind hierbei Einnahmen aus Krediten sowie Ausgaben für Investitionen. Das Ausklammern wesentlicher Teile öffentlicher Kreditaufnahmen gegenüber den Restriktionen der Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 109 Abs. 2 GG wird kritisch erörtert. Im Zuge der Nettoveran13 Siehe L. v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 1885, 2. Theil, 3. Abtheilung, insb. S. 242 f.; erneuert wurde diese Kritik in jüngerer Zeit durch v. Arnim, Grundprobleme der Staatsverschuldung, in: BayVBl. 1981, S. 514, Püttner, Staatsverschuldung, S. 6, 9. 14 Grundlegend dazu: J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, FS für Η. P. Ipsen, 1977 S. 409 ff.: „Der Staat des Grundgesetzes ist Steuerstaat"; H.-G. Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 1990, Rdnr. 30; ders., Finanzierungsformen im Abgabenstaat, Teil I: Steuern, in: Jura 1990, S. 64; P. Kichhof, Die Steuer als Ausdruck der Staatsverfassung, in: FS für H. Sendler, 1991 S. 65 f.; K. Vogel, Der Sozialstaat als Steuerstaat, in: Konsens und Konflikt, hrsg. von A. Randelzhofer / W. Süß, 1986, S. 133 ff.; ders., Der Finanz- und Steuerstaat, in: HdStR, Bd. I, 1987, § 27, Rdnr. 69 ff, ders., Der offene Finanz- und Steuerstaat, Ausgewählte Schriften 1964 bis 1990, hrsg. von P. Kirchhof, passim.

II. Fragestellungen und Abgrenzung

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schlagung von Kreditaufnahmen werden Umschuldungskredite nicht nur der parlamentarischen Kontrolle entzogen, im Ergebnis entstehen Altschulden, die weder die konstitutiven Tatbestandsvoraussetzungen des Kredits erfüllen noch in Einklang zu bringen sind mit den Erfordernissen des Art. 109 Abs. 2 GG. Abschließend werden die gesetzlichen Voraussetzungen der Kreditaufnahme von Sondervermögen erörtert (Teil F).

Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des Grundgesetzes Der Staat der Bundesrepublik Deutschland wird durch das Grundgesetz verpflichtet, eine Vielzahl ausgabewirksamer Aufgaben wahrzunehmen. Isensee merkt dazu sehr treffend an, daß „ ( . . . ) das Gemeinwesen der Gegenwart dem Gesetz wachsender Staatsaufgaben unterworfen sei. Es lebt damit auch unvermeidlich unter dem Gesetz wachsender Finanzbedürfnisse." 1 Zur Deckung des resultierenden Finanzbedarfs stehen dem Staat grundsätzlich vier Möglichkeiten offen: a) erwerbswirtschaftliche Betätigung b) Geldschöpfung c) Aufnahme von Krediten d) Erhebung von Abgaben ad a) Die in Art. 12 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl und die in Art. 14 verankerte „Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums"2 setzen der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates enge Grenzen. Im Ergebnis ist die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates eher ein Instrument zur Verteilung von Gütern und Leistungen, weniger ein Finanzierungsmittel. 3 Gerade das Verlustrisiko in Teilbereichen der Wirtschaft kann das Staatsunternehmen erforderlich machen, dann nämlich, wenn Private die Leistung in diesem Marktsegment nicht anbieten, die Versorgung der Bevölkerung jedoch sicherzustellen ist. Demgegenüber bedürfen gewinnträchtige Branchen, und nur 1 J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 415; vergl. A. Wagner, Grundlagen der politischen Ökonomie, 1. Theil, 2. Halbband, S. 895. 2 Dazu BVerfGE 14, 263 (LS. 1), 31, 229 (240); vergl. P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, in: VVDStRL 39 (1981), S. 232 f.: „Die Garantie des Privateigentums verbietet das Staatseigentum und fordert statt dessen die Steuer." 3 Vergl. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HdStR, Bd. IV, 1989, § 88, Rdnr. 47, S. 109; ebenso H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., 1967, S. 897, indem er den „modernen Staat" mit „Steuerstaat" gleichsetzt und deshalb erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates grundsätzlich unzulässig erachtet; a. Α.: Dickersbach, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand im Verhältnis zur Privatwirtschaft aus öffentlichrechtlicher Sicht, in: WiVerw 1983, S. 198 f.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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um diese geht es, wenn erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates einen Beitrag zur Finanzierung allgemeiner öffentlicher Aufgaben leisten soll, keiner staatlichen Teilhabe. Es würde dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen, wenn der Staat gerade in diesen Bereichen den prinzipiellen Vorrang des Privaten in Frage stellen würde. 4 Erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates ist damit nicht gänzlich ausgeschlossen, er hat sich jedoch nicht unternehmerisch zum ausschließlichen Zweck der Gewinnerzielung 5, die dem Privaten legitimerweise zugestanden werden muß, die aus ökonomischer Sicht gar zwingend erforderlich ist, um langfristig den Unternehmensfortbestand Privater zu gewährleisten 6, zu finanzieren. Eine Kausalität dergestalt, daß die Erfüllung staatlicher Aufgaben vom Erfolg oder Mißerfolg (Verlustrisiko) des Staates am Markt abhänge, ist mit dem öffentlichen Interesse unvereinbar. 7 Bull 8 konkretisiert die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung durch den Staat auf zwei Zwecke: Sicherstellung der öffentlichen Versorgung (sog. Daseinsvorsorge) und Einflußnahme auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die durch Art. 109 Abs. 2 und 3 GG für Bund und Länder gleichsam bindend ist. Von herausragendem öffentlichen Interesse ist die Schaffung einer flächendeckenden Infrastruktur im Verkehrs- und Kommunikationswesen. Die Bemessung der Gebühren für Leistungen der Bundespost oder Bundesbahn wird regelmäßig nach dem Kostendeckungsprinzip erfolgen 9, im übrigen werden verfassungsrechtlich normierte Zielsetzungen wie das Sozialprinzip oder der in Art. 3 GG verankerte Grundsatz der Lastengleichheit10 zu berücksichtigen sein. 4

Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsuntemehmen und Privatrecht, 1986, S. 310 ff.; er gelangt zu dem Ergebnis, daß bloßer Gewinnzweck staatliche Unternehmungen nicht prinzipiell, aber in der Regel doch als ungerechtfertigt erscheinen läßt; ders., Das Rechtsstaatsprinzip der Republik, 4. Aufl., 1992, S. 41, Rdnr. 84; ders., Res publica res populi, Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1993 i. E., sub III., 3. und 4.; IV., 2. und 3.; V., 5 / . Isensee, Steuerstaat als Staatsform: „Gewinnerzielung ist kein legitimer Staatszweck. Unternehmerische Motivation ist dem Steuerstaat fremd." (S. 416); „Gewinnerzielung ist für die öffentliche Hand stets entbehrlich (also unzulässig)" (S. 431), ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HdStR, 1988, Bd. III, § 57, Rdnr. 172. 5 Vergl. R. Stober, Rein gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand und Verfassung, in: ZHR 1981, S. 587 f.; ders., Die privatrechtlich organisierte öffentliche Verwaltung, in: NJW 1984, S. 452 f. 6 Dazu: D. Schneider, Investition und Finanzierung, 4. Aufl., 1975, S. 244 f. Gewinne sind erforderlich, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, und damit das Unternehmen als dauerhafte Einkommensquelle, zu erhalten. 7 Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 463. s H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl., 1977, S. 280. 9 Vergl. § 29 Satz 2 PostVerfG: „Die Leistungen sind kostendeckend abzugelten.". 10 Dieser Grundsatz steht einer Berücksichtigung von Gebührenanteilen, die der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen, entgegen. Dazu: F. Kirchhof, Gebührenflexibilität der Deutschen Bundespost, 1986, S. 113 ff., ders., Die Höhe der Gebühr, 1981, S. 128 f.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

Wirtschaftliche Betätigung durch den Staat im Sinne einer aktiven Konjunkturpolitik ist durchaus vertretbar, etwa in der Form von Beschäftigungsgesellschaften oder der Beteiligung an Unternehmen in strukturschwachen Regionen, durch Art. 109 Abs. 2 GG sogar geboten, gleichwohl dominieren Gemeinwohlzwecke. Indes bedarf die Legitimation durch öffentliche Zwecke der stetigen Überprüfung: Der Vorrang der Privatheit gebietet, daß erwerbswirtschaftliche Betätigung nur als „ultima ratio" einer verfassungsrechtlich gebotenen Wirtschaftsbeeinflussung zulässig ist; insoweit sind öffentliche Unternehmen einem permanenten „Aufruf auf Abbau" auszusetzen.11 Bull gelangt zu dem Schluß, daß der Betrieb wirtschaftlicher Unternehmungen des Staates nur für diejenigen öffentlichen Zwecke zu rechtfertigen sei, die nicht in der Erzielung von Einnahmen bestehen.12 In der Bundeshaushaltsordnung als Ausführungsgesetz zu Art. 109 Abs. 3 GG wird die Zulässigkeit der Beteiligung des Bundes an Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts daran geknüpft, daß „ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und sich der vom Bund angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen läßt" (§ 65 Abs. 1 Ziffer 1 BHO). Ein wichtiges öffentliches Interesse ist regelmäßig nicht gegeben, wenn lediglich Einnahmen durch Geldanlage erzielt werden sollen. 13 Im Hinblick auf die verfasungsrechtlich gebotene Deckung des allgemeinen öffentlichen Finanzbedarfs stellt erwerbswirtshaftliche Betätigung des Staates, sei es in der Form von Sondervermögen (Bundesbahn und Bundespost) oder aber durch Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen, keine nachhaltige Einnahmeform dar. ad b) Unter staatlicher Geldschöpfung soll das „Schaffen für die Staatsfinanzierung geeigneter Zahlungsmittel durch den Staat" 14 verstanden werden. Eine Ausweitung der Geldmenge durch den Staat ist stets in Verbindung mit der wirtschaftspolitischen Zielsetzung der Geldwertstabilität 15 zu erörtern. In der Finanzwissenschaft werden drei Formen der Geldschöpfung unterschieden: 16 aa) Schaffung von Münzgeld: Dem Bund wurde die ausschließliche Gesetzgebung über das „Währungs-, Geld- und Münzwesen" übertragen (Art. 73 Ziffer 11 G. Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 GG, Rdnr. 52; Vergl. W. Berg, Die wirtschaftliche Betätigung des Staates als Verfassungsproblem, in: GewArch 1990, S. 233 f.; Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HdStR, Bd. III, 1988, § 57 Rdnr. 171; Η. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HdStR, 1987, Bd. I, § 28, Rdnr. 53. 12 Bull, Die Staatsaufgaben, S. 279 f.; vergl. Berg, S. 228. ι3 v. Köckritz / Ermisch / Lamm, Bundeshaushaltsordnung, Kommentar, 1987, §65 BHO, Rdnr. 4 ; Η. Soldner, in: Heuer / Dommach, HdFK, 1986, Bd. I, § 65 BHO, Tz. 16. 14 J. Pahlke, Staatliche Geldschöpfung als Einnahmequelle, in: HdF, Bd. 3, 3. Aufl., 1981, S. 118. 15 Dazu unten, sub C. I. 1. b), Fn. 20 und C. I. 1. c), Fn. 48. 16 Ausführlich erläutert bei: J. Pahlke, S. 118 ff.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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4 GG). Nach dem Münzgesetz v. 8.7.1950 begibt der Bund Münzen in Nennbeträgen von einem Deutschen Pfennig bis zu fünf Deutschen Mark. Die Geldschöpfung resultiert hierbei aus der Differenz der Herstellkosten sowie der jeweiligen Nennweite der Münzen. Da der Münzumlauf unter 1 v. H. der Geldmenge M 3 1 7 liegt, neben den Herstellkosten erhebliche Verwaltungskosten bei den staatlichen Prägeanstalten anfallen, ist diese Form der Geldschöpfung zu vernachlässigen. bb) Ausgabe von Notengeld (Papiergeld): Bei der Ausgabe von Notengeld ist der Stoffwert der Note selbst unerheblich, die jeweilige Höhe der Geldschöpfung entspricht den Nennwerten des Notengeldes. Die Herausgabe von Banknoten obliegt auschließlich der Bundesbank (vergl. § 14 Abs. 1 BBankG). 18 Die Entscheidung über Höhe und Zeitpunkt der Notenausgabe erfolgt im Hinblick auf die Aufgabenstellung der Bundesbank, i. e. insbesondere Sicherung der Währung (§ 3 BBankG), „unabhängig von Weisungen der Bundesregierung". 19 Der Gefahr einer „Defizitfinanzierung durch die Notenbankpresse" 20 und einer damit potentiell verbundenen inflationären Entwicklung wird durch die restriktiven Regelungen des Bundesbankgesetzes wirksam begegnet. Die im Grundgesetz verankerte und im Bundesbankgesetz einfachgesetzlich normierte Trennung währungspolitischer Aufgaben von der allgemeinen Deckung der Ausgaben des Staates schließt eine Finanzierung von Staatsausgaben durch Geldschöpfung aus.21 Beim Einsatz des der Bundesbank zur Verfügung stehenden währungspolitischen Instrumentariums, seil. Diskont-, Kredit-, Offenmarkt-, Mindestreserve- und Einlagenpolitik (§§ 15 bis 17 BBankG), ist das Entstehen von Gewinnen nicht auszuschliessen. Wird der Bundesbankgewinn an den Bund abgeführt, so kommt diese Übertragung faktisch einer Geldschöpfung gleich, da sie anders als beim Kredit (Tilgung und Verzinsung) gegenleistungsfrei erfolgt. Gleichwohl ist die Gewinnerzielung keine legitimes Ziel der Bundesbank, sondern „aufgabenspezifisch" 22 mit der Zielsetzung des § 3 BBankG verknüpft. cc) Buchgeldausweitung: Buchgeld entsteht durch die Beleihung lombardfähiger Sicherheiten oder die Diskontierung bundesbankfähiger Wechsel. Diese Form der Geldschöpfung bietet formal das größte Potential, indes wirken Mindestreservepolitik (§16 BBankG) und die Kosten der Refinanzierung (Lombard und 17 Unter M3 sind der Bargeldumlauf sowie die von inländischen Nichtbanken bei hiesigen Kreditinstituten gehaltenen Sichteinlagen, Termineinlagen unter 4 Jahren sowie Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist zu verstehen; dazu: E-M. Ciaassen, Grundlagen der Geldtheorie, 2. Aufl., 1980, S. 35 ff.; J. Pahlke, S. 123. „Die Deutsche Bundesbank hat das ausschließliche Recht, Banknoten im Geltungsbereich dieses Gesetzes herauszugeben." 19 Vergl. § 12 Satz 2 BBankG; H. Schlesinger, Verteidigung des Geldwertes in einer inflatorsichen Umwelt, S. 6. 20 O. Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, in: HdF, Bd. 3, S. 10. 21 Ebenso P. Kirchhof, Die Finanzierung des Leistungsstaates, in: Jura 1983, S. 505. 22 Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 300; vergl. unten sub Teil Β. I. 3.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

Diskont) limitierend. Für den Bund ist das Volumen auf 6 Mrd. D M begrenzt (§ 20 BBankG). Im Ergebnis ist die Bedeutung der Geldschöpfung hinsichtlich der Finanzierung öffentlicher Ausgaben „gering" 23 und „begrenzt" 24 . Abgaben in der Form von Steuern, Gebühren und Beiträgen, aber auch Sonderabgaben und Kredite verbleiben als Einnahmemöglichkeiten des Staates.25 1. Abgaben a) Steuern In den grundgesetzlichen Regelungen finden in den Art. 105 und 106 GG nur Steuern Berücksichtigung. „Das Grundgesetz erwartet die wesentliche Finanzausstattung der öffentlichen Hand von dem Steueraufkommen." 26 Gleichwohl offenbart ein Blick in den Finanzbericht des BMF, daß das Steueraufkommen bei weitem nicht ausreicht, um den nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG den Haushaltsgesetzgeber bindenden Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben herzustellen. Steuern begründen keinen Anspruch auf eine konkrete Gegenleistung des Staates; sie dienen einzig dazu, den Staat finanziell auszustatten. Jedoch bedarf die Erhebung von Steuern gesetzlicher Grundlage. 27 „Der Gesetzgeber ist an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden, der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt". 28 Neben der grundrechtlichen Verpflichtung zur steuerlichen Lastengleichheit bestimmt die Finanzverfassung, daß „eine Überbelastung des Steuerpflichtigen" zu vermeiden ist. Inwieweit dieses in Art. 106 Abs. 2 Pkt. 2 GG verankerte Gebot eine wirksame Obergrenze für die Besteuerung darstellt, wird unten (sub Β. III. 2. a) erörtert. 23 P. Kirchhof, Die Finanzierung des Leistungsstaates, S. 505. 24 H.-G. Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rdnr. 19, 453 ff. 25 Die von Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Möglichkeit, daß neben Steuern, Gebühren und Beiträgen sowie Sonderabgaben unter besonderen Voraussetzungen auch andere Abgaben verfassungsrechtlich möglich sind, soll hier nicht weiter erörtert werden, da sie keinen originären Finanzierungszweck öffentlicher Ausgaben verfolgen; vergl. BVerfGE 75, 108 ff. (KünstlersozialVersicherung); 78, 249 ff. (Fehlbelegungsabgabe); 81, 156 ff.; 82, 159 (LS. 2); W. Schmidt, Sonderabgaben in der neueren Rechtsprechung des BVerfG, in: NVwZ 1991, S. 31 ff. 26 Ρ. Kirchhof, ebenda, S. 506; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1090; BVerfGE 67, 256 (278), 78, 249 (266 f.), 82, 159 (178). 27 Vergl. K. Tipke / W. Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar zur AO 1977 und FGO (ohne Steuerstrafrecht), 14. Aufl., 1991, § 3 AO, Rdnr. 24 ff.; R. Kühn / H. Kutter / R. Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Nebengesetze, Kommentar, 16. Aufl., 1990, § 3 AO, S. 8 f.; Vogel ! Walter, in: BK, Art. 105 GG, Rdnr. 132 ff. 28 Vergl. BVerfGE 6, 55 (70); 13, 181 (202) ; R. Mußgnug, Verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Schutz vor konfiskatorischen Steuern, in: JZ 1991, S. 995; a. Α.: Η. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, in: VVDStRL, 39(1981), S. 318 f., leitet Steuergerechtigkeit i. S. steuerlicher Lastengleichheit aus Art. 14 GG her.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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b) Gebühren und Beiträge Während Steuern zur Finanzierung des allgemeinen Finanzbedarfs dienen und den Staat nicht zur konkreten Gegenleistung verpflichten, stellen Gebühren und Beiträge Abgabeformen dar, die im Fall der Gebühr in Sachzusammenhang mit einer konkreten Leistung, im Fall des Beitrags im bevorzugten Angebot einer solchen stehen.29 Gebühren und Beiträge stehen als öffentliche Abgaben unter Gesetzesvorbehalt. 30 Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Die dem Staat durch Gebührenerhebung sich eröffnenden Einnahmemöglichkeiten finden ihre bisweilen eng auszulegenden Grenzen in der Bemessungsgrundlage.31 Gebühren dürfen in keinem Mißverhältnis zu der von der öffentlichen Verwaltung gebotenen Leistung stehen. Das dem Kostendeckungsprinzip verwandte Äquivalenzprinzip ist dem Begriff der Gebühr immanent. 32 Gebührenerhebung mit dem „Ziel der Erwirtschaftung von Überschüssen" 33 ist mit dem Kostendekkungsprinzip nicht vereinbar; sie käme einer willkürlichen Heranziehung einzelner zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben gleich. 34 Dem steht Art. 3 GG entgegen: „Das Gewinnprinzip ruft sachwidrige Ungleichheit zwischen Gebührenschuldnern und NichtSchuldnern hervor". 35 Als Resultat ist zu konstatieren, daß die Einnahmen aus Gebühren lediglich einen Leistungstausch bewirken, wobei in einigen Fällen, man denke etwa an 29 Vergl. Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 348 ff. und 376 ff.; W. Patzig, Steuern-Gebühren-Beiträge und „Sonderabgaben", in: DÖV 1981, S. 734 f.; P. Kirchhof, Die Finanzierung des Leistungsstaates, S. 511 ff. 30 Explizit werden im Grundgesetz Gebühren a) für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen (Art. 74 Pkt. 22 GG) und b) für die Benutzung der Einrichtungen der Bundeseisenbahn und des Post- und Fernmeldewesens (Art. 80 Abs. 2 GG) angeführt. 31 Vergl. BVerfGE 50, 215 (226); D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 82 ff. 32 Vergl. BVerfGE 20, 257 (269 f.), 28, 36 (48); indes hat das Bundesverfassungsgericht im weiteren ausgeführt, daß aus der Zweckbestimmung der Gebühr nicht folge, daß die Gebührenhöhe durch die Kostenhöhe der Leistung ( . . . ) in der Weise begrenzt sei, daß Gebühren diese Kosten nicht überschreiten oder unterschreiten dürfen (E 50, 195 (220)); so auch Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 365; a. Α.: Κ . Vogel, Vorteil und Verantwortlichkeit, Der doppelgliedrige Gebührenbegriff des Grundgesetzes, FS für Geiger, 1989, S. 518 ff. (insb. S. 536), hält die Gebührenhöhe auch für unzulässig, wenn „die Höhe des Vorteils bzw. der Kosten (einschließlich der Gemeinkosten) eindeutig überschritten wird". 33 Hennecke, Finanzierungsformen im Abgabenstaat, Teil II: Gebühren, Beiträge, Sonderabgaben, in: Jura 1990, S. 115. 34 Vergl. Hennecke, ebenda. 35 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 125 ff. (insb. S. 129).

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

ermäßigte Telefongrund- oder aber Nahverkehrsgebühren, der Sozialstaat gegenüber dem Gebührenpflichtigen nur auf teilweisem Entgelt der konkret mit der Gebühr korrespondierenden Leistung des Staates besteht. Dieser bewußte Verzicht seitens des Staates auf Erhebung von Gebühren, die eine Deckung aller der Leistung zurechenbaren Kosten gewährleisten, ist zwar durch das in den Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Sozialprinzip zu rechtfertigen, gleichwohl entsteht durch eine derartige Gebührenbemessung zusätzlicher Finanzierungsbedarf, der nur durch andere Einnahmearten, vorzugsweise Steuern, zu decken ist. Der Begriff des Beitrages findet im Grundgesetz expizit keine Berücksichtigung. Legaldefinitionen finden sich in den Kommunalabgabengesetzen (KAG) der Länder; der Beitrag stellt eine Abgabeform dar, um Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung zu beteiligen. Unter Interessenten ist derjenige Personenkreis zu verstehen, der von der durch das Gemeinwesen in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zur Verfügung gestellten Einrichtung einen besonderen wirtschaftlichen Nutzen hat. 36 Dabei ist es unerheblich, ob die Einrichtung tatächlich genutzt wurde, abzustellen ist vielmehr auf den vermuteten Vorteil, die Möglichkeit der Inanspruchnahme durch den Interessenten. 37 Genau dieser Aspekt ermöglicht es, den Beitrag von der Gebühr abzugrenzen. Ein Grundstückseigentümer wird durch einen Anliegerbeitrag an den Kosten zur Errichtung eines für ihn nutzbaren Ver- und Entsorgungsnetzes beteiligt, unabhängig davon, ob er die Anschlußmöglichkeit tatsächlich nutzt oder nicht. Demgegenüber entrichtet er Gebühren nur in Höhe der von ihm verbrauchten Trinkwassermenge. Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Gebühr oder aber einen Beitrag zu erheben, wird oftmals durch ermittlungs- oder erhebungstechische Aspekte bestimmt. „Läßt sich nur die Gruppe der vermutlichen Leistungsnachfrager, nicht aber der individuelle Leistungsempfänger tatbeständlich bestimmen, so wählt der Gesetzgeber den Beitrag und nicht die Gebühr." 38 Hinsichtlich des sich für den Haushaltsgesetzgeber durch die Instrumente Gebühr und Beitrag eröffnenden Finanzierungsspielraumes ist eindeutig zu konstatieren, daß beide bestenfalls geeignet erscheinen, einen Leistungstausch zu bewirken, keinesfalls jedoch ungebundene Liquidität schaffen. Im Gegensatz zu Steuern dienen Gebühren der Finanzierung individuell zurechenbarer Leistungen, Beiträge dem bevorzugten Angebot derselben; insoweit stehen sie nicht als Mittel zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs zur Verfügung.

36 Vergl. BVerfGE 7, 244 (254 f.); 9, 291 (297 f.). 37 Siehe Münchener Rechtslexikon, Redaktion H. Tilch, Bd. 1, 1987, S. 507; P. Kirchhof\ Die Finanzierung des Leistungsstaates, S. 513: „Ein Beitrag entgilt nicht den Empfang, sondern das bevorzugte Angebot einer Leistung"; K. Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., 1987, S. 73. 38 Ρ. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HdStR Bd. IV, § 88, S. 181, Rdnr. 214.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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Darüber hinaus würde eine „Finanzierung wesentlicher öffentlicher Aufgaben und Leistungen im Wege der Gebühren- und Beitragserhebung neben der Abhängigkeit von der Nachfrage, der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft die Sicherstellung grundgesetzlich verankerter Aufgaben der Gefahrenabwehr, der sozialen Sicherung oder der überindividuellen Planung" potentiell gefährden. 39 c) Sonderabgaben Die Sonderabgabe als atypische Einnahmequelle des Staates wurde in einer Reihe grundlegender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes eingehend erörtert. 40 Sonderabgaben sind der Ausnahmefall der Einnahme. Sie sind in der Finanzverfassung des X. Abschnittes des Grundgesetzes nicht vorgesehen und werden daher auf allgemeine Kompetenzvorschriften der Art. 70 ff. GG gestützt. 41 Sie wurden ursprünglich als Auffangtatbestand für alle Abgaben, die sich nicht als Steuern, Gebühren oder Beiträge qualifizieren lassen, angesehen.42 Das Bundesverfassungsgericht hat die Sonderabgabe als eigenständigen Abgabentypus insbesondere in der Entscheidung zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz (E 55,274 ff.) definiert und die Voraussetzungen für die Erhebung umfassend beschrieben. Innerhalb des sich durch Art. 70 ff. GG eröffnenden Kompetenzbereiches für den Gesetzgeber hat dieser die gestaltende Wirkung der Sonderabgabe klar darzulegen; andernfalls fällt sie nicht in den Kompetenzbereich. Diese, durch höchstrichterliche Entscheidung den Gesetzgeber bindende Voraussetzung, ist restriktiv anzuwenden. Bei einer Abgabe, die als Sonderabgabe erhoben werden soll, ist zwingend der materielle Gehalt zu prüfen. 43 Allein eine formale Klassifizierung als Sonderabgabe kann nicht überzeugen. Vielmehr ist auf den Kompetenzbereich, auf den sich die Abgabe stützen soll, abzustellen. Darüber hinaus dürfen Sonderabgaben nicht zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben und ihr Aufkommen nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet wer-

39 Dazu: Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 30. 40 Vergl. BVerfGE 55, 274 ff. (Berufsausbildungsabgabe); 57, 139 ff. (Schwerbehindertenabgabe); 67, 256 ff. (Investitionshilfegesetz); weitere Nachweise oben sub Fn. 25. 41 Vergl. D. Birk, Erläuterung zu Art. 105 GG, Rdnr. 12, S. 1270, in: Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2,; ebenso BVerfGE 55, 274 (297). 42 Siehe P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 221. 43 Stützt sich eine Abgabe bspw. auf Art. 74 Ziffer 11 GG, dem Recht der Wirtschaft, so muß die gestaltende Wirkung i. S. einer Wirtschaftsregulierung oder -lenkung klar beschrieben sein, hierzu BVerfGE 67, 256, LS. 1.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

den. 44 Indes konstatiert W. Richter 45, daß Sonderabgaben „häufig mehreren ordnungspolitischen Zielen, wie einem Ausgleichs-, Lenkungs- oder Förderungsprinzip dienen", denen ein „Einnahmeerzielungszweck immanent ist". Sonderabgaben fallen nicht unter den Einnahmenbegriff des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG, werden somit nicht im Haushaltsplan ausgewiesen und unterliegen direkt keiner parlamentarischen Kontrolle; „sie dienen vielmehr in der Regel der Finanzierung von Fonds, die nicht aus dem Etat ersichtlich, sondern budgetflüchtig sind" 46 Gerade hierin ist ein wesentlicher Aspekt zu sehen, warum die „ ( . . . ) Sonderabgabe gegenüber der Steuer (und gegenüber Beiträgen und Gebühren, eigene Anm.) die seltene Ausnahme zu sein hat." 47 Gestützt auf einfachgesetzliche Regelungen nach Art. 74 ff. GG würde andernfalls einer Aushöhlung der Finanzverfassung „Tür und Tor" geöffnet; ein fataler Zustand, so er denn rechtens wäre. Die haushaltmäßige Behandlung einer Abgabe als Einnahme im Sinne von Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG oder aber als Sonderabgabe entsprechend Art. 70 ff. GG ist im Hinblick auf seine Rechtsnatur irrelevant, d. h. nicht konstitutiv hinsichtlich einer verfassungsrechtlichen Qualifizierung als Sonderabgabe.48 Es kann schlechterdings nicht in das alleinige Ermessen des einfachen Gesetzgebers gestellt sein, einen Abgabetypus durch haushaltsmäßige Erfassung als Steuer oder aber Sonderabgabe zu determinieren. „Während im Steuertatbestand die Merkmale der verfassungsrechtlich vorgesehenen Staatsfinanzierung definiert werden, bezeichnet der Tatbestand der Sonderabgabe das Gegenteil, die verfassungsrechtlichen Bedenken." 49 Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber weitere Restriktionen auferlegt, um einer normativen Gruppenbildung der Abgabenschuldner vorzubeugen: So muß sich die Gruppe derer, denen die Sonderabgabe auferlegt werden soll, durch Homogenität, Sachnähe und eine besondere, einzig von dieser Gruppe zu vertretenen Verantwortung gegenüber der von der Sonderabgabe zu fordernden, gestaltenden Wirkung von der Allgemeinheit der Steuerzahler und anderer Gruppen abgrenzen lassen. Der Tatbestand der Homogenität ist dann erfüllt, wenn „ ( . . . ) die Gruppe durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebenen Interessenslage oder durch besondere, gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit abgrenzbar ist. ( . . . ) Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck 44 Vergl. BVerfGE 55, 274 (LS. 2 b und S. 305 f.); 67, 256 (275); F. Rottländer, Haushaltspolitische Bedeutung und Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, 1988, S. 22. 45 Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, 1977, S. 52 ff. (insb. S. 62 f.). 46 W. Patzig, Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Haushalte, in: DÖV 1985, S. 300. 47 BVerfGE 55, 274, LS. 4. 48 Dazu BVerfGE 55, 274 (305). 49 ρ. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88, S. 187; vergl. Rottländer, S. 50 ff. (insb. S. 64 ), S. 110.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler." 50 Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muß demnach ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung, fallen. Sachnähe ist material — nicht formal — anhand von Kriterien zu bestimmen, die sich der gezielten Normierung des Gesetzgebers aus Anlaß der Einführung der Abgabe entziehen. Die materielle Ausgestaltung der Sachnähe darf nicht zur Disposition durch den Gesetzgeber gestellt werden. Die Verwendung der Mittel aus dem Sonderabgabeaufkommen hat gruppennützig zu erfolgen, jedoch geht die Auslegung nicht so weit, daß das Abgabeaufkommen im spezifischen Interesse jedes Einzelnen zu verwenden ist. Fremdnützige Sonderabgaben sind grundsätzlich verfassungswidrig. Ihrer Erhebung stehen Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 GG entgegen. Eine Belastung einer Gruppe zugunsten einer anderen Gruppe steht nicht nur im Widerspruch zum Gleicheitsgrundsatz, die Verpflichtung des Eigentums respektive sein Gebrauch besteht ausschließlich gegenüber dem Wohle der Allgemeinheit. 51 Eine weitergehende Verpflichtung gegenüber einer bestimmten Gruppe ist dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 GG nicht zu entnehmen, eine derart weit gefaßte Auslegung als abwegig zu betrachten. Der Ausnahmetatbestand der Sonderabgabe gegenüber der Steuer ist vom Gesetzgeber im Zeitablauf durch wiederholte Prüfung der Zuläsigkeit zu rechtfertigen, insbesondere ist darauf abzustellen, inwieweit die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten, oben eingehend dargelegten Voraussetzungen noch Bestand haben oder aber aufgrund veränderter Umstände (bspw. Fortfall des Finanzierungszwecks, Erreichen der beabsichtigten gestaltenden Wirkung) nicht länger erfüllt werden können. 52 Als Einnahmequelle für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates steht die Sonderabgabe nicht zur Verfügung. 53 Nicht nur, daß sie ein Fremdkörper im System der Finanzverfassung des Grundgesetzes darstellt, die Möglichkeit des Gesetzgebers zur Erhebung einer Sonderabgabe ist an restriktiv anzuwendende Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichtes gebunden.54 Hervorzuheben so BVerfGE 55, 274, Leitsätze 3 a und b. 51 Vergl. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, Rdnr. 238, S. 189 f.; im BVerfGE 55, 274 (307) ist eine Ausnahme nur für den Fall vorgesehen, daß „die Natur der Sache einefinanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen rechtfertigt"; a. Α.: P. Henseler, Das Urteil zur Investitionshilfeabgabe in seiner Bedeutung für die Dogmatik des Abgabenrechts, in: NVwZ 1985, S. 400, ders., Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, 1984, S. 60 ff. 52 Vergl. BVerfGE 82, 159, LS. 1. 53 Vergl. BVerfGE 75, 108 (147); 82, 159 (178). 54 Dazu: BVerfGE 67, 256 (278),,Nur so kann die bundesstaatliche Finanzverfassung vor einer Aushöhlung durch Sonderabgaben geschützt werden ( . . . ) " . 3 Lappin

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

ist das gestaltende Moment, welches einem reinen Finanzierungszweck entgegensteht. Auf Art. 70 ff. GG gestützte Abgaben haben eine Lenkungs- oder Ausgleichsfunktion zu erfüllen. Eine Sonderabgabe, die vom Staat unerwünschte Verhaltensweisen sanktioniert 55, unterliegt zweifacher Rechtfertigung: finanzrechtlich dergestalt, daß die Lenkungsaufgabe nicht durch Steuererhebung zu erfüllen ist. Der zweite Aspekt besteht darin, daß der fundamentale Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten nur zu gewährleisten ist, wenn der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit (Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG nicht beeinträchtigt wird, dergestalt, daß der Gesetzgeber Einnahmeund Ausgabekreisläufe außerhalb des Haushaltes organisiert. 56 Der Zielerreichungsgrad der Lenkungsabgaben dürfte umso größer sein, je geringer das Abgabenaufkommen ist. Der Idealfall wäre ein Null-Aufkommen. Insoweit „bedrohen" reine Lenkungsabgaben die Finanzverfassung kaum. 57 Sonderabgaben, deren gestaltendes Moment auf eine Ausgleichsfunktion abzielt 58 , erfüllen ihre Aufgabe nicht dadurch, daß sie als Korrektiv tatsächliche Verschiedenheiten einebnen, sondern allenfalls unvermeidliche Fehlwirkungen des Rechts auszugleichen versuchen.

2. Kredite Die Finanzverfassung regelt in Art. 115 GG das Recht des Bundes, Kreditverbindlichkeiten einzugehen. Ausführungsgesetz gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 3 GG ist das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG). Für den Bund wurde das HGrG in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) konkretisiert, auf Länderebene in den jeweiligen LHO's umgesetzt. Darüber hinaus sind die §§5 und 6 StabG einschlägig für den konjunkturgerechten Einsatz des Finanzierungsinstrumentes Kredit. Die Regelungen sind für den Bund direkt, für die Länder sinngemäß (§14 StabG) anzuwenden. Kredite dienen entsprechend der vereinbarten Laufzeit der befristeten Finanzierung von Ausgaben, für deren Ausgleich zum Zeitpunkt der Kreditaufnahmen keine anderen endgültigen Einnahmen verfügbar sind. Abhängig von der Ausgestaltung der Kreditbedingungen ist der Kreditbetrag in Teilbeträgen während der Laufzeit oder aber erst am Ende der Kreditdauer zurückzuzahlen. Neben der 55

Als Bsp. für eine verfassungswidrige Sonderabgabe ist die Wehrpflichtersatzabgabe zu nennen. Verhaltenslenkung durch unterschiedliche Zahlungsfähigkeit zu bewirken, steht im klaren Widerspruch zu Kernbereichen der Grundrechte. 56 Vergl. BVerfGE 55, 274 (303), 82, 159 (178 f.); Rottländer, S. 120. 57 Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 406. 58 Ein Bsp. für eine Abgabe mit Ausgleichsfunktion stellt die Fehlbelegungsabgabe im sozialen Wohnungsbau dar. Ihre Erhebung wurde erwogen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß eine Vielzahl von Mietern öffentlich geförderter Wohnungen zwar bei Einzug den Vergaberestriktionen genügten, im Zeitablauf ihre Einkommensverhältnisse die Bemessungsgrenzen überschritten.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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reinen Rückzahlung fallen im Regelfall Zinsen an, die als Entgelt für die befristete Überlassung von Kapital an den Kreditgeber zu entrichten sind und deren Höhe sich an Marktkonditionen am Kapitalmarkt orientiert. Eine Finanzierung von Ausgaben des Staates durch zinslose Kredite, wie sie in § 608 BGB geregelt werden, ist als Möglichkeit sehr wohl denkbar, jedoch kann sich auch der Staat, solange er sich auf freien Kapitalmärkten finanziert, nicht dem „Spiel der Marktkräfte" entziehen, d. h. er wird den jeweiligen Marktzins für den nachgefragten Kredit zahlen müssen. Wie in den nachfolgenden Ausführungen zum Steuerstaat noch detailliert zu zeigen sein wird 5 9 , hat der Staat der Bundesrepublik Deutschland sich grundsätzlich durch Steuern zu finanzieren. Kredite sind, so die Regelung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz GG, an die Höhe der veranschlagten Investitionen gebunden. Nur im Falle einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist ein Überschreiten dieses Limits zugunsten weiterer, kreditfinanzierter, nicht investiver, gleichwohl die Nachfrage stimulierender Ausgaben zulässig. Im Kontext zu Art. 115 ist stets 109 Abs. 2 GG zu beachten. Alle finanzwirtschaftlichen Maßnahmen bei Bund und Ländern, und hierzu zählen insbesondere Kreditaufnahmen, haben den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Hierbei ist zu fordern, daß die zusätzlichen Kreditaufnahmen geeignet sind, final auf das Wiedererlangen des Gleichgewichts ausgerichtet zu sein. Den Gesetzgeber trifft hier eine besondere Darlegungslast, wie jüngst das Bundesverfassungsgericht postulierte. 60 Als Einnahme stehen Kredite im Falle eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bis zur Höhe der veranschlagten Investitionen zur Verfügung, sofern die Kredite nicht dem normativen Zweck des Art. 109 Abs. 2 GG zuwiderlaufen. Keinesfalls jedoch ist die Höhe der veranschlagten Investitionen als eine Grenze anzusehen, die es stets auszufüllen gilt. Dem Wortlaut des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ist lediglich zu entnehmen, daß die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen. Eine Auslegung der Formulierung „nicht überschreiten" dahingehend, daß Ausgaben für Investitionen stets durch Kredite zu decken sind, ist zu widersprechen. Der Zweck des Kredites gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zielt ab auf die Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Ausgehend vom Gleichgewichtsfall hat der Haushaltsgesetzgeber das Finanzierungsinstrument Kredit präventiv einzusetzen. Im Sinne einer konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft, zu der Bund und Länder durch Art. 109 Abs. 3 GG verpflichtet sind, verbietet sich ein Automatismus dergestalt, daß allein die Höhe der veranschlagten Ausgaben für Investitionen die Höhe der zulässigen Krediteinnahmen hinreichend determiniert. 59 Dazu unten, sub Β. ΙΠ. 60 BerfGE 79, 311, LS. 4. 3*

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

3. Exkurs: Verwendung des Bundesbanküberschusses Eine weitere, im Grundgesetz nicht erwähnte, gleichwohl ein beträchtliches Volumen erreichende außerordentliche Einnahme stellen die aus der Verwendung des jährlichen Bundesbanküberschusses resultierenden Restbetragsabführungen an den Bund dar. Wenngleich dem Wortlaut des Bundesbankgesetzes der Begriff „Reingewinn" 6 1 zu entnehmen ist, so ist dieser dem Staat und seinen Verwaltungen fremd. An dieser Stelle soll klar darauf hingewiesen werden, daß die Errichtung der Bundesbank alleinige Aufgabe des Bundes ist (Art. 88 Satz 1 GG), und diese als bundesunmittelbare juristische Person (vergl. § 2 Satz 1 BBankG) in der Form einer gubernativen Verwaltung agiert. Im Gegensatz zu Privaten hat der Staat keine Gewinnmaxime, er handelt stets gemeinwohlorientiert. Einnahmen und Ausgaben sind auszugleichen (Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG). Sollte dieses verfassungsrechtliche Ausgleichsgebot einmal übererfüllt werden, handelt es sich regelmäßig um Überschüsse. Im Falle der Bundesbank läßt sich die monetäre Globalsteuerung nicht derart begrenzen, daß Überschüsse a priori zu vermeiden sind. Ihr Entstehen ist aufgabenspezifisch. 62 Folgerichtig ist dem Bundesbankgesetz keine Regelung zu entnehmen, die darauf abzielt, daß die Bundesbank Überschüsse zu erwirtschaften hat. Die in § 27 BBankG normierten Zahlungspflichten sind denn auch dahingehend zu interpretieren, daß die Verpflichtung nur greift, sofern sich ein Überschuß (Gewinn) ergeben hat. 63 Während die Bundesbank bis einschließlich 1980 keine nennenswerten Überschüsse erzielte, änderte sich die Situation ab 1981 grundlegend: Der Anteil der auf den Bund entfallenden jährlichen Überschüsse erreichte in den vergangenen zehn Jahren eine Größenordnung von bis zu 12,9 Mrd. D M p. a. (siehe hierzu BMF, Finanzbericht 1991, Tabelle 6). Diese willkommene Einnahmequelle entlastet den Haushalt des Bundes erheblich. Das Bundesbankgesetz wurde in einer Zeit beraten und verabschiedet 64, als zwischen den Währungen feste Paritäten bestanden. Erst mit dem Liberalisieren der Wechselkurse, dem freien Floaten, und dem Einsatz gezielter Interventionen seitens der Bundesbank, um Währungsparitäten zu beeinflussen, kam es zur Bildung erheblicher Überschüsse. Diese Veränderungen finden im Bundesbank61 Verggl. § 27 BBankG. 62 So insb. Schachtschneider, Staatmiternehmen und Privatrecht, S. 300; O. Issing, Gewinnabführung der Notenbank, in: Öffentliche Finanzen, Kredit und Kapital, FS für W. Ehrlicher, 1985, S. 165 f. 63 Vergl. Schachtschneider, ebenda, Fn. 96, S. 300; R. W. Strohmeyer, Keine unbedingte Gewinnabführungspflicht der Deutschen Bundesbank, in: ZKW 1981, S. 200 f. 64 Durch das 140. Gesetz v. 26.7.1957 (BGBl. I, S. 745); von 1944 bis 1973 hatte das Währungssystem von Bretton Woods Gültigkeit: Es ist durch den Gold-DevisenStandard, feste Wechselkurse und Konvertibilität der beteiligten Währungen zu charakterisieren.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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gesetz bislang keine Berücksichtigung. Der Haushaltsgesetzgeber ist vielmehr dazu übergegangen, diese Überschüsse wie ordentliche Einnahmen im Haushaltsentwurf einzuplanen. Sie finden auf der Einnahmeseite unter „Sonstigen Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit" Berücksichtigung. Doch Überschüsse der Bundesbank haben eine grundlegend andere Qualität als Steuern. Ihnen ist ein Höchstmaß an spekulativem Moment aufgrund der nicht allein durch die Bundesbank abzuschätzenden, geschweige denn zu beeinflussenden Währungsparitäten und Zinsentwicklungen, eigen. 65 Das die vom Gesetzgeber der Bundesbank eingeräumte Möglichkeit, in begrenztem Umfang sonstige Rücklagen zu bilden, um das „allgemeine Wagnis des In- und Auslandsgeschäftes" abzudecken (§§ 26 Abs. 2 Satz 3 und 27 Pkt. 2 BBankG), nicht ausreicht, um insbesondere durch Neubewertung von Fremdwährungsguthaben oder -Verbindlichkeiten entstehende Wertverluste auszugleichen, belegen die erheblichen Schwankungen der Restbetragsabführungen. 6 6 Die Bundesbank folgt keiner erwerbswirtschaftlichen Maxime; die üblichen Gewinnfunktionen gelten für sie nicht. 67 Ihre Aufgaben ergeben sich umittelbar aus § 3 BBankG: Neben der Regelung des Geldumlaufes, der Kreditversorgung der Wirtschaft und der bankmäßigen Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland dominiert die Sicherung der Währung. Ein Automatismus dergestalt, durch Überschußerzielung via Restbetragsabführung zur Ausgabenfinanzierung des Bundes beizutragen, ist der Aufgabenstellung der Bundesbank nicht zu entnehmen. Der Bundesbank ist ein ausreichender Ermessensspielraum einzuräumen. Wer Sacharbeit leistet, muß hinreichend unabhängig sein, macht er sich abhängig, handelt er gewissenlos. Im Unterschied zu Abgeordneten, Richtern und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes, deren Unabhängigkeit explizit im Grundgesetz garantiert wird 6 8 , läßt sich die Unabhängigkeit der Bundesbank durch Art. 88 Satz 1 GG weder begründen noch ausschließen.69 65 Vergl. Aufgaben und Ziele einer neuen Finanzpolitik — Grenzen staatlicher Verschuldung, Schriftenreihe des BMF, Heft 36, S. 17. 66 Die Bundesbank mußte im Jahre 1987 erhebliche Verluste bei der Bewertung ihrer US$-Bestände verbuchen, sodaß die Restbetragsabführung an den Bund im Jahre 1988 „nur" 240 Mio DM gegenüber 7.338 Mio DM im Vorjahr (1987) betrug; vergl. dazu BMF, Finanzbericht 1990, insb. Tabelle 6, S. 159. 67 Vergl. G. Zeitel, Geschäftsergebnisse der Bundesbank weiter in der Diskussion, in: Öffentliche Finanzen und monetäre Ökonomie, FS für K. Häuser, 1985, S. 151; AT. Häuser, Widersinn des Bundesbankgewinnes, in: Staat, Steuern und Finanzausgleich, hrsg. von Koch / Petersen, 1984, S. 415 ff. 68 Das Grundgesetz garantiert Unabhängigkeit für diese Gruppen in Art. 38 Abs. 1 „Die Abgeordneten sind ( . . . ) an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.", Art. 97 Abs. 1 „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen." sowie Art. 114 Abs. 2 „Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, (...)". 69 Vergl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 491 ff., lehnt eine verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesbank ab; T. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Art. 88, Rdnr. 11 ff., konstatiert „ohne Verstoß gegen Art. 88 eine gesetzlich unbegrenzte Unabhängigkeit";

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

Im Bundesbankgesetz jedoch hat der Gesetzgeber die Unabhängigkeit der Bundesbank dahingehend konkretisiert, daß ihre Organe (Zentralbankrat und Direktorium) keiner ministeriellen Fach- oder Dienstaufsicht unterstehen (ihre Stellung ist die von obersten Bundesbehörden (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BBankG). Darüber hinaus wird der Bundesbank in § 12 Satz 2 BBankG bei der „Ausübung ihrer Befugnisse (Aufgaben, eigne Anm.) Unabhängigkeit von den Weisungen der Bundesregierung" expressis verbis zugestanden. Formal erfährt die Unabhängigkeit der Bundesbank durch § 12 Satz 1 BBankG eine Einschränkung: Ihr wird auferlegt, „unter Wahrung ihrer Aufgaben die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen". Wirtschaftspolitik als Teil der Haushaltswirtschaft des Bundes hat, so Art. 109 Abs. 2 GG, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die i. S. v. § 1 StabG zu interpretieren sind, Rechnung zu tragen. Doch wie anders als gemäß Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 StabG sollten die in den §§ 3 und 12 Satz 1 BBankG der Bundesbank auferlegten Aufgaben und Pflichten verstanden werden? Die Sicherung der Währung geht konform mit dem in § 1 StabG geforderten Ziel der Preisstabilität. Das Stabilitätsgesetz jedoch bindet Bundesbank und Wirtschaftspolitik des Bundes gleichermaßen. Währungspolitische Maßnahmen der Bundesbank, und dazu zählen insbesondere auch die Abführungen des Restbetrages gemäß § 27 Pkt. 4 BBankG, sind somit stets im Hinblick auf den zu erwartenden Einfluß auf die Stabilität der Preise zu bewerten. Hier ist der Bundesbank ein Beurteilungsspielraum einzuräumen, um ihrer Sachaufgabe hinreichend Rechnung tragen zu können. Eine Rückführung der Überschüsse der Bundesbank in den Geldkreislauf -via Abführung des Restbetrages an den Bund- birgt indes eine potentielle Gefährdung der Geldwertstabilität, jedenfalls dann, wenn das unter währungssichernden Aspekten geplante Geldmengenwachstum überschritten wurde, in sich. 70 Die Abführung des Restbetrages würde in diesem Fall nicht nur eine Wirtschaftspolitik des Bundes, die gemäß Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 StabG stets auch auf Preisstabilität auszurichten ist, konterkarieren, sondern darüber hinaus die Erfüllung der Aufgabenstellung der Bundesbank selbst in Frage stellen. Der Bund hat bei der Veranschlagung von Restbeträgen im Haushaltsplan die Verfügbarkeit nicht nur unter Stabilitätsaspekten (Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 StabG) zu relativieren, vielmehr verbietet es das Bundesbanküberschüssen immanente, bisweilen nicht beeinflußbare, spekulative Moment, sie gleichrangig neben Steuern, Gebühren und Beitragen zu verbuchen. Die Erfüllung der in § 3 BBankG formulierten Aufgabe hat demnach der Abführung des Restbetrages vorzugehen. 71 v. Arnim, Begrenzung öffentlicher Ausgaben durch Verfassungsrecht, in : DVB1. 1985, S. 1290; a. Α.: Schachtschneider, Das Recht der Globalsteuerung, Skript, 1992, S. 23 ff. 70 Vergl. Issing, S. 168 ff.

I. Wesentliche Einnahmearten des Finanzwesens des GG

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Auch das Bundesverfassungsgericht greift die Verwendung des Bundesbankgewinnes in seiner Entscheidung zur Normenkontrollklage gegen das Haushaltsgesetz von 1981 (E 67, 311 ff.) auf, indem es Bedenken gegenüber der geübten Haushaltspraxis bei der Verwendung von Bundesbanküberschüssen anmeldet und sehr treffend feststellt, daß „ ( . . . ) Bundesbankgewinne (Überschüsse, eigne Anm.) in der Wirkung einer Kreditaufnahme bei der Notenbank ohne Zins- und Tilgungsverpflichtung gleichkommen.72 Es bleibt zu konstatieren, daß die Abführung des Restbetrages gemäß § 27 Pkt. 4 BBankG dem Bund nur dann als Einnahme zur Verfügung steht, wenn sie den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, konkretisiert durch die Zielprojektion Preisstabilität resp. Sicherung der Währung, Rechnung trägt. Inwieweit den Erfordernissen durch Nichtabführen bspw. durch vollständige Thesaurierung des Überschusses seitens der Bundesbank oder aber eine Haushaltswirtschaft des Bundes, die den Restbetrag ggfs. nicht als Einnahme dem Geldkreislauf zuführt, sondern zur Schuldentilgung verwendet, zu entsprechen ist, soll hier nicht abschließend erörtert werden. 73 Der dem Bund bei der Bewertung des Einflusses der Überschußverwendung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht einzuräumende Beurteilungsspielraum hat dazu geführt, daß seit 1989 derjenige Anteil der Restbetragsabführung, der 7 Mrd. D M übersteigt, unmittelbar zur Schuldentilgung verwendet wird (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des jeweiligen Haushaltsgesetzes). Ein weiterer Aspekt, der hier nur kurz skizziert werden soll, betrifft die bislang ausschließlich den Bund begünstigende Verwendung des Restbetrages. Das föderative Prinzip, welches als konstitutives Element des Bundesstaates in Art. 20 Abs. 1 GG Eingang gefunden hat, wirft die Frage auf, ob nicht auch die Länder einen Anspruch auf einen Anteil am Überschuß haben. Dieser Einwand läßt sich formal stützen auf den Wortlaut des § 27 Pkt. 4 BBankG, der zwar auf die Abführung des Restbetrages an den Bund, nicht jedoch auf seine weitere Verwendung eingeht. Die Verwendung des Restbetrages ließe sich abweichend von der bisherigen Haushaltspraxis ebenso im Sinne eines billigen Ausgleichs des Bundes und der Länder, wie es das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 3 Ziffer 2 vorsieht, regeln. 71 So auch P. Kirchhof \Staatliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 292, S. 214: Unter Bezugnahme auf Art. 109 Abs. 2 GG stellt er fest, daß der Bund insb. zu erwägen habe, ob er die Bundesbankgewinne gegenwärtig nicht in den Geldkreislauf einbringt oder ob er sie primär zur Schuldentilgung verwendet. 72 Vergl. BVerfGE 79, 311 (355 f.). 73 a. Α.: L. Grämlich, Kommentar zum BBankG, § 28 Pkt. 4, Rdnr. 17, S. 247: Ausgehend von einer isolierten Betrachtung des § 28 Pkt. 4 BBankG leitet er eine für den Bund verwaltungsgerichtlich einklagbare Leistungsverpflichtung der Bundesbank zur Abführung des Restbetrages her. Negative Einflüsse durch eine Geldmengenausweitung ließen sich bestenfalls durch ratenweise Abführung neutralisieren. Mehr Spielraum ließe das geltende Recht nicht zu. (Art 109 Abs. 2 GG bleibt unberücksichtigt, eigene Anm.).

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

I I . Der Rechtsbegriff Steuer Das Grundgesetz leistet im X. Abschnitt keinen Beitrag zur Legaldefinition des Steuerbegriffs, es handelt sich demnach um einen offenen Rechtsbegriff 74. In der Abgabenordnung (AO) findet sich eine Begriffsfestlegung, die zur verfassungsrechtlichen Auslegung des Rechtsbegriffs in ständiger Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht 75 herangezogen wird.

1. Die Regelung in § 3 Abs. 1 AO Die einfachgesetzliche Legaldefinition des Steuerbegriffs in der Abgabenordnung basiert auf der Regelung des § 1 RAO vom 13.12.1919 (RGBl. S. 1993), die nach einer redaktionellen Überarbeitung in der Fassung vom 22.5.1931 (RGBl. I, S. 161) bis 1976 Gültigkeit hatte. In der heutigen Fassung des § 3 Abs. 1 AO (ν. 13.3.1976, BGBl. I, S. 613) lautet sie wie folgt: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Zölle und Abschöpfungen sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes." Eine Abgabe hat, um als Steuer qualifiziert zu werden, folgende Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen: a) Geldleistung Der Steuerpflichtige hat seine Steuerschuld ausschließlich in Form von Geld zu erbringen. Ein Ausgleich durch Naturalien, Hand-, Spann- oder sonstige Dienste (bspw. Wehr- oder Ersatzdienst) ist nicht statthaft. 76 Für die Qualifizierung als Steuer ist es ohne Bedeutung, ob die Geldleistung einmalig oder fortlaufend erhoben wird. 77 Bei der Überarbeitung der Abgabenordnung wurde der in § 1 Abs. 1 Satz 1 AO a. F. enthaltene Zusatz „einmalig oder laufend" gestrichen.

74 Sehr trefflich bezeichnet H. Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: Probleme des Finanzausgleichs, hrsg. von W. Dreißig, 1978, S. 138, die Finanzverfassung als „wahre Fundgrube" unbestimmter Rechtsbegriffe. 75 Zuletzt Ε 67, 256 (282). 76 Vergl. Tipke / Kruse, § 3 AO, Rdnr. 6. 77 R. Kühn/H. Kutter/R. Hofmann, Abgabenordnung, § 3 AO, S. 7.

II. Der Rechtsbegriff Steuer

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b) Voraussetzungslosigkeit Zum Steuerbegriff gehört die Gegenleistungsfreiheit. 78 Das in Art. 14 GG verankerte Bekenntnis zur Privatwirtschaft begrenzt zwingend erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates79. Die Finanzierung von Ausgaben durch Abgaben wird zunehmend zum Sachzwang. Der durch Gesetz oder kraft Gesetzes ergangener Verordnung zur Leistung Verpflichtete erhält nicht mehr als das, was der Staat für den Einzelnen des Gemeinwesens an öffentlichen Aufgaben wahrnimmt. Steuern begründen keinen Rechtsanspruch auf eine staatlicherseits zu erbringende Leistung. Die allgemeinen Leistungen des Staates sind keine Gegenleistung, die für das Entrichten von Steuern erbracht werden. 80 Hierdurch lassen sich Steuern eindeutig gegenüber Gebühren und Beiträgen, deren Erhebung stets an eine konkrete Leistung oder dem bevorzugten Angebot einer Angebot einer solchen gebunden ist, abgrenzen; sie sind nicht auf individuelle Äquivalenz ausgelegt.81 c) Auferlegen durch ein öffentlich-rechtliches

Gemeinwesen

Das Recht zur Erhebung von Steuern ist eine hoheitliche Aufgabe. Sie obliegt ausschließlich dem Staat. Zum öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zählen ausschließlich Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände (BVerfGE 10, 141 (176)). Eine Sonderregelung besteht für Relegionsgesellschaften. Ihnen wird die Stellung eines Parafikus durch Art. 140 GG i. V. m. 137 Abs. 6 WRV eingeräumt und explizit die Berechtigung erteilt, „ ( . . . ) auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben". d) Erzielung von Einnahmen Das Erheben von Steuern muß abzielen auf Einnahmen, die der Finanzierung öffentlicher Haushalte dienen. Abzustellen ist auf die von W. Knies 82 geforderte „Ertragsrelevanz" der Steuer. Inwieweit neben der reinen Einnahmeerzielung ein weiterer Zweck verfolgt wird, mag offenbleiben, der Wortlaut des § 3 Abs. 1 AO läßt ausdrücklich zu, daß Einnahmeerzielung Nebenzweck sein kann. 78 Isensee, Nichtsteuerliche Abgaben, in: Staatsfinanzierung im Wandel, hrsg. von K.-H. Hansmeyer, S. 440. 7 9 Vergl. oben, sub Β., Fn. 2; so auch Schachtschneider, Res publica res populi, IX., 9.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 270 ff.; H.-J. Papier, Unternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, in: VVDStRL 35 (1977), S. 79, 81 f.; BVerfGE 31, 239 (245); 37,132 (140); 42,263 (294); 50, 290 (339);. so Vergl. K. Koch, Kommentar zu § 3 AO, Rdnr. 5, S. 16; Tipke! Kruse, § 3 AO, Rdnr. 14. si K. Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., 1987, S. 69. 82 Steuerzweck und Steuerbegriff, 1976, S. 136 ff.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

e) Allen aufzuerlegen, die durch Gesetz an die Pflicht zur Entrichtung der Steuer gebunden sind Grundsätzlich sind die Mittel zur Finanzierung allgemeiner öffentlicher Leistungen von der Gesamtheit der Bürger im Verhältnis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erbringen. Die Steuerpflicht ist die verfassungsrechtliche Grundpflicht des Bürgers, die einschlußweise vom Grundgesetz statuiert wird. 83 Die Grundpflicht hat gleichen verfassungsrechtlichen Rang wie Grundrechte. 84

2. Der grundgesetzliche Steuerbegriff a) Ableitung des Steuerbegriffs

aus Art. 105 ff. GG

Während Art. 105 GG als Kompetenznorm die Besteuerungshoheit zwischen Bund und Ländern regelt, wird in Art. 106 GG die Verteilung einzelner Steuerarten festgelegt. Eine Begriffsdefinition der Steuer enthalten beide Artikel nicht; sie wird vorausgesetzt. Literatur und Bundesverfassungsgericht nehmen Bezug auf § 3 Abs. 1 AO. Die einfachgesetzliche Legaldefinition der Abgabenordnung entbindet jedoch nicht von der Notwendigkeit, den Steuerbegriff aus dem Grundgesetz selbst herzuleiten. 85 Der Parlamentarische Rat nahm die Beratungen zum Finanzwesen nicht zum Anlaß, den Steuerbegriff im Grundgesetz zu definieren. Auch anläßlich der Finanzreform 1967 und 1969 wurde die einfachgesetzliche Regelung der Reichsabgabenordnung nicht diskutiert. Erst im Zusammenhang mit der Neufassung der Abgabenordnung 1977 wurde erörtert, inwieweit der Steuerbegriff der Abgabenordnung rezipiert werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat durch eine frühe Entscheidung (E 7, 244 LS. 1) die Gültigkeit der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 RAO für das Grundgesetz bestätigt. Die Regelung in § 3 Abs. 1 AO 1977 findet in der Entscheidung (E 65, 325, 344) erneut Berücksichtigung. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch stets darauf verwiesen, daß die einfachgesetzliche Regelung in der Reichsabgabenordnung resp. Abgabenordnung bei der verfassungsrechtlichen Auslegung lediglich „zugrunde zu legen" oder aber „daran anzuknüpfen" ist, keinesfalls jedoch zum Ausdruck gebracht, daß eine Gleichsetzung von verfassungsrechtlichem Steuerbegriff mit der Legaldefinition der Abgabenordnung beabsichtigt ist. Anzumerken ist einmal mehr, daß einfachgesetzliche 83 Vergl. V. Götz, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, in: VVDStRL 41(1981), S. 33 f.; P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, in: JZ 1982, S. 307; Isensee, Die verdrängten Grundpflichten des Bürgers, in: DÖV 1982, S. 617. 84 Isensee, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 442. 85 Zustimmend Vogel / Walter, in: BK zu Art. 105 GG, Rdnr. 33; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, § 4614, S. 1097 f.; C. Starck, Zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, S. 195 ff.

II. Der Rechtsbegriff Steuer

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Regelungen keine bindende Wirkung gegenüber der Verfassung entfalten, vielmehr der Gesetzgeber bei der Beratung und Verabschiedung normativen und materiellen Vorgaben des Grundgesetzes Rechnung zu tragen hat. So betrachtet ist § 3 Abs. 1 AO als eine Auslegungshilfe bei der verfassungsrechtlichen Begriffsfindung der Steuer zu sehen. Es steht außer Frage, daß die Regelung in der Abgabenordnung wesentliche Tatbestandsmerkmale auch des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs beinhaltet, jedoch nicht alle. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach darauf verwiesen, daß bei der Auslegung einer Regelung oder eines Rechtsbegriffs neben der Entstehungsgeschichte und einfachgesetzlichen Regelungen insb. auf den aus Wortlaut und Sinneszusammenhang zu bestimmenden objektivierten Willen abzustellen ist. 86 In der Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919 fand ein eigenständiger Abschnitt zum Finanzwesen keine Berücksichtigung; Kompetenzregelungen für das Recht zur Abgabenerhebung enthalten die Art. 8 und 11 WRV, jedoch keine weitergehenden Erläuterungen zum Steuerbegriff selbst. So stellt das Bundesverfassungsgericht für die Auslegung des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs ab auf den Funktionszusammenhang der bundesstaatlichen Finanzverfassung 87. Auszugehen ist demnach von der einschlägigen Regelungen der Art. 109 Abs. 2 und Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG und zu erörtern, welchen Steuerbegriff sie voraussetzen. Die in Art. 109 Abs. 2 GG Bund und Ländern auferlegte Verpflichtung, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen, ist auch für Steuern bindend. b) Zweck der Steuer Steuern sind nicht Selbstzweck. Die Abgabenordnung stellt auf den Einnahmetatbestand ab. Der verfassungsrechtliche Zusammenhang zwischen Einnahmenerzielung und Aufgabenerfüllung wird nicht berücksichtigt. Der Bezug zu durch Steuern zu finanzierenden Aufgaben ist wesentlich, um den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff umfassend zu definieren. Nur die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben schlechthin legitimiert die Besteuerung. 88 Als Teil der Haushaltswirtschaft dienen Steuern einerseits dazu, zur Deckung der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben beizutragen (Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG), andererseits üben sie einen erheblichen Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung aus. D. Birk 89 nennt es zweifache Wirkstruktur der Steuer.

86 Dazu Ε 1, 299 (312); 7, 267 (272 f.); 10, 20 (51); 10, 234 (244). 87 BVerfGE 67, 256 (282). 88 Vogel /Walter, in: BK zu Art. 105 GG, Rdnr. 54. 89 GG-Altemativkommentar zu Art. 105 GG, Rdnr. 10; ders., Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 67 ff.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

aa) Einnahmenerzielung Der Staat ist zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben verpflichtet. Art. 9 1 a GG führt eine Reihe von Gemeinschaftsaufgaben konkret an, deren Finanzierung Bund und Länder gleichsam sicherzustellen haben. Aus dem Sozialprinzip sind weitere Verpflichtungen abzuleiten. Zur Erfüllung dieser zumeist ausgabeintensiven Gemeinschaftsaufgaben sieht die Finanzverfassung in den Art. 105 und 106 GG ausschließlich Steuern vor. 9 0 Die Finanzierungsfunktion macht den Kern des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs aus.91 Mehr noch, die „Funktion, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates zu gewinnen, ist ( . . . ) nach dem Willen der Verfassung ausschließlich der Steuer zugewiesen".92 Im Sinne eines material verstandenen Ausgleichsgebotes (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG) ermöglicht es lediglich die Abgabeart Steuer, den Haushaltsplan auszugleichen. Daraus folgt, daß es sich bei Abgaben, die unter dem Steuerbegriff des Art. 105 f. GG subsumiert werden, regelmäßig um Einnahmen handeln muß, die dem Staat endgültig zufließen. 93 bb) Wirtschaftslenkung Keine Steuer ist frei von Wirkungen, die über den bloßen Transfer von Geldleistungen des Steuerpflichtigen an das Gemeinwesen hinausgehen.94 Infolge des Volumens des jährlichen Steuer- und Sozialabgabeaufkommens, gemessen am Bruttosozialprodukt annähernd 42 v. H. im Jahre 1989 95 und der damit finanzierten Ausgaben des Staates ist ein erheblicher Einfluß auf das Spiel der wirtschaftlichen Kräfte zu erwarten. Wirtschaftspolitische Lenkung durch ein Steuergesetz bedeutet keinen Formenmißbrauch (BVerfGE 10, 147 Leitsatz 2). Nichtfiskalische Wirkungen sind der Steuer immanent. Art. 109 Abs. 2 GG verpflichtet Bund und Länder zu einer aktiven Konjunkturpolitik, bedeutet eine Inpflichtnahme der Steuerwirtschaft. 96 Die Steuer ist neben dem Kredit ein weiteres Instrument des Haushaltsgesetzgebers, um konjunkturgerecht im Sinne von Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 StabG zu handeln. 90 Erträge aus Finanzmonopolen, namentlich das Branntweinmonopol (das Zündwarenonopol wurde durch Gesetz v. 25.8.1983 abgeschafft, BGBl. I, S. 1241), können außer Ansatz bleiben, ihr Aufkommen ist vom Volumen her zu vernachlässigen. 91 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, § 46 I 4, S. 1099; vergl. etwa P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 124 ff.; Stark, S. 204, spricht gar vom „zwingenden Finanzzweck der Steuer"; Richter, S. 33 ff. 92 BVerfGE 55, 274 (299); vergl. unten, sub Β. III. 2. b). 93 Ebenso BVerfGE 67, S. 256 f. Ls. 4. 94 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1102. 95 BMF, Finanzbericht 1992, S. 301. 96 Vergl. Vogel / Walter, Art. 105 GG, Rdnr. 50, Stark, S. 204; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 117; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 109 GG, Rdnr. 5.

II. Der Rechtsbegriff Steuer

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Es ist noch einmal zu betonen, daß es wesentlich ist, Steuern in ihrer Doppelfunktion zu begreifen: a) Einnahmenerzielung, um die Finanzierung im Haushaltsplan veranschlagter Ausgaben sicherzustellen (Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG), b) Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die dem Staat via Verfassung auferlegt worden sind (Verpflichtung zu einer konjunkturgerechten Haushaltwirtschaft durch Art. 109 Abs. 2 und 3 GG, aber auch Ausgestaltung des Sozialprinzips). Hierin besteht der materielle Unterschied zur Sonderabgabe.97 Während bei der Sonderabgabe die gestaltende Wirkung unabdingbare Voraussetzung ist, bedarf es bei der Steuer stets auch einer ertragsrelevanten Komponente. Dabei mag offen bleiben, in welchem Verhältnis der zwingende Finanzierungszweck und wirtschafts- oder sozialpolitische Funktionen der Steuer zueinander stehen. Zwecksetzung ist ein geistiger Vorgang, der nicht genau zu quantifizieren ist. 98 c) Zölle

Unter dem Steuerbegriff des Grundgesetzes sind Zölle zu subsumieren (Art. 106 Abs. 1 Pkt. 1 GG). Ihr Aufkommen steht ausschließlich dem Bund zu. Zölle werden erhoben, sobald bestimmte Güter die Zollgrenze überschreiten; die Höhe ergibt sich aus dem Zolltarif. In der Vergangenheit stellten Zölle ein probates Instrument dar, um eine protektionistisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Einnahmeerzielung wurde nicht nur zum Nebenzweck, der Zollsatz für Waren wurde im Einzelfall so hoch angesetzt, daß ein Import faktisch nicht stattfand. In Ermangelung der von der Abgabeart Steuer zu fordernden Ertragsrelevanz ließen sich Zölle aufgrund ihres materiellen Gehaltes ebenso auf Art. 74 Abs. 1 Pkt. 14 GG (Recht der Wirtschaft) stützen. Die gestaltende Wirkung — in der Regel Schutz gegenüber ausländischem Wettbewerb für Güter, die auf internationalen Märkten nicht konkurrenzfähig sind, deren inländische Produktion aus nationalen Erwägungen für erforderlich erachtet wird — dominiert. Für die Finanzierung der Ausgaben des Bundes stehen Zölle nicht zur Verfügung. Seit 1.1.1988 werden die gesamten Zolleinnahmen des Bundes an die EG abgeführt (gem. Beschluß der Staats- und Regierungschefs auf der Haager Konferenz vom 1./2.12.1969). 99

97 Vergl. Vogel/Walter, Art. 105 GG, Rdnr. 54. 98 Starck, S. 205; die Differenzierung der Aufgaben der Steuer in Haupt- und Nebenzweck führt im Ergebnis nicht weiter, da quantifizierbare Kriterien nicht anwendbar sind. 99 Das Zollaufkommen betrug 1990 7,1 Mrd. DM (BMF, Finanzbericht 1991, S. 94).

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

III. Der Steuerstaat 1. Verfassungsrechtliche Festlegung Dem Wortlaut des Grundgesetz ist nur zu entnehmen, daß die „Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat ist" (Art. 20 Abs. 1 GG). Ein Hinweis auf den Begriff Steuerstaat findet sich in der Verfassung explizit nicht. Gleichwohl steht außer Frage fest, daß das Grundgesetz ein eindeutiges Votum für die Steuerstaatlichkeit enthält. 100 Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die Steuer als wichtigste Form der Finanzierung öffentlicher Ausgaben folgt unmittelbar aus der Finanzverfassung (Art. 105 ff. GG), dem Gleichheitsgebot ( Art. 3 Abs. 1 GG), den grundrechtlichen Garantien des Privateigentums (Art. 14 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sowie dem Sozial- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG). a) In der Finanzverfassung aa) Die Regelungen in der Finanzverfassung beziehen sich nahezu ausschließlich auf die Steuer als Finanzierungsinstrument. 101 Die Erträge aus Finanzmonopolen und Zöllen seien der Vollständigkeit wegen genannt, jedoch im Hinblick auf die Finanzierungszweck zu vernachlässigen, sei es mangels Ertragsrelevanz (Branntweinmonopol) oder wegen EG-Zuständigkeit (Zölle). Die Art. 105 ff. GG legen die Gesetzgebungskompetenzen bei Steuern und deren Verteilung eindeutig fest. Insbesondere die in Art. 107 GG getroffenen Regelungen zum Finanzausgleich stellen ausschließlich auf Steuern ab. Um zu gewährleisten, daß Art. 107 GG seinen Zweck erfüllt, muß nicht nur die Ertragskongruenz des Steuersystems gewahrt sein, weit wichtiger erscheint, daß staatliche Einnahmen weiterhin in dem bestehen, was die Art. 105 ff. GG verteilen, in Steuern. 102 Den Regelungen in der Finanzverfassung steht formal die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nicht entgegen, zu erinnern ist in diesem Zusammenhang jedoch an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Sonderabgaben. Nicht nur, daß die Sonderabgabe gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme zu sein hat, ihr Aufkommen darf nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden. 103 100

Nachweise siehe oben, sub Α. II., Fn. 14. P. Kirchhof\ Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, in: Staatsfinanzierung im Wandel, hrsg. von K.-H. Hansmeyer, 1983, S. 35; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 416 f. 102 Verl. BVerfGE 67,256 (278); 78,249 (266 f.); Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, § 27, Rdnr. 70 m. w. N.; K.-G. Loritz, Das Grundgesetz und die Grenzen der Besteuerung, in: NJW 1986, S. 3 f.; P. Kirchhof, Die Steuer als Ausdruck der Staatsverfassung, S. 66; Stober, Rein gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand und Verfassung, S. 587. 103 Vergl. BVerfGE 55, 274 LS. 2b und 4; 67, 256 (276). 101

. Der Steuerstaat

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bb) Art. 115 GG eröffnet dem Staat die Möglichkeit, Ausgaben partiell über Kredite zu finanzieren. Wie noch ausführlich darzulegen sein wird, ist der Staat bei der Aufnahme von Krediten jedoch sowohl an die Höhe der veranschlagten Investitionen als auch an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gebunden. Darüber hinaus ist ein Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben, wie er in Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG gefordert wird, material nur durch endgültige Einnahmen möglich. Nur bei formaler Auslegung des Ausgleichsgebotes des Art. 110 GG stellt der Kredit eine Alternative zur Steuer dar. Diese formale Betrachtung vermag nicht zu überzeugen. 104 Der Kredit selbst stellt eine zeitlich befristete Einnahme dar, m. a. W., auch er muß bei Fälligkeit durch endgültige Einnahmen, Steuern, getilgt werden. Mehr als eine temporäre Verschiebung der Fälligkeit des Ausgleichs in der Gegenwart getätigter Ausgaben vermag der Kredit nicht zu leisten. Der Ausgleich selbst kann, um es noch einmal zu betonen, nur durch endgültige Einnahmen bewirkt werden. Es soll an dieser Stelle nicht verkannt werden, daß der Kredit eine grundgesetzlich begründete Einnahmemöglichkeit des Staates darstellt. Ohne den Ausführungen zur Aufgabe staatlicher Kreditaufnahmen vorzugreifen (dazu sub D. II.), ist im Hinblick auf die Festlegung der Steuer als die Einnahme des Staates zu konstatieren, daß Kreditaufnahmen stets an ihrem Einfluß auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu messen sind, mithin erst durch Kredite der Staat über ein Instrument verfügt, um — wie es Art. 109 Abs. 2 und 3 GG fordern — eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft zu betreiben. Demgegenüber steht nur die Steuer uneingeschränkt als Finanzierungsquelle des Staates voraussetzungslos zur Verfügung. Diesem Aspekt tragen die Regelungen der Art. 105 f. GG Rechnung, indem sie einzig auf Steuern abstellen. Kredite jedoch sind ein Finanzierungsinstrument, um eine Verstetigung des Konjukturverlaufes zu bewirken; ihre Zulässigkeit ist neben der formalen Grenze der veranschlagten Investitionen stets abhängig von der Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Nur unter Beachtung dieser finanzverfassungsrechtlichen Restriktionen ist die Aufnahme von Krediten zu rechtfertigen. Einen Ausgleich der im Haushaltsplan zu veranschlagenden laufenden Ausgaben vermag der Kredit material nicht, formal nur, wenn die aus den Art. 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG resultierenden Restriktionen beachtet werden, zu leisten. So betrachtet bedingt Art. 115 GG den Steuerstaat sogar, denn wie anders als durch Steuern sollten Kredite getilgt werden. cc) Als weiterer Aspekt einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für den Steuerstaat im X. Abschnitt des Grundgesetzes ist das mit dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht (Art. 109 Abs. 2 GG) zumindest mittelbar verbundene Bekenntnis zur Marktwirtschaft zu erörtern. 105 Marktwirtschaft bedingt privat104 Dazu ausführlich unten, sub C. ΠΙ. los Vergl. Vogel / Wiebel, in: BK, Art. 109 GG, Rdnr. 100.

Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

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wirtschaftliche Betätigung. Ein erwerbswirtschaftlich tätiger Staat paßt nicht in dieses Bild. Der Steuerstaat ist nicht auf erwerbwirtschaftliche Betätigung angewiesen. Nicht nur, das sich durch das Recht zur Erhebung von Steuern, wie sie in den Art. 105 f. GG geregelt werden, eine Deckung öffentlicher Ausgaben durch Gewinnerzielung erübrigt, Gewinnerzielung schlechthin ist kein legitimes Ziel staatlichen Handelns. 106 Im Regelfall ist davon auszugehen, daß der Preis einer staatlichen Leistung durch das Kostendeckungs- oder Äquivalenzprinzip determiniert wird. Aus der Tatsache, daß Finanzmonopole, Bundesbetriebe und Sondervermögen im Grundgesetz erwähnt werden, abzuleiten, daß erwerbswirtschaftliche Betätigung zum Zwecke der Finanzierung öffentlicher Ausgaben verfassungsrechtlich gewährleistet ist, vermag nicht zu überzeugen. Es handelt sich um Anomalien und Anachronismen, derer die grundgesetzliche Ordnung so manche enthält. 107 Im Umkehrschluß ist zu folgern, daß das aus Art. 109 Abs. 2 GG mittelbar abzuleitende Bekenntnis zur Marktwirtschaft zwingend einen Staat erfordert, der sich gerade nicht erwerbswirtschaftlich betätigt, sondern seinen Finanzbedarf über Steuern deckt. b) Durch die Grundrechte aa) Das Tatbestandsmerkmal des einfachgesetzlichen Steuerbegriffs der Abgabenordnung „allen auferlegt werden" kam in der Weimarer Reichsverfassung deutlich in Art. 134 zum Ausdruck: „Alle Bürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei". Das Grundgesetz hat die Regelung der Weimarer Reichsverfassung nicht explizit übernommen, indes ist sie durch Art. 3 Abs. 1 GG einschlußweise normiert. 1 0 8 Durch das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG erfährt der Abgabengesetzgeber eine erhebliche Einschränkung bei der Auswahl der Abgabenart. Abgaben haben in Bezug auf den Abgabepflichtigen den Prinzipien der Gerechtigkeit, Gleichmäßigkeit und Leistungsfähigkeit zu genügen. Während Gebühren und Beiträge einen Anspruch auf konkrete Gegenleistung begründen, die tatsächliche Inanspruchnahme durch den Bürger und damit das Einnahmerisiko voll zu Lasten des Staates gehen, insoweit eine Deckung aller der konkreten Gegenleistung zurechenbaren Kosten aus dem zu erwartenden Gebühren- und Beitragsaufkom106

Dazu bereits oben, sub Β. I., Nachweise insb. Fn. 4 ff. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 432; a. Α.: Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 269 f.. Er interpretiert die Berücksichtigung von Finanzmonopolen (Art. 105, 106,108 GG und Ablieferungen (Art. 110 Abs. 1 GG) dahingehend, daß das Grundgesetz keine Bestimmungen über einen Vorrang von Steuern über den Rang staatlicher Erwerbseinkünfte enthalte, es vielmehr dem Gesetzgeber freistehe, eine relative Erhöhung des Anteils der Erwerbseinkünfte anzustreben. los Vergl. Tipke / Kruse, § 3 AO, Rdnr. 29. 107

III. Der Steuerstaat

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men a priori nicht sicherzustellen ist, Sonderabgaben einer Reihe restriktiv anzuwendender Voraussetzungen (Homogenität, Sachnähe, Gruppennützigkeit, gestaltende Wirkung) zu genügen haben, die das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Überprüfung der Verfassungskonformität der Erhebung von Sonderabgaben definiert hat, um sie insbesondere gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG vertreten zu können 109 , bedarf es einer weiteren Abgabenart zur Finanzierung des allgemeinen öffentlichen Finanzbedarfs, der Steuer. Sie korrespondiert als einzige Abgabenart mit dem Gleichheitsgebot. „Wesensmerkmal der Steuer ist ihre Allgemeinheit. ( . . . ) Die Steuer ist die einzige Gemeinlast unter den öffentlichen Abgaben."110 Nur sie bietet eine hinreichende Gewähr für Lastengleichheit, wie sie Art. 3 Abs. 1 GG erfordert. Der Steuerstaat wird somit zum Garanten des Gleichheitsgebotes, m. a. W. Lastengleichheit bedingt die Steuer als Abgabeform. bb) Art. 12 Abs. 2 GG gestattet explizit den persönlichen Einsatz jedes Bürgers im Rahmen einer herkömmlichen, allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Eine Konkretisierung dieser öffentlichen Dienstleistungspflicht könnte für den Bürger durchaus bedeuten, daß er einen Teil seiner Arbeitsoder Freizeit dem Gemeinwesen zur Verfügung zu stellen hat. Beschränkungen der durch Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit gehen vom Steuerstaat nicht aus, sei es, daß der Staat den persönlichen Einsatz fordere oder aber, daß er sich selbst erwerbswirtschaftlich betätige. Der Steuerstaat verpflichtet seine Bürger nahezu ausschließlich zur Zahlung von Abgaben in Geldform. Erst durch diese „steuerstaatliche Reduzierung der staatsbürgerlichen Pflichten" 1 1 1 werden die Voraussetzungen für eine umfassende Grundrechtsbetätigung geschaffen. Indes bedeutet der Verzicht des Grundgesetzes auf Arbeitskraft und Freizeit nicht, daß der Bürger sich seiner sozialen Grundpflichten entziehen soll. Es ist die „ständige Erprobung der Bereitschaft der Bürger, freiwillige und meistens unbezahlte Gemeinschaftsdienste zu übernehmen". 112 cc) Die Notwendigkeit einer abschließenden Beurteilung der Frage, inwieweit das Grundgesetz eine „unmittelbare Festlegung und Gewährleistung" einer bestimmten Wirtschaftsordnung enthalte oder aber „wirtschaftspolitisch neutral" 113 109 BVerfGE 55, 274 LS 1: „Als außersteuerliche Geldleistungspflicht der Angehörigen einzelner Gruppen stößt die Sonderabgabe auf enge kompetenzrechtliche Grenzen. Sie kann als zusätzliche Belastung ( . . . ) nur erhoben werden, wenn sie ( . . . ) vor dem Gebot der Gleichheit aller Bürger vor den öffentlichen Lasten Bestand hat." no Isensee, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 441. 111 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 424; vergl. H.-J. Papier, Besteuerung und Eigentum, in: DVB1. 1980, S. 788. Π2 Götz, S. 28 und 40. 113 Vergl. BVerfGE 4, 7 ff. (LS. 6), 17 306 (308), 39, 329 (336); 50, 290 (337 f.); das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, das das Grundgesetz „unmittelbar keine Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung enthalte". 4 Lappin

Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

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sei, stellt sich im Hinblick auf die Festlegung auf Steuerstaatlichkeit durch die Wirtschaftsverfassung nicht. Die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Individualgrundrechte der Freiheit der Berufswahl und der Gewährleistung des Eigentums hat der Gesetzgeber nicht nur bei der Ordnung der Wirtschaft zu respektieren, er hat sie zu wahren. Wenngleich beide Grundrechte unter Regelungs- resp. Gesetzesvorbehalten stehen, so steht in keinem Fall der Wesensgehalt (Art. 19 Abs. 2 GG) zur Disposition. Beide Grundrechte bedingen die privatwirtschaftliche Ordnung, andernfalls reduziert sich ihr Gehalt auf das eines substanzlosen Prinzips. Ausgehend von der grundrechtlichen Verankerung einer durch freie unternehmerische Betätigung und Privatnützigkeit des Eigentums gekennzeichneten Wirtschaft ist unmittelbar einsichtig, daß die Gründung staatlicher Unternehmen, die rein erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen, unzulässig ist. 1 1 4 Die Vorbehalte zeigen vielmehr auf, daß der Staat seinen legitimen Finanzbedarf durch einen „Anteil am Ertrag" 115 , den der Einzelne ja erst durch die Gewährleistung der Berufs- und Eigentumsfreiheit zu erzielen in die Lage versetzt wird, zu decken hat, konkretisiert durch die Erhebung von Steuern. Dabei ist es sekundär, inwiefern dem Grundgesetz zu entnehmen ist, daß sich für das Individuum die Berufsfreiheit und Privatnützigkeit des Eigentums innerhalb einer Marktwirtschaft, sozialen Markwirtschaft, etc. zu manifestieren hat, dies ist primär ein Problem der Nationalökonomie. Wesentlich ist, daß einzig durch Partizipation des Staates an wirtschaftlicher Betätigung des Einzelnen in Form von Steuern, durch bewußten Verzicht auf die Möglichkeit der öffentlichen Dienstleistungspflicht (Art. 12 Abs. 2 GG), die Grundrechte für den Einzelnen ein Höchstmaß an Privatheit entfalten. dd) Zu erörtern ist weiterhin Art. 14 Abs. 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." P. Kirchhof sieht in der Sozialpflichtigkeit des Eigentumgebrauches grundrechtlich eine Bestätigung für die finanzverfassungsrechtliche Grundentscheidung, den Staat am privaten Erwerb teilhaben zu lassen. Art. 14 Abs. 2 GG stütze somit die „im Verzicht auf die staatliche Erwerbswirtschaft angelegte Entscheidung für eine Steuer". 116 Insoweit ist die „Steuer nicht Gegensatz, sondern Voraussetzung für privates Eigentum" 117 . Das grundgesetzlich geschützte Privateigentum „verbietet das Staatseigentum" und fordert statt dessen „Teilhabe am Ertrags- und Tauschwert des Privateigentums", die Steuer. 118

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Berg, S. 228, weitere Nachweise oben, sub Fn. 4. Dazu Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 424; P. Kirchhof, Steuerliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 48. 116 />. Kirchhof, Steuerliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 48. 117 P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, S. 307. us Vergl. Kirchhof, ebenda. 115

III. Der Steuerstaat

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c) Durch das Sozialprinzip Rechtsstaat und Sozialstaat werden durch die Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet. Das Sozialprinzip 119 begründet für den Staat die Pflicht, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, für den Privaten die Verpflichtung, daß sein Vermögen zugleich auch dem Wohle der Allgemeinheit diene (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG); bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. 1 2 0 Die Sozialpflichtigkeit braucht nicht subjektives Ziel des Eigentumsgebrauchs zu sen; sie ist seine zwingende objektive Folge. 121 Als „Prototyp einer Zielprojektion" 122 bedarf die Verwirklichung des Sozialprinzips der Gestaltung; Die soziale Zielsetzung ist durch materiale Offenheit und Dynamik gekennzeichnet.123 Zu differenzieren ist an dieser Stelle zwischen dem Gestaltungsspielraum in bezug auf die durch den Gesetzgeber zu schaffende Sozialordnung einerseits und die Sicherstellung der Finanzierung dieser im Regelfall ausgabeintensiven, verfassungsrechtlichen Verpflichtung andererseits. Während das Grundgesetz die materiale Ausgestaltung des Sozialprinzips dem Prozeß der politischen Willensbildung überläßt, reduziert sich die Finanzierung auf die Erhebung einer Abgabe in Form der Gemeinlast. Nur mittels der Gemeinlast ist sicherzustellen, daß eine der Sache nach von allen zu tragende Aufgabe erfüllt werden kann. Die Steuer ist als Finanzierungsinstrument zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit unverzichtbar. Das soziale Staatsziel verwirklicht sich unmittelbar durch die Steuer. 124 Die Besteuerungsgewalt ist ein elementares Bindeglied zwischen Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit.125 Der moderne Rechtsstaat ist Sozialstaat wesentlich in seiner Funktion als Steuerstaat. 126 Über die gesetzliche Ausgestaltung der Höhe der individuellen Steuerschuld wird eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden, den individuellen Unterschieden Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit wird dem Einzelnen über die Steuer Einkommen entzogen, während die Verwen119

Zum Begriff: Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 31 f.: Der in der Literatur häufig verwendete Begriff Sozialstaatsprinzip verkennt insb. den Umstand, daß das Sozialprinzip per se nicht auf den Staat einzuengen ist. 120 BVerfGE 35, 202 (235 f.). 121 Isensee, Steuerstaat als Rechtsform, S. 425; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 46 f.: „Die Verpflichtung des finanzierungsfähigen Jedermann findet in der Sozialbindung des Privateigentums eine spezielle Ausprägung." 122 Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 38; ders., Res publica res populi, 4. Teil, 3. Kapitel. 123 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HdStR I, § 25, Rdnr. 24. 124 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 432. 125 H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Handbuch des Verfassungsrechts, Teil 1, S. 646. 126 E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: VVDStRL 12 (1954), S. 31. 4*

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

dung frei von individuellen Äquivalenzansprüchen, wie sie der Gebühr und dem Beitrag immanent sind, zur Umsetzung des Sozialprinzips zur Verfügung steht. 127 Erst mit der Steuer verfügt der Staat über eine Abgabeform, die sowohl eine adäquate Finanzierung der mit der Umsetzung des Sozialprinzips verbundenen Ausgaben ermöglicht als auch den Individualfreiheiten hinreichend gerecht wird. d) Durch das Rechtsstaatsprinzip Die verfassungmäßige Ordnung der Länder hat, so der Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, „den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinne dieses Grundgesetzes (zu) entsprechen". Das Rechtsstaatsprinzip ist neben dem Prinzip der Demokratie und dem bundesstaatlichen Prinzip eines der „elementaren Prinzipien des Grundgesetzes". 128 Es ist mehr als ein formales Prinzip. 129 Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, daß zur Rechtsstaatlichkeit nicht nur die „Voraussehbarkeit staatlichen Handelns, sondern auch Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit" gehöre. 130 Darüber hinaus wird dem Grundsatz des Rechtsstaates explizit das Adjektiv sozial hinzugefügt. Rechtsstaatlichkeit bedeutet Bindung an das Gesetz; ohne Gesetz gibt es keine staatliche Aufgabe. 131 Es erscheint unmittelbar einsichtig, daß der Staat zur Verwirklichung der Gesetze Institutionen benötigt, die finanziell auszustatten sind, um handlungsfähig zu sein, im Sinne einer „Einrichtung der Bürger für das gute Leben aller in gleicher Freiheit aller" 132 . Eine funktionstüchtige Exekutive oder Judikative, die nachhaltig Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit für den Bürger sicherstellt, gibt es nicht zum „Null-Tarif. Die Sicherstellung der Finanzierung der dazu staatlicherseits notwendigen Maßnahmen ist die Sache aller Bürger. P. Kirchhof betont, daß „in der rechtsstaatlichen Verfassung und ihrer materialen Gleichheit ( . . . ) zudem das Prinzip der Lastengleichheit angelegt (ist), das grundsätzlich die Allgemeinheit, nicht einzelne Gruppen, zu allen öffentlichen Lasten heranzieht." 133 Einzig die Steuer bietet demnach eine hinreichende Gewähr dafür, daß — unter Beachtung des Sozialprinzips und des Gleichheitsgebotes —

127

Vergl. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 432; Vogel, Der Sozialstaat als Steuerstaat, S. 134. 128 BVerfGE 1, 14 ff. (LS. 28); 20, 323 (331). 129 Dazu: E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, S. 477 f.; K. Stern, Das rechtsstaatliche Prinzip, in: HdStR, Bd. I, 1987, § 20, S. 781 f., er warnt jedoch vor „Überstrapazierungen". 130 BVerfGE 7, 89 (92); 7, 194 (196); 27, 167 (173). 131 Vergl. Schachtschneider, Das Rechtsstaatsprinzip der Republik, S. 10, Rdnr. 18. 132 Schachtschneider, ebenda, S. 35, Rdnr. 70. 133 Staatliche Einnahmen, § 88 Rdnr. 46.

III. Der Steuerstaat

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jeder nach Maßgabe seiner individuellen Leistungsfähigkeit seinen Beitrag leistet. Unser Gemeinwesen muß Steuerstaat sein, um Rechtsstaat sein zu können. 1 3 4

2. Elemente des Steuerstaates Der in der Steuerstaatlichkeit begründete Verzicht seitens des Staates auf erwerbswirtschaftliche Betätigung führt zwingend zu einer prinzipiellen Trennung von Staat und Wirtschaft. 135 Dabei obliegt es der Legislative, den Rahmen zu definieren, innerhalb dessen sich die privatnützige Wirtschaft etablieren kann. Über das Vehikel der Steuer wird sichergestellt, daß der Staat seine ihm zukommenden Aufgaben finanzieren kann. Dem Staat fällt die Steuerhoheit zu, den gesellschaftlichen Kräften die Verfügungsgewalt über die Steuerobjekte (wie Einkommen und Leistungsaustausch, Grundeigentum und Gewerbebetrieb) 136. Der staatliche Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit sowie die Garantie des Privateigentums reduziert sich auf ein Minimum. Trennung von Staat und Wirtschaft bedeutet nicht nur Schaffen der Voraussetzungen für eine nachhaltige Betätigung des Einzelnen in der Wirtschaft, sie führt darüber hinaus zu einer klaren Aufgabenzuweisung. Sie gibt der Wirtschaft die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit voll zu entfalten. Während erwerbswirtschaftliche Betätigung nur in Ausnahmefällen in Bereichen stattfindet, die nicht mindestens langfristig Vollkostendeckung und einen Gewinnbeitrag erwarten lassen — diese Prämisse ist der privatnützigen Betätigung immanent —, folgt staatliches Handeln öffentlichen Interessen. Es ist jedoch eine unzulässige Simplifizierung, privatwirtschaftliche Betätigung auf das ausschließliche Streben nach maximalem Gewinn zu reduzieren. Das Zielsystem eines Unternehmens setzt sich neben der Gewinnmaxime stets auch aus einer Vielzahl nicht-monetärer Ziele zusammen, etwa dem Streben nach sozialem Ansehen und Prestige oder der langfristigen Sicherung des Unternehmensbestandes.137 Diese Erkenntnis kann nicht weiter verwundern: Art. 14 und 109 Abs. 2 GG schützen nicht den „Kapitalismus in Reinkultur", sie gewährleisten die soziale Marktwirtschaft. Jedwede erwerbswirtschaftliche Betätigung ist zugleich auch sozialpflichtig (Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG). Wie der erwerbswirtschaftlich Tätige die Sozialpflichtigkeit gewichten kann, folgt aus den Steuergesetzen.

134 K. H. Friauf, Unser Steuerstaat als Rechtsstaat, in: Stb-Jb 1977, S. 43 f. 135 Vergl. Bull, Staatszwecke und Verfassungsrecht, in: NVwZ 1989, S. 805; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, Rdnr. 55 und 60; Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 206 ff. 136 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 417. 137 Ausführlich zum Zielfunktionsystem der Unternehmung: Ε. Η einen, Grundfragen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, S. 13 ff. m. w. N.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

Bereiche, in denen keine Aussicht auf Gewinnerzielung besteht, sind vom Staat wahrzunehmen, andernfalls würden Leistungen in diesen Bereichen dem Gemeinwesen nicht zur Verfügung stehen. Hierin wird die „eingeschränkte Rationalität" privatnütziger Betätigung evident: Die Dominanz der Gewinnerzielung führt tendenziell zu einer „Vernachlässigung nichtwirtschaftlicher, insbesondere öffentlicher Interessen". 138 Gleichwohl wird durch Steuerstaatlichkeit in sehr effizienter Form die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sichergestellt: Privatnützige Betätigung läßt stets eine effiziente Nutzung und ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit erwarten. Am Ergebnis dieser Betätigung partizipiert der Staat durch Steuererhebung. Trennung von Staat und Wirtschaft läßt keinen Raum für gemischtwirtschaftliche Unternehmungen, an denen Gebietskörperschaften mit Mehrheit oder in Minderheit beteiligt sind. 139 Nicht nur, daß ein Konflikt in bezug auf die Gewinnmaxime der privaten Anteilseigner zu erwarten ist, es scheint bei einer derartigen Konstellation mehr als fraglich, ob der Staat noch hinreichend unabhängig seinen Kontrollpflichten, etwa bei der Gewerbeaufsicht, aber auch bei der Korrektur Gemeinwohlinteressen in unvertretbarer Weise zuwiderlaufender erwerbswirtschaftlicher Betätigung, gerecht wird. 1 4 0 a) Grenzen der Besteuerung (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG) Ein wesentliches Element der Steuerstaatlichkeit besteht darin, eine Überbelastung des Steuerpflichtigen zu vermeiden. Wenngleich das Sozialprinzip formal durch materiale Offenheit gekennzeichnet ist, wird der Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers faktisch durch Vorgaben in der Finanzverfassung beschränkt. Steuerstaatlichkeit bedeutet Partizipation, keinesfalls jedoch Konfiskation an den wirtschaftlichen Leistungen der Steuerpflichtigen 141. Da die Leistungsfähigkeit

138 Vogel, Rechtfertigung der Steuern, S. 513. 139 Vergl. Schachtschneider, Das Rechtsstaatsprinzip der Republik, S. 41, Rdnr. 84. 140 Vergl. Berg, S. 231: „Kontrolleure und Kontrollierte sollen keinesfalls identisch sein."; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, § 27, Rdnr. 60 führt kritisch die Bereiche der „Energiewirtschaft oder die Flughafenplanung" an; ders., Der Sozialstaat als Steuerstaat, S. 137 f. 141 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 418; P. Kirchhof, Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 35; Papier, Besteuerung und Eigentum, S. 788; J. Erdmann, Art. 14 GG und die Auferlegung von Geldleistungspflichten, in: DVB1. 1986, S. 663; G. Schmölders, Allgemeine Steuerlehre, 1965, S. 95 fordert, daß „zumindest die Deckung des notwendigen Verbrauchs, die Substanzerhaltung und ein Mindestmaß an Neubildung von Kapital dem Zugriff der Besteuerung vorzuenthalten" ist; J. Schumpeter, Die Krise des Steuerstaats, S. 346 „ Der Steuerstaat darf den Leuten nicht soviel abfordern, daß sie das finanzielle Interesse an der Produktion verlieren oder doch aufhören, ihre beste Energie daran zu setzen."; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, § 27, Rdnr. 61: „Ein Staat, der ( . . . ) die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft behindert oder zerstört, handelt den Prinzipien des Steuerstaats zuwider".

. Der Steuerstaat

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der Steuerpflichtigen nicht beliebig steigerbar, vielmehr kurz- und mittelfristig als ein Datum zu begreifen ist, limitiert sie die Höhe des Steueraufkommens. Zu erörtern ist hier der in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 GG bei der Verteilung der Umsatzsteuer anzuwendende Grundsatz, demzufolge „die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abzustimmen sind, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung des Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird". Bei enger Auslegung ist unmittelbar nur ein Einfluß auf die Feststetzung der Umsatzsteueranteile zwischen Bund und Ländern zu konstatieren, jedoch entfaltet Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG zumindest mittelbar eine begrenzende Wirkung auf die Höhe der Steuerlast insgesamt. Vogel 142 merkt hierzu kritisch an, daß bei Festsetzung der Umsatzsteueranteile eine Überbelastung des Steuerpflichtigen schon besteht, denn die Steuererhebung geht der Verteilung voraus, oder aber nicht. Bei einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG würde der Grundsatz seine Wirkung verfehlen, denn er regelt explizit nur die Verteilung, nicht aber die zulässige Höhe der Steuerlast. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in einer Reihe von Entscheidungen darauf verwiesen, daß neben dem Wortlaut selbst stets auch der Sinneszusammenhang, hier die Steuergesetzgebung in toto, zu berücksichtigen ist. Steuergesetze müssen ertragsrelevant sein, sie dürfen nicht ersichtlich darauf ausgehen, die Erfüllung des Steuertatbestandes unmöglich zu machen, in diesem Sinne eine „erdrosselnde" Wirkung ausüben.143 So betrachtet bedingt der Grundsatz des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 GG eine Grenze der Besteuerung, durch die sichergestellt ist, daß eine Überbelastung des Steuerpflichtigen vermieden wird. Dabei soll nicht verkannt werden, daß dieser Grundsatz einmal mehr der Kategorie offene Rechtsbegriffe in der Finanzverfassung zuzuordnen ist, mithin Bund und Ländern bei der Umsetzung ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen ist, dessen rechtliche Überprüfung sich auf eine im Prinzip zutreffende Auslegung zu beschränken hat. 144 Indes ist eine Grenze dort zu ziehen, wo der Staat sich durch eine Überbeanspruchung der Steuerpflichtigen nachhaltig seiner Steuerquelle selbst beraubt. Eben dies wird ihm implizit durch Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG verwehrt. 145

142 in: BK, Art. 106, Rdnr. 182. 143 Vergl. BVerfGE 16,147 (161); 63, 312 (333) und 343 (368); R. Mußgnug, Verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Schutz vor konfiskatorischen Steuern, in: JZ 1991, S. 997; Loritz, S. 9 f.; / . Erdmann, S. 665. 144 Vergl. BVerfGE 13, 230 (233) und 39, 13 (115); Mußgnug, S. 994, hält die Bemessung des Spitzeneinkommensteuersatzes für „eine politische, keine Rechtsfrage". 145 Vergl. Papier, Besteuerung und Eigentum, S. 788: „Der Steuerstaat kann und darf seine Grundlagen nicht zerstören"; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, S. 435: „Das Gesetz der Erhaltung der Steuerquelle ist Rechtsgesetz."

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

b) Reproduktivitätsprinzip Lorenz von Stein — von Haus aus Jurist — behandelt als einer der Ersten die Frage der Grenzen der Besteuerung und postuliert in diesem Zusammenhang drei Prinzipien 146 , seil, das wirtschaftliche, finanzielle und staatswirthschaftliche Prinzip, die wesentliche Elemente des Steuerstaates darstellen. Das „staatswirthschaftliche" nennt er das „Prinzip der Reproductivität des Steuerwesens". Es besagt, daß „der wirthschaftliche Werth dessen, was ich verwende, den Werth dessen, was ich durch die Verwendung erreiche, übersteigen (muß)" 147 . Ausgehend vom ^Gesetz der beständigen Erhöhung der Steuern des Einzelnen an die Gemeinschaft", der „Unendlichkeit der wirtschaftlichen Bedürfnisse des Staates" zeigt er einen Kreislauf auf, der die Herstellung der korrespondierenden Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen (v. Stein bezeichnet sie als Steuerkraft) gewährleisten soll: „die Steuerkraft soll die Steuer, die Steuer die Verwaltung (Leistungen des Staates für die Voraussetzungen des individuellen Fortschritts), die Verwaltung ( . . . ) die Steuerkraft erzeugen" 148. Unabdingbare Voraussetzung für diesen Kreislauf ist, „daß jede Steuer ihrer wahren Bestimmung nach eine reproductive sein ( . . . ) muß" 1 4 9 . Vogel skizziert einen Staat, der das Reproduktivitätsprinzip außer acht läßt, dergestalt, daß „sich Funktionäre nur noch gegenseitig verwalten, Abgaben von Bürgern erhoben werden, nur um sie nach Abzug des Verwaltungsaufwands unter einem anderen Titel wieder an sie zurückzugeben, der Sozialstaat die Bedürftigkeit, die er lindert, durch seine Steuern erst selber schafft, Aufgaben vom Staat wahrgenommen werden, die eine private Wirtschaft billiger, vielleicht sogar gerechter wahrnehmen würde" 150 . Im Resultat würde ein so handelnder Staat nachhaltig den Erhalt seiner Steuerquelle gefährden. Um diesen circulus vitiosus 151 zu durchbrechen, ist die Reproduktivitätsvermutung öffentlicher Ausgaben eng auszulegen. Nur so ist sicherzustellen, daß die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gewährleistet ist. Da anzunehmen ist, daß kein Staat sich seiner Steuerquellen vorsätzlich beraubt, stellt das Reproduktivitätsprinzip ein probates Instrument dar, um die Höhe der Abgaben zu begrenzen. Zu fragen bleibt, anhand welcher Kriterien zu ermessen ist, ob eine Abgabe oder Ausgabe reproduktiv ist. V. Stein hat es stets als ein moralisches und ein 146 L. v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 5. Aufl., 1885, Bd. II, Theil 1, S. 354 ff. 147 Ebenda, Bd. I, S. 180. 148 Ebenda, Bd. II, Theil 1, S. 358. 149 Ebenda, Bd. II, Theil 1, S. 359, passim. 150 Vogel, Rechtfertigung der Steuern, S. 517 f. 151 Dazu: W. Röpke, Der moderne Fiskalstaat, in: Stb-Jb. 1965/66, S. 48 ff. konstatiert den Zusammenbruch des Fiskalstaates für den Fall, daß neben den gewaltigen Lasten des Wohlfahrtsstaates „neue und echte Gemeinschaftsaufgaben", etwa „für den Schutz der durch die Industrialisierung und Urbanisierung immer stärker gefährdeten Natur" hinzukommen und fordert, daß „weniger Staat eines der dringendsten Gebote bleibt".

IV. Erstes Zwischenergebnis

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Rechtsprinzip verstanden wissen wollen, und läßt gelten, daß im Grundsatz die Vermutung für die Reproduktivität einer Abgabe oder Ausgabe spreche. 152 Dabei erscheint es unmittelbar einsichtig, daß sich die Höhe der Steuer und die von ihr zu vermutendende Reproduktivität reziprok verhalten. Eine mathematische Grenzweitbetrachtung unterstellt, strebt die zu erwartende Reproduktivität gegen Null für hohe Steuersätze. Diese Aussage geht einher mit der Feststellung des Bundesverfassungsgerichtes, daß ein „verfassungsrechtlicher Formenmißbrauch" vorliege, wenn ein Steuerg^etz die Erfüllung des Steuertatbestandes unmöglich mache. 153 Das Bundesverfassungsgericht fordert vielmehr, daß der der Steuer zukommende Zweck, Einnahmen zu erzielen, stets gewahrt sein müsse. Im Grundgesetz ist das Reproduktivitätsprinzip implizit in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 verankert. Das Eigentum wird gewährleistet, es erfährt Schutz durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG. 1 5 4 Die im Grundgesetz verankerte Sozialpflichtigkeit des Eigentums stellt denn auch ab auf den Gebrauch 155 , i. e. die Besteuerung des Erworbenen. Der Staat darf sich um einen Steuerbetrag, nicht um den Steuergegenstand bereichern. 156 Abgaben, die im Ergebnis die Kapitalbildung verhindern, zumindest aber den Kapitalbestand nachhaltig schmälern, verletzen die Gewährleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie stehen damit nicht nur im Widerspruch zum Reproduktivitätsprinzip, indem sie die Steuerkraft schwächen, sondern entfalten faktisch eine erdrosselnde Wirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen. Dem bereits erörterten Grundsatz des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 GG ist zu entnehmen, daß „eine Überbelastung der Steuerpflichtigen" bei der Abstimmung der Deckungsbedüfnisse des Bundes und der Länder zu vermeiden ist. Abzustellen ist auch hier auf den Erhalt der Steuerquelle. Eine Überbelastung der Steuerpflichtigen wird regelmäßig nur dann zu vermeiden sein, wenn die von ihnen geforderten Steuern reproduktiv sind.

IV. Erstes Zwischenergebnis Die vorstehenden Erörterungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Zur Finanzierung stehen dem Staat fomal vier Alternativen offen: Erwerbswirtschaftliche Betätigung, Erhebung von Abgaben, Aufnahme von Krediten und Geldschöpfung. 152 v. Stein, Bd. I, S. 181 f.; Vogel, ebenda, S. 518 f. läßt die Vermutungsannahme nur bis zu einer Staatsquote von 50 v. H. gelten, ist die Grenze überschritten, kehre sich die Beweislast um und eine weitere Steuer sei nur zu rechtfertigen, wenn ihre Reproduktivität nachgewiesen sei. 153 Dazu BVerfGE 16, 147 (161). 154 Vergl. Schachtschneider, Res publica res populi, IX., 9.; V. 155 Dazu: P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, S. 243. 156 Ebenda, S. 242.

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Β. Die Einnahmemöglichkeiten des Bundes

Erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates in Verbindung mit einer Gewinnmaxime ist nur in engen Grenzen zulässig. Die prinzipielle Trennung von Staat und Wirtschaft, der Vorrang der Privatheit (Subsidiaritätsprinzip), die Partizipation an privatwirtschaftlicher Betätigigung durch Steuererhebung, aber auch das Verlustrisiko stehen einer erwerbwirtschaftlichen Betätigung des Staates wirksam entgegen. Die Geldschöpfung obliegt ausschließlich der Bundesbank (§ 14 Abs. 1 BBankG), die kraft ihres Auftrages und ihrer Unabhängigkeit Garant einer sicheren Währung ist. Kredite verschaffen dem Staat lediglich Liquidität auf Zeit. Bei Fälligkeit sind auch sie durch endgültige Einnahmen zu tilgen. Darüber hinaus steht ihre Aufnahme neben dem Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG unter dem Vorbehalt des Art. 109 Abs. 2 GG. Bei den Abgaben dominieren Steuern. Während Gebühren und Beiträge nur im Ausnahmefall den gesamten Aufwand der korrespondierenden Leistung abdecken, insoweit Zuführungen weiterer Mittel erforderlich sind, Sonderabgaben nur unter eng auszulegenden Voraussetzungen erhoben werden dürfen (Homogenität, Sachnähe, Gruppennützigkeit, gestaltende Wirkung) und daher nicht für den allgemeinen Finanzierungsbedarf zur Verfügung stehen, außerordentliche Einnahmen wie Überschüsse der Bundesbank (sog. Restbetrag gem. § 27 Ziffer 4 BBankG) auf Grund unbeeinflußbarer externer Faktoren (Wärungsschwankungen, Entwicklung des internationalen Zinsniveaus) sowie Vorbehalten gegenüber ihrer uneingeschränkten Verwendung im Bundeshaushalt (Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 BBankG) vorwiegend für die zusätzliche Tilgung fälliger Kredite zu veranschlagen sind, verbleiben Steuern als Regeleinnahme des Staates. Die Finanzverfassung setzt die Steuer als Regeleinnahme voraus (Art. 105 ff. GG). Die Steuer als von der Allgemeinheit für das Gemeinwesen zu entrichtende Abgabe bietet die Gewähr für Lastengleichheit und wird so zum Garanten des Gleichheitsgebotes (Art. 3 Abs. 1 GG). Steuern führen zu einer prinzipiellen Reduzierung allgemeiner öffentlicher Dienstleistungspflichten auf die Geldform und begünstigen somit eine umfassende Grundrechtswahrnehmung, schließlich sind sie als Prototyp der Gemeinlast die Abgabe schlechthin für die Finanzierung des Sozialstaates. Steuern stehen dem Staat voraussetzungslos zur Finanzierung seiner ihm gemäß Verfassung und Gesetz obliegenden Aufgaben zur Verfügung. Indes zeigt die Tatbestandsvoraussetzung der Ertragsrelevanz auf, daß die Abgabenaufkomen Steuer nicht beliebig zu erhöhen ist. Durch Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 GG wird der Steuerpflichtige implizit vor einer Überbelastung geschützt. Diese ist regelmäßig erreicht, wenn die Vermutung für die Reproduktivität der Steuerlast nicht mehr greift. Insoweit bietet die relative Abgabenlast ein Indiz für die notwendige Begrenzung der öffentlichen Ausgaben, die Verpflichtung des Staates zur Bescheidung auf das, was er kraft Partizipation an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seiner Bürger zu finanzieren vermag.

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex zur Kreditaufnahme des Staates Um zu einer umfassenden Beurteilung der Zulässigkeit öffentlicher Kreditaufnahmen zu gelangen, ist es spätestens seit der Haushaltsreform, die mit der 20. Grundgesetznovelle v. 12.5.1969 (BGBl. I S. 357 ) ihren vorläufigen Abschluß fand und erst aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Normenkontrollklage gegen das Haushaltsgesetz 1981 zu einer Erweiterung der Ausführungesetze zu Art. 109 Abs. 3 und 115 Abs. 1 Satz 3 GG durch Gesetz v. 18.7.90 (BGBl. I S. 1446, 1447) führte 1 , unabdingbar, neben Art. 115 GG stets auch Art. 109 Abs. 2 und Art. 110 Abs. 1 GG zu erörtern. Ergänzend wird ein kurzer Abriß der Regelungen nach dem Stand vor der Haushaltsreform, der im Falle des Art. 115 GG bis zur Weimarer Reichsverfassung zurückreicht, gegeben.

I. Gesetzliche Ermächtigung und materielle Begrenzung öffentlicher Kredite 1. Rückblick auf Art. 115 GG a. F. (Art. 87 WRV) In der alten Fassung folgt Art. 115 GG der Vorstellung, daß Kredite lediglich zur Finanzierung außerordentlichen Bedarfs aufgenommen werden dürfen. Sie geht einher mit den klassischen Grundsätzen der Finanzierung öffentlicher Ausgaben, wonach ordentliche Ausgaben durch Steuereinnahmen zu decken und die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung außerordentlicher Ausgaben nur für den Fall zulässig ist, daß die Ausgabe eine Rentabilität erwarten läßt. Bereits in Art. 87 WRV wurde diese Auffassung verfassungsrechtlich verankert; Art. 115 GG a. F. übernahm den Wortlaut des Art. 87 WRV mit wenigen Modifikationen in das Grundgesetz: Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und auf Grund eines Bundesgesetzes beschafft werden. Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zu Lasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsjahr hinausgeht, dürfen nur auf Grund eines Bundesgesetzes erfolgen. In dem Gesetz muß die Höhe des Kredites oder der Umfang der Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein. 1 Der durch BVerfGE 79, 311 (354 f.) angemahnten Legaldefinition des Investitionsbegriffs wurde durch Ergänzung der §§ 10 Abs. 2 Satz 2 HGrG und 13 Abs. 3 BHO entsprochen.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

Demnach war die Kreditbeschaffung an die Erfüllung dreier Voraussetzungen gebunden: Es mußte ein „außerordentlicher Bedarf 4 vorliegen, die Ausgaben müssen (in der Regel) „werbenden Zwecken" dienen und die Aufnahme und Höhe des Kredites muß durch Bundesgesetz bestimmt sein. Erstens: Außerordentlicher Bedarf. Dieser Begriff stellt ab auf die Planbarkeit und Wirkungsdauer der mittels öffentlicher Kredite zu finanzierenden Ausgaben. Er geht einher mit der bis 1969 gemäß § 3 RHO vorgenommenen Aufteilung des Haushaltes in einen ordentlichen und außerordentlichen. Laufende oder kurzfristig wiederkehrende Ausgaben sind dem ordentlichen Haushalt zuzuordnen; ein Ausgleich durch Kredite ist nicht zulässig, ihre Finanzierung ist insbesondere durch Steuern und Gebühren sicherzustellen. Art. 115 Satz 1 a. F. GG fordert für die Aufnahme von Krediten, daß der damit zu finanzierende Bedarf „klar vom normalen Bedarf des Staates"2 abzugrenzen ist. Ordentlicher Bedarf ist die Regel, außerordentlicher Bedarf die Ausnahme. Außerordentlicher Bedarf ist gegeben bei einmalig anfallenden Ausgaben, etwa zum Erwerb von Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmungen oder im Zusammenhang mit Naturkatastrophen. 3 Für die Einnahmeseite des Staates folgt daraus, daß Steuern und Kredite keinesfalls als gleichwertige Einnahmearten zu bereifen sind: Die Regeleinnahme ist stets die Steuer, während die Kreditaufnahme nur zur Finanzierung außerordentlichen Bedarfs zulässig ist. Die Zulässigkeit selbst ist fakultativ im Sinne einer Möglichkeit, außerordentlichen Bedarf kreditär zu finanzieren, zu begreifen, Art. 115 Satz 1 a. F. GG steht nicht entgegen, außerordentliche Ausgaben durch Steuern auszugleichen. Zweitens: Werbende Zwecke. Der werbende Zweck ist, so Viaion, gegeben, wenn „der Aufwand, der zunächst aus Schuldenaufnahme bestritten wird, tunlichst im weiteren Verlauf aus dem Objekt herausgewirtschaftet werden kann". 4 Er liegt insbesondere vor bei Erwerb neuer oder Erweiterung vorhandener wirtschaftlicher Unternehmungen oder „ähnlicher gewinnbringender Einrichtungen". 5 Die Bindung kreditfinanzierter Ausgaben an einen werbenden Zweck läßt eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung geboten erscheinen. Formal wäre dann ein Vergleich von Laufzeit und Schuldendienst (Verzinsung und Tilgung) des Kredites sowie der Nutzungsdauer und dem Ertrag der Ausgabe vorzunehmen. Im Falle eines Überwiegens der Rückflüsse wird regelmäßig der werbende Zweck als erfüllt anzusehen sein. Diese der betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung 2 F. K. Viaion, Haushaltsrecht, Kommentar, 2. Aufl., 1959, S. 236 ausgehend von einem formalen Verständnis definiert er negativ „alles, was nicht laufender (ordentlicher) Bedarf ist, muß außerordentlich sein". 3 Vergl. A. Bock, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Kreditwesens des Bundes, Diss., 1962, S. 39. 4 Viaion, S. 236. 5 Vergl. Ο. Bühler, in: BK 1959, Erläuterungen zu Art. 115 GG, S. 3 f.; H. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar zu Art. 115 GG, S. 602.

I. Gesetzliche Ermächtigung und materielle Begrenzung

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entliehene Bewertung ist jedoch sehr spezifisch und der Sache nach für eine Reihe staatlicher Objekte zu eng. So werden Ausgaben für einen Park, eine Lesehalle mit freiem Eintritt oder ein Schwimmbad wohl kaum korrespondierende „Erträge" direkt zuzuordnen sein.6 Unter Verzicht auf eine isolierte Beurteilung der Rentierlichkeit einzelner Ausgaben geht mit dem werbenden Zweck einher, daß „zumindest eine höhere Produktivität der Gesamtwirtschaft" nachweisbar sein sollte.7 Darüber hinaus ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 115 Satz 1 a. F. GG, daß die Voraussetzung des werbenden Zweckes „in der Regel" erfüllt sein muß. Dem Haushaltsgesetzgeber eröffnet sich somit die Möglichkeit, Ausgaben des außerordentlichen Bedarfs, die nicht der Voraussetzung des werblichen Zweckes genügen, ebenfalls durch Kredite zu finanzieren. Daß diese Relativierung eine „Verwässerung der Vorschrift" bedeuten kann, steht außer Frage, gleichwohl lassen die in den Jahren 1949 bis 1969 aufgenommenen Kredite nicht den Schluß zu, daß die Ausnahmemöglichkeit seitens des Bundes intensiv genutzt wurde. 8 Drittens: Ermächtigung durch Bundesgesetz. Die Einhaltung eines der elementaren Rechte des Parlaments, des Budgetrechtes, wird durch Bundesgesetz garantiert (Art. 115 Satz 1 a. F. GG). In diesem Gesetz muß die „Höhe des Kredites oder der Umfang der Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein". Das Grundgesetz schließt somit der Höhe nach unbestimmte Kreditermächtigungen explizit aus. An der alten Fassung des Art. 115 GG wurde vor allem von Seiten der Finanzwissenschaften erhebliche Kritik geübt.9 Sie zielte ab auf die der Regelung zugrunde liegenden überkommenen Vorstellungen Carl Dietzels und Adolph Wagners, die eine objektbezogene Deckungslehre begründeten. 10 Wie die Haushaltspraxis zeigte, erwies sich die Differenzierung in ordentlichen und außerordentlichen Haushalt vielfach als artifiziell. Obgleich bereits G. v. Schanz in nuce die Gefahren einer am objektgebundenen Deckungsgrundsatz orientierten Haushaltspolitk aufzeigte, 11 bedurfte es der verfehlten Parallelpolitik Brünings und der Veröffentlichungen John Maynard Keynes, bis in der Nationalökonomie Konsens über die Notwendigkeit der gezielten Aufnahme öffentlicher Kredite zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erzielt wurde. Es mag an 6 Vialon, S. 237. 7 Dazu: K.-H. Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 55 ff. s Daten siehe BMF, Finanzbericht 1991, Tabellenteil. 9 Ausführlich erläutert bei: W. Kitter er, Die Problematik der Objektbezogenheit des öffentlichen Kredits nach Art. 115 GG, in: DÖV 1975, S. 24 ff.; W. Dreißig, Zur Neuregelung der Kreditfinanzierung im Haushaltsrecht der BRD, in: FinArch. N. F., 1970, S. 499 ff. 10 Vergl. hierzu: Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, 2. Aufl., 1970, S. 48 ff.; K. Diehl / P. Mombert (Hrsg.), Ausgewählte Lesestücke zum Studium der politischen Ökonomie, Bd. 16, Neuaufl. 1980, Das Staatsschuldenproblem, S. 211 ff. h G. v. Schanz, Die Frage der Arbeitslosigkeit und der öffentlichen Haushaltsführung, in: Zeitschrift für Socialwissenschaften, Bd. 5, 1902, S. 47 ff.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

dieser Stelle offen bleiben, ob die alte Fassung des Art. 115 GG tatsächlich eine an gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ausgerichtete Kreditaufnahme konterkariert hätte, Viaion jedenfalls subsumierte „Aufwendungen zur Belebung von Konjunkturflauten" 12 unter außerordentlichen Aufwendungen zu werbenden Zwecken, sodaß deren Finanzierung durch Kredite bereits gem. Art. 115 Satz 1 a. F. GG zulässig war. Gleichwohl ist zu konstatieren, daß die in Art. 115 a. F. GG zu erfüllenden Kreditvoraussetzungen tendenziell eine restriktive Schuldenentwicklung begünstigen. Darüber hinaus wird in dieser Regelung eindeutig auf einen Kreditbegriff abgestellt, der sowohl das Zeitmoment als auch die RückZahlungsverpflichtung des Kreditnehmers beinhaltet. Wie oben, sub zweitens, ausgeführt, ist werblicher Zweck im Sinne einer Rentierlichkeit auszulegen, der Aspekt der Zurechenbarkeit einer einzelobjektbezogenen oder aber nur gesamtwirtschaftlich gegebenen Rentierlichkeit soll hier nicht weiter vertieft werden, jedenfalls stellt die Beschränkung auf kreditsicherheitsfähige Objekte sicher, daß eine Bedienung des Schuldendienstes (Zinszahlung und Tilgung) über die Rückflüsse aus dem Einzelobjekt selbst oder aber aus einer Erhöhung des Steueraufkommens gegeben ist und der Staatshaushalt von Folgelasten freigehalten wird. 1 3

2. Die Neuregelung des Art. 115 GG a) Anlaß zur Änderung des Art. 115 GG bot vor allem die Erkenntnis, daß der Staat sich mit wachsender Bedeutung seines Haushaltes nicht länger seiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung entziehen konnte. Der objektbezogene Deckungsgrundsatz wurde seitens der Finanzwissenschaften bereits seit geraumer Zeit als obsolet bewertet. Die Kritik 1 4 basiert auf der Erkenntnis, daß zyklische Schwankungen der Konjunktur das Steueraufkommen nachhaltig beinflussen. Die bisherige Rechtslage bedingte einen zweigeteilten Haushalt, der einen materialen Ausgleich ordentlicher Ausgaben durch ordentliche Einnahmen (seil. Steuern) erforderte und nur bei außerordentlichen Ausgaben einen kreditären Ausgleich ermöglichte. Ausgehend von einer wirtschaftlichen Normallage, in der die ordentlichen Ausgaben auf das Niveau der erwarteten Steuereinnahmen adjustiert wurden, führen konjunkturell bedingte Abweichungen von der Normallage, sei es eine Rezession oder eine konjunkturelle Übersteigerung, zu Über- oder Unterdeckungen. Der objektgebundene Deckungsgrundsatz verbietet einen kreditären Ausgleich ordentlicher Ausgaben infolge rezessionsbedingter Steuermin12 Viaion, S. 236. 13 H. Karehnke, Zur Änderung des Art. 115 des GG, in: DÖV 1973, S. 400. 14 Ausführlich erläutert bei Littmann / Schneider, Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Kreditaufnahme nach dem Grundgesetz, Rechtsgutachten, Typoskript, 1985, S. 60; T. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 GG, Rdnr. 32.

I. Gesetzliche Ermächtigung und materielle Begrenzung

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dereinnahmen, sodaß eine Erhöhung der Steuertarife oder aber eine Kürzung der Ausgaben erforderlich wird. Beide Maßnahmen führen jedoch zu einer Verschärfung der konjunkturellen Schwankungen; Entsprechendes gilt für die Phase konjunktureller Übersteigerung. Durch die Ergänzung des Art. 109 GG um die Absätze 2, 3 und 4 sowie die Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (v. 8.6.1967, BGBl. I, S. 582) wurde es für Bund und Länder verfasungsrechtlich und bundesgesetzlich verbindlich, „bei ihrer Hauswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen". b) Krediten kommt somit neben der Bedarfsdeckung eine weitere Funktion zu: konjunkturpolitische Gestaltung15 im Sinne von Art. 109 Abs. 2 GG. Das Kriterium für die Zulässigkeit eines Kredites ist nicht länger die Bewertung eines einzelnen außerordentlichen Aufwandes hinsichtlich seines zu erwartenden werbenden Zweckes, sondern der Einfluß der Kreditaufnahmen und der damit finanzierten Ausgaben auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung insgesamt. Nach Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Kreditbeschaffung des Staates nach folgendem Deckungsgrundsatz geregelt: Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Dieser situationsbezogene Grundsatz enthält zwei Deckungsregeln, die im Verhältnis von Regel (gesamtwirtschaftliche Normallage) und Ausnahme (Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes) zueinander stehen. Er normiert eine spezifische Grenze für die zulässige Höhe der Kreditfinanzierung und zielt darauf ab, zyklische Schwankungen des Konjunkturverlaufes durch einen situationsgerechten Einsatz von Krediten zu nivellieren. aa) Die erste Deckungsregel ist für den Fall der gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtslage einschlägig. In einer solchen Situation, so Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1. HS GG, stellt die Summe der im jeweiligen Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen die Höchstgrenze der Einnahmen aus Krediten dar. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß der Bund unbedenklich Krediteinnahmen bis zur Höhe der veranschlagten Investitionen erzielen darf. Krediteinnahmen, die die Höhe der veranschlagten Investitionen nicht überschreiten, insofern formal konform gehen mit Art. 115 Abs. 1, Satz 1. HS GG, können gleichwohl im Widerspruch zu den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes gemäß Art. 109 Abs. 2 GG stehen, etwa in einer Boom-Phase, wo eine Ausweii5 Vergl. Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 6; Wiebel, in: BK zu Art. 115 GG, Rdnr. 26 f.; Fischer-Menshausen, in: GG-Kommentar, hrsg. von v. Münch, Art. 115 GG, Rdnr. 5; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115 GG, Rdnr. 3; D. Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, in: DVB1. 1984, S. 745.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

tung der öffentlichen Ausgaben im Wege des Kredites die konjunkturellen Überhitzungserscheinungen nur noch verstärken würde, so daß sie im Ergebnis als verfassungswidrig zu bewerten wären. 16 Der normative Gehalt des 1. Halbsatzes des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zielt einerseits ab auf eine bestimmbare Höhe der Krediteinnahmen (Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen), andererseits stellt er sicher, daß nur „Ausgaben mit zukunftsbegünstigendem Charakter" 17 einer Kreditfinanzierung zugänglich sind. In jedem Falle soll bei wirtschaftlicher Normallage durch das Junktim von Krediteinnahmen und veranschlagten Investitionen eine zusätzliche, neben Art. 109 Abs. 2 GG wirksame Grenze gezogen werden. 18 Gleichwohl ist die Zulässigkeit der Höhe der Krediteinnahmen nicht isoliert durch die Summe der Investitionen zu bestimmen. Der Entstehungsgeschichte ist eindeutig zu entnehmen, daß der Verfassungsgesetzgeber die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes bei jeder Kreditaufnahme beachtet wissen wollte und nicht nur bei Überschreiten der in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Höchstgrenze. 19 Die Kopplung der Krediteinnahmen an die Höhe der veranschlagten Investitionen ist dahingehend auszulegen, daß eine Äquivalenz der spezifisch zukunftsbelastenden und -begünstigenden Wirkungen des Haushaltes erreicht werden soll 20 ; „durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG sollen die zukunftsbelastenden Wirkungen der Staatsverschuldung aufgefangen und ausgeglichen werden" 21 . Diese Äquivalenz gilt uneingeschränkt, d. h. sie ist auch bei späteren Umschuldungen zu berücksichtigen. Insoweit eröffnet die Regelung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS GG dem Haushaltsgesetzgeber nur dann zusätzlichen Finanzierungsspielraum im Kreditwege, wenn von den veranschlagten Investitionen eine hinreichend zukunftsbegünstigende Wirkung zu erwarten ist. Sie bezweckt eine „gerechte intertemporale Lastenverteilung". 22 16 Vergl. Wiebel, in: BK, Erläuterungen zu Art. 115 GG, Rdnr. 113; Littmann / Schneider, S. 68; v. Arnim, Begrenzung öffentlicher Ausgaben durch Verfassungsrecht, in: DVB1. 1985, S. 1286 (1292) legt Art. 109 Abs. 2 GG de lege lata dahingehend aus, daß „eine Kreditaufnahme grundsätzlich nur zur Kompensation einer konjunkturellen Nachfragelücke ( . . . ) , nicht aber bei Auslastung und schon gar nicht bei Überlastung des Produktionspotentials" zulässig sei; W. Dreißig, Zur Neuregelung der Kreditfinanzierung im Haushaltsrecht der BRD, in: FinArch Bd. 29 (1970), S. 501; W. Patzig, Nochmals: Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Haushalte, in: DÖV 1989, S. 1025. π BVerfGE 79, 311 (334). is K. H. Friauf, Staatskredit, in: HbStR, Bd. IV, 1990, § 91, Rdnr. 40. 19 Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zum Begriff der öffentlichen Investition, S. 45 f.; zur Entstehungsgeschichte: BT-Drucks. V/3040, Tz. 58 ff. (insb. 60), S. 39; Κ . Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1281 f. 20 P. Henseler, Verfassungsrechtliche Aspekte zukunftsbelastender Parlamentsentscheidungen, in: AöR 1983, S. 512; Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, S. 746; Ρ. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 295. 21 W. Heun, Staatsverschuldung und Grundgesetz, in: Die Verwaltung 1985, S. 15.

I. Gesetzliche Ermächtigung und materielle Begrenzung

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bb) Über die Höhe der veranschlagten Investitionen hinausgehende Krediteinnahmen sind „nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes" (Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. HS GG). Der Wortlaut dieses Deckungsgrundsatzes gebietet eine restriktive Auslegung. 23 Nicht jede Gleichgewichtsstörung rechtfertigt eine Inanspruchnahme. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zulässigkeit an drei Voraussetzungen gebunden.24 Erstens: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist ein dynamisches Zielsystem, das anhand der vier Teilziele des § 1 S. 2 StabG zu bestimmen ist. Dabei ist nicht auf ein isoliertes Erreichen jedes Einzelzieles abzustellen, sondern eine relativ-optimale Gleichgewichtslage. Der Gebrauch der Ausnahmevorschrift setzt voraus, daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht „ernsthaft und nachhaltig gestört ist oder eine solche Störung unmittelbar droht". Zweitens: Die erhöhte Kreditaufnahme muß nach Umfang und Verwendung bestimmt und geeignet sein, die Störung abzuwehren. Allein das Vorliegen einer Gleichgewichtsstörung führt nicht zu einer Erweiterung der durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS GG begrenzten Höhe der Krediteinnahmen, die erhöhte Kreditaufnahme muß „final auf die Abwehr dieser Störung bezogen sein". Drittens: Bei der Beurteilung der Störungslage resp. der Eignung erhöhter Kreditaufnahmen zu ihrer Abwehr ist dem Haushaltsgesetzgeber ein „Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum" einzuräumen. Dabei ist maßgeblich auf die Ursachen der Störung abzustellen. Wird im Haushaltsgesetz von einer erweiterten Kreditaufnahme Gebrauch gemacht, so ist diese zu begründen (sog. Darlegungslast 25 ). 22 Henseler, ebenda, S. 532; Höfling, Verfassungsfragen einer kreditfinanzierten Konjunkturpolitik, in: Wirtschaft und Recht, hrsg. von Peter /Rhein, 1989, S. 31: „Die Zukunftsbelastung durch Kredite soll höchstens in dem Maße erfolgen, wie auch zukunftsbegünstigende Ausgaben getätigt werden."; P. Kirchhof, Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 55; K. H. Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 20. 23 Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 45, beschränkt die Überschreitung auf „wirkliche Ausnahmefälle"; Henseler, ebenda, S. 537, fordert, daß vorab „alle nichtverfassungswidrigen Möglichkeiten auszuschöpfen sind, insb. Steigerung der Ausgaben für Investitionen, Kürzung bislang für wünschenswert erachteter Ausgaben; Stern, Verfassungsrechtliche Aspekte der Staatsverschuldung unter Berücksichtigung von Art. 115 GG, S. 59, nimmt einen „gewöhnlich zyklisch wiederkehrenden konjunkturellen Abschwung" explizit aus; v. Arnim / Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 131, fordern, daß vor Inanpruchnahme der Ausnahmeregel eine Prüfung von „Nachteilen jeder Kreditfinanzierung ( . . . ) , insb. mit der fiskalischen Belastung der Zukunft, der Minderung des Wirtschaftswachstums und der Beeinträchtigung der Wirksamkeit des konjunkturpolitischen Instrumentariums" zu erfolgen hat. 24 BVerfGE 79, 311 LS. 2, 3 und 4. 2 5 Ablehnend: A. Janssen, Anmerkung zum BVerfGE 79, 311 ff, in: DVB1. 1989, S. 618: „Darlegungslasten ( . . . ) sind (geminderte) Begründungspflichten. Begründungen aber schuldet allein die Exekutive für ihre Entscheidungen, nicht aber der Gesetzgeber — auch nicht der Haushaltsgesetzgeber."; Maunz, Anmerkung zum BVerfGE 79, 311 ff., in: BayVBl. 1989, S. 399. 5 Lappin

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

c) Ohne an dieser Stelle ausführlich die Begriffe Einnahmen aus Krediten und Investitionen zu erörtern (dazu unten, sub D. II. und III.), ist offensichtlich, daß durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG die Aufnahme von Krediten stets unter dem Vorbehalt ihres Einflusses auf die Beeinflussung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zu betrachten ist. Kredite haben stabilisierend auf den Konjunkturverlauf einzuwirken. Von Umschuldungskrediten ist kein Beitrag zur Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zu erwarten. Ihr Bedarf hängt einzig von der vereinbarten Laufzeit des Kredites selbst ab. Es ist nicht auszuschließen, daß die Prolongation in eine Phase erheblicher Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes fällt, sodaß gerade der erweiterten Kreditaufnahme gem. Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. HS GG zum Zeitpunkt der Fälligkeit stets mehr als die Funktion eines durchlaufenden Postens zukommt; m. a. W.: Der situationsbezogene Deckungsgrundsatz bedingt, daß Kredite, die unter Berufung auf Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. HS GG zur „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes" aufgenommen wurden, innerhalb einer angemessenen Frist zu konsolidieren sind, um den für künftige Störungslagen erforderlichen kreditpolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen. 26 d) Gerade die aufgezeigte Loslösung der Anschlußfinanzierung einmal zu Zwecken der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes eingegangenen Kreditverpflichtungen von künftigen konjunkturpolitischen Notwendigkeiten verdeutlicht, daß a priori nicht ausgeschlossen werden kann, daß nicht getilgte Kreditverpflichtungen sich im Zeitablauf selbst zu einer potentiellen Gefahr für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht entwickeln. Umsomehr erscheint es geboten, die verfassungsrechtliche Direktive des situationsbezogenen Deckungsgrundsatzes verpflichtet den Haushaltsgesetzgeber, erhöhte Kreditaufnahmen reversibel anzulegen, damit der fortwährenden Prolongation eingegangener Kreditverpflichtungen wirksam Einhalt geboten werden kann. 27

I I . Art. 109 GG Durch die Vorschrift des Art. 109 GG wird die wirtschaftspolitische Funktion öffentlicher Haushalts wirtschaften verfassungsrechtlich verankert. Art. 109 Abs. 1 GG normiert innerhalb der Finanzverfassung den föderativen Aufbau der Bundesrespublik Deutschland. Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern wurden durch das 15. und 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes bestätigt. Die Regelung des Abs. 2 formuliert 26 Vergl. Friauf, Staatskredit, § 91, S. 345. 27 W. Ehrlicher, Aspekte der Staatsverschuldung, in: Der Staat, 24. Bd. (1985), fordert: „Konjunkturelle Defizite müssen bei adäquater Ausgestaltung mit Besserung der konjunkturellen Situation wieder verschwinden" (S. 34), S. 48 f.

II. Art. 109 GG

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das wirtschaftspolitische Ziel, zu dessen Erreichen Bund und Länder durch die Gestaltung ihrer Haushaltswirtschaften beizutragen haben: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht. Art. 109 Abs. 3 GG ermächtigt den Buridesgesetzgeber, einfachgesetzliche Regelungen für gemeinsam geltende Haushaltsgrundsätze, eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft sowie eine mehrjährige Finanzplanung zu schaffen. Durch Art. 109 Abs. 4 GG wird eine Kreditlimitierung auch für Gebietskörperschaften und Zweckverbände, i. e. Gemeinden, verfassungsrechtlich verankert. Darüber hinaus wird die Verpflichtung zur Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen für Bund und Länder normiert.

1. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist Ziel öffentlicher Konjunktursteuerung. Die Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern haben den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen. Art. 109 Abs. 2 GG ist kein unverbindlicher Programmansatz, sondern eine unmittelbare verfassungsrechtliche Verpflichtung. 28 Ziel der Novellierung des X. Abschnitts des GG der Jahre 1967 und 1969 war es, öffentliche Haushalten „von Verfassungs wegen nicht mehr nur eine Bedarfsdeckungsfunktion" zuzuschreiben, sondern sie „zugleich in den Dienst einer konjunktursteuernden Wirtschafts- und Finanzpolitik" zu stellen 29 . Zur Auslegung der Norm des Art. 109 GG bedarf es der Interpretation der zentralen Begriffe Haushaltswirtschaft und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht. a) Haushaltswirtschaft Während A. Möller 30 Haushaltswirtschaft auf „die Gesamtheit der Ausgaben des Staates bezogenen Vorgänge" reduziert, verweisen Vogel / Wiebel 31 ergänzend auf die Vorgänge auch der Einnahmenseite. Ihrer Auffassung ist zu folgen. Eine Reduzierung auf die Ausgabenseite würde verkennen, daß gerade durch die Art der Finanzierung öffentlicher Ausgaben Bund und Länder einen gewichtigen Einfluß auf den Verlauf der weiteren konjunkturellen Entwicklung nehmen können. Die wirtschaftlenkende Funktion von Steuern wurde bereits sub Β. II. 2. b) erörtert, darüber hinaus folgt die Zugehörigkeit der Krediteinnahmen zur 28 A. Möller, Kommentar zum StabG, 2. Auf., 1970, Art. 109 GG, Rdnr. 8; Stern! Münch!Hansmeyer, Kommentar zum StabG, 2. Aufl., 1972, Art. 109 GG, S. 103 sprechen von einer „Rechtspflicht"; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Erläuterungen zu Art. 109 GG, Rdnr. 15; Fischer-Menshausen, Art. 109 GG, Rdnr. 8 f., Vogel ! Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 69, W. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, 1989, S. 118 ff. 29 BVerfGE 79, 311 (331 f.). 30 Art. 109 GG, Rdnr. 9. 31 Art. 109 GG, Rdnr. 79; Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 3, Schmidt-Bleibtreu ! Klein, Art. 109 GG, Rdnr. 7. *

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

Haushaltswirtschaft unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 109 Abs. 4 GG. Gerade vor dem Hintergrund der Normierung eines situationsgebundenen Deckungsgrundsatzes in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG, der dem Haushaltsgesetzgeber einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der zulässigen Höhe der Krediteinnahmen einräumt, scheint es geboten, ihre Zulässigkeit stets auch den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zu messen. b) Zur Definition

des gesamtwirtschaftlichen

Gleichgewichtes

Der Verfassungsgesetzgeber hat darauf verzichtet, eine Legaldefinition für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht im Grundgesetz explizit festzuschreiben. Sie hätte nur den zeitbedingten Stand wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis fixiert, wodurch ein im Zeitablauf sich ändernder Kenntnisstand stets Änderungsgesetze des Grundgesetzes erforderlich machen würde. Es ging dem Verfassungsgesetzgeber jedoch darum, den Begriff für neue wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse offenzuhalten. 32 Im Schrifttum 33 wird überwiegend auf die einfachgesetzliche Regelung des § 1 StabG verwiesen und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht gleichgesetzt mit den in § 1 Satz 2 StabG angeführten Zielen, seil. Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum (sog. magisches Viereck). Demgegenüber äußern Vogel / Wiebel 34 Bedenken gegen eine derartige Interpretation. Sie führen an, daß eine einfachgesetzliche Regelung wohl kaum geeignet ist, den „grundsätzlichen Inhalt" des Art. 109 Abs. 2 GG zu bestimmen und leiten aus dem Grundgesetz einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes her, der als „ein Zustand des Ausgleichs zwischen den widerstreitenden Interessen der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten" 3 5 zu kennzeichnen ist. 32 Vergl. Rechtsausschuß des BT, 17. Sitzg. v. 22.9.66, S. 3 ff., 13 f., 49; Vogel / Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 80, 84; Möller, Kommentar zum StabG, Art. 109, Rdnr. 10; v. Arnim / Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 92 f.; BVerfGE 79, 311 (338) betont, daß durch den Verzicht auf eine Festschreibung im Grundgesetz bewußt ein „Vorbehalt für die Aufnahme neuer, gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften" gesetzt wurde. 33 Stern I Münch ! Hansmeyer, § 1 StabG, S. 120, wobei die Auffassung vertreten wird, daß § 1 StabG „über den Inhalt des Art. 109 Abs. 2 GG hinausgehe; Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 24, Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 109 GG, Rdnr. 20; a. Α.: Möller, Art. 109 GG, Rdnr. 10: „Die in § 1 StabG vorgenommene Konkretisierung ( . . . ) ist nicht die nach Art. 109 Abs. 2 GG einzig mögliche.". 34 Art. 109 GG, Rdnr. 84 ff.; vergl. U. Scheuner, Die Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, in: FS für H. Schäfer, S. 114: „§ 1 StabG darf nicht als authentische Interpretation ( . . . ) gesehen werden. Seine Einzelziele sind an den von Art. 109 GG gesetzten Rahmen gebunden"; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 121. 35 Art. 109 GG, Rdnr. 95.

II. Art. 109 GG

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Der den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes immanente Interessenausgleich hat dem Sozialprinzip Rechnung zu tragen, wodurch das für Bund und Länder gemäß Art. 109 Abs. 3 GG einfachgesetzlich geregelte konjunkturpolitsche Instrumentarium eine wesentliche Einschränkung erfährt. Es ist nicht ausreichend, Art. 109 Abs. 2 GG im Sinne einer Verpflichtung, den Konjunkturverlauf zu stabilisieren, zu begreifen, darüber hinaus ist das Instrumentarium stets sozialverträglich einzusetzen.36 Diese verfassungsrechtliche Begriffsbestimmung bedarf der „Konkretisierung" unter Berücksichtigung des jeweiligen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisstandes, der „Operationalisierung" in Teilziele. 37 Dazu leistet das auf Grund der Ermächtigung des Art. 109 Abs. 3 GG erlassene Stabilitätsgesetz einen Beitrag. aa) Die Teilziele des § 1 StabG Die vier Teilziele des § 1 StabG transformieren den verfassungsrechtlichen Gehalt des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes in quantifizierbare, ökonomische Größen. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen sind so auzurichten, daß sie „im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachtum beitragen". Eine Rangfolge ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 Satz 2 StabG nicht. „Gleichzeitig" bedeutet nicht gleichrangig, sodaß eine Prioritätensetzung Bund und Ländern zuzubilligen ist. 38 Stabilität des Preisniveaus bedeutet Wahrung des Geldwertes. Sie ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Stabilität aller einzelnen Preise. Flexibilität von Einzelpreisen als Folge von Produktivitäts- oder Kostenänderungen ist die Hauptvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems.39 Preisniveaustabilität hat eine gewichtige soziale Komponente. Einkommensschwächere Gruppen, denen der Erwerb von Sachkapital, etwa Grundstücke oder Immobilien, die Bildung von Sachwerten aufgrund ihrer finanziellen Situation in der Regel nicht möglich ist, werden von Steigerungen des Preisniveaus ungleich härter getroffen als Gruppen, die Sachkapital besitzen; mehr noch, wer Sachwerte erwirbt und zunächst fremdfinanziert, profitiert prinzipiell durch eine Preisniveausteigerung, da seine Schuldenlast nominal durch den Zeitpunkt des Erwerbs fixiert ist und real aufgrund des Anstiegs des Preisniveaus sinkt. Schwankungen des Preisniveaus treffen die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten unterschiedlich 36 Verl. Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 28; U. Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, Diss., 1984, S. 46 f. 37 Vergl. Stern / Münch ! Hansmeyer, § 1 StabG, S. 119; Vogel / Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 85, 98 „Transposition in möglichst messbare, wirtschaftswissenschaftliche Größen"; aus volkswirtschaftlicher Sicht etwa W. Lachmann, Fiskalpolitik, 1986, S. 20 ff. 38 Möller, § 1 StabG, Rdnr. 8. 39 Vergl. Stern! Münch!Hansmeyer, § 1 StabG, S. 123.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

und bewirken tendenziell eine Änderung der Verteilung zu Lasten der schwächeren Gruppen. Der Zielerreichungsgrad läßt sich anhand verschiedener Preisindices bestimmen, etwa dem der Erzeugerpreise gewerblicher oder auch landwirtschaftlicher Produkte, dem für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte oder auch dem der Preise im Außenhandel (Daten hierzu können den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank entnommen werden). Das Teilziel eines hohen Beschäftigungsstandes bezieht sich formal auf alle Produktionsfaktoren, seil. Boden, Kapital und Arbeit. Aufgrund der besonderen gesellschaftspolitischen Bedeutung und in Ermangelung aussagekräftiger Erhebungsmethoden zur Ermittlung des Beschäftigungsstandes aller Produktionsfaktoren wird Vollbeschäftigung ersatzweise für den Beschäftigungsstand der gesamten Volkswirtschaft herangezogen. Erhebungstechnisch wird die Zahl der registrierten Arbeitslosen in Relation zur Gesamtzahl der abhängig Beschäftigten (abhängig Beschäftigte plus registrierte Arbeitslose) gesetzt (sog. Arbeitslosenquote). Eine isolierte Betrachtung dieser Quote ist jedoch mit hohen Unsicherheiten behaftet. Beschäftigungsschwankungen werden vielfach zunächst über Variation von Überstunden bis hin zu Kurzarbeit ausgeglichen, sodaß es neben der Arbeitslosenquote selbst stets zusätzlicher Information über die Veränderung des jeweiligen Überstunden- resp. Kurzarbeiterstandes bedarf, um zu einer qualifizierten Einschätzung des Beschäftigungsstandes zu gelangen. Hoher Beschäftigungsstand, wie er in § 1 Satz 2 StabG gefordert wird, ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Forderung nach absoluter Vollbeschäftigung, quantifiziert in Form einer Arbeitslosenquote von Null. Zu beachten sind hier die verschiedenen Formen der Arbeitslosigkeit (saisonal, friktionell, strukturell, konjunkturell). 40 Das Stabilitätsgesetz stellt Bund und Ländern ein Instrumentarium zur Verfügung, das abstellt auf eine durch Nachfragerückgänge ausgelöste konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Zur Überwindung saisonaler, friktioneller oder struktureller Arbeitslosigkeit bedarf es weitergehender Maßnahmen. In der Bundesrepublik Deutschland galt das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes bis hinein in die 70er Jahre als erreicht, wenn die Arbeitslosenquote unterhalb von 0,8 % lag. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht zielt ab auf einen Ausgleich der Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalstöme zwischen In- und Ausland. Langfristig ist eine internationale Arbeitsteilung nur darstellbar, wenn die Außenwirtschaftsbeziehungen gleichgewichtig sind. Inwieweit ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht gegeben ist, läßt sich anhand der Zahlungsbilanz ermitteln. Da eine Bilanz ex definitione stets ausgeglichen ist, bedarf es der Bewertung der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz, seil. Leistungsbilanz, Kapitalbilanz, Verände40 Dazu: F. E. Münnich, Einführung in die empirische MakroÖkonomik, 1977, S. 289 ff; R.-D. Grass / W. Stützel, Volkswirtschaftslehre, 1983, S. 98 ff.; W. Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1, Grundlagen, 2. Aufl., 1993, S. 160 ff.

II. Art. 109 GG

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rung der Nettoauslandsaktiva der Bundesbank (Gold- und Devisenbilanz). Die Erhebung der Daten erfolgt regelmäßig durch das Statistische Bundesamt und die Deutsche Bundesbank (vergl. hierzu statistischer Teil der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank). Als viertes Teilziel ist stetiges und angemessenes Wachstum zu erörtern. In der Literatur wird Wachstum durchweg als Mengensteigerung, also rein quantitativ determiniert. 41 Diese Einschätzung beruht auf der Prämisse, daß nur eine Mengensteigerung eine Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards ermöglicht, verkennt jedoch, daß in einer hochindustrialisierten Industriegesellschaft eine Kausalität von Mengenwachstum und Steigerung des Lebensstandards nur noch bedingt gegeben ist. Ebenso denkbar, unter dem zunehmenden Einfluß ökologischer Aspekte sogar zwingend, ist m. E. eine qualitative Auslegung des Wachstumsbegriffs. 42 Die Substitution bestehender, die Lebensqualität potentiell gefährdender Produktionskapazitäten durch umweltgerechtere läßt keine Mengensteigerung erwarten, ist mittel- und langfristig jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für den Fortbestand unseres Wirtschaftssystems. Dem Wortlaut des § 1 Satz 2 StabG ist zu entnehmen, daß das Wachstum „stetig und angemessen" sein soll. Während „ stetig" auf den Zeitaspekt abstellt, relativiert das Adjektiv „angemessen" eine reine mengenbezogene Auslegung des Wachstumsbegriffs. Zur Ermittlung des Wachstums wird auf die Veränderungsrate des realen Bruttosozialproduktes Bezug genommen. Diese, der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entnommene Größe sagt jedoch wenig über die Entwicklung des Wohlstandes des Einzelnen aus, da sie keine Aussage über die unterschiedliche Verteilung der Güter ermöglicht. Darüber hinaus werden die Güter zu Marktpreisen bewertet, unabhängig davon, ob sie mit den gesellschaftlichen Werten übereinstimmen.43 bb) Differenzierung der Teilziele Üblicherweise werden die Teilziele des § 1 StabG in kurzfristig-konjunkturpolitische, dazu zählen Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht, sowie langfristig-wachstumspolitische, i. e. stetiges und angemessenes Wachstum unterschieden. 44 Diese Differenzierung ermöglicht es, das zur Umsetzung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes eingesetzte Instrumentarium kritisch zu erörtern. 41 Möller, § 1 StabG, Rdnr. 12; Stern I Münch I Hansmeyer, § 1 StabG, S. 130 f. 42 Vergl. etwa die Lebensqualität und Umweltschutz normierenden Regelungen der Art. 2, 100a Abs. 3 und 130r EWG-V. 43 Vergl. Stern / Münch / Hansmeyer, § 1 StabG, S. 131; J.-G. Grunwald, Erfolgskontrolle finanzpolitscher Stabilisierungsmaßnahmen, 1977, S. 50 ff. 44 Möller, § 1 StabG, Rdnr. 8; v. Arnim ! Weinberg, S. 91.

72

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

c) Wirtschaftswissenschaftlicher Kenntnisstand zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht Der bewußte Verzicht des Verfassungsgesetzgebers, einen bestimmten wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisstand zur Konjunkturpolitik im Grundgesetz festzuschreiben, erfordert es, neben der bei Novellierung des Art. 109 GG zugrundegelegten Auffassung neuere Ansätze zu skizzieren. 45 aa) Theorie J. M. Keynes Ausgangspunkt der Ergänzung des Art. 109 GG sowie der Verabschiedung des Stabilitätsgesetz ist die ökonomische Theorie J. M. Keynes. Die seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Konjunkturzyklen, einhergehend mit Arbeitslosigkeit und Unterauslastung vorhandener Kapazitäten im Rezessionsfall aber auch Preissteigerungen und Überauslastung in Boomphasen, sind Gegenstand seiner Theorie. Eine Beeinflussung der Schwankungsbreiten während der Konjunkturzyklen, mit dem Ziel einer ökonomisch und politisch gebotenen Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, lasse sich durch fiskalpolitische Maßnahmen des Staates (fiscal policy) erreichen. Keynes sieht die Ursache für eine Rezession in einer zu geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Die Nachfrageseite wird determiniert durch private Konsum- und Investitionsausgaben, Ausgaben des Staates, sowie Nachfrage aus dem Ausland. Zur Überwindung der Krise fordert er eine Erhöhung der Nachfrage, die staatlicherseits zur erfolgen habe. Wesentlich ist der von Keynes aufgezeigte Weg der Finanzierung staatlicher Nachfrage in einer Rezessionsphase: durch Kredite (deficit spending). Nur sie ermöglichen es, die Steuerpflichtigen vor Mehrbelastungen, die ihre verfügbaren Einkommen verringern, die private Nachfrage schwächen und im Ergebnis staatliche Mehrnachfrage konterkarieren, zu bewahren. Die zunächst kreditfinanzierten Ausgaben führen zu einer Erhöhung der Nachfrage, diese wiederum zu einem Anstieg der Auslastung der Kapazitäten, einer Erhöhung der Nachfrage nach Arbeitskräften, schließlich zu einem Anstieg des Volkseinkommens. 46 Multiplikatoreffekte führen dazu, daß, je nach Gewichtung der zusätzlichen kreditfinanzierten öffentlichen Ausgaben, die daraus resultierende Nachfrage mit einem Faktor größer eins (Keynes geht bei Wohnungsbauvorhaben von mindestens zwei aus) zu bewerten ist. Im Ergebnis werden einerseits öffentliche Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung vermieden, andererseits steigt das von der Höhe des Volkseinkommens abhängige Steueraufkommen. 47

45 Vergl. zum Keynesschen Ansatz: v. Arnim / Weinberg, S. 27 ff., 92; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 122 f.; Lachmann, Fiskalpolitik, S. 64 ff. 46 Vergl. J. M. Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, deutsche Übersetzung von F. Wagner, S. 97 ff.

II. Art. 109 GG

73

In einer Phase zu hoher gesamtwirtschaftlicher Nachfrage führt die das Angebot übersteigende Nachfrage zu Preissteigerungen, dem Staat obliegt es nun, seine Nachfrage zu reduzieren. Die frei werdenden Einnahmen sind zur Tilgung der Kredite oder aber zur Bildung von Rücklagen bei der Zentralbank (surplus saving) zu verwenden. Die gebildeten Rücklagen sind dann bevorzugt bei einer erneuten rezessiven Entwicklung einzusetzen. Keynes ' Ansatz beschreibt eine antizyklische Haushaltspolitik, die den Einsatz von Krediten in einer konjunkturellen Phase zu geringer gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, gekennzeichnet durch Unterauslastung der Kapazitäten und Arbeitslosigkeit, als probates Instrument zur Konjunktursteuerung fordert. Ebenso eindeutig zeigt er auf, daß diese Kredite innerhalb eines Konjunkturzykluses zu tilgen sind, ja darüber hinaus Rücklagen zu bilden. Strukturelle Verschuldung, die durch eine Loslösung kreditärer Finanzierung öffentlicher Aufgaben oder aber das Unterlassen der Tilgung von Krediten resp. der Bildung von Rücklagen entsteht, steht im Widerspruch zu einer antizyklischen Haushaltspolitik; m. a. W.: Keynes ' Ansatz stellt ab auf konjunkturell bedingte Defizite. 48 bb) Angebotstheorie Kritik an Keynes wurde von Seiten der sog. Angebotstheorie geäußert. 49 Unter Bezugnahme auf die reale Situation der Bundesrepublik in den 70er Jahren konstatiert sie, daß gesamtwirtschaftliche Schwäche sowie hohe Arbeitslosigkeit vorwiegend kosten- und strukturbedingt seien. Beschäftigungsprobleme, die angebotsseitig determiniert sind, haben ihren Ursprung in unzureichender Erweiterung der Produktionskapazitäten oder deren Umstrukturierung. 50 Ihnen voraus geht eine dauerhafte Verschlechterung der Kosten-Ertrags-Relation, die sich in einem nachhaltigen Rückgang der Investitionsbereitschaft der betroffenen Unternehmen manifestiert. Anzuführen sind hier die seitens der Gewerkschaften vorgebrachten Argumente einer Koppelung der Lohnentwicklung an die Preissteigerungsrate oder aber die sog. Sockelanhebungen für untere Lohngruppen. Eine Loslösung der Entwicklung der Reallöhne von der Steigerung der Produktivität führt tendenziell zu einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeit. 51 47 Keynes , Means to prosperity, in: H. Mattfeldt, Keynes — Kommentierte Werkauswahl, deutsche Übersetzung, S. 149: Für den (materiellen) Ausgleich gibt es „keine andere Möglichkeit als durch Steigerung des Nationaleinkommens, was identisch ist mit einer Erhöhung der Beschäftigung". 48 So auch Lachmann, Fiskalpolitik, S. 69 f.: „Die keynsianische Fiskalpolitik war als ein reversibles Instrument konzipiert. Sie wurde von den Politikern falsch genutzt. Der Fehler lag darin, daß dieses kurzfristige (konjunkturelle) Instrument mittel- und langfristig über den gesamten Zyklus eingesetzt wurde.". 49 v. Arnim / Weinberg, S. 93 f., Brenner / Haudry / Lipp, Staatsverschuldung und Verfassung, in: FinArch, N. F., Bd. 38(1979), S. 246 ff.; Ehrlicher, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, in: Staatsverschuldung kontrovers, hrsg. v. Wagner / Simmert, 1981, S. 108. 50 Brenner ! Haudry ! Lipp, S. 248.

74

C. Der gndgesetzliche Normenkomplex

Inwieweit die Ursache für den Rückgang privater Investitionen im Unterlassen einer echten Tilgung öffentlicher Kredite, die in einer vorangegangenen, auf mangelnde Nachfrage zurückzuführenden Rezession in erhöhtem Maße aufgenommen wurden, begründet liegt, ist an dieser Stelle nicht abschließend zu klären. Der Ansatz der Angebotstheorie zeigt auf, daß im Falle angebotsseitiger Störungen die nachfragesteigernde Wirkung kreditfinanzierter, öffentlicher Ausgaben fraglich ist. Kurzfristig mag eine gewisse Steigerung der Auslastung bestehender Kapazitäten eintreten, wahrscheinlicher ist es jedoch, daß es aufgrund der skizzierten strukturellen Probleme zu Preissteigerungen und damit inflationären Entwicklungen kommt. 52 Vertreter der angebotsorientierten Auffassung äußern Skepzis gegenüber kreditfinanzierten öffentlichen Ausgabenprogrammen, da bei Vorliegen strukturbedingter Problemen nicht ausgeschlossen werden kann, daß gerade Wirtschaftszweige, deren Anpassung volkswirtschaftlich notwendig ist, durch eben diese öffentlichen Ausgaben gestützt werden, ohne jedoch im Ergebnis eine nachhaltige Steigerung der Nachfrage resp. Auslastung der Kapazitäten zu bewirken. 53 cc) Crowding-out-Effekte Von Seiten der Montetaristen werden cröwding-out-Effekte staatlicher Kreditaufnahmen angeführt. 54 Ausgehend von der durch die Angebotstheorie betrachteten Gütermarktseite stellen sie auf die Geldmarktseite ab. Auf dem Kreditmarkt führt zusätzliche öffentliche Kreditnachfrage bei gegebenem Kreditangebot zu einer Steigerung des Marktzinses resp. einer Verdrängung privater Kreditnachfrager. Während private Nachfrager in der Regel zinsempflindlich reagieren, d. h. sich bei steigendem Marktzins eher abwartend verhalten, ist die Höhe des Zinssatzes für öffentliche Haushalte (bislang) kein limitierendes Kriterium. 55 Die Verdrängungseffekte auf dem Kreditmarkt jedoch lassen einen weiteren Rückgang der privaten Investitionstätigkeit erwarten, so daß im Ergebnis einer kreditfinanzierten, erhöhten öffentlichen Nachfrage keine angepaßte Kapazität gegenübersteht, Anpassungsprozesse nicht realisiert werden, Preissteigerungen und eine Erhöhung des Marktzinsniveaus zu erwarten sind. 51

S. 43. 52

Vergl. Ehrlicher,

Aspekte der Staatsverschuldung, in: Der Staat, 24. Bd., 1985,

v. Arnim / Weinberg, S. 94; Ο. Gandenberger, Was kann die Staatverschuldung in der Zukunft leisten?, in: Die Zukunft der Staatsverschuldung, hrsg. von H. Zimmermann, 1988, S. 178. 53 Vergl. Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zu den Problemen einer Verringerung der öffentlichen Netto-Neuverschuldung, Schriftenreihe des BMF, Heft 34, S. 19 f.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 131 f. und 139. 54 Vergl. R. Pohl, Staatsverschuldung und die crowding-out-Debatte, in: Staatsverschuldung kontrovers, hrsg. von Simmert / Wagner, 1982, S. 366 ff.; D. Duwendag, Staatsverschuldung-Notwendigkeit und Gefahren, 1983, S. 72 ff.; Lachmann, Fiskalpolitik, S. 167 ff. 55 Duwendag, S. 77 konstatiert ein „zinsrobustes Verhalten" öffentlicher Kreditnehmer.

75

II. Art. 109 GG

dd) Auffassung des BVerfG Das Bundesverfassungsgericht trägt den Einwänden seitens der Wirtschaftswissenschaften Rechnung, indem es einerseits feststellt, daß nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand (April 1989) gesicherte abweichende Erkenntnisse nicht vorlagen, die einer Konkretisierung des Begriffs „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" durch die Teilziele des § 1 Abs. 2 StabG entgegenstehen, andererseits jedoch den Einsatz des Instruments Kredit ausdrücklich unter den Vorbehalt einer Eignung, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes abzuwehren, stellt. 56 Das Bundesverfassungsgericht hat damit klargestellt, daß es nicht genügt, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zum Anlaß für erhöhte Kreditaufnahmen zu nehmen, vielmehr obliegt es dem Haushaltsgesetzgeber darzulegen, daß diese Kredite geeignet sind, „final" der Störung entgegenzuwirken. 57 d) Bestimmung des gesamtwirtschaftlichen

Gleichgewichtes

Durch eine Quantifizierung der Einzelziele des § 1 Satz 2 StabG ist formal eine Bestimmung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes dergestalt möglich, daß bei Erreichen zuvor fixierter Größen für jedes Teilziel das Gleichgewicht als gegeben zu bewerten ist. Ein Vorbehalt ist jedoch in Bezug auf die Absolutheit der Bestimmbarkeit der Vorgaben für jedes Einzelziel zu setzen. Während bis Ende der 60er Jahre Einigkeit darüber bestand, das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes (Vollbeschäftigung) bei einer Arbeitslosenquote kleiner 0,8 v. H. als erreicht anzusehen, wurde in den 70er Jahren selbst bei einer Quote bis zu 4 v. H. noch von Zielerreichung gesprochen. 58 Ähnliches gilt für die übrigen Ziele. Entgegen der präzise erscheinenden Beschreibung des Gleichgewichtes durch § 1 Satz 2 StabG kann die gesetzliche Regelung nur Grundsätze enthalten, deren Ausgestaltung den politischen Instanzen überlassen bleibt. 59 Das Stabilitätsgesetz normiert lediglich einzelne Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, ohne jedoch Maßstäbe oder Bezugsgrößen zu konkretisieren oder aber zahlenmäßig zu determinieren. Wenig aussagekräftig erscheint hier die Äußerung des Bundesverfassungsgerichtes, „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht meine nicht die volle und nachhaltige Erreichung aller Teilziele zugleich, sondern eine relativ optimale Gleichgewichtslage in der Realisierung der Teilziele" 60 .

56 BVerfGE 79, 311 (338, LS. 3). 57 BVerfGE 79, 311 (339). 58 Vergl. BT-Drucks. 8/72, Nr. 6. 59 Möller, § 1 StabG, Rdnr. 1; Stern I Münch I Hansmeyer, § 1 StabG, S. 121. 60 BVerGE 79, 311 LS. 2.

76

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

2. Normative Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG a) Verpflichtung

zu einer aktiven Konjunkturpolitik

Art. 109 Abs. 2 GG verpflichtet Bund und Länder zu einer aktiven Konjunkturpolitik. 61 Durch geeignete fiskalpolitische Maßnahmen (insb. Ausgaben-, Kredit-, Steuer- und Rücklagenpolitik) haben sie den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen. Bereits durch Art. 105 GG und Art. 74 Ziffer 11 GG bestand für den Bund die Möglichkeit, lenkend in den Konjunkturverlauf einzugreifen, sei es durch eine spezifische Steuer oder aber eine Sonderabgabe. Doch erst durch Art. 109 Abs. 2 GG wird die Handlungspflicht für Bund und Länder für das zentrale Gebiet der Konjunkturpolitik verfassungsrechtlich normiert und explizit als Staatszielbestimmung festgeschrieben. 62 b) Verbot einer prozyklischen

Konjunkturpolitik

Unabhängig davon, welcher wirtschaftstheoretischen Vorstellung über den grundsätzlichen Konjunkturverlauf man folgt, ist die Haushaltswirtschaft in den Dienst einer Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu stellen. Eine staatliche Ausgaben- und Kreditpolitik, die dem Verlauf der Konjunktur zyklisch folgt, verstärkt jedoch die Schwankungen der Konjunkturzyklen. Art. 109 Abs. 2 GG verbietet eine fiskalpolitische Parallelpolitik. 63 Umfang und Struktur öffentlicher Nachfrage und die Art ihrer Deckung sind beim Auftreten von Gleichgewichtsstörungen nicht parallel, sondern gegenläufig zur allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zu gestalten.64 In einer Phase die vorhandenen Kapazitäten übersteigender Nachfrage ist insbesondere eine Ausgabenerweiterung resp. das Unterlassen der Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen unzulässig. Geboten erscheint vielmehr die Rücknahme der Aufnahme staatlicher Kredite bis hin zur Netto-Tilgung. 65 Im 61 Vergl. / . Hanreich, Konjunkturpolitik des Bundes in finanzverfassungsrechtlicher Sicht, Diss., 1969, S. 25 ff. : „Die Verpflichtung zu einer aktiven Wirtschaftspolitik, insb. einer aktiven Konjunkturpolitik, entspricht dem Wesen des Sozialstaates."; s. a. C., sub Fn. 15. 62 Vergl. Scheuner, S. 112 ff.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 118 ff. 63 Vergl. Brenner I Haudry I Lipp, S. 244: „strikten Verbot einer Parallelpolitik"; Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 34: „Unzulässigkeit einer fiskalischen Parallelpolitik, und damit notwendig die Unzulässigkeit einer prozyklisch wirkenden Verschuldung"; Duwendag, Staatsverschuldung — Notwendigkeit und Gefahren, S. 28. 64 Fischer-Menshausen, Art. 109 GG, Rdnr. 11. 65 Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 34; Wiss. Beirat beim BWM, Kriterien und Konsequenzen der Staatsverschuldung, Tz. 15, hält es neben ,»kaufkraftbindenden Nettotilgungen von Staatsschulden" für ratsam, „daß der Staat Investitionen nicht mit Krediten,

II. Art. 109 GG

77

Falle einer Abschwächung der Konjunktur sind prozyklisch wirkende Ausgabenkürzungen unzulässig, vielmehr das staatliche Ausgabeniveau aufrecht zu erhalten und ein kreditärer Haushaltsausgleich zu bewirken. c) Verpflichtung

zur situationsbezogenen Kreditaufnahme

Für den Teilbereich der Kreditpolitik bedeutet Art. 109 Abs. 2 GG eine Verpflichtung zur situationsbezogenen Kreditaufnahme. Grundsätzlich sind — in Analogie zu Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG — zwei Fälle zu unterscheiden: gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht und eine Störung des Gleichgewichtes, wobei die Störung sowohl bei einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrage (Boom-Phase) als auch bei einer Konjunkturabschwächung (Rezession) gegeben ist. aa) Boom-Phase Konjunktureller Aufschwung geht einher mit steigender privater Nachfrage nach Gütern und Leistungen sowie einer erhöhten Nachfrage Privater am Kapitalmarkt. Bei Überschreiten der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kommt es zu Preissteigerungstendenzen am Gütermarkt und Zinssteigerungen am Kapitalmarkt. In dieser Situation hat der Staat seine Kreditnachfrage einzuschränken. Im Boom ergibt sich aus Art. 109 Abs. 2 GG nicht nur ein „Verbot, den Maximalrahmen des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 HS. 1 GG auszuschöpfen" 66, darüber hinaus kann er ein totales Verschuldungsverbot darstellen. 67 Ein Finanzierungssaldo ist dann nicht zulässig, darüber hinaus kann es geboten sein, den bestehenden Schuldenstand zurückzuführen, um künftige Haushalte von der Zinslast zu befreien. bb) Gleichgewichtszustand Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht ist Aufgabe und Ziel öffentlicher Kreditpolitik. Bei Erreichen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes ist der Staatshaushalt konjunkturneutral zu gestalten. Von der Ausgaben- und Einnahmengestaltung des Haushaltes haben keine konjunkturellen Wirkungen auszugehen. sondern aus laufenden Einnahmen finanziert und ggfs. ( . . . ) die Steuersätze temporär erhöht". 66 Brenner i Haudry / Lipp, S. 242; so auch: Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 5, 14; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115 GG, Rdnr. 26 konstatiert, daß es „darauf ankommt, durch eine Drosselung der Ausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage einzuschränken, und zwar auch durch die Beschränkung der Kreditnachfrage". 67 U. Wolf, S. 93; Wiss. Beirat beim BMF, Stellungnahme zur Haushaltsrechtsreform, in: Entschließungen, Stellungnahmen und Gutachten 1949-1973, S. 453: „kann es sich als notwendig erweisen, auf eine Kreditaufnahme überhaupt zu verzichten".

78

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

Zu erörtern ist, ob im Gleichgewichtszustand eine nicht konjunkturell zu begründende Kreditaufnahme statthaft ist, die im Ergebnis zu einem weiteren Anstieg des bestehenden Schuldenstandes führt. Der Sachverständigenrat hat dazu das Konzept einer sog. potentialorientierten Verschuldung (Normalverschuldung), die auch bei Auslastung der volkswirtschaftlichen Kapazitäten zulässig sei, entwickelt. Diese Normalverschuldung sei unabhängig von der konjunkturellen Lage zulässig, „da sich der private Sektor darauf eingerichtet habe, daß der Staat einen bestimmten Teil des Produktionspotentials mit kreditfinanzierten Ausgaben in Anspruch nimmt." 6 8 v. Arnim ! Weinberg lehnen dieses Konzept ab, da die Prämisse nicht stichhaltig sei. Erhöht der Staat seine Kreditaufnahme resp. fragt er ein Kreditvolumen, das über den Umschuldungsbedarf der bestehenden öffentlichen Verschuldung hinausgeht, am Kapitalmarkt nach, so bleibt den privaten Kreditnachfragern gar nichts anderes übrig, als die zusätzliche Nachfrage als Datum zu betrachten. Im Ergebnis führt Normal Verschuldung zu einer Hypothek auf die Konjunkturpolitik der Zukunft, durch die die künftige Ersetzbarkeit und Wirksamkeit der Kreditpolitik eine wesentliche Einschränkung erfährt. 69 Ohne explizit auf das potentialorientierte Verschuldungskonzept des Sachverständigenrates bezug zu nehmen, erteilt das Bundesverfassungsgericht der Zulässigkeit eines Anstiegs der Verschuldung im Gleichgewichtsfall eine klare Absage, indem es auf die Regulierungsfunktion des Art. 109 Abs. 2 GG, die im Gleichgewichtsfall präventiv („schon vor und außerhalb der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes") zu verhindern hat, daß sich ein „stetig wachsender Schuldensockel bildet, der schließlich die Fähigkeit des Staates, auf die Probleme der Gegenwart und Zukunft zu reagieren, in Frage stellt" 70 , verweist. Im Gleichgewichtszustand stehen alle Kreditaufnahmen, die konjunkturelle Wirkungen entfalten, im Widerspruch zu Art. 109 Abs. 2 GG und sind damit unzulässig. cc) Rezessions-Phase Die Ursachen der Rezession bedürfen einer genauen Analyse, bevor es zu einer erhöhten Kreditaufnahme öffentlicher Haushalte kommt. Art. 109 Abs. 2 GG stellt weder auf eine angebots- noch auf eine nachfrageorientierte Konjunkturtheorie ab. Die Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG fordert positiv, daß die Kreditpo68

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eine zusammenfassende Darstellung erfolgt im Jahresgutachten 1970, Tz. 322 ff. (insb. Abschnitt „Konjunkturneutrale Kreditaufnahme" Tz. 342 bis 349); 1974, Tz. 412 ff.; 1976, Tz. 221. 69 v. Arnim / Weinberg, S. 82 ff.; N. Andel, Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts, in: FinArch, N. F., Bd. 32 (1973/74), S. 46 (58): „ ( . . . ) ist nicht einzusehen, warum eine Aufnahme langfristiger Kredite dann als konjunkturneutral gelten kann, wenn sich die Wirtschaft daran angepaßt hat. Wichtig ist nicht die Anpassung als solche, sondern die spezifische Art der Anpassung, ob sie nämlich über eine Einschränkung der Kreditgewährung an Private deren Nachfrage auch tatsächlich reduziert oder nicht.". 70 BVerfGE 79, 311 (355 f.).

II. Art. 109 GG

79

litik auszurichten ist auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht, negativ, daß eine Kreditpolitik unzulässig ist, die im Ergebnis nicht zu einem Wiedererreichen des Gleichgewichtszustandes führt. Insoweit trifft den Haushaltsgesetzgeber zunächst die Verpflichtung, die Ursachen der Rezession darzulegen. Läßt sich die Störung auf einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zurückführen, so ist eine antizyklische Haushaltspolitik im Sinne Keynes' geboten. Aufgrund der Verpflichtung zu einer aktiven Haushaltspolitik ist hier nicht nur das bisherige staatliche Ausgabeniveau partiell kreditär zu finanzieren, darüber hinaus kann es durchaus geboten sein, durch weitere staatliche Ausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu beleben. Kredite stellen in dieser Situation neben dem Rückgriff auf zuvor in einer Boomphase gebildete Ausgleichsrücklagen ein probates Finanzierungsinstrument dar. Ist die Ursache für die Rezession angebotsseitig determiniert, so wird eine kreditfinanzierte Erhöhung staatlicher Ausgaben nachhaltig kaum zu einer Überwindung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes führen, „ ( . . . ) eine forcierte staatliche Kompensationspolitik die Lage nur noch weiter verschlechtern" 71. Ein kurzfristig wirkender Nachfrageschub würde durch kreditäre Finanzierung um den Preis einer Gefährdung des Preisniveaus, künftiger Schuldendienste, deren Bedienung durch einen Anstieg des künftigen Steueraufkommens nicht sichergestellt werden kann, oder auch negativer Auswirkungen auf den Kapitalmarkt, erkauft. Es wäre sinnwidrig, Art. 109 Abs. 2 GG als Freibrief für antizyklisches Handeln bei jeder Verletzung gesamtwirtschaftlicher Ziele zu interpretieren. 72 Über die Auswirkungen des deficit-spendings bei einer angebotsseitigen Störung besteht auf der wirtschaftswissenschaftlichen Seite Konsens: sie werden negativ bewertet. 73 Insoweit läßt sich eine kreditäre Finanzierung öffentlicher Ausgaben bei angebotsseitig bedingter Störung weder auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse stützen, noch geht sie konform mit der Verpflichtung des Art. 109 Abs. 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht billigt dem Haushaltsgesetzgeber zunächst einen „Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum" 74 zu. Jedoch ist nicht zu erwarten, daß sich eine erhöhte Kreditaufnahme als geeignetes Mittel zur Wiedererlangung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes im Falle einer angebotsseitig bedingten Störung schlüssig darlegen läßt. Das bewußte Offenhalten der Vorschrift des Art. 109 GG für „neue, gesicherte Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften" 75 erfordert es vielmehr, den seit Änderung des Art. 109 GG in den 71

(516). 72

v. Arnim, Grundprobleme der Staatsverschuldung, in: BayVBl, 1981, S. 514 ff.

Brenner I Haudry I Lipp, S. 251. 73 Die Auffassung der Angebotstheoretiker wurde oben, sub C. II. 1. dargestellt. 74 BVerGE 79, 311 (LS. 5). 7 5 BVerfGE 79, 311 (338).

80

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

Jahren 1967 und 1969 seitens der Angebotstheorie entwickelten Ansatz hinreichend zu berücksichtigen. dd) Zusammenfassung Es ist festzustellen, daß sich sich aus der Vorschrift des Art. 109 Abs. 2 GG ein sehr differenziertes Bild für die Einsatzmöglichkeiten des Finanzierungsinstrumentes Kredit zur situationsbezogenen Konjunktursteuerung ergibt: Weder im Falle des Booms noch der Rezession besteht ein Automatismus, der Bund und Ländern einen weiten Kreditrahmen eröffnet. Vielmehr erfordert es die Verpflichtung zur situationsgebundenen Kreditaufnahme, seitens des Haushaltsgesetzgebers darzulegen, daß die vorgesehene Kreditpolitik konform geht mit den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Dabei sind insbesondere die Ursachen der Störung zu berücksichtigen und der wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisstand zu beachten. d) Das langfristig

wachstumspolitische

Ziel

Neben der Verpflichtung, für eine Verstetigung des Konjunkturverlaufes Sorge zu tragen, wird durch das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht i. S. des Art. 109 Abs. 2 GG eine weitere Zielkomponente, seil, „stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum" normiert. Zu erörtern ist hierbei, ob Kredite, losgelöst von einem konjunkturpolitisch gebotenen Einsatz, Bund und Ländern für eine auf das Wachstumsziel auszurichtende Haushaltswirtschaft zur Verfügung stehen. Um zu einer umfassenden Bewertung aus finanzverfassungrechtlicher Sicht zu gelangen, wird im folgenden zunächst der wirtschaftswissenschaftliche Stand zu den Auswirkungen einer kreditären Finanzierung öffentlicher Ausgaben im Hinblick auf künftiges Wirtschaftswachstum behandelt. aa) Intertemporale Allokation Schon L. von Stein vertrat die Auffassung, daß ein Staat ohne Staatsschuld entweder zuwenig für seine Zukunft tue oder aber zuviel von seiner Gegenwart fordere. 76 Diese Auffassung basiert auf der Annahme, daß die kreditäre Finanzierung öffentlicher Ausgaben, die einen Nutzen in der Zukunft stiften, zu einer Verlagerung der Lasten in die Zukunft führt und einen Ausgleich von Lasten und Nutzen über die Zeit bewirkt. Gerade bei langlebigen Investitionen, die gekennzeichnet sind durch hohe Ausgaben zum Zeitpunkt der Realisierung, aber auch eine lange Nutzungsdauer, ist anzunehmen, daß von Seiten der Steuerzahler 76 S. 666, wobei in Analogie zu dem Prinzip der Reproduktivität des Steuerwesens für den Wert der kreditfinanzierten Ausgaben zu fordern ist, daß er mindestens die Höhe des Schuldendienstes (Zinsen und Tilgung) erreicht.

II. Art. 109 GG

81

Einspruch gegen eine sofortige Übernahme der gesamten Kosten erhoben wird. Insoweit erweitern Kredite den Ausgabenspielraum der öffentlichen Hand in der Gegenwart, ohne den Steuerzahlern zum Zeitpunkt der Realisierung die gesamten Kosten aufzuerlegen, doch um welchen Preis? Die Möglichkeit der Lastenverschiebung in die Zukunft stellt nur einen Aspekt der kreditären Finanzierung öffentlicher Ausgaben dar. Die heute weithin vertretene Meinung betrachtet die Auswirkungen auf das volkswirtschaftliche Wachstum. Die Vertreter dieses sog. Aggregate Investment Approach, Richard A. Mus grave et al. 77 , konstatieren, daß unter den Rahmenbedingungen eines klassischen Systems — der Auslastung eines gegebenen volkswirtschaftlichen Produktionspotentials sowie eines konstanten öffentlichen Ausgabevolumens — Steuerfinanzierung tendenziell zu einer stärkeren Zurückdrängung privaten Konsums führe, während Kreditfinanzierung eher private Investitionen zurückdränge. Bei jeder gegebenen Kombination öffentlicher Ausgaben vermindert deshalb die Substitution von Steuerfinanzierung durch Kreditfinanzierung die Wachstumsrate der Wirtschaft. 78 Erst durch private Investitionen wird ein nachhaltiges Wachstum des volkswirtschaftlichen Produktionspotentials sichergestellt. Im Ergebnis bewirken staatliche Kreditaufnahmen „negative Wachstumseffekte bei höherem Gegenwartskonsum" 79, da der durch öffentliche Kredite gebundene Teil des Kapitalmarktes nicht mehr für private Investitionen zur Verfügung steht. Der skizzierte Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion verdeutlicht, daß öffentliche Kredite im Hinblick auf das Wachstumsziel eher kritisch zu beurteilen sind, sie in jedem Falle der Rechtfertigung bedürfen, da sie neben der Entlastung der Gegenwart stets eine Belastung der Zukunft bewirken. bb) Interpersonaler Aspekt Der interpersonale Aspekt der Lastenverteilung einer kreditären Finanzierung öffentlicher Investitionen stellt ab auf den sogenannten Generationenvertrag. Er soll gewährleisten, daß jede Generation für ihre Nachkommen die gleiche Last 77 R. A. Musgrave, Theorie der öffentlichen Schuld, in: HdF, Bd. III, 2. Aufl., 1958, S. 71 ff.; O. Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, HdF, Bd. ΠΙ, 3. Aufl., 1981, S. 31 f., 48 f. 78 R. A. Musgrave I P.B. Mus grave / L. Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, 4. Bd., 1976, S. 124. 79 Gandenberger, Was kann die Staats Verschuldung in der Zukunft leisten?, S. 48, wobei er die Gefahr sieht, daß sich Politiker öffentlicher Kredite anstatt in rationaler Weise auschließlich im Interesse ihrer Wiederwahl bedienen; Musgrave, Theorie der öffentlichen Schuld, S. 72: „Die interne Schuldenaufnahme des Staates vermehrt nicht die Menge der Produktionsmittel, die für die Gruppe als Ganzes (Staat, eigne Anm.) verfügbar sind"; Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 22; a. Α.: Henseler, Verfassungsrechtliche Aspekte zukunftsbelastender Parlamentsentscheidungen, S. 519 f., lehnt die Grundaussagen des Aggregate Investment Approach, der nicht „ohne unbewiesene Hypothesen und gewillkürte Prämissen" auskomme, ab. 6 Lappin

82

C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

trägt wie jede frühere. 80 Anzuführen ist hier das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Gleichheit aller Bürger vor den öffentlichen Lasten. 81 Lastengleichheit zwischen den Generationen bedeutet, daß entweder alle, d. h. die vergangene, die gegenwärtige und die zukünftige Generation ihre Investitionen durch Steuern finanzieren, oder aber durch Kredite. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt, daß zumindest bis Anfang der 70er Jahre Investitionen nur in bescheidendem Umfang kreditär finanziert wurden. Die gegenwärtige Generation profitiert von den ihnen lastenfrei zur Verfügung stehenden Investitionen und dem daraus resultierenden Wachstum, während sie selbst nicht bereit ist, ihren Beitrag in der Gegenwart zu leisten; sie ist „zweifach begünstigt" und „unangemessen privilegiert". 82 Eine weitere Überlegung tritt hinzu: Jeder Kreditaufnahme immanent ist die Verpflichtung zur Bedienung des resultierenden Schuldendienstes (Zins und Tilgung). Insoweit bewirken Kredite nicht nur einen Verzicht auf künftiges Wachstum, sie führen darüber hinaus zu einer Einengung des haushaltspolitischen Spielraumes künftiger Haushaltsgesetzgeber, der sich für zukünftige Steuerzahler dahingehend konkretisieren läßt, daß sie Lasten zu tragen haben, deren Nutzenäquivalent in der Vergangenheit liegt, es sei denn, man folgt in Anlehnung an das seitens der Naturwissenschaft als utopisch erkanntem Modell des Perpetuum mobiles, wonach eine Maschine ohne Energiezufuhr dauernd Arbeit leistet, der Vorstellung, der spezifische Zukunftsnutzen kreditär finanzierter Ausgaben ist auf Dauer geeignet, mit hinreichender Sicherheit die Bedienung des korrespondierenden Schuldendienstes sicher zu stellen. Schließlich ist das Sozialprinzip zu erörtern. Materiale Offenheit und Dynamik des Sozialprinzips dürfen nicht dazu führen, daß eine übermäßige Kreditfinanzierung im Ergebnis dem Staat die Fähigkeit zu einer nachhaltigen aktiven Sozialgestaltung nimmt. 83 Die Möglichkeit der Lastenverteilung durch eine kreditäre Finanzierung öffentlicher Investitionen ist unbestritten. Im Hinblick auf das verfassungsrechtlich normierte Wachstumsziel ist die Zulässigkeit jedoch zu relativieren. Während der Einsatz des Instrumentes Kredit für die konjunkturpolitischen Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes unter der Prämisse eine nachfragebedingten Störung geboten ist, steht eine nicht konjunkturell zur rechtfertigende Kreditaufnahme in „potentiellem Widerspruch" 84 zu Art. 109 Abs. 2 GG. Die aus wirtschaftwissenschaftlicher Sicht dargelegten negativen Wachstumseffekte einer nicht konjunkturell begründeten Kreditaufnahme lassen sich nicht in Konvergenz zu der Bund und Länder bindenden Verpflichtung bringen, dem so Vergl. v. Arnim! Weinberg, S. 47 f.; Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 20. si Vergl. BVerfGE 55, 274 LS. 1; oben, sub Β. III. 1. b). 82 v. Arnim / Weinberg, S. 50. 83 Dazu Wolf, S. 46 f., J. Brockhausen, Die rechtliche Bedeutung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und seine Komponenten in § 1 StabG unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, Diss., 1974, S. 121 ff. 84 v. Arnim /Weinberg, S. 100.

II. Art. 109 GG

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Ziel eines stetigen und angemessenen Wachstums Rechnung zu tragen. Wenn aber die kreditäre Finanzierung öffentlicher Ausgaben das verfassungsrechtlich normierte Wachstumsziel gefährdet, so folgt daraus für den Haushaltsgesetzgeber, daß die Beeinträchtigung des Wachstumszieles lediglich im Rezessionsfall zulässig ist, in allen übrigen konjunkturellen Phasen (Gleichgewichtszustand, Boom) ein Anstieg der Verschuldung nicht zu rechtfertigen ist. Andernfalls wäre zu befürchten, daß die Langzeitwirkungen nicht konjunkturell gebotener Kreditaufnahmen aufgrund der negativen Wachstumseffekte einerseits die Wirksamkeit des konjunkturpolitischen Instrumentariums gefährden und andererseits das eingeschränkte Wachstum des Produktionspotentials der Volkswirtschaft in Verbindung mit der fortwährenden Inanspruchnahme des Kreditmarktes sich selbst zur Ursache einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes entwickelt. 85

3. Einfachgesetzlich normierte Grundsätze für das Haushaltsrecht, eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung (Art. 109 Abs. 3 GG) Da Art. 109 Abs. 2 GG lediglich die Aufgabe und das Ziel der Haushalts wirtschaften von Bund und Ländern normiert, jedoch keine Ermächtigung für ein Instrumentarium zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schafft, bedarf es keiner besonderen Rechtsgrundlage. Durch Art. 109 Abs. 3 GG wird dem Bund die Gesetzgebungskompetenz eingeräumt, Grundsätze für das Haushaltsrecht, eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und eine mehrjährige Finanzplanung aufzustellen. Damit trägt er der in Art. 109 Abs. 1 GG den Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern zugestandenen Selbständigkeit und Unabhängigkeit Rechnung. Eine erschöpfende Bundesgesetzgebung würde den verbleibenden Gestaltungsspielraum der Länder über Gebühr einschränken. 86 Darüber hinaus wird die Grundsatzgesetzgebungskompetenz für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft bislang durch das Stabilitätsgesetz nur für den Fall einer nachfragebedingten Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes ausgeschöpft, läßt insoweit den Fall der angebotsseitigen Störung offen. 85 Vergl. Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zu den Problemen einer Verringerung der öffentlichen Neuverschuldung, S. 45 f.: „Gegen eine ständige Staatsverschuldung zu nicht konjunkturellen Zwecken bestehen erhebliche Bedenken". Die Einschränkung des handlungspolitischen Spielraumes lasse die Forderung, der Staat solle sich weniger verschulden, überzeugender erscheinen. Die Möglichkeit zum „politischen Mißbrauch" lasse das Lastenverteilungsargument „zweifelhaft" erscheinen. 86 Stern/Münch IHansmeyer, Art. 109 GG, S. 106; Möller, Art. 109 GG, Rdnr. 12; Vogel/Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 157; Fischer-Menshausen, Art. 109 GG, Rndr. 17; Patzig, Kommentar, Art. 109 GG, Rdnr. 26 ff.; Maunz, a. a. Ο., Art. 109 GG, Rdnr. 51; Heuer, in: HdFK, Bd. 1, Art. 109 GG, Rndr. 10; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. 1, Art. 109 GG, Rdnr. 56.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

a) BHO und HGrG Die Gesetzgebungskompetenz erstreckt sich im Bereich des Haushaltsrechts auf die Aufstellung von Grundsätzen, um eine Vergleichbarkeit der Haushaltspläne von Bund und Ländern durch eine einheitliche Haushaltssystematik zu ermöglichen. 87 Sie werden im Haushaltsgrundsätzegesetz einfachgesetzlich geregelt. Ihre Umsetzung in das Haushaltsrecht erfolgt für den Bund in der Bundeshaushaltsordnung (BHO), für die Länder in den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen (LHO). Hervorzuheben auf Grund seiner konjunkturpolitischen Bedeutung ist die Regelung des § 25 HGrG (§41 BHO). Sie billigt dem jeweiligen Minister der Finanzen das Recht zu, Ausgaben aus haushaltswirtschaftlichen Gründen zu sperren, „wenn die Entwicklung der Einnahmen oder der Ausgaben es erfordert". 88 Dem Minister der Finanzen wird durch diese Regelung ein kurzfristig wirksames Adjustieren der durch das Haushaltsgesetz beschlossenen Ausgabenermächtigungen an die konjunkturelle Entwicklung ermöglicht. 89

b) Regelungen für eine konjunkturgerechte

Haushaltswirtschaft

Der Bundesgesetzgeber hat die Grundsätze für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft im Stabilitätsgesetz (StabG) ausgeführt. Diese Grundsätze dienen der gesetzgeberischen Konkretisierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, um als Grundlage praktischer Wirtschaftssteuerung dienen zu können. 90 Im folgenden sind die das Instrumentarium zur Umsetzung einer konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft regelnden Grundsätze zu erörtern, um dann zu einer Beurteilung der Zulässigkeit des konjunkturgerechten Einsatzes von Krediten zu gelangen. Konjunkturgerecht nimmt Bezug auf die in § 1 StabG genannten Teilziele Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Diese Teilziele gilt es durch eine konjunkturgerechte Gestaltung der Haushaltswirtschaften zu stabilisieren. Das Wachstumsziel bleibt somit unberücksichtigt. Demgegenüber wird die durch § 1 StabG vorgenommene Operationaliserung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes insgesamt, d. h. unter Einschluß des Wachstumszieles, durch die h. M. bestätigt.91 Der Einsatz des konjunkturpolitisch angebrachten Instrumentariums ist daher nur unter dem Vorbehalt seiner Verein87 Vergl. BT-Drucks. V/3040, S. 33. 88 Vergl. P. Morell, Der Bundeshaushalt, Kommentar, 1983, § 41 BHO, S. 521 f. 89 Vergl. Dommach, in: HdFK, Bd. 1, § 41, Tz. 2; indes gibt Patzig, Kommentar, § 41 BHO, Rdnr. 4, zu bedenken, daß die Ermächtigung nicht überschätzt werden sollte, da ein großer Teil der veranschlagten Ausgaben fix sei. 90 Vogel! Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 158. 91 Dazu oben, sub Β. II. 1. b); vergl. Fischer-Menshausen, Art. 109 GG, Rdnr. 20.

II. Art. 109 GG

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barkeit mit dem Ziel eines stetigen und angemessenen Wachstums zulässig, andernfalls ließe die Haushaltswirtschaft eine wesentliche Komponente unberücksichtigt. Grundsätze für den konjunkturgerechten Einsatz des Instrumentes Kredit werden in den §§ 5 bis 7 StabG normiert. aa) Antizyklische Haushaltsplanung In § 5 StabG wird insbesondere Umfang und Zusammensetzung der Ausgaben des Haushaltsplans in den Dienst der Konjunkturpolitik gestellt. Basierend auf dem Ansatz J. M. Keynes stellen die in § 5 Abs. 2 und 3 StabG angeführten Maßnahmen ab auf eine Variation der öffentlichen Nachfrage. 92 Die Ausgabenpolitik ist grundsätzlich antizyklisch zu gestalten;93 in der BoomPhase (einer die volkswirtschafliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrage) hat der Bund seine Ausgaben zu reduzieren, um der nachfrageseitig bedingten Überhitzung der Konjunktur entgegenzuwirken. Die Regelung des § 5 Abs. 2 StabG sieht dazu vor, daß Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Bundesbank oder zur Zuführung an eine Konjunkturausgleichsrücklage 94 zu veranschlagen sind. Dabei ist jedoch zu konstatieren, daß der durch § 20 Abs. 1 BBankG Bund und Ländern, aber auch den Sondervermögen bei der Deutschen Bundesbank eingeräumte Kreditrahmen sehr begrenzt ist; für den Bund beläuft er sich auf lediglich sechs Milliarden Deutsche Mark, sodaß faktisch allein von der Schuldentilgung bei der Deutschen Bundesbank keine nachhaltige Konjunkturbeeinflussung zu erwarten ist. 95 Dazu bedarf es der Rückführung des Schuldenstandes bei den übrigen Gläubigern. Der Wortlaut geht von einer zusätzlichen Tilgung bei der Bundesbank aus, d. h. zunächst sind Mittel für den Schuldendienst von Krediten, die auf dem privaten Kapitalmarkt aufgenommen wurden, zu veranschlagen. Die Stillegung von Einnahmen bei der Bundesbank führt im Ergebnis zu einer Reduzierung der am Gütermarkt wirksamen Nachfrage des Bundes. Darüber hinaus wird durch das Einstellen von Mitteln in die Konjunkturausgleichsrücklage präventiv ein Handlungsspielraum geschaffen, der im Rezessionsfall den zusätzlichen Kreditbedarf selbst und den resultierenden Schuldendienst minimiert. 92 Dazu Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 124 ff. (insb. S. 126). 93 Vergl. Fischer-Menshausen, Art. 109 GG, Rdnr. 11. 94 In der Finanzverfassung (Art. 109 Abs. 4 GG) wird normiert, daß unter Konjunkturausgleichsrücklage ein zinslos bei der Bundesbank zu unterhaltendes Guthabenkonto zu verstehen ist, dessen Verpflichtung zur Bildung, aber auch spätere Verfügbarkeit im Wege seitens der Bundesregierung zu erlassender Rechtsverordnungen nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig ist. 95 Vergl. Stern / Münch / Hansmeyer, § 5 StabG, S. 221 f. Das Fehlen einer nachhaltigen Verschuldungsmöglichkeit des Bundes bei der Bundesbank läßt vielmehr den Schluß zu, daß der Verfassungsgesetzgeber nicht zuletzt aufgrund der schlechten Erfahrungen in der jüngeren Deutschen Geschichte bewußt keine nur der politischen Kontrolle unterliegende Verschuldungsmöglichkeit zwischen Bund und Bundesbank schaffen wollte.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

§ 5 Abs. 3 StabG regelt die Finanzierung der im Rezessionsfall (die Ziele des § 1 StabG gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit) zu veranschlagenden konjunkturanregenden Mehrausgaben. Der Wortlaut stellt explizit ab auf „zusätzlich erforderliche Deckungsmittel". Zusätzliche Deckungsmittel korrespondieren mit zusätzlichen Ausgaben, da der Haushalt stets auszugleichen ist (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG). In einer Rezessionsphase geht es demnach nicht nur darum, den infolge der Abschwächung der allgemeinen wirtschaftlichen Tätigkeit zu erwartenden Rückgang des Steueraufkommens zu kompensieren, darüber hinaus sind „zusätzlich" Deckungsmittel bereit zu stellen, von denen ein aktiver Beitrag zur Konjunktursteuerung zu erwarten ist. 96 Die Finanzierung ist prioritär („zunächst") durch Entnahmen aus der Konjunkturausgleichsrücklage sicherzustellen. Insoweit sind Kredite erst zweitrangig als weiteres Deckungsmittel zu veranschlagen. Um den Bund jedoch in die Lage zu versetzen, tatsächlich Ausgaben entsprechend dieser Bestimmung finanzieren zu können, gebietet es die Logik, daß der Bund im Laufe eines Konjunkturzykluses seine aufgenommenen Kredite zu tilgen und darüber hinaus Rücklagen zu bilden hat. Damit soll keinesfalls ein Vorbehalt gegen eine kreditäre Ausgabenfinanzierung, die ursächlich auf eine antizyklische Haushaltspolitik zurückzuführen ist, postuliert werden, der Wortlaut sagt ausdrücklich „zunächst" und gerade nicht ausschließlich. Bei beiden Grundsatzregelungen ist wesentlich, daß ihnen eine Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Situation zu Grunde liegt, die auf eine nachfragebedingte Störung abstellt. Nur in dieser Situation verhält sich der Haushaltsgesetzgeber bei der Veranschlagung seiner Ausgaben konjunkturgerecht, indem er bei der Haushaltsplanung Ausgaben reduziert oder zusätzlich veranschlagt. bb) Antizyklischer Haushaltsvollzug Die Grundregeln konjunkturgerechter Haushaltswirtschaft bei der Ausführung der Haushaltspläne werden durch § 6 StabG normiert. Sie verpflichten explizit den Bund, sinngemäß auch die Länder (i. V. m. § 14 StabG) und Sondervermögen (i. V. m. § 13 StabG). Die Grundsatzregelungen des § 6 StabG stellen sicher, daß der Bund durch eine flexible Gestaltung der Haushaltswirtschaft auf nach Verabschiedung des Haushaltsplanes eingetretene konjunkturelle Veränderungen reagieren kann. In Analogie zu § 5 StabG werden die Fälle der die volkswitschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrage und der die Ziele des § 1 StabG gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit geregelt. 96 a. Α.: Stern / Münch / Hansmeyer, § 6 StabG, S. 242; „§ 5 Abs. 2 StabG umschließt nicht notwendig eine aktive Konjunkturpolitik", die Regelung lasse es vielmehr offen, inwieweit zusätzlich erforderliche Deckungsmittel lediglich für den Ersatz konjunkturbedingter Steuermindereinnahmen oder aber zusätzlicher Ausgaben erforderlich seien.

II. Art. 109 GG

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Ausgangspunkt des § 6 Abs. 1 StabG ist eine konjunkturelle Situation, in der die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Angebotspotential übersteigt, die Stabilität des Preisniveaus gefährdet ist. Ganz im Sinne einer antizyklischen Haushaltspolitik gilt es, durch eine kontraktive Ausgabenpolitik der öffentlichen Haushalte der die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrage entgegenzuwirken. Dazu wird die Bundesregierung autorisiert, während des Haushaltsvollzuges den Bundesminister der Finanzen zu ermächtigen, „die Verfügung über bestimmte Ausgabemittel, den Beginn von Baumaßnahmen oder das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre" auszusetzen. Ziel dieser Ermächtigung ist es, durch eine partielle Ausgabensperre die staatliche Nachfrage den konjunkturellen Erfordernissen anzupassen. Den Bundesministern der Finanzen und der Wirtschaft obliegt zunächst das Initiativrecht, indem sie erforderliche Maßnahmen vorschlagen, die dann im Kabinett beraten werden und zu einer Ermächtigung des Bundesminsters der Finanzen führen, der wiederum das Vollzugsrecht wahrzunehmen hat. Inwieweit die Inanspruchnahme der Ermächtigung zu einer endgültigen Streichung der betroffenen veranschlagten Ausgaben oder aber nur zu einer zeitlichen Verschiebung innerhalb eines Haushaltsjahres führt, läßt § 6 Abs. 1 StabG offen. Für den Fall jedoch, daß die Ausgabensperren bis zum Ende des Rechnungsjahres fortbestehen, sieht § 6 Abs. 1 Satz 3 StabG vor, daß die „freiwerdenen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank zu verwenden oder aber der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen" sind. Beide Verwendungsmöglichkeiten sind formal gleichrangig, jedoch wird der Bund bemüht sein, zunächst seine Schulden bei der Bundesbank, für die er ja Zinsen zahlen muß, zu tilgen, und erst dann Mittel der Konjunkturausgleichsrücklage zuführen, da diese seitens der Bundesbank nicht verzinst werden. 97 In den Abs. 2 und 3 des § 6 StabG wird das während des Haushaltsvollzuges bei einer die Ziele des § 1 StabG gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit einzusetzende Instrumentarium normiert. Der Bundesregierung kann bestimmen, daß, nachdem die Minister der Finanzen und Wirtschaft entsprechende Vorschläge unterbreitet haben, zusätzliche Ausgaben geleistet werden. Zusätzliche Ausgaben sind solche, die nicht im Haushaltsplan enthalten und somit nicht von einer vorherigen parlamentarischen Ermächtigung gedeckt sind. 98 Bei der Auswahl der zusätzlichen Ausgaben unterliegt die Bundesregierung Einschränkungen: Sie dürfen nur für im Finanzplan (§ 9 i. V. m. § 10 StabG) vorgesehene Zwecke oder als Finanzhilfe für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG) verwendet 97 So auch Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 56: „Es wäre wenig sinnvoll, Konjunkturausgleichsrücklagen vorzusehen und gleichzeitig ein Ausweichen der öffentlichen Hand auf den Weg einer Neuverschuldung am Kreditmarkt zuzulassen". 98 Möller, § 6 StabG, Rdnr. 4.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 StabG). Der Verweis auf im Finanzplan aufgeführte Ausgaben relativiert die Einschränkung der Budgetrechts, da der einen Fünfjahreszeitraum abdeckende und jährlich zu aktualisierende Finanzplan jedem Haushaltsgesetz zu Grunde liegt und Bundestag und Bundesrat durch die Bundesregierung vorzulegen ist (§ 9 Abs. 2 StabG). Der Finanzplan selbst enthält sowohl konsumtive als auch investive Ausgaben. Die Auswahl obliegt der Bundesregierung; eine ausdrückliche Beschränkung auf Investitionsprojekte läßt sich aus § 6 Abs. 2 Satz 2 StabG nicht herleiten." Gleichwohl hat sich die Entscheidung situationsbezogen stets an den konjunkturellen Erfordernissen zu orientieren. Zusätzliche Ausgaben des Bundes, die Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Finanzhilfe gewährt werden, sind ausschließlich für besonders bedeutsame Investitionen zulässig, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verwendet werden. Diese Ausgaben finden in den mehrjährigen Investitionsprogrammen, die Bestandteil des Finanzplans sind, keine Berücksichtigung. Dem Bund wird durch § 6 Abs. 2 Satz 2 StabG ein weiteres Instrument aufgezeigt, um gezielt zusätzliche Ausgaben für den Teilbereich Investitionsvorhaben auf Länder- und Gemeindeebene konjunkturgerecht zu fördern. Während § 6 StabG dem Bund vorbehaltlos ein Instrumentarium für eine aktive antizyklische Ausgabengestaltung einräumt, ist die Finanzierung der zusätzlichen Ausgaben zunächst durch Entnahmen aus der Konjunkturausgleichsrücklage sicherzustellen (§ 6 Abs. 2 Satz 3 StabG). Steuererhöhungen scheiden wegen ihrer „prinzipiell kontraktiven Wirkung" als Finanzierungsalternative aus; Kredite sind erst in zweiter Linie in Betracht zu ziehen. 100 Sollten die Mittel aus der Konjunkturausgleichsrücklage nicht ausreichen, so ist der Bundesminister der Finanzen ermächtigt, über die im Haushaltsgesetz gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG erteilten Kreditermächtigungen hinaus Kredite bis zu einer Höhe von 5 Mrd. D M aufzunehmen (§ 6 Abs. 3 StabG). Es handelt sich um eine Dauerermächtigung, die dem Bundesminister der Finanzen im Interesse einer kurzfristig reaktionsfähigen, antizyklischen Haushaltspolitik ständig für zusätzliche Ausgaben i. S. des § 6 Abs. 2 StabG zur Verfügung steht. 101 Die Verabschiedung von Nachtragshaushalten ermöglicht eine wiederholte Inanspruchnahme. Die maximale Höhe der Ermächtigung (5 Mrd. DM) stellt eine ziffernmäßige Konkretisierung gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Die in § 6 StabG normierten „zusätzlichen Ausgaben" sind bereits bei einer „Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit" zu leisten. Im Verhältnis zur Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. HS. GG, die für Einnahmen aus Krediten ein Überschreiten der durch die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen vorgegebenen Grenze nur für den 99 Stern I Münch ! Hansmeyer, § 6 StabG, S. 243; a. Α.: Möller, § 6 StabG, Rdnr. 4. 100 Dazu: Möller, § 6 StabG, Rdnr. 4, Stern / Münch / Hansmeyer, § 6 StabG, S. 244. ιοί Möller, § 6 StabG, Rdnr. 5.

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Fall „der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" zuläßt, hat eine kreditäre Finanzierung zusätzlicher Ausgaben im Sinne von § 6 Abs. 2 StabG zunächst restriktiv zu erfolgen. Ein Unterschreiten der maximalen Höhe der Kreditermächtigung gemäß § 6 Abs. 3 StabG kann sehr wohl geboten sein, jedenfalls dann, wenn die zusätzliche öffentliche Nachfrage sich am Kapitalmarkt konjunkturell unerwünscht auswirkt. cc) Wertung Die in den §§ 5, 6 StabG normierten Grundsätze einer konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft setzen voraus, daß sowohl die im Falle einer Abschwächung der wirtschaftlichen Tätigkeit zu leistenden zusätzlichen Ausgaben als auch deren Finanzierung der Sache nach reversibel angelegt werden. Die erhöhte öffentliche Nachfrage soll temporär sinkende private Nachfrage kompensieren, nach Wiedererreichen des Gleichgewichtes nicht fortgeführt werden, der Verweis auf bereits im Finanzplan berücksichtigte Ausgaben verdeutlicht, daß es primär um ein „Vorziehen" öffentlicher Nachfrage geht, nicht jedoch um eine nachhaltige Steigerung der öffentlichen Ausgaben insgesamt.102 Darüber hinaus werden Investitionen favorisiert, indem die Verwendung zusätzlicher Mittel explizit unter Verweis auf die durch § 9 i. V. m. § 10 StabG dem Finanzplan zu Grunde liegende Investitionsplanung zu erfolgen hat oder aber Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) dient (§ 6 Abs. 2 StabG). Die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben ist zulässig, gleichwohl sind zunächst Mittel aus der Konjunkturausgleichsrücklage zu veranschlagen, die in künftigen Haushaltsjahren keinen Schuldendienst erfordern. Auf Grund der tendenziellen Ausrichtung zusätzlicher Ausgaben auf Investitionen ist vielmehr zu erwarten, daß der resultierende Nutzen in künftigen Perioden die Einnahmesituation des Bundes nachhaltig stärkt und die zusätzliche Tilgung bestehender Kreditlasten oder die Zuführung zur Konjunkturausgleichsrücklage ermöglicht.

102 J. G. Grunwald, Erfolgskontrolle finanzpolitischer Stabilisierungsmaßnahmen, 1977, S. 192: Entscheidend ist, daß weder in der Rezession die aus allokations- und verteilungspolitischen Gesichtspunkten mittelfristig gewünschten Ausgaben wegen rückläufiger Steuereinnahmen gekürzt noch im Boom diese Ausgaben nur deshalb erhöht werden, weil zusätzlich Steuereinnahmen anfallen.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

4. Sonderfälle einfachgesetzlich normierter Grundsatzgesetzgebungen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes (Art. 109 Abs. 4 GG) a) Begrenzung der Kreditaufnahme für Gebietskörperschaften und Zweckverbände Durch Art. 109 Abs. 2 GG werden nur die Haushaltswirtschaften des Bundes und der Länder verpflichtet, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Eine Bindung auch der übrigen Gebietskörperschaften und Zweckverbände, dazu zählen insbesondere Gemeinden und Gemeindeverbände, läßt sich aus dem Wortlaut des Art. 109 Abs. 2 und 3 GG nicht herleiten. Indes vertritt die wohl h. M. die Auffassung, daß die Grundsätze nach Art. 109 Abs. 3 GG, seil. Haushaltsgrundsätzegesetz und Stabilitätsgesetz, auch für Gemeinden und Gemeindeverbände verbindlich sind. 103 Um im Falle einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ein koordiniertes Verhalten aller öffentlichen Haushalte am Kreditmarkt zu gewährleisten, hat der Verfassungsgesetzgeber durch Art. 109 Abs. 4 Ziffer 1 GG den Bund ermächtigt, Vorschriften über Höchstbeträge, Bedingungen und Zeitfolge der Aufnahme von Krediten durch Gebietskörperschaften und Zweckverbände zu erlassen. 104 Der Gefahr des Mißerfolgs einer konjunkturpolitisch gebotenen, von Bund und Ländern betriebenen, jedoch infolge der zu beobachtenden Zinsunempfindlichkeit öffentlicher Haushalte seitens der Gemeinden, Gemeindeverbände und Zweckverbände konterkarierten Kreditpolitik, wird durch die sog. Kreditlimitierung wirksam begegnet.105 Gerade Gemeinden und Gemeindeverbände weisen in der Regel auf der Ausgabenseite einen hohen investiven Anteil auf, der einerseits direkt nachfragewirksam wird, andererseits durch Kreditfinanzierung den Kapitalmarkt zusätzlich belastet. In einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfragesituation würde die uneingeschränkte Fortführung der kreditfinanzierten Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände zu konjunkturell nicht erwünschten expansive Wirkungen führen. Die Ermächtigung des Art. 109 Abs. 4 Ziffer 1 GG wurde in den §§ 19 bis 22 StabG einfachgesetzlich konkretisiert und räumt der Bundesregierung das Recht ein, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Kreditaufnahme seitens des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der öffentlichen Sondervermögen und Zweckverbände zu beschränken loa Vergl. Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 52, Vogel / Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 175 ff. (insb. 182); Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 109 GG, Rdnr. 52; Heuer, Art. 109 GG, Rdnr. 10. 104 Vergl. Patzig, Kommentar, Art. 109 GG, Rdnr. 30 f.; Heuer, Art. 109GG, Rdnr. 12; Vogel /Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 179 ff. los Vergl. Stern/Münch!Hansmeyer, Vorbem. §§ 19-22 StabG, S. 327; FischerMenshausen, Art. 109 GG, Rdnr. 25 f.; Heuer, Art. 109 GG, Rdnr. 12.

II. Art. 109 GG

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(§19 StabG), insoweit unmittelbar in die betreffenden Haushalts wirtschaften einzugreifen 106; durch Rechtsverordnung ist eine Begrenzung auf maximal 70 v. H. der Summe der Kreditaufnahmen bei Gemeinden, Gemeindeverbänden und Zweckverbänden möglich, wobei die Summe der Kreditaufnahmen aus dem Durchschnitt der letzten fünf statistisch erfaßten Haushaltsjahre vor Erlaß der Rechtsverordnung zu ermitteln ist (§ 20 Abs. 2 StabG). Der Vorschrift des Art. 109 Abs. 4 Ziffer 1 GG ist keine Festschreibung der Kreditlimitierung auf einen Mindest- oder Höchstwert zu entnehmen, die zulässige Höhe läßt sich ausschließlich an den Erfordernissen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts messen.107 Sollte durch neuere wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse eine Reduzierung der Kreditlimitierungen geboten sein, so wird diese durch Art. 109 Abs. 4 Ziffer 1 GG abgedeckt. b) Verpflichtung von Bund und Ländern, Konjunktur ausgleichsriicklagen zu bilden Mittelbar besteht bereits durch die Grundsatzgesetzgebung zur konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft (Art. 109 Abs. 3 i. V. m. §§ 5 Abs. 2,6 Abs. 1 StabG) die Verpflichtung, seitens des Bundes und der Länder Konjunkturausgleichsrücklagen zu bilden. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift geht hervor, daß der Verfassungsgesetzgeber die Konjunkturausgleichsrücklage als „bedeutsame Erweiterung des konjunkturpolitischen Instrumentariums" nicht nur einfachgesetzlich, sondern direkt in der Finanzverfassung verankert wissen wollte. 108 Im Unterschied zu den fakultativen Konjunkturausgleichsrücklagen gemäß §§5 Abs. 2, 6 Abs. 1 StabG, bei denen es den Entscheidungen des Bundes und der Länder (i. V. m. § 14 StabG) überlassen bleibt, Mittel an die Konjunkturausgleichsrücklage abzuführen oder zur zusätzlichen Tilgung von Krediten bei der Deutschen Bundesbank zu verwenden, wird die Bundesregierung im Wege der Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, durch die in Art. 109 Abs. 4 Ziffer 2 GG geschaffene gesetzliche Regelung, i. e. obligatorische Konjunkturausgleichsrücklage des § 15 StabG, direkt ermächtigt, Bund und Länder zu verpflichten, ihren Konjunkturausgleichsrücklagen Mittel zuzuführen. Es handelt sich um eine „kann"-Vorschrift, die tatbestandsmäßig daran gebunden ist, daß der Erlaß einer entsprechenden Rechtsverordnung der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes dient. Die Verpflichtung zur Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen ist im Sinne einer präventiven Maßnahme zur Abwehr einer künftigen Störung zu bewerten. Neben der Kreditlimitierung ermöglicht sie es der Bundesregierung, direkt Einfluß zu nehmen auf eine antizyklisch zu gestaltende Ausgabenpolitik, indem in 106 Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 55. 107 Vergl. Maunz, ebenda. los Vergl. BT-Drucks. V/1678, S. 7.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

einer Hochkonjunkturphase zu erwartende Steuermehreinnahmen nicht der freien Disposition zur Ausgabensteigerung überlassen werden, sondern gezielt als Dekkungsmittel für den Fall einer Rezession reserviert werden. 109 Die Ermächtigung des Art. 109 Abs. 4 Ziffer 2 GG hat der Gesetzgeber in § 15 StabG ausgeschöpft. Die Vorschriften des § 15 Abs. 1,2 und 3 StabG stellen das „stärkste (konjunkturpolitische) Instrument dar, um die Haushaltsführung von Bund und Ländern praktisch zu koordinieren, vor allem nach der restriktiven Seite hin" 1 1 0 . Die Höhe der Konjunkturausgleichsrücklage wird durch Art. 109 Abs. 4 Ziffer 2 GG nicht beschränkt, jedoch hat die Vorschrift des § 15 StabG neben dem in Art. 109 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern der Voraussetzung des Art. 109 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen. Der Höchstbetrag, der in einem Haushaltsjahr der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen ist, wird durch § 15 Abs. 2 StabG auf nicht mehr als 3 v. H. der vom Bund und Ländern im vorangegangenen Haushaltsjahr erzielten Steuereinnahmen begrenzt. Da es sich um eine „Soll"-Vorschrift handelt, ist eine an den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen orienterte Überschreitung statthaft. 111 Eine Anrechnung im gleichen Haushaltsjahr bereits zugeführter Mittel gem. §§5 Abs. 2, 6 Abs. 1 StabG ist zulässig (§ 15 Abs. 3 Satz 2 StabG). Die Verfügung von Mitteln aus der Konjunkturausgleichsrücklage kann nur durch eine von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates angeordnete Rechtsverordnung erfolgen. Darüber hinaus unterliegt die Verfügung einer Zweckbindung: Die Verwendung darf bei einer die Ziele des § 1 StabG gefährdenden Abschwächung gem. § 7 Abs. 1 StabG bei der Haushaltsplanung nur zur Veranschlagung zusätzlich erforderlicher Deckungsmittel (i. V. m. § 5 Abs. 3 StabG), beim Haushaltsvollzug nur zur Deckung zusätzlicher Ausgaben (i. V. m. § 6 Abs. 2 StabG) erfolgen. Nach § 15 Abs. 5 Satz 2 StabG ist die Freigabe bereits zur „Vermeidung einer die Ziele des § 1 StabG gefährenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit" zulässig. Insoweit ist das Instrument Konjunkturausgleichsabgabe auch schon präventiv, d. h. vor Eintritt der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verfügbar und geeignet, einen aktiven Beitrag zur Verstetigung des Konjunkturverlaufes zu leisten. 109 Vergl. Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 56; Vogel ! Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 181; Piduch, ebenda, Art. 109 GG, Rdnr. 67. no Stern l Münch / Hansmeyer, § 15 StabG, S. 293; Möller, § 15 StabG, Rdnr. 2 bekräftigt diese Auffassung, indem er darauf verweist, daß die Bestimmung neben der Stillegung konjunkturbedingter, überplanmäßiger Steuereinnahmen auch die Stillegung planmäßiger Einnahmen, verbunden mit der Notwendigkeit gleichzeitiger Ausgabenkürzungen, ermöglicht; vergl. G. Vogt, Staatliches Haushaltsrecht, in: Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, hrsg. von F. Klein, S. 129, Rdnr. 38. m Die Verordnung über die Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen v. 24.7.1969 (BGBl. I S. 940) sah für den Bund für das Jahr 1969 eine Zuführung von 2,4 Mrd. DM entspr. 3,6 v. H. der 1968 auf den Bund entfallenden Steuereinnahmen vor.

II. Art. 109 GG

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Indes steht die Konjunkturausgleichsrücklage dem Haushaltsgesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit nur noch de jure als Instrument zur Konjunktursteuerung zur Verfügung, die letzte Zuführung zur Rücklage erfolgte 1970, ihre Verwendung im Jahre 1975. 112

5. Das Verhältnis von Art. 115 Abs. 1 GG zu Art. 109 GG Die Regelungen der Art. 109 und 115 GG stehen in engem Sachzusammenhang, wobei Art. 109 GG die Haushaltswirtschaft, darunter ist die gesamte Einnahmen· und Ausgabenseite des Haushalts zu subsumieren, verpflichtet, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen, während Art. 115 GG „lediglich" auf die Zulässigkeit kreditär finanzierter Ausgaben abstellt. Gleichwohl wäre es falsch, Art. 115 GG als lex specialis des Art. 109 GG zu begreifen; beide Vorschriften sind nebeneinander anzuwenden.113 Durch Art. 109 Abs. 2 GG wird der Haushaltsgesetzgeber verpflichtet, die Auswirkungen der kreditären Finanzierung öffentlicher Ausgaben in Einklang zu bringen mit den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. 114 Dabei überwiegen zunächst, so die überwiegende Meinung, kurzfristig orientierte, die konjunkturelle Entwicklung beeinflussende Aspekte, obgleich die durch § 1 Satz 2 StabG vorgenommene Konkretisierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes mit dem Teilziel des stetigen und angemessenen Wachstums eindeutig auch langfristige Aspekte anführt. Sofern konjunkturelle Aspekte dominieren, ist zu erwarten, daß der Haushaltsgesetzgeber von seiner Einschätzungsprärogative Gebrauch machen und eine konjunkturelle Schwankung konstatieren wird, die ihm zusätzlichen kreditpolitischen Spielraum verschafft. Demgegenüber postuliert Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS. GG, daß nur zukunftswirksame, das Bundesverfassungsgericht fordert gar zukunftsbegünstigende Ausgaben, einer kreditären Finanzierung zugänglich sind. 115 Die Äquivalenz der Höhe der veranschlagten Investitionen und der zulässigen Höhe der Krediteinnahmen unabhängig von der konjunkturellen Situation und damit für jede Konjunkturphase gilt nicht absolut, sie wird durch den zweiten Halbsatz zur ausnahmefähigen Regel. 116

112 Vergl. B. Rürup / M. Seidler, Das vergessene Stabilitätsgesetz, in: ZfK 1984, S. 259 ff. 113 Der Auffassung Püttners, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 12 und 20, ist zu widersprechen, da eine isolierte Betrachtung des Art. 115 GG dem Haushaltsgesetzgeber in jedem Falle ein Ausschöpfen des Kreditrahmens bis zur Höhe der veranschlagten Investitionen ermöglichen würde, obgleich gesamtwirtschaftliche Aspekte potentiell entgegenstehen; vergl. M. Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 95; v. Arnim ! Weinberg, S. 119; Patzig, Kommentar, Art. 115 GG, Rdnr. 24; Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 31; Brennerl Haudry /Lipp, S. 237 und 241; BT-Drucks. V/3040, Tz. 60, S. 39; Duwendag, S. 28. h 4 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 1281. us Vergl. BVerfGE 79, 311 (334).

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

Eine restriktive Anwendung des zweiten Halbsatzes vorausgesetzt, stellt die Regelung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ein wirksame Ergänzung des Art. 109 Abs. 2 GG dar, indem sie einerseits sicherstellt, daß die eigenständige Bedeutung des Teilzieles „stetiges und angemessenes Wachstum" neben den konjunkturellen Teilzielen betont wird und andererseits die von kreditär finanzierten Ausgaben zu fordernde Äquivalenz im Hinblick auf die Finanzierungslasten eine negative Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung präventiv verhindert.

I I I . Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG Der Haushaltsplan ist, so der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG, in Einnahme und Ausgabe auszugleichen. Weder aus konjunkturpolitischen noch aus sonstigen Gründen ist es zulässig, ein Defizit einzuplanen.117 Der Ausgleich ist klares verfassungsrechtliches Gebot. 118 Entscheidend im Hinblick auf die Zulässigkeit der kreditären Finanzierung öffentlicher Ausgaben ist, ob ein durch Kredite bewirkter Ausgleich mit Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist. Da der Haushaltsplan nach § 13BHO(§ 10 HGrG) im Gegensatz zum Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 GG kein einzelner Plan ist, sondern aus Einzelplänen und dem Gesamtplan besteht, wobei der Gesamtplan die Haushaltsübersicht, die Finanzierungsübersicht sowie den Kreditfinanzierungsplan enthält, ist zunächst zu erörtern, auf welche Teile des Haushaltsplanes sich bei objektiver Auslegung des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG das Ausgleichsgebot bezieht. Sodann ist der Meinungsstand zum Ausgleichsgebot zu skizzieren.

1. Begriff des Haushaltsplanes Der Haushaltsplan ist ein „Wirtschaftsplan und zugleich staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform". 119 Die Staatsaufgaben stellen sich als Ausgaben dar, während die erzielbaren Einnahmen den Spielraum für die Erfüllung ausgabenwirksamer Staatsaufgaben begrenzen. 120 Damit das Budgetrecht, eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle, die die rechtsstaatliche Demokratie entscheidend prägt, ihren Zweck nicht verfehlt, muß der Haushaltsplan umfassende Information und hinreichend konkrete Angaben über Einnahmen und Ausgaben enthalten. 121 Einfachgesetzliche Konkretisierungen 116 Henseler, Verfassungsrechtliche Aspekte zukunftsbelastender Parlamentsentscheidungen, S. 533, 638 f., wobei die ausnahmefähige Regelung restriktiv anzuwenden ist. „Eine der Regel zuwiderlaufende Gestaltung des Haushaltsplanes hat die Vermutung der Verfassungswidrigkeit gegen sich." in Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 58. us v. Mangoldt, in: BK 1953, Erl. zu Art. 110 a. F. GG, S. 588. 119 BVerfGE 45, 1 (32), 70, 324 (355); 79, 311 (328). 120 Vergl. BVerfGE 79, 311 (329).

III. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG

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des Haushaltsplanes erfolgen in der Bundeshaushaltsordnung und dem Haushaltsgrundsätzegesetz. Bestandteile des Haushaltsplanes nach § 13 BHO (§10 HGrG) sind Einzelpläne und der Gesamtplan. a) Ein Einzelplan eines einzelnen Verwaltungszweiges, etwa des Bundesforschungsministeriums oder Bundeskanzleramtes, enthält eine differenzierte Aufstellung aller Einnahmen und Ausgaben, insb. Tilgungsausgaben und gegebenenfalls Umschuldungskredite, sofern eine Prolongierung der Kreditschuld veranschlagt wird. Der Grad der Differenzierung erfolgt nach dem Gruppierungsplan gemäß § 13 Abs. 3 BHO (§ 10 Abs. 3 HGrG). b) Der Gesamtplan enthält eine Haushaltsübersicht, eine Finanzierungsübersicht sowie einen Kreditfinanzierungsplan. Die Haushaltsübersicht umfaßt eine Zusammenfassung aller Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen der Einzelpläne. Die Finanzierungsübersicht weist die Deckungslücke (sog. Finanzierungssaldo) aus, die durch Gegenüberstellung aller Einnahmen mit Ausnahme der Einnahmen aus Krediten sowie aller Ausgaben mit Ausnahme der Ausgaben zur Schuldentilgung am Kreditmarkt ermittelt wird. Deτ Kreditfinanzierungsplan weist die für das geplante Haushaltsjahr benötigten Einnahmen aus Krediten vom Kreditmarkt aus. Weiterhin werden die zur Prolongierung fälliger Kredite erforderlichen Ausgaben dargestellt. Im Ergebnis sind aus dem Kreditfinanzierungsplan sowohl die Bruttokrediteinnahmen als auch die sich nach Abzug der Umschuldungskredite ergebenden Nettokrediteinnahmen (sog. Netto-Neuverschuldung) ersichtlich.

2. Meinungsstand im Schrifttum Im Schrifttum wird nicht danach differenziert, ob sich das Ausgleichsgebot auf Einzelpläne, den Gesamtplan oder Teile desselben bezieht. Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 GG wird das Ausgleichsgebot für den Haushaltsplan insgesamt gefordert, wobei der eine Teil lediglich einen formalen Ausgleich finanzverfassungsrechtlich verankert sieht, während der andere Teil einen materialen Ausgleich exegiert. a) Formale Interpretation Eine formale Auslegung stellt darauf ab, daß im Haushaltsplan Kongruenz zwischen Einnahmen — unabhängig von ihrer Qualität — und Ausgaben besteht. Patzig 122 und Fischer-Menshausen 123 führen aus, daß das Grundgesetz von einem 121 Vergl. BVerfGE 70, 324 (355 f.); zur Informations- und Kontrollfunktion des Haushaltsplanes: Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 282 ff. 122 Vergl. Patzig, Haushaltsrecht, 1981, Bd. II, Art. 110 GG, Rdnr. 8 ff. (insb. 23). 123 Vergl. Fischer-Menshausen, Art. 110 GG, Rdnr. 14 f.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

formalen Ausgleichsverständnis ausgeht, d. h. von dem Bestreben, den Haushaltsvollzug sicherzustellen. Es abstrahiere von der Art und Herkunft der Deckungsmittel, insoweit besage ein dergestalt erzielter Ausgleich nichts über die Qualität der Einnahmen und die gesamtwirtschaftliche Qualität des Haushalts. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMF m vertritt die Auffassung, daß der Ausgleich des Art. 110 GG nur besage, daß Ausgaben nicht in den Plan eingestellt werden dürfen, für die nicht irgendeine Deckung vorhanden ist, insoweit „rein formaler Art" sei. Aus gesamtwirtschaftlichen Gründen könne eine Politik des deficit spending oder der Überschußbildung als konjunkturgerecht angezeigt sein, die einen rein formalen Ausgleich erfordert. Demgegenüber betont FischerMenshausen, daß Wechselwirkungen, die zwischen der Entwicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bestehen, außer Betracht bleiben. 125 Kisker 126 meint, daß selbst mit einem Ausgleich, der „nur durch Einnahmen aus Krediten hergestellt werden kann", der Vorschrift des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 Genüge getan wird, im übrigen durch eine materiale Auslegung des Ausgleichsgebotes „Haushaltsfinanzierung aus Krediten zu einer systemwidrigen Ausnahme, was mit Art. 115 GG nicht vereinbar scheint", wird. Schmidt-Bleibtreu I Klein legen das Ausgleichsgebot „rein formal" 1 2 7 aus, bewerten die Veranschlagung globaler Minderausgaben jedoch als bedenklich in Bezug auf den Grundsatz der Haushaltswahrheit 128. Heuer 129 verweist auf die Zulässigkeit der Mehrjährigkeit von Haushaltsplänen, Teile brauchen also nicht für sich ausgeglichen zu sein 130 das Ausgleichsgebot ist daher „nur formell" auszulegen. Maunz vertritt eine ambivalente Auffassung: einerseits stellt er fest, daß die Verfassung einen „wirklichen Ausgleich" 131 verlangt, der „Haushaltsausgleich nicht bloß rechnerisch erfolgen" 1 3 2 darf, andererseits liegt Art. 110 ein „bloß formales Ausgleichsverständnis zugrunde". 133 b) Materiale Interpretation Eine materiale Interpretation des Ausgleichsgebotes berücksichtigt die Qualität der Einnahmen. Bereits Piduch kommentierte, daß „der Haushaltsplan in jedem Fall nicht nur rein rechnerisch-formal, sondern darüber hinaus materiell ausgegli124

Vergl. Wiss. Beirat beim BMF, Stellungnahme zur Haushaltsrechtsreform, S. 445 f. 125 Fischer-Menshausen, Art. 110 GG, Rdnr. 15. i * G. Kisker, Staatshaushalt, in: HdStR, Bd. IV, 1990, § 89, Rdnr. 75 f. i2? Schmidt-Bleibtreu I Klein, Art. 110 GG, Rdnr. 18. 128 Vergl. Schmidt-Bleibtreu I Klein, ebenda; Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 58; Kisker, § 89, Rdnr. 76; Fischer-Menshausen, Art. 110 GG, Rdnr. 17. Vergl. Heuer, in: HdFK, Kommentar, 11. Ergl. 1990, Bd. I, Art. 110 GG, Rdnr. 11. 130 So bereits Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd I, 1972, Art. 110 GG, Rdnr. 49. 131 Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 47. 132 Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 49. 133 Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 55.

III. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG

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chen" 134 sein muß; ein bloßer rechnerischer Ausgleich ohne Rücksicht auf die erkennbare tatsächliche Entwicklung wäre mit dem Ausgleichsgebot nicht zu vereinbaren. 135 Einnahmen und Ausgaben müssen „wirtschaftlich gleichwertig" und die „Einnahmen beschaffbar" sein. 136 Indes konstatiert Piduch, daß sich aus dem Ausgleichsgebot keine Deckungsregel herleiten läßt, die den zulässigen Umfang der Einnahmen aus Krediten begrenzt, dafür sind die Kriterien aus Art. 115 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 109 Abs. 2 GG maßgebend. Püttner 137 äußert Bedenken gegen ein formelles Ausgleichsverständnis. Er führt an, daß letztlich jeder, auch der Staat, nur ausgeben kann, was er eingenommen hat. Einnahmen aus Krediten sind aber keine endgültigen Einnahmen, sondern vorläufige Einnahmen, die zurückgezahlt und verzinst werden müssen. Weiterhin wird der Spielraum des künftigen Haushaltsgesetzgebers durch den Vorgriff via Kreditfinanzierung eingeschränkt. Insoweit wird ein wirklicher Ausgleich nur erzielt, wenn endgültige Ausgaben auch durch endgültige Einnahmen gedeckt sind. Stern m lehnt eine formale Auslegung des Ausgleichsgebotes als eine „blanke bilanztechnische Selbstverständlichkeit" 139 ab. Einnahmen und Ausgaben sind nicht nur rechnerisch, sondern wertend einander gegenüberzustellen. 140 Kriterien einer wertenden Betrachtungsweise des Ausgleichsgebotes sind neben der „Realisierbarkeit" 1 4 1 insbesondere von Kreditaufnahmen am Kreditmarkt die „Finanzierungsart der Einnahmen im Verhältnis zu den Ausgaben" 142 ; m. a. W.: Reguläre Ausgaben sind mit regulären Einnahmen zu finanzieren. 143

3. Objektive Auslegung des Ausgleichsgebotes a) Historische Auslegung aa) Art. 110 GG a. F. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 2 Satz 2 GG a. F. entspricht weitgehend dem Wortlaut nach der Haushaltsreform. Ein grundlegender Unterschied bestand in der Zweiteilung des Haushaltes in einen ordentlichen und außerordentlichen, 134 Piduch, Art. 110 GG, Rdnr. 50. 135 Piduch, Art. 110 GG, Rdnr. 24. 136 Piduch, Art. 110 GG, Rdnr. 50. 137 Piduch, Art. 110 GG, Rdnr. 52; vergl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1250, sieht den Rechtsgehalt des Ausgleichsgebotes „vorwiegend in einer Mißbrauchsschranke4'. 138 Püttner, S. 10. 139 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1250. 140 Stern, S. 1250. 141 Stern, S. 1250. 142 Stern, ebenda, S. 1250; Dabei legt er den Einnahmen- und Ausgabenbegriff des Art. 110 Abs. 1 GG umfassend i. S. v. § 13 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 BHO aus, fordert somit einen wertenden Ausgleich auch für Umschuldungskredite. 143 Stern, S. 1251. 7 Lappin

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

wobei lediglich die im außerordentlichen Haushalt zu verschlagenden, „werbenden Zwecken" 144 dienenden Ausgaben einer kreditären Finanzierung zugänglich waren. Viaion kommentierte, daß für beide Teile des Haushaltes ein „materielles Gleichgewicht ( . . . ) (wirtschaftlich voll gleichwertig)" geboten ist. 1 4 5 bb) Entstehungsgeschichte Während dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Haushaltsreform) zu entnehmen ist, daß ein „ausschließlich formal verstandenes Ausgleichsgebot die ihm zugedachte politische Ordnungfunktion allein nicht erfüllen" 1 4 6 kann, es daher zu verhindern gelte, „daß das Ausgleichsgebot bei Wegfall des außerordentlichen Hauhalts zu einer bloßen Formalität herabsinkt" 147 , führt der Berichterstatter des Rechtsausschusses lapidar aus: „Das Gebot des Haushaltsausgleichs in Satz 2 besagt lediglich, daß die Summe der Ausgaben nicht höher als die Summe der hierfür erforderlichen realisierbaren Einnahmen sein darf (sog. formaler Ausgleich)" 148 .

b) Grammatische Auslegung Dem Wortlaut ist zunächst zu entnehmen, welche Positionen zum Ausgleich zu bringen sind, seil. Einnahmen und Ausgaben im Sinne des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG. Stern bezieht sich dabei auf die umfassenden einfachgesetzlichen Normierungen nach § 13 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 BHO (§ 10 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 HGrG). 149 Insoweit fällt auch die Prolongierung von Tilgungsausgaben durch Umschuldungskredite unter das Ausgleichsgebot. Unter der Geltung des Grundgesetzes hat sich kein besonderer Sprachgebrauch für den Ausgleichsbegriff herausgebildet, weder enthält die Verfassung eine eigenständige Legaldefinition, noch hat das Schriftum eine eigenständigen Begriff entwickelt. Insoweit ist der allgemeine Sprachgebrauch, hilfsweise von finanzwissenschaftlichen Auslegungen heranzuziehen. In der Finanzwissenschaft vertritt Neumark die Lehre vom zyklischen Bugetausgleich 15 °, welches am materialen Ausgleich festhält, diesen jedoch nicht länger auf ein Haushaltsjahr, sondern auf einen Konjunkturzyklus bezieht. Indes birgt 144 Vergl. oben sub C. I. 1. 145 Vergl. Viaion, Art. 110 GG, Tz. 12, S. 204. 146 BT-Drucks. V/3040, Tz. 65. 147 BT-Drucks. V/3040, Tz. 65. 148 Bericht des Abgeordneten Dr. Arndt, BT-Drucks. V/3605, S. 10. 149 Vergl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1250. 150 Vergl. Neumark, Grundzüge und Arten der Haushaltsführung und Finanzbedarfsdeckung, in: HdF, 1952, Bd. I, S. 636 ff.; Patzig, Haushaltsrecht, Bd. II, Art. 110 GG, Rdnr. 16 ff.; Wolf,S. 28 f.; Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 63 f.

III. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG

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die zu beobachtende Asymetrie der Konjunkturzyklen, gekennzeichnet durch im Verhältnis zu Rezessionsphasen kürzeren oder schwächeren Hochkonjunkturphasen, bei Fortführung des kreditären Ausgleichs in Gleichgewichtsphasen die Gefahr in sich, den zyklischen Budgetausgleich ad absurdum zu führen, daher fordert Gandenberger, den (material, eigene Anm.) „ausgeglichenen Haushalt zur strikten Verfassungsregel" zu machen, Ausnahmen nur aus dringenden beschäftigungspolitischen Gründen zuzulassen.151 Im allgemeinen Sprachgebrauch ist davon auszugehen, daß ein Ausgleich nur durch einander gleichwertige Positionen erreicht werden kann. c) Systematische Auslegung aa) Sinneszusammenhang Der Haushaltsplan ist integraler Bestandteil der Haushaltswirtschaft, die nach Art. 109 Abs. 2 GG den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen hat. Deshalb muß der Ausgleich des Haushaltsplanes unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen stehen. Kontraktive oder expansive Wirkungen auf den Wirtschaftskreislauf gilt es zu berücksichtigen, in einer Phase gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes auszuschießen. Eine Begrenzung gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse auf eine einzelne Haushaltsperiode ist mit dem Teilziel „stetiges und angemessenes Wachstum" (Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 Satz 2 StabG) nicht zu vereinbaren, jedenfalls dann, wenn eine rein formale Auslegung des Ausgleichsprinzips eine öffentliche Kreditnachfrage ermöglicht, die verdrängend gegenüber privaten Investoren wirkt und im Ergebnis zu negativen Wachstumseffekten bei höherem Gegenw£utskonsum führt. 152 Andererseits ist bei einer nachfragebedingten Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes eine aktive, nach Ausschöpfen zuvor gebildeter Konjunkturausgleichsrücklagen kreditär zu finanzierende, öffentliche Ausgabenpolitik geboten.153 Insoweit folgt aus dem Sinneszusammenhang mit Art. 109 Abs. 2 GG, daß zur Auslegung des Ausgleichsgebots bei kreditärem Ausgleich die insbesondere zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen relevant sind. Darüber hinaus verdeutlicht dieser Aspekt, daß eine isolierte Bewertung eines einzelnen Haushaltsjahres sich als unzureichend erweisen muß. Der Verfassungsgesetzgeber hat durch Art. 110 Abs. 2 GG die Möglichkeit einer mehrjährigen Haushaltsplanung explizit grundgesetzlich verankert. Erweitert man den Zeitraum, innerhalb dessen Einnahmen und Ausgaben auszugleichen sind, auf einen Konjunkturzyklus, so geht ein materiales Ausgleichsge151 Vergl. Gandenberger, Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten?, S. 183. 152 Vergl. dazu oben, sub C. II. 2. d). 153 Dazu oben, sub C. II. 2. a). 7*

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

bot konform mit einer verfassungsrechtlich gebotenen antizyklischen Haushaltspolitik, mehr noch, ein materiales Ausgleichsgebot ist erforderlich, um zu verhindern, daß fortwährende Prolongierungen fälliger Tilgungsausgaben zu einer Verschiebung der Lasten in die Zukunft führen, während der Nutzen lediglich die Gegenwart begünstigt. Insoweit ist sowohl Heuer als auch Neumark grundsätzlich zu folgen, indes die Schlußfolgerung Heuers, daß die Mehrjährigkeit ein Indiz für ein rein formales Ausgleichsgebot ist, abzulehnen. Der Telos des Junktims des Art. 115 GG zielt ab auf eine wirksame Begrenzung des Schuldenstandes, andererseits ermöglicht der zweite Halbsatz eine erhöhte Kreditaufnahme zur Abwehr einer nachfragebedingten gesamtwirtschaftlichen Störung. Die gegenwärtige Haushaltspraxis beachtet die begrenzende Wirkung des Junktims nur zum Zeitpunkt der Veranschlagung, während sie Umschuldungen ausnimmt. 1 5 4 Demgegenüber fordert Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG den Ausgleich für den Haushaltsplan insgesamt, d. h. alle Ausgaben und Einnahmen im Sinne von § 13 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 BHO (§ 10 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 HGrG) sind zu berücksichtigen. Mit dem Telos des Art. 115 Abs. 1 GG ist ein formaler Ausgleich fälliger Tilgungsausgaben durch fortwährende Prolongierung nicht vereinbar. Nicht nur, daß der Schuldenstand dadurch faktisch unabhängig von einer (hoffentlich) korrespondierenden zukunftsbegünstigenden Wirkung fortgeschrieben wird, ein formaler Ausgleich gefährdet auf Sicht die Wirksamkeit des konjunkturpolitischen Instruments Kredit. Die Bewertung erhöhter Kreditaufnahmen zur Finanzierung der Abwehr einer gesamtwirtschaftlichen Störung ist umso nötiger, als im Gegensatz zu Investitionen die zukunftsbegünstigende Wirkung dieser Kreditlasten spätestens mit Wiedererlangen der gesamtwirtschaftlichen Normallage endet. Die Prolongierung ursächlich zur Störungsabwehr aufgenommener Kreditlasten (Tilgungsausgaben) ist schlechterdings zum Zeitpunkt der Fälligkeit durch erneute Krediteinnahmen (Umschuldung) nicht wirtschaftlich gleichwertig, hier gewinnen die Auffassungen von Stern und Piduch an Bedeutung. Der Bundesrechungshof wird durch Art. 114 Abs. 2 GG verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen. Die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Ausgaben läßt sich durch die Art der veranschlagten Dekkungsmittel beeinflussen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip verlangt vom Haushaltsgesetzgeber, daß — sofern Alternativen bestehen — vor Realisierung öffentlicher Ausgaben stets geprüft wird, welche Einnahmeart resp. deren Kombination(Steuern, Kredite, Gebühren) die geringsten Kosten verursacht (Minimal- oder Kostenminimierungsprinzip) oder aber, daß bei gegebenen Deckungsmitteln diejenigen Ausgaben zu tätigen sind, die einen größtmöglichen Nutzen bewirken (Maximaloder Nutzenmaximierungsprinzip) 155. Dabei sind langfristige Verbindlichkeiten 154

Dazu unten, sub Ε. II. 3. un Ε. V. 3.

III. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG

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nur mit Zurückhaltung einzugehen, so daß später für vorrangig gehaltene Ausgaben nicht gehindert sind. 156 Insgesamt geht es darum, die Differenz von Kosten und Nutzen für die Allgemeinheit zu maximieren. 157 bb) Einfachgesetzliche Regelungen als Interpretationshilfe „Das Prinzip der Sparsamkeit enthält den Appell, die Ausgaben des Staates auf das zur Erfüllung der Staatsausgaben unbedingt notwendige Maß zu reduzieren" und knüpft an die „traditionelle Tugend an, bei der Verwendung der Steuergelder Zurückhaltung zu üben". 158 Es ist einschlußweise als „Element der Wirtschaftlichkeit" in Art. 114 Abs. 2 GG verankert. 159 Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, daß schon das Ausgleichgebot den Haushaltsgesetzgeber bei der Einnahmen- und Ausgabengestaltung zu Sparsamkeit ermahnt. 160 Es ist daher unerläßlich, beim Haushaltsausgleich die Krediteinnahmen immanente befristete Deckungsfähigkeit zu beachten. Im Jahr der Veranschlagung mögen Kredite ja geeignet sein, einen Ausgleich zu bewirken, im Zeitablauf fallen Zinsausgaben an, darüberhinaus verliert die Kreditverbindlichkeit bei Fälligkeit ihre Deckungsfähigkeit und wird selbst zur Ausgabe, seil. Tilgungsausgabe. Als Pandon der in der Wirtschaftswissenschaft üblichen Investitionsrechnungen werden für Bund und Länder im Haushaltsgrundsätzegesetz und in der Bundeshaushaltsordnung sog. Nutzen-Kosten-Untersuchungen 161 normiert. Sie berücksichtigen neben finanz- und betriebswirtschaftlichen Kostenvergleichen insbesondere gesellschaftliche Nutzen und Kosten. Stabilitätsgesetz und Haushaltsgrundsätzegesetz haben die mehrjährige Finanzplanung für öffentliche Finanzen normiert. Durch § 9 Abs. 1 i. V. m. § 14 StabG haben Bund und Länder gemäß § 50 Abs. 1 HGrG bei ihrer Haushaltswirtschaft „je für sich" eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde zu legen. 155 Vergl. Maunz, Art. 114 GG, Rdnr. 50; Stern, S. 435 ff. (insb. S. 437) betont die Minimierungsforderung, um in der Verwaltung das „Denken in Kosten" zu fördern; v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988; K. Grupp, Die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" im Haushaltsrecht, in: JZ 1982, S. 233 f.; H. Dommach, in: Heuer / Dommach, HdFK, § 7 BHO, Rdnr 7; Patzig, Kommentar zum Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, Bd. II, § 7 BHO, Rdnr. 4 und 7; Heuer, Art. 114 GG, Rdnr. 66 ff. 156 Vogel ! Kirchhof, in: BK, Art. 114 GG, Rdnr. 53. 157 v. Arnim, Grundprobleme der Finanzverfassung, in: DVB1. 1983, S. 664 f. 158 Vergl. Dommach, ebenda, § 7 BHO, Rdnr. 13. 159 Vogel / Kirchhof, Art. 114 GG, Rdnr. 101; vergl. v. Arnim, Grundprobleme der Finanzverfassung, S. 665; Fischer-Menshausen, Art. 114 GG, Rdnr. 19; Heuer, Art. 114 GG, Rdnr. 70. 160 Vergl. BVerfGE 1, 144 (161). 161 Ausführlich erläutert bei v. Köckritz / Ermisch / Lamm, Bundeshaushaltsordnung, Kommentar, Stand 1.1.87, § 7 BHO, S. 2 ff.; Vorl. VV zu § 7 BHO v. 22.10.87, in: MinBIFin 1987, S. 334 ff.; Patzig, Haushaltsrecht, Kommentar, § 7 BHO, Rdnr. 16 ff.; Heuer, § 7 BHO, Rdnr. 15 ff.

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

Mehrjährige Finanzplanung soll die in den jährlichen Haushaltsplänen nur unzureichend Berücksichtigung findenden zeitlichen und sachlichen Gesichtspunkte hervorheben. 162 Ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, daß eine Haushaltswirtschaft, die durch Verfassungsgebot zu einer Verstetigung des Wachstums beizutragen hat, bei der Veranschlagung von Einnahmen und Ausgaben stets die „Wechselbeziehungen der Ausgaben und ihrer Deckungsmöglichkeiten"163 zu beachten hat. So ist die fünfjährige Finanzplanung einerseits ein Instrument, um verschiedene Ausgaben- und Einnahmenszenarien darzustellen, deren Auswirkungen erst in künftigen Haushaltsjahren greifen, andererseits ergeben sich Rückwirkungen auf Veranschlagung und Ausgleich des zu verabschiedenden Haushaltsplanes. Der Finanzplan ist für den Haushaltsplan nicht rechtsverbindlich, gleichwohl dürfte er in seiner „politischen Bedeutung und Wirkung den Haushaltsplan überflügeln". 164 Neben einer finanz- und wirtschaftspolitschen Funktion, die „vor allem in der mittelfristigen Sicherung des Haushaltsgleichgewichts"165 besteht, aber auch der Unterstützung einer verfassungsrechtlich gebotenen antizyklischen Haushaltspolitik dient, erfüllt der Fünfjahresplan eine politische Funktion, indem er durch Fortschreibung der ausgabe- und einnahmeseitigen Auswirkungen eines bestimmten Haushaltsplanes die Konsequenzen für die mutmaßliche weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung aufzeigt und so beim Haushaltsgesetzgeber „Denken in längerfristigen Zeiträumen" und Prioritätensetzung fördert. 166 Er zeigt den aus Kreditaufnahmen oder aber dem Fortschreiben einer hohen Staatsverschuldung resultierenden Verlust an handlungspolitischen Spielraum frühzeitig auf und entfaltet so zumindest mittelbar Wirkung auf das Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG. d) Wertung Die wohl herrschende Meinung, daß das Ausgleichsgebot rein formal zu verstehen ist, hält einer objektiven Auslegung des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG nicht stand.

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Hansmeyer, in: Kommentar zum StabG, Vorbemerkungen zum § 9 StabG, S. 262. 163 Möller, Erläuterungen zu § 9 StabG, S. 151; Hansmeyer, § 9 StabG, S. 270. 164 Hansmeyer, § 9 StabG, S. 267; Möller, § 9 StabG, S. 154; a. Α.: Patzig, Haushaltsrecht, Grundriß, 1981, Rdnr. 176 ff. bewertet die Finanzplanung als „programmatisches Vakuum"; Heuer, § 50 HGrG, Rdnr. 1 als „weitgehend formelle Pflichtübung; G. Joos, Mittelfristige Finanzplanung im Bundesstaat, in: FinArch. N. F. 40 (1982) S. 49 konstatiert, daß sich die Finanzplanung trotz aller Schwächen als „brauchbares Instrument" und „als Hilfe beim Versuch der Sicherung finanzpolitischer Handlungsfähigkeit" erwiesen hat; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 240 ff. (insb. 449 f.). 165 Heun, ebenda, S. 236. 166 Hansmeyer, § 9 StabG, S. 263 f.; vergl. Heuer, § 50 HGrG, Rdnr. 3; Joss, S. 71 f.; Vogt, S. 131, Rdnr. 49.

III. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 GG

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Während die historische Auslegung kein eindeutiges Votum entnommen werden kann, ihr insoweit keine Bedeutung zukommt 167 , bestätigen grammatische Auslegung, Sinneszusammenhang und einfachgesetzliche Regelungen zur mehrjährigen Finanzplanung (§ 9 Abs. 1 StabG, § 50 Abs. 1 HGrG) und Sparsamkeit (§ 6 Abs. 1 HGrG, §§ 7 Abs. 1, § 34 Abs. 2 BHO) die Auffassungen von Stern, Püttner und Piduch. Die Sicherstellung des Haushaltsplanes ist unstreitig Aufgabe des Ausgleichsgebotes (so insbesondere Patzig und Fischer-Menshausen), indes ist dieser nicht durch Abstraktion von der Qualität der Einnahmeart zu gewährleisten. Ein kreditärer Ausgleich bedeutet lediglich einer zeitliche Verlagerung, insoweit bedarf der kreditäre Ausgleich einer Bewertung seiner mittel- und langfristigen Auswirkungen auf künftige Haushaltspläne. Ein Informationsinstrument für den Haushaltsgesetzgeber besteht durch die mehrjährige Finanzplanung, Art. 110 Abs. 2 GG sieht eine mehrjährige Haushaltsplanung explizit vor. Materialer Ausgleich bedeutet in diesem Kontext nicht, Kredite zur systemwidrigen Ausnahme zu erklären, wie Kisker schlußfolgert, wohl aber, sich ihrer künftigen ausgabewirksamen Auswirkungen bewußt zu werden und diese im Hinblick auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse (Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 StabG), dem Telos des Art. 115 GG aber auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 114 Abs. 2 GG, § 7 BHO) zu bewerten. Offen bleibt, auf welche Teile des Haushaltsplanes sich das Ausgleichsgebot nach der Gliederung gemäß § 13 BHO (§ 10 HGrG) bezieht. Der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 GG fordert den Ausgleich für einen Haushaltsplan insgesamt. Während ein kreditärer Ausgleich des Finanzierungssaldos, wie er sich aus der Finanzierungsübersicht ergibt, unbedenklich sein dürfte, da entweder Investitionen in mindestestens gleicher Höhe (Junktim des Art. 115 Abs. 1 1. HS. GG) zu veranschlagen sind, von deren zukunftsbegünstigender Wirkung zum Zeitpunkt der Veranschlagung ausgegangen werden kann, oder aber Mittel zur Abwehr einer nachfragebedingten Störung benötigt werden, kann dies m. E. für den Ausgleich des Kreditfinanzierungsplanes nicht pauschal gelten. Die Fortführung von Kreditlasten (Tilgungsausgaben) durch Umschuldung kann nur unter Berücksichtigung noch zu erwartender zukunftsbegünstigender Wirkungen der in vorausgegangen Haushaltsjahren kreditär finanzierten Ausgaben erfolgen. Bei Investitionsausgaben sind insbesondere Abschreibungen zu berücksichtigen 168, aus konjunkturellen Gründen eingegangene Kreditlasten sind bei Wiedererreichen der Normallage zurückzuführen.

167 Vergl. BVerfGE 1, 299 (312); 10 234 (244); 11, 126 (131). 168 Vergl. unten, sub Ε. III. 1. a).

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C. Der grundgesetzliche Normenkomplex

IV. Zweites Zwischenergebnis Die Regelungen in der Finanzverfassung zur Zulässigkeit der kreditären Ausgabenfinanzierung sind dahingehend zusammenzufassen, daß Kreditaufnahmen aufgrund der Überlagerung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG durch Art. 109 Abs. 2 GG stets unter dem Vorbehalt gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse unbeschadet der durch das Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz GG bestehenden Kreditbegrenzung stehen. Der Verfassungsgesetzgeber hat keinen wirschaftswissenschaftlichen Kenntnisstand festgeschrieben. Die normativen Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG beschränken sich auf die Verpflichtung des Haushaltsgesetzgebers zu einer aktiven Konjunkturpolitik, das Verbot einer Parallelpolitik und eine situationsbezogene Kreditaufnahme. Insoweit ist das zur Abwehr von Störungen auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ausgerichtete und in den §§5 und 6 StabG einfachgesetzlich normierte Instrumentarium nur eine mögliche Konkretiserung des normativen Gehaltes des Art. 109 Abs. 2 GG, da es auf eine ausschließlich nachfragebedingte Störung abstellt. Neuere wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisstände, insbesondere seitens der Angebotstheorie, crowding out, aggregate investment approach haben bislang keine Berücksichtigung in einfachgesetzlichen Regelungen gefunden. Wegen der Offenheit des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsbegriffes für neuere wirtschaftliche Erkenntnisse bedarf eine antizyklische Kreditpolitik neben der Auseinandersetzung mit den Ursachen der Störung einer schlüssigen Darlegung hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit der Störungsbeseitigung. Die im Hinblick auf das langfristig orientierte Wachstumsziel (Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 Satz 2 StabG) gebotene Zurückhaltung bei der kreditären Finanzierung nicht konjunkturstabiliserend wirkender Ausgaben wie auch das zumindest im Sinne eines zyklischen Budgetausgleichs material auszulegende Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG lassen eine kreditäre Finanzierung nur in engen Grenzen geboten erscheinen.

D. Der Rechtsbegriff Kredit Der Begriff Kredit geht zurück auf das lateinische Wort credere (= vertrauen). Vertrauen bildet stets einen wesentlichen Bestandteil des Kreditvertrages. Bestehen Zweifel an der Fähigkeit eines Kreditnehmers, die aus dem Kreditvertrag resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen, so verliert er seine Kreditfähigkeit; dem Kreditgeber wird gar ein außerodentliches Kündigungsrecht 1 eingeräumt, wenn seitens des Kreditnehmers eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf Rückerstattung gefährdet wird (§610 BGB).

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes Die verfassungsrechtliche Exegese des Begriffs Kredit ist von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der Zulässigkeit der fortwährenden Prolongierung bereits eingegangener Kreditverbindlichkeiten des Bundes. Anhand der in diesem Kapitel herzuleitenden konstitutiven Elemente des Kreditbegriffes gilt es, das Altschuldenproblem einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zugänglich zu machen.

1. Ableitung des verfassungsrechtlichen Kreditbegriffes Nur in wenigen Fällen ist dem Grundgesetz selbst die Legaldefinition eines Rechtsbegriffes zu entnehmen. Dem Verfassungsgesetzgeber steht es frei, den Kreditbegriff eigenständig zu definieren. Tut er es nicht, so ist für die Ableitung des Kreditbegriffes auf Wortlaut und auf Entstehungsgeschichte des Art. 115 GG, einfachgesetzliche Regelungen, den Wortlaut der Regelung des Art. 115 GG sowie den Sinneszusammenhang innerhalb der Finanzverfassung Bezug zu nehmen.2

1

Vergl. H. P. Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 3, Vorbemerkungen zu § 607 BGB, Rdnr. 8. 2 Vergl. BVerfGE 11, 126 (131); K. Müller, Der Steuerbegriff des Grundgesetzes, in: BB 1970, S. 1108, bei offenen Rechtsbegriffen „kann die ja notwendige Begriffsbestimmung gar nicht anders als von vorverfassungsrechtlichen, verrechtlichten oder natürlichen Begriffen ausgehen".

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

a) Entstehungsgeschichte Der Kreditbegriff des Art. 115 n. F. GG geht zurück auf die Regelung des Art. 87 WRV, die in das Grundgesetz übernommen wurde und bis zur Neufassung des Art. 115 GG Gültigkeit hatte. Der bis 1969 gültige, objektbezogene Deckungsgrundsatz läßt implizit auf den ihm zugrunde liegenden Kreditbegriff schließen. Zunächst ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut, daß es sich bei Krediten stets um Geldkredite 3 handelt, Warenkredite sind demnach nicht unter den verfassungsrechtlichen Kreditbegriff zu subsumieren. Darüber hinaus ist der Regelung des Art. 87 Satz 1 WRV (Art. 115 Satz 1 a. F. GG) zu entnehmen, daß Kredite nur für „werbende Ausgaben" zur Verfügung stehen.4 Damit ist die Fundierung des Schuldendienstes gewährleistet. Die Beschränkung der Kreditfinanzierung auf„kreditsicherungsfähige Objekte, die durch eigene Erträge die Gewißheit bieten würden, den Schuldendienst selbst zu erwirtschaften und damit den Staatshaushalt im übrigen von Folgelasten frei zu halten" 5 bestärkt Gläubiger in der Beurteilung der Kreditfähigkeit des Bundes. Im Umkehrschluß folgt, daß positiv der RückZahlungsanspruch des Kreditgebers, negativ die RückZahlungsverpflichtung des öffentlichen Kreditnehmers wesentliche Bestandteile des Kreditbegriffes sind. Die Abkehr vom objektgebundenen Deckungsgrundsatz des Art. 115 GG hat keinen Einfluß auf den Kreditbegriff, auch de constitutione lata ist der Kredit an die zu finanzierenden Investitionen gebunden, es sei denn, die kreditäre Finanzierung nicht investiver Ausgaben ist geeignet, einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes wirksam zu begegnen. Im Ergebnis hat die Novellierung des Art. 115 GG hin zu einem situationsgebunden Deckungsgrundsatz die Möglichkeiten des Haushaltsgesetzgebers, Ausgaben kreditär zu finanzieren, erweitert. Daraus läßt sich keinesfalls folgern, daß Kredite nicht zu tilgen sind. 6 Das für den Fall einer wirtschaftlichen Normallage zu beachtene Junktim von Einnahmen aus Krediten und im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen (Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1. HS GG) soll gewährleisten, daß die von den veranschlagten Investitionen zu fordernde „zukunftsbegünstigende Wirkung" 7 geeignet ist, eine Bedienung des Schuldendienstes sicherzustellen. Die aus konjunkturellen 3 Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 110; Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 10; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 6. 4 Dazu ausführlich oben, sub C. I. 1. 5 Karehnke, Zur Änderung des Art. 115 des Grundgesetzes, in: DÖV 1973, S. 400 qualifiziert diesen Grundsatz als „gesund und durch geschichtliche Erfahrungen erhärtet". 6 Dazu: J. Jäckel, Staatschuldenwesen, in: Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, hrsg. von F. Klein, S. 346, Rdnr. 1: Öffentliche Kredite sind „anders als Steuern und ähnliche Abgaben zu verzinsen und zurückzuzahlen"; zur RückZahlungsverpflichtung ausführlich unten, sub D. I. 1. c), Nachweise insb. unten, sub Fn. 44. 7 BVerfGE 79, 311 (334).

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

107

Notwendigkeiten im Falle eines nachfragebedingten Rückganges der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gebotenen, über das veranschlagte Investitionsvolumen hinausgehenden zusätzlichen Krediteinnahmen (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 2. HS GG) sind in einer Boom-Phase durch eine restriktive Ausgabengestaltung nicht nur zurückzuführen, vielmehr sind Konjunkturausgleichsrücklagen zu bilden (Art. 109 Abs. 3 GG i. V. m. § § 5 Abs. 2, 6 Abs. 1 StabG).8 b) Einfachgesetzliche

Regelungen als Interpretationshilfe

aa) Bürgerliches Gesetzbuch (§§ 607 ff. BGB) Das BGB leistet eine Legaldefinition des Kreditbegriffes in § 607 Abs. 1. Sie lautet: Wer Geld oder andere vertretbare Sachen als Darlehen empfangen hat, ist verpflichtet, dem Darleiher das Empfangene in Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. Bevor die Definition des Bürgerlichen Gesetzbuches näher erläutert werden soll, ist zu klären, ob sie für den öffentlichen Kreditnehmer anwendbar ist. Denkbar wäre, daß es sich bei Krediteinnahmen des Staates um Darlehen sui generis handeln könnte, für die eigene Tilgungsmodalitäten gelten. Dem ist entgegenzuhalten, daß § 607 Abs. 1 BGB für den Darleiher einen Anspruch auf Rückerstattung normiert, der unabhängig von der Rechtsperson des Kreditnehmers besteht; § 607 BGB ist eine neutrale Vorschrift. 9 Insoweit steht die Rechtspersönlichkeit öffentlicher Kreditnehmer einer Subsumtion öffentlicher Kredite unter § 607 Abs. 1 BGB nicht entgegen.10 Darüber hinaus ist die Aufnahme von Krediten durch Gebietskörperschaften eine rein fiskalische, keinesfalls jedoch eine hoheitliche Tätigkeit, die einer eigenständigen Regelung nicht bedarf. Der Kredit ist demnach durch drei Merkmale zu charakterisieren: Erstens: Das Darlehen zielt auf die Überlassung von Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu „zeitlich begrenzter Nutzung des darin steckenden Wertes" 11 . Die befristete Übereignung ermöglicht es dem Darlehensnehmer, rechtlich über s Vergl. Ausführungen oben, sub C. II. 3. Vergl. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 12 ff.,32 ff., 84 f.; M. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968, S. 112 ff. 10 Zustimmend: BGHZ 40, 206 Das öffentlich-rechtliche Verhältnis werde mit Abschluß des Darlehensvertrages ins Zivilrecht transponiert; Jäckel, Staatsschuldenwesen, S. 352, Rdnr. 22: Grundlage öffentlicher Kredite bilden die „privatrechtlichen Verpflichtungen" zwischen Bund und Kreditgeber; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115 GG, Rdnr. 17: „Nach §§ 1, 21 RSchO zugelassene Kreditaufnahmen finden im Wege privatrechtlicher Schuldverträge statt"; W. Ballhaus, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch, hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, Kommentar, 12. Aufl. 1978, Vorbem. zu § 607 BGB, Rdnr. 10 f. 11 Lippischl Häuser, in: O. Mühl, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar zu §607 BGB, Bd. 3, Rdnr. 4. 9

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

die Darlehensvaluta zu verfügen und mit ihr wirtschaftlich zu arbeiten. Der Gebrauch des Geldes setzt die Verfügungsgewalt über das Darlehen voraus; daher erfordert es der Zweck des Darlehens, daß der Darlehensnehmer die Verfügung und zu diesem Zweck das Eigentum an dem Darlehen für die vereinbarte Laufzeit des Darlehensvertrages erhält. 12 Darauf beruht die große wirtschaftliche Bedeutung des Darlehens für den einzelnen und für die Volkswirtschaft. Einher mit der Bereitschaft des Darlehengebers, das Darlehen zu übereignen, geht die Sicherung des Kredites. Hier genießen Gebietskörperschaften Privilegien, etwa dadurch, daß sie sich einer Reihe von Überprüfungen hinsichtlich ihrer Liquiditätslage oder Bonität, wie sie die §§ 13 bis 18 KWG für Private und Unternehmen zwingend vorschreiben, nicht unterziehen müssen; durch § 20 Abs. 1 Ziffer 1 KWG werden sie explizit ausgenommen. Es wird „eine einwandfreie Bonität unterstellt". 13 Kredite an öffentlich rechtliche Körperschaften sind ,»nicht mit einem Ausfallrisiko verbunden" 14 , so Szagunn / Wohlschieß. Kredite sind stets vorläufige Einnahmen, wobei die Dauer der Übereignung durch den Kreditvertrag selbst zu bestimmen ist. Sie verschaffen dem Staat Liquidität auf Zeit und können als ein „auf die Zukunft ausgestellter Wechsel" 15 verstanden werden. Das Äquivalent für die Überlassung der Darlehens valuta bildet der Zins. Zins läßt sich definieren als „laufzeitabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des Gebrauchs des Kapitals (Kredites)" 16 . Indes geht § 607 Abs. 1 BGB von einem Darlehensvertrag ohne Zinszahlungspflicht aus, der vor dem Hintergrund der durch stetig steigende Zinsbelastungen ständig Handlungspielraum einbüßenden öffentlichen Haushalte durchaus wünschenwert ist, auf freien Kapitalmärkten jedoch ein Ausnahmefall bleiben dürfte. Zu betonen ist an dieser Stelle, daß der Zins die Vergütung für die Gebrauchsüberlassung der Darlehensvaluta, der wirtschaftlichen Nutzung durch den Darlehensnehmer, nicht jedoch für die Veränderung des Realwertes des Gelddarlehens darstellt. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß der Darleiher bei der Festlegung der Höhe seiner Zinsforderung neben der Vergütung für die Gebrauchsüberlassung selbst auch den zu erwartenden Realwertverlust der Darlehensvaluta zu kompensieren versucht.

12 K. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Band, 12. Aufl., 1979, § 51 I, S. 242. ι 3 R. Panowitz / H. Jung, Kreditwesengesetz, Kommentar zu § 20 KWG, Rdnr. 2, S. 303; vergl. H. Beck, Gesetz über das Kreditwesen, Kommentar, Loseblattsammlung, (40. Erglfg. / Okt. 1992), § 20 KWG, Rdnr. 7. 14 v. Szagunn / K. Wohlschieß, Gesetz über das Kreditwesen, Kommentar, 5. Aufl., 1990, Vorbem. § 20 KWG. is Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, S. 202. 16 C.-W. Canaris, Der Zinsbegriff und seine rechtliche Bedeutung, in: NJW 1978, S. 1891 f.

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

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Zweitens: Die Verpflichtung des Darlehensnehmers, das Darlehen zurückzuerstatten, aber auch der Anspruch des Darleihers gegenüber dem Darlehensnehmer auf Rückerstattung, folgen unmittelbar aus dem Wortlaut des § 607 Abs. 1 BGB; sie sind konstitutiv für den Kreditbegriff. Eine Umgehung der Rückerstattungsverpflichtung, etwa durch eine Vertragsgestaltung im Sinne eines pactum de non petendo, ist mit dem Kreditbegriff nicht vereinbar. 17 Der Bundesgerichtshof stellt eindeutig fest, daß „ ( . . . ) ein Darlehen das Vermögen des Empfängers nicht dauernd um das hingegebene Kapital vermehren, ihm vielmehr nur dessen zeitweilige Nutzung verschaffen (soll)". 18 In der Literatur konkurrieren zwei Lehren über das Zustandekommen des Darlehens Vertrages: die Realvertrags- und die Konsensualvertragslehre. Die Realvertragslehre geht davon aus, daß der Darlehensvertrag erst durch Auszahlung der Darlehensvaluta zustande kommt, wohingegen die Lehre des Konsensualvertrages abstellt auf das Vorliegen gleichlautender Willenserklärungen von Darleiher und Darlehensnehmer, welche die Verpflichtung des Darlehengeschäftes begründen. Indes erkennt auch die Konsensualtheorie an, daß unbeschadet der vertraglichen Vereinbarungen, ein Rückerstattungsanspruch oder eine Rückerstattungsverpflichtung erst nach erfolgter Zahlung der Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer besteht. Insoweit ist die praktische Bedeutung des Lehrenstreits gering. 19 Dem Wortlaut des § 607 Abs 1 BGB ist zu entnehmen, daß das Darlehen „in Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten" ist. Für den Kreditbegriff des Art. 115 GG ist einzig auf das Gelddarlehen abzustellen. Während die Forderung nach gleicher Menge auf den Nominalwert des Gelddarlehens bezug nimmt, sind im Hinblick auf den Rückerstattungsanspruch in Sachen von gleicher Art und Güte die Aspekte des Realwertes und der zwischen dem Zeitpunkt der Kredithingabe und dem Zeitpunkt der Rückerstattung eingetretenen Inflation zu berücksichtigen. Wenn während der Dauer des Darlehensvertrages ein Realwertverlust zu konstatieren ist, der sich etwa anhand der monatlich veröffentlichten Preisindizes des Statistischen Bundesamtes bestimmen läßt, so mag die Rückerstattung des Nominalbetrages des Gelddarlehens konform gehen mit der in gleicher Menge zu leistenden Rückerstattungsverpflichtung, nicht jedoch mit der von gleicher Art und Güte.

17

K. J. Hopt / P. O. Mülbert, in J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., 1988, § 607 BGB, Rdnr. 4; Westermann, § 607 BGB, Rdnr. 49: „ ( . . . ) ; steht die Rückzahlungspflicht dagegen im Belieben des Empfängers, so liegt kein Darlehen vor". is Vergl. BGHZ 25, 174 (177 f.). 19 Vergl. N. Reich, in: Kommentar zum BGB, Reihe Alternativkommentare, Gesamthrsg. R. Wassermann, Bd. 3, §607 BGB, Rdnr. 2; Hopt I Mülbert, §607 BGB, Rdnr. 12 f.

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

Die Auffassung von Hopt und Mülbert, für die Ermittlung des Rückerstattungsanspruches sei „einzig der jeweilige Nennwert ohne Rücksicht auf den inneren Wert maßgeblich" 20 (sog. Nominalprinzip 21 ), steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 607 BGB. Wenn eingangs auf die volkswirtschaftliche Bedeutung des Kredits hingewiesen wurde, so wäre es fatal, gerade die RückZahlungsverpflichtungen öffentlicher Gebietskörperschaften, die aufgrund ihres überragenden Kreditvolumens gewichtigen Einfluß nehmen auf die Entwicklung des Realwertes des Geldes, zu reduzieren auf eine einzig nominale Verpflichtung. Für den Darleiher ist es im Regelfall nicht voraussehbar, ob Gebietskörperschaften nicht bewußt einen Realwertverlust der nominal determinierten Kreditverbindlichkeiten in Kauf nehmen, um sie bei Fälligkeit — so die gegenwärtige Haushaltspraxis — nach Belieben zu prolongieren oder aber quasi wertberichtigt zu einem ermäßigten Realwert zurückzuzahlen. Insoweit ist für den öffentlichen Kredit die Reduzierung auf eine rein nominal verstandene RückZahlungsverpflichtung abzulehnen, da es dem Darleiher in Ermangelung einer Voraussehbarkeit der durch öffentliche Kredite induzierten Geldwertentwicklung in der Regel nicht möglich ist, dem Geldentwertungsrisiko durch Wertsicherungsklauseln wirksam zu begegnen. Karehnke 22 stellt an das kreditwirtschaftliche Verhalten des Staates „besondere Anforderungen, (..) etwa zur Sicherung des Realwertes der Währung, damit seine Gläubiger keine Wertminderung erleiden". Für den Privaten, der sich dem Kapitalmarktgeschehen ohne eigene Beeinflussungsmöglichkeit gegenübersieht, mag die Reduzierung auf eine rein nominale Betrachtung statthaft erscheinen, da die Einflußmöglichkeit des Einzelnen auf das Kapitalmarktgeschehen für sich betrachtet zu vernachlässigen ist, für Gebietskörperschaften gilt dies nicht. Drittens: Die Regelung des § 607 Abs. 1 BGB fordert für den Gegenstand des Darlehens lediglich, daß er der Gattung nach bestimmbar ist. Insoweit geht sie von einen weiten Kreditbegriff aus, der neben dem Gelddarlehen explizit auch andere vertretbare Sachen (Wertpapiere, Warenkredite) umfaßt. Der Kreditbegriff 20 § 607 BGB, Rdnr. 7; zustimmend: Palandt, BGB-Kommentar, § 607 BGB, S. 623, wonach der Rückerstattungsanspruch lediglich in gleicher Währung (i. V. m. 244 BGB), jedoch „ohne Rücksicht auf Auf- oder Abwertung", bestehe. 21 Es wird in § 3 WährungsG normiert. L. Grämlich, Kommentar zu § 3 WährungsG, Rdnr. 4 ff. führt dazu aus, „daß die Tilgungswirkung einer Geldleistung allein vom Geltungswert, der durch die aufgedruckte Zahl der Recheneinheit bestimmt wird, abhängt; auf den Geldwert (Kaufkraft) kommt es nicht an"; einschränkend läßt Schachtscheider, Das Recht der Globalsteuerung, 1992, S. 15 f., das Nominalprinzip nur solange gelten, wie Inflation nicht „wesentlich vom Staat verursacht" wird. 22 Karehnke, S. 396; vergl. Art. 88 Satz 2 GG: Das vorangige Ziel der „Sicherung der Preisstabilität" der im Rahmen der Europäischen Union entstehenden Europäischen Zentralbank dürfte mit einer öffentlichen Kreditpolitik, die die Beeinflussung der Realwertentwicklung unberücksichtigt läßt, schwerlich vereinbar sein; zur verfassungsrechtlich normierten Verpflichtung zur Geldwertstabilität unten, sub D. I. 1. c); a. Α.: Palandt, § 607 BGB, S. 623: „Das Risiko der Geldentwertung geht zu Lasten des Gläubigers".

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

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des Grundgesetzes ist enger zu fassen. Kredit im verfassungsrechtlichen Sinne kann nur das Gelddarlehen sein; durch eine Stückschuld kann kein Kreditvertrag begründet werden. 23 bb) Kreditwesengesetz (§§ 19 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 Ziffer 1 KWG) Im Kreditwesengesetz 24 findet sich eine Begriffsbestimmung in § 19 Abs. 1. Sie stellt neben den „Gelddarlehen aller Art" (Ziffer 1) insbesondere ab auf die „Diskontierung von Wechseln und Schecks" (Ziffer 2), „Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen eines Kreditinstitutes sowie die Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten" (Ziffer 4), sowie „die Verpflichtung, für die Erfüllung entgeltlich übertragener Geldforderungen einzustehen oder sie auf Verlangen des Erwerbers zurückzuerwerben" (Ziffer 5). Die Legaldefinition des Kredites des § 19 Abs. 1 Satz 1 KWG umfaßt demnach neben dem Gelddarlehen, bei dem es sich, so Panowitz / Jung, „rechtlich um Darlehen im Sinne von § 607 BGB, d. h. um Forderungen, die aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung oder Kraft Gesetzes in Geld geschuldet werden" 25 auch Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen, bei denen die Verpflichtung des Kreditgebers zwar der Höhe nach bestimmt, das Eintreten einer faktischen Zahlungsverpflichtung für den Kreditgeber jedoch im Sinne einer conditio sine qua non erst dann zwingend wird, wenn der Gewährleistungsoder Garantiefall eintritt. Insoweit subsumiert die Regelung des Kreditwesengesetzes auch Zahlungsverpflichtungen unter den Kreditbegriff, deren Eintreten unbestimmt ist. Durch § 20 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 3 KWG werden „Kredite, die dem Bund, einem Sondervermögen des Bundes, einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband", aber auch der „EG, der EGKS, der Euratom oder der Europäischen Investitonsbank" gewährt werden, ausgenommen von der Offenlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, etwa durch Offenlegung der Sicherheiten. Insoweit genießen Gebietskörperschaften einen gesetzlich legitimierten Vertrauensvorschuß gegenüber Privaten und Unternehmen. Dieser stellt kein konstitutives Element des öffentlichen Kredits dar, gleichwohl sollten die vereinfachten Kreditgewährungsbedingungen nicht einseitig als Freibrief für eine ungehemmte Krediteinnahme betrachtet werden. Entgegen der im Schriftum vertetenen Auffassung, nach der wegen der öffentlichen Rechenschaftspflicht über Einnahmen und Ausgaben sowie dem Recht auf Steuererhebung die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 1 Ziffer 1 KWG „vertretbar" 26 sei, kann die unterstellte Bonität schlechter23 Vergl. Hopt/Mülbert,

§ 607 BGB, Rdnr. 7.

24 Neufassung des Gesetzes über das Kreditwesen v. 30.6.93 (BGBl. I S. 1082 ff.). 25 § 1 KWG, Rdnr. 2, S. 271. 26 Szagunn! Wohlschieß, § 20 KWG, Rdnr. 1; vergl. Beck, § 20 KWG, Rdnr. 7.

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

dings nur solange Gültigkeit beanspruchen, wie die Grenze der Ergiebigkeit der Besteuerung nicht erreicht oder überschritten ist. Aus der Regelung des § 20 Abs. 1 KWG folgt einmal mehr, daß öffentliche Gebietskörperschaften mit dem Instrument des Kredites sehr sorgsam im Sinne einer sparsamen Haushaltswirtschaft 27 zu verfahren haben, „ . . . (damit) nicht an die Stelle weiser Sparsamkeit finanzpolitischer Leichtsinn tritt" 2 8 . Aus ihr resultiert für den Haushaltsgesetzgeber die Verpflichtung, bei der Veranschlagung von Krediteinnahmen stets der in ihn gesetzten Kreditwürdigkeit zu genügen. cc) Bundesbankgesetz (§ 20 Abs. 1 BBankG) Das Bundesbankgesetz normiert explizit keinen Kreditbegriff. In § 20 Abs. 1 Ziffer 1 BBankG wird jedoch auf die Fristigkeit des Kredites abgestellt. Den Gebietskörperschaften mit Ausnahme der Gemeinden und Gemeindeverbände werden bei der Bundesbank,»kurzfristige Kredite in Form von Buch- und Schatzwechselkrediten (Kassenkredite)" gewährt, die durch im Gesetz festgeschriebene Höchstgrenzen, für den Bund beläuft sich dieses Limit auf sechs Milliarden Deutsche Mark, begrenzt werden. Das Adjektiv kurzfristig verdeutlicht einmal mehr, daß es sich bei Krediten um Einnahmen handelt, deren Überlassung an den Kreditnehmer zeitlich befristet ist. Unter kurzfristig wird allgemein ein Zeitraum bis zu zwölf Monaten verstanden. Die Refinanzierungsmöglichkeiten der betroffenen Gebietskörperschaften bei der Bundesbank werden durch § 20 Abs. 1 Ziffer 1 BBankG sowohl nominal als auch in bezug auf den Finanzierungszeitraum stark reglementiert. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Aufgabe der Bundesbank darin besteht, „die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel, die Währung zu sichern, (zu regeln)," 29 nicht jedoch nach Belieben Gebietskörperschaften als Financier zur Verfügung zu stehen. dd) Haushaltsgrundsätzegesetz und Bundeshaushaltsordnung Das Haushaltsgrundsätzegesetz normiert als Ausführungsgesetz zu Art. 109 Abs. 3 und 4 GG für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze insbesondere für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft. Die Transposition dieser Grundsätze in jeweiliges Bundes- und Länderrecht erfolgte für den Bund durch Verabschiedung der Bundeshaushaltsordnung. Eine Legaldefinition des Kreditbegriffs leistet weder das Haushaltsgrundsätzegesetz noch die Bundeshaushaltsordnung. Relevant für die Bestimmung des Kreditbegriffs ist die Betonung der Tilgungsverpflichtung für eingegangene Kreditverpflichtungen: Sie folgt implizit 27 BVerfGE 1, 161. 28 v. Heckel / W. Lötz, Staatschulden, in: Handbuch der Staatswissenschaften, Bd. 7, S. 825; Indes legt die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung die Vermutung nahe, daß § 20 Abs. 1 KWG in extensiver Weise ausgeschöft wird (Daten unten, sub D. ΠΙ. 1.). 29 In § 3 BBankG wird diese Aufgabe explizit festgeschrieben.

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

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aus § 2 Satz 3 HGrG (§ 2 Satz 3 BHO), direkt aus § 13 Abs 1 HGrG (§ 18 Abs. 2 BHO) sowie § 25 Abs. 2 BHO. Durch § 2 Abs. 3 HGrG wird die gesamtwirtschaftliche Funktion des Haushaltplanes hervorgehoben. Um dieser gesamtwirtschaftlichen Funktion (im Wortlaut des Gesetzes: „ . . . den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen") gerecht zu werden, hat sich der Haushaltsplan an den „materiellen Rechtsgrundsätzen des Stabilitätsgesetzes zur Verwirklichung einer antizyklischen Haushaltspolitik" 30 zu orientieren. Für die Umsetzung antizyklischer Haushaltspolitik ist es essentiell, Kredite nicht als unbefristete Einnahmen zu begreifen, sondern sie in Abhängigkeit von konjunkturellen Erfordernissen aufzunehmen oder aber zurückzuzahlen. Sehr viel konkreter regelt § 25 Abs. 2 BHO den Tilgungsaspekt des Kredites, der vorsieht, einen am Ende eines Haushaltsjahres entstehenden Überschuß 31 „insbesondere zur Verminderung des Kreditbedarfs oder der Tilgung von Schulden zu verwenden oder der Konjunkturausgleichsabgabe zuzuführen". Die Vorschrift dient demnach, so Morell, „schlicht dem Zweck, Schulden zu vermeiden" 32 . Der Wortlaut selbst läßt nicht auf eine Präferenz der aufgeführten Möglichkeiten schließen.33 Die Verwendung des Überschusses zur Verminderung des Kreditbedarfs zielt jedoch auf die Ursache der Staatsverschuldung ab und bewirkt eine präventive Tilgung dergestalt, daß durch die Reduzierung des Kreditbedarfs eine künftige Tilgungsverpflichtung gar nicht erst entsteht. Die zweite Möglichkeit sieht explizit vor, den Überschuß „insbesondere zur Tilgung von Schulden (Kreditverbindlichkeiten, eigene Anm.)" zu verwenden. Der Wortlaut dieser Vorschrift läßt eine Auslegung nicht nur im Sinne Piduchs et al. 34, die darin die nicht vollständige Aufzählung der Verwendungsmöglichkeiten sehen, zu, sondern zielt m. E. vielmehr auf die besondere Bedeutung, die der RückZahlungsverpflichtung eingegangener Kreditverbindlichkeiten beizumessen ist, ab. Gerade der Tatbestand, daß kassenmäßige Überschüsse, d. h. endgültige Einnahmen, zur Schuldentilgung zu verwenden sind, verdeutlicht, daß Kredite nur Liquidität auf Zeit bedeuten, darüber hinaus die Rückzahlung fälliger 30 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. II, § 2 BHO, Rdnr. 4; hierzu sei auf die Ausführungen zu den §§5 und 6 StabG, insb. aber die zusätzliche Tilgungspflicht des Bundes sowohl bei der Veranschlagung des Haushaltsplanes als auch nach Ablauf des Haushaltsjahres, verwiesen (oben, sub C. II. 3.). 31 Der Überschuß ist periodenbezogen und kassenmäßig zu verstehen; er ergibt sich, falls die tatsächlich eingegangenen Einnahmen (Ist-Einahmen) die tatsächlich geleisteten Ausgaben (Ist-Ausgaben) übersteigen. 32 P. Morell, Der Bundeshaushalt, Recht und Praxis, Kommentar, 1982, § 25 BHO, Rdnr. 2. 33 Vergl. Heuer, § 25 BHO, Rdnr. 3; Patzig, Haushaltsrecht, § 25 BHO, Rdnr. 8. 34 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. II, § 25 BHO, Rdnr. 3; Heuer, § 25 BHO, Rdnr. 3; Patzig, ebenda, § 25 BHO, Rdnr. 8. 8 Lappin

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

Kredite nicht durch Prolongation, sondern durch Rückführung des Schuldenstandes ingesamt zu erfolgen hat. Für Kassenverstärkungskredite 35, die der Sache nach keine Finanzierungsfunktion für im Haushaltsplan veranschlagte Ausgaben übernehmen, sondern lediglich die Liquidität öffentlicher Kassen zu jedem Zeitpunkt des Haushaltsjahres gewährleisten sollen („Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft"), gilt, daß, nachdem die zulässige Höhe vorab im Haushaltsgesetz festgeschrieben wurde, ihre wiederholte Inanspruchnahme während eines Haushaltsjahres abhängig ist von der vorherigen Rückzahlung (§13 Abs. 1 Ziffer 2 HGrG). Insoweit folgt die zeitliche Befristung des Kredites aus der Kurzfristigkeit des Kassenverstärkungskredites selbst (max. 18 Monate, § 13 Abs. 1 Satz 3 HGrG), die RückZahlungsverpflichtung folgt implizit aus der nur unter dem Vorbehalt der vorherigen Rückzahlung zulässigen Revolvierbarkeit der Kreditermächtigung. ee) Stabilitätsgesetz (§§5 Abs. 2, 6 Abs. 1 StabG) Das Stabilitätsgesetz konkretisiert den Verfassungsauftrag des Art. 109 Abs. 2 GG einfachgesetzlich dahingehend, daß bei Veranschlagung und Vollzug des Haushaltsplanes neben Umfang und Zusammensetzung insbesondere das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Haushaltsjahre — hierunter fallen Kredite — so zu bemessen ist, wie es zur Zielerreichung des in § 1 Satz 2 StabG gennannten „magischen Vierecks" 36 erforderlich ist. Ganz im Sinne einer antizyklischen Haushaltspolitik regelt § 5 Abs. 2 StabG die Tilgungspflicht. In Hochkonjunktur- oder Boomphasen „sollen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank oder zur Zuführung an eine Konjunkturausgleichsabgabe veranschlagt werden". Schuldentilgung und Rücklagenbildung schließen einander nicht aus, das „oder" ist hier nicht im Sinne von alternativ, sondern kumulativ zu verstehen. 37 Der Wortlaut „zusätzliche Tilgung" verdeutlicht, daß es sich hierbei um Tilgungsmittel handelt, die über das „normale Maß" hinaus zu veranschlagen sind. Die Verpflichtung zur Tilgung von Krediten wird hierdurch bekräftigt, ja die Regelung geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht die Veranschlagung von Mitteln vor, die einer Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen sind. Diese während einer Hochkonjunkturphase gegebenenfalls der Deutschen Bundesbank zuzuführenden Mittel können jedoch nur dann gebildet werden, wenn im Bundeshaushaltsplan ein positives Finanzierungssaldo 38, das gemäß § 13 Abs. 4 Pkt. 35 Zum Begriff unten, sub D. III. 4. 36 Vergl. Ausführungen oben, sub C. II. 1. 37 Vergl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. Π, § 2 BHO, Rdnr. 6. 38 Zur Ermittlung des Finanzierungssaldos siehe: v. Köckritz / Ermisch / Lamm, Bundeshaushaltsordnung, Kommentar zu § 13 BHO, Rdnr. 9, insb. Übersichten II und ΠΙ zum Gesamtplan; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. II, § 13 BHO, Rdnr. 14.

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2 BHO aus einer Gegenüberstellung der Einnahmen (mit Ausnahme der Einnahmen aus Krediten vom Kreditmarkt, der Entnahmen aus Rücklagen, der Einnahmen aus kassenmäßigen Überschüssen sowie der Münzeinnahmen) einerseits und der Ausgaben (mit Ausnahme der Ausgaben zur Schuldentilgung am Kreditmarkt, der Zuführungen an Rücklagen und der Ausgaben zur Deckung eines kassenmäßigen Fehlbetrags) andererseits resultiert, entsteht. Der Gedanke an eine Finanzierung der Konjunkturausgleichsrücklagemittel durch Kredite ist als abwegig zu bezeichnen und nicht weiter zu verfolgen, denn die in § 5 Abs. 2 StabG formulierte Bestimmung zielt ja gerade darauf ab, den Schuldenstand durch zusätzliche Tilgung zu reduzieren. Um nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes auf die Veränderungen der aktuellen Konjunkturlage Einfluß nehmen zu können, sieht § 6 Abs. 1 StabG vor, daß die Bundesregierung den Bundesminister der Finanzen ermächtigen kann, u. a. das Ausgabevolumen einzuschränken, um das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Diese Beschränkung bezieht sich nicht nur auf die Ausgabenseite, die Kreditaufnahme ist davon gleichermaßen betroffen. Das am Ende eines Rechnungsjahres, das von einer Hochkonjunktur begleitet wird, zu erwartende positive Saldo, ist „zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank zu verwenden oder der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen". Eine zu § 5 Abs. 2 StabG konforme Interpretation dieser Bestimmung ist geboten, jedoch ist § 6 Abs. 1 StabG enger auszulegen. Anders als § 5 StabG, der als „Soll-Vorschrift" formuliert ist, ist die Verwendung der am Ende eines Rechnungsjahres frei gewordenen Mittel durch § 6 Abs. 1 StabG im Sinne einer „Muß-Vorschrift" geregelt, d. h. die Verwendung dieser Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden und / oder zur Zuführung zu einer Konjunkturausgleichsrücklage ist zwingend. Darüber hinaus verdeutlicht der Umstand, daß diese Bestimmung am Ende eines Rechnungsjahres freigewordene Mittel zur Schuldentilgung vorsieht, daß Schuldentilgung immer auch eine Rückführung des Schuldenstandes bedeutet. Die Ausführungen sind dahingehend zusammenzufassen, daß dem Stabilitätsgesetz ein Kreditbegriff zugrunde liegt, dessen integraler Bestandteil die Rückzahlungspflichtung des Kreditnehmers ist. Um die Wirksamkeit des antizyklischen Instrumentariums auf Sicht zu gewährleisten, ist es unabdingbar, in einer Phase nachfragebedingter konjunktureller Abschwächung gezielt staatlicherseits eingegangene Kreditverbindlichkeiten zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben in Hochkonjunkturphasen durch verstärkte Tilgung in einem Maße zurückzuführen, daß nach Ablauf eines Rechnungsjahres Mittel frei werden, die für eine zu veranschlagende Konjunkturausgleichsrücklage verwendet werden können. Demnach läßt sich die zulässige Laufzeit von Krediten, die der Konjunktursteuerung dienen, unbeschadet der dadurch finanzierten Ausgabe selbst, in erster Näherung durch die Dauer eines Konjunkturzykluses bestimmen. 8*

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

ff) Strafgesetzbuch (§§ 263, 265b StGB) Der Regelung zum Kreditbetrug (265 b Abs. 3 Ziffer 2 StGB) definiert den Kredit in Anlehnung an § 607 BGB und § 19 KWG wie folgt: Kredite sind „Gelddarlehen aller Art, Akzeptkredite, der entgeltliche Erwerb und die Stundung von Geldforderungen, die Diskontierung von Wechseln und Schecks und die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen". Das Strafgesetzbuch subsumiert somit auch Eventualverbindlichkeiten (Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen) unter den strafrechtlich relevanten Kreditbegriff. Gewichtig erscheint die strafrechtliche Würdigung des Kreditbetruges. Während § 265 b StGB den Kreditbetrugsversuch nicht sanktioniert, geht die Regelung des § 263 StGB weiter. In Bezug auf die RückZahlungsverpflichtung des Kreditnehmers sieht § 263 StGB den Betrugstatbestand als erfüllt an, wenn der Kreditnehmer den Kreditgeber dahingehend täuscht, daß es dem nach erfolgter Vermögensverfügung gegenüber dem Kreditnehmer bestehenden Rückzahlungsanspruch an „Bonität (mangelt), d. h. kein wirtschaftliches Äquivalent für die Kreditsumme darstellt". 39 Die hierin liegende konkrete Vermögensgefährdung steht einem Vermögensschaden gleich, unabhängig davon, ob der Kreditnehmer letztendlich doch zurückzahlt oder nicht. 40 Insoweit betont das Strafgesetzbuch die RückZahlungsverpflichtung des Kreditnehmers.

c) Wortlaut

und Sinnzusammenhang

aa) Wortlaut des Art. 115 GG Durch Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG werden Kredite explizit abgegrenzt von der „Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen". Daher ist der verfassungsrechtliche Kreditbegriff enger zu fassen als die Legaldefinitionen des Kreditwesengesetzes oder Strafgesetzbuches. Das Junktim zwischen Einnahmen aus Krediten und der Summe der im Haushaltspan veranschlagten Ausgaben für Investitionen soll einerseits eine „politische Bremsfunktion" 41 dergestalt ausüben, daß die normative Intention des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG, die Staatsverschuldung zu begrenzen, gewährleistet wird, 39 H. Otto, Probleme des Kreditbetrugs, des Scheck- und Wechselmißbrauchs, in: Jura 1983, S. 17; vergl. H. Tilch, in: Münchener Rechtslexikon, Bd. 2, Erläuterungen zum Kreditbegriff, S. 728 m. w. N. 40 Vergl. Otto, ebenda; Lackner, in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., 1988, § 263 BGB, Rdnr. 144 ff. und 224; P. Cramer, in: A. Schönke, Strafgesetzbuch, Kommentar, 23. Aufl., 1988, § 263 BGB, Rdnr. 162; BGHSt 15, 26. 41 Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 30; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 295 weist den veranschlagten Ausgaben für Investitionen eine „Klarstellungs- und Warnfunktion" zu.

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

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andererseits folgt aus der zu antizipierenden zukunftsbegünstigenden Wirkung der Investitionsausgaben, daß die nach Realisierung der Investition zu erwartenden Rückflüsse die Bedienung der zuvor aufgenommenen Kredite sicherstellen. Insoweit ist dem ersten Halbsatz des Art. 115 Abs. 2 Satz 1 GG ein Kreditbegriff immanent, der zunächst die RückZahlungsverpflichtung des Haushaltsgesetzgebers festschreibt. Investitionen, deren zukunftsbegünstigende Wirkung zeitlich unbegrenzt ist, mögen therotisch denkbar, so etwa das Perpetuum Mobile, in praxi jedoch die Ausnahme sein. Um die durch das Junktim von Krediteinnahmen und veranschlagten Investitionen in Art. 115 GG normierte und über das Jahr der Veranschlagung hinaus verbindliche „grundsätzliche Äquivalenz von spezifisch zukunftsbelastenden und -begünstigenden haushaltswirtschaftlichen Dispositionen" 4 2 garantieren zu können, ist es erforderlich, die im Zeitablauf zu erwartenden Veränderungen der Investitionen wie auch der Kreditverbindlichkeiten näher zu betrachten. Die spezifisch zukunftsbelastenden Wirkungen des Kredites bestehen in der Verpflichtung künftiger Steuerzahler zur Tilgung sowie darüber hinaus in während der gesamten Laufzeit zu leistenden Zinszahlungen. Mit diesen Belastungen haben zukunftsbegünstigende Wirkungen der realisierten Investitionen zu korrespondieren. 43 Dabei ist nicht auf die einzelne Investition abzustellen, Äquivalenz ist zu fordern zwischen den Krediteinnahmen und der Summe der Ausgaben für Investitionen insgesamt. Nun erscheint es wenig realistisch, daß einmal getätigte Investitionen fortwährend zukunftsbegünstigende Wirkungen entfalten, die geeignet sind, die Belastung der Kreditverbindlichkeit zu kompensieren. In der Investitionsrechnung werden denn auch neben der Investitionsausgabe stets voraussichtliche Nutzungsdauer (Werteverzehr, Abschreibung) und weitere relevante Kosten (Folgekosten) betrachtet. Wenn durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS GG Äquivalenz zwischen zukunftsbelastenden Wirkungen der Krediteinnahmen und zukunftsbegünstigenden Wirkungen der Investitionen verfassungsrechtlich normiert ist, so ist unter der Prämisse im Zeitablauf abnehmender zukunftsbegünstigender Wirkungen einer Investition ein Ausgleich resp. Äquivalenz schlechterdings nur gegegeben, wenn im Einklang mit den rückläufigen zukunftsbegünstigenden Wirkungen der Investition die Rückführung der eingegangenen Kreditverbindlichkeiten steht; m. a. W.: Kredite sind zurückzuzahlen. 44 42 Vergl. etwa Henseler, S. 510 und 512; Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zum Begriff der öffentlichen Investition, 1980, S. 59. 43 Vergl. Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 20. 44 Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 14: „Aufnahme von Krediten bringt die unmittelbare und unbedingte Verpflichtung mit sich, die aufgenommenen Mittel zurückzuzahlen; Maunz,Art. 115 GG, Rdnr. 10: „Es geht also um die Beschaffung von Geldmitteln, die zurückgegeben werden müssen"; Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 1: „ ( . . . ) Darlehen verzinst und getilgt, darlehensfinanzierte Ausgaben daher endgültig aus laufenden Einnahmen späterer Rechnungsjahre gedeckt werden müssen".

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

Das Junktim wird in Art. 115 GG als ausnahmefähiges Prinzip formuliert, insoweit bedürfen die Ausführungen zur Äquivalenz der Relativierung. Art. 115 Abs. 1 Satz 2 2. HS GG gestattet dem Haushaltsgesetzgeber, zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes den Kreditrahmen über die Höhe der veranschlagten Investitionen hinaus zu erweitern. Obgleich nunmehr auch nicht-investive Ausgaben 45, von denen prima facie keine zukunftsbegünstigenden Wirkungen zu erwarten sind, einer kreditären Finanzierung zugänglich sind, besteht die RückZahlungsverpflichtung für die eingegangenen Kreditverbindlichkeiten uneingeschränkt fort. Mit dem normierten Ziel, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes abzuwehren, geht die Vorstellung eines Konjunkturzyklusses konform, die die Rückzahlung des Kredites nicht aus den getätigten Ausgaben selbst, sondern aus den infolge der Wiedererlangung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zu erwartenden steigenden Steuereinnahmen konstatiert. Insoweit erweitert der zweite Halbsatz die grundsätzliche Äquivalenz zwischen Kredit und korrespondierender Ausgabe — unbeschadet ihrer investiven Wirkung — lediglich dahingehend, daß ein Ausgleich der zukunftsbelastenden Wirkung der das veranschlagte Investitionsvolumen überschreitenden Kredite mittelbar durch auf die Ausgaben zurückzuführende Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung statthaft ist. Es wäre eine Fehlinterpretation, die konjunkturelle Lage als Argument für Kreditaufnahmen anzuführen, die nicht dem Junktim des ersten Halbsatzes unterliegen, vielmehr ist die Aufnahme zusätzlicher Kredite nur zulässig, sofern ihr Einsatz geeignet ist, eine konstatierte Störung abzuwehren. Der Kreis schließt sich erst, wenn aus konjunkturellen Erwägungen in einer Rezessionsphase aufgenommene Kredite spätestens in einer folgenden Boomphase getilgt worden sind. Das Unterlassen einer Tilgung im Sinne einer Rückführung der Kreditlast führt andernfalls dazu, daß trotz einer Steigerung der Kreditverbindlichkeiten „keine einzige D M zur Finanzierung von Sachaufgaben gewonnen wird. Das vom Grundgesetz angebotene Instrument der Kreditfinanzierung ist dann nicht mehr verfügbar, ein verfassungsrechtlich vorgesehenes Rechtsinstitut durch extensive Inanspruchnahme außer Kraft gesetzt".46 Die Ausführungen zum Wortlaut des Art. 115 GG lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß unbeschadet der Relativierung der verfassungsrechtlich normierten Äquivalenz von spezifisch zukunftsbegünstigenden und -belastenden Wirkungen der Investitionen resp. Kredite durch den zweiten Halbsatz, die Rückzahlungsverpflichtung konstitutiv für den verfassungsrechtlichen Kreditbegriff ist. 45 Janssen, S. 618, resümiert, daß es „in der Tat kein verfassungsrechtliches Argument gibt, daß eine Kreditfinanzierung konsumtiver Ausgaben aufgrund dieser Regelung verbieten würde". 46 p, Kirchhof, Grenzen der Staatsverschuldung in einem demokratischen Rechtsstaat, S. 276; Birk, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, S. 746.

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bb) Sinnzusammenhang (Art. 109 und 110 GG) Kredite stellen ein wesentliches Instrument des Haushaltsgesetzgebers dar, um seiner Verpflichtung, „den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen", zu genügen. Darüber hinaus bieten Kredite die Möglichkeit, Finanzierungssalden im Haushaltsplan temporär auszugleichen. Die in Art. 109 Abs. 2 GG verankerte Verpflichtung zu einer aktiven Konjunkturpolitik, die, so das Bundesverfassungsgericht, abzielt auf das Erreichen eines relativen Optimums der in § 1 Satz 2 StabG konkretisierten Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes,47 impliziert einen Kreditbegriff, der neben der RückZahlungsverpflichtung auf die Art und Güte des zu tilgenden Kredites bezug nimmt. Das in der Regelung des Art. 109 GG verankerte Verbot einer Parallelpolitik bedingt eine in Abhängigkeit von der Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durchzuführende Zurücknahme staatlicher Kreditaufnahmen bis hin zur Netto-Tilgung. 48 Weiterhin kollidiert ein Kreditverständnis, das die Rückzahlungsverpflichtung negiert und infolgedessen den Schuldendienst beliebig fortschreibt, mit dem Teilziel des stetigen und angemessenen Wachstums49. Auch hier geht die Regelung des Art. 109 GG von einem Kreditbegriff aus, der aufbaut auf einer Rückführung der eingegangenen Kreditverbindlichkeiten insgesamt. Die Verpflichtung, eine Verstetigung des Konjunkturverlaufes aktiv zu unterstützen, setzt ein funktionsfähiges konjunkturpolitisches Instrumentarium voraus. Hierbei dominiert der Kredit (dazu bereits oben, sub C. II. 3.). Dabei ist zu beachten, daß fortwährend prolongierte Kredite selbst zur potentiellen Gefahr für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht werden können, sich ihr Einsatz als wirksames Instrument zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes dann erübrigt. Ein Negieren der RückZahlungsverpflichtung stünde somit im Widerspruch zum Stabiliserungsauftrag des Art. 109 Abs. 2 GG. Mit Art. 109 Abs. 2 GG ist nur eine solche Verschuldenspolitik vereinbar, die die Funktionsfähigkeit des Instrumentariums zur Realisierung der verfassungsrechtlichen Ziele nicht lahmlegt. 50 Ein weiterer Aspekt ist die durch das Teilziel der Stabilität des Preisniveaus verfassungsrechtlich normierte Verpflichtung zur Geldwertstabilität. Die in Art. 109 Abs. 2 GG verankerte „gesamtwirtschaftliche Verantwortlichkeit des Staates für den Geldwert" 51 setzt einen Kreditbegriff voraus, der die Rückerstat47 BVerfGE 79, 311 LS. 2. 48 Vergl. oben, sub C. II. 2.; Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 34. 49 Wie die Ausführungen zum Wachstumsziel des StabG gezeigt haben, führt das Umgehen der Rückzahlung fälliger Kredite durch Prolongierung infolge des stetig wachsenden Kreditvolumens zu einer Verdrängung Privater vom Kreditmarkt (crowding out) und damit zu einer Gefährdung künftigen Wachstums (oben, sub C. II. 2.). 50 v. Arnim / Weinberg, S. 98. 51 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88, Rdnr. 296; ders., Grenzen der Staatsverschuldung in einem demokratischen Rechtsstaat, 1984, S. 277.

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tungsverpflichtung nicht rein nominal definiert. 52 Insoweit findet sich für den öffentlichen Kredit in Art. 109 Abs. 2 GG eine Konkretisierung des § 607 Abs. 1 BGB, wonach der Kreditbetrag „in gleicher Art und Güte" zurückzuerstatten ist. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen, wobei nicht auf einen rein rechnerisch-formalen, sondern auf einen material ausgeglichenen Haushaltsplan abzustellen ist. 53 Kredite vermögen diesen Ausgleich nur temporär zu bewirken. Piduch fordert, daß Einahmen und Ausgaben einander „wirtschaftlich gleichwertig" 54 sind. Der Ausgleich resp. die wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen Krediteinnahmen und korrespondierenden, vorzugsweise investiven Ausgaben (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS GG) ist schlechterdings nur gegeben, wenn die Kreditverpflichtung parallel zur im Regelfall abnehmenden zukunftsbegünstigenden Wirkung der investiven Ausgaben zurückgeführt wird. Ein material verstandenes Ausgleichgebot bedingt einen Kreditbegriff, der abstellt auf Tilgung im Sinne einer Rückführung der Kreditverbindlichkeit. Andernfalls ist ein wirtschaftlich gleichwertiger Ausgleich nicht gegeben. cc) Zwischenergebnis Die Darlegung des Sinnzusammenhanges, die bei der Exegese des verfassungsrechtlichen Kreditbegriffes zu berücksichtigen ist, läßt sich wie folgt zusammenzufassen: Zur Wahrnehmung ihrer kurzfristig-konjunkturellen Aufgabe benötigen Bund und Länder ein wirksames Instrumentarium. Der Kredit würde seine Fähigkeit zur Wiederherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes einbüßen, wenn eingegangene Kreditverbindlichkeiten nicht in einem vertretbaren Zeitraum — etwa während eines Konjunkturzyklusses — zurückgeführt werden. Erschwerend käme hinzu, daß von nicht getilgten Kreditverbindlichkeiten eine potentielle Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes ausgehen kann, jedenfalls dann, wenn nicht zumindest der aus konjukturellen Gründen losgelöst von korrespondierenden investiven Ausgaben eingegangene Teil der Kreditverbindlichkeiten während eines der Rezession folgenden Booms zurückgeführt wurde. Mit dem langfristigen Wachstumsziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes ist kein Kreditbegriff vereinbar, der die Rückzahlungspflicht im Sinne einer Rückführung des Schuldenstandes insgesamt, negiert. Bei enger Auslegung des Ausleichsgebotes ist ein kreditärer Ausgleich eines Finanzierungssaldos nicht zulässig. Zumindest ist zu fordern, daß Kredite in dem Maße zurückgeführt werden, wie der Werteverzehr der finanzierten Ausgaben im Zeitablauf die verbleibende Zukunftsbegünstigung beeinträchtigt. 52 Vergl. Papier, Eigentumsgarantie und Geldentwertung, in: AöR 98 (1973), S. 529 ff. (insb. S. 537 f., 566). 53 Dazu bereits oben, sub C. III. 54 Bundeshaushaltsrecht, Bd. 1, Art. 110 GG, Rdnr. 50.

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2. Konstitutive Elemente des verfassungsrechtlichen Kreditbegriffs Der verfassungsrechtliche Kreditbegriff läßt sich durch drei konstitutive Elemente charakterisieren. a) Eigentum auf Zeit Voraussetzung für den Gebrauch des Kredites für den öffentlichen Kreditnehmer ist die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über den Kreditbetrag. Insoweit bedarf es der Eigentumsübertragung auf den Kreditnehmer. Zweck eines Kredites ist in jedem Fall die befristete Überlassung des Kreditbetrages an den Kreditnehmer. 55 Der Kredit verschafft dem öffentlichen Kreditnehmer Liquidität auf Zeit. Eine unbefristete oder in das Belieben des Kreditnehmers gestellte Überlassung des Kreditbetrages ist mit dem Kreditbegriff nicht vereinbar. 56 Fehlt es bei der Kreditvereinbarung an einer Terminierung der Laufzeit, handelt es sich um eine „ewige Anleihe". b) RückZahlungsanspruch des Kreditgebers, RückZahlungsverpflichtung des öffentlichen Kreditnehmers Der RückZahlungsanspruch des Kreditgebers folgt direkt aus § 607 Abs. 1 BGB. Er ist auch für für öffentliche Kredite einschlägig, da sie „privatrechtliche Verpflichtungen" 57 zwischen Gebietskörperschaften und Kreditgebern begründen. Die RückZahlungsverpflichtung öffentlicher Kreditnehmer wird im Kreditwesengesetz durch die Befreiung der Gebietskörperschaften von Bonitäts- und Offenlegungspflichten ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 20 Abs. 1 KWG) nicht de jure, wohl aber moralisch bekräftigt. Den einfachgesetzlich normierten Vertrauensvorschuß in die Kreditwürdigkeit der Gebietskörperschaften honorieren die Gläubiger bislang uneingeschränkt. Jeder, der dem Staat Geld leiht, vertraut in besonderer Weise auf die Sicherheit seines Rückerstattungsanspruches, „auf den politischen Willen zur Erhebung von Steuern in dem für den Dienst der öffentlichen Schuld erforderlichen Maße" 58 , auf einen Kreditbegriff im Sinne von § 607 Abs. 1 BGB. Die RückZahlungsverpflichtung folgt direkt aus Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. §§ 5, 6 StabG. Kredite stellen neben Konjunkturausgleichsrücklagen eines der wesentlichsten Finanzierungsinstrumente zur Umsetzung einer antizyklischen 55 Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 13: „(. . .) Mittel, die nur zeitlich befristet zur Verfügung stehen und anschließend zurückgezahlt werden müssen". 56 Nachweise oben, sub Fn. 17. 57 Nachweise oben, sub Fn. 10. 58 W. Dieben, K. Ebert, Die Technik des öffentlichen Kredits, in: HdF, Bd. III, S. 4.

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Haushaltspolitik dar. Ausgangspunkt der von Bund und Ländern zu beachtenden Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes ist die in § 1 Satz 2 StabG normierte Operationaliserung in kurzfristig-konjunkturelle und langfristigwachstumsfördernde Teilziele. Beide Teilzielgruppen bedingen die Rückzahlung eingegangener Kreditverpflichtungen. Eine isolierte Betrachtung konjunktureller Ziele verpflichtet den Haushaltsgesetzgeber zu einer situationsadäquaten Regulierung der Nachfrageströme. In einer Rezessionsphase sind zusätzliche, nichtinvestive Ausgaben zu veranschlagen. Hierbei wird vorausgesetzt, daß die Störung a) nachfragebedingt ist, b) vorhandene Mittel einer bestehenden Konjunkturausgleichsrücklage erschöpft sind. In einer Phase der die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrage sind die zuvor eingegangenen Kredite zurückzuzahlen. Dabei sind durch nicht verfügte Ausgaben frei werdene Mittel zur Rückzahlung von Krediten zu verwenden und ggfs. der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen. Die situationsgebunden zusätzlich eingegangenen Kreditverpflichtungen sind im Ablauf eines folgenden Konjunkturzyklusses zurückzuführen, andernfalls bestünde die Gefahr, daß nicht getilgte Kredite das Konjunktursteuerungsinstrument Kredit für künftige Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes in seiner Wirksamkeit beeinträchtigen, ja potentiell selbst ursächlich eine Destabilisierung begünstigen. In bezug auf das Teilziel angemessenen und stetigen Wachstums ist eine Rückzahlung unabdingbar. Gerade die von wirtschaftswissenschaftlicher Seite geäußerte Kritik an einer kreditären Finanzierung öffentlicher Ausgaben, die im Ergebnis durch „negative Wachsumseffekte bei höherem Gegenwartskonsum" 59 erkauft wird, bedingt eine Tilgung öffentlicher Kredite. Aus Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, unbeschadet der Einschränkung durch den zweiten Halbsatz, daß Äquivalenz zwischen Zukunftsbelastenden und -begünstigenden Wirkungen von Krediten und korrespondierenden Ausgaben zu fordern ist; dies gilt gleichermaßen für investive wie aus Gründen einer Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes verfügte Ausgaben. Lediglich die Bedienung des Schuldendienstes für situationsgebunden kreditär finanzierte Ausgaben ist — abweichend von Ausgaben für Investitionen — durch ein Wiedererlangen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, einhergehend mit steigenden Steuereinnahmen, sicherzustellen. Um Äquivalenz zwischen veranschlagten Ausgaben für Investitionen und korrespondierenden Krediteinnahmen zu gewährleisten, bedarf es neben der Bedienung des Schuldendienstes, der formal durch eine Umschuldung wie durch einen Ausgleich durch endgültige Einnahmen bewirkt werden kann, einer Rückführung der Kreditlast insgesamt. Die Rückführung der verbleibenden Kreditlast sollte konform gehen mit der unter Berücksichtigung des Werteverzehrs (Abschreibung) ermittelbaren, verbleibenen zukunftsbegünstigen Wirkung der realisierten Investionsausgaben. Entsprechendes gilt für die unter Berufung auf Art. 115 Abs. 1 Satz 2 2. HS. GG 59 Vergl. oben, sub C. II. 2. d), Fn. 79.

I. Die Rechtsnatur des Kreditbegriffes des Grundgesetzes

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aufgenommenen Kredite. Die resultierende Kreditlast ist tunlichst während des folgenden Konjunkturzylusses zurückzuführen. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG bedingt die Veranschlagung einander wirtschaftlich gleichwertiger Einnahmen und Ausgaben.60 Für Kredite hat dieses Gebot besondere Bedeutung, da kreditär finanzierte Ausgaben die Allgemeinheit von Steuerzahlern zum Zeitpunkt des Eingehens der Kreditverpflichtung temporär von Abgabenlasten freistellt, während eine zukünftige Allgemeinheit von Steuerzahlern die gegenüber dem Kreditgeber eingegangene Rückzahlungsverpflichtung zu erfüllen hat. Insoweit kann der Ausgleich schlechterdings nur gewährleistet werden, wenn die kreditäre Finanzierung im Zeitablauf in dem Maße zurückgeführt wird, wie das zukunftswirksame, wirtschaftliche Äquivalent abnimmt. Andernfalls ist zu erwarten, daß die fortgeschriebene Kreditlast die Rückzahlungskraft des zukünftigen Staatsvolkes übersteigt und der Maßstab des Rechts im Sinne einer vollständigen Bedienung der Rückzahlungsverpflichtung durch die Maßgabe des Möglichen ersetzt wird. 6 1 Einnahmen und Ausgaben werden durch § 13 Abs. 3 BHO umfassend einfachgesetzlich definiert. Auf der Ausgabenseite werden insb. Tilgungs- und Zinsausgaben, auf der Einnahmeseite Kredite angeführt. Der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß Tilgungsausgaben resp. Krediteinnahmen für die Umschuldung nicht unter das Ausgleichsgebot fallen. Unter der Prämisse, daß sowohl die Dauer als auch die zukunftsbegünstigende Wirkung kreditär finanzierter Ausgaben endlich sind, ist innerhalb der Gesamtdauer der zu erwartenden zukunftsbegünstigenden Wirkung durch das Ausgleichsgebot ein materieller Ausgleich nur darstellbar, wenn die Kreditverbindlichkeit vollständig zurückgezahlt wird. c) Zinszahlungspflicht Eine Verpflichtung zur Zahlung eines Entgeldes für die befristete Überlassung des Kreditbetrages besteht formal nicht. 62 Neben der Regelung des § 607 BGB bedarf es dazu der Vorschrift des § 608 BGB. Gleichwohl wird sich ein öffentlicher Kreditnehmer nicht den Usancen am freien Kapitalmarkt, es sei denn durch Gesetz, entziehen können. Dort bestimmt die Höhe des Zinses maßgeblich die Bereitschaft der Kreditgeber, Mittel zur Verfügung zu stellen. So wünschenswert es auch sei, die öffentlichen Haushalte von Zinsausgaben zu entlasten, solange 60 Dazu oben, sub C. III. 2. b). 61 Vergl. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, § 88 Rdnr. 293. 62 Bereits im Alten Testament (Lukas 6. Kapitel, Tz. 35) wird ein Zinsverbot ausgesprochen „(. .. ); tut wohl und leihet, daß ihr nichts dafür hoffet"; im Römischen Recht bestand ein Zinsverbot durch die „lex Marcia" (vergl. Gaius, Institutionen, 4. Buch, Tz. 23); vergl. H. Hesse / G. Müller, „Über Luthers vom Kauffshandlung" und Wucher, 1987, S. 25 ff. (insb. S. 28).

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

die Finanzierung auf freien, durch Art. 14 GG geschützten Kapitalmärkten erfolgt, wird der öffentliche Kreditnehmer stets einer Zinszahlungspflicht zustimmen müssen. Auf dem Kreditmarkt konkurrieren Gebietskörperschaften mit Privaten um Darlehen. Das besondere Vertrauen, das dem Staat hinsichtlich der Erfüllung des Schuldendienstes entgegengebracht wird, versetzt ihn jedoch in die Lage, Zinskonditionen zu vereinbaren, die unterhalb des für Private gültigen Zinsniveaus liegen. Umso schwerer wiegt eine öffentliche Kreditpolitik, die auf Seiten des privaten Kreditgebers Anlaß zu Zweifeln am RückZahlungsanspruch sowie der Fähigkeit zur Bedienung des Schuldendienstes gibt.

I I . Grundgesetzlich verankerte Funktionen des Kredites 1. Kredit als Instrument, um zukunftsbegünstigende Ausgaben zu finanzieren Die Zulässigkeit der kreditären Finanzierung ist durch den ersten Halbsatz des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG an eine „bestimmte Ausgabenart, nicht jedoch an ein bestimmtes Einzelobjekt" 63 , gebunden. Insoweit wurde die klassische Bedarfsdeckungsfunktion des öffentlichen Kredites durch die Neufassung des Art. 115 GG bestätigt, jedoch nicht ohne Vorbehalt. Das Junktim zwischen Einnahmen aus Krediten und Ausgaben für Investitionen normiert eine verfassungsrechtliche Höchstgrenze zulässiger Kreditaufnahmen, deren vollständige Inanspruchnahme keinesfalls einem Automatismus folgt. Durch die überlagernde Wirkung des Art. 109 Abs. 2 GG steht sie — unbeschadet ihrer zukunftsbegünstigenden Wirkung — stets unter dem Vorbehalt der Konvergenz mit Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Im Hinblick auf konjunktur- und wachstumspolitische Erfordernisse kann es geboten sein, die kreditäre Finanzierung investiver Ausgaben restrikiv zu handhaben. In jedem Falle dürfen Kredite im Grundsatz nicht für den Konsum, sondern allenfalls für Investitionen aufgenommen werden. 64

2. Kredit als Instrument, um eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft zu gewährleisten Einher mit konjunkturellen Schwankungen gehen Steuermehr-, aber auch Steuermindereinnahmen. Bund und Ländern wird durch den Verfassungsauftrag, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleich63

Dreißig, Zur Frage verfassungsrechtlicher Verschuldungsgrenzen, S. 92. P. Kirchhof, Grenzen der Staatsverschuldung in einem demokratischen Rechtsstaat, S. 275. 64

. Grundgesetzlich verankerte Funktionen des Kredites

125

gewichtes Rechnung zu tragen, auferlegt, durch eine situationsgebundene Einnahmen· wie Ausgabenpolitik aktiv eine Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung herbeizuführen. Die Folge schwankender Steuereinnahmen ist ein Defizit im Haushalt, das im Falle eines Einnahmenüberschusses zu einem positiven, im Falle eines Ausgabenüberhanges zu einem negativen Finanzierungssaldo führt. Der Fall eines Einnahmenüberschusses ist unkritisch: er ist der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen, zur Schuldentilgung oder präventiv zur Reduzierung der Kreditaufnahme zu verwenden (§ 25 Abs. 2 BHO). Bei einem Ausgabenüberhang sind zwei Fälle zu unterscheiden: passives Defizit (konjunkturelles Defizit im engeren Sinne)sowie aktives Defizit (konjunkturelles Defizit im weiteren Sinne). 65 Das Auftreten eines passiven Defizits ist zurückzuführen auf die unzureichende Fähigkeit öffentlicher Haushalte, durch gezielte Ausgabensteuerung auf konjunkturell bedingte Schwankungen der Steuereinnahmen zu reagieren. Darüber hinaus ist es gesamtwirtschaftlich unerwünscht, wenn der Staat durch Ausgabenkürzungen seinerseits zu einer Minderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beiträgt. Eine öffentliche Ausgabenpolitik, die zyklisch auf Veränderungen der Steuereinnahmen reagiert (sog. Parallelpolitik), nimmt eine Verschärfung des Konjunkturabschwunges in Kauf. Durch Art. 109 Abs. 2 GG ist es Bund und Ländern verwehrt, eine Haushaltswirtschaft zu betreiben, die prozyklisch wirkt. „Art. 109 Abs. 2 GG fordert deshalb geradezu eine passive konjunkturelle Schuldenpolitik." 66 Der Haushaltsgesetzgeber hat ein passives Defizit durch Krediteinnahmen zu schließen. Anzumerken ist, daß Kredite nicht dazu dienen, den Ausgabenspielraum zu erweitern, es geht einzig darum, den konjunkturell bedingten Nachfragerückgang nicht noch staatlicherseits zu verstärken. Insoweit sind verstärkte Krediteinnahmen nur dann zu rechtfertigen, wenn sichergestellt ist, „daß nach Abschluß der Maßnahmen auch wieder der Finanzierungsspielraum „quo ante" erreicht wird". 6 7 Die Aufgabe von Bund und Ländern erschöpft sich nicht darin, auf eine eingetretene Konjunkturschwankung zu reagieren, sie haben die verfassungsrechtlich normierte Pflicht, aktiv auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Einfluß zu nehmen. Die Regelungen des Art. 109 Abs. 2 i. V. m. Art. 115 Abs. 1 Satz 2 2. HS GG eröffnen dem Haushaltsgesetzgeber einen Handlungsspielraum, der die Kreditaufnahme einzig von der Erfolgswahrscheinlichkeit der Beseitigung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes abhängig macht. Darzulegen ist, unter welchen Voraussetzungen und Randbedingungen Kredite das geeignete Mittel darstellen, um eine aktive Haushaltswirtschaft zu gewährleisten. Abzustellen ist zunächst auf die Ursache des konjunkturellen Abschwunges. Ist 65 Beide Begriffe werden ausführlich erläutert und abgegrenzt bei: Ehrlicher, Aspekte der Staatsverschuldung, S. 41 f.; Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 26. 66 W. Höfling, Verfassungsfragen einer kreditfinanzierten Konjunkturpolitik, in: Wirtschaft und Recht, hrsg. von J. Peter/K.-U. Rhein, 1989, S. 25. 67 Karehnke, S. 405; vergl. Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 483.

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

er nachfragebedingt, ist zu erwarten, daß ein infolge erhöhter öffentlicher Ausgaben, die den privaten Nachfragerückgang zumindest partiell kompensieren sollen, auftretendes aktives Defizit geeignet ist, die Störung abzuwehren. Ein kreditärer Ausgleich des aktiven Defizits ist geboten, sofern keine ausreichenden Dekkungsmittel der Konjunkturausgleichsrücklage entnommen werden können. Ist die Ursache angebotsbedingt, stellen durch zusätzliche Kredite finanzierte öffentliche Ausgaben kein probates Mittel dar, der Störung wirksam zu begegnen. 68 Typische Phänomene einer angebotsseitigen Störung sind: Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Reallöhne und der Produktivität, hohe Arbeitslosigkeit infolge kosten- und strukturbedingter Probleme, Zurückdrängung privater Investitionen infolge zunehmender öffentlicher Kreditnachfrage (crowding-out), Verstärkung inflationärer Tendenzen infolge kreditfinanzierter zusätzlicher öffentlicher Ausgaben.69 Insoweit reduziert sich der Einsatz zusätzlicher Kredite zur Finanzierung eines aktiven Defizites auf den Fall einer nachfragebedingten Störung. Wesentlich ist hierbei, daß die Ausgabenprogramme reversibel angelegt werden, d. h. sobald die konjunkturelle Störung beseitigt worden ist, die öffentlichen Ausgaben auf ein „normales Maß" zurückgeführt werden. Demnach sind Ausgaben zusätzlich zu veranschlagen, die entweder schon in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen waren, d. h. nur zeitlich vorverlegt werden, keinesfalls jedoch das Ausgabenvolumen auf Sicht erhöhen, oder aber keine dauerhaften Folgeausgaben verursachen. Im Zuge der konjunkturellen Erholung steigende Steuereinnahmen sollten zu Tilgung der eingegangenen Kreditlasten eingesetzt werden. 3. Kein Instrument, um strukturelle Verschuldung zu rechtfertigen Strukturelle Defizite bedingen die dauerhafte Finanzierung eines Teiles der öffentlichen Ausgaben im Kreditwege. Bei einer fortwährenden kreditären Finanzierung werden die eingegangenen Kreditverpflichtungen immer wieder prolongiert. Den dazu erforderlichen Krediten mangelt es an zwei konstitutiven Elementen des Kredites: weder zeitliche Befristung noch Rückzahlung des Kreditbetrages 68 Schlesinger, Möglichkeiten und Grenzen der Kreditfinanzierung des Staatshaushaltes^. 246 konstatiert, daß Ankurbelungsmaßnahmen via Kredit „keine adäquate Therapie zur Bekämpfung struktureller Fehlentwicklungen" sind; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fordert in seinen Gutachten wiederholt, daß der Staat „seine eigenen Ausgaben in engen Grenzen halten, die kreditfinanzierten Ausgaben senken, aber auch die Abgabenquote nicht weiter erhöhen" soll, Jahresgutachten 1976, Tz. 303 ff., insb. 1981/82 Tz. 300; Gandenberger, Was kann die Staats Verschuldung in der Zukunft leisten? S. 176 ff.; demgegenüber vertritt Höfling, S. 28, die Auffassung, daß „Kritik der Angebotstheoretiker es (nicht erlaubt), über eine aktive konjunkturelle Schuldenpolitik das Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu fällen". 69 Vergl. Ehrlicher, ebenda, S. 43 f., v. Arnim, Grundprobleme der Staatsverschuldung, S. 515 f., Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 35 f.

II. Grundgesetzlich verankerte Funktionen des Kredites

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sind vorgesehen. Insoweit ist eine Finanzierung struktureller Defizite ex definitione durch Kredite nicht darstellbar. Kreditverbindlichkeiten, deren Rückzahlung seitens des öffentlichen Schuldners nicht beabsichtigt ist, sind de facto als ewige Schuld oder ewige Anleihe zu betrachten, dann jedoch nicht mehr auf Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu stützen, der Wortlaut stellt explizit auf Kredite ab. 70 Gegen eine kreditäre Finanzierung eines strukturellen Defizits spricht aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht die Beeinträchtigung des künftigen Wachstums. 71 Es gibt, so der Sachverständigenrat, „keine zwingenden Gründe für ein ständiges Staatsdefizit". Der Einfluß auf die private Kapitalbildung führe dazu, daß „Zinsen, Preise und Wechselkurse für privates Wachstum ungünstiger sind, als sie sein müßten." 72 Auch das Lastenverteilungsargument ist in Wahrheit ein Contra-Argument. 73 Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind insbesondere Vorbehalte in bezug auf die Einschränkung des konjunkturpolitischen Handlungsspielraumes des Haushaltsgesetzgebers anzuführen: hohe strukturelle Defizite belasten die Ausgabenseite des Haushaltes zusehends durch wachsende Zinsausgabenanteile. Einher mit dem dezimierten konjunkturpolitischen Handlungsspielraum geht der Verlust der Wirksamkeit des Kredites als wesentliches konjunkturpolitisches Instrument. 74 Ein weiterer Aspekt ist anzuführen: die psychologische Wirkung 75 eines strukturellen Defizites auf die private Nachfrage. Am Kapitalmarkt besteht die Gefahr, daß der fortwährende öffentliche Kreditbedarf das Zinsniveau resp. die Inflationsrate negativ beeinflußt. Es kann als „Zeichen einer unsoliden Haushaltsführung 70 Vergl. BVerfGE 67, 256 (280 f.): Das BVerfG stellt klar, daß Art. 115 Abs. 1 GG keine Kompetenz zur Auferlegung einer Zwangsanleihe enthalte. Insoweit dürfte sich eine Subsumtion einer ewigen Anleihe oder ewigen Schuld unter den Kreditbegriff des Art. 115 GG erübrigen. 71 Vergl. Ausführungen oben, sub C. II. 2. d); Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 131 f. 72 Jahresgutachten 1983,Tz. 299, BT-Drucks. 9/1061, S. 142. 73 So v. Arnim / Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 31 ff. (insb. S. 53) legen die Pro- und Contra-Argumente einer strukturellen Verschuldung eingehend dar, lehnen die Möglichkeit der Lastenverteilung durch Kredite jedoch selbst bei investiven Ausgaben ab; zustimmend aus finanzwissenschaftlicher Sicht: H. Gschwendtner, Staatsverschuldung und finanzwirtschaftlicher Ausgabenspielraum, in: FinArch. N. F., Bd. 39(1981), S. 306 ff. (insb. 317) resümiert, daß „bei Kreditfinanzierung von Staatsausgaben generell nicht abzusehen (sei), ob ( . . . ) in künftigen Haushaltsjahren ein verschuldungspolitisches Dilemma (droht)". Insoweit sollte auf „strukturelle Kreditfinanzierung von Staatsausgaben möglichst verzichtet" werden. 74 Vergl. Höfling, Bundesverfassungsrechtliche Direktiven für die Staatsverschuldung, in: Der Staat 1990, S. 269 f. „ ( . . . ) Art. 109 Abs. 2 GG eine nicht-konjunkturelle Schuldenpolitik verbietet"; ders., Verfassungsfragen einer kreditfinanzierten Konjunkturpolitik, S. 28 ff.; Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 27; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 14; v. Arnim, Grundprobleme der Staatsverschuldung, S. 518. 75 Vergl. Ehrlicher, Aspekte der Staatsverschuldung, S. 47.

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

gewertet werden und Mißtrauen bei Privaten auslösen, die darauf mit einer Zurückhaltung oder Einschränkung ihrer Nachfrage reagieren" 76 Darüber hinaus mag der Nutzen der dauernd kreditär finanzierten öffentlichen Ausgaben im Hinblick auf die Finanzierungskosten seitens der Allgemeinheit der Steuerzahler, die ja, sofern eine Entschuldung durch Gesetz als Alternative ausscheidet, zumindest langfristig die Kreditlast durch Steuern zurückzuzahlen haben, zweifelhaft erscheinen. Vor dem Hintergrund erwarteter steigender Abgabenlasten zur Bedienung des Schuldendienstes ist es wahrscheinlich, daß die Allgemeinheit der Steuerzahler ihr Nachfrageverhalten dahingehend korrigiert, daß sie Konsumverzicht übt und die Sparquote erhöht. Negative Effekte auf die Beschäftigung, einhergehend mit sinkenden Steuereinnahmen, sind die Folge. In dieser Situation steht der Kredit zwar formal weiterhin zur Verfügung, sein verstärkter Einsatz wäre aus konjunkturellen Erwägungen geboten, die Ursache der Störung konterkariert jedoch seine Wirksamkeit.

I I I . Entwicklung, Gläubigerstruktur und Formen öffentlicher Kredite 1. Entwicklung öffentlicher Kredite Im internationalen Vergleich nimmt die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung aufgrund der in diesem Jahrhundert bereits zweimal erfolgten Währungsreformen (1923 und 1948) eine Sonderstellung ein. Mit der Gründung der Bundesrepublik ging eine Entschuldung per Gesetz einher, sodaß die Haushalte der Gebietskörperschaften sowohl von laufenden Zins- als auch Tilgungsverpflichtungen weitestgehend befreit wurden. In beiden Fällen erwies sich für die Gläubiger das von A. Smith 77 beschriebene Verhalten öffentlicher Schuldner für den Fall, daß die öffentliche Schuld eine bestimmte Höhe überschritten hat, man sich stets des Bankrotts, den man bisweilen auch unverholen zugegeben hat, um die Staatsfinanzen wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen, bedient, als bittere Wahrheit. Die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland läßt sich in vier Phasen zerlegen: 78

76 Duwendag, Staatsverschuldung-Notwendigkeit und Gefahren, S. 80 f., räumt jedoch ein, daß sich in Ermangelung empirischer Daten „kaum mehr als tendenzielle Aussagen" treffen lassen. 77 Smith, S. 803. 78 Daten wurden der Fachserie 14, Reihe 5, Finanzen und Steuern, Schulden der öffentlichen Haushalte, des Statistischen Bundesamtes, den Finanzberichten des BMF, 1971, 1990, und 1991 sowie dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank 01/1993 entnommen; weitere Tabellen- und Diagrammdarstellungen vergl. Institut „Finanzen und Steuern Bearbeiter: M. Schlick, Die Wirkung der Verschuldung öffentlicher Haushalte in mittelfristiger Sicht, 1983; dass., Die Schuldenpolitik des Bundes seit 1960,1989.

III. Entwicklung, Gläubigerstruktur und Formen öffentlicher Kredite

129

a) Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis zur Verabschiedung der Haushaltsreform 1967169 In den ersten zwei Jahrzehnten nahm die Verschuldung einen sehr moderaten Verlauf. Im Zuge der Währungsumstellung von R M auf D M wurden insbesondere die erheblichen Kreditverbindlichkeiten des Reiches sowie des Landes Preußen für null und nichtig erklärt, während die Verbindlichkeiten Privater im Verhältnis 10:1 herabgesetzt wurden. Für die Altsparerregelung, die Finanzierung anerkannter Leistungen der Kreditinstitute und Zentralbanken, aber auch der Anerkennung von Ansprüchen durch das Londoner Schuldenabkommen resultiert eine Altverschuldung79, die sich am Ende der 50er Jahre auf etwa 30 Mrd. D M belief. Die Verzinsung dieser Schulden erfolgte durchweg zu niedrigen Sätzen (im Mittel etwa 4 v. H.). Bis Ende 1969 wurde die Altverschuldung auf 22 Mrd. D M zurückgeführt, während die gesamten Kreditverbindlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden bis 1969 auf 115 Mrd. D M anstiegen. Darüber hinaus wurde zur Bekämpfung der ersten Nachkriegsrezession in den Jahren 67 und 68 erstmals konsequent antizyklische Haushaltspolitik betrieben, die sich nicht darin erschöpfte, öffentliche Ausgaben zur Belebung der Nachfrage kreditär zu finanzieren, sondern nach Überwindung der gesamtwitschaftlichen Störung die resultierenden Mehreinnahmen zur Schuldentilgung zu verwenden. 80

b) Zeitraum zwischen 1969 und 1982 Nach Verabschiedung der Haushaltsreform wurde der erweiterte Ausgabenspielraum für nachfragebedingte Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes ausgiebig in Anspruch genommen. Hierbei besteht in der Literatur wie auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Normenkontrollklage über die Rechtmäßigkeit der Kreditaufnahmen 81, die die Höhe der veranschlagten Investitionen überschreiten, Konsens in Bezug auf die situationsgebundene erhöhte Kreditaufnahme insb. in den vier Rezessionsphasen in den Jahren 71/72, 74/75, 77/78 und 81/82). Die Veranschlagung in einer durch Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ausgelösten Konjukturabschwächung gebotenen, erhöhten Kreditaufnahme ist jedoch nur ein Teil des situationsgebundenen Deckungsgrundsatzes. 79 Ausführlich erläutert bei: Dreißig, Die Technik der Staatsverschuldung, S. 53 (78 f.); Hennecke, Rdnr. 462 f. 80 Dazu Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zu den Problemen einer Verringerung der öffentlichen Netto-Neuverschuldung, S. 4: „Schuldenaufnahme, expansive Ausgabenprogramme und darauffolgende Schuldentilgung entsprachen weitgehend dem Leitbild antizyklischer Finanzpolitik"; demgegenüber resümiert Friauf, § 91, Rdnr. 12, daß, obwohl der Rezessionsbekämpfung 68/69 Beispielcharakter zukommt, „sich jene kurze Zeitspanne als die wohl einzige einer wirklich gelungenen antizyklischen Konjunkturpolitik" erweist; Hansmeyer, Ursachen des Wandels der Budgetpolitik, S. 21. si BerfGE 79, 311 ff. 9 Lappin

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D. Der Rechtsbegriff Kredit

Nach Erholung der Konjunktur hat eine Rückführung der zur Finanzierung reversibler Ausgaben aufgenommenen Kredite zu erfolgen. Ohne auf die in dieser Phase unter dem „Deckmantel" des situationsgebundenen Deckungsgrundsatzes massiv ausgeweitete Staatsquote näher einzugehen, merkt Friauf sehr trefflich an, daß „eine effektive Tilgung der in der Rezession aufgenommenen Kredite nicht einmal ernsthaft erwogen, geschweige denn praktiziert" 82 wurde. Vielmehr mündete die politisch gewollte Erweiterung des „öffentlichen Korridiors" in einen dauerhaften Anstieg des Staatsanteils ein. 83 Die Verschuldung stieg in dieser Phase von 126 Mrd. D M im Jahre 1970 auf 614 Mrd. D M im Jahre 1982 an. c) Zeitraum 1983 bis zum Zusammenbruch der DDR (1989/90) Diese Phase ist durch eine gleichbleibend gute gesamtwirtschaftliche Situation, gekennzeichnet durch sinkende Arbeitslosigkeit, moderate Zinsen, niedrige Inflationsraten zu charakterisieren. Bei der Entwicklung des Schuldenstandes ist zu berücksichtigen, daß die Bundesbank — anders als in den Vorjahren — in erheblichem Umfang Überschüsse an den Bund abgeführt hat, sodaß der relative Rückgang des Anstiegs der öffentlichen Verschuldung, zumindest was den Bund anbetrifft, ursächlich nicht auf eine konjunkturell gebotene, zurückhaltende und auf Schuldenkonsolidierung bedachte Kreditpolitik im Sinne einer verfassungsrechtlich normierten antizylischen Haushaltspolitik (Art. 109 Abs. 2 GG) zurückzuführen ist. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte erhöhte sich in dieser Phase von 671 Mrd. D M in 1983 auf 1.053 Mrd. D M Ende 1990. d) Phase seit der Wiedervereinigung Die Verschuldung steigt seit der Wiedervereinigung erheblich. Neben der erhöhten Kreditaufnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden kündigen sich gewichtige Schuldenlasten aus den Nebenhaushalten / Sondervermögen (insbesondere Kreditabwicklungsfonds, Fonds Deutsche Einheit, Treuhandanstalt, Bundesbahn / Reichsbahn, Bundespost) an. Es ist von einem Überschreiten der 2.000 Mrd. D M Grenze bis zum Jahre 1995 auszugehen.84 82

Friauf, Staatskredit, §91, Rdnr. 13; zum Ganzen: Ehrlicher, S. 32 ff., er weist darauf hin, daß insb. K. Schiller beim situationsgebundenen Einsatz des Kredites an einen „Ersatz von Steuerfinanzierung durch Kreditfinanzierung bei gegebener (constanter) Staatsquote dachte", wohingegen die Verschuldungskonzepte „in der Art ihrer Anwendung durchweg pervertiert" wurden; K. Schiller, Aktuelle Fragen der Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsdienst 1983, S. 116, konstatiert für die Jahre 1978/79 einen ,Abusus" der öffentlichen Ausgabenpolitik. S3 BMF, Augaben und Ziele einer neuen Finanzpolitik — Grenzen staatlicher Verschuldung, S. 13. 84 Szenarien der zu erwartenden Verschuldung und Zinslastentwicklung hat L. Müller, Probleme der Staatsverschuldung vor dem Hintergrund der deutschen Vereinigung, in: Wirtschaftsdienst 1993 / III, S. 121 ff. aufgezeigt.

III. Entwicklung, Gläubigerstruktur und Formen öffentlicher Kredite

131

Bei den Sondervermögen ist bei der Bundesbahn ein Anstieg der Verschuldung von 17 auf 47 Mrd. DM, bei der Bundespost von 20 Mrd. D M auf 71 Mrd. D M zu konstatieren (Werte beziehen sich jeweils auf die Jahre 1970/1990). Die relativen Anteile des Bundes, der Länder und der Gemeinden haben sich seit der Verabschiedung der Haushaltsreform signifikant verändert: Während auf den Bund im Jahre 1970 46 v. H. der Gesamtverschuldung entfielen, betrug der Anteil in 1990 51 v. H. Die Länder vergrößerten ihren Anteil im gleichen Zeitraum von 22 auf 31 v. H. Lediglich die Gemeinden reduzierten ihren Anteil von 32 v. H. in 1970 auf 12 v. H. (Anm. in 1990 entfallen 6 v. H. auf Kreditabwicklungsfonds und Fonds Deutsche Einheit, die Kreditverpflichtungen des ERP-Sondervermögen werden dem Bund zugerechnet). Einzig bei den Gemeinden ist eine konsequente Schuldenkonsolidierung zu konstatieren (Die Schuldenlast stieg im Zeitraum 82 bis 90 um lediglich 16 Mrd. von absolut 109 Mrd. D M auf 125 Mrd. DM). Der Bund hingegen hat im gleichen Zeitraum seine Schuldenlast (Abführungen der Bundesbank unberücksichtigt) verdoppelt (von 309 Mrd D M auf 619 Mrd. DM), bei den Ländern ergibt sich ein Anstieg von 190 Mrd. D M auf 329 Mrd. DM.

2. Gläubigerstruktur Der bei weitem größte Gläubiger der öffentlichen Kreditnehmer sind private Kreditinstitute. Sie dominieren bei der Kreditvergabe und garantierten Ende 1990 etwa 55 v. H. der Gesamtverschuldung von Bund (incl. ERP-Sondervermögen), Ländern und Gemeinden. Mit knapp 22 resp. 21 v. H. folgen Private und ausländische Gläubiger. Aufgrund der Regelung des § 20 Abs. 1 BBankG ist die direkte Verschuldungsmöglichkeit bei der Bundesbank auf etwa 13 Mrd. D M resp. 1,2 v. H. begrenzt. Der Anteil der Sozialversicherungen sinkt infolge der angespannten Ausgabensituation auf 0,6 v. H. in 1990. Tabelle 1 Gläubigerstruktur der öffentlichen Verschuldung (exkl. Bundesbahn und Bundespost, Mrd. DM, %) 8 S Gläubiger

Kreditinstitute Private ausl. Gläubiger Bundesbank Sozialvers. gesamt 9*

1968

1982

1990

abs.

rel.

abs.

rel.

abs.

rel.

68,5 25,5 2,1 11,2 8,5

59,1 22,0 1,8 9,7 7,3

406,7 104,2 79,3 13,9 10,7

66,2 16,9 12,9 2,3 1,7

582,7 231 220,6 12,7 6,4

55,3 21,9 21,0 1,2 0,6

115,9

100

614,8

100

1 053

100

132

D. Der Rechtsbegriff Kredit

Die Kopflastigkeit der Gläubigerstruktur wird von Seiten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF kritisiert: Die starke Abhängigkeit öffentlicher Kreditnehmer von den Banken steht im Widerspruch zu allokativen, distributiven und stabilitätspolitischen Zielen der Schuldenstrukturpolitik. Sofern zwischen den privaten Kreditinstituten kein ausreichender Wettbewerb herrscht, ist zu erwarten, daß der Staat sich bisweilen „überhöhte Zinsen" bzw. für die Vermittlerrolle der Banken „relativ hohe Kommissionsgebühren" zu zahlen hat. Während der Schuldendienst von der Allgemeinheit der Steuerzahler aufzubringen ist, fließen die resultierenden erhöhten Bankgewinne lediglich den Anteilseignern zu. Darüber hinaus birgt die Konzentration auf wenige Kreditinstitute das Risiko übersteigerter Kursschwankungen an den Wertpapierbörsen. 86

3. Kreditformen Das Grundgesetz enthält keine Hinweise auf die Ausgestaltung der Kreditermächtigung, die dem Bundesminister der Finanzen alljährlich zur Deckung des Finanzierungssaldos gem. Art. 115 Abs. 1 Satz 1 zu erteilen ist. „Danach sind etwaige Form Vorschriften insgesamt dem einfachen Bundesrecht zu entnehmen." 87 Im Haushaltsrecht wird nach der Verwendung von Krediten differenziert. Der §18 Abs. 2 BHO schreibt vor, daß im Haushaltsgesetz bestimmt werden muß, bis zu welcher Höhe der Bundesminister der Finanzen Kredite zur Deckung von Ausgaben oder aber zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft aufnehmen darf. Die zulässigen Formen der Kreditaufnahme werden in der RSchO vom 13.2.1924 aufgeführt. Diese Vorschrift wurde als Ausführungsgesetz zum Art. 87 WRV, dem Vorgänger des heutigen Art. 115 GG, erlassen und hat in der Fassung vom 5.7.1934 (RGBl. I S. 574) weiterhin Gültigkeit; sie wurde gemäß Art. 123, 124 GG als Bundesrecht übernommen und ist als ein vorläufiges Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG anzusehen.88 Überwiegend wird die Auffassung vertreten, daß zulässige Kreditformen in der RSchO erschöpfend aufgezählt werden. Änderungen oder Erweiterungen bedürfen folgerichtig einer Änderung der einfachgesetzlichen RSchO. In den §§ 1 Abs. 1 und 21 RSchO

85 Quelle: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, 5/69, 5/83, 9/92, eigene Berechnungen; weitere Darstellungen finden sich bei A. Troost, Staatsverschuldung und Kreditinstitute, S. 7 ff.; Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. All f. 86 Vergl. Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zur Schuldenstrukturpolitik des Staates, S. 63 ff.; H. Schui/ H. Hopf, Bankgewinne und Staatsverschuldung, in: WSI Mitteilungen, 34. Jg. (1981), S. 42 ff. (insb. S. 48 f.). 87 Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 80; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 8. 88 Vergl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 15; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1269.

III. Entwicklung, Gläubigerstruktur und Formen öffentlicher Kredite

133

sind folgende Kreditformen vorgesehen: Schuldverschreibungen, Schatzanweisungen, Wechsel, Schuldscheindarlehen und Schuldbuchforderungen. Schuldverschreibungen sind Urkunden, in denen sich der öffentliche Kreditnehmer als Aussteller zu einer Geldleistung verpflichtet. Regelmäßig handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen im Sinne von § 793 BGB. Die RSchO läßt Namensschuldverschreibungen explizit zu (§§7, 8 RSchO). Sie dienen der langfristigen Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Die Tilgung erfolgt nach Maßgabe des Ausstellers nach einigen tilgungsfreien Jahren nach und nach durch Auslosung 89 , in jüngerer Zeit ausschließlich am Ende der vereinbarten Laufzeit gesamtfällig, die Zinszahlung regelmäßig jährlich. Aufgrund der langen Laufzeit besteht seitens des Ausstellers das Recht zur freiwilligen, vorzeitigen Tilgung, um im Falle gewichtiger Änderungen der Kapitalmarktsituation die Zinslast zu optimieren oder aber im Hinblick auf konjunkturelle Erfordernisse ein Höchstmaß an Flexibilität zu erreichen. 90 Bei Schatzanweisungen handelt es sich um eine spezielle Form der Schuldverschreibung. Sie werden regelmäßig als unverzinsliche Schatzanweisung emittiert, d. h. der Kreditgeber erwirbt den Titel diskontiert. Die Laufzeit beträgt maximal 24 Monate, wobei es in Abhängigkeit vom Mindestbetrag und von der zu erwartenden Anlegergruppe verschiedene Laufzeiten gibt: Schatzanweisungen, deren Mindestbetrag D M 110.000 überschreitet, werden mit Laufzeiten von wahlweise sechs, zwölf, achtzehn oder vierundzwanzig Monaten ausgestattet. Der Kreditgeberkreis beschränkt sich hier vorwiegend auf institutionelle Anleger wie Banken und private Kapitalsammelstellen. Speziell für den privaten Anleger werden Schatzanweisungen mit einem Mindestbetrag von D M 1.000 (sog. Finanzierungsschätze) begeben, die vorzugsweise den Erfordernissen privater Haushalte und Unternehmen entsprechen. Bei dieser gibt es zwei Laufzeiten: zwölf und vierundzwanzig Monate. Wechsel des Bundes, der Länder und der Sondervermögen werden zumeist als Schatzwechsel91 bezeichnet. Sie sind dem Handelswechsel vergleichbar. Die Vorschriften des Wechselgesetzes v. 21.6.1933 (RGBl. I S. 399) finden Anwendung. Zur Ausstellung ist allein die Bundeschuldenverwaltung autorisiert (§ 4 RSchO). Wechsel dienen zur kurzfristigen Finanzierung. Da die Bundesbank Schatzwechsel nur mit einer Restlaufzeit von 90 Tagen an- und verkauft (§19 Abs. 1 Ziffer 2 BBankG), beträgt die Laufzeit in der Regel nicht mehr als 90 Tage. Die Verzinsung wird durch Diskontierung des Wechselbetrages vorgenommen. Schatzwechsel wurden seitens des Bundes letztmalig 1969 begeben.

89 Dreißig, Die Technik der Staatsverschuldung, S. 69. 90 Vergl. Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 22. 91 Vergl. §§ 19 Abs. 1 Ziffer 2, 20 Abs. 2 BBankG.

134

D. Der Rechtsbegriff Kredit

Bei der öffentlichen Kreditaufnahme dominieren Darlehen gegen Schuldschein. Ende 1990 wurden 46,9% der öffentlichen Verschuldung durch Direktausleihungen der Kreditinstitute an öffentliche Haushalte finanziert. 92 Sie dienen der mittelund langfristigen Finanzierung. Für den öffentlichen Kreditnehmer besteht der spezifische Vorteil des Darlehens gegen Schuldschein im Vergleich zu Schuldverschreibungen in der Umgehung des allgemeinen Kapitalmarktes. Direkte Individulvereinbarungen zwischen Kreditgeber und öffentlichem Schuldner erlauben ein Höchstmaß an Flexibilität hinsichtlich der Ausgestaltung der Konditionen. Sie sind nicht börsenfähig, d. h. die Verpflichtung zur Kurspflege entfällt. Der Aufwand für die Ausstellung der Schuldscheine ist im Vergleich zur Auflegung einer Anleihe zu vernachlässigen. Negativ kann sich der enge Gläubigerkreis auswirken: Infolge mangelnden Wettbewerbs sind die Möglichkeiten einer Änderung der Fristigkeits- und Gläubigerstruktur begrenzt. 93 Schuldbuchforderungen entstehen durch Eintragung des Anspruches des Gläubigers gegenüber dem öffentlichen Schuldner in das Schuldbuch, einem Register, das bei der Bundeschuldenverwaltung geführt wird. Es begründet ein sog. Wertrecht. Da keine effektiven Stücke begeben werden, wird diese Kreditform allgemein als Buchschuld bezeichnet. Demgegenüber wird der Anspruch bei Schuldscheinen, Schatzwechseln, Schatzanweisungen und Schuldscheindarlehen durch das jeweilige Wertpapier über die Forderung begründet (Briefschuld). Mit Ausnahme des Wechsels besteht für die übrigen Kreditformen die Möglichkeit, sie wahlweise als Brief- oder Buchschuld auszugestalten. Buchschulden sind besitzsicher und vor Fälschung geschützt, die Beurkundung der Schuld ist billig, Depotgebühren fallen nicht an. Diesen Vorteilen steht eine mangelnde Beweglichkeit des Gläubigers, die Preisgabe seiner Identität, oftmals nicht börsenfähig, gegenüber. 94 Diese fünf Grundformen werden in der Haushaltspraxis durch Bundesanleihen, Bundesschatzbriefe, unverzinsliche Schatzanweisungen, Kassenobligationen, Schuldscheindarlehen, Schuldbuchforderungen, Bundesobligationen und Finanzierungsschätze ausgestaltet.

92

Vergl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, 9/92, S. 63; weitere 2,5 v. H. entfallen auf Schuldscheindarlehen von Nichtbanken (insb. Sozialversicherungen, Private). 93 Dazu: Hansmeyer, S. 15 f., Dreißig, S. 70 f. 94 Hansmeyer, ebenda, S. 17.

III. Entwicklung, Gläubigerstruktur und Formen öffentlicher Kredite

135

Tabelle 2 Struktur der öffentlichen Verschuldung nach Schuldarten (exkl. Bundesbahn, Bundespost)95 Schuldart

Darlehen gegen Schuldschein (davon Kreditinstitute) Buchkredite der Bundesbank Unverzinsliche Schatzanweisungen Obligationen Bundesschatzbriefe Anleihen Schatzwechsel Sonstige gesamt

1982

1968

1990

abs.

rel.

abs.

rel.

58 715

50,7

168 743

54,6

520 683

49,5

(42 537)

(36,7)

(146 049)

(47,3)

(494 059)

(46,9)

abs.

rel.

2 153

1,9

0

8 603 4 044

7,4 3,5

15 249 43 256

4,9 14,0

38 313 173 094

3,6 16,5

0 16 074 150 26 157

0 13,9 0,1 22,5

13 508 57 386 0 10 922

4,3 18,6 0 3,6

30 892 276 251 0 13 514

2,9 26,2 0 1,3

115 896

100

309 064

0

100

743

1 053 490

0

100

4. Exkurs: Kassenverstärkungskredite Kassenverstärkungskredite stellen eine Sonderform des Kredits dar. Sie dienen der „kurzfristigen Überbrückung von Kassendefiziten" 96, die durch zeitliche Divergenz von Einzahlungen zugunsten des Staates und fälligen Auszahlungen auftreten können, und gewährleisten, daß zu jedem Zeitpunkt während eines Rechnungsjahres die Liquidität öffentlicher Kassen gegeben ist. Die Ermächtigung zur Aufnahme von Kassenverstärkungskrediten hat, da Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG für alle Kredite, also auch Kassenverstärkungskredite, gilt, durch ein Bundesgesetz zu erfolgen. 97 Als Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG schreibt § 18 Abs. 2 Satz 1 BHO vor, daß diese Ermächtigung durch das HG dem Bundesminister der Finanzen zu erteilen ist; sie findet regelmäßig in § 3 HG Berücksichtigung. Die Dauer der Ermächtigung ist auf höchstens 18 Monate begrenzt. „Innerhalb ihrer Geltungsdauer (§18 Abs. 2 Satz 3 BHO) können Ermächtigungen für Kassenverstärkungskredite wiederholt in Anspruch genommen werden, soweit bereits 95 Quelle: oben, sub Fn. 85. 96 Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 11. 97 Vergl. Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 40.

136

D. Der Rechtsbegriff Kredit

aufgenommene Kredite zurückgezahlt worden sind (sog. revolvierbare Kreditermächtigung, § 18 Abs. 2 Satz 2 BHO)." 9 8 Bei der Veranschlagung von Einnahmen aus Krediten im Haushaltsplan bleiben Kassenverstärkungskredite unberücksichtigt, da sie nicht zur Deckung von Ausgaben, sondern lediglich zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Kassenwirtschaft dienen. Die einfachgesetzliche Regelung wird in § 13 Abs. 3 Nr. 1 BHO getroffen. Die Kreditaufnahme zur Deckung des Finanzierungssaldos und der fälligen Tilgungsausgaben wird durch Kassenverstärkungskredite nicht beeinflußt. Die Begrenzung der Krediteinnahmen durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ist lediglich auf Deckungskredite anzuwenden99. Trotzdem ist die Höhe der Kassenverstärkungskredite nicht allein in das Ermessen des Haushaltsgesetzgebers gestellt. Die vom Verfassungsgesetzgeber nicht gewollte direkte Verschuldung des Staates bei der Bundesbank wird durch die sog. Plafondierung wirksam verhindert. In § 20 Abs. 1 Nr. 1 BBankG wird festgelegt, daß der Bund bei der Deutschen Bundesbank kurzfristig Kassenverstärkungskredite in Höhe von maximal sechs Milliarden Deutsche Mark aufnehmen darf.

IV. Drittes Zwischenergebnis Der verfassungsrechtlich relevante Kreditbegriff geht in wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen konform mit dem privatrechtlichen Kreditbegriff des § 607 Abs. 1 BGB. Als konstitutiv ergeben sich: befristete Überlassung der Darlehensvaluta (Eigentum auf Zeit), RückZahlungsverpflichtung des Kreditnehmers, Zinszahlungspflicht. Die Funktionen des Kedites sind eng auszulegen: Finanzierung zukunftsbegünstigender Ausgaben, Instrument zur Umsetzung konjunkturgerechter Haushaltspolitik, jedoch verbietet sich der Einsatz zur Finanzierung struktureller Verschuldung. Eine dauerhafte kreditäre Finanzierung von Teilen des Haushaltes schränkt in bedenklicher Weise den konjunkturpolitischen Handlungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber ein, macht das Instrument Kredit zu einem stumpfen Schwert im Falle einer nachfragebedingten Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Weiterhin birgt die kreditäre Finanzierung struktureller Defizite psychologische Gefahren in sich. Darüber hinaus erfüllt die dauerhafte Finanzierung struktureller Defizite nicht die Tatbstandsvoraussetzungen des öffentlichen Kreditbegriffs. Diese Form der Finanzierung ist durch Begriffe wie ewige Anleihe oder ewige Schuld zu titulieren, damit jedoch nicht mehr durch Art. 115 GG zu begründen.

98 H. Dommach, § 18 BHO, Rdnr. 5. 99 Hierzu Stern, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1268; Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 91.

Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen I. Der Vorbehalt gesetzlicher Ermächtigung zur Kreditaufnahme

1. Kreditermächtigungen in der Finanzverfassung a) Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG Der Bund darf Kredite gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG nur nach „Ermächtigung durch Bundesgesetz" aufnehmen. Darüber hinaus muß die Höhe der Kreditaufnahmen der Höhe nach bestimmt oder bestimmbar sein. Diese Regelung stellt sicher, daß das Budgetrecht des Parlaments nicht im Wege der Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift unterlaufen werden kann. Dem Parlament ist stets vorab darzulegen, in welcher Höhe sich die Kreditlasten des Bundes verändern. Sollte es nicht möglich sein, die Aufnahmen aus Krediten in einer Zahl zu konkretisieren, so ist es statthaft, ersatzweise einen modus operandi aufzuzeigen, der die Bestimmbarkeit sicherstellt. 1 In jedem Falle soll diese Regelung gewährleisten, daß ausschließlich das Parlament über die Höhe der Kreditaufnahmen entscheidet. Anzumerken ist hierbei, daß Kreditermächtigungen der Sache nach auf das Haushaltsjahr, für das das jeweilige Haushaltsgesetz veranschiedet wird, bezogen sind. Sie unterliegen dem zeitlichen Bepackungsverbot (Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG). Insoweit ist die in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 1 HGrG (§ 18 Abs. 2 Satz 1 BHO) mögliche Fortgeltung von Kreditermächtigungen eng auszulegen.2 Die Inanspruchnahme der Kreditermächtigung aus dem Vorjahr sollte ausschließlich für die Deckung von Ausgabenresten vorjähriger Haushaltsperioden in Anspruch genommen werden. Andernfalls kommt es zu einer „Schattenkreditwirtschaft", in der es der Exekutive möglich ist, Kredite neben dem geltenden Haushaltsgesetz aufzunehmen, ohne daß das „Prinzip der Budgetöffentlichkeit" in hinreichendem Maße beachtet wird. 3 ι Vergl. Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 9; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 5; Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 6 f. 2 Α. Α.: v. Köckritz! ErmischILamm, § 18 BHO, Tz. 9. 3 Vergl. H.-M. Wolff gang, Die Fortgeltung von Kreditermächtigungen nach § 13 Abs. 2 Satz 1 HGrG — Grundlage für eine „Schattenkreditwirtschaft"?, in: DVB1. 1984, S. 1049 ff.

138

Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Die Ermächtigung durch Bundesgesetz hat unabhängig vom Finanzierungszweck für Neu- und Prolongierungskredite gleichermaßen zu erfolgen. Entscheidend für die aus dem Budgetrecht herzuleitende Kreditüberwachungspflicht des Parlaments ist demnach nicht der Netto-, sondern der Bruttobetrag der beabsichtigten Kreditaufnahme. 4 Eine Berücksichtigung nur des Netto-Betrages muß als verfassungswidrig angesehen werden. 5 b) Art. 111 Abs. 2 GG Für den Fall einer verzögerten Verabschiedung des Etats durch das Parlament sieht Art. 111 Abs. 2 GG vor, daß die Bundesregierung die „zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsführung" erforderlichen Ausgaben auch ohne Ermächtigung durch Bundesgesetz gemäß Art. 115 Abs. 1 GG (sog. Haushaltsgesetz) bei Auftreten einer Deckungslücke kreditär finanzieren kann. 6 Die zulässige Höhe der Krediteinnahmen ist auf ein Viertel der Endsumme der im abgelaufenen Haushaltsjahr getätigten Ausgaben begrenzt. 7

2. Einfachgesetzliche Ermächtigungen a) §6 Abs. 3 StabG Neben der in der Regel durch das jeweilige Haushaltsgesetz dem Finanzminister übertragenen Kreditermächtigung wird der Kreditrahmen des Finanzministers auf Weisung der Bundesregierung um bis zu fünf Mrd. D M erweitert, sofern im Rahmen der Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zusätzliche Ausgaben erforderlich sind. Diese Ermächtigung versetzt die Bundesregierung in die Lage, durch Stimulierung der öffentlichen Nachfrage einer nachfragebedingten Störung wirkam zu begegnen, ohne die mit der Verabschiedung eines Nachtragshaushaltes verbundene zeitliche Verzögerung berücksichtigen zu müssen. Gleichwohl stehen diese zusätzlichen Kreditmittel zweckgebunden ausschließlich zur Finanzierung für im Finanzplan (§ 9 i. V. m. § 10 StabG) veranschlagte Ausgaben oder als Finanzhilfe für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Verfügung. Insoweit bleibt das Budgetrecht des Parlaments, dem der an die laufende Entwicklung anzupassende und fortzuführende Finanzplan jährlich vorzulegen ist, unberührt; im Ergebnis ist eine in Abhängigkeit von konjukturellen Erfordernissen 4 Vergl. Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 6; Vogel ! Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 39. 5 Vergl. Bock, S. 87. 6 Vergl. Fischer-Menshausen, Art. 111 GG, Rdnr. 2 ff.; Heuer, Art. 111 GG, Rdnr. 6 ff. 7 Vergl. Maunz, Art. 111 GG, Rdnr. 29.

II. Ermittlung der Höhe der Einnahmen aus Krediten

139

erfolgende zeitliche Verschiebung der Realisierung mehrjährig veranschlagter Ausgaben zu konstatieren, keinesfalls jedoch ein Anstieg der Ausgaben insgesamt. b) § 20 Abs. 1 BBankG Durch § 20 Abs. 1 BBankG wird dem Bund ein kurzfristiger Kreditrahmen in Höhe von bis zu sechs Mrd. D M bei der Deutschen Bundesbank eingeräumt. Wie im Exkurs zu Kassenverstärkungskrediten 8 ausgeführt, dient diese Ermächtigung lediglich der Zwischenfinanzierung kurzfristiger Kassendefizite, sie stehen nicht als Deckungskredite zur Verfügung.

I I . Ermittlung der verfassungsrechtlich relevanten Höhe der Einnahmen aus Krediten Die Einnahmen aus Krediten unterliegen durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS. GG einer Begrenzung, die darüber hinaus durch die stetige Verpflichtung zur Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes überlagert ist. Indes vermag die Limitierung durch die Höhe der veranschlagten Investitonen nur wirksam zu greifen, wenn Klarheit über eine verfassungsgemäße Auslegung sowohl der Einnahmen aus Krediten als auch der Ausgaben für Investitionen besteht.

1. Die Auffassung im Schrifttum Im Schrifttum vertritt die wohl h. M. die Auffassung, daß unter Einnahmen im Sinne des Art. 115 GG lediglich die sog. Nettokreditaufnahme 9 zu verstehen sei. Gleichwohl vermögen die Begründungen nicht zu überzeugen. Wiebel führt an, daß das Volumen der Aufnahme von Krediten „nicht notwendig identisch ist mit dem Betrag der Einnahmen aus Krediten"," ( . . . ) allenfalls kleiner" 10 . Er konzediert, daß die Kreditbegrenzungsregel des Art. 115 Abs. 1 s Dazu oben, sub D. III. 4. Unter Nettokreditaufnahme ist derjenige Anteil der Krediteinnahmen zu verstehen, der nach Abzug der für die Umschuldung fälliger Kredite benötigten Krediteinnahmen verbleibt. Bruttokredit umfaßt demgegenüber das Kreditvolumen, welches vor Abzug der Umschuldungskredite besteht; so auch Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 18; Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 17; Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 86 ff.; Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 12; Schmidt-Bleibtreu I Klein, Art. 115 GG, Rdnr. 14; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 10. 10 Art. 115 GG, Rdnr. 85 f.; Fricke, S. 27 hält es für „folgerichtig", daß „unter der Prämisse des Kapitalentzugseffekts die Vorschriften des Gesetzgebers in der Haushaltspraxis im Sinne einer Nettobetrachtung ausgelegt werden". 9

140

Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Satz 2 GG lediglich für das veranschlagte Haushaltsjahr gelte, Umschuldungskredite jedoch keine Veränderung des Schuldenstandes bewirken, relevant im Hinblick auf Art. 115 GG sei daher lediglich die Nettokreditaufnahme. Zugleich stehen „Umschuldungskredite dem Bund, weil sie an die Stelle der älteren, bereits ausgegebenen Kreditmittel treten, nicht für dessen Ausgaben zur Verfügung" 11 . Sie können die vorhandene Verschuldung des Bundes nicht vergrößern und deshalb „dem Bund auch keine Einnahmen verschaffen", insoweit bedürfe nur „die Neuverschuldung einer verfassungsrechtlichen Schranke", so Birk. 12 Heun 13 begründet die Nettoveranschlagung von Krediten durch eine Einschränkung des Bruttoprinzips. Es sei „nur insoweit verfassungsrechtlich garantiert, wie der Schutz des Vollständigkeitsgrundsatzes es verlangt. ( . . . ) Sachlich begründete Ausnahmen seien neben der Sonderregelung für Bundesbetriebe und Sondervermögen vor allem für die Nettoveranschlagung der Kreditaufnahme erlaubt". Die gebotene „Informationsfunktion" werde durch Ausweis der „Bruttokreditaufnahme im Haushaltsplan durch Finanzierungsübersichten transparent gemacht". Dreißig 14 führt aus, daß Einnahmen und Ausgaben durch den Bruttoausweis „stark aufgebläht" werden, während es nicht zutreffe, daß „durch die Nettoveranschlagung der Verschuldungstransaktionen das Budgetrecht des Parlamentes beeinträchtigt" werde, andererseits „im GG in der Tat Einnahmen bzw. Ausgaben unter Einschluß der Krediteinnahmen bzw. Tilgungsausgaben definiert werden". Piduch 15, Fischer-Menshausen 16 und Schmidt-Bleibtreu / Klein 17 führen die einfachgesetzliche Regelung des § 15 Abs. 1 BHO an. 18 Heuer 19 verweist ergänzend auf die Entstehungsgeschichte. Maunz 20 grenzt die Aufnahme von Krediten gegen die Einnahmen aus Krediten ab, indem er Bezug nimmt auf den Einnahmebegriff des Art. 110 Abs. 1 GG. Mit der h. M. stellt er klar, daß in Art. 110 Abs. 1 GG das Gebot der Vollständigkeit, nicht jedoch das Bruttoprinzip, verankert ist. Eine Nettoveranschlagung von Krediteinh Wiebel, ebenda, Rdnr. 87; Patzig, Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Haushalte, S. 301; ders., Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 18. ι 2 Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, S. 747. 13 Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 429 f. 14 Zur Neuregelung der Kreditfinanzierung im Haushaltsrecht der BRD, in: FinArch. N. F., Bd. 29 (1971), S. 514. 15 Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115 GG, Rdnr. 29. 16 Art. 115 GG, Rdnr. 12. π Art. 115 GG, Rdnr. 14. is § 15 Abs. 1 BHO: „Die Einnahmen und Ausgaben sind in vollef Höhe und getrennt voneinander zu veranschlagen. Dies gilt nicht für die Veranschlagung der Einnahmen aus Krediten vom Kreditmarkt und der hiermit zusammenhängenden Tilgungsausgaben. (...)". 19 Art. 115 GG, Rdnr. 10. 20 Art. 110 GG, Rdnr. 33, 35, Art. 115 GG, Rdnr. 17, 41: „Der Begriff Einnahmen verweist auf Art. 110 GG."

II. Ermittlung der Höhe der Einnahmen aus Krediten

141

nahmen habe sich in der Praxis durchgesetzt, jedoch sei „das Bruttoprinzip nicht völlig aufgegeben" worden, da die Bruttokrediteinnahmen resp. Tilgungsausgaben weiterhin in den Anlagen zum Haushaltsplan (Finanzierungsübersicht und Kreditfinanzierungsplan) getrennt dargestellt werden. Weiterhin wird auf die Entstehungsgeschichte verwiesen, die Piduch dahingehend zusammenfaßt, „daß der Haushaltsplan grundsätzlich ein Bruttoplan bleiben müsse, daß aber für bestimmte haushaltsmäßige Sondertatbestände ( . . . ) eine Nettoveranschlagung nicht nur zweckmäßig, sondern verfassungsrechtlich auch zulässig sei". 21 Demgegenüber betont der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Haushaltsreformgesetzes, daß eine Abkehr von der „Bruttoveranschlagung nicht der Haushaltsklarheit" diene, es „finanzwirtschaftlich erwünscht (sei), aus den Haushaltsplänen der einzelnen Gebietskörperschaften ein klares Bild zu gewinnen. Diesem Erfordernis kann nur durch die Bruttoveranschlagung ( . . . ) entsprochen werden." 22 Kritisch und im Ergebnis ablehnend hat sich T. Sponheuer 23 zur Nettoveranschlagung geäußert.

2. Objektive Auslegung Das Bundsverfassungsgericht 24 hat wiederholt entschieden, daß für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift „der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinneszusammenhang ergibt". Der Entstehungsgeschichte und den Motiven kommt nur insoweit Bedeutung zu, „als sie die Richtigkeit einer nach diesen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigen".

a) Wortlaut

des Art. 115 GG

Die Finanzverfassung leistet keine Legaldefinition des Einnahmebegriffs. Ausgehend von einer „allgemein gebräuchlichen Bedeutung" des Begriffs Einnahmen ist festzustellen, daß „Einnahmen die dem Bund zufließenden Geldmittel sind" 25 . Eine Differenzierung in Brutto- oder Nettokrediteinnahmen nimmt Art. 115 GG nicht vor. Unstreitig ist, daß auch Kredite, die zu Prolongierungszwecken aufgenommen werden, dem Bund zufließende Geldmittel sind. 21 Piduch, Ist die Netto-Veranschlagung der Krediteinnahmen verfassungsrechtlich zweifelhaft?, in: DÖV 1969, S. 193; vergl. BT-Drucks. V/3605, S. 10. 22 Anlage 2 zur BT-Drucks. V/3040. 23 T. Sponheuer, Ist die Netto-Veranschlagung der Krediteinnahmen verfassungsrechtlich zweifelhaft? Erwiderung zu E. A. Piduch, ebenda, in: DÖV 1969, S. 489, 489 und 784. 2 * BVerfGE 10, 234 (244); 11, 126 (131); 45, 187 (227). 2 5 Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 85.

142

Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Die Vorschrift des Art. 115 GG differenziert jedoch zwischen der „Aufnahme von" und den „Einnahmen aus Krediten". Indes ist der bereits zitierten Auffassung Wiebels et al. nur insoweit zu folgen, als der Verfassungsgesetzgeber verschiedene Kreditvolumina mit beiden Begriffen umschreiben wollte. Keinesfalls zwingend erscheint es m. E., durch beide Begriffe ausschließlich auf Brutto- und Nettokreditaufnahme zu schließen. Der Unterschied zwischen der Aufnahme und der resultierenden Einnahme aus Krediten ergibt sich aus der spezifischen Form des Kredites selbst. Begibt der Bund diskontierte Schatzanweisungen (Finanzierungsschätze) oder aber Schuldverschreibungen, die aufgrund ihrer nominalen Verzinsung unter pari emittiert werden, so geht er eine Kreditverbindlichkeit in Höhe des Nominalbetrages ein, gleichwohl ist die Einnahme bei dieser Form des Kredites geringer als der Nominalbetrag, da er in Abhängigkeit von den Konditionen am Kapitalmarkt sowie der Laufzeit um den entsprechenden Zinsbetrag diskontiert wird. Die durch Gesetz zu erteilende Kreditermächtigung gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG zielt darauf ab, dem Parlament einen vollständigen Überblick über die künftige Haushalte infolge fällig werdender Schuldendienste belastenden Kreditaufnahmen zu geben (Prinzip der Haushaltswahrheit 26). Dabei ist weniger die Höhe der einzahlungswirksamen Krediteinnahmen von Interesse, sondern die in Abhängigkeit von der gewählten Kreditform eingegangene gesamte Kreditverbindlichkeit. Weiterhin ist das Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS GG dahingehend auszulegen, daß Äquivalenz der spezifisch zukunftsbelastenden Einnahmen und zukunftsbegünstigenden Ausgaben zu gewährleisten ist. Im Lastenausgleichsargument liegt die Legitimation für Einnahmen aus Krediten. 27 Investitionen wie Kredite entfalten ihre zukunftsbegünstigende resp. -belastende Wirkung ex defintione nicht im Jahr der Veranschlagung, sondern erst im Zeitablauf. Insoweit ist es eine unzulässige Verkürzung, die Folgelast wie auch den Folgenutzen (hoffentlich) einer Kreditaufnahme und Investition nur im Jahr der Veranschlagung oder Verfügung zu betrachten, im übrigen aber die verfassungsrechtlich normierte Äquivalenz für Umschuldungskredite zu negieren. Weder durch eine grammatische noch eine teleologische Auslegung des Deckungsgrundsatzes des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG läßt sich ein Einnahmenbegriff begründen, der nur einen Teil der Krediteinnahmen, i. e. der Anstieg der Kreditverbindlichkeiten, als relevant im Hinblick auf die Kreditbegrenzung durch das Junktim betrachtet. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die normative Intention des ersten Halbsatzes des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG dahingehend, daß „die Staatsverschuldung zu begrenzen" ist. Im Hinblick auf den notwendigen Entscheidungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber gilt es zu verhindern, daß sich, „jeweils 26 Vergl. Patzig, Grundriß, Rdnr. 94 f.; Maunz, Art. 110, Rdnr. 19; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1239 ff. 27 Vergl. Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben der Staatsverschuldung, S. 746.

II. Ermittlung der Höhe der Einnahmen aus Krediten

143

unterhalb der Höchstgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS GG ein stetig wachsender Schuldensockel bildet, der schließlich die Fähigkeit des Staatshaushalts, auf die Probleme der Gegenwart zu reagieren, in Frage stellt" 28 . Die Aufgabe des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG, die Verschuldung zu begrenzen, wird im Schrifttum uneingeschränkt geteilt. Allerdings läßt die Überlegung, daß lediglich die Nettokreditaufnahmen den Schuldenstand beeinflussen, insoweit lediglich dieser Teil der Krediteinnahme relevant sei, in unvertretbarer Weise Umschuldungskredite unberücksichtigt. Der Schuldenstand wird sowohl über die Art der Finanzierung fälliger Kreditlasten (Tilgung oder Prolongation) als auch durch den Ausgleich des laufenden Finanzierungssados im Kreditwege (sog. Nettokreditaufnahme) beeinflußt. Weiterhin ist der mit der Realisierung von Investitionen einhergegange Zuwachs des Bundesvermögens im Zeitablauf durch Werteverzehr resp. Abschreibung wertzuberichtigen, sodaß die Fortschreibung der Kreditlasten bei gleichzeitig vorzunehmender Neubewertung der Wertansätze für das Bundesvermögen sehr wohl Bedeutung für die Verschuldung des Bundes insgesamt hat. Die bei Begründung der Krediteinnahme gegebene Äquivalenz zwischen spezifisch zukunftsbegünstigenden und belastenden Wirkungen ist schlechterdings im Zeitablauf nur zu gewährleisten, wenn mit dem zu antizipierenden Werteverzehr der getätigten Investition eine Rückführung des Schuldenstandes einhergeht, andernfalls ist durch eine Prolongation der nominalen Kreditlast ein negativer Einfluß auf die Verschuldens- und Vermögensituation des Bundes zu konstatieren.

b) Sinnzusammenhang (Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG) Der Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG schreibt vor, daß „alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen sind". Die Bedeutung des Adjektivs „alle" in bezug auf seine haushaltsrechtliche Relevanz läßt nur eine Interpretation zu: es besagt eindeutig, daß eben alle und nicht nur bestimmte Einnahmen oder Ausgaben im Haushaltsplan zu veranschlagen sind. Eine Verrechnung bestimmter Einnahmen und Ausgaben dergestalt, daß ein Saldo in den Haushaltsplan eingebracht wird, läßt der Wortlaut nicht zu. 29 Durch eine Saldierung würde nicht nur das Haushaltsvolumen selbst gekürzt, sondern Einnahmen und Ausgaben in Höhe der sich bei der Saldierung ausgleichenden Beträge unberücksichtigt bleiben. 30

28 BVerfGE 79, 311 (337). 29 So auch G. Kisker, Staatshaushalt, § 89, Rdnr. 63: „Es genügt also nicht, den Saldo zu veranschlagen."; Vogel, Verfassungsfragen der Investitionszulage und verwandter Vergünstigungen, in: DÖV 1977, S. 842; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1240 f. 30 Vergl. Sponheuer, S. 487; H.-W. Arndt, Staatshaushalt und Verfassungsrecht, JuS 1990, S. 344 f.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Die einzige Einschränkung ergibt sich durch das zeitliche Moment des Haushaltsplans.31 In Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG wird festgelegt, daß der Haushaltsplan für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festzustellen ist. Überwiegend wird das Haushaltsgesetz für ein Rechnungsjahr verabschiedet. Alle während der Dauer dieses Rechnungsjahres auszahlungswirksamen Ausgaben und einzahlungswirksamen Einnahmen sind in den Haushaltsplan aufzunehmen. Weitere Einschränkungen sind dem Wortlaut des Art. 110 GG nicht zu entnehmen. Insoweit sind unter Einnahmen im Sinne des Art. 110 GG sowohl laufende (endgültige) Einnahmen wie Steuern, Gebühren, Beiträge oder Einnahmen aus der Veräußerung von Bundesvermögen, als auch einmalige (vorläufige) Einnahmen, hierunter fallen Einnahmen aus Krediten, zu subsumieren. Als Ausgaben gelten alle kassenmäßig abzuwickelnden, vom Bund zu erbringenden Geldleistungen, insbesondere jedoch Zins- und Tilgungsausgaben. Der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG „in den Haushaltsplan einzustellen" kann nur im Sinne einer einheitlichen Veranschlagung aller Einnahmen und Ausgaben verstanden werden. Im Grundgesetz wird eindeutig auf einen singulären Haushaltsplan abgestellt.32 Die Regelung des Art. 110 GG steht unter keinem Regelungs- oder Gesetzesvorbehalt, daher ist eine contra constitutionem Konkretisierung oder gar Einschränkung durch Bundesgesetze verfassungswidrig. Nur bei Bundesbetrieben und Sondervermögen ist es statthaft, lediglich die Zuführungen oder die Ablieferungen in den Haushaltsplan einzustellen. Kriterien zur Bestimmung, ob eine Einnahme oder Ausgabe gemäß Art. 110 Abs. 1 GG im Haushaltsplan zu veranschlagen ist, sind auf der Einnahmenseite, daß die ausgewiesenen Mittel zur Deckung ohne Rücksicht auf ihre Herkunft dienen, auf der Ausgabenseite, daß es sich um vom Bund zu leistende Ausgaben handelt, sowie aus dem Fälligkeitsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß nur diejenigen Einnahmen, die keine Bundeseinnahmen sind, nicht in den Bundeshaushalt aufgenommen werden müssen.33 Zu den konstitutiven Elementen des öffentlichen Kredites zählt die Rückzahlungsverpflichtung des Bundes. Der Ausgabecharakter der RückZahlungsverpflichtung ist unbestritten. Inwieweit der Bund dieser RückZahlungsverpflichtung durch Steuereinnahmen oder aber erneute Krediteinnahmen nachkommt, ist irrelevant, da das in § 7 HGrG (§ 8 BHO) verankerte Non-Affektationsprinzip grundsätzlich alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben zuläßt. Zwingend jedoch ist der Ausgleich nicht nur, um dem RückZahlungsanspruch des Kredit31 Der zeitliche Aspekt wird durch das Fälligkeitsprinzip normiert; es hat Verfassungsrang, dazu: Fischer-Menshausen, Art. 110 GG, Rdnr. 9; Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 31. 32 Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 110 GG, Rdnr. 14: „Für ein Haushaltsjahr soll grundsätzlich ein Haushaltsplan aufgestellt werden. Alle Einnahmen und Ausgaben sind in diesem einen Plan zu veranschlagen.". 33 Vergl. BVerfGE 4, 26.

II. Ermittlung der Höhe der Einnahmen aus Krediten

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gläubigers zu genügen, darüber hinaus fordert es das Ausgleichgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG. Weiterhin normiert die Vorschrift des Art. 110 GG den klassischen Haushaltsgrundsatz der Vollständigkeit. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht wird es dahingehend interpretiert, daß der Haushaltsplan sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staates in voneinander getrennten Voranschlägen enthält. 34 Neumark 35 fordert, daß der Haushaltsplan ein Bruttoplan sein müsse, Senf 36 bekräftigt, daß das Vollständigkeitspostulat auch das Bruttoprinzip enthalte, wonach Einnahmen und Ausgaben nicht saldiert werden dürfen. Es stelle eine „idealtypische Maxime auf, nach der die Gesamtheit der finanziellen Verhältnisse einer Gebietskörperschaft zu erfassen sind". Im juristschen Schrifttum besteht Konsens darüber, daß das Vollständigkeitsgebot in Art. 110 GG verankert ist. 37 Die Frage, ob das Vollständigkeitsgebot ohne eine Bruttoveranschlagung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben zu verwirklichen ist, wird kontrovers beantwortet. 38 Eine Nettoveranschlagung von Einnahmen und Ausgaben wird durch den zweiten Halbsatz des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinne eines ausnahmefähigen Gebotes explizit nur für Bundesbetriebe und Sondervermögen verfassungsrechtlich normiert. Die Logik gebietet, daß der Ausnahme ein grundsätzlich gültiges Prinzip, hier die Bruttoveranschlagung, vorausgeht. Eine andere Auslegung erscheint ohne Verstoß gegen allgemeine Denkgesetze unmöglich. 39

34 Vergl. F. Neumark, Theorie und Praxis der Budgetgestaltung, in: HdF, Bd. 1, S. 574 f.; P. Senf, Kurzfristige Haushaltsplanung, in: HdF, Bd. 1, S. 393 f. 35 Ebenda, S. 575. 36 Kurzfristige Haushaltsplanung, S. 393, wobei er einerseits auf die Gefahr verweist, daß das Recht, brutto zu vereinnahmen und nur netto abzuliefern, die Korruption begünstigt, andererseits jedoch die einfachgesetzliche Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO anführt, um die Legalität der Ausnahme der Nettoveranschlagung von Krediten gegenüber dem uneingeschränkten Verfassungsgebot der Vollständigkeit zu begründen. 37 Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 9; Schmidt-Bleibtreu ! Klein, Art. 110 GG, Rdnr. 13 f.; Piduch, Art. 110 GG, Rdnr. 31; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1239; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 429; Patzig, Grundriß, Rdnr. 86 ff.; ders., Haushaltsrecht, Art. 110 GG, Rdnr. 1 ff.; Heuer, Art. 110 GG, Rdnr. 7. 38 Beide Postionen wurden erstmals von Sponheuer, S. 486, 489 und 784 sowie Piduch, Ist die Nettoveranschlagung der Krediteinnahmen verfasungsrechtlich zweifelhaft?, in: DÖV 1969, S. 190, 193 und 795, jeweils m. w. N., erörtert; erneut ausführlich behandelt von Rottländer, S. 68 ff.. Er gelangt zu dem Ergebnis, daß das Bruttoprinzip für die Erstellung des Haushaltsplanes vorgeschrieben ist; Birk, Das Haushaltsrecht in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: JA 1983, S. 565. 39 Sponheuer, S. 487. 10 Lappin

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

c) Einfachgesetzliche

Regelungen

aa) Einnahmen aus Krediten In § 10 Abs. 3 HGrG (§ 13 Abs. 3 BHO) wird der Einnahmen- und Ausgabenbegriff umfassend einfachgesetzlich definiert. Demnach zählen zu den Einnahmen: Steuern, Verwaltungseinnahmen, Einnahmen aus Vermögensveräußerungen, Darlehensrückflüsse, Zuweisungen aus Krediten, wozu nicht Kredite zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft (Kassenverstärkungskredite) zählen, Entnahmen aus Rücklagen, Münzeinnahmen. Den Ausgabentatbestand erfüllen: Personalausgaben, sächliche Verwaltungsausgaben, Zinsausgaben, Zuweisungen an Gebietskörperschaften, Zuschüsse an Unternehmen, Tilgungsausgaben, Schuldendiensthilfen, Ausgaben für Investitionen, Darlehen, Zuführungen an Rücklagen. Die Regelungen wurden als Ausführungsgesetze zu Art. 109 Abs. 3 GG erlassen, um insbesondere Grundsätze für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft zu normieren. Unbeschadet ihrer Verwendung erfüllen lediglich Kassenverstärkungskredite nicht den Einnahmetatbestand, da sie nicht als Deckungsmittel zur Verfügung stehen. Insoweit findet eine Differenzierung der Einnahmen aus Krediten hinsichtlich ihrer Veranschlagungspflicht danach, daß sie als Dekkungsmittel für künftige, kreditär zu finanzierende Ausgaben zur Verfügung stehen und damit in den Haushaltsplan einzustellen, oder aber der Refinanzierung fälliger Kredite dienen und damit von der Veranschlagung auszunehmen sind, weder im Haushaltsgrundsätzegesetz noch in der Bundeshaushaltsordnung eine Bestätigung. Darüber hinaus erfüllen Tilgungsausgaben den Ausgabentatbestand. Ihre Dekkung ist grundsätzlich durch die Gesamtheit der angeführten Einnahmen sicherzustellen, ohne eine Zuordnung bestimmter Ausgabenarten zu treffen. (§ 7 Satz 1 HGrG; Prinzip der Non-Affektation). Sie erhöhen jedoch die Summe der Ausgaben, für die ein Ausgleich obligatorisch ist (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG). Während § 10 Abs. 3 HGrG (§ 13 Abs. 3 BHO) keinen Ansatzpunkt für die Differenzierung von Krediten in bezug auf den Einnahmetatbestand bietet, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG eindeutig auf einen singulären Haushaltsplan abstellt, in dem alle Einnahmen aus Krediten auszuweisen sind, konkretisiert § 10 Abs. 4 HGrG (§13 Abs. 4 BHO) den Haushaltsplan durch einen Gesamtplan, der aus einer Haushaltsübersicht, einer Finanzierungsübersicht und einem Kreditfinanzierungsplan besteht, Einnahmen aus Krediten indes differenziert ausweist.40 Die 40 Dazu oben, sub C. III. 1., vergl. auch Patzig, Haushaltsrecht, § 13 BHO, Rdnr. 36 ff.; v. Köckritz ! Ermisch I Lamm, Bundeshaushaltsordnung, Kommentar, § 13 BHO, Rdnr. 9; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. II, § 13 BHO, Rdnr. 13 ff.

II. Ermittlung der Höhe der Einnahmen aus Krediten

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Haushaltsübersicht dient der Darstellung des Haushaltsvolumens ingesamt, insoweit berücksichtigt sie alle Krediteinnahmen. Die Finanzierungsübersicht berücksichtigt weder Krediteinnahmen zur Prolongierung, noch zur Deckung eines Finanzierungssaldos. Im Kreditfinanzierungsplan schließlich werden alle Einnahmen aus Krediten ausgewiesen. bb) Bruttoveranschlagung Die Brutto Veranschlagung von Einnahmen und Ausgaben wird durch § 12 HGrG noch einmal einfachgesetzlich bestätigt, jedoch im Sinne eines ausnahmefähigen Prinzips. Da das Haushaltsgrundsätzegesetz für Bund und Länder gleichermaßen gilt, läßt der Ausnahmevorbehalt offen, für welche Gebietskörperschaft er relevant ist. Deshalb gilt es zunächst zu klären, ob es für den Bund anwendbar ist. Art. 110 GG normiert das Vollständigkeitsprinzip explizit nur für den Bund. Eine Ausnahmemöglichkeit von der implizit normierten Bruttoveranschlagung ist durch den zweiten Halbsatz des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG lediglich für Bundesbetriebe und Sondervermögen gegeben.41 Einfachgesetzliche Regelungen, die im Widerspruch zu Verfassungsprinzipien stehen, können schlechterdings keine Wirkung entfalten. Insoweit besteht das Wahlrecht einer Nettoveranschlagung von Krediteinnahmen resp. die Vorabsaldierung fälliger Tilgungsausgaben lediglich für Länder, Sondervermögen und Bundesbetriebe. Gleichwohl wurde die im HGrG fakultativ normierte Nettoveranschlagung von Einnahmen aus Krediten in der BHO (§15 Abs. 1 Satz 2) für den Bund verbindlich einfachgesetzlich normiert. 42 Weiterhin ist das Non-Affektationsprinzip (§ 7 HGrG, § 8 BHO) anzuführen: Eine Saldierung von Tilgungsausgaben mit Teilen der Einnahmen aus Krediten widerspricht dem Grundsatz der Gesamtdeckung.

3. Quintessenz Die Auffassung des Schrifttums, wonach die Einnahmen aus Krediten in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 1. HS. GG lediglich die sog. Nettokreditaufnahme abstellen, läßt sich bei objektiver Auslegung des Art. 115 GG nicht hinreichend begrün-

41 Wie oben, sub Ε. II. 2. b) ausgeführt; vergl. insb. Rottländer, S. 87 ff. 42 Befremden löst aus heutiger Sicht die Begründung zur Bundeshaushaltsordnung aus, dazu BT-Drucks. V/3040, Tz. 165: Eine „Steigerung des Haushaltsvolumens infolge der „Umschuldung der aus konjunkturpolitischen Gründen aufgenommenen kürzerfristigen Krediten" sollte vermieden werden, da sie „keine Wirkungen vor allem gesamtwirtschaftlicher Art entfalten". Faktisch dominieren heute Umschuldungen, die auf strukturelle Defizite zurückzuführen sind, von denen prima vista nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie die Zielprojektionen des Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 Satz 2 StabG konterkarieren. 10*

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

den. Der Wortlaut des Art. 115 GG liefert keinen Anhalt für eine Differenzierung der Einnahmen aus Krediten in bezug auf ihre Verwendung für kreditär zu finanzierende Ausgaben oder aber die Prolongation fälliger Kreditlasten. Der situationsbezogene Deckungsgrundsatz des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG hat neben der Gewährleistung der Begrenzung der Verschuldung sicherzustellen, daß der kreditpolitische Handlungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber erhalten bleibt. Darüber hinaus ist die durch das Junktim normierte Äquivalenz zukunftsbelastender und -begünstigender Maßnahmen nicht auf das Haushaltsjahr der Veranschlagung resp. Verfügung der Investitionen zu reduzieren. Oftmals zeigt sich erst im Zeitablauf, daß die erwartete zukunftsbegünstigende Wirkung geringer ausfällt oder aber, daß die Realisierung der Investition eine Reihe von Folgekosten nach sich zieht, die eine Revidierung der Gesamtbeurteilung der Ausgabe erforderlich machen. Eine fortwährende Prolongation von Kreditlasten ohne Berücksichtigung resp. Wertberichtigung der noch zukunftsgegünstigenden Wirkung der korrespondierenden realiserten Investitionsausgaben führt zwangsläufig zu einer Vermögensverschlechterung des Bundes. Ein zu konstatierender Fortfall der antizipierten zukunftsbegünstigen Wirkung einer Investitionsausgabe bei gleichzeitiger Fortschreibung der anfänglichen Kreditlast engt den verfassungsrechtlich geschützten und vom jeweiligen Haushaltsgesetzgeber zu beachtenden Handlungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber nachhaltig ein. Insoweit geht die Annahme, die Umschuldung fälliger Kreditlasten tangiere nicht den laufenden Haushaltsplan, fehl. Real dürfte kaum eine Ausgabe geeignet erscheinen, zeitlich unbefristet als ein Äquivalent für die korrespondierende Kreditlast zu dienen. Die von Maunz aufgezeigte Parallele zum Einnahmebegriff des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG bietet keinen Anhalt für eine Differenzierung der Einnahmen aus Krediten. Das verfassungsrechtlich normierte Haushaltsprinzip der Vollständigkeit bedingt aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht das Bruttoprinzip, d. h. die getrennte Veranschlagung aller Einnahmen und Augaben ohne vorherige Saldierung. Ausnahmen bestehen lediglich für Bundesbetriebe und Sondervermögen, indes nicht schrankenlos, sondern nur bei sachlich gerechtfertigten Gründen. Kriterien für den Einnahmetatbestand von Krediten bestehen lediglich in der Deckungsfähigkeit, der Einnahme Wirksamkeit im veranschlagten Rechnungsjahr und der eindeutigen Zuweisbarkeit zu Bundeseinnahmen; sie werden von Krediteinnahmen, unbeschadet ihrer Verwendung zur Finanzierung künftiger Ausgaben oder der Fortführung der kreditären Finanzierung bereits in einer vorangegangenen Haushaltsperiode getätigter Ausgaben gleichermaßen erfüllt. Die einfachgesetzlichen Regelungen des HGrG und der BHO führen Kredite explizit als Einnahmen im Sinne des Gruppierungsplans auf. Lediglich Kassenverstärkungskredite werden ausgenommen, da es ihnen am Tatbestandsmerkmal der Deckungsfähigkeit mangelt. Die Veranschlagung sämtlicher Krediteinnahmen wird im Grundsatz durch § 12 Abs. 1 Satz 1 HGrG (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BHO)

III. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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bestätigt. Fakultativ läßt § 12 Abs. 1 Satz 2 HGrG Ausnahmen von der getrennten und in voller Höhe erforderlichen Veranschlagung für Kredite zu, die der Umschuldung dienen, ohne dabei jedoch den Einnahmetatbestand in Frage zu stellen. Da das Haushaltsgrundsätzegesetz einfaches Bundesgesetz ist, der Bund durch Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG zur Einstellung aller Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan verpflichtet ist, besteht die Möglichkeit der Nettoveranschlagung lediglich für die übrigen Gebietskörperschaften. Insoweit verstößt die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 BHO de lege lata gegen Verfassungsrecht. Abschließend sei noch einmal auf den Kreditbegriff verwiesen: Aus jeder Kreditaufnahme resultieren zeitlich befristete Einnahmen, die bei Fälligkeit zu Ausgaben werden. Das Spezifikum des Kredits besteht in der zeitlichen Verlagerung der Fälligkeit einer Ausgabe. Es steht dem Haushaltsgesetzgeber frei, den Ausgleich der fälligen Kreditlast durch erneute Kredite oder aber Steuereinnahmen zu bewirken. Den Einnahmetatbestand zum Zwecke des Ausgleichs fälliger Kreditlasten erfüllen Kredite und Steuern gleichermaßen. Insoweit sind unter Einnahmen aus Krediten im Sinne des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG sämtliche Krediteinnahmen zu verstehen, d. h. die Bruttoveranschlagung ist maßgeblich.

I I I . Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen Die Haushaltsreform zielte darauf ab, dem Haushaltsgesetzgeber durch eine verfassungsrechtlich normierte Ausweitung der kreditären Ausgabenfinanzierung einen Handlungsspielraum zu eröffnen, der es ihm ermöglichen sollte, seiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung Rechnung zu tragen. Gleichwohl ist zu betonen, daß — wie oben, sub C. ausgeführt — kreditär finanzierte Ausgaben der Sache nach reversibel zu gestalten oder aber eine zukunftsbegünstigende Wirkung zu entfalten haben, sodaß die Krediteinnahmen nicht im Zeitablauf zu einer Last werden, die einerseits durch steigende Zinsausgaben immer größere Teile der Ausgaben determiniert, sodaß der haushaltspolitische Handlungsspielraum sich Zusehens reduziert, andererseits Kredite ihre verfassungsrechtlich normierte Funktion, bei der Abwehr nachfragebedingter Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes als wirksames konjunkturpolitsches Instrument zur Verfügung zu stehen, einbüßen. Der Verfassungsgesetzgeber hat daher neben der ständigen Verpflichtung der gesamten Haushaltswirtschaften zur Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes für den Gleichgewichtsfall die Höhe der Einnahmen aus Krediten auf die Höhe der veranschlagten Investitonsausgaben begrenzt, ohne damit jedoch in jedem Falle das Ausschöpfen dieses Limits zuzulassen.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

1. Die Höhe der veranschlagten Ausgaben für Investitionen als Kreditrahmen Der Verfassungsgesetzgeber hat die Aufgabe, den Investitionsbegriff zu definieren, durch Art. 115 Abs. 3 GG dem Bundesgesetzgeber auferlegt. Der Legaldefinition des Investitionsbegriffes kommt eine entscheidende Funktion bei der rechtlichen Beurteilung der zulässigen Höhe der Einnahmen aus Krediten zu, da bei der Quantifizierung der Höhe der Investitionsausgaben im Unterschied zur Beurteilung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes dem Haushaltsgesetzgeber im Zweifel keine Einschätzungsprärogative zuzubilligen ist. Indes bedurfte es einer unmißverständlichen Aufforderung durch das Bundesverfassungsgericht, um den Bundesgesetzgeber zu einer gesetzlichen Regelung zu veranlassen. 43 Für einen langen Interimszeitraum folgte der Haushaltsgesetzgeber einer im Wege der Verwaltungsvorschrift ergangenen Definition des Investitionsbegriffs. Im Rahmen der Vorschriften zur Haushaltssystematik des Bundes v. 23.10.1973, gestützt auf §§13 Abs. 3 Ziffer 2,14 Abs. 1 BHO, präzisierte die Verwaltungsvorschrift den Investitionsbegriff dergestalt, daß unter Ausgaben für Investitionen die im Gruppierungsplan unter den Hauptgruppen 7 (Baumaßnahmen) und 8 (Sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen) angeführten Ausgabenarten zu verstehen seien.44 Die juristische Verknüpfung von Gruppierungsplan und verfassungsrechtlicher Begriffsbildung bleibt im Dunkel. 4 5 Eine „authentische Interpretation" 46 eines Verfassungsbegriffs vermag eine durch die Exekutive vorgenommene Verwaltungsvorschrift nicht zu leisten. Insoweit hat die Exegese der Ausgaben für Investitionen im Sinne des Art. 115 GG zunächst maßgeblich am Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Vorschrift selbst zu erfolgen.

43 BVerfGE 79, 311 (355). 44 Vergl. MinBIFBW 24. Jg. 1973, S. 619 ff. (insb. S. 620, 652). 45 Wiss. Beirat beim BdF, Gutachten zum Begriff der öffentlichen Investition, S. 20; wenngleich vereinzelt auf eine zum Zeitpunkt der Hauhaltsreform „bereits gewachsene Systematik", so Schmidt-Bleibteu l Klein, Art. 115 GG, Rdnr. 7, verwiesen wird, wesentliche Teile des Schrifttums die Definition der Verwaltungsvorschrift übernehmen, etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1281, Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 33, muß die Präjudizierung der Auslegung des verfassungsrechtlichen Investitonsbegriffs durch den Inhalt einer Verwaltungsvorschrift als Juristisches Unikum" erscheinen, so Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 47. 46 Wiss. Beirat, ebenda, S. 41; Stern, Verfassungsrechtliche Aspekte der Staatsverschuldung unter Berücksichtigung von Art. 115 GG, S. 58; BVerfGE 79, 311 (355).

III. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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a) Sinn und Zweck des Art. 115 Abs. 1 GG aa) Natürliches Begriffsverständnis Investitionen bilden gemeinhin das Pandon zu Ausgaben für Konsum. Während konsumtive Ausgaben in der laufenden Periode verbraucht werden, ist bei Ausgaben für Investitionen eine zukunftsbegünstigende Wirkung zu antizipieren. Darüber hinaus wird einer Investition in der Regel eine Rentabilität beigemessen, dergestalt, das die Quantifizierung der zukunftsbegünstigenden Wirkungen die Ausgaben für die Investition überschreiten sollte. Für den Bereich öffentlicher Investitionen ist die Ermittlung einer einzelwirtschaftlichen Rentabilität jedoch irrelevant. 47 Die Wirkungen öffentlicher Investitionsausgaben lassen sich oftmals nicht direkt der einzelnen Investition zuordnen. Der Wortlaut des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG stellt ab auf die Summe der Ausgaben, nicht jedoch das einzelne Investitionsobjekt, sodaß hier auf den Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität insgesamt abzustellen ist. Der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung des Art. 115 GG ist zu entnehmen, daß die makroökonomische Betrachtung relevant ist. 48 Obgleich von Seiten der Wirtschaftswissenschaften bisweilen die Ermittelbarkeit gesamtwirtschaftlicher Erträge öffentlicher Investitionen beklagt wird, vermag diese Kritik nicht die in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG normierte „Grenze außer Kraft zu setzen"49. Zu differenzieren ist weiterhin zwischen Ausgaben, die die gesamtwirtschaftliche Produktivität „lediglich" erhalten oder aber vermehren und steigern. Unter Bruttoinvestitionen werden allgemein alle Investitionsausgaben, unabhängig von ihrem erhaltenden oder aber steigernden Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität verstanden, während durch die Berücksichtigung von Abschreibungen als Äquivalent des Werteverzehrs in der laufenden Periode Nettoinvestitionen ermittelt werden.

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Birk, Diefinanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, S. 747; Karehnke, S. 401; Fricke, S. 26; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 11; L. Osterloh, Staatsverschuldung als Rechtsproblem?, in: NJW 1990, S. 148; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1279; Patzig, Zur Problematik der Kreditfinanzierung staatlicher Haushalte, in: DÖV 1985, S. 304. 48 Vergl. BT-Drucks. V/3040, Tz. 134, S. 47; diese Auffassung wird im Schrifttum geteilt: Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 19; Wiebel, Art. 115 GG; Rdnr. 109, SchmidtBleibtreu / Klein, Art. 115 GG; Rdnr. 6, Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 13; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115, Rdnr. 29. 4 9 Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 29; insoweit sind die Wirtschaftswissenschaften gefordert, ggfs. über Hilfsgrößen eine Quantifizierung des Einflusses auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität zu entwickeln oder aber Alternativkriterien aufzuzeigen, die im Ergebnis eine wirksame — durch den Investitionsbegriff verfassungsrechtlich intendierte — Begrenzung der Staatsverschuldung ermöglichen.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

bb) Erfordernis eines engen Investitionsbegriffs Der normativen Intention des Art. 115 GG, die Staats Verschuldung zu begrenzen, würde eine weite Auslegung des Investitonsbegriffs geradewegs zuwiderlaufen. Die politische Bremsfunktion des Art. 115 GG bedingt eine enge Auslegung. Je restriktiver dabei verfahren wird, umso eher wirkt die Kreditbremse. 50 Die in der Begründung zur Haushaltsreform angeführte sehr weite Auslegung des Investitionsbegriffs vermag der normativen Intention des Art. 115 GG nicht gerecht zu werden. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, daß eine solche Bandbreite von Verfassungs wegen keineswegs festgeschrieben ist. 51 Insoweit steht die teleologische Auslegung des Junktims einer im Schrifttum, aber auch in der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung des Art. 115 GG angeführten Definition 52 wirksam entgegen. Der von Birk 53 und Osterloh 54 vertretenen Position eines weiten Investitionsbegriffs ist zu widersprechen. Birk führt Entstehungsgeschichte und Zweck des Art. 115 GG an, um grundsätzlich festzustellen, daß der Investitionsbegriff „relativ offen sein muß". Dem ist entgegenzuhalten, daß die Materialien zur Entstehungsgeschichte keinesfalls zwingend auf ein weites Begriffsverständnis deuten, vielmehr ist dem schriftlichen Bericht des Haushaltsausschusses zu entnehmen, daß Einigkeit darüber bestand, „daß dieser Begriff eng zu fassen ist" 5 5 . Auch der Zweck des Art. 115 GG bietet keinen Ansatz für ein weites Begriffsverständnis. Eine enge Auslegung des Investitionsbegriffes bedeutet keine Beschränkung der Haushaltsfunktion auf Bedarfsdeckung, sie gewährleistet vielmehr, daß Kredite ihre verfassungsrechtlich normierten Finanzierungs- und Gestaltungsfunktionen nicht verlieren. Da die Deckungsregel des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG als ausnahmefähiges Prinzip formuliert wurde, tritt im Falle der Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes an die Stelle eine quantitativen (Ausgaben für Investitionen) eine qualitative Begrenzung, die dem Haushaltsgesetzgeber hinreichend kreditpolitischen „Spielraum" zur Abwehr einer Störung eröffnet. Da Investitionsausgaben keiner einzelwirtschaftlichen Beurteilung unterliegen, 50 Eine enge Auslegung des Investitionsbegriffs vertreten: Wiss. Beirat beim BMF, ebenda, S. 47, Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 30, 32; Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 110; Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 49; Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 13; Karnehnke, S. 401. 51 Vergl. BVerfGE 79, 311 (354 f.). 52 BT-Drucks. V/3040, Tz. 134, S. 47: „Unter dem Begriff »Ausgaben für Investitionen4 sind öffentliche Ausgaben zu verstehen, die bei makro-ökonomischer Betrachtung die Produktionsmittel der Volkswirtschaft erhalten, vermehren oder verbessern."; demgegenüber stellt der Haushaltsausschuß in seinem Schriftlichen Bericht zu den Entwürfen des HGrG und der BHO(zu BT-Drucks. V/4378, V/4379, S. 11) fest, daß er sich darüber einig war, „daß dieser Begriff (Investition, eigene Anm.) eng zu fassen ist". 53 Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, S. 747 ff. 54 S. 149 ff. 55 Nachweis oben, sub Fn. 52.

. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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es insoweit zumindest offen ist, ob der mit der Investition direkt oder indirekt verbundene zukunftswirksame Erfolg geeignet ist, die unstrittig zukunftsbelastende Wirkung der korrespondierenden kreditären Finanzierung zu kompensieren, führt ein weiter Investitionsbegriff potentiell zu einem Verlust der verfassungsrechtlich normierten Finanzierungs- und Gestaltungsfunktion künftiger Krediteinnahmen. Demgegenüber macht die „Einführung eines zukunftsorientierten Investitionsbegriffs deutlich, daß das Grundgesetz die Möglichkeit der Gegenwart, auf Kosten der Zukunft zu leben, einschränken w i l l " . 5 6 Osterloh konstatiert, daß „ökonomisch fundierte Aussagen über den Zukunftswert staatlicher Ausgaben" 57 , die eine klare Abgrenzung konsumtiver und investiver Ausgaben ermöglichen, „zumindest gegenwärtig nicht in Sicht" 58 sind. In Ermangelung einer ökonomisch begründeten Substantiierung fordert Osterloh, die Unbestimmtheit des Investitionsbegriffs zu akzeptieren, und es dem Parlament im Wege der Einschätzungsprärogative zu überlassen, „im Rahmen des möglichen Wortsinns den investiven Wert veranschlagter Ausgaben in eigener Verantwortung zu bestimmen" 59 . Die Begrenzungsfunktion des Junktims des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ist durch eine weite Auslegung des Investitionsbegriffs „nur programmatisch" 60 zu umreißen. Würde man dieser Auffassung folgen, wäre die „vom Grundgesetz intendierte Begrenzungsfunktion des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG vollends obsolet" 61 . Die Zukunftslasten einer kreditären Ausgabenfinanzierung sind mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen, bestehen demgegenüber Zweifel an der Zukunftswirksamkeit der Investitionsausgaben, so kann der durch das Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gebotenen Begrenzungsfunktion der Staatsverschuldung im Sinne eines Schutzes künftiger Steuerzahler vor Finanzierungslasten, deren Nutzen bereits verbraucht ist, schlechterdings nur durch eine enge Auslegung des Investitionsbegriffs entsprochen werden. 62 Die Begrenzung der Staatsverschuldung wird durch die Berücksichtigung von Investitionen, die lediglich dem Erhalt der gesamtwirtschaftlichen Produktivität dienen, konterkariert. Von Ersatzinvestitionen gehen „kaum Wachstumseffek56 Wolf, S. 150; zustimmend: Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 11; Höfling, Verfassungsfragen einer kreditfinanzierten Konjunkturpolitik, S. 31; P. Kirchhof, Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 55; Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 30. 57 Osterloh, S. 149. 58 Ebenda. 59 Osterloh, S. 151. 60 Osterloh, S. 152. 61 Friauf, § 91, Rdnr. 48. 62 Im Ergebnis zustimmend: BMF, Aufgaben und Ziele einer neuen Finanzpolitik, S. 28, wobei ausgehend von der Feststellung, daß „der Nutzen heutiger staatlicher Investitionen in 20, 30 oder mehr Jahren nicht immer gewährleistet" ist, „ein dauerhafter Ertrag ( . . . ) jetzt schon in Zweifel gezogen werden kann", die „ Z i n s l a s t e n für den künftigen Steuerzahler feststehen", sich eine kreditäre Finanzierung verbietet.

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te" 6 3 aus, „denn in Höhe des laufenden Werteverzehrs werden ja gerade keine Güter für zukünftige Perioden bereitgestellt, sondern der Nutzungsverzehr der Vergangenheit ersetzt". 64 Die Vorschriften zur Haushaltssystematik des Bundes dokumentieren eine widersprüchliche Position zur Veranschlagung von Ersatz- und Erhaltungsinvestitionen. Einerseits wird Bezug genommen auf die in der Begründung zum Regierungsentwurf zur Neufassung des Art. 115 GG angeführte Definition, die explizit Ausgaben, die „die Produktionsmittel der Volkswirtschaft erhalten" 65 unter dem Investitionsbegriff subsumiert, andererseits wird in der Vorschrift ausgeführt, daß Investitionen „mit dem Ziel, die Produktion von Leistungen und Gütern und damit die Verbrauchsmöglichkeiten in einem späteren Zeitpunkt zu steigern" 66 , zu tätigen sind. Ausgaben, die lediglich den Erhalt oder Ersatz der bestehenden Produktion fördern, sind ex definitione nicht mit dem zitierten Ziel in Einklang zu bringen. Betrachtet man die gegenwärtigen Haushaltspraxis, so führt eine erneute Fremdfinanzierung einer im Zeitablauf „verbrauchten Investition", seil. Ersatzinvestition, zu einer Verdoppelung der Zins- und Tilgungslast, da faktisch die RückZahlungsverpflichtung durch fortwährende Umschuldung umgangen wird. Nur Nettoinvestitionen mehren den öffentlichen Vermögensbestand, während bei der zu konstatierenden permanenten Prolongation des bestehenden Schuldenstandes die Kreditlasten jeweils um die Höhe der veranschlagten Höhe der Bruttoinvestitionen steigen. Im Ergebnis führt diese Veranschlagungspraxis zu einem Auseinanderdriften von öffentlichem Schuldenstand und korresondierendem Vermögensbestand.67 Daher werden die grundsätzlichen Bedenken dagegen, daß die Veranschlagung von Bruttoinvestitionen einen geeigneten Begrenzungsmaßstab zur Positivierung der normativen Intention des Art. 115 GG bildet, im Zeitablauf „eher an Gewicht gewinnen". 68 Patzig führt formale Gründe an, die gegen eine Nettoveranschlagung von Investitionsausgaben sprechen: eine aufwendige staatliche Vermögensrechnung 63 Wiss. Beirat beim BMF, ebenda, S. 44. 64 v. Arnim / Weinberg, S. 113; vergl. Höfling, Bundesverfassungsgerichtliche Direktiven für die Staatsschuldenpolitik, S. 261. 65 BT-Drucks. V/3040, Tz. 134; MinBIFW. 1973, S. 621. 66 MinBIFW. 1973, S. 652. 67 Vergl. Schlesinger, Möglichkeiten und Grenzen der Kreditfinanzierung des Staatshaushalts, S. 251 erwartet bspw. bei Verkehrsinvestitionen einen starken Anstieg der Ersatzinvestitionen „auf annähernd 100 % nach der Jahrtausendwende"; Die Gegenüberstellung der Schuldenstände und korrespondierenden allgemeinen Bundesvermögen bestätigt diesen Aspekt. Während 1970 die Verschuldung des Bundes 47,7 Mrd. DM betrug, das allgemeine Bundesvermögen 89,2 Mrd DM, überstieg der Schuldenstand bereits 1976 den korrespondierenden Vermögensbestand: 125,3 gegenüber 121,6 Mrd DM; die Schere öffnet sich seitdem weiter: 1980: 230 zu 87,6; 1985: 392,4 zu 113,0; 1990: 529 zu 137,4 (Angaben den Finanzberichten des BMF entnommen). 68 Dazu Höfling, Bundesverfassungsrechtliche Direktiven, S. 261.

III. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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sowie die sachgerechte Veranschlagung von Netto-Investitionen innerhalb des bestehenden Budgetierungssystems. 69 Der Bund / Länder-Arbeitsausschuß Haushaltsrecht und Haushaltssystematik konstatiert, daß, da das Haushaltsrecht den „betriebswirtschaftlichen Begriff der — an Nutzung bzw. Weiteverzehr ausgerichteten — Abschreibungen" nicht kenne, „erhebliche Bewertungsschwierigkeiten und kaum zu vertretender Verwaltungsaufwand" einer Einführung von Nettoinvestitionen entgegenstehen.70 Indes vermögen diese Gründe nicht zu überzeugen. Es wäre fatal, wenn allein die außer Frage stehende Komplexität einer öffentlichen Vermögensrechnung ausreicht, um eine aus dem Telos des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG resultierende enge Auslegung des Investitionsbegriffs zu negieren. Wesentlich, und hier liegt die eigentliche Bedeutung der Notwendigkeit einer Veranschlagung von Nettoinvestitionen, ist es, zu gewährleisten, daß Krediteinnahmen ihre Gestaltungsfunktion zur Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nicht verlieren. Determinieren Ausgaben für Brutto-Investitionen die zulässige Höhe der Krediteinnahmen, so führt der darin enthaltene Anteil von Ausgaben zum Ersatz und Erhalt der bestehenden gesamtwirtschaftlichen Produktivität gerade nicht zu zusätzlicher „wirtschaftliche Substanz", die eine Entlastung der Aufwendungen für in künftigen Haushaltsjahren zu leistenden Schuldendienst bewirkt. 71 Da bei der Ermittlung der Zukunftswirksamkeit von öffentlichen Investitionen auf gesamtwirtschaftliche Auswirkungen abgestellt wird, ist es nicht zwingend, nur Ausgaben für Investitionen, die der Bund selbst realisiert, unter dem Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu subsumieren. Die Vergabe von Finanzinvestitionen und Finanzhilfen an andere Gebietskörperschaften, etwa die Beteiligung des Bundes an Ausgaben der Ländern, ist gleichfalls zu berücksichtigen. Erforderlich ist jedoch eine unmißverständliche Regelung, die wirksam verhindert, daß „das Investitionsvolumen im Umfang der Finanzhilfen für Investitionen zweimal zur Legitimierung von Kreditaufnahmen" 72 dient. Andernfalls kommt es zu Doppelzählungen, die in Analogie zu den Bruttoinvestitionen eine ungleichgewichtige Entwicklung von zukunftsbegünstigenden und -belastenden Wirkungen auslösen. Dabei ist zu betonen, daß es nicht ausreicht, daß „Ausgaben für 69 Patzig, Zur Problematik der Kreditfinanzierung staatlicher Haushalte, S. 306; Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 12. 70 Bericht zur Abgrenzung des Begriffs der öffentlichen Investitionen im gemeinsamen Gruppierungsplan v. 16.6.1982, in: BMF, Finanzbericht 1983, S. 330 (331 f.). 71 Vergl. Friauf, § 91, Rdnr. 49. 72 Schlesinger, Möglichkeiten und Grenzen der Staatsfinanzierung des Staatshaushaltes^. 249 f. quantifiziert die Erweiterung der Kreditgrenze durch die DoppelVeranschlagung auf Länderebene in den 80er Jahren auf bis zu 10 Mrd. DM p. a.; Höfling, Bundesverfassungsgerichtliche Direktiven, S. 261 f. hält ein „Verbot der Doppelzählung" für geboten, um einer „manipulativen Schwächung der Begrenzungsfunktion" des Junktims wirksam zu begegnen; zustimmend: Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 112.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Investitionen der finanzierenden und nicht denen der finanzierten Gebietskörperschaft zugerechnet werden" 73 ; darüber hinaus gilt es, bei der begünstigten Gebietskörperschaft nur das um die gewährten Finanzierungshilfen reduzierte Volumen der veranschlagten Investitionen als maßgeblich für die zulässige Höhe der Krediteinnahmen zu erachten. Während Finanzierungshilfen bei der Vergabe Investitionen zuzurechnen sind und davon auszugehen ist, daß diese kreditär finanziert wurden, ist das Investitionsvolumen zum Zeitpunkt des Darlehenrückflusses um die Höhe der getilgten Darlehen zu kürzen. Andernfalls besteht die zukunftsbelastende Wirkung der prolongierten Kreditlast fort, während das Äquivalent in Form einer Rückzalungsverpflichtung des Darlehennehmers mit dem Rückfluß erlischt. Erlöse aus der Veräußerung von öffentlichen Beteiligungen und Liquidationserlöse aus dem Verkauf be- und unbeweglicher Sachen sind entweder zur Rückführung der bei Erwerb eingegangenen Kreditverbindlichkeit zu verwenden oder aber von den veranschlagten Investitionsausgaben abzusetzen.74 cc) Beschränkung auf das Inland Die hinreichende Bestimmtheit eines Einflusses im Ausland getätigter Investitionen auf die positive Entwicklung der inländischen gesamtwirtschaftlichen Produktivität erscheint zweifelhaft. Unstrittig indes sind die aus den Kreditaufnahme resultierenden Lasten zukünftiger Steuerzahler. Wenn aber, wozu die normative Intention des Art. 115 Abs. 1 GG verpflichtet, dem künftigen Schuldendienst zukunftsgegünstigende Wirkungen der getätigten Investitionen, sei es direkt oder indirekt, gegenüberstehen müssen, diese Wirkungen „wegen der Risiken im Außenwirtschaftsverkehr ungewiß sind" 75 , lassen sich Finanzinvestitionen an das Ausland (bspw. Darlehen an Entwicklungsländer) nicht unter den Investitionsbegriff des Art. 115 GG subsumieren. Die Haushaltspraxis zeigt, daß Darlehen an osteuropäische Staaten und Entwicklungsländer im Regelfall bei Fälligkeit zunächst im Wege von Moratorien gestundet, die betroffenen Kreditforderungen insgesamt im Zeitablauf als uneinbringbar betrachtet werden. dd) Keine Berücksichtigung von Ausgaben für Ausbildung (human capital) und investiven Verteidigungsausgaben Grundsätzlich ist zu konzedieren, daß Ausgaben für Ausbildung potentiell zukunftsbegünstigende Wirkung entfalten. Probleme bereitet indes die Abgren73

Patzig, Zur Problematik der Kreditfinanzierung staatlicher Haushalte, S. 306 f. Vergl. v. Arnim I Weinberg, S. 115. 75 Wiss. Beirat beim BdF, Gutachten zum Begriff der öffentlichen Investition, S. 39; Schlesinger, Möglichkeiten und Grenzen der Staatsfinanzierung des Staatshaushaltes, S. 249. 74

. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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zung des im engeren Sinne investiven Anteils an den Ausbildungsausgaben.76 Darüber hinaus findet die gegenwärtige Gesamtheit der Steuerzahler einen gut ausgebildeten, nicht kreditär finanzierten Ausbildungsstand vor. Das Fortschreiben dieses status quo ist der Sache nach überwiegend Erhaltungsaufwand. Die investive Wirkung von Verteidigungsausgaben ist zumindest fragwürdig. Unter der Prämisse, das Ausgaben für Verteidigung die innere und äußere Sicherheit des Staates stärken, mag ein zukunftsbegünstigender Einfluß gegeben sein. Indes mögen verstärkte Ausgaben im Verteidigungsbereich im Ausland ihrerseits Reaktionen herbeiführen, die die äußere Sicherheit schwächen. Verifizieren lassen sich diese Aussagen ex ante nicht. In Übereinstimmung mit verschiedenen nationalen, supra- und internationalen ökonomischen Systemen werden Rüstungskäufe und Ausgaben für militärische Anlagen nicht zu den Ausgaben für Investitionen gezählt.77 ee) Keine Berücksichtigung von Inanspruchnahmen aus Gewährleistungen Der Bund verpflichtet sich in der Regel zur Übernahme von Gewährleistungen, um für Private bestehende, nicht kalkulierbare Risiken im Schadensfall wirksam zu begrenzen. Tritt der Fall des Forderungsausfalls für den Privaten ein und besteht ein Gewährleistungsanspruch gegenüber dem Bund, so ist davon auszugehen, daß die der Zahlung des Bundes gegenüberstehende Forderung „typischerweise notleidend" 78 ist. Diesen Vorgang unter Ausgaben für Investitionen zu subsumieren, ist mit der dem Zweck des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Einklang zu bringen. Richtigerweise müßte ein Teil der eingegangenen Gewährleistungsverpflichtungen aufgrund des potentiellen Inanspruchnahmerisikos regelmäßig den Krediteinnahmen zugerechnet oder das Volumen der veranschlagten Ausgaben für Investitionen entsprechend gekürzt werden. 79

76 Wiss. Beirat beim BdF, ebenda, S. 33 f., 48 vertritt die Auffassung, daß eine Trennung des investiven Anteils" nicht ohne Willkür möglich erscheint", es im übrigen „auf keinen Fall" der politschen Bremsfunktion des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht, „alle zukunftswirksamen Ausgaben des Staates — z. B. auch die für das Humankapital — einzubeziehen"; a. A. Osterloh, S. 148. 77 Vergl. MinBIFW 24. Jg. 1973, S. 621, Tz. 15; so auch: Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 37; Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 109; Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 13; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1280; a. Α.: Fricke, S. 27. ™ v. Arnim / Weinberg, S. 116; „Zweifel" an der Zuordnung bekundet Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 12, „jedenfalls wenn man auf den Vermögenswert abstellt". 79 Der Bund hat im Zeitraum 07/90-06/91 Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen in Höhe von 347,5 Mrd. DM übernommen. Die Inanspruchnahme für Schäden, bei denen überwiegend mit keinem Rückfluß mehr zu rechnen ist, belief sich auf 3,7 Mrd. DM. (Finanzbericht 1992, S. 256 f.).

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

b) Folgekosten öffentlicher

Investitionen

Vor dem Hintergrund, daß einerseits die Ermittlung der einzelwirtschaftlichen Rentabilität einer öffentlichen Investition der ausschließlich makroökonomischen Betrachtung weicht, andererseits eine enge Auslegung des verfassungsrechtlichen Investitionsgegriffs der normativen Intention des Art. 115 Abs. 1 GG entspricht, um einer Verschuldung, die den Handlungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber über Gebühr einengt, präventiv Einhalt zu gebieten, wird die Beachtung der im Zusammenhang mit der Realisierung veranschlagter Investitionen im Zeitablauf eintretenden Folgekosten relevant. In Anlehnung an C.-A. Andreae und E. Thöni wird im folgenden ein umfassender investiver Folgekostenbegriff unterstellt, der erforderliche Komplementärinvestitionen, betriebliche Folgekosten, laufende Betriebs- und Unterhaltungsskosten sowie kalkulatorische Elemente (Abschreibungen und Zinsen) beinhaltet.80 Darüber hinaus sind durch getätigte Investionen induzierte Folgeeinnahmen zu betrachten. Sie können einerseits eine Erhöhung der Einnahmen insgesamt, andererseits Minderausgaben bewirken, wobei letztgenannte infolge der öffentlichen Sektoren immanenten Inflexibilitäten vergleichsweise selten zu beobachten sein dürften. 81 Die Betrachtung von Folgekosten bei der Beurteilung der zukunftsbegünstigenden Wirkung veranschlagter Investitionen offenbart im Vorfeld der Realisierung, daß die antizipierte Wirkung bisweilen wesentlich geringer zu bewerten ist als zunächst angenommen.82 Insoweit ist die Quantifizierung von Folgekosten geeignet, das Augenmerk des Haushaltsgesetzgebers präventiv für Kosten in künftigen Haushaltsjahren zu schärfen, die den künftigen finanzpolitschen Handlungsspielraum einengen. Es stellt jedoch kein umfassendes oder hinreichendes Kriterium dar. Weitere Überlegungen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse, zu der der Haushaltsgesetzgeber gemäß § 6 Abs. 2 HGrG (§ 7 Abs. 2 BHO) verpflichtet ist, insbesondere Sekundäreffekte oder Nutzenüberlegungen, sind zu berücksichtigen. so Vergl. Andreae / Thöni, Folgekosten-Finanzverfassung-Staatsquote, in: Folgekosten öffentlicher Investionen — Eine Last für die Zukunft?, hrsg. v. Stockinger, S. 49; K. Littmann, Über Folgelasten kommunaler Investitionen, in: Wirtschaftswissenschaft als Grundlage öffentlichen Handelns, FS für Haller, S. 447 vertritt einen engen Folgekostenbegriff: „Differenz zwischen den Folgeaufwendungen und Folgeeinnahmen", keine Berücksichtigung kalkulatorischer Abschreibungen und Zinsen. si Littmann, ebenda, S. 450. 82 Vergl. Schlesinger, Möglichkeiten und Grenzen der Staatsfinanzierung des Staatshaushaltes, S. 252 konstatiert, daß „die ZukunftsWirksamkeit öffentlicher Investitionen überschätzt" wird, „oftmals Sanierungs- und Erneuerungsbedarf viel früher als angenommen" entsteht, Investitionen im Bereich der Abwässerreingung sich „bald als technisch überholt erweisen"; P. Kirchhof, Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 54: „Die Folgekosten staatlicher Investitionen übersteigen vielfach in wenigen Jahren die Investitionssumme; die Nebenwirkungen staatlichen Handelns werden zukünftig als Lasten, insbesondere als Umweltlasten verbucht werden müssen.".

III. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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Für die Exegese des verfassungsrechtlichen Investitionsbegriffs ist der Aspekt der Folgekosten öffentlicher Investitionen hilfreich. Die Begrenzung der Krediteinnahmen auf die Höhe der veranschlagten Investitionen vermag nur dann seinen Zweck zu erfüllen, wenn der Investitionsbegriff hinreichend eng ausgelegt wird. Während die Lasten der Krediteinnahmen unschwer unmittelbar durch den Schuldendienst zu bestimmen sind, bedarf die Ermittlung der den veranschlagten Ausgaben für Investitionen immanenten zukunftsbegünstigenden Wirkungen der Berücksichtigung resultierender Folgekosten. Dabei ist es irrelevant, inwieweit die „Kameralistik öffentlicher Planungs- und Rechnungssysteme"83 diesem Aspekt Rechnung trägt, Fakt ist, daß Folgekosten die Zukunftswirksamkeit öffentlicher Investitionen maßgeblich beeinträchtigen können. c) Die Auffassung des BVerfG Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, daß der Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG „nicht weiter als in der bisherigen Staatspraxis" 84, d. h. unter Bezugnahme auf die im Wege der Verwaltungsvorschrift ergangene Festlegung auf die Hauptgruppen 7 und 8 des Gruppierungsplans verstanden werden kann, ohne damit jedoch den materialen Gehalt der formal unzulässigen Legaldefinition in toto zu bestätigen. Wenn aber die bisherige Staatspraxis den weitestmöglichen Auslegungsrahmen setzt, lassen sich weder Ausgaben für Ausbildung noch investive Rüstungsausgaben unter den Investitionsbegriff subsumieren. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dem Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG, daß „an einem Grundelement der alten Deckungsregel (objektbezogen, eigene Anm.) festgehalten" 85 wird. Der objektbezogene Deckungsgrundsatz ging davon aus, „daß nicht schon jede die Zukunft begünstigende Ausgabe einer Kreditfinanzierung zugänglich" 86 ist. Insoweit bestätigt die Auffassung für den Fall der gesamtwirtschaftlichen Normallage, daß durch „Investitionen wirtschaftliche Substanz geschaffen wird, die real auf künftige Haushaltsjahre übertragen werden kann und diese damit von eigenen Aufwendungen entlastet" 87 . Indes konstatiert das Bundesverfassungsgericht eine „Funktionsschwäche des fiskalpolitischen Instrumentariums bei der Rückführung zuvor entstandener Verschuldung" 88 . Diese Erfahrungen gilt es bei der bundesgesetzlichen Regelung gem. Art. 115 Abs. 3 GG zu berücksichtigen. Eine Ausweitung des Investitionsbegriffs würde der „normativen Intention (des Junktims), die Staatsverschuldung zu be83 Littmann, S. 448 führt diesen Aspekt an, um kalkulatorische Zinsen und Abschreibungen explizit auszunehmen. 84 BVerfGE 79, 311 (337). 85 BVerfGE 79, 311 (334). 86 BVerfGE 79, 311 (353). 87 Friauf, Der Staatskredit, § 91, Rdnr. 49. 88 BVerfGE 79, 311 (336).

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

grenzen, geradewegs zuwiderlaufen" 89 . Darüber hinaus soll durch die bundesgesetzliche Präzisierung des Investitionsbegriffs einer Staatsverschuldung vorgebeugt werden, „die den Bundeshaushalt für die Zukunft zu stark belastet und den notwendigen Entscheidungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber, dessen diese zur Lösung der dann vordringlichen Probleme bedürfen, über Gebühr beschneidet"90. Schuldendienste stellen zweifellos für künftige Haushaltsgesetzgeber eine Belastung dar, sodaß es beim Begründen dieser Lasten maßgeblich darauf ankommt, inwieweit Investitionen ein geeignetes Äquivalent darstellen, den Schuldendienst zu kompensieren. Die bei der gegenwärtigen Haushaltspraxis zu konstatierende Funktionsschwäche der Rückführung der Verschuldung, sei es unmittelbar durch Einnahmen aus den realisierten Investitionen oder mittelbar durch eine Erhöhung des Abgabenaufkommens insgesamt, aber auch der Gefahr einer weitgehenden Determinierung der Ausgaben künftiger Haushalte, kann nur durch eine restriktive Auslegung des Investitionsbegriffs begegnet werden. Die in der Begründung der Regierung zur Neufassung des Art. 115 GG enthaltene „Bandbreite des Investitionsbegriffs ist aber von der Verfassung keineswegs festgeschrieben" 91. Selbst die durch Verwaltungsvorschrift getroffene Definition legt „einen weiten Investitionsbegriff zugrunde" 92 , der vor dem Hintergrund der bislang gewonnenen Erfahrungen, seil, der beobachteten Funktionsschwäche, aber auch der normativen Intention der Art. 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG kritisch zu bewerten ist. Sinn und Zweck des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG bedingen einen engen Investitionsbegriff, während aus der Entstehungsgeschichte keine klare Position herzuleiten ist. 93

2. Einfachgesetzliche Legaldefinition des Investitionsbegriffs (§§ 10 Abs. 3 HGrG, 13 Abs. 3 BHO) Der Bundesgesetzgeber ist seiner Regelungsverpflichtung gemäß Art. 115 Abs. 3 GG nachgekommen, indem er den formalen Vorbehalt der im Wege der Verwaltungsvorschrift vorgenommenen Definition des Investitionsbegriffes durch eine wortgleiche Ergänzung des § 10 Abs. 3 HGrG (§13 Abs. 3 BHO) aufhob. Die einfachgesetzliche Legaldefinition des Investitionsbegriffs des Art. 115 Abs. 2 Satz 1 GG lautet: 89 BVerfGE 79,311 (331); Höfling, Verfassungsgerichtliche Direktiven, S. 260: „Insoweit ( . . . ) gibt der Senat zu erkennen, daß er einen restriktiver konturierten Investitionsbegriff für erwägenswert hält". 90 BVerfGE 79, 311 (354 f.). 91 BVerfGE 79, 311 (354). 92 BVerfGE 79, 311 (355). 93 Nachweise sub Fn. 45 f.; vergl. BVerfGE 10, 234 (244): demnach kommt der Entstehungsgeschichte nur insoweit Bedeutung zu, „als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung (objektiv, eigene Anm.) bestätigt".

III. Die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen

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„Ausgaben für Investitionen sind die Ausgaben für a) Baumaßnahmen, soweit sie nicht militärische Anlagen betreffen b) den Erwerb von beweglichen Sachen, soweit sie nicht als sächliche Verwaltungsausgaben veranschlagt werden oder soweit es sich nicht um Ausgaben für militärische Beschaffungen handelt c) den Erwerb von unbeweglichen Sachen d) den Erwerb von sonstigem Kapitalvermögen, von Forderungen und Anteilsrechten an Unternehmen, Wertpapieren sowie für die Heraufsetzung des Kapitals von Unternehmen e) Darlehen f) die Inanspruchnahme aus Gewährleistungen g) Zuweisungen und Zuschüsse zur Finanzierung von Ausgaben für die in den Buchstaben a bis f genannten Zwecke." Diese umfassende Beschreibung des Investitionsbegriffs bedarf der Erörterung. Es ist zu prüfen, ob die normativen materialen Vorgaben des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend beachtet wurden. ad a) Nicht von jedweder Art einer Baumaßnahme gehen Wirkungen aus, die die gesamtwirtschaftliche Produktivität erhöhen. Man denke etwa an Verwaltungsbauten, nach deren Errichtung sich der administrative Aufwand für Private erhöht, verbunden mit einer bestenfalls gleichbleibenden gesamtwirtschaftlichen Produktivität. Andererseits führen Baumaßnahmen im Infrastrukturbereich unstrittig zu einer Verbesserung der Randbedingungen für eine Effizienzsteigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität. Die Folgekosten insbesondere bei Bauten wurden bereits erörtert. ad b) Bewegliche Sachen, hierunter sind in Anlehnung an die Unterteilung der Hauptgruppe 8 des Gruppierungsplanes der Erwerb von Fahrzeugen, Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen sowie sonstigen beweglichen Sachen zu verstehen. Dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht zu entnehmen, ob die Beschaffung der beweglichen Sachen auf das Inland beschränkt oder aber auch im Ausland statthaft ist. Jedenfalls muß es zweifelhaft erscheinen, ob im Ausland getätigte Beschaffungen beweglicher Sachen einen produktivitätssteigernden Einfluß auf die makroökonomische inländische Entwicklung haben. Sie werden im Inland nicht nachfragewirksam. Insoweit beeinflussen sie direkt nicht die inländische Auslastung und leisten folgerichtig auch keinen Beitrag zum Erhalt oder zur Vermehrung inländischer Produktionsmittel. ad c) Hierunter sind Ausgaben für den Ankauf be- und unbebauter Grundstücke selbst, aber auch der im Sachzusammenhang mit dem Ankauf stehenden Grunderwerbskosten wie Auflassungskosten, Grundbucheintragungen oder Grunderwerbsteuer zu verstehen. Grundstücke und Immobilien zählen sicherlich unter Anlageaspekten bei Privaten zu den klassischen Investitionen, verbunden mit einer Wertbewahrungs- und Renditefunktion. Bei der Anlageentscheidung jedoch ist der private Investor ungleich freier als eine öffentliche Gebietskörperschaft. So 11 Lappin

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

ist zu konstatieren, daß öffentliche Gebäude aufgrund des Einsatzes gesundheitsgefährdender Baustoffe bei der Erstellung (bspw. Asbest, Formaldehyd) vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer nicht mehr nutzbar oder erst nach einer aufwendigen Sanierung erneut nutzbar sind. Bei Grundstücken handelt es sich bisweilen um hochbelastete Gebiete, bei denen der Sanierungsaufwand für Private nicht finanzierbar ist. Doch die Gebietskörperschaft hat oftmals kein Wahlrecht bei der Übernahme dieser sog. Altlasten; insoweit ist nicht auszuschließen, daß im Einzelfall die Folgekosten überwiegen. Das sich zur Zeit im Aufbau befindliche bundesweite Altlastenkataster läßt erwarten, daß der wahre Wert öffentlicher Liegenschaften und Gebäude einer Wertberichtigung bedarf. ad d) Der Erwerb des Bundes von Anteilen an Unternehmen, ist eine problematische Form der Investition, jedenfalls dann, wenn es sich um Minderheitsbeteiligungen handelt. Während die für den privaten Anteilseigner typische Unternehmensausrichtung auf Gewinnerzielung Grundrechtsschutz gem. Art. 12 resp. 14 GG genießt, hat der Staat stets gemeinwohlorientiert zu handeln. Einher mit der Gewinnmaxime geht stets ein potentielles Verlustrisiko. Der Staat hat die Grundrechte zu schützen, ohne sich selbst darauf berufen zu können. Insoweit resultiert aus einer Beteiligung des Bundes an einem privaten Unternehmen zwingend ein Interessenkonflikt. Dabei ist es sekundär, ob das Unternehmen Gewinne erwirtschaftet oder nicht. Die öffentliche Beteiligung an privaten Unternehmen kollidiert mit Grundrechten. 94 Im Hinblick auf die makroökonomische Zielsetzung öffentlicher Investitionen ist eine Beteiligung an einem Unternehmen ohne Gewinnmaxime durchaus vorstellbar, da es aus Sicht des öffentlichen Anteilseigners keiner umittelbaren Rentierlichkeit der Ausgabe für die Beteiligung selbst bedarf, indes ist dem privaten Anteilseigner der Anspruch auf Gewinn nicht zu verwehren. Aufgrund der skizzierten konträren Zielsetzungen sind Interessenkonflikte zu erwarten. ad e) Die Regelung enthält keinen Hinweis auf den Darleiher oder die mit dem gegebenen Darlehen finanzierte Ausgabe. Werden Darlehen an das Ausland gewährt, ist neben dem unsicheren Einfluß auf die inländische gesamtwirtschaftliche Entwicklung vor allem das Kreditrisiko zu erörtern. So zeigt die Haushaltspraxis, daß im Rahmen der Entwicklungshilfe gegebene Darlehen oftmals bei Fälligkeit langfristig tilgungsfrei gestellt werden bis hin zum Verzicht auf Zinszahlungen (sog. Zinsmoratorien). Erfolgt die Finanzierung dieser Darlehen kreditär, ist der Effekt auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung unbestimmt, die Rückzahlung zweifelhaft, überwiegen schlechterdings die Zukunftslasten. ad f) Fallen Ausgaben für die Inanspruchnahme aus Bürgschafts- und Gewährleistungsverträgen an, so ist die infolge der öffentlichen Gewährleistungsübernahme zustande gekommene Forderung notleidend. Einer Inanspruchnahme aus Gewährleistungen investiven Charakter beizumessen, läßt sich allein durch die 94 Vergl. oben, sub Β. I.

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Abtretung der notleidenden Forderung an den Bund nicht begründen; sie ist zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme wertlos. Insoweit entstehen durch die kreditäre Finanzierung der Ausgaben für Inanspruchnahmen zukünftige Belastungen, während der Nutzen aus der Übernahme der Gewährleistungsverpflichtung durch den Eintritt des Gewährleistungsfalles ihren investiven Wert einbüßt. Die Übernahme einer Gewährleistung ermöglicht dem Privaten die Realiserung eines potentielles Auftrages, dessen Risiken er allein sich außer Stande sieht zu übernehmen. Zum Zeitpunkt der Übernahme ist Gewährleistungen ein investiver Wert beizumessen, da sie direkt die Auslastung der Produktionsmittel der Volkswirtschaft begünstigen und damit mittelbar zumindest erhalten resp. zu ihrer Erweiterung führen. Insoweit entsteht das Nutzenäquivalent zum Zeitpunkt der Übernahme. Unter der Prämisse, daß der makroökonomische Effekt im Sinne einer Steigerung der Auslastung künftige Perioden gegünstigt, sollte dem Bund folgerichtig der Kreditrahmen zum Zeitpunkt der Übernahme, nicht jedoch bei Inanspruchnahme erweitert werden. Bei Inanspruchnahme sind keine die Produktionsmittel erweiternden Effekte zu erwarten. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß Gewährleistungen ein investiver Wert immanent ist, allerdings nicht mehr zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme. ad g) Unter Zuweisungen und Zuschüssen sind der Sache nach Subventionen ohne Rückzahlungsverpflichtung zu verstehen. Inwieweit durch ihre Vergabe tatsächlich eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, seil, eine zukunftsbegünstigende Wirkung, erreicht wird, hängt maßgeblich ab von einer hinreichend engen Abgrenzung der im Wege der Zuweisung oder des Zuschusses zu fördernden Ausgabe. Vorbehalte gegen den investiven Charakter der sub d, e und f des § 10 Abs. 3 HGrG angeführten Ausgaben wurden ausführlich erörtert. Zu ergänzen ist in diesem Zusammenhang, daß Zuschüsse und Zuweisungen an Private nicht zwingend die Produktionsmittel der Volkswirtschaft vermehren oder verbessern, jedenfalls dann, wenn nicht ohne Willkür ausgeschlossen werden kann, daß Investitionshilfen in Bereiche der Wirtschaft fließen, in denen ein infolge geänderter Marktbedingungen erforderlicher Anpassungsprozeß durch eben diese Zuschüsse und Zuweisungen zeitlich verzögert wird, sodaß im Ergebnis nicht nur die strukturellen Probleme fortbestehen, sondern darüber hinaus wettbewerbsfähige Bereiche der Wirtschaft potentiell beeinträchtigt werden. Wenn auch die Rentierlichkeit des durch Zuschuß oder Zuweisung geförderten Vorhabens im Hinblick auf den aus öffentlicher Sicht investiven Wert ohne Relvanz ist, so ist es mehr als eine Vermutung, daß der Aufwand für eine zunächst nicht getroffene Entscheidung im Hinblick auf ein strukturelles Problem im Zeitablauf steigt. Insoweit bedürfen die sùb g) angeführten Ausgaben de lege ferenda einer näheren, engen Abrenzung, um die skizzierten, makroökonomisch unerwünschten Wirkungen auszuschließen.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

3. Wertung Während im Schrifttum eine Kongruenz des verfassungsrechtlichen Investitionsbegriffs und der Abgrenzung durch die Hauptgruppen 7 und 8 des Haushaltsplans unter Hinweis auf formale Bedenken95 unisono verneint wurde, der im Wege der Verwaltungsvorschrift entwickelte Investitionsbegriff insoweit lediglich einen Interpretationshinweis liefert, ist die wortgleiche Übernahme eben dieses seit der Haushaltsreform 1967/69 durch die Exekutive vereinbarten Investitionsbegriffs in das HGrG und BHO (§ 10 Abs. 3 HGrG, § 13 Abs. 3 BHO) durch Gesetz v. 18.7.1990 (BGBl. I S. 1447) bislang unkommentiert geblieben (Stand Ende 1993). Nachdem durch die Ergänzung der §§ 10 Abs. 3 HGrG und 13 Abs. 3 BHO die „formale Hürde" genommen wurde, bleibt festzuhalten, daß der nunmehr gemäß Art. 115 Abs. 3 GG einfachgesetzlich normierte Investitionsbegriff in wesentlichen Punkten nicht mit Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist. Unstreitig ist, daß das Junktim einen zukunftsorientierten Investitionsbegriff erfordert, der abstellt auf eine Gewährleistung der Äquivalenz spezifisch zukunftsbelastender Einnahmen (Kredite) und -begünstigender Ausgaben (Investitionen). Vor dem Hintergrund der Einigkeit darüber, daß die Forderung nach einzelwirtschaftlicher Rentabilität für öffentliche Investitionen ohne Relevanz ist 9 6 , sind Vorbehalte gegen die uneingeschränkt zukunftsbegünstigende Wirkung öffentlicher Investitionen angebracht. Jedenfalls offenbart die Fortschreibung des Schuldenstandes der vergangenen Jahre in eindrucksvoller Weise, daß — gesamtwirtschaftlich betrachtet — die zukunftsbegünstigenden Wirkungen des herrschenden haushaltsrechtlichen Investitionsbegriffs (Hauptgruppen 7 und 8 des Gruppierungsplans) gerade nicht geeignet erscheinen, die spezifisch zukunftsbelastenden fälligen Tilgungsausgaben durch Rückzahlung und nicht lediglich durch Prolongierung der Zukunftslast für die Dauer der kreditären Anschlußfinanzierung zu kompensieren. Das Bundesverfassungsgericht 97 hat bekräftigt, daß die „normative Intention des Art. 115 GG darin besteht, „die Staatsverschuldung zu begrenzen", durch das Junktim „an einem Grundelement der alten Deckungsregel festgehalten" wird, andererseits eine „Funktionsschwäche des fiskalpolitischen Instrumentariums bei der Rückführung zuvor entstandener Verschuldung" konstatiert, woran der zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgebliche haushaltsrechtliche Investitionsbegriff, der nunmehr unverändert einfachgesetzlich legitimiert wurde, wesentlichen Anteil hat. Wie ausgeführt, bedarf es einer Konkretisierung im Hinblick 95 Wiebel Art. 115 GG, Rdnr. 111; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. Π, S. 1280 f. 96 Nachweise oben, sub Fn. 47. 97 Ε 79, 311 ff.

IV. Weitere Restriktionen

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auf die NichtVeranschlagung von Ersatz- und Erhaltungsinvestitionen, der Beschränkung auf das Inland, dem Ausschluß von Doppelzählungen bei verschiedenen Gebietskörperschaften, den Nichtberücksichtigung von Inanspruchnahmen aus Gewährleistungen bis hin zu einer Präzisierung der Zuschüssen und Zuweisungen zugänglichen Ausgaben, kurz eines engen Investitionsbegriffes. Eine einfachgesetzliche Legaldefinition, die diese Aspekte unberücksichtigt läßt, steht notwendig potentiell im Widerspruch zum Telos des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG.

IV. Weitere Restriktionen, denen die Kreditaufnahme des Bundes unterliegt 1. Regulierungsfunktion des Art. 109 Abs. 2 GG Durch Art. 109 Abs. 2 GG wird die Zulässigkeit der Aufnahme öffentlicher Kredite einerseits restringiert, andererseits eröffnet sie dem Haushaltsgesetzgeber i. V. m. dem zweiten Halbsatz des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlichen kreditpolitischen Spielraum zur Abwehr einer gesamtwirtschaftlichen Störung. Wesentlich ist, daß die Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern nicht nur der Bedarfsdeckungsfunktion, sondern darüber hinaus stets den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen haben. Der Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG ist keine direkt quantifizierbare Begrenzung der Höhe zulässiger Kredite zu entnehmen, jedoch impliziert sie, daß die Haushaltswirtschaften bei der Ausgaben-, insbesondere aber bei der kreditären Einnahmengestaltung einerseits konjunkturstabilisierend, andererseits wachstumsfördernd zu wirken haben. Dieser Verpflichtung ist stets zu genügen.98 Daher sind sowohl bei wirtschaftlicher Normallage als auch im Falle einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Einnahmen und Ausgaben so zu veranschlagen, daß sie final auf den Fortbestand oder das Wiedererlangen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes abzielen. Krediteinnahmen und damit zusammenhängende Zins- und Tilgungsausgaben verdienen in diesem Zusammenhang besondere Beachtung. Bei der Veranschlagung von Krediteinnahmen ist nicht allein auf den vorläufigen Ausgleichseffekt eines bestehenden negativen Finanzierungssaldos abzustellen, vielmehr verpflichtet die Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG den Haushaltsgesetzgeber, den Einfluß auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht hinreichend zu beachten. In Teil D. dieser Arbeit wurde der öffentliche Kreditbegriff eingehend erläutert. Zu erinnern ist an den vorläufigen Einnahmecharakter und die Rückzahlungspflicht. Durch fortlaufende Finanzierung von Ausgaben durch Kredite, die nicht getilgt, sondern lediglich umgeschuldet werden, entsteht ein stetig wachsender Schuldenstand, der zunächst latent, nach Überschreiten eines kriti98 Vergl. Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 38.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

sehen Wertes evident, selbst zu einer potentiellen Gefährdung des wirtschaftlichen Gleichgewichts führen kann. Eine so betriebene Kreditpolitik steht nicht nur im Widerspruch zum Kreditbegriff, indem sie das temporäre Moment ignoriert, sie verkennt auch die in Art. 109 Abs. 2 GG formulierte wirtschaftspolitische Funktion des Haushalts. Dem Haushaltsgesetzgeber wird durch Art. 109 Abs. 2 GG neben der Bindung seines Etats ein Gestaltungsfreiraum für Einnahmen und Ausgaben eröffnet, der gleichermaßen Mittel und Zweck zur Gewährleistung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist. Kredite führen während der vereinbarten Laufzeit zu jährlich anfallenden Zinsausgaben und am Ende der Laufzeit zu Tilgungsausgaben. Um dem Haushaltsgesetzgeber auch in künftigen Rechnungsjahren einen Gestaltungsfreiraum zu erhalten, dürfen Krediteinnahmen als Bestandteil der Haushaltswirtschaft nicht dazu führen, daß ein hoher Schuldenstand, dessen Zins- und Tilgungslasten immer weiteren Raum bei der Veranschlagung künftiger Haushalte einnehmen und diesen schließlich soweit determinieren, daß er seiner gesamtwirtschaftlichen Verpflichtung gemäß Art. 109 Abs. 2 GG nicht länger gerecht werden kann, gebildet wird. Insoweit verbietet sich eine strukturelle Schuldenpolitik, die „zu einer gefährlichen Reduktion des fiskalischen Handlungsspielraum" führt, „eine konjunkturelle Schuldenpolitik unmöglich macht oder in ihrer Wirksamkeit entscheidend schwächt". 99 Gerade bei wirtschaftlicher Normallage ist der Haushaltsgesetzgeber daran zu erinnern, daß die Kreditaufnahme eben nicht nur durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz GG begrenzt wird, sondern Art. 109 Abs. 2 GG gleichermaßen zu berücksichtigen ist. Ein hoher Schuldenstand erschwert, er verhindert sogar, daß der Gesetzgeber seine Haushaltswirtschaft auf den Erhalt des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausrichten kann. Als Ursache für einen hohen absoluten Schuldenstand sind fortwährende Kreditaufnahmen zu betrachten. Kredite sind im Gegensatz zu Steuern, Gebühren, etc. gerade keine endgültigen Einnahmen, sondern stets vorläufiger Natur. Ihr Einsatz im Haushalt, um ein Finanzierungssaldo auszugleichen, ist stets daran zu messen, inwieweit sie die wirtschaftliche Normallage beeinträchtigen. Von Art. 109 Abs. 2 GG geht eine Regulierungsfunktion für die staatliche Kreditaufnahme dergestalt aus, daß prohibitiv vor und außerhalb einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ein jeweils unterhalb der Höchstgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz GG stetig wachsender Schuldensockel zu verhindern ist. 1 0 0 Diese Regulierungsfunktion hat Verfassungsrang und wirkt unmittelbar auf die Krediteinnahmen. Wenngleich die Aufnahme von Krediten zur Umschuldung bestehender Kredite durch diese Regelung nicht ausgeschlossen wird, so folgt für die Veranschlagung eine zumindest restriktive Handhabung: Vom öffentlichen Haushalt ist als Beitrag zur Verstetigung der konjunkturellen Entwicklung antizyklisches Verhalten zu fordern. 101 99 Höfling, Verfassungsfragen einer kreditfinanzierten Konjunkturpolitik, S. 31 f. 100 BVerfGE 79, 311 (337). ιοί Vergl. Fischer-Menshausen, Art. 109 GG, Rdnr. 11.

IV. Weitere Restriktionen

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Dieses Verhalten kann sich nicht darin erschöpfen, verstärkt Kredite zur Finanzierung von Staatsausgaben bei Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aufzunehmen, vielmehr sind diese in Phasen wirtschaftlicher Normallage abzubauen, um sich so den Handlungsspielraum zur Abwehr künftiger Störungen zu bewahren. Darüber hinaus gewinnt das Teilziel eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums (Art. 109 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 Satz 2 StabG) in Phasen wirtschaftlicher Normallage an Bedeutung. Wie die Ausführungen zum Aggregate Investment Approach gezeigt haben (dazu oben, sub C. II. 2.), bewirkt die Substitution der Steuerfinanzierung durch Kredite negative Wachstumseffekte bei höherem Gegenwartskonsum und steht somit im potentiellen Widerspruch zu Art. 109 Abs. 2 GG. Im Falle der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts hat der Haushaltsgesetzgeber durch eine Ausgabenpolitik, die auf die Wiederherstellung des Gleichgewichts auszurichten ist, seiner ihm in Art. 109 Abs. 2 GG zugeschriebenen wirtschaftspolitischen Verpflichtung Rechnung zu tragen. In einer solchen wirtschaftlichen Lage kann es durchaus geboten sein, durch erhöhte Kreditaufnahmen eine Finanzierung der Ausgaben sicherzustellen. Doch auch hier gilt die Einschränkung, daß die Kreditaufnahme nicht nur durch die Störung verursacht werden darf, sondern gleichfalls als geeignet erachtet werden muß, die Störung zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht führt aus, daß eine durch hohe Staatsverschuldung verursachte Störung des Gleichgewichts nicht durch erhöhte Kreditaufnahmen allein zu beseitigen sei. Es wird auf die Möglichkeit der Wiederholungsgefahr der Situation in kommenden Jahren, die durch ein weiteres Ansteigen des Schuldenstandes noch verschärft wird, verwiesen. 102 Die wohl überwiegende Meinung 103 vertritt die Ansicht, daß die tatsächlichen Möglichkeiten der Konjunktursteuerung durch die Haushaltswirtschaft allein eher begrenzt zu sehen sind. Die gegenwärtige Haushaltwirtschaft basiert auf einer antizyklischen Haushaltspolitik, deren Grenzen Art. 109 Abs. 2 GG normiert. 104 Es liegen keine gesicherten Kenntnisse darüber vor, daß eine sich an einer antizyklischen Haushaltspolitik orientierende Kreditpolitik nicht dem Stand der Wirtschaftswissenschaften entspricht. Gerade deshalb hat der Haushaltsgesetzgeber darauf zu achten — die Regulierungsfunktion des Art. 109 Abs. 2 GG verpflichtet ihn dazu —, daß er sich nicht seiner begrenzten Möglichkeiten durch ständige Kreditaufnahmen, Finanzierung fälliger Tilgungsausgaben durch erneute Kredite, verbunden mit einem stetig steigenden Schuldenstand, „beraubt". Stetige Kreditaufnahmen sind eben kein adäquates Mittel, um konjunkturstabilisierend zu wirken. Kredite, die der Staat aufnimmt, sind zu tilgen im Sinne einer Rückfüh102 BVerfGE 79, 311 (355 f.). 103 Maunz, Art. 109 GG, Rdnr. 33 m. w. N., Vogel / Wiebel, Art. 109 GG, Rdnr. 133 f. 104 Vergl. insb. zum Verbot einer Parallelpolitik oben, sub C. II. 2. b).

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

rung des absoluten Schuldenstandes, andernfalls kann nicht ausgeschlossen werden, daß von einem hohen Schuldenstand eine Eigendynamik ausgeht, die schließlich destabilisierend auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wirkt. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Regulierungsfunktion des Art. 109 Abs. 2 GG zu unbestimmt ist, um ein konkretes Kreditlimit aufzuzeigen, gleichwohl steht sie einem Ausschöpfen des Kreditbegrenzung durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2,1. HS GG wirksam entgegen, jedenfalls dann, wenn die kreditäre Finanzierung öffentlicher Investitionen zu Lasten des künftigen Wirtschaftswachstums geht. Für den Fall der wirtschaftlichen Normallage gewinnt die aus der Regulierungsfunktion resultierende Kreditbegrenzung „um so mehr an Gewicht, ( . . . ) je weiter der Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG gefaßt wird" 1 0 5 . Weiterhin steht die Regulierungsfunktion einem stetig wachsenden Schuldensockel, der sich jeweils unterhalb der Höchstgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 HS 1 GG bildet, wirksam entgegen. Sie verwehrt dem Haushaltsgesetzgeber Krediteinnahmen, die einerseits im Zeitablauf zu einer Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes führen, andererseits geeignet sind, die Wirksamkeit des Kredites als wesentlichstes konjunkturpolitisches Instrument im Falle einer nachfragebedingten Störung zu unterminieren.

2. Leistungsfähigkeit der Steuerzahler Die kreditäre Finanzierung öffentlicher Ausgaben ist im Ergebnis „nichts anderes als der Vorgriff auf künftige Einnahmen" 106 . Ob sich künftige Einnahmen direkt aus den veranschlagten und realisierten Ausgaben für Investitionen oder aber indirekt durch eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft ergeben, muß vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Veranschlagungspraxis öffentlicher Investitionen kritisch bewertet werden. Durch das Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ist zwar eine Äquivalenz spezifisch zukunftsbegünstigender und -belastender Wirkungen von Ausgaben für Investitionen und deren korrespondierenden Kreditlasten zu gewährleisten, demgegenüber stellt die gegenwärtige Haushaltspraxis bei der Begrenzung künftiger Kreditlasten lediglich auf den Anstieg der bestehenden Kreditschuld ab. Ersatzinvestitionen werden zur Rechtfertigung wiederholter Krediteinnahmen herangezogen, obgleich die auf der Ursprungsinvestition lastende Kreditschuld durch Prolongation lediglich fortgeschrieben und nicht getilgt wurde. Die skizzierte Haushaltspraxis offenbart, daß die direkt oder indirekt auf getätigte Investitionsausgaben zurückzuführenden Rückflüsse nicht ausreichen, um den im Kreditwege vorgenommenen Vorgiff auf künftige Einnahmen zu kompensieren oder aber, daß die Rückflüsse nicht zur Bedienung des Schuldendienstes, sondern zur Erweiterung 105 BVerfGE 79, 311 (355 f.). 106 Püttner, S. 10.

IV. Weitere Restriktionen

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des Ausgabenvolumens insgesamt eingesetzt werden. Sie läßt sich unmittelbar am bisweilen sprunghaft steigenden Schuldenstand der Gebietskörperschaften verifizieren. Neben der Möglichkeit, einen Vorgriff auf künftige Einnahmen auf die Veranschlagung investiver Ausgaben zu stützen, können Kreditlasten in Phasen einer Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes unabhängig von ihrem investiven Wert zur Beseitigung der Störung aufgenommen werden. Werden diese Kreditverbindlichkeiten nicht innerhalb des nachfolgenden Konjunkturzyklusses durch das Ansteigen der Steuereinnahmen getilgt, wird eine Kreditlast fortgeschrieben, deren Zukunftswirksamkeit nunmehr lediglich darin besteht, bei Fälligkeit zu einer Erhöhung der Abgabenbelastung des Steuerzahlers zu führen. Die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers ist nicht beliebig zu steigern. Darüber hinaus begrenzt Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 GG die Höhe der Abgabenlast dahingehend, daß „eine Überbelastung des Steuerpflichtigen" zu vermeiden ist. Unter der Prämisse, daß eine Entschuldung durch Gesetz als Alternative zur Tilgung öffentlicher Kreditlasten ausscheidet, stellt die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler eine weitere Begrenzung der zulässigen Höhe öffentlicher Krediteinnahmen dar. Wenn auch bei der Bemessung der zumutbaren Belastung der Steuerpflichtigen dem Steuergesetzgeber ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum einzuräumen ist, so findet er regelmäßig dort seine Grenze, wo die weitere Erhöhung der relativen Abgabenlast keine Erhöhung des Abgabenaufkommens ingesamt mehr bewirkt, m. a. W.: die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen überfordert wird, das Steuergesetz seine Ertragsrelevanz verliert, nur noch erdrosselnd wirkt. Mit sinkender Abgabenergiebigkeit nimmt aber die Kapitaldienstfähigkeit ab. 107 Neben der spezifischen Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerzahlers gilt es, die Entwicklung der Steuerzahler insgesamt zu beachten. Vor dem Hintergrund sinkender Geburtenraten, einer sich abzeichnenden Alterstruktur, die bereits in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts auf dem „Kopf stehen" wird, wird die „Forderung immer fragwürdiger, wegen der derzeit beachtlichen Leistungen für die Zukunft solle der Staatskredit zur Herstellung des zeitlichen Ausgleichs in Anspruch genommen werden" 108 . Wenn nicht der weitere Produktivitätsfortschritt eine Erhöhung der spezifischen Steuerlast ermöglicht, die einher geht mit der sinkenden Anzahl der Steuerpflichtigen, kann dies nur bedeuten, daß die Begrenzung öffentlicher Krediteinnahmen bei langfristiger Betrachtung restriktiver als gegenwärtig greifen muß. 109 107 Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 527. i°8 Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zu den Problemen einer Verringerung der öffentlichen Netto-Neuverschuldung, S. 47, Tz. 5. 109 Vergl. Schlesinger, Möglichkeiten und Grenzen der Staatsfinanzierung des Staatshaushaltes, S. 255 f., betont die zu erwartenden Erhöhungen der Belastungen der Sozialversicherungen und fordert eine künftige Neuverschuldung, die „niedriger zu halten (ist)

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

3. Kreditwürdigkeit des Staates Eine einwandfreie Bonität öffentlicher Kreditnehmer wird regelmäßig antizipiert, ohne daß eine Abschätzung des Kreditrisikos seitens der Gläubigerbanken, wie sie für Private durch die §§ 13 bis 18 KWG vorgeschrieben ist, durchgeführt wird. Welche Aspekte sprechen für diesen „Vertrauensvorschuß"? Formal werden öffentliche Kredite durch § 20 Abs. 1 KWG explizit von einer Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse ausgenommen. Weiterhin spricht das Recht zur Erhebung von Steuern sowie die öffentliche Kontrolle durch das Budgetrecht des Parlaments für einen im Vergleich zu Privaten bevorzugten Kreditstatus. 110 Indes bietet das Recht der Steuererhebung nur solange Gewähr für eine einwandfreie Bonität, wie nicht eine relative Höhe der Steuerlast überschritten wird, die im Ergebnis erdrosselnd wirkt, d. h. nicht mehr zu einem Ansteigen des Steueraufkommens ingesamt führt. Wenn aber die Steuereinnahmen in Abhängigkeit von der relativen Höhe der Steuerlast endlich sind, stellt das Recht der Steuererhebung nur dann ein Argument zur Sicherung des Kreditrisikos dar, wenn die Grenzbelastbarkeit der Steuerquelle nicht erreicht ist. 1 1 1 In allen übrigen Fällen ist zu erwarten, daß der Steuerpflichtige der Abgabenlast zu entfliehen versucht, sei es, daß er in Ermangelung eines verbleibenden individuellen Nutzens seine Leistungsbereitschaft herabsetzt, Verzicht übt oder aber auf Produkte und Leistungen ausweicht, die einer geringeren Besteuerung unterliegen. Hier bedarf es bei gegebener relativer Abgabenlast einer kausal auf kreditär finanzierte Ausgaben zurückzuführenden Erhöhung der Steuereinnahmen. Im Hinblick auf die Höhe zulässiger Kreditaufnahmen gilt: „Dem Staat erwächst Glaubwürdigkeit und Stärke aus der Bescheidung auf das, was er wirklich zu leisten vermag" 112 . Die Leistung des Staates manifestiert sich nicht in Überschüssen, der Staat hat keine Gewinnmaxime 113 , vielmehr schafft er den Rahmen, um die Leistungsfähigkeit der Steuerobjekte zu fördern und daran zu partizipieren. Insoweit hängt die Kreditwürdigkeit maßgeblich ab von der Beurteilung seiner Steuerobjekte, die durch Kreditaufnahmen entstehenden Zukunftslasten tragen zu wollen oder aber aufgrund der ökonomischen Voraussetzungen tragen zu können. 114 Sollten auf den privaten Kapitalmärkten gar Zweifel an der Kreditwürals gegenwärtig (Stand: 1989); Gandenberger, Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten?, S. 180 kommt zum Fazit, daß „haushaltspolitische Langzeitwirkungen der Staatsverschuldung" aufgrund sinkender Wachstumsraten des Sozialproduktes ungünstiger als früher zu beurteilen seien, inswoweit gar die Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts zur „strikten Verfassungsregel gemacht werden sollte". no Vergl. v. Szagunn / K. Wohlschieß, § 20 KWG, Anm. 1, S. 370; oben, sub D. I. l.b). m Insoweit ist Isensees Standpunkt, demzufolge die öffentliche Hand kraft ihrer Steuerhoheit „konkursunfähig" sei, zu relativieren (Steuerstaat als Staatsform, S. 426). h2 BMF, Aufgaben und Ziele einer neuen Finanzpolitik — Grenzen staatlicher Verschuldung, S. 46. n3 Nachweise oben, sub Β., Fn. 4 f.

IV. Weitere Restriktionen

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digkeit des Staates entstehen, so wird ein Verweis auf das Recht der Steuererhebung nicht ausreichen, um private Gläubiger zur Hingabe von Kreditvaluta bewegen zu können.

4. Exkurs: Art. 104 c EG-Vertrag Durch den Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht vom 7.2.1992 115 ) werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, „übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden" (Art. 104c Abs. 1 EGV). Die Einhaltung der Haushaltsdisziplin wird anhand zweier Kriterien, seil. a) eines bestimmten Verhältnisses des „geplanten oder tatsächlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt" 116 b) eines bestimmten Verhältnisses des „öffentlichen Schuldenstandes zum Bruttoinlandsprodukt" 117 überprüft. Eine Materialisierung erfolgt durch das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit 118 , in dem Referenzwerte für beide Kriterien festgelegt werden. Danach sind 3 v. H. für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen sowie 60 v. H. für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen einzuhalten.119 Öffentliches Defizit, Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen und öffentlicher Schuldenstand werden „im Sinne des Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen" 120 ermittelt. 121 Rat und Kommission verfügen über eine Reihe von Möglichkeiten, um Mitgliedstaaten, deren öffentliches Defizit oder öffentlicher Schuldenstand die Referenzwerte überschreitet oder deren Defizit- und / oder Schuldenstandentwicklung nicht hinreichend rückläufig ist, zu sanktionieren, etwa durch Empfehlungen, 114 Vergl. Karehnke, S. 400. us ABl. der EG Nr. C 191 v. 29.7.92, S. 1. 116 Art. 104 c Abs. 2 a) EGV. in Art. 104 c Abs. 2 b) EGV. ι is Das Protokoll ist intergraler Bestandteil des Vertrages über die Europäische Union. 119 Vergl. Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. 120 Art. 2 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit; vergl. Amt für Veröffentlichungen der EG, Europäisches System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG), 2. Aufl. 1984; W. Haeder, Sozialproduktrechnung, Eine Einführung in das System of National Accounts (SNA), 1992, S. 185 ff.; F. Haslinger, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 4. Aufl., 1992; D. Brümmerhoff, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 4. Aufl., 1992. 121 Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke (BStaG). Da ESVG und VGR auf dem internationalen System of National Accounts (SNA) basieren, weisen sie einen hohen Grad an Übereinstimmung auf; vergl. Haeder, S. 187, Fn. 70 und S. 200.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Maßnahmen mit Fristsetzung, einer erhöhten Auskunftspflicht bei der Emission von Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren, bis hin zur Verhängung von Geldbußen durch den Rat. 1 2 2 Wesentlich im Hinblick auf die Kreditaufnahme des Bundes wie auch der übrigen Gebietskörperschaften ist, daß erstens durch den ersten Referenzwert eine quantitative Grenze der zulässigen Nettokreditaufnahme normiert wird, die im Gegensatz zu dem Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. § 10 Abs. 3 HGrG keinen Auslegungsspielraum eröffnet, zweitens durch den zweiten Referenzwert der öffentliche Schuldenstand und damit die fortwährende Prolongation öffentlicher Kreditlasten eingeschränkt wird, drittens ein Überschreiten beider Referenzwerte nur „ausnahmsweise und vorübergehend" zulässig ist, im übrigen aber die Kreditpolitik so zu gestalten ist, daß das jeweilige Verhältnis im Zeitablauf „hinreichend rückläufig" ist „und sich rasch genug dem Referenzwert nähert". 123 Die Kredit- und Schuldenpolitik der Bundesrepublik Deutschland genügt den Kriterien des Art. 104 c Abs. 2 EGV i. V. m. Art. 1 Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen öffentlichen Defizit gegenwärtig nicht. Defizit und Schuldenstand erreichten im Jahre 1992 5,4 v. H. resp. 50 v. H. des Bruttoinlandsproduktes zu Marktpreisen. 124

V. Altschulden — Ein Dilemma fortwährender Umschuldung 1. Veranschlagung der Ausgaben für Schuldendienst im Haushaltsplan Die Tilgungsverpflichtung des öffentlichen Kreditnehmers aber auch der Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers sind synonyme, konstitutive Elemente des Kreditbegriffs, wie er in der Finanzverfassung verankert ist. Die Rückzahlungsverpflichtung von Krediten ist demnach unstreitig. Zu erörtern bleibt die Frage, ob der aus einer Krediteinnahme resultierende Schuldendienst insgesamt (Tilgungs- und Zinslast) oder lediglich partiell (Zinslast) im Haushaltsplan zu veranschlagen ist und damit der Kreditbegrenzung durch Art. 109 Abs. 2 GG und Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegt. a) Veranschlagung der Tilgungsausgaben Höhe und Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgender Kreditlasten ergeben sich aus der Wahl der Kreditform. Relevant im Hinblick auf die Ausweisung im Haushalts122 Vergl. Art. 104 c Abs. 3 ff. EGV. 123 Vergl. Art. 104c Abs. 2 EGV. 124 Eigene Berechnungen, vorläufige Jahreszahlen; Daten vergl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 06/93, Statistisches Bundesamt, Reihe Wirtschaft und Statistik, 03/93, S. 169.

V. Altschulden — Ein Dilemma fortwährender Umschuldung

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plan ist, ob Tilgungsausgaben unter den Ausgabenbegriff des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG zu subsumieren sind, oder nicht. Gestützt auf die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 HGrG hat der Bundeshaushaltsgesetzgeber in § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO einerseits einfachgesetzlich normiert, daß weder zu Umschuldungszwecken fälliger Kredite erneut aufgenommene Kredite, noch die hiermit zusammenhängenden Tilgungsausgaben (fällige Kreditlasten) zu veranschlagen sind. Folgt man dieser einfachgesetzlichen Regelung, erfüllen weder Tilgungsausgaben den Ausgabentatbestand noch Umschuldungskredite den Einnahmetatbestand i. S. des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG. Andererseits wird der Ausgabentatbestand der Tilgungsausgaben durch § 13 Abs. 3 Ziffer 2 BHO bestätigt. Insoweit sind die einschlägigen Regelungen der BHO widersprüchlich. Darüber hinaus ergeben sich insofern Bedenken, als die Interpretation der Verfassung nicht anhand der Bundeshaushaltsordnung erfolgen darf. Selbst wenn die Bundeshaushaltsordnung als Interpretationshilfe angesehen werden kann, vermag § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO den verfassungsrechtlichen Ausgabenbegriff nicht authentisch zu interpretieren. Ausgehend vom Kreditbegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG führen Krediteinnahmen stets zu Liquidität auf Zeit. Dabei kann zunächst offen bleiben, ob zum späteren Ausgleich Steuereinnahmen zur endgültigen Tilgung oder erneute Krediteinnahmen zur Prolongierung veranschlagt werden. Wesentlich ist, daß mit jeder bei Eingehen einer Kreditverbindlichkeit im Haushaltsplan auszuweisenden Krediteinnahme wegen der Vorläufigkeit des Einnahmecharakters zwingend Tilgungsausgaben resultieren. Sie versetzen den Kreditnehmer lediglich in die Lage, einen Vorgriff auf künftige Steuereinnahmen zu tätigen. Weiterhin soll durch das Junktim des ersten Halbsatzes des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG eine gleichgewichtige Entwicklung spezifisch zukunftsbelastender Ausgaben und zukunftsbegünstigender Einnahmen sichergestellt werden. Zu den spezifisch zukunftsbelastenden Ausgaben zählen insbesondere Tilgungsausgaben. Zu fragen ist hier, ob bei einer Fortschreibung der Kreditlast im Wege der Prolongation, die neben der Vertagung der Fälligkeit der ursprünglichen Kreditvaluta stets weitere Zinsausgaben induziert, die korrespondierende mittel- oder unmittelbare zukunftsbegünstigende Wirkung tatsächlich beliebig in die Zukunft zu extrapolieren ist. Das Junktim stellt auf die Äquivalenz von Kreditlast und Investitionsnutzen über die gesamte Laufzeit der Investition ab. 125 Mit dem Telos des Junktims ist es nicht vereinbar, kreditär finanzierte Tilgungsausgaben nicht unter dem Ausgabenbegriff der Finanzverfassung zu subsumieren. Andernfalls würde sich die Normativkraft des Junktims auf den Zeitpunkt der Veranschlagung einer Investition oder der Begründung einer Kreditlast beschränken. Spezifisch zukunftsbegünstigende wie auch -belastende Wirkungen von Investitionen und korrespondierender kreditärer Finanzierung werden in der Regel erst im Zeitab125 Dazu oben, sub C. I. 2. und D. I. 1. c).

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

lauf offensichtlich. Eine wirksame Begrenzung der Staatsverschuldung entspricht der normativen Intention des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie läßt sich schlechterdings nur erreichen, wenn Krediteinnahmen unabhängig von ihrer vorgesehenen Deckungsfähigkeit zur Finanzierung weiterer Ausgaben oder zur Prolongation fälliger Kredite unter den Einnahmenbegriff des Art. 115 GG subsumiert werden. Umschuldungskredite lassen sich nicht isoliert betrachten, die damit zusammenhängenden Tilgungsausgaben sind daher ebenfalls im Haushaltsplan zu veranschlagen. Werden darüber hinaus Kredite zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes aufgenommen (Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. HS GG), so sollten die resultierenden Tilgungsausgaben über die im Zuge der konjunkturellen Erholung wieder ansteigenden Steuereinnahmen gedeckt und zurückgeführt werden. Werden Tilgungsausgaben von den übrigen Ausgaben getrennt, besteht die Gefahr, daß eine Rückführung nicht stattfindet, die Lasten einfach fortgeschrieben werden. Die Verpflichtung des Art. 109 Abs. 2 GG läßt sich nicht auf Teile der öffentlichen Ausgaben oder Einnahmen beschränken. Zur Haushaltswirtschaft zählen demnach Tilgungsausgaben und ggfs. Umschuldungskredite gleichermaßen. Schließlich ist das Prinzip des Haushaltsausgleichs zu erörtern. Es bezieht sich in jedem Fall auf den Haushaltsplan insgesamt.126 Selbst wenn man der einfachgesetzlichen Gliederung des Haushaltsplanes gemäß § 10 HGrG (§ 13 BHO) folgt und getrennte Ausweise für Kreditverpflichtungen des zu veranschlagenden Haushaltsjahres (Nettokreditaufnahme) in der Finanzierungsübersicht und der bestehenden Altverschuldung sowie deren Tilgung im Kreditfinanzierungsplan akzeptiert, so ist die Ausgleichsverpflichtung des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG für alle Teilpläne bindend. Zweifel sind angebracht, ob für Altschulden, die der gegenwärtigen Haushaltspraxis — gestützt auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO — folgend, lediglich im Kreditfinanzierungsplan ausgewiesen werden und durch eine realiter praktizierte (bedenkenlose) Umschuldung fortgeschrieben werden, ein verfassungsrechtlich normierter Ausgleich gemäß Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG konstatiert werden kann. Insoweit läßt sich die Auslegung der Finanzverfassung nur dahingehend zusammenfassen, daß einerseits der Ausgabencharakter der Tilgungsausgaben direkt aus der zeitlichen Befristung des Kredits folgt, andererseits die Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ihre Normativkraft nur hinreichend entfalten können, wenn nicht ein gewichtiger Teil der Haushaltes, i. e. kreditär finanzierte Tilgungsausgaben, unberücksichtigt bleibt. Die wohl herrschende Meinung vertritt demgegenüber die Auffassung, daß weder Kredite zu Umschuldungszwecken noch Tilgungsausgaben unter den Einnahmen- und Ausgabenbegriffen uder Art. 110 Abs. 1 Satz 1 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu subsumieren sind. 127 126 Dazu oben, sub C. III.

V. Altschulden — Ein Dilemma fortwährender Umschuldung

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b) Veranschlagung von Zinsausgaben Die Zinszahlungspflicht folgt aus § 608 BGB. Die Veranschlagungspflicht ergibt sich unmittelbar aus Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haushaltsplan einzustellen"; also auch Zinsausgaben. Im Gegensatz zu den Tilgungsausgaben gehen die Regelungen der Bundesaushaltsordnung in bezug auf Zinsausgaben konform mit der Finanzverfassung. So werden in § 13 Abs. 3 Ziffer 2 BHO unter Ausgaben, die „gesondert darzustellen" sind, explizit Zinsausgaben genannt. Eine vorab vorgenomme Saldierung mit Krediteinnahmen ist nicht statthaft. Die Bruttoveranschlagung greift für Zinsausgaben. Die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO sieht keine Ausnahme vor: Zinsausgaben sind in voller Höhe zu veranschlagen. 2. Wie tilgt der Staat? Die gegenwärtige Haushaltspraxis bedient fällige Kredite durch zeitgleiche Aufnahme neuer Kredite, sodaß Gebietskörperschaften faktisch lediglich umschulden, keinesfalls jedoch tilgen. Dabei werden die für Umschuldungen aufgenommenen Kredite wie auch die Tilgungsausgaben nicht in der Finanzierungsübersicht des Haushaltsplanes ausgewiesen, sondern vorab saldiert. Gestützt auf einfachgesetzliche Regelungen der §§12 Abs. 1 Satz 2 HGrG, 13 Abs. 1 Satz 2 BHO — werden Krediteinnahmen für Umschuldungen nicht unter den Einnahmebegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG, die damit zusammenhängenden Tilgungsausgaben nicht unter den Ausgabenbegriff des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG subsumiert. Im Ergebnis ergibt sich in der Finanzierungsübersicht als Teil des Haushaltsplanes eine verkürzte Darstellung der Ausgaben- und Einnahmensituation. Der Schuldenstand des Bundes wurde letztmalig in den Jahren 1968/1969 im Sinne einer Netto-Tilgung zurückgeführt. Seitdem ist ein stetiger, bisweilen sprunghafter Anstieg des Schuldenstandes, einhergehend mit einer fortwährenden Umschuldung fälliger Kredite, zu konstatieren. Demnach erfüllen öffentliche Kreditnehmer die RückZahlungsverpflichtung von Krediten nur noch gegenüber ihren Gläubigern, nicht jedoch gegenüber sich selbst. 128 Viele Bürger indes haben „ ( . . . ) die Erwartung, daß der übernommene Schuldenberg zumindest teilweise wieder abgetragen wird" 1 2 9 . In dieser Erwartung manifestiert sich das Kreditverständnis privater Gläubiger des Staates; sie vertrauen auf den Willen des Staates, seine RückZahlungsverpflichtung auch gegenüber sich selbst gemäß § 607 BGB zu erfüllen. „Diese Erwartung muß für die Gesamtheit der Gebietskörerschaften als kaum erfüllbar erscheinen". 130 127 Dazu oben, sub Ε. II. 1.; vergl. Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 86; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115 GG, Rdnr. 29, Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 12, Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 41, Heuer, Art. 115, Rdnr. 10; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 115 GG, Rdnr. 14. 128 Dazu Dreißig, Die Technik der Staatsverschuldung, S. 108. 129 BMF, Aufgaben und Ziele einer neuen Finanzpolitik, S. 39. 130 Ebenda, S. 39.

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

Die dargelegte Haushaltspraxis setzt Umschuldung mit Tilgung gleich. Sie geht einher mit Auffassungen von Piduch et al., die konstatieren, daß „Schuldentilgung auch bei einer Umschuldung vorliege, weil diese begrifflich eine Tilgung bestehender Schulden durch gleichzeitige Aufnahme neuer Schulden bedeute" 131 . Dieser Auffassung kann nur aus Sicht des Gläubigers gefolgt werden. Für den als Kreditnehmer auftretenden Staat werden Kredite durch Umschuldung lediglich prolongiert, keinesfalls getilgt. Unter Tilgung „ist die völlige oder teilweise Aufhebung der bestehenden Staatsschulden durch Rückzahlung des Schuldkapitals zu verstehen. ( . . . ) Die Tilgung muß eine wirkliche, sie darf keine bloß scheinbare sein" 132 , so v. Heckel / Lötz. Dieser Umstand wird deutlich an den parallel zum lediglich umgeschuldeten Schuldenstand sich entwickelnden Zinsausgaben. Der Unterschied von Tilgung und Umschuldung besteht darin, daß der Kreditnehmer nach Tilgung der Kreditvaluta von weiteren Zinszahlungen befreit wird, eine Umschuldung lediglich eine Verlängerung der erneuten Fälligkeit unter Fortschreibung der Zinsausgaben bewirkt. Im Ergebnis ist zu konstatieren, daß der Bund eingegangene Kreditverpflichtungen nicht tilgt, sondern lediglich umschuldet.

3. Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Haushaltsplanes Die fortwährende Umschuldung der Altschulden in Verbindung mit der Aufnahme weiterer Kredite (Nettokreditaufnahme) führt einerseits dazu, daß der Anteil der Zinsausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes ständig steigt. Seit der Haushaltsreform 67/69 hat sich der Anteil der Zinsausgaben an den Gesamtausgaben von relativ (v. H.)/absolut (Mrd. DM) 2,7/2,19 in 1969, 3,3/5,21 in 1975, 6,5/13,97 in 1980, 11,5/29,16 in 1985 bis hin zu 10,3/42,5 in 1991 vergrößert. Die mittlere Finanzplanung133 geht von einem weiteren Anstieg auf 13,3 v. H. resp. 59,8 Mrd. D M in 1995 aus. Andererseits bergen die „mit dem Anschein größter Selbstverständlichkeit" 134 über Jahrzehnte revolvierend vorgetragenden Altschulden die Gefahr in sich, daß „ein potentiell unbegrenzter Schuldenberg zu Lasten späterer Haushaltsjahre aufgetürmt" 135 wird, dem kein diese Haushaltsjahre entlastendes begünstigendes Äquivalent gegenüberstehen wird. 131 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. II, § 13 BHO, Rdnr. 15; weitere Nachweise oben, sub Ε. II. 1., Fn. 7 f. 132 Staatsschulden, in: Handwörterbuch der Staats Wissenschaften, 4. Aufl, Siebenter Band, S. 811. 133 Daten siehe BMF, Finanzbericht 1992, S. 171 ff.; Gschwendtner, S. 314 weist für den Fall einer lediglich proportional zu den regulären Staatseinnahmen sich entwikkelnden Staatsschuld nach, daß „die Einschränkung des Ausgabenspielraums ad infinitum bestehen bleibt". 134 Friauf, Staatskredit, § 91, Rdnr. 42. 135 Ebenda, Rdnr. 51.

V. Altschulden — Ein Dilemma fortwährender Umschuldung

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Stellt man im laufenden Haushalt Zinsausgaben und Nettokrediteinnahmen gegenüber, so ist zu konstatieren, daß fast „keine einzige D M zur Finanzierung von Sachaufgaben gewonnen (wird)" 1 3 6 . Nun läßt sich einwenden, daß sich — dem einfachgesetzlich normierten Gesamtdeckungsprinzip (Non-Affektation, § 7 Satz 2 BHO) folgend — eine Zuordnung von Krediteinnahmen für Zinsausgaben auf ein Gesetz stützen muß, der Einwand insoweit fehl geht. Eine derart formale Sichtweise vermag indes nicht das Argument zu entkräften, wonach die fortwährende Prolongation von Altschulden das verfassungsrechtlich vorgesehene Rechtsinstitut der Kreditfinanzierung von Sachausgaben durch „extensive Inanspruchnahme außer Funktion" setzt. 137 Einher mit der Fortschreibung der Altkredite geht der Verlust an Handlungsspielraum auf der Ausgabenseite, bis hin zu „einer anhaltenden Verschlechterung der Zukunftserwartungen der Unternehmer, ( . . . ) einer tendenziellen Dämpfung der Investitionsneigung" 138 , die wiederum die zu erwartende Entwicklung des künftigen Steueraufkommens negativ beeinflussen. Kirchhof resümiert, daß ein hoch verschuldeter Staat seine Offenheit für die Anforderungen der Zukunft verspielt. 139 4. Wertung Eine haushaltsmäßige Trennung des Schuldendienstes dergestalt, daß Zinsausgaben im Haushaltsplan zu berücksichtigen sind, während Tilgungsausgaben lediglich zur Ermittlung der Bruttokreditaufnahme im Kreditfinanzierungsplan ausgewiesen werden, verkennt den vorläufigen Einnahmecharakter von Einnahmen aus Krediten 140 , gleichwohl wird sie gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO praktiziert. a) Der Schuldendienst erschöpft sich für den Kreditnehmer gerade nicht darin, Zinsausgaben zu veranschlagen, darüber hinaus wird mit Aufnahme des Kredites eine RückZahlungsverpflichtung gegenüber dem Kreditgeber begründet, d. h. es fallen regelmäßig Tilgungsausgaben an. Richtigerweise werden Tilgungsausgaben neben Zinsausgaben unter Ziffer 2 des § 13 Abs. 3 BHO explizit genannt. Abzustellen ist demnach auf den Ausgabencharakter des Schuldendienstes insgesamt, d. h. sowohl der Zinsen als auch der Tilgung. 136 P. Kirchhof Grenzen der Staatsverschuldung in einem demokratischen Rechtsstaat, S. 276. 137 Ebenda; Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 746: „künftige Krediteinnahmen wegen der parallel laufenden Zinszahlungen ihre Finanzierungsfunktion einbüßen". 138 Ehrlicher, Aspekte der Staatsverschuldung, S. 47 f. 159 Ebenda, S. 281 ; zustimmend: Wiss. Beirat beim BWM, Kriterien und Konsequenzen der Staatsverschuldung, S. 426, wobei die These, daß hohe Zinsausgaben „den fiskalischen Aktionsspielraum einengen", nicht dadurch zu entkräften sei, daß „die vom Staat gezahlten Zinsen wieder an Steuerzahler zurückfließen". 140 Dazu: BGHZ 25, 174 (177 f.). 12 Lappin

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Ε. Das Prozedere öffentlicher Kreditaufnahmen

b) Umgeht der Haushaltsgesetzgeber die Tilgungsverpflichtung durch gleichzeitige Aufnahme neuer Kredite (Umschuldung), so sind regelmäßig die Regelungen der Art. 115 Abs. 1 Satz 2 und Art. 109 Abs. 2 GG tangiert. Eine Nichtberücksichtigung von Krediten zur Umschuldung hinsichtlich der den Haushaltsgesetzgeber bindenden Restriktion durch das Junktim des Art. 115 GG verkennt in fataler Weise dessen normative Intention. Neben der Nettokreditaufnahme beeinflußt die Prolongation bestehender Kreditlasten maßgeblich die Höhe der Verschuldung insgesamt. Bei objektiver Auslegung der Vorschrift des Art. 115 GG findet sich kein Anhalt für eine Differenzierung von Einnahmen aus Krediten danach, ob sie zur Finanzierung neu veranschlagter Ausgaben oder zur Bedienung fälliger Tilgungsausgaben eingesetzt werden, solange sie als Deckungsmittel zur Verfügung stehen. Die Deckungsfähigkeit von Umschuldungskrediten besteht uneingeschränkt. Insoweit verstößt die NichtVeranschlagung von Einnahmen aus Krediten zu Umschuldungszwecken gegen geltendes Verfassungsrecht. Darüber hinaus konterkariert die geübte Haushaltspraxis die normative Intention des Art. 115 GG, da sie einen wesentlichen Teil der Verschuldung davon ausnimmt, wirksam zu einer Begrenzung der öffentlichen Verschuldung beizutragen. Ein weiterer Aspekt des Junktims ist zu erörtern: Die Äquivalenz spezifisch zukunftsbelastender- und begünstigender Wirkungen von Einnahmen aus Krediten und korrespondierenden Ausgaben. Wenn auch für öffentliche Investitionen keine einzelwirtschaftliche Rentablilität erforderlich ist, so ist es zumindest zweifelhaft, ob bei einer de facto stetigen Prolongierung der Kreditlast die zugehörige entlastende Wirkung in gleicher Weise in die Zukunft fortzuschreiben ist. Mag man bei Investitionen eine im Einklang mit der Prolongation der Kreditlast stehende zukunftsbegünstigende Wirkung als äußerst denkbaren Grenzfall tolerieren 141 , so gilt dies keinesfalls für in Phasen einer gesamtwirtschaftlichen Störung kreditär finanzierte konsumtive Ausgaben. Ihre Zukunftswirksamkeit ist regelmäßig auf den Zeitpunkt des Wiedererlangens des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes terminiert. Wenn auch eine erhöhte Kreditaufnahme zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes konform geht mit dem zweiten Halbsatz des Art. 115 Abs. 1 GG, so steht eine wiederholte Umschuldung dieser Kredite im potentiellen Widerspruch zur normativen Intention des Art. 115 GG. Nach Ablauf eines Konjunkturzyklusses ist eine erneute Umschuldung nicht zu rechtfertigen, da nunmehr keine zukunftsbegünstigende Wirkung mehr angenommen werden kann. Zur Haushaltswirtschaft gehören Einnahmen und Ausgaben gleichermaßen. Die aus der Umschuldung fälliger Tilgungsausgaben resultierenden Altschulden 14 1 Wobei diese Prämisse Zusehens kritischer gesehen wird; Der Wiss. Beirat beim BMF, Gutachten zu den Problemen einer Verringerung der öffentlichen Netto-Neuverschuldung, S. 47, kritisiert, daß von öffentlichen Investitionen negative Zukunftswirkungen ausgehen und exemplifiziert es anhand „heute verursachter Umweltschäden", die „zum Teil ( . . . ) eine Folge öffentlicher Planungs- und Investitionsentscheidungen" seien.

V. Altschulden — Ein Dilemma fortwährender Umschuldung

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haben somit den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen. Dabei dominiert kurzfristig eine Verstetigung der konjunkturellen Entwicklung, langfristig gilt es, ein stetiges und angemessenes Wachstum zu fördern. Unter kurzfristigem Blickwinkel mag eine Umschuldung fälliger Kredite durchaus wünschenswert erscheinen, jedenfalls dann, wenn eine Finanzierung der Tilgungsausgaben durch Steuern eine Erhöhung der Abgabenlast zur Folge hätte, die sich negativ auf die konjunkturelle Entwicklung auswirkt. Andererseits führt die Umschuldung am Kapitalmarkt zu weiterer Kreditnachfrage, die bei einer endlichen Elastizität das bestehende Zinsniveau zumindest stabilisiert, ggfs. jedoch tendenziell erhöht. Langfristig beeinträchtigt die Fortschreibung der Kreditlasten das wirtschaftliche Wachstum und die eng damit zusammenhängende Beschäftigung negativ. 142 Weiterhin wird die Wirksamkeit des konjunkturpolitischen Instrumentes Kredites beeinträchtigt: Der Bund ist verpflichtet, sich bei Eintreten einer nachfragebedingten Störung antizyklisch zu verhalten, d. h. zu erwartende Steuermindereinnahmen sind nicht durch Ausgabenkürzungen auszugleichen (Verbot einer Parallelpolitik), sondern durch eine erweiterte Kreditaufnahme zu kompensieren. Trifft nun diese konjunkturell gebotene, erhöhte öffentliche Kreditaufnahme auf einen infolge stetig steigender öffentlicher Umschuldungskreditvolumina angespannten Kapitalmarkt, ist zu befürchten, daß ein Anstieg des Zinsniveaus, zumindest aber ein Verharren auf dem gegenwärtigen Niveau, eintritt. Im Ergebnis wird die Wirksamkeit des konjunkturpolitischen Instrumentes Kredit durch fortwährende Umschuldung konterkariert. c) Abschließend ist zu bewerten, ob Altschulden, die bei Fälligkeit immer wieder erneuert werden müssen, noch die Tatbestandsvoraussetzungen des Kredites erfüllen. Altschulden verdeutlichen, daß öffentliche Kreditnehmer nicht beabsichtigen, einmal eingegangene Kreditlasten zurückzuführen, andernfalls würde der Stand der öffentlichen Verschuldung nicht stetig steigen. Die Tilgung ist der Sache nach eine scheinbare, die dem RückZahlungsanspruch des Kreditgebers lediglich durch gleichzeitige Aufnahme eines weiteren Kredites genügt. Entgegen dem Wortlaut des § 607 Abs. 1 BGB und der höchstrichterlichen Rechtssprechung zu dieser Vorschrift, die darauf abstellt, daß „ein Darlehen das Vermögen des Empfängers nicht dauernd um das hingegebene Kapital vermehren, ihm vielmehr nur dessen zeitweilige Nutzung verschaffen soll" 1 4 3 , läßt die Nichtveranschlagung von Umschuldungskrediten als Einnahmen aus Krediten gem. Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BHO nicht erkennen, daß der Bund Kredite als Liquidität auf Zeit begreift.

142 Vergl. Aggregate Investment Approach sub C. Π. 2.; Gandenberger , Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten?, S. 173 ff. 143 BGHZ 25, 174 (177 f.). 12*

F. Verschuldung der Sondervermögen Seit der Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik hat die Delegation öffentlicher Aufgaben an Sondervermögen eine beispiellose Renaissance erlebt. 1 Dabei ist unstreitig, daß Sondervermögen öffentliche Aufgaben wahrnehmen; „ihre Zugehörigkeit zum Bundeshaushalt ( . . . ) ist daher selbstverständlich" 2. Insoweit ist zu erörtern, ob Krediteinnahmen, die Sondervermögen in eigenem Namen tätigen, den Restriktionen der Finanzverfassung unterliegen.

I. Begriff und Aufgaben der Sondervermögen 1. Begriff des Sondervermögens Der Begriff des Sondervermögens wird in den Art. 110 Abs. 1 Satz 1, 2. HS und 115 Abs. 2 GG angeführt, ohne daß das Grundgesetz eine Legaldefinition leistet. Unter Sondervermögen des Bundes sind „besondere Bestandteile des Bundesvermögens, die ausschließlich zur Erfüllung einzelner genau begrenzter Aufgaben des Bundes bestimmt sind" 3 , zu verstehen. Sie sind wirtschaftlich selbständig, d. h. sie stellen ihre Wirtschaftspläne nach Maßgabe der öffentlichen Aufgabenstellung eigenständig auf. Rechtlich sind sie vom Bund abhängig, d. h. sie haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, sind vielmehr „statio fisci" 4 . Ihre Verwaltung ist Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung. 5 Im Verhältnis zu Dritten kann ihnen durch Gesetz eigene Handlungsfähigkeit verliehen werden. 6 Vermögensrechtlich wird regelmäßig eine Trennung der Vermögenswerte des Sonder1 Vergl. Deutsche Bundesbank, Die Bedeutung von Nebenhaushalten im Zuge der deutschen Vereinigung, in: Monatsbericht 05/93, S. 43 ff. 2 Viaion, S. 201. 3 Piduch, BHO, Bd. I, Art. 110 GG, Rdnr. 45 f.; Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 34; Bock, S. 104; Morell, § 113 BHO, S. 836 ff.; Dommach, § 26 BHO, Rdnr. 3, Vorl. VV zu § 26 BHO, Tz. 2.1., in: MinBIFin 1987, S. 334 f., Patzig, Haushaltsrecht, § 26 BHO, Rdnr. 11 f., Hennecke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, S. 3, Rdnr. 14; Vogt, S. 143 f., Rdnr. 104. 4 Piduch, ebenda, Rdnr. 45. 5 v. Köckritz / Ermisch / Lamm, § 26 BHO, Tz. 4.2, S. 4. 6 Vergl. etwa § 5 Satz 1 PostVerfG: „Die Deutsche Bundespost und die Unternehmen der Deutschen Bundespost können im Rechtsverkehr unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden."; so auch § 29a Abs. 3 VermG, § 3 Satz 2 Gesetz über die Errichtung eines Kreditabwicklungsfonds.

I. Begriff und Aufgaben der Sondervermögen

181

Vermögens von denen des Bundes gesetzlich normiert, darüber hinaus werden Bundes- und Sondervermögen unter gegenseitigen Haftungsausschluß gestellt.7 Die vermögensrechtliche Trennung ist nicht absolut zu verstehen 8, zwischen dem Haushaltsplan des Bundes und dem Wirtschaftsplan eines Sondervermögens besteht über im Haushaltsplan zu veranschlagende Zuführungen oder Ablieferungen ein enger Sachzusammenhang. Wird — was der Regelfall ist — den Sondervermögen eine eigenständige Kreditaufnahme kraft Gesetz eingeräumt, so ist die Höhe der Zuführung oder Ablieferung nicht notwendig identisch mit dem in Erfüllung der öffentlichen Ausgabe sich ergebenden Saldo aus Einnahmen und Ausgaben.

2. Schuldenstand der Sondervermögen des Bundes per 31.12.1993 Tabelle 3 Schuldenstand 12/939 ERP-Sondervermögen10 Fonds „Deutsche Einheit" Kreditabwicklungsfonds Bundesbahn / Reichsbahn Bundespost/Deutsche Post Lastenausgleichsfonds Entschädigungsfonds 11 Treuhandanstalt gesamt zum Vergleich: Bund

Nettokreditaufnahme 1/93-12/93

28,1 3,8 87,7 13,3 101,2 9.5 66 12,6 104,5 7,9 Schulden wurden 1980 vom Bund übernommen Kreditfinanzierung nicht vorgesehen 169,3 59,1 556,8 106,2 685,3 78,6

7 Vergl. etwa § 3 Abs. 2 BbG: „Für die Verbindlichkeiten der Deutschen Bundesbahn haftet der Bund nur mit dem Bundeseisenbahnvermögen. ( . . . ) Das Bundeseisenbahnvermögen haftet nicht für die sonstigen Verbindlichkeiten des Bundes."; dazu unten, sub F. II. 4. a). s Vergl. Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 34; Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 17; BT-Drucks. V/3040, Rdnr. 136, S. 47: „Zwischen Sondervermögen und allgemeinem Bundesvermögen besteht praktisch keine vollständige Trennung". 9 Angaben in Mrd. DM; Quelle: BMF, Finanzplanungsrat, Stand 06/94. m European Recovery Program, geht zurück auf eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ziel des Fonds war und ist die Finanzierung von Wiederaufbaumaßmahmen; vergl. Gesetz über die Verwaltung des ERP-Sondervermögens v. 31.8.1953 (BGBl. I, S. 1312 f.). il Vergl. Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) v. 26.4.1991 (BGBl. I, S. 958 f.).

182

F. Verschuldung der Sondervermögen

Schuldenstand und jeweilige Nettokreditaufnahmen der angeführten Sondervermögen dokumentieren, daß nicht nur die Kreditlast sich zunehmend auf Sondervermögen verlagert, darüber hinaus wird die öffentliche Kreditaufnahme insgesamt maßgeblich durch Sondervermögen beeinflußt.

3. Einnahmenerzielung — Aufgabe der Sondervermögen im Rahmen des Grundgesetzes? Bedarfsdeckung — orientiert an gesetzlich normierten Aufgabenstellungen — dominiert bei staatlicher Betätigung. Indes ist dem Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG zu entnehmen, daß „Ablieferungen" 12 der Sondervermögen in den Haushaltsplan einzustellen sind. Ablieferungen setzen voraus, daß der im Wirtschaftsplan des jeweiligen Sondervermögens erwartete Überschuß am Ende des Wirtschaftsjahres eintritt. Der Finanzverfassungsgesetzgeber ging demnach davon aus, daß Ausgaben des Bundes durch Ablieferungen finanziert werden können. Wie bereits bei der Erörterung der Überschußverwendung der Bundesbank ausgeführt, haben der Staat, und damit implizit auch Sondervermögen, keine Gewinnmaxime. Treten dennoch Überschüsse auf, sind sie aufgabenspezifisch und a priori nicht auszuschließen, keinesfalls jedoch Ziel öffentlicher Aufgabenerfüllung. 13 Exemplarisch sei auf den Verfassungsauftrag des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG verwiesen. Das gesetzlich normierte „Ziel bester Verkehrsbedienung" (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BbG) hat die Bundesbahn unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze, d. h.: „Ausgleich der Rechnung in Form der Deckung der Aufwendungen durch die Erträge soll erreicht und eine angemessenene Eigenkapitalverzinsung angestrebt werden" 14 , im Sinne von Leistungsmaximierung für das Gemeinwohl, nicht durch Gewinnmaximierung zu erreichen. Freilich zwingt auch das Verfassungsrecht den Bund nicht dazu, wegen der sog. Gemeinnützlichkeitsbindung Bahnleistungen ohne Rücksicht auf die Kosten, Nutzen und Bedürfnis aufrechtzuerhalten. 1 5 Neben dem Verkehrsbedürfnis ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, § 7 BHO) zu beachten. Erfordert das Wirtschaftlichkeitsgebot eine Anpassung des Leistungsauftrages, so hat die Bundesbahn bei mangelnder Kostendeckung ihr Streckenangebot und ihre Aufbau- und Ablauforganisation im Hinblick auf Kostensenkungspotentiale zu überdenken, andererseits 12 Zu den Abführungen zählen Gewinnabführungen und Kapitalrückzahlungen; vergl. Patzig, Haushaltsrecht, § 26 BHO, Rdnr. 12; v. Kökritz / Ermisch / Lamm, § 26 BHO, Tz. 4.3; Vorl. VV zu § 26 BHO, Tz. 1.4, in: MinBIFin 1987, S. 334 f. 13 Vergl. oben, sub Β. I. 3. 14 Finger, Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz und Bundesbahngesetz, S. 180. 15 Vergl. E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 88 ff., 101.

II. Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme der Sondervermögen

183

im Falle nachhaltiger Überschüsse ihre Gebühren zu senken; jedenfalls steht Art. 3 GG einer Gebührenbemessung, die einen Gewinnanteil berücksichtigt, um Mittel zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu erwirtschaften, entgegen. 1 6 Verhindern Vorgaben des Bundes eine hinreichende Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei kosten- und ergebnisrelevanten Entscheidungen der Bundesbahn, so hat der Bund den daraus resultierenden Aufwand in Form von Zuführungen auszugleichen.17 Ein Blick auf die Ergebnissituation der Sondervermögen offenbart, daß diese ihre Aufgabe im Regelfall defizitiär ausführen. Bei den im Zuge der Vereinigung begründeten Fonds sind eigene Einnahmen wegen ihrer spezifischen Aufgabenstellung auszuschließen. Insoweit sind weniger die Ablieferungen, sondern die Zuführungen des Bundes an das jeweilige notleidende Sondervermögen zu beachten.

I I . Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme der Sondervermögen in der Finanzverfassung 1. Art. 115 Abs. 2 GG Durch Art. 115 Abs. 2 GG wird der Bundesgesetzgeber fakultativ ermächtigt, Sondervermögen von den Restriktionen zur Kreditaufnahme auszunehmen.18 Die „kann"-Vorschrift läßt keinesfalls den Schluß zu, daß jedes Sondervermögen vom Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu befreien ist. Zunächst betrifft sie die der Höhe nach bestimmte oder bestimmbare Kreditermächtigung durch Gesetz (Gesetzesvorbehält). Kann eine vollständige Trennung der Wirtschaftspläne der Sondervermögen und des Bundeshaushaltsplanes unterstellt werden, so betreffen Kreditaufnahmen eines Sondervermögens den Bund nicht. Darüber hinaus steht der Haftungsausschluß zwischen Bund und Sondervermögen einer Inpflichtnahme des Bundes formal wirksam entgegen.19 In praxi indes ergeben sich Zweifel, ob sich der Bund im Haftungsfalle einer Beteiligung an den Kreditlasten eines Sondervermögens entziehen kann. Die Delegation öffentlicher Aufgaben unter Ausschluß der Übernahme des Ausgabenrisikos an Sondervermögen hätte zur Folge, daß die Kreditgeber bei Zahlungsunfähigkeit des Sondervermögens leer ausgehen. Auf Grund der Einheitlichkeit des Rechtssubjektes Bund und kraft Sachzusammenhanges kann der Bund seine 16 Dazu: F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 128 f.; ders., Tätigkeitsfelder der Deutschen Bundespost, S. 64 f. π Vergl. § 28a Abs. 1 BbG. is Vergl. Heuer, Art. 115 GG, Rdnr. 16; Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 32. 19 Vergl. Papier, in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 34 GG, Rdnr. 217 ff.; P. Dagtaglou, in: Dolzer/Vogel (Hrsg.), BK, Art. 34, Rdnr. 253 ff.

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F. Verschuldung der Sondervermögen

Sondervermögen nicht notleidend werden lassen.20 Daher ist die Ausnahmeregelung insbesondere für das Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG dahingehend zu relativieren, daß zunächst präventiv sicherzustellen ist, daß Kreditaufnahmen der Sondervermögen nicht zu einer potentiellen künftigen Belastung für den Bund werden, m. a. W.: die Ausnahmeregelung ist nur in engen Grenzen zuzulassen und bedarf zwingender Gründe. 21 Der Gefahr einer künftigen Belastung läßt sich begegnen, indem der Bund in angemessener Höhe Zuführungen an die betroffenen Sondervermögen in den Haushaltsplan einstellt. 2. Art. 110 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG Der zweite Halbsatz des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG normiert die Möglichkeit der vermögensmäßigen Trennung von Bund und Sondervermögen, indem er die Saldierung der Ausgaben und Einnahmen für Sondervermögen, d. h. die Einstellung einer Zuführung oder Ablieferung in den Haushaltsplan, vorsieht. Zwingend ist sie nicht. Während Stern 22 et al. anführen, daß insbesondere die Belange kaufmännisch geführter Betriebe ein Abweichen von der kameralistischen Buchführung, wie sie in der Verwaltung üblich ist, erfordern, vertrat Viaion die Auffassung, daß „nach den bisher vorliegenden Erfahrungen die Beibehaltung kameralistischer Buchführung die ( . . . ) Bewegungsfreiheit nicht zu beeinträchtigen braucht" 23 . Wird von der Möglichkeit der Nettoveranschlagung, was realiter ständige Haushaltspraxis ist, für jeden Bundesbetrieb und jedes Sondervermögen Gebrauch gemacht, so werden regelmäßig die Prinzipien der Einheit des Haushalts und das Bruttoprinzip durchbrochen, der Sonderstatus des Wirtschaftsplanes eines Sondervermögens bekräftigt, damit jedoch „schwarze Kassen" 24 und eine „Flucht aus dem Etat" 2 5 begünstigt. Andererseits spricht die Verpflichtung, Zuführungen oder Ablieferungen in den Haushaltsplan einzustellen, dafür, daß die vermögensmäßige Trennung keinen Bestand hat. Wesentlich ist, daß durch den zweiten Halbsatz des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG das Parlament in der Ausübung eines wesentlichen Rechtes, dem Budgetrecht, eingeschränkt wird, da es keinen direkten Überblick mehr über Einnahmen und Ausgaben insgesamt hat, die der Erfüllung öffentlicher Ausgaben dienen; 26 die Haushalts- und Wirtschaftspläne der Sondervermögen werden durchweg nicht vom Parlament, sondern von eigenen Organen verwaltet. 27 20 Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Art. 115 GG, BT-Drucks. V/3040, Tz. 136, S. 47. 21 Vergl. Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 126; Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 17. 22 Vergl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1240; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. II, Art. 110 GG, Rdnr. 46; Wolf, S. 179 f. 23 Viaion, S. 947. 24 Kisker, Staatshaushalt, § 89, Rdnr. 63. 25 Vergl. Patzig, Grundriß, S. 116, Rdnr. 93; Piduch, ebenda, Rdnr. 37; Kisker, ebenda, Rdnr. 65. 26 Vergl. Heuer, Art. 110 GG, Rdnr. 7; Patzig, Haushaltsrecht, Art. 115 GG, Rdnr. 7.

II. Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme der Sondervermögen

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3. Art. 109 Abs. 2 GG Die Verpflichtung, Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes Rechnung zu tragen, gilt für Sondervermögen uneingeschränkt. 28 Wenn der B u n d für die Erfüllung einzelner genau begrenzter Aufgaben der Separierung besonderer Bestandteile des Bundesvermögens für geboten erachtet, so berührt diese Vermögenstrennung weder den öffentlichen Charakter der Ausgaben und Einnahmen oder der Aufgabe selbst. Es dürfte unstreitig sein, daß Einnahmen und Ausgaben der Sondervermögen unter den Begriff der Haushaltswirtschaft zu subsumieren sind. Daher erfährt die Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 2 G G durch Art. 109 Abs. 2 G G eine wesentliche Einschränkung. Öffentliche Krediteinnahmen sind einerseits geeignet, durch gezielten Einsatz die gesamtwirtschaftliche Entwicklung i m Sinne der Zielvorgaben des § 1 Satz 2 StabG zu beeinflussen, stellen insoweit ein gewichtiges konjunkturpolitisches Instrument dar, andererseits können nicht getilgte Kredite selbst zu einer Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes führen. Insoweit w i r d eine für Sondervermögen gemäß Art. 115 Abs. 2 G G unter Nichtbeachtung der Kreditrestriktion durch das Junktim mögliche Kreditaufnahme wirksam durch Art. 109 Abs. 2 G G überlagert, sofern gesamtwirtschaftliche Erfordernisse unberücksichtigt bleiben. Indes konstatiert Morell,

daß das „ R i s i k o

der Ausweitung ihrer Eigenständigkeit ( . . . ) zum Nachteil der gesamtwirtschaftlichen Funktion des Bundeshaushaltes nicht übersehen werden kann" und meldet „Bedenken" an. 2 9 Gerade i n Phasen des Gleichgewichtszustandes oder eines Booms kann es geboten sein, eine Netto-Tilgung bestehender Kreditlasten vorzunehmen, sodaß die Verschuldung insgesamt zurückgeführt wird.

4. Vorbehalte gegen die Ausnahmeregelungen der Art. 115 Abs. 2 und 110 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG a)

Haftungsausschluß

Die Vermögenstrennung zwischen Bund und Sondervermögen w i r d i n praxi nicht durchgehalten. So wurden die Schulden des Lastenausgleichsfonds

im

Rahmen einer Defizitübernahmegarantie am 1.1.80 v o m Bund übernommen. Die desolate Eigenkapitalausstattung der Deutschen Bundesbahn zwang den Bund zum 1.1.91, Kreditlasten der Bahn i n Höhe von 12,6 Milliarden D M zu übernehmen und somit den Schuldendienst über den Bundeshaushalt abzuwickeln. 3 0 27 28 Abs. 29 30

Vergl. Fischer-Menshausen, Art. 110 GG, Rdnr. 10. Vergl. Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 127; Maunz, Art. 115 GG, Rdnr. 52; dazu: § 13 1 und 2 StabG. Vergl. Morell, § 113 BHO, S. 839. Vergl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 9/92, S. 66.

186

F. Verschuldung der Sondervermögen

Kreditlasten i n dieser Größenordnung beeinflussen die Wahrnehmung der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse nachhaltig. Demnach hat der formal einfachgesetzlich normierte Haftungsausschluß (§ 2 Abs. 2 PostVerfG, § 3 Abs. 2 BbG, § 4 ERPG) material keinen Bestand. B e i m Kreditabwicklungsfonds, dem Fonds „Deutsche Einheit", dem Entschädigungsfonds und der Treuhandanstalt wurde explizit eine Übernahmegarantie einfachgesetzlich verankert (§ 4 Treuhandkreditaufnahmegesetz v. 3.7.92 ( B G B l . I S. 1190); § 4 Abs. 2 Gesetz über die Errichtung eines Fonds „Kreditabwicklungsfonds" v. 23.9.90(BGB1. I I S. 885, 993); § 29a Abs. 4 Vermögensgesetz v. 26.4.91 ( B G B l . I S . 958,968); § 4 Abs. 2 des Art. 30, Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit", Gesetz zu dem Vertrag v. 18.5.90 zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R ) . Insoweit w i r d der Haftungsausschluß nicht nur einfachgesetzlich differierend normiert, realiter übern i m m t der Bund unbeschadet einer bestehenden Ausschlußregelung Kreditlasten.

b) Situations gebundene Kreditaufnahme des Bundes wird konterkariert Die Haushaltsreform 6 7 / 6 9 hatte zum Ziel, den überkommenen, objektbezogenen Deckungsgrundsatz zu reformieren und eine situationsgebundene Kreditaufnahme, die neben der reinen Bedarfsdeckung hinreichend gesamtwirtschaftliche Erfordernisse beachtet, i n die Finanzverfassung aufzunehmen. 3 1 Wenn Sondervermögen i n Erfüllung öffentlicher Aufgaben v o m Deckungsgrundsatz des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 G G ausgenommen werden, w i r d die Effizienz der übrigen i m Haushaltsplan dem Junktim unterliegenden Kreditaufnahme beeinträchtigt. Dies gilt umso mehr, als Krediteinnahmen der Sondervermögen i m Verhältnis zu i m Bundeshaushaltsplan ausgewiesenen Krediteinnahmen dominieren. 3 2 „ O h ne eine straffe Koordinierung der Kreditaufnahmen des Bundes und seiner Sondervermögen ist eine wirksame Kredit- und Konjunkturpolitik undenkbar." 3 3 Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß der Bund i n konjunkturellen Phasen, i n denen aus gesamtwirtschaftlichen Erfordnissen eine restriktive Kreditaufnahme angezeigt ist, aus dem faktisch nicht durchsetzbaren Haftungsausschluß Kreditlasten auf den Bund übergehen, deren Entstehung unter Beachtung des Junktims des Art. 115 G G verhindet worden wäre.

31 Vergl. oben, sub C. I. 2. 32 Vergl. oben, sub F. I. 2., Tabelle 3. 33 Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Art. 115 GG, BT-Drucks. V/3040, Tz. 136, S. 47.

Π. Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme der Sondervermögen c) Rückwirkungen

auf den

187

Bundeshaushalt

Durch den Ausweis von Zuführungen und Ablieferungen der Sondervermögen i m Haushaltsplan besteht eine direkte Verbindung zwischen Sondervermögen und Haushaltsplan des Bundes. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Höhe der v o m Bund zu leistenden Zuführungen maßgeblich durch die Kreditaufnahmen des jeweiligen Sondervermögens beeinflußt werden. Sie eröffnen dem Bund indirekt erhebliche Verschuldungsmöglichkeiten. Entscheidend ist, daß die Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hand i m weiteren Sinne, also unter Einschluß aller Nebenhaushalte, deutlich w i r d . 3 4 Würden die Krediteinnahmen der Sondervermögen uneingeschränkt den Kautelen des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 G G unterliegen, würden i m Ergebnis weniger Krediteinnahmen als de lege lata erzielt werden dürfen. 3 5 Tangiert wäre der verbleibende Budgetspielraum des Haushaltsgesetzgebers, da dann das beim Sondervermögen auftretende Finanzierungssaldo durch entsprechend höhere Zuführungen des Bundes auszugleichen ist. Das Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 G G gilt für Haushalts- und Wirtschaftspläne gleichermaßen. Kredite verlagern die Ausgabewirksamkeit öffentlicher Aufgaben nur auf Zeit. Das Erfordernis einer Deckung durch endgültige Einnahmen, d. h. Steuern oder Gebühren, Beiträge etc., vermögen sie nicht zu überwinden. Insoweit ist ein erweiterter Kreditrahmen durch die Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 2 G G nur aus kurzfristigem B l i c k w i n k e l zu begrüßen. Langfristig erhöht er die Ausgabenlast resp. determiniert wesentliche Teile der Ausgaben, ohne daß die belastende W i r k u n g durch einen zukünftigen Nutzen kompensiert wird; es w i r d ein die „Solidität der Bundesfinanzen bedrohender Schuldenberg angehäuft, der nicht nur wegen möglicher zinstreibender Konsequenzen i m Inland auf Bedenken stößt". 3 6 Derartige Konventionen verengen das gesamtwirtschaftliche Sichtfeld, wenn es letztlich u m den Einfluß aller staatlichen und staatlich gelenkten Aktivitäten geht. 3 7

d) Haushaltseinheit

und parlamentarisches

Budgetrecht

eingeschränkt

Das Prinzip der Haushaltseinheit hat Verfassungsrang. 38 Es erfährt durch den zweiten Halbsatz des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 G G eine wesentliche Einschränkung. Durch die Saldierung der Ausgaben und Einnahmen der Sondervermögen spiegelt der Haushaltsplan ein unvollständiges B i l d der Ausgaben- und Einnahmensitua34 Deutsche Bundesbank, Die Bedeutung von Nebenhaushalten im Zuge der deutschen Vereinigung, S. 57. 35 Vergl. Wiebel, Art. 115 GG, Rdnr. 128. 36 Patzig, Zwischen Solidität und Solidarität, in: DÖV 1991, S. 582. 37 Deutsche Bundesbank, ebenda, S. 44. 38 Vergl. Patzig, Grundriß, Rdnr. 94 f.; Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 39; FischerMenshausen, Art. 110 GG, Rdnr. 9.

188

F. Verschuldung der Sondervermögen

tion des Bundes wider. M i t h i n w i r d eine einheitliche Kredit- und Konjukturpolitik erschwert. 3 9 Jedwede Ausnahmeregelung aufgrund des Art. 115 Abs. 2 G G bedeutet praktisch einen Verzicht auf die Ausübung des Budgetrechts des Parlaments für einen T e i l des Bundes. 4 0 V o r diesem Hintergrund ist es geboten, die spezifischen Aufgabenstellungen kritisch daraufhin zu prüfen, ob sie tatsächlich einer Delegation an Sondervermögen — verbunden m i t einer Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen der Art. 110 und 115 G G — bedürfen. 4 1

e) Quintessenz Die verfassungsrechtlich normierten Möglichkeiten der Nettoveranschlagung gemäß Art. 110 Abs. 1 Satz 1, 2. HS G G sowie der Ausnahme von den Kautelen der Kreditaufnahme (Junktim des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG) gemäß Art. 115 Abs. 2 G G führen dazu, daß Zusehens größere Ausgabenbereiche des Bundes budgetflüchtig werden. Z u fragen ist, ob die geübte Haushaltspraxis, einerseits öffentliche Aufgaben, deren Kostendeckung durch eine gemeinwohlorientierte Zielsetzung erschwert wird, aus dem Haushaltsplan auszugrenzen, andererseits den Kreditspielraum durch auf Art. 115 Abs. 2 G G gestützte Ausnahmeregelungen zu erweitern, nicht i n bedenklicher Weise das Budgetrecht wie auch den Zweck öffentlicher Krediteinnahmen schlechthin beeinträchtigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn „die Ausgliederung geradezu darauf abzielt, bestimmte Einnahmen und Ausgaben den Regeln über die Feststellung des Staatshaushaltes zu entziehen" 4 2 . Da der Haftungsausschluß zwischen Bund und Sondervermögen nur formal besteht, insoweit die Kreditlasten i m Haftungsfalle unmittelbar auf den Bundeshaushalt durchgreifen, muß eine durch erhöhte Kreditaufnahmen der Sondervermögen bewirkte Reduzierung der Zuführungen an Sondervermögen unter Umgehung begrenzender haushalts- und finanzverfassungsrechtlicher Ristriktionen als potentiell verfassungswidrig erscheinen. 43

39 Vergl. Fischer-Menshausen, Art. 115 GG, Rdnr. 17. 40 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Bd. I, Art. 115 GG, Rdnr. 33; Maunz, Art. 115, Rdnr. 52. 41 Dazu: Karehnke, S. 404; Wolf, S. 182; L. Schemmel, Quasi Steuern — Gegen den Wildwuchs steuerähnlicher Sonderabgaben, Schriften des Karl-Bräuer-Institutes, Heft 46, 1980, S. 72. 42 Kisker, Staatshaushalt, § 89, Rdnr. 65; E. Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, Diss., 1978, S. 160; H. C. Korff, Haushaltspolitik, Instrument öffentlicher Macht, 1975, S. 165. 4 3 Vergl. Patzig, Zur Problematik der Kreditfinanzierung staatlicher Haushalte, S. 302; Maunz, Art. 110 GG, Rdnr. 29.

III. Einfachgesetzlich normierte Aufgaben

189

I I I . Einfachgesetzlich normierte Aufgaben, Kreditaufnahmevorschriften, Haftungsausschlüsse und -übernahmen der Sondervermögen des Bundes 1. § 13 StabG und § 113 BHO Sondervermögen unterliegen der Verpflichtung, gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen (Art. 109 Abs. 2 GG). I m Stabilitätsgesetz erfolgt eine Konkretisierung dahingehend, daß Sondervermögen, namentlich ERP, Bundesbahn und Bundespost, i m Rahmen der ihnen obliegenden Aufgaben ihre Wirtschaftspläne so zu gestalten haben, daß die Zielvorgaben des § 1 StabG hinreichend berücksichtigt werden ( § 1 3 StabG). Weiterhin sind für das ERPSondervermögen die i n den §§ 5, 6 Abs. 1 und 2 StabG normierten Grundsätze einer antizyklischen Ausgaben- und Einnahmenpolitik maßgeblich. Durch § 113 Satz 1 B H O werden wesentliche Teile der Bundeshaushaltsordung für Sondervermögen des Bundes als verbindlich erklärt. Darunter fällt insbesondere die Regelung des § 18 Abs. 1 B H O , der Kreditaufnahmen konform zu Art. 115 Abs. 1 Satz 2 G G normiert. Die Regelung des § 113 B H O wurde als ausnahmefähiger Grundsatz formuliert, sodaß „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes" abweichende Regelungen getroffen werden können.

2. Die vier großen Sondervermögen a) Deutsche

Bundesbahn

Die Aufgabenstellung der Bundesbahn ist direkt i n § 4 A E G verankert, implizit folgt sie aus dem Aufgabengehalt des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG. Demnach hat die Bahn unter Wahrung wirtschaftlicher Grundsätze und i n Übereinstimmung mit dem allgemeinen W o h l und dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis ihren Reiseund Güterverkehr zu bedienen und auszugestalten, ihr Netz auszubauen und der Entwicklung anzupassen" (§ 4 Abs. 1 A E G ) . Darüber hinaus ist die Bundesbahn „ m i t dem Z i e l bester Verkehrsbedienung nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen" (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BbG). Ausnahmeregelungen gemäß Art. 115 Abs. 2 G G finden sich i m Bundesbahngesetz i n § 31 Abs. 1 Satz 1 BbG: Die Bundesbahn w i r d ermächtigt, „selbständig Kredite aufzunehmen". Der Grundsatz des § 113 B H O gilt uneingeschränkt. Hervorzuheben i m Zusammenhang m i t der gemeinwirtschaftlichen Aufgabenstellung der Bundesbahn ist, daß diese unter den Randbedingungen kaufmännischer Grundsätze, wonach die Erträge die Aufwendungen einschließlich der erforderlichen Rückstellungen decken und eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals anzustreben ist (vergl. § 28 Abs. 1 BbG), sicherzustellen ist. Inso-

190

F. Verschuldung der Sondervermögen

weit wäre zu erwarten, daß Zuführungen des Bundes an die Bundesbahn die Ausnahme sind. Faktisch führt der Bund i n erheblichem Umfang M i t t e l an die Bundesbahn ab, bis h i n zur Übernahme seitens der Bahn eingegangener Kreditverbindlichkeiten. Die Ermächtigung der Bundesbahn zur eigenständigen Kreditaufnahme führt nicht nur zur Aushöhlung des Budgetrechtes des Parlamentes, es determinert i m Ergebnis die Ausgabenseite künftiger Haushaltspläne des Bundes, da die Führung nach „kaufmännischen Grundsätzen" offenkundig nur i n unbefriedigender A r t und Weise gelingt. Formal ist die Haftung für Verbindlichkeiten der Bundesbahn auf dessen Vermögen begrenzt. Faktisch läßt sich der Haftungsausschluß nicht durchsetzen, da er wegen der desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesbahn eine Aufgabe öffentlicher Leistungen, deren Bereitstellung dem Bund durch Art. 87 Abs. 1 Satz 1 G G auferlegt ist, zur Folge hätte. Hier w i r d deutlich, daß die Ausgliederung originärer Aufgaben des Bundes an Sondervermögen nicht die Gewähr bietet, künftige Haushalte von Lasten freizuhalten. Vielmehr ist eine Verzögerung der Entscheidungsfähigkeit des Parlamentes zu konstatieren. I m Zuge der Vereinigung ging die Deutsche Reichsbahn i n das Vermögen des Bundes über. Es w i r d als Sondervermögen Deutsche Reichsbahn geführt (Art. 26 Abs. 1 Einigungsvertrages i. V . m. Art. 26 Abs. 2 des Vertrages zur Schaffung einer Währungs, Wirtschafts- und Sozialunion). Die Vorschriften des Bundesbahngesetzes sind sinngemäß anzuwenden (Kapitel X I , Sachgebiet A , Abschnitt I I I , Nr. 3 des EinigungsVertrages).

b) Deutsche

Bundespost

Die Aufgabe der Bundespost w i r d i n § 1 PostVerfG normiert. Ihr „obliegen i n Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrages i m nationalen und internationalen Bereich unternehmerische und betriebliche Aufgaben des Post- und Fernmeldewesens". Die als öffentlicher Auftrag deklarierte Aufgabenstellung der Bundespost verkehrt sich i n wesentlichen Einzelbestimmungen des Postverfassungsgesetzes ins Gegenteil. So schreibt § 37 Abs. 1 Satz 2 PostVerfG vor, daß „ein angemessener Gewinn erwirtschaftet werden (soll)", § 38 Abs. 3 PostVerfG legt fest, daß „der Wirtschaftsplan nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aufzustellen ist", § 39 Abs. 3 Satz 1 PostVerfG i. V . m. § 113 Abs. 1 Satz 1 B H O besagt, daß wesentliche Teile der B H O keine Anwendung finden, § 43 Abs. 1 PostVerfG regelt lediglich die Ablieferungspflicht der Bundespost, wobei zur Ermittlung der Höhe der Ablieferung anzunehmen ist, daß die Bereiche der Bundespost (Telekom, Postbank, Postdienst) „jeweils wie selbständige Unternehmen behandelt" werden. Ohne i m einzelnen auf Zulässigkeit einer Gewinnmaxime i n Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe einzugehen 4 4 , so gilt für staatliche Betätigung uneingeschränkt, daß die dabei anfallenden Ausgaben durch korre44 Vergl. oben, sub Β. I. 1. b).

III. Einfachgesetzlich normierte Aufgaben

191

spondierende Einnahmen „lediglich" auszugleichen sind (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 G G ) . 4 5 Daß dieser Ausgleich i m Wege der Quersubventionierung, Mischkalkulation oder Rücklagenbildung innerhalb der Bereiche der Bundespost erfolgen kann, erscheint plausibel, eine Ablieferungspflicht eines angemessenen Gewinnes zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben n i c h t . 4 6 Solange die Bundespost i n der Form eines teilrechtsfähigen Sondervermögens m i t eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung geführt wird, ist unstreitig, daß ihre Aufgaben Bundesaufgaben sind. 4 7 Die Kreditaufnahme erfolgt seitens der Bundespost eigenständig. Dabei sind einerseits „die Interessen des Bundes" zu berücksichtigen, andererseits erfolgt eine Limitierung dergestalt, daß „die Nettokreditaufnahme i n der Regel die Vermögensmehrung nicht überschreiten (soll)" (§ 40 Abs. 1 und 3 PostVerfG). Eine Kopplung der Kreditaufnahmen an die korrespondierende Vermögensmehrung ist eine Abwandlung des Junktims des Art. 115 GG, indes ist für die Kreditaufnahme eines unter erwerbswirtschaftlicher Zielvorgabe agierenden Unternehmens nicht die Vermögensvermehrung relevant, sondern die durch Fremdkapitaleinsatz mögliche Steigerung der Eigenkapitalrentabilität. Die Eigenkapitalrentabilität steigt solange, wie die Gesamtkapitalrentabilität über dem Kreditzins liegt (sog. Leverage-Effekt 4 8 ). Die Berücksichtigung der Interessen des Bundes bei der Kreditaufnahme der Bundespost sind schlechterdings so auszulegen, daß gesamtwirtschaftliche Erfordernisse, d. h. eine antizyklische Kreditpolitik i m Sinne der §§ 5, 6 StabG, zu berücksichtigen sind. Neben der Haftungsbegrenzung des Bundes für Verbindlichkeiten ausschließlich m i t dem Vermögen des Sondervermögens Bundespost normiert die Regelung des § 43 PostVerfG lediglich Ablieferungen an den Bund. Indes vermag die einfachgesetzliche Regelung des § 43 PostVerfG nicht gültiges Verfassungsrecht zu negieren. Der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 Satz 1 G G führt Abführungen und Zuführungen gleichermaßen an. I m Einigungsvertrag wurde festgelegt, daß das Sondervermögen Deutsche Post m i t der Deutschen Bundespost vereinigt wird. (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Einigungsvertragsgesetz v. 23.9.1990, B G B l . I I , S. 898) 45 Dazu Isensee, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 452: „In der Dunkelzone der Finanzverfassung operiert die Bundespost. ( . . . ) Die gesetzliche Pflicht, einen Teil ihrer Betriebseinnahmen an den Bund abzuliefern, bildet einen künstlichen, bisher noch niemals verfassungsrechtlich legitimierten Kostenfaktor". 46 Vergl. F. Kirchhof \ Tätigkeitsfelder der Deutschen Bundespost, S. 65; a. Α.: BVerfGE 28,66 (85 f.), eine Abführung in Höhe von mindestens 6 v. H. der Betriebseinnahmen ist zulässig. 47 Eindeutig dazu: § 1 Satz 3 PostVerfG: „Der Deutschen Bundespost obliegen in Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrags(... )", § 25 Abs. 2 PostVerfG: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, ( . . . ) durch Rechtsverordnung diejenigen Infrastrukturleistungen zu bestimmen, die die Unternehmen im besonderen öffentlichen Interesse, vor allem aus Gründen der Daseinsvorsorge, erbringen müssen (Pflichtleistungen).". 4 8 Vergl. E. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Dritter Band, Die Finanzen, 8. Aufl., 1980, S. 184 ff.

192

F. Verschuldung der Sondervermögen c) Kreditabwicklungsfonds

Die Aufgaben des Fonds bestehen darin, zeitlich befristet Verbindlichkeiten und Forderungen der D D R , die bei Wirksamwerden des Beitritts der D D R zur Bundesrepublik Deutschland bestehen, sowie i m Zusammenhang m i t der Währungsumstellung entstandene Verbindlichkeiten zu übernehmen und von den übrigen Vermögen des Bundes getrennt zu halten (§ 2 Gesetz über die Errichtung eines Kreditabwicklungsfonds v. 23.9.1990, B G B l . I I S. 885,993). Die Auflösung des Fonds war zunächst auf den 31.12.1993 terminiert (§ 12), wurde i m Zuge der Vereinbarungen zum Föderalen Konsolidierungsprogramm bis Ende 1994 verschoben. 4 9 Der Fonds w i r d durch den Bundesminister der Finanzen verwaltet. Der Bundesminster der Finanzen w i r d durch § 5 des Gesetzes über die Errichtung eines Kreditabwicklungsfonds ermächtigt, Kredite zur Tilgung von Schulden (Umschuldungskredite), zur Deckung anfallender Zins- und Kreditbeschaffungskosten sowie zum Zwecke des Ankaufs fondseigner Schuldtitel zur Marktpflege ermächtigt. die Restiktionen des Art. 115 Abs. 1 G G finden keine Anwendung(§ 2 Abs. 2). E i n Haftungsausschluß zwischen Bund und Kreditabwicklungsfonds besteht nicht.

d) Fonds „Deutsche

Einheit"

Die Aufgaben des Fonds ergeben sich aus Art. 28 des Vertrages v o m 18.5.1990 zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R . Neben Finanzzuweisungen zum Ausgleich des Haushaltes der D D R i m Jahre 1990, Anschubfinanzierungen für die neu zu schaffenden Renten- und Arbeitslosenversicherungen stellt der Fonds Deckungsmittel für den allgemeinen Finanzbedarf der fünf neuen Bundesländer zur Verfügung. Die Leistungen sind i n bezug auf ihre Höhe sowie den Zeitraum befristet: Die Zuweisungen sollten zunächst i m Zeitraum 1990 bis 1994 einen Gesamtbetrag von 115 Milliarden D M nicht überschreiten (Art. 31 § 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Vertrag v o m 18.5.1990), wurden i m Juni 1993 auf insgesamt 160,7 Milliarden D M erhöht. 5 0 E i n Haftungsauschluß besteht i n Ermangelung beleihbarer Vermögensmasse nicht, der B u n d haftet dür die Verbindlichkeiten des Fonds „Deutsche Einheit" uneingeschränkt (Art. 31 § 4 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag v. 18.5.1990). Die Höhe der Kreditermächtigung ist auf 95 Milliarden D M begrenzt. Der Bundesminister der Finanzen ist ermächtigt, bis zu dieser Höhe M i t t e l i m Wege des 4 9 Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms — FKPG v. 23.6.1993 (BGBl. IS. 944(985)), Art. 37 § 12 Abs. 1 Satz 1 ; vergl. Deutsche Bundesbank, Die Bedeutung von Nebenhaushalten im Zuge der deutschen Vereinigung, S. 50. so Vergl. Art. 36 FKPG.

. Einfachgesetzlich normierte Aufgaben

193

Kredits zu beschaffen (Art. 31 § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2). Sie unterliegt nicht den Beschränkungen nach Art. 115 Abs. 1 Satz 2 G G . 5 1 Die Bedienung der Schuldendienste ist bis Ende 1994 zur Hälfte durch Zuführungen des Bundes zu gewährleisten.

3. Sondervermögen sui generis: Treuhandanstalt Die Treuhandanstalt ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt öffentlichen Rechts. Sie hat nach den Bestimmungen des Treuhandgesetzes v. 17.6.190 (GBl. I S. 300) frühere volkseigene Betriebe „wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren" (Art. 25 Abs. 1 EinigungsVertragsgesetz). Neben der reinen Privatisierung hat sie neuerdings Zusehens sozialverträgliche, auf „Sicherung und Erneuerung industrieller K e r n e " 5 2 ausgerichtete Aufgaben durchzuführen, m. a. W . eine aktive Wirtschaftsstrukturpolitik zu betreiben. Z u m Zeitpunkt des Vertragsschlusses dominierte die Vorstellung, daß nach Beendigung der Privatisierung Einnahmeüberschüsse zur Verfügung stehen, die einerseits zur Strukturanpssung und Sanierung, andererseits „den Sparern i n Form eines verbrieften Anteilsrechtes „ (Art. 25 Abs. 6 Einigungsvertragsgesetz, § 5 Abs. 2 T H G ) verwendet werden können. I n der Zwischenzeit wurde klar, daß die Privatisierungserlöse bei weitem nicht die Aufwendungen decken werden. Die Kreditlasten der Treuhandanstalt beliefen sich per 31.3.93 auf 125,3 M i l l i a r den D M , die Deutsche Bundesbank prognostiziert eine Kreditlast von insgesamt 275 Milliarden D M aus den Transaktionen der Treuhandanstalt. 53 Kreditaufnahmeermächtigungen sind i m Treuhandkreditaufnahmegesetz v. 3.7.1992 ( B G B l . I S. 1190) normiert. Gemäß § 1 Abs. 1 T H A K r e d G ist die Treuhandanstalt zu einer Nettokreditaufnahme von jeweils bis zu 30 Milliarden D M i n den Jahren 92 bis 94 ermächtigt. Die Haftungsfrage ist dahingehend geregelt, daß der Bund für alle von der Treuhandanstalt aufgenommenen Kredite eintritt (§ 4 T H A K r e d G ) .

si § 5 Abs. 2 Satz 2 Fondsgesetzes (v. 25.6.90, BGBl. Π, S. 518, 533) i. d. F. der Anlage I, Kapitel IV, des Einigungsvertrages; Die Deutsche Bundesbank sieht darin eine Minderung des politischen Anpassungsdruckes von Bund, Ländern und Gemeinden der „alten" Bundesrepublik Deutschland, ebenda, S. 48; Patzig, Zwischen Solidität und Solidarität, S. 582, sieht gar bedenkliche Auswirkungen für die währungsplitische Zusammenarbeit in Europa vor dem Hintergrund des starken Anstiegs der öffentlichen Gesamtverschuldung. 52 Deutsche Bundesbank, Die Bedeutung von Nebenhaushalten im Zuge der deutschen Vereinigung, S. 51. 53 Bundesbankbericht 06/93, Statistischer Teil; ebenda, S. 54. 13 Lappin

194

F. Verschuldung der Sondervermögen

IV. Viertes Zwischenergebnis Die systematische Darstellung der einfachgesetzlichen Kreditaufnahmeregelungen läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß m i t Ausnahme des Kreditabwicklungsfonds und des Fonds „Deutsche Einheit" alle übrigen Sondervermögen der Krediteinnahmenbegrenzung durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 G G unterliegen. Während bei Bahn und Post das i n den jeweiligen Wirtschaftsplänen veranschlagte Investitionsvolumen die Höhe der Nettokreditaufnahmen überschreitet, bedarf es einer sehr weiten Auslegung des Investitionsbegriffs, damit die Kreditaufnahmen der Treuhandanstalt konform gehen zu Art. 115 Abs. 1 Satz 2 G G resp. § 18 Abs. 1 B H O . Gewichtiger indes ist die Beeinträchtigung des parlamentarischen Budgetrechtes und des Gebotes der Haushaltseinheit. Während formal bei Bundesbahn und Bundespost die Haftung auf das jeweilige v o m übrigen Bundesvermögen ausgesonderte Vermögen beschränkt ist, gilt dies für Kreditabwicklungsfonds, Fonds „Deutsche Einheit" und Treuhandanstalt nicht. Inwieweit der Haftungsausschluß konstitutives Tatbestandsmerkmal für ein Sondervermögen ist, soll an dieser Stelle nicht abschließend erörtert werden, die Plausibilität für die Trennung von Aufgaben des Sondervermögens von den übrigen Bundesaufgaben w i r d beeinträchtigt. Erschwerend k o m m t hinzu, daß die Terminierung der Fonds bereits bei ihrer Begründung bis h i n zu Regelungen über die spätere Schuldenübernahme die Separierung von anderen Bundesaufgaben artifiziell erscheinen läßt. I m Ergebnis ist eine verfassungsrechtlich bedenkliche erweiterte Kreditaufnahme des Bundes unter Umgehung finanzverfassungsrechtlicher Restriktionen zu konstatieren.

G. Zusammenfassung der Teil- und Zwischenergebnisse Teil Β Das Grundgesetz erwartet die wesentliche Finanzausstattung des Staates durch Steuern; es normiert den Steuerstaat. Erst die Steuer als Prototyp der Gemeinlast ermöglicht eine nachhaltige Grundrechtsbetätigung. Indes steht das Recht der Steuererhebung nicht unbegrenzt zur Disposition auf dem Rangierbahnhof politischer, ausgabenintensiver Wünsche. Der Steuerstaat büßt seine Legitimation ein, sobald die Vermutung für die Reproduktivität seiner Steuerforderungen an die Allgemeinheit sich ins Gegenteil verkehrt. Daher bedeutet Steuerstaatlichkeit stets Bescheidung auf das, was der Staat zu leisten und durch Partizipation an der Leistungsfähigkeit seiner Steuerzahler zu finanzieren vermag. Der Ausgabenspielraum w i r d sowohl durch den Steuerbegriff selbst, dem positiv das Tatbestandselement der Ertragsrelevanz, negativ das Verbot einer erdrosselnden W i r kung immanent ist, als auch durch Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 2 GG, der explizit fordert, daß eine „Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden" wird, begrenzt.

Teil C Die Festscheibung einer Verpflichtung von Bund und Ländern, eine Haushaltswirtschaft zu betreiben, die gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung trägt, ist nicht geeignet, den Ausgabenspielraum durch kreditäre Finanzierung von Finanzierungssalden zu erweitern. Gesamtwirtschaftliches

Gleichgewicht

bedeutet die Beachtung sowohl tendenziell kurzfristiger, konjunkturpolitischer als auch langfristiger, auf angemessenes und stetiges Wachstum ausgerichteter Zielprojektionen. Über die Dauer eines Konjunkturzyklusses ist ein Ausgleich i n einer Rezessionsphase zunächst kreditär finanzierter Ausgaben durch endgültige Einnahmen zu bewirken. Insoweit ist der konjunkturell gebotene Einsatz von Krediten denen der Kassenverstärkungskredite vergleichbar. I m H i n b l i c k auf das Wachstumsziel verbietet sich nach wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisstand die nachhaltige Finanzierung von Ausgaben i m Wege des Kredites. Da i m Grundgesetz kein wirtschaftswissenschaftlicher Kenntnisstand festgeschrieben wird, hat der Haushaltsgesetzgeber bei Inanspruchnahme von Krediten zur Abwehr einer konjunkturellen Störung neben den Ursachen der Störung die 13*

196

G. Zusammenfassung

Erfolgswahrscheinlichkeit der erhöhten Kreditaufnahme darzulegen. Die i m Stabilitätsgesetz zum Zeitpunkt der Haushaltsreform normierte, ausschließlich den Fall nachfragebedingter Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes berücksichtigende einfachgesetzliche Regelung ist für den Fall angebotsseitiger und struktureller Störungen nicht anwendbar. Art. 109 Abs. 2 G G eröffnet dem Haushaltsgesetzgeber daher nur insoweit einen kreditpolitischen Handlungsspielraum, als dieser i n Abhängigkeit von den Ursachen der Störung und dem wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisstand erforderlich ist.

Teil D Der Kreditbegriff des Art. 115 G G betont i n Übereinstimmung m i t § 6 0 7 Abs. 1 B G B die Vorläufigkeit der Einnahmen aus Krediten. Eine Bedienung fälliger Kreditverbindlichkeiten durch stetige Umschuldung erfüllt formal die Tatbestandsvoraussetzung des RückZahlungsanspruches des Kreditgebers, negiert jedoch die eigene RückZahlungsverpflichtung. Faktisch ist eine scheinbare T i l gung zu konstatieren, die einerseits die Kreditlasten fortschreibt, andererseits den Aspekt der „Liquidität auf Z e i t " verkennt. Den einfachgesetzlichen Regelungen zur konjunkturpolitisch geboten Kreditaufnahme (antizyklische Haushaltspolitik, § 5, 6 StabG) liegt ein Kreditbegriff zugrunde, der auf echte Tilgung — i m Sinne einer Rückführung der Kreditlast insgesamt—abstellt. Insoweit erfüllen Altschulden den Kredittatbestand des Art. 115 G G nicht; ihre fortwährende Prolongierung ist verfassungswidrig. Sie stellen faktisch ewige Anleihen oder eine ewige Schuld dar, ohne i n der Finanzverfassung verankert zu sein.

Teil Ε Gestützt auf einfachgesetzliche Regelungen der Bundeshaushaltsordnung ignoriert die Veranschlagungspraxis von Krediteinnahmen wesentliche normative Vorgaben der Art. 115 und 109 GG. Die Nettoveranschlagung von Krediteinnahmen, die i m Ergebnis zu einer Schuldenlast geführt hat, die einerseits den Ausgabenspielraum künftiger Generationen unverhältnismßig belastet, andererseits zu einer potentiellen Gefahr für die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu begründen. Das Junktim des Art. 115 G G kann schlechterdings nur dann seiner seiner normativen Intention, die Verschuldung wirksam zu begrenzen, gerecht werden, wenn es nicht nur zum Zeitpunkt der Veranschlagung von Investitonen, sondern vielmehr i m Zeitablauf, dann nämlich, wenn der Grad der korrespondierenden zukunftsbegünstigenden W i r k u n g offensichtlich wird, als Restriktion für Umschuldungskredite greift. Die einfachgesetzliche Regelung des Investitionsbegriffs (Art. 115 Abs. 1 Satz 3 G G i. V . m. § 13 Abs. 3 Ziffer 2 B H O ) läßt wesentliche normative Vorgaben

G. Zusammenfassung

197

der Art. 115 und 109 G G unberücksichtigt. Eine Veranschlagung von Bruttoinvestitionen konterkariert den Telos des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Konvergenzkriterien des Art. 104 c EG-Vertag verdeutlichen, daß auch die bestehende Verschuldung einer Begrenzung bedarf.

Teil F Die Schuldenstände der Sondervermögen lassen erkennen, daß Sondervermögen nicht länger dem Ausweis besonderer Vermögenswerte der Gebietskörperschaften dienen, realiter stellen sie Sonderlasten

dar. Die Inanspruchnahme der

Ausnahmeregelungen der Art. 115 Abs. 2 und Art. 110 Abs. 1 Satz 2 2. HS G G erweitert den Kreditrahmen des Bundes unverhältismäßig, da — wie die gesetzlichen Regelungen der Treuhandanstalt, des Kreditabwicklungsfonds, aber auch die Schuldenübernahme bei der Bundesbahn zeigen — der m i t dem Rechtsinstitut Sondervermögen intendierte Haftungsauschluß faktisch keinen Bestand hat. Wenn aber die Kredite der Nebenhaushalte uneingeschränkt der Realisierung öffentlicher, bisweilen hoheitlicher Ausgaben dienen, ist nicht zu rechtfertigen, daß diese unter Umgehung der kreditbegrenzenden Regelungen der Finanzverfassung und des Budgetrechts des Parlamentes begründet werden. Eine andere Frage ist es, ob die Vielzahl der Leistungen der Bundesbahn und der Bundespost weiterhin der Form eines nichtrechtsfähigen Sondervermögens bedarf. Solange jedoch eine Privatisierung nicht erfolgt ist, sind die Defizite vorrangig durch Zuführungen des Bundes und nicht durch Kreditaufnahmen seitens der Sondervermögen, deren Schuldendienst bei Fälligkeit der B u n d zu leisten hat, auszugleichen.

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