Kreative gründen anders!: Existenzgründungen in der Kulturwirtschaft. Ein Handbuch [1. Aufl.] 9783839409817

Die Kulturwirtschaft in Deutschland entwickelt sich überdurchschnittlich, nicht zuletzt in der Metropolenregion Berlin-B

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Kreative gründen anders!: Existenzgründungen in der Kulturwirtschaft. Ein Handbuch [1. Aufl.]
 9783839409817

Table of contents :
INHALT
A. EINBLICKE – GRÜNDUNGEN IN DER KREATIVWIRTSCHAFT DER METROPOLREGION
Zu Zweck und Aufbau dieses Buches
B. ÜBERBLICKE – RAHMENBEDINGUNGEN UND HERAUSFORDERUNGEN
Rahmenbedingungen für Gründungen in der Kreativwirtschaft
1. Einleitung
2. Kreativwirtschaft – was ist das?
3. Die Bedeutung von Gründungen in der Kreativwirtschaft
4. Voraussetzungen erfolgreicher Gründungen in der Kreativwirtschaft
5. Zusammenfassung
Literatur
Kreative Finanzierung – Innovative Finanzierungslösungen für die Kreativwirtschaft
1. Einleitung und Aufbau
2. Die Kreativwirtschaft
3. Finanzierungsherausforderungen
4. Finanzierungslösungen für Berlin
5. Zusammenfassung
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhang: Teilmärkte der Kreativwirtschaft
C. AUGENBLICKE – SICHTWEISEN, ERFAHRUNGEN, VORGEHENSWEISE KREATIVER GRÜNDERINNEN UND GRÜNDER AUS DER METROPOLREGION
anschlaege.de, Lagé/Schuhmann/Watzke, visuelles Design
Art for Public, Stefanie Krentz, Kulturvermittlung
Atelier Havelblick, Eckelt/Konsor, Bildende Kunst, Kunst- und Kulturprojekte
Buchstabenschubser, Gabbert/Stein, Bewegtbildanimation
fmsw, Faller/Mieht/Stuessi/Weck, Bildhauerei
freybeuter, Barth/Charné/Gripinski, Gestaltung von Ausstellungen und Kommunikation
Kathi Käppel, Illustration
Kulturmanagerin Frauke Luther, Kultur- und Theaterproduktion
Nobatik, Fusco/Jacobi, Textil- und Flächendesign
Bernhard Opitz, Komponist, Musiker
Tau, Britz/Stelzner, Grafi k- und Produktdesign
Wendt + Friedmann, Galerie
D. DURCHBLICKE – KULTURWIRTSCHAFTLICHE UND KULTURPOLITISCHE EINSCHÄTZUNGEN DER GRÜNDUNGEN IN DER METROPOLREGION
Gründungen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion aus betriebswirtschaftlicher Sicht
1. Gründung und Gründer/-innen als Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre
2. Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Kreativwirtschaft und deren Akteuren
3. Gründung und Gründer/-innen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion
Literatur
Gründungen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion aus sozialwissenschaftlicher Sicht
1. Herkunft, berufspraktische Erfahrungen, Studium und Hochschule
2. Die aktuelle Situation der Existenzgründer und Freiberufl er in ihren sozialen Bezügen
3. Chancen und Restriktionen, die die Metropolregion Berlin-Brandenburg bietet
4. Schluss
Literatur
E. AUSBLICKE
Kreativwirtschaft und ihre Perspektiven
1. Kreativwirtschaft: ein Modell für zukünftiges Arbeiten
2. Kreative Gründerinnen und Gründer: Motivation und Marktverhalten
3. Empfehlungen
ANHANG
Verwendeter Fragebogen zur Selbstauskunft bzw. Grundlage der Gespräche
Summarische Auswertung der Fragen zu Umsatz und Vermögen
Herausgeber

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze (Hg.) Kreative gründen anders! Existenzgründungen in der Kulturwirtschaft. Ein Handbuch

2009-03-06 13-32-34 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02c5204244924216|(S.

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) T00_01 schmutztitel - 981.p 204244924224

2009-03-06 13-32-34 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02c5204244924216|(S.

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) T00_02 autoreninfo - 981.p 204244924248

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze (Hg.)

Kreative gründen anders! Existenzgründungen in der Kulturwirtschaft. Ein Handbuch

2009-03-19 15-29-37 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02c6205375171168|(S.

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2009 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Jennifer Niediek, Bielefeld Satz: Justine Haida, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-981-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2009-03-06 13-32-34 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02c5204244924216|(S.

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I N H A LT A . E I N B L I C K E – G R Ü N D U N G EN D E R M E T R O P O L R EG I O N

IN DER

K R E AT I V WI R T S C H A F T

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze Zu Zweck und Aufbau dieses Buches ....................................................... 11

B. Ü B E R B LI C K E – R A H M EN B ED I N G U N G EN

UND

HER AUSFORDERUNGEN

Ulrich Ruh, Klaus-P. Schulze Rahmenbedingungen für Gründungen in der Kreativwirtschaft ............. 1. Einleitung ............................................................................................ 2. Kreativwirtschaft – was ist das? ......................................................... 3. Die Bedeutung von Gründungen in der Kreativwirtschaft .................. 4. Voraussetzungen erfolgreicher Gründungen in der Kreativwirtschaft ...................................................................... 5. Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ....................................................................................................

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Dieter Puchta Kreative Finanzierung – Innovative Finanzierungslösungen für die Kreativwirtschaft ......................................................................... 1. Einleitung und Aufbau ........................................................................ 2. Die Kreativwirtschaft .......................................................................... 3. Finanzierungsherausforderungen ....................................................... 4. Finanzierungslösungen für Berlin ....................................................... 5. Zusammenfassung .............................................................................. Literatur .................................................................................................... Abbildungsverzeichnis ............................................................................. Tabellenverzeichnis .................................................................................. Anhang: Teilmärkte der Kreativwirtschaft ...............................................

39 40 41 55 60 64 65 68 69 70

C. A U G EN B LI C K E – S I C H T W E I SEN , E R FA H R U N G EN , V O R G EH EN S W EI SE KRE ATIVER G RÜNDERINNEN UND G RÜNDER AUS DER M ETROPOLREGION anschlaege.de, Lagé/Schuhmann/Watzke, visuelles Design ................... 75 Art for Public, Stefanie Krentz, Kulturvermittlung .................................... 84 Atelier Havelblick, Eckelt/Konsor, Bildende Kunst, Kunst- und Kulturprojekte ........................................................................ 95 Buchstabenschubser, Gabbert/Stein, Bewegtbildanimation ................. 103 fmsw, Faller/Mieht/Stuessi/Weck, Bildhauerei ....................................... 110 freybeuter, Barth/Charné/Gripinski, Gestaltung von Ausstellungen und Kommunikation ................................................................................ 118 Kathi Käppel, Illustration ........................................................................ 128 Kulturmanagerin Frauke Luther, Kultur- und Theaterproduktion .................................................................................. 136 Nobatik, Fusco/Jacobi, Textil- und Flächendesign .................................. 146 Bernhard Opitz, Komponist, Musiker ..................................................... 157 Tau, Britz/Stelzner, Grafik- und Produktdesign ...................................... 163 Wendt + Friedmann, Galerie .................................................................... 173

D. D U RC H B LI C K E – K U LT U RWI R T S C H A F T LI C H E U N D K U LT U R P O L I T I S C H E E I N S C H ÄT Z U N G EN D E R G R Ü N D U N G EN I N D E R M E T R O P O L R EG I O N Herbert Grüner Gründungen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion aus betriebswirtschaftlicher Sicht ........................................................ 1. Gründung und Gründer/-innen als Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre ............................................................ 2. Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Kreativwirtschaft und deren Akteuren .......................................................................... 3. Gründung und Gründer/-innen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion ........................................................................... Literatur ..................................................................................................

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Helene Kleine Gründungen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion aus sozialwissenschaftlicher Sicht ....................................................... 203 1. Herkunft, berufspraktische Erfahrungen, Studium und Hochschule .................................................................. 204 2. Die aktuelle Situation der Existenzgründer und Freiberufler in ihren sozialen Bezügen ................................................................. 209

3. Chancen und Restriktionen, die die Metropolregion Berlin-Brandenburg bietet ................................................................ 212 4. Schluss ............................................................................................. 215 Literatur .................................................................................................. 216

E. A U SB LI C K E Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze Kreativwirtschaft und ihre Perspektiven .............................................. 1. Kreativwirtschaft: ein Modell für zukünftiges Arbeiten .................... 2. Kreative Gründerinnen und Gründer: Motivation und Marktverhalten ........................................................ 3. Empfehlungen ...................................................................................

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ANHANG Verwendeter Fragebogen zur Selbstauskunft bzw. Grundlage der Gespräche .............................................................. 237 Summarische Auswertung der Fragen zu Umsatz und Vermögen ........ 243 Herausgeber ........................................................................................... 245

£  A . Ei n bl i c ke – Gründungen in der Kreativwir tschaft d e r Me t rop olregion

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Z U Z W E C K U N D A U F B AU D I E S E S Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze

BUCHES

Seit einigen Jahren erzeugt die Kreativwirtschaft immer mehr wirtschafts-, kultur- und sozialpolitische Aufmerksamkeit.1 Das verwundert nicht, denn dieses Wirtschaftsfeld weist eine ausgesprochene Dynamik auf, wächst dreimal schneller als die Gesamtwirtschaft und erreicht aktuell eine neue Höchstzahl von Unternehmen bzw. Unternehmer/-n/-innen. Mit zunehmender Aufmerksamkeit steigen jedoch auch die Erwartungen an die Kreativen: sie sollen mit ihrem kreativen Tun nicht nur ihren eigenen Arbeitsplatz, sondern weitere schaffen, die gesamte Wertschöpfungskette verstärken und nach Möglichkeit zudem ihre Arbeits- und Wohnumgebung gentrifizieren, d.h. sozial und wirtschaftlich aufwerten. Getragen wird die positive Entwicklung der Kreativwirtschaft von einer Vielzahl kleiner und kleinster Unternehmen, Freiberufler und Selbständiger; häufig sind es Neugründungen bzw. relativ junge Unternehmen. Entgegen der positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Wirtschaftsfeldes insgesamt, ist die ökonomische Situation der einzelnen Gründer/-innen gerade kleiner Unternehmen in der Kreativwirtschaft eher bescheiden. Die einzelbetrieblichen Umsätze und Gewinne sind vergleichsweise gering. Finanzierungsquellen sind auch aufgrund vorwiegend immaterieller Vermögenswerte (kreative Ideen anstelle von z.B. Immobilien oder technischen Anlagen) schwerer zu erschließen. Zudem erschweren Qualifikationsdefizite und die geringe unternehmerische Erfahrung der einzelnen Unternehmer/-innen in der Kreativwirtschaft deren betrieblichen Erfolg. Mit der Kreativwirtschaft hat sich ein Wirtschaftsfeld herausgebildet, das eindeutig als zukunftsbedeutsam betrachtet wird. Nicht eindeutig ist jedoch, was darunter zu verstehen ist. Eine eindeutige Definition liegt gegenwärtig nicht vor.2 Das ist für wirtschaftliche Sektoren bzw. Branchen eher untypisch und weist auf eine weitere Besonderheit der Kreativwirtschaft hin. In vor allem wirtschaftspolitischen Konzepten scheint sich eine branchenbezogene Abgrenzung durchzusetzen. Es werden Branchen zusammengefasst, die unter Einsatz von Denkleistung und Kreativität in besonderem Maße immaterielle Werte schaffen. Die branchenbezogene Definition wird im Wesentlichen auch in Berlin und Brandenburg ge1

Vgl. Deutscher Bundestag: Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« des Deutschen Bundestages. Drucksache 16/7000.11.12.2007.

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Vgl. Dieter Puchta: »Kreative Finanzierung – Innovative Finanzierungslösungen für die Kreativwirtschaft«, in dieser Publikation. Ulrich Ruh, Klaus-P. Schulze: »Rahmenbedingungen für Gründungen in der Kreativwirtschaft«, in dieser Publikation.

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulz Kreative gründen anders!

nutzt. Da Kreativwirtschaft ein(e) bisher nicht eindeutig definierte(r) Branche/ Sektor ist, der zudem eine heterogene Gruppe von Unternehmen umfasst, wird für diese Publikation Kreativwirtschaft so definiert: Ein Unternehmen zählt dann zur Kreativwirtschaft, wenn es ein künstlerisches bzw. kreatives Produkt/eine Dienstleistung erzeugt, vermittelt und/oder verbreitet. Kreativwirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieser Publikation sind Unternehmen, die von Kreativen (Künstler/-innen, Designer/-innen, Kulturvermittler/-innen) gegründet worden sind und auf einer erwerbswirtschaftlichen Basis geführt werden. Daneben muss die Absicht vorhanden sein, dass das künstlerische/kreative Tun auf eine nachhaltige Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr ausgerichtet ist. Für unsere Untersuchung haben wir uns auf die sog. »Humuswirtschaft« beschränkt, also auf Mikrounternehmen der Metropolregion, die von Kreativen im eben genannten Sinne nicht nur geleitet, sondern auch gegründet worden sind. Bei der Auswahl haben wir uns auf die Kernbereiche der Kreativwirtschaft begrenzt und begründen dies damit, dass am Beginn der kreativen Wertschöpfungskette immer der genuine individuelle künstlerische bzw. designerische Akt steht. Aufgrund der Bedeutung der Kreativwirtschaft (hohes Wirtschaftswachstum und Beschäftigungseffekte) einerseits und bestimmter Besonderheiten andererseits (u.a. hohe Dichte an Selbständigen) haben Institutionen der EU, des Bundes, der Länder und Regionen damit begonnen, die Kreativwirtschaft als eigenes Wirtschaftsfeld wahrzunehmen und materiell und immateriell zu fördern. Das gilt auch für die Metropolregion Berlin-Brandenburg und deren politische Akteure. Die Begründung für das hohe Interesse in der Metropolregion ergibt sich aus einer weiteren Besonderheit dieses Wirtschaftsfeldes: Besonders metropole Räume besitzen eine besondere Anziehungskraft für Kreative. Die Akteure der Kreativwirtschaft sind vor allem in bestimmten städtischen Milieus zu finden, die sie wiederum selbst bilden und wechselseitig eine Voraussetzung des Erfolgs darstellen.3 Kreativunternehmer/-innen finden offensichtlich in der Ästhetik des Urbanen den Nährboden für ihre Aktivitäten und bilden wiederum diesen Nährboden für sich und andere. Dort entsteht auch eine neue »Bohéme, […] die ihr Schicksal arbeitstechnisch in die eigenen Hände nimmt und dabei mehr Wert auf Selbstprogrammierung und individuelle Freundschaften legt als auf karrierefördernde Anpassung«.4 Auf diese Weise 3

Vgl. Richard Florida: The Rise of the Creative Class, New York: Basic Books 2002. Richard Florida: The Flight of the Creative Class, New York: HarperCollins 2005. Bastian Langer: Die Räume der Kreativszene – Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin. Bielefeld: transcript 2007.

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Holm Friebe, Sascha Lobo: Wir nennen es Arbeit – Die digitale Bohéme oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München: Heyne 2006.

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze £Zu Zweck und Aufbau dieses Buches

entstehen Strukturen, die nicht nur wirtschaftlich innovativ sind, sondern auch sozial und kulturell. Gelingt das Zusammenwirken von technischem und künstlerischem bzw. gestalterischem Know-how, entstehen neue Querschnittsfelder mit ökonomischem Wertschöpfungspotenzial. Die Tatsache, dass es in diesen Feldern eine so hohe Zahl von Klein- und Kleinstunternehmen gibt, kann ein Zeichen dafür sein, dass die Akteure in der Kreativwirtschaft für Gründungsideen besonders empfänglich sind. Allerdings finden sich auch in Arbeits- und Lebensformen der Kreativen neue Muster, die ihren Niederschlag u.a. im Gründungsverhalten von Kreativen finden. Gründen, Arbeiten und Leben finden in einem kreativen Milieu statt, in dem Privates, Berufliches und Persönliches ebenso ineinander überzugehen scheinen wie Zeitliches oder Räumliches. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage ist die Publikation »Kreative gründen anders« entstanden. Ziel der Publikation ist es, einerseits junge Kreative, auch schon während eines künstlerischen, designerischen oder kulturvermittelnden Studiums, für die berufliche Selbständigkeit als einer Form der beruflichen Tätigkeit und der ökonomischen Lebenssicherung zu sensibilisieren. Andererseits soll durch die Publikation ein Beitrag zur Qualifikation derjenigen geleistet werden, die bereits kürzlich ein Unternehmen in der Kreativwirtschaft gegründet bzw. sich selbständig gemacht haben oder kurz vor diesem Schritt stehen. Schließlich richtet sich die Publikation an Lehrende, Berater/-innen und Coaches, aber auch an potenzielle Geld- und Kreditgeber. Auch ihnen soll durch dieses Buch eine Hilfe für den Zugang und Umgang mit der speziellen Situation von Gründerinnen und Gründern in der Kreativwirtschaft gegeben werden. Um die Ziele der Sensibilisierung bzw. Qualifizierung zu erreichen, sind vier inhaltliche Blöcke gebildet worden. Der erste Block (Einblicke) enthält die Darstellung der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen der Kreativwirtschaft in der Metropolregion Berlin-Brandenburg. Der Schwerpunkt liegt bei der Darlegung von Angeboten der Region, die zur Unterstützung der Kreativgründungen ergriffen bzw. entwickelt worden sind. Dazu zählen sowohl materielle (z.B. Gründungsfinanzierung) als auch immaterielle (z.B. Gründungsberatung) Möglichkeiten. Im zweiten Block (Augenblicke) kommen Gründer/-innen der Kreativwirtschaft in der Metropolregion selbst zu Wort. Zwölf Gründer/-innen bzw. Gründerteams schildern ihre Sichtweisen, Erfahrungen und Vorgehensweisen in Berlin-Brandenburg. Anschließend werden im dritten Block (Durchblicke) die Aussagen der Gründer/-innen gebündelt und unter betriebswirtschaftlichen und soziologischen Aspekten betrachtet und kommentiert. Schließlich führen im vierten Block (Ausblicke) die verschiedenen Aussagen über Rahmenbedingungen, die Selbstdarstellung der Gründer/-innen und deren Analyse zu Empfehlungen für die Entwicklung der Kreativwirtschaft der Metropolregion unter

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulz Kreative gründen anders!

Berücksichtigung von deren Besonderheiten. Die vier Blöcke sind von den vier Herausgeberpersonen einzeln und gemeinsam erarbeitet worden:

ÜBERBLICKE Ulrich Ruh und Klaus-P. Schulze beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit den Rahmenbedingungen für Gründungen in der Kreativwirtschaft. Sie spannen einen Bogen von der Betrachtung der Kreativwirtschaft, bezogen auf ihre Besonderheiten, über eine Beschreibung und Bewertung persönlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen hin zu den Voraussetzungen für die Gestaltung des unternehmerischen Erfolges. Sie richten ihren Blick auf den brandenburgischen Teil der Metropolregion und zeigen am Beispiel des Landes die Besonderheiten des Wirtschaftsfeldes, nicht zuletzt aber auch die dort angebotenen Unterstützungsmöglichkeiten für Gründungen im Kreativbereich. Die beiden Autoren sprechen der Kreativwirtschaft eine spezifische Ökonomik zu und belegen dies mit Hauptmerkmalen wie kleinst- und kleinteilige Unternehmensstruktur oder den netzwerkartigen und oftmals projektbezogenen Zusammenschlüssen. Nachdem die Bedeutung von Gründungen in der Kreativwirtschaft insbesondere in diesem Bundesland dargestellt worden ist, werden dann die Voraussetzungen erfolgreicher Gründungen in der Kreativwirtschaft benannt. Nicht jede Gründung muss und wird erfolgreich sein, weshalb ein besonderes Augenmerk auf mögliche Bedingungen des Erfolges gerichtet wird. Dazu zählen zuerst die persönlichen Voraussetzungen, zu denen Qualifikationen ebenso gehören wie Motivation und bestimmte unternehmerische bzw. marktliche Verhaltensweisen. Schöpferisch zu sein reicht für einen wirtschaftlichen Erfolg nicht aus – es wird auch die Bereitschaft verlangt und eingefordert, sich andere, insbesondere betriebswirtschaftliche Kenntnisse anzueignen oder auch die Unternehmerrolle zu akzeptieren. Nach den persönlichen Voraussetzungen werden die Voraussetzungen im Umfeld beschrieben und bewertet. Anhand von sog. harten Standortfaktoren lassen sich bestimmte erfolgsrelevante Größen zu Markt und Kunde oder Standort ermitteln. Neben Überlegungen zur Wahl des richtigen Standorts (Angebote, Kosten, Infrastruktur etc.) und des persönlichen Umfelds (Familie und Freundeskreis) beschäftigen sich die Autoren mit Markt und Marketing. Denn der Gründungserfolg wird sich nur einstellen, wenn es dem Kreativunternehmen gelingt, kaufkräftige Nachfrage auf sich zu lenken. Dem Marketing kommt die Funktion zu, Kunden und Kundinnen zu informieren, zu interessieren und zum Kaufverhalten zu bewegen. Keine einfache Aufgabe für die große Zahl kleiner und kleinster Unternehmen in der Kreativwirtschaft mit geringer Markttransparenz und Marktsichtbarkeit.

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze £Zu Zweck und Aufbau dieses Buches

Als letzte Rahmenbedingung untersuchen die Autoren die Konkurrenzsituation. Schließlich können Unternehmen nur bestehen, wenn es ihnen gelingt, sich dauerhaft gegen Wettbewerber durchzusetzen. Insbesondere für Kreative sind die Fragen des Alleinstellungsmerkmals und der rechtlichen Sicherung in der Konkurrenzsituation entscheidend für den ökonomischen Erfolg. Ulrich Ruh und Klaus-P. Schulze runden ihren Beitrag ab, indem sie das Instrument des Businessplanes (Fahrplan zum Erfolg und zum Einstieg in den Markt) und wichtige Unterstützungsmöglichkeiten für Kreativgründungen in Brandenburg vorstellen. Schließlich lassen sich auch öffentliche Angebote in ein Gründungsnetzwerk von Kreativunternehmen einbeziehen und für den wirtschaftlichen Erfolg gut nutzen. Beispiele wie die der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (ZAB) oder der Lotsendienst im Land belegen dies. Dieter Puchta wendet sich in seinem Beitrag der kreativen Finanzierung zu und entwickelt bzw. stellt innovative Finanzierungslösungen für die Kreativwirtschaft dar. Nach den Ausführungen der Bedeutung von Kreativwirtschaft auch im Land Berlin werden wesentliche Herausforderungen für die Finanzierung von Unternehmen der Kreativwirtschaft analysiert und Lösungsansätze formuliert. Dazu werden konkrete Finanzierungslösungen aus der Praxis vorgestellt, die von der Investitionsbank Berlin (IBB) speziell für Berliner Unternehmen der Kreativwirtschaft angeboten werden. In der Einleitung wird verdeutlicht, dass sich die Thematik von Kreativwirtschaft sowie des kreativen Individuums nicht nur durch einen volkswirtschaftlichen Zugang (Branchen, Sektoren), sondern auch einen soziologischen (Berufe/Tätigkeiten), produktorientierten (kreativwirtschaftliche Produkte) sowie verwertungsrechtlichen (Schutzrechte) Zugang erschließen lässt. Der Autor widmet sich in den Folgebetrachtungen besonders den mikro- und makroökonomischen Aspekten von Kreativität sowie der Rolle des kreativen Individuums und seines Handelns. Mit dem gleichen Fokus nimmt er die Analyse des Umfelds von Kreativwirtschaft vor, wobei die Bedeutung der Kreativwirtschaft ebenso gewürdigt wird wie mögliche Geschäftsmodelle, die beschrieben werden. Besondere Aufmerksamkeit widmet Dieter Puchta den spezifischen Finanzierungsherausforderungen und den Finanzierungslösungen für kreative Unternehmen – insbesondere in Berlin. Kreativunternehmen, vor allem in der Vorgründungs- und Gründungsphase, haben häufig nur einen eingeschränkten Zugang zu Außenfinanzierungsmitteln. Das lässt sich u.a. auf ein bestimmtes Marktversagen zurückführen. Nämlich dann, wenn in einer Marktsituation Ressourcen nicht effizient zugeteilt werden. Jedoch auch ein aus Sicht von Kapitalgebern zu hohes Risiko oder der spezifische Kapitalbedarf (geringer Kapitalbedarf) sind Gründe für den eingeschränkten Zugang. Nach der differenzierten Darstellung der besonderen Finanzierungsprobleme wendet sich der Autor umfäng-

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulz Kreative gründen anders!

lich verschiedenen Lösungen für diese Probleme zu. Um die Passgenauigkeit von Lösung und Problem der Finanzierung zu gewährleisten, erfolgen die Vorschläge entlang einer Segmentierung der Unternehmen in: (1) Unternehmen mit hohem Wachstums- und Wertsteigerungspotenzial, (2) Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit durchschnittlicher Wachstumsperspektive, (3) Gründer- und Kleinstunternehmen. Für Unternehmen im Segment (1) eignet sich die Finanzierung mit Risikokapital, für die es jedoch bisher in der Kreativwirtschaft kaum einen Markt gibt. Für Unternehmen im Segment (2) kommen verschiedene Formen des Darlehens in Betracht, während Unternehmen im Segment (3) vor allem auf Existenzgründer- und Mikrodarlehen zurückgreifen sollten. Für alle beschriebenen Bedarfe stellt die IBB Angebote zur Verfügung, die im Beitrag auch vorgestellt werden. Zum Abschluss gibt der Autor Anregungen, wie Kreativgründer/-innen neben finanziellen auch zu nichtmonetären Förderungsinstrumenten (Coaching und Beratung) gelangen können.

AUGENBLICKE Zwölf Gründer/-innen bzw. Gründerteams aus der Kreativwirtschaft der Metropolregion Berlin-Brandenburg stellen sich selbst und ihr Unternehmen vor. Auf der Basis von Selbstauskunft und von Interviews (der verwendete Fragebogen findet sich im Anhang) liegen ausführliche Aussagen vor über: • • • • • • • •

Person des Gründers/der Gründerin Beginn der beruflichen Selbständigkeit Art des Unternehmens Ort und Milieu der beruflichen Selbständigkeit Markt/Wettbewerb/Kunde Finanzierung Betriebswirtschaftliche Strategien und Instrumente Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Bedingungen

Die Gründer/-innen bzw. Teams berichten über ihren beruflichen Werdegang, ihre Ausbildung sowie die berufliche und private Situation vor und nach dem Schritt in die Selbständigkeit. Sie beschreiben, ob, wie, ggf. mit wem zusammen sie sich auf diese berufliche Entwicklung vorbereitet haben, wie ihre ersten Erfahrungen in der Kreativwirtschaft, mit Markt, Kunden und Wettbewerbern gewesen sind. Die Kreativgründerinnen und -gründer schildern ihr Vorgehen bei der Vermarktung ihrer Geschäftsidee und bei der Sicherung der Finanzierung. Schließlich beschreiben sie ihr berufliches und privates Umfeld

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze £Zu Zweck und Aufbau dieses Buches

und stellen dar, welche Bedeutung die Metropolregion für ihren beruflichen und persönlichen Erfolg hat. Die Auswahl der Gründerinnen und Gründer (vier Allein- und neunzehn Teamgründungen) geschah zwar nicht nach dem Gesichtspunkt der statistischen Repräsentativität, dennoch erfolgte sie nicht beliebig. Als Auswahlkriterien wurden zugrunde gelegt: Lebensalter i.d.R. ≤ 40 Jahre, einschlägige akademische Qualifikation mit oder ohne Abschluss, Schwerpunkt der kreativen Tätigkeit in Berlin-Brandenburg seit i.d.R. mindestens zwei Jahren, i.d.R. höchstens fünf Jahren, wirtschaftlich und rechtlich selbständige Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr mit Gewinnerzielungsabsicht in den Bereichen Musik, Bild (Film/Foto), Kunst, Design, Kulturvermittlung/Kulturmanagement.

DURCHBLICKE Herbert Grüner betrachtet Gründungen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Er legt zuerst eine theoretische Grundlage zur Unternehmensgründung allgemein, bevor er sich auf dieser Grundlage den einzelnen Aussagen zuwendet und eine Analyse der konkreten gründungsrelevanten Faktoren in Berlin und Brandenburg vornimmt. Zu diesen Faktoren zählt er Person, Idee, Strategie und Umfeld. Er untersucht zuerst die Gründungsperson unter den Gesichtspunkten von Qualifikation, Motivation und Handlungsorientierung und stellt dar, ob bzw. welche systematische Vorbereitung auf die Gründung stattgefunden hat und Qualifikationsdefizite erkennbar bzw. vorhanden und ggf. ausgeglichen worden sind. Die Bedeutung der Qualifikation als Teil der Professionalität der Kreativen (Ausbildung im Kunst-/Kulturbereich) im Gründungsgeschehen wird besonders beleuchtet. Um zu zeigen, was die wesentlichen Triebfedern für die Selbständigkeit und wie einflussstark sie für bestimmte ökonomische Entscheidungen sind, werden die Motive vor und in der Gründungssituation aus betriebswirtschaftlicher Sicht analysiert. Danach wendet sich der Autor der Untersuchung der Gründungsidee zu (Entstehungszusammenhang, kreative Idee als Ausgangspunkt des Geschäftsmodells). Hier interessiert Herbert Grüner, wie Gründungsabsichten zu Stande kamen, welche Überlegungen den Einzel- und Teamgründungen zugrunde liegen und wie die Ideen in Geschäftsmodelle umgesetzt worden sind. Aus diesen Befunden wird auch deutlich, wie aus einer Idee ein Unternehmen werden kann. Die Aussagen zum dritten Faktor (Gründungsstrategie) geben Auskunft über das unternehmerische Handeln der Gründerperson und deren Umgang mit bzw. Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente. Dazu zählen alle Aktionen der Gründer/-innen in der

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulz Kreative gründen anders!

Wettbewerbsarena (Angebote entwickeln und vermarkten, Kapital sammeln, Gewinn- und Umsatzermittlung etc.), welche Erfahrungen die Kreativen mit anderen Akteuren (Kunden, Wettbewerber, Lieferanten) haben und ob bzw. welche Geschäftsstrategien Kreativgründer/-innen entwickeln. Aufgrund der Aussagen erfolgen Einschätzungen der Einkommens- und Umsatzentwicklung in der Kreativwirtschaft der Metropolregion, aber auch solche über die Bedeutung der Metropolregion aus Sicht der Gründer/-innen: wie wichtig ist Berlin-Brandenburg als Standort des Kreativunternehmens, des Absatz- und Beschaffungsmarkts sowie für die Vermarktung bzw. das Marketing kreativer Produkte und Dienstleistungen (die Metropolregion als »Marke«). Im Beitrag über Gründungen in der Kreativwirtschaft der Metropolregion aus sozialwissenschaftlicher Sicht von Helene Kleine geht es darum, Aspekte des sozialen und räumlich-örtlichen Umfeldes auf der Grundlage der Gespräche und Selbstbeschreibungen zu skizzieren und zu analysieren. Sie wendet sich unter einer soziologischen Blickrichtung den Ergebnissen und Aussagen der Gründer/-innen zu und fragt: Welche Umfeldfaktoren bzw. welche Milieus prägen die Gründer/-innen, wie können diese Milieus ertüchtigt werden, um das unternehmerische Handeln über die Gründungsphase hinaus zu stabilisieren, die Erfolgsaussichten zu stärken und die soziale Lage zu verbessern? Helene Kleine bezieht sich auf verschiedene Milieus, die zum Teil in zeitlicher Abfolge, zum Teil parallel auf die Unternehmer- bzw. Gründer/-innen einwirken und umgekehrt von diesen gestaltet werden. Zu Milieu zählt sie dabei sowohl Elternhaus und Familie, Berufsausbildung und Tätigkeit vor dem Studium, Studium und Hochschule, Erfahrungen und Qualifikationen parallel zu Studium und Hochschule und in der Zeit zwischen Studienabschluss und Gründung, die aktuelle Situation der Existenzgründer- und Freiberufler/-innen in ihren sozialen Bezügen und räumlich-örtlichen Dimensionen sowie die Chancen und Restriktionen, die die Metropolregion Berlin-Brandenburg insgesamt bietet. Die Autorin stellt die Aussagen der Gründer/-innen den Befunden der allgemeinen Gründungsforschung gegenüber. Auf diese Weise wird deutlich, worin die sozialen und räumlich-örtlichen Besonderheiten kreativer Gründer/ -innen und Kreativgründungen liegen. In der allgemeinen Gründungsforschung wird davon ausgegangen, dass nicht nur das in Bildungsinstitutionen bzw. der Berufsbildung vermittelte Wissen und die dort vermittelten Kompetenzen eine unternehmerische Persönlichkeit prägen, sondern auch das familiale Umfeld, familiale Vorbilder, die die Motivation und das Selbstverständnis, unternehmerisch zu handeln, stärken. Von den Gesprächspartnern kommt jedoch nur eine Minderheit aus Elternhäusern, in denen zumindest ein Elternteil sowohl kreativ-künstlerisch wie auch unternehmerisch tätig ist bzw. war. Auch andere Aussagen über die verschiedenen Milieus zeigen Besonderheiten der Kreativ-

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze £Zu Zweck und Aufbau dieses Buches

wirtschaft und deren Akteure und geben Auskunft über die speziellen Lebensund Arbeitsformen der Kreativgründer/-innen der Metropolregion Berlin-Brandenburg. Während Berlin oftmals als Hotspot und Stereotyp einer kreativen Stadt gilt (urban, extrem different, historisch sichtbar und fühlbar aufgeladen), lässt sich dies für die brandenburgische Landeshauptstadt nicht uneingeschränkt sagen. So liegt Potsdam zwar im engeren Verflechtungsraum mit Berlin, hat jedoch ein gänzlich anderes Tempo und einen anderen Rhythmus als die Bundeshauptstadt. Auch innerhalb Brandenburgs werden Unterschiede klar – einerseits die Dichte der Landeshauptstadt, andererseits die Weite des Landes Brandenburg. Die Autorin betrachtet die Merkmale der Metropolregion in ihrer Komplementarität und Gegensätzlichkeit und zeigt auf, welche Wirkungen dies auf die privaten, persönlichen und beruflichen Aktivitäten von kreativen Gründerinnen und Gründern und deren Netzwerke hat.

AUSBLICKE Auf der Grundlage der theoretischen Ausführungen von Puchta und Ruh/ Schulze, der Selbstbeschreibung und der Aussagen der zwölf Gründer/-innen bzw. Gründerteams sowie deren Analyse aus betriebswirtschaftlicher und soziologischer Sicht durch Grüner und Kleine werden Aussagen über die vermutete zukünftige Entwicklung der Kreativwirtschaft der Metropolregion formuliert. Beim Ausblick geht es einerseits um gesamtwirtschaftliche Aussagen, andererseits um Aussagen über die einzelnen Gründungen in der Kreativwirtschaft bzw. die einzelnen Gründerinnen und Gründer selbst. Der Schwerpunkt liegt auf Empfehlungen für die Förderung und Unterstützung der individuellen Gründer/-innen. Diese Empfehlungen sollen einen Beitrag dazu leisten, Kreative für die Fragen der Gründung zu sensibilisieren, ihnen Vorteile und Nachteile bzw. Chancen und Risiken der Gründung in der Kreativwirtschaft realistisch aufzuzeigen. Darüber hinaus werden Empfehlungen für jene formuliert, die im Gründungszusammenhang aktiv sind oder werden sollen: Akteure in der Ausbildung, im Finanzierungsbereich, der Wirtschaftsförderung und in der kreativen Wertschöpfungskette insgesamt. Im Anhang finden sich Quellen über das Vorgehen, die verwendeten Instrumente und weiterführende Angaben.

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulz Kreative gründen anders!

L I T E R AT U R Deutscher Bundestag: Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« des Deutschen Bundestages. Drucksache 16/7000.11.12.2007 Florida, Richard: The Rise of the Creative Class, New York: Basic Books 2002. Florida, Richard: The Flight of the Creative Class, New York: HarperCollins 2005. Friebe, Holm/ Lobo, Sascha: Wir nennen es Arbeit – Die digitale Bohéme oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München: Heyne 2006. Langer, Bastian: Die Räume der Kreativszene – Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin. Bielefeld: transcript 2007.

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RAHMENBEDINGUNGEN FÜR GRÜNDUNGEN I N D E R K R E AT I V W I R T S C H A F T U L R I C H R U H 1 , K L A U S -P. S C H U L Z E

1. 2. 3. 4.

Einleitung ı 23 Kreativwirtschaft – was ist das? ı 24 Die Bedeutung von Gründungen in der Kreativwirtschaft ı 25 Voraussetzungen erfolgreicher Gründungen in der Kreativwirtschaft ı 26 5. Zusammenfassung ı 36 Literatur ı 37

1. EINLEITUNG Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von etwa vier Prozent ist die Kreativwirtschaft für die deutsche Wirtschaft inzwischen fast so wichtig wie die Automobilindustrie. Die Kreativbranche ist ein Markt mit Zukunft. Für die Selbständigkeit in der Kreativwirtschaft sprechen ein geringes Startbudget, flexible Arbeitsformen und -zeiten, hervorragende Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Chance, kreative Ideen und wirtschaftlichen Erfolg miteinander zu verbinden. Dagegen sprechen die oftmals geringe Vorbereitung der potenziellen Gründerinnen und Gründer, der schwierige Zugang zu Finanzmitteln und passfähigen Förderprogrammen, geringe Erfolgsmargen und das weit verbreitete »Einzelkämpfertum« in Form der Soloselbständigkeit. Soloselbständigkeit in der Kreativwirtschaft bedeutet, Ideengeber und Entwickler, Organisator und Stratege, Handwerker und Buchhalter in einer Person sein zu müssen. Eine krisenfeste Existenzgrundlage ist nur zu schaffen, wenn zusätzlich Kapazitäten für Wachstum und ein distanzierter Blick auf das eigene Tun entwickelt werden, Managementfähigkeiten mit Marktorientierung verbunden sowie strategische Allianzen eingegangen werden. Voraussetzung dafür, dass Kreativität und wirtschaftlicher Erfolg in der jeweiligen Branche der Kreativwirtschaft zusammenpassen, sind für jede potenzielle Gründerin und jeden potenziellen Gründer ausrei1

Ulrich Ruh, Jahrgang 1954, studierte Chemie und Patentrecht in Rostock und Berlin, leitende Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung sowie mehrjährige Selbständigkeit auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung, seit 2001 verantwortlich für die Existenzgründungsberatung in der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH mit der Spezialisierung auf innovative und technologieorientierte Vorhaben.

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chende Kenntnisse der jeweiligen Branche, ihrer Entwicklung, das Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen und das Vorhandensein unternehmerischer Kompetenzen. Die folgenden Abschnitte spannen einen Bogen von der Betrachtung der Kreativwirtschaft bezogen auf ihre Besonderheiten, über eine Beschreibung und Bewertung persönlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen hin zu den Voraussetzungen für die Gestaltung des unternehmerischen Erfolges. Sie zeigen weiter am Beispiel des Landes Brandenburg Unterstützungsmöglichkeiten für Gründungen im Kreativbereich auf.

2 . K R E AT I V W I R T S C H A F T –

W A S I S T D A S?

In einer Wissensgesellschaft sind Ideen und Kreativität der zentrale Motor für wirtschaftliche Entwicklungen und internationale Konkurrenzfähigkeit. Kreativität ist in jeder Wirtschaftsbranche gefragt, in der Kreativwirtschaft ist sie wesensbestimmend. Abgrenzungssystematisch wird im Kulturwirtschaftsbericht Brandenburg unter Kreativwirtschaft die Zusammenführung von Kulturwirtschaft und Creative lndustries verstanden.2 Die Kulturwirtschaft und Creative lndustries erwirtschafteten allein in Brandenburg in 2005 einen Umsatz von 730,7 Mio. Euro in 3.570 Unternehmen mit 16.700 Erwerbstätigen.3 Der überwiegende Teil der Unternehmen ist als Einzelunternehmen tätig und verfügt über keine weiteren Beschäftigten. Die Unternehmenslandschaft im Bereich der Kreativwirtschaft Brandenburgs hat sich in den letzten Jahren überaus dynamisch entwickelt: Im Jahresvergleich 2000/2005 ist ein Anstieg der Unternehmen von über 15 % zu verzeichnen, allerdings bei gleichzeitigem Rückgang der Gesamtumsätze in der gleichen Größenordnung. 4 Innerhalb der 2

Unter Kulturwirtschaft werden im Folgenden neun statistische Wirtschaftsgruppen verstanden. Dazu zählen das Verlags- und Tonträgergewerbe, die Filmwirtschaft, der Rundfunk, die Gruppe der darstellenden und bildenden Künste, Literatur und Musik, die Journalistenbüros, die Museums-Shops und Kunstausstellungen, der Einzelhandel mit Büchern, Musikalien und Kunst, die Architektur- und die Designbüros. Creative lndustries erweitern die neun um weitere zwei Gruppen, die Werbung und die Games lndustries.

3

Vgl. Söndermann, Michael/Strittmatter, Thomas Dr.: Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Brandenburg, Empirischer Grundlagenbericht im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Potsdam, 2007.

4

Ebd., S. 11.

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Branche sind dabei jedoch erhebliche Unterschiede zu beobachten. Während etwa die Umsätze bei Design- (+ 143 %) oder Software-/Games-Unternehmen (+ 64 %) im Vergleichszeitraum deutlich zulegten, sind bei den eher »klassischen« Kulturunternehmen, wie Journalisten (- 40 %), Architekten (- 41 %) und darstellenden Künstlern (- 1 %) zum Teil markante Einbrüche zu verzeichnen.5 So fiel beispielsweise das Jahreseinkommen freiberuflicher Künstlerinnen und Künstler von 19.150 Euro in 2000 auf rund 9.900 Euro in 2005.6

3. DIE BEDEUTUNG VON GRÜNDUNGEN I N D E R K R E AT I V W I R T S C H A F T Das Bild vom Unternehmen in der Kreativwirtschaft wird zunehmend von der Soloselbständigkeit geprägt. Selbständig sein heißt dabei Ausübung eigenverantwortlicher, unternehmerischer Tätigkeit – nur dem eigenen Erfolg verpflichtet. Am Anfang dieser Tätigkeit steht die Gründung – bei Gründerinnen und Gründern der Kreativwirtschaft mit einer eigenen Idee, einer Erfindung, einem Kunstwerk, kurz: mit einer Vorstellung von »etwas Neuem«. Wirtschaftlich relevant wird das Kreativergebnis dann, wenn es als Produkt oder Dienstleistung am Markt angeboten werden kann. Gründen in der Kreativwirtschaft heißt also, den Schritt zu vollziehen, vom kreativen Prozess der Erschaffung eines neuen Produktes oder einer Dienstleistung hin zum unternehmerischen Tätigwerden am Markt. Viele Studien zur Kreativwirtschaft loben den besonderen Gründergeist der Branche, vergessen dabei aber, auf die besonderen Anforderungen von Gründungen hinzuweisen. Sie blenden dabei die Risiken aus, die mit jeder Gründung verbunden sind: Ungenügende Vorbereitung, fehlende persönliche Voraussetzung, Kapitalschwäche sind nur einige der Probleme, die so manchen kreativen Gründer straucheln ließen. »In Berlin etwa wirtschaften rund 6300 Designfirmen. Etwa ein Dutzend davon beliefert nach Schätzungen innerhalb der Branche weltweit Kunden. Weitere 300 sind mittelständische Unternehmen – die übrigen stellen das Fußvolk. Bereit, alles zu tun, jederzeit in Büro oder Atelier zu nächtigen, vor flimmernden Bildschirmen – fest davon überzeugt, mit genügend Inspiration irgendwie zu bestehen. Sie sind die Kreativen der Herzen.«7 Natürlich gibt es auch die anderen: die Larry Pages und Sergey Brins, die Erfinder von Google, 5

Ebd., S. 12.

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Ebd., S. 17.

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Lotter, Wolf: »Die Gestörten«, in: Plan B, Kulturwirtschaft in Berlin, Berlin 2007, S. 38.

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es gibt herausragende, erfolgreiche Designer, Künstlerinnen und Künstler, aber es gibt auch das Heer der Verlierer, die es nicht geschafft haben. Das ist kein Plädoyer gegen den Schwung einer Unternehmensgründung in der Kreativwirtschaft, sondern allenfalls der Hinweis auf eine sorgfältige Vorbereitung unter Abwägung aller relevanten Chancen und Risiken. Wirtschaftlich erfolgreiche Gründungen erfordern die Berücksichtigung einer Vielzahl von Voraussetzungen. Einigen wichtigen wollen wir uns im Folgenden widmen.

4 . VO R A U S S E T Z U N G E N E R F O L G R E I C H E R G R Ü N D U N G E N I N D E R K R E AT I V W I R T S C H A F T Persönliche Voraussetzungen

Potenzielle Gründerinnen und Gründer im Kreativbereich verfügen meist über eine hochprofessionelle Ausbildung. Sie sind auf die Ausübung ihres Berufes umfassend und qualifiziert vorbereitet worden, auf die Situation, die sie auf den spezifischen Arbeitsmärkten vorfinden, oftmals nicht. Sie leben in einer ganz eigenen Welt, die bestimmten Gesetzen unterworfen ist und wollen in einer sich globalisierenden Wirtschaft, in der Kunst und Kultur immer mehr den herrschenden Marktbedingungen angepasst werden, Marktteilnehmer werden. Sie sind jedoch häufig (noch) nicht in der Rolle eines Unternehmers oder Existenzgründers angekommen; ihnen fehlen Marktstrategien und Zugänge zu Existenzgründerkrediten, sie kennen sich in der Förderlandschaft nicht aus, messen unternehmerischen Kompetenzen, die meist auch erst entwickelt werden müssen, oft eine zu geringe Bedeutung bei. Und doch wollen sie in einem Lebensbereich ihre Leistungen anbieten, der vielfach als Luxus bezeichnet wird, ohne dass immer klar ist, wer diesen Luxus zukünftig bezahlt. Dennoch: Die Chancen vor Augen, stellt sich die Frage, wie können die persönlichen Voraussetzungen für erfolgreiche Gründungen in der Kreativwirtschaft geschaffen werden? Biografien erfolgreicher Gründerinnen oder Gründer bieten hierbei wertvolle Informationen und Anregungen. Die meisten haben auch mal klein angefangen, und es ist interessant zu sehen, welche Eigenschaften ihnen zum Erfolg verholfen haben. Viele ihrer anfänglichen Fehler sind für alle Gründungen typisch. Oft ist natürlich auch das Quäntchen Glück im Spiel. Doch Erfolg ist immer auch verbunden mit der Fähigkeit, günstige Gelegenheiten zu erkennen, Hartnäckigkeit zu entwickeln und neue Ideen aufzugreifen. Das häufige Fehlen der Erwerbsalternative »Festanstellung« wird gerade in der Kreativwirtschaft zunehmend den Druck erhöhen, eine berufliche Zukunft durch Selbständigkeit aufzubauen. Doch stellt die-

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ser Umstand allein eher eine Gefahr als eine Chance dar. Positiv ist: In vielen Fällen lernen Kreative bereits im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigkeit, sich unternehmerisch zu betätigen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie entwickeln Leistungen, legen Preise fest, betreiben bewusst oder unbewusst Marketing. Dennoch sehen sie sich nicht als Unternehmerin bzw. Unternehmer. Erst wenn die Option Selbständigkeit Realität zu werden beginnt, werden die notwendigen Anforderungen und Konsequenzen langsam offenbar. Für potenzielle Gründerinnen und Gründer im Kreativbereich stellen sich vor einer Entscheidung für oder gegen einen Weg in die Selbständigkeit neben dem Erkennen einer günstigen Gelegenheit, einer Marktchance, drei wesentliche Fragen: • •



Wie kann ich meine fachlichen Qualifikationen und kreativen Potenziale mit der Entwicklung meiner unternehmerischen Fähigkeiten verbinden? Wie kann ich finanzielle Zugangsbarrieren in passförmige Zugangsvoraussetzungen umwandeln, um eine für mich existenzsichernde Gründung zu gewährleisten? Wie kann ich meine Position in der Selbständigkeit durch Wachstumsmöglichkeiten absichern, damit ich zu einem dauerhaften Partner von Auftraggebern werde?

Jede Erwerbstätigkeit ist ausgerichtet auf die Nutzung von Fähigkeiten und Fertigkeiten des Einzelnen. Erwerbstätigkeit in Form von Selbständigkeit erfordert jedoch eine Fülle von persönlichen Eigenschaften und Kompetenzen, die vielfach über das hinausgehen, wozu ein Einzelner in der erforderlichen Perfektion und Exzellenz in der Lage ist. Daraus folgt, dass Gründungen im Team prinzipiell erfolgreicher sind als Einzelgründungen, wobei im »klassischen« Kreativbereich jedoch die sog. Soloselbständigkeit die Regel ist. Viele Soloselbständige streben nicht nach Expansion, sondern danach, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Gerade bei Frauen stehen dabei die zeitliche und wirtschaftliche Flexibilität und Unabhängigkeit im Vordergrund, um so beispielsweise Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Um jedoch die oft fragile Situation von Soloselbständigen zu verbessern, sind eine hohe innere Motivation und starke Identifizierung mit dem Beruf wesentliche Voraussetzungen. Dazu kommt notwendigerweise eine persönliche Strategie, um berufliche Identität und notwendige Existenzsicherung miteinander auszubalancieren. Soloselbständigkeit in der Kreativwirtschaft muss und darf keine unterprivilegierte Form der unternehmerischen Tätigkeit sein, denn sie bietet nicht nur berufliche Perspektiven, sondern gibt auch Impulse für die jeweilige Region,

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für ihre Attraktivität als Wirtschafts- und Lebensraum. Auch Soloselbständigkeit geht nicht ohne Öffnung zur Gemeinsamkeit. Im Gegenteil: Unterstützung und Unterstützbarkeit auf verschiedensten Ebenen außerhalb eigener unternehmerischer Strukturen sind Chance und Basis für Erfolg und Attraktivität einer Soloselbständigkeit im Kreativbereich. Grundsätzlich gilt jedoch, egal ob Soloselbständigkeit oder Gründung im Team: Es werden nur die Gründerinnen und Gründer erfolgreich sein, die sich ausreichend qualifizieren und die sich bewusst sind, auch als Unternehmerin bzw. Unternehmer agieren zu müssen, um den mit der Selbständigkeit verbundenen vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden. Kreativ zu sein alleine reicht nicht. Gefragt sind insbesondere betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Aber auch Eigenmotivation, Belastbarkeit und das Streben nach Unabhängigkeit sind wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Existenzgründung und Existenzsicherung. Sich der eigenen Grenzen und Fähigkeiten bewusst zu werden und damit gezielt umzugehen, ist der Schlüssel zum Erfolg – zum wirtschaftlichen und zum kreativen. Das erfordert von jeder Gründerin und jedem Gründer: • • • • • • • •

die Bereitschaft zum Aufdecken und Benennen der eigenen Defizite; das Achten auf hinreichende eigene Branchen- und Berufserfahrung; die Fähigkeit, die Rolle als Unternehmerin bzw. Unternehmer zu antizipieren, das Unternehmertum zu lernen und zu akzeptieren; die Einbeziehung und Einplanung des privaten Umfeldes von Anfang an; das Prüfen von Kooperationsmöglichkeiten; das Erkennen der besonderen Bedeutung von Marketing und die Fähigkeit, entsprechend agieren zu können; die Suche nach qualifizierter und fachlich spezialisierter Unterstützung; den Aufbau eigener Netzwerke.

Erfolgreiche Selbständigkeit im Kreativbereich wird nur dann möglich sein, wenn berufliche Selbstverwirklichung und wirtschaftliche Verwertbarkeit der eigenen Fähigkeiten, gepaart mit Flexibilität und dem Aufbau verlässlicher, funktionierender persönlicher, sozialer und beruflicher Netzwerke, eine Einheit bilden. Voraussetzungen im Umfeld

Jede Medaille hat zwei Seiten. Das gilt auch für die Selbständigkeit. Einerseits bietet sie Entscheidungsspielräume und Freiheiten, andererseits führt sie zu hoher Belastung und größeren Risiken im Vergleich zum Angestelltenverhältnis. Es folgen oft auch Selbstzweifel und die Angst vor dem Ungewissen, vor

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einem Scheitern. Wer seinen Traum dennoch zur Realität werden lässt, hat die unterschiedlichsten Motive für diese Entscheidung, die das ganze Leben verändern können und sollen. Ausgangspunkt ist der »kreative Impuls« und der Drang, diesen zu verwirklichen. Unzufriedenheit mit der eigenen Situation ist ebenso ein Motiv, aber auch Veränderungen im familiären Umfeld oder einfach der Wunsch, endlich als eigene Chefin oder eigener Chef zu fungieren. Idealerweise ist es die Überzeugung vom eigenen Potenzial und der Wille zum Erfolg, der zum Schritt in die Selbständigkeit führt. Egal welche Ausgangssituation besteht: Der Weg in die Selbständigkeit ist steinig, auch wenn er zunächst rosig erscheinen mag. Gelingen kann es nur, wenn auch das Umfeld stimmt, das persönliche ebenso wie das wirtschaftliche und gesellschaftliche. In der Vorbereitungsphase einer Gründung sollten die Gründerinnen und Gründer ihre Pläne mit allen betroffenen Personen, insbesondere mit Partnern und Familienangehörigen durchsprechen. Dabei sollten alle Risiken und Folgen einer Selbständigkeit analysiert werden, einschließlich der Auswirkungen von Erfolg, aber auch geschäftlichen Schwierigkeiten oder Misserfolgen auf das private Leben. Zum Umfeld gehört auch das unmittelbare und weitere Einzugsgebiet, also die Straße, das Stadtviertel, eine bestimmte Stadt, eine Region, ein Bundesland oder ein Staat. Der Unternehmenssitz und sein Umfeld sollten bei der Standortwahl nach bestimmten Kriterien bewertet werden. Dabei ist zwischen sog. harten und weichen Standortfaktoren zu unterscheiden. Harte Standortfaktoren lassen sich in Daten und Zahlen wiedergeben und haben messbaren Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit. Zu den wichtigsten harten Standortfaktoren gehören, soweit sie für die Gründung relevant sind: • • • • • • •

die Kunden und ihre Bedürfnisse, die Nähe zu ihnen und ihre Kaufkraft; die Kooperationspartner und Zulieferer, die Nähe zu ihnen, ihr Leistungsspektrum und ihre Qualität; die Konkurrenten, ihre Nähe und ihr Leistungsspektrum; Gewerberäume und -flächen, ihre Verfügbarkeit und Kosten; steuerliche Gesichtspunkte; die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und ihre Qualifikation; und gegebenenfalls auch das wissenschaftliche Umfeld.

Weiche Standortfaktoren dagegen sind schwer messbar. Sie können aber eine wichtige Rolle für die Arbeitsmotivation und die weitere Entwicklung spielen. Dazu zählen: • •

kulturelles Umfeld; Image und Lebensqualität des Standortes;

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• •

Beratungs- und Unterstützungsangebote vor Ort; kommunale Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen, Bearbeitungszeiten und Service.

Der wirtschaftliche Wandel von industriellen Strukturen hin zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft führt zu neuen Branchen wie beispielsweise in der Informationstechnik, der Medienwirtschaft und der Architektur. Er wird begleitet durch einen gesellschaftlichen und mentalen Wandel sowie durch die Veränderung der Kultur- und Freizeitinteressen der Menschen. Eine entwickelte Kreativwirtschaft muss in diesem Sinne als positiver Standortfaktor begriffen werden und nur dort, wo sich auch die allgemeinen wirtschaftlichen Strukturen positiv entwickeln, findet sie eine Basis. Und: Selbständigkeit darf nicht in erster Linie unter sozial- und arbeitsmarktpolitischen Aspekten und als »letzter Ausweg« bzw. Alternative zur Arbeitslosigkeit gesehen werden, sondern als Chance und Ziel zur Selbstverwirklichung. Sie darf also nicht Reflex auf staatliche Anreizsysteme und persönliche Notsituationen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sein, auf der Suche, möglichst bald wieder eine abhängige Beschäftigung einzugehen. Es ist erforderlich, diejenigen, die über das notwendige Potenzial verfügen, bei der Gründung zu unterstützen und – mindestens genauso wichtig – zur Selbständigkeit zu motivieren. Das Thema Gründung sollte daher fester Bestandteil in Lehre und Forschung der Hochschulen, insbesondere auch der Kunsthochschulen, werden. Trotz der Notwendigkeit unternehmerischen Handelns im Kreativbereich ist es unbestritten, dass sich gerade Kultur und Kunst reinen ökonomischen Bewertungen entziehen und eine rein auf monetäre Dimensionen reduzierte Kosten-Nutzen-Analyse kulturellen Schaffens dem Kulturanspruch nicht gerecht wird. Für den persönlichen Erfolg in der Kreativwirtschaft ist daher wirtschaftliches Handeln eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Markt und Marketing

Idealismus und wirtschaftlicher Erfolg kommen bei einer Gründung zusammen, wenn der Produktionsfaktor Kreativität mit Marktorientierung verbunden wird. Ein Markt im betriebswirtschaftlichen Sinn ist das abstrakte Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage.8 Das bedeutet in unserem Zusammenhang: Der Markt für ein kreatives Produkt oder eine kreative Dienstleistung umfasst die diesbezügliche Nachfrage der potenziellen Kun8

Vgl. Wöhe, Günter: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 14. Aufl ., München 1981, S. 553ff.

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den sowie das Angebot der entsprechenden Gründerin oder des Gründers. Der unternehmerische Gründungserfolg wird dadurch bestimmt, inwieweit es gelingt, einen möglichst großen Anteil kaufkräftiger Nachfrage auf die eigene Leistung zu lenken. Um dies zu erreichen, sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend: zum einen sicher die Einmaligkeit des Kreativangebotes, aber auch der jeweilige Angebotspreis und die Interessiertheit der Kunden. Um Letzteres zu stimulieren, werden die Instrumente des Marketings eingesetzt. Marketing heißt informieren, aber auch interessieren, um letztlich den Kunden zu einem Kaufverhalten zu bewegen. Doch was »bewegt« den Kunden? Was erwartet er vom Leistungserbringer? Zu welchem Preis und in welcher Zeit? Alles dies sind Fragen, die im Vorfeld der Gründung sorgfältig zu analysieren sind. Man nennt dies Marktanalyse. Diese kann nicht sorgfältig genug durchgeführt werden, denn: Letztlich entscheidet die Nachfrage über Annahme oder Ablehnung des Angebotes. Damit wird klar, dass im reinen unternehmerischen Sinne der Marktbezug die entscheidende Größe für wirtschaftlichen Erfolg der Gründerin oder des Gründers ist. Für die individuelle kreative Gründungspersönlichkeit kann Erfolg natürlich noch ganz andere Dimensionen aufweisen: Umsetzung einer Idee, gesellschaftliche Anerkennung, Selbstverwirklichung. Je stärker sich die individuellen Erfolgserlebnisse mit denen des wirtschaftlichen Erfolges überlappen, desto nachhaltiger kann eine Gründungsexistenz gesichert werden. Wer in der Kreativwirtschaft gründet, muss in diesem Zusammenhang mit dem Folgenden rechnen: • • •



Es besteht in der Regel eine geringe Markttransparenz, die wiederum eine belastbare Marktanalyse schwierig macht; Marketing kann in der Anfangsphase oft nur als Low-Cost-Marketing betrieben werden; Bei bestehender Diskrepanz zwischen der Nachfrage auf dem Markt und der eigenen, der Gründung zugrunde liegenden Neigung muss eine »Überbrückung« gesucht werden; Kreativität bedeutet auch stetige Veränderung. Dadurch wird eine stetige Marktbeobachtung erforderlich.

Das kreative Kernangebot des Gründungsvorhabens allein reicht oft nicht zur Deckung des Mindestumsatzes aus – vor allem in der Anfangsphase. Dann wird es erforderlich sein, zusätzliche Angebote zur Verbreiterung und Abrundung des eigenen Leistungsspektrums aufzuspüren und zu entwickeln. Dies kann durch strategische Kooperationen erfolgen und ist fast immer zielführender als Einzelkämpfertum. Erst die Verbreiterung des eigenen Angebotes

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und die gemeinschaftliche Erschließung von Zielgruppen durch Kooperationen mit anderen Selbständigen geben vielen kreativen Gründungsvorhaben den Schub, der zur Erreichung des Mindestumsatzes und zu Wachstum führen kann. Die Konkurrenz

Am Markt kann ein Unternehmen nur bestehen und sich gegen Konkurrenz durchsetzen, wenn es ein Alleinstellungsmerkmal hat. Mit dem Alleinstellungsmerkmal werden die Leistungsmerkmale bezeichnet, mit denen sich das Unternehmen aus Kundensicht deutlich von den Mitbewerbern, der Konkurrenz abhebt. Das ist ein Grundsatz, der nicht nur für Gründungen im Kreativbereich, sondern generell für alle Wirtschaftsbereiche gilt. Auch für Gründungen in einem Wachstumsmarkt wie der Kreativwirtschaft ist die Bestimmung und Erhaltung dieses Unterscheidungsmerkmales erfolgbestimmend. Während im künstlerischen Bereich die Produktdifferenzierung quasi ergebnisimmanent ist, muss sie in anderen Branchen der Kreativwirtschaft deutlich herausgearbeitet werden. Alleinstellungsmerkmale sind dem Markt bekannt zu geben. Die Zielgruppe muss diese Merkmale wiedererkennen. Mit anderen Worten, die Alleinstellungsmerkmale der Produkte und Dienstleistungen müssen kommuniziert werden. Sie sind die Kernaussagen in jeder Marketingstrategie. Für die Gruppe der Selbständigen oder überwiegend kleinen Unternehmen der Kreativwirtschaft ist es oft schwierig, Alleinstellungsmerkmale dauerhaft zu sichern. Kreative Ideen und Entwicklungen lassen sich häufig juristisch nicht ausreichend oder gar nicht schützen. Dann ist es der Gründerin bzw. dem Gründer vielfach nicht möglich, das Kreativergebnis ausschließlich für sich zu nutzen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Aus diesem Grunde ist es bereits im Gründungsprozess erforderlich, die Notwendigkeit einer eigenen Schutzrechtsstrategie zu prüfen und sich fachkundig beraten zu lassen. Beim Schutz eigener Ideen sollte auch über Kooperationen mit Unternehmen nachgedacht werden, die nicht zu den direkten Wettbewerbern gehören. Stets gilt: Die Konkurrenz schläft nicht. Niemand ist allein auf dem Markt. Immer wird es eine Reihe von Anbietern geben, die entweder genau das Gleiche oder ähnliches anbieten. Also heißt es jeden Tag aufs Neue, um die Gunst der Kunden zu buhlen, den Kundenkontakt zu halten, die Kunden »zu pflegen«. Viele Gründerinnen und Gründer denken gar nicht an mögliche Konkurrenz. Sie sind so sehr mit sich selbst und ihrer Existenzgründung beschäftigt, dass sie diesen wichtigen Aspekt und dabei auch den Schutz ihrer eigenen Ideen außer Acht lassen. Aber das ist ein Fehler, der vermieden werden sollte. Und das insbesondere aus zwei Gründen:

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1. Konkurrenz bedeutet, den Markt teilen zu müssen, also Umsatz einzubüßen. Nur wer weiß, wie stark die Konkurrenten sind, kann entscheiden, wie darauf zu reagieren ist. Unter Umständen ist es besser, bei einer geplanten Existenzgründung auf die Umsetzung einer bestimmten Geschäftsidee ganz zu verzichten oder sie zu modifizieren, um sich nicht mit übermächtiger Konkurrenz auseinandersetzen zu müssen. 2. Bei genauer Beobachtung der Konkurrenz ist eine Menge zu lernen: viel Positives, das nachahmenswert ist. Aber auch Negatives, das besser gemacht werden kann, um dadurch einen Vorsprung vor den Konkurrenten zu bekommen oder zu bewahren. Ganz wichtig: Konkurrenzbeobachtung sollte nicht nur zu Beginn einer Existenzgründung durchgeführt werden, sondern auch regelmäßig nach der Gründung, die Prüfung bestehender Schutzrechte inbegriffen. Denn was für die Marktbeobachtung gilt, trifft auch auf die Beobachtung der Konkurrenz zu: Stillstand ist Rückschritt und die Klärung rechtlicher Verhältnisse oftmals existenziell. Zu beachten ist bei jeder Existenzgründung, dass Konkurrenz nicht nur im eigenen Land besteht, sondern je nach Geschäftsfeld auch international. Das Instrument »Businessplan«

Der Businessplan ist der Fahrplan zum Erfolg und zum Einstieg in den Markt. Betrachtet man den Begriff »Erfolg« bezogen auf eine Selbständigkeit im Kreativbereich, dann ist er zunächst einmal sehr individuell geprägt. Für viele Gründerinnen und Gründer hat er folgende Dimensionen: Erfolg heißt Selbstverwirklichung, Nachhaltigkeit, Zufriedenheit und sozialer Status. Erfolg ist auch, wenn die Selbständigkeit eine hinreichende Einkommens-, Alters- und Risikovorsorge und eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ermöglicht. Erfolg kann aber auch die Erreichung einer Marktführerschaft bedeuten, regional, überregional oder global. Erfolg ist letztlich immer die Verwirklichung einer eigenen Vision. Erfolg ist in Grenzen planbar, doch ohne Vision und Konzept nicht zu erreichen. Im Falle einer Gründung heißt die Planung Businessplan. Der Businessplan verschafft einen umfassenden Überblick über Rahmenbedingungen und Marktchancen des Gründungsvorhabens. Ein klares und innovatives Konzept, eine eindeutige Positionierung, eine eng gefasste Definition der angestrebten Ziele und Zielgruppen sind die wichtigsten Faktoren. Um das systematisch und vollständig zu klären und das unternehmerische Ziel festzusetzen, ist ein Businessplan ehrlich, klar strukturiert, realistisch und auch für Außenstehende nachvollziehbar zu erstellen. In diesem werden alle

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relevanten Gründungsaspekte ›verarbeitet‹: die Idee, die Marktbedingungen, der Wettbewerb, die Dienstleistungsfaktoren, der Standort, die Rechtsform, die Zukunftsperspektiven, die Absicherung und Vorsorge der Investitionen, die Rentabilität, Liquidität und Finanzierung und – nicht zu vergessen – der Schutz des eigenen geistigen Eigentums. Um das Gründungsvorhaben dauerhaft zu sichern, ist eine permanente Weiterentwicklung des Businessplans und dessen laufende Überprüfung, das Controlling, notwendig. Die Erarbeitung des Businessplans gelingt nur Schritt für Schritt durch ein stufenweises Vorgehen. Gründerinnen und Gründer im Kreativbereich denken in der Regel eher komplex mit einem hohen inhaltlichen Anspruch. Diesen scheinbaren Gegensatz gilt es aufzuheben. In der Arbeit am Businessplan erfolgt die Auseinandersetzung mit den wesentlichen Schritten, die zu tun sind, damit das Gründungsvorhaben auf eine geplante, kontrollierbare und risikobewusste Art Gestalt annimmt und umgesetzt werden kann. Unterstützungsmöglichkeiten in Brandenburg

Brandenburg hat 2007 seine Position als Gründerland Nummer eins in Ostdeutschland weiter gefestigt. Mit einer Selbständigenquote von 12,2 Prozent liegt Brandenburg an der Spitze der neuen Bundesländer und über dem Bundesdurchschnitt. Einen wesentlichen Beitrag dazu hat das landesweit aktive »Gründungsnetz Brandenburg« geleistet. Darin sind alle wesentlichen Akteure im Land gebündelt, die Existenzgründungen unterstützen. Die Akteure des Gründungsnetzes bieten maßgeschneiderte Unterstützung für Gründerinnen und Gründer aus allen Branchen. Unter Federführung des Brandenburger Wirtschaftsministeriums hatten bereits im Jahr 2000 vier Ressorts der Landesregierung (Wirtschaft, Arbeit, Wissenschaft, Bildung) ihre Kräfte zur Unterstützung von Existenzgründungen gebündelt. 2002 kamen die brandenburgischen Kammern hinzu, 2003 die Brandenburgische Landesrektorenkonferenz und die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit. Mit der Aufnahme von vier weiteren Partnern im April 2007 – der Bürgschaftsbank Brandenburg GmbH, der InvestitionsBank des Landes Brandenburg (ILB), der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (ZAB) sowie der Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA) Brandenburg GmbH – verbindet das »Gründungsnetz« nun alle für das Gründungsgeschehen wesentlichen Akteure im Land. Die Industrie- und Handelskammern (IHKn) bzw. Handwerkskammern (HWKn) sind erste Anlaufstellen für gründungsinteressierte Bürgerinnen und Bürger. Darüber hinaus gibt es lokale und regionale Gründerinitiativen und Gründerzentren, die sich ebenfalls für erste Orientierungsgespräche anbieten. Handelt es sich bei dem Gründungsvorhaben um ein

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innovatives und technologieorientiertes Vorhaben, ist die ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (ZAB) erste Anlaufstelle. Zur Umsetzung einer Geschäftsidee in einen erfolgreichen Businessplan bietet Deutschlands erfolgreichste regionale Gründungsinitiative, der Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg, eine geeignete Plattform. Sog. Lotsendienste helfen Gründerinnen und Gründern dabei herauszufinden, ob der Schritt in die Selbständigkeit das Richtige ist oder nicht. Außerdem helfen sie bei der Klärung von Fragen vor der Gründung und begleiten nach dem Unternehmensstart bei den ersten Schritten als Unternehmerin und Unternehmer. Ein Lotsendienst ist in jeder Region des Landes Brandenburg eingerichtet. Sie sind je nach Ausrichtung zuständig für Arbeitssuchende, Ausländer, Hochschulabsolventen oder Jugendliche. Aktuelle Informationen und Ansprechpartner zu allen Angeboten sind auf der Internetseite www.gruendungsnetz.brandenburg.de zusammengefasst. Die ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (www.zab-brandenburg. de) als zentrale Wirtschaftsfördereinrichtung des Landes stellt ihr gesamtes Leistungsspektrum, u.a. für Gründungen in den Branchen Medien sowie Informations- und Kommunikationstechnologien, zur Verfügung. Die LASA und die ZAB bieten mit dem Projekt »Innovationen brauchen Mut« (www.innova tionen-brauchen-mut.de) ein kostenloses und vernetztes Coaching für innovative Vorhaben in der Vorgründungsphase, gefördert durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg und den Europäischen Sozialfonds, an. Im Rahmen der Zielgruppe »wissensintensive Dienstleistungen« ist dieses Förderprojekt auch für Gründungsvorhaben aus der Kreativwirtschaft zugänglich. 2006 wurde von den neun Hochschulen des Landes das Brandenburgische Institut für Existenzgründung und Mittelstandsförderung (BIEM e.V.) gegründet. Das BIEM versteht sich als Partner und zentrale Anlaufstelle für alle akademischen Gründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Land Brandenburg. Brandenburg verfügt mit dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Projekt MEDIA EXIST deutschlandweit über das erste Gründerzentrum für Medienschaffende (www.mediaexist.com). Das vom »Institut für Berufsforschung und Unternehmensplanung Medien (IBF)« an der »Hochschule für Film und Fernsehen ›Konrad Wolf‹ (HFF)« entwickelte Angebot richtet sich an den speziellen Bedürfnissen der Medienwirtschaft aus. Das Hauptziel des Projektes ist es, mehr Existenzgründerinnen und Existenzgründern, Absolventinnen und Absolventen sowie Alumni der HFF und anderer Medienhochschulen den Weg in eine erfolgreiche Selbständigkeit zu erleichtern. Über das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie werden weiterhin im Rahmen der sog. INNOPUNKT-Kampagne (siehe www. lasa-brandenburg.de) die Projekte »KulturGewerbeQuartier Schiffbauergas-

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se« in der Landeshauptstadt Potsdam (siehe www.schiffbauergasse.de/ innopunkt) sowie die Qualifizierungsoffensive und regionale Netzwerkbildung »Kulturreisen im Land Brandenburg« unterstützt. Der Standort Schiffbauergasse vereint neben dem Theaterneubau das Zentrum für Kunst- und Soziokultur für freie Kulturträger, Betriebsbauten des Software-Konzerns Oracle und das VW-Design-Zentrum. INNOPUNKT soll durch Vernetzung, Coaching und Qualifizierung eine wechselseitige Bestärkung von Kultur und Gewerbe erzeugen, um damit innovative Impulse für Beschäftigung und regionales Wachstum zu initiieren. Das Projekt Qualifizierungsoffensive und regionale Netzwerkbildung »Kulturreisen im Land Brandenburg« soll durch praxisorientierte Qualifizierung und Vernetzung kulturelle Akteure und touristische Unternehmen für eine kulturtouristische Angebotsgestaltung sensibilisieren. Ziel ist es, gemeinsam mit den Akteuren vor Ort vermarktbare und buchbare kulturtouristische Angebote zu entwickeln.

5 . Z U S A M M EN FA SS U N G Die Kreativwirtschaft ist in Deutschland zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden – mit hohen jährlichen Wachstumsraten. Sie umfasst die Bereiche Kulturwirtschaft, u.a. mit den Wirtschaftsgruppen Verlags- und Filmgewerbe, darstellende und bildende Künste sowie die Creative Industries, denen u.a. die Produzenten von Games-Software zugerechnet werden. Das Bild der Kreativwirtschaft in Deutschland wird zunehmend geprägt durch die selbständige Alleinunternehmerin oder den Alleinunternehmer. Am Anfang jeder selbständigen Tätigkeit steht die Unternehmensgründung. Der Schritt in die Selbständigkeit verlangt dabei eine sorgfältige Vorbereitung. Der Mangel an Beschäftigungsalternativen oder eine eigenzentrierte Ideenfi xierung alleine sind dabei schlechte Ratgeber. Nachhaltige Gründungen in der Kreativwirtschaft müssen den Spagat zwischen dem persönlichen Selbstverwirklichungswunsch und wirtschaftlicher Marktorientierung bewältigen. Das fällt gerade einer dem eigenen kreativen Ausdruck verpflichteten Persönlichkeit nicht immer leicht. Aber: Die Idee alleine reicht dabei vielfach nicht aus, um dauerhaft die eigene Existenz oder zusätzlich die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sichern. Weitere Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Der vorliegende Aufsatz gibt einige Hinweise für zu beachtende Rahmenbedingungen. Da sind zunächst einmal die persönlichen Voraussetzungen zu beachten, die neben den rein »handwerklichen« Fähigkeiten zusätzliche Kompetenzen wie Kontaktfreudigkeit, Aufgeschlossenheit für Neues oder Networking beinhalten. Hinzu kommt die Bereitschaft, eine gewisse »Leidensfähigkeit«

Ulrich Ruh, Klaus-P. Schulze £Rahmenbedingungen für Gründungen in der Kreativwirtschaft

in Kauf zu nehmen, um unternehmerische Rückschläge oder auch Verzichte im persönlichen Umfeld durchstehen zu können. Weiterhin bedarf das Gründungsumfeld einer eingehenden Analyse. Dazu gehören je nach Gründungsart die Analyse des Standortumfeldes, die Beratungs- und Unterstützungsangebote vor Ort sowie die behördlichen Notwendigkeiten. Vielfach ist auch das wissenschaftliche Umfeld ein besonderer Gründungsfaktor. Unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Erfolges einer Gründung spielt der relevante Markt die entscheidende Rolle. Hier trifft sich das Angebot des kreativen Gründers mit der Nachfrage der Kunden. Marktanalyse, die Entwicklung geeigneter Marketinginstrumente sowie die ständige Marktbeobachtung müssen daher zum Grundhandwerkszeug einer Kreativgründung werden. »Die Konkurrenz schläft nicht«. Dieser Spruch sollte Ansporn sein, konkurrierende Angebote sorgfältig zu analysieren und zu beobachten – auch von ihnen zu lernen. Die beste Gegenstrategie ist: Alleinstellungsmerkmale entwickeln und an den Kunden kommunizieren. Wenn möglich, ist dies um eine geeignete Schutzrechtsstrategie zu ergänzen. Alle genannten und weiteren Gründungsgesichtspunkte fließen im Businessplan zusammen. Er ist der Fahrplan zum Erfolg. Er verarbeitet alle relevanten Gründungsaspekte wie z.B. die Idee, die Marktsituation, die Zukunftsperspektiven und die Finanzierung. Ein Businessplan ist nie statisch, er bedarf eines ständigen Controllings und der Weiterentwicklung. Für Gründungen in der Kreativwirtschaft ist die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ein geeignetes Pflaster. Allein in Brandenburg kümmern sich verschiedene Organisationen um die Gründerinnen und Gründer. Hinzu kommen vielfältige finanzielle und nichtfinanzielle Unterstützungsangebote. Brandenburg alleine hat sich zum Gründerland Nummer eins in Ostdeutschland entwickelt. Es bildet gerade durch seine Nähe zur Hauptstadt Berlin für Kreative ein ideales Gründungsumfeld.

L I T E R AT U R Lotter, Wolf: »Die Gestörten«, in: Plan B, Kulturwirtschaft in Berlin, Berlin 2007, Seite 38. Söndermann, Michael/Strittmatter, Thomas Dr.: Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Brandenburg, Empirischer Grundlagenbericht im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Potsdam, 2007. Wöhe, Günter: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 14. Aufl., München 1981, S. 553ff.

37

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K R E AT I V E F I N A N Z I E R U N G – I N N O VAT I V E F I N A N Z I E R U N G S L Ö S U N G E N F Ü R D I E K R E AT I V W I R T S C H A F T DIETER PUCHTA

1. Einleitung und Aufbau ı 40 2. Die Kreativwirtschaft ı 41 2.1 Definition der Kreativwirtschaft ı 41 2.2 Mikro- und makroökonomische Aspekte der Kreativität ı 42 2.2.1 Vom kreativen zum innovativen Individuum ı 42 2.2.2 Makroökonomische (Kondratieff-)Zyklen ı 44 2.3 Umfeldanalyse der Kreativwirtschaft ı 47 2.4 Bedeutung der Kreativwirtschaft ı 48 2.4.1 Bedeutung für Deutschland ı 48 2.4.2 Bedeutung für Berlin ı 49 2.4.3 Erstes Zwischenfazit ı 53 2.5 Geschäftsmodelle in der Kreativwirtschaft ı 54 3. Finanzierungsherausforderungen ı 55 3.1 Förderansätze ı 55 3.2 Unzureichender Zugang zu Finanzierungsinstrumenten ı 55 3.2.1 Eigenkapitalschwäche und Mangel an Sicherheiten ı 55 3.2.2 Schwer beurteilbare Geschäftsmodelle ı 56 3.2.3 Geschäftsmodellspezifische Ansätze ı 57 3.2.4 Zweites Zwischenfazit ı 58 3.3 Ansätze zur Lösung der Herausforderungen ı 58 3.3.1 Marktversagen und dessen Überwindung ı 58 3.3.2 Risikokapital auf Basis des Portfolioansatzes ı 59 3.3.3 Mikrofinanzierung ı 59 3.3.4 Drittes Zwischenfazit ı 60 4. Finanzierungslösungen für Berlin ı 60 4.1 Risikokapital für Unternehmen mit Wachstumspotenzial ı 61 4.2 Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit durchschnittlicher Wachstumsperspektive ı 63 4.3 Existenzgründer- und Mikrodarlehen für Gründer und Kleinstunternehmer ı 63

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Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze Kreative gründen anders!

4.4 Exkurs: Nichtmonetäre Förderung ı 64 4.5 Viertes Zwischenfazit ı 64 5. Zusammenfassung ı 64 Literatur ı 65 Abbildungsverzeichnis ı 68 Tabellenverzeichnis ı 69 Anhang: Teilmärkte der Kreativwirtschaft ı 70

1. EINLEITUNG

UND

AUFBAU

Die Investitionsbank Berlin (IBB) ist als Förderbank die zentrale Wirtschaftsförderinstitution für das Land Berlin. Sie hat u.a. das Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern sowie das Wirtschaftswachstum zu forcieren. Gemessen an der Bilanzsumme gehört die IBB zu den 50 größten deutschen Banken.1 Die Kreativwirtschaft ist ein zukunftsträchtiger, relativ neu definierter Wirtschaftszweig mit hohem Wachstums- und Beschäftigungspotenzial. Zusammengefasst dürfte die Kreativwirtschaft bereits heute hinsichtlich der Bruttowertschöpfung in Deutschland beinahe die gleiche Bedeutung haben wie die gesamte Automobilindustrie.2 Für Berlin nimmt sie eine noch höhere Bedeutung ein, da hier das kreative Umfeld vorzufinden ist, das nach Richard Florida der ideale Nährboden für die von ihm beschriebene »Creative Class« ist, die diese Unternehmen ausmacht.3 Für Unternehmen ist es häufig immer noch leichter, eine Finanzierung für Grund und Boden, Gebäude sowie Anlagen zu erhalten als für Ideen und immaterielle Vermögensgegenstände. Dies ist eine hohe Hürde für die Entwicklung der Branche insgesamt, denn »Creative Industries benötigen Creative Finance«.4 Ließe sich die Hürde überwinden, könnte damit ein weite1

Vgl. Karsch, W.: Top 100 der deutschen Kreditwirtschaft 2006 auf Wachstumskurs (2007), online: www.diebank.de/index.asp?issue=082007&channel=151010 &art=560, Abruf: 13.03.2008.

2

Daten standen lediglich bis 2004 zur Verfügung. Wir gehen davon aus, dass sich die positive Entwicklung in den darauf folgenden Jahren eher verstärkt hat. Vgl. hierzu Gliederungspunkt 2.4.1.

3

Vgl. Florida, R.: The Rise and Fall of the Creative Class, New York: Basic Books 2002, S. 249ff.

4

Vgl. Keuper, F./Puchta, D./Röder, S.: »Creative Industries benötigen Creative Finance. Innovative Finanzierungslösungen für die Filmwirtschaft«, in: M. Hülsmann/

Dieter Puchta £Kreative Finanzierung − Innovative Finanzierungslösungen

rer Wachstumsschub der Branche induziert werden. Die Investitionsbank Berlin hat sich vor diesem Hintergrund intensiv mit der Frage der Finanzierbarkeit von Unternehmen aus der Kreativwirtschaft beschäftigt. Zwischenzeitlich bietet sie ein Finanzierungsangebot an, das spezifisch auf die Anforderungen der Unternehmen dieser neuen Schlüsselbranche zugeschnitten ist. In Kapitel 2 wird, ausgehend von einer Beschreibung der »Kreativwirtschaft«, zunächst deren Bedeutung für Deutschland und für Berlin herausgearbeitet. In Abschnitt 3 werden wesentliche Herausforderungen für die Finanzierung von Unternehmen der Kreativwirtschaft analysiert und Lösungsansätze skizziert. Unter 4 werden konkrete Finanzierungslösungen aus der Praxis vorgestellt, die von der Investitionsbank Berlin speziell für Berliner Unternehmen der Kreativwirtschaft angeboten werden. Die Zusammenfassung unter 5. rundet den Artikel ab.

2 . D I E K R E AT I V W I R T S C H A F T Florida bezeichnet die menschliche Kreativität als die ultimative ökonomische Ressource.5 Ähnlich haben schon Jahrzehnte zuvor Joseph Schumpeter mit der Funktion des kreativen Unternehmers6 und Peter Drucker mit der Entwicklung zur wissensbasierten Gesellschaft7 argumentiert. Einfach ausgedrückt: Die »Creative Class« schafft ökonomischen Wert durch ihre Kreativität. 8 2.1 Definition der Kreativwirtschaft

Um der für den deutschsprachigen Raum üblichen, aber wenig nützlichen Diskussion um die »richtige« Definition und Abgrenzung des Begriffes aus dem Weg zu gehen, greifen wir auf die praxisorientierte Definition des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zurück und verweisen hierzu auf den Anhang »Teilmärkte der Kreativwirtschaft«.

J. Grapp (Hg.), Strategisches Management für Filmproduktionen. Herausforderungen, Strategien, Best Practices, München: Oldenbourg 2008. 5 6

Vgl. Florida (2002), S. Xiii und Keuper/Puchta/Röder (2008), S. 6. Vgl. Schumpeter, J.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (Erstausgabe 1911), Berlin: Duncker & Humblot 1997 (unveränderter Nachdruck der 4. Auflage 1934).

7

Vgl. Drucker, P.: The Age of Discontinuity, New York: Harper & Row 1969.

8

Vgl. Florida (2002), S. 68.

41

42

Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze Kreative gründen anders!

Um es jedoch nicht bei einer wenig übersichtlichen einfachen Aufzählung von Teilbranchen zu belassen, erscheint die Erläuterung des Begriffs Kreativwirtschaft im Rahmen der folgenden Matrix als hilfreich. Hierbei werden vier unterschiedliche Ansätze in einem Schaubild zusammengefasst: Volkswirtschaftlicher Ansatz

Soziologischer Ansatz

Kreative Industrien • Musik; Darstellende; Kunst; Film; Radio • Werbung; PR, Bildende Kunst , Kunsthandwerk, Design, Architektur kulturelles Erbe; Printmedien • Software, Internet, Telekommunikation branchen- bzw. sektorenbezogen

Creative Class • Wissenschaftler (z.B. Physiker) • Kreative Professionals (z.B. Anwälte, Unternehmensberater)

• IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) • Content-(Inhalte-)Wirtschaft • Medien-Wirtschaft • Kulturwirtschaft

• • • •

Berufe, Tätigkeiten

Erfindungen, Entwicklungen, die sich schützen /verwerten lassen

im Wesentlichen Inhalt versus Technologie

Produktorientierter Ansatz

Copyright Patent Marken Design

Verwertungsrechtebezogener Ansatz

Abbildung 1: Die Kreativwirtschaft in Matrixform (eigene Darstellung, 2008).

2.2 Mikro- und makroökonomische Aspekte der Kreativität

Nachdem wir den Bereich der Kreativwirtschaft definiert und abgegrenzt haben, stellt sich nun die Frage, wie Kreativität individuell entsteht und makroökonomisch aggregiert wird und ob dieser Prozess (positiv) beeinflussbar ist. 2.2.1 Vom kreativen zum innovativen Individuum Damit aus der individuellen Kreativität – deren wesentliche Eigenschaften der linken Hälfte von Abbildung 2 zu entnehmen sind – eine Innovation entsteht, bedarf es eines Ausgleichs zwischen Kreativität und klassischem betriebswirtschaftlichem Verhalten. Unter Letzterem wird folgendes Verhalten verstanden: effizient, sorgfältig, anpassungsfähig, methodisch, organisiert, exakt und verlässlich. Die individuelle Kreativität kann – über die in Abbildung 2 beschriebenen Eigenschaften hinausgehend – mit Begriffen wie ingeniös, originell, unabhängig, unkonventionell und unvorhersagbar beschrieben werden. Innovatives Verhalten als Kombination zwischen Kreativität und dem beschriebenen »betriebswirtschaftlichen« Verhalten beschreibt Individuen, die methodisch und organisiert arbeiten, um unkonventionelle Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Das innovative Individuum schätzt permanent auf

Dieter Puchta £Kreative Finanzierung − Innovative Finanzierungslösungen

eine organisierte und methodische Weise ab, ob seine originellen Ideen in der Praxis funktionieren.9 Wie diese mikroökonomische Betrachtungsweise mit der makroökonomischen zusammenhängt, kann man mit einem Zitat des makroökonomischen Wirtschaftstheoretikers Leo Nefiodow erfassen: Kreativität ist die bisher am wenigsten genutzte Ressource.10 Das kreative Individuum kann anhand von drei Aspekten und zehn Ausprägungspaaren beschrieben werden: 7XEVOI%YWTVmKYRK 

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Abbildung 2: Aspekte und Ausprägungen des kreativen Individuums (eigene Darstellung auf der Basis eines Folienvortrages von Fons Trompenaar, Trompenaars Hampden-Turner Consulting, im Rahmen der internationalen Hay-Group-Konferenz vom 09. bis 11.04.2008 in Rom, vgl. Hay Group [o.]).

9

Zum Thema Innovation als Wachstumsmotor vgl. Schneider, F./Puchta, D./Heigner, S./Jenewein, S./Wakolbinger, F.: Kreative Industrien in Berlin. Eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse, Berlin 2008, S. 17ff. Zum Thema Kreativität und intrinsische Motivation vgl. auch Frey, B.S./Osterloh, M.: Managing Motivation. Wie Sie die neue Motivationsforschung für Ihr Unternehmen nutzen können, Wiesbaden: Gabler 2002.

10 Zitiert nach Amman, J.-C.: Bei näherer Betrachtung. Zeitgenössische Kunst verstehen und deuten, Frankfurt a.M.: Westend Verlag 2007, S. 28.

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2.2.2 Makroökonomische (Kondratief f-)Zyklen Joseph Schumpeter war mit der Beschreibung des innovativen Entrepreneurs und der kreativen Zerstörung wohl der erste Nationalökonom, der die Bedeutung der Kreativität für das Wachstum herausgearbeitet hat. Gleichzeitig formalisierte Schumpeter die sog. Kondratieff-Zyklen. Der Kondratieff-Zyklus ist ein Langzeitzyklus von 40 bis 50 Jahren, dem jeweils eine gesellschaftsrevolutionierende Basis-Innovation zugrunde liegt. Ein neuer Zyklus setzt immer dann ein, wenn sich die Basis-Innovation des vorausgegangenen Zyklus flächendeckend durchgesetzt hat. Die zeitliche Entwicklung der Kondratieff-Zyklen, die jeweilige neue Technologie sowie die daraus entstehenden Industrien bzw. Konsequenzen sind dem nachfolgenden Schaubild zu entnehmen.

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