Kooperative Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren: Die Verbindung von steuerrechtlicher und strafprozessualer Verständigung [1 ed.] 9783428533749, 9783428133741

Ulrich Pflaum untersucht Möglichkeiten und Grenzen einer kooperativen Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstra

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Kooperative Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren: Die Verbindung von steuerrechtlicher und strafprozessualer Verständigung [1 ed.]
 9783428533749, 9783428133741

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Schriften zum Prozessrecht Band 219

Kooperative Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren Die Verbindung von steuerrechtlicher und strafprozessualer Verständigung

Von Ulrich Pflaum

Duncker & Humblot · Berlin

ULRICH PFLAUM

Kooperative Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren

Schriften zum Prozessrecht Band 219

Kooperative Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren Die Verbindung von steuerrechtlicher und strafprozessualer Verständigung

Von Ulrich Pf laum

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Wintersemester 2009/2010 als Dissertation angenommen.

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D 703

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-13374-1 (Print) ISBN 978-3-428-53374-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83374-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/2010 von der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind grundsätzlich bis Dezember 2009 berücksichtigt. Der besondere Dank des Verfassers gilt Herrn Prof. Dr. Roland Schmitz, ehemals Universität Bayreuth, nunmehr Universität Osnabrück, für die Annahme als Doktorand, die Betreuung der Arbeit und die Erstattung des Erstgutachtens, weiterhin Herrn Prof. Dr. Markus Möstl, Universität Bayreuth, für die Erstattung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Nikolaus Bosch, Universität Bayreuth, für die Übernahme des Vorsitzes im Colloquium. Der Dank des Verfassers gilt darüber hinaus Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. Jörg Schauf, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, und Herrn Ltd. Regierungsdirektor Dr. Edmund Wilhelm, ehemals Leiter des Finanzamts Bamberg, nunmehr Leiter des Finanzamts Aschaffenburg, für die bei der Anfertigung dieser Arbeit während des juristischen Vorbereitungsdienstes und der Einweisung in die Aufgaben des höheren Dienstes der Steuerverwaltung erfahrene Förderung. München, im Mai 2010

Ulrich Pflaum

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1.Kapitel

1

Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens A. Differenzierung innerhalb der Steuerstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Materiellrechtliche und prozessuale Probleme bei der Steuerhinterziehung, § 370 AO

25

I.

Bedeutung des materiellen Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

II.

Prozessuale Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung . . . . . . . . . . . . . . .

28

a) Berechnungsdarstellung in den Urteilsgründen

....................

29

b) Eigene Sachverhaltsermittlung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

c) Ausnahmsweise Entbehrlichkeit der Berechnungsdarstellung . . . . . . . . .

30

2. Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, Art. 6 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . .

31

C. Täterkreis der Steuerstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

I.

Sozialprofil der Steuerstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

II.

Soziale Differenzierung nach Tatmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

D. Behördenorganisation im Steuerstrafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

I.

Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

II.

Bündelung steuer- und steuerstrafrechtlicher Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . .

36

1. Organisationsmodelle in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Bedeutung für das Zustandekommen einer Gesamtbereinigung . . . . . . . . . .

38

Finanzbehörden als Strafverfolgungsbehörden

.........................

38

E. Fiskalische Aspekte des Steuerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

III.

2

Inhaltsverzeichnis

8

2. Kapitel

3

Die Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

II.

III.

43

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

1. Die „Idee der Gerechtigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

3. Grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Urteil des 4. Strafsenats vom 28.08.1997 – 4 StR 240/97 . . . . . . . . . . . . . . .

48

2. Beschluss des Großen Strafsenats vom 03.03.2005 – GSSt 1/04 . . . . . . . . . .

49

a) Bestätigung des Urteils des 4. Strafsenats vom 28.08.1997 – 4 StR 240/97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

b) Rechtsmittelverzicht und revisionsgerichtliche Kontrolle von Höchststrafenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . .

51

1. § 257c StPO neuer Fassung als gesetzliche Grundlage der Höchststrafenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

2. Weitere Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

3. Beteiligung der Finanzbehörde an der Höchststrafenabrede . . . . . . . . . . . . .

54

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

B. Höchststrafenabrede und verfahrensmäßige Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

IV.

I.

Handhabung der gerichtlichen Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

II.

Reduziertes Aufklärungsinteresse der Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . .

58

III.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . .

59

I.

Anforderungen an das Geständnis in Steuerstrafsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

II.

Unbeachtlichkeit des Widerrufs des Geständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

III.

Probleme der Verwertung konsensualer Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

1. Keine besondere Bindungswirkung des konsensualen Urteils . . . . . . . . . . . .

64

2. Gültigkeit des Erfahrungssatzes der Rechtsprechung bei Höchststrafenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

3. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

IV.

Inhaltsverzeichnis

9

3. Kapitel

4

Die Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren A. Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

70

Anwendungsbereich und Bindungswirkung bei Strafverfahren wegen § 370 AO

71

1. Weiter Anwendungsbereich konsensualer Erledigungsformen . . . . . . . . . . .

72

2. Bindungswirkung von Verständigungen und konsensualen Erledigungsformen

74

II.

Exkurs: Ausschluss bei Strafverfahren wegen § 370a AO

.................

75

III.

Einzelaspekte des Strafbefehlsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

IV.

Fortbestand der Unschuldsvermutung bei Einstellung gemäß § 153a StPO . . . .

79

1. Erfordernis der Feststellung der Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Bedenken gegen die Feststellung der Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

b) Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK

81

aa) Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 2 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

c) Kein Entgegenstehen des Strafklageverbrauchs gemäß § 153a StPO . . . .

85

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

B. Bedenken gegen konsensuale Erledigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

V.

I.

Bedenken gegen Einstellungen gemäß § 153a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

II.

Bedenken gegen das Strafbefehlsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

III.

Konsensuale Erledigung und Unterwerfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

1. Differenzierung zwischen §§ 153 f. StPO und dem Strafbefehlsverfahren . . .

91

2. Entscheidende Bedeutung der gerichtlichen Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . .

92

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

IV.

I.

Selbständiges Verfahren der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

II.

Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

1. Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde . . . . . . . . . . . .

95

2. Informationsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft über Verfahren der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

3. Zeitlicher Umfang des Evokationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

Inhaltsverzeichnis

10 III.

Zuständigkeit innerhalb der Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

1. Verbindliche Kompetenzzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Trennung von Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbeamten gemäß § 404 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Keine Umgehung des § 404 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Schlüsselfunktion der Steuerfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Bedeutung für Verständigungen im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 103 IV.

Unwirksame und fehlgeschlagene Absprachen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

D. Informelle Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

4. Kapitel

5

Die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I.

Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Tatsächliche Verständigung zunächst als faktisches Phänomen . . . . . . . . . . . 110 2. Tatsächliche Verständigung als Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

II.

Ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Grundtendenz der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Weitergehende Rechtsprechung des sechsten Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

III.

Neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Der zugrunde liegende Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

IV.

Grundsatz der einseitig-hoheitlichen Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Einseitigkeit der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . 118 2. Begrenzte Reichweite der „Mitverantwortung“ des Steuerpflichtigen . . . . . 119

V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I.

Bindung nach Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

II.

Tatsächliche Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . 123

III.

Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Unzulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . 126 2. Wissens- statt Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Inhaltsverzeichnis

11

a) Keine Vereinbarung über den Steueranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Kein prozessualer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Einvernehmliche Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 IV.

Parallelen und Unterschiede zur Höchststrafenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I.

Keine Verständigung über Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Kein Bedürfnis für eine Verständigung über Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Grundsätzliche Unterscheidbarkeit von Tatsachen- und Rechtsfragen . . . . . 138 3. Wahrung der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung . . . . . 139 a) „Konkretisierungsspielraum“ bei Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Pflicht der Finanzbehörde zur einseitigen Rechtserkenntnis . . . . . . . . . . . 141 c) Objektivrechtliche Funktion gerichtlichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . 142 d) Subjektiver Rechtsschutz durch kooperative Verfahrensteilhabe . . . . . . . . 143 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

II.

Erschwerte Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. „Erschwerte Sachverhaltsermittlung“ in Abgrenzung zur „objektivierten Ungewissheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Praktische Relevanz in Hinterziehungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

III.

Kein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

IV.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I.

Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. „Mitwirkung“ als persönliche Anwesenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Grundsätzlich keine Drittwirkung der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . 157 3. Auswirkungen der fehlgeschlagenen tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . 159 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

II.

Form der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I.

Herleitung der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Bindungswirkung zwischen den Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Bindungswirkung im finanzgerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Amtsermittlungspflicht und freie richterliche Beweiswürdigung, §§ 76, 96 FGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Begrenzung der Amtsermittlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Vereinbarkeit mit § 96 FGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Inhaltsverzeichnis

12

b) Bedeutung von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II.

Auswirkungen neuer Erkenntnisse oder Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Auswirkungen auf den Bestand der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . 170 2. Möglichkeit zur Änderung des nachfolgenden Steuerbescheides . . . . . . . . . 172 a) Ausschluss der Änderung gemäß § 173 Abs. 2 AO? . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Überwindung der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung durch § 173 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Nachträglich bekannt gewordene Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

III.

Auswirkungen von Willensmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Motivirrtümern

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

2. Nichtigkeit bei arglistiger Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Nichtigkeit bei widerrechtlicher Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV.

Einvernehmliche Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

V.

Bedingte tatsächliche Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

VI.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

5. Kapitel

6

Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf die tatsächliche Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I.

Tatsächliche Verständigung grundsätzlich möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

II.

Abgrenzung zur widerrechtlichen Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Zulässigkeit der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren

189

2. Anforderungen an die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Gebot der Zweckrichtigkeit gemäß § 393 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Anwendung der zum Klagerücknahmeversprechen entwickelten Grundsätze 192 c) Verbot der Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Gesamtwürdigung aller Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Mitwirkung eines steuerlichen Beraters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III.

Bedeutung des „Koppelungsverbots“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Inhaltsverzeichnis

13

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf die tatsächliche Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I.

Der Grundsatz nemo tenetur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

II.

Faktische Druckwirkung der Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

III.

Verwertbarkeit von im Besteuerungsverfahren erlangten Kenntnissen für das Steuerstrafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

IV.

Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Keine Privilegierung von Straftätern gegenüber rechtstreuen Bürgern . . . . . 204 2. Keine Zwangswirkung einer ordnungsgemäßen Schätzung . . . . . . . . . . . . . . 205

V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

C. Materiellrechtliche Konsequenzen für das laufende Steuerstrafverfahren . . . . . . . . . . 208 I.

Vorausgegangene Steuerhinterziehung unberührt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

II.

Tatsächliche Verständigung als Schadenswiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Tatsächliche Verständigung als Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bayerischen Obersten Landesgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Tatsächliche Verständigung als Schadenswiedergutmachung gemäß § 46 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

D. Prozessuale Konsequenzen für das laufende Steuerstrafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I.

Strafprozessrechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

II.

Faktische Auswirkungen der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

III.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I.

Straflosigkeit der „Nichteinhaltung“ der tatsächlichen Verständigung . . . . . . . . 220

II.

Taterfolg der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ . . . . . . . 222 1. Tatsächliche Verständigung kein anderer nicht gerechtfertigter Steuervorteil

222

2. Maßgeblichkeit der nachfolgenden Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 III.

Die „steuerlich erheblichen Tatsachen“ bei der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

IV.

Tathandlung der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO . . . . . . . . . 227 1. Auslegung der Erklärungen des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

14

a) Auslegung bei von der Finanzbehörde abweichender Rechtsauffassung . 228 b) Auslegung schlüssigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Einzelne Arten möglicher Tatsachenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Bestimmte Angaben über Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Bestimmte Angaben über Besteuerungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Wahrscheinlichkeitsüberlegungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen

233

d) Bezugnahme auf Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3. Kausalität der Angaben für die Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen . . . . . 237 b) Angaben über steuermindernde Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 V.

Suspension der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO

. . . . . . . . . . . . . . . . 240

VI.

Verhältnis zu der ursprünglichen Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Wiederholte Steuerhinterziehung als mitbestrafte Nachtat . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Der Ansatz von Witte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

VII. Strafbarkeit der beteiligten Vertreter der Finanzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 VIII. Begünstigung und Nichtsteuerstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Begünstigung, § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Strafvereitelung, § 258 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Untreue, § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Vertreter des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Vertreter der Finanzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Abgabenüberhebung, § 353 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 IX.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

7

6. Kapitel

Das Konzept der Gesamtbereinigung A. Interessenlage bei der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I.

Interessen der staatlichen Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

II.

Interessenlage des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

III.

Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

B. Verfahrensmäßige Abwicklung der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I.

Gesamtbereinigung bei Höchststrafenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Inhaltsverzeichnis II.

15

Gesamtbereinigung bei Strafbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Bewährungsauflage gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Anerbieten des Betroffenen gemäß § 56b Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

III.

Gesamtbereinigung bei Einstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . 264

IV.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

C. Spezifische Probleme und Grenzen der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I.

Unterschiedliche Rechtsstellung des Betroffenen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

1. Wahrung der strafprozessualen Schutzposition des Betroffenen . . . . . . . . . . 266 2. Insbesondere Verbot unzulässiger Willensbeeinflussung gemäß § 136a StPO

269

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II.

Unterschiedliche Zwecke des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens

. . 270

1. Zweck des Besteuerungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Zweck des Steuerstrafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 III.

Verfahrensgarantien und Rechtsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Kumulation materieller „Unrichtigkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Ausschluss von Kontrollmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

IV.

Unterschiedliche Verjährungsfristen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren

280

1. Grundsätze der Zweckrichtigkeit und der Aussagefreiheit im Steuerstrafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Berücksichtigung nicht strafbefangener Veranlagungszeiträume bei der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

D. Sonderformen der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I.

Gesamtbereinigung auf Grundlage der strafgerichtlichen Feststellungen . . . . . 284

II.

Erledigung des Besteuerungsverfahrens durch Einspruchsverzicht bzw. -rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Wirksamkeit von Einspruchsverzicht bzw. -rücknahme im Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Zulässigkeit der Verknüpfung beider Verfahren aus Sicht des Steuerstrafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Vergleich mit der Erledigung durch tatsächliche Verständigung . . . . . . . . . . 289

III.

Die „verfahrensvermeidende“ Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Inhaltsverzeichnis

16 IV.

Gesamtbereinigung bei mehreren Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Fremdnützige Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. „Bankenfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Unterschiedliche Verteidigungsstrategien der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . 294

V.

Einbeziehung nichtsteuerlicher Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

VI.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

E. Auswirkungen von Fehlern bei der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I.

Auswirkungen steuerstrafrechtlicher Verfahrensfehler auf das Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Allgemeine Bedeutung des steuerstrafrechtlichen Verwertungsverbots im Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Keine Besonderheiten bei der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

II.

„Durchschlagen“ des steuerrechtlichen Teils auf den strafrechtlichen Teil . . . . 302

III.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

F. Tatsächliche Probleme der Gesamtbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I.

Informalität von Verständigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

II.

Unzureichende Dokumentation der Vorverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur AO-StB BB DB DRiZ DStJG DStR DStZ DVBl. EFG FR GA HFR JR Jura JuS JZ KÖSDI KritV NJW NStZ NStZ-RR NVwZ NWB Stbg StBp StraFo StuW StV StW wistra ZfZ ZRP ZStW

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Einführung Einführung Lange Zeit galten Verständigungen zwischen den Verfahrensbeteiligten als mit dem Wesen des deutschen Strafprozesses unvereinbar1. Das Legalitätsprinzip und der Amtsermittlungsgrundsatz standen nach allgemeiner Ansicht insbesondere Übereinkünften zwischen den Verfahrensbeteiligten zwingend entgegen, nach denen der Angeklagte bei verbindlicher Zusicherung einer bestimmten, vergleichsweise milden Höchststrafe den ihm zur Last gelegten Sachverhalt in der Hauptverhandlung einräumte und das Urteil im Wesentlichen auf das Geständnis des Angeklagten gestützt wurde. Eine verständigungsweise Beendigung des Strafverfahrens wurde nur in den Grenzen der §§ 153 ff. StPO und im Strafbefehlsverfahren für zulässig erachtet. Diese Einschätzung hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten gewandelt. 1982 erschien eine der ersten Veröffentlichungen zu strafprozessualen Verständigungen unter dem viel sagenden Pseudonym des „Rechtsanwalt Detlef Deal, Mauschelhausen“2. 1987 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, die Grundsätze des fairen, rechtsstaatlichen Strafverfahrens verböten nicht, außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung herbeizuführen, der schon das Strafrecht Grenzen setze3. Zehn Jahre später erkannte der Bundesgerichtshof Verständigungen im Strafprozess in Gestalt der Höchststrafenabrede im Strafprozess ausdrücklich an4 und formulierte dabei gleichzeitig eine „Verfahrensordnung“5 für Höchststrafenabreden im Strafprozess. 2005 wurde diese „Verfahrensordnung“ vom Großen Strafsenat des Bundesgerichtshofs bestätigt6. Nach längeren Vorarbeiten ist nunmehr ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren in Kraft getreten7, in dem sich der Gesetzgeber bewusst für den Begriff der „Verständigung“ in Abgrenzung gegenüber „Absprache“ und

1 Zur „Absprachefeindlichkeit“ der StPO vgl. nur BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (51) und Vorlagebeschl. v. 15.06.2004 – 3 StR 386/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2356 (2357); Rönnau, Absprache, S. 69; Kuckein/Pfister, BGH-FS, S. 641 (644); Hassemer, JuS 1988, 306; Dahs, NStZ 2005, 580; Landau, NStZ 2007, 121 (122); Nehm, StV 2007, 549. 2 Deal StV 1982, 545; der Artikel wird Rechtsanwalt Hans-Joachim Weider, Frankfurt, zugeschrieben, vgl. Eich, S. XVII; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (540); Rönnau, wistra 1998, S. 49; Widmaier, NJW 2005, 1985 (1986); aus dem gleichen Jahr Schmidt-Hieber, NJW 1982, S. 1017. 3 BVerfG, Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662. 4 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195. 5 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 101; Weigend, NStZ 1999, 57. 6 BGH, Beschl. v. 03.03.2005, GSSt 1/04, BGHSt 50, 40. 7 BGBl. I 2009, S. 2353; zu weiteren Einzelheiten 2. Kapitel, A.III.

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Einführung

„Vereinbarung“ entschieden hat8. In Anlehnung an diesen Sprachgebrauch wird auch in der vorliegenden Arbeit im Bezug auf gesetzlich vorgesehene und rechtlich zulässige Verfahrensweisen grundsätzlich von „Verständigungen“ gesprochen werden, im Bezug auf gesetzlich nicht vorgesehene oder unzulässige Verfahrensweisen dagegen von „Absprachen“. Ähnlich wie im Strafrecht wird auch im Steuerrecht traditionell davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, der aus Art. 3, 14 GG folgt und einfachgesetzlich in § 85 AO verankert ist, der materiell-rechtliche Steueranspruch einer vertraglichen Vereinbarung nicht zugänglich ist9. Bereits 1925 hatte allerdings der Reichsfinanzhof das Phänomen der „tatsächlichen Verständigung“ beschrieben10, bei der sich die Finanzbehörde, „um in der Veranlagung voranzukommen“, mit dem Steuerpflichtigen über die für die Veranlagung maßgebenden Besteuerungsgrundlagen verständigt, eine Bindungswirkung insofern allerdings noch verneint. 1984 entschied dann der Bundesfinanzhof, dass einer „tatsächlichen Verständigung“ unter bestimmten Voraussetzungen Bindungswirkung für die Veranlagung zukomme11. In den Folgejahren wurde die „tatsächliche Verständigung“ in ständiger Rechtsprechung zu einem eigenen richterrechtlich begründeten Rechtsinstitut weiterentwickelt12. Ihre Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit wird von der ganz überwiegenden Mehrheit der steuerrechtlichen Literatur im Ergebnis anerkannt13. Speziell für das Steuerstrafverfahren wurde daher der Gedanke der „Konsensualen Paketlösung“ bzw. „Kooperativen Gesamtbereinigung“ entwickelt, bei der eine Höchststrafenabrede bzw. anderweitige verfahrensbeendende Verständigung im Steuerstrafverfahren mit einer tatsächlichen Verständigung im entsprechenden Steuerverfahren verbunden und der beiden zugrunde liegende Lebenssachverhalt einheitlich und abschließend gewürdigt wird14. Bereits 1992 hat Eich seine Unter8 BT-Drs. 16/12310, S. 8 f.; anders Meyer-Goßner, StraFo 2003, 401, der zwischen der zulässigen „Absprache“ und dem unzulässigen „Deal“ unterscheidet. 9 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (555), m. w. Nachw. aus der Rspr.; Spannowsky, S. 430 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 132; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 66; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 158; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (912); Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (501); Flockermann, Ritter-FS, S.103 (104); Wiese, DStZ 1997, 745; Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (25). 10 RFH, Urt. v. 20.10.1925 – II A 453/25, RFHE 18, 92 (94 f.). 11 BFH, Urt. v. 11.12. 1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549. 12 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937, v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, v. 31.03.2004 – I R 71/03, BFHE 206, 42 und v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292. 13 Statt vieler Tipke/Lang – Seer, § 22, Rn 19 ff.; Birk, Rn 417 f.; Offerhaus, DStR 2001, 2093; Seer, BB 1999, 78, jeweils m. w. Nachw. 14 Schmidt-Hieber, Rn 227; Eich, S. 126; Jakob, Abgabenordnung Rn 105, 141 (dort Fn 118); Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519; Tipke/Lang – Seer, § 24, Rn 38 m. w. Nachw.; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371; Seer, Kohlmann-FS, S. 535; Achatz, DStJG 28, S. 161 (185 f.); Baum, NWB F 2, 9957 (9962); Geuenich/Höwer, DStR 2009, 2320 (2321); Matthes, EFG 2009, 1808 (1810); krit. Reiß, Grünwald-FS, S. 495.

Einführung

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suchung „Die tatsächliche Verständigung im Steuerverfahren und im Steuerstrafverfahren“ vorgelegt. Seitdem haben sich allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen der Gesamtbereinigung geändert. Durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege15 im Jahr 1993 wurden die Möglichkeiten zur Erledigung von Strafverfahren gemäß §§ 153, 153a StPO und im Strafbefehlsverfahren beträchtlich erweitert. Seit der Anerkennung verbindlicher Höchststrafenabreden im Jahr 1997 ist in allen Strafverfahren unabhängig vom Schuldvorwurf eine verbindliche konsensuale Lösung möglich. Auch die Voraussetzungen, Rechtsnatur und Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung wurden weiter präzisiert. Die vorliegende Untersuchung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Möglichkeiten und Grenzen einer „kooperativen Gesamtbereinigung“ aufzuzeigen. Zu Beginn dieser Überlegungen steht eine kurze Darstellung der Eigentümlichkeiten des Steuerstrafverfahrens und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Zustandekommen und den Inhalt einer Verständigung. Dabei wird die besondere Affinität des Steuerstrafverfahrens zur konsensualen Verfahrensbeendigung deutlich werden. Anschließend wird zunächst die strafrechtliche Seite der Gesamtbereinigung untersucht. Die Voraussetzungen einer wirksamen Höchststrafenabrede sind zwar zwischenzeitlich weitgehend geklärt, einzugehen ist jedoch auf Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens und auf die Auswirkungen des auf einer Verständigung beruhenden Strafurteils auf das Besteuerungsverfahren. Da im Steuerstrafrecht auch Einstellungen nach §§ 153, 153a StPO bzw. § 398 AO und dem Strafbefehlsverfahren besondere Bedeutung zugemessen wird, sind auch insofern sowohl die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrensrechts und ihre Bedeutung für die strafrechtliche Seite der Gesamtbereinigung als auch die Auswirkungen entsprechender Verständigungen auf das Besteuerungsverfahren näher darzustellen. Sodann erfolgt die Auseinandersetzung mit den besonderen rechtlichen Problemen der tatsächlichen Verständigung im Rahmen einer Gesamtbereinigung. Ausgangspunkt ist hierbei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Es werden die Grundlagen der tatsächlichen Verständigung und ihre materiellen und formellen Voraussetzungen im Einzelnen dargestellt werden. Darauf aufbauend ist zu klären, ob sich besondere Anforderungen an eine unter dem Eindruck eines Steuerstrafverfahrens getroffene tatsächliche Verständigung ergeben. Untersuchungsgegenstand ist insbesondere auch die straf- und strafverfahrensrechtliche Relevanz der tatsächlichen Verständigung: die Auswirkungen der tatsächlichen Verständigung auf das Steuerstrafverfahren ebenso wie die zentrale Frage nach einer möglichen Strafbarkeit nach § 370 AO wegen des Verhandlungsverhaltens bei der tatsächlichen Verständigung. Die gewonnenen Erkenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen jeweils isolierter konsensualer Erledigung des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens bilden die Basis für die Erörterung der Möglichkeiten und Grenzen, die sich gerade 15

BGBl. I 1993, 50.

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Einführung

aus der Verknüpfung beider Verfahren ergeben. Eine solche Verknüpfung kann zwar möglicherweise vordergründig einzelne Probleme lösen, die sich aus dem Nebeneinander zweier Verfahren mit unterschiedlichen Verfahrensordnungen ergeben, ist allerdings gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen. Es stellt sich daher die Frage, ob eine solche Verknüpfung mit dem jeweils anderen Verfahren steuerbzw. strafrechtlich überhaupt zulässig ist, und vor allem, welche Folgen – insbesondere mögliche neue Probleme – sich hieraus ergeben.

1. Kapitel

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Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens 1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens Hinsichtlich Verständigungen im Strafprozess findet sich in der Literatur die Feststellung, man vergliche sich „vor/mit der Wirtschaftsstrafkammer, nicht aber vor der Schwurgerichtskammer“1, was mit „strukturellen Unterschieden“2 der vor den jeweiligen Kammern verhandelten Strafsachen begründet wird. Dementsprechend wird auch von einer besonderen Affinität des Steuerstrafverfahrens zu Verständigungen3 ausgegangen. Im Folgenden wird zunächst präzisiert werden, für welche Steuerstrafverfahren diese „strukturellen Unterschiede“ angenommen werden. Anschließend sollen die möglicherweise verständigungsrelevanten „strukturellen Unterschiede“ des Steuerstrafverfahrens gegenüber anderen Strafverfahren und ihre jeweilige Bedeutung für die Verständigungspraxis dargestellt werden. Zu den „strukturellen Unterschieden“, die jeweils einzeln oder zusammen mit anderen Faktoren eine Verständigung begünstigen, zählen dabei im Wesentlichen charakteristische tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten des Sachverhalts, der besondere Täterkreis der Steuerhinterziehung, die verfahrensrechtliche Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens und die mit dem Steuerstrafverfahren stets verbundenen fiskalischen Aspekte.

A. Differenzierung innerhalb der Steuerstraftaten A. Differenzierung innerhalb der Steuerstraftaten

Steuerstrafverfahren im Sinne der §§ 385 ff. AO ist jedes Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat im Sinne des § 369 AO. Einer „Gesamtbereinigung“ sind aber primär diejenigen Steuerstrafverfahren zugänglich, die hinsichtlich des Pro1 So Dencker/Hamm, S. 12; ähnlich Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 212; Sauer, Rn 13; Nehm, StV 2007, 549; Siolek, DRiZ 1993, 422 (423); a.A. Widmaier, NJW 2005, 1985. 2 Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321, teilweise wird von einer „eigenen Rechtskultur“ gesprochen, Küpper/Bode, Jura 1999, 351 (355); anders Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (289). 3 Burkhard, S. 174; Eich, S. 75; Beermann/Gosch – Seipl, § 385 AO, Rn 17.4; Fischer, § 46 StGB, Rn 115; Karlsruher Kommentar – Pfeiffer/Hannich, Einl, Rn 29a; Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (13); Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (465); Kuckein/Pfister, BGH-FS, S. 641 (643, 652); Kühne, Müller-Dietz-FS, S. 419 (423); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (536, 543 f.); Landau, NStZ 2007, 121 (122); Esskandari, DStZ 2006, 717 (720); Weyand, wistra 1993, 132; Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (289); kritisch Karlsruher Kommentar – Laufhütte, vor § 137 StPO, Rn 8, unter dem Gesichtspunkt des „Zweiklassenstrafrechts“, Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 82 aus generalpräventiven Überlegungen.

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

zessstoffs oder der zu erwartenden Rechtsfolgen ausschließlich oder schwerpunktmäßig Steuerstraftaten zum Gegenstand haben. Die Differenzierung nach Steuerstrafverfahren „im engeren“ und „im weiteren Sinne“ ist dabei bereits im Gerichtsverfassungsrecht angelegt4. Gerichtsverfassungsrechtlich bestehen für Steuerstrafsachen besondere Zuständigkeiten, die sich aus § 391 AO und § 74c Abs. 1 GVG, in einigen Bundesländern5 zusätzlich § 74c Abs. 3 GVG, i.V. m. Landesrecht ergeben. Die Konzentration der Steuerstrafsachen nach § 391 AO und § 74c Abs. 3 GVG dient der Gewährleistung der für die Tatbestände des Steuerstrafrechts erforderlichen6 besonderen Sach- und Rechtskunde des befassten Strafrichters und damit der Qualität der Rechtspflege7. Daher werden durch die wortgleichen Regelungen des § 391 Abs. 4 2. Halbsatz AO und des § 74c Abs. 1 Nr. 3 2. Halbsatz GVG zu Recht diejenigen Steuerstraftaten aus dem besonderen Zuständigkeitsbereich ausgenommen, die gleichzeitig Betäubungsmittelstraftaten darstellen8 oder die die Kfz-Steuer betreffen. Betäubungsmittelstraftaten treffen vielfach mit Steuer- oder Zolldelikten tateinheitlich zusammen9, der strafrechtliche Schwerpunkt liegt allerdings regelmäßig im Betäubungsmittelbereich und die Vertrautheit der allgemeinen Strafgerichte mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere der örtlichen Drogenszene, ist bedeutsamer als die besondere Sach- und Steuerrechtskunde10. Demzufolge sind auch Verständigungen in diesem Bereich maßgeblich betäubungsmittelrechtlich geprägt, insbesondere durch § 31 BtMG11, während steuerrechtliche und steuerstrafrechtliche Aspekte zurücktreten. Entsprechendes wird für Kfz-Steuerstraftaten angenommen12. Die für eine Gesamtbereinigung relevanten Steuerstrafverfahren im engeren Sinne sind allein diejenigen Steuerstrafverfahren, die in die Zuständigkeit der so genannten „Steueramtsgerichte“, § 391 AO bzw. der Wirtschaftsstrafkammer, § 74c GVG, fallen. Die besonderen Zuständigkeiten nach §§ 391 AO, 74c Abs. 1 Nr. 3 GVG sind insofern nicht nur bedingt durch die besonderen Anforderungen des Steuerstrafverfahrens, sondern begründen ebenso ihrerseits mit Blick auf eventuelle Verständigungen eine Differenzierung zwischen Steuerstrafverfahren im en4 Ähnlich der strafprozessual-kriminaltaktische Begriff der „Wirtschaftskriminalität“, der ebenfalls von § 74c GVG ausgeht, vgl. Wabnitz/Janovsky – Dannecker, 1. Kapitel, Rn 8. 5 Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen, Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 74c GVG Rn 9. 6 Vgl. sogleich B. 7 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 391 AO, Rn 3; Henneberg, BB 1979, S. 585. 8 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 391 AO, Rn 33 ff. Eine entsprechende Regelung besteht im Geschäftsverteilungsplan des BGH für die Zuständigkeit des 1. bzw. 5. Strafsenats. 9 BT-Drs. 8/976, 67. 10 BR-Drs. 546/79, 39; BT-Drs. 8/3551, 48 ff.; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 391 AO, Rn 34. 11 Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (289). 12 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 391 AO, Rn 36.

B. Probleme bei der Steuerhinterziehung

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geren Sinne, für die die hier skizzierten besonderen Umstände kennzeichnend sind, und anderen Strafverfahren, die zwar auch Steuerstraftaten im Sinne des § 369 AO zum Gegenstand haben, im Wesentlichen aber anders geprägt sind. Es besteht insofern zwischen formellen und materiellen Merkmalen des Steuerstrafverfahrens eine direkte Wechselwirkung.

B. Materiellrechtliche und prozessuale Probleme bei der Steuerhinterziehung, § 370 AO B. Probleme bei der Steuerhinterziehung

Die eingangs zitierten „strukturellen Unterschiede“ des Steuerstrafverfahrens werden in Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, § 370 AO, zunächst in der Abhängigkeit vom materiellen Steuerrecht gesehen, wodurch eine Auseinandersetzung des Gerichts mit steuerrechtlichen Fragen erforderlich wird, sowie den sich daraus ergebenden prozessualen Konsequenzen. Diese verleiteten zum Abweichen von den tradierten Grundlagen des deutschen Strafprozessrechts13 und legten auch und gerade im Interesse des Gerichts prozessvereinfachende Verständigungen nahe14, insbesondere in Zeiten chronischer Überlastung der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden15, die gleichermaßen auf die Quantität16 und die Qualität17 der zu bewältigenden Verfahren zurückzuführen sei. Demgegenüber wird davon ausgegangen, dass in Strafverfahren wegen Straftaten gemäß §§ 372 ff. AO die steuerrechtlichen Zusammenhänge relativ einfach seien und die prozessualen Probleme in der Regel auf einem dem Tatrichter vertrauten Terrain, dem Nachweis tatsächlicher Abläufe und des Vorsatzes, bestünden. „Strukturelle Unterschiede“ zum „normalen“ Strafverfahren existierten insofern nicht. Entsprechend reduzierte Bedeutung wird Verständigungen zugemessen18.

13

In diesem Sinne äußerte sich die StPO-Kommission des Deutschen Richterbundes bereits 1987, vgl. StPO-Kommission, DRiZ 1987, 244. 14 Eich, S. 75; Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 43; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (543, 551 f.); Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321; Schöch, Strafverfolgung, S. 236; kritisch hierzu Weigend, BGH-FG, S. 1013. 15 Eine Überlastung wird von Siolek, DRiZ 1993, 426 noch verneint; mittlerweile aber ganz überwiegend anerkannt, statt vieler Eich, S. 75; Rönnau, Absprache, S. 42; Seer, KohlmannFS, S. 535 (551 f.); Küpper/Bode, Jura 1999, 354; Wehnert, StV 2002; 219; insbesondere auch BGH, Urt. v. 02.12.2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 94; zweifelnd allerdings Fischer, NStZ 2007, 433. 16 Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 33 (35 f.). 17 Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321 und zuvor die „Münsteraner Thesen“ der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, abgedruckt bei Kintzi, JR 1990, 309 (310). 18 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (465).

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

I. Bedeutung des materiellen Steuerrechts Tatbestandlicher Erfolg der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ist die Steuerverkürzung oder die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile, § 370 Abs. 1 AO. Obgleich beide Alternativen in § 370 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz AO (Steuerverkürzung) bzw. § 370 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz AO (Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile) näher definiert werden, knüpft § 370 AO dabei dennoch an die jeweils einschlägigen Vorschriften des Steuerrechts an, dem die Tatbestandsmerkmale im einzelnen zu entnehmen sind19. Hierdurch ergeben sich charakteristische Schwierigkeiten in zweierlei Hinsicht, zum einen im Bereich des Irrtums20, vor allem aber dadurch, dass stets eine Auseinandersetzung mit außerstrafrechtlichen, steuerrechtlichen Vorfragen erforderlich ist21. Strafsachen, die außerstrafrechtliche Vorfragen enthalten, bilden wegen ihrer rechtlichen Schwierigkeit eines der hauptsächlichen Anwendungsgebiete für strafprozessuale Verständigungen. Dies gilt gleichermaßen für Steuerstrafsachen wie für Wirtschaftsstrafsachen, denen aktien- und gesellschaftsrechtliche Fragestellungen zugrunde liegen, und Umweltstrafsachen, in denen verwaltungsrechtliche Vorgaben von Bedeutung sind22. Alle diese Bereiche erfordern eine besondere Sach- und Rechtskunde des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, die sich auch auf die außerstrafrechtlichen Vorfragen erstreckt23: die Strafgerichte sind gemäß Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 2 GG, § 1 GVG und § 25 DRiG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie haben gemäß § 17 Abs. 2 GVG volle Vorfragenkompetenz und sind an im Besteuerungsverfahren ergangene Entscheidungen auch des Bundesfinanzhofs nicht gebunden24, vielmehr entbinden sie auch Präjudizien nicht von der Verpflichtung,

19 Ob § 370 AO mit der wohl herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur (BGH, Beschl. v. 03.09.1970 – 3 StR 155/69, BGHSt 23, 319, v. 07.11.2001 – 5 StR 395/01, wistra 2002, 65 und v. 09.10.2007 – 5 StR 162/07, wistra 2008, 21; Eich, S. 52; Röckl, S. 133 ff.; Tipke/Lang – Lang, § 1, Rn 15; Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (453); Joecks, Fachanwalt-FS, S. 661 (662); Vogel, NJW 1985, 2986 (2990); Lang, StuW 2003, 289; Blesinger, wistra 2009, 294 (295)) insoweit als Blanketttatbestand anzusehen ist, „blankettartig“ ausgestaltet ist (Seer, Kohlmann-FS, 535) oder lediglich normative Tatbestandsmerkmale enthält (Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 45 ff.) kann hier dahinstehen. 20 Vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 103 ff.; Lang, StuW 2003, 289 (293). 21 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (453); Seer, Kohlmann-FS, S. 535. 22 Kuckein/Pfister, BGH-FS, S. 641 (643); Wehnert, StV 2002, 219. 23 Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 210; Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (453); Joecks, Fachanwalt-FS, S.661 (662); Henneberg, BB 1979, 585 (586). 24 Seit Inkrafttreten des AOStrafÄndG v. 10.08.1967, BGBl. I 1967, S. 877; Burkhard, S. 173; Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 562; Schmidt, DStR 1998, 1733 (1735 f.); anders aber noch Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff., von Eich, S. 59 ff., überzeugend widerlegt; missverständlich Seer, Kohlmann-FS, S. 535.

B. Probleme bei der Steuerhinterziehung

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eine eigene Entscheidung zu treffen25. Das Abgabenrecht gilt dabei insbesondere auch mit Blick auf seine europarechtlichen Bezüge als eine der schwierigsten und umfangreichsten Rechtsmaterien des deutschen Rechtssystems26. Gleichzeitig wird die Verteidigung in Steuerstrafsachen vornehmlich „über den objektiven Tatbestand“, also die Erörterung steuerrechtlicher Fragen, geführt27. Regelmäßig sind nur entsprechend versierte Gerichte und Staatsanwaltschaften in der Lage, den sich insofern aus dem Legalitäts- und Offizialprinzip und dem Amtsermittlungsgrundsatz ergebenden Anforderungen vollumfänglich zu entsprechen, ohne den Konsens mit dem Angeklagten und der Verteidigung suchen zu müssen28. Je weniger die Realität dem Anspruch des iura novit curia entspricht, desto größer ist der Druck bzw. die Versuchung zur Verständigung29. Der Gesetzgeber versucht, dem für Steuerstrafverfahren durch die besonderen gerichtlichen Zuständigkeiten nach § 391 AO, § 74c GVG ebenso gerecht zu werden wie durch die Einrichtung der nach § 143 Abs. 4 GVG gebildeten Schwerpunktstaatsanwaltschaften30. Die mit Steuerstrafsachen befassten Amtsgerichte, Wirtschaftsstrafkammern und Schwerpunktstaatsanwaltschaften sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers mit Richtern bzw. Staatsanwälten besetzt werden, die über die erforderlichen besonderen Kenntnisse verfügen und in diesen Gebieten auch laufend fortgebildet werden31. Diesem Leitbild wird die Realität indes nach verbreiteter Ansicht nur eingeschränkt gerecht32: das Gericht gilt, was die steuerrechtliche Sachkunde angeht, als „das schwächste Glied“33. Diese Kritik trifft Steueramtsrichter, „die weder die nötige Rechtskunde noch den erforderlichen Willen noch das praktische Verständnis [für das Steuerstrafrecht] aufweisen und daher tat- und schuldunangemessen niedrige Strafen verhängen“34, ebenso wie Wirtschaftsstrafkammern35 und gilt entsprechend auch für Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die mangels steuerstrafrechtlicher Kenntnisse ihren

25 Wenzel, S. 273; Franzen/Gast/Joecks – Jäger, § 396 AO, Rn 5; Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, § 262 StPO, Rn 8. 26 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (456). 27 Streck, DStJG 18, S. 173 (185). 28 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (464 f.); Eich, S. 76, geht sogar davon aus, dies sei vielfach generell unmöglich, ebenso Burkhard, S. 174. 29 Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (13). 30 Joecks, Praxis, S. 104; Schwind/Gehrich, JR 1980, S. 228 (231). 31 Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 210. 32 Joecks, Fachanwalt-FS, S. 661 (662); sehr deutlich BGH, Urt. v. 02.12.2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 94, das auch in der Öffentlichkeit Beachtung gefunden hat, vgl. FAZ v. 07.01.2006, S. 1. 33 Rammert, S. 85, der die Berufung spezieller Wirtschaftsschöffen nach Vorbild der Handelsrichter vorschlägt, S. 126. Von einem anderen Modell zur Sicherstellung steuerrechtlicher Fachkompetenz bei den Wirtschaftsstrafkammern berichtet Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (472 f.). 34 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 233; Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467) . 35 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467).

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

Aufgaben im Ermittlungsverfahren nicht gerecht werden können36. Eine wesentliche Ursache hierfür wird in der unzureichenden Personalplanung bzw. zu hohen Personalfluktuation gesehen, die die beabsichtige Spezialisierung praktisch nicht zulasse37.

II. Prozessuale Schwierigkeiten Zu den materiell-rechtlichen treten darüber hinaus auch vielfach besondere prozessuale Schwierigkeiten, die teils unmittelbar aus den Vorgaben des Strafprozessrechts resultieren, teils sich aus charakteristischen Elementen der verfahrensgegenständlichen Lebenssachverhalte ergeben. Hierdurch kommt es zu weiteren Belastungen und Erschwernissen für die Verfahrensführung, die durch ein möglichst frühzeitiges und umfassendes Geständnis des Angeklagten im Rahmen einer Verständigung vermieden werden können.

1. Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung In engem Zusammenhang mit dem Grundsatz des iura novit curia steht der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, § 261 StPO: die Freiheit der Beweiswürdigung korrespondiert mit der Verantwortung und Verpflichtung des Gerichts, sich im Fall einer Verurteilung eine eigene rechtsfehlerfreie Überzeugung von allen für den Schuld- und Strafausspruch relevanten Tatsachen zu bilden. Keinesfalls darf sich das Gericht darauf beschränken, lediglich die Feststellungen Dritter zu übernehmen, vor allem dann, wenn diesen Beweis- und Beweislastregeln zugrunde liegen, die zum Nachteil des Angeklagten vom Grundsatz des in dubio pro reo abweichen38. Diese abstrakten Anforderungen werden für das Steuerstrafrecht durch ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konkretisiert39. Ausgangspunkt ist dabei, dass auch die Berechnung der verkürzten Steuern Rechtsanwendung ist, die dem Gericht obliegt, nicht dem als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der Finanzverwaltung40.

36 Joecks, Praxis, S. 104; Quedenfeld/Füllsack, Rn 132; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 146, 211; ähnlich Schmidt, StuW 1998, S. 278 (282). 37 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 146, 211; Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (471); ähnlich Schmidt, StuW 1998, 278 (282). 38 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 55 f .; Joecks, Fachanwalt-FS, S. 661 (662). 39 Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 12.05.2009 – 1 StR 718/08, wistra 2009, 398 (399 f.) und Beschl. v. 13.12.2005 – 5 StR 427/05, wistra 2006, 110, jeweils m. w. Nachw.; zuvor Beschl. v. 9. 6. 2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 424 ff., v. 15. 3. 2005 – 5 StR 469/04, wistra 2005, 307, und v. 13.10.2005 – 5 StR 368/05, wistra 2006, 66; vgl. auch Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 385 AO, Rn 20, § 404 AO, Rn 92a. 40 BGH, Beschl. v. 25. 10. 2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22 (23).

B. Probleme bei der Steuerhinterziehung

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a) Berechnungsdarstellung in den Urteilsgründen Hieraus ergibt sich, dass die Darstellung in den Urteilsgründen so gewählt werden muss, dass dem Revisionsgericht die Überprüfung der gerichtlichen Subsumtion möglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen daher die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben41. Die Feststellungen zum Schuldspruch wegen Umsatzsteuerhinterziehung müssen erkennen lassen, welcher Unternehmer (§ 2 UStG) aufgrund welcher Lieferungen und Leistungen (§ 3 UStG) steuerbare Umsätze bewirkt hat. Sodann ist im einzelnen darzustellen, auf welcher Bemessungsgrundlage sich der jeweilige Steueranspruch errechnet, welche Höhe er hat und welche Handlungen der Steuerpflichtige vorgenommen oder unterlassen hat, um einen bestimmten Verkürzungserfolg zu erreichen. Bei der Ermittlung von Ertragsteuern sind die steuerlichen Grundlagen entsprechend zu ermitteln und darzulegen42. Dies setzt aber voraus, dass diese Berechnungsgrundlagen bekannt sind: in der Literatur findet sich die pointierte Formulierung „Was der Staatsanwalt nicht kennt, subsumiert er nicht“43. Entsprechendes gilt auch für das Gericht. b) Eigene Sachverhaltsermittlung des Gerichts Die darzulegenden Besteuerungsgrundlagen muss der Tatrichter auch selbst ermitteln. Der Verweis auf Betriebsprüfungsberichte oder die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung in das Urteil sind ebenso unzureichend wie die Wiedergabe von Aussagen, die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben.44 Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, bereits im Ermittlungsverfahren erstellte Darstellungen rein mathematischer Berechnungen, die mit den eigenen Feststellungen übereinstimmen, ins Urteil zu übernehmen. Dies gilt indes grundsätzlich nicht für die 41 Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 27.04.1988 – 3 StR 55/88, BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 2, v. 12.05.1989 – 3 StR 55/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 3, und v. 12.05.2009 – 1 StR 718/08, wistra 2009, 398 (399 f.), Beschl. v. 03.01.1990 – 3 StR 399/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 4, v. 23.11.1990 – 3 StR 376/90, BGHR § 370 AO Abs. 1 Berechnungsdarstellung 6, v. 26.04.2001 – 5 StR 584/00, wistra 2001, 266 (267), v. 09.06. 2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 424 (425) und v. 15.03. 2005 – 5 StR 469/04, wistra 2005, 307. 42 BGH, Beschl. v. 23.11.1990 – 3 StR 376/90, BGHR § 370 AO Abs. 1 Berechnungsdarstellung 6, v. 18.12.1991 – 5 StR 599/91, BGHR § 370 AO Abs. 1 Berechnungsdarstellung 7. 43 Rammert, S. 47; Berckhauer, ZStW 89 (1977), 1015 (1020). 44 BGH, Beschl. v. 25. 10. 2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22 (23). Dennoch wird davon ausgegangen, dass Ergebnisse der Steuerfahndung vielfach ungeprüft übernommen werden, Quedenfeld/Füllsack, Rn 132, 143.

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

Feststellung der Besteuerungsrundlagen, die im Wege freier richterlicher Überzeugungsbildung vom Tatrichter eigenverantwortlich zu ermitteln sind. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze überzeugt ist45. In jedem Fall hat der Tatrichter in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist46. Höchst problematisch ist daher die verbreitete Praxis47, die lediglich um „Sicherheitsabschläge“ verminderte Schätzung aus dem Besteuerungsverfahren auch dem Steuerstrafverfahren zugrunde zu legen, weil auf diese Weise letztlich doch eine steuerverfahrensrechtliche Schätzung einfach übernommen würde48.

c) Ausnahmsweise Entbehrlichkeit der Berechnungsdarstellung Verstöße der Wirtschaftsstrafkammern gegen diese Grundsätze werden vom Bundesgerichtshof regelmäßig beanstandet49. Lediglich die Darstellung der Berechnung der hinterzogenen Steuern kann als Teil der Rechtsanwendung dann verkürzt und ergebnisbezogen erfolgen, wenn der Angeklagte geständig und zudem sachkundig genug ist, die steuerlichen Auswirkungen seines Verhaltens zu erkennen50. Die Aufgabe des Gerichts wird hingegen erschwert, wenn die Ermittlungsergebnisse der Finanzbehörden in der Hauptverhandlung widerlegt werden. Die im Vorfeld angestellten Berechnungen der Finanzbehörden sind dann hinfällig und das Gericht muss sein Urteil auf eigene Berechnungen stützen51. Ein Geständnis wird allerdings vorzugsweise dann abgelegt werden, wenn zuvor in einer Höchststrafenabrede ein Konsens über den zu erwartenden Rechtsfolgenausspruch erzielt werden konnte. Der Weg zur Höchststrafenabrede ist insofern vorgezeichnet. 45 BGH, Urt. v. 17.03.2005 – 5 StR 461/04, wistra 2005, 341, Beschl. v. 04.05.1984 – 3 StR 131/84, wistra 1984, 182, v. 04.02. 1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 (148), v. 26.04.2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 (309) und v. 19.07.2007 – 5 StR 251/07, wistra 2007, 470; Burkhard, S. 86; Reiter, S. 185; Wenzel, S. 89 f.; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 107. 46 BGH, Beschl. v. 24.05.2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345 (346). 47 Vgl. Randt, Steuerfahndungsfall, Rn E 178; Schützeberg, StBp 2009, 33 (38). 48 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 76. 49 Harms, NStZ-RR 1998, 97 (100); Harms/Jäger, NStZ 2001, 181 (186); Harms/Jäger, NStZ 2002, 244 (251). 50 BGH, Urt. v. 27.04.1988 – 3 StR 55/88, BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 2, und v. 12.05.1989 – 3 StR 55/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 3, Beschl. v. 04.05.1990 – 3 StR 72/90, BGHR AO § 370 Abs. Berechnungsdarstellung 5, v. 22.09.1993 – 5 StR 554/93, BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 8, v. 25. 10. 2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22, v. 09.06. 2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 424 (426) und v. 15.03.2005 – 5 StR 469/04, wistra 2005, 307 (308), Beschl. v. 24.05.2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345 (346). 51 Joecks, Fachanwalt-FS, S. 661 (663 f.).

B. Probleme bei der Steuerhinterziehung

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2. Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, Art. 6 EMRK Ein Geständnis des Angeklagten führt allerdings nicht nur zu einer qualitativen, sondern auch zu einer quantitativen Reduzierung des Prozessstoffs: es erspart im Ermittlungsverfahren weitere, in Steuerstrafsachen vielfach äußerst umfangreiche52 Ermittlungen, in der Hauptverhandlung eine langwierige Beweisaufnahme, und berührt damit einen weiteren wesentlichen Punkt, die Verfahrensdauer. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kann einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK53 darstellen und ist in diesem Fall zwingend zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen54. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte dies bereits auf Ebene der Strafzumessung zu erfolgen. Dabei wurden in größeren Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren die seit der Tat vergangene Zeit und die Dauer des Ermittlungs- und Strafverfahrens im Lichte des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK häufig zu einem derart bestimmenden Strafzumessungsfaktor, dass die Verhängung wesentlicher Freiheitsstrafen oder die Versagung der Bewährung allein wegen des Zeitfaktors ausschied55. Die Durchführung eines Strafverfahrens in den tradierten Formen der StPO wäre insofern gerade bei umfangreichen Steuerstrafsachen zum Selbstzweck verkommen, wenn letztlich wegen der überlangen Verfahrensdauer beim Rechtsfolgenausspruch nach Art und Umfang ähnliche Zugeständnisse gemacht werden müssten wie bei einer frühzeitigen Verständigung56. Diese „Strafzumessungslösung“ war jedoch in bestimmten Konstellationen mit dem einfachgesetzlichen Rahmen der Strafzumessung und damit letztlich mit der in Art. 20 Abs. 3 GG vorgeschriebenen Gesetzesbindung der Gerichte nicht zu vereinbaren. Der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschied daher, auch bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sei der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen; zugleich sei in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gelte. Auch diese „Vollstreckungslösung“ entspreche den sich aus dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebenden Anforderungen57. Namentlich in den Fällen, in denen die Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach der „Strafzumessungslösung“ eine Strafaussetzung zur Bewäh52 Rönnau, Absprache, S. 48; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 82; Gaede, wistra 2004, 166 (169); Keller/Schmid, wistra 1984, 201; vgl. Burkhard, S. 187: „häufig 3 Jahre und länger“; Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 216: in Wirtschaftsstrafsachen „umfangreiche, oft unverhältnismäßig erscheinende Ermittlungen“ notwendig. 53 Hierzu ausführlich Gaede, wistra 2004, 166 (167 ff.). 54 BVerfG, Beschl. v. 07.03.1997 – 2 BvR 2173/96, NStZ 1997, 591; EGMR, Urt. v. 15.07.1982 (Hans und Marianne Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland), EuGRZ 1983, 371. 55 BGH, Urt. v. 13.12.2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 94. 56 Vgl. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 514; Wehnert, StV 2002, 219 (220). 57 BGH, Beschl. v. 17.01.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 (128 ff.).

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

rung ermöglichte, wird sich diese Änderung der Rechtsprechung regelmäßig zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Das Grundproblem, dass nämlich bei der Durchführung des Strafverfahrens in der herkömmlichen Form im Ergebnis oftmals ähnliche Zugeständnisse gemacht werden müssten wie bei einer frühzeitigen Verständigung, bleibt jedoch unberührt.

C. Täterkreis der Steuerstraftaten C. Täterkreis der Steuerstraftaten

Maßgeblich für das Zustandekommen und den Inhalt einer Verständigung im Strafprozess sind daneben auch in der Persönlichkeit des Beschuldigten begründete Umstände. Dabei geht es nicht allein um möglicherweise unsachgemäße Erwägungen, die aus der „Sympathie“58 des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft für einen „sozial gleichstufigen“59 Beschuldigten bzw. Angeklagten herrühren und den Vorwurf der „Zwei-Klassen-Justiz“60 begründen könnten, obwohl dergleichen in der Realität wohl nicht völlig ausgeschlossen werden kann61. Entscheidend ist vielmehr, wie sich im Einzelfall die Verteidigungsstrategie und die „Verteidigungsmacht“62 eines Beschuldigten bzw. Angeklagten prozessual auswirken, konkret, ob mit Rücksicht auf abzusehende prozessuale Schwierigkeiten oder die Unsicherheit über den Ausgang des Strafverfahrens eine Erledigung im Wege der Verständigung nahe liegt63. Für die Einstellung von Wirtschaftsstrafsachen nach § 153a StPO haben Kaiser/Meinberg nachgewiesen, dass sich der (gehobene) Sozialstatus des Beschuldigten für diesen grundsätzlich begünstigend auswirkt, dies allerdings tatsächlich primär auf die regelmäßig effektivere Verteidigung intelligenter, sozialkompetenter und finanzkräftiger Angeklagter zurückzuführen und die soziale Stellung unmittelbar nur von nachrangiger Bedeutung ist64. Dies dürfte für andere strafprozessuale Verständigungen ebenso gelten. Andererseits besteht gerade für sozial privilegierte bzw. exponierte Beschuldigte ein erhöhtes Interesse an einer schnellen und diskreten Erledigung des Strafverfahrens, um die damit verbundene negative Öffentlichkeitswirkung zu vermeiden65.

58 Hierauf stellen Deal, StV 1982, 545 (549) und insbesondere für den Bereich der Wirtschaftskriminalität Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (290), maßgeblich ab. 59 Kaiser/Meinberg, NStZ 1984, 343 (346). 60 Karlsruher Kommentar – Laufhütte, vor § 137 StPO, Rn 8; Nehm, StV 2007, 549; ähnlich auch Fischer, StraFo 2009, 177 (182). 61 Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 33; Küpper/Bode, Jura 1999, 351 (356). 62 Kaiser/Meinberg, NStZ 1984, 343 (345), zur Anwendung des § 153a StPO. 63 Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (291); zur prozessökonomischen Motivation der Verständigung vgl. soeben B. 64 Kaiser/Meinberg, NStZ 1984, 343 (349); unter Berufung auf Kaiser/Meinberg ebenso Rönnau, Absprache, S. 120 und Keller/Schmid, wistra 1984, 201 (204 f.). 65 Rönnau, Absprache, S. 53 und ausdrücklich für Steuerstrafsachen S. 138, Fn 1; Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 33 (42); Harms, Nehm-FS, S. 289 (290); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (543); Küpper/Bode, wistra 1999, 351 (353, 355); Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321 (324).

C. Täterkreis der Steuerstraftaten

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I. Sozialprofil der Steuerstraftaten Gleichwohl sind Steuerstraftaten grundsätzlich nicht auf bestimmte Gesellschaftsschichten beschränkt, entsprechen in ihrem Sozialprofil zwar nicht der „normalen“ Kriminalität, stellen aber ebenso wenig, wie häufig vermutet, ausschließlich Delikte der Oberklasse dar66. Eine ältere Untersuchung67 sieht bei den Steuerstraftaten „bürgerliche Normalität“, jeweils knapp ein Viertel der Täter stamme aus der unteren bzw. oberen Mittelschicht, über 40 % aus der mittleren Mittelschicht. Nur 1 % der Täter stammte aus der Unterschicht, kein Täter aus der Oberschicht. Bemerkenswert ist dabei die innerhalb der Steuerstraftaten stark divergierende Erledigungspraxis: Anklageerhebung erfolgte nur in 51, 2 % der Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, hingegen in 71, 4 % der Verfahren wegen Zolldelikten und 100 % der Verfahren wegen Monopoldelikten. Maßgeblich hierfür dürfte sein, dass die Zoll- oder Monopolstraftaten der §§ 372 ff. AO anders als die Normalfälle der Steuerhinterziehung nach § 370 AO unverkennbar den „Stempel der Rechtswidrigkeit“68 tragen, häufig in einem größeren kriminellen Kontext mit Verstößen gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz69 stehen und damit letztlich dem „klassischen“ Bild der Kriminalität im Gegensatz zum vermeintlichen „Kavaliersdelikt“70 Steuerhinterziehung entsprechen. Den Umsatzsteuerkarussellgeschäften kommt insofern eine Sonderrolle zu, als sie zwar strafrechtlich als Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens, § 26c UStG, zu qualifizieren, aber zunehmend dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind71. Es erscheint insofern wahrscheinlich, dass sich die einzelnen Steuerstraftaten auch hinsichtlich ihres Sozialprofils dergestalt unterscheiden, dass das Sozialprofil der Täter bei Taten nach §§ 372 ff. AO von der „bürgerlichen Normalität“ nach unten, bei Taten nach § 370 AO nach oben abweicht.

II. Soziale Differenzierung nach Tatmerkmalen Zudem ergibt sich bei der Steuerhinterziehung, § 370 AO, eine soziale Differenzierung bereits dadurch, dass der Beruf und die wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend dafür sind, in welchem Umfang ein Steuerschuldner Steuern sowohl 66

Wabnitz/Janovsky – Dannecker, 1. Kapitel, Rn 18; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 2; Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (7). 67 Berckhauer, Wirtschaftsdelikte, S. 82 f. 68 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, Einl, Rn 12. 69 Vgl. die Anmerkungen zu den Strafsachenstatistiken 2000 und 2001 der Steuerverwaltungen der Länder und der Bundesfinanzverwaltung, wistra 2002, 95; wistra 2003, 216. 70 Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (9 f.); Schöch, Strafverfolgung, S. 228. 71 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 2.

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

zum eigenen als auch zum fremden Vorteil verkürzen kann72. Während sich dem durchschnittlichen Arbeitnehmer kaum Gelegenheit zur Steuerhinterziehung bietet, stehen Gewerbetreibenden, Freiberuflern, Kapital- und Grundbesitzern in eigenen Angelegenheiten bzw. Geschäftsführern und Vorständen in Angelegenheiten körperschaftsteuerpflichtiger Kapitalgesellschaften weit mehr Manipulationsmöglichkeiten offen73. Dazu kommt, dass typische Arbeitnehmer-Steuerhinterziehungen vergleichsweise leicht nachweisbar sind und keine besonderen steuerrechtlichen Schwierigkeiten enthalten. Zumindest die Steuerhinterziehung jenseits der Bagatell- und Kleinkriminalität ist demnach tendenziell „white collar crime“, begangen von „white collar criminals“ aus der Mittel- und Oberschicht74. Gerade in umfangreichen, schwierigen und schadensintensiven Hinterziehungsfällen bestehen daher auch mit Blick auf den Täterkreis „strukturelle Unterschiede“ zur „normalen“ Kriminalität, die eine Erledigung im Wege der Verständigung begünstigen.

D. Behördenorganisation im Steuerstrafverfahren D. Behördenorganisation im Steuerstrafverfahren

Die Sonderstellung des Steuerstrafverfahrens ist aber auch formell-prozessrechtlich begründet: In Steuerstrafsachen werden die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, § 385 Abs. 1 AO, insbesondere die StPO, durch die besonderen Regelungen der § 386 ff. AO modifiziert. Von Bedeutung ist dabei unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbereinigung insbesondere die Beteiligung der Finanzbehörde als Ermittlungsbehörde gemäß § 386 AO75. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO definiert hierfür als lex specialis zu § 6 AO einen besonderen Behördenbegriff, der nur für die §§ 385 bis 408 AO gilt.

I. Rechtliche Grundlagen § 386 Abs.1 Satz 1 AO gibt der Finanzbehörde zunächst eine unselbständige Ermittlungskompetenz, in deren Ausübung sie gemäß § 402 Abs. 1, § 399 Abs. 2 Satz 2 AO weitgehend die Befugnisse der Polizei im allgemeinen Strafverfahren hat. Soweit es um Taten geht, die ausschließlich Steuerstraftaten darstellen, ist die Finanzbehörde allerdings auch zur selbständigen Führung der Ermittlungen mit den Rechten und Pflichten der Staatsanwaltschaft befugt, § 386 Abs. 2 Nr. 1, § 399 Abs. 1 AO76. 72

Franzen/Gast/Joecks – Joecks, Einl, Rn 15; Schöch, Strafverfolgung, S. 227 (228). Schöch, Strafverfolgung, S. 227 (233 f.). 74 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, Einl, Rn 15. 75 Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 224. 76 Dies gilt ebenso, wenn die Tat nicht nur eine Steuerstraftat darstellt, sondern zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermeßbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen, § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO. 73

D. Behördenorganisation im Steuerstrafverfahren

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Die Finanzbehörde hat insoweit – verfassungsrechtlich unbedenklich77 – eine Doppelfunktion für das Steuer- und Steuerstrafverfahren. Hierdurch wird der besonderen Sachnähe der Finanzbehörde und der engen Verbindung zwischen der Erforschung des Steuerdelikts einerseits und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens andererseits Rechnung getragen78. Systematisch wird § 386 Abs. 2 AO alternativ als „Durchbrechung“79oder „Modifikation“80 des allgemeinen Ermittlungsmonopols der Staatsanwaltschaft begriffen. Innerhalb der Finanzbehörde sind die Aufgaben der „Steuerstaatsanwaltschaft“81 durch die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) 2009 – AStBV(St) 2009 – als behördenintern verbindliche Verwaltungsanweisung82 gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz auf die Bußgeld- und Strafsachenstelle („BuStra“) übertragen83. Von den Befugnissen gemäß § 386 Abs. 2, §§ 399, 400 AO grundsätzlich zu unterscheiden sind die Befugnisse der Steuerfahndung gemäß § 404 Satz 1 AO als Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft bzw. „Kriminalpolizei in Steuersachen“84. Das allgemeine Ermittlungsmonopol der Staatsanwaltschaft wird im Verhältnis zur Finanzbehörde durch das Evokationsrecht gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO. gewährleistet. Übt die Staatsanwaltschaft ihr Evokationsrecht nicht aus, endet die Kompetenz der Finanzbehörden erst, wenn wegen der Tat ein Haft- oder Unterbringungsbefehl gegen einen Beschuldigten erlassen ist, vgl. § 386 Abs. 3 AO. Haft- und Unterbringungssachen sind klassisches Metier der Staatsanwaltschaft, deren Beteiligung bei Haftprüfungs- und Haftbeschwerdeverfahren gemäß §§ 117 bis 118b StPO stets erforderlich ist. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO kommt Untersuchungshaft auch nur in größeren Fällen in Betracht, die wegen der zu erwartenden Rechtsfolgen regelmäßig für die Behandlung im Strafbefehlsverfahren ungeeignet sind.85 Ansonsten ist die Finanzbehörde gemäß § 400 Satz 2 AO von Gesetz wegen zur Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft erst nach Abschluss der Ermittlungen verpflichtet, wenn die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfah77

Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 6. Behnes, S. 1; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386 AO, Rn 8; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 147. Angesichts der Organisation der Steuerfahndung und der Bußgeld- und Strafsachenstellen in besonderen Finanzämtern für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung bzw. der Konzentration bei einem Finanzamt für den Bezirk mehrerer Finanzämter (vgl. unten II.1.) erscheint das zweite Argument zweifelhaft. 79 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467); Klos/Weyand, DStZ 1988, 615 (617). 80 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386 AO, Rn 4. 81 Seer, Verständigungen, S. 25. 82 BStBl. I 2009, S. 210 ff. Die Rechtmäßigkeit der AStBV(St) wird von Hellmann, NebenStrafverfahrensrecht, S. 152, 165 f. angezweifelt, krit. auch Weyand, wistra 2008, 214, ihre praktische Relevanz ist aber anerkannt, vgl. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 385 AO, Rn 16. 83 Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 18, 44; Stahl, KÖSDI 1998, 11629. 84 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (457). Dazu näher unten 3. Kapitel, C.III. 85 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386 AO, Rn 25. 78

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

ren nicht geeignet ist. Die Finanzbehörde kann jedoch gemäß § 386 Abs. 4 Satz 1 AO die Strafsache auch davor jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben. Das der Finanzbehörde insoweit von Gesetzes wegen eingeräumte Ermessen wird durch AStBV(St) 2009 Nr. 18 konkretisiert. Die unverzügliche Abgabe kommt gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 18 Abs. 1 Satz 2 in Betracht, wenn besondere Umstände es angezeigt erscheinen lassen, dass das Ermittlungsverfahren unter der Verantwortung der Staatsanwaltschaft fortgeführt wird, insbesondere in den in AStBV(St) 2009 Nr. 18 Abs. 1 Satz 3 näher bezeichneten Fällen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, führt die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren selbständig. Dies schließt nicht nur den Antrag auf Erlass von Strafbefehlen86, § 400 AO, sondern auch Verfahrenseinstellungen nach § 398 AO, §§ 153 ff. StPO mit ein87. Statt der Staatsanwaltschaft ist dann im Ermittlungsverfahren die Finanzbehörde Ansprechpartner der Verteidigung. Die Schlussbesprechung, § 201 AO, nach einer Außenprüfung bzw. entsprechende Termine nach einer Fahndungsprüfung oder nach Abschluss der Ermittlungen durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle gelten insofern als eine günstige Gelegenheit zur Einleitung einer Gesamtbereinigung88.

II. Bündelung steuer- und steuerstrafrechtlicher Kompetenzen Die Doppelfunktion der Finanzbehörde als zuständige Stelle sowohl für das Besteuerungsverfahren als auch für das Ermittlungsverfahren, solange sie dieses selbständig führt, eröffnet theoretisch die reizvolle Perspektive einer Gesamtbereinigung „aus einer Hand“89. Verständigungen zum Steuerstrafverfahren sollen in dieser Situation besonders dann begünstigt sein, wenn der Vorsteher des Finanzamts der Steuerfestsetzung höhere Priorität zumisst als der Ermittlung und Verfolgung von Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten90. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es in den Bundesländern zwei unterschiedliche Organisationsmodelle der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndung gibt.

86 Legt der Beschuldigte Einspruch ein, so geht die Zuständigkeit auf die Staatsanwaltschaft über, § 406 AO. 87 Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 225; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 398 AO, Rn 4. 88 Joecks, Praxis, S. 191; Jakob, Abgabenordnung, Rn 105. 89 Tipke/Lang – Seer, § 24, Rn 38; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (536 f.); ähnlich auch Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519; dabei ist in der Praxis aber auch die behördeninterne Koordination und Kommunikation bedeutsam, Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (498). 90 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 154 geht von einer derartigen Prioritätensetzung aus.

D. Behördenorganisation im Steuerstrafverfahren

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1. Organisationsmodelle in der Praxis In den meisten Bundesländern sind die Bußgeld- und Strafsachenstellen und die Steuerfahndungsstellen Festsetzungsfinanzämtern angegliedert. In Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bestehen hingegen jeweils eigenständige Fahndungs- und Strafsachenfinanzämter91, die mit der Steuerfestsetzung gerade nicht befasst sind. Dieses Organisationsmodell gilt aus der Sicht der Steuerfahndung als das effizientere92. Die damit verbundene organisatorische Konzentration staatsanwaltlicher und polizeilicher Aufgaben wird in der Literatur verschiedentlich als rechtsstaatlich bedenklich angesehen93, §§ 386, 404 AO sehen diese Konzentration bei der Finanzverwaltung allerdings ausdrücklich vor94. Auch erwähnt § 404 Satz 1 AO zwar – ebenso wie § 1 Nr. 4 FVG und § 6 Nr. 4 AO – die Zollfahndungsämter als eigene Behörden neben den Hauptzollämtern, spricht hingegen nur in allgemeiner Form von den „mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzverwaltung“. Die AO geht daher nicht von einer eigenständigen Funktion der Steuerfahndung aus und begreift die Steuerfahndungsstellen nicht zwingend als selbständige Behörden95, ihre Organisation ist vielmehr gemäß § 17 Abs. 2 FVG dem jeweiligen Landesrecht überlassen96. Die staatsanwaltliche Funktion der Bußgeld- und Strafsachenstelle zur Kontrolle der Justizmäßigkeit der Ermittlungen der Steuerfahndung steht einer organisatorischen Verbindung beider Dienststellen „unter einem Dach“ nicht entgegen97. Der Gedanke, dass innerhalb einer Behörde eine Abteilung eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion über eine andere ausüben soll, erscheint zwar zunächst befremdlich. Für das steuerliche Einspruchverfahren, das sowohl dem Rechtsschutz des Steuerpflichtigen als auch der Selbstkontrolle der Finanzverwaltung dient98, sieht § 367 Abs. 1 Satz 1 AO allerdings ebenfalls eine interne Kontrolle vor, da gerade diese als besonders effizient gilt99. Die interne Zuständigkeit besonderer Rechtsbehelfsstellen ergibt sich erst aus der Geschäftsordnung für die Finanzämter – FAGO –100 als rein interner 91 In Berlin das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen, in Hamburg das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen, in Niedersachsen vier Finanzämter für Fahndung und Strafsachen, in Nordrhein-Westfalen zehn Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung. 92 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 154. 93 Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 146, 342 ff.; Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 98; Wannemacher – Maurer, Rn 3270; Streck, DStJG 18, S. 173 (179); Hentschel, NJW 2006, 2300. 94 Behnes, S. 20 ff., 62 f. 95 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 10; krit. hierzu Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 155 f. 96 Behnes, S. 72. 97 Behnes, S. 15, 62 f.; Klos/Weyand, DStZ 1988, S. 615 (618); a.A. Streck, DStJG 6, S. 217 (222), dort Fn. 15. 98 Jesse, Rn B 1. 99 Jesse, Rn B 2. 100 BStBl. I 2002, S. 540.

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

Verwaltungsanweisung101. Auch wenn die Vorschriften über das außergerichtliche Rechtsbehelfverfahren gemäß § 347 Abs. 3 AO für das Steuerstraf- und ordnungswidrigkeitenverfahren gerade nicht anwendbar sind, zeigt § 367 AO, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Kontrollfunktion auch innerhalb des gleichen Finanzamts ausgeübt werden kann. Den gegen eine Vereinigung polizeilicher und staatsanwaltlicher Funktionen bestehenden Bedenken kann und muss daher durch eine klare Trennung der Befugnisse durch die behördeninterne Organisation Rechnung getragen werden102.

2. Bedeutung für das Zustandekommen einer Gesamtbereinigung Jedenfalls müssen in den genannten Ländern in eine Gesamtbereinigung sowohl das Festsetzungs- als auch das Fahndungs- und Strafsachenfinanzamt eingebunden werden. Eine Gesamtbereinigung „aus einer Hand“ ist daher von vornherein nur in den Ländern überhaupt denkbar, in denen die Bußgeld- und Strafsachenstellen und die Steuerfahndung Festsetzungsfinanzämtern angegliedert sind. Auch in diesen Ländern sind allerdings regelmäßig zugleich gemäß § 387 Abs. 2 AO und § 17 Abs. 2 FVG die Aufgaben der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndung jeweils für die Bezirke mehrerer Finanzämter bei einem (nicht notwendigerweise dem gleichen) Finanzamt konzentriert103. Die Zuständigkeiten für die Steuerfestsetzung und die Durchführung des Steuerstrafverfahrens fallen daher regelmäßig auseinander, so dass trotz der Doppelfunktion der Finanzbehörde die „Gesamtbereinigung aus einer Hand“ faktisch die Ausnahme darstellt104.

III. Finanzbehörden als Strafverfolgungsbehörden Soweit die Bußgeld- und Strafsachenstelle gemäß §§ 385, 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahrnimmt, ist sie dem Legalitätsprinzip gemäß § 152 StPO ebenso verpflichtet wie die Steuerfahndung gemäß § 404 Satz 1 AO, § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO. Gleichwohl wird vielfach davon ausgegangen, dass die Strafverfolgungstätigkeit der Finanzbehörden 101

Hübschmann/Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 367 AO, Rn 50. Zu der behördeninternen Abgrenzung der Befugnisse vgl. unten 3. Kapitel, C.III. 103 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 153. Dabei ist eine Konzentration am Sitz des Steueramtsgerichts, der Wirtschaftsstrafkammer und der Schwerpunkstaatsanwaltschaft naheliegend, aber nicht durchgehend erfolgt. So ist z. B. Hof Sitz des Steueramtsgerichts, der Wirtschaftsstrafkammer und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die LG-Bezirke Bamberg, Bayreuth und Hof, neben der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Hof besteht aber zusätzlich eine Bußgeld- und Strafsachenstelle beim Finanzamt Bayreuth, bei dem zudem die gesamte Steuerfahndung für die LG-Bezirke Bamberg, Bayreuth und Hof zusammengefasst ist. 104 Ebenso Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (498). 102

D. Behördenorganisation im Steuerstrafverfahren

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eine andere Qualität als diejenige der Polizei oder der Staatsanwaltschaft hat105, die Finanzbehörden aus fiskalischen Motiven einer konsensualen Erledigung des Steuerstrafverfahrens aufgeschlossener gegenüber stehen106 und sogar ein „Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit“ des finanzbehördlichen Steuerstrafverfahrens konstatiert107. Zutreffend ist, dass der berufliche Hintergrund der Mitarbeiter der Bußgeldund Strafsachenstellen ein originär steuerrechtlicher ist. Die Bußgeld- und Strafsachenstellen sind behördenintern dem Dienstzweig der Allgemeinen Verwaltung zugewiesen, die Bearbeiter haben die „normale“ Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt (FH) ohne echte strafrechtliche Zusatzausbildung durchlaufen108. Soweit die Steuerfahndung bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle einem allgemeinen Finanzamt angegliedert ist, können auch Personalwechsel und andere Verflechtungen mit anderen Stellen einem spezifisch strafrechtlichen Selbstverständnis der Bußgeld- und Strafsachenstelle entgegen stehen109. Andererseits erwerben die Bearbeiter der Bußgeld- und Strafsachenstelleneinen die erforderlichen steuerstrafrechtlichen Kenntnisse üblicherweise durch Spezialisierung und Erfahrung in der Praxis110, auch stehen an der Spitze der Bußgeld- und Strafsachenstellen regelmäßig Beamte des höheren Dienstes mit der Befähigung zum Richteramt, zu deren Gunsten ein weit reichender Zeichnungsrechtsvorbehalt besteht. Trotz der theoretisch gemäß § 386 AO gegebenen Doppelzuständigkeit der Finanzbehörden für Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist in der Praxis eine Entflechtung von Bußgeld- und Strafsachenstelle und Veranlagung zu beobachten, sowohl durch die Einführung besonderer Strafsachen- und Fahndungsfinanzämter als auch durch die Konzentration der Bußgeld- und Strafsachenstellen gemäß § 387 Abs. 2 AO und § 17 Abs. 2 FVG. Dass die Bußgeld- und Strafsachenstellen im Gegensatz zu den Staatsanwaltschaften Steuerstrafverfahren ausschließlich im Strafbefehlsweg oder durch Einstellung gemäß § 398 AO, §§ 153 ff. StPO erledigen, ist schlicht Folge der gesetzlichen Kompetenzordnung111. Auch zu einer Verknüpfung der Erledigung des Steuerstrafverfahrens mit dem Besteuerungsverfahren sind die Finanzbehörden in AStBV(St) 2009 Nr. 78 Abs. 2 Nr. 1 ausdrücklich angehalten. 105

Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 660. Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467); Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 226; aus Sicht der Finanzbehörden; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 154, 164; aus Sicht der Verteidigung Kuhn/Weigell, Rn 435; Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 902, 909, 911; Schmidt, StuW 1998, 278 (280). 107 Füllsack, S. 91. 108 Anders als z. B. die Amtsanwälte, Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 660, vgl. auch Lang, StuW 2003, 289. 109 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 154; vgl. etwa die auch von fiskalischen Überlegungen getragenen Ausführungen von Rittmann, wistra 1984, 52 ff. 110 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (464). 111 Auffällig ist gleichwohl, dass bereits im Jahr 2000 über 92 %, im Jahr 2006 schließlich über 99 % der von den Finanzämtern abgeschlossenen Strafverfahren mit einer Einstellung endeten, davon rund 28 % (2000) bzw. 35 % (2006) durch Einstellung gemäß § 153a StPO, vgl. BT-Drs. 16/8661, S. 5 (Tabelle 7). 106

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

Im Steuerstrafverfahren kommt allerdings nicht nur der Tätigkeit der Bußgeldund Strafsachenstelle, sondern vor allem den Ermittlungen der Steuerfahndung trotz ihrer formal untergeordneten Stellung gemäß § 404 AO erhebliche Bedeutung zu112. Anders als die Bußgeld- und Strafsachenstellen bildet die Steuerfahndung innerhalb der Finanzbehörden einen eigenen Dienstzweig mit besonderer steuerstrafrechtlicher Zusatzausbildung. Gleichwohl sind der Steuerfahndung nicht nur strafrechtliche Aufgaben übertragen, sondern § 208 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO normieren eine Doppelzuständigkeit der Steuerfahndung für das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren. Dass die Angehörigen der Steuerfahndung, auch wenn sie im Steuerstrafverfahren bzw. als Strafverfolgungsorgane tätig werden, nicht ausschließlich strafprozessual, sondern daneben weiterhin fiskalisch denken113, liegt damit letztlich in der Natur der Sache. Ihre Bedeutung für die „Gesamtbereinigung“ liegt aber insbesondere in ihrer Funktion als institutionelles Bindeglied zwischen Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren114. Von einem „Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit“115 des finanzbehördlichen Steuerstrafverfahrens zu sprechen, erscheint insofern überzogen. Bußgeld- und Strafsachenstellen und Steuerfahndung werden ihre Ursprünge und ihre organisatorische Einbindung in die Finanzbehörden nie völlig verleugnen können. Durch die Konzentration von Bußgeld- und Strafsachen- und Steuerfahndungsstellen bzw. durch die Einrichtung eigener Fahndungs- und Strafsachenfinanzämter sind aber die organisatorischen Voraussetzungen für eine sachgerechte Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Bußgeld- und Strafsachenstellen gemäß §§ 385, 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO und der Steuerfahndung gemäß § 404 AO geschaffen. Dass beide bei der die Bearbeitung und Erledigung von Steuerstrafsachen stets zugleich mit Blick auf das Besteuerungsverfahren agieren, entspricht ihrem besonderen Auftrag und ist insofern nicht zu beanstanden116.

E. Fiskalische Aspekte des Steuerstrafrechts E. Fiskalische Aspekte des Steuerstrafrechts

Verständigungsrelevante „strukturelle Unterschiede“ bestehen bei der Steuerhinterziehung, § 370 AO schließlich auch hinsichtlich des geschützten Rechtsguts. Zwar ist dieses im Einzelnen umstritten117, unbestritten ist jedoch, dass sich 112

Vgl. hierzu näher unten 3. Kapitel, C.III.2. v. Briel/Ehlscheid, Rn 328; Wannemacher – Grötsch, Rn 4490;; Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 453; Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 902; zu weitgehend allerdings wohl Füllsack, S. 91. 114 Vgl. unten 6. Kapitel, A. I. 115 Füllsack, S. 91 ff. 116 Zu Recht trifft die Kritik hingegen diejenigen Stellen innerhalb der Finanzbehörden, die trotz strafrechtlichen Anfangsverdachts von strafprozessualen Maßnahmen bzw. der Mitteilung an die Bußgeld- und Strafsachenstelle absehen, vgl. Joecks, Praxis, S. 5; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 154, 186 ff.; Weyand, DStZ 1990, S. 168 f.; Weyand, wistra 1994, 87 (89 f.). 117 Hoff, S. 7 ff.; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, Rn 14 ff., jeweils m. w. Nachw. 113

E. Fiskalische Aspekte des Steuerstrafrechts

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die Steuerhinterziehung im Ergebnis primär gegen die Interessen des Staates als Fiskus richtet und im Strafverfahren andere subjektive Interessen, die einer Verständigung entgegenstehen könnten, nicht bestehen118. Zum Teil wird auch von einem im Vergleich zum allgemeinen Strafrecht „restitutiven“ Charakter des Steuerstrafrechts ausgegangen, in dem stets auch die Sicherung und Durchsetzung des verkürzten Steueranspruchs zu berücksichtigen sei119, da gerade hierdurch dem Sinn und Zweck des § 370 AO entsprochen werde120. Prägend für den „restitutiven“ Charakter des Steuerstrafrechts ist dabei die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige, § 371 AO. § 371 AO stellt im deutschen Strafrechtssystem eine Besonderheit dar, da er als persönlicher Strafaufhebungsgrund auch nach vollendeter Tat noch zur Straffreiheit führt121, und wird daher vorwiegend als eine rein fiskalisch motivierte Ausnahmevorschrift verstanden122. Nach Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens sind die Vorschriften über die strafbefreiende Selbstanzeige, § 371 AO, zwar gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 b) AO gerade nicht mehr anwendbar. Dennoch wird ihnen insofern ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen, als auch dann, wenn die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige nicht mehr gegeben sind, Geständnis und Schadenswiedergutmachung bei der Strafzumessung in besonderem Maße zu berücksichtigen seien123. Entsprechend dem „restitutiven“ Charakter des Steuerstrafverfahrens sehen die AStBV(St) 2009 die Entrichtung der verkürzten Beträge einschließlich der Nebenleistung ausdrücklich als mögliche Auflage im Sinne des § 153a StPO vor, AStBV(St) 2009 Nr. 78 Abs. 2 Nr. 1. Im Ermittlungsverfahren der Finanzbehörde, die gleichermaßen Strafverfolgungsbehörde und Vertreterin des Fiskus als Geschädigtem der Steuerhinterziehung ist, kann die Einbeziehung von Steueransprüchen in das Steuerstrafverfahren daher zusätzliche Perspektiven eröffnen124, namentlich auch für die Verteidigung des Angeklagten, da „man eine Kuh nicht schlachtet, solange der Milchertrag höher ist als die Schlachtprämie.“125

118

Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321 (322). Bussmann, KritV 1989, 376 (384). 120 Tipke, Kohlmann-FS, S. 555 (576). 121 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 547. 122 BayObLG, Beschl. v. 23.01.1985 – RReg 4 St 309/84, wistra 1985, 117 und v. 03.11.1989 – RReg 4 St 135/89, wistra 1990, 159; a.A. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 22: Gleichwertigkeit strafrechtlicher und fiskalischer Motive. 123 Schmidt-Hieber, Rn 230. 124 Schmidt-Hieber, Rn 226; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (496 f.). 125 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (497); Schöch, Strafverfolgung S. 238; ähnlich Tipke, Kohlmann-FS, S. 555 (576). 119

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1. Kap.: Die Besonderheiten des Steuerstrafverfahrens

F. Zusammenfassung F. Zusammenfassung

Es ist grundsätzlich zutreffend, dass Steuerstrafverfahren gegenüber „klassischen“ Strafverfahren typischerweise strukturelle Unterschiede aufweisen, die eine konsensuale Erledigung begünstigen. Der Begriff des „Steuerstrafverfahrens“ ist dabei enger als in §§ 369, 385 AO auf Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, § 370 AO, beschränkt. Steuerstrafverfahren in diesem Sinne sind häufig durch besondere materiellrechtliche und prozessuale Schwierigkeiten geprägt, die von der Justiz in den tradierten Formen des Strafprozesses nicht oder nur schwer zu bewältigen sind. Die konsensuale Erledigung von Steuerstrafverfahren wird ferner tendenziell gefördert durch das besondere Sozialprofil der Steuerhinterzieher und im selbständigen Ermittlungsverfahren der Finanzbehörden durch deren besondere Ausrichtung stets zugleich auch auf das Besteuerungsverfahren. Auch die Rolle des Staates als Fiskus und primäres „Opfer“ der Steuerhinterziehung begünstigt Verständigungen im Steuerstrafverfahren.

2. Kapitel

2

Die Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren 2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren In Steuerstrafverfahren, in denen eine Hauptverhandlung stattfindet, wird die Verständigung über den Verfahrensabschluss regelmäßig in diesem Rahmen und in Form einer Höchststrafenabrede stattfinden. Die Höchststrafenabrede ist ein Unterfall der Verständigung im Strafverfahren, sie hat in der Vergangenheit die Diskussion um Verständigungen im Strafverfahren beherrscht und war bereits Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen1, so dass eine erschöpfende Darstellung – auch im Hinblick auf die nunmehr erfolgte gesetzliche Regelung – einer eigenen Untersuchung vorbehalten bleiben muss. Im Folgenden sollen lediglich die wesentliche Schritte zur Anerkennung und Kodifizierung der Höchststrafenabrede dargestellt und diejenigen Aspekte näher erörtert werden, die einen besonderen Bezug zur Gesamtbereinigung haben.

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

Als Voraussetzung einer Auseinandersetzung mit der Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren sind zunächst deren rechtliche Grundlagen darzustellen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Zustandekommen und den Inhalt einer Höchststrafenabrede im Strafverfahren wurden bereits recht früh von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet2. Die nähere Ausgestaltung erfolgte mangels einer gesetzlichen Grundlage durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in seinen Grundsatzentscheidungen zur Höchststrafenabrede – zunächst des 4. Strafsenats, dann des Großen Strafsenats – auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufbauend seine „Verfah-

1 Grundlegend Rönnau, Absprache, passim; zu BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 Altenhain/Haimerl, GA 2005, 281; Dahs, NStZ 2005, 580; Duttge/Schoop, StV 2005, 423; Landau/Bünger, ZRP 2005, 268; Seher, JZ 2005, 634; Widmaier, NJW 2005, 1985; in rechtstatsächlicher Hinsicht Altenhain/Hagemeier/Haimerl, NStZ 2007, 71; vgl. auch Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Einl, Rn 119 ff. und vor § 213 StPO, Rn 8 ff.; Sauer, Rn 1 ff.; Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 33; Harms, Nehm-FS, S. 289; Kuckein, Meyer-Goßner-FS, S. 63; Kuckein/Pfister, BGH-FS, S. 641; Salditt, ZStW 115 (2003), 570; Schünemann, Rieß-FS, S. 525; Weigend, BGH-FG, S. 1011; Rönnau, wistra 1998, 49; Weigend, NStZ 1999, 57; MeyerGoßner, NStZ 2007, 425; Fischer, NStZ 2007, 433; Nehm, StV 2007, 549; und die Nachweise bei BGH, Beschl. v. 15.06.2004 – 3 StR 386/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2356. 2 BVerfG, Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662.

2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

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rensordnung für Höchststrafenabreden“ entwickelte3. Das nunmehr in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren4 weicht, obwohl es sich ausdrücklich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sieht und die Fortgeltung der tradierten Grundsätze des deutschen Strafverfahrens betont5, zwar an mehreren Stellen vom bisherigen Richterrecht ab. Gleichwohl ist den wesentlichen Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch nach der Kodifizierung der Höchststrafenabrede weiterhin Bedeutung beizumessen.

I. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht nicht zu Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen seine erstinstanzliche Verurteilung durch die Große Strafkammer und die Aufrechterhaltung des Urteils durch den Bundesgerichtshof wandte, nachdem Grundlage der erstinstanzlichen Verurteilung eine von ihm selbst initiierte Verständigung war6. Entscheidend für die Anerkennung einer Höchststrafenabrede war für das Bundesverfassungsgericht, dass durch Inhalt und Zustandekommen der Verständigung weder der Geltungsanspruch der dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden „Idee der Gerechtigkeit“ noch die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung des Angeklagten verletzt worden sein darf7. Verfassungsrechtliche Grenzen für Verständigungen im Strafverfahren ergeben sich dementsprechend insbesondere aus dem Schuldprinzip und dem Grundsatz des fairen Verfahrens.

1. Die „Idee der Gerechtigkeit“ Die „Idee der Gerechtigkeit“ ist wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit, an dem sich jede Rechtspflege messen lassen muss8. Es ist daher ausgeschlossen, die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafbemessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, ins Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts

3

Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 und Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 40, 50. 4 BGBl. I 2009, S. 2353. 5 BT-Drs. 16/12310, S. 1 und 8. 6 BVerfG, Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662 f. 7 BVerfG, Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662. 8 BVerfG, Beschl. v. 19.07.1972 – 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367 (383) und v. 08.10.1985 – 2 BvR 1150/80 und 1504/82, BVerfGE 70, 297 (308).

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

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zu stellen9. Als zentrales Anliegen des Strafprozesses erweist sich die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne die das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann10. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft ist es deshalb untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen11. Insbesondere darf sich der Richter nicht mit einem Geständnis des Angeklagten begnügen, obwohl er sich beim gegebenen Verfahrensstand zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, oder dem Angeklagten eine Strafmilderung in Aussicht stellen, mit der er den Boden schuldangemessenen Strafens verließe12.

2. Die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung des Angeklagten Die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung des Angeklagten ist eine Ausprägung des unbedingten Schutzes der Menschenwürde, Art. 1 GG. Der Angeklagte ist Beteiligter, nicht Gegenstand des Verfahrens13 und verliert den Anspruch auf Achtung seiner Menschenwürde nicht dadurch, dass er einer Straftat verdächtig ist14. § 136a StPO enthält lediglich eine einfachgesetzliche Ausprägung dieser Verfassungsgrundsätze15, einen „ohnedies gültigen Prozessgrundsatz“16, der „allein auch den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Grundgesetzes entspricht“17. Der Schutz der Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung des Angeklagten schließt jedoch eine Belehrung oder einen konkreten Hinweis auf die Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses nicht aus, wenn dies im Stande der Hauptverhandlung eine sachliche Grundlage findet18. Das Bundesverfassungsgericht hat nach seinen Feststellungen im damaligen Fall eine rechtsstaatlich bedenkliche Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit des Angeklagten verneint, da der anwaltlich vertretene Angeklagte jederzeit uneingeschränkter Herr seiner Entschlüsse blieb. Das Bundesverfassungs9 BVerfG, Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662; Nehm, StV 2007, 549; a.A. Gallandi, NStZ 1987, 420, der hierin eine „Überbetonung“ der Aufklärungspflicht sieht. 10 BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 (275); vgl. auch Rönnau, Absprache, S. 140 f. 11 BVerfG, Beschl. v. 27. 01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662 (2663). 12 BVerfG, Beschl. v. 27. 01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662 (2663). 13 BGH, Urt. v. 16.02.1954 – 1 StR 578/53, BGHSt 5, 332 (333 f.). 14 BGH, Urt. v. 14.06.1960 – 1 StR 683/59, BGHSt 14, 358 (364). 15 Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 136a StPO, Rn 1. 16 Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136a StPO, Rn 2. 17 Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136a StPO, Rn 1. 18 BVerfG, Beschl. v. 27. 01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662 (2663); BGH, Urt. v. 30.10.1951 – 1 StR 363/51, BGHSt 1, 383 (387 f.) und v. 14.09.1965 – 5 StR 307/65, BGHSt 20, 268 f.

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

gericht hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass der Angeklagte von sich aus das Gericht zu einer Höchststrafenabrede veranlassen und zu einem konkreten Milderungsversprechen bewegen wollte, nicht das Gericht ihn dadurch zu einem Geständnis19. Auch ein Rechtsmittelverzicht war lediglich vom Verteidiger in Aussicht gestellt, nicht aber vom Gericht gefordert worden.

3. Grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung Dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzliche Bedeutung zukommt, wurde früher angezweifelt20. Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde binde weder den zuständigen Senat in seiner Entscheidung in der Hauptsache noch komme ihr die Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zu. Wenngleich gegen einen Nichtannahmebeschluss keine weiteren Verfassungsbeschwerden oder sonstige Rechtsbehelfe möglich seien21, sei daher gegenüber den Kammerbeschlüssen „eine gewisse Zurückhaltung angebracht“22. Hervorgehoben wird auch, dass in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall die Höchststrafenabrede erst kurz vor Abschluss einer umfangreichen Beweisaufnahme stattfand. Ebenso sei zu beachten, dass die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung des Angeklagten nicht zuletzt damit belegt worden sei, dass die Initiative zur Höchststrafenabrede von ihm und nicht von dem Gericht ausging23. Der Bundesgerichtshof hat der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinen Grundsatzentscheidungen jedoch grundsätzliche Bedeutung zugemessen24, ohne dass dies vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden wäre. In einem weiteren Nichtannahmebeschluss aus dem Jahr 1999 ging das Bundesverfassungsgericht nur in einem Nebensatz auf die Zulässigkeit von Höchststrafenabreden im Strafprozess ein25. Korrekturen oder Klarstellungen hinsichtlich des Nichtannahmebeschlusses vom 27.01.1987 hielt es offenbar auch angesichts der zwischenzeitlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für nicht erforderlich. Der Richter des Bundesverfassungsgerichts Landau hebt in einer Ver19

BVerfG, Beschl. v. 27. 01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662 (2663). Gallandi, NStZ 1987, 420; Siolek, DRiZ 1989, 321 (324); Siolek, DRiZ 1993, 422 (428). 21 BVerfG, Entscheidung v. 23.01.1958 – 1 BvR 30/58, BVerfGE 7, 241 und v. 06.04.1965 – 2 BvR 141/65, BVerfGE 18, 440, Beschl. v. 16.06.1965 – 1 BvR 124/65, BVerfGE 19, 88 (92). 22 Siolek, DRiZ 1989, 321 (324). 23 Siolek, DRiZ 1989, 321 (324). 24 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (53), Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (198). 25 BVerfG, Beschl. v. 14.05.1999 – 2 BvR 592/99, StV 2000, 3. Unzutreffend insofern BT-Drs. 16/12310, S. 7, die den Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1133/86, NJW 1987, 2662 als einzige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verständigung im Strafverfahren bezeichnet. 20

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

47

öffentlichung sogar ausdrücklich hervor, das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung „deutlich gemacht, dass verfassungsrechtliche Gründe, insbesondere das Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, einer Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten nicht entgegenstünden“26. Der Einwand, es habe sich bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Höchststrafenabrede um eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung gehandelt27, ist insofern kaum aufrechtzuerhalten28.

II. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Wenn auch nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts feststand, dass Höchststrafenabreden im Strafprozess verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich unzulässig sind, blieben die generellen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer wirksamen Höchststrafenabrede dennoch unklar29. Der Bundesgerichtshof nahm zunächst nur zu einzelnen Aspekten der Höchststrafenabrede Stellung, so z. B. zur Besorgnis richterlicher Befangenheit, der nach § 136a StPO unzulässigen Willensbeeinflussung, der Verletzung des fairen Verfahrens, der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs und der Verletzung des Beweisantragsrechts30. Erst mit Urteil vom 28.08.199731 hat der Bundesgerichtshof zur Höchststrafenabrede im Strafverfahren insgesamt Stellung genommen und sich um eine Abgrenzung der (zulässigen) „Verständigung“ vom (unzulässigen) „Deal“ bemüht, indem er die Mindestbedingungen beschrieben hat, die eine Verständigung erfüllen muss, damit sie überhaupt noch als ein der Strafprozessordnung und den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechendes Verfahren gesehen werden kann32. Die darin niedergelegte „Verfahrensordnung für Höchststrafenabreden“33 wurde vom Großen Strafsenat im Wesentlichen bestätigt34 und bildet trotz einiger Abweichungen erkennbar auch die Grundlage des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren.

26

Landau/Bürger, ZRP 2005, 269; zuvor bereits ähnlich Landau/Eschelbach, NJW 1999,

322. 27

Gallandi, NStZ 1987, 420; Siolek, DRiZ 1989, 321 (324); Siolek, DRiZ 1993, 422 (428). Im Ergebnis ebenso Sauer, Rn 73. 29 Rönnau, Absprache, S. 72 f. 30 Vgl. BGH, Beschl. v. 15.06.2004 – 3 StR 368/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2537, m. w. Nachw. 31 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195. 32 BGH, Beschl. v. 15.06.2004 – 3 StR 368/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2537. 33 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 101; Weigend, NStZ 1999, 57. 34 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40. 28

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

1. Urteil des 4. Strafsenats vom 28.08.1997 – 4 StR 240/97 Nach der Grundsatzentscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist eine Verständigung im Strafverfahren, die ein Geständnis des Angeklagten und die zu verhängende Strafe zum Gegenstand hat, nicht generell unzulässig. Sie muss aber unter Mitwirkung aller Verfahrensbeteiligten in öffentlicher Hauptverhandlung stattfinden, dies schließt Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung nicht aus35. Das Gericht darf vor der Urteilsberatung keine bestimmte Strafe zusagen; es kann allerdings für den Fall der Ablegung eines Geständnisses durch den Angeklagten eine Strafobergrenze angeben, die es nicht überschreiten werde. Hieran ist das Gericht nur dann nicht gebunden, wenn sich in der Hauptverhandlung neue (das heißt dem Gericht bisher unbekannte) schwerwiegende Umstände zulasten des Angeklagten ergeben haben; eine solche beabsichtigte Abweichung ist in der Hauptverhandlung mitzuteilen. Das Gericht hat ebenso wie bei der später im Urteil erfolgenden Strafbemessung auch bei der Zusage des Nichtüberschreitens einer Strafobergrenze die allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte zu beachten; die Strafe muss schuldangemessen sein. Dass ein Geständnis im Rahmen einer Verständigung abgelegt wurde, steht dessen strafmildernder Berücksichtigung nicht entgegen. Die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts mit dem Angeklagten vor der Urteilsverkündung ist unzulässig36. Bemerkenswert ist die dogmatische Herleitung der Bindungswirkung der zugesagten Strafobergrenze, nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Höchststrafenabrede einen „Vergleich im Gewande des Urteils“, die verbindliche Vereinbarung einer Strafe, ausdrücklich abgelehnt hatte37. Die Zusage lediglich einer Strafobergrenze nehme – so der Bundesgerichtshof – die Entscheidung des Gerichts und die Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte in der Urteilsberatung nicht vorweg, sie beseitige auch nicht die nötige Unvoreingenommenheit und Objektivität des Gerichts38. Dies ergebe sich daraus, dass es der Strafprozessordnung nicht fremd sei, dass sich das Gericht – vorbehaltlich des weiteren Verfahrensganges und des Beratungsergebnisses – eine Meinung über das mögliche Verfahrensergebnis bilde. Prognosen über den Verfahrensausgang, insbesondere den Rechtsfolgenausspruch, lägen insbesondere dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens oder Haftentscheidungen zugrunde39. Durch die prognosehafte Zusage einer Strafobergrenze werde also nicht – was unzulässig, da den Grundsätzen der StPO widersprechend, wäre – die Verständigung an die Stelle eines Urteils gesetzt. Es werde vielmehr ein Vertrauens35

Vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 19.08.2004 – 3 StR 380/03, BGHSt 49, 255. BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195. 37 BVerfG, Beschl. v. 27.01.1987 – 2 BvR 1183/86, NJW 2662 (2663). 38 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (207); krit. Rönnau, wistra 1998, 52, der das Tatgericht insofern in einer „Einbahnstraße“ sieht. 39 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (207 f.); zust. Graumann, S. 205; so zuvor bereits Weider, StV 1991, 242. 36

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

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tatbestand geschaffen und träte nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens eine Selbstbindung des Gerichts ein, soweit sich nicht nachträglich neue, dem Gericht bisher unbekannte Umstände ergäben, die Einfluss auf das Urteil haben können, und soweit die Prognose materiell-rechtlich unter Berücksichtigung aller Umstände vertretbar sei40.

2. Beschluss des Großen Strafsenats vom 03.03.2005 – GSSt 1/04 Die Gelegenheit bzw. Notwendigkeit zur Überprüfung dieser Rechtsprechung ergab sich für den Großen Strafsenat des Bundesgerichtshof, nachdem ihm der 3. Strafsenat drei Fragen im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverzicht bei Höchststrafenabreden zur Entscheidung vorgelegt hatte, da die Entscheidung über die Vorlagefragen vorab eine Entscheidung über die Zulässigkeit von Höchststrafenabreden erforderlich machte.

a) Bestätigung des Urteils des 4. Strafsenats vom 28.08.1997 – 4 StR 240/97 Der Große Strafsenat hat die vom 4. Strafsenat aufgestellte „Verfahrensordnung“ grundsätzlich bestätigt, gleichzeitig aber ihre Lückenhaftigkeit betont41. Aus gegebenem Anlass wies der Große Strafsenat auch darauf hin, dass das Gericht nicht „vorschnell auf eine Höchststrafenabrede ausweichen“ und die Differenz zwischen der bei einer Verständigung auszusprechenden und der bei einem „streitigen“ Verfahren zu erwartenden Sanktion nicht so groß sein darf, dass sie strafzumessungsrechtlich unvertretbar und mit einer angemessenen Strafmilderung wegen eines Geständnisses nicht mehr erklärbar ist42. Auch dürfe das Gericht mit Rücksicht auf § 261 StPO über Leitsatz 2 der Entscheidung des 4. Strafsenats hinaus nicht nur wegen neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen, sondern – nach entsprechendem Hinweis – auch dann, wenn schon bei der Höchst-

40 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (210), vgl. zur Bindungswirkung eines vom Gericht geschaffenen Vertrauenstatbestands bereits BGH, Urt. v. 07.06.1989 – 2 StR 66/89, BGHSt 36, 210 (214); zu beiden ausführlich Graumann, 37 ff. und 46 ff.; zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Vertrauensschutzes im Strafprozess Graumann, S. 92 ff. 41 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (51). 42 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (49 f.); zum Umfang der angemessenen Strafmilderung wegen eines Geständnisses bereits BGH, Beschl. v. 12.01.2005 – 3 StR 411/04, StV 2005, 201 (Strafnachlass von ca. 50 % mit Geständnis allein nicht mehr zu erklären), enger Schöch, NJW 2004, 3462 (3465) und Meyer-Goßner, ZRP 2009, 107 (109): Strafmilderung bei Geständnis nicht mehr als etwa ein Drittel der ansonsten auszuurteilenden Strafe; vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.10.2008 – 3 StR 431/08, NStZ 2009, 168, zu den Anforderungen an eine entsprechende Revisionsrüge.

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

strafenabrede vorhandene relevante rechtliche oder tatsächliche Aspekte übersehen wurden43.

b) Rechtsmittelverzicht und revisionsgerichtliche Kontrolle von Höchststrafenabreden Zu den Vorlagefragen entschied der Große Strafsenat, das Gericht dürfe im Rahmen einer Höchststrafenabrede an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken. Nach jedem Urteil, dem eine Höchststrafenabrede zugrunde liegt, sei der Rechtsmittelberechtigte, der nach § 35a Satz 1 StPO über ein Rechtsmittel zu belehren ist, stets auch darüber zu belehren, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei ist, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Dies gelte auch dann, wenn die Verständigung einen Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegenstand hatte. Der nach einer Höchststrafenabrede erklärte Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels sei unwirksam, wenn der ihn erklärende Rechtsmittelberechtigte nicht qualifiziert belehrt worden ist44. Zur Begründung seiner Entscheidung verwies der Große Strafsenat in überzeugender Weise auf die „Zäsurwirkung“45 des Urteils und die überragende Bedeutung einer effektiven Möglichkeit der revisionsgerichtlichen Kontrolle von Höchststrafenabreden46. Bereits der 3. Strafsenat hatte in seinem Vorlagebeschluss die besondere Bedeutung des Verbots, sich einen Rechtsmittelverzicht versprechen zu lassen, hervorgehoben. Es hat die Aufgabe, die Einhaltung der übrigen Anforderungen an die Höchststrafenabrede zu sichern und soll verhindern, dass es die Beteiligten in dem Bewusstsein, die Entscheidung werde nicht mehr überprüft, bei der Urteilsfindung an der auch bei der Höchststrafenabrede notwendigen Sorgfalt hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts, der rechtlichen Subsumtion und der Bestimmung einer schuldangemessenen Strafe fehlen lassen47. Da es im Wesen der Informalität liegt, Formen und Ergebnisse des Verhandelns aus den Fesseln des formellen Rechts so weit als möglich zu befreien48, ist diese Skepsis durchaus berechtigt. Die Notwendigkeit des Verbots eines Rechtsmittelverzichts zeigt sich daran, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Beteiligten in der gerichtlichen Praxis gerade darum bemüht sind, die 43 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (50); als „halbherzig“ kritisiert von Duttge/Schoop, StV 2005, 421 (422). 44 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40; die Wirksamkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen wirksamen Verständigung wird aber nicht dadurch gefährdet, dass sie mit dem Versprechen eines späteren Rechtsmittelverzichts verbunden ist, BGH, Urt. v. 12.03.2008 – 3 StR 433/07, BGHSt 52, 165 (170 f.). 45 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (59). 46 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (56 f.). 47 BGH, Beschl. v. 15.06.2004 – 3 StR 386/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2356 (2358); Volk, Salger-FS, S. 411 (418); Widmaier, NJW 2005, 1985 (1986). 48 Fischer, NStZ 2007, 433 (434); Fischer, StraFo 2009, 177 (185).

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

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getroffenen Verständigungen gegen obergerichtliche Kontrolle „abzuschotten“49, was nicht nur die Würde des Gerichts verletzt und seiner Autorität schadet, sondern auch die ernsthafte Besorgnis inhaltlich unzulässiger Absprachen begründet50. Der wirksamste Schutz gegen Fehlentwicklungen bei der Höchststrafenabrede besteht insofern darin, dass die Beteiligten nicht sicher sein können, dass das Urteil – ungeachtet der vorangegangenen Verständigung – nicht doch zur Überprüfung gestellt wird51.

III. Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren Ihren vorläufigen Abschluss hat die Debatte um die Höchststrafenabrede im Strafverfahren durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren gefunden, das am 29. Juli 2009 beschlossen und am 3. August 2009 verkündet wurde und am darauffolgenden Tag in Kraft getreten ist52. Es schafft eine gesetzliche Grundlage für die Höchststrafenabrede als Unterfall der Verständigung und enthält ergänzende Vorschriften zur Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten, zu Protokollierungs- und Belehrungspflichten. In der Gesetzesbegründung wurde zudem auch die Beteiligung der Finanzbehörde an der Höchststrafenabrede thematisiert.

1. § 257c StPO neuer Fassung als gesetzliche Grundlage der Höchststrafenabrede Gesetzliche Grundlage der Höchststrafenabrede ist nunmehr § 257c StPO neuer Fassung. In der Gesetzesbegründung wurde diese Vorschrift sogar als „zentrale Norm für die Verständigung im Strafverfahren“53 bezeichnet, auch wenn dies im Hinblick auf die durch die StPO eröffneten Möglichkeiten einer Verständigung 49

BGH, Beschl. v. 15.06.2004 – 3 StR 386/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2356 (2358); Rönnau, Absprache, S. 51; Harms, Nehm-FS, S. 289 (293); Rönnau, wistra 1998, 49 (52); Duttge/Schoop, StV 2005, 421 (422); Meyer-Goßner, NStZ 2007, 425 (426); Fischer, StraFo 2009, 177 (178 ff., 184); vgl. zum Standpunkt der Tatgerichte Schmitt, GA 2001, 411 ff.; speziell zu Steuerstrafverfahren Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (465). 50 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (56); a.A. offenbar Sauer, Rn 83 ff. 51 Salditt, ZStW 115 (2003), 570 (580); ähnlich auch Hassemer, Volk-FS, S. 207 (219 ff.). 52 BGBl. I 2009, S. 2353; zum Gesetz Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Ergänzungsheft, passim; Bittmann, wistra 2009, 414; Jahn/Müller, NJW 2009, 2625; Schünemann, NJW-Editorial 36/2009 und Pressemitteilung Nr. 93/09 des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom 28.05.2009; zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BR-Drs. 65/09 und BT-Drs. 16/12310; Fischer, StraFo 2009, 177; Kempf, StV 2009, 269; Meyer-Goßner, ZRP 2009, 107 und Schünemann, ZRP 2009, 104. 53 BT-Drs. 16/12310, S. 13.

52

2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

über einen Verfahrensabschluss außerhalb der Hauptverhandlung54 etwas weit gegriffen erscheint. Abs. 1 der Vorschrift gestattet als Generalklausel dem Gericht, sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten zu verständigen und betont in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts55, dass eine Verständigung die Sachaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt lässt. Die näheren Maßgaben enthalten die weiteren Absätze. Abs. 2 trifft Bestimmungen zum möglichen Inhalt der Verständigung und orientiert sich dabei insbesondere durch das Verbot einer Verständigung über den Schuldspruch und die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts an der bisherigen Rechtsprechung (§ 257c Abs. 2 Satz 3 StPO neuer Fassung). Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates und Kritik aus der Literatur können nicht nur die Rechtsfolgen der Straftat, sondern auch verfahrensbezogene Maßnahmen im Erkenntnisverfahren und das Prozessverhalten der Verfahrenbeteiligten Gegenstand der Verständigung sein; hiergegen ist mit Recht eingewandt worden, dass eine diesbezügliche Verständigung einerseits mit dem Grundsatz umfasssender Sachaufklärung kaum vereinbar sein dürfte, andererseits beträchtliches Missbrauchspotential beinhaltet56. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass Bestandteil einer Verständigung ein Geständnis sein „soll“(§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO neuer Fassung), da sich nur so die mit der Verständigung bezweckte Verfahrensbeschleunigung erreichen lasse57. Regelmäßig wird das Geständnis des Angeklagten aber auch als Strafmilderungsgrund unverzichtbar sein, um den mit der Verständigung verbundenen Strafnachlass rechtsfehlerfrei begründen zu können58. Abs. 3 bestätigt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Falle einer Verständigung die allgemeinen Strafzumessungsregeln gelten, und regelt das bei der Verständigung zu beachtende Verfahren. Im Vergleich zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fällt auf, dass auch die Nennung einer Strafuntergrenze gestattet (Satz 2)59 und das „Zustandekommen“ einer Verständigung ausdrücklich von der Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft abhängig gemacht wird. Das Gesetz löst sich insofern von der Rechtsprechung, wonach die Zusicherung einer Strafobergrenze Prognosecharakter hat. Es bewegt sich in Richtung eines „Aushandelns“ der Strafe60 und nä54

Vgl. hierzu das 3. Kapitel. Vgl. oben I.1. 56 BT-Drs. 16/12310, S. 18; Fischer, StraFo 2009, 177 (186); Meyer-Goßner, ZRP 2009, 107 (108); ähnlich auch Jahn/Müller, NJW 2009, 2625 (2631); derartige Verständigungen sollen aber in der Praxis durchaus üblich sein, vgl. Fischer, StraFo 2009, 177 (180), der insofern von einem „Zerrbild“ des gesetzmäßigen Strafverfahrens spricht. 57 BT-Drs. 16/12310, S. 13 f. 58 Ebenso Bittmann, wistra 2009, 414 (415) und Meyer-Goßner, ZRP 2009, 107 (108). 59 Krit. hierzu Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Ergänzungsheft, § 257c StPO, Rn 11, 21; Meyer-Goßner, ZRP 2009, 107 (108 f.). 60 Krit. hierzu Schünemann, NJW-Editorial 36/2009, mit verfassungsrechtlichen Bedenken Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Ergänzungsheft, § 257c StPO, Rn 5, ähnlich bereits MeyerGoßner, NStZ 2007, 425 (427; zum Referentenentwurf). 55

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

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hert die Verständigung in letzter Konsequenz doch einer – zuvor ausdrücklich abgelehnten61 – quasivertraglichen Vereinbarung an. Abs. 4 regelt den Wegfall der Bindungswirkung der Verständigung in bestimmten Fällen, in denen entweder das Gericht seiner Strafmaßprognose eine unzutreffende Sach- oder Rechtslage zugrunde gelegt oder der Angeklagte durch sein weiteres Prozessverhalten der Verständigung die Grundlage entzogen hat. Dies entspricht wiederum ganz dem in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Prognosecharakter der Strafmaßzusage62. Satz 3 enthält die Klarstellung, dass das Geständnis des Angeklagten in diesen Fällen nicht verwertet werden darf, nachdem der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung zur Verständigung im Strafverfahren eine entsprechende Klarstellung ausdrücklich gefordert hat63. Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 sehen darüber hinaus besondere Belehrungspflichten über den Wegfall der Bindungswirkung, seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen vor.

2. Weitere Gesetzesänderungen Flankierende Regelungen betreffen die Möglichkeiten für Gericht und Staatsanwaltschaft, den Verfahrensstand in den verschiedenen Verfahrensabschnitten mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, um gegebenenfalls eine Höchststrafenabrede in der Hauptverhandlung oder eine anderweitige konsensuale Erledigung vorzubereiten (§§ 160b, 202a und 257b StPO neuer Fassung)64, Protokollierungs- und Hinweispflichten, die die Transparenz des Verfahrens gewährleisten sollen (§ 243 Abs. 4, §§ 267 und 273 StPO neuer Fassung) und das Rechtsmittelrecht nach einer Verständigung. Hinsichtlich eines nach einer Verständigung erklärten Rechtsmittelverzichts (§§ 35a und 302 Abs. 1 StPO neuer Fassung) geht das Gesetz über die zentrale Forderung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs65 und den Regierungsentwurf hinaus, nachdem der Bundestag es für erforderlich hielt, die absolute Unwirksamkeit eines nach einer Verständigung erklärten Rechtsmittelverzichts festzuschreiben66. § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO neuer Fassung enthält eine im deutschen Prozessrecht einmalige Regelung. Er bringt ein Misstrauen des Gesetzgebers ge61

BT-Drs. 16/12310, S. 8. Krit. hierzu allerdings Meyer-Goßner, NStZ 2007, 425 (428; zum Referentenentwurf); Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Ergänzungsheft, § 257c StPO, Rn 26 f., und Fischer, StraFo 2009, 177 (187). 63 Vgl. BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (51 f.); zust. Meyer-Goßner, ZRP 2009, 107 (108); anders noch Kuckein, Meyer-Goßner-FS, S. 63 (71): bei fehlgeschlagener Verständigung kein generelles Verwertungsverbot für das Geständnis des Angeklagten. 64 Krit. hierzu Kempf, StV 2009, 269 (274). 65 Vgl. soeben II.2.b). 66 BT-Drs. 16/13095, S. 9, 14; für den Ausschluss des Rechtsmittelverzichts auch Kempf, StV 269 (276); krit. Bittmann, wistra 2009, 414 (416 f.); zu möglichen Auswirkungen in der Praxis Jahn/Müller, NJW 2009, 2625 (2630). 62

54

2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

genüber den möglichen Ergebnissen von Höchststrafenabreden zum Ausdruck, das mit der im Übrigen äußerst verständigungsfreundlichen Grundtendenz des Gesetzes, insbesondere den weiten Regelungen über den möglichen Inhalt einer Verständigung in § 257c Abs. 2 StPO neuer Fassung, kaum in Einklang zu bringen ist. Die Regelung der Erörterungsmöglichkeiten dürfte angesichts der unbestrittenen Zulässigkeit unverbindlicher „Rechtsgespräche“67 als Gesetzesrhetorik anzusehen sein und nur deklaratorische Bedeutung haben. Demgegenüber enthalten die Bestimmungen zu den Protokollierungs- und Mitteilungspflichten echte Neuerungen, insbesondere § 273a Abs. 1a Satz 3 StPO neuer Fassung, wonach im Protokoll „auch“ zu vermerken ist, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe. Diese Vorschrift ist zum einen überflüssig, da sich bereits aus dem Fehlen einer entsprechenden Protokollierung bereits ergibt, dass es keine Verständigung gegeben hat, und systemwidrig, weil das Protokoll dokumentieren soll, was geschehen ist, nicht aber das, was nicht geschehen ist68. Richtigerweise sind daher auch, aber eben nur gescheiterte Verständigungsversuche im Protokoll festzuhalten69.

3. Beteiligung der Finanzbehörde an der Höchststrafenabrede Anders als noch im Referentenentwurf wird in der Gesetzesbegründung auch auf die Sondersituation in Steuerstrafverfahren eingegangen, die sich aus den Beteiligungsrechten der Finanzbehörde ergibt. Nachdem die Rechtsprechung für eine zulässige Höchststrafenabrede die „Mitwirkung aller Verfahrensbeteiligten in öffentlicher Hauptverhandlung“ forderte, stellte sich mit Blick insbesondere auf § 407 AO die Frage, ob und gegebenenfalls wie die Finanzbehörde an Höchststrafenabreden im Steuerstrafverfahren zu beteiligen ist. Während Eich auf diese Frage überhaupt nicht einging, hat Joecks ihr bereits kurz nach der Grundsatzentscheidung des 4. Strafsenats erhebliche Relevanz zugemessen70. Randt vertrat die Auffassung, man werde der Zusage einer Strafobergrenze die Wirksamkeit absprechen müssen, wenn der Strafsachenstelle nicht zumindest rechtliches Gehör gewährt worden ist71, ohne dies allerdings näher zu begründen. Andererseits sollte nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung seit Inkrafttreten des AOStrafÄndG vom 10.08.196772 wegen der Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft für die dem Gericht unterbreiteten Steuerstrafsachen73 der 67 Vgl. nur Fischer, StraFo 2009, 177 (186), der die Regelung des § 160b StPO vor diesem Hintergrund als „überaus seltsam“ ansieht. 68 Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Ergänzungsheft, § 273 StPO, Rn 5. 69 Bittmann, wistra 2009, 414 (416); a.A. Jahn/Müller, NJW 2009, 2625 (2630). 70 Joecks, Praxis, S. 194; von Sauer, Rn 158 ff. hingegen überhaupt nicht erwähnt. 71 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 103. 72 Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze, BGBl. I 1967, S. 877. 73 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rüping, § 407 AO, Rn 4; Rüping, NStZ 1999, S. 315.

A. Rechtliche Grundlagen der Höchststrafenabrede

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Finanzbehörde nicht mehr das Recht zustehen, durch einen eigenen Antrag auf die Verhängung einer höheren als der von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafe hinwirken, ihr wurde lediglich zugebilligt, sich dem Strafantrag des Staatsanwaltes anzuschließen74. Dementsprechend hätte sich die Finanzbehörde auch im Vorfeld einer Höchststrafenabrede allenfalls den Ausführungen der Staatsanwaltschaft anschließen können, so dass fraglich gewesen wäre, ob die Zusicherung einer Strafobergrenze auf der fehlenden bzw. unzureichenden Beteiligung der Finanzbehörde beruhen konnte. In der Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren wurde nun unter Hinweis auf § 407 AO ausdrücklich klargestellt, dass Verfahrensbeteiligte im Sinne der §§ 160b, 202a, 212, 257b, 257c StPO neuer Fassung im Steuerstrafverfahren auch die Finanzbehörde ist75. Aus der Begründung ergibt sich allerdings auch, dass bei den einer Verständigung vorausgehenden Erörterungen nicht alle Verfahrensbeteiligten anwesend oder beteiligt sein müssen76. Die in § 257c Abs. 3 Satz 3 StPO neuer Fassung vorgeschriebene Gelegenheit zur Stellungnahme bestünde nach dem Gesetzeswortlaut erst nach Bekanntgabe der möglichen Strafober- bzw. -untergrenzen und des übrigen Inhalts einer möglichen Verständigung. Die Meinungsbildung des Gerichts ist zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Ob eine Verständigung mit dem vom Gericht vorgeschlagenen Inhalt zustande kommt, hinge nur noch von der Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ab. Eventuelle Einwände der Finanzbehörde gegen den vom Gericht vorgegebenen Inhalt der Verständigung würden damit nur relevant, soweit sie vom Angeklagten oder – wohl der häufigere Fall77 – von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen werden. Ein weitergehendes Recht zur Stellungnahme nach § 407 AO noch vor Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO neuer Fassung ist gleichwohl abzulehnen. Dagegen spricht nicht nur die Gesetzesbegründung, fraglich ist auch, ob die Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung, die erst nach Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Bindungswirkung entfaltet, überhaupt als „Entscheidung“ des Gerichts angesehen werden kann. Gegen ein besonderes Recht der Finanzbehörde zur Stellungnahme noch vor Bekanntgabe des möglichen Inhalts spricht aber insbesondere der Umstand, dass auch für die Nebenklage ein solches Recht nicht vorgesehen ist78. Nachdem der Gesetzgeber im AOStrafÄndG bewusst davon abgesehen hat, 74 Kohlmann – Kohlmann, § 407 AO, Rn 19; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 13.02.1969 – 1 Ss 225/68, MDR 1969, 780 f.; Kröner, ZfZ 1970, 170 (174). 75 BT-Drs. 16/12310, S. 11. 76 BT-Drs. 16/12310, S. 12. 77 Vgl. Erbs/Kohlhaas – Senge, § 407 AO, Rn 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rüping, § 407 AO, Rn 38, wonach im Revisionsverfahren die Aufklärungsrüge wegen fehlender Beteiligung der Finanzbehörde nach § 407 AO nur selten vom Angeklagten, sondern überwiegend von der Staatsanwaltschaft mit Erfolg erhoben werden kann. 78 Krit. hierzu Fischer, StraFo 2009, 177 (182).

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

der Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren die Rechte einer Nebenklägerin zuzuweisen79 und die Finanzbehörde seitdem lediglich als Nebenbeteiligte eigener Art80 gilt, kann ihr ein entsprechendes Recht umso weniger zustehen.

IV. Zwischenergebnis Das deutsche Strafprozessrecht ist zwar grundsätzlich verständigungsfeindlich, ein „Vergleich im Gewande des Urteils“ ausgeschlossen. Eine „Höchststrafenabrede“ dergestalt, dass das Gericht für den Fall eines glaubhaften Geständnisses eine Strafobergrenze verbindlich zusagt, ist jedoch möglich. Keinesfalls steht dabei aber die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafbemessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, im Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts. Auch bei Urteilen, die auf Höchststrafenabreden beruhen, ist daher die Möglichkeit effektiver revisionsgerichtlicher Kontrolle unverzichtbar. Nach der Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs hat die Entwicklung der Höchststrafenabrede durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ihren vorläufigen Abschluss gefunden.

B. Höchststrafenabrede und verfahrensmäßige Richtigkeitsgewähr B. Höchststrafenabrede und verfahrensmäßige Richtigkeitsgewähr

Die Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren nimmt ausdrücklich Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die „zum Verfahren bei und zu Inhalt und Folgen von Verständigungen in einer Vielzahl von Entscheidungen Konturen gesetzt“ habe81. Das Gesetz zielt darauf ab, entsprechend dem „Hilferuf“82 des Großen Strafsenats die von der Rechtsprechung entwickelte Verfahrensordnung für Höchststrafenabreden in Gesetzesform zu überführen83. Insofern ist zwar der zunächst noch erhobene Einwand, die Höchststrafenabrede im Strafverfahren sei das Ergebnis unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung praeter legem84, entfallen, die in der Sache be79

BT-Drs. 5/2928. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rüping, § 407 AO, Rn 10; Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (459). Das LG Dresden geht dagegen im Beschl. v. 10. 11. 1997 – 8 Ns 110 Js 44995/95, NStZ 1999, S. 313 (314), von einer „rechtsähnlichen“ Stellung im Vergleich zur Nebenklage aus. 81 BT-Drs. 16/12310, S. 1. 82 Dahs, NStZ 2005, 580. 83 BT-Drs. 16/12310, S. 8. 84 Weigend, BGH-FG, S. 1011 (1015); Duttge/Schoop, StV 2005, 421 (422 f.) und wohl auch Dahs, NJW 2005, 580; a.A. Sauer, Rn 109: strafprozessuale Verständigungen „im Grundsatz unbedenklich“. 80

B. Höchststrafenabrede und verfahrensmäßige Richtigkeitsgewähr

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stehenden Unterschiede zwischen „konsensualen“ und „streitigen“ Urteilen sind hierdurch aber nicht beseitigt.

I. Handhabung der gerichtlichen Aufklärungspflicht Die Ermittlung der „Wahrheit“ ist zwar das „zentrale Anliegen des Strafprozesses“, aber ihrerseits von den zu beachtenden Verfahrensstrukturen abhängig85. Da die „Wahrheit“ erst ermittelt werden muss, kann erst aus der Einhaltung des Verfahrens auf die Richtigkeit des Ergebnisses geschlossen werden, so dass Verfahrensregelungen wesentliche Bedeutung für die Erreichung der materiellen Ziele einer (Teil-)Rechtsordnung zukommt86. In der Hauptverhandlung ist u. a. § 244 Abs. 2 StPO maßgeblich, dem gemäß das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen möglichst umfassend aufzuklären hat. Die Aufklärungspflicht reicht so weit, wie die dem Gericht oder zumindest dem Vorsitzenden z. B. aus den Akten87 bekannt gewordenen Tatsachen zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahe legen. Das Gericht muss grundsätzlich alle erkennbaren und erreichbaren Erkenntnisquellen ausschöpfen88. Eine Verkürzung der Beweisaufnahme, wie sie wesentlicher Zweck der Höchststrafenabrede ist89, und die Verurteilung aufgrund des Geständnisses des Angeklagten als im Wesentlichen einzigen Beweismittel ist daher auch dann nicht unproblematisch, wenn, wie von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefordert90, das Geständnis vom Gericht in besonderer Weise91 auf seine Zuverlässigkeit überprüft wird, es im Einklang mit der Aktenlage steht und sich keine weitere Sachaufklärung aufdrängt. Diese Forderung wurde in der Literatur aber bereits ausdrücklich als „Leerformel“ bezeichnet92, die Ergebnisse einer jüngeren Untersuchung93 deuten darauf hin, dass sie in der Praxis nur unzureichend umgesetzt wird94. Jedenfalls kommt im Lichte des § 250 StPO, der den Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis normiert95, der Überprüfung 85

Volk, Salger-FS, S. 411 (418). Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (520 f.). 87 BGH, Urt. v. 06.02.2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431. 88 Eich, S. 107; Rönnau, Absprache, S. 42; Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 244 StPO, Rn 12. 89 Eich, S. 107; Rönnau, Absprache, S. 148; Schmitt, GA 2001, 411 (420 f.); Fischer, StraFo 2009, 177 (181). 90 BGH, Urt. v. 27.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (204), Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (49); ebenso Rönnau, Absprache, S. 145; Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321 (325). 91 BGH, Beschl. v. 11.04.2007 – 3 StR 108/07, NStZ-RR 2007, 245. 92 Schmitt, GA 2001, 411 (420). 93 Altenhain/Hagemeier/Haimerl, NStZ 2007, 71 (76). 94 Ebenso bereits Rönnau, Absprache, S. 146 ff.; Schünemann, Rieß-FS, S. 525 (539); vgl. auch Fischer, StraFo 2009, 177 (178 f., 183 f.). 95 BGH, Urt. v. 13.12.1960 – 1 StR 389/60, BGHSt 15, 253 (254); Meyer-Goßner – MeyerGoßner, § 250 StPO, Rn 2. 86

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

des Geständnisses z. B. anhand der bei der Akte befindlichen Steuerfahndungsberichte für die gerichtliche Überzeugungsbildung ein geringerer Wert zu als der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung selbst z. B. durch Einvernahme des Steuerfahndungsprüfers als Zeuge. Der Konsens der übrigen Verfahrensbeteiligten kann die eigenständige gerichtliche Aufklärung und Beweiswürdigung nicht, auch nicht partiell ersetzen. Der „streitige“ Prozess bietet eine vielfältige verfahrensmäßige Richtigkeitsgewähr durch Formen, Aufklärungsmaxime und Beweisantragsrecht96, während im „konsensualen“ Prozess lediglich das Geständnis selbst einen „letzten Rest von Richtigkeitsgewähr“ beinhaltet, und auch dies nur dann, wenn es nicht auf unzulässige Art und Weise erlangt wurde97.

II. Reduziertes Aufklärungsinteresse der Verfahrensbeteiligten Durch die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Höchststrafenabrede wurde der Strafausspruch für auf Verständigungen beruhende Urteile zumindest teilweise vom Tat- und Schuldvorwurf und den dazu getroffenen Feststellungen des Gerichts gelöst und die Strafzumessung unmittelbar an das Verteidigungsverhalten des Angeklagten („Prozessförderung“) geknüpft. Die „doppelspurige Indizkonstruktion“, nach der (nur) ein Geständnis, das auf Einsicht und Reue schließen lasse, zugleich ein Anhaltspunkt für geringe persönliche Schuld und Gefährlichkeit des Täters und daher strafmildernd zu berücksichtigen sei98, wurde nicht mehr herangezogen99. Mit der reduzierten Bedeutung der tatsächlichen Feststellungen geht ein entsprechend reduziertes Interesse aller Verfahrensbeteiligten einher, durch die Wahrnehmung ihrer prozessualen Rechte auf zutreffende Feststellungen hinzuwirken, insbesondere nachdem gerade der Verzicht auf die Wahrnehmung dieser Rechte Grundlage des einvernehmlich abgestimmten Strafausspruchs ist. Für den Angeklagten – sofern er mit einem Schuldspruch rechnet – ergibt sich aus der geänderten Strafzumessung stattdessen ein gesteigertes Interesse an der „Prozessförderung“ im Sinne der Anklage100.

96 Schünemann, Rieß-FS, S. 525 (542); Weigend, BGH-FG, S. 1011 (1013); Hassemer, VolkFS, S. 207 (219 ff.); Salditt, ZStW 115 (2003), 570 (573); Weider, StraFo 2003, 406 (407). 97 Salditt, ZStW 115 (2003), 570 (577). 98 Grundlegend BGH, Urt. v. 10.04.1951 – 1 StR 88/51, BGHSt 1, 105 (106 f.); vgl. z. B. auch BGH, Beschl. v. 20.11.1997 – 4 StR 539/97, NStZ 1998, 503 (bei Detter) und Rönnau, Absprache, S. 96. 99 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (209 f.); krit. Graumann, S. 192 f.; Rönnau, wistra 1998, 49 (53); Weigend, NStZ 1999, 57 (60 f.) und Fischer, StraFo 2009, 177 (181 f.); zuvor bereits gegen die strafmildernde Berücksichtigung eines „Zweckgeständnisses“ Rönnau, Absprache, S. 98 ff. 100 Rönnau, Absprache, S. 101 f., 148.

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren

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III. Zwischenergebnis Der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat daher ebenso wie Teile der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, dass bei „konsensualen“ eher als bei nach den herkömmlichen Formen der Strafprozessordnung gefällten Urteilen die Gefahr besteht, dass das Gericht seiner Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit nur unzureichend nachkommt101 und auch in der Begründung des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren wurde dies grundsätzlich anerkannt. Die zumindest teilweise Loslösung der Strafzumessung vom Tat- und Schuldvorwurf führt zu einem gegenüber dem herkömmlichen Strafverfahren reduzierten Interesse aller Verfahrensbeteiligten, auf zutreffende Feststellungen hinzuwirken. Auch wenn eine verständigungsbedingt „abgekürzte“ Sachverhaltsermittlung den Bestand des auf der Verständigung beruhenden Urteils als solchen nicht gefährdet, könnte die verminderte verfahrensmäßige Richtigkeitsgarantie allerdings dann von Bedeutung werden, wenn ein „konsensuales“ Urteil Teil einer Gesamtbereinigung sein soll.

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren

Unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren sind auch die Auswirkungen der Höchststrafenabrede auf das Besteuerungsverfahren zu berücksichtigen. Die Finanzbehörden und Finanzgerichte sind zwar im Besteuerungsverfahren an die Feststellungen der Strafgerichte im Steuerstrafverfahren grundsätzlich nicht gebunden102, sondern berechtigt, sich ohne Bindung an strafgerichtliche Feststellungen eine eigene Überzeugung von einem entscheidungserheblichen tatsächlichen Geschehen und der Wertung der Ereignisse zu bilden103. Sie haben gemäß § 96 Abs. 1 FGO nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden und ihre Feststellungen im Besteuerungsverfahren nicht nach den Vorschriften der StPO, sondern nach den Vorschriften der AO und der FGO zu treffen104. Die 101

BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (51). Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (481); Kamps/Wulf, DStR 2003, 2045 (2047); a.A. FG Berlin, Urt. v. 27.01.1999 – 2 K 2138/97, EFG 1999, 680 (681): Im Rahmen des § 71 AO Bindungswirkung der Feststellungen eines verurteilenden, nicht aber eines freisprechenden Strafurteils. Diese auf die rechtsgestaltende Wirkung des Strafurteils gestützte Ansicht ist allerdings mit dem Wortlaut des § 71 AO nicht vereinbar, vgl. Klein – Rüsken, § 71 AO, Rn 6. 103 BFH, Urt. v. 02.12.2003 – VII R 17/03, BFHE 204, 380 (385), Beschl. v. 18.02.2000 – V B 149/99, BFH/NV 2000, 974 (975), v. 13.01.2006 – VIII B 7/04, BFH/NV 2006, 914 (915) und v. 15.11.2006 – XI B 18/06, BFH/NV 2007, 475; die gegen BFH, Beschl. v. 15.11.2006 – XI B 18/06 eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschl. v. 09.10.2007 – 2 BvR 2633/06, HFR 2007, 1241. 104 BFH, Beschl. v. 29.01.2002 – VIII B 91/01, wistra 2002, 350 (351). 102

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

Finanzbehörden105 und Finanzgerichte können sich aber seit jeher – ebenso wie die Verwaltungsgerichte und -behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich106 – die tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils grundsätzlich zu eigen machen, es sei denn, ein Beteiligter erhebt gegen die strafgerichtlichen Feststellungen substantiierte Einwendungen und macht entsprechende Beweisangebote107. Dies gilt auch dann, wenn das Strafurteil noch nicht rechtskräftig geworden ist108 oder der im Besteuerungsverfahren Beteiligte an dem Strafverfahren nicht beteiligt war, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen ihm gegenüber in ausreichendem Maße bekannt gegeben worden sind109. § 393 Abs. 3 Satz 1 AO110 stellt dies nunmehr auch gesetzlich klar. Hingegen haben Finanzbehörden und -gerichte auch im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO eigene Ermittlungen anzustellen, wenn sich die Straftat aus den Feststellungen des Strafgerichts nicht zweifelsfrei ergibt111. Der Bundesfinanzhof stellt dabei wesentlich auf die Prozessökonomie ab: aus dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 96 FGO sei nicht herzuleiten, dass eine Beweisaufnahme, die vor dem Strafgericht stattgefunden hat, vor dem Steuergericht wiederholt werden müsse112. Im allgemeinen Verwaltungsrecht wird die Verwertbarkeit strafgerichtlicher Erkenntnisse zudem mit den umfassenden Möglichkeiten der Sachaufklärung im Strafprozess113 und den im Strafprozess bestehenden hohen rechtsstaatlichen Anforderungen114 begründet. Hat der Angeklagte vor dem Strafgericht ein Geständnis abgelegt, schließt dies ein, dass er eingeräumt hat, sich der Tat schuldig gemacht zu haben. Davon geht für das finanzgerichtliche Verfahren eine Indizwirkung aus, die nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass er substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, wes-

105

Klein – Brockmeyer, § 88 AO, Rn 15. Kopp/Ramsauer, § 24 VwVfG, Rn 17, 32, m. w. Nachw. 107 BFH, Urt. v. 10.01.1978 – VII R 106/74, BFHE 124, 305, v. 13.07.1994 – I R 112/93, BFHE 175, 489 (491), v. 08.09.2004 – XI R 1/03, HFR 2005, 293, und v. 07.03.2006 – X R 8/05, BFHE 212, 398 (400 f.); Schuhmann, DStZ 1993, 115 (116); Kamps/Wulf, DStR 2003, 2045 (2047). 108 Anders noch BFH, Urt. v. 22.02.1972 – VII R 80/69, BFHE 105, 220 (221), v. 10.10.1972 – VII R 117/69, BFHE 107, 168 (173), die wesentlich auf die Rechtskraft des Strafurteils abstellen. 109 BFH, Urt. v. 14.10.1999 – IV R 63/98, BFHE 190, 37 (44); FG Düsseldorf, Beschl. v. 09.02.2007 – 4 V 54/07 A (VTa, Z, EU), EFG 2007, 701. 110 Eingefügt durch Gesetz v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 111 Vgl. BFH, Beschl. v. 30.07.2009 – VIII B 214/07, BFH/NV 2009, 1824 (1825); FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06.08.2007 – 2 V 316/07, EFG 2007, 1830 (1832). 112 BFH, Urt. v. 18.10.1961 – VII 129/60, HFR 1962, 140 (141) und v. 12.02.1963 – VII 144/61, HFR 1964, 23 (24) – jeweils zu § 278 RAO. Die Anknüpfung an strafrechtliche Feststellungen im finanzgerichtlichen Verfahren ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden, vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.04.1990 – 1 BvR 733/89, HFR 1990, 651. Prozessökonomische Motive sieht auch Schuhmann, DStZ 1993, 115. 113 Kopp/Ramsauer, § 24 VwVfG, Rn 17. 114 Kopp/Ramsauer, § 24 VwVfG, Rn 32. 106

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren

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halb sein Geständnis zu Unrecht abgelegt worden bzw. der ihm vom Strafgericht gemachte Schuldvorwurf unberechtigt ist115.

I. Anforderungen an das Geständnis in Steuerstrafsachen Wohl um diese Präjudizwirkung der strafgerichtlichen Feststellungen für das Besteuerungsverfahren zu vermeiden116, kam es daher vor, dass der Angeklagte nach einer vorangegangenen Höchststrafenabrede in der Hauptverhandlung im Strafverfahren lediglich erklärte, dass er „den Vorwürfen der Anklage nicht entgegentrete“117 bzw. „sich nicht weiter verteidigen“118 werde, ohne jedoch Angaben zur Sache zu machen. In einem Fall verband dies der Angeklagte sogar mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils vor dem Finanzgericht weiterhin entgegenzutreten. Diese Praxis hat der Bundesgerichtshof jedoch zu Recht beanstandet119. Ein bloßer „Verurteilungskonsens“ zwischen Staatsanwaltschaft und Angeklagtem bzw. Verteidiger reicht auch nach einer Höchststrafenabrede als Basis für eine Verurteilung mit tragfähigem Schuldspruch – „selbstverständlich“, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich feststellt – nicht aus. Das Gericht darf seine Überzeugung daher auch im Rahmen einer Höchststrafenabrede nicht etwa in entsprechender Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO allein aus der bloßen Erklärung des Nichtbestreitens schöpfen. Vielmehr gilt auch in diesem Fall der Amtsermittlungsgrundsatz in Verbindung mit dem Grundsatz des in dubio pro reo, nicht das zivilprozessuale Dispositionsprinzip. Das Gericht hat sich dementsprechend eine positive, zweifelsfreie Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auf der Basis eines Geständnisses zu bilden, das die erforderlichen Angaben zum Tatvorwurf enthalten muss. Im Rahmen einer Höchststrafenabrede kann das Geständnis seine Aufgabe, die Beweisaufnahme im Übrigen zu ersetzen, nur erfüllen, wenn es hinreichend substantiiert ausfällt120. Eine Höchststrafen115 BFH, Beschl. v. 21.05.1999 – VII B 37/99, BFH/NV 1999, 1496 und v. 24.04.2006 – VII B 78/05, BFH/NV 2006, 1668 (1671); FG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.10.2007 – 6 K 378/06, EFG 2008, 360 (361); Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 22; als Grund für ein zu Unrecht abgelegtes Geständnis kommt die fehlerhafte Belehrung über dessen außerstrafrechtliche Folgen in Betracht, vgl. BVerwG, Urt. v. 29.11.2000 – 1 D 13/99, BVerwGE 112, 243 (zur Bindungswirkung strafgerichtlicher Feststellungen im Disziplinarverfahren); a.A. Baum, NWB F 2, 9957 (9961 f.), wonach eine strafprozessuale Verständigung grundsätzlich nur Auswirkungen auf den Strafprozess haben soll. 116 Esskandari, DStZ 2006, 717 (720). 117 Vgl. BGH, Beschl. v. 20. 4. 2004 – 5 StR 11/04, wistra 2004, 274 (276). 118 Vgl. BGH, Beschl. v. 13. 12. 2005 – 5 StR 427/05, wistra 2006, 110. 119 BGH, Beschl. v. 20.04.2004 – 5 StR 11/04, wistra 2004, 274 und v. 13.12. 2005 – 5 StR 427/05, wistra 2006, 110; anders noch BGH, Urt. v. 10.06.1998 – 2 StR 156/98, NJW 1999, 370. 120 Nehm, StV 2007, 549 (550), der auch ein Formalgeständnis nicht für ausreichend hält; a.A. BGH, Beschl. v. 20.04.2004 – 5 StR 11/04, wistra 2004, 274, wonach ein auch nur „schlankes“ Geständnis ausreichen kann.

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

abrede im Steuerstrafverfahren setzt daher zwingend voraus, dass der Angeklagte Angaben macht und dabei in Kauf nimmt, dass diese ihm gegebenenfalls im Besteuerungsverfahren entgegengehalten werden können. Vor diesem Hintergrund erscheint im Übrigen auch die in der Literatur verbreitete Bezeichnung der Höchststrafenabrede als „konsensuale“ Verfahrensweise121 zunächst problematisch, da über den Konsens der Beteiligten hinaus die (aktive) Kooperation des Angeklagten durch Ablegen eines hinreichend substantiierten Geständnisses erforderlich ist. Sie hat jedoch ihre Berechtigung im Hinblick darauf, dass zum einen der Konsens regelmäßig in die Kooperation münden, zum anderen die Kooperation häufig Ergebnis eines zuvor erzielten Konsenses sein wird. Dies gilt für Höchststrafenabreden und die in ihrer Folge ergangenen Urteile ebenso wie für andere strafprozessuale oder auch steuerliche Verständigungen und die in ihrer Umsetzung erreichten Verfahrensabschlüsse. Insofern sind die Ausdrücke der „konsensualen“ und der „kooperativen“ Verfahrensweise letztlich synonym.

II. Unbeachtlichkeit des Widerrufs des Geständnisses Die Wirkungen des strafprozessualen Geständnisses für das Besteuerungsverfahren lassen sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durch bloßes Widerrufen grundsätzlich nicht beseitigen. Der Widerruf eines Geständnisses ist demnach kein substantiierter Angriff gegen die Grundlagen eines Strafurteils, wenn eine plausible Erklärung für die zu Unrecht vorgenommene Ablegung nicht gegeben wird. So sei etwa die bloße Absicht, die Verfahrensdauer abzukürzen, kein Grund, Straftaten einzugestehen, die zur Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe geführt haben. Zwar möge es sein, dass ein Angeklagter für ihn ungünstige Feststellungen über den Tatumfang im Einzelfall hinnimmt, um eine Verkürzung der Verfahrensdauer zu erreichen. Wenn der Steuerpflichtige aber nicht näher angegeben hat, welche genauen Tatsachen zu Unrecht eingestanden wurden, könne seine Einlassung nur als schlichtes Bestreiten gewertet werden, das nicht geeignet ist, Zweifel an den Feststellungen des Strafgerichts aufkommen zu lassen122. In einem weiteren Beschluss entschied der Bundesfinanzhof, die Behauptung, in einem Steuerstrafverfahren sei ein Geständnis nur abgelegt worden, „um Ruhe zu bekommen“, erscheine angesichts der mehrjährigen Freiheitsstrafe, die dem Kläger im Falle der strafgerichtlichen Verurteilung drohte, nicht nachvollziehbar123. 121

Vgl. z. B. Weigend, NStZ 1999, 57; Salditt, ZStW 115 (2003), 570; Altenhain/Haimerl, GA 2005, 381; Harms, Nehm-FS, S. 413. 122 BFH, Beschl. v. 22.03.1988 – VII B 193/87, BFH/NV 1988, 722 (723) und v. 19.10.1995 – VII B 118/95, BFH/NV 1996, 291 (292); FG Münster, Urt. v. 26.11.2004 – 9 K 5436/98 U, juris, in EFG 2005, 1009 insoweit nicht abgedruckt. 123 BFH, Beschl. v. 19.10.1995 – VII B 118/95, BFH/NV 1996, 291 (292); vgl. aber BFH, Beschl. v. 30.07.2009 – VIII B 214/07, BFH/NV 2009, 1824 (1825), wo im konkreten Fall entgegen der Entscheidung des Finanzgerichts (FG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.10.2007 – 6 K

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren

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Das Finanzgericht Münster hat in einer jüngeren Entscheidung unter Bezugnahme auf diese Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ausgeführt, die bloße Absicht, die Verfahrensdauer abzukürzen, sei kein Grund, Straftaten einzugestehen, die zur Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe geführt haben124. Sowohl der Bundesfinanzhof als auch, ihm folgend, das Finanzgericht Münster haben an diesen Thesen keinerlei Zweifel erkennen lassen, keine Ausnahmen von ihrer Geltung vorgesehen und sie somit als allgemeine Erfahrungssätze angewandt. Allgemeine Erfahrungssätze sind jedermann zugängliche Sätze, die nach allgemeiner Erfahrung unzweifelhaft und ausnahmslos gelten125. Sie müssen in den Erwägungen nicht leitsatzartig ausformuliert sein, es genügt, wenn sie den Urteilsgründen dem Inhalt nach zu entnehmen sind126. Das Finanzgericht ist in seiner Beweiswürdigung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO frei. Die Beweiswürdigung des Finanzgerichts ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren weitgehend entzogen. Sie ist auch revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist127. Die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze stehen revisionsrechtlich den Rechtsnormen gleich128. Die richterliche Überzeugungsbildung bei der Würdigung der festgestellten Tatsachen ist in aller Regel nicht eindeutig von der Anwendung materiellen Rechts zu trennen. Das gilt insbesondere für die Anwendung von Erfahrungssätzen. Fehler, die dem Gericht bei ihrer Anwendung unterlaufen, sind regelmäßig Subsumtionsfehler, denn das Tatsachengericht subsumiert den Sachverhalt unter die allgemeinen Erfahrungssätze, wie es unter die Normen des materiellen Rechts subsumiert129. Die richtige Anwendung allgemeiner Erfahrungssätze gehört somit zur Rechtsanwendung130, sie unterliegt daher der revisionsgerichtlichen Kontrolle131. Auch die Annahme der Unbeachtlichkeit des Widerrufs eines strafgerichtlichen Geständnisses im Besteuerungsverfahren unterliegt daher insoweit

378/06, EFG 20008, 360) der Hinweis auf eine strafprozessuale Verständigung nach Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung für beachtlich gehalten wurde. 124 FG Münster, Urt. v. 26.11.2004 – 9 K 5436/98 U, juris, in EFG 2005, 1009 insoweit nicht abgedruckt. 125 BFH, Urt. v. 25.02.1993 – V R 35/89, BFHE 171, 100 (102); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 118 FGO, Rn 183; Gräber – Ruban, § 118 FGO, Rn 28. 126 BFH, Beschl. v. 23.04.1992 – VIII B 49/90, BFHE 167, 488 (490). 127 BFH, Urt. v. 04.09.2003 – V R 9, 10/02, BFHE 203, 389 (394), und v. 02.12.2003 – VII R 17/03, BFHE 204, 380 (385); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 118 FGO, Rn 150; Gräber – Ruban, § 118 FGO, Rn 30. 128 BFH, Beschl. v. 23.04.1992 – VIII B 49/90, BFHE 167, 488; Gräber – Ruban, § 115 FGO, Rn 83. 129 BFH, Urt. v. 14.03.1989 – VII R 75/85, BFHE 156, 66 (69) und Beschl. v. 23.04.1992 – VIII B 49/90, BFHE 167, 488 (490 f.). 130 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 118 FGO, Rn 180. 131 BFH, Urt. v. 20.07.1999 – VII R 111/98, BFHE 189, 280 (288); Beermann/Gosch – Schmidt-Troje, § 96 FGO, Rn 37; Gräber – Ruban, § 118 FGO, Rn 28.

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

der revisionsgerichtlichen Kontrolle, sie wäre rechtsfehlerhaft, wenn die zugrunde gelegten Erfahrungssätze in Wirklichkeit nicht existierten.

III. Probleme der Verwertung konsensualer Urteile Es stellt sich allerdings die Frage, ob die soeben dargestellte Rechtsprechung überhaupt auf die Fälle der Höchststrafenabrede übertragen werden kann. Das Finanzgericht München hat es bereits ausdrücklich abgelehnt, die als Ergebnis einer Höchststrafenabrede strafgerichtlich festgestellten Hinterziehungsbeträge auch für das Besteuerungsverfahren heranzuziehen132. Des Weiteren ergingen die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Verwertung der Feststellungen konsensualer Urteile vor der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Höchststrafenabrede im Strafprozess, so dass fraglich ist, ob sie der heutigen Rechtswirklichkeit noch entsprechen.

1. Keine besondere Bindungswirkung des konsensualen Urteils Der Rechtsprechung des Finanzgerichts München lag ein Fall zugrunde, in dem sich ein Steuerpflichtiger auf das Ergebnis einer Höchststrafenabrede berief, um den Ansatz höherer Betriebseinnahmen in einem Steuerfahndungsbericht anzugreifen. Das Finanzgericht München sah sich an der Übernahme der dem strafgerichtlichen Verfahren zugrunde gelegten Beträge gehindert, da diese nicht im Einzelnen ermittelt worden seien, sondern sich die Beteiligten jeweils auf bestimmte Werte geeinigt hätten. Es verneinte eine Bindung der Finanzbehörde an die Höchststrafenabrede, da diese den an eine bindende tatsächliche Verständigung zu stellenden Anforderungen nicht entsprach, insbesondere kein für die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt war133. Stattdessen folgte es dem aus seiner Sicht nachvollziehbaren und aufgrund einer Analyse der Kontobewegungen konkret belegten Ansatz der Betriebseinnahmen durch die Steuerfahndung. Indem das Finanzgericht München zwischen Höchststrafenabrede und tatsächlicher Verständigung unterscheidet, hat es zunächst klargestellt, dass dem konsensualen Urteil gegenüber dem „streitigen“ Urteil grundsätzlich keine stärkere Wirkung zukommt. Unklar bleibt allerdings, ob sich das Finanzgericht München an der Übernahme der tatsächlichen Feststellungen nur im konkreten Einzelfall gehindert sah oder ob es den Erfahrungssatz, die bloße Absicht, die Verfahrensdauer abzukürzen, sei kein Grund, Straftaten einzugestehen, die zur Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe geführt haben, generell ablehnt, und daher den Ver132

FG München, Urt. v. 11.09.2007 – 6 K 5354/04, juris, und Beschl. v. 27.09.2005 – 6 V 840/05, juris; beide Entscheidungen betrafen den gleichen Sachverhalt. 133 Vgl. zu dieser Voraussetzung unten 4. Kapitel, C. I.

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren

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weis auf eine vorangegangene Höchststrafenabrede für ausreichend hält, die Indizwirkung des Strafurteils zu erschüttern. Gerade die Knappheit der Ausführungen des Finanzgerichts München spricht allerdings dafür, dass das Finanzgericht München nicht von einem vom Bundesfinanzhof in zwei Entscheidungen angewandten Erfahrungssatz abweichen wollte.

2. Gültigkeit des Erfahrungssatzes der Rechtsprechung bei Höchststrafenabreden Die beiden oben134 angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ergingen jedoch vor der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Höchststrafenabrede im Strafverfahren vom 28.08.1997135, auch bezogen sie sich jeweils auf Fälle, in denen mehrjährige Freiheitsstrafen, deren Aussetzung zur Bewährung nicht mehr in Betracht kam, verhängt wurden. Der von der Rechtsprechung aufgestellte Erfahrungssatz betrifft daher von vornherein nicht Fälle, in denen lediglich eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verhängt wurden. Die Kurzformel „Geständnis gegen zwei Jahre auf Bewährung“ soll aber gerade charakteristisch für eine vergleichsweise hohe Anzahl von Höchststrafenabreden sein136. Speziell zum Steuerstrafrecht hat der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung ausgeführt, dass eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe bei Vorliegen „besonders gewichtiger Milderungsgründe“ auch noch bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe in Betracht kommt137. Für den Angeklagten selbst wird die Frage nach der Aussetzung einer absehbaren Freiheitsstrafe zur Bewährung nahe liegend oftmals von größerer Bedeutung sein als die exakte Höhe der Freiheitsstrafe, bezüglich derer er im Falle der Aussetzung zur Bewährung ohnehin davon ausgeht, sie doch nicht antreten zu müssen. Vor die Wahl zwischen einem umfassenden Geständnis und einer „streitigen“ Hauptverhandlung gestellt, erscheint es daher ohne weiteres nachvollziehbar, dass ein Angeklagter auch wider besseres Wissen ein zu hohes Hinterziehungsvolumen einräumt, um sich die strafmildernde Wirkung des Geständnisses in vollem Umfang zu sichern und eine ansonsten zumindest abstrakt drohende zu vollziehende Freiheitsstrafe zu vermeiden. Auch sofern es um zu vollziehende Freiheitsstrafen geht, erscheint die Gültigkeit des von der Rechtsprechung angenommen Erfahrungssatzes zweifelhaft. 134

Unter II. BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195. 136 Rönnau, Absprache, S. 87; Sauer, Rn 200; Harms, Nehm-FS, S. 289 (294); Küpper/Bode, Jura 1999, S. 400. Speziell für Steuerstrafsachen z. B. BGH, Beschl. v. 04.07.1990 – 3 StR 121/89, BGHSt 37, 99 (100), BGH, Beschl. v. 9.Juni 2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 427; vgl. auch Hamm, NJW-Editorial 41/2005, zu einer entsprechenden Initiative des Gerichts in dem Steuerstrafverfahren gegen Max Josef Strauß. 137 BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (86). 135

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

Soweit den strafgerichtlichen Feststellungen für das Besteuerungsverfahren Indizwirkung zukommt, sind grundsätzlich nicht nur die Feststellungen als solche, sondern auch diejenigen Umstände ihres Zustandekommens zu würdigen, die für ihre Verlässlichkeit von Bedeutung sein können. Durch die seit den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zwischenzeitlich ergangenen Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichts vom 28.08.1997 und vom 03.03.2005138 hat sich die rechtliche Bewertung von Höchststrafenabreden in der Praxis gewandelt, mittlerweile ist durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren eine Kodifizierung erfolgt. Dabei wurde der Strafausspruch teilweise von den Feststellungen zum Tat- und Schuldvorwurf gelöst und mit dem Verteidigungsverhalten des Angeklagten verknüpft. Das natürliche Interesse der Beteiligten an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Sachaufklärung ist dementsprechend reduziert139. In Steuerstrafsachen kann es für den Angeklagten vorteilhaft sein, die Anklagevorwürfe pauschal einzuräumen, und eine vergleichsweise milde konsensuale Strafe hinzunehmen, anstatt ihnen der Höhe nach entgegenzutreten, wenn er nach „streitiger“ Hauptverhandlung zwar für geringere Hinterziehungsbeträge, aber zu einer vergleichsweise harten und absolut höheren Strafe verurteilt würde. Das abzulegende Geständnis ist lediglich Verhandlungsmasse zur Erzielung eines möglichst günstigen Strafmaßes140. Ein „taktisches“ Geständnis kann nicht nur im Hinblick auf die für diesen Fall in Aussicht gestellte Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelegt werden. Die Konfrontation mit der „Sanktionenschere“, der Diskrepanz zwischen dem für den Fall einer Höchststrafenabrede und dem für den Fall „streitiger“ Verhandlung in Aussicht gestellten Strafmaß, wirkt vielmehr gerade auch dann, wenn die Aussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB nicht mehr in Betracht kommt. In einer jüngeren Untersuchung berichteten 47,5 % der befragten Strafverteidiger mit Erfahrungen im Wirtschaftsstrafrecht, dass die für ein „streitiges“ Vorgehen in Aussicht gestellten Strafen teilweise mehr als ein Drittel über den konsensual erzielbaren lagen. 57,3 % aller Befragten – neben 50 Strafverteidigern auch die gleiche Anzahl von Staatsanwälten mit wirtschaftsstrafrechtlichen Dezernaten sowie alle Vorsitzenden Richter an Wirtschaftsstrafkammern in Nordrhein-Westfalen – meinten, dass die typische Reaktion des (bis dahin bestreitenden oder schweigenden Angeklagten) auf die Sanktionenschere im Einlenken und Rückzug auf eine Strafmaßverteidigung bestehe141. Dabei berichteten 48 % der befragten Strafverteidiger, sie hätten es schon einmal erlebt, dass ihr Mandant unter dem Eindruck einer Sanktionenschere einen Tatverdacht einräumte, von dessen Berechtigung sie selbst aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht überzeugt waren142. Diese 138

BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40. Vgl. ausführlich oben B.II. 140 Weigend, BGH-FG, S. 1011 (1014); Hamm, Meyer-Goßner-FS, S.33 (42 f.); ähnlich auch von Röckl, S. 116, 141 Altenhain/Hagemeier/Haimerl, NStZ 2007, 71 (73). 142 Altenhain/Hagemeier/Haimerl, NStZ 2007, 71 (77). 139

C. Bedeutung der Höchststrafenabrede für das Besteuerungsverfahren

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Erkenntnisse unterstützen die bereits früher geäußerte Einschätzung, dass durch die Anwendung der „Sanktionenschere“ der „letzte Rest an Richtigkeitsgewähr“ verloren gehe143 und an der Richtigkeit der Angaben, die unter dem Eindruck einer „Sanktionenschere“ gemacht werden, „in jedem Fall Zweifel angebracht sind“144. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied bereits 1997, der Widerruf eines Geständnisses, das der Angeklagte nach einer Absprache mit dem Gericht nur abgelegt hat, um eine angekündigte höhere Bestrafung zu verhindern und dafür die in Aussicht gestellte Verschonung vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft zu erreichen, könne ein Grund für die Wiederaufnahme des nach absprachegemäßem Rechtsmittelverzicht rechtskräftig beendeten Verfahrens sein145. In dem zugrunde liegenden Fall waren zu vollziehende Freiheitsstrafen verhängt worden, wenn man dem Oberlandesgericht Stuttgart folgt, ist der vom Bundesfinanzhof angewandte allgemeine Erfahrungssatz widerlegt. Nach alledem wird die Höchststrafenabrede nicht nur dem Leitbild des Strafprozesses, mit dem im allgemeinen Verwaltungsrecht die Indizwirkung strafgerichtlicher Feststellungen begründet wird, kaum gerecht. Die Annahme, die bloße Absicht, die Verfahrensdauer abzukürzen, sei kein Grund, Straftaten einzugestehen, die zur Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe geführt haben146, ist nicht mehr unzweifelhaft, von einem Oberlandesgericht wurde ihr bereits ausdrücklich widersprochen. Damit ist zumindest ein Merkmal für die Gültigkeit eines allgemeinen Erfahrungssatzes entfallen, ein allgemeiner Erfahrungssatz dieses Inhalts dürfte daher richtigerweise nicht mehr angewandt werden. Für die Frage, ob den Feststellungen eines konsensualen Strafurteils eine Indizwirkung für ein Besteuerungsverfahren zukommen kann, ist auf den Inhalt und das Zustandekommen der Verständigung im Einzelfall abzustellen.

3. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Gegen die unkritische Verwertung der tatsächlichen Feststellungen konsensualer Strafurteile im Besteuerungsverfahren spricht auch der Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bindungswirkung strafgerichtlicher Feststellungen im Disziplinarrecht. Danach bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit strafgerichtlicher Feststellungen, wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Eine solche offenkundige Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ist gegeben, wenn sie sich nach einer Höchststrafenabrede 143

Vgl. Salditt, ZStW 115 (2003), 570 (577, 579). Weigend, NStZ 1999, 57 (62). 145 OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.11.1997 – 1 Ws 199/97, NJW 1999, 375. 146 FG Münster, Urt. v. 26.11.2004 – 9 K 5436/98 U, juris, in EFG 2005, 1009 insoweit nicht abgedruckt, unter Bezugnahme auf BFH, Beschl. v. 22.03.1988 – VII B 193/87, BFH/NV 1988, 722 (723) und v. 19.10.1995 – VII B 118/95, BFH/NV 1996, 291 (292). 144

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2. Kap.: Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren

lediglich auf pauschale Formalgeständnisse stützen, die über die Verteidiger abgelegt wurden und deren Wahrheitsgehalt vom Gericht nicht überprüft wurde147. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit anerkannt, dass unter diesen Umständen – die für eine Vielzahl von Höchststrafenabreden charakteristisch sein dürften148 – mit der besonderen Richtigkeitsgewähr, die vom tradierten Strafverfahren ausging, auch die Legitimation entfallen ist, die tatsächlichen Feststellungen eines strafgerichtlichen Urteils anderen gerichtlichen Entscheidungen zugrunde zu legen.

IV. Zwischenergebnis Die Finanzgerichte sind an die Feststellungen der Strafgerichte nicht gebunden, können sie sich allerdings unter bestimmten Voraussetzungen zu Eigen machen. Derartige Feststellungen zum Tatvorwurf, also auch zu den verwirklichten Besteuerungstatbeständen, müssen die Strafgerichte auch bei Höchststrafenabreden treffen. Der Widerruf eines Geständnisses unter Verweis auf eine vorangegangene Höchststrafenabrede ist nach einem vom Bundesfinanzhof anerkannten allgemeinen Erfahrungssatz grundsätzlich nicht geeignet, die Indizwirkung der aufgrund dieses Geständnisses getroffenen Feststellungen in Frage zu stellen. Dieser Erfahrungssatz steht allerdings mit der Rechtswirklichkeit strafprozessualer Verständigungen nicht im Einklang. Die besondere Richtigkeitsgewähr strafgerichtlicher Feststellungen ist bei auf Verständigungen bzw. Absprachen beruhenden Urteilen vielfach erschüttert. Daher können die Feststellungen auf Verständigungen bzw. Absprachen beruhender Urteile im Besteuerungsverfahren richtigerweise nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls und, soweit sie maßgeblich auf dem Geständnis des Angeklagten beruhen, nur nach einer Überprüfung anhand weiterer Indizien berücksichtigt werden.

D. Zusammenfassung D. Zusammenfassung

Höchststrafenabreden sind dem herkömmlichen deutschen Strafprozessrecht zwar grundsätzlich fremd, von Verfassungs wegen aber nicht generell ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat im Wege richterlicher Rechtsfortbildung eine Verfahrensordnung für Höchststrafenabreden im Strafverfahren entwickelt, die auch dem nunmehr in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren zugrunde liegt. Hierdurch entfallen zwar die Zweifel an der Zulässigkeit der richterlichen Rechtsfortbildung, nicht aber die Verpflichtung der Justiz auf die „Idee der Gerechtigkeit“ als objektiven Maßstab und zur Gewährleistung der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Angeklagten. Dabei 147 148

Vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.2007 – 2 WD 3/06, BVerwGE 128, 189 (191 ff.), m. w. Nachw. Vgl. oben B. I.

D. Zusammenfassung

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bedeuten Höchststrafenabreden eine Entwertung überlieferter verfahrensmäßiger Richtigkeitsgarantien, so dass ungeachtet der gesetzlichen Regelung rechtsstaatliche Bedenken fortbestehen, die mit Blick auf eine eventuelle Gesamtbereinigung nicht vernachlässigt werden können. Eine Mitwirkung der Finanzbehörde bei einer Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren ist grundsätzlich nicht erforderlich. Mit Rücksicht auf die eingeschränkte Richtigkeitsgewähr konsensualer Urteile bestehen entgegen der bisherigen Rechtsprechung Bedenken gegen eine Übernahme der tatsächlichen Feststellungen konsensualer Urteile im Besteuerungsverfahren. 3

3. Kapitel

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Die Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren 3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren Aus Sicht der Strafverteidiger kommt in Steuerstrafsachen dem Ermittlungsverfahren besondere Bedeutung zu: Die „Zauberformel des Steuerstrafrechtlers“ sei „Verständigung ohne Hauptverhandlung“1. Dementsprechend stellt sich nicht erst in der Hauptverhandlung, sondern auch und gerade im Ermittlungsverfahren die Frage nach einer Verständigung2. Mit der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO und dem Strafbefehlsverfahren der §§ 407 ff. StPO hat der Gesetzgeber seit langem Möglichkeiten geschaffen, Strafverfahren mit ausdrücklicher bzw. stillschweigender Zustimmung des Beschuldigten ohne Hauptverhandlung zu beenden. Neben diesen gesetzlich vorgesehenen Fällen sind allerdings auch Konstellationen denkbar, in denen die Verfahrensbeteiligten sich im Zusammenhang mit der Durchführung des Ermittlungsverfahrens bemühen, Verständigungen bereits für den Verlauf des Hauptverfahrens und den weiteren Verfahrensverlauf zu treffen. Im Folgenden soll zunächst auf die Möglichkeit einer Beendigung des Steuerstrafverfahrens nach § 153a StPO oder durch Erlass eines Strafbefehls und die hiergegen geltend gemachten Bedenken eingegangen werden, sodann auf die dabei zu beachtenden steuerstrafverfahrensrechtlichen Aspekte und schließlich auf ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit „informellen“ Absprachen.

A. Praktische Bedeutung A. Praktische Bedeutung

Aus Sicht von Steuerstrafverteidigern gilt, wie bereits eingangs angedeutet, der Abschluss des Strafverfahrens durch Einstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO oder im Strafbefehlsverfahren, §§ 407 ff. StPO, als optimal3. Beide ermöglichen regelmäßig eine endgültige Erledigung des Strafverfahrens ohne Hauptverhandlung, da der Strafbefehl, abgesehen von dem Fall des § 373a StPO, gemäß § 410 Abs. 3 StPO volle Rechtskraft entfaltet und die Einstellung gemäß § 153a StPO zum beschränkten Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO führt, so dass 1

Randt, Steuerfahndungsfall, Einleitung, Rn 3. Füllsack, S. 93; Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 514. 3 Joecks, Praxis, S. 170, 195; Randt, Steuerfahndungsfall, Einleitung, Rn 3; Sauer, Rn 19; Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 911, 926; Schmidt, StuW 1998, S. 278 (280). 2

A. Praktische Bedeutung

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sie trotz der Pflicht zur Erfüllung der Auflage gegenüber der Einstellung gemäß § 398 AO bzw. § 153 StPO als vorzugswürdig gilt4. Die Rechtsprechung hat zwar in einer Entscheidung auch bei einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153 StPO einen beschränkten Strafklageverbrauch angenommen5, diese Entscheidung ist aber in der Literatur auf Kritik gestoßen6 und bezieht sich auch nur auf Einstellungen durch das Gericht gemäß § 153 Abs. 2 Satz 1 StPO. Weite Teile der Lehre und Praxis lehnen daher in Fällen der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 153 Abs. 1 StPO angesichts der unterschiedlichen Regelungen in § 153 StPO einerseits und § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO andererseits einen Strafklageverbrauch weiterhin zu Recht ab7. Der Anwendungsbereich des § 153 StPO bzw. des § 398 AO ist darüber hinaus auch deswegen begrenzt, weil beide Vorschriften eine „geringe“ Schuld voraussetzen, während eine Einstellung gemäß § 153a StPO nur erfordert, dass die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.

I. Anwendungsbereich und Bindungswirkung bei Strafverfahren wegen § 370 AO Dementsprechend wird den Verfahrenseinstellungen nach § 153a StPO, insbesondere § 153a Abs. 1 StPO, in Steuerstrafverfahren eine ganz erhebliche praktische Bedeutung zugemessen8 und auch behauptet, nur eine Minderheit der Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ende mit einer Anklageerhebung9 bzw. Steuerstrafverfahren würden, sofern sie nicht eingestellt würden, überwiegend im Strafbefehlsverfahren gemäß §§ 407 ff. StPO erledigt10. Diese Einschätzung wird gestützt durch die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage aus dem Jahr 2008. Danach wurden im Jahr 2000 86128 Steuerstrafverfahren von den Finanzämtern abgeschlossen, davon 24471 durch Ein4 Joecks, Praxis, S. 186; v. Briel/Ehlscheid, Rn 331; Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (687). 5 BGH, Beschl. v. 26.08.2003 – 5 StR 145/03, NJW 2004, 375; ebenso Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153 StPO, Rn 91. 6 Vgl. Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153 StPO, Rn 38; Heghmanns, NStZ 2004, 633. 7 Vgl. AStBV(St) 2009 Nr. 77 Abs. 4; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 398 AO, Rn 42; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 398 AO, Rn 34; Klein – Gast-de Haan, § 399 AO, Rn 90; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 227; Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 451; Wannemacher – Gotzens, Rn 4738. 8 v. Briel/Ehlscheid, Rn 329; Tipke/Lang – Seer, § 24, Rn 37; Flore/Dörn/Gillmeister – Flore, S. 62; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 228; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (551); Dörn, wistra 2002, 170; kritisch gegenüber einer vermeintlich zu großzügigen Einstellungspraxis der Finanzbehörden Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 164; Harms, Nehm-FS, S. 289 (294 f.); Woring, DStZ 1996, 459 (460). 9 Flore/Dörn/Gillmeister – Flore, S. 37; Kaligin, DStZ 2003, 452. 10 Tipke/Lang – Seer, § 24, Rn 43; Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 9; die Bedeutung des Strafbefehlsverfahrens wird künftig möglicherweise noch weiter zunehmen, vgl. die Gesetzesinitiative des Freistaats Bayern und der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen, BR-Drs. 660/06, und Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 5.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

stellung gemäß § 153a StPO, hingegen nur 15158 Steuerstrafverfahren von Gerichten und Staatsanwaltschaften, im Jahr 2006 57032 Steuerstrafverfahren von den Finanzämtern, davon 19942 durch Einstellung gemäß § 153a StPO, hingegen nur 14056 Steuerstrafverfahren von Gerichten und Staatsanwaltschaften. Von den von Gerichten und Staatsanwaltschaften abgeschlossenen Steuerstrafverfahren endeten im Jahr 2000 50,37 %, im Jahr 2006 immerhin noch 36,43 % durch Einstellung11. Sowohl die Einstellung gemäß § 153a StPO als auch das Strafbefehlsverfahren gemäß §§ 407 ff. StPO sind von vornherein auf einen konsensualen Abschluss des Strafverfahrens hin ausgerichtet, entweder durch ausdrückliche Zustimmung und Mitwirkung (§ 153a StPO) oder zumindest durch bewusste Hinnahme (§ 410 Abs. 3 StPO)12. Daher sind vorhergehende Sondierungsgespräche, die von beiden Seiten ausgehen können, nahe liegend13. Dies gilt allgemein für Einstellungen nach § 153a StPO14 und trotz § 407 Abs. 3 StPO auch für das Strafbefehlsverfahren, zumindest in Steuerstrafsachen15.

1. Weiter Anwendungsbereich konsensualer Erledigungsformen Nur selten ist in Steuerstrafverfahren wegen der Schwere der Schuld eine Erledigung nach § 153a StPO ausgeschlossen und eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt, so dass auch eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren ausscheidet16. Während 2006 immerhin 19,3 % aller Strafverfahren mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe endeten, war dies nur bei 11,1 % aller Steuerstrafverfahren einschließlich Zollstraftaten der Fall17. Die Strafzumessung der Finanzbehörden bei Anträgen auf Erlass eines Strafbefehls ist durch AStBV(St) 2009 Nr. 147 ff., insbesondere Nr. 149 Abs. 1, und die daran anknüpfenden Verfügungen der Mittelbehörden geprägt. Sie orientiert sich ebenso vorrangig am Hinterziehungs11

BT-Drs. 16/8661, S. 5 (Tabelle 7). Vgl. Karlsruher Kommentar – Pfeiffer/Hannich, Einl, Rn 29b, für das Strafbefehlsverfahren bereits Kommission für die Reform des Strafprozesses, Bd. 1, S. 315. 13 Böttcher/Mayer, NStZ 1993, 153 (156, 158); Weyand, NWB Fach 13, 765 (766 f.); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11629). 14 Schmidt-Hieber, Verständigungen, Rn 57; Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 42; Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153a StPO, Rn 29 ff.; Simon/Vogelberg – Simon, S. 351; Weyand, NWB Fach 13, 765 (766 f.). 15 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 400 AO, Rn 15; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 6; Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 15; Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 929; Kuhn/Weigell – Weigell, Rn 458; Wannemacher – Gotzens, Rn 4779; Harms, Nehm-FS, S. 289 (294); Keller/Schmid, wistra 1984, 201 (208); allgemein SchmidtHieber, Verständigungen, Rn 74 ff. 16 Vgl. Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 245, wonach ein großer Teil der Steuerkriminalität „jedenfalls“ in den Strafrahmen des Strafbefehlsverfahrens fällt und Sauer, Rn 130, wonach „bei einer großen Zahl“ von Steuerstrafverfahren eine Einstellung gemäß § 153a StPO möglich ist. 17 Vgl. BT-Drs. 16/8661, S. 2 (Tabelle 1); in der zugrunde liegenden Statistik wurde allerdings jeweils nur die Verurteilung wegen des schwersten Deliktes erfasst. 12

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volumen18 wie die in ständiger Rechtsprechung konkretisierte Strafzumessungspraxis der Tatgerichte, obgleich regional höchst unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden19. Auch der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung zum Steuerstrafrecht die Höhe des Hinterziehungsbetrags als Strafzumessungsumstand von besonderem Gewicht hervorgehoben, wobei der gesetzlichen Vorgabe des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO maßgebliche Bedeutung zukommt20. Gleichwohl ist das Hinterziehungsvolumen – die „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ – nur eines der in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB beispielhaft aufgezählten Strafzumessungsmerkmale. Die starre Anwendung rein mathematischer Strafzumessungsregeln im Zeichen eines vermeintlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes21 führt daher vielfach zu unangemessenen Sanktionen22. Auch wenn nach rein mathematischen Strafzumessungsgrundsätzen eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt wäre, wird daher eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren oder günstigstenfalls sogar durch Einstellung gemäß § 153a StPO nicht für von vornherein ausgeschlossen gehalten23. Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls wird in der Literatur ein Hinterziehungsvolumen von 500.000 _ als Obergrenze für die Einstellung gemäß § 153a StPO, ein Hinterziehungsvolumen von 750.000 _ als Obergrenze für die Erledigung im Strafbefehlsverfahren genannt24. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner bereits erwähnten Grundsatzentscheidung zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung zwar ausgeführt, dass im Hinblick auf § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhän18 Tipke/Lang – Seer, § 23, Rn 71; Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 105; vgl. z. B. Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 1075 ff. und der bei Schäfer, Strafzumessung, Rn 1032 ff. abgedruckte Erlass; krit. zu der schematischen Anwendung dieser „Strafzumessungstabellen“ Dannecker, Finanzstrafrecht 2007, 35 (48); Weyand, wistra 1994, 89, Fn 36; Weyand, wistra 2008, 214 (215), jeweils m. w. Nachw. 19 Joecks, Praxis, S. 59, Schäfer, Strafzumessung, Rn 1017, 1030 ff. und Blumers, wistra 1987, 1 berichten übereinstimmend, ab einem Hinterziehungserfolg von 1 Million DM, nunmehr 500.000 _, sei auch unter günstigen Voraussetzung eine Freiheitsstrafe zu erwarten, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden dürfte. Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 143 sieht diese Grenze mittlerweile regelmäßig bei einem Hinterziehungserfolg von 1 Million _; nach Weyand, NWB Fach 13, 765 (767) droht bereits ab einem Hinterziehungsvolumen von 100.000 DM eine Freiheitsstrafe; vgl. aber BGH, Urt. v. 07.11.2006 – 5 StR 164/06, wistra 2007, 112: zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren trotz festgestellter Lohnsteuerhinterziehung im Umfang von 1, 1 Millionen _ und Lohnsteuernachforderungen von über 9 Millionen _ bei einem Verein der 1. Fußball-Bundesliga; zur Sanktionspraxis in Steuerstrafsachen in Deutschland auch Dannecker, Finanzstrafrecht 2007, 35 (54). 20 BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (81 ff.). 21 Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 105; Blumers, wistra 1987, 1 (4 f.). 22 BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (81); Meine, Rn 121; Burkhard, S. 165 f.; Weyand, wistra 1994, 87 (89; dort Fn. 36); a.A. Böttcher/Mayer, NStZ 1993, 153 (156). 23 Schmidt-Hieber, Verständigungen, Rn 45; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 143; Flore/ Dörn/Gillmeister – Dörn, S. 342; krit. Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467 f.). 24 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 99, 143; vgl. aber Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 453: für„fünfstellige Schadensbeträge“ Einstellung gemäß § 153a StPO nur noch unter günstigen Umständen.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

gung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von „gewichtigen“ Milderungsgründen noch schuldangemessen sein wird, andererseits aber auch nicht ausgeschlossen, dass selbst Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe ausnahmsweise noch zur Erledigung im Strafbefehlsverfahren geeignet sein können25. Die Steuernachzahlung stellt dabei schon im Hinblick auf die Wertung des Gesetzgebers im Fall einer Selbstanzeige (§ 371 AO) einen wesentlichen Strafmilderungsgrund dar26, der den Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens entsprechend erweitert27. Sie ist von den Finanzbehörden nicht nur gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 150 Nr. 3 a) bei Anträgen auf Erlass eines Strafbefehls und gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 78 Abs. 1 Satz 3 bei der Beurteilung der Schwere der Schuld im Rahmen des § 153a StPO zu berücksichtigen, sondern auch als Auflage im Rahmen des § 153a StPO nahe liegend und in AStBV(St) 2009 Nr. 78 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich vorgesehen. Im Übrigen sind die vom Bundesgerichtshof genannten Wertgrenzen, auch wenn dies aus der Entscheidung nicht eindeutig hervorgeht, jeweils auf die konkrete Einzeltat im Sinne des § 52 StGB zu beziehen28. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass eine eventuelle Gesamtstrafenbildung nach § 54 StGB auf der Grundlage der Einzelstrafen zu erfolgen hat. Wären die Ausführungen des Bundesgerichtshofs auf die Gesamtstrafenbildung zu beziehen, hätten sie zumindest auch auf die zugrunde liegenden Einzelstrafen eingehen müssen, was gerade nicht der Fall ist. Auch bei einem Gesamthinterziehungsvolumen von mehreren Millionen _ kann daher in besonders gelagerten Einzelfällen noch eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO in Betracht kommen29.

2. Bindungswirkung von Verständigungen und konsensualen Erledigungsformen Obwohl also im Vorfeld einer Einstellung gemäß § 153a StPO oder eines Strafbefehls Verständigungen keineswegs ausgeschlossen sind, gibt es rechtlich keine bindende Verständigung im Ermittlungsverfahren, eine „versprochene“ Einstellung 25

BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (86); anders AStBV (St) 2009 Nr. 80 Abs. 3 Satz 2, wonach im selbständigen Steuerstrafverfahren der Finanzbehörde eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren ausscheidet, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO) vorliegt. 26 BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (86); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 6; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 1058; Joecks, Praxis, S. 186; Schmidt-Hieber, Verständigungen, Rn 229 f.; Randt, Steuerfandungsfall, Rn D 145; Pump, StW 2007, 171; vgl. bereits 1. Kapitel, E.5. 27 Vgl. Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 62; entsprechendes gilt für die Anwendung des § 153a StPO, so dass es entgegen Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 94c nicht ohne weiteres zu beanstanden ist, wenn die Einstellung des Steuerstrafverfahrens vom Abschluss einer tatsächlichen Verständigung abhängig gemacht wird, vgl. auch 5. Kapitel, A.II. und C.II.2. 28 So im Ergebnis auch Wulf, DStR 2009, 459 (465). 29 Vgl. auch Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 495; Wannemacher – Gotzens, Rn 4749.

A. Praktische Bedeutung

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gemäß § 153a StPO bzw. ein „versprochener“ Strafbefehl kann daher nicht klageweise durchgesetzt werden30. Auch wenn entsprechende Absichtserklärungen abgegeben werden31, sind diese rechtlich zunächst unverbindlich. Erst dem förmlichen Verfahrensabschluss als solchen kommt Rechtswirkung zu. Tatsächlich führen Verständigungen im Ermittlungsverfahren, die unter Beteiligung aller zuständigen Amtsträger getroffen werden, allerdings regelmäßig zeitnah zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss und entfalten dann die gewünschte Bindungswirkung „bis zur Grenze der Rechtsbeugung“32. Selbst wenn im Einzelfall eine Rechtsbeugung (zugunsten) des Beschuldigten gegeben ist, wird eine Wiederaufnahme eines gemäß § 153a StPO eingestellten Strafverfahrens zuungunsten des Beschuldigten generell ausgeschlossen, da § 362 StPO eine abschließende Sonderregelung und ausdrücklich auf rechtskräftige Urteile beschränkt sei33. Auf rechtskräftige Strafbefehle finden zwar gemäß § 373a Abs. 2 StPO die allgemeinen Wiederaufnahmevorschriften Anwendung, einer Wiederaufnahme gemäß § 362 Nr. 3 StPO wird aber, sofern nur eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung in Betracht kommt, regelmäßig § 363 Abs. 2 StPO entgegenstehen.

II. Exkurs: Ausschluss bei Strafverfahren wegen § 370a AO In Strafverfahren wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung gemäß § 370a AO war eine Erledigung durch Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO oder im Strafbefehlsverfahren gemäß §§ 407 ff. StPO hingegen ausgeschlossen. Sowohl die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO als auch das Strafbefehlsverfahren kommen nur bei Vergehen in Betracht, die gewerbsoder bandenmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370a AO war mit einem Regelstrafmaß von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe gemäß § 12 Abs. 1 StGB ein Verbrechen, die Strafmilderung für den minder schweren Fall änderte daran gemäß § 12 Abs. 3 StGB nichts. Es war zwingend Anklage zum Schöffengericht oder zur Wirtschaftstrafkammer zu erheben, so dass die Finanzbehörde keine selbständige Ermittlungszuständigkeit gemäß § 386 Abs. 2 AO hatte, da die Sache für die Behandlung im Strafbefehlsverfahren von vornherein ungeeignet im Sinne des § 400 AO war34. In Fällen des § 370a AO wäre sogar gemäß § 373a StPO die Rechtskraft 30 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 96; Karlsruher Kommentar – Pfeiffer/Hannich, Einl, Rn 29c. 31 Vgl. Eich, S. 132; Schmidt-Hieber, Verständigungen, Rn 228; Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11629). 32 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404, Rn 101b. 33 Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 142. 34 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370a AO, Rn 58a; Hentschel, NJW 2002, 1703 (1704 f.). Rolletschke, Stbg 2006, 379 (380) wollte zwischen selbständiger Ermittlungs- und Abschlusskompetenz differenzieren und bezweifelte lediglich die Abschlusskompetenz der Finanzbehörde, räumte aber selbst ein, dass die Abgabe an die Staatsanwaltschaft durch AStBV(St) 2006 Nr. 18 Abs. 1 zwingend vorgeschrieben war, Stbg 2006, 379 (380).

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

eines bereits erlassenen Strafbefehls oder der beschränkte Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO überwunden worden. Andererseits hat § 370a AO nie die Bedeutung erlangt, die ihm zunächst beigemessen wurde. Nachdem § 370a AO in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes35 als Verstoß gegen das verfassungsrechtlich festgeschriebene Übermaßverbot kritisiert wurde36, versuchte der Gesetzgeber, dem in der Fassung des fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes37 durch die Ergänzung um das zusätzliche Tatbestandsmerkmal des großen Ausmaßes und die Einführung eines minder schweren Falles Rechnung zu tragen. Auch gegen § 370a AO in seiner geänderten Fassung wurden aber „überdeutliche“38 verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren39 und bezüglich des „großen Ausmaßes“ im Hinblick auf das sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebende40 Bestimmtheitsgebot erhoben41. Der seinerzeit für Steuerstrafsachen zuständige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich diese Bedenken mehrfach ausdrücklich zu Eigen gemacht42, wenn er sich auch mangels Entscheidungserheblichkeit an einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zunächst gehindert gesehen hatte43. Der Gesetzgeber hat auf die allgemeine Kritik an § 370a AO reagiert und die Norm zum 01.01.2008 aufgehoben44. Seitdem ist grundsätzlich in allen Steuerstrafverfahren wieder eine Erledigung ohne Hauptverhandlung möglich45. Auch die Frage, ob die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO eine „Sperrwirkung“ für weitere Ermittlungen entfaltet46, die zur Annahme einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung gemäß § 370a AO und damit zur Überwindung des beschränkten Strafklageverbrauchs gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO führen könnten, stellt sich nicht mehr. 35

BGBl. I 2001, 3922. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370a AO, Rn 4, m. w. Nachw. 37 BGBl. I 2002, 2715 (2722). 38 Harms, Kohlmann-FS, S. 413 (426). 39 Harms, Kohlmann-FS, S. 413 (419); Gast-de Haan, DStR 2003, 12. 40 BVerfG, Urt. v. 20.03.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 (152 ff.), m. w. Nachw. 41 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 290 f .; Harms, Kohlmann-FS, S. 413 (423 ff.). 42 BGH, Urt. v. 28.10.2004 – 5 StR 276/04, wistra 2005, 30 (32) und v. 12.01.2005 – 5 StR 271/04, wistra 2005, 145; Beschl. v. 20.04.2004 – 5 StR 11/04, wistra 2004, 274 (276) und v. 22.07.2004 – 5 StR 85/04, NJW 2004, 2990 (2991). 43 BGH, Urt. v. 28.10.2004 – 5 StR 276/04, wistra 2005, 30 (32); zwischenzeitlich aber BGH, Beschl. v. 21.07.2006 – 5 StR 152/06, wistra 2006, 463, wo statt einer Vorlage gemäß Art. 100 GG von der Möglichkeit der Einstellung gemäß § 154a StPO Gebrauch gemacht wurde. 44 Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen und zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3198 (3209). 45 Beachte aber AStBV (St) 2009 Nr. 80 Abs. 3 Satz 2, wonach im selbständigen Steuerstrafverfahren der Finanzbehörde besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO) zur Erledigung im Strafbefehlsweg nicht geeignet sind. 46 Joecks, Praxis, S. 195. 36

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III. Einzelaspekte des Strafbefehlsverfahrens Nach dem Wortlaut des § 400 AO haben die Bußgeld- und Strafsachenstellen unter den dort genannten, intern in AStBV (St) 2009 Nr. 80 konkretisierten Voraussetzungen zwingend Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu stellen, einen Anspruch hierauf hat der Beschuldigte gleichwohl nicht47. Die Erledigung im Strafbefehlsverfahren ist für ihn gegenüber der Erledigung durch ein Urteil aber insofern vorteilhaft, als sie seine persönliche Mitwirkung nicht erforderlich macht, und eine Hauptverhandlung nicht stattfindet. Insbesondere besteht auch keine Notwendigkeit eines „symbolschweren“48 förmlichen Geständnisses im Rahmen einer Höchststrafenabrede49. Die Hauptverhandlung ist auch in Steuerstrafsachen grundsätzlich öffentlich, § 169 GVG, ein Ausschluß der Öffentlichkeit mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis, § 30 AO, scheidet regelmäßig aus, da gerade die steuerlichen Verhältnisse des Angeklagten entscheidend für den Tatvorwurf sind, und sein Geheimhaltungsinteresse daher hinter dem staatlichen Strafinteresse zurücktreten muss50. Der Angeklagte hätte also nicht nur die psychische Belastung durch das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit, sondern auch die Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor allen Anwesenden zu gewärtigen. Demgegenüber bietet das Strafbefehlsverfahren die Möglichkeit, das Strafverfahren „verhältnismäßig billig und auch diskret, ohne Zeitverlust und Aufsehen zu erledigen“51. Die Bereitschaft des Beschuldigten, einen Strafbefehl zu akzeptieren ist daher unter Umständen unabhängig von Tagessatzanzahl und -höhe52. Dem „stillen“ Strafbefehlsverfahren wird dementsprechend auch ein besonderer Reiz für „auch nur regional prominente Mandanten“ zugeschrieben53, obwohl der rechtskräftige Strafbefehl ebenso wie eine rechtskräftige Verurteilung aufgrund einer Hauptverhandlung eine Vorstrafe und nachteilige Konsequenzen für das Besteuerungsverfahren54 bedeuten kann. 47 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 400 AO, Rn 19; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 35; Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 56; Dißars, wistra 1997, 331 (332); vgl. AStBV(St) 2009 Nr. 80 Abs. 5. 48 Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 33 (45). 49 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (390). 50 Weyand, wistra 1993, 132 (136). 51 BVerfG, Beschl. v. 21.01.1969 – 2 BvR 724/67, BVerfGE 25, 158 (165); Rönnau, Absprache, S. 134; Flore/Dörn/Gillmeister – Flore, S. 37; Wannemacher – Gotzens, Rn 4804; Landau, DRiZ 1995, 132 (133 f.). 52 Weyand, wistra 1993, 132. 53 Joecks, Praxis, S. 187; ähnlich Klein – Gast-de Haan, § 400 AO, Rn 1; Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 8; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 245; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (544). 54 Vgl. hierzu bereits oben 2. Kapitel, D. und BFH, Beschl. v. 01.02.2001 – VII B 234/00, BFH/NV 2001, 931. Entgegen Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 66, ergibt sich aus FG Nürnberg, Urt. v. 17.03.1967 – III 257/66, EFG 1967, 447 (448) nichts anderes. Das FG Nürnberg hat lediglich eine Bindung an die Feststellungen des Strafbefehls wegen des Charakters des Strafbefehlsverfahrens als summarisches Verfahren verneint; ebenso Burkhard, S. 162 f.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs können die in einem Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen Feststellungen ebenso wie die Feststellungen eines strafgerichtlichen Urteils für das Besteuerungsverfahren verwertet werden. Der Bundesfinanzhof stellt dabei wesentlich auf § 410 Abs. 3 StPO ab, dem gemäß ein Strafbefehl, gegen den nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wird, einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht55. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, wenn auch der Rückgriff auf § 410 Abs. 3 StPO insofern überflüssig erscheint, als die strafgerichtlichen Feststellungen für das Besteuerungsverfahren nicht Tatbestandswirkung haben, die an das Ergehen eines Urteils anknüpft, sondern lediglich Indizwirkung, die an die Feststellungen als solche anknüpft56. Daher ergibt sich insoweit auch kein Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts57 und des Bundesgerichtshofs58, die mit Blick auf berufs- bzw. disziplinarrechtliche Folgen zwischen Verurteilungen im regulären Verfahren und Verurteilungen im Strafbefehlsverfahren differenzieren. § 410 Abs. 3 StPO regele lediglich den Umfang der Rechtskraft eines Strafbefehls, lasse aber die Verschiedenheit der in der Strafprozessordnung strukturell unterschiedlich geregelten Verfahrensarten unberührt. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betrafen aber nicht die Indizwirkung der tatsächlichen Feststellungen, sondern die Tatbestandswirkung gemäß § 48 BBG alter Fassung (§ 41 BBG neuer Fassung) bzw. § 48 SG. Der Bundesgerichtshof urteilte lediglich, ein Strafbefehl entfalte in einem anwaltsgerichtlichen Verfahren anders als ein Urteil keine Bindungswirkung gemäß § 118 Abs. 3 BRAO, und betonte sogar, der Umstand, dass gegen den Strafbefehl kein Einspruch eingelegt worden sei, stelle ein gewichtiges Indiz für die Schuld im Sinne des Strafbefehlsverfahrens dar. Den Hinweis auf eine dem Erlass des Strafbefehls vorangegangene Verständigung hat der Bundesfinanzhof bisher offenbar für generell unbeachtlich gehalten59. Sofern der Betroffene – etwa durch entsprechende Schriftsätze oder Aktenvermerke – nachweisen kann, dass der Strafbefehl auf einer im Voraus getroffenen Verständigung beruht, wird aber richtigerweise ebenso wie bei der Verwertung der tatsächlichen Feststellungen konsensualer Urteile60 zu differenzieren sein. Eine Verwertung der tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls setzt voraus, dass das Strafgericht den Strafbefehl in der gebotenen Weise zumindest summarisch überprüft hat. Umgekehrt wird eine Verwertung ausscheiden, wenn gegen wesent55 BFH, Urt. v. 02.12.2003 – VII R 17/03, BFHE 204, 380 (386) und Beschl. v. 01.02.2001 – VII B 234/00, BFH/NV 2001, 931. 56 Missverständlich ist insofern in BFH, Beschl. v. 01.02.2001 – VII B 234/00, BFH/NV 2001, 931 (932) der Hinweis auf BFH, Beschl. v. 25.02.1992 – VII B 125/91, BFH/NV 1993, 4, in dem es um die Tatbestandswirkung eines Strafbefehls ging. 57 BVerwG, Urt. v. 08.06.2000 – 2 C 20.99, NJW 2000, 3297 und v. 01.07.2003 – 2 WD 34.02, BVerwGE 118, 262 (263 ff.). 58 BGH, Urt. v. 12.04.1999 – AnwSt (R) 11/98, BGHSt 45, 46 (48 f.). 59 Vgl. BFH, Beschl. v. 01.02.2001 – VII B 234/00, BFH/NV 2001, 931, in dem dahingehende Erwägungen des Finanzgerichts nicht beanstandet wurden. 60 Vgl. oben 2. Kapitel, C. III.

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liche Verfahrensvorschriften verstoßen, etwa der Betroffene durch unzulässige Einflussnahme zur Hinnahme des Strafbefehls veranlasst wurde.

IV. Fortbestand der Unschuldsvermutung bei Einstellung gemäß § 153a StPO Demgegenüber bietet die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO – im Fall des § 153a Abs. 1 StPO neben dem Entfallen einer Hauptverhandlung – den zusätzlichen Vorteil, dass trotz der mit der Einstellung verbundenen Auflagen die Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK unberührt bleibt61. Hieraus können sich allerdings rechtliche Folgeprobleme im Besteuerungsverfahren ergeben.

1. Erfordernis der Feststellung der Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren Im Besteuerungsverfahren ist das Vorliegen einer Steuerhinterziehung von Bedeutung für die Haftung gemäß §§ 70, 71 AO, für die Verzinsung hinterzogener Steuern gemäß § 235 AO, für die verlängerte Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 AO und für die Änderung von Steuerbescheiden gemäß § 173 Abs. 2 AO62. Allgemein anerkannt ist, dass das Finanzgericht bzw. die Finanzbehörde wegen des Fortbestands der Unschuldsvermutung daran gehindert sind, allein aufgrund der Zustimmung des Beschuldigten zur Einstellung und der Verfahrenseinstellung selbst davon auszugehen, dem Beschuldigten sei die vorgeworfene Straftat nachgewiesen worden63. Nach vorherrschender Meinung haben die Finanzbehörden und Finanzgerichte selbständig zu ermitteln und zu entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei vorliegt, unabhängig davon, ob und mit welchem Erfolg ein Strafverfahren durchgeführt worden ist. Die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO schließt daher nicht aus, dass im Be61 BVerfG, Beschl. v. 16.1.1992 – 1 BvR 1326/90, NJW 1991, 1530 (1531 f.), v. 6.12.1995 – 2 BvR 1732/95, NStZ-RR 1996, 168 und v. 16.05.2002 – 1 BvR 2257/01, wistra 2002, 380; Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153a StPO, Rn 2; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 101; Pump, StW 2007, 171 (174); auch wenn dies in der Öffentlichkeit gelegentlich verkannt wird, vgl. Wehner, StV 2002, 219 (220). In einigen Bundesländern kann bereits die Zustimmung zu einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen, Dies dürfte wegen des bei der Einstellung gemäß § 153a StPO fortbestehenden Tatverdachts rechtmäßig sein, vgl. Immenga/Mestmäcker – Dreher, § 97 GWB, Rn 116. 62 Zum Umfang der jeweils erforderlichen materiellrechtlichen Feststellungen vgl. Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (483). 63 BFH, Beschl. v. 20.12.2000 – I B 93/99, BFH/NV 2001, 639 (640) und v. 29.06.2006 – VIII B 186/05, BFH/NV 2006, 1866; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 370 AO, Rn 282; Kamps/ Wulf, DStR 2003, 2045 (2048).

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

steuerungsverfahren nach den dort geltenden Vorschriften gleichwohl eine Steuerhinterziehung festgestellt wird64.

2. Bedenken gegen die Feststellung der Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren Gegen die Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren nach Einstellung des Steuerstrafverfahrens wird allerdings geltend gemacht, sie sei mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG65 und der sich hieraus und aus Art. 6 Abs. 2 EMRK ergebenden Unschuldsvermutung unvereinbar66. Zudem könnte einer solchen Feststellung auch der (beschränkte) Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO entgegenstehen.

a) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Es wird vertreten, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Elemente des Rechtsstaatsprinzips würden in mehrfacher Weise verletzt, wenn das Vorliegen einer Steuerstraftat im Besteuerungsverfahren bejaht würde, obwohl es zuvor im Steuerstrafverfahren verneint wurde67. Anders als möglicherweise ein Freispruch68 bedeutet eine Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO jedoch gerade nicht, dass das Vorliegen einer Steuerstraftat verneint würde. Die Anwendung des § 153a StPO setzt vielmehr die Durchermittlung der Tat voraus69. Der Beschuldigte müsste nach der pflichtgemäßen Einschätzung des Staatsanwalts oder Richters aufgrund einer Hauptverhandlung, in der sich der ausermittelte, aktenkundige 64 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Boeker, § 71 AO, Rn 20; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Heuermann, § 235 AO, Rn 21; Tipke/Kruse – Loose, § 71 AO, Rn 14; vgl. BFH, Urt. v. 07.03.2006 – X R 8/05, BFHE 212, 398 (401) und Beschl. v. 29.01.2002 – VIII B 91/01, wistra 2002, 350 (351 f.); FG Hamburg, Urt. v. 14.07.2004 – I 127/04, EFG 2005, 166 und Beschl. v. 14.07.2004 – I 184/04, EFG 2005, 166. 65 List, DB 2006, 469 (472). 66 Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (503). 67 List, DB 2006, 469 (472). 68 Insofern wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allgemein zwischen einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld und einem Freispruch aus Mangel an Beweisen zu differenzieren, vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.05.2002 – 1 BvR 2257/01, wistra 2002, 380. Speziell im Steuerstrafrecht wäre auch zu berücksichtigen, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO als persönlicher Strafaufhebungsgrund (vgl. Franzen/Gast/ Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 32) zwar die Strafbarkeit entfallen, die steuerrechtlichen Konsequenzen der Steuerhinterziehung allerdings unberührt lässt, vgl. z. B. Hübschmann/Hepp/ Spitaler – Heuermann, § 235 AO, Rn 17; Klein – Rüsken, § 235 AO, Rn 5; Klein – Gast-de Haan, § 371 AO, Rn 5; Tipke/Kruse – Loose, § 235 AO, Rn 5 für die Hinterziehungszinsen. 69 BT-Drs. 7/550, 298; Beulke/Fahl, NStZ 2001, 426 (428).

A. Praktische Bedeutung

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Sachverhalt als wahr herausstellte, verurteilt werden70. Ist zweifelhaft, ob das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten überhaupt einen Straftatbestand erfüllt, muss die Rechtsfrage daher geklärt werden, die Anwendung des § 153a StPO gegenüber einem möglicherweise aus Rechtsgründen freizusprechenden Unschuldigen ist untersagt71. Auch bezieht sich § 153a StPO – ebenso wie die Vorschriften des § 398 AO und des § 153 StPO ausdrücklich auf das Fehlen bzw. die Beseitigung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung. Dass unter den Voraussetzungen des § 153a StPO bzw. des § 398 AO und des § 153 StPO von der (weiteren) Strafverfolgung und der Schuldfeststellung abgesehen wird, begründet daher kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nicht eine Schuldfeststellung zu anderen Zwecken erfolgt. Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung kann daher im Besteuerungsverfahren auch dann angenommen werden, wenn das Steuerstrafverfahren gemäß § 153a StPO eingestellt wurde, ohne dass darin ein rechtsstaatlich bedenklicher Widerspruch läge. Dies ergibt sich letztlich bereits aus der Eigenständigkeit des Besteuerungsverfahrens gegenüber dem Steuerstrafverfahren gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO72. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Beschuldigten darauf, dass die im Strafverfahren unterbliebene Schuldfeststellung nicht für steuerrechtliche Zwecke nachgeholt wird, besteht nicht.

b) Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK Die Unschuldsvermutung ist ausdrücklich normiert in Art. 6 Abs. 2 EMRK, der in der Bundesrepublik Deutschland am 03.09.1953 in Kraft getreten ist73. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland. Art. 6 Abs. 2 EMRK genieße zwar nicht Verfassungsrang, die Unschuldsvermutung sei aber Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips des Grundgesetzes, so dass eine Verletzung der Unschuldsvermutung ungeachtet des nur einfachen Gesetzesranges von Art. 6 Abs. 2 EMRK auch zu einem Verstoß gegen das grundgesetzlich verbürgte Rechtsstaatsprinzip führe74. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind auch für die innerstaatliche Auslegung der Konvention zu beachten75.

70

Schmidt-Hieber, Rn 59; Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 39; Sauer, Rn 129. Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153a StPO, Rn 2; Beulke/Fahl, NStZ 2001, 426 (428); a.A. LG Bonn, Beschl. v. 28.02.2001 – 27 AR 2/01, NStZ 2001, 375 (376). 72 Vgl. BFH, Beschl. v. 04.05.2005 – XI B 230/03, BFH/NV 2005, 1485 und v. 21.12.2007 – VIII B 56/07, BFH/NV 2008, 805. 73 BGBl. II 1954, S. 14. 74 BVerfG, Beschl. v. 26.03.1987 – 2 BvR 589/79; 2 BvR 740/81; 2 BvR 284/85, BVerfGE 74, 358 (370 f.) und v. 16.05.2002 – 1 BvR 2257/01, wistra 2002, 380. 75 BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, NJW 2004, 3407. 71

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

aa) Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 2 EMRK Aufgrund der systematischen Stellung des Art. 6 Abs. 2 EMRK und der ausdrücklichen Bezugnahme auf eine „strafrechtliche Anklage“, wie sie in Art. 6 Abs. 1 erwähnt ist, ergibt sich, dass Art. 6 Abs. 2 EMRK nur anwendbar ist, wenn auch eine „strafrechtliche Anklage“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliegt76. Art. 6 EMRK ist autonom auszulegen, da die Anwendung der Konvention nicht von der jeweiligen nationalen Definition des Strafverfahrens und der Anklageerhebung in einem solchen abhängig gemacht werden darf77. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft das Besteuerungsverfahren zwar wegen der Zugehörigkeit des Steuerrechts zum Kernbereich der staatlichen Hoheitsrechte keine zivilrechtlichen Ansprüche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK78. Dies bedeutet aber noch nicht zwingend, dass das Besteuerungsverfahren als strafrechtliche Anklage im Sinne der EMRK zu bewerten ist. So soll nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Entscheidungen im Besteuerungsverfahren kein Strafcharakter im Sinne der EMRK zukommen79. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist für die Frage, ob ein Verfahren ein Strafverfahren ist, auf drei Kriterien abzustellen: die Qualifizierung der Zuwiderhandlung nach innerstaatlichem Recht, die Art der Zuwiderhandlung und die Art und Schwere der dem Betroffenen drohenden Sanktionen. Bei Sanktionen infolge einer Steuerhinterziehung unterscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zwischen Sanktionen als Schadensersatz und solchen mit Straf- und Abschreckungscharakter80. Unabhängig davon, ob Entscheidungen im Besteuerungsverfahren ein Strafcharakter im Sinne der EMRK zukommt, wird geltend gemacht, dass bereits der mit der Inhaftungnahme gemäß § 70 AO bzw. § 71 AO, der Nutzung der verlängerten Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 AO, der Änderung eines Steuerbescheids gemäß § 173 Abs. 2 AO und der Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO durch staatliche Stellen implizit verbundene Vorwurf der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK darstellen könne. Dies gelte im Fall des Freispruchs81 ebenso wie bei einer Ein-

76 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 12 ff.; Reiß, TrzaskalikGS, S. 473 (494). 77 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 29; Reiß, TrzaskalikGS, S. 473 (494 f.). 78 EGMR, Urt. v. 12.07.2001 – 44759/98 (Ferrazini/Italien), NJW 2002, 3453 (3454). 79 BFH, Urt. v. 27.08.1991 – VIII R 84/89, BFHE 165, 330 (332 f.) und v. 01.08.2001, BFH/ NV 2002, 155 (156); zuvor bereits FG München, Urt. v. 22.02.1988 – XIII 330/86, EFG 1988, 545, bestätigt von BFH, Urt. v. 12.05.1992 – VIII R 33/88, BFH/NV 1992, 793 (794), zweifelnd Reiß, Trzaskalik-GS, S.473 (502). 80 EGMR, Urt. v. 03.05.2001 – 31827/96 (J. B./Schweiz), NJW 2002, 499 (500). 81 Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (499 ff.), mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR.

A. Praktische Bedeutung

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stellung des Steuerstrafverfahrens82, da in beiden Fällen die strafrechtliche Schuld nicht von den zuständigen Strafgerichten festgestellt worden sei. Nach einer zu § 56f StGB ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schließe die Unschuldsvermutung im Lichte der generellen Verpflichtung zu einem fairen Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK eine Schuldfeststellung außerhalb des Strafverfahrens vor dem zuständigen Gericht aus, ungeachtet der Verfahrensgarantien in solch einem parallel geführten Verfahren und unbeschadet allgemeiner Zweckmäßigkeitserwägungen83. bb) Stellungnahme Art. 6 Abs. 2 EMRK in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verlangt lediglich den gesetzlichen Beweis vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhendem Gericht in einem fairen Verfahren. Dabei ist es nicht notwendig, dass das nationale Recht eine gerichtliche Entscheidung in jedem Fall vorsieht, der Betroffene muss aber die Möglichkeit haben, nach seiner eigenen freien Willensentscheidung zur Wahrung seiner Rechte eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen84. Die Spruchkörper müssen nicht notwendig im Bereich der klassischen ordentlichen Gerichtsbarkeit errichtet und in deren Organisation eingebunden sein. Auch andere auf Gesetz beruhende Spruchkörper können den Anforderungen genügen85. Die Einrichtung von Spezialgerichten für besondere Sachgebiete durch Gesetz ist zulässig, wenn auch insoweit die Voraussetzungen für ein Gericht und die Verfahrensgarantien gewahrt bleiben86. Der gesetzliche Beweis gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK kann vor jedem gesetzlich zuständigen Gericht erbracht werden. Die EMRK enthält keine weitergehenden Anforderungen an die Gerichtsverfassung, diese ist vielmehr in den einzelnen Signatarstaaten ganz unterschiedlich. Es ist daher nicht anzunehmen, dass die EMRK ein „Strafrichtermonopol“ begründet und verbietet, das Vorliegen eines mit Strafe bedrohten Verhaltens in gesetzlichen Verfahren mit außerstrafrechtlicher Zielsetzung inzidenter zu beurteilen und zur Grundlage einer dort zu treffenden Entscheidung zu machen87. Auch aus den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland lässt sich die Exklusivität der strafrichterlichen Schuldfeststellung88 nicht her82

Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (503). EGMR, Urt. v. 03.10.2002 – 37568/97 (Böhmer/Deutschland), NJW 2004, 43 (45); Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (502). 84 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 42; vgl. EGMR, Urt. v. 16.12.1992 – 68/1991/320/392 (Hennings/Deutschland), NJW 1993, 717 (Vereinbarkeit des Strafbefehlsverfahrens mit Art. 6 Abs. 2 EMRK). 85 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 49. 86 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 52. 87 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 154; zur Feststellung einer Steuerstraftat im Besteuerungsverfahren i. E. ebenso BFH, Urt. v. 27.08.1991 – VIII R 84/89, BFHE 165, 330 (335) und zuletzt Beschl. v. 04.07.2008 – II B 66/07, juris. 88 So aber Vogler, Kleinknecht-FS, S. 429 (438, 442). 83

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

leiten. Rechtsstaatsprinzip und Grundrechtsschutz schreiben keine bestimmte Form für das Rechtsschutzsystem vor89. Aus Art. 95 Abs. 1 GG ergibt sich zwar die Unterscheidung nach ordentlicher, Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, aber keine abschließende Kompetenzzuweisung. Die Unschuldsvermutung schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht davor, dass ein strafbares Verhalten – auch ohne, dass es deswegen schon zu einer Verurteilung gekommen wäre – in einem anderen gerichtlichen Verfahren festgestellt wird und hieraus die für dieses Verfahren bestimmten Folgerungen gezogen werden90. Es ist daher weder im Lichte des Art. 6 Abs. 2 EMRK noch verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn nach Einstellung des Steuerstrafverfahrens die Finanzbehörden gleichwohl von einer Steuerstraftat ausgehen, da der Betroffene nach Durchführung des Einspruchsverfahrens die Feststellungen der Finanzbehörde vor dem Finanzgericht als Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK überprüfen lassen kann. Eine Trennung der Gerichtsbarkeit von ordentlicher bzw. Straf- und Finanzgerichtsbarkeit wäre nach dem Wortlaut der EMRK gar nicht erforderlich. Warum die einfachgesetzlichen nationalen Vorschriften im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des „gesetzlichen“ Beweises gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK nur insoweit beachtlich sein sollen, als sie die Aburteilung einer Straftat und die Verhängung einer Kriminalstrafe durch ein (bestimmtes) Strafgericht vorsehen, nicht aber, soweit sie die Feststellung strafrechtlicher Schuld zu außerstrafrechtlichen Zwecken anderen Gerichten zuweisen, vermag die insofern nicht näher begründete Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zu erklären. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, diesen Widerspruch aufzulösen. Die Übertragung der zu § 56f StGB ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf die Feststellung der Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren erscheint auch deswegen fraglich, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Entscheidung darauf gestützt hat, der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56f StGB sei eine strafrechtliche Konsequenz und komme für den Betroffenen einer Strafe gleich91. Demgegenüber dienen die §§ 70, 71, 235 AO lediglich der Abschöpfung ungerechtfertigter Vorteile92 und wären insofern mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als „Schadensersatz“ anzusehen. Es ist daher weiter davon auszugehen, dass die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO die Finanzbehörden und Finanzgerichte im Besteu89

Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 108. BVerfG, Beschl. v. 14.08.1987 – 2 BvR 235/87, NStZ 1988, 21. 91 EGMR, Urt. v. 03.10.2002 – 37568/97 (Böhmer/Deutschland), NJW 2004, 43 (45). 92 Vgl. Klein – Rüsken, § 70 AO, Rn 1, Klein – Rüsken, § 71 AO, Rn 2, Klein – Rüsken, § 235 AO, Rn 1, jeweils m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung des BFH. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO berücksichtigt die erschwerte Aufklärbarkeit von Hinterziehungsfällen, Klein – Rüsken, § 169 AO, Rn 25, § 173 Abs. 2 AO die fehlende Schutzwürdigkeit des Steuerhinterziehers, Klein – Rüsken, § 173 AO, Rn 144. Auch wenn beide Vorschriften nicht Schadensersatz im eigentlichen Sinne regeln, kommt ihnen jedenfalls keine Sanktionswirkung zu. 90

A. Praktische Bedeutung

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erungsverfahren nicht daran hindert, eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO festzustellen und die hierauf Bezug nehmenden Vorschriften der Abgabenordnung anzuwenden. Die für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung erforderlichen Feststellungen sind danach zwar nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach denjenigen der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu treffen. Indessen ist auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Die subjektiven und objektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung sind dem Grunde nach auch bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten immer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen93. Dies bedeutet allerdings keine Übernahme von Grundsätzen des Strafverfahrensrechts, sondern lässt sich daraus ableiten, dass die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt94. Unabhängig von Art. 6 Abs. 2 EMRK erscheint es auch fraglich, ob ein Verbot der (erstmaligen) Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren geeignet ist, wie geltend gemacht wird, „Halbherzigkeit und Grenzvermischung im Hinblick auf Strafrechtspflege und Steuerrecht“ zu vermeiden95. Ein solches Verbot birgt ganz im Gegenteil die Gefahr, dass insbesondere im selbständigen Ermittlungsverfahren der Finanzbehörde die Entscheidung zwischen einer Erledigung des Strafverfahrens durch Einstellung insbesondere gemäß § 153a StPO und im Strafbefehlsverfahren verstärkt von steuerverfahrensrechtlichen Erwägungen abhängig gemacht wird.

c) Kein Entgegenstehen des Strafklageverbrauchs gemäß § 153a StPO Auch der (beschränkte) Strafklageverbrauch gemäß § 153a StPO steht der Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren nach Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO nicht entgegen. Der in Art. 103 Abs. 3 GG enthaltene Grundsatz ne bis in idem greift generell nicht ein, wenn neben der Strafverfolgung das gleiche Verhalten auch unter nichtstrafrechtlichen Gesichtspunkten in einem anderen Verfahren gewürdigt wird96, sondern ist nur bei der Verhängung echter Kriminalstrafen anwendbar97. 93

BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VIII R 81/04, BFHE 215, 66 (68). Es ist demnach zu unterscheiden zwischen der Feststellung einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach und der Höhe nach, Schnorr, HFR 2007, 431. 94 BFH, Beschl. v. 05.03.1979 – GrS 5/77, BFHE 127, 140 (145 f.) und Urt. v. 07.11.2006 – VIII R 81/04, BFHE 215, 66 (68); a.A. Jakob, Abgabenordnung, Rn 237b. 95 Reiß, Trzaskalik-GS, S. 473 (505). 96 Löwe/Rosenberg25 – Gollwitzer, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR, Rn 277; vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.05.1967 – 2 BvR 391/64 und 263/66, BVerfGE 21, 378 (383) und 2 BvL 1/66, BVerfGE 21, 391 (400 ff.), jeweils zur Verhängung von Disziplinarstrafen. 97 BVerfG, Beschl. v. 09.11.1976 – 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101 (105).

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

3. Zwischenergebnis Obwohl die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO die Unschuldsvermutung unberührt lässt, schließt sie an den Vorwurf der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO anknüpfende negative Konsequenzen nicht aus. Soweit steuerverfahrensrechtliche Konsequenzen an das Vorliegen einer Steuerhinterziehung gebunden sind, können diesbezügliche Feststellungen nach der hier vertretenen Auffassung auch im Besteuerungsverfahren getroffen werden.

V. Zwischenergebnis Mit der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO und dem Strafbefehlsverfahren stehen Möglichkeiten zur Verfügung, ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ohne Durchführung einer Hauptverhandlung mit einer konsensualen Sanktion rechtskräftig zu beenden. Diese Möglichkeiten sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung und auch in umfangreicheren Steuerstrafverfahren nicht ausgeschlossen. Auch die vermeintlich vorteilhafte Erledigung des Steuerstrafverfahrens durch Einstellung gemäß § 153a StPO oder im Strafbefehlsverfahren schließt allerdings die Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren nicht aus. Dem stehen weder die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung noch die Unschuldsvermutung und der beschränkte Strafklageverbrauch entgegen.

B. Bedenken gegen konsensuale Erledigungsmöglichkeiten B. Bedenken gegen konsensuale Erledigungsmöglichkeiten

Die beschriebenen Möglichkeiten zur konsensualen und „diskreten“ Erledigung von Steuerstrafsachen sind trotz ihrer erheblichen praktischen Bedeutung in der Literatur nicht unumstritten. Sowohl die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO als auch das Strafbefehlsverfahren bedeuten Ausnahmen von den tradierten Grundsätzen des deutschen Strafprozessrechts, § 153a StPO vom Legalitätsgrundsatz des § 152 Abs. 2 StPO, das Strafbefehlsverfahren vom Öffentlichkeitsgrundsatz, wie er aus § 169 GVG folgt, und möglicherweise auch vom Grundsatz rechtlichen Gehörs. Speziell für den Bereich des Steuerstrafrechts wird zudem der Vorwurf erhoben, durch Mitwirkung des Gerichts werde bei Einstellungen gemäß § 153a StPO und im Strafbefehlsverfahren zwar formell dem Richtervorbehalt des Art. 92 GG, genügt, eine effektive inhaltliche Kontrolle der Tätigkeit der Finanzbehörde wäre damit nicht verbunden. Im Ergebnis hätten daher die Einstellung nach § 153a StPO und das Strafbefehlsverfahren gemäß §§ 407 ff. StPO die Funktion des früheren Unterwerfungsverfahrens übernommen98, das der 98 Beermann/Gosch – Seipl, § 400 AO, Rn 3; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 400 AO, Rn 3; Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467 f.); Harms, Nehm-FS, S. 289 (295); Blumers, wistra 1987, 1;

B. Bedenken gegen konsensuale Erledigungsmöglichkeiten

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Finanzverwaltung ermöglichte, Strafen wegen Steuerstraftaten ohne Mitwirkung eines Gerichts zu verhängen99, und daher für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt wurde100.

I. Bedenken gegen Einstellungen gemäß § 153a StPO Die ursprüngliche Kritik an der Möglichkeit der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO101 beschränkte sich nicht auf dogmatische Vorbehalte, sondern fürchtete auch eine unsachgemäße Privilegierung sozial hervorgehobener Beschuldigter, wie sie typischerweise den Täterkreis wirtschaftsdelinquenten Verhaltens bilden sollten102, obwohl § 153a StPO nur eine zur Zeit seiner Einführung bereits etablierte Praxis in die Legalität überführte, Strafverfahren nach einer „freiwilligen“ Spende des Beschuldigten gemäß § 153 StPO einzustellen103. Nachdem § 153a StPO in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch 1974104 auf Fälle geringer Schuld beschränkt war, ist § 153a StPO in der heutigen Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege105 in allen Fällen anwendbar, in denen die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Er führt zu einer Beschleunigung von Strafverfahren106 und damit zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden107 und hat sich zu einem „Allheilmittel der Strafrechtspflege“108 entwickelt, ohne dass die befürchtete unsachgemäße Privilegierung sozial hervorgehobener Beschuldigter eingetreten wäre109. Dass in Fällen der kleineren Kriminalität trotz des Legalitätsprinzips des § 152 Abs. 2 StPO das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung fehlen kann, ist allseits anerkannt110. Der Anwendungsbereich des § 153 StPO bzw. § 398 AO ist auf Strafverfahren wegen Vergehen beschränkt und auch das (grundsätzliche) Erforin der Sache ebenso Rittmann, wistra 1984, 52 ff., der diesen Umstand ausdrücklich befürwortet, kritisch Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 164 und Malms, wistra 1994, 337 (338). 99 Vgl. zum Unterwerfungsverfahren allgemein Franzen/Gast/Joecks – Joecks, Einl, Rn 40. 100 BVerfG, Urt. v. 06.06.1967 – 2 BvR 53, 375/60, 2 BvR 18/65, BVerfGE 22, 49. 101 Vgl. hierzu Keller/Schmid, wistra 1984, 201 (204), ausführlich Rönnau, Absprache, S. 118 ff. und Löwe/Rosenberg26 – Beulke, S 153a StPO, Rn 11 f. 102 Kaiser/Meinberg, NStZ 1984, 343. 103 Dahs, NJW 1996, 1192. 104 BGBl. I 1974, S. 469 (502). 105 BGBl. I 1993, S. 50. 106 So bereits früher Schmidt-Hieber, Verständigungen, Rn 57. 107 Meyer-Goßner, NJW 1993, 498 (499). 108 Dahs, NJW 1996, 1192. 109 So bereits Kaiser/Meinberg, NStZ 1984, 343 (350); speziell für Steuerstrafverfahren Weber-Blank, wistra 1995, 134 (135); a.A. Rönnau, Absprache, S. 120; Malms, wistra 1994, 337 (338). 110 Landau, DRiZ 1995, 132 (133); dabei sollen die zu § 248a StGB entwickelten Maßstäbe gelten, Böttcher/Mayer, NStZ 1993, 153 (154).

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

dernis der Zustimmung des Gerichts wirkt einer möglicherweise unsachgemäßen Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaft bzw. der Finanzbehörde entgegen, so dass Fälle mittlerer und schwerer Kriminalität weiterhin uneingeschränkt dem Legalitätsprinzip unterliegen. Die Möglichkeit zur Einstellung von Strafverfahren gemäß §§ 153, 153a StPO bzw. § 398 AO ist insofern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden111. § 153a StPO stellt eine selbständige Weiterentwicklung des § 153 StPO dar, indem er in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege auch für Fälle der mittleren Kriminalität die Einstellung des Strafverfahrens ermöglicht112. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schwere der Schuld nicht entgegensteht und das (zunächst gegebene) öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch Auflagen und Weisungen beseitigt werden kann, was nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine zu große Ausdehnung der Anwendung des § 153a StPO verhindern soll113. Die Mitwirkung des für die Eröffnung der Hauptverhandlung zuständigen Gerichts rechtfertigt zusammen mit der Tatsache, dass es sich um eine Verfahrensbeendigung mit Sanktionen handelt114, in den Fällen des § 153a StPO auch den beschränkten Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO. Die Diskussion um § 153a StPO betrifft, insbesondere angesichts einer spektakulären Verfahrenseinstellung in jüngerer Zeit, vorrangig die Frage nach den Grenzen des Anwendungsbereichs des § 153a StPO bzw. deren unsachgemäßer Ausdehnung115. Dabei geht es allerdings nur noch um die konkrete Einstellungspraxis der Gerichte und Staatsanwaltschaften, nicht mehr um grundsätzliche Bedenken gegen das Instrument des § 153a StPO.

II. Bedenken gegen das Strafbefehlsverfahren Durch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wird gemäß § 407 Abs. Satz 4 StPO die öffentliche Klage erhoben, der Strafbefehl steht, soweit nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wird, gemäß § 410 Abs. 3 AO einem rechtskräftigen Urteil gleich. Unter dem Aspekt des Legalitätsprinzips ist die Anwendung des Strafbefehlsverfahrens insofern nicht zu beanstanden. Als summarisches Verfahren dient das Strafbefehlsverfahren zwar der Entlastung der Justiz116, bleibt allerdings seiner Natur nach mit Unzulänglichkeiten 111

Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 14. Böttcher/Mayer, NStZ 1993, 153 (154); Meyer-Goßner, NJW 1993, 498, kritisch daher Schoreit, DRiZ 1991, 404. 113 BT-Drs. 12/1217, 34. 114 Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153a StPO, Rn 52. 115 Dahs, NJW 1996, 1192 (1193); speziell für Steuerstrafverfahren Rolletschek/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 230; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 164; zum „Mannesmann-Prozess“ vgl. Zachert, NJW 2007; Götz, NJW 2007, 419. Grundlegende Bedenken äußert hingegen Rönnau, Absprache, S. 122. 116 Kommission zur Reform des Strafprozesses, Bd. 1, S. 314; Rönnau, Absprache, S. 134. 112

B. Bedenken gegen konsensuale Erledigungsmöglichkeiten

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behaftet, da vor Erlass des Strafbefehls von der Anhörung des Angeschuldigten gemäß § 407 Abs. 3 StPO abgesehen werden kann und eine Strafe ohne Hauptverhandlung verhängt wird. Die Gefahr, dass unzureichende Ermittlungen zu einem der wahren Sachlage nicht gerecht werdenden Strafbefehl führen, lässt sich nicht ausschließen117. Speziell in Steuerstrafsachen ist allerdings zu berücksichtigen, dass vielfach dem Urkundsbeweis entscheidende Bedeutung zukommen wird118 und der zusätzliche Erkenntniswert der Hauptverhandlung dann gering ist. Jedenfalls in rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fällen können die Unzulänglichkeiten des summarischen Strafverfahrens verfassungsrechtlich hingenommen werden, da der Amtsrichter gemäß § 408 Abs. 2 StPO die Möglichkeit hat, bei Bedenken gegen den Strafbefehlsantrag in einer Hauptverhandlung zu entscheiden und das rechtliche Gehör für den Betroffenen dadurch verbürgt ist, dass er die Möglichkeit hat, durch Einspruch eine Hauptverhandlung zu erhalten119. Wenn er hierauf verzichtet, führt dies nicht nur zu einer Entlastung des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, sondern „erspart ihm auch der mit einer öffentlichen Verhandlung für sein Ansehen, seinen Erwerb und sein Fortkommen verbundenen Nachteile“120. Die Durchführung des Strafbefehlsverfahrens kann daher, wie bereits gesehen, durchaus auch im Interesse des Angeschuldigten liegen121. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren – im Unterschied zur Höchststrafenabrede – grundsätzlich keine Vorleistung in Form eines Geständnisses erbringen muss. Andererseits dient gerade die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gemäß § 169 GVG nicht nur dem Schutz des Angeklagten, sondern gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats, da sie die Transparenz der Rechtspflege gewährleistet122. Die Aussicht auf eine „billige“ und „diskrete“ Erledigung eines Strafverfahrens in Verbindung mit den Unzulänglichkeiten des summarischen Verfahren birgt daher sowohl die Gefahr, dass unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsersparnis das Strafbefehlsverfahren gewählt und die Strafe absichtlich bewusst niedrig bemessen wird123, als auch die Gefahr, „dass der Beschuldigte die Übernahme einer ungerechten Strafe für ein geringeres Übel halte als die ihm aus 117

BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvR 230/51, BVerfGE 3, 248 (253); Kohlmann – HilgersKlautzsch, § 400 AO, Rn 22. 118 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn C 272; Quedenfeld/Füllsack, Rn 428; Streck, DStJG 18, S. 173 (175). 119 BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvR 230/51, BVerfGE 3, 248 (253), Beschl. v. 21.01. 1969 – 2 BvR 724/67, BVerfGE 25, 158 (165 f.), vgl. auch EGMR, Urt. v. 16.12.1992 – 68/1991/320/392 (Hennings/Deutschland), NJW 1993, 717. 120 Kommission für die Reform des Strafprozesses, Bd. 1, S. 314. 121 Vgl. oben A.III. Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (13) befürwortet daher eine Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens auch auf Fälle in der Zuständigkeit der Großen Strafkammern. 122 BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, BVerfGE 103, 44 (63); BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (86); vgl. bereits Kommission für die Reform des Strafprozesses, Bd. 1, S. 315: Mündlichkeit und Öffentlichkeit als wichtigste Mittel zur Erforschung der Wahrheit; ähnlich Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 22. 123 Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 22.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

einer öffentlichen Hauptverhandlung auch im Falle der Freisprechung erwachsenden Nachteile“124. Die zuletzt geschilderten Bedenken wiegen umso schwerer, als § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege ermöglicht, im Strafbefehlsweg auch Freiheitsstrafen zu verhängen, und der Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens möglicherweise noch ausgeweitet wird125. Im Strafbefehlsverfahren ist daher mehr noch als bei Einstellungen gemäß § 153a StPO das beteiligte Gericht gefordert, einer eventuell unsachgemäßen Erledigungspraxis und dem Missbrauch eines grundsätzlich gerechtfertigten Rechtsinstituts entgegenzuwirken. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Strafbefehlsverfahren bestehen aber nicht126.

III. Konsensuale Erledigung und Unterwerfungsverfahren In der vorgesehenen Mitwirkung des Gerichts liegt auch der entscheidende Unterschied zwischen der Einstellung gemäß § 153a StPO und dem Strafbefehlsverfahren nach heutigem Recht einerseits und dem früheren Unterwerfungs- bzw. Strafbescheidsverfahren andererseits. Das Unterwerfungsverfahren gemäß § 445 RAO 1931 und das Strafbescheidsverfahren gemäß § 447 RAO 1931, jeweils in der Fassung vom 06.10.1965, wurden für mit Art. 92 1. Halbsatz GG unvereinbar erklärt, da sie die Verhängung von Kriminalstrafen allein durch die Verwaltung ermöglichten127, auch wenn dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben wurde, durch Einlegung von Rechtsmitteln eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen128. Da sich allerdings die selbständige Verfolgung von Steuerstraftaten durch die Finanzbehörden nach Auffassung der Praxis durchaus bewährt hatte129, wurde das Strafbefehlsverfahren bewusst in die AO aufgenommen. Es sollte an die Stelle der Unterwerfungsverhandlungen gemäß § 445 RAO 1931 bzw. der Strafbescheide des Finanzamts gemäß § 447 RAO treten, um den Finanzbehörden weiterhin eine – nunmehr grundgesetzkonforme – Möglichkeit zu geben, Steuerstrafsachen in einem vereinfachten Verfahren zu erledigen130. Die Kritik unter anderem von Harms an der Praxis der Einstellung von Steuerstrafverfahren gegen Auflagen gemäß § 153a StPO und der Erledigung im Strafbefehlsverfah124

Kommission für die Reform des Strafprozesses, Bd. 1, S. 315. Vgl. die Gesetzesinitiative des Freistaats Bayern und der Länder Hessen und NordrheinWestfalen, BR-Drs. 660/06, und Pressemitteilung Nr. 67/06 des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 30.08.2006. 126 BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvR 230/51, BVerfGE 3, 248 (253), Beschl. v. 21.01.1969 – 2 BvR 724/67, BVerfGE 25, 158 (165 f.); BayVerfGH, Entscheidung v. 07.10.1963 – Vf. 12 – VI – 62, GA 1964, 50 (51 f.); Klein – Gast-de Haan, § 400 AO, Rn 2. 127 BVerfG, Urt. v. 06.06.1967 – 2 BvR 53, 375/60, 2 BvR 18/65, BVerfGE 22, 49. 128 Vgl. hierzu im einzelnen Franzen/Gast/Joecks – Joecks, Einl, Rn 74. 129 Kohlmann – Hilgers-Klautzsch, § 400 AO, Rn 1; Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (12); Henneberg, BB 1979, 585; Rittmann, wistra 1984, 52 f.; Malms, wistra 1994, 337 f.; a.A. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 11. 130 BR-Drs. 161/1967, S.35; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 400 AO, Rn 3. 125

B. Bedenken gegen konsensuale Erledigungsmöglichkeiten

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ren richtet sich daher im Grundsatz auch weniger gegen die selbständige Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörden, diese ist vielmehr aufgrund der Besonderheiten des Steuerstrafrechts ganz überwiegend anerkannt131. Sie geht vielmehr dahin, es werde eine Vielzahl von Steuerstrafverfahren entweder an der Justiz vorbei erledigt132 oder deren Beteiligung werde auf eine rein formale Mitwirkung reduziert133.

1. Differenzierung zwischen §§ 153 f. StPO und dem Strafbefehlsverfahren Damit werden tatsächlich zwei verschiedene Kritikpunkte vorgebracht: Soweit der Vorwurf erhoben wird, Steuerstrafverfahren würden insbesondere durch die Finanzbehörden unter unsachgemäßer Anwendung des § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO bzw. des § 153a Abs. 1 Satz 6 StPO in Verbindung mit § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO „an der Justiz vorbei“ erledigt, ist hiermit gerade keine Strafe und kein darin enthaltenes sozialethisches Unwerturteil verbunden. Diese Konstellation ist damit dem Unterwerfungs- bzw. Strafbescheidsverfahren gerade nicht vergleichbar134, sondern wirft Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips bzw. dessen widerrechtlicher Durchbrechung auf135. Parallelen zum Unterwerfungs- bzw. Strafbescheidsverfahren können nur insoweit gezogen werden, als beanstandet wird, die Mitwirkung der Gerichte bei Strafbefehlen sei eine rein formale, eine inhaltliche Überprüfung finde effektiv nicht statt. Ein derart durchgeführtes Strafbefehlsverfahren wäre der Sache nach weiterhin ein Verwaltungsstrafverfahren und insofern mit Art. 92 1. Halbsatz GG unvereinbar, da charakteristisch für die Tätigkeit der Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 1. Halbsatz GG gerade das Element der Entscheidung ist, die Feststellung und der Ausspruch dessen, was Recht ist136. Rechtsstaatlich ist freilich das eine ebenso unhaltbar wie das andere, eine unsachgemäß ausufernde Einstellungspraxis ebensowenig hinzunehmen wie die faktische Ausübung von Strafgewalt durch die Finanzverwaltung.

131 Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (12 f.); a.A. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 11. 132 Weyand, DStZ 1990, 166 (167); Malms, wistra 1994, 337 (338). 133 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (468); Harms, Nehm-FS, S. 289 (295); ähnlich Sauer, Rn 153; Weyand, DStZ 1990, 166 (170). 134 Weber-Blank, wistra 1995, 134 (135); Keller/Schmid, wistra 1984, 201 (204); a.A. Malms, wistra 1994, 337 (338). 135 Weyand, DStZ 1990, 166 (170). 136 BVerfG, Beschl. v. 28.11.1957 – 2 BvR 11/56, BVerfGE 7, 183 (188 f.); zu den Voraussetzungen der richterlichen Überzeugungsbildung beim Erlass von Strafbefehlen in Steuerstrafverfahren vgl. im Einzelnen Burkhard, S. 104 ff.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

2. Entscheidende Bedeutung der gerichtlichen Mitwirkung Der rechtliche Ausgangspunkt der §§ 153, 153a StPO bzw. des § 398 AO und des Strafbefehlsverfahrens ist, wie gesehen, nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO bzw. § 398 AO bzw. § 153a Abs. 1 Satz 6 StPO in Verbindung mit § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO die Mitwirkung des Gerichts ausnahmsweise entbehrlich sind, sind in AStBV(St) 2009 Nr. 77 und 78 für die Finanzbehörden verbindlich konkretisiert. Gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 77 Abs. 3 Satz 6 ist ein „geringer“ Schaden im Sinne dieser Vorschriften nur anzunehmen, wenn lediglich eine Geldstrafe von nicht mehr als zehn bis zwanzig Tagessätzen zu verhängen wäre. Ansonsten unterliegen sowohl Verfahrenseinstellungen gemäß §§ 153, 153a StPO bzw. § 398 AO als auch das Strafbefehlsverfahren einem Richtervorbehalt als dem stärksten Kontrollinstrument, das dem Rechtsstaat zu Verfügung steht. Wenn allerdings dem Gericht die erforderlichen steuerrechtlichen Kenntnisse fehlen, kann sich dies fatal zulasten des Rechtsstaats auswirken137. Das Gericht wird dann abhängig von der Staatsanwaltschaft bzw. Finanzbehörde oder dem Verteidiger und seine Unsicherheit kann gleichermaßen zu übertriebener Milde und überkompensierender Strenge führen138. Zwar ist die Staatsanwaltschaft bzw. die Finanzbehörde, wenn sie die Ermittlungen selbständig führt, als die „objektivste Behörde der Welt“ auch den Interessen des Beschuldigten verpflichtet, sie darf daher die Unsicherheit bzw. das Vertrauen des Gerichts nicht einseitig zu dessen Nachteil ausnutzen. Dennoch wird sie auf diese Weise mit einer Verantwortung belastet, die ihr von Gesetzes wegen nicht zukommt und wegen Art. 92 1. Halbsatz GG nicht zukommen darf. Der Beschuldigte und sein Verteidiger können eine objektive Kontrollfunktion noch weniger ausüben. Sogar dann, wenn der Beschuldigte als Unternehmer oder Freiberufler selbst steuerrechtlich versiert ist, fehlen ihm regelmäßig spezifisch steuerstrafrechtliche und steuerstrafverfahrensrechtliche Kenntnisse. Auch die Mitwirkung eines Verteidigers – sofern überhaupt bestellt – kann eine objektive Kontrollfunktion nicht gewährleisten. Der Verteidiger ist zwar Organ der Rechtspflege139, so dass er verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass das Verfahren sachdienlich und in prozessual geordneten Bahnen durchgeführt wird140. Er darf allerdings grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt141 und unter Umständen auch wider besseres Wissen mit prozessual zulässigen Mitteln auf Freispruch seines schuldigen Mandanten mitwirken142. 137

Tipke/Lang – Lang, § 1, Rn 12. Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (464); Tipke, Kohlmann-FS, S. 555 (568); Kaligin, DStZ 2003, 452 (454). 139 BVerfG, Beschl. v. 08.10.1974 – 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, 105 (119) und v. 26.02.1980 – 2 BvR 752/78, BVerfGE 53, 207 (214). 140 BGH, Urt. v. 07.11.1991 – 4 StR 252/91, BGHSt 38, 111 (115). 141 BGH, Beschl. v. 09.05.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 46, 53. 142 BGH, Urt. v. 04.07.2001 – 2 StR 513/00, StV 2001, 506 (509). 138

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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Die Vorwürfe gegen die derzeitige Behandlung von Strafbefehlsanträgen in Steuerstrafsachen kommen von prominenter Stelle und sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Sie gelten allerdings weniger der Gesetzeslage, die im Hinblick auf Art. 92 1. Halbsatz GG nicht zu beanstanden ist, sondern der tatsächlichen Umsetzung im Einzelfall und begründen insofern keine grundsätzlichen Zweifel an den Regelungen der §§ 153, 153a, 407 ff StPO, §§ 400 AO. Erst dann, wenn eine effektive richterliche Kontrolle im Einzelfall nicht mehr gegeben ist, nehmen verfahrensbeendende konsensuale Erledigungen im Ermittlungsverfahren den Charakter eines grundgesetzwidrigen Unterwerfungsverfahrens an.

IV. Zwischenergebnis Im Bereich der Vergehen sind Ausnahmen vom Legalitätsgrundsatz und Unzulänglichkeiten eines summarischen Verfahrens in eingeschränktem Umfang hinzunehmen, dabei ist aber nur die formelle Richtigkeitsgarantie einer Hauptverhandlung, nicht die effektive richterliche Kontrolle als solche entbehrlich. Solange eine effektive richterliche Kontrolle rechtlich und tatsächlich gesichert ist, ist die Erledigung von Steuerstrafverfahren durch Einstellung gemäß §§ 153, 153a StPO bzw. § 398 AO auch dann nicht zu beanstanden, wenn die Finanzbehörde die Ermittlungen selbständig führt.

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

Sowohl die Einstellung gemäß § 153a StPO (vom Fall des § 153a Abs. 1 Satz 7 StPO abgesehen) als auch die Ahndung im Strafbefehlsverfahren bedürfen zwingend der Mitwirkung nicht nur des Beschuldigten und der Strafverfolgungsbehörde, sondern auch des zuständigen Gerichts143. Letzteres ist vergleichsweise unproblematisch der gemäß § 391 Abs. 3 AO besonders bestimmte Strafrichter beim gemäß § 391 Abs. 1 AO zuständigen Amtsgericht144. Probleme können sich jedoch bei der Abgrenzung nicht nur der Befugnisse von Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde sondern auch innerhalb der Finanzbehörde von Bußgeld- und Strafsachenstelle und Steuerfahndung ergeben145. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die beteiligten Stellen ihre Kompetenzen mitunter verkennen oder sogar bewusst überschreiten146. Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen 143

Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519. Vgl. zu § 391 AO bereits oben I.1. Die Verweisung auf das Schöffengericht ist nach der Erweiterung der Strafkompetenz des Strafrichters durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz ohne Bedeutung, Burkhard, S. 88; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 400 AO, Rn 24. 145 Vgl. zu den Befugnissen im Einzelnen bereits oben 1. Kapitel, D. 146 Vgl. z. B. den von FG München, Urt. v. 18.06.2002 – 6 K 668/97, juris entschiedenen Fall. 144

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

das Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft Verständigungen, die mit der Bußgeldund Strafsachenstelle getroffen wurden, berühren kann, aber auch, welche Rechtswirkungen eine mit einer unzuständigen Behörde getroffene Absprache entfaltet.

I. Selbständiges Verfahren der Finanzbehörde Die Finanzbehörde hat, wenn sie unter den Voraussetzungen des § 386 Abs. 2 AO das Verfahren in den Grenzen der §§ 399 Abs. 1, 400 AO selbständig führt, dabei gemäß § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft und kann daher von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gemäß § 398 AO und §§ 153 ff. StPO Gebrauch machen147 bzw. gemäß § 400 1. Halbsatz AO auch den Erlass eines Strafbefehls beantragen. Nur vereinzelt wird vertreten, § 398 AO verdränge als lex specialis die §§ 153 ff. StPO148, allgemein jedoch ohne weiteres angenommen, dass § 398 AO die Möglichkeit einer Einstellung nach den §§ 153 ff. StPO unberührt lässt149. Soweit die Finanzbehörde das Verfahren selbständig führt, handelt sie in eigener Verantwortung und ist an Anweisungen der Staatsanwaltschaft nicht gebunden150, sondern untersteht der Dienstaufsicht der vorgesetzten Finanzbehörden151.

II. Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft Sobald die Staatsanwaltschaft ihr Evokationsrecht ausgeübt hat, erlischt allerdings die Zuständigkeit der Finanzbehörde gemäß §§ 386 Abs. 2, 399 ff. AO, und auch für die Einstellung gemäß § 398 AO, §§ 153, 153a StPO oder den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ist ausschließlich die Staatsanwaltschaft zuständig. Der Finanzbehörde verbleiben dann nur gemäß § 402 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten, die eine Polizeibehörde nach der StPO hat (mit der Ausnahme des § 402 Abs. 1 Satz 2 AO i.V. m. § 399 Abs. 2 Satz 2 AO) sowie die Befugnisse nach § 403 StPO. In der Rechtswirklichkeit ist für die Ausübung des Evokationsrechts die Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde von entschei147

Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 398 AO, Rn 30. Burkhard, Strafbefehl, S. 147. 149 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 398 AO, Rn 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 398 AO, Rn 6. Neben den §§ 153 ff. StPO kommt § 398 AO praktisch keine eigenständige Bedeutung mehr zu, Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 398 AO, Rn 5; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 398 AO, Rn 6; Malms, wistra 1994, 337 (338). 150 BFH, Urt. v. 25.01.1972 – VII R 109/68, BFHE 104, 187, OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.12.1991 – 3 Ws 21/91, wistra 1991, 190; Behnes, S. 10; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386, Rn 4; Schmidt-Hieber, Rn 224; a.A. Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 166 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 399 AO, Rn 23 ff. 151 Franzen/Gast/Joecks – Jäger, § 397 AO, Rn 22; Kohlmann – Kohlmann, § 386 AO, Rn 10; a.A. Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 166 ff. 148

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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dender Bedeutung152. Der Gesetzgeber hat von einer Regelung entsprechender Mitteilungspflichten in der AO bewusst abgesehen153, sie ergeben sich erst behördenintern aus AStBV(St) 2009 Nr. 18 Abs. 2.

1. Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde Danach hat die Finanzbehörde in den Fällen, die wegen der Größenordnung oder aus anderen Gründen, namentlich wegen der Persönlichkeit oder der Stellung des Beschuldigten oder wegen des Sachzusammenhangs mit anderen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, von besonderer Bedeutung sind, die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu verständigen, sofern sie nicht (ohnehin) die Vorgänge gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 18 Abs. 1 abzugeben hat. AStBV(St) 2009 Nr. 132 Abs. 1 sieht zudem zur Förderung der Zusammenarbeit der Finanzbehörden mit den Staatsanwaltschaften regelmäßige Kontaktgespräche vor. AStBV(St) 2009 Nr. 19 Abs. 2 und Nr. 132 Abs. 1 und korrespondieren insofern mit RiStBV Nr. 267. Dennoch sind Anzeichen dafür erkennbar, dass mitunter, wie Kohlmann behauptete, § 386 Abs. 4 Satz 2 AO aufgrund tatsächlicher Unzulänglichkeiten in der Zusammenarbeit beider Behörden eine „praktisch bedeutungslose Leerformel“ darstellt154. Die Bedingungen der Ausübung des Evokationsrechts gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO waren bereits vor einiger Zeit Gegenstand einer in der Literatur geführten Kontroverse. Liebsch/Reifelsberger nahmen die Veröffentlichung einer Entscheidung des LG Frankfurt155 zum Anlass, die „Grenzen des Evokationsrechts“ zu erörtern156, worauf Weyand erwiderte, das finanzbehördliche Mitteilungs- und Abgabeverhalten bei Steuerstrafverfahren bliebe oft erheblich hinter den gesetzlichen Bestimmungen bzw. verwaltungsinternen Anweisungen157 zurück158, ein Vorwurf, der in der Literatur nach wie vor erhoben wird159.

152 Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 172; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386 AO, Rn 47; dementsprechend haben sich unterschiedliche Kulturen der Zusammenarbeit entwickelt, Alvermann/Franke, Stbg 2009, 554; hierzu nunmehr auch BGH, Beschl. v. 30.04.2009 – 1 StR 90/09, wistra 2009, 363, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, wonach der Tatbestand der Strafvereitelung, § 258 StGB (regelmäßig wohl auch der Strafvereitelung im Amt, § 258a StGB) erfüllt sein kann, wenn es wegen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde zu einer Verzögerung des Steuerstrafverfahrens kommt. 153 Behnes, S. 13. 154 Kohlmann – Kohlmann, § 386 AO, Rn 25.6; ähnlich Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (12); Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467). 155 LG Frankfurt, Beschl. v. 15. 2. 1993 – 5/29 Qs 2/93, wistra 1993, 154. 156 Liebsch/Reifelsberger, wistra 1993, 325. 157 Seinerzeit noch die nicht bundesweit einheitlich gültigen Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren – ASB –, vgl. Klos/Weyand, DStZ 1988, S. 616. 158 Weyand, wistra 1994, 87. Zuvor bereits Kretzschmar, DStR 1985, 24. 159 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 164; differenzierend Alvermann/Franke, Stbg 2009, 554, von einer funktionierenden Zusammenarbeit berichten hingegen Quedenfeld/ Füllsack, Rn 132.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Vertreter der Justiz kritisieren strafrechtsfremde Erwägungen, namentlich eine von Vertretern der Finanzbehörden vertretene Ansicht, das Steuerstrafrecht diene lediglich dem „Flankenschutz“ des Steuerrechts und solle das Steueraufkommen sichern160, sowie eine „Scheu vor dem Strafrecht“ der Betriebsprüfer161, die bei dem Verdacht der Steuerhinterziehung entgegen § 399 Abs. 2 Satz 1 AO von der Unterrichtung der Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. der Steuerfahndung absehen162. Dennoch erscheint Kohlmanns Einschätzung in ihrer Allgemeinheit nicht gerechtfertigt163.

2. Informationsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft über Verfahren der Finanzbehörde Obwohl die Finanzbehörde, wenn sie das Strafverfahren selbständig führt, gemäß § 400 AO für den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft nicht bedarf, wird die Finanzbehörde Anträge auf Erlass eines Strafbefehls zunächst der Staatsanwaltschaft zuleiten164. Dieses Vorgehen ist z. B. in Bayern gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 o) der Aktenordnung der Justiz – AktO –165 ausdrücklich vorgesehen. Deren Bindungswirkung für die Finanzbehörden wird zwar bestritten166, ist aber im Hinblick auf § 386 Abs. 2 Satz 1, § 399 Abs. 1 AO für die Durchführung des Steuerstrafverfahrens gegeben167. Im Rahmen der Registereintragung hat die Staatsanwaltschaft, sofern die Registereintragung durch einen Staatsanwalt durchgeführt wird168, die tatsächliche Möglichkeit und nach vorherrschender Meinung auch das Recht zur inhaltlichen Prüfung der Strafbefehlsanträge169. Das Steuergeheimnis steht dem jedenfalls, wie 160

Kohlmann, DStJG 6, S. 5 (12); vgl. zu dieser Haltung etwa Rittmann, wistra 1984, 52

(53). 161

Ebenso bereits Weyand, DStZ 1990, S. 168 f.; ähnlich Joecks, Praxis, S. 5. Weyand, wistra 1994, 87 (89 f.); zust. aus Sicht der Steuerfahndung Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 154, 186 ff. 163 Vgl. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386 AO, Rn 47. 164 Vgl. AG Braunschweig, Beschl. v. 4.5.1992 – 9 Cs 400 Js 46909/91, wistra 92, 236; Mösbauer, Steuerstrafrecht, S. 317; Flore/Dörn/Gillmeister – Dörn, S. 327; Dißars, wistra 1997, 331 (334); Liebsch/Reifelsberger, wistra 1993, 325 (328); weitergehend nunmehr BGH, Beschl. v. 30.04.2009 – 1 StR 90/09, wistra 2009, 363, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, wonach die Finanzbehörden die Staatsanwaltschaft über alle Ermittlungsverfahren, bei denen eine Evokation nicht fern liegt, frühzeitig zu unterrichten haben; a.A. Rittmann, wistra 1984, 52; für Einstellungen gemäß §§ 153 ff. StPO Malms, wistra 1994, 337. 165 Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz v. 13.12.1983 – Gz. 1454 – I – 236/83, JMBl. 1984, 13. 166 Rittmann, wistra 1984, 52 (53). 167 Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 174. 168 Evtl. sogar durch einen Abteilungsleiter, vgl. Malms, wistra 1994, 337. 169 Für ein materielles Prüfungsrecht Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 174, Malms, wistra 1994, 337, und Scheu, wistra 1983, 136 (138), dagegen Rittmann, wistra 1984, 52 (53). 162

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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sich aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 a) AO ergibt, nicht entgegen. Selbst die Gegner eines inhaltlichen Prüfungsrechts der Staatsanwaltschaft bei Strafbefehlsanträgen der Finanzbehörde schlagen dementsprechend vor, eine solche Abgleichung vorzunehmen, wenn auch nicht bereits vor der Zuleitung des Strafbefehlsantrags an das Gericht, sondern erst nach Eingang des Strafbefehlsantrags beim Gericht auf dessen Anforderung170. Im Ergebnis ändert sich insofern wenig171. Die Gerichte sind darüber hinaus generell gehalten, über Strafbefehlsanträge der Finanzbehörde, bei denen diese ihre Kompetenz überschritten hat, nicht in der Sache zu entscheiden, sondern sie der Staatsanwaltschaft zuzuleiten172. Die fehlende organisatorische Eingliederung der in Steuerstrafsachen tätigen Finanzbehörden in die Hierarchie der Staatsanwaltschaft steht einer effektiven Ausübung des Evokationsrechts daher nicht entgegen173. Zwar dürfte eine Evokation unter anderem angesichts der starken Be- bzw. Überlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften174 eher die Ausnahme darstellen175, dennoch ist die Ausübung des Evokationsrechts im Einzelfall nicht auszuschließen.

3. Zeitlicher Umfang des Evokationsrechts Das Landgericht Frankfurt hat in seiner bereits erwähnten Entscheidung die Ansicht vertreten, die Staatsanwaltschaft könne ihre Zuständigkeit nach § 386 Abs. 4 Satz 2 AO auch konkludent begründen; eine ausdrückliche Übernahmeerklärung sei zwar zweckmäßig, aber nicht erforderlich. Insbesondere könne die Staatsanwaltschaft ihr Evokationsrecht gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO „jederzeit“, das heißt bis zur Erledigung, nicht nur bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens, ausüben176. Demgegenüber wollten Liebsch/Reifelsberger in diesem Fall eine Kompetenzüberschreitung der Staatsanwaltschaft annehmen, die die „Grenzen des Evokationsrechts“ verlasse. Das Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft kann ihrer Ansicht nach nur bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens ausgeübt werden177. Sie begründen dies mit dem engen systematischen Zusammenhang zwischen § 386 Abs. 2 und 4 AO. „Jederzeit“ im Sinne des § 386 Abs. 4 Satz 2 AO beziehe sich insofern nur auf das Ermittlungsverfahren.

170 Rittmann, wistra 1994, 52 (54). Vgl. auch § 54 Abs. 9 i.V. m. Abs. 7 und Abs. 6 S. 4 AktO. 171 Zum zeitlichen Umfang des Evokationsrechts vergleiche sogleich 3. 172 Behnes, S. 15; Kohlmann – Kohlmann, § 386 AO, Rn 28; Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Rn 611. 173 Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 175. 174 Vgl. statt vieler Eich, S 75; Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, Einl, Rn 119a; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (551 f.); Harms, Schlüchter-GS, S. 468; insbesondere BGH, Urteil v. 2. 12. 2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 94. 175 Vgl. Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (467). 176 LG Frankfurt, Beschl. v. 15.2.1993 – 5/29 Qs 2/93, wistra 1993, 154. 177 Liebsch/Reifelsberger, wistra 1993, 325 (326); ebenso Quedenfeld/Füllsack, Rn 132.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Die selbständige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO ist jedoch nur von der originären Ermittlungskompetenz der Staatsanwaltschaft abgeleitet178. §§ 152, 160 StPO gelten gemäß § 385 Abs. 1 AO auch im Steuerstrafverfahren179. Die §§ 385 ff. AO enthalten keine abweichenden Regelungen. Die unselbständige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde gemäß § 386 Abs. 1 AO stellt gesetzessystematisch den Regelfall, die selbständige Ermittlungskompetenz gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO die Ausnahme dar, mag es sich in der Praxis auch umgekehrt verhalten180. § 399 Abs. 1 AO setzt zwar einen Fall des § 386 Abs. 2 AO voraus, enthält deswegen aber gerade keine Aussage über das Verhältnis zwischen § 386 Abs. 2 AO und § 386 Abs. 4 AO. § 400 AO richtet sich seinem Wortlaut nach primär an die Finanzbehörde, er dient nach dem Willen des Gesetzgebers der Entlastung der Staatsanwaltschaft181, ohne in deren Rechte eingreifen zu wollen. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO lassen daher die „Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft“182 für das Ermittlungsverfahren gemäß §§ 152, 160 StPO unberührt. Aus dieser Gesamtverantwortung ergibt sich aber keine Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft gegenüber der Finanzbehörde183. Die Staatsanwaltschaft kann ihre Gesamtverantwortung gegenüber der Finanzbehörde vielmehr nur durch Ausübung ihres Evokationsrechts gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO geltend machen. Das Evokationsrecht sichert demnach die Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft gegenüber der Finanzbehörde und es kann nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt sein, durch den Vermerk über den Abschluss der Ermittlungen die Staatsanwaltschaft vom weiteren Verfahren auszuschließen. Die überwiegende Meinung geht daher zu Recht davon aus, eine unzulässige Evokationsausübung bzw. eine Kompetenzüberschreitung der Staatsanwaltschaft bei Ausübung ihres Evokationsrechts sei nicht denkbar184.

178 Behnes, S. 17; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 399 AO, Rn 3; Kohlmann – Kohlmann, § 399 AO, Rn 9. 179 Weyand, NWB Fach 13, 765 (766), abzulehnen daher die Überlegungen von Rittmann, wistra 1984, 52, die auf eine fiskalisch motivierte Einschränkung des Legalitätsprinzips hinauslaufen. 180 Hardtke/Westphal, wistra 1996, 91 (92). 181 BT-Drs. 5/1812, 21, 35. 182 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (459). 183 BFH, Urt. v. 25.01.1972 – VII R 109/68, BFHE 104, 187 (190); OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.12.1991 – 3 Ws 21/91, wistra 1991, 190; Schmidt-Hieber, Rn 224; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386, Rn 4. 184 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 386 AO, Rn 42; Kohlmann – Kohlmann, § 386 AO, Rn 28; Hardtke/Westphal, wistra 1996, 91 (93); Weyand, wistra 1994, 87 (88); Kretzschmar, DStR 1985, 24 (30).

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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4. Zwischenergebnis Zwar wird in der Literatur die Ansicht vertreten, ein zwischen Staatsanwaltschaft und Bußgeld- und Strafsachenstelle bestehendes Spannungsverhältnis begünstige Großtäter185, ein solches Spannungsfeld birgt für den Beschuldigten aber auch Risiken186. Die Staatsanwaltschaft kann bis zum Erlass des Strafbefehls durch Ausübung ihres Evokationsrechts eine mit der Bußgeld- und Strafsachenstelle erzielte Verständigung obsolet machen187. Die Entscheidung, das Evokationsrecht auszuüben, ist gerichtlich nicht überprüfbar. Eine Bindung der Staatsanwaltschaft an eventuelle Verständigungen der Finanzbehörde würde das Evokationsrecht entwerten und die „Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft“188 in Frage stellen, sie ist daher grundsätzlich ausgeschlossen. In der Praxis sollte daher in Fällen, in denen möglicherweise eine Evokation zu erwarten ist, die Staatsanwaltschaft von vornherein einbezogen werden189.

III. Zuständigkeit innerhalb der Finanzbehörde Sofern unter Berücksichtigung der soeben entwickelten Grundsätze eine strafprozessuale Verständigung mit der Finanzbehörde getroffen werden kann, muss auch die behördeninterne Zuständigkeit der beteiligten Stelle gegeben sein. Wie bereits gesehen190, wird innerhalb der finanzbehördlichen Strafverfolgungsorgane zwischen der Bußgeld- und Strafsachenstelle einerseits, der Steuerfahndung andererseits unterschieden. Aus Sicht der Finanzbehörden selbst werden autonome Verständigungen zwischen Steuerfahndung und Verteidigung ohne Mitwirkung der Bußgeld- und Strafsachenstelle ebenso kritisiert191, wie von der Seite der Steuerstrafverteidiger, dass auf Seiten der Finanzbehörde ein Ansprechpartner häufig nicht zur Verfügung steht192.

185 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 3; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 146. 186 Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 47. 187 Hierzu sogleich IV. 188 Harms, Schlüchter-GS, S. 451 (459). 189 Simon/Vogelberg – Simon, S. 350 f.; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (390); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11629); vgl. BGH, Beschl. v. 30.04.2009 – 1 StR 90/09, wistra 2009, 363, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, wonach die Finanzbehörden die Staatsanwaltschaft über alle Ermittlungsverfahren, bei denen eine Evokation nicht fern liegt, zu unterrichten haben. 190 Vgl. oben I.4. 191 Vgl. Schmidt, StuW 1998, 278 (282). 192 Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 42.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

1. Verbindliche Kompetenzzuweisungen Für die Wahrnehmung der Befugnisse gemäß § 386 Abs. 2, §§ 399, 400 AO ist nach dem Gesetz grundsätzlich allein entscheidend, ob die Finanzbehörde als solche gemäß § 387 Abs. 1 AO allgemein oder aufgrund besonderer Rechtsverordnung193 zugleich gemäß § 387 Abs. 2 AO und § 17 Abs. 2 FVG zuständige Finanzbehörde im Sinne des § 386 AO ist. Die besondere Zuständigkeit der Bußgeld- und Strafsachenstellen innerhalb eines Finanzamts ergibt sich erst aus der – rein internen – Regelung der AStBV(St) 2009 Nr. 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz. Im Einzelfall ist daher für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme gemäß § 386 Abs. 2, §§ 399, 400 AO im Außenverhältnis entscheidend, ob die handelnde Finanzbehörde nach § 387 AO zuständig und der für die Behörde handelnde Amtsträger zur Durchführung der damit betreffenden Maßnahme befugt ist. Es kann daher auch grundsätzlich jeder Beamte eines Finanzamts, unabhängig davon, welcher Dienststelle bzw. Abteilung er im Einzelnen zugeordnet ist, im Rahmen seines behördeninternen Zeichnungsrechts Befugnisse gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO194 wahrnehmen, wenn diese dem Finanzamt nach § 387 AO übertragen sind.

a) Trennung von Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbeamten gemäß § 404 AO §§ 386 ff. AO scheinen der Wahrnehmung der Befugnisse gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO durch Beamte der Steuerfahndung zunächst nicht entgegenzustehen. Sie sprechen lediglich in allgemeiner Form von einer Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde, ohne bestimmte Anforderungen an die interne Organisation der Finanzbehörde zu stellen. Dass die Dienststellen und Beamten der Steuerfahndung von der Wahrnehmung der Befugnisse gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO ausgeschlossen sind, ergibt sich aber aus der besonderen Regelung in § 404 Satz 1 AO. Nach § 404 Satz 1 AO haben die Dienststellen und Beamten der Steuerfahndung im Steuerstrafverfahren die Rechte und Pflichten der Polizeibeamten nach den Vorschriften der StPO, also von Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft. Hieraus folgt zunächst, dass § 208 Abs. 1 Satz 2 AO, nach dem der Steuerfahndung die vollen Ermittlungsbefugnisse der Finanzämter zustehen, nur für das Besteuerungsverfahren gelten kann195. Hätten die Dienststellen und Beamten der Steuerfahndung gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2, § 386 Abs. 2, § 399 193

Für Übersicht über die entsprechenden Rechtsverordnungen in den einzelnen Ländern vgl. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 387 AO, Rn 6. 194 Insoweit zutreffend AG Kempten(Allgäu), Beschl. v. 24.3.1986 – 2 Gs 517/86, wistra 1986, 271, m. zust. Anm. Cratz, wistra 1986, 272. Die gegen den Beschluss gerichtete Beschwerde wurde vom LG Kempten(Allgäu) mit Beschl. vom 9. April 1986 – 2 Qs 134–137/86 verworfen, vgl. wistra 1986, 273. 195 Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 148 f.; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 52 f.

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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Abs. 1 AO ausnahmslos die – gegenüber den Ermittlungsbeamten – weitergehenden Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft selbst196, liefe § 404 Satz 1 AO leer197. Da zu den Befugnissen der Staatsanwaltschaft gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO auch das Weisungsrecht gegenüber den Ermittlungsbeamten gemäß § 152 Abs.1 GVG gehört, folgt aus § 404 Satz 1 AO zudem denknotwendig, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Befugnisse der Staatsanwaltschaft gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO von einer anderen Dienststelle als der Steuerfahndung ausgeübt werden müssen198. § 404 Satz 1 AO schreibt daher die Trennung der Befugnisse von Staatsanwaltschaft und Polizei, die im gesamten übrigen Strafprozessrecht gilt, auch für den Bereich des Steuerstrafverfahrens zwingend vor199 und enthält insofern einen negativen Befugniskatalog200, der die Dienststellen und Beamten der Steuerfahndung von der Wahrnehmung staatsanwaltlicher Befugnisse, insbesondere verfahrensabschließenden Verfügungen, ausschließt201.

b) Keine Umgehung des § 404 AO Als bundesgesetzliche Regelung können § 404 Satz 1 AO und § 152 Abs. 1 GVG nicht durch Landesrecht oder innerbehördliche Verfügungen umgangen werden, indem etwa die Sachgebietsleitung über die Strafsachenstelle und die Steuerfahndungsstelle demselben Beamten übertragen wird oder der Leiter der Steuerfahndungsstelle dem Leiter der Strafsachenstelle vorgesetzt ist202. Eine entsprechende Verfügung wäre rechtswidrig und unwirksam und könnte eine Zuständigkeit für Maßnahmen gemäß § 386 Abs. 2, §§ 399, 400 AO nicht begründen203. Dies gilt nicht nur für die dauernde Vereinigung beider Funktionen, sondern auch für die wechselseitige Vertretung204. Nicht zu beanstanden ist hingegen, die Konzentration staatsanwaltlicher und polizeilicher Funktionen bei dem gleichen Finanzamt, sofern innerhalb des Finanzamtes die Befugnisse klar unterschieden werden205. Eine 196

So aber Küster, BB 1980, 1371. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 53. 198 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 54; Hentschel, NJW 2006, 2300. 199 LG Freiburg, Beschl. v. 16.7.1989 – IV Qs 72/86, wistra 1987, 155; Hellmann, NebenStrafverfahrensrecht, S. 153; Hentschel, NJW 2006, 2300; Klos/Weyand, DStZ 1988, 615 (618). Vgl. auch die Trennung zwischen Steuerfahndung und Veranlagungsbereich im Besteuerungsverfahren. 200 Klein – Rüsken, § 404 AO, Rn 18. 201 Behnes, S. 23; Beermann/Gosch – Wannemacher/Seipl, § 404 AO, Rn 68; Franzen/Gast/ Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 62; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 213a. 202 Behnes, S. 64; Beermann/Gosch – Wannemacher/Seipl, § 404 AO, Rn 67; Bilsdorfer, NJW 1992, 1924 (1933); Klos/Weyand, DStZ 1988, 615 (618). 203 LG Freiburg, Beschl. v. 16.7.1989 – IV Qs 72/86, wistra 1987, 155; Klein – Gast-de Haan, § 399 AO, Rn 27. 204 LG Freiburg, Beschl. v. 16.7.1989 – IV Qs 72/86, wistra 1987, 155 (156); Hellmann, NebenStrafverfahrensrecht, S. 153; Hentschel, NJW 2006, 2300 (2301). 205 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel, D.II.1. 197

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Sonderstellung kann lediglich dem Amtsvorsteher eines solchen Finanzamts zukommen, wenn er die Kompetenzen sämtlicher ihm unterstellter Dienststellen in sich vereinigt206, ohne ihnen jedoch selbst anzugehören207.

2. Schlüsselfunktion der Steuerfahndung Verständigungen zwischen Steuerfahndung und Verteidigung ohne Mitwirkung der Bußgeld- und Strafsachenstelle – gleichsam zwischen Polizei und Verteidigung ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft – erscheinen insofern zunächst kaum vorstellbar. Sie würden das Verhältnis zwischen der Bußgeld- und Strafsachenstelle, der gemäß AStBV(St) 2009 Nr. 19 Abs. 2 intern die Ausübung staatsanwaltlicher Pflichten (AStBV(St) 2009 Nr. 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz) obliegt, namentlich die abschließende Entscheidung, insbesondere die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens (AStBV(St) 2009 Nr. 19 Abs. 2 Satz 2), und ihren Ermittlungsbeamten gemäß § 400 Satz 1 AO gerade umkehren. Andererseits wird zum Teil behauptet, dass diese Umkehrung in der Praxis oftmals – wenn auch keinesfalls überall – die Regel ist208, die Steuerfahndung das Ermittlungsverfahren faktisch „dominiert“209 und die Bußgeld- und Strafsachenstelle erst auf Anregung der Steuerfahndung zur Beantragung richterlicher Beschlüsse und bei sonstigen Entscheidungen formeller Art tätig wird210. Die starke Stellung der Steuerfahndung dürfte bereits strukturell begründet sein. Gerade in schwierigen Fällen, die umfangreiche Ermittlungen erforderlich machen, liegt der „Erstzugriff“ behördenintern bei der Steuerfahndung. Nach Abschluss der Ermittlungen sind die Fahndungs- bzw. Ermittlungsberichte der Steuerfahndung regelmäßig Grundlage für den Abschluss sowohl des Besteuerungs- als auch des Steuerstrafverfahrens211 und zeichnen insofern den weiteren Verfahrensgang vor. Die Steuerfahndung hat nicht nur gemäß § 208 Abs. 1 AO eine Doppelfunktion für das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren212, sie behält auch im Steuerstrafverfahren ihre Befugnisse gemäß § 404 Satz 1 AO unabhängig davon, ob die Staatsanwaltschaft oder die Finanzbehörde bei selbständiger Führung gemäß § 386 206

Streck, DStJG 18, S. 173 (179). Insofern ist entgegen Kaligin, Stbg 2001, 360 auch die Ernennung eines der Steuerfahndung entstammenden Beamten zum Vorsteher eines Finanzamts, zu dem eine Strafsachenstelle gehört, unbedenklich. 208 Kaligin, Stbg 2001, 360; vgl. auch Dörn, BB 1992, 2407 und Alvermann/Franke, Stbg 2009, 554 (558). 209 So ausdrücklich Klos/Weyand, DStZ 1988, 615 (618). 210 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 178. 211 Quedenfeld/Füllsack, Rn 132; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 178; Wannemacher – Grötsch, Rn 4495 ff.; auch im gerichtlichen Hauptverfahren kann den als Zeugen vernommenen Fahndungsprüfern eine zentrale Bedeutung zukommen, vgl. Harms, SchlüchterGS, S. 451 (452, 457 f.). 212 Hierzu näher unten 6. Kapitel, A. I. 207

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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Abs. 2 AO ihr gemäß § 404 Satz 2 2. Halbsatz AO und § 152 Abs. 2 GVG weisungsberechtigt ist, und untersteht der Dienstaufsicht der Oberfinanzdirektionen bzw. der an ihre Stelle getretenen Behörden213. Angesichts der Tatsache, dass die Steuerfahndung in verschiedenen Zusammenhängen insgesamt vier Vorgesetzten unterstellt ist, liegt es in der Natur der Sache, dass sie mitunter eine „Eigendynamik“ entwickelt, die den Eindruck erwecken kann, dass der „Diener sich zum Herren aufgeschwungen“ hat214.

3. Bedeutung für Verständigungen im Ermittlungsverfahren Die Wahrnehmung der Rechte der Staatsanwaltschaft gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO durch Dienststellen der Steuerfahndung ist gesetzlich ausgeschlossen, diesbezügliche Absprachen mit der Steuerfahndung sind unwirksam215, Ansprechpartner für Verständigungen betreffend eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO oder den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls im selbständigen Verfahren der Finanzbehörde daher ausschließlich die Bußgeld- und Strafsachenstelle216. Diese muss die von ihr zu stellenden Anträge inhaltlich voll verantworten. Wenn die Steuerfahndung in Ausübung rein faktischer Einflussmöglichkeiten die Bußgeld- und Strafsachenstelle veranlasst, einen im Wesentlichen ohne deren Beteiligung konsensualen Antrag ohne inhaltliche Überprüfung „gleichsam nur als Briefträger“ weiterzuleiten217, stellt bereits dies eine Kompetenzüberschreitung dar, die den Antrag unwirksam macht218. Unbedenklich ist hingegen die bloße Anregung entsprechender Maßnahmen durch die Steuerfahndung219.

IV. Unwirksame und fehlgeschlagene Absprachen Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatsanwaltschaft und Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. zwischen einer dieser beiden Stellen und der Steuerfahndung stellt sich die Frage, welche Bedeutung einer mit einer unzuständigen Stelle getroffenen Absprache zukommen kann. Der beschränkte Strafklageverbrauch gemäß § 153 Abs. 1 Satz 5 StPO setzt eine entsprechende Willensentschließung der 213 In Bayern wurden beispielsweise die Besitz- und Verkehrssteuerabteilungen der früheren Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg und das frühere Technische Finanzamt Nürnberg im Bayerischen Landesamt für Steuern (BayLfSt) zusammengefasst. 214 Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, Rn 41 f. 215 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 102. 216 Kohlmann – Kohlmann, § 404 AO, Rn 102 f.; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 13, A 89; Stahl, KÖSDI, 1998, 11625 (11629). 217 Angedeutet von v. Briel/Ehlscheid, Rn 327 und Hentschel, NJW 2006, 2300 (2301). 218 Klein – Gast-de Haan, § 399 AO, Rn 27. 219 Kohlmann – Kohlmann, § 404 AO, Rn 105; ähnlich Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 178.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Staatsanwaltschaft bzw., in Fällen der § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO, der Bußgeldund Strafsachenstelle voraus, allein eine dahingehende Absichtserklärung, etwa im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung220, genügt nicht. Der endgültige Einstellungsbeschluss des Gerichts, wie er in § 467 Abs. 5 StPO vorgesehen ist, hat in Bezug auf den Strafklageverbrauch nur deklaratorische Bedeutung221. Wenn es an einer entsprechenden Willensentschließung fehlt, ist daher nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts bei einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO selbst dann, wenn der Beschuldigte im Vertrauen auf eine bevorstehende Einstellung des Strafverfahrens bereits Leistungen erbracht hat, für Vertrauensschutzerwägungen kein Raum222. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat zwar angenommen, dass Vertrauensschutzerwägungen auch dann, wenn die Zustimmung der Staatsanwaltschaft nicht vorliegt, zu dem beschränkten Strafklageverbrauch gemäß § 153a StPO führen können223, diese Entscheidung betrifft aber nur den Fall der Zustimmung zu der Verfahrenseinstellung durch das Gericht gemäß § 153a Abs. 2 StPO, nicht das vorliegend relevante Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft selbst gemäß § 153a Abs. 1 StPO. Ebenso kann bei einer Verfahrenseinstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO nur die fehlende Zustimmung des Gerichts224, nicht aber die Willensentschließung der Staatsanwaltschaft, durch Vertrauensschutzerwägungen überspielt werden. Auch ein Strafbefehlsantrag kann gemäß § 407 Abs. 1 StPO nur von der Staatsanwaltschaft bzw. gemäß § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 400 AO der Finanzbehörde gestellt werden und muss daher vom Gericht zurückgewiesen werden, wenn er von einer unzuständigen Stelle, insbesondere der Steuerfahndung oder der Finanzbehörde nach Übergang der Ermittlungen auf die Staatsanwaltschaft, gestellt wird225. Ein mit der Finanzbehörde erzieltes Einvernehmen wird insoweit gegenstandslos, als die Staatsanwaltschaft von ihrem Evokationsrecht Gebrauch macht und einen anderen Standpunkt einnimmt226. Aus Sicht des Beschuldigten leidet eine mit einer unzuständigen Strafverfolgungsbehörde getroffene Absprache regelmäßig unter einem Doppelmangel, da zum einen die unzuständige Behörde die für den rechtskräftigen Verfahrensabschluss erforderliche Prozesshandlung nicht wirksam vornehmen kann, zum anderen die mit der unzuständigen Behörde getroffene Absprache die zuständige Behörde nicht hindert, selbst anderweitige Verfügungen zu treffen. Bei isoliert 220

Vgl. z. B. die Fälle in BFH, Urt. v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 und v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292. 221 Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153a StPO, Rn 53. 222 BayObLG, Beschl. v. 11.03.1999 – 1 St RR 257/98, BayObLGSt 1999, 60. 223 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.07.1986 – StPO 2/86, NStZ 1987, 42. 224 OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.04.2007 – 2 Ws 41/2007, wistra 2007, 276 (278), unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe. 225 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rüping, § 387 AO, Rn 29; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 387 AO, Rn 24; Wannemacher – Maurer, Rn 3271. 226 Eich, S. 127.

C. Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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strafrechtlicher Betrachtung ist das mit einer unwirksamen oder fehlgeschlagenen Absprache verbundene Risiko zwar noch überschaubar, da der Beschuldigte für eine Einstellung gemäß § 153a StPO oder einen Strafbefehl grundsätzlich keine irreversible Vorleistung erbringen muss227. Für die Einstellung gemäß § 153a StPO bedarf es weder eines Geständnisses noch stellt sie eine Geständnisfiktion dar, die Leistung des Beschuldigten, die Erfüllung der Auflage, erfolgt erst nach dem vorläufigen Einstellungsbeschluss und führt unmittelbar zum beschränkten Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO. Sobald dieser eingetreten ist, hat der Beschuldigte strafrechtlich regelmäßig nichts mehr zu befürchten. Der Strafbefehl bewirkt zwar eine Geständnisfiktion, diese tritt aber erst bei Rechtskraft des Strafbefehls ein. Erst, wenn außerhalb des Strafverfahrens im Hinblick auf den erhofften rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens Vorleistungen des Beschuldigten erbracht wurden, ergeben sich Folgeprobleme228. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden ist zu berücksichtigen, dass jede Zusage eines bestimmten Vorteils, die nicht durch die für die Gewährung des Vorteils zuständigen Instanzen und innerhalb des ihnen gesetzlich eingeräumten Ermessens erfolgt, einen gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteil im Sinne des § 136a StPO darstellt229. Aussagen, die der Beschuldigte nachweislich im Rahmen einer mit einer unzuständigen Behörde getroffenen Absprache gemacht hat, sind daher nicht verwertbar.

V. Zwischenergebnis Sowohl die Einstellung gemäß § 153a StPO als auch der Erlass eines Strafbefehls erfordern die Mitwirkung des zuständigen Gerichts. Hieran dürfte die angestrebte Erledigung jedoch in den seltensten Fällen scheitern, sofern das Gericht in eine entsprechende Verständigung rechtzeitig mit einbezogen wird230. Hingegen ist die teilweise unsichere und unklare Kompetenzverteilung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren für den Beschuldigten keineswegs nur vorteilhaft231, sondern eher ambivalent zu beurteilen. Verstöße gegen die Kompetenzordnung der §§ 386 ff. AO stellen regelmäßig den Bestand einer Verständigung bzw. die Wirksamkeit des angestrebten Verfahrensabschlusses in Frage. Zwar kann auch eine unter Verstoß gegen die Kompetenzordnung der §§ 386 ff. AO zustande gekomme227 In der Praxis wird aber möglicherweise auch die Erledigung im Strafbefehlsverfahren bzw. die Einstellung gemäß § 153a StPO davon abhängig gemacht, dass – gleichsam als „Faustpfand“ – ein Geständnis abgelegt wird, vgl. Rönnau, Absprache, S. 92, und Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 82, für das Strafbefehlsverfahren, Sauer, Rn 327 und Dahs, NStZ 2005, 580 (581), für die Einstellung gemäß § 153a StPO; anders Burkhard, S. 179. 228 Insbesondere bei der Gesamtbereinigung, vgl. Eich, S. 127; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (498). 229 Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136a StPO, Rn 61; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.09.1965 – 5 StR 307/65, BGHSt 20, 268. 230 Vgl. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519. 231 So aber Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 146.

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

nen Absprache eine faktische Bindungswirkung entfalten232. Das dennoch verbleibende Risiko ist allerdings gerade dann, wenn Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren parallel laufen, „unkalkulierbar“233.

D. Informelle Absprachen D. Informelle Absprachen

Die bisher genannten, gesetzlich vorgesehenen Verständigungsvarianten laufen darauf hinaus, das Steuerstrafverfahren ohne Hauptverhandlung rechtskräftig zu beenden. Eine weitere Gruppe informeller Absprachen bezweckt hingegen, schon im Ermittlungsverfahren nicht lediglich unverbindliche Vorgespräche im Sinne von § 160b StPO neuer Fassung zu führen, sondern abschließende Vereinbarungen für den Ablauf der Hauptverhandlung, insbesondere den an ihrem Ende stehen Schuld- und Strafausspruch, zu treffen234. Bereits das Ermittlungsverfahren bringt für den Beschuldigten erhebliche Belastungen mit sich235. Das Steuerstrafverfahren ist in entscheidender Weise auf den zunehmend auch in elektronischer gespeicherter Form vorliegenden Sachbeweis angewiesen, der Urkundsbeweis entspricht der Eigenart der Steuerhinterziehung236, so dass der strafprozessualen Durchsuchung und der anschließenden Beschlagnahme von Konto- und Depotauszügen und Geschäftsunterlagen besondere Bedeutung zukommt237. Aus Sicht der Verteidiger gilt auch die Untersuchungshaft im Steuerstrafverfahren als ein ernstzunehmendes Risiko238, namentlich im Hinblick auf die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO oder der Verdunklungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO239. Für den Beschuldigten, insbesondere wenn er zuvor gesellschaftlich voll integriert war, ergibt sich aus der Haft nahe liegend eine ganz erhebliche Belastung240, und er wird regelmäßig bestrebt sein, möglichst schnell eine Aufhebung oder zumindest Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen und häufig sogar bereit sein, zu diesem Zweck ein Geständnis abzulegen. Mit dem Geständnis kann zwar die Verdunklungs- und 232

Hentschel, NJW 2006, 2300 (2301). Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (498). 234 Nach Fischer, StraFo 2009, 177 (183) soll dies „häufig der Fall“ sein. 235 Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 123, 217; Quedenfeld/Füllsack, Rn 428, 511 ff.; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (543); Wehnert, StV 2002, S. 219. 236 Quedenfeld/Füllsack, Rn 428. 237 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn C 272; Streck, DStJG 18, S. 173 (175). 238 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 81; Quedenfeld/Füllsack, Rn 511 ff. 239 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn E 490 ff.; Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 426 ff.; Quedenfeld/ Füllsack, Rn 518 ff. vgl. aber OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.01.2000 – 1 Ws 3/00, StV 2000, 208; OLG Köln, Beschl. v. 27.01.2003 – 2 Ws 22/03, StV 2003, 510; kritisch zur Haftpraxis in Steuerstrafsachen auch Rüping, wistra 2000, 11. 240 Für ein drastisches Beispiel vgl. BGH, Beschl. v. 04.05.2004, 5 StR 588/03, StV 2004, 420. Schmidt-Hieber, Rn 120 f., weist hingegen auf mögliche Vorteile der Untersuchungshaft (bei absehbarer Verhängung einer zu vollziehenden Freiheitsstrafe) hin. 233

D. Informelle Absprachen

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möglicherweise auch die Fluchtgefahr241 aus Sicht der Ermittlungsbehörden ausgeräumt werden. Das Geständnis ist freilich endgültig242, es zeitigt zulasten des Beschuldigten faktische Folgen, die auch durch einen Widerruf nicht völlig getilgt werden können243, so dass der Beschuldigte seine Verteidigungsmöglichkeiten auf ein Minimum reduziert244. Nach der – nicht unproblematischen – bisherigen Rechtsprechung kann ein strafprozessuales Geständnis zudem auch dem Besteuerungsverfahren zugrunde gelegt werden245. Der Bundesgerichtshof selbst hat in seiner Grundsatzentscheidung zur Höchststrafenabrede im Strafverfahren festgestellt, es sei nicht unbillig, wenn der Angeklagte vor Ablegung eines Geständnisses erfahren möchte, wie das Gericht dieses bei der Strafzumessung bewerten würde246. Dies gilt ebenso für den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, so dass auch hier Absprachen über die zu verhängenden Rechtsfolgen an sich nahe liegen247, zumal gerade das „frühzeitige“ Geständnis als Strafmilderungsgrund gilt248. Die Ermittlungsbehörden können allerdings auch nach der neuen Rechtslage dem Beschuldigten keine verbindliche Strafobergrenze zusagen, sondern allenfalls auf die möglicherweise strafmildernde Wirkung eines Geständnisses hinweisen249, die Staatsanwaltschaft – nicht allerdings mit Rücksicht auf § 400 AO die Finanzbehörde im selbständigen Verfahren – zudem für die Hauptverhandlung einen bestimmten Strafantrag in Aussicht stellen250. Ebenso wenig kann das Gericht selbst vor Eröffnung der Hauptverhandlung sowohl nach alter251 als auch nach neuer Rechtslage eine verbindliche Strafobergrenze zusagen, insbesondere wenn auch Schöffen an der Urteilsfindung zu beteiligen sind252. Die Bindungswirkung einer vor der Hauptverhandlung getroffenen Absprache ist allenfalls eine faktische, sie kann die gewünschte Sicherheit gerade nicht bieten und bleibt durch Unwägbarkeiten gefährdet. Dieses Risiko mag gering 241

Schmidt-Hieber, Rn 109. Quedenfeld/Füllsack, Rn 548. 243 Simon/Vogelberg – Simon, S. 349; zur Beweiswürdigung nach Widerruf eines aufgrund einer Verständigung abgelegten Geständnisses BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 238/09, NJW-Spezial 2009, 617. § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO neuer Fassung gilt nur bei der Verständigung in der Hauptverhandlung, so dass sich die Problematik bei frühzeitigen Geständnissen noch vor der Hauptverhandlung weiter stellen kann. 244 Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 419, 433. 245 Dies gilt evtl. sogar dann, wenn das Geständnis später widerrufen wird, vgl. Finanzgericht Münster, Urt. v. 26.11.2004 – 9 K 5436/98 U, EFG 2005, 1009, zu den Bedenken gegen diese Rechtsprechung vgl. 2. Kapitel, D.III. 246 BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (207). 247 So berichtet z. B. FG München, Urt. v. 18.06.2002 – 6 K 668/97, juris, über einen Fall einer mit der Steuerfahndung (!) getroffenen Absprache über den in Betracht kommenden Strafrahmen. 248 Vgl. BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (86). 249 Zur Zulässigkeit dieses Hinweises bereits BGH, Urt. v. 30.10.1951 – 1 StR 363/51, BGHSt 1, 387 (388). 250 So ausdrücklich, wenn auch mit Bedenken, Landau, DRiZ 1995, 132 (133, 137). 251 Vgl. z. B. BGH, Beschl. v. 13.05.1997 – 1 StR 12/97, NStZ 1997, 561 252 Vgl. hierzu bereits Rönnau, Absprache, S. 223 ff. 242

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3. Kap.: Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

sein, es ist gleichwohl nicht zu vernachlässigen253. Da jede Zusage eines bestimmten Vorteils, die nicht durch die für die Gewährung des Vorteils zuständigen Instanzen und innerhalb des ihnen gesetzlich eingeräumten Ermessens erfolgt, einen gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteil im Sinne des § 136a StPO darstellt254, wird ein Geständnis, das außerhalb der Hauptverhandlung im Hinblick auf die Zusage eines konkreten Strafrahmens abgegeben wurde, regelmäßig gemäß § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO unverwertbar sein. Als belastbarer Bestandteil einer Gesamtbereinigung kommt eine informelle Absprache daher kaum in Betracht. Sofern es dem Beschuldigten und der Verteidigung lediglich um die Aufhebung oder Außervollzugsetzung eines Haftbefehls geht, kann dies auch auf andere Art und Weise erreicht werden255.

253 Zum „gescheiterten Deal“ vgl. z. B. Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 483; Kuckein, Meyer-Goßner-FS, S. 63 ff.; Meyer-Goßner, StraFo 2003, 401 (404 ff.). 254 Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136a StPO, Rn 61; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.09.1965 – 5 StR 307/65, BGHSt 20, 268. 255 Vgl. Randt, Steuerfahndungsfall, Rn E 505; Kuhn/Weigell – Kuhn, Rn 429 ff.; Sauer, Rn 364 ff., 448 ff. Zur Problematik förmlicher Rechtsbehelfe im Ermittlungsverfahren Streck DStJG 18, 173 (183).

4. Kapitel

5

Die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren 4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren Während Höchststrafenabreden in Strafverfahren erst 1982 das erste Mal in der Literatur erwähnt1 wurden und mittlerweile eine gesetzliche Regelung erfahren haben, wurde die tatsächliche Verständigung bereits vom Reichsfinanzhof erstmalig beschrieben2, eine gesetzliche Regelung ist allerdings noch nicht absehbar. Es gibt nur wenige steuerrechtliche Themen, die in ihren dogmatischen Grundlagen so umstritten sind und dennoch in Rechtsprechung und Literatur so viel Zustimmung erfahren wie das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung3. Namentlich Seer hat in seiner 1996 erschienenen gleichnamigen Habilitationsschrift „Verständigungen in Steuerverfahren“, insbesondere auch die tatsächliche Verständigung, nachdrücklich befürwortet. Die tatsächliche Verständigung eröffnet den Weg zu einer konsensualen Erledigung des Besteuerungsverfahrens, obwohl ein Prozessvergleich in der Finanzgerichtsordnung nicht vorgesehen und im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässig ist4. Das folgende Kapitel wird sich daher mit der tatsächlichen Verständigung als steuerrechtlicher Komponente einer möglichen Gesamtbereinigung beschäftigen.

A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung

Es ist im Einzelnen immer noch umstritten, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine bindende Verständigung zwischen Finanzbehörde und Bürger mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, wie er aus §§ 38, 85 AO abzuleiten ist, vereinbar ist. In der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur tatsächlichen Verständigung lassen sich in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs drei Phasen unterscheiden5.

1 2 3 4 5

In dem bereits erwähnten Beitrag Deal, StV 1982, 545. RFH, Urt. v. 20.10.1925 – II A 453/25, RFHE 18, 92. Greite, NWB Fach 2, 8405. Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (500). Seer, Verständigungen, S. 67 ff.; Schmidt, DStR 1998, 1733.

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

I. Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs Der Reichsfinanzhof führte in seiner ersten Entscheidung zur tatsächlichen Verständigung aus: „In der Tat sind die Steuerfestsetzungsbehörden, um in der Veranlagung voranzukommen, in vielen Fällen genötigt, sich mit dem Steuerpflichtigen über einen bestimmten steuerlichen Tatbestand, insbesondere eine bestimmte Schätzung des Wertes des Gegenstandes der Besteuerung, zu verständigen, der als Grundlage für die Steuerfestsetzung angenommen werden soll. Die Steuer wird dann auf der Grundlage dieser Vereinbarung festgesetzt, und der Steuerpflichtige hat in der Regel keine Veranlassung, gegen diese Festsetzung, sofern nicht Meinungsverschiedenheiten über das anzuwendende Recht hervortreten, im Rechtsmittelverfahren vorzugehen, da die Festsetzung ja seinem eigenen Willen entspricht. Mit diesen tatsächlichen Verständigungen ist aber noch nichts für das Bedürfnis und die rechtliche Möglichkeit eines bindenden Vergleichs gewonnen, der für den Steuerpflichtigen stets den Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels oder Zurücknahme eines solchen in sich schließt. Denn zu einem bindenden Vergleich wird sich der Steuerpflichtige regelmäßig nur herbeilassen, wenn für ihn damit der Steuerfall im ganzen ein für allemal abgetan ist. Für einen Vergleich auch über das anzuwendende Recht lässt sich aber ein Grund nicht finden, da die Steuerbehörde das Recht kennen muß.“6

Diese Entscheidung wurde prägend für den Begriff der „tatsächlichen Verständigung“ im Sinne einer Verständigung über Tatsachen.

1. Tatsächliche Verständigung zunächst als faktisches Phänomen Der Reichsfinanzhof unterschied zwar bereits damals – ebenso wie die Rechtsprechung überwiegend noch heute – streng zwischen der „Verständigung“ über Tatsachen und dem „Vergleich über das anzuwendende Recht“, verband damit aber vor allem die Ablehnung des „Vergleichs über das anzuwendende Recht“. Er beschränkte nicht nur den Anwendungsbereich der tatsächlichen Verständigung auf Tatbestandsfragen, sondern sah auch ihre Bindungswirkung nur rein faktisch dadurch begründet, dass für den Steuerpflichtigen regelmäßig kein Anlass besteht, eine gemäß der Verständigung erfolgte Veranlagung anzufechten. Das Bedürfnis nach einer verbindlichen Verständigung nur über Tatsachen wurde sogar ausdrücklich verneint7. Demzufolge bedeutet diese erste Entscheidung zur tatsächlichen Verständigung auch eher die Beschreibung eines faktischen Phänomens als die Anerkennung eines neuen Rechtsinstituts8. Den Schritt hin zu einer „Verrechtlichung“ der tatsächlichen Verständigung unternahm der Reichsfinanzhof in Wirklichkeit 1938, indem er entschied, die Steuerbehörde sei nach einer tatsächlichen 6

RFH, Urt. v. 20.10.1925 – II A 453/25, RFHE 18, 92 (94 f.). Hervorhebung im Original. A.A. nunmehr BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556); Eich, S. 13. 8 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (501); Schmidt, DStR 1998, 1733. 7

A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung

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Verständigung „an die erfolgte Abrede gebunden, falls die Veranlagung Rechtskraft erlangt hat“9. Damit wurde die tatsächliche Verständigung erstmals als unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich bindend anerkannt. Die der tatsächlichen Verständigung zugestandene Bindungswirkung erfuhr allerdings eine wesentliche Einschränkung dadurch, dass sie nicht nur vom Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung selbst, sondern auch von ihrer Umsetzung durch eine (erstmalige) bestandskräftige Veranlagung abhing. Die tatsächliche Verständigung hätte daher allenfalls eine spätere Änderung der bestandskräftigen Veranlagung ausgeschlossen.

2. Tatsächliche Verständigung als Rechtsinstitut Die tatsächliche Verständigung als Rechtsinstitut wurde erst in einem Urteil aus dem Jahr 1941 etabliert10. In dem zugrunde liegenden Fall war strittig, zu welchem Steuersatz außerordentliche Einkünfte zu versteuern seien. Nach § 34 Abs. 1 EStG 1934 lag die Bestimmung des Steuersatzes innerhalb eines Spielraums von 10 % bis 25 % im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Obwohl sich das zuständige Finanzamt mit dem Steuerpflichtigen auf einen Steuersatz von 15 % verständigt hatte, legte es der Veranlagung einen Steuersatz von 25 % zugrunde. Der sechste Senat des Reichsfinanzhofs erachtete diese Abweichung von der getroffenen tatsächlichen Verständigung für unzulässig: „Eine solche Vereinbarung steht, zumal bei Ermessensentscheidungen, für beide Teile unter dem Grundsatz von Treu und Glauben. Das Finanzamt hatte bei unveränderter Sachlage zu seinem Wort zu stehen.“11

Diese Entscheidung des sechsten Senats ist nicht unproblematisch, da der anzuwendende Steuersatz nicht die Tatbestands-, sondern die Rechtsfolgenseite, das „anzuwendende Recht“ betrifft, über das der Reichsfinanzhof eine Verständigung in ständiger Rechtsprechung gerade ausgeschlossen hatte12. Noch unmittelbar vor der Entscheidung des sechsten Senats hatte dementsprechend der vierte Senat des Reichsfinanzhofs in einem vergleichbaren Fall ebenfalls im Zusammenhang mit § 34 EStG 1934 die Verbindlichkeit einer Verständigung verneint13. Gleichwohl kommt dem Urteil des sechsten Senats insofern eine besondere Bedeutung zu, als die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung erstmals unmittelbar aus der Verständigung selbst abgeleitet, lediglich noch unter den Vorbehalt der unveränderten Sachlage gestellt und damit auch für die erstmalige Veranlagung bindend wurde. 9

RFH, Urt. v. 25.05.1938 – VI 212/38, RStBl. 1938, 626. RFH, Urt. v. 10.09.1941 – VI 190/41, RFHE 50, 347. 11 RFH, Urt. v. 10.09.1941 – VI 190/41, RFHE 50, 347 (348); Hervorhebungen im Original. 12 Vgl. hierzu Seer, Verständigungen, S. 67 f., m. w. Nachw. 13 RFH, Urt. v. 04.09.1941 – IV 144/41, RStBl. 1941, 769. 10

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

II. Ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Die Reichsabgabenordnung 1931 galt nach dem zweiten Weltkrieg fort und sowohl das Verbot des Vergleichs über das anzuwendende Recht als auch die Herleitung der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung über den Grundsatz von Treu und Glauben wurde nach dem zweiten Weltkrieg vom Bundesfinanzhof bestätigt14.

1. Grundtendenz der Rechtsprechung In seinem Urteil vom 27.01.1955 – IV 281/54 U15 entschied der vierte Senat des Bundesfinanzhofs, dass die in einer Schlussbesprechung zu einer Betriebsprüfung in Verbindung mit dem Steuerpflichtigen vorgesehene Regelung des Steuerfalls unter dem Grundsatz von Treu und Glauben stehe, ohne hieraus allerdings weitere Folgerungen zu ziehen. Wesentlich bemerkenswerter ist, dass der Bundesfinanzhof zu der Frage überhaupt nur kam, indem er eine – klar unzulässige – Vereinbarung über den Verzicht auf die Erhebung verpflichtender Strafzuschläge zu Einkommensteuervorauszahlungen als vorweggenommenen Erlass gemäß § 96 RAO 1931 auslegte. Zwar ist nach damaliger ebenso wie nach heutiger Rechtsauffassung ein vorweggenommener Erlass möglich, es stellt sich aber die Frage, ob nicht auch eine auf einen solchen Erlass abzielende Vereinbarung konsequenterweise als unzulässiger Vergleich über Rechtsfragen anzusehen ist16, solange sie nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erlasses, sondern den Erlass selbst zum Gegenstand hat. Der erste Senat des Bundesfinanzhofs entschied bald darauf mit Urteil vom 02.08.1955 – I 186/54 U, dass dann, wenn ein Beteiligter nicht bei der Vereinbarung bleibt, „auch der andere Beteiligte seine Handlungsfreiheit wiedergewinne“17 und erkannte damit, da nur „wiedergewonnen“ werden kann, was zwischenzeitlich verloren war, eine mögliche Bindungswirkung grundsätzlich an. Diese sollte jedoch nach einer weiteren Entscheidung vom 31.01.1956 im Allgemeinen nicht bestehen, es sei denn, dass besondere Umstände vorlägen wie sie z. B. in dem vom vierten Senat entschiedenen Fall gegeben gewesen seien18. Aus den veröffentlichten Urteilsgründen des Urteils vom 31.01.1956 nicht ersichtlich ist, woraus konkret sich in dem vom vierten Senat entschiedenen Fall die zur Bindungswirkung 14

BFH, Urt. v. 27.01.1955 – IV 281/54 U, BFHE 60, 235 (238), v. 31.01.1956 – I 111/54 U, BFHE 62, 230 (231); BFH, Urt. v. 17.12.1963 – VII 182/61 U, BFHE 78, 225 (229). 15 BFHE 60, 235 (238); vgl. auch die in BayObLG, Beschl. v. 09.01.2002 – 4 St RR 132/2001, BayObLGSt 2002, 3 (4) wiedergegebene tatsächliche Verständigung. 16 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 168. 17 BFHE 61, 345 (347); bestätigt in BFH, Urt. v. 31.01.1956 – I 111/54 U, BFHE 62, 230 (231) und v. 25.09.1956 – I 94/56 U, BFHE 63, 379 (381). 18 BFH, Urt. v. 31.01.1956 – I 111/54 U, BFHE 62, 230 (231).

A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung

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führenden „besonderen Umstände“ ergeben haben sollen. Dessen scheint sich der Senat bewusst geworden zu sein, denn in seinem Urteil vom 25.09.1956 – I 94/56 U19 erläuterte der erste Senat, dass die „besonderen Umstände“ im Fall des Urteils IV 281/54 darin zu sehen seien, dass die Billigkeitsmaßnahme im Zuge einer Gesamtregelung im Beisein der zur Entscheidung berufenen Amtsträger der Finanzverwaltung zugesagt worden war. Dieser eher formalen Sichtweise entsprach es, dass der erste Senat unter Verweis auf die Lebenserfahrung und die Formbedürftigkeit anderer Rechtshandlungen die Rechtswirksamkeit einer lediglich mündlich getroffenen tatsächlichen Verständigung in Zweifel zog, zumindest aber demjenigen, der sich auf eine rechtliche Vereinbarung beruft, aber ihre schriftliche Niederlegung versäumt hat, das Risiko von Beweisschwierigkeiten und Unklarheiten zuwies20. In einem weiteren Urteil ging der erste Senat im Fall einer wirksamen tatsächlichen Verständigung von einer widerlegbaren Vermutung für die Richtigkeit des einvernehmlich festgestellten Sachverhalts aus21. Der siebte Senat entschied, eine Bindungswirkung nach Treu und Glauben scheide aus, soweit der Steuerpflichtige dem Finanzamt unvollständige Angaben gemacht habe22.

2. Weitergehende Rechtsprechung des sechsten Senats Als „weitestgehender Vorstoß“23, für tatsächliche Verständigungen eine Bindungswirkung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herzuleiten, kann das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.01.1963 – VI 97/61 U24 gelten. In dem zugrunde liegenden Fall hatten sich der Steuerpflichtige und das Finanzamt für einen Zeitraum von fünf Veranlagungszeiträumen darüber geeinigt, in welcher Höhe Scheidungsunterhalt als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden könne. Da der Bundesfinanzhof die seinerzeit in den EStR und LStR zugelassenen Höchstbeträge als nicht verbindlich ansah, war diese Rechtsfrage damals ungeklärt und der sechste Senat urteilte25: „Bei der damals noch zweifelhaften Rechtslage ist es verständlich, dass das Finanzamt und der Steuerpflichtige bestrebt waren, diese Frage für den gesamten Zeitraum zu regeln, für den sie Bedeutung hatte, ohne für jedes der in Betracht kommenden fünf Jahre ein Rechtsmittelverfahren durchführen zu müssen. (…) Es braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, wieweit Vereinbarungen über die dem öffentlichen Recht angehörenden Steueransprüche zulässig sind. Wenn jedoch der Staatsbürger und das den Fiskus vertretenden 19 BFHE 63, 379 (381). Von Seer, Verständigungen, S. 69 im Text und in Fn 138 fälschlich als Urt. v. 25.5.1956 zitiert. 20 BFH, Urt. v. 25.09.1956 – I 94/56 U, BFHE 63, 379 (381). Zur Formbedürftigkeit der tatsächlichen Verständigung ausführlich unten 4.b). 21 BFH, Urt. v. 06.11.1962 – I 298/61 U, BFHE 76, 293 (294). 22 BFH, Urt. v. 17.12.1963 – VII 182/61 U, BFHE 78, 225 (229). 23 Seer, Verständigungen, S. 70. 24 BFHE 76, 489. 25 BFH, Urt. v. 11.01.1963 – VI 97/61 U, BFH 76, 489 (494).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

Finanzamt sich bei einer rechtlich zweifelhaften Frage auf eine für beide Seiten zweckmäßige Sachbehandlung einigen und diese nicht eindeutig gegen das geltende Recht verstößt, ist eine Bindung der Behörde mindestens nach Treu und Glauben durch eine derartige Vereinbarung möglich.“

Die hier angesprochene „Sachbehandlung“ wäre bereits Rechtsanwendung, die „Einigung über die Sachbehandlung“ in Wirklichkeit ein Vergleich über das anzuwendende Recht. Der sechste Senat hielt also auch eine stärkere Bindung als lediglich nach Treu und Glauben für möglich und bejahte nicht nur die Zulässigkeit einer Verständigung über Dauersachverhalte bzw. für künftige Veranlagungszeiträume, sondern erstmals auch über Rechtsfragen26. Über den Einzelfall hinaus hat diese Entscheidung allerdings keine Bedeutung27. Lediglich in einer weiteren Entscheidung bejahte der Senat die Bindungswirkung einer über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Kfz getroffenen Verständigung infolge des Grundsatzes von Treu und Glauben auch dann, wenn sich diese im Nachhinein als unrichtig herausstellt28.

3. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist Seer zuzustimmen, der diese Phase der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als „sehr inkonsistent“ empfindet29. Es ist zutreffend, dass die verschiedenen Senate, namentlich der erste, vierte und siebte Senat einerseits, der sechste Senat andererseits aus dem Grundsatz von Treu und Glauben in ganz unterschiedlichem Maße Rechtsfolgen ableiteten30. Während sich der erste, vierte und siebte Senat offenbar die Entscheidung über die Bindungswirkung im Einzelfall vorbehalten wollten31 und dabei insbesondere der erste Senat eine eher restriktive Handhabung des Grundsatzes von Treu und Glauben vertrat, ließ gerade diese Unbestimmtheit dem sechsten Senat den Raum für seinen „weitestgehenden Vorstoß“, ohne dass eine Klärung durch den Großen Senat des Bundesfinanzhofs herbeigeführt worden wäre.

26

Eich, S. 14. BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556) hält es daher für „zweifelhaft“, ob dem sechsten Senat insoweit gefolgt werden kann. 27 Sontheimer, S. 65; Wiese, DStZ 1997, 745 (746). Auch BFH, Urt. v. 11.02.1966 – VI 229/63, BFHE 85, 409 geht zwar davon aus, die Finanzbehörde könne ihre rechtliche Beurteilung von Dauersachverhalten nicht ohne schwerwiegenden Grund ändern, ohne sich dabei aber auf das Urt. v. 11.01.1963 – VI 97/61 U zu berufen. 28 BFH, Urt. v. 07.02.1975 – VI R 133/72, BFHE 115, 313 (318). 29 Seer, Verständigungen, S. 71; ähnlich Beermann/Gosch – Rüsken, § 78 AO, Rn 52. 30 Seer, Verständigungen, S. 71. 31 Eich, S. 14; Wiese, DStZ 1997, 745 (746).

A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung

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III. Neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Den „qualitativen Durchbruch“32 in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs brachte das völlig zurecht als „Grundsatzentscheidung“33 angesehene, angeblich wesentlich auf Offerhaus zurückgehende34 Urteil des achten Senats des Bundesfinanzhofs vom 11.12.1984 – VIII R 131/7635, nach dem im Steuerrecht – insbesondere in Schätzungssachen – eine „tatsächliche Verständigung“ über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände zulässig und bindend ist.

1. Der zugrunde liegende Fall In dem zugrunde liegenden, „geradezu als typisch zu bezeichnenden“36 Fall wurde der Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, nachdem bei einer Betriebsprüfung das Vorhandensein „schwarzer Kassen“ festgestellt worden war. Streitig war zuletzt nur noch die Höhe der Steuernachforderung, die geschätzt wurde, da die entsprechenden Unterlagen „weggeschafft“ worden waren37. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht hatten sich die Beteiligten dann „bereitgefunden, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, wenn die zu haftende Gewerbesteuer auf einen Betrag herabgesetzt wird, der sich aus einem um 40.000 DM geringeren Gewinn unter entsprechender Änderung der Gewerbesteuerrückstellung ergibt.“38 Das Finanzamt erließ daraufhin einen Änderungsbescheid, der diese Vereinbarung umsetzen sollte, sie aber teils zum Nachteil, teils zum Vorteil des Klägers verfehlte39, und auf den Einspruch des Klägers hin eine verbösernde Einspruchsentscheidung. Das Finanzgericht überprüfte auf die Klage hin lediglich die Schätzung des Finanzamts und ermäßigte die Haftungssumme auf 16.792,13 DM40, ohne die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung zu berücksichtigen, aus der sich eine Haftungssumme von 18.335 DM ergeben hätte41. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Revision, mit der er eine weitere Herabsetzung der Haftungssumme begehrte, das Finanzamt mit der Anschlussrevision, mit der es die Festsetzung der Haftungssumme auf 23.116 DM begehrte.

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Schleifenbaum/Schormann, S. 681. Achatz, DStJG 27, S. 161; Greite, NWB Fach 2, 8405. 34 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8409). Offerhaus, DStR 2001, 2093 enthält hierfür allerdings keine Anhaltspunkte. 35 BFHE 142, 549. 36 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (499). 37 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 f. 38 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (550 f.). 39 Vgl. hierzu im einzelnen BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (553 f.). 40 BFH, Urt. v.11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (551). 41 BFH, Urt. v.11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (554). 33

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

2. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück und erachtete auch die Anschlussrevision nur für teilweise begründet. Die Haftungssumme sei entsprechend den Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht anzusetzen. Diese seien zwar prozessual nur als bloße Absichtserklärungen anzusehen, materiellrechtlich seien die Parteien jedoch gehalten, im Verhältnis zueinander hinzunehmen, dass die Betriebseinnahmen aus der Personenschifffahrt wie vereinbart angesetzt würden. Bei der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung handele es sich um eine auch im Steuerrecht zulässige und bindende „tatsächliche Verständigung“42. Unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts führte der achte Senat zunächst aus, zwar seien nach allgemeiner Auffassung Vergleiche über Steueransprüche im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung unzulässig, ließ dabei, da die in dem entschiedenen Fall zu beurteilenden Erklärungen vor dem 01.01.1977 abgegeben wurden, aber ausdrücklich offen, ob sich aus § 78 Nr. 3 AO 1977 etwas anderes ergebe43. Es sei jedoch zu unterscheiden zwischen „Vereinbarungen über Steueransprüche“ und „Vereinbarungen über eine bestimmte Sachbehandlung“, die allgemein anerkannt seien. Dabei dürften keinesfalls die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung überspielt werden. Der achte Senat distanzierte sich daher von dem „zweifelhaften“ Vorstoß des sechsten Senats im Urteil vom 11.01.1963 – VI 97/61 U und präzisierte den Begriff der „Sachbehandlung“ dahingehend, dass Raum bleibe für einverständliche Regelungen im Bereich der Sachverhaltsermittlung, also Regelungen, die mit dem Reichsfinanzhof als tatsächliche Verständigungen charakterisiert werden können44. Für solche Regelungen bestehe entgegen der Auffassung des Reichsfinanzhofs ein Bedürfnis. Sie seien bindend, sofern sie nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führten. In Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung diene es der Effektivität der Besteuerung und allgemein dem Rechtsfrieden, wenn sich die Beteiligten über die Annahme eines bestimmten Sachverhalts und über eine bestimmte Sachbehandlung einigen können. Solche Einigungen wirkten sich zwar auch auf den Steueranspruch aus. Es handele sich jedoch nicht um einen Vergleich über das anzuwendende Recht. Das Recht werde vielmehr erst auf einen einverständlich angenommenen Sachverhalt angewandt45. Diese vom achten Senat aufgestellten Grundsätze des Rechtsinstituts der tatsächlichen Verständigung sind seitdem 42

BFH, Urt. v.11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (554). Zu der Frage nach der Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag ausführlich unten D. 44 BFH, Urt. v.11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556). 45 BFH, Urt. v.11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556). 43

A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung

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in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte bestätigt und weiterentwickelt worden46. In der Literatur wird diese Entwicklung zwar vereinzelt kritisiert47. Die überwiegende Mehrheit der Literatur sieht das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung allerdings nicht zuletzt durch praktische Bedürfnisse gerechtfertigt und empfindet die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Anerkennung tatsächlicher Verständigungen sogar eher als zu restriktiv48.

IV. Grundsatz der einseitig-hoheitlichen Sachverhaltsermittlung Das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung findet nach Seer seine Rechtfertigung auch in einer zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem bestehenden „kooperativen Verantwortungsgemeinschaft“ für die Sachverhaltsermittlung und §§ 88 ff. AO, insbesondere §§ 90 ff. AO, als Ausdruck einer im Abgabenrecht bestehenden „Kooperationsmaxime“49. Seer leitet aus den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen gemäß §§ 90 ff. AO ab, das Besteuerungsverfahren sei „auf eine kooperative Arbeitsteilung und Dialog angelegt“, wobei er sich insbesondere auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vollzugsdefizit bei der Besteu46 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937, v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, v. 31.03.2004 – I R 71/03, BFHE 206, 42, v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292, v. 22.09.2004 – III R 9/03, BFHE 207, 549, v. 20.09.2007 – IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532, v. 13.02.2008 – I R 63/06, BFHE 220, 415, v. 03.04.2008 – IV R 54/04, BFHE 220, 495, und v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194; Beschl. v. 11.07.2001 – VII B 348/00, BFH/NV 2002, 33, v. 03.08.2005 – I S 1, 4/05, BFH/NV 2005, 1972, v. 26.10.2005 – X B 41/05, BFH/NV 2006, 243, v. 12.07.2006 – V B 213/05, BFH/NV 2006, 2139 und v. 25.08.2006 – VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122; aus der Rechtsprechung der FG z. B. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.06.1999 – 2 K 292/97, EFG 1999, 932, v. 28.11.2003 – 2 K 148/99, EFG 2005, 105, v. 24.10.2004 – 14 K 175/01, EFG 2004, 862 und v. 21.06.2006 – 7 K 228/02, EFG 2006, 1809; FG Berlin, Urt. v. 13.01.1987 – VII 474/84, EFG 1987, 439; FG München, Urt. v. 18.06.2002 – 6 K 668/97, juris, Beschl. v. 27.09.2005 – 6 V 840/05, FGReport 2005, 91; FG Münster, Urt. v. 30.05.2006 – 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306; Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464; FG Nürnberg, Urt. v. 23.11.2004 – I 189/2000, juris, v. 13.12.2005 – II 384/2001, juris, und v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris. 47 Müller-Franken, S. 199 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 46; Reiß, Grünwald-FS, 495 (502, 503 ff.); Martens, StuW 1986, 97 (98); trotz Bedenken als Faktum anerkannt von Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 66 ff., 70; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 120; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (919). 48 Vgl. statt vieler Sontheimer, S. 179 ff.; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 218b; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 10 ff.; Raupach, DStJG 21, S. 175 (178); Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (242); Rößler, DStZ 1988, 375 (376); Buciek, DStZ 1999, 389; Schmidt, DStR 1998, 1733; Seer, BB 1999, 78 (80); Offerhaus, DStR 2001, 2093, jeweils m. w. Nachw. 49 Seer, Verständigungen, S. 178 ff., 487 ff.; Tipke/Lang – Seer, § 21, Rn 4; Tipke/KruseSeer, § 90, Rn 11, vor § 118, Rn 9; Seer, BB 1999, 78 (79); Seer, StuW 1995, 213 (215); ebenso Englisch, S. 15 und Birk, Rn 66- 79, vgl. auch Eckhoff, StuW 1996, 107 (110 ff.).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

erung privater Veräußerungsgeschäfte bezieht50. An der Stelle der Urteilsgründe, auf die Seer sich zum Beleg seiner These beruft, führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Als einen wichtigen Grundsatz des Besteuerungsverfahrens regelt § 88 AO den Untersuchungsgrundsatz. (…) Selbst wenn Informationen der Mitwirkungspflichtigen von der Finanzbehörde ohne nähere Prüfung übernommen werden, bedeutet dies nicht, dass die Behörde an die Erklärung des Steuerpflichtigen gebunden wäre. Das faktische und rechtliche Gewicht, das der Mitwirkung des Steuerpflichtigen zukommt, kann vielmehr als Konsequenz einer fairen, zumutbaren und effektiven Ausgestaltung des Verfahrens der Amtsermittlung beschrieben werden, das auf den Dialog mit den Mitwirkungspflichtigen angewiesen und deshalb dialogisch strukturiert ist. Zwischen dem Ermittlungsbeitrag des Mitwirkungspflichtigen und der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts hat stets die „ungebundene“ Entscheidung über die Aufklärungsbedürftigkeit (und Aufklärbarkeit) des Sachverhalts zu stehen. Sie ist von der Finanzbehörde in Wahrnehmung ihrer Ermittlungskompetenz zu treffen.“51

1. Einseitigkeit der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen Das Bundesverfassungsgericht hat zwar „das faktische und rechtliche Gewicht, das der Mitwirkung des Steuerpflichtigen zukommt“, und die Tatsache, dass das Besteuerungsverfahren „auf den Dialog mit den Mitwirkungspflichtigen angewiesen und deshalb dialogisch strukturiert ist“ herausgestellt. Die Angewiesenheit der Finanzbehörde auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen ist aber, wie auch das Bundesverfassungsgericht betont, eine rein faktische, die aus einem partiellen Wissensvorsprung des Steuerpflichtigen resultiert. Als rein faktisches Phänomen begründet sie noch keine rechtliche Mitverantwortung des Steuerpflichtigen52. Auch der „Dialog“, wie ihn das Steuerverfahrensrecht, insbesondere § 90 AO vorsieht, ist kein „Dialog“ im klassischen Sinne, sondern dahin gehend ausgestaltet, dass einseitig nur den Steuerpflichtigen Erklärungspflichten53 treffen, und am Abschluss des Besteuerungsverfahrens der Steuerbescheid gemäß § 155 AO als Verwaltungsakt, also als einseitig-hoheitliche Entscheidung, steht54. 50 Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 9. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Seer ebenso FG des Saarlandes, Urt. v. 23.5.2006 – 1 K 107/05, EFG 2006, 1214; Achatz, DStJG 27, S. 161 (170 f.); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (376, 380); das FG Düsseldorf ging im Urt. v. 18.3.2004 – 14 K 5045/01 E, V, F, EFG 2004, 1098, und im Urt. v. 14.10.2002 – 17 K 7587/99 E, EFG 2003, 502 auf entsprechende Rechtsausführungen des Beklagten nicht ein. 51 BVerfG, Urt. v. 09.03.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (120 f.). 52 Müller-Franken, S. 207; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 94; ebenso für den Bereich des allgemeinen Verwaltungsrechts Kopp/Ramsauer, § 24 VwVfG, Rn 10c. 53 Und nicht etwa „Mitgestaltungsbefugnisse“, wie Seer, StuW 1995, 213 (215) meint; Müller-Franken, S. 166; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 120. 54 Die „Kooperation“ des Steuerpflichtigen bei der Sachverhaltsermittlung bewegt sich daher – bildlich gesprochen – genau in der von Eckhoff, StuW 1996, 107 (111) abgelehnten „Einbahnstraße“.

A. Grundlagen der tatsächlichen Verständigung

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Auch die Fürsorgepflicht der Finanzbehörde gemäß § 89 Abs. 1 AO und der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß § 91 AO dienen lediglich dem Schutz der Betroffenen im Rahmen hoheitlicher Eingriffe, entsprechend rechtsstaatlichen und sozialstaatlichen Grundsätzen55. Insbesondere § 91 Abs. 1 AO geht vom Leitbild des einseitig-hoheitlichen Eingriffshandelns durch Verwaltungsakt aus und bietet gerade kein Forum für Kooperation56. Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass das Gericht den Kläger bzw. die Finanzbehörde den Beteiligten „erhören“, sich also seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste57. Indem das Bundesverfassungsgericht die „ungebundene Entscheidung“ der Finanzbehörde, die diese „in Wahrnehmung ihrer Ermittlungskompetenz zu treffen“ hat, betont, bekräftigt es, dass die Finanzbehörde sich des Steuerpflichtigen lediglich als eines von mehreren Beweismitteln zur Erfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht aus § 88 AO bedient bzw. bedienen darf. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen sind demgegenüber systematisch untergeordnet und inhaltlich begrenzt, sie schränken den Amtsermittlungsgrundsatz nicht ein, sondern sind Mittel zu dessen Verwirklichung58. Der Steuerpflichtige ist Aufklärungs- und Beweismittel in eigener Sache59.

2. Begrenzte Reichweite der „Mitverantwortung“ des Steuerpflichtigen Soweit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte bisher eine „Mitverantwortung“ des Steuerpflichtigen annimmt60, liegt dem lediglich folgende Überlegung zugrunde61: „In einem solchen Fall [der Verletzung von Mitwirkungspflichten, d. Verf.] muß die Entscheidung [des Finanzgerichts, d. Verf.]die konkrete Verfahrenssituation berücksichtigen und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung über tatsächliche Umstände (§ 76 Abs.1 Satz 3 FGO) eine Mitverantwortung für die Folgen entspricht, die eintreten, wenn das Ziel vollständiger Sachverhaltsermittlung nicht erreicht wird.

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Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 89 AO, Rn 3; a.A. Seer, Verständigungen, S. 180. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 91 AO, Rn 10; a.A. Seer, Verständigungen, S. 180. 57 BFH, Beschl. v. 16.08.2005 – X B 141/04, BFH/NV 2005, 2236, v. 20.04.2006 – VIII B 33/05, BFH/NV 2006, 1338 und v. 11.12.2006 – VIII B 54/06, juris. 58 Reiß, Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren, S. 17; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 94; Puhl, DStR 1991, 1141 (1142). 59 BFH, Urt. v. 20.05.1969 – II 25/61, BFHE 96, 129 (135); Müller-Franken, S. 166; Puhl, DStR 1991, 1141 (1142). 60 Grundlegend BFH, Urt. v. 15.02.1989 – X R 16/86, BFHE 156, 38 (41 f.); die so verstandene Mitverantwortung des Steuerpflichtigen besteht auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens fort, vgl. BFH, Beschl. v. 09.05.2006 – XI B 141/05, BFH/NV 2006, 1801. 61 BFH, Urt. v. 15.02.1989 – X R 16/86, BFHE 156, 38 (41 f.); vgl. auch BFH, Urt. v. 09.05.2005 – IX R 75/03, BFH/NV 2005, 1765. 56

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

a) Schon den allgemeinen, im Steuerrechtsverhältnis wurzelnden Vorschriften, wie z. B. den §§ 88, 89 AO 1977 einerseits und den §§ 90 ff., 140 ff., 200 AO 1977 andererseits, ist der Grundsatz zu entnehmen, dass für die wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung abgabenrechtlich bedeutsamer Tatsachen Finanzbehörde und Steuerpflichtiger gemeinsam verantwortlich sind. b) Besonders deutlich wird die Mitverantwortung des Steuerpflichtigen in der Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, die die Finanzbehörden (über § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO auch die FG im finanzgerichtlichen Verfahren) bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten zur Schätzung verpflichtet …“

Die „Mitverantwortung“ des Steuerpflichtigen im Sinne dieser Rechtsprechung reicht daher nicht weiter als seine Erklärungspflichten. Sie mindert die finanzbehördliche Aufklärungspflicht immer erst und nur, wenn der Finanzbehörde die Beschaffung sonstiger Beweismittel nicht möglich ist und daher weitere Aufklärungsmaßnahmen unverhältnismäßig oder unzumutbar sind. Die Verpflichtung der Finanzbehörde, mögliche, verhältnismäßige und zumutbare Erkenntnismittel auszuschöpfen, wird durch eine Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht aufgehoben62. Der Begriff der „Kooperationsmaxime“ bzw. der „Mitverantwortung“ ist insofern zumindest missverständlich, als die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und die daraus resultierende „Mitverantwortung“ nur einseitig sind63. Die von Seer so genannte „Letztverantwortlichkeit“64 der Finanzbehörde ist daher in Wirklichkeit die sich aus § 88 AO ergebende „Alleinverantwortlichkeit“65. Von einer „kooperativen Verantwortungsgemeinschaft“ gleichrangiger Partner66 bzw. einer in diesem Sinne verstandenen „Kooperationsmaxime“ kann im Steuerrecht de lege lata keine Rede sein67.

V. Zwischenergebnis Obwohl die Grundlagen der tatsächlichen Verständigung von der Rechtsprechung bereits vor über achtzig Jahren entwickelt wurden und die tatsächliche Verständigung in der Beratungspraxis als unverzichtbar gilt68, hat sie bis heute keine gesetzliche Regelung erfahren. Bereits in der Rechtsprechung des Reichs62 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 100; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 22; Puhl, DStR 1991, 1141 (1142). 63 A.A. Eckhoff, StuW 1996, 107 (111). 64 Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 9; ähnlich Seer, DStJG 31, 7 (15). 65 Berg, Entscheidung, S. 249 f., 252 f.; Müller-Franken, S. 167; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (507); vgl. auch Lambrecht, DStJG 12, 79 (87). 66 So NN, HFR 1985, 212 (214) und Seer, DStJG 31, 7 (15). 67 Müller-Franken, S. 155 f., 236; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 120; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (915 f.); Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (507); vgl. auch Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 1: der Begriff der Kooperationsmaxime „trifft weder die Rechtswirklichkeit noch hat er einen Erklärungswert“; a.A. Birk, Rn 66–79. 68 Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681.

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

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finanzhofs wurde der Begriff der „tatsächlichen Verständigung“ im Sinne einer Verständigung über Tatsachen geprägt. Den „qualitativen Durchbruch“69 in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs brachte das Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Dezember 1984 – VIII R 131/76, nach dem im Steuerrecht – insbesondere in Schätzungssachen eine „tatsächliche Verständigung“ über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände zulässig und bindend ist. Die vom achten Senat aufgestellten Grundsätze des Rechtsinstituts der tatsächlichen Verständigung sind seitdem in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte bestätigt und weiterentwickelt worden. Auch in der Literatur wird diese Entwicklung nur vereinzelt kritisiert, hat aber ganz überwiegend Zustimmung gefunden bzw. wird sogar eher als zu restriktiv angehen. Eine „Kooperationsmaxime“ im Sinne partnerschaftlicher Gleichordnung von Finanzbehörde und Steuerpflichtigem ist dem Steuerrecht allerdings fremd.

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

Trotz ihrer allgemeinen Anerkennung ist die tatsächliche Verständigung, namentlich die Herleitung der Bindungswirkung, nach wie vor dogmatisch umstritten. Die Rechtsprechung leitet die Bindungswirkung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben her, die ganz überwiegende Literaturmeinung sieht hingegen in der tatsächlichen Rechtsprechung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Es ist richtig, dass beide Ansätze in der Sache nicht weit voneinander entfernt sind70, so dass die praktische Bedeutung des Streits um die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung lange Zeit als eher gering angesehen wurde71. Im Besteuerungsverfahren ist die Herleitung der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung allerdings in bestimmten Fällen durchaus entscheidend für ihre Bestandskraft und ihre Wirksamkeit72, insbesondere im Hinblick auf die Anwendbarkeit der §§ 154, 155 BGB bzw. der §§ 119 ff. BGB bei eventuellen Einigungs-73 69

Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681. Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097); Buciek, DStZ 1999, 389 (398). 71 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 117; Wannemacher – Vogelberg, Rn 4477; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (502); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2095, 2097); Buciek, DStZ 1999, 389 (398). Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (682); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1734); Apitz, StBp 2008, 93 (94) und Baum, NWB F 2, 9957 (9958) lassen die Frage dementsprechend auch letztlich offen. 72 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (377); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1734); Wiese, DStZ 1997, 745; Greite, NWB Fach 2, 8405 (8408); a.A. aber immer noch Nieland, AO-StB 2007, 34 (35). 73 vgl. z. B. BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538); BFH, Beschl. v. 25.08.2006 – VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122 (keine Anwendbarkeit der §§ 154, 155 BGB); anders noch FG des Saarlandes, Urt. v. 26.06.1997 – 1 K 222/96, EFG 1997, 1162, als Reaktion auf BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 im Urt. v. 70

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

oder Willensmängeln74. Auch unter steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten kann der Rechtsnatur der auf Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerichteten Erklärungen eine gewisse Bedeutung zukommen, wenn es darum geht, ob bzw. inwiefern die auf Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerichteten Erklärungen Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO enthalten75.

I. Bindung nach Treu und Glauben Der Bundesfinanzhof hat sich, wie oben gesehen76, in seinem Grundsatzurteil vom 11. Dezember 1984 darauf beschränkt, die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung zu beschreiben, ohne sie jedoch näher herzuleiten. Die Bezugnahme auf die „einverständliche Regelung“ und die „Einigung“ als Rechtgrundlage der Bindungswirkung77 spricht grundsätzlich für eine vertragliche Bindung78. Ebenso betont eine dem Berichterstatter für das Urteil zugeschriebene79 Anmerkung, das Neue an dem Urteil sei, dass die Bindungswirkung nicht mehr einzelfallbezogen in den Grundsätzen von Treu und Glauben gesehen werde, „sondern in der Vereinbarung selbst (pacta sunt servanda)“80. Auch in einer anderen frühen Entscheidung erörtert der Bundesfinanzhof die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung außerhalb des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben81, was darauf hindeutet, dass er sie anders als durch diesen Grundsatz begründet sieht82. Dennoch geht der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung davon aus, es folge innerhalb des konkreten Steuerrechtsverhältnisses aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und

25.09.2002 – 1 K 127/99, EFG 2002, 1562 aufgegeben, vgl. aber nunmehr BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.2, OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.2., OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 7. und OFD Hannover, Vfg. v. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 7.2. 74 Vgl. z. B. FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris; von BFH, Beschl. v. 12.02.2007 – XI B 123/06, BFH/NV 2007, 1152 insoweit nicht beanstandet; FG München, Urt. v. 02.03.2005 – 4 K 358/03, juris; FG Nürnberg, Urt. v. 23.11.2004 – I 189, 190/2000, juris, rechtskräftig, vgl. BFH, Beschl. v. 03.08.2005 – I B 20/05, BFH/NV 2005, 1971 bzw. I B 21/05, Parallelentscheidung ohne Text. 75 Hierzu näher unten 5. Kapitel, E. 76 Vgl. oben A. I.3. 77 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556). 78 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8408). 79 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8408). 80 NN, HFR 1985, 212 (214). 81 BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 210 (214 f.). 82 Eich, S. 17; v. Wedelstädt, DB 1991, 515; Bilsdorfer, DB 1994, 634; vgl. zwischenzeitlich aber BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (296, 301): tatsächliche Verständigung als besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben.

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

123

wirksamen tatsächlichen Verständigung festhalten lassen müssen83 und verneint ausdrücklich das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags84. Dementsprechend schließt die Rechtsprechung – in Anwendung der zur Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts entwickelten Grundsätze – auch die Anfechtung einer tatsächlichen Verständigung wegen Irrtums analog § 119 BGB ausdrücklich aus85 und verneint eine Bindung an die tatsächliche Verständigung nur in Fällen, in denen ein Beteiligter durch unzulässige Einwirkung zur Verständigung gezwungen wurde, wie etwa um unter unzulässiger Ausübung von Druck nach dem gegebenen Kenntnisstand unhaltbare Steueransprüche gegen den Steuerpflichtigen durchzusetzen86.

II. Tatsächliche Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag Die ganz überwiegende Meinung in der Literatur sieht in der tatsächlichen Verständigung hingegen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Sie verweist dabei in dogmatischer Hinsicht darauf, dass die Bindungswirkung im Wesentlichen unmittelbar aus der Verständigung selbst hergeleitet werde87, in praktischer Hinsicht darauf, dass die Vertragslösung zu einfacheren und klareren Lösungen führe88. In diesem Fall wäre auch die Anfechtbarkeit einer tatsächlichen Verständigung nach § 119 BGB89 83

BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (172), v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538) und v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (296); vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2004 – 14 K 175/01, EFG 2004, 862 und v. 21.06.2006 – 7 K 228/02, EFG 2006, 1809 (1813). 84 BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538) und Beschl. v. 25.08.2006 – VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122, überholt daher Schmidt, DStR 1998, 1733 (1734), der diese Klarstellung vermisst. Unklar hingegen BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 210 (214 f.) und v. 24.01.2002 – III R 49/00, BFHE 198, 12 (15). 85 FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris; FG München, Urt. v. 02.03.2005 – 4 K 358/03, juris; FG Nürnberg, Urt. v. 23. 11. 2004 – I 189, 190/2000, juris; offen gelassen in FG Münster, Urt. v. 30.05.2006 – 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306. 86 BFH, Urt. v. 01.09.1988 – V R 139/83, BFH/NV 1989, 206 und v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937. Vgl. hierzu ausführlich unten E.III.3. und 6. Kapitel, A.II. 87 Vgl. z. B. Seer, Verständigungen, 80 ff., 98 ff.; Eich, S. 23; Englisch, S. 34; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 15 ff.; Seer, Vogel-FS, 699 (705 f.); Raupach, DStJG 21, 175 (192); Stolterfoht, DStJG 21, 233 (250); Birk, Rn 416; Seer, BB 1999, 78 (80 f.); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2095, 2097); a.A. v. Briel/Ehlscheid, Rn 323; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 70; Boochs, DStR 2006, 1062 (1063); Matthes, EFG 2009, 1808 (1809) (Treu und Glauben im konkreten Steuerrechtsverhältnis). 88 Englisch, S. 33 f.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 117; Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2098); Fittkau, DStZ 2003, 231 (232). 89 FG Hamburg, Urt. v. 04.12.1991 – II 125/89, EFG 1992, 379; BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223707/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.2; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.2.; Mösbauer/Mösbauer, Außenprüfung, S. 229; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (377); Wiese, DStZ 1997, 745 (747); Kühnen, EFG 2006, 1308.

124

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

oder die Unwirksamkeit bei Einigungsmängeln90 zu bejahen. Diese Ansicht muss sich konsequenterweise mit der Frage auseinandersetzen, ob öffentlich-rechtliche Verträge im Steuerrecht grundsätzlich zulässig sind91, konkret, ob die Verwaltung für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge einer besonderen gesetzgeberischen Ermächtigung bedarf und worin diese gegebenenfalls zu sehen ist. Hier werden im Wesentlichen drei unterschiedliche Ansätze vertreten. Offerhaus geht davon aus, da die öffentliche Hand für sich keine Privatautonomie beanspruchen könne, bedürfe es stets einer gesetzgeberischen Entscheidung, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zulässig ist92. In Ermangelung einer § 54 Abs. 2 VwVfG entsprechenden Norm in der AO seien öffentlich-rechtliche Verträge im Steuerrecht wegen der Gefahr eines „gesetzwidrigen Paktierens“93 und eines „Ausweichens ins Arrangement“94 grundsätzlich unzulässig95. Abweichend hiervon sei allerdings die tatsächliche Verständigung zulässig, da sie der Gesetzgeber 1977 bereits als anerkanntes Rechtsinstitut vorgefunden und „offensichtlich“ toleriert habe96. Greite bejaht ebenfalls das Erfordernis einer besonderen Ermächtigungsnorm für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge, auch einer tatsächlichen Verständigung, sieht insofern aber eine planwidrige Regelungslücke in der Abgabenordnung, die es erlaube es, die Vorschriften der §§ 54 bis 62 VwVfG über den öffentlich-rechtlichen Vertrag, zumindest aber den § 55 VwVfG als Ermächtigungsnorm entsprechend anzuwenden97. Nach Seer98 bedarf die Finanzverwaltung – entgegen Offerhaus – für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung. Er unterscheidet insofern zwischen Handlungsform und Handlungsinhalt99. Die Rechtsform sage über den Inhalt des Verwaltungshandelns nichts aus. Der Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrages könne ebenso wie der Inhalt eines Verwaltungsakts rechtmäßig oder rechtswidrig sein. Seer verneint auch ein allgemeines Vertragsformverbot. Aus der fehlenden Übernahme der §§ 54 ff. VwVfG 90

Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 27. Eich, S. 23. 92 Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094); ebenso Stolterfoht, DStJG 21, S. 234 (251 f.). 93 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 132. 94 Isensee, StuW 1994, 3 (12). 95 Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094); ebenso Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 91; Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (104). 96 Offerhaus, DStR 2001, 2093, (2097); im Ergebnis ebenso (kein generelles Vertragsformverbot) Eich, S. 24 ff.; a.A. v. Groll, FR 1995, 814 (818): „beredtes Schweigen“ des Gesetzgebers. 97 Greite, NWB F 2, 8405 (8412); im Ergebnis ebenso Eich, S. 43, 47, 50. 98 Seer, Verständigungen, S. 133 ff.; 485; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 16 ff.; Seer, Vogel-FS, S. 699 (707); Seer, BB 1999, 78 (82 f.); unter Bezugnahme auf Seer Raupach, DStJG 21, 175 (193). 99 Im Ergebnis ebenso Englisch, S. 21; Beermann/Gosch – Rüsken, § 78 AO, Rn 61.4; Birk, Rn 414; ähnlich bereits Eich, S. 24 ff., Sontheimer, S. 150 und Spannowsky, S. 432. 91

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

125

in die AO 1977 könne keine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages abgeleitet werden. § 78 Nr. 3 AO sei weder ein bloßes Redaktionsversehen noch Ausdruck eines gesetzgeberischen Willens, die Vertragsform für das Steuerrecht allgemein zuzulassen. Vielmehr habe der Gesetzgeber den öffentlich-rechtlichen Vertrag in der AO 1977 mangels damaliger Kodifizierungsreife nicht näher geregelt, sondern sich darauf beschränkt, dessen Möglichkeit in § 78 Nr. 3 AO lediglich anzudeuten. Das Gesetz habe damit weder „beredt geschwiegen“ noch eine planwidrige Regelungslücke hinterlassen, die einfach durch eine Gesamtanalogie der §§ 54 ff. VwVfG geschlossen werden könnte. Vielmehr fehle ein erkennbarer Regelungsplan, so dass der Rechtsanwender schlicht vor einem „Vakuum des Gesetzes“ stehe. Insoweit eröffne sich für die (legislativen) Komplementärgewalten der Exekutive und Judikative ein Raum zur Fortbildung des Verfahrensrechts.

III. Stellungnahme Der öffentlich-rechtliche Vertrag ersetzt gemäß § 54 VwVfG bzw. den Parallelnormen des Landesrechts einen Verwaltungsakt. Demgegenüber bedarf die tatsächliche Verständigung erst der Umsetzung durch einen Steuerbescheid100. Die Steuerfestsetzung muss gemäß § 155 Abs. 1 AO zwingend durch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Abs. 1 AO (Steuerbescheid) erfolgen101, und erst der Steuerbescheid ist gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 AO Grundlage der Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerrechtsverhältnis. Eine Gesamtanalogie zu der §§ 54 ff. VwVfG kommt daher nicht in Betracht102, die tatsächliche Verständigung wäre ein Vertrag sui generis103. Durch die Einordnung der tatsächlichen Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag wäre demzufolge für die Rechtsklarheit wenig gewonnen104. Vom rein steuerrechtlichen Standpunkt ist die entscheidende Frage für die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung daher die nach der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht. Unabhängig von der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht ist die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung aber auch von steuerstrafrechtlicher Bedeutung, wenn es darum geht, ob die im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung abgegebenen Erklärungen Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO enthalten können.

100

BFH, Beschl. v. 03.08.2005 – I B 20/05, BFH/NV 2005, 1971. Soweit die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vorgesehen ist, hat auch diese durch Verwaltungsakt (Feststellungsbescheid) zu erfolgen, vgl. § 179 Abs. 1 AO und § 181 Abs. 1 Satz 1 AO. 102 So auch Seer, Verständigungen, S. 398 f.; a.A. Greite, NWB F 2, 8405 (8409, 8412). 103 Wiese, BB 1994, 333. 104 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 136; Achatz, DStJG 27, S. 160 (177); Stolterfoht, DStJG 21, S. 234 (256). 101

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

1. Unzulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht Wie bereits gesehen, wird die Zulässigkeit der tatsächlichen Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag von den Befürwortern dieser Ansicht mit unterschiedlichen Überlegungen gerechtfertigt, die sich teilweise gegenseitig widersprechen. Während Offerhaus und die Vertreter der Gesamtanalogie im Grundsatz von einem Vertragsformverbot ausgehen105, wird dieses von Seer gerade verneint. Mit der privatrechtlichen Funktion des Vertrages als Instrument der Selbstbestimmung hat der öffentlich-rechtliche Vertrag nichts gemein. Die öffentliche Verwaltung hat sich nicht selbst zu verwirklichen, sondern die vom Gesetzgeber gesetzten Verwaltungszwecke zu realisieren106. Anders als das private Recht steht das öffentliche Recht nicht zur Disposition der Beteiligten, so dass der privatrechtliche Grundsatz der Vertragsfreiheit im öffentlichen Recht gerade nicht gilt, sondern es stets einer gesetzgeberischen Entscheidung bedarf, ob im Einzelfall ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zulässig ist. Während im Privatrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt, besteht im öffentlichen Recht grundsätzlich ein Vertragsverbot107. Selbst wenn die AO keine Aussagen über öffentlich-rechtliche Verträge enthält108, bedeutet dies daher gerade kein „juristisches Vakuum“, sondern schlicht die Unzulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht, ein „Vertragsformverbot“, ohne dass es auf den Inhalt des Vertrags ankäme109. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur AO wurde ausdrücklich auf Abweichungen vom seinerzeitigen Entwurf eines VwVfG hingewiesen und darauf, dass diese Abweichungen in den Besonderheiten des Steuerrechts begründet seien110. Es ist daher davon auszugehen, dass die Vorschriften des VwVfG über die Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages bewusst nicht in die AO aufgenommen wurden und keine planwidrige Lücke vorliegt, die durch eine Gesamtanalogie zu den §§ 54 ff. VwVfG geschlossen werden könnte111. Auch die „unreflektierte“112 Übernahme 105

Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094). Spannowsky, S. 274 ff.; Stolterfoht, DStJG 21, 233 (251); vgl. auch BFH, Urt. v. 22.07.2008 – IX R 74/06, BFHE 222, 458 (462). 107 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO; Rn 167; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (914); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094); Greite, NWN F 2, 8405 (8412); a.A. Sontheimer, S. 184; Seer, Verständigungen, S. 133. 108 Seer, Verständigungen, S. 133; Seer, BB 1999, 78 (80 f.); Vogel, Döllerer-FS, S. 677 (690). 109 Müller-Franken, S. 223; v. Groll, FR 1995, 814 (818); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094): „beredtes Schweigen“; a.A. Englisch, S. 19; zu der von Seer u. a. vorgenommenen Unterscheidung zwischen Handlungsform und -inhalt vgl. auch sogleich 3.a). 110 BT-Drs. 6/1982, 94. 111 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 160; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (912 f.); Buciek, DStZ 1999, 389 (397); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094); Seer, BB 1999, 78 (81); a.A. Greite, NWB F 2, 8405 (8412). 112 Söhn, Selmer-FS, S. 911 (913); Kruse, Vogel-FS, S. 517 (523). 106

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

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des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG in § 78 Nr. 3 AO enthält daher keine Aussage über die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht113, die Norm ist nicht als Dispositionsermächtigung gewollt114. Es ist daher im Steuerrecht grundsätzlich von der Unzulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge auszugehen, insbesondere über Steueransprüche, sofern nicht besondere Ermächtigungsgrundlagen wie beispielsweise § 224a AO gegeben sind115. Die tatsächliche Verständigung ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag daher nur dann zulässig, wenn man sie als gewohnheitsrechtliche Ausnahme von der allgemeinen Unzulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht begreift116. Dem steht jedoch entgegen, dass die tatsächliche Verständigung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der AO noch nicht als Rechtsinstitut anerkannt war. Dies spricht gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe die tatsächliche Verständigung in ihrer heutigen Gestalt „vorgefunden und offensichtlich toleriert“117. Wäre die tatsächliche Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren, bedürfte auch sie einer besonderen Ermächtigungsgrundlage, an der es aber gerade fehlt. Steuerrechtlich kann die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung daher nicht mit dem Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, sondern nur mit dem Grundsatz von Treu und Glauben begründet werden118.

2. Wissens- statt Willenserklärung Vom steuerstrafrechtlichen Standpunkt aus ist die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung insofern von Bedeutung, als Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nur bei Wissenserklärungen möglich sind. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag setzt demgegenüber rechtsgeschäftliches Handeln voraus, es müssen zumindest übereinstimmende Willenserklärungen zur Regelung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses abgegeben werden, wobei die zivilrechtliche Rechtsgeschäftslehre auch in das Verwaltungsrecht übertragen werden kann, solange nicht strukturelle Unterschiede zum Zivilrecht eigene Lösungen erfordern119. Rechtsgeschäft ist nach den Motiven zum BGB eine „Privatwillenserklärung, ge113 Eich, S. 50; Sontheimer, S. 73; Spannowsky, S. 431; Seer, Vogel-FS, S. 699 (707); Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (250); Martens, StuW 1986, 97 (98); Wiese, DStZ 1997, 745; offen gelassen von Greite, NWB F 2, 8405 (8412). 114 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 159; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (912); a.A. Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 18: „Andeutung“ der Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages. 115 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 91, der allerdings im Zusammenhang mit dem Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gleichwohl von „Willenserklärungen“ spricht, § 404 AO, Rn 94c; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 167, 174. 116 Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097). 117 So aber Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097), ähnlich auch Sontheimer, S. 135. 118 Hierzu sogleich unten E. I. 119 Seer, Verständigungen, S. 90.

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

richtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist“120. Eine Willenserklärung liegt daher nicht vor, wenn die Rechtsfolge lediglich das Ergebnis einer Erklärung, nicht aber das gewollte finale Ergebnis des Handelns des Erklärenden ist121. Rechtsverhältnis im Sinne des § 54 VwVfG sind – ähnlich wie in § 43 VwGO, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, § 779 BGB und §§ 256, 280, 506 ZPO122 – die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm ergebenden, rechtlichen Beziehungen eines Rechtssubjekts zu einem anderen oder zu einer Sache, durch die Pflichten zwischen ihnen begründet, geändert oder aufgehoben werden123. Fraglich ist daher, ob durch die tatsächliche Verständigung ein Rechtsverhältnis geregelt wird.

a) Keine Vereinbarung über den Steueranspruch Der materiell-rechtliche Steueranspruch entsteht gemäß § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, bzw. abweichend von § 38 AO nach Maßgabe der Einzelgesetze124, er ist im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, der aus Art. 3, 14 GG folgt und einfachgesetzlich in § 85 AO verankert ist, einer vertraglichen Vereinbarung nicht zugänglich125. Wenn, wie die Rechtsprechung betont, die tatsächliche Verständigung grundsätzlich auf gesetzmäßige Steuerfestsetzung gerichtet ist126 bzw. mit Seer für die tatsächliche Verständigung zumindest ein „Verbot der gesetzesabweichenden Steuervereinbarung“127 besteht, ist der Steuerbescheid auf die tatsächliche Verständigung als „normkonkretisierenden Rechtsgrund“ nicht angewiesen128. Der materiell-rechtliche Steueranspruch und der ihn konkretisierende Steuerbescheid sind unabhängig vom Willen der Beteiligten und nicht „das gewollte finale Ergebnis“ ihrer übereinstimmenden Erklärungen, die 120

Mugdan, Bd. 1, S. 421. Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2000 – X ZR 97/99, NJW 2001, 289 (290). 122 Stelkens/Bonk/Sachs7 – Bonk, § 54 VwVfG, Rn 84. 123 BVerwG, Urt. v. 08.06.1962 – VII C 78.61, BVerwGE 14, 236, v. 23.01.1992 – 3 C 50/89, BVerwGE 89, 329, und v. 26.01.1999 – 8 C 19/94, BVerwGE 100, 264. 124 Vgl. zu den einzelgesetzlichen Vorschriften Klein – Brockmeyer, § 38 AO, Rn 4. 125 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (555; m. w. Nachw. aus der Rspr.), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105); Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 132; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 66; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 158; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (912); Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (501); Flockermann, Ritter-FS, S.103 (104); Wiese, DStZ 1997, 745; Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (25). 126 BFH, Urt v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (171), Beschl. v. 03.08.2005 – I S 1, 4/05, BFH/NV 2005, 1972; ähnlich BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537. 127 Seer, Verständigungen, S. 375 ff.; Mösbauer, BB 2003, 1037; Seer, BB 1999, 78. 128 Klein – Brockmeyer, § 38 AO, Rn 3; a.A. Seer, Verständigungen, S. 396 ff.; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 28; Seer, BB 1999, 78 (82). 121

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

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insofern nicht auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sind, und daher keine Willenserklärungen darstellen. Hier zeigt sich eine weitere entscheidende Schwäche des Ansatzes, die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Steuerrecht durch die Trennung von Handlungsform und Handlungsinhalt zu rechtfertigen. Zwar kann eine Handlung trotz Verwendung einer an sich zulässigen Handlungsform wegen ihres Inhalts unwirksam sein129, so dass es richtig ist, zwischen der Frage nach der Zulässigkeit der Handlungsform und der Frage des Vertragsinhalts zu unterscheiden. Dennoch besteht eine Wechselbezüglichkeit von Handlungsform und Handlungsinhalt, da bestimmte Handlungsformen einen bestimmten Handlungsinhalt voraussetzen130, namentlich ein Vertrag eine Vereinbarung. Soweit ausgehend von der Unterscheidung zwischen Handlungsform und Handlungsinhalt lediglich von einem „Verbot der gesetzesabweichenden Steuervereinbarung“ ausgegangen131, hingegen eine gleichsam „gesetzesbestätigende Steuervereinbarung“ für zulässig gehalten wird, fehlt es dieser „gesetzesbestätigenden Steuervereinbarung“ gerade an einem eigenständigen Regelungsgehalt, sie zeitigt keine Rechtsfolgen als „gewolltes finales Ergebnis“ und stellt insofern keinen Vertrag dar.

b) Kein prozessualer Vertrag Als öffentlich-rechtlicher Vertrag wäre die tatsächliche Verständigung aber möglicherweise als verfahrensrechtlicher Vertrag denkbar. Zwar können auch Verfahrensabreden ein Rechtsverhältnis begründen, ändern oder aufheben, und es sind auch öffentlich-rechtliche Verträge über prozessuale Beziehungen denkbar, wozu insbesondere eine Vereinbarung gehört, in der sich ein Beteiligter zur Rücknahme eines Rechtsbehelfs132 oder zum Erlass geänderter Steuerbescheide verpflichtet. Auch wenn derartige Zusagen bei tatsächlichen Verständigungen je nach Verfahrensstadium üblich sind, um ihre Umsetzung sicherzustellen, betreffen sie nicht ihren „Kern“, die für beide Beteiligten verbindliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. In der Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen im Vorfeld der Steuerfestsetzung liegt gerade kein Rechtsmittelverzicht133. Die Auffassung der Finanzverwaltung, im Umfang der tatsächlichen Verständigung fehle für einen Rechtsbehelf des Steuerpflichtigen gegen den in ihrer Umsetzung ergangenen

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Sontheimer, S. 75. Söhn, Selmer-FS, S. 911 (914 f.); unzutreffend daher Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 22. 131 Seer, Verständigungen, S. 375 ff.; Seer, Vogel-FS, S. 699 (709); Seer, BB 1999, 78. 132 Stelkens/Bonk/Sachs7 – Bonk, § 54 VwVfG, Rn 87. 133 Gräber – v. Groll, § 50 FGO, Rn 3; Klein – Brockmeyer, § 354 AO, Rn 5; Jesse, Rn B 442; Seer, Vogel-FS, S. 699 (709); Buciek, DStZ 1999, 389 (395). 130

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

Steuerbescheid das Rechtsschutzbedürfnis134, läuft letztlich auf einen Rechtmittelverzicht hinaus und ist insofern nicht aufrecht zu erhalten. Dies ergibt sich insbesondere aus den parallelen Regelungen in § 354 AO und § 50 FGO, nach denen ein Einspruchs- bzw. Klageverzicht erst nach Erlass des Steuerbescheids möglich ist (jeweils Abs. 1 Satz 1), und nicht mit weiteren Erklärungen verbunden werden darf (jeweils Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz). In der tatsächlichen Verständigung kann daher bereits aus formellen Gründen kein Einspruchs- bzw. Klageverzicht liegen135. Ebenso wie die Urteilsverkündigung im Steuerstrafverfahren136 bildet die Bekanntgabe des Steuerbescheids im Besteuerungsverfahren eine „Zäsur“, deretwegen ein vorheriger Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist. Letztlich muss im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG bei jedem Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelverzicht sichergestellt sein, dass feststeht, worauf verzichtet bzw. welcher Rechtsakt hingenommen wird137. Bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 11. Dezember 1984 ging der Bundesfinanzhof davon aus, dass ein gegen die Steuerfestsetzung auf Basis einer tatsächlichen Verständigung gerichtetes Rechtsmittel zulässig, aber unbegründet ist138. Der tatsächlichen Verständigung wird insofern eine „Tatbestandswirkung“139 bzw. die Wirkung als „Einwendungsausschluss“140 zugeschrieben. Bei einer Verständigung im Einspruchs- oder Klageverfahren ist dementsprechend zu differenzieren zwischen der auf Erklärungen beider Beteiligter beruhenden tatsächlichen Verständigung einerseits und einseitigen Zusagen eines Beteiligten betreffend Maßnahmen zu ihrer verfahrensmäßigen Umsetzung andererseits. Auch wenn letztere regelmäßig prozessuale Willenserklärungen beinhalten141, bleibt die tatsächliche Verständigung selbst hiervon unberührt und stellt daher auch keinen verfahrensrechtlichen Vertrag dar.

134 OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 5.1.; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 6.; OFD Hannover, Vfg. v. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 5.1; ebenso wohl auch trotz der missverständlichen Formulierung BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 6.1. 135 Vgl. zum Klageverzicht Gräber – v. Groll, § 50 FGO, Rn 6. 136 Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (59). 137 Tipke/Kruse – Tipke, § 354 AO, Rn 3; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 17.03.1959 – 1 BvL 5/57, BVerfGE 9, 194 (199). 138 BFH, Urt. v. 13.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (554).; ebenso FG Münster, Urt.v. 30.05.2006 – 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306; Beermann/Gosch – v. Beckerath, § 50 FGO, Rn 28. 139 Seer, Verständigungen, S. 400. 140 Dannecker, Schmitt Glaeser FS, S. 371 (382). 141 Vgl. BFH, Urt. v. 16.11.2000 – XI R 28/99, BFHE 193, 494; Jesse, Rn B 442.

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

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c) Einvernehmliche Schätzung In der tatsächlichen Verständigung läge ein öffentlich-rechtlicher Vertrag demnach allenfalls dann, wenn die „Tatbestandswirkung“ bzw. der „Einwendungsausschluss“ auf einen Vertrag, das heißt übereinstimmende Willenserklärungen der Beteiligten, zurückzuführen ist. Die Tatbestandswirkung der tatsächlichen Verständigung wird in der Literatur zwar daraus hergeleitet, dass es sich bei der tatsächlichen Verständigung der Sache nach um einen auf Sachverhaltsfragen begrenzten Vergleich handele142. Auch der Bundesfinanzhof bezeichnet in einer – nicht amtlich veröffentlichten – Entscheidung die tatsächliche Verständigung als Vergleich143. Ein Vergleich lediglich über die Beurteilung einzelner Tatsachen und ohne die konstitutive Vereinbarung von Rechten und Pflichten ist allerdings gerade nicht möglich144. Da sich die Regelungswirkung des Vergleichs auf Rechtsfolgen beschränkt, kann auch eine Verständigung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen rechtsverbindlich nur als Vereinbarung der sich daraus für das vorausgesetzte Rechtsverhältnis ergebenden Rechtsfolgen oder eines sonst vom zukünftigen Verhalten der Beteiligten abhängigen Interessenschutzes erfolgen145. Auch wenn die tatsächliche Verständigung faktisch einem Vergleich nahe kommt, ist sie kein Vergleich, sie hat weder die gleichen Voraussetzungen noch die gleichen Rechtsfolgen146. Auch soweit der Bundesfinanzhof von der tatsächlichen Verständigung als „Regelung“147 spricht, kann damit nicht ohne weiteres der rechtsgeschäftliche Charakter der tatsächlichen Verständigung belegt werden148. Entscheidend ist letztlich, ob der Sachverhalt bzw. die Sachverhaltsermittlung überhaupt zur Disposition der Beteiligten stehen und die Beteiligten Sachverhalte in einer auch die Ge142

Eich, S. 20; Müller-Franken, S. 193; Schick, S. 27; Sontheimer, S. 183; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 29; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 29; Vogel, DöllererFS, S. 677 (680); Iwanek, DStR 1993, 1394 (1397); in der Sache ähnlich OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.3.1. („Sachverhaltsvereinbarung“); Seer, Verständigungen, S. 111, 382 f.; Seer, StuW 1995, 213 (223); Raupach, DStJG 21, S. 175 (192). 143 BFH, Beschl. v. 12.12.2007 – X B 91/07, juris. 144 Kopp/Ramsauer, § 55 VwVfG, Rn 21; Stelkens/Bonk/Sachs7 – Bonk, § 55 VwVfG, Rn 54. 145 MüKo BGB – Habersack, § 779 BGB, Rn 32. Dies ist z. B. der Fall beim arbeitsrechtlichen „Tatsachenvergleich“, vgl. BAG, Urt. v. 31.07.1996 – 10 AZR 138/96, ZIP 1996, 1995 (1996); OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 22.02.2007 – 16 U 197/06, BB 2007, 1005 (1006). 146 So ausdrücklich Stelkens/Bonk/Sachs6 – Bonk, § 55 VwVfG, Rn 8, in der Sache unverändert nunmehr Stelkens/Bonk/Sachs7 – Bonk, § 55 VwVfG, Rn 7 i.V. m. § 54 VwVfG, Rn 124 ff. 147 So bereits BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556); vgl. auch BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (170) und v. 20.09.2007 – IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532 (535). 148 Vgl. Martens, StuW 1986, 97 (102): „unreflektierte Begriffsakrobatik“; a.A. Greite, NWB F 2, 8405 (8408); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

richte bindenden149 Art und Weise „vereinbaren“ können. Zweck der tatsächlichen Verständigung ist es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt im Sinne des § 88 AO einvernehmlich festzulegen150. Die tatsächliche Verständigung ist daher auf die Ermittlung der tatsächlich verwirklichten Besteuerungsgrundlagen gerichtet151. Sie dient insofern (lediglich) als Beweismittelsurrogat152 und zielt vorrangig auf die Begrenzung der Ermittlungspflicht der Finanzbehörden bzw. der Sachaufklärungspflicht des Gerichts ab153. Der „zutreffende Besteuerungssachverhalt“ bzw. die „tatsächlich verwirklichten Besteuerungsgrundlagen“ sind aber unter der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes vom Konsens der Beteiligten unabhängig154. Sie können in einer tatsächlichen Verständigung nur beschrieben, nicht aber im eigentlichen Sinn „vereinbart“ werden155. Der Vorbehalt der Rechtsprechung, dass die tatsächliche Verständigung nur in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung zulässig ist und nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen darf156, folgt insofern mittelbar auch aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip und dem Gleichheitssatz, da die tatsächliche Verständigung sich naturgemäß auch auf die Steuerrechtsfolgen auswirkt157. Es ist daher zutreffend, dass die Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Vertrages die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung nicht erklären kann, da sie zunächst eine Verbindlichkeit suggeriert, die aber erst dann eintreten soll, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist, die nicht nur dem Vertragsrecht, sondern allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu entnehmen sind158. Die Rechtsprechung hat dementsprechend die Anwendbarkeit der für Einigungsmängel geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf die tatsächliche Ver149

Hierzu näher unten E. I.2. BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105), v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, v. 28.06.2001 – IV R 40/00, BFHE 196, 87 (91 f.), v. 20.09.2007 – IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532 (534) und v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194 (196). 151 BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (172), Beschl. v. 03.08.2005 – I S 1,4/05, BFH/NV 2005, 1972. 152 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 83; Mösbauer, BB 2003, 1037 (1039); insofern zutreffend unter Bezugnahme auf Mösbauer auch Apitz, StBp 2008, 93 (94). 153 Gräber – v. Groll, § 50 FGO, Rn 6. 154 Mösbauer, BB 2003, 1037 (1039); Sommerfeld, S. 32. 155 Unzutreffend insofern Beermann/Gosch – Sauer, § 201 AO, Rn 41: tatsächliche Verständigung zugleich als Willens- und Wissenserklärung. 156 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105), v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 und v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (296), Beschl. v. 26.10.2005 – X B 41/05, BFH/NV 2006, 243. 157 Spannowsky, S. 431; Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (107); Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (26); Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (504). 158 Achatz, DStJG 27, S. 161 (177, 188). 150

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

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ständigung ausdrücklich verneint159, und entschieden, dass eine tatsächliche Verständigung nicht konkludent erfolgen kann, sondern übereinstimmende positive Erklärungen über die Besteuerungsgrundlagen voraussetzt160. Die tatsächliche Verständigung ist nicht als Ergebnis zweier übereinstimmender Willens-, sondern als Ergebnis zweier übereinstimmender Wissenserklärungen dergestalt zu sehen, dass die Finanzbehörde innerhalb der durch § 162 AO eröffneten Bandbreite eine „konsensfähige“ Schätzung vornimmt, und der Steuerpflichtige sich dieser Schätzung anschließt161. Ihr Ziel ist es, ebenso wie bei der Schätzung162 den Sachverhalt zu ermitteln, für den die größtmögliche Wahrscheinlichkeit spricht. Unter dem steuerstrafrechtlichen Aspekt bedeutet die Einordnung der auf Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerichteten Erklärungen als Wissenserklärungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen, dass sie insofern Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO enthalten und daher möglicherweise den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen können163.

IV. Parallelen und Unterschiede zur Höchststrafenabrede Die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren wird mitunter als Vorläuferin bzw. Wegbereiterin der Höchststrafenabrede im Strafverfahren angesehen164, die Höchststrafenabrede als „strafprozessuale tatsächliche Verständigung“165 bzw. „tatsächliche Verständigung im Steuerstrafverfahren“166 umschrieben. Richtig ist, dass sowohl die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren als auch die Höchststrafenabrede im Strafverfahren den Versuch der Rechtsprechung darstellen, angesichts beschränkter Ressourcen der Finanzverwaltung und der Strafjustiz einen rechtsstaatlich tragbaren Kompromiss zu finden zwischen 159

Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, Beschl. v. 25.08.2006 – VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122. 160 BFH, Urt. v. 28.11.1990 – X R 197/87, BFHE 163, 175 (186) und v. 12.12.1990 – I R 85/83, BFH/NV 1992, 59 (60); ebenso Beermann/Gosch – Rüsken, § 78 AO, Rn 55; Beermann/ Gosch – Sauer, § 201 AO, Rn 37. 161 FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464 (465); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 46; Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (26 f.); Kruse, Vogel-FS, S. 517 (523); insoweit zutreffend auch Iwanek, DStR 1993, 1394 (1395). 162 Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 13.03.1985 – I R 7/81, BFHE 145, 502 (504 f.); Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 18; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 29. 163 I. E. ebenso, allerdings ohne nähere Begründung, Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 29; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 29. 164 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 f.; Parallelen sehen auch Eich, S. 79 ff.; Meyding/Bühler, DStR 1991, 488 (492); Eckhoff, StuW 1996, 107 (120 f.). 165 FG München, Urt. v. 11.09.2007 – 6 K 5354/04, juris, und Beschl. v. 27.09.2005 – 6 V 840/05, juris; beide Entscheidungen betrafen den gleichen Sachverhalt; im Anschluss daran ebenso Lohr, Volk-FS, S. 323 (331). 166 Schmitt, DStR 1998, 1733 (1737); ähnlich Baum, NWB F 2, 9957 (9962: „im Steuerstrafverfahren getroffene tatsächliche Verständigung“).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

der vollständigen Ausermittlung jedes Einzelfalls und der Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege bzw. des Gesamtvollzugs der Steuergesetze, wenn beide nicht mehr gleichzeitig verwirklicht werden können167. Auffällig ist im Vergleich zwischen der Höchststrafenabrede und der tatsächlichen Verständigung als (ursprünglich) richterrechtlichen Instituten aber, dass die Zulässigkeit der insoweit betriebenen richterlichen Rechtsfortbildung, die bei der Höchststrafenabrede intensiv diskutiert wurde168, und in der Entscheidung des Großen Strafsenats breiten Raum einnahm169, bezüglich der tatsächlichen Verständigung nur vereinzelt in Frage gestellt wurde170. Der für konsensuale Lösungen erforderliche Spielraum der Gerichte bzw. Behörden eröffnet sich zudem im Strafrecht und im Steuerrecht auf unterschiedliche Weise. Die Finanzbehörde hat die Steuern zwar gemäß § 85 AO nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen, hat aber gemäß §§ 88 Abs. 1 Satz 3, 162 AO gewisse Spielräume bei der Ermittlung des zugrunde zu legenden Sachverhalts. Das Besteuerungsverfahren ist ein Masseverfahren, das grundsätzlich nicht mit der gleichen Intensität betrieben werden kann, wie das Strafverfahren171. Im strafrechtlichen Hauptverfahren gilt für die Sachverhaltsermittlung gemäß § 244 Abs. 2 StPO uneingeschränkt der Amtsermittlungsgrundsatz, für den Rechtsfolgenausspruch ist das Tatgericht hingegen innerhalb der gesetzlichen Strafdrohung nur an einen Strafrahmen gebunden172. Eine Verständigung über die Verwirklichung bzw. Nichtverwirklichung eines bestimmten Tatbestands bzw. Tatbestandsmerkmals ist daher nicht nur ausgeschlossen, sondern aus Sicht des Angeklagten auch keineswegs ausreichend173. Dementsprechend erfasst die tatsächliche Verständigung den Tatbestand, die Höchststrafenabrede die Rechtsfolgen. Die verbindliche Zusage einer Strafobergrenze durch das Gericht stellte nach der Rechtsprechung des 167 Eich, S. 5 ff., 75 ff., 82 f.; Burkhard, S. 174; Vgl. für die Verständigung im Strafverfahren BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (53 f.), Urt. v. 02.12.2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 94; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (551 f.); Landau, NStZ 2007, 121 (129); Kuckein/Pfister, BGH-FS, S. 641 (643 f.); Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (290); Gallandi, NStZ 1987, 420; Geuenich/Höwer, DStR 2009, 2320; krit. Rönnau, Absprache, S. 216: „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ fordert keine Absprachen und legitimiert keine Verstöße gegen rechtliche Schranken; für die tatsächliche Verständigung Sontheimer, S. 179 ff.; Jakob, Abgabenordnung, Rn 167; Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 162; Raupach, DStJG 21, S. 175 (178); Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (242); Seer, DStJG 31, 7 (11); Meyding/Bühler, DStR 1991, 488 (492 f.); Seer, FR 1997, 553 (557). 168 Vgl. insbesondere Weigend, BGH-FG, S. 1011 (1015); Duttge/Schoop, StV 2005, 421 (422 f.) und Dahs, NJW 2005, 580 sowie die Nachweise bei BGH, Vorlagebeschl. v. 15.06. 2004 – 3 StR 368/02 und 3 StR 415/02, NJW 2004, 2536 (2537). 169 BGH, Beschl. v. 03.03. 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (50 ff.). 170 Reiß, Grünwald-FS, 495 (502, 503 ff.); Martens, StuW 1986, 97 (98); mit Bedenken auch Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 66 ff., 70; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 120; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (919); Buciek, DStZ 1999, 389 (395). 171 Mußgnug, JuS 1993, 48 (49); ähnlich Jakob, Abgabenordnung, Rn 169. 172 BGH, Urt. v. 05.02.2004 – 5 StR 580/03, wistra 2004, 185. 173 Vgl. Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (514 f.). Auch Geuenich/Höwer, DStR 2009, 2320 sehen „bei einer strafprozessualen Verständigung die Rechtsfolgen stärker im Vordergrund“.

B. Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung

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Bundesgerichtshofs – wie gesehen – der Sache nach eine aus Gründen des Vertrauensschutzes verbindliche Rechtsfolgenprognose ausgehend von der Rechtsauffassung des Gerichts dar174; das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren hat an dieser Konstruktion, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, festgehalten. Die Höchststrafenabrede weist damit Elemente sowohl der tatsächlichen Verständigung als auch der ebenfalls richterrechtlich begründeten (allgemeinen) Zusage vor Einführung des § 89 Abs. 2 AO175 auf. Ihr Anwendungsbereich und ihre Wirkungsweise entsprechen denen der tatsächlichen Verständigung, ihr Regelungsgegenstand und ihre dogmatische Herleitung allerdings der früheren verbindlichen Zusage176. Umschreibungen wie „strafprozessuale tatsächliche Verständigung“ sind insofern zumindest ungenau.

V. Zwischenergebnis Die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung ist nach wie vor umstritten. Dieser Streit ist nicht rein akademischer Natur, sondern sowohl für das Besteuerungsverfahren als auch unter steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten von praktischer Bedeutung. Öffentlich-rechtliche Verträge sind im Steuerrecht grundsätzlich unzulässig, die Regelungen der §§ 54 ff. VwVfG sind auf das Steuerrecht nicht übertragbar. Vor allem aber ist der Zweck der tatsächlichen Verständigung die einvernehmliche Feststellung des möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalts. Dieser ist vom Willen der Beteiligten gerade unabhängig. Die Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Vertrages ist daher nicht geeignet, die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung zu erklären. Einer tatsächlichen Verständigung liegen nicht übereinstimmende Willens-, sondern übereinstimmende Wissenserklärungen zugrunde. Die tatsächliche Verständigung enthält insofern „Angaben“, die als solche möglicherweise den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllen, worauf später noch ausführlich einzugehen sein wird177. Obwohl der tatsächlichen Verständigung im Besteuerungsverfahren eine ähnliche Funktion zukommt wie der Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren, bestehen in der konstruktiven Herleitung beider Rechtsinstitute Unterschiede.

174 BGH, Urt. v. 28.08. 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (210); vgl. oben 2. Kapitel, A.II.1. 175 Vgl. hierzu Raupach, DStJG 21, S. 175 (191); Buciek, DStZ 1999, 389 (391), jeweils m. w. Nachw. 176 Ungenau daher Eich, S. 80, der – abgesehen von der seinerzeit fehlenden Bindungswirkung der Verständigung im Strafverfahren – eine „nahezu völlige Übereinstimmung“ sieht. 177 Vgl. unten 5.Kapitel, E.

136

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

Der Bundesfinanzhof formulierte bereits in seiner Grundsatzentscheidung drei Voraussetzungen für den Abschluss einer bindenden tatsächlichen Verständigung: die tatsächliche Verständigung ist nur zulässig im Bereich der Sachverhaltsermittlung, nicht hingegen über Rechtsfragen, sie setzt eine erschwerte Sachverhaltsermittlung voraus, darf aber nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen178. Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Punkt der tatsächlichen Verständigung gegeben sein179. Die von der Rechtsprechung darüber hinaus vorgenommene Einschränkung, dass eine tatsächliche Verständigung grundsätzlich nur in Bezug auf die Ermittlung eines zurückliegenden, nicht aber eines zukünftigen Sachverhalts zulässig ist180, ist unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbereinigung, die stets retrospektiv ist, von geringerer Bedeutung.

I. Keine Verständigung über Rechtsfragen Das Verbot der Verständigung über Rechtsfragen ergibt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung181, es ist maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einer zulässigen Verständigung über Tatsachen und einer unzulässigen Vereinbarung über Steueransprüche. Keine Rechtsfragen in diesem Sinne sind daher rein zivilrechtliche Vorfragen, deren Klärung lediglich Bestandteil der Sachverhaltsermittlung ist182. Diese Rechtsprechung ist jedoch in der Literatur auf Kritik gestoßen. Es wurde geltend gemacht, es bestehe ein praktisches Bedürfnis nicht nur für 178 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556), zuletzt etwa BFH, Urt. v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194 (196). 179 Englisch, S. 42; zu den Auswirkungen der Unwirksamkeit einzelner Punkte vgl. unten E. I.1. 180 BFH, Urt. v. 06.03.1997 – IV R 21/96, BFH/NV 1997, 762, v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (296) und v. 13.02.2008 – I R 63/06, BFHE 220, 415 (423 f.); ebenso BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 4.2. 181 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556), v. 01.02.2001 – IV R 3/00, BFHE 194, 13, v. 28.06.2001 – IV R 40/00, BFHE 196, 87 (91 f.), v. 31.03.2004 – I R 71/03, BFHE 206, 42 (49) und v. 03.04.2008 – IV R 54/04, BFHE 220, 495 (505), Beschl. v. 15.03.2000 – IV B 44/99, BFH/NV 2000, 1073 und v. 03.08.2005 – I B 20/05, juris; vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.11.2003 – 2 K 148/99, EFG 2005, 105 (108); BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 1. und 2.2; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 93; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (912), m. w. Nachw. 182 Beermann/Gosch – Sauer, § 201 AO, Rn 30.1; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 166; Tipke/Kruse – Tipke, § 165 AO, Rn 7; Baum, NWB F 2, 9957 (9958), ebenso wohl auch BFH, Beschl. v. 15.03.2000 – IV B 44/99, BFH/NV 2000, 1073.

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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Verständigungen über Tatsachen, sondern auch für Verständigungen über Rechtsfragen183, die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Rechtsfragen sei nur vordergründig184 und es bestehe in Wirklichkeit auch kein Konflikt mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung185.

1. Kein Bedürfnis für eine Verständigung über Rechtsfragen Durch die Möglichkeit einer Verständigung über die rechtliche Behandlung von Sachverhalten mit Dauerwirkung oder Wiederkehr, die in die Zukunft fortwirken oder sich wiederholen, soll Rechtssicherheit geschaffen, dem Steuerpflichtigen eine sichere Dispositionsgrundlage gegeben und der Finanzbehörde eine Reduzierung des zukünftigen Streitpotentials ermöglicht werden186. Ein Bedürfnis hierfür besteht freilich nur hinsichtlich künftiger Sachverhalte, da bei abgeschlossenen Sachverhalten ein Dispositionsschutz nicht erforderlich ist. Zur Klärung der steuerrechtlichen Behandlung künftiger Sachverhalte besteht darüber hinaus die Möglichkeit der verbindlichen Zusage gemäß §§ 204 ff. AO und außerhalb einer Außenprüfung früher der „allgemeinen Zusage“187 bzw. nunmehr der verbindlichen Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO. Der Steuerpflichtige kann eine Klärung der Rechtslage herbeiführen, dass diese möglicherweise nicht in seinem Sinne ausfällt, hat er nach dem Willen des Gesetzgebers ebenso hinzunehmen, wie die Finanzbehörde die rein einseitige Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft. Auf Seiten der Finanzbehörden gibt es kein legitimes Bedürfnis, Rechtsfragen vorab verbindlich zu klären188, vielmehr gilt, dass die Finanzbehörde das Recht kennen muss189. § 206 Abs. 2 AO, der zeigt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Zusage gemäß § 204 AO ausschließlich dem Schutz des Steuerpflichtigen dient190, ist insofern Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.

183

Seer, Verständigungen, S. 214 ff.; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (376). Beermann/Gosch – Rüsken, § 78 AO, Rn 60.5; Raupach, DStJG 21, S. 175 (193), Achatz, DStJG 27, S. 161 (171); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (538); Streck, StuW 1993, 366 (369). 185 Seer, Verständigungen, S. 375 ff.; Seer, BB 1999, 78. 186 Seer, Verständigungen, S. 214 ff.; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (376). 187 Vgl. hierzu Raupach, DStJG 21, S. 175 (191); Buciek, DStZ 1999, 389 (391), jeweils m. w. Nachw. 188 A.A. Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (376); Seer, BB 1999, 78 (80). 189 So bereits RFH, Urt. v. 20.10.1925 – II A 453/25, RFHE 18, 92 (94 f.); Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 168. 190 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 206 AO, Rn 44; Tipke/Kruse – Seer, § 206 AO, Rn 18. 184

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

2. Grundsätzliche Unterscheidbarkeit von Tatsachen- und Rechtsfragen Gegen die Unterscheidung von Tatsachen- und Rechtsfragen wird angeführt, eine solche Unterscheidung sei vielfach nicht möglich191, praktisch nicht durchsetzbar192 und werde auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbst nicht durchgehalten193. Die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Rechtsauffassungen ist allerdings sowohl in den Verfahrensvorschriften der AO (§§ 165, 173 AO) als auch im Revisionsrecht der FGO (§ 118 Abs. 1, 2 FGO) ausdrücklich vorgesehen194. Sie kann daher nicht mit dem Argument, jede Verständigung über Tatsachen stelle mittelbar auch eine Verständigung über Rechtsfolgen dar195, überspielt werden196. Dass es faktisch unmöglich sei, Tatsachen und (steuer-)rechtliche Wertungen auseinander zu halten197, wird tagtäglich durch lege artis aufgebaute finanzgerichtliche Urteile widerlegt und dass solche Trennung in Grenzfällen schwierig sein kann, gehört – im Steuerrecht zumal – zum „Juristenalltag“198. Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen ergibt sich auch daraus, dass die Finanzbehörde zwar gemäß § 88 AO hinsichtlich des Umfangs der Sachverhaltsermittlung einen Spielraum hat, nicht aber gemäß § 85 AO bei der Rechtsanwendung199. Selbst dann, wenn man für die Sachverhaltsermittlung die Geltung einer „Kooperationsmaxime“ annimmt, gilt diese doch nicht für die Rechtsanwendung200. Es ist natürlich denkbar, dass sich die Beteiligten über einen bestimmten Steuerbetrag verständigen und dann den hierzu passenden Sachverhalt „vereinbaren“201. Dergleichen mag in der Rechtswirklichkeit möglicherweise keine Seltenheit sein, dies bedeutet aber nicht zwingend, dass es auch gesetzeskonform ist202, sondern sollte eher Anlass sein, die tatsächliche Verständigung insoweit restriktiv zu handhaben203. 191 Beermann/Gosch – Rüsken, § 78 AO, Rn 60.5; Raupach, DStJG 21, S. 175 (193), Achatz, DStJG 27, S. 161 (171). 192 Jakob, Abgabenordnung, Rn 105; Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (253); Streck, StuW 1993, 366 (369). 193 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (538); Seer, Vogel-FS, S. 699 (701); Seer, BB 1979, 78 (79 f.). 194 So auch noch Seer, Verständigungen, S. 206. 195 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (376); Greite, NWB F 2, 8405 (8411 f.); Seer, BB 1999, 78 (79 f.). 196 Buciek, DStZ 1999, 389 (396); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094). 197 So z. B. Schick, S. 33; Greite, NWB F 2, 8405 (8411 f.). 198 v. Groll, FR 1995, 814 (818). 199 Buciek, DStZ 1999, 389 (396). 200 Insoweit zutreffend Seer, Verständigungen, S. 215; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 14; Achatz, DStJG 27, S. 161 (171); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (375); Mösbauer, BB 2003, 1037 (1038 f.). 201 Streck, DStJG 18, S. 173 (187); Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (253); Streck, StuW 1993, 366 (369); Greite, NWB F 2, 8405 (8411). 202 v. Groll, FR 1995, 814 (818); Offerhaus, DStR 2001, 1093 (1094). 203 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 165; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (918).

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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Die Verständigung auf einen rein fiktiven Sachverhalt bedeutet aber vor allem auch ein erhebliches Risiko für die Parteien selbst204, da die Verständigung auf einen offensichtlich unzutreffenden Sachverhalt nicht nur keine Bindungswirkung entfaltet205, sondern sogar eine Steuerstraftat darstellen kann206. Die Behauptung, die Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen werde von der Rechtsprechung selbst nicht durchgehalten, beruht auf der Rechtsprechung zu „gemischten Fragen“207. Der Bundesfinanzhof lässt – unterstützt von der Literatur208 – Verständigungen über „gemischte Fragen“ zu, bei denen Tatsachen- und Rechtsfragen untrennbar miteinander verbunden sind, weil das Recht eine bestimmte Wertung verlangt, die ihrerseits auf tatsächliche Faktoren zurückgreift209, z. B. über die Angemessenheit einer Geschäftsführer-Ausstattung210, nicht aber über die Zugehörigkeit einer Darlehensrückzahlung zu Sonderbetriebseinnahmen211. Es handelt sich insofern zwar nicht mehr um reine Tatsachenfragen, aber ebenso wenig um reine Rechtsfragen, den „gemischten Fragen“ kommt eine Sonderstellung zu. Dass der Bundesfinanzhof tatsächliche Verständigungen über gemischte Fragen (ausnahmsweise bzw. noch) toleriert, weil sie neben Rechtsfragen auch Tatsachenfragen betreffen und beide untrennbar miteinander verbunden sind, bedeutet daher keineswegs die Akzeptanz von Verständigungen über reine Rechtsfragen dort, wo diese von Tatsachenfragen zu trennen sind212.

3. Wahrung der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung Den Bedenken des Bundesfinanzhofs betreffend die Wahrung der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung bei Verständigungen über Rechtsfragen wird insbesondere von Seer entgegengehalten, der Grundsatz der Gleich204

Wannemacher – Grötsch, Rn 4492; Pump, StBp 2002, 76 (79). Vgl. hierzu unten III. 206 Vgl. hierzu ausführlich unten 5. Kapitel, E. 207 Seer, BB 1999, 78 (79). 208 Seer, Verständigungen, S. 209; Buciek, DStZ 1999, 389 (396); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (376); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094); Seer, BB 1999, 78 (81). 209 BFH, Urt. v. 13.08.1997 – I R 12/97, BFH/NV 1998, 498, v. 01.02.2001 – IV R 3/00, BFHE 194, 13 und v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194 (197); vgl. auch BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 2.3; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 1. 210 BFH, Urt. v. 13.08.1997 – I R 12/97, BFH/NV 1998, 498. 211 BFH, Urt. v. 01.02.2001 – IV R 3/00, BFHE 194, 13; zu weiteren Beispielen unzulässiger Verständigungen über Rechtsfragen vgl. Greite, NWB F 2, 8405 (8410). 212 BFH, Urt. v. 31.03.2004 – I R 71/03, BFHE 206, 42 (49), m. w. Nachw. Diese Trennung soll allerdings nur einzelfallbezogen möglich sein, BFH, Beschl. v. 31.08.2009 – I B 21/09, juris; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 166; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (918); Buciek, DStZ 1999, 389 (396); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094). 205

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

mäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung bedeute kein generelles Verbot der Steuervereinbarung, sondern lediglich ein Verbot der gesetzesabweichenden Steuervereinbarung. Das Gesetz eröffne der Finanzbehörde „Konkretisierungsspielräume“, die sich nicht nur einseitig-hoheitlich, sondern auch konsensual ausfüllen ließen213. Dies setzt freilich voraus, dass zum einen derartige Konkretisierungsspielräume bestehen, zum anderen der Konsens zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem als Mittel zur Ausfüllung dieser Konkretisierungsspielräume geeignet ist.

a) „Konkretisierungsspielraum“ bei Rechtsfragen Einen Spielraum hat die Finanzbehörde nur gemäß § 88 AO hinsichtlich des Umfangs der Sachverhaltsermittlung, nicht gemäß § 85 AO bei der Rechtsanwendung214. Dass die Finanzbehörde in Rechtsfragen keinen gerichtsfesten originären Beurteilungsspielraum besitzt, bedeutet nach Ansicht der Befürworter der Zulässigkeit einer Verständigung über Rechtsfragen noch nicht, dass aus der erstentscheidenden Handlungsperspektive der Finanzbehörde in jedem Einzelfall nur eine einzige Entscheidung als die gesetzlich richtige vorstellbar ist, sondern lediglich die Kompetenz der Gerichte zur verbindlichen Letztentscheidung. Die gerichtliche Entscheidung sei aber im Vergleich zur Behördenentscheidung nicht objektiv richtiger (gesetzmäßiger), sondern nur kompetenziell letztverbindlich. Die Behörde sei daher eigenverantwortlich zur Konkretisierung des Rechts berufen215. Zudem führten das wechselnde Steuerrecht wie auch die rasanten Entwicklungen im Wirtschaftsleben zu dauernd neuen Streitfragen, so dass auch unter Beachtung des Grundsatzes von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Handlungsspielraum für eine Verständigung über Rechtsfragen bestehe216. Ein derart begründeter Handlungs- bzw. „Konkretisierungsspielraum“ der Finanzbehörde besteht aber auch nach dieser Ansicht nur dort, wo nicht die Rechtslage anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt oder der Finanzbehörde eine bestimmte Rechtsauffassung durch norminterpretierende Verwaltungsanweisungen vorgegeben ist217.

213

Seer, Verständigungen, S. 375 ff.; Seer, BB 1999, 78. Mösbauer, BB 2003, 1037 (1039); Buciek, DStZ 1999, 389 (396); v. Groll, FR 1995, 814 (818). 215 Seer, Verständigungen, S. 213; Vogel, Döllerer-FS, S. 677 (687); widersprüchlich Mösbauer/Mösbauer, Außenprüfung, S. 221 einerseits und S. 227 andererseits. 216 Raupach, DStJG 21, S. 175 (193). 217 Seer, Vogel-FS, S. 699 (710); im Ergebnis ebenso Englisch, S. 45 ff.; weitergehend Achatz, DStJG 27, S. 161 (174), der im Einzelfall auch ein Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zulassen will. 214

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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b) Pflicht der Finanzbehörde zur einseitigen Rechtserkenntnis Selbst wenn man mit Seer im Ausnahmefall hinsichtlich einer Rechtsfrage einen „Konkretisierungsspielraum“ annehmen wollte, fällt die Auslegung des Rechts in den ausschließlichen Verantwortungsbereich der Finanzbehörden und der Gerichte218. Das gilt auch bei einer unsicheren Rechtslage. Auch wenn die Finanzbehörde in Ermangelung höchstrichterlicher Rechtsprechung und norminterpretierender Verwaltungsanweisungen zur eigenständigen Auslegung des Rechts berufen ist, ist sie zwar zunächst frei, sich eine Rechtsauffassung zu bilden, andererseits ist sie aber in der Folge an die für richtig erkannte Rechtsauffassung grundsätzlich gebunden. Sie darf daher zwar eine nachträglich für falsch erkannte Rechtsauffassung aufgeben, ist aber gerade nicht dazu berechtigt, von dem ihrerseits als richtig erkannten Recht abzuweichen, nur um „Rechtsfrieden herzustellen“ bzw. zu einer Verständigung zu kommen219. Die Durchsetzung eines Gesetzes erfordert, dass alle am Rechtsfindungsprozess Beteiligten von dem heuristischen Regulativ nur einer richtigen Auslegung ausgehen, anderenfalls wäre die Beliebigkeit der Rechtsanwendung die Folge220. Dies gilt auch im finanzgerichtlichen Verfahren, so dass eine Vereinbarung über Rechtsfragen nicht mit einer Antizipation der dortigen Möglichkeiten gerechtfertigt werden kann221. Die Finanzbehörde verstößt gegen die ihr obliegende Aufgabe und damit gegen das Gesetz, wenn sie sich stattdessen „im Konsens mit dem Steuerpflichtigen innerhalb des durch die objektivierte Ungewissheit vorgegebenen Rahmens der rechtlich vertretbaren Standpunkte einigt“222. Auch Seer selbst erkennt an, dass die richtige Rechtsauslegung und Rechtsanwendung, wie bereits gesehen, anders als die Sachverhaltsermittlung nicht in die „Mitverantwortung“ des Steuerpflichtigen fällt223. Nur bei der Sachverhaltsermittlung kann sich der Finanzbehörde ein Spielraum eröffnen, der es ausnahmsweise rechtfertigt, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zugunsten einer einvernehmlichen Regelung zurücktreten zu lassen224.

218 Müller-Franken, S. 205; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 121; Tipke/ Kruse – Tipke, § 165 AO, Rn 8. 219 Müller-Franken, S. 205; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 162; Seer, Vogel-FS, S. 699 (709); a.A. Englisch, S. 28. 220 Lambrecht, DStJG 12, S. 79 (81 f.). 221 Müller-Franken, S. 198 f.; a.A. Kruse, Vogel-FS, S. 517 (524). 222 Müller-Franken, S. 205; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 162. 223 Seer, BB 1979, 79 (80); vgl. auch Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 162; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (915 f.); Mösbauer, BB 2003, 1037 (1039); Buciek, DStZ 1999, 389 (386 f.); zum Begriff der „Mitverantwortung“ bereits oben A.IV. 224 BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (300); v. Groll, FR 1995, 814 (818); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8413).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

c) Objektivrechtliche Funktion gerichtlichen Rechtsschutzes Die Rechtsanwendung durch die Finanzbehörde unterliegt hingegen grundsätzlich der vollen Kontrolle der Finanzgerichte. Das finanzgerichtliche Verfahren dient gleichermaßen dem subjektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG und der objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle225. Insbesondere hat der Bundesfinanzhof nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie die Aufgabe, im Interesse der Allgemeinheit das Recht fortzubilden und die Rechtseinheit zu wahren226. Das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof ist daher, von Fällen der Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) abgesehen, auf Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder in denen die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) beschränkt, die früher eröffnete „Streitwertrevision“ wurde durch das 2. Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 19.12.2000 endgültig abgeschafft227. Diese objektive Rechtskontrolle entspricht einem dem Gemeinwohl verpflichteten Ordnungsdenken, sie gewährleistet die einheitliche Rechtsanwendung durch die Verwaltung und erfordert eine Folgenabschätzung über den Einzelfall hinaus228. Gerade in umstrittenen Rechtsfragen schafft die Revisionsrechtsprechung Rechts- und damit Planungssicherheit229. Die Bedeutung der revisionsgerichtlichen Kontrolle gerade auch über Verständigungen ist im Strafverfahren ausdrücklich anerkannt. Der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung zur Verständigung im Strafverfahren ausdrücklich festgehalten, dass auch und gerade Verständigungen einer revisionsgerichtlichen Kontrolle grundsätzlich nicht entzogen werden dürfen, und hierfür die Zustimmung der Literatur gefunden230. Trotz der Unterschiede zwischen Höchststrafenabrede und tatsächlicher Verständigung sind diese Erwägungen auf die tatsächliche Verständigung übertragbar. Der mit einer bindenden Verständigung verbundene Ausschluß gerichtlicher Nachprüfbarkeit ist höchst problematisch231. Der Bundesfinanzhof kann prinzipiell nur Probleme erörtern, die ihm als Streitgegenstände in Einzelfällen vorgelegt werden232, während es gerade im Wesen 225 Müller-Franken, S. 219; Ruban, FS RFH/BFH, S. 131 (138 f.); vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.08.1978 – 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, 148 (160) und v. 11.06.1980 (Plenum) – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 (289 f.). 226 BT-Drs. 12/1061, 21, 14/4061, 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 115 FGO, Rn 16. (139); Voß, Tipke-FS, S. 165 (172 f.); a.A. nunmehr Gräber – Ruban, § 115 FGO, Rn 2 und Jesse, Rn C 566: Gleichrang von Allgemeininteresse und Einzelfallgerechtigkeit. 227 BGBl. I 2000, 1757. 228 Voß, Tipke-FS, S. 165. 229 Rose, v. Wallis-FS, S. 275 (280). 230 BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – 1 GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (56), vgl. oben 2. Kapitel, A.II.2.b). 231 Müller-Franken, S. 219; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 151; Reiß, Grünwald-FS, S. 495, 509 ff. halten ihn für schlechthin nicht hinnehmbar. 232 Rose, v. Wallis-FS, S. 275 (281).

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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konsensualer Lösungen liegt, sich einer gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, da „mit dem Kläger auch der Richter fehlt“233. Andererseits hat bereits die latente Möglichkeit, dass sich ein unabhängiger Richter mit dem Fall beschäftigen kann, eine präventive Wirkung im Hinblick auf ein möglichst großes Bemühen, eine „richtige“ Entscheidung zu treffen234. Das Revisionsrecht rechtfertigt daher nicht nur die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Verständigungen über Tatsachenund solchen über Rechtsfragen, sondern auch die unterschiedliche Beurteilung beider Fallgruppen235. Die auf den Sachverhalt beschränkte tatsächliche Verständigung kann zwar unter dem Gesichtspunkt der objektiven Rechtskontrolle noch hingenommen werden236, da sie einer revisionsgerichtlichen Kontrolle der Rechtsanwendung nicht entgegensteht. Eine bindende und folglich der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogene Verständigung über Rechtsfragen ist hingegen ausgeschlossen.

d) Subjektiver Rechtsschutz durch kooperative Verfahrensteilhabe Unabhängig von der Verpflichtung der Finanzbehörde zur hoheitlichen Entscheidung und der Ermöglichung einer objektiven Rechtskontrolle stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Konsens zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde im Steuerrecht überhaupt geeignet ist, in allen Fällen Einzelfallgerechtigkeit entsprechend den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu schaffen. Die Befürworter konsensualen Verwaltungshandelns gehen davon aus, nachdem einerseits die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung durch die Finanzgerichte gewährleistet werde, andererseits die Finanzgerichte nur dann mit einem Fall befasst würden, wenn es in der Beurteilung des Falles zu Differenzen zwischen den Beteiligten komme, könne eine Vorverlagerung des individuellen Rechtsschutzes durch kooperative Verfahrensteilhabe des Steuerpflichtigen erreicht und ein gegenständlich beschränkter Rechtsschutzverzicht kompensiert werden. Habe sich der Steuerpflichtige frei von Willensmängeln mit der Finanzbehörde über Besteuerungsgrundlagen verbindlich geeinigt, bedürfe er insoweit keines individuellen Rechtsschutzes mehr237 (volenti non fit iniuria). Es liegt jedoch durchaus eine Gefahr darin, dass das aus der privatrechtlichen Freiheitsfunktion abgeleitete „erhöhte juristische Prestige“ des Vertrages als Akt der Privatautonomie auch auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen 233

Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 151; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (511); Raupach, DStJG 21, S. 175 (182). 234 Müller-Franken, S. 220; zu entsprechenden Überlegungen im Strafrecht vgl. oben 2. Kapitel, A.II.2.b). 235 A.A. Schick, S. 33. 236 Voß, Tipke-FS, S. 165 (174). 237 Seer, Verständigungen, S. 275 ff., 285 ff.; Tipke/Lang – Seer, § 21, Rn 23; Seer, Vogel-FS, S. 699 (703); Seer, BB 1999, 78 (79); Achatz, DStJG 27, S. 161 (172).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

wird238. Der durch das hergestellte Einvernehmen zumindest vordergründig bewirkte Rechtsfrieden ist kein Wert an sich239 und durch die aus sich selbst heraus legitimierte vertragliche Selbstbindung im privatautonomen Vertrag kann die Gesetzesbindung verdrängt oder überspielt werden240. Gegen konsensuales Verwaltungshandeln im Steuerrecht wird vorgebracht, dass in einem konsensualen Verwaltungsverfahren allein das Verhandlungsgeschick der Beteiligten entscheide und es somit zwangsläufig zu sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen komme241. Der naturgemäß eigennützig agierende, „befangene“ Steuerpflichtige sei zur Wahrung der Gleichheit im Vollzug der Steuergesetze weder berufen noch geeignet, auch bei unsicherer Rechtslage242. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gilt die tatsächliche Verständigung immer noch primär als Gestaltungsinstrument des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters oder Verteidigers243. Insofern ist es zwar tendenziell eher unwahrscheinlich, dass durch den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung die Rechte des Steuerpflichtigen in unzulässiger Weise beschnitten werden. Mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG kommt jedoch gerade auch der Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht Verfassungsrang zu244. Zudem zeigt der Blick auf die Entwicklung im Strafprozess, dass konsensuale Erledigungsformen nicht zwingend im Interesse des betroffenen Bürgers liegen. Auch bei „Detlef Deal“245 erschien die Höchststrafenabrede im Strafprozess gleichsam als „Zaubermittel“ des Strafverteidigers, noch bevor sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dieses Phänomens annahm246. Mit fortschreitender Etablierung konsensualer Erledigungsformen im Strafprozess hat sich die Situation allerdings gewandelt, die Höchststrafenabrede ist nicht mehr das dem Strafverteidiger vorbehaltene „Zaubermittel“, Strafverteidiger sehen sich mittlerweile ganz im Gegenteil mit „aufgezwungenen Deals“ konfrontiert247 und 238

Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (252). Eich, S. 27; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 120. 240 Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (252); Schultze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (660). 241 Eich, S. 29; Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2094); speziell für den Fall der Gesamtbereinigung Seer, Trzaskalik-GS, S. 457 (471); zum allgemeinen Verwaltungsrecht Schultze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (659). 242 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 163; Söhn, Selmer-FS, S. 911 (916). 243 Vgl. Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 92; v. Briel/Ehlscheid, Rn 324 ff.; Schleifenbaum/ Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (685). 244 Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 63; vgl. auch Seer, DStJG 31, 7 (10). 245 Deal, StV 1982, 545. Der Artikel wird dem Rechtsanwalt Hans-Joachim Weider, Frankfurt, zugeschrieben, Eich, S. XVII; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (540); Widmaier, NJW 2005, 1985 (1986); Rönnau, wistra 1998, S. 49. Im gleichen Jahr auch Schmidt-Hieber, NJW 1982, S. 1017. 246 Vgl. auch Harms, Nehm-FS, S. 289 (290): Entwicklung der strafprozessualen Verständigung „zunächst von Seiten der engagierten Verteidiger … vorangetrieben.“ 247 So der Titel des Aufsatzes von Weider, StraFo 2003, 406; vgl. aus dem Bereich des Steuerstrafrechts z. B. die Fälle in BGH, Beschl. v. 20.04.2004 – 5 StR 11/04, wistra 2004, S. 274 und v. 09.06.2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 424 m. Anm. Bieneck, wistra 2004, 470 und Gotzens/Walischewski, NStZ 2005, 521, die von einer „verstärkt zu beobachtenden Rechtsstaatsmüdigkeit bei einigen Instanzgerichten“ berichten. 239

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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beklagen ein „Übergewicht der justiziellen Gegner“248. Bei der Anwendung konsensualer Erledigungsformen ist der Verfahrensausgang nicht nur abhängig vom Verhandlungsgeschick, sondern auch von der relativen Machtposition der Verfahrensbeteiligten249, so dass sich ein solches Übergewicht regelmäßig zum Nachteil des Angeklagten bzw. des Steuerpflichtigen auswirken wird. Selbst im Bereich des Bauplanungsrechts, für das das Instrument des öffentlichrechtlichen Vertrages ursprünglich entwickelt wurde250, ist anerkannt, dass verwaltungsrechtliche Verträge stärker als privatrechtliche dafür anfällig sind, dass ein dem Vertrag vorgegebenes Machtgefälle ausgenutzt wird und als Folge dessen von einer echten Freiheit der am Vertrage Beteiligten nicht gesprochen werden kann251. Im Bereich des Strafrechts und des Steuerrechts kommt hinzu, dass der Staat zur Durchsetzung seiner Interessen im Einzelfall überhaupt nicht auf den Konsens mit dem Betroffenen angewiesen ist. Er hat vielmehr umfangreiche hoheitliche Eingriffsbefugnisse, auf die er sich im Einzelfall immer zurückziehen kann, und ist daher mit Blick auf seine Verhandlungsmacht tendenziell überlegen. Der Betroffene ist andererseits grundsätzlich in die Defensive gedrängt, weil ihm lediglich die Wahl bleibt, einen vergleichsweise milden Eingriff „freiwillig“ hinzunehmen oder einen wesentlich schwerwiegenderen und möglicherweise existenzvernichtenden Eingriff zu riskieren. Ebenso wie für das Strafrecht besteht daher auch für das Steuerrecht in noch höherem Maße als für andere Bereiche des öffentlichen Rechts die Gefahr, dass infolge überlegener Verhandlungsmacht des Staates konsensuale Erledigungsformen die Rechte des Betroffenen in ungesetzlicher Weise beschneiden252, ohne dass diese überlegene Verhandlungsmacht allein eine verbotene Drohung begründet253. Speziell im Rahmen einer Gesamtbereinigung besteht darüber hinaus die Gefahr einer zweckwidrigen Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren254. Daher ist in der Tat die Legitimationswirkung des Konsenses begrenzt und das „erhöhte juristische Prestige“ des Vertrages als Akt der Privatautonomie auf kon248 Weider, StraFo 2003, 406 (408); in der Sache ebenso Harms, Nehm-FS, S. 289 (291), die diesbezügliche Klagen von Verteidigerseite allerdings auch als „nicht ganz frei von Scheinheiligkeit“ einordnet, und Fischer, StraFo 2009, 177 (179, 186). 249 Für das Strafrecht Rönnau, Absprache, S. 206; Duttge, ZStW 115 (2003), 539 (569); Salditt, ZStW 115 (2003), 570 (573); Weigend, NStZ 1999, 57 (62); Fischer, StraFo 2009, 177 (183); für das Steuerrecht Müller-Franken, S. 216 f.; Eich, S. 29, für das allgemeine Verwaltungsrecht Schultze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (660). 250 BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72, BVerwGE 45, 309 (317 ff.); Müller-Franken, S. 210. 251 BVerwG, Urt. v. 06.07.1973 – IV C 22.72, BVerwGE 42, 331 (342); Brohm, NVwZ 1991, 1025 (1029); vgl. für das allgemeine Verwaltungsrecht generell Spannowsky, S. 51. 252 Kopp/Ramsauer, § 54 VwVfG, Rn 11a; Müller-Franken, S. 215; Bleckmann, NVwZ 1990, 601 (606); treffend insoweit Schünemann, ZRP 2009, 104 (106) zur Verständigung im Strafverfahren: „der Abgeklagte stimmt der Verurteilung nicht aus innerer Überzeugung zu (…), sondern um einer vom Gericht angedrohten, erheblich schwereren Strafe zu entgehen“. 253 Bleckmann, NVwZ 1990, 601 (607). 254 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (516 f.).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

sensuale Lösungen im Bereich des öffentlichen Rechts nicht ohne weiteres übertragbar, effektiven Rechtsschutz gegenüber hoheitlichen Eingriffen kann nicht die „kooperative Verfahrensteilhabe“, sondern nur ein Gericht gewähren. Eben dieser gerichtliche Rechtsschutz wird durch konsensuales Handeln allerdings tendenziell umgangen255. Von einer Überlegenheit kooperativen bzw. konsensualen Verwaltungshandelns256 kann deshalb im Steuerrecht – auch unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes – keine Rede sein257. Konsensuales Verwaltungshandeln entwertet die überlieferten verfahrensmäßigen Richtigkeitsgarantien, ohne einen gleichwertigen Ersatz anzubieten258. Es bedarf daher richtigerweise einer besonderen Rechtfertigung. Für Verständigungen über Rechtsfragen ist eine solche Rechtfertigung allerdings nicht ersichtlich.

4. Zwischenergebnis Der Bundesfinanzhof schließt eine bindende Verständigung über Rechtsfragen zu Recht aus. Dem Bedürfnis des Steuerpflichtigen nach Rechts- und Planungssicherheit kann gegebenenfalls durch eine verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO oder eine verbindliche Zusage gemäß § 204 AO genügt werden. Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung ist die Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen möglich und erforderlich. Eine bindende Verständigung über Rechtsfragen ist mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren, da die Finanzbehörde grundsätzlich zu einseitigen Rechtserkenntnis verpflichtet ist, eine bindende Verständigung über Rechtsfragen die objektiv-rechtliche Kontrollfunktion der revisionsrechtlichen Überprüfung ausschließt und kooperative Verfahrensteilhabe den gerichtlichen Rechtsschutz nicht ersetzen kann.

II. Erschwerte Sachverhaltsermittlung Der Bundesfinanzhof macht die Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung von einer „erschwerten Sachverhaltsermittlung“ abhängig. Bereits in seiner Grundsatzentscheidung zur tatsächlichen Verständigung urteilte er, in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung diene es der Effektivität der Besteuerung und allgemein dem Rechtsfrieden, wenn sich die Beteiligten über die Annahme eines bestimm-

255 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 151; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (511); Raupach, DStJG 21, S. 175 (182); vgl. zu der entsprechenden Problematik im Strafprozess bereits oben 2. Kapitel, A.II.2. 256 Seer, Verständigungen, S. 4, 275 ff.; Eckhoff, StuW 1996, 107 (111). 257 Müller-Franken, S. 185; Spannowsky, S. 144 f. 258 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (521); vgl. für das Strafrecht BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (51).

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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ten Sachverhalts und über eine bestimmte Sachbehandlung einigen könnten259. In der Literatur wird als Voraussetzung der tatsächlichen Verständigung eine „objektivierte Ungewissheit“260 bzw. eine „objektiv zweifelhafte Lage“261 gefordert.

1. „Erschwerte Sachverhaltsermittlung“ in Abgrenzung zur „objektivierten Ungewissheit“ Hinter diesen vordergründig synonymen Formulierungen stehen allerdings in Wirklichkeit zwei gegensätzliche Ansichten über die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung262. Das Merkmal der „objektivierten Ungewissheit“ ist augenscheinlich § 55 VwVfG entlehnt und geht insofern auf das Verständnis der tatsächlichen Verständigung als öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag zurück263. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es hingegen der „erschwerten Sachverhaltsermittlung“, um die Begrenzung der Ermittlungspflichten der Finanzbehörde zu rechtfertigen. Eine „erschwerte Sachverhaltsermittlung“ ist für die Finanzverwaltung gegeben, wenn sich einzelne Sachverhalte nur mit überdurchschnittlichem Arbeits- oder Zeitaufwand oder mit überdurchschnittlicher Zeitdauer ermitteln lassen. Darüber hinaus dürfen das Verhältnis zwischen voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg und die zu erwartenden Belastungen durch ein finanzgerichtliches Verfahren berücksichtigt werden264. De lege lata ist für eine zweiseitig-konsensuale Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich kein Raum265. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist nicht nur für die Rechtsanwendung, sondern auch für die Sachverhaltsermittlung von Bedeutung266. Die Finanzbehörde 259

BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556), Hervorhebung im Original; zuletzt ausdrücklich bestätigt in BFH, Urt. v. 22.07.2008 – IX R 74/06, BFHE 222, 458 (462); vgl. auch BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 1.; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663; Englisch, S. 41 f.; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 92; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 70); Sauer, Rn 318; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (508 f.); Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (26); v. Groll, FR 1995, 814 (818); Mösbauer, BB 2003, 1037 (1039); Apitz, StBp 2008, 93 (94). 260 Seer, Verständigungen, S. 382 ff.; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (539); ähnlich Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (378). 261 Schick, S. 34. 262 Vgl. hierzu bereits ausführlich oben B. 263 Sontheimer, S. 184; Seer, Verständigungen, S. 382 f.; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 31. 264 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 3.; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 2. 265 Müller-Franken, S. 173; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 121; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (508); Mösbauer, BB 2003, 1037; vgl. auch oben A.IV.; a.A. Tipke/ Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 9. 266 Vgl. Lambrecht, DStJG 12, S. 79 (99 f.).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

hat den Sachverhalt gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO von Amts wegen zu ermitteln und die Beteiligten zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten gegebenenfalls durch Zwangsmittel gemäß §§ 328 ff. AO zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten anzuhalten. Soweit sie die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. Solange der zu beurteilende Sachverhalt nicht feststeht, ist Gesetzmäßigkeit der Besteuerung eine Frage der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens267. Das Legalitätsprinzip als verfahrensrechtliche Seite des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet die Finanzbehörden, die für die Entstehung und den Umfang des Steueranspruchs maßgebenden Feststellungen durchzuführen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, und die nach dem Gesetz entstandenen Steueransprüche geltend zu machen268. Die Geltung des Verhandlungsgrundsatzes könnte gleichmäßige und gesetzmäßige Besteuerung nicht gewährleisten, erst die Feststellung des wirklichen Sachverhalts unabhängig von Vortrag und Verhalten der Beteiligten stellt die Zweckverwirklichung der Besteuerung sicher269. Ob die Finanzbehörde einen Sachverhalt ermittelt, steht nicht in ihrem eigenen Gutdünken und darf nicht der Initiative oder dem Belieben der Beteiligten überlassen bleiben270. Eine Verständigung über rechtserhebliche Tatsachen ist deshalb nur statthaft, wo die Verpflichtung der Finanzbehörde, den Sachverhalt gemäß § 88 AO von Amts wegen aufzuklären endet, weil eine weitere Sachverhaltsaufklärung unmöglich, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, und nur dann, wenn nicht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislastverteilung entschieden werden muss271. Die Mitwirkung des Betroffenen ergänzt in dieser Situation unzulängliche Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörde272. Gegen die Anerkennung der tatsächlichen Verständigung ist insbesondere eingewandt worden, dass die Finanzbehörde gerade zur Überwindung unzulänglicher Ermittlungsmöglichkeiten gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zur Schätzung berechtigt und verpflichtet ist273. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die tatsächliche Verständigung durch die Einbeziehung des Steuerpflichtigen der Finanzbehörde zusätzliche Erkenntnisquellen 267

Eckhoff, StuW 1996, 107 (120). BVerfG, Beschl. v. 12.02.1969 – 1 BvR 687/62, BVerfGE 25, 216 (228); Sommerfeld, S. 32; v. Briel/Ehlscheid, Rn 316; Lambrecht, DStJG 12, S. 79 (81, 87); Puhl, DStR 1991, 1141 (1142); vgl. auch BFH, Urt. v. 22.07.2008 – IX R 74/06, BFHE 222, 458 (462). 269 Spannowsky, S. 431; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 8; Reiß, GrünwaldFS, S. 499 (521); Puhl, DStR 1991, 1141 (1142). 270 BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (300); Müller-Franken, S. 207; Sommerfeld, S. 32; entgegen Seer, Verständigungen, S. 181, Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO Rn 21, Seer, DStJG 31, 7 (12) und Seer StuW 1995, 213 (215) ist der Amtsermittlungsgrundsatz daher kein lediglich„negatives Prinzip“. 271 Englisch, S. 19; Sommerfeld, S. 35 f.; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 92; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 129; Greite, NWB Fach 2, 8405 (8413); enger Müller-Franken, S. 209. 272 Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 31; Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (26). 273 Müller-Franken, S. 208 f.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 46; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (506 f.). 268

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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erschließt und insofern eine besondere Ermittlungsmöglichkeit darstellt. Sie kann die ansonsten gegebene Schätzungssituation entfallen lassen, so dass eine Verpflichtung zur Schätzung nicht mehr besteht. Die Schätzungssituation ist darüber hinaus auch insofern von Bedeutung, als sie nicht nur die Finanzbehörde von der Verpflichtung zur weiteren Sachverhaltsermittlung entbindet, sondern gerade der der Finanzbehörde eingeräumte Schätzungsspielraum Raum für eine Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen schafft, die in dieser Situation mit Rücksicht auf die Effektivität der Besteuerung, zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens und mit Rücksicht auf die Gleichheit der Gesetzesanwendung im steuerlichen Massenverfahren gerechtfertigt sein kann274.

2. Praktische Relevanz in Hinterziehungsfällen Trotz der unterschiedlichen Prämissen dürfte in der Sache zwischen den Voraussetzungen „erschwerter Sachverhaltsermittlung“ einerseits, „objektivierter Ungewissheit“ andererseits im Hinblick auf die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung allerdings kein Unterschied bestehen. Reiß hat zwar eingewandt, die Beschränkung des Anwendungsbereichs der tatsächlichen Verständigung auf Fälle erschwerter Sachverhaltsermittlung sei „ohne praktische Relevanz“, da schon die Anreize für Verständigungen über den Sachverhalt nicht vorlägen, wenn der Sachverhalt offen liege oder sofort und leicht ermittelt werden könne275. Aus Rücksichtnahme auf an der tatsächlichen Verständigung nicht beteiligte Dritte oder allgemein zur Erweiterung der „Verhandlungsmasse“ erscheint der Wunsch nach einer Verständigung (auch) über einen unproblematisch zu ermittelnden Sachverhalt bzw. Sachverhaltsteil hingegen nicht ausgeschlossen. Gleichwohl wäre eine tatsächliche Verständigung insoweit unwirksam. Die „erschwerte Sachverhaltsermittlung“ muss ebenso wie die „Ungewissheit“ objektiv vorgelegen haben. Die Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung sind vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz festzustellen276. Es ist den Beteiligten verwehrt, sie beispielsweise durch Erklärungen, sie seien sich über das Vorliegen der in der Rechtsprechung genannten Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung einig, zu fingieren277. 274 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (557), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105) und v. 12.08.1999 – XI R 28/99, BFH/NV 2000, 537 (538); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 129; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (379); Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (108); Söhn, Grünwald-FS, S. 495 (506 f.); Puhl, DStR 1991, 1141 (1143); v. Groll, FR 1995, 814 (818); krit. gegenüber dem Argument der Praktikabilität im Massenverfahren Lambrecht, DStJG 12, S. 79 (103 ff.). 275 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (504). 276 BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538). 277 Englisch, S. 42; Gosch, StBp 2005, 26 (29); vgl. BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (299 f); a.A. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 173: Nichtigkeit einer tatsächlichen Verständigung erst dann, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht vorlagen.

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

Bereits die Grundlagenentscheidung des Bundesfinanzhofs erging zu einem Schätzungsfall278 und auch in der Folgezeit wurden Schätzungsfälle als besondere Anwendungsfälle der tatsächlichen Verständigung angesehen279. Wenn ein Sachverhalt nicht nur Gegenstand des Besteuerungsverfahrens ist, sondern auch ein diesbezügliches Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde, gilt für die Sachverhaltsermittlung durch die Finanzbehörden gemäß § 393 Abs. 1 Satz 3 AO die besondere Regelung in § 393 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO. Danach bleibt der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren weiter zur Mitwirkung verpflichtet, diese kann lediglich nicht mehr erzwungen werden280. Die Mitwirkungspflichten sind daher faktisch suspendiert281, denn eine Pflicht, die von den Behörden nicht mehr durchgesetzt werden kann, verliert effektiv ihren Charakter als solche282. Wenn ein Steuerpflichtiger – was er regelmäßig tun wird283 – mit Rücksicht auf das gegen ihn geführte Steuerstrafverfahren hiervon Gebrauch macht und die Mitwirkung im Besteuerungsverfahren verweigert, liegt hierin eine Verletzung seiner Mitwirkungspflichten im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO. Zudem sind die Voraussetzungen des § 162 Abs. 2 Satz 2 AO gegeben, wenn etwa Schwarzein- und -verkäufe oder Schwarzlohnzahlungen vorliegen und daher mangels ordnungsgemäßer Buchführung die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können284. In Hinterziehungsfällen ist daher regelmäßig eine erschwerte Sachverhaltsermittlung gegeben. Die erschwerte Sachverhaltsermittlung entfällt allerdings, wenn und soweit in einem strafgerichtlichen Urteil oder einem rechtskräftigen Strafbefehl Feststellungen getroffen sind, die für das Besteuerungsverfahren übernommen werden können285, so dass eine vorzeitige 278

BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549. BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105), Urt. v. 12.08.1999 – XI R 28/99, BFH/NV 2000, 537 (538) und v. 07.07.2004 – X R 24/04, BFHE 206, 292 (300; tatsächliche Verständigung „erst“ im Rahmen einer Schätzung, insoweit allerdings unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die beiden vorgenannten Entscheidungen); FG Münster, Urt. v. 30.05.2006 – 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306; BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 4.1; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 3.; Seer, Verständigungen, S. 196 ff.; Beermann/Gosch – Sauer, § 162 AO, Rn 99; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 218b; Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (109); v. Groll, FR 1995, 814 (817); Apitz, StBp 2008, 93 (95). 280 BFH, Urt. v. 23.01.2002 – XI R 10,11/01, BFHE 198, 7 (11), Beschl. v. 13.01.2006 – VIII B 7/04, BFH/NV 2006, 914 (915) und v. 09.05.2006 – XI B 104/05, BFH/NV 2006, 1801; zu der Frage, ob die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO ein verbotenes Zwangsmittel darstellt unten 6. Kapitel, B. 281 Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 99 f.; Reiter, S. 171; Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 263; Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 31; Franzen/Gast/ Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 39; Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 1; Joecks, Kohlmann-FS, S. 451 (452). 282 Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (503). 283 Vgl. Randt, DStJG 31, 263 (267); Grezesch, DStR 1997, 1273; Salditt, StuW 1998, 283. 284 FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464 (465); vgl. auch Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (682). 285 Vgl. zu den Voraussetzungen hierfür oben 2. Kapitel, D. und 3. Kapitel, A.III. 279

C. Materielle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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Erledigung des Steuerstrafverfahrens eine konsensuale Erledigung des Besteuerungsverfahrens ausschließen kann286.

III. Kein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis Die tatsächliche Verständigung darf darüber hinaus nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen287. Dies widerspräche ihrem Sinn, den Gegebenheiten, die faktisch nicht mehr aufklärbar sind, möglichst nahe zu kommen288 und wäre letztlich mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung unvereinbar. Gerade in Fällen, in denen ein Einigungsmangel erkennbar ist, ist die erreichte Verständigung unter diesem Gesichtspunkt besonders zu prüfen289. Reiß sieht allerdings die Forderung, dass die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen darf, als „erkennbare Quelle für Streitigkeiten, ob ein offenkundig unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt wurde oder nicht290.“ Da die tatsächliche Verständigung ebenso wie die Schätzung immer nur eine Annäherung bedeutet, die angesichts einer erschwerten Sachverhaltsermittlung geringfügige Abweichungen vom wahren Sachverhalt bewusst in Kauf nimmt, ist das Kriterium der „Offensichtlichkeit“ von maßgeblicher Bedeutung. „Offensichtlich“ unzutreffend sind Ergebnisse, die gegen allgemeine Erfahrungssätze oder gegen die Regeln der Logik verstoßen291 bzw. für eine unvoreingenommene, urteilsfähige Person ohne weiteres und unzweifelhaft als unzutreffend erkenntlich sind292, so dass es einer diesbezüglichen Beweisaufnahme 286

Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (391). BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (556), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105) und v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538); FG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.11.2003 – 2 K 292/97, EFG 2005, 105 (108); BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.1; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.1.; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 7.; Englisch, S. 53 f.; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 94; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 143; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 218a; Tipke/Lang – Seer, § 23, Rn 20; Kirchhof, DStJG 18, S. 17 (26); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11626); Seer, BB 1999, 78 (79, 83); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (380); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8415); vgl. bereits BFH, Urt. v. 07.02.1975 – VI R 133/72, BFHE 115, 313 (318). 288 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (380). 289 BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538). 290 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (504). 291 NN, HFR 1985, 212 (214); BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.1; Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10529). 292 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.06.1999 – 2 K 292/97, EFG 1999, 932 (933); Mösbauer/Mösbauer, Außenprüfung, S. 221; ebenso BFH, Urt. v. 22.10.2002 – VII R 56/00, BFHE 199, 511 (516) und Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rozek, § 125 AO, Rn 13 zum Begriff „offenkundig“ in § 125 AO. 287

152

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

nicht mehr bedarf293. Die Frage, ob eine tatsächliche Verständigung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis geführt hat, ist nach der Rechtsprechung im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu beurteilen294. Das Finanzgericht München hat in einer Entscheidung295 ein „offensichtlich unzutreffendes“ Ergebnis auch für den Fall angenommen, dass die Beteiligten sich in beiderseitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts auf einen fiktiven Sachverhalt verständigen. Wenn und soweit den Beteiligten bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung der wahre Sachverhalt positiv bekannt ist, fehlt es für die tatsächliche Verständigung jedoch bereits am Tatbestandsmerkmal der „erschwerten Sachverhaltsermittlung“. Eine tatsächliche Verständigung ist dann unabhängig von ihrem Inhalt bereits „dem Grunde nach“ unzulässig. Angesichts der Vielfalt der tatsächlichen Verhältnisse lehnt der Bundesfinanzhof die Festlegung von exakten Grenzwerten, bei deren Überschreiten eine tatsächliche Verständigung über eine Hinzuschätzung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt, zu Recht ab. Hingegen nennt er zwei „gewichtige“ Indizien, die in die Gesamtwürdigung einzustellen sind296. Sei die tatsächliche Verständigung im Einverständnis des steuerlichen Beraters des Steuerpflichtigen getroffen worden sei, der diesen auch bisher steuerlich betreut habe und daher die Verhältnisse im Betrieb seines Mandanten kenne und infolgedessen auch die Angemessenheit der im Rahmen der tatsächlichen Verständigung zugrunde gelegten Zahlen beurteilen könne, würden die als Grundlage der Einigung festgestellten Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nicht offensichtlich unzutreffend sein297. Ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis liege regelmäßig auch dann nicht vor, wenn sich die Hinzuschätzungen im Rahmen der Richtsätze hielten298. Die Mitwirkung des auf seine Interessen verpflichteten steuerlichen Beraters schützt den Steuerpflichtigen vor einer „offensichtlich“ sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung, die Orientierung an den allgemeinverbindlichen Richtsätzen trägt der Nähe der tatsächlichen Verständigung zur Schätzung Rechnung und verhindert ein „offenkundig“ sachlich nicht gerechtfertigtes Entgegenkommen der Finanzbehörde. Mit Hinblick auf die Nähe der tatsächlichen Verständigung zur Schätzung wird von einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis auch dann auszugehen sein, wenn Verfahrensfehler vorliegen, die nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern 293

Bilsdorfer, DStZ 1989, 287 (291 f.). BFH, Beschl. v. 26.10.2005 – X B 41/05, BFH/NV 2006, 243 (244). 295 FG München, Urt. v. 10.09.2002 – 12 K 3053/01, juris, Rn 18, unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 03.06.1997 – IX R 2/95, BFHE 183, 413 (417), obwohl in dem dort entschiedenen Fall gerade keine tatsächliche Verständigung stattgefunden hat. 296 BFH, Beschl. v. 26.10.2005 – X B 41/05, BFH/NV 2006, 243 (244). 297 Ebenso nunmehr FG Münster, Urt. v. 30.05.2006 – 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306. 298 So bereits FG Berlin, Urt. v. 13.01.1987 – VII 474/84, EFG 1987, 439 (440), Englisch, S. 55 und Buciek, DStZ 1999, 389 (398); ähnlich Iwanek, DStR 1993, 1394 (1395): kein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis, solange im Rahmen dessen, was als Schätzung vertretbar ist; weiter FG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.06.1999 – 2 K 292/97, EFG 1999, 932 (933): geringfügige Überschreitungen der Richtsätze unschädlich. 294

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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die Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids zur Folge hätten299. Dies ist bei einer Schätzung dann der Fall, wenn sie mit den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren ist, insbesondere dann, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener und zumutbarer Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und gegebenenfalls welche Schätzungserwägungen angestellt wurden300. Es stehen daher durchaus praxisgerechte Kriterien zur Beurteilung der „Offensichtlichkeit“ zur Verfügung.

IV. Zwischenergebnis Die materiellen Voraussetzungen einer wirksamen tatsächlichen Verständigung ergeben sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung besteht weder ein Bedürfnis noch eine Rechtfertigung für eine Verständigung über reine Rechtsfragen. Voraussetzung für eine tatsächliche Verständigung ist das Vorliegen eines Sachverhalts, der nur unter erschwerten Umständen ermittelt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Besteuerungsgrundlagen zu schätzen sind, so dass in Hinterziehungsfällen häufig eine tatsächliche Verständigung in Betracht kommt. Eine tatsächliche Verständigung darf darüber hinaus nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen, was anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu ermitteln ist, und sich grundsätzlich auch nur auf abgeschlossene Sachverhalte beziehen.

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

Neben den genannten materiellen ist auch auf zwei formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung näher einzugehen, die zwischen Rechtsprechung und Literatur nach wie vor umstritten sind301. Die in der Grundsatzentscheidung zur tatsächlichen Verständigung302 offenbar noch vorausgesetzte Mitwirkung des 299

Englisch, S. 54 f. BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5); Beermann/Gosch – Sauer, § 162 AO, Rn 107; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 50. 301 Für einen vollständigen Überblick über das bei der Durchführung einer tatsächlichen Verständigung zu beachtende Verfahren vgl. BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 5.; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 4.; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 5. 302 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549. 300

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

Finanzgerichts303 wurde später aus Praktikabilitätserwägungen304 ausdrücklich fallengelassen305. Es ist mittlerweile anerkannt, dass eine tatsächliche Verständigung in jedem Stadium des Veranlagungsverfahrens getroffen werden kann306, auch anlässlich einer Außenprüfung307, während eines anhängigen Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelverfahrens (insbesondere in Erörterungsterminen gemäß § 364a AO308 bzw. § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO309) und wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht310, wegen § 118 Abs. 2 FGO allerdings nicht mehr während des Revisionsverfahrens311. Strittig sind aber noch das Erfordernis der Mitwirkung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers und die bei Abschluss einer tatsächlichen Verständigung zu beachtende Form.

I. Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers Das Erfordernis der Mitwirkung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers an der tatsächlichen Verständigung formulierte der Bundesfinanzhof 1990312. Als zuständige Amtsträger kommen in Betracht der Vorsteher des Festsetzungsfinanzamts, sein Vertreter oder der Sachgebietsleiter der mit dem Steuerfall 303 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (557 f.); vgl. NN, HFR 1985, 212 (214); Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10529). 304 FG des Saarlandes, Urt. v. 11.12.1985 – I 215/84, EFG 1986, 214; Bilsdorfer, DStZ 1989, 287 (295); vgl. zu ähnlichen Überlegungen auch Martens, StuW 1986, 97 (104). 305 BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (171) unter Bestätigung von FG des Saarlandes, Urt. v. 11.12.1985 – I 215/84, EFG 1986, 214. 306 BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (170), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (106) und v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538); vgl. auch BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 1.; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 114; Mösbauer/Mösbauer, Außenprüfung, S. 227. 307 BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 211 (214) und v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 1081, 103 (106). 308 BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537. 309 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (550) und Beschl. v. 07.09.2006 – IX B 199/05, BFH/NV 2007, 75 (76). 310 BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292; Iwanek, DStR 1993, 1394 (1396); Apitz, StBp 2008, 93 (95); Baum, NWB F 2, 9958; a.A. noch OFD Hamburg, Vfg. v. 23.03.1989 – S 0223 – 1/89 – St 22, DStR 1989, 748 (749): tatsächliche Verständigung unzulässig, wenn und soweit der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. 311 Mösbauer/Mösbauer, Außenprüfung, S. 227. 312 BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 211 (214 f.); zuvor aber bereits Offerhaus, StBp 1985, 168 (171); vgl. auch BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105), v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (296) und v. 22.09.2004 – III R 9/03, BFHE 207, 549 (556 f.); zust. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 517; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 218a; Sauer, Rn 321; und Apitz, StBp 2008, 93 (95); ebenso nunmehr BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 5.3.

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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befassten Veranlagungs- oder Rechtsbehelfsstelle313, außer bei einer veranlagenden Außenprüfung314, aber weder ein Außenprüfer315 noch der Sachgebietsleiter der Prüfungsstelle316. Zwar handelt auch ein Prüfer, soweit er ermittelnd tätig wird, für die Finanzbehörde; er hat aber – von den Fällen der veranlagenden Außenprüfung abgesehen – keine Entscheidungsbefugnis. Das von ihm Ermittelte dient lediglich als Grundlage für die Festsetzung der Steuer durch die Veranlagungsbeamten317. Die Beschränkung auf den Sachgebietsleiter ergibt sich regelmäßig aus der Zeichnungsrechtsregelung für die Finanzämter, da der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung stets Fälle erschwerter Sachverhaltsermittlung betrifft, die als „Vorgänge von tatsächlicher Schwierigkeit“ unter den Zeichnungsrechtsvorbehalt des Sachgebietsleiters fallen318. Reiß hat dazu angemerkt, durch die Mitwirkung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers solle „erkennbar Kungeleien zwischen Betriebsprüfer/Fahndungsprüfer und Steuerpflichtigen ein Riegel vorgeschoben werden“319. Für Gesamtbereinigungsfälle ist das Tatbestandsmerkmal der Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers insbesondere mit Blick auf die Steuerfahndung relevant320. Auch der Steuerfahndung ist gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nur die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, nicht die Steuerfestsetzung übertragen. Daher kann mit der Steuerfahndungsstelle nicht nur keine bindende steuerstrafrechtliche Verständigung321, sondern auch keine steuerrechtliche tatsächliche Verständigung getroffen werden322. Aufgrund der Einrichtung besonderer Fahndungs- und Strafsachenfinanzämter in einigen Bundesländern, der Konzentration 313 BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 211 (214), v. 28.07.1993 – IX R 68/92, BFH/NV 1994, 290 und v. 25.11.1997 – IX R 47/94, BFH/NV 1998, 580; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2004 – EFG 2004, 863 (863). 314 BFH, Urt. v. 22.09.2004 – III R 9/03, BFHE 207, 549 (557) und Beschl. v. 16.02.2006 – X B 176/05, BFH/NV 2006, 1052. 315 BFH, Beschl. v. 12.07.2006 – V B 213/05, BFH/NV 2006, 2139 (2141) und v. 02.08.2006 – I B 156/04, BFH/NV 2006, 2031; a.A. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 174. 316 Seer, Verständigungen, S. 334 ff; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 135; Buciek, DStZ 1999, 389 (397); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (381); Fittkau, DStZ 2003, 231 (232). 317 BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 211 (215); zust. Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2095). 318 Vgl. OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663 (1664). 319 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (505); vgl. zur Unwirksamkeit von tatsächlichen Verständigungen, an den seitens der Finanzbehörde lediglich Betriebs- oder Außenprüfer beteiligt waren z. B. BFH, Beschl. v. 16.02.2006 – X B 176/05, BFH/NV 2006, 1052, v. 12.07.2006 – V B 213/05, BFH/NV 2006, 2139 und v. 02.08.2006 – I B 156/04, BFH/NV 2006, 2031. 320 Vgl. Schmidt, StuW 1998, 278 (282). 321 Vgl. hierzu oben 3. Kapitel, C.III., IV. 322 Seer, Verständigungen, S. 339 f., der jedoch eine Genehmigung durch die Veranlagungsstelle für möglich, die mit der Steuerfahndung getroffene tatsächliche Verständigung für schwebend unwirksam hält; Behnes, S. 23; Wannemacher – Grötsch, Rn 4486.

156

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

der Steuerfahndungsstellen bei einzelnen Finanzämtern in den anderen323 ist regelmäßig davon auszugehen, dass für Steuerfahndung und Steuerfestsetzung unterschiedliche Finanzämter zuständig sind, die hinsichtlich einer tatsächlichen Verständigung möglicherweise unterschiedliche Standpunkte vertreten324. Entsprechend stellt auch eine unter Mitwirkung der Bußgeld- und Strafsachenstelle getroffene Höchststrafenabrede grundsätzlich keine tatsächliche Verständigung dar325.

1. „Mitwirkung“ als persönliche Anwesenheit Die „Mitwirkung“ eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dessen persönliche Anwesenheit bei der Schlussbesprechung bzw. den Verhandlungen über die tatsächliche Verständigung voraus, eine Stellvertretung oder eine Genehmigung entsprechend zivilrechtlichen Grundsätzen soll nicht in Betracht kommen326. Obwohl das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit bzw. die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung in späteren Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen wurde327, war diese Entscheidung lange Zeit auch für die Praxis der Finanzbehörden maßgeblich328. Einer verbreiteten Literaturansicht329 folgend, geht die Finanzverwaltung allerdings „im Interesse einer höheren Praxistauglichkeit“330 zwischenzeitlich von der Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung aus331.

323

Vgl. hierzu oben 1. Kapitel, D. I. Vgl. Streck, StuW 1993, 366 (368). 325 Vgl. hierzu bereits oben 2. Kapitel, D. 326 BFH, Urt. v. 28.07.1993 – XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290 (291); vgl. aber bereits BFH, Urt. v. 25.09.1956 – I 94/56 U, BFHE 63, 379 (381); zust. Apitz, StBp 2008, 93 (95); a.A. FG Niedersachsen, Urt. v. 19.09.2007 – 12 K 334/05, juris und BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 5.3: Genehmigung möglich. 327 BFH, Urt. v. 25.11.1997 – IX R 47/94, BFH/NV 580 (581) und v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (297); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2095) weist auch daraufhin, dass der XI. Senat, der das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit ausdrücklich formulierte, entsprechende Anwendungen in seinem späteren Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 nicht aufgegriffen hat. 328 Vgl. z. B. OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 4.3.; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 5.; dem BFH zustimmend auch Buciek, DStZ 1999, 389 (397). 329 Englisch, S. 38 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 136, m. w. Nachw.; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 189; Bilsdorfer, BB 1994, 634; Fittkau, DStZ 2003, 231 (233); Buciek, DStZ 1999, 389 (397); Seer, BB 1999, 78 (81 f.); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2095); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (381); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8407); zust. hingegen Weber-Grellet, BB 1994, 997. 330 Baum, NWB F 2, 9957 (9959). 331 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 5.3. 324

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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Das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit und die Nichtanwendbarkeit der Regeln des zivilrechtlichen Vertretungsrechts wurde mit der „Warnfunktion“ der Anwesenheit des zuständigen Amtsträgers und den Besonderheiten der steuerlichen Außenprüfung und der tatsächlichen Verständigung begründet332. Dagegen wird zu Recht eingewandt, dass für die gewollte Warnfunktion die Anwesenheit des zuständigen Amtsträgers nicht erforderlich ist333. Insofern wäre es, wenn man in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag und in den auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen Willenserklärungen erblicken will334, auch konsequent, die zivilrechtlichen Regeln über die Stellvertretung anzuwenden, und auf die persönliche Anwesenheit des zuständigen Amtsträgers bei der Schlussbesprechung gegebenenfalls zu verzichten. Nach der hier vertretenen Auffassung stellt jedoch eine tatsächliche Verständigung keinen öffentlichen Vertrag und stellen die auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen nicht Willens-, sondern Wissenserklärungen dar335. Die auf Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerichteten Erklärungen sind daher, auch wenn sie sich nicht auf einen Steueranspruch, sondern nur auf den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt beziehen, jede für sich genommen dem zivilrechtlichen tatsächlichen, das heißt nicht-rechtsgeschäftlichen, Anerkenntnis vergleichbar. Auch dieses ist, soweit der Schuldner Kenntnisse mitteilt, Wissens-, nicht Willenserklärung, und es ist prozessual Indiz für die Richtigkeit des Anerkannten336. Es handelt sich dabei um geschäftsähnliches Verhalten, auf das die §§ 164 ff. BGB nur analog und mit Einschränkungen anwendbar sind. Weil dabei der augenblickliche tatsächliche Wille entscheidet, kann ein solches Anerkenntnis zwar von einem legitimierten Vertreter abgegeben werden, nicht allerdings ein ohne Vertretungsmacht von einem Dritten erklärtes Anerkenntnis mit rückwirkender Kraft genehmigt werden337. Wegen der Ähnlichkeit beider Rechtsinstitute dürfte für die tatsächliche Verständigung nichts anderes gelten. Die von Reiß befürchteten Kungeleien blieben dennoch weiterhin ausgeschlossen.

2. Grundsätzlich keine Drittwirkung der tatsächlichen Verständigung Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine Drittwirkung der tatsächlichen Verständigung für und gegen unbeteiligte Steuerpflichtige und Finanzbehörden anderer Bundesländer und Steuerpflichtige mit dem Finanzverfassungs332

BFH, Urt. v. 28.07.1993 – XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290 (291). Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 136; Buciek, DStZ 1999, 389 (397); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2095). 334 Vgl. zu dieser Auffassung oben B.II. 335 Vgl. zu dieser Auffassung oben B.III. 336 Vgl. zum zivilrechtlichen tatsächlichen Anerkenntnis MüKo BGB – Hüffer, § 781 BGB, Rn 7. 337 MüKo BGB – Grothe, § 212 BGB, Rn 9; Wussow, NJW 1963, 1757 (1759 f.). 333

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

recht, dem Grundsatz der Gewaltenteilung und systemprägenden Grundsätzen des materiellen Steuerrechts grundsätzlich unvereinbar338. Soweit durch eine tatsächliche Verständigung auch Finanzbehörden anderer Bundesländer gebunden werden sollen, kommt zunächst abhängig von den im Einzelfall betroffenen Steuerarten ein Verstoß gegen die Regelungen über die Verteilung des Steueraufkommens in Art. 106, 107 GG in Betracht. Jedenfalls aber ist mit einer Erstreckung der Bindungswirkung auf an der tatsächlichen Verständigung nicht beteiligte Finanzbehörden anderer Bundesländer ein Eingriff in die verfassungsrechtlichen Regelungen über die Finanzverwaltung verbunden. Nach Art. 108 Abs. 2 GG werden unter anderem die Einkommen- und Körperschaftsteuer durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Auch wenn sie dabei gemäß Art. 108 Abs. 3 i.V. m. Art. 106 Abs. 3 GG im Auftrag des Bundes tätig werden, handelt es sich weiterhin um eine eigene Verwaltungskompetenz der einzelnen Länder. Diese verfassungsrechtliche Zuordnung würde gestört, wenn Finanzbehörden eines Bundeslandes ohne Beteiligung der Finanzbehörden anderer Bundesländer gesetzesabweichende Regelungen vereinbaren könnten, die auch für die nicht beteiligten Behörden bindend wären339. Durch ein solches Vorgehen würde gleichzeitig der Grundsatz der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2, 3 GG missachtet. Da durch die Erstreckung einer tatsächlichen Verständigung auf unbeteiligte Steuerpflichtige zudem der Grundsatz der Individualbesteuerung und der Grundsatz der materiellen Steuergerechtigkeit verletzt wird340, kann einer tatsächlichen Verständigung insofern generell keine Drittwirkung zukommen341. So hat z. B. eine im Körperschaftssteuerverfahren abgeschlossene tatsächliche Verständigung keinen Einfluss auf die Einkommensteuerveranlagung der Anteilseigner342. Wenn beim Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gegen die Regelungen der Finanzverfassung verstoßen wird, dürfte dies darüber hinaus dazu führen, dass die tatsächliche Verständigung auch zwischen den Beteiligten keine Wirkung entfaltet343, insbesondere um widerstreitende Steuerfestsetzungen im Sinne des § 174 AO zu vermeiden. Der einzige Fall einer Drittwirkung einer tatsächlichen Verständigung ist die Wirkung für und gegen den Rechtsnachfolger. Für die Rechtsnachfolgerin der an der tatsächlichen Verständigung beteiligten Finanzbehörde hat dies der Bundesfinanzhof bereits ausdrücklich entschieden344. Entscheidend ist insofern, dass beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung ein zu diesem Zeitpunkt zuständiger Amtsträger mitgewirkt hat. Auf Seiten des Steuerpflichtigen ergibt sich aus § 45 Abs. 1 Satz 1 AO, dass über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur die Forderungen und Schulden aus dem Steuerrechtsverhältnis auf den beispielsweise durch 338 339 340 341 342 343 344

BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (297). BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (298 f.). BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (299). Englisch, S. 62; Gosch, StBp 2005, 26 (29); Apitz, StBp 2008, 93 (94). BFH, Beschl. v. 11.12.2006 – VIII B 54/06, juris. Kulosa, HFR 2004, 965; vgl. auch unten E. I.1. BFH, Urt. v. 03.04.2008 – IV R 54/04, BFHE 220, 495 (506).

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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Erbfolge, Verschmelzung oder Umwandlung bestimmten Gesamtrechtsnachfolger übergehen, sondern dieser materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers eintritt345.

3. Auswirkungen der fehlgeschlagenen tatsächlichen Verständigung Wenn eine tatsächliche Verständigung wegen fehlender Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers unwirksam ist, kommt ihr nach der Rechtsprechung des Finanzgerichts München auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine Bindungswirkung zu346. In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Steuerfahndungsprüfung erhebliche Steuernachforderungen ergeben. Gegen die aufgrund des Fahndungsberichts geänderten Steuerbescheide machte der Kläger geltend, er habe sich im Rahmen des Steuerstrafverfahrens mit der Steuerfahndungsstelle pauschal auf eine Sachbehandlung dahingehend geeinigt, dass mit Blick auf den zu erwartenden Strafrahmen die Höhe der Steuernachforderungen einschließlich der Steuernebenleistungen einen bestimmten Betrag nicht übersteigen solle. Das FG verneinte eine steuerrechtliche Bindungswirkung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Zwar ergebe sich aus einer tatsächlichen Verständigung ein Anspruch auf Vertrauensschutz, dieser setzte aber gerade die Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers voraus. Auch unter sonstigen Gesichtspunkten sei ein Anspruch auf Vertrauensschutz nicht erkennbar, wobei es das FG für beachtlich hielt, dass die Vereinbarung mit der Steuerfahndungsstelle für Zwecke des Strafverfahrens, und hier vor allem im Hinblick auf den möglichen Strafrahmen, erfolgt sei. Daraus einen Vertrauenstatbestand für die Besteuerung abzuleiten, würde, so das FG, die Erfordernisse der Rechtsprechung an die tatsächliche Verständigung, vor allem die Mitwirkung eines für die Steuerfestsetzung befugten Amtsträgers, konterkarieren. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Die in diesem Fall getroffene Vereinbarung ist allerdings auch in anderer Hinsicht bemerkenswert: zum einen sind im Steuerstrafverfahren bindende Vereinbarungen über den Strafrahmen – insbesondere mit der Steuerfahndung – völlig ausgeschlossen347. Zum anderen war die mit der Steuerfahndung getroffene Vereinbarung auch steuerrechtlich unabhängig von der Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers bereits deswegen unwirksam, weil sie sich auf den Steueranspruch als solchen und nicht lediglich auf den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt bezog348.

345 BFH, Urt. v. 20.03.2002 – II R 53/99, BFHE 199, 19; Klein – Brockmeyer, § 45 AO, Rn 1. 346 FG München, Urt. v. 18.06.2002 – 6 K 668/97, juris. 347 Vgl. bereits oben 3. Kapitel, D. 348 Vgl. hierzu oben C. I.

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

4. Zwischenergebnis Das Zustandekommen einer tatsächlichen Verständigung erfordert zwingend die Mitwirkung eines zuständigen Amtsträgers. Als zuständige Amtsträger kommen in Betracht der Vorsteher des Festsetzungsfinanzamts, sein Vertreter oder der Sachgebietsleiter der mit dem Steuerfall befassten Veranlagungs- oder Rechtsbehelfsstelle349, außer bei einer veranlagenden Außenprüfung350, aber weder ein Außenprüfer351 noch der Sachgebietsleiter der Prüfungsstelle352. Eine steuerrechtlich bindende tatsächliche Verständigung mit der Bußgeld- und Strafsachenstelle oder der Steuerfahndung ist ausgeschlossen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung einer von einem unzuständigen Amtsträger abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung wird zu Recht abgelehnt. Die Auffassung der Rechtsprechung, dass eine Vertretung des zuständigen Amtsträgers generell ausgeschlossen ist, erscheint hingegen problematisch. Eine ohne Beteiligung des zuständigen Amtsträgers zustande gekommene, fehlgeschlagene tatsächliche Verständigung bewirkt keinen Vertrauensschutztatbestand.

II. Form der tatsächlichen Verständigung Nach Ansicht der Rechtsprechung bedürfen tatsächliche Verständigungen keiner besonderen Form353. Wenn auch – vor allem bei schwierig aufzuklärenden und zu beurteilenden Fallgestaltungen – eine schriftliche Niederlegung und die Unterzeichnung durch die Beteiligten sinnvoll erscheinen, ist nicht ausgeschlossen, den Nachweis des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung auch durch andere Beweismittel (z. B. Zeugenvernehmung) zu führen354. Die Nichteinhaltung der Schriftform ist nach Ansicht der Rechtsprechung lediglich ein Indiz dafür, dass sich die Beteiligten nicht haben binden wollen355. Dem haben sich auch Teile der Literatur angeschlossen, die zwar in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag sehen, eine entspre349

BFH, Urt. v. 05.10.1990 – III R 19/88, BFHE 162, 211 (214), v. 28.07.1993 – XI R 68/92 und v. 25.11.1997 – IX R 47/94, BFH/NV 1998, 580. 350 BFH, Urt. v. 22.09.2004 – III R 9/03, BFHE 207, 549 (557) und Beschl. v. 16.02.2006 – X B 176/05, BFH/NV 2006, 1052. 351 BFH, Beschl. v. 12.07.2006 – V B 213/05, BFH/NV 2006, 2139 (2141) und v. 02.08.2006 – I B 156/04, BFH/NV 2006, 2031. 352 Seer, Verständigungen, S. 334 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 135; Buciek, DStZ 1999, 389 (397); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (381). 353 BFH, Beschl. v. 25.8.2006 – VIII B 13/06, BFH/NV 206, 2122 (2123). 354 BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105 f.); vgl. auch BFH, Urt. v. 22.09.2004 – III R 9/03, BFHE 207, 549 (557) und zuletzt Beschl. v. 12.03.2009 – IV B 22/08, juris. 355 BFH, Beschl. v. 21.06.2000 – IV B 138/99, BFH/NV 2001, 2 und v. 16.02.2006 – X B 176/05, BFH/NV 2006, 1052 (1053); vgl. bereits BFH, Urt. v. 25.09.1956 – I 94/56 U, BFHE 63, 379 (381); zust. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 517.

D. Formelle Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung

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chende Anwendung des § 57 VwVfG aber ausschließen356. Der wohl überwiegende Teil der Literatur fordert hingegen für eine tatsächliche Verständigung die Schriftform, leitet sie allerdings nicht aus § 57 VwVfG357, sondern aus dem Grundsatz der Formakzessorietät her358. Ansonsten sei es möglich, das für die Steuerfestsetzung geltende Formerfordernis des § 157 AO durch eine formlose Vorwegbindung zu umgehen359. Die tatsächliche Verständigung führe zu einer ähnlichen Vorwegbindung wie die einheitliche und gesonderte Feststellung und die verbindliche Zusage, so dass auch die Regelungen der §§ 181, 205 AO zu berücksichtigen seien360. Auch auf die Hinweis-, Warn- und Mahnfunktion sowie die Beweis- und Kontrollfunktion der Schriftform wird hingewiesen361. Dabei wird allerdings nicht davon ausgegangen, dass beide Beteiligten das selbe Papier unterschreiben müssten, dem Schriftformerfordernis sei vielmehr genügt, wenn das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung schriftlich festgehalten wird und beide Beteiligten ihre Zustimmung zu genau diesem schriftlich fixierten Ergebnis irgendwo schriftlich zum Ausdruck bringen362. Die praktische Relevanz dieser Frage dürfte allerdings gering sein, da die Finanzbehörden mittlerweile verpflichtet sind, den Inhalt der tatsächlichen Verständigung in einfacher, aber beweissicherer Form unter Darstellung der Sachlage schriftlich festzuhalten und von den Beteiligten unterschreiben zu lassen, die hierbei auch auf die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung hinzuweisen sind363. Insofern wird einerseits auch den gegenüber der Rechtsprechung strengeren Anforderungen der Literatur regelmäßig Rechnung getragen sein. Andererseits wird das Fehlen trotz der grundsätzlich rein internen Wirkung von Verwaltungsanweisungen zu einem sehr starken, kaum zu entkräftenden Indiz für fehlenden Bindungswillen364. 356

Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 32a; für Formfreiheit auch Sontheimer, S. 194 f. Von Buciek, DStZ 1999, 389 (397 f.) ausdrücklich offen gelassen. 358 Englisch, S. 59; Seer, Verständigungen, S. 345; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 140; Tipke/Lang – Seer, § 21, Rn 17, 22. 359 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (381). 360 Seer, Verständigungen, S. 346; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (382). 361 Englisch, S. 59; Buciek, DStZ 1999, 389 (397 f.); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2096); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8407). Zur Beweisfunktion der Schriftform bereits BFH, Urt. v. 25.09.1956 – I 94/56 U, BFHE 63, 379 (381). 362 Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2096); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (382); vgl. BFH, Urt. v. 28.11.1990 – X R 197/98, BFHE 163, 175 (186): keine konkludente tatsächliche Verständigung. 363 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 5.5; ebenso bereits OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 5; anders noch OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 4.5: „sollte … schriftlich festgehalten werden“. 364 BFH, Beschl. v. 12.03.2009 – IV B 22/08, juris, geht zwar davon aus, die fehlende Schriftform allein rechtfertige nicht den Schluss auf den fehlenden Bindungswillen, die streitgegenständliche Verständigung wurde allerdings noch vor BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831 getroffen. 357

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die Rechtsnatur und die Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung dargelegt wurden, sollen im Folgenden die Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung erörtert werden. Dies betrifft zunächst die Herleitung der Bindungswirkung für die Beteiligten und evtl. auch die Gerichte, den Umfang dieser Bindungswirkung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht sowie die Auswirkungen von Irrtümern und anderen Willensmängeln beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung.

I. Herleitung der Bindungswirkung Hinsichtlich der Herleitung der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung ist zwischen der Bindungswirkung für die Beteiligten und der Bindungswirkung für die Gerichte zu unterscheiden. Da nach der hier vertretenen Ansicht die tatsächliche Verständigung keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt365, kann auch ihre Bindungswirkung nicht aus den Vertragsgrundsätzen hergeleitet werden. Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung zwischen den Beteiligten kann sich daher nur aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten. Es stellt sich aber die Frage, ob sich hieraus auch eine Bindungswirkung für die Gerichte ableiten lässt, wie sie bereits im Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs zur tatsächlichen Verständigung angenommen wurde366.

1. Bindungswirkung zwischen den Beteiligten Die Bindung der Beteiligten an die im Rahmen der tatsächlichen Verständigung abgegebenen Erklärungen ergibt sich nach der Rechtsprechung unmittelbar aus dem Grundsatz von Treu und Glauben367. Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als ein in allen Rechtsgebieten anerkannter Grundsatz allgemein und uneingeschränkt auch im Steuerrecht368, aus ihm kann sich sowohl die Bindung der Finanzverwaltung als auch des Steuerpflichtigen ergeben369. Der Grundsatz von Treu und

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Vgl. hierzu bereits oben B.III. BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (554). 367 BFH, Urt. v. 6.2.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (172), v. 12.8.1999 – XI R 27/98, BFH/ NV 2000, 537 (538), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (106) und v. 7.7.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (296). 368 BFH, Urt. v. 09.08.1989 – I R 181/85, BFHE 158, 31 (33 ff.), v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (172), v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (106), v. 19.05.2004 – III R 18/02, BFHE 206, 201 (210), v. 05.10.2004 – VII R 37/03, BFHE 208, 1 (6) und v. 24.04.2007 – I R 16/06, BFHE 218, 102 (107); v. Groll, FR 1995, 814. 369 Klein – Gersch, § 4 AO, Rn 15. 366

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

163

Glauben enthält insbesondere auch ein Verbot des widersprüchlichen Verhaltens, des venire contra factum proprium370. Dies bedeutet, dass innerhalb eines konkreten Steuerrechtsverhältnisses jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt371, auf das der andere Teil vertraut und im Hinblick darauf bestimmte Dispositionen getroffen hat372. Die Beteiligten müssen sich daher insbesondere auch an dem in der tatsächlichen Verständigung einvernehmlich festgehaltenen Sachverhalt festhalten lassen373. Diese Bindung gilt insoweit, als die tatsächliche Verständigung reicht374. Hingegen erfasst die Unwirksamkeit eines Teils die gesamte tatsächliche Verständigung. Der Bundesfinanzhof hat dies damit begründet, dass die tatsächliche Verständigung regelmäßig von einem gegenseitigen Abrücken von den jeweiligen Maximalforderungen geprägt sei375. Diese Erwägungen rücken die tatsächliche Verständigung in die Nähe eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags und sind insofern nicht unproblematisch. Nach der hier vertretenen Auffassung376 folgt das gleiche Ergebnis daraus, dass die die tatsächliche Verständigung legitimierende Unverhältnismäßigkeit weiterer Ermittlungen zu einzelnen Sachverhaltsfragen377 stets nur mit Rücksicht auf den gesamten Sachverhalt festgestellt werden kann. Die den Vertrauensschutz auslösende Disposition liegt regelmäßig bereits darin, dass die Beteiligten unter Aufgabe ihrer unterschiedlichen Ausgangspositionen einvernehmlich auf weitere Ermittlungen in Bezug auf den durch die tatsächliche Verständigung festgelegten Sachverhalt verzichten, so dass die gegenseitige Bindung einer tatsächlichen Verständigung immanent ist, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung bedarf378. Die frühere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die Steuerbehörde sei nach einer tatsächlichen Verständigung (erst) „an die erfolgte Abrede gebunden, falls die Veranlagung Rechtskraft erlangt hat“379, wurde daher konsequenterweise aufgegeben380.

370

BFH, Urt. v. 05.10.2004 – VII R 37/03, BFHE 208, 1 (6); Kreibich, Treu und Glauben, S. 186. 371 BFH, Urt. v. 04.11.1975 – VII R 28/72, BFHE 117, 317 (321). 372 BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (172 f.) und v. 13. 07.1994 – I R 38/93, BFE 175, 496 (499); Pump, StBp 2002, 76. 373 BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (106). 374 BFH, Urt. v. 24.01.2002 – III R 49/00, BFHE 198, 12 (16) und v. 03.04.2008 – IV R 54/04, BFHE 220, 495 (505). 375 BFH, Urt. v. 20.09.2007 – IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532 (535). 376 Vgl. zur Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung oben B.III. 377 Vgl. oben C.II.1. 378 BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (106); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schuster, § 38 AO, Rn 69; krit. Greite, NWB F 2, S. 8405 (8409). 379 RFH, Urt. v. 25.05.1938 – VI 212/38, RStBl. 1938, 626. 380 BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (106).

164

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

Soweit generelle Bedenken gegen eine Bindung der Finanzbehörde im Vorfeld der Steuerfestsetzung geltend gemacht werden381, scheint diesen Bedenken maßgeblich die Vorstellung rechtsgeschäftlicher Bindung382 zugrunde zu liegen. Sie berücksichtigen nicht, dass eine Bindung nach Treu und Glauben auch durch Realakte entstehen kann und dann vom Bindungswillen der Beteiligten grundsätzlich unabhängig ist. Die Bindungswirkung ist dann nicht Ausdruck einer den Finanzbehörden nicht zustehenden Privatautonomie sondern übergeordneter Rechtsgrundsätze, die für Behörden und Private gleichermaßen gelten. Da demnach eine Bindung der Beteiligten an einen von ihnen gesetzten Vertrauenstatbestand sogar gegen ihren Willen eintreten kann, muss sie auch dann eintreten können, wenn die Beteiligten diesen Vertrauenstatbestand willentlich gesetzt haben.

2. Bindungswirkung im finanzgerichtlichen Verfahren Es liegt auf der Hand, dass die „friedensstiftende“ Funktion der tatsächlichen Verständigung gerade davon abhängt, dass sie nicht nur im Veranlagungs- und Einspruchs-, sondern auch im Klageverfahren gilt383. Die Rechtsprechung384 und die wohl überwiegenden Meinung in der Literatur385 gehen in diesem Sinne davon aus, dass sich die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung nicht nur auf die Beteiligten an der Verständigung bzw. am konkreten Steuerrechtsverhältnis, sondern auch auf die Finanzgerichte erstreckt. Die Verständigung verdrängt dieser Ansicht zufolge den Amtsermittlungsgrundsatz auch im gerichtlichen Verfahren386. Es ergibt sich dann ein verändertes Streitprogramm, bei dem nicht mehr der steuerlich erhebliche Sachverhalt, sondern das Zustandekommen und die Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung zu ermitteln sind387. Demgegenüber hat Offerhaus – obgleich er selbst sich für die Einordnung der tatsächlichen Verständigung als öffentlich-rechtlichen Vertrag ausspricht – die Auffassung geäußert, 381 Müller-Franken, S. 199 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 46; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (507 ff.). 382 Vgl. Müller-Franken, S. 192. 383 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 173. 384 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (554); BFH, Beschl. v. 22.02.2005 – X B 177/03, BFH/NV 2005, 909 und v. 27.02.2007 – X B 178/06, BFH/NV 2007, 1073 (1074); FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2004 – 14 K 175/01, EFG 2004 862 (863). 385 Englisch, S. 60; Hübschmann/Hepp/Spitaler – List, § 76 FGO, Rn 36; Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (111); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (382); Bilsdorfer, DStZ 1989, 287 (295); v. Wedelstädt, DB 1991, 515 (517); Buciek, DStZ 1999, 389 (398); v. Wedelstädt, AOStB 2001, 190 (193); Pump, StBp 2002, 76 (81); a.A. Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097); Mösbauer, BB 2003, 1037 (1040); gegen eine Bindung der Finanzgerichte auch Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (509 f.). 386 So ausdrücklich Buciek, DStZ 1999, 389 (395). 387 Englisch, S. 61; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (502 f.); Rößler, DStZ 1988, 375 (376).

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

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ein Finanzgericht, das mit einer Sache – aus welchen Gründen auch immer – befasst werde, sei an die tatsächliche Verständigung der Beteiligten nicht gebunden; es habe den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 FGO), werde aber regelmäßig einen (nunmehr) unstreitigen Sachverhalt seiner Beurteilung zugrunde legen388.

a) Amtsermittlungspflicht und freie richterliche Beweiswürdigung, §§ 76, 96 FGO Nach der Finanzgerichtsordnung, insbesondere §§ 76, 96 FGO, hat das Gericht den Besteuerungssachverhalt in vollem Umfang zu überprüfen. Es ist weder an die Sachverhaltsfeststellungen der Finanzbehörde noch an das prozessuale Vorbringen der Beteiligten im Übrigen gebunden. Aus der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich zwar ein Verbot der reformatio in peius389. In dem durch § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO vorgegebenen Rahmen ist das Gericht gleichwohl zu einer objektiven Sachverhaltsaufklärung berechtigt und verpflichtet, das Verbot der reformatio in peius bedeutet nicht die Geltung der Dispositionsmaxime390. Dennoch soll sich bei Vorliegen der für die tatsächliche Verständigung formulierten Voraussetzungen ausnahmsweise auch in Anbetracht der §§ 76, 96 FGO für das Finanzgericht ein Freiraum für eine Bindung an gemeinsame Erklärungen im Tatsächlichen „andeuten“391.

aa) Begrenzung der Amtsermittlungspflicht Bereits vor der Anerkennung der tatsächlichen Verständigung als Rechtsinstitut ging der Bundesfinanzhof von einer widerlegbaren Vermutung für die Richtigkeit des einvernehmlich festgestellten Sachverhalts aus392 und war anerkannt, dass auch der § 76 Abs. 1 FGO die Finanzgerichte nicht verpflichtet, ohne bestimmten Anlass (Parteivortrag, Akteninhalt oder sonstige Umstände) jedem denkbaren Gesichtspunkt nachzugehen393. Die Beteiligten können auf eine § 76 FGO genügende Sachaufklärung gemäß § 155 FGO i.V. m. § 295 Abs. 1 ZPO ausdrücklich oder 388

Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097). BFH, Urt. v. 29.07.1997 – VIII R 80/94, BFHE 184, 74, v. 26.11.1997 – X R 146/94, BFH/ NV 1998, 961 (962) und v. 27.03.07 – VIII R 60/05, BFHE 217, 485 (490); Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 5. 390 BFH, Beschl. v. 17.07.1967 – GrS 1/66, BFHE 91, 393 (401 f.); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Sunder-Plassmann, Einl FGO, Rn 132; vgl. BFH, Urt. v. 24.02.2000 – III R 80/97, BFHE 191, 280 (285); a.A. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 173. 391 So NN, HFR 1985, 212 (214). 392 BFH, Urt. v. 06.11.1962 – I 298/61 U, BFHE 76, 293 (294). 393 BFH, Urt. v. 06.02.1980 – I R 50/76, BFHE 130, 268 (274) und Beschl. v. 04.09.1984 – VIII B 157/83, BFHE 142, 13 (16); Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 16. 389

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

durch Unterlassen einer diesbezüglichen Rüge verzichten394. Zwar können nicht bestrittene Tatsachen nicht ohne weiteres als richtig unterstellt werden395. Bestreiten die Finanzbehörden einen vom Steuerpflichtigen vorgetragenen Sachverhalt allerdings nicht, braucht sich dem Finanzgericht die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme nicht aufzudrängen396. Kein Anlass zur Sachaufklärung besteht namentlich dann, wenn die Tatsachen offenkundig oder gerichtsbekannt sind und weder Anlass zu Zweifeln besteht noch substantiierte Einwände hiergegen erhoben werden397. Wenn man davon ausgeht, dass ein „offensichtlich unzutreffender“ Sachverhalt, der die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung entfallen ließe, dann vorliegt, wenn dies ohne weitere Beweisaufnahme ersichtlich ist398, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass im Fall einer wirksamen (weil nicht „offensichtlich unzutreffenden“) tatsächlichen Verständigung auch kein Anlass zu Zweifeln an dem übereinstimmend zugrunde gelegten Sachverhalt besteht, so dass nach dem soeben Gesagten eine weitere Sachaufklärung nicht geboten ist. In Schätzungsfällen kann das Finanzgericht seine Sachprüfung ohnehin auf die strittigen Punkte beschränken399. Es wäre daher insoweit mit Blick auf § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht den Inhalt der tatsächlichen Verständigung seiner Entscheidung zugrunde legt, ohne weitere Ermittlungen anzustellen.

bb) Vereinbarkeit mit § 96 FGO Auch wenn das Finanzgericht keine weiteren Ermittlungen anzustellen braucht, sind ihm diese gleichwohl grundsätzlich nicht verwehrt. Es ist zwar zutreffend, dass im finanzgerichtlichen Verfahren die Beteiligten im Rahmen der Beweiswürdigung an ihren früheren Erklärungen in vollem oder in abgeschwächtem Umfang festgehalten und gemeinsame Erklärungen der Beteiligten zu Beweiswürdigungszwecken für und gegen die Beteiligten verwandt werden könnten400. Dass das Finanzgericht die Erklärungen der Beteiligten bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen kann, bedeutet wegen des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) aber gerade nicht, dass es ihnen

394 BFH, Urt. v. 22.09.1994 – IV R 61/93, BFHE 176, 350 (357), Beschl. v. 28.01.2002 – BFH/NV 2002, 934 (936) und v. 25.08.2006 – VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122 (2123). 395 Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 17. 396 BFH, Beschl. v. 10.03.1970 – VI B 69/69, BFHE 98, 462 (465); Hübschmann/Hepp/ Spitaler – List, § 76 FGO, Rn 5. 397 Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 16. 398 Vgl. hierzu oben C.III.1. 399 BFH, Urt. v. 06.02.1991 – II R 87/88, BFHE 163, 461, Beschl. v. 17.08.1999 – IV B 155/98, BFH/NV 2000, 438 und v. 14.12.1999 – IV B 76/99, BFH/NV 2000, 848 (849); Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 12; Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 13. 400 NN, HFR 1985, 212 (214).

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

167

zwingend folgen muss, insbesondere, wenn ihm auch andere Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen401. Selbst dann, wenn dem Finanzgericht andere Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung stehen, hat es gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V. m. § 162 AO eine eigene, von der Schätzung des Finanzamts unabhängige Schätzungsbefugnis402 und ist gegebenenfalls nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, von dieser Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen403. Es ist nicht auf die Kontrolle der Vertretbarkeit behördlicher Schätzungen beschränkt404, sondern darf seine Überzeugung von Schätzungsanlass und -höhe ganz oder teilweise an Stelle der Überzeugung des Finanzamts setzen405. Eine „gerichtsfeste“ tatsächliche Verständigung entspricht zwar regelmäßig den Erledigungsinteressen der beteiligten Akteure einschließlich der Gerichte406. Allein das Erledigungsinteresse der Beteiligten rechtfertigt allerdings – auch im Zeichen des dem Bundesfinanzhof zugeschriebenen „rechtsstaatlichen Pragmatismus“407 – für sich genommen noch nicht die Einschränkung der richterlichen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V. m. § 162 AO, wenn das Finanzgericht bei „erschwerter Sachverhaltsermittlung“408 im Einzelfall von der tatsächlichen Verständigung als „einvernehmlicher Schätzung“409 der Beteiligten abweichen und eine eigene Schätzung vornehmen will. b) Bedeutung von Treu und Glauben Aus dem Umstand, dass die tatsächliche Verständigung ihre Bindungswirkung nur aus Treu und Glauben im konkreten Steuerrechtsverhältnis beziehen kann410 ergibt sich zugleich, dass sich diese Bindungswirkung grundsätzlich auch nur auf 401

Vgl. zum eingeschränkten Beweiswert der Beteiligtenvernehmung bereits oben 2. Kapitel, D.III.3. 402 BFH, Urt. v. 21.02.1995 – IX R 41/94, BFHE 177, 110 (113) und v. 12.09.2001 – VI R 72/97, BFHE 196, 534 (538); Beermann/Gosch – Schmidt-Troje, § 96 FGO, Rn 32; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 96 FGO, Rn 144; Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 13, 19; Lambrecht, DStJG 12, S. 70 (110). 403 BFH, Urt. v. 20.10.1993 – II R 59/91, BFH/NV 1994, 176 (177), v. 18.05.1999 – I R 102/98, BFH/NV 1999, 1492 und v. 18.04.2006 – VII R 77/04, BFHE 212, 29 (36); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 96 FGO, Rn 141. 404 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 53. 405 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 96 FGO, Rn 144. 406 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (511); Streck, StuW 1993, 366 (367); vgl. auch Pump, StBp 2002, 76 (82): wirksame tatsächliche Verständigung als „Vorteil“ für das FG, regelmäßig keine eigenständige Schätzung des FG gemäß § 96 FGO, wenn Schätzung des Finanzamts im Rahmen des § 162 AO; ähnlich bereits v. Wedelstädt, DB 1994, 997 (998) und Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10529). 407 Isensee, StuW 1994, 3 (13). 408 Vgl. hierzu oben C.II. 409 Vgl. oben B.III.2.c). 410 Vgl. hierzu oben B.III.

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

die Beteiligten an dem konkreten Steuerrechtsverhältnis erstrecken kann. Eine Drittwirkung der tatsächlichen Verständigung auf unbeteiligte Steuerpflichtige oder Finanzbehörden ist – von Fällen der Rechtsnachfolge abgesehen – ausgeschlossen411. Obwohl der Grundsatz von Treu und Glauben auch im Finanzprozess gilt412, bindet er das Finanzgericht daher grundsätzlich nicht, wenn es selbst keinen Vertrauenstatbestand verwirklicht hat413. Wenn eine Mitwirkung des Finanzgerichts an der tatsächlichen Verständigung nicht (mehr) für erforderlich gehalten wird414, bieten Treu und Glauben im konkreten Steuerrechtsverhältnis daher keine Rechtfertigung dafür, dass durch eine wirksame tatsächliche Verständigung zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde das Finanzgericht nicht nur von der ihm gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegenden Sachaufklärungspflicht entbunden, sondern sogar in seiner freien Beweiswürdigung gemäß § 96 FGO eingeschränkt wird415. Insofern erscheint der auch aus den Reihen des Bundesfinanzhofs geäußerte Vorwurf der „Rechtsfortbildung praeter legem“416 zunächst berechtigt. Bei der Frage nach der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung auch für die Finanzgerichte ist allerdings die unterschiedliche Ausgangssituation im behördlichen und im finanzgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Das finanzgerichtliche Verfahren nach der FGO ist, anders als das Berufungsverfahren nach der RAO 1919/1931, kein verlängertes Ermittlungs- und Veranlagungsverfahren mehr417. Insofern kommt es für die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht darauf an, ob die tatsächliche Verständigung auch bei einer „Zweitveranlagung“ durch das Finanzgericht bindend ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Steuerpflichtige bei unzutreffender Umsetzung der tatsächlichen Verständigung die Kassation der Steuerfestsetzung gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO erreichen kann bzw. bei zutreffender Umsetzung der tatsächlichen Verständigung die Kassation ausgeschlossen ist. Die Kassation gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO setzt voraus, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der Finanzgerichtsprozess hat sowohl eine objektiv-recht411 Vgl. hierzu oben D. I.2; a.A. BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFH 164, 168 (171) und v. Bornhaupt, BB 1985, 1591, wonach es rechtlich keinen Unterschied mache, ob eine tatsächliche Verständigung erst während des gerichtlichen Verfahrens oder bereits bei einer Außenprüfung erzielt wurde. 412 Gräber – Stapperfend, vor § 76 FGO, Rn 9; v. Groll, FR 1995, 814 (817); insoweit zutreffend auch Englisch, S. 61. 413 Dies verkennt Englisch, S. 61. 414 Vgl. hierzu oben D. 415 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (509 f.); Mösbauer, BB 2003, 1037 (1040); unklar hingegen Mösbauer, Steuerstrafrecht, S. 359 f. und Mösbauer/Mösbauer, Außenprüfung, S. 224 ff. 416 Vgl. Buciek, DStZ 1999, 389 (395): Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung als „Rechtsfortbildung praeter legem“. 417 Gräber – v. Groll, § 40 FGO, Rn 8; Jesse, Rn C 1; Tipke/Lang – Seer, § 22, Rn 1.

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

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liche als auch eine subjektiv-rechtliche Dimension418. Rechtswidrig ist der Verwaltungsakt nicht nur, wenn ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt oder der zugrunde gelegte Sachverhalt rechtlich unzutreffend gewürdigt wurde, sondern auch dann, wenn sich die Finanzbehörde bei Erlass des Verwaltungsakts treuwidrig verhalten hat. Soweit sich die Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheids entgegen Treu und Glauben über eine wirksame tatsächliche Verständigung hinweggesetzt hat, ist der Steuerbescheid daher rechtswidrig. Da die Beteiligten, wie der Bundesfinanzhof bereits in seiner Grundsatzentscheidung zur tatsächlichen Verständigung ausführte, gehalten sind, im Verhältnis zueinander hinzunehmen, dass die Besteuerungsgrundlagen wie vereinbart angesetzt würden419, liegt hierin zugleich eine subjektive Rechtsverletzung, so dass die Voraussetzungen der Kassation unabhängig davon gegeben sind, ob der von der Finanzbehörde zugrunde gelegte Sachverhalt nach den Feststellungen des Gericht zutrifft. Umgekehrt wäre das Gericht zwar auf die Anfechtungsklage des Steuerpflichtigen hin an der Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids auch nicht gehindert, soweit er auf der zutreffenden Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung beruht. Erfolgt die Steuerfestsetzung auf Grundlage der tatsächlichen Verständigung, hat aber der Steuerpflichtige, wie bereits der Reichsfinanzhof zutreffend feststellte, „keine Veranlassung, gegen diese Festsetzung, sofern nicht Meinungsverschiedenheiten über das anzuwendende Recht hervortreten, im Rechtsmittelverfahren vorzugehen, da die Festsetzung ja seinem eigenen Willen entspricht.“420Auch wenn nach den tatsächlichen Feststellungen des Gerichts der Inhalt der tatsächlichen Verständigung den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt unzutreffend wiedergibt, kommt daher insoweit mangels einer subjektiven Rechtsverletzung des Klägers eine Kassation des angefochtenen Steuerbescheids gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO nicht in Betracht. Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung auch im finanzgerichtlichen Verfahren entspricht insofern der FGO, der Vorwurf der „Rechtsfortbildung praeter legem“421 ist daher unberechtigt.

418

Müller-Franken, S. 219; Ruban, FS RFH/BFH, S. 131 (138 f.); vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 09.08.1978 – 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, 148 (160) und v. 11.06.1980 (Plenum) – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 (289 f.); zur subjektiv-rechtlichen Dimension BFH, Urt. v. 15.10.1997 – I R 10/92, BFHE 184, 212; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Lange, § 100 FGO, Rn 41. 419 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549 (554). 420 RFH, Urt. v. 20.10.1925 – II A 453/25, RFHE 18, 92 (94 f.). 421 Vgl. Buciek, DStZ 1999, 389 (395): Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung als „Rechtsfortbildung praeter legem“.

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

3. Zwischenergebnis Treu und Glauben im konkreten Steuerrechtsverhältnis können zwar die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem erklären, nicht jedoch ein an der tatsächlichen Verständigung nicht beteiligtes Finanzgericht in seiner freien Beweiswürdigung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V. m. § 162 AO einschränken. Im Hinblick auf § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO, der sowohl die objektive Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids als auch eine dadurch bewirkte subjektive Rechtsverletzung verlangt, entfaltet die tatsächliche Verständigung im Ergebnis Bindungswirkung aber auch im gerichtlichen Verfahren.

II. Auswirkungen neuer Erkenntnisse oder Beweismittel Der Umfang der Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung ist im Fall neuer Erkenntnisse oder Beweismittel sogar in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Es stellt sich nicht nur die Frage, wie sich neue Erkenntnisse oder Beweismittel auf den Bestand der tatsächlichen Verständigung selbst auswirken, sondern auch, wie sie sich unter Berücksichtigung der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung auf den zu ihrer Umsetzung ergangenen Steuerbescheid auswirken.

1. Auswirkungen auf den Bestand der tatsächlichen Verständigung Zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen der „erschwerten Sachverhaltsermittlung“ und des „nicht offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses“ besteht ein innerer Zusammenhang insofern, als mit fortschreitender Sachverhaltsaufklärung auch vergleichsweise geringfügige Abweichungen vom wahren Sachverhalt „offensichtlich“ werden können. Die Erörterung der Auswirkungen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel auf den Bestand der tatsächlichen Verständigung läuft daher letztlich auf die Frage hinaus, ob im Streitfall das Vorliegen der Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung ex ante oder ex post zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht zu klären ist. Der Fall, dass einer der Beteiligten den anderen über ihm vorliegende Erkenntnisse arglistig täuscht, soll dabei zunächst ausgeklammert werden422. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, in einem finanzgerichtlichen Verfahren über die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung Erkenntnisse und Beweismittel auch dann zu berücksichtigen, wenn sie denn Beteiligten erst nach Abschluss der tatsäch422

Zu diesem Fall sogleich unten III.2.

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

171

lichen Verständigung bekannt geworden sind423. Demgegenüber gehen die Rechtsprechung der Finanzgerichte und die überwiegende Meinung in der Literatur bereits seit längerem davon aus, es liege kein Fall der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor, wenn sich die Beteiligten bei bestehender Unsicherheit über die tatsächlichen Umstände auf einen bestimmten Steuersachverhalt festlegen und sich dieser später aufgrund neuer Erkenntnisse als so nicht zutreffend erweist. Es liege im Wesen der tatsächlichen Verständigung, dass die Bindung an einen angenommenen und nicht an den tatsächlichen Sachverhalt eintritt und die Abweichung vom wirklichen Sachverhalt, die sich zu Gunsten wie zu Ungunsten jeder Partei auswirken kann, keine Berücksichtigung mehr findet424. Diese Auffassung stützte sich auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs, in dem dieser entschied, der Zweck der tatsächlichen Verständigung, einen möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt einvernehmlich festzulegen, würde unterlaufen, wenn die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt von den abgegebenen Erklärungen wieder abrücken könnten, weil sie vermeintliche Nachteile der Einigung festzustellen glauben425. Die Berufung auf diese Entscheidung ist zwar insofern fraglich, als in dem zugrunde liegenden Fall die tatsächliche Verständigung nicht mit dem Hinweis auf neue Erkenntnisse angegriffen wurde, sondern ein Einigungsmangel vorlag426, der Bundesfinanzhof hat sich dieser Sichtweise aber zwischenzeitlich angeschlossen427. Eine vermittelnde Ansicht will nachträgliche Erkenntnisse dann berücksichtigen, soweit sie den in der tatsächlichen Verständigung angenommenen Sachverhalt dem Grunde, nicht jedoch der Höhe nach betreffen428. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Grundsatz von Treu und Glauben die Berücksichtigung von Erkenntnissen über den der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt gebieten soll, die erst nach Abschluss der tatsächlichen Verständigung infolge weiterer Ermittlungen gewonnen wurde, obgleich die tatsächliche Verständigung gerade zu dem Zweck abgeschlossen wurde, auf diese Ermittlungen ver423

Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 143; Buciek, DStZ 1999, 389 (399). FG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.06.1999 – 2 K 292/97, EFG 1999, 932 (933) und v. 24.10.2004 – 14 K 175/01, EFG 2004, 862 (863); FG München, Urt. v. 10.09.2002 – 12 K 3053/01, juris; FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris; Englisch, S. 67; Tipke/ Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 30; Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (112); Seer, Vogel-FS, S. 699 (713); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (384); Iwanek, DStR 1993, 1394 (1399); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2098); Geuenich/Höwer, DStR 2009, 2320 (2323). 425 BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538), unter ausdrücklicher Berufung hierauf FG München, Urt. v. 10.09.2002 – 12 K 3053/01, juris, und FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris. 426 So zutreffend Greite, NWB Fach 2, 8405 (8410). 427 BFH, Beschl. v. 26.10.2005 – X B 41/05, BFH/NV 2006, 243 (244). 428 Simon/Vogelberg – Simon, S. 345 unter Berufung auf FG Münster, Urt. v. 26.02.1997 – 1 K 4356/94 U, EFG 1997, 929 (930 f.), wo zwar ein dem Grunde nach unzutreffender Sachverhalt als Fall einer „offensichtlich unzutreffenden“ tatsächlichen Verständigung angenommen und insofern auch nachträgliche Erkenntnisse berücksichtigt werden, zu der Frage der Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse der Höhe nach aber nicht Stellung genommen wird. 424

172

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

zichten zu können. Die an der tatsächlichen Verständigung Beteiligten nehmen zu diesem Zweck einen gewissen Grad an Unbestimmtheit in Kauf und verzichten bewusst auf eine weitere Sachaufklärung429. Die Tatbestandsmerkmale der „erschwerten Sachverhaltsermittlung“ und des „nicht offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses“ sind daher ex ante zu beurteilen, nachträglich gewonnene Erkenntnisse betreffend den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt können weder zur Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung führen noch Grund für eine Anpassung in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Störung bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sein430.

2. Möglichkeit zur Änderung des nachfolgenden Steuerbescheides Wegen der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung für den nachfolgenden Steuerbescheid wäre demnach auch eine Änderung des nachfolgenden Steuerbescheids wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel ausgeschlossen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob einer derart weit reichenden Bindungswirkung nicht die gesetzlichen Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO entgegenstehen, die insbesondere unter den Voraussetzungen des § 173 AO eine Änderung aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen nicht nur zulassen, sondern zwingend vorschreiben.

a) Ausschluss der Änderung gemäß § 173 Abs. 2 AO? Wenn die tatsächliche Verständigung im Anschluss an eine Außenprüfung erzielt wurde, ist vor einer Änderung der auf Grundlage der tatsächlichen Verständigung ergangenen Steuerbescheide nach § 173 AO die Regelung des § 173 Abs. 2 AO zu beachten. Danach können Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. In den Fällen, in denen die tatsächliche Verständigung im Anschluss an eine Außenprüfung erzielt wurde, ist eine Änderung der auf ihrer Grundlage erlassenen Steuerbescheide häufig bereits deswegen nicht mehr möglich431, so dass es auf die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung nicht mehr ankäme. Auch in den Fällen der Gesamtbereinigung, in denen der Abschluss des Besteuerungsverfahrens nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens erfolgt, ist der Eintritt der Sperrwirkung gemäß § 173 Abs. 2 AO nicht bereits wegen der steuerstrafrecht429 FG des Landes Brandenburg, Urt. v. 13.09.2001 – 5 K 1172/95, EFG 2002, 155 (156); Beermann/Gosch – Sauer, § 162 AO, Rn 99; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (384); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2098). 430 Iwanek, DStR 1993, 1394 (1399). 431 Seer, Verständigungen, S. 411.

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

173

lichen Bezüge ausgeschlossen. Die für Fälle der Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung vorgesehene Durchbrechung der Änderungssperre tritt nämlich nur ein, soweit die Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung nach Erlass der zu ändernden Steuerbescheide bekannt wird432. Sie wird daher nicht schon durch die (ursprüngliche) Steuerhinterziehung, deretwegen das Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet wurde, begründet, sondern erst durch eine (erneute) Steuerhinterziehung, insbesondere auch in Form einer „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“433. Einer Änderungssperre gemäß § 173 Abs. 2 AO wird aber zumindest in Gesamtbereinigungsfällen in der überwiegenden Zahl der Fälle entgegenstehen, dass die Ermittlungen entweder von vornherein von der Steuerfahndung geführt wurden oder eine zunächst begonnene Betriebsprüfung abgebrochen und als Fahndungsprüfung fortgesetzt wurde. Die AO unterscheidet nicht nur dem Wortlaut nach, etwa in § 171 Abs. 4, 5 AO, zwischen der Außenprüfung und der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch die Steuer- oder Zollfahndung, die Tätigkeit der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung stützt sich mit §§ 193 ff. AO einerseits, § 208 AO andererseits auch auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen. Außenprüfung im Sinne des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO ist eine auf umfassende und zusammenhängende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen angelegte Maßnahme der Sachverhaltsermittlung, die als solche besonders angeordnet ist434. Demgegenüber wird eine Fahndungsprüfung in den Fällen des § 208 Abs. 1 AO regelmäßig als Schwerpunktprüfung, das heißt auf einzelne Steuerarten oder Besteuerungsgrundlagen beschränkt, und ohne förmliche Prüfungsanordnung durchgeführt435. Abgesehen von den Fällen des § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO stellt eine Fahndungsprüfung daher keine Außenprüfung im Sinne von § 173 Abs. 2 AO dar und führt auch nicht zu der entsprechenden Sperrwirkung436. Selbst wenn eine Fahndungsprüfung ausnahmsweise den Steuerfall in seiner Gesamtheit betrifft, kann sie mangels einer Prüfungsanordnung, aus der sich insbesondere auch der Umfang der Sperrwirkung nach § 173 Abs. 2 AO ergäbe437, nicht mit einer Außenprüfung im Sinne von § 173 Abs. 2 AO gleichgesetzt werden438.

432

Tipke/Kruse – Loose, § 173 AO, Rn 98. Zur „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ ausführlich unten 5. Kapitel, E. 434 BFH, Urt. v. 11.12.1997 – V R 56/94, BFHE 185, 98 (104); Hübschmann/Hepp/Spitaler – v. Groll, § 173 AO, Rn 318, jeweils zu § 173 AO; vgl. auch BFH, Urt. v. 24.04.2003 – VII R 3/02, BFHE 202, 32 (38), zu § 171 AO. 435 BFH, Urt. v. 11.12.1997 – V R 56/94, BFHE 185, 98 (104). 436 BFH, Urt. v. 11.12.1997 – V R 56/94, BFHE 185, 98 (101 ff.); Hübschmann/Hepp/Spitaler – v. Groll, § 173 AO, Rn 324; Klein – Rüsken, § 173 AO, Rn 142. 437 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler – v. Groll, § 173 AO, Rn 325. 438 A.A. Tipke/Kruse – Loose, § 173 AO, Rn 91. 433

174

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

b) Überwindung der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung durch § 173 AO Entscheidend für die Auswirkungen neuer Tatsachen oder Beweismittel auf einen im Rahmen einer Gesamtbereinigung erlassenen Steuerbescheid ist daher regelmäßig das Verhältnis zwischen der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung einerseits und §§ 172 ff. AO, insbesondere § 173 AO, andererseits. Der Bundesfinanzhof hatte, soweit ersichtlich, noch keine Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. In der Literatur herrscht Einigkeit insoweit, als die Aufhebung oder Änderung eines auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung ergangenen Steuerbescheids von vornherein nur unter den Voraussetzungen denkbar ist, unter denen auch ein auf Grundlage einer Schätzung ergangener Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden könnte, das heißt, dass die neu bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismittel der Art sein müssen, dass bei ihrem rechtzeitigen Bekanntsein die Schätzung anders oder überhaupt nicht vorgenommen worden wäre439. Die Berücksichtigung der neuen Tatsachen muss zu einem völlig aus dem bisherigen Rahmen fallenden Schätzungs- oder Berechnungsergebnis führen440. Wurde etwa der Gewinn nach Richtsätzen geschätzt, rechtfertigt das nachträgliche Bekanntwerden einzelner Einnahmen oder Ausgaben in der Regel nicht die Annahme, es sei eine andere Steuerfestsetzung geboten. Ein Teil der Literatur nimmt an, dass selbst unter diesen Voraussetzungen eine Aufhebung oder Änderung nicht in Frage kommt. Die Vertreter dieser Ansicht erblicken in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag und messen ihr eine besondere, die Bestandskraft eines Verwaltungsakts übertreffende Bindungswirkung zu441. Dagegen wird jedoch zutreffend eingewandt, dass der tatsächlichen Verständigung jedenfalls mit Blick auf § 173 AO keine stärkere Bindungswirkung zukommen kann, als sie ein bestandskräftiger Steuerbescheid entfaltet442. § 173 AO enthält eine zwingende Vorschrift, und unabhängig davon, ob man in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erblickt oder ihre Bindungswirkung in Treu und Glauben begründet sieht, kann sie die Finanzbehörden nicht zu einem Handeln bzw. Unterlassen entgegen zwingender gesetzlicher Vorgaben verpflichten443. Sofern daher nachträglich Tatsachen 439 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 49 f.; Klein – Rüsken, § 173 AO, Rn 28; Jakob, Abgabenordnung, Rn 609; Iwanek, DStR 1993, 1394 (1399). 440 Dies dürfte bei dem von Buciek, DStZ 1999, 389 (400) gebildeten Beispiel entgegen Buciek zu verneinen sein, da sich die wahren Betriebseinnahmen noch innerhalb des der Schätzung zugrunde liegenden Spektrums befinden. 441 Englisch, S. 67; Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (106 f., 112); Iwanek, DStR 1993, 1394 (1396, 1400). 442 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 152; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 33; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (509); Buciek, DStZ 1999, 389 (400). 443 A.A. ausdrücklich Iwanek, DStR 1993, 1394 (1400): der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung sei stärker als der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, von Reiß, Grünwald-FS., S. 495 (504), dort Fn. 29, als „abwegig“ bezeichnet; vgl. zum Zurücktreten des

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

175

oder Beweismittel bekannt werden, aufgrund derer ein Schätzungsbescheid gemäß § 173 AO zu ändern wäre, ist auch ein auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung ergangener Steuerbescheid zu ändern. Bei Anwendung des § 173 AO auf Steuerbescheide, die auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung ergangen sind, ist allerdings zu beachten, dass sich das „nachträglich“ in § 173 AO auf den Zeitpunkt der Veranlagung bezieht, also den Abschluss der Willensbildung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten444, nicht aber auf die tatsächliche Verständigung als vorbereitende Maßnahme. Eine Änderung gemäß § 173 AO scheidet daher dann aus, wenn die Tatsache oder das Beweismittel zwar nach Abschluss der tatsächlichen Verständigung, aber vor Abschluss der Willensbildung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten bekannt wurde. Wenn der Erlass des Steuerbescheids – wie normalerweise zu erwarten – zeitnah im Anschluss an die tatsächliche Verständigung erfolgt, dürften hier allerdings selten Probleme auftreten. 3. Nachträglich bekannt gewordene Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung Einen Sonderfall im Rahmen des § 173 AO bilden die Fälle der nachträglich bekannt gewordenen Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung. Die tatsächliche Verständigung ist als solche weder Tatsache noch Beweismittel im Sinne des § 173 AO, sondern lediglich ein im Wege der einvernehmlichen Schätzung gewonnenes Beweismittelsurrogat445 und insofern wie jede Schätzung446 bereits Ergebnis einer Beweiswürdigung. Die zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gewordene Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung stellt daher weder eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO noch ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar447. Nach Wegfall der tatsächlichen Verständigung bzw. bei Bekanntwerden von deren Unwirksamkeit sind jedoch nach Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig weitere Ermittlungen erforderlich448, die zum Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel führen können. Grundsatzes von Treu und Glauben hinter §§ 172 ff. AO BFH, Urt. v. 26.01.1994 – X R 57/89, BFHE 174, 1 (4); v. Groll, FR 1995, 814. 444 BFH, Urt. v. 26.11.1996 – IX R 77/95, BFHE 182, 2 (4), v. 11.12.1997 – V R 56/94, BFHE 185, 98 (100), v. 11.12.1998 – I R 82/97, BFHE 185, 568 (570); vgl. im einzelnen Klein – Rüsken, § 173 AO, Rn 53. 445 Vgl. oben B.III.2.c). 446 Vgl. BFH, Urt. v. 18.05.1993 – VII R 44/92, BFHE 172, 190 (193); Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 1. 447 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS. 371 (384); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1735); A.A. Seer, Vogel-FS, S. 699 (713 f.). 448 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.4; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.4.; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 7.

176

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

III. Auswirkungen von Willensmängeln Schließlich stellt sich auch die Frage, inwiefern bei Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung vorhandene Willensmängel der Beteiligten die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung beeinflussen. Zwar sind nach der hier vertretenen Ansicht die auf Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerichteten Erklärungen keine rechtgeschäftlichen Willenserklärungen, so dass es lediglich auf den natürlichen Willen der Beteiligten ankommen kann. Auch im Bezug auf einen rein natürlichen Willen sind allerdings Willensmängel – wenn auch möglicherweise in eingeschränktem Umfang – denkbar449. Als Willensmängel kommen namentlich in Betracht der Irrtum der Beteiligten über die steuerlichen Auswirkungen der tatsächlichen Verständigung, die arglistige Täuschung eines Beteiligten durch den anderen und die widerrechtliche Drohung.

1. Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Motivirrtümern Für die rechtliche Behandlung von Willensmängeln ist die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung von erheblicher Bedeutung450. Erblickt man in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, getragen von der freien Willensentschließung der Beteiligten, sind Willensmängel grundsätzlich beachtlich451. Demgegenüber sind Willensmängel grundsätzlich unbeachtlich, sofern man die tatsächliche Verständigung lediglich als ein Mittel zur Sachverhaltsermittlung begreift, zu der die Finanzbehörde von Gesetzes wegen verpflichtet ist und an der der Steuerpflichtige von Gesetzes wegen mitzuwirken hat. Dass der Irrtum über die wahren Besteuerungsgrundlagen die Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung unberührt lässt, wurde bereits dargelegt452. Er gibt daher selbst dann kein Recht zur Anfechtung einer tatsächlichen Verständigung, wenn man diese als öffentlich-rechtlichen Vertrag begreift453. Der Bundesfinanzhof hat zu der Frage der Anfechtbarkeit einer tatsächlichen Verständigung entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bisher noch 449 Vgl. z. B. RG, Urt. v. 12.12.1927 – 370/27 VI, JW 1928, 497: verbotene Eigenmacht gemäß § 858 Abs. 1 BGB auch dann, wenn der Besitz nur infolge Ausübung von unzulässigem Druck preisgegeben wird; einschränkend MüKo BGB – Joost, § 858 BGB, Rn 7: Beachtlichkeit psychischen Drucks nur dann, wenn er physischem gleichsteht. 450 Vgl. hierzu bereits oben B. 451 So z. B. Englisch, S. 70; Seer, Verständigungen, S. 351 ff.; v. Wedelstädt, DB 1991, 515 (517); im Ergebnis ebenso Baum, NWB F 2, 9957 (9960); auch die Finanzverwaltung hält Willensmängel grundsätzlich für beachtlich, vgl. BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.2; OFD München, Vfg. v. 17.07. 2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.2.; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 7. 452 Vgl. soeben II.1. 453 Seer, Verständigungen, S. 366 f.; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (383).

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

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nicht grundsätzlich Stellung genommen, ein diesbezügliches Verfahren ist anhängig454. Grundsätzlich geht er allerdings von der Unbeachtlichkeit von Motivirrtümern aus455. Auch in der bisher ergangenen Rechtsprechung der Finanzgerichte wird der Irrtum über die steuerrechtlichen Folgen einer tatsächlichen Verständigung ebenso wie der Irrtum über die wahren Besteuerungsgrundlagen überwiegend für unbeachtlich gehalten456. Dies überzeugt insbesondere deswegen, weil sich die tatsächliche Verständigung nach der hier vertretenen Ansicht nicht auf Rechtsfragen beziehen darf. Die – wenn auch möglicherweise verbreitete – Praxis, eine tatsächliche Verständigung zielgerichtet mit Blick auf eine bestimmte Rechtsfolge abzuschließen, ist mit dem Grundgedanken dieses Rechtsinstituts nicht vereinbar, so dass auch ein diesbezüglicher (Motiv-) Irrtum unbeachtlich bleiben muss457. Zudem ist auch die Mitteilung von geschätzten Besteuerungsgrundlagen eine Wissenserklärung und als solche nicht anfechtbar458. Fehler bei der Niederlegung der tatsächlichen Verständigung können entsprechend § 129 AO korrigiert werden.

2. Nichtigkeit bei arglistiger Täuschung Der Motivirrtum eines Beteiligten kann lediglich dann beachtlich sein, wenn er von dem anderen Beteiligten durch eine arglistige Täuschung provoziert wurde. Iwanek ist zwar der Auffassung, eine Täuschung der Finanzbehörden beim Abschluss einer tatsächlichen Verständigung sei generell ausgeschlossen459. Eine Täuschung sei nur da möglich, wo der Prüfer keine Zweifel an den Angaben des Steuerpflichtigen hege. Wenn andererseits die Finanzbehörde von deren Richtigkeit überzeugt sei, fehle es bereits an einem gegenseitigen Nachgeben, so dass die tatsächliche Verständigung bereits in entsprechender Anwendung des § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG nichtig wäre. Es sind allerdings durchaus Konstellationen denkbar, in denen trotz der Überzeugung der Finanzbehörde von den Angaben des Steuerpflichtigen Unsicherheiten fortbestehen können, insbesondere dann, wenn 454

Auf Revision des Steuerpflichtigen gegen FG Münster, Urt. v. 30.5.2006 – 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306, Az. des BFH VIII R 78/06; vgl. aber BFH, Beschl. v. 17.10.1996 – X B 163/96, BFH/NV 525 (526), in dem der BFH offenbar von der Unbeachtlichkeit eines Inhaltsirrtums im Sinne des § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB ausgeht. 455 BFH, Urt. v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194 (198). 456 FG München, Urt. v. 02.03.2005 – 4 K 358/03, juris, und Beschl. v. 22.05.2009 – 15 V 182/09, EFG 2009, 1807; FG Nürnberg, Urt. v. 23. 11. 2004 – I 189, 190/2000, juris, und v. 28.6.2006 – V 426/2001, juris; Hessisches FG, Zwischenurt. v. 03.07.2007 – 8 K 415/05, EFG 2008, 178 (179); ebenso Englisch, S. 65; A.A. Seer, Verständigungen, S. 362 – von seinem Standpunkt aus konsequent – und Buciek, DStZ 1999, 389 (400); im Ergebnis zur Beachtlichkeit von Motivirrtümern kommen auch FG Hamburg, Urt. v. 21. 7. 2006 – 6 K 91/05, EFG 2007, 79 (80 f.) und im Anschluss daran Apitz, StBp 2008, 93 (97 ff.). 457 Pump, StBp 2002, 76 (80). 458 Vgl. BFH, Beschl. v. 04.04.2007 – II B 66/06, BFH/NV 2007, 1274 (1275). 459 Iwanek, DStR 1993, 1394 (1398).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

der Steuerpflichtige unrichtige Angaben zu möglichen Schätzungsgrundlagen macht. Selbst dann, wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erblicken und § 59 VwVfG für anwendbar halten wollte, wäre Iwaneks Auffassung daher abzulehnen. Nach ganz überwiegender Ansicht entfaltet eine tatsächliche Verständigung dann, wenn ein Beteiligter durch den anderen über für den Abschluss wesentliche Tatsachen arglistig getäuscht wurde, von vornherein keine Bindungswirkung oder diese kann zumindest nachträglich beseitigt werden. Bereits vor Anerkennung der tatsächlichen Verständigung als Rechtsinstitut verneinte der Bundesfinanzhof eine Bindung der Finanzbehörden aus Treu und Glauben, soweit ein Steuerpflichtiger unvollständige Angaben machte460. Der Bundesgerichtshof entschied in einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, eine tatsächliche Verständigung könne keine Bindungswirkung entfalten, wenn bei den zugrunde liegenden Erörterungen der Sachverhalt bewusst verfälscht, verschleiert oder wesentliche Tatsachen verschwiegen wurden461. Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch die Finanzverwaltung ausdrücklich angeschlossen462. Seer hält unter diesen Voraussetzungen die tatsächliche Verständigung wegen eines Verstoßes der Beteiligten gegen ihre Mitverantwortung bei der Sachaufklärung für von Anfang an unwirksam463, lässt aber zusätzlich die Anfechtung analog § 123 BGB zu464. Zu der Anfechtbarkeit analog § 123 BGB kommt auch Greite über die Anwendung der für den öffentlich-rechtlichen Vertrag geltenden §§ 59, 62 VwVfG465. Offerhaus zieht neben einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch die entsprechende Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AO in Betracht466. Letzteres erscheint widersprüchlich, da § 130 AO Steuerverwaltungsakte als einseitige Regelungen betrifft, während Offerhaus andererseits die tatsächliche Verständigung als öffentlich-rechtlichen Vertrag, also als zweiseitige 460

BFH, Urt. v. 17.12.1963 – VII 182/61 U, BFHE 78, 225 (229); vgl. oben A.II.1. BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (106); ebenso Rolletschke/ Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 29; zur Frage der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ ausführlich unten G.II. 462 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002 – 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.2; OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 7; ebenso Matthes, EFG 2009, 1808 (1810 f.). 463 Seer, Verständigungen, S. 359, 389; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 30; im Ergebnis ebenso Seer, Vogel-FS, S. 699 (713); für Nichtigkeit in entsprechender Anwendung des § 125 Abs. 2 Nr. 3 AO Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 176. 464 Seer, Verständigungen, S. 359 f.; Seer, Vogel-FS, S. 699 (714); Seer, BB 1999, 78 (84); für die entsprechende Anwendbarkeit des § 123 BGB auch Buciek, DStZ 1999, 389 (400). 465 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8410). 466 Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2098); ebenso BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.2; Dannecker, Schmitt GlaeserFS. S. 371 (383); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8410); Geuenich/Höwer, DStR 2009, 2320 (2323). 461

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

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Regelung begreift467, so dass es an der für eine Analogie erforderlichen Ähnlichkeit der Tatbestände468 fehlt. Jedenfalls dürften beide Vorschriften zu den gleichen Ergebnissen führen. Im Rahmen des hier vertretenen Treu-und-Glauben-Ansatzes ist davon auszugehen, dass der arglistig Täuschende in seinem Vertrauen in den Bestand der tatsächlichen Verständigung zu keinem Zeitpunkt schutzwürdig ist. Auf Treu und Glauben kann sich nur berufen, wer sich seinerseits rechtstreu verhalten hat469. Wenn sich herausstellt, dass einer der Beteiligten den anderen arglistig getäuscht hat, ist die tatsächliche Verständigung daher als von Anfang an unwirksam anzusehen, ohne dass es einer Anfechtung bedürfte. Die Aufdeckung einer arglistigen Täuschung der Finanzbehörde durch den Steuerpflichtigen wird zwar häufig mit der Entdeckung des wahren Sachverhalts zusammenfallen, so dass insofern auch die Möglichkeit zur Änderung des Folgebescheids gemäß § 173 AO besteht. Eine eigenständige Bedeutung kommt der Unwirksamkeit wegen arglistiger Täuschung aber dadurch zu, dass sie auch dann beachtlich ist, wenn sie zwischen dem Abschluss der tatsächlichen Verständigung und der abschließenden Verfügung für den nachfolgenden Steuerbescheid bekannt wird, und dass selbst dann, wenn die Aufdeckung der Täuschung nicht mit der Aufdeckung des wahren Sachverhalts zusammenfällt, die Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung regelmäßig Anlass weiterer Ermittlungen ist, die zu neuen Erkenntnissen im Sinne des § 173 AO führen können470.

3. Nichtigkeit bei widerrechtlicher Drohung Schließlich kann die Willensbildung insbesondere des Steuerpflichtigen durch eine widerrechtliche Drohung beeinträchtigt sein. In diesem Fall wäre die tatsächliche Verständigung ebenso wie bei einer arglistigen Täuschung von vornherein nichtig, ohne dass es einer Anfechtung etwa analog § 123 BGB bedürfte, da sich auf Treu und Glauben nur berufen kann, wer sich seinerseits rechtstreu verhalten hat471, so dass die widerrechtliche Drohung eines Beteiligten die Bindung des anderen Beteiligten an die tatsächliche Verständigung entfallen 467 Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2097); ebenso Dannecker, Schmitt Glaeser-FS. S. 371 (377); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8410); überdies wäre – die grundsätzliche Möglichkeit der Analogie vorausgesetzt – zwischen der entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 130, 131 AO einerseits bzw. der §§ 172 ff. AO zu unterscheiden. 468 Vgl. zu dieser Voraussetzung z. B. BFH, Urt. v. 22.06.1983 – II R 64/82, BFHE 138, 493 (494, 497), v. 25. Oktober 1988 – VII R 190/85, BFH/NV 1989, 601 (603) und v. 26.01.06 – V R 70/03, BFHE 213, 74 (78 f.). 469 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.06.2006 – 7 K 228/02, EFG 2006, 1809 (1813); Englisch, S. 69. 470 Vgl. bereits oben II.2.a). 471 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.06.2006 – 7 K 228/02, EFG 2006, 1809 (1813); Englisch, S. 69.

180

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

lässt472. Die Ausübung unzulässigen Drucks kann bereits darin liegen, dass dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Berater die Besprechungspunkte nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, so dass eine angemessene Vorbereitung nicht möglich ist473. Umgekehrt schließt die rechtzeitige Mitteilung von Prüfungsfeststellungen der Betriebsprüfung oder Steuerfahndung vor den Verhandlungen über eine tatsächliche Verständigung eine anderweitige Ausübung unzulässigen Drucks während der Verhandlungen nicht schlechthin aus474. Eine widerrechtliche Drohung liegt insbesondere in der Ankündigung einer – ihrerseits rechtswidrigen475 – „Strafschätzung“ durch die Finanzbehörde für den Fall, dass eine tatsächliche Verständigung mit dem gewünschten Inhalt nicht zustande kommt, oder in einer unzulässigen Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren476, um den Steuerpflichtigen zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung zu veranlassen. Wird widerrechtlich mit steuerstrafrechtlichen Konsequenzen gedroht, entfällt die hiervon ausgehende Druckwirkung regelmäßig erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Steuerstrafverfahrens. Die rechtswidrige Drohung wird in dieser Situation nicht bereits deswegen unbeachtlich, weil dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben wurde, „über den Abschluss der tatsächlichen Verständigung nachzudenken“ oder „mit seinem steuerlichen Berater Ob und Inhalt der tatsächlichen Verständigung zu erörtern“477. Diese Voraussetzungen sind entsprechend den Regeln der objektiven Beweislast478 von demjenigen, der die Anwendung einer widerrechtlichen Drohung geltend macht, regelmäßig also dem Steuerpflichtigen, zu beweisen bzw. im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen. Das Finanzgericht Münster hat in diesem Zusammenhang einige Indizien genannt, anhand derer 472

FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris; BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 8.1; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.1.; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (383); Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10526); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8415); für Nichtigkeit in entsprechender Anwendung des § 125 Abs. 2 Nr. 3 AO wiederum Hübschmann/Hepp/Spitaler – Schick, § 201 AO, Rn 176; vgl. zum Wegfall der Bindung nach Treu und Glauben wegen Ausübung unzulässigen Drucks auch BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765 (766) und v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 (938) und Beschl. v. 23.07.2002 – X B 174/01, BFH/NV 2002, 1486 (1487) sowie FG München, Beschl. v. 22.05.2009 – 15 V 182/09, EFG 2009, 1807 (1808). 473 Vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris. 474 Missverständlich insofern Pump, StBp 2002, 76 (80). 475 BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5), Beschl. v. 28.12.2001 – V B 148/01, BFH/NV 2002, 682 (683), v. 12.06.2003 – XI B 8/03, BFH/NV 2003, 1323 und v. 13.10.2003 – IV B 85/02, BFHE 203, 404 (406); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 42; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 50. 476 Hierzu sogleich 5. Kapitel, A. 477 So aber OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris, unter 7. 478 Vgl. BFH, Urt. v. 21.03.2002 – III R 42/00, BFHE 198, 526 (533); FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464 (465); Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 23.

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

181

es in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung unter dem Gesichtspunkt der widerrechtlichen Drohung verneinte. Gegen das Vorliegen einer Drohung spreche, dass die tatsächliche Verständigung „formal ordnungsgemäß“ und in Anwesenheit eines Steuerberaters zustande gekommen sei und der Steuerpflichtige die Ausübung unzulässigen Drucks erst im Nachhinein geltend gemacht habe479. Reiß hat diese Ausführungen als „verworren“ bezeichnet480. Auf welche Formvorschriften sich das Finanzgericht bei seinem Hinweis auf das „formal ordnungsgemäße“ Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung bezieht, bleibt unklar, da eine tatsächliche Verständigung zumindest nach der Rechtsprechung keiner bestimmten Form bedarf481. Die Wahrung der Schriftform gilt zwar als Indiz für den Bindungswillen der Beteiligten, lässt aber keine Rückschlüsse auf die der Willensbildung zugrunde liegenden Erwägungen zu. Die nachträgliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Verfahrenshandlung ist vom Gesetzgeber für die Klagerücknahme in § 72 Abs. 2 Satz 3 FGO ausdrücklich vorgesehen, sie kann daher auch bei anderen Verfahrenshandlungen kaum als Indiz dafür gelten, dass Unwirksamkeitsgründe nicht gegeben waren. Vor allem aber wird der Betroffene die Belastungen durch das Steuerstrafverfahren regelmäßig als gravierender empfinden als rein steuerliche Nachteile482, und sich auch einer rechtswidrigen Drohung (zunächst) fügen, um die günstige Erledigung des Steuerstrafverfahrens nicht zu gefährden. Auch wenn der Nachweis unzulässiger Druckausübung als in der Regel schwer zu belegen gilt483, erscheinen die von dem Finanzgericht Münster herangezogenen Indizien verfehlt. Allein die Einhaltung einer möglicherweise durch Verwaltungsanweisungen vorgegebenen Form bei der tatsächlichen Verständigung selbst und die Tatsache, dass sich der Steuerpflichtige erst nach Erledigung des Steuerstrafverfahrens auf die Ausübung unzulässigen Drucks beruft, können nicht als Indizien dafür herangezogen werden, dass es nicht zu einer widerrechtlichen Drohung gekommen ist.

479 FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464 (466). 480 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (519). 481 Vgl. hierzu bereits oben D.II. 482 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (516). 483 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8415); weitergehend Pump, StBp 2002, 76 (80): regelmäßig ausgeschlossen.

182

4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

IV. Einvernehmliche Auflösung Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht484, der sich im Ansatz auch die Finanzverwaltung angeschlossen hat485, ist auch eine einvernehmliche Auflösung der tatsächlichen Verständigung nicht unproblematisch486. Die ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ging zwar bereits für die damals noch nicht unmittelbar verbindliche487 tatsächliche Verständigung davon aus, dass dann, wenn ein Beteiligter nicht bei der Vereinbarung bleibt, „auch der andere Beteiligte seine Handlungsfreiheit wiedergewinne“488. In seinem Grundsatzurteil zur tatsächlichen Verständigung489 erachtete der Bundesfinanzhof hingegen die Revision des Steuerpflichtigen für vollumfänglich, die Anschlussrevision der Finanzbehörde für teilweise unbegründet. Er entschied auf Grundlage der tatsächlichen Verständigung, obwohl beide Beteiligten zum Ausdruck gebracht hatten, an ihr nicht länger festhalten zu wollen. In einer weiteren Entscheidung aus neuerer Zeit hat er zudem die Auffassung vertreten, der Zweck der tatsächlichen Verständigung, einen möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt einvernehmlich festzulegen, würde unterlaufen, wenn die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt von den abgegebenen Erklärungen wieder abrücken könnten, weil sie vermeintliche Nachteile der Einigung festzustellen glauben490. Zumindest nach der jüngeren Rechtsprechung wäre daher das zweiseitige Abrücken von der tatsächlichen Verständigung ebenso unbeachtlich wie das einseitige. Dieses Ergebnis ist auch insofern nahe liegend, als die Sachverhaltsermittlung bzw. die Mitwirkung hieran grundsätzlich nicht zur Disposition der Beteiligten steht.

V. Bedingte tatsächliche Verständigung Angesichts der weit reichenden Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung liegt es im Rahmen einer Gesamtbereinigung nahe, eine tatsächliche Verständigung ausdrücklich vorbehaltlich des in Aussicht genommenen Abschlusses des Steuerstrafverfahrens zu treffen491. Auf diese Weise würde gewährleistet, dass bei 484 Englisch, S. 62; Schmidt, DStR 1998, 1733 (1734); Buciek, DStZ 1999, 389 (399); Offerhaus, DStR 2001, 2093 (2098); Baum, NWB F 2, 9957 (9961). 485 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 7.1; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 6.1.: Aufhebung bzw. Änderung der tatsächlichen Verständigung nur in „Ausnahmefällen“. 486 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8416). 487 Vgl. hierzu A.II.1. 488 BFH, Urt. v. 02.08.1955 – I 186/54 U, BFHE 61, 345 (347); bestätigt in BFH, Urt. v. 31.01. 1956 – I 111/54 U, BFHE 62, 230 (231) und v. 25.09.1956 – I 94/56 U, BFHE 63, 379 (381). 489 BFH, Urt. v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BFHE 142, 549. 490 BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 (538). 491 So vorgeschlagen von Sauer, Rn 324; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (392); Schmidt, StuW 1998, 278 (280); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11630); Geuenich/Höwer, DStR

E. Rechtsfolgen der tatsächlichen Verständigung

183

unvorhergesehenen Komplikationen im Steuerstrafverfahren die Beteiligten ihre Handlungsfreiheit uneingeschränkt zurückgewinnen. Ebenso wäre sichergestellt, dass nach einer steuerstrafrechtlichen Vorleistung der Finanzbehörde etwa durch Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO der Steuerpflichtige sich nicht doch noch von der tatsächlichen Verständigung lösen könnte. Voraussetzung für ein solches Vorgehen wäre allerdings, dass eine tatsächliche Verständigung überhaupt bedingt getroffen werden kann, also derart, dass ihre Wirkung von einem von den Beteiligten zu bestimmenden späteren Ereignis abhängt. Dies wäre – in analoger Anwendung der §§ 158 ff. BGB – zu bejahen, wenn es sich bei den auf Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerichteten Erklärungen um Willenserklärungen handelte. Nach der hier vertretenen Auffassung492 handelt es sich bei der tatsächlichen Verständigung allerdings um das Ergebnis übereinstimmender Wissenserklärungen und die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Willenserklärungen sind nicht analog anwendbar. Zweck der tatsächlichen Verständigung ist es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt im Sinne des § 88 AO einvernehmlich festzulegen493. Dieser möglichst zutreffende (abgeschlossene) Besteuerungssachverhalt ist grundsätzlich unabhängig von zukünftigen Ereignissen494. Zwar können nach der Rechtsprechung die Beteiligten die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung durch einen ausdrücklichen Vorbehalt ausschließen495. Eine solcherart zustande gekommene tatsächliche Verständigung ist dann aber eine gänzlich informelle, nicht lediglich bedingte tatsächliche Verständigung. Auch der Hinweis, es könne – in Ermangelung der Möglichkeit einer aufschiebend bedingten Verständigung – bis zum gewünschten Abschluss des Steuerstrafverfahrens zunächst der in Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung erlassene Steuerbescheid durch Einlegung des Einspruchs „offen gehalten“ werden496, erscheint verfehlt. Die wirksam zustande gekommene tatsächliche Verstän-

2009, 2320 (2323, Fn 58); angedeutet auch von Wannemacher – Grötsch, Rn 4494 für den Fall der nicht bindenden Verständigung. 492 Vgl. hierzu oben B.III.3. 493 BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (105), v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, und v. 28.06.2001 – IV R 40/00, BFHE 196, 87 (91 f.). 494 Es erschiene allenfalls denkbar, dass die Beteiligten in besonderen Situationen eine tatsächliche Verständigung vorbehaltlich einer weiteren Prüfung abschließen, vgl. BFH, Urt. v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194 (197 f.), oder für den Fall, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keine weitere Sachverhaltsaufklärung mehr möglich ist, vgl. Jakob, Abgabenordnung, Rn 105 („Widerrufsvorbehalt“). 495 BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (107), v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537. 496 Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11630).

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4. Kap.: Tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren

digung kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs497 im Einspruchsund Klageverfahren nicht mehr überprüft werden.

VI. Zwischenergebnis Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ergibt sich die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im konkreten Steuerrechtsverhältnis, sie erstreckt sich nicht nur auf die an der tatsächlichen Verständigung unmittelbar Beteiligten, sondern im Ergebnis auch auch auf die Finanzgerichte. Die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung ist ex ante zu betrachten, sie bleibt von nachträglich gewonnenen Erkenntnissen der Beteiligten grundsätzlich unberührt. Auch ein auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung erlassener Steuerbescheid muss allerdings in Anwendung der für Schätzungsbescheide entwickelten Grundsätze gemäß § 173 AO geändert werden, wenn nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einem völlig aus dem bisherigen Rahmen fallenden Ergebnis führen. Fehlvorstellungen der Beteiligten beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung sind grundsätzlich unbeachtlich, abweichend hiervon führt die arglistige Täuschung eines Beteiligten durch den anderen ohne weiteres zur Nichtigkeit der tatsächlichen Verständigung. Von Anfang an nichtig ist auch eine tatsächliche Verständigung, die durch eine widerrechtliche Drohung herbeigeführt wurde. Selbst die einvernehmliche Aufhebung einer wirksam getroffenen tatsächlichen Verständigung erscheint fraglich. Ausgeschlossen ist eine „bedingte“ tatsächliche Verständigung.

F. Zusammenfassung F. Zusammenfassung

Die tatsächliche Verständigung ermöglicht eine konsensuale Erledigung des Besteuerungsverfahrens durch einvernehmliche verbindliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Sie wurde bereits vom Reichsfinanzhof als rein faktisches Phänomen beschrieben und von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu einem eigenständigen Rechtsinstitut weiterentwickelt, obwohl dem Steuerrecht eine „Kooperationsmaxime“ im Sinne partnerschaftlicher Gleichordnung von Finanzbehörde und Steuerpflichtigem fremd ist. Die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung ist nach wie vor umstritten. Dieser Streit ist nicht rein akademischer Natur, sondern sowohl für das Besteuerungsverfahren als auch unter steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten von praktischer Bedeutung. Einer tatsächlichen Verständigung liegen nicht übereinstimmende Willens-, sondern übereinstimmende Wissenserklärungen zugrunde, sie stellt daher keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Die tatsächliche Verständigung ist nur zulässig zur Ermittlung abgeschlossener 497

Vgl. hierzu und zu den diesbezüglichen Bedenken oben I.

F. Zusammenfassung

185

Sachverhalte, nicht hingegen über Rechtsfragen und zukünftige Sachverhalte, sie setzt eine erschwerte Sachverhaltsermittlung voraus, darf aber nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen. Sie kann in jedem Stadium des Veranlagungsverfahrens getroffen werden, auch noch im finanzgerichtlichen Verfahren, und setzt eine besondere Form nicht voraus. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erscheint eine persönliche Mitwirkung eines zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugten Amtsträgers nicht erforderlich, dieser kann sich stattdessen durch einen im Voraus bestellten Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung ergibt sich zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im konkreten Steuerrechtsverhältnis, sie erstreckt sich im Ergebnis auch auf die Finanzgerichte. Es entspricht der Natur der tatsächlichen Verständigung, dass das nachträgliche Bekanntwerden neuer Erkenntnisse und Beweismittel sowie Willensmängel der Beteiligten grundsätzlich unbeachtlich sind. Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung kann allerdings nicht die zwingenden Vorschriften der §§ 172 ff. AO überspielen. Eine durch Täuschung oder die Ausübung unzulässigen Drucks bewirkte tatsächliche Verständigung ist von vornherein unwirksam. Hingegen erscheint die Möglichkeit auch zur einvernehmlichen Aufhebung einer tatsächlichen Verständigung fraglich.

5. Kapitel

6

Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung 5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung Unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbereinigung kommt dem „heiklen“1 Verhältnis der tatsächlichen Verständigung zu einem parallel laufenden Steuerstrafverfahren und den materiell-steuerstrafrechtlichen Aspekten der tatsächlichen Verständigung wesentliche Bedeutung zu. Dies betrifft zunächst die Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf die tatsächliche Verständigung, sodann die materiellsteuerstrafrechtlichen Konsequenzen und die prozessuale Bedeutung der tatsächlichen Verständigung im bereits laufenden Steuerstrafverfahren. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in der tatsächlichen Verständigung eine neue Straftat liegen kann.

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf die tatsächliche Verständigung A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

Entscheidend ist zunächst, ob eine tatsächliche Verständigung auch während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens möglich ist oder ob bereits das schwebende Steuerstrafverfahren als solches eine Drohkulisse darstellen kann, die zur Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung führt. Sofern man eine tatsächliche Verständigung auch während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens grundsätzlich für möglich hält, sind die hierfür bestehenden Anforderungen, insbesondere die Grenze zur widerrechtlichen Drohung, zu erörtern. Einzugehen ist auch auf die Bedeutung des im allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelten Koppelungsverbots im Rahmen der tatsächlichen Verständigung.

I. Tatsächliche Verständigung grundsätzlich möglich Die Wirksamkeit einer während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung war zunächst umstritten. Das Finanzgericht Berlin entschied, der von einer gesetzlichen Strafdrohung ausgehende

1

Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10526).

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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Druck sei nicht rechtswidrig2. Demgegenüber vertrat das Niedersächsische Finanzgericht die Auffassung, die tatsächliche Verständigung sei unwirksam, wenn sie unter dem Druck eines laufenden Steuerstrafverfahrens getroffen worden sei; schon die Möglichkeit einer unstatthaften Beeinflussung reiche aus, um eine Vereinbarung als nicht bedenkenfrei erscheinen zu lassen3. Der Bundesfinanzhof hat seitdem allerdings in mehreren Entscheidungen erkennen lassen, dass der Hinweis, tatsächliche Feststellungen seien in jedem Stadium des Veranlagungsverfahrens möglich4, grundsätzlich auch die Ermittlungen der Steuerfahndung mit einschließt5. Dem haben sich die Finanzgerichte6 und die überwiegende Meinung in der Literatur angeschlossen7. Auch in der Finanzverwaltung hat sich zwischenzeitlich die Auffassung durchgesetzt, dass eine tatsächliche Verständigung auch bei Steuerfahndungsprüfungen und nach Einleitung eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens möglich ist8.

2 FG Berlin, Urt. v. 13.01.1987 – VII 474/84, EFG 1987, 439 (440); zust. OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.1., und OFD Hannover, Vfg. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 7.1. 3 Niedersächsisches FG, Urt. v. 12.12.1991 – II 218, 248, 401/90, nicht veröffentlicht, zit. nach Streck, StuW 1993, 366 (370), dort Fn. 37; OFD Hannover, Vfg. v. 02.07.1992 – S 0223 – 19 – StO 421/S 0223 – 22 – StH 321 –, Stbg 1993, 34 (36); Englisch, S. 62; gegen die Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung bei dem Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit auch OFD Hamburg, Vfg. v. 23.03.1989 – S 0223 – 1/89 – St 22, DStR 1989, 748 (749); widersprüchlich Beermann/Gosch – Sauer, § 162 AO, Rn 100 einerseits, § 201 AO, Rn 30.2 andererseits. 4 So erstmals BFH, Urt. v. 06.02.1991 – I R 13/86, BFHE 164, 168 (171). 5 BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765, v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 und v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292, Beschl. v. 23.07.2002 – X B 174/01, BFH/NV 2002, 1486 (1487); unzutreffend insofern die Behauptung von Beermann/Gosch – Sauer, § 201 AO, Rn 42 (dort Fn. 5), die von FG Berlin, Urt. v. 13.01.1987 – VII 474/84, EFG 1987, 439 (440) vertretene Auffassung werde „nicht mehr geteilt“; vgl. zur Zusage einer Klagerücknahme im Besteuerungsverfahren als Voraussetzung einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO auch BFH, Beschl. v. 21.03.1995 – I B 142/94, BFH/ NV 1995, 994, wo allerdings offen bleibt, ob der Zusage eine förmliche tatsächliche Verständigung zugrunde lag. 6 Vgl. z. B. FG München, Urt. v. 18.06.2002 – 6 K 668/97, juris; FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464 (465); FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris, und v. 13.12. 2005 – II 384/2001, juris. 7 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (384); Streck, StuW 1993, 399 (370); Iwanek, DStR 1993, 1394 (1396); v. Wedelstädt, AO-StB 2001, 190 (191); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8415); Pump, StW 2007, 171 (177); Baum, NWB F 2, 9957 (9958); vorausgesetzt auch von Eich, S. 52, 123 und Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 91; krit. hingegen Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (517 f.). 8 Vgl. BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 1.; OFD Hannover, Vfg. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 7.1; unklar OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.10.2006 – S 0223 – 2 – St 251, juris: Zwar soll von der tatsächlichen Verständigung auch bei Steuerfahndungsprüfungen und nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens Gebrauch gemacht werden können (Ziffer 1.), andererseits sind auch Anklänge an die Rechtsprechung des Niedersächsischen FG zu erkennen (Ziffer 7.).

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

In der Tat bestehen gegen eine parallele Erledigung des Besteuerungs- und Steuerstrafverfahrens – die allein den Bedürfnissen der Praxis entspricht9 – aus steuerrechtlicher Sicht grundsätzlich keine durchgreifenden Bedenken. Das Nebeneinander von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren wird vom Gesetzgeber ausdrücklich vorausgesetzt. Aus § 393 Abs. 1 AO ergibt sich, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Besteuerungsverfahren neben dem Steuerstrafverfahren grundsätzlich weiterläuft und beide Verfahren gleichrangig sind10. Bei zeitlich getrennter Durchführung beider Verfahren bedürfte es keiner Unterscheidung der jeweils bestehenden Rechte und Pflichte der Beteiligten. Auch die in § 396 AO vorgesehene Möglichkeit der Aussetzung des Steuerstrafverfahrens bis zum Abschluss der Besteuerungsverfahrens geht offenbar vom Nebeneinander beider Verfahren als Regelfall aus11. Das Nebeneinander von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist der gesetzlich vorgesehene Regelfall, die als solche nicht auszuschließende faktische Beeinflussung des einen Verfahrens durch das andere ist daher, wie bereits vom Finanzgericht Berlin festgestellt, jedenfalls nicht rechtswidrig und kann dementsprechend auch die Wirksamkeit einzelner Verfahrenshandlungen nicht in Frage stellen12.

II. Abgrenzung zur widerrechtlichen Drohung Wenn demnach ein parallel laufendes Steuerstrafverfahren bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung noch keine widerrechtliche Drohung bewirkt, kann sich unzulässiger Druck auf den Steuerpflichtigen entweder bereits aus der inhaltlichen Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren als solcher oder erst aus der konkreten Art der Verknüpfung ergeben. Sofern man der zweiten An-

9 Streck, StuW 1993, 366 (370): Sukzessive Erledigung „praxisfern“; vgl. auch Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 69; Sauer, Rn 327; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (497 f.); Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (682); vgl. auch OFD Hannover, Vfg. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 7.1: bei tatsächlicher Verständigung nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens „frühzeitige Einschaltung der Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. der Staatsanwaltschaft“ empfehlenswert, ebenso nunmehr BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 1.; ausführlich hierzu unten 6. Kapitel, A. 10 BFH, Beschl. v. 19.10.2005 – X B 88/05, BFH/NV 2006, 15 (16); Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 91 ff.; Wenzel, S. 85 f.; Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 18; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 4; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 11; Kohlmann – Kohlmann, § 393 AO, Rn 16; Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 1; Randt, DStJG 31, 263 (265); Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (493). 11 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 32; ebenso List, BB 2006, 469, der verfassungsrechtliche Bedenken geltend macht, die allerdings nicht durchgreifen, vgl. oben 3. Kapitel, A.IV.1. und sogleich unten B.IV.2. 12 I. E. ebenso FG Köln, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 2899/97, juris, das die Rechtmäßigkeit der Verknüpfung beider Verfahren allerdings im Wesentlichen mit Zweckmäßigkeitsüberlegungen begründet.

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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sicht folgt, sind die Aussagen des § 393 Abs. 1 AO für das Verhältnis zwischen Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren von besonderer Bedeutung.

1. Zulässigkeit der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren Zu der Frage, wann bei einer während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung eine widerrechtliche Drohung vorliege, entschied zunächst das Finanzgericht Münster in dem bereits erwähnten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, eine unzulässige Beeinflussung könne gegeben sein, wenn für den Fall des Nichtabschlusses einer tatsächlichen Verständigung mit Konsequenzen für ein laufendes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren bzw. Steuerstrafverfahren gedroht werde13. Demnach wären verfahrensübergreifende Verständigungen kaum möglich. Das Finanzgericht räumt in seiner Entscheidung allerdings selbst ein, dass ein Steuerpflichtiger, der während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens an einer tatsächlichen Verständigung mitwirkt, dies freiwillig tut, weil er sich hiervon einen Vorteil, unter Umständen auch für das Steuerstrafverfahren, verspricht. Es hält eine für den Steuerpflichtigen bzw. Beschuldigten vorteilhafte Auswirkung der tatsächlichen Verständigung auf das Steuerstrafverfahren ausdrücklich für möglich. In dieser Situation ist sich aber insbesondere der fachkundig beratene Steuerpflichtige bzw. Beschuldigte auch ohne einen entsprechenden Hinweis der Finanzbehörde darüber im Klaren, dass die fehlende Einigungsbereitschaft im Besteuerungsverfahren auch seine Position im Steuerstrafverfahren beeinflusst. Im Hinblick darauf ist es widersprüchlich, wenn das Finanzgericht Münster zwar ausdrücklich anerkennt, dass eine tatsächliche Verständigung nicht deshalb unwirksam ist, weil sie während eines laufenden steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. Steuerstrafverfahrens abgeschlossen wurde, aber einen sachlich zutreffenden Hinweis auf die zwischen beiden Verfahren bestehenden und dem Steuerpflichtigen bewussten Wechselwirkungen14 bereits als Ausübung unzulässigen Drucks einordnet. Allein die inhaltliche Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren bzw. der Hinweis darauf im Vorfeld einer tatsächlichen Verständigung ist steuerrechtlich nicht zu beanstanden.

13 FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464; ebenso OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 7.1., und OFD Hannover, Vfg. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 7.1.; v. Wedelstädt, AO-StB 2001, 190 (193) und nunmehr auch Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 94c. 14 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel, E. und 3. Kapitel, A. I.; speziell zu den Auswirkungen der tatsächlichen Verständigung Eich, S. 85; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 91; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (519); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (384); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1735) und ausführlich unten C.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

2. Anforderungen an die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren Wenn man die grundsätzliche Möglichkeit bejaht, eine tatsächliche Verständigung nicht nur während eines laufenden Steuerstrafverfahrens, sondern gerade (auch) im Hinblick auf dieses abzuschließen, stellt sich die Frage, welche Anforderungen im einzelnen an die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren zu stellen sind bzw. unter welchen Voraussetzungen diese Verknüpfung unzulässig wird. Ausgangspunkt ist dabei das in § 393 Abs. 1 AO geregelte Verhältnis von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren.

a) Gebot der Zweckrichtigkeit gemäß § 393 AO Trotz der faktischen Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist für die Zulässigkeit der bewussten Verknüpfung beider Verfahren § 393 Abs. 1 AO zu berücksichtigen. § 393 Abs. 1 AO geht zwar von der Gleichrangigkeit und Gleichzeitigkeit des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens aus, sieht aber gleichzeitig die rechtliche Trennung beider Verfahren vor15. Angesichts der faktischen Verknüpfung beider Verfahren bedeutet dies vor allem das Gebot der Zweckrichtigkeit. Danach wird jedes Verfahren von seinem eigenen Zweck bestimmt und es ist zweck- und rechtswidrig, ein Verfahren zugunsten des Zwecks des jeweils anderen Verfahrens anzuwenden. Konkret ist damit gesagt, dass sich die Steuerbehörden nicht der Strafverfolgungsbehörden und ihrer Befugnisse für Steuerzwecke und dass sich die Strafverfolgungsbehörden nicht der Finanzämter und ihrer Befugnisse für Strafverfolgungszwecke bedienen dürfen. Das Gebot der Zweckrichtigkeit ist gleichzeitig das Verbot der zweckwidrigen Verfahrensnutzung16. Aus dem Verbot der zweckwidrigen Verfahrensnutzung folgt zum einen, dass die tatsächliche Verständigung auch in Hinterziehungsfällen ausschließlich steuerrechtlichen Zwecken dienen und nicht mit Sanktionszwecken etwa in Gestalt eines „Strafzuschlags“ als vermeintlicher Ersatz für oder in vermeintlicher Ergänzung von Strafen oder Auflagen für eine Einstellung gemäß § 153a StPO verbunden werden darf17. Da Adressat des § 393 Abs. 1 AO die Steuer- und Strafverfolgungsbehörden sind, kann es aus Sicht des Besteuerungsverfahrens dem Steuerpflichtigen aber nicht verwehrt sein, an einer Erledigung des Besteuerungsverfahrens mitzuwirken, wenn und soweit er dadurch seine Position im Steuerstrafverfahren verbessert. Das Steuerstrafverfahren darf lediglich nicht als Drohmittel verwendet

15

Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 32 f. Röckl, S. 93; Tipke/Lang – Seer, § 21, Rn 256; Streck, DStJG 6, S. 217 (226); Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (494 ff.); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (549). 17 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (513); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (550 f.). 16

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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werden, um die Zustimmung zu einer Schätzung bzw. den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung im Besteuerungsverfahren zu erreichen18. Da nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen des Zwangsmittelverbots gemäß § 393 Abs. 1 Satz 2 AO die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen faktisch suspendiert sind19, ergibt sich eine ähnliche Situation wie im Steuerstrafverfahren, in dem trotz der Aussagefreiheit des Beschuldigten der Hinweis auf die strafmildernde Wirkung des Geständnisses allgemein für zulässig erachtet wird20, und erst die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme gemäß § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO als widerrechtlich gilt. Andererseits gibt es eine § 136a StPO vergleichbare Norm, die die Auswirkung der Ausübung unzulässigen Drucks auf den Steuerpflichtigen betrifft, im Steuerverfahrensrecht nicht. § 125 Abs. 2 Nr. 3, 4 AO betreffen nicht die Drohung mit, sondern die Verpflichtung zu einer rechtswidrigen Maßnahme, § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO und § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c) AO nur den Einsatz unlauterer Mittel durch den Steuerpflichtigen. Für die „subtile“21 Abgrenzung zwischen dem erlaubten Hinweis auf die steuerstrafrechtlichen Folgen einer tatsächlichen Verständigung einerseits und der unerlaubten Drohung andererseits bietet sich daher der Rechtsgedanke des § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO an, wonach es entscheidend auf die Rechtmäßigkeit der in Aussicht gestellten steuerstrafrechtlichen Maßnahme nach den für das Steuerstrafverfahren geltenden Vorschriften ankommt22. Der Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme steht dann das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils gleich. Generell unzulässig wäre es daher beispielsweise, die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens von der Bereitschaft zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung abhängig zu machen. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens unterliegt gemäß § 152 Abs. 2 StPO bzw. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO, § 152 Abs. 2 StPO bzw. § 399 Abs. 2 StPO dem Legalitätsgrundsatz und ist von der Zustimmung zu einer Schätzung bzw. der Mitwirkung einer tatsächlichen Verständigung unabhängig23. Die Zustim18

Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (392); Achatz, DStJG 28, S. 161 (185). Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 263; Hellmann, Neben-Strafverfahrensrecht, S. 99 f.; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 39; Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 1; Joecks, Kohlmann-FS, S. 451 (452). 20 Zur Zulässigkeit dieses Hinweises bereits BGH, Urt. v. 30.10.1951 – 1 StR 363/51, BGHSt 1, 387 (388); für die Zusage einer Strafobergrenze im Rahmen einer strafprozessualen Verständigung ebenso Graumann, S.189. 21 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (518). 22 So in der Sache auch Matthes, EFG 2009, 1808 (1810) und Pump, StW 2007, 171 (176; bezüglich einer Einspruchsrücknahme): „Der rechtliche Hinweis auf die sonst möglichen, regulären Folgen ist kein unzulässiger Druck“; a.A. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 94c. 23 FG München, Beschl. v. 22.05.2009 – 15 V 182/09, EFG 2009, 1807 (1808), mit zust. Anm. Matthes, EFG 2009, 1808 f.; Seer, Verständigungen, S. 281; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (547); widersprüchlich Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (391 f.), der sich zwar auf Seer bezieht, es aber dennoch für zulässig hält, wenn die Finanzbehörde in Aussicht stellt, im Fall einer tatsächlichen Verständigung von der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens abzusehen. 19

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

mung zu einer Schätzung bzw. die Mitwirkung bei einer tatsächlichen Verständigung betreffen lediglich das Nachtatverhalten und können erst bei der Entscheidung über den Abschluss des Steuerstrafverfahrens berücksichtigt werden. Ein gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil ist auch ein bestimmter (vorteilhafter) Abschluss des Steuerstrafverfahrens, wenn er von einer unzuständigen Stelle versprochen wird oder nach dem Straf- oder Strafprozessrecht nicht rechtmäßig ist24. Ebenfalls unzulässig wäre der gezielte Einsatz von Untersuchungshaft als Druckmittel auf den Steuerpflichtigen, da sich die Voraussetzungen der Untersuchungshaft in Steuerstrafsachen unabhängig von der Durchführung des Besteuerungsverfahrens ausschließlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 112 ff. StPO richten. Allein die Tatsache, dass sich der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt des Abschlusses der tatsächlichen Verständigung wegen des Steuerstrafverfahrens in rechtmäßiger Untersuchungshaft befand, begründet hingegen noch keine Ausübung unzulässigen Drucks25.

b) Anwendung der zum Klagerücknahmeversprechen entwickelten Grundsätze Dem Gebot der Zweckrichtigkeit bzw. dem Verbot der zweckwidrigen Verfahrensnutzung entspricht es, dass der Bundesfinanzhof in zwei den gleichen Fall betreffenden Urteilen entschied, dass eine anwaltlich vertretene Klägerin, die als Teil einer tatsächlichen Verständigung mit den Finanzbehörden die Rücknahme der Klage zusagt, um dadurch die außergerichtliche Beilegung zahlreicher nach einer Steuerfahndungsprüfung entstandener Streitigkeiten mit den Finanzbehörden und die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens gegen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer zu erreichen, nur dann nicht an die Zusage gebunden ist, wenn sich ergibt, dass die an der Verständigung mitwirkenden entscheidungsbefugten Finanzbeamten mit dem zuständigen Staatsanwalt zusammenwirkten, um nach damaligem Erkenntnisstand unhaltbare Steueransprüche durchzusetzen26. Die bloße Anwesenheit des Vertreters der Bußgeld- und Strafsachsenstelle bei der tatsächlichen Verständigung und deren Verbindung mit einem steuerstrafrechtlichen Geständnis soll selbst im Zusammenwirken mit weiteren Umständen keinen unzulässigen

24

Vgl. bereits 3. Kapitel, C.IV. FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris, und v. 13.12.2005 – II 384/2001, juris; die Urteile betrafen den gleichen Kläger und die gleiche tatsächliche Verständigung, das Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001 die Einkommen-, das Urt. v. 13.12.2005 – II 384/2001 die Umsatzsteuer. 26 BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765 (766) und v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 (938); ebenso Beermann/Gosch – Stöcker, § 72 FGO, Rn 45; Pump, StW 2007, 171 (176); ähnlich bereits BFH, Beschl. v. 21.03.1995 – I B 142/94, BFH/ NV 1995, 994, wo allerdings unklar bleibt, ob das Klagerücknahmeversprechen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung gegeben wurde. 25

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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Druck begründen27. Obwohl der Bundesfinanzhof in den ersten beiden Entscheidungen jeweils nur über die Wirksamkeit des Klagerücknahmeversprechens, nicht der tatsächlichen Verständigung als solcher, zu entscheiden hatte, wird seine diesbezügliche Rechtsprechung auf die tatsächliche Verständigung übertragen28. Auch wenn in der tatsächlichen Verständigung weder ein Klageverzicht noch eine Klagerücknahme noch eine hierauf gerichtete Zusage liegt, ist dies insofern berechtigt, als sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowohl die Bindung an die Zusage der Klagerücknahme als auch die Bindung an die tatsächliche Verständigung aus Treu und Glauben ergibt und beide insofern gleichen Grundsätzen folgen.

c) Verbot der Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche Bei der Übertragung der zum Klagerücknahmeversprechen entwickelten Rechtsprechung auf die tatsächliche Verständigung stellt sich zwar die Frage, ob das Verbot der „Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche“ neben dem für die tatsächliche Verständigung ohnehin gegebenen Tatbestandsmerkmal der „nicht offensichtlich unzutreffenden Ergebnisse29“ überhaupt eigenständige Bedeutung entfalten kann. Das Verbot der „Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche“ ist allerdings seinem Wortlaut nach weiter gehend, da es sich – anders als die allgemeine Inhaltskontrolle – nicht auf eine Evidenzkontrolle beschränkt, ihm kommt eine eigenständige Bedeutung zu. Tatsächliche Verständigungen, die während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens getroffen werden, unterliegen daher nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Ergebnis einer besonderen Inhaltskontrolle, bei der es entscheidend darauf ankommt, ob sie der „Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche“ dienen.

aa) Gesamtwürdigung aller Umstände Der Bundesfinanzhof hat eine Durchsetzung „unhaltbarer“ Steueransprüche in den beiden von ihm entschiedenen Fällen jeweils verneint, weil die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren die betroffenen Steuerpflichtigen nicht daran hinderte, mit Erfolg Einwendungen gegen die Feststellungen und

27

BFH, Beschl. v. 23.07.2002 – X B 174/01, BFH/NV 2002, 1486 (1487); vgl. auch BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292 (Mitwirkung eines Vertreters der Bußgeld- und Strafsachenstelle, Verbindung der tatsächlichen Verständigung mit der Zusage der Einstellung des Steuerstrafverfahrens). 28 FG Nürnberg, Urt. v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris; Achatz, DStJG 28, S. 161 (185 f.); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11630); Greite, NWB Fach 2, 8405 (8415); ebenso, allerdings krit. Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (517). 29 Vgl. hierzu oben 4. Kapitel, C.III.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Wertungen des Betriebsprüfers oder Steuerfahnders geltend zu machen30. Dennoch sind ohne weiteres Konstellationen denkbar, in denen eine tatsächliche Verständigung trotz erfolgreicher Einwände gegen einzelne Feststellungen und Wertungen des Prüfungsberichts weiterhin zu in Wirklichkeit „unhaltbaren“ Steueransprüchen führt. Allgemein lassen sich aus Einwendungen gegen Prüfungsberichte und der Berücksichtigung bei der tatsächlichen Verständigung Folgerungen nur in Abhängigkeit von der Qualität des Prüfungsberichts im Einzelfall ziehen. Die Berücksichtigung von Einwendungen des Steuerpflichtigen kann daher für die Frage, ob eine tatsächliche Verständigung der Durchsetzung „unhaltbarer“ Steueransprüche dient, allenfalls Indizfunktion haben. Es ist ebenso wie bei der Prüfung, ob eine tatsächliche Verständigung zu „offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen“ führt, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. In Anbetracht der erschwerten Sachverhaltsermittlung und der dadurch gegebenen materiellen Unsicherheiten ist dabei nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Umstände des Zustandekommens der tatsächlichen Verständigung abzustellen. Ähnlich wie bei der Frage, ob eine tatsächliche Verständigung zu „offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen“ führt, liegt auch für die Beurteilung, ob eine tatsächliche Verständigung der „Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche“ dient, die Heranziehung der zur Fehlerhaftigkeit von Schätzungsbescheiden entwickelten Grundsätze31 nahe. Da anders als bei der Prüfung, ob eine tatsächliche Verständigung zu „offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt“, nicht nur eine Evidenzkontrolle anzustellen ist, dürfte in Anwendung dieser Grundsätze eine Durchsetzung „unhaltbarer“ Steueransprüche aber bereits dann zu bejahen sein, wenn ein Schätzungsbescheid entsprechenden Inhalts rechtswidrig, nicht erst, wenn er nichtig wäre.

bb) Mitwirkung eines steuerlichen Beraters Bei der Prüfung, ob eine tatsächliche Verständigung zu „offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen“ führt, ist die Mitwirkung bzw. fehlende Mitwirkung des steuerlichen Beraters nur ein Aspekt innerhalb der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände. Hinsichtlich der Prüfung, ob eine tatsächliche Verständigung der „Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche“ dient, könnte der Umstand, dass sich die diesbezügliche Rechtsprechung ausdrücklich nur auf Fälle anwaltlich vertretener Steuerpflichtiger bezieht, allerdings den Schluss nahe legen, dass eine nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens getroffene tatsächliche Verständigung mit einem nicht von einem Rechtsanwalt oder Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertretenen Steuerpflichtigen stets unwirksam ist. 30 BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765 (766) und v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 (938). 31 Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5); Hübschmann/Hepp/ Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 42; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 50.

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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Der Bundesfinanzhof geht offenbar davon aus, ein fachkundiger Bevollmächtigter bzw. ein fachkundig beratener Steuerpflichtiger vermöchte unzulässigem Druck besser standzuhalten bzw. sich unzulässiger Einflussnahmen besser zu erwehren als ein nicht beratener Steuerpflichtiger32. Aus § 80 Abs. 1 Satz 1 AO und § 62 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich allerdings, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten dem Steuerpflichtigen grundsätzlich freigestellt ist. Ungeachtet der Tatsache, dass eine tatsächliche Verständigung mit einem nicht fachkundig beratenen bzw. vertretenen Steuerpflichtigen die Ausnahme sein wird, kann ein Steuerpflichtiger, der von der Zuziehung eines Bevollmächtigten absieht, insofern nicht von vornherein von einer tatsächlichen Verständigung ausgeschlossen werden. Da § 80 AO und § 62 FGO für den Fall, dass parallel zum Besteuerungsverfahren ein Steuerstrafverfahren läuft, keine abweichende Regelung enthalten, kann insofern nichts anderes gelten. Auch bei strafrechtlichen Verständigungen wird grundsätzlich auf eine Differenzierung zwischen verteidigten und unverteidigten Angeklagten bewusst verzichtet33. Dies spricht dafür, dass trotz der möglicherweise missverständlichen Formulierung in den zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs die Mitwirkung eines anwaltlichen Vertreters bzw. steuerlichen Beraters bei einer während eines parallel laufenden Steuerstrafverfahrens geschlossenen tatsächlichen Verständigung nur eines von mehreren im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu betrachtenden Indizien für deren Zulässigkeit ist und keine zwingende Voraussetzung.

d) Subjektive Voraussetzungen Nach Reiß’ Ansicht ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs so zu verstehen, dass zu dem Zusammenwirken zur Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche weitere subjektive Voraussetzungen hinzutreten müssten, um eine rechtswidrige Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren annehmen zu können34. Die Veranlagungsstelle und die Staatsanwaltschaft müssten das rechtswidrige Ergebnis bewusst und gewollt herbeigeführt haben, und auch dies wäre entsprechend den Regeln der objektiven Beweislast35 von dem Steuerpflichtigen, der sich auf die Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung beruft, zu beweisen. 32

Ebenso FG Köln, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 2899/97, juris, und grds. auch Reiß, GrünwaldFS, S. 495 (516 ff.); die von Reiß in beiden vom BFH entschiedenen Fällen angenommene Interessenkollision seitens des steuerlichen Beraters ist den Sachverhaltsdarstellungen in den Entscheidungen nicht zu entnehmen, vgl. BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765 (766) und v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 (938). 33 BT-Drs. 16/12310, S. 2. 34 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (518 f.). 35 Vgl. BFH, Urt. v. 21.03.2002 – III R 42/00, BFHE 198, 526 (533);FG Münster, Beschl. v. 29.01.1996 – 8 V 5581/95 E, U und 8 V 188/96 U, EFG 1996, 464 (465); Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 23.

196

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Der Bundesfinanzhof spricht allerdings nur von einem „Zusammenwirken“ von Veranlagungsstelle und Staatsanwaltschaft, nicht von einem „bewussten Zusammenwirken“, und auch die Beeinflussung des Steuerpflichtigen ist unabhängig von den für ihn nicht ohne weiteres erkennbaren inneren Absichten der Behördenvertreter. Zudem ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkannt, dass eine vom Steuerpflichtigen erklärte Klagerücknahme nicht erst dann nach Treu und Glauben unwirksam ist, wenn der Steuerpflichtige zu der Klagerücknahme durch bewusste Täuschung seitens der Finanzbehörde veranlasst wurde. Es wird stattdessen auch eine unbewusste Irreführung für ausreichend erachtet, da die Finanzbehörde das Recht kennen muss36, und zwar auch dann, wenn die Klagerücknahme von einem rechtskundigen Bevollmächtigten erklärt wurde37. Entscheidend ist, dass die Entscheidungsfreiheit des Steuerpflichtigen objektiv beeinträchtigt wurde38. Insofern kann es auch für die Frage, ob eine tatsächliche Verständigung wegen des Zusammenwirkens der Veranlagungsstelle und der Staatsanwaltschaft zur Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche gegeben war, auf einen entsprechenden Vorsatz der beteiligten Amtsträger grundsätzlich nicht ankommen.

3. Zwischenergebnis Allein der zutreffende Hinweis auf die faktisch gegebene Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren stellt noch keine widerrechtliche Drohung dar, die zur Unwirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung führen würde. Bei der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist jedoch das Gebot der Zweckrichtigkeit bzw. das Verbot der zweckwidrigen Verfahrensnutzung zu beachten, das sich aus § 393 Abs. 1 Satz 1 AO ergibt. § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO findet entsprechende Anwendung. Unter diesen Voraussetzungen ist eine widerrechtliche Drohung erst dann gegeben, wenn Steuer- und Strafverfolgungsbehörde zusammenwirken, um nach gegenwärtigem Erkenntnisstand unhaltbare Steueransprüche durchzusetzen. Ob Steueransprüche „unhaltbar“ sind, ist ebenso wie die Frage, ob eine tatsächliche Verständigung zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu beurteilen, dabei aber nicht lediglich eine Evidenzkontrolle durchzuführen. Der Mitwirkung eines steuerlichen Beraters kommt nur Indizfunktion im Rahmen der Gesamtwürdigung zu. Dass die beteiligten Behördenvertreter bezüglich der widerrechtlichen Drohung vorsätzlich handeln, ist nicht erforderlich.

36 BFH, Urt. v. 19.12.1958 – III 35/58 U, BFHE 68, 296 (303), v. 13.05.1959 – IV 159/58 U, BFHE 69, 88 (91) und v. 17.08.1961 – IV 176/59 S, BFHE 74, 284 (287 f.). 37 BFH, Urt. v. 06.07.2005 – XI R 15/04, BFHE 210, 4 (7 f.); FG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1994 – 5 K 62/91, EFG 1994, 1107; Gräber – Koch, § 72 FGO, Rn 21; Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 72 FGO, Rn 125. 38 Vgl. Beermann/Gosch – Stöcker, § 72 FGO, Rn 46.

A. Unmittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

197

III. Bedeutung des „Koppelungsverbots“ Von dem Fall des Zustandekommens der tatsächlichen Verständigung infolge widerrechtlicher Drohung oder unzulässiger Versprechen zu unterscheiden ist der Fall des Verstoßes gegen das so genannte Koppelungsverbot, das im allgemeinen Verwaltungsrecht in § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG bzw. den entsprechenden Normen des Landesrechts geregelt ist. Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot führt im allgemeinen Verwaltungsrecht zur Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG bzw. den entsprechenden Normen des Landesrechts. Im Steuerrecht bedeutet das Koppelungsverbot, dass sich die Finanzbehörde im Zusammenhang mit dem Abschluss einer tatsächlichen Verständigung nicht Zugeständnisse bei der Festlegung der Besteuerungsgrundlagen durch Gegenleistungen „bezahlen“ lassen darf, die hiermit nicht in sachlichem Zusammenhang stehen, sich etwa auf ein anderes Besteuerungsverfahren oder ein außersteuerliches Entgegenkommen beziehen39. Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot führt zwar – ebenso wie die Ausübung unzulässigen Drucks – zur Nichtigkeit der tatsächlichen Verständigung40. In dogmatischer Hinsicht hat allerdings das Koppelungsverbot auch objektiv-rechtliche Funktion, indem es dem Schutz der Allgemeinheit vor dem „Ausverkauf von Hoheitsrechten dient“41, während das Verbot der Ausübung unzulässigen Drucks den Schutz der subjektiven Rechte des Bürgers bzw. Steuerpflichtigen bezweckt. Da in aller Regel der Betroffene die von dem Steuerstrafverfahren ausgehenden Belastungen als gravierender empfinden wird als steuerliche Nachteile42, ist allerdings kaum davon auszugehen, dass sich ein Steuerpflichtiger bereit finden wird, steuerrechtliche Vorteile durch steuerstrafrechtliche Zugeständnisse zu „erkaufen“. Die Erledigung des Besteuerungsverfahrens gilt als Schlüssel zur Erledigung des Steuerstrafverfahrens, nicht umgekehrt43. Die Relevanz des Koppelungsverbots im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist daher für die Gesamtbereinigung eher gering. Etwas anderes gilt nur, wenn man mit Seer44 den Anwendungsbereich des Koppelungsverbots auch auf die Fälle ausdehnen will, in denen der Steuerpflichtige bei Abschluss einer tatsächlichen Verständigung Zugeständ39 Beermann/Gosch – Rüsken, § 78 AO, Rn 64; Greite, NWB Fach 2, 8405 (8414); im Ergebnis ähnlich Eich, S. 40, der einen „Vergleich über Kreuz“, bei denen jeweils ein Beteiligter in einem von zwei miteinander sachlich nicht zusammenhängenden Verfahren nachgibt für mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung unvereinbar hält. 40 Dannecker, Schmitt Glaeser-FS. 371 (383). 41 Kopp/Ramsauer, § 56 VwVfG, Rn 16; Stelkens/Bonk/Sachs7 – Bonk, § 56 VwVfG, Rn 4. 42 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (516); vgl. auch unten 6. Kapitel, A.II. 43 Eich, S. 85; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 218; Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 226; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 91; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (384). 44 Seer, Verständigungen, S. 281; Tipke/Kruse – Seer, vor § 118 AO, Rn 31; Seer, KohlmannFS, S. 535 (547); Seer, BB 1999, 78 (84); ebenso Achatz, DStJG 28, S. 161 (185) und wohl auch Matthes, EFG 2009, 1808 (1810).

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

nisse bei der Festlegung von Besteuerungsgrundlagen macht, um dadurch sachlich nicht gerechtfertigte Gegenleistungen außerhalb des Besteuerungsverfahrens zu erhalten. Ausgehend von dem Grundsatz von Treu und Glauben schließt allerdings die rechtwidrige Motivation des Steuerpflichtigen ein schutzwürdiges Vertrauen der Finanzbehörde in den Bestand der tatsächlichen Verständigung nur dann aus, wenn diese die rechtswidrige Motivation kennt, insbesondere, weil sie sie durch das Inaussichtstellen unzulässiger Maßnahmen in entsprechender Anwendung des § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO selbst hervorgerufen hat. In allen anderen Situationen bleibt die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung unberührt und es kommen nur außersteuerliche Sanktionen in Betracht45.

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf die tatsächliche Verständigung B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

Zu berücksichtigen sind allerdings nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf die tatsächliche Verständigung bei der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, sondern auch andere Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens auf das Besteuerungsverfahren, die die tatsächliche Verständigung mittelbar beeinflussen. Konkret stellt sich die Frage, ob die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren auch nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zur Schätzung gemäß § 162 AO berechtigt ist oder ob in dieser Situation möglicherweise bereits der Hinweis auf die Möglichkeit einer Schätzung für den Fall, dass eine tatsächliche Verständigung nicht getroffen wird, die Ausübung unzulässigen Drucks46 und damit die Nichtigkeit einer gegebenenfalls erzielten tatsächlichen Verständigung bedeutet.

I. Der Grundsatz nemo tenetur Der Bundesfinanzhof ist der Auffassung, die Frage nach der Zulässigkeit einer Schätzung im Besteuerungsverfahren, nachdem der Steuerpflichtige im Steuerstrafverfahren von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, lasse sich anhand der Abgabenordnung zweifelsfrei beantworten47. Nach den einfachgesetzlichen Regelungen der §§ 162, 393 AO ist die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren auch nach der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen berechtigt und verpflichtet. Gemäß § 393 Abs. 1 Satz 2 AO sind im Besteuerungsverfahren lediglich Zwangsmittel im Sinne 45 Vgl. z. B. unten 6. Kapitel, E.III. für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger eine überhöhte Steuerfestsetzung in Kauf nimmt, um die (gebotene) Einleitung eines Steuerstrafverfahrens abzuwenden. 46 Vgl. hierzu soeben 4. Kapitel, E.III.3. 47 BFH, Beschl. v. 19.09.2001 – XI B 6/01, BFHE 196, 200 (203 f.).

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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des § 328 AO gegen den Beschuldigten unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt gemäß § 393 Abs. 1 Satz 3 AO stets, soweit ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist. Die Schätzung gemäß § 162 AO gehört nicht zu den in § 328 AO genannten Zwangsmitteln und wäre daher weiterhin zulässig. Rechtsprechung und Verwaltung gehen daher davon aus, das Finanzamt könne die Besteuerungsgrundlagen auch dann gemäß § 162 AO schätzen, wenn gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat eingeleitet worden ist48. Bedenken gegen eine Befugnis oder sogar Verpflichtung zur Schätzung ergeben sich allerdings aus dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare bzw. nemo tenetur se ipsum prodere49, dessen Wurzeln im jüdischen und im kirchlichen Recht liegen, und der nach der Ablösung des Inquisitionsprozesses durch den reformierten Strafprozess auch in Deutschland anerkannt wurde50. Unter der Geltung des Grundgesetzes ist der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, durch eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung zu liefern, vom Bundesverfassungsgericht im so genannten „Gemeinschuldnerbeschluss“ als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt worden. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwandt wird51. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit hat für das Strafverfahren in den §§ 55, 136 Abs. 1, § 136a Abs. 1 und 3, § 163a Abs. 3 bis 5 sowie § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Niederschlag gefunden und in Art. 14 Abs. 3 Buchst. g) des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz zu diesem Pakt vom 15. November 197352 eine ausdrückliche gesetzliche Verankerung erhalten53. Die Geltung von nemo tenetur ist jedoch nicht

48 BFH, Beschl. v. 09.12.2004 – III B 83/04, BFH/NV 2005, 503, v. 19.10.2005 – X B 88/05, BFH/NV 2006, 15 f., v. 13.01.2006 – VIII B 7/04, BFH/NV 2006, 914 (915), v. 09.05.2006 – XI B 104/05, BFH/NV 2006, 1801 und v. 28.12.2006 – VIII B 48/06, juris, jeweils m. w. Nachw; AStBV(St) 2009 Nr. 11 Abs. 2 Satz 4; ebenso Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (536); Tormöhlen, Korn-FS, S. 779 (783); Schützeberg, StBp 2009, 33 (36 f.). 49 Vgl. zu der ersten Variante Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (493), Marx, Fachanwalt-FS, S. 673 und Böse, wistra 2003, 47, zu der zweiten Variante Reiter, S. 27, bei Franzen/Gast/ Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 8 werden beide Varianten nebeneinander verwandt. 50 BVerfG, Beschl. v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (43); Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 145 ff.; Behnes, S. 74 f.; Reiter, S. 27 ff.; Beermann/ Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 9; Esskandari, DStZ 2006, 717 (723); vgl. auch EGMR, Urt. v. 03.05.2001 – 31827/96 (J. B./Schweiz), NJW 2002, 499 (501). 51 BVerfG, Beschl. v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (41 f.), v. 26.02.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220 (241) und v. 15.10.2004 – 2 BvR 1316/04, NJW 2005, 352; ausführlich zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Röckl, S. 95 ff. 52 BGBl. II 1973, S. 1533. 53 BGH, Beschl. v. 13.05.1996 – GSSt 1/96, BGHSt 42, 139 (151 f.) und Urt. v. 26.07.07 – 3 StR 104/07.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

auf das Strafverfahren begrenzt54. Der Einzelne sollte vom Staat grundsätzlich nicht in eine Konfliktlage gebracht werden, in der er sich selbst strafbarer Handlungen oder ähnlicher Verfehlungen bezichtigen muss oder in Versuchung gerät, durch Falschaussagen ein neues Delikt zu begehen oder wegen seines Schweigens in Gefahr kommt, Zwangsmitteln unterworfen zu werden55. Verbotener Zwang im Sinn des Verfassungsrechts bzw. von nemo tenetur ist auch nicht nur in Form von Zwangsmitteln gemäß § 328 AO denkbar56, da ein verfassungsrechtlicher Begriff nicht einfachgesetzlich definiert werden kann. Auch eine Schätzung gemäß § 162 AO kann daher, wenn von ihr eine entsprechende Zwangswirkung zur Offenbarung strafrechtlich belastender Umstände ausgeht, mit dem Grundsatz nemo tenetur unvereinbar sein.

II. Faktische Druckwirkung der Schätzung Wenn ein Sachverhalt nicht nur Gegenstand des Besteuerungsverfahrens ist, sondern auch ein diesbezügliches Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde, bleibt der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren gemäß § 393 AO weiter zur Mitwirkung verpflichtet, diese kann lediglich nicht mehr erzwungen werden. Er wird daher regelmäßig mit Rücksicht auf das gegen ihn geführte Steuerstrafverfahren die Mitwirkung im Besteuerungsverfahren verweigern, so dass die Finanzbehörde zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt und verpflichtet ist57. Diese Schätzung kann der Steuerpflichtige zwar grundsätzlich rein passiv hinnehmen, so dass trotz der „zwangsweisen“58 Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen insofern ein Zwang zur Selbstbelastung im Sinne von nemo tenetur nicht besteht, gleichwohl wird ihr eine mittelbare Zwangswirkung zugeschrieben59. Die Finanzbehörden sanktionierten Mitwirkungspflichtverletzungen des Steuerpflichtigen gezielt mit nachteiligen Schätzungen. Da sich das Finanzgericht bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Schätzung grundsätzlich auf die mit der Klage substantiiert angegriffenen strittigen Punkte beschränken könne60, bliebe dem Steuerpflichtigen oft keine andere Wahl, als sich zu den Besteuerungsgrundlagen zu erklären und sich damit der Strafverfolgung auszuliefern. Im Zusammen54 BVerfG, Beschl. v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (44); Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 172. 55 BVerfG, Beschl. v. 26.02.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220 (241); Reiter, S. 106 ff. 56 Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (503); List, DB 2006, 469 (471). 57 Vgl. hierzu oben 4. Kapitel, C.II.2. 58 List, DB 2006, 469 (471). 59 Reiter, S. 211 ff.; Röckl, S. 93 f.; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 38 ff.; Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (504); i. E. ebenso List, DB 2006, 469 (471, 473). 60 Tormöhlen, Korn-FS, S. 779 (783 f.); vgl. BFH, Urt. v. 06.02.1991 – II R 87/88, BFHE 163, 471 (475); Gräber – Stapperfend, § 76 FGO, Rn 12.

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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hang mit der Anfechtung eines Schätzungsbescheids könnten die Finanzbehörden zusätzlichen Erklärungsdruck dadurch ausüben, dass sie einem Steuerpflichtigen, der gegen einen aufgrund einer nachteiligen Schätzung ergangenen Steuerbescheid ohne Begründung einen Einspruch in Verbindung mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 361 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt hat, eine Präklusionsfrist gemäß § 364b Abs. 1, 2 AO setzen, die gemäß § 76 Abs. 3 FGO i.V. m. § 79b Abs. 3 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren fortwirken kann61. Hierdurch werde der Handlungsspielraum des Steuerpflichtigen weiter eingeengt, denn entweder hole er die Einspruchsbegründung nach, womit er die eigenbelastenden Fakten zugebe und die Tatsachengrundlage für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung schaffe, oder er verzichte auf den ihm zustehenden Rechtsbehelf gegen den Schätzungsbescheid. Auch dadurch, dass die Steuerfestsetzung – wie bei Schätzungsbescheiden üblich62 – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO oder vorläufig gemäß § 165 AO erfolgt, wird die Druckwirkung einer Schätzung gemildert, aber nicht gänzlich aufgehoben63. Die Steuerfestsetzung kann dann zwar, wie sich aus § 164 Abs. 2 Sätze 1, 2 AO bzw. im Umkehrschluss aus § 172 Abs. 1 Satz 1 AO ergibt, auch nach Eintritt der Bestandskraft bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung jederzeit geändert werden. Der Steuerpflichtige kann daher seine Steuererklärung auch nach Abschluss des Steuerstrafverfahrens bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung nachholen. Da nach Abschluss einer Außen- oder Fahndungsprüfung bzw. des Steuerstrafverfahrens die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO wieder auflebt64, würde er durch die Nacherklärung bei rechtzeitiger Steuernachzahlung gemäß § 371 Abs. 3 AO auch straffrei und hätte insofern auch kein Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 362 Nr. 4 StPO zu befürchten65. Er hätte insofern zwar die Möglichkeit, die Schätzung korrigieren zu lassen, ohne sich dadurch der Gefahr einer strafrechtlichen Selbstbelastung aussetzen. Gleichwohl sind auch die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO bzw. die vorläufige Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 AO vollstreckbar, die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO besteht nach Eintritt der Bestandskraft gerade nicht, so dass sie in ihrer Druckwirkung einer endgültigen Steuerfestsetzung zunächst gleichkommen und die Druckwirkung erst später wegfällt. Ein faktischer Erklärungsdruck wurde früher sogar für den Fall einer zu niedrigen Schätzung angenommen. Da die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung gemäß § 149 Abs. 1 Satz 4 AO auch dann bestehen bleibe, wenn die Finanz61

Reiter, S. 214; Röckl, S. 125 f; Tormöhlen, Korn-FS, S. 779 (785). Vgl. z. B. Klein – Rüsken, § 164 AO, Rn 5 und § 165 AO, Rn 6; Tipke/Lang – Seer, § 21, Rn 286. 63 So aber Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 793. 64 Vgl. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO Rn 205 zum Abschluss der Prüfung, Rn 208 zum Abschluss des Steuerstrafverfahrens. 65 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 793. 62

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

behörde die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat, komme anderenfalls weiterhin eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Der Verkürzungserfolg ergebe sich dann aus dem Vergleich der geschätzten mit der tatsächlich geschuldeten Steuer66. Zwischenzeitlich ist allerdings ganz überwiegend anerkannt, dass infolge nemo tenetur die Strafbewehrung der Verletzung der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen suspendiert ist, soweit ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist und andauert67. Im Rahmen einer Gesamtbereinigung, bei der sich Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren auf die gleichen Steuerarten und Veranlagungs- bzw. Voranmeldungszeiträume beziehen, stellt sich dieses Problem daher nicht mehr68.

III. Verwertbarkeit von im Besteuerungsverfahren erlangten Kenntnissen für das Steuerstrafverfahren Soweit der Steuerpflichtige unter dem Eindruck einer ihm anderenfalls in Aussicht gestellten nachteiligen Schätzung im Besteuerungsverfahren im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen macht, haben diese auch steuerstrafrechtliche Relevanz, da die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht nur für das Besteuerungsverfahren, sondern auch für die Feststellung, ob und in welcher Höhe eine Steuerverkürzung eingetreten ist, von Bedeutung ist. Der Steuerpflichtige kann sich daher durch diesbezügliche Angaben selbst strafrechtlich belasten, wenn diese Angaben in das Steuerstrafverfahren eingeführt und gegen ihn verwandt werden können. Für die Offenbarung und die Verwertbarkeit sind entscheidend Inhalt und Reichweite des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren gemäß § 393 AO. Das Steuergeheimnis erstreckt sich gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 a) AO auf alle Verhältnisse, die den Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind. Der Begriff der Verhältnisse umfasst alles, was die Finanzbehörden über eine Person wissen69, insbesondere auch eventuelle schriftliche oder mündliche Bekundungen

66

Reiter, S. 213 f.; Wannemacher – Spriegel, Rn 4521. BGH, Beschl. v. 12.01.2005 – 5 StR 191/04, wistra 2005, 148 (149); vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.04.2001 – 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8 (14), und v. 23.01.2002 – 5 StR 540/01, wistra 2002, 150; Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 9; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 163a; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 55; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 49; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 37; Tormöhlen, Korn-FS, S. 779 (796); ebenso bereits Streck, DStJG 6, S. 217 (243); A.A. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 10: Fortbestand der strafbewehrten Erklärungspflicht, aber Verwertungsverbot. 68 Bezüglich der Mitwirkungspflichten für nicht strafbefangene Veranlagungszeiträume vgl. Reiter, passim, und Tormöhlen, Korn-FS, S. 779, passim. 69 Klein – Rüsken, § 30 AO, Rn 43. 67

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

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irgendwelcher Art70. In diesem Sinne bekannt geworden sind Verhältnisse, wenn zwischen der Kenntniserlangung und der Durchführung eines Steuerverfahrens ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der jedoch nicht zu eng zu verstehen ist. Außer bei rein privaten Anlässen oder nur in rein zeitlichem Zusammenhang mit dem Dienst gewonnenen Erkenntnissen unterliegen daher praktisch alle von den Finanzbehörden im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben zur Durchführung steuerlicher Verfahren erlangten Informationen dem Schutz des § 30 AO71. Auch die Erklärungen des Steuerpflichtigen oder seines steuerlichen Beraters im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung sind daher vom Steuergeheimnis geschützt. Die Finanzbehörde darf sie allerdings gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V. m. Abs. 2 Nr. 1 b) AO zur Durchführung eines Steuerstrafverfahrens offenbaren. Ein Verwertungsverbot ergibt sich unmittelbar aus § 393 AO nur für die Verfolgung von Straftaten, die keine Steuerstraftaten sind, und unter den Voraussetzungen des § 393 Abs. 2 AO. Auch der sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz des nemo tenetur schützt lediglich vor dem Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen,72 greift hingegen bei freiwilligen Erklärungen nicht ein. Soweit es um Steuerstraftaten geht, dürfen die Finanzbehörden die ihnen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung vom Steuerpflichtigen freiwillig mitgeteilten Verhältnisse des Steuerpflichtigen den Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich offenbaren, diese die ihnen mitgeteilten Erkenntnisse grundsätzlich verwerten73.

IV. Stellungnahme Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers durfte sich unter der Geltung des § 393 AO – wie bereits unter Geltung des § 428 RAO – die verfahrensmäßige Stellung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren auch nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens, das dieselbe Abgabenangelegenheit betrifft, nicht ändern, um zu verhindern, dass die unredlichen Steuerpflichtigen gegenüber den ehrlichen Steuerpflichtigen besser gestellt werden74. Vor diesem Hintergrund wurde die gegenwärtige Ausgestaltung des § 393 Abs. 1 Satz 1 AO gewählt, um 70

FG Nürnberg, Urt. v. 09.12.1981 – V 148/81, EFG 1982, 392. Klein – Rüsken, § 30 AO, Rn 51. 72 Vgl. bereits oben B. I. 73 Streck, DStJG 6, S. 217 (228); Auf die Problematik der Weitergabe gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 a), b) AO bzw. Verwendung gemäß § 393 Abs. 2 S. 1 AO von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren in Erfüllung steuerlicher Pflichten offenbart hat, zur Verfolgung von Nichtsteuerstraftaten, kann hier nicht eingegangen werden; vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 54 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 128 ff.; Klein – Rüsken, § 30 AO, Rn 91, 182 ff.; Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 21 ff.; Joecks, Kohlmann – FS, S. 451, passim. 74 BT-Drs. 7/4292, 46; BFH, Urt. v. 23.01.2002 – XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7 (11 f.). 71

204

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

den Finanzbehörden die Möglichkeit der Schätzung offen zu halten75. Die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen im Interesse der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung stellt nach wie vor das zentrale Argument für den Fortbestand der Berechtigung und Verpflichtung der Finanzbehörde zur Schätzung auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens dar76. Der Bundesfinanzhof ging dementsprechend bisher auch davon aus, wenn der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen wolle, dürfe sich die Finanzbehörde grundsätzlich am oberen Rand des Schätzungsrahmens orientieren77. Lediglich eine gezielt zum Nachteil des Steuerpflichtigen vorgenommene, so genannte Strafschätzung, die sich nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sei unzulässig78. Diese Rechtsprechung wurde allerdings dahin gehend eingeschränkt, dass zur Feststellung der genauen Höhe einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren eine Schätzung zwar zulässig, dabei aber der Grundsatz in dubio pro reo zu beachten sei79. 1. Keine Privilegierung von Straftätern gegenüber rechtstreuen Bürgern Dem wird entgegengehalten, es sei gerade die Intention von nemo tenetur, dass dieses Prinzip ausschließlich Straftätern zugute komme und diese gerade gegenüber dem rechtstreuen Bürger privilegieren wolle, wofür die Regelung des § 55 StPO zum Beleg herangezogen wird80. Die Situation des gefährdeten Zeugen im Sinne des § 55 StPO unterscheidet sich allerdings von derjenigen des Steuerpflichtigen in § 393 AO dadurch, dass der Zeuge Beweismittel in fremder Sache ist und seine Konfliktsituation nicht selbst herbeigeführt hat, während der Steuerpflichtige in § 393 AO Beweismittel in eigener Sache ist, und seine Konfliktsituation selbst herbeigeführt hat. Abgesehen davon ist es zwar zutreffend, dass nemo tenetur seiner Natur nach ausschließlich Straftätern zugute kommen kann. Nemo tenetur be75 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 40, 73; Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 1. 76 BFH, Beschl. v. 09.12.2004 – III B 83/04, BFH/NV 2005, 503, v. 19.10.2005 – X B 88/05, BFH/NV 2006, 15 f., v. 13.01.2006 – VIII B 7/04, BFH/NV 2006, 914 (915), v. 09.05.2006 – XI B 104/05, BFH/NV 2006, 1801 und v. 28.12.2006 – VIII B 48/06, juris, jeweils m. w. Nachw.; Tormöhlen, Korn-FS, S. 779 (783); Schützeberg, StBp 2009, 33 (37). 77 BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5), st. Rspr., vgl. Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 39, Tipke/Kruse – Seer, § 162 AO, Rn 80, jeweils m. w. Nachw.; einschränkend Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 57 ff.; zweifelnd auch Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 792. 78 BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5) und Beschl. v. 13.10.2003 – IV B 85/02, BFHE 203, 404 (406); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 39; Randt, DStJG 31, 263 (267 f.). 79 BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VIII R 81/04, BFHE 215, 66; bestätigt in BFH, Urt. v. 20.06.2007 – II R 66/06, BFH/NV 2007, 2057; ebenso bereits BFH, Beschl. v. 29.01.2002 – VIII B 91/01, wistra 2002, 350 (352). 80 Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 188; Reiter, S. 212.

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

205

deutet aber nicht zwingend, dass Straftäter im Bezug auf Auskunftspflichten gegenüber rechtstreuen Bürgern „privilegiert“ werden müssen81. Nemo tenetur schließt die Rechtmäßigkeit gesetzlicher Auskunftspflichten nicht grundsätzlich aus, auch dann nicht, wenn damit der Zwang zur Offenbarung strafbarer Handlungen verbunden ist. Insbesondere ist die steuerrechtliche Auskunftspflicht im Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung und gleichmäßiger Erfassung aller Steuerpflichtigen zulässig82. Der Auskunftspflichtige muss lediglich nicht zu seiner strafrechtlichen Verurteilung beitragen. Unter dem Gesichtspunkt von nemo tenetur ist deswegen die Androhung und Anwendung von Zwangsmitteln im Besteuerungsverfahren auch bei Gefahr der steuerstrafrechtlichen Selbstbelastung zulässig, sofern eine Verwertung der dadurch erlangten Erkenntnisse im Steuerstrafverfahren ausgeschlossen ist83. Der Grundsatz, dass niemand gehalten ist, sich selbst zu beschuldigen, ist in erster Linie ein strafprozessuales Prinzip84, trotz seiner Ausstrahlung auf andere Verfahren. Wenn einer Schätzung gemäß § 162 AO Zwangswirkung im Sinne von nemo tenetur zukäme, läge es, der vom Bundesverfassungsgericht im „Gemeinschuldnerbeschluss“ vorgegebenen Linie entsprechend, daher nahe, diesem Grundsatz auch durch strafprozessuale Mittel Rechnung zu tragen und außerstrafrechtliche Auskunftspflichten unverändert zu lassen85. 2. Keine Zwangswirkung einer ordnungsgemäßen Schätzung Gerade aus dem Vergleich mit dem Steuerstrafverfahren zeigt sich allerdings, dass einer Schätzung im Besteuerungsverfahren bezüglich der Offenbarung der Besteuerungsgrundlagen keine Zwangswirkung im Sinne von nemo tenetur zukommt86. Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zwecks Ermittlung des Verkürzungserfolgs zulässig87, ohne dass darin eine unzulässige Einflussnahme im Sinne des § 136a StPO gesehen würde. 81 Röckl, S. 119 ff.; Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 6; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 5; Rüsken, DStJG 31, 243 (261). 82 BVerfG, Beschl. v. 21.04.1988 – 2 BvR 330/88, wistra 1988, 302 und v. 15.10.2004 – 2 BvR 1316/04, NJW 2005, 352. 83 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 5; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 74; vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (50 f.). 84 BFH, Beschl. v. 19.10.2005 – X B 88/05, BFH/NV 2006, 15 (16). 85 Vgl. BFH, Beschl. v. 28.12.2006 – VIII B 48/06, juris: „Inwieweit im Steuerstrafverfahren eine Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung im Besteuerungsverfahren verwertbar ist, ist im Strafverfahren zu entscheiden. Die geltende Rechtslage (vgl. u. a. §§ 103, 393 AO) ermöglicht keine Einbindung der Frage des Verwertungsverbots im Strafverfahren in ein laufendes Besteuerungsverfahren. Die Gesetzeslage ist insoweit eindeutig und einer etwaigen verfassungskonformen Auslegung mit dem Ziel einer Antizipation strafrechtlicher Wertungen im Besteuerungsverfahren nicht zugänglich.“ 86 Volk, Kohlmann-FS, S. 579 (588). 87 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (106), Beschl. v. 04.02.1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 (148), v. 24.05.2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345 (346) und v. 19.07.2007 – 5 StR 251/07, wistra 2007, 470.

206

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Das Schweigen des Angeklagten lässt im Steuerstrafverfahren zwar die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts gemäß § 244 Abs. 2 StPO unberührt. Die Aufklärungspflicht ist von den Anträgen und Wünschen der Beteiligten unabhängig88 und reicht so weit, wie die dem Gericht oder wenigstens dem Vorsitzenden aus den Akten89, durch Anträge oder Anregungen oder sonst durch den Verfahrensablauf90 bekannt gewordenen Tatsachen zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahe legen. Das Gericht muss somit nur allen erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachgehen91. Die Vernehmung des Angeklagten dient aber nicht nur der objektiven Sachverhaltsaufklärung, sondern gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO i.V. m. § 136 Abs. 2 StPO gerade der Gewährung rechtlichen Gehörs92. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Angeklagter, der von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, insoweit auch auf rechtliches Gehör verzichtet. Das Gericht ist dann berechtigt und verpflichtet, das ohne Mitwirkung des Angeklagten gewonnene Verfahrensergebnis zu würdigen und kann sich bei dieser Würdigung auch auf gesicherte Erfahrungssätze stützen93. Entlastende Tatsachen oder Beweismittel, die ausschließlich dem schweigenden Angeklagten bekannt sind, bleiben zwingend unberücksichtigt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind94. Dies führt auch hinsichtlich des insoweit schweigenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen95. Diese Konsequenz ist dem Schweigerecht immanent, das Gebrauchmachen von dem Schweigerecht insofern stets ambivalent. In ähnlicher Weise ist im Besteuerungsverfahren die Sachaufklärungspflicht der Finanzbehörden und Finanzgerichte dadurch begrenzt, dass der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nachkommt96 und wird dem Steuerpflichtigen durch die Steuererklärung gleichzeitig rechtliches Gehör im Sinne von § 91 AO gewährt97. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schät88

Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 244 StPO, Rn 11. Vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431. 90 BGH, Urt. v. 26.05.1981 – 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131 (140). 91 Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 244 StPO, Rn 12. 92 BGH, Beschl. v. 14.05.1974 – 1 StR 366/73, BGHSt 25, 325 (332); Bosch, S. 162 f.; Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 136 StPO, Rn 14. 93 Volk, Kohlmann-FS, S. 573 (588). 94 BGH, Urt. v. 26.06.2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35 (36) und Beschl. v. 20.04.2006 – 3 StR 284/05, NStZ 2006, 652 (653); speziell für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in Steuerstrafsachen BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (105 f.). 95 BVerfG, Beschl. v. 08.11.2006 – 2 BvR 1378/06, juris. 96 Vgl. oben 4. Kapitel, A.IV. 97 Klein – Brockmeyer, § 91 AO, Rn 3. 89

B. Mittelbare Auswirkungen des Steuerstrafverfahrens

207

zen; gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO gilt § 162 AO im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend. Die Schätzung ist aber der Sache nach nichts anderes als eine besondere Art der Sachverhaltsaufklärung im Wege freier Beweiswürdigung98. Wenn die Finanzbehörde bei einer ordnungsgemäßen Schätzung die wahren Besteuerungsgrundlagen zum Nachteil des Steuerpflichtigen verfehlt, ist das die immanente Konsequenz seines Schweigens. Es bedeutet aber gerade keine Anwendung von Zwang im Sinne von nemo tenetur. Die durch § 393 Abs. 1 Satz 2 AO geschützten Steuerpflichtigen tragen lediglich das Risiko einer ungünstigen Tatsachenwürdigung99, das für sich genommen noch keinen Zwang im Sinne von nemo tenetur begründet100. Nemo tenetur greift erst bei einer finalen und unmittelbaren Beziehung zwischen staatlicher Zwangsanwendung und selbstbelastender Aussage ein und dient nicht der Abwehr von bloßen Vermögensnachteilen101. Auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens ist eine Schätzung im Besteuerungsverfahren unter dem Aspekt von nemo tenetur grundsätzlich unbedenklich102.

V. Zwischenergebnis Es stellt auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens keine Ausübung unzulässigen Drucks dar, wenn die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen im Vorfeld einer tatsächlichen Verständigung auf die Möglichkeit einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hinweist. Auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens ist eine Schätzung im Besteuerungsverfahren unverändert zulässig. Zwar kann durch eine Schätzung auf den Steuerpflichtigen faktisch Druck zur Offenbarung der Besteuerungsgrundlagen ausgeübt werden und können diese für ein Steuerstrafverfahren verwandt werden. Soweit diese Drucksituation entsteht, ist dies allerdings

98 BFH, Urt. v. 18.05.1993 – VII R 44/92, BFHE 172, 190 (193); Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 1; Lohr, Volk-FS, S. 323 (328). 99 BFH, Beschl. v. 16.07.2001 – VII B 203/00, BFH/NV 2002, 305 (306) und v. 19.10.2005 – X B 88/05, BFH/NV 2006, 15 (16); Schützeberg, StBp 2009, 33 (37). 100 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (44); Bosch, S. 56; Böse, wistra 1999, 451 (455). 101 Bosch, S. 57; Böse, wistra 1999, 451 (455); insoweit zutreffend auch Röckl, S. 130, der allerdings verkennt, dass das Risiko einer ungünstigen Tatsachenwürdigung stets nur anhand der konkreten Beweissituation im Einzelfall beurteilt werden kann; vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.12.1989 – 2 StR 167/89, BGHSt 36, 328 (334 ff.): kein Verstoß gegen nemo tenetur durch die strafrechtliche Verwertung von Angaben im Asylverfahren, obwohl die Verweigerung der Mitwirkung im Asylverfahren die Erfolgsaussichten des Asylantrags nachteilig beeinflusst. 102 BFH, Beschl. v. 19.10.2005 – X B 88/05, BFH/NV 2006, 15 (16); Franzen/Gast/ Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 30; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 75; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 393 AO, Rn 29; Randt, DStJG 31, 263 (267 f.); zu den Folgen einer „Strafschätzung“ für das Steuerstrafverfahren Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 76.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

die Konsequenz aus der fehlenden Mitwirkung des Steuerpflichtigen und bedeutet daher keinen Zwang im Sinne des Grundsatzes nemo tenetur.

C. Materiellrechtliche Konsequenzen für das laufende Steuerstrafverfahren C. Materiellrechtliche Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

Hinsichtlich der Konsequenzen der tatsächlichen Verständigung für das laufende Steuerstrafverfahren soll zunächst auf die materiell-rechtlichen Aspekte eingegangen werden. Dies betrifft zum einen das Verhältnis zwischen tatsächlicher Verständigung und vorausgegangener Steuerhinterziehung, zum anderen die Frage, ob eine tatsächliche Verständigung in Verbindung mit der Nachzahlung der sich hieraus ergebenden Steuern als Schadenswiedergutmachung im Sinne der §§ 46, 46a StGB angesehen werden kann.

I. Vorausgegangene Steuerhinterziehung unberührt Zunächst ist festzuhalten, dass die tatsächliche Verständigung im laufenden Steuerstrafverfahren keinesfalls dazu führt, dass die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung als solche entfällt oder der Täter straffrei wird. Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO ist im Fall der Steuerhinterziehung durch Handeln gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO bei Veranlagungssteuern mit der unzutreffenden Steuerfestsetzung, das heißt der Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen, vollendet103, bei Fälligkeitssteuern dann, wenn eine unrichtige Voranmeldung (§ 168 AO) mit positiver Zahllast beim Finanzamt eingeht104 bzw. die Finanzbehörde einer Voranmeldung mit negativer Zahllast zustimmt105. Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bei Veranlagungssteuern mit Abschluss der Veranlagungsarbeiten (zuzüglich der hypothetischen Bekanntgabefrist gemäß § 122 Abs. 2 AO) vollendet106, bei Fälligkeitssteuern, wenn der Tag der gesetzlichen Frist verstrichen ist und keine ausdrückliche Fristverlängerung gewährt wurde107. Die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben lässt den einmal verwirklichten Tatbestand nicht rückwirkend entfallen. Sie ist als Nachtatverhalten grundsätzlich nur im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen108. 103

Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 129; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 376 AO, Rn 15; Kohlmann, § 376 AO, Rn 26. 104 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 376 AO, Rn 22. 105 BGH, Beschl. v. 05.04.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219 (222). 106 Schmitz, Kohlmann-FS, S. 517 (519); Schmitz, wistra 1993, 248 (250 f.). 107 BGH, Urt. v. 10.12.1991 – 5 StR 536/91, BGHSt 38, 165 (170); Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 376 AO, Rn 31. 108 BayObLG, Beschl. v. 09.01.2002 – 4 St RR 132/2001, BayObLGSt 2002, 3 (5); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 146; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 1060; vgl. auch BGH, Urt. v. 07.11.2006 – 5 StR 164/06, wistra 2007, 112.

C. Materiellrechtliche Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

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Ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 StGB109 ist lediglich im Versuchsstadium möglich110. Der Täter einer vollendeten Steuerhinterziehung kann Straffreiheit nur noch durch eine Selbstanzeige gemäß § 371 AO erlangen. § 371 AO lässt die Tatbestandsmäßigkeit der Steuerhinterziehung als solche unberührt111, enthält allerdings für den Fall der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben einen persönlichen Strafaufhebungsgrund112. Die Selbstanzeige kann zwar auch durch die Mitteilung geschätzer Besteuerungsgrundlage wirksam erfolgen113, und bewirkt auch dann Straffreiheit in dem mitgeteilten Umfang, wie sich aus dem Wort „insoweit“ ergibt114, so dass auch die Mitwirkung bei einer tatsächlichen Verständigung als Selbstanzeige gewertet werden könnte. Nach der Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens steht dem Eintritt der Straffreiheit jedoch die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 b), 1. Alt. AO entgegen.

II. Tatsächliche Verständigung als Schadenswiedergutmachung Bei der Frage, ob eine tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren, gegebenenfalls in Verbindung mit der Nachzahlung der sich daraus ergebenden Steuer, im Steuerstrafverfahren als Schadenswiedergutmachung zu berücksichtigen ist, ist zwischen der Schadenswiedergutmachung gemäß § 46 StGB und der Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB zu unterscheiden. In systematischer Hinsicht ist dabei zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 oder/und Nr. 2 gegeben sind115. Ist dies nicht der Fall, so sind Anstrengungen des Täters zur Wiedergutmachung nach allgemeinen Grundsätzen im Rahmen des § 46 StGB zu berücksichtigen116.

109

Vgl. zum strafbefreienden Rücktritt im Steuerstrafrecht Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 63 ff. 110 Vgl. zur Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung bei der Steuerhinterziehung ausführlich Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 77 ff.; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 124 ff. 111 Unberührt bleiben auch die Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO, vgl. Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Heuermann, § 235 AO, Rn 17; Klein – Rüsken, § 235 AO, Rn 5; Klein – Gastde Haan, § 371 AO, Rn 5; Tipke/Kruse – Loose, § 235 AO, Rn 5. 112 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 32, m. w. Nachw. 113 BGH, Urt. v. 05.09.1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; Klein – Gast-de Haan, § 371 AO, Rn 8. 114 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 75; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rüping, § 371 AO, Rn 81; Klein – Gast-de Haan, § 371, Rn 8, die daher eine großzügige Schätzung und die Klärung der exakten Höhe im Einspruchsverfahren empfiehlt. 115 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 31.03.1995 – 3 St RR 17/95, BayObLGSt 1995, 63 f. 116 Fischer, § 46a StGB, Rn 6.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

1. Tatsächliche Verständigung als Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB § 46a StGB enthält zwei unterschiedliche Alternativen. § 46a Nr. 1 StGB beschreibt die Schadenswiedergutmachung oder deren Versuch zum Zweck des Täter-Opfer-Ausgleichs, § 46a Nr. 2 StGB die mit besonderen Anstrengungen verbundene Schadenswiedergutmachung. Praktische Bedeutung hätte § 46a StGB im Steuerstrafrecht insofern, als er die Möglichkeit böte, Straffreiheit auch in Fällen zu erlangen, in denen eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO ausgeschlossen ist, weil die Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 AO eingetreten ist117 oder zusätzlich andere Straftatbestände, z. B. Urkundsdelikte, verwirklicht wurden118. Unter den Voraussetzungen, unter denen das Gericht gemäß § 46a StGB von einer Strafe absehen kann, besteht außerdem die besondere Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gemäß § 153b StPO.

a) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bayerischen Obersten Landesgerichts Der Bundesgerichtshof119 und vor ihm das Bayerische Oberste Landesgericht120 haben eine Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB im Steuerstrafrecht generell ausgeschlossen. Diese Vorschrift beziehe sich vor allem auf die immateriellen Folgen einer Straftat, die zwar auch bei Vermögensdelikten denkbar seien; erforderlich sei aber jedenfalls ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein müsse121. Bei Steuerdelikten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs sei122, komme ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht123. Ob die Nachzahlung von Steuern ein Fall der Schadenswiedergutmachung im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB sein kann, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen gelassen, jedoch betont, die in § 46a Nr. 2 StGB normierte Fallgruppe verlange, dass der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche 117

Röckl, S. 357. Blesinger, wistra 1996, 90. 119 BGH, Beschl. v. 25.10.2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22 (23). 120 BayObLG, Beschl. v. 28.02.1996 – 4 St RR 33/96, BayObLGSt 1996, 18 (19), und v. 29.04.1997 – 4 St RR 35/97, wistra 1997, 313 (314). 121 Hoff, S. 7 ff.; BGH, Urt. v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134 (142 f.) und Beschl. v. 17.12.2008 – 1 StR 664/08, wistra 2009, 188; zum Erfordernis des „kommunikativen Prozesses“, allgemein Fischer, § 46a StGB, Rn 10a ff. 122 BGH, Urt. v. 01.02.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100 (102) und v. 25.01.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 (5), Beschl. v. 23.03.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109 (111). 123 BayObLG, Beschl. v. 28.02.1996 – 4 St RR 33/96, BayObLGSt 1996, 18 (19), und v. 29.04.1997 – 4 St RR 35/97, wistra 1997, 313 (314). 118

C. Materiellrechtliche Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

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persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordere. Die Bestrebungen müssten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Verlangt werde, damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann, dass der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringe124. Die bloße Steuernachzahlung sei hierfür jedenfalls nicht ausreichend.

b) Stellungnahmen in der Literatur In der Literatur wird die Anwendbarkeit des § 46a StGB im Steuerstrafrecht teils generell verneint125 und zur Begründung unter anderem auf den Charakter des § 371 AO als abschließende Sonderregelung126 und die Gefahr hingewiesen, dass durch die Möglichkeit, gemäß § 46a StGB Straffreiheit zu erlangen, das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit zulasten steuerehrlicher Bürger ausgehöhlt würde127, teils ohne Einschränkung bejaht128. Nach dieser zweiten Auffassung käme insbesondere auch die Mitwirkung bei einer tatsächlichen Verständigung als Aussöhnungsbeitrag im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB in Betracht129. Eine dritte Auffassung hält im Anschluss an die Rechtsprechung im Steuerstrafrecht zwar einen Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Nr. 1 StGB für ausgeschlossen, eine Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a Nr. 2 StGB hingegen dann für möglich, wenn der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt130. § 46a Nr. 2 StGB soll nach dieser Auffassung Anwendung finden auf Fälle der „gescheiterten Selbstanzeige“ und auf Fälle, in denen nach Eintritt der Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 AO der Täter von sich aus Einkünfte offenbart, bei denen überhaupt kein Entdeckungsrisiko bestand oder in denen die Ermittlung der zutreffenden Steuer erst durch die Kooperation des Täters möglich wird. Ebenfalls gemäß § 46a Nr. 2 StGB zu berücksichtigen sein soll die Bereitschaft des Täters zur Steuernachzahlung für nicht strafbefangene Jahre. 124

BGH, Beschl. v. 18.01.2000 – 1 StR 661/99, wistra 2000, 176 (177) und Urt. v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205 (206). 125 Klawitter, DStZ 1996, 553 (555). 126 Blesinger, wistra 1996, 90 (91). 127 Röckl, S. 360. 128 Parigger, Rieß-FS, S. 783 (785); Brauns, wistra 1996, 214 (219); Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1995, 1449 (1451); Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1996, 668; Hagemeier, NWB Fach 13, S. 3733 (3736); ebenso wohl auch v. Briel, NStZ 1997, 33 (34). 129 Parigger, Rieß-FS, S. 783 (787). 130 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 240; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn D 11; Sauer, Rn 222; Schöch, BGH-FG, S. 309 (334); Woring, DStZ 1996, 459 (460) verneint im Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 28.02.1996 – 4 St RR 33/96, BayObLGSt 1996, 18 (19) die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 2 StGB in dem dort entschiedenen Fall, lässt sie ansonsten ausdrücklich offen; gänzlich offen gelassen wird die Frage der Anwendbarkeit des § 46a StGB im Steuerstrafrecht bei Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (550 f.).

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

c) Stellungnahme § 46a StGB gilt nach dem Wortlaut des § 369 Abs. 2 AO auch für das Steuerstrafrecht, da in §§ 369 ff. AO nichts anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der Norm ist grundsätzlich weder auf bestimmte Deliktstypen begrenzt131 noch ist es von vornherein ausgeschlossen, dass auch juristische Personen „Verletzte“ bzw. „Opfer“ im Sinne dieser Norm sein können132. § 371 AO und § 46a StGB betreffen unterschiedliche Konstellationen und sehen unterschiedliche Rechtsfolgen vor133. § 371 AO verlangt eine rein kompensatorische, aber vollständige Schadenswiedergutmachung, ohne die Beweggründe des Täters zu berücksichtigen. Demgegenüber lässt § 46a StGB auch das ernsthafte Bemühen bzw. eine unvollständige Schadenswiedergutmachung genügen, setzt allerdings eine gewisse Einsicht134 bzw. Reue des Täters voraus135. Während § 371 Abs. 1 AO die Straffreiheit bindend festschreibt, stellt es § 46a StGB in das Ermessen des Gerichts, die Strafe gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern oder – in begrenztem Umfang – von Strafe abzusehen. Der Vorrang des § 371 Abs. 1 AO als steuerrechtliche lex specialis vor § 46a StGB als lex generalis bliebe daher gewahrt136, insbesondere dann, wenn man davon ausgeht, dass dem Gericht bei Vorliegen der Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 AO nur die Möglichkeit der Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB bleibt und ihm ein Absehen von Strafe verwehrt ist137. Wegen der unsicheren Rechtsfolgen dürfte von der Anwendung des § 46a StGB im Steuerstrafrecht auch kein so starker Anreiz zur Steuerhinterziehung ausgehen, dass dadurch die Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht in erheblicher Weise beeinträchtigt würde. § 46a StGB wäre nach alledem auch im Steuerstrafrecht anzuwenden. Der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB dient jedoch nach der Vorstellung des Gesetzgebers insbesondere den Belangen des Tatopfers, dem nicht nur eine materielle Schadenskompensation, sondern eine immaterielle Hilfe durch den Abbau von mit der Tat verbundenen Ängsten gegeben werden soll138. Dem Tatopfer 131 BGH, Beschl. v. 02.05.1995 – 5 StR 156/95, wistra 1995, 307; Röckl, S. 357; Schwedhelm/ Spatscheck, DStR 1995, 1449 (1450); Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1996, 668; Woring, DStZ 1996, 459; Klawitter, DStZ 1996, 553 (554); v. Briel, NStZ 1997, 33 (34). 132 Hagemeier, NWB Fach 13, S. 3733 (3734); hingegen erscheint die in BGH, Urt. v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205 (206) vertretene Auffassung, wonach auch „die Allgemeinheit“ Verletzter bzw. Opfer im Sinne des § 46a StGB sein soll, mangels Individualisierbarkeit problematisch; insofern dürfte es sich jedoch lediglich um ein obiter dictum handeln, vgl. Schöch, BGH-FG, S. 309 (333). 133 Brauns, wistra 1996, 214 (215 ff.); Klawitter, DStZ 1996, 553 (554); v. Briel, NStZ 1997, 33 (34); Hagemeier, NWB Fach 13, S. 3733 (3734). 134 Woring, DStZ 1996, 459 (460). 135 Vgl. BT-Drs. 12/6853, 22; Schöch, BGH-FG, S. 309 (319); Hagemeier, NWB Fach 13, S. 3733 (3736): kein „Freikaufverfahren“. 136 Brauns, wistra 1996, 214 (217); Klawitter, DStZ 1996, 553 (554). 137 So ausdrücklich Randt, Steuerfahndungsfall, Rn B 12. 138 BT-Drs. 12/6853, 21; MüKo StGB – Franke, § 46a StGB, Rn 2; Blesinger, wistra 1996, 90; Klawitter, DStZ 1996, 553.

C. Materiellrechtliche Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

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soll eine „Genugtuung“ zuteil werden139, die ihm hilft, die Tat zu „verarbeiten“140. Zwar ist § 46a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich immaterieller Schäden, § 46a Nr. 2 StGB vor allem auf materiellen Schadensersatz gerichtet141. Diese Differenzierung ist jedoch nicht als Differenzierung nach Schadensarten, sondern als Differenzierung nach Leistungskategorien zu verstehen142. Auch wenn beide Leistungskategorien für unterschiedliche Deliktsgruppen von unterschiedlicher Relevanz sind, dienen beide dem gleichen Ziel. Die Auffassung, bei § 46a Nr. 2 StGB spiele die Opferseite „nur eine untergeordnete Rolle“143, ist unvereinbar mit dem Willen des Gesetzgebers, der die Notwendigkeit einer „friedensstiftenden“ Wirkung auch in den Fällen des § 46a Nr. 2 StGB ausdrücklich betont hat144. Die Aussöhnung als zentrales Motiv des Täter-Opfer-Ausgleichs145 bedeutet nicht die nur strafrechtlich-administrative Abwicklung einer Restitutionsauflage, sondern Konfliktbewältigung im Sinne einer Regelung und Lösung146. § 46a StGB setzt seiner Zielsetzung nach einen zwischenmenschlich-sozialen Konflikt voraus und ist daher auf Straftaten gegen juristische Personen anwendbar, soweit mittelbar die dahinter stehenden natürlichen Personen betroffen sind, wie insbesondere bei Vermögensdelikten, auf Straftaten gegen die Allgemeinheit, wenn sie individualisierbare Verletzungen oder Gefährdungen zur Folge hatten147. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit zwar angenommen, dass auch bei Vermögensdelikten ausgleichsfähige immaterielle Folgen denkbar sind148, jedoch offen gelassen, welche Folgen dies im Einzelnen sein sollen. Nahe liegende immaterielle Folgen beispielsweise von Körperverletzungs- oder Nötigungsdelikten wie Ehrverletzungen, körperliche Schmerzen oder Psychotraumata kommen jedenfalls weder bei Vermögensdelikten noch bei Steuerstraftaten in Betracht149. Speziell für Steuerstraftaten ist zudem zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiter der Finanzbehörden dem Steuerhinterzieher nicht als Privatpersonen, sondern in ihrer Eigenschaft als Amtsträger gegenübertreten und als solche generell keine persönliche, menschliche Betroffenheit von Steuerstraftaten entwickeln können150. Die „Uneinsichtigkeit“ oder „Unehrlichkeit“ des Steuerhinterziehers im Verhältnis zur Finanzbehörde begründet daher keinen zwischenmenschlich-sozialen Konflikt 139

Schöch, BGH-FG, S. 309 (319). Pfeiffer, ZRP 1992, 338; vgl. MüKo StGB – Franke, § 46a StGB, Rn 2: Abbau psychischer Belastungen. 141 BGH, Beschl. v. 02.05.1995 – 5 StR 156/95, wistra 1995, 307 und Urt. v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205 (206); a.A. Parigger, Rieß-FS, S. 783 (785 f.). 142 Schöch, BGH-FG, S. 309 (324); A.A. Brauns, wistra 1996, 214. 143 Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1996, 668. 144 BT-Drs. 12/6853, 22. 145 Schöch, BGH-FG, S. 309 (318). 146 Blesinger, wistra 1996, 90. 147 MüKo StGB – Franke, § 46a StGB, Rn 8; Schöch, BGH-FG, S. 309 (333 f.). 148 BGH, Beschl. v. 02.05.1995 – 5 StR 156/95, wistra 307, 1995. 149 Vgl. Klawitter, DStZ 1996, 553 (554) für Steuerstraftaten. 150 Hingegen ist z. B. ein Vollstreckungsbeamter von in Ausübung seines Dienstes erlittenen Körperverletzungen auch als Privatpersonen betroffen. 140

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

im Sinne des § 46a StGB151, so dass ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB mit den Finanzbehörden insofern ausgeschlossen ist152. Sofern man andererseits auf die durch die Steuerhinterziehung bewirkte Beeinträchtigung des staatlichen Steueranspruchs abstellt, bedeutet diese zwar gedanklich auch die mittelbare Beeinträchtigung der Gesamtheit der Steuerzahler. Der Gedanke, dass auch bei Straftaten gegen juristische Personen oder die Allgemeinheit der Schutz der dahinter stehenden natürlichen Personen die Anwendung des § 46a StGB gebieten könnte, wurde allerdings im Zusammenhang mit fünf Untreuehandlungen eines einzelnen Täters zum Schaden des Diakonievereins eines Kirchenkreises entwickelt153. Der Wirkungskreis des geschädigten Vereins war regional begrenzt, die Zahl der Vereinsmitglieder und vom Verein begünstigten Personen vergleichsweise überschaubar, so dass es nicht von vornherein ausgeschlossen scheint, dass auch die im Rahmen des § 46a StGB erforderliche ideelle Komponente der Schadenswiedergutmachung von dem (mittelbaren) Tatopfer bewusst wahrgenommen werden und zur „Friedensstiftung“ beitragen konnte. Demgegenüber sind im Steuerstrafrecht Täter und Opfer weitestgehend anonym. Aus der Strafsachenstatistik 2002 der Steuerverwaltungen der Länder und der Bundesfinanzverwaltung ergibt sich, dass in diesem Jahr im Bereich der Besitz- und Verkehrssteuern 8016, im Bereich der Zölle und Verbrauchssteuern 9524 Urteile und Strafbefehle wegen Steuerstraftaten rechtskräftig wurden154. Hinzu kommen die gemäß §§ 153, 153a StPO, § 398 AO eingestellten Steuerstrafverfahren. Ein erheblicher Anteil der Steuerstrafverfahren dürfte mehrere eigenständige Taten umfasst haben. Jede einzelne dieser Steuerstraftaten richtet sich mittelbar gegen die Gesamtheit der Steuerpflichtigen und damit mehrere Millionen Opfer. Eine individualisierbare Beziehung zwischen Täter und Opfer ist im Steuerstrafrecht daher ausgeschlossen. Eine „Genugtuung“ für die Opfer ist insofern nicht erreichbar, es fehlt an schutzwürdigen und -bedürftigen Opfern im Sinne des gerade um der Opfer Willen geschaffenen § 46a StGB, der demzufolge nicht anwendbar ist. Zwar könnte es unbillig erscheinen, dass berechnendes „Freikaufen“ gemäß § 371 AO zur Straffreiheit führt, aufrichtige Reue gemäß § 46a StGB hingegen nicht. Bei Steuerhinterziehung ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in beiden Alternativen des § 46a StGB vorausgesetzte „Genugtuung“ für das Opfer bei Steuerstraftaten ausscheidet. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied der Steuerstraftaten im Vergleich zu anderen Straftaten, so dass eine Anwendung des § 46a StGB aus Gründen der Gleichbehandlung von Steuerstraftätern mit anderen Straftätern nicht geboten ist155. 151

MüKo StGB – Franke, § 46a StGB, Rn 12; a.A. Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1996,

668. 152

Schöch, BGH-FG, S. 309 (334); a.A. Brauns, wistra 1996, 214 (218). Vgl. den Fall in BGH, Urt. v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205 (206). 154 Bundesministerium der Finanzen, wistra 2004, 135. 155 A.A. Schöch, BGH-FG, S. 309 (335); Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1995, 1449 (1451); Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1996, 668; Hagemeier, NWB Fach 13, S. 3733 (3734 f.). 153

D. Prozessuale Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

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2. Tatsächliche Verständigung als Schadenswiedergutmachung gemäß § 46 StGB Dass die Steuernachzahlung als solche bei Steuerstraftaten nach § 46 Abs. 2 StGB strafmildernd zu berücksichtigen ist, ist hingegen allgemein anerkannt156. Allerdings wird der Steuerschaden bereits dadurch gemindert, dass die Finanzbehörden in die Lage versetzt werden, die Steuerschuld festzusetzen. Soweit eine tatsächliche Verständigung zu einer Festsetzung führt, die ohne die Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht möglich gewesen wäre, beruht die Schadenswiedergutmachung auf dem Verhalten des Steuerpflichtigen und muss deshalb nach § 46 Abs. 2 StGB schuldmildernd berücksichtigt werden157. Entgegen der Auffassung von Eich158 verlangt § 46 Abs. 2 weder eine vollständige Schadenswiedergutmachung, weswegen auch eine annäherungsweise Wiedergutmachung auf Grundlage der tatsächlichen Verständigung zu berücksichtigen ist, noch darf die Strafmilderung mit der Begründung versagt werden, der Täter verfolge lediglich prozesstaktische Zwecke159.

3. Zwischenergebnis Im Steuerstrafrecht ist zwar der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a StGB in beiden Varianten ausgeschlossen, es kommt allerdings eine Schadenswiedergutmachung gemäß § 46 Abs. 2 StGB in Betracht. Diese kann sowohl durch die Steuernachzahlung als auch durch Abschluss einer tatsächlichen Verständigung erfolgen, soweit die tatsächliche Verständigung zu einer Steuerfestsetzung führt, die ohne die Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht möglich gewesen wäre.

D. Prozessuale Konsequenzen für das laufende Steuerstrafverfahren D. Prozessuale Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

Neben den materiellrechtlichen sind auch die prozessualen Konsequenzen der tatsächlichen Verständigung für das laufende Steuerstrafverfahren zu berücksichtigen. Dabei geht es zum einen um die rechtliche Bedeutung der tatsächlichen Ver156

BGH, Beschl. v. 07.07.1992 – 5 StR 284/92, wistra 1992, 339 f.; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 1058; Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 230; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 6; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (513); nach Schöch, BGH-FG, S. 309 (313) soll der Gesichtspunkt der Schadenswiedergutmachung gemäß § 46 Abs. 2 StGB hingegen in der Praxis allgemein nur eine geringe Rolle spielen. 157 Burkhard, S. 172; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (387); Dannecker, Finanzstrafrecht 2007, 35 (49); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11631); ähnlich Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (685). 158 Eich, S. 89 f. 159 Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 230.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

ständigung für die richterliche Beweiswürdigung, zum anderen um ihre faktischen Auswirkungen auf den Fortgang des Steuerstrafverfahrens.

I. Strafprozessrechtliche Bedeutung Wie bereits gesehen, dürfen die Finanzbehörden die ihnen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung vom Steuerpflichtigen freiwillig mitgeteilten Verhältnisse des Steuerpflichtigen den Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich offenbaren, diese die ihnen mitgeteilten Erkenntnisse grundsätzlich verwerten160. Für die Verwertung der Erklärungen des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters zur tatsächlichen Verständigung im Steuerstrafverfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren unterschiedlichen Verfahrensordnungen, insbesondere unterschiedlichen Beweislastregeln folgen161, so dass keine gegenseitige Bindung besteht162. Der Strafrichter hat die volle Vorfragenkompetenz auch für die § 370 AO ausfüllenden steuerrechtlichen Normen, er hat stets selbständig die hinterzogenen Steuern zu berechnen und darf nicht einfach die Feststellungen der Finanzbehörde übernehmen163. Im Strafverfahren gilt der Grundsatz in dubio pro reo, eine Verurteilung erfordert die volle Überzeugung des Gerichts, dass ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit besteht, demgegenüber vernünftiger Zweifel nicht laut werden kann164. Demgegenüber gilt im Besteuerungsverfahren der Finanzbehörden165 und vor dem Finanzgericht166 regelmäßig ein ähnlicher Beweismaßstab, der weniger als Gewissheit, aber mehr als nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert, das heißt einen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt167. Insbesondere für den Fall der Schätzung gemäß § 162 AO, § 96 FGO, ist dieses Regelbeweismaß jedoch dahingehend reduziert, dass statt der an Sicherheit grenzenden nur die größtmögliche Wahrscheinlichkeit gefordert wird168. Zwar 160

Vgl. oben B.II. Englisch, S. 61; Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 92a; vgl. auch Franzen/Gast/ Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 68, 71 zur Bedeutung des § 160 AO im Steuerstrafverfahren. 162 Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 109. 163 Vgl. hierzu bereits oben 1.Kapitel, B. I., II.1. 164 BGH, Urt. v. 09.02.1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208 (209), v. 25.11.1998 – 3 StR 334/98, NStZ 1999, 205 und v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148 (154); Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 261 StPO, Rn 2; dies gilt auch für den Erlass eines Strafbefehls, Löwe/ Rosenberg26 – Gössel, vor § 407 StPO, Rn 34. 165 Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 1; zweifelnd Seer, Verständigungen, S. 182 f. 166 BFH, Urt. v. 02.12.2004 – III R 49/03, BFHE 208, 531 (535 f.). 167 Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 16. 168 BFH, Urt. v. 13.03.1985 – I R 7/81, BFHE 145, 502 (504 f.); Gräber – v. Groll, § 96 FGO, Rn 18; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 29; zu den besonderen (strengeren) Anforderungen der Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren bereits oben B.IV. und 3. Kapitel, A.IV.2.b)bb). 161

D. Prozessuale Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

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ist auch im Steuerstrafverfahren die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist169. Es würde der Gerechtigkeit widersprechen, wenn der Täter einer Steuerstraftat deshalb Straffreiheit beanspruchen könnte, weil die Strafgerichte zu einer genauen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen außerstande sind, obwohl der Täter diesen Mangel, z. B. durch pflichtwidriges Unterlassen oder durch Vernichten von Aufzeichnungen selbst herbeigeführt hat170. Die Schätzung unterliegt dabei dem Tatrichter selbst. Er darf Schätzungen der Finanzbehörden nur dann übernehmen, wenn er selbst von ihrer Richtigkeit unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze überzeugt ist171. Während die steuerrechtliche Schätzung denjenigen Betrag bestimmen soll, der die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat, kommt es bei den gleichen Anhaltspunkten im Strafrecht auf die Feststellung der Beträge an, die nach der vollen Überzeugung des Strafrichters als erwiesen anzusehen sind172. Wenn man in der tatsächlichen Verständigung entsprechend der hier vertretenen Auffassung nicht einen „normkonkretisierenden Rechtsgrund“ für die spätere Steuerfestsetzung erblickt, sondern lediglich eine Maßnahme der Sachverhaltsermittlung im Sinne einer „einvernehmlichen Schätzung“173, muss ihre strafprozessrechtliche Beurteilung den für die Schätzung entwickelten Grundsätzen folgen. Bereits hieraus ergibt sich, dass die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angenommene Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung174 auf das Besteuerungsverfahren beschränkt bleibt175. Zudem lassen, worauf auch der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung zur Höchststrafenabrede ausdrücklich betont hat, im Strafverfahren Verständigungen der Beteiligten die Aufklärungspflicht des Gerichts unberührt. Ein Geständnis des Beschuldigten ist – insbesondere, wenn es Ergebnis einer Höchststrafenabrede ist – vom Gericht auf seine Zuverlässigkeit und dahin169 BGH, Urt. v. 11.12.1952 – 3 StR 69/52, BGHSt 3, 377 (383 f.), und v. 04.02.1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 (148), Beschl. v. 10.09.1985 – 4 StR 487/85, wistra 1986, 65, v. 24.05.2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345 (346) und v. 19.07.2007 – 5 StR 251/07, wistra 2007, 470. 170 Burkhard, S. 87; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 59. 171 BGH, Urt. v. 17.03.2005 – 5 StR 461/04, wistra 2005, 311, Beschl. v. 04.05.1984 – 3 StR 131/84, wistra 1984, 182, v. 04.02. 1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 (148), v. 26.04.2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 (309); BGH, Beschl. v. 24.05.2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345 (346) und v. 19.07.2007 – 5 StR 251/07, wistra 2007, 470; Burkhard, S. 86; Reiter, S. 185; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 107. 172 Wenzel, S. 79 f.; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 58; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 497; Volk, Kohlmann-FS, S. 579 (579 f.); zur Bedeutung des § 160 AO im Steuerstrafrecht vgl. BGH, Urt. v. 22.11.1985 – 2 StR 64/85, wistra 1986, 109 (110 f.) und Dannecker, wistra 2001, 241. 173 Vgl. hierzu oben B.III.2. 174 Vgl. hierzu bereits oben E. I. 175 I. E. ebenso Buciek, DStZ 1999, 389 (398).

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

gehend zu überprüfen, ob es der Aktenlage entspricht oder sich eine weitere Sachaufklärung aufdrängt176. Eine tatsächliche Verständigung vermag für das Steuerstrafverfahren daher auch dann keine Bindungswirkung zu erlangen, wenn sie nicht nur zwischen dem Steuerpflichtigen und der Veranlagungsstelle, sondern unter Einbeziehung der Bußgeld- und Strafsachenstelle177 getroffen wird178. Für die Beweiskraft der tatsächlichen Verständigung im Steuerstrafverfahren ist aber auch deren Inhalt selbst von Bedeutung. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Grundgedanke der tatsächlichen Verständigung ein anderer ist als der des Geständnisses im Sinne des Strafprozesses. Soweit der Beschuldigte ein Geständnis ablegt, erkennt er die gegen ihn erhobenen tatsächlichen Vorwürfe ohne Einschränkung als zutreffend an. Die tatsächliche Verständigung ist hingegen lediglich Ausdruck gemeinsamer Wahrscheinlichkeitsüberlegungen der Finanzbehörde und des Steuerpflichtigen. Ein Geständnis beinhaltet die Behauptung „so war es“, eine tatsächliche Verständigung hingegen nur „so könnte es gewesen sein“179. Darüber hinaus beschränkt sich der Gegenstand der tatsächlichen Verständigung auf die Steuerrechtslage, das heißt auf den objektiven Tatbestand einer möglichen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Wenn auch in der Rechtswirklichkeit eine Verteidigungsstrategie, bei der „der Vorsatz die letzte Verteidigungslinie ist“, mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist180, ist bei (objektivem) Vorliegen einer Steuerverkürzung der subjektive Tatbestand für die steuerstrafrechtliche Würdigung von zentraler Bedeutung181. Er entscheidet darüber, ob eine Betriebs- oder Fahndungsprüfung lediglich zu einem steuerlichen Mehrergebnis führt, ob eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO182 oder eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO vorliegt und unter welchen Voraussetzungen eine Selbstanzeige möglich ist. Hierzu wird die tatsächliche Verständigung allerdings regelmäßig gerade keine Angaben enthalten. Die tatsächliche Verständigung als solche stellt daher kein Geständnis im Sinne der Strafprozessordnung dar183, sie entfaltet allen-

176

Vgl. oben 2. Kapitel, B. I., m. w. Nachw. Vgl. zu dieser Praxis die Fälle BFH, Beschl. v. 23.07.2002 – X B 174/01, BFH/NV 2002, 1486 (1487); vgl. auch BFH, Urt. v. 07.07.2004 – X R 24/03, BFHE 206, 292. 178 A.A. Baum, NWB F 2, 9957 (9961). 179 Eich, S. 67, 120; Burkhard, S. 178; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (385 f.); Streck, StuW 1993, 366 (369); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1736). 180 Randt, Steuerfahndungsfall, Einleitung, Rn 3; ähnlich Streck, DStJG 18, S. 173 (185); vgl. aber Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (685): „Arbeit am subjektiven Tatbestand“ und Schmidt, StuW 1998, 278 (280). 181 Füllsack, S. 95; Simon/Vogelberg – Simon, S. 346; hierdurch wird auch ein Missbrauchspotential eröffnet, vgl. Schmidt, StuW 1998, 278 (282). 182 Zur Abgrenzung zwischen Vorsatz und Leichtfertigkeit vgl. Bilsdorfer, NJW 2003, 2281 (2283) m. w. Nachw. 183 Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 92a; Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 310; Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 218a; Sauer, Rn 322; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (386); zu der Kombination von tatsächlicher Verständigung und Geständnis (sog. „Bielefelder Formular“) vgl. unten 6. Kapitel, C.I. 177

D. Prozessuale Konsequenzen für das Steuerstrafverfahren

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falls – auf den objektiven Tatbestand beschränkte – Indizwirkung184. Insofern wird das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung im Fall einer Höchststrafenabrede für die Überprüfung eines Geständnisses durch den Strafrichter von Bedeutung sein. Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass der Strafrichter von einem höheren Hinterziehungsvolumen ausgeht, als es sich aus der tatsächlichen Verständigung ergäbe185.

II. Faktische Auswirkungen der tatsächlichen Verständigung Neben der rechtlichen Bedeutung sind auch die faktischen Auswirkungen einer tatsächlichen Verständigung auf das Steuerstrafverfahren zu berücksichtigen die sich insbesondere aus deren Indizwirkung ergeben können186. Allgemeinverbindliche Aussagen lassen sich insofern freilich kaum aufstellen. Die unterschiedlichen Erfahrungen, die in die Stellungnahmen der Literatur eingegangen sind, machen vielmehr deutlich, dass das Prozessverhalten der Beteiligten und damit die Reaktion auf einzelne Maßnahmen der anderen Seite jeweils von den individuellen Umständen des Einzelfalls abhängen dürften187. An dieser Stelle soll daher nur ein kurzer Überblick über die in der Literatur vertretenen Auffassungen gegeben werden. Weitestgehend Einigkeit besteht darüber, dass eine tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren die Aussicht auf einen konsensualen Abschluss auch des Steuerstrafverfahrens wesentlich erhöhen kann188. Andererseits wird die außerhalb einer „Gesamtbereinigung“ isoliert abgeschlossene tatsächliche Verständigung aus Sicht der Verteidigung vor dem Hintergrund einer möglichen „faktischen Bindungswirkung“ von der wohl überwiegenden Meinung für problematisch gehalten189, es finden sich diesbezüglich aber auch differenzierte Stellungnahmen190. Soweit eine bindende tatsächliche Verständigung als Belastung für das Steuerstraf184 Eich, S. 123; Schmidt, DStR 1998, 1733 (1737); vgl. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 385 AO, Rn 20: Übernahme der Ergebnisse von tatsächlichen Verständigungen in das Steuerstrafverfahren „nicht ohne kritische Würdigung“. 185 Schmidt, DStR 1998, 1733 (1736); dies dürfte allerdings die Ausnahme darstellen, vgl. Rolletschke/Kemper – Kemper, § 399 AO, Rn 17; Pump, StW 2007, 171. 186 Eich, S. 123 ff. 187 Wannemacher – Vogelberg, Rn 4479; Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (685). 188 Eich, S. 85; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 91; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (519); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (384); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1735). 189 Eich, S. 122 ff.; Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 518; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 90; Simon/Vogelberg – Simon, S. 346; Streck, DStJG 18, S. 173 (185); Flockermann, Ritter-FS, S. 103 (112 f.); Streck, StuW 1993, 366 (369); Mack, DStR 1991, 272; Matthes, EFG 2009, 1808 (1810; mit Hinweisen zur Vermeidung der faktischen Bindungswirkung). 190 Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (684 f.); Hillenbrand, BB 1994, 336; Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11631); unklar v. Briel/Ehlscheid, Rn 324 f.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

verfahren gesehen wird, wird die informelle, nicht bindende Verständigung als Alternative genannt191.

III. Zwischenergebnis Die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren stellt als solche sowohl wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung als auch wegen ihres Inhalts im Steuerstrafverfahren kein Geständnis im strafprozessualen Sinn dar. Ihr kommt allenfalls eine – auf den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung beschränkte – Indizfunktion zu, die insbesondere im Rahmen einer Höchststrafenabrede Bedeutung erlangen kann. Diese Indizfunktion der tatsächlichen Verständigung gilt in der Literatur überwiegend als Grund gegen eine isolierte tatsächliche Verständigung ohne gleichzeitigen Abschluss des Steuerstrafverfahrens.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

Die mögliche strafrechtliche Relevanz einer tatsächlichen Verständigung ist allerdings nicht auf das Steuerstrafverfahren wegen vergangener Straftaten beschränkt. Für die Beteiligten besteht nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs192 auch das Risiko, sich gerade durch die tatsächliche Verständigung (erneut) strafbar zu machen. Im Vordergrund steht dabei die Frage der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“193, in Betracht kommen aber auch die Tatbestände der Begünstigung und verschiedener Nichtsteuerstraftaten. Zu erörtern ist zudem, in welchem Verhältnis möglicherweise im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung verwirklichte Straftaten zu der ursprünglichen Steuerhinterziehung stehen.

I. Straflosigkeit der „Nichteinhaltung“ der tatsächlichen Verständigung Bereits kurz nach Anerkennung der tatsächlichen Verständigung als Rechtsinstitut durch den Bundesfinanzhof wurde in der Literatur die Befürchtung geäußert, es liege „für die Strafverfolgungsbehörden nahe, mit der Nichteinhaltung dieser 191 Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S.681 (685); Streck/Schwedhelm, DStR 1986, 713 (714); Mack, DStR 1991, 272. 192 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (106). 193 So der Titel eines noch vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs veröffentlichten Aufsatzes von Salditt, StuW 1998, 283.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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Vereinbarung den Vorwurf einer Steuerhinterziehung zu begründen194“. Die Vorstellung, die „Nichteinhaltung“ einer tatsächlichen Verständigung könne den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO erfüllen, orientierte sich offenbar an der Auslegung des Tatbestands des Betrugs gemäß § 263 StGB. Eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß § 263 StGB wird – in Gestalt des „Eingehungsbetrugs“ – unter anderem dann angenommen, wenn eine Leistung vertraglich versprochen wird, obwohl der Versprechende nicht fähig oder nicht willens ist, die Leistung zu erbringen, da in dem Versprechen der Leistung die stillschweigende Behauptung eigener Leistungsfähigkeit und -bereitschaft gesehen wird195. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber für die Strafbarkeit der „Nichteinhaltung“ einer tatsächlichen Verständigung nicht – wie seinerzeit vorgebracht wurde – entscheidend, ob sich aus der tatsächlichen Feststellung das Vorliegen der in ihr beschriebenen Besteuerungsgrundlagen mit der für eine Verurteilung im Steuerstrafverfahren erforderlichen Sicherheit entnehmen lässt196. Das bloße Nichtzahlen einer ordnungsgemäß angemeldeten bzw. festgesetzten Steuer ist mangels Erklärungswerts generell keine Steuerhinterziehung197; es fehlt bereits an einem tatbestandsmäßigen Verhalten. Dies gilt auch dann, wenn die Säumigkeit böswillig gewesen ist198. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Besteuerungsgrundlagen auf dem hergebrachten Weg oder mittels einer tatsächlichen Verständigung ermittelt wurden. Es ist zwar im Zusammenhang mit Erklärungen des Steuerpflichtigen im Vollstreckungsverfahren ausdrücklich anerkannt, dass das Versprechen von Zahlungen, die zu leisten der Versprechende nicht willens oder nicht fähig ist, eine konkludente Täuschung und damit „unrichtige Angaben“ im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO enthält199. Eine tatsächliche Verständigung beinhaltet jedoch – zumindest nach der hier vertretenen Auffassung200 – keinerlei Leistungsversprechen, sondern dient nur der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, wohingegen das Entstehen des Steueranspruchs dem Gesetz, § 38 AO i.V. m. dem jeweiligen Steuergesetz, folgt und vom Willen der Beteiligten unabhängig ist201. 194

Streck/Schwedhelm, DStR 1986, 713 (714). Vgl. Fischer, § 263 StGB, Rn 12, 19, m. w. Nachw. 196 So aber Eich, S. 64 ff.; Streck/Schwedhelm, DStR 1986, 713 (714); Streck, StuW 1993, 366 (369); ebenso – insoweit unzutreffend – Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (385). 197 BGH, Beschl. v. 15.05.1997 – 5 StR 45/97, HFR 1997, 941; Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 26; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 210; vgl. aber für die Umsatzsteuer die Sondervorschriften der §§ 26b, 26c UStG. §§ 26b, 26c UStG knüpfen allerdings an das Ausstellen einer Rechnung im Sinne von § 14 UStG an und sind daher auf die tatsächliche Verständigung nicht anwendbar. 198 Bansemer, wistra 1994, 327 (328); vgl. auch BGH, Urt. v. 03.04.1952 – 3 StR 630/51, BGHSt 2, 338 (340), zu § 396 RAO. 199 BGH, Urt. v. 23.06.1992 – 5 StR 74/92, wistra 1992, 300 (302); Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 123. 200 Vgl. hierzu 4. Kapitel, B.III.3. 201 Beermann/Gosch – Sauer, § 201 AO, Rn 28; insoweit zutreffend, obwohl er von der tatsächlichen Verständigung als öffentlich-rechtlichem Vertrag ausgeht, auch Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (385). 195

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

In Ermangelung eines „einzuhaltenden“ Versprechens ist daher bereits der Begriff der „Nichteinhaltung“ der tatsächlichen Verständigung problematisch. Der Steuerpflichtige trifft jedenfalls durch seine Mitwirkung an der tatsächlichen Verständigung grundsätzlich keine konkludente Aussage über seine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft hinsichtlich des sich aus der tatsächlichen Verständigung ergebenden Steueranspruchs, so dass auch diesbezügliche Falschangaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht vorliegen können. Jedenfalls im Ergebnis ist die Straflosigkeit der „Nichteinhaltung“ einer tatsächlichen Verständigung zwischenzeitlich allgemein anerkannt202.

II. Taterfolg der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ist ein Erfolgsdelikt, also erst dann vollendet, wenn der im Tatbestand beschriebene Erfolg eingetreten ist203. Das Schlagwort der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ ist diesbezüglich ungenau, weil offen bleibt, ob der tatbestandliche Erfolg bereits in der tatsächlichen Verständigung selbst oder erst in der nachfolgenden Steuerfestsetzung liegen soll, obwohl die genaue Bestimmung des Erfolgs im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung, Versuch (§ 370 Abs. 2 AO) und Vollendung einerseits und den Beginn der Verjährung andererseits von erheblicher Bedeutung ist. Es stellt sich damit ein ähnliches Problem wie bei der Steuerhinterziehung durch Erschleichen eines unrichtigen Feststellungsbescheids gemäß § 179 Abs. 1 AO, der in ähnlicher Weise wie die tatsächliche Verständigung für die Steuerfestsetzung bindend ist. 1. Tatsächliche Verständigung kein anderer nicht gerechtfertigter Steuervorteil Weder der Feststellungsbescheid noch die tatsächliche Verständigung beinhalten eine Steuerfestsetzung, so dass eine vollendete Steuerverkürzung gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO allein durch den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung oder die Erwirkung eines Feststellungsbescheids204 nicht in Betracht kommt. Hinsichtlich eines erschlichenen Feststellungsbescheids wird in der Literatur zwar die Auffassung vertreten, es handele sich dabei um einen anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteil205. Auch der Bundesgerichtshof hat sich dieser Auffassung nun202 Eich, S. 64 ff.; Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 37; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (385); Streck, StuW 1993, 366 (369); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1736); Baum, NWB F 2, 9957 (9962). 203 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 20. 204 Vgl. zum erschlichenen Feststellungsbescheid Sorgenfrei, wistra 2006, 370 (374). 205 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 376 AO, Rn 21.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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mehr angeschlossen206. Die Gleichsetzung des Falles eines erschlichenen Feststellungsbescheids und einer erschlichenen tatsächlichen Verständigung erscheint allerdings zunächst insofern problematisch, als der erschlichene Feststellungsbescheid zwar gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V. m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c) AO207 aufgehoben bzw. geändert werden kann, allerdings grundsätzlich wirksam ist, während eine erschlichene tatsächliche Verständigung von vornherein unwirksam ist208. Da ein Steuervorteil nicht zwingend in Form eines Verwaltungsakts gewährt werden muss, sondern auch durch Realakte oder Unterlassen gewährt werden kann209, könnte ein Steuervorteil aber bereits in dem von der erschlichenen tatsächlichen Verständigung ausgehenden Rechtsschein einer Bindungswirkung liegen. Fraglich ist jedoch darüber hinaus, ob nach der Systematik des § 370 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 AO im Vorfeld der Steuerfestsetzung überhaupt ein „anderer nicht gerechtfertigter Steuervorteil“ erlangt werden kann. Da die beiden Tatbestandsvarianten der Steuerhinterziehung und der Erlangung eines anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils in § 370 Abs. 1 AO ausdrücklich unterschieden und in § 370 Abs. 4 Satz 1, 2 AO näher erläutert sind, ist davon auszugehen, dass sie Unterschiedliches meinen210. Die herausgehobene Stellung der Steuerverkürzung in § 370 Abs. 1 AO und die Verknüpfung der Steuerverkürzung mit dem Festsetzungsverfahren durch § 370 Abs. 4 Satz 1 AO legen eine Unterscheidung danach nahe, in welchem Stadium sich das Besteuerungsverfahren befindet bzw. bei Erfüllung der steuerlichen Pflichten befinden würde. Besserstellungen des Täters in der Phase der Festsetzung sind danach grundsätzlich als Steuerverkürzung, Vergünstigungen außerhalb der Steuerfestsetzung dagegen als Erlangung eines anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils zu qualifizieren211. Entscheidend ist für die Einordnung der erschlichenen tatsächlichen Verständigung, dass nach dieser Systematik die gegebenenfalls auch später eintretende Steuerverkürzung den Rückgriff auf den „anderen“ Steuervorteil sperrt. Für eine solche Sperrwirkung spricht auch, dass § 370 Abs. 1 AO trotz der Hervorhebung der Steuerverkürzung als besonderer Form des steuerlichen Vorteils von einer tatbestandlichen Gleichwertigkeit („oder“) beider Alternativen ausgeht. Durch die Erlangung eines anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils muss daher das von § 370 AO geschützte Rechtsgut – nach Rechtsprechung des 206

BGH, Beschl. v. 10.12.2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 (105). Zur entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO auf Feststellungsbescheide vgl. Klein – Brockmeyer, § 181 AO, Rn 1. 208 Vgl. 4. Kapitel, E.III.2. 209 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 98; Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 56; Müller, DStZ 2001, 613 (614 f.). 210 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 119. 211 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 98; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 120; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 118; a.A. Tipke/Lang – Seer, § 23, Rn 35; Müller, DStZ 2001, 613 (614). 207

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Bundesgerichtshofs der staatliche Steueranspruch212 – je nach der Einordnung von § 370 AO als Verletzungs213- oder Gefährdungsdelikt214 in gleicher Weise geschädigt oder gefährdet werden wie durch eine Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO. Damit scheiden als andere nicht gerechtfertigte Steuervorteile im Sinne des § 370 AO solche Positionen aus, die lediglich eine Vorstufe bzw. ein Durchgangsstadium der Steuerfestsetzung darstellen, da sie eine gleichwertige Schädigung oder Gefährdung des geschützten Rechtsguts (noch) nicht bewirken215. Dies gilt auch für den erschlichenen Feststellungsbescheid und die erschlichene tatsächliche Verständigung. Diese bewirken zwar eine Gefährdung des Steueranspruchs, da sie regelmäßig zu einer unzutreffenden Steuerfestsetzung führen. Auch wenn man § 370 AO als Gefährdungsdelikt einordnet, muss diese Gefährdung hinreichend konkret216 sein, um eine vollendete Steuerhinterziehung annehmen zu können. Wegen der Gleichwertigkeit der Tatbestandsalternativen der Steuerverkürzung und des anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils ist eine für die Annahme eines anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils hinreichend konkrete Gefährdung erst dann anzunehmen, wenn sie der Gefährdung durch eine Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO entspricht. Gerade hieran fehlt es aber in beiden Fällen, da der Feststellungsbescheid ebenso wie die tatsächliche Verständigung die Steuerfestsetzung erst vorbereitet217. Im Vergleich zur unmittelbaren Gefährdung durch die unzutreffende Steuerfestsetzung bedeuten der erschlichene Feststellungsbescheid und die erschlichene tatsächliche Verständigung erst eine mittelbare Gefährdung. Die tatsächliche Verständigung kann daher – ebenso wie ein Feststellungsbescheid – keinen anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteil im Sinne des § 370 AO darstellen.

2. Maßgeblichkeit der nachfolgenden Steuerfestsetzung Da nach dem soeben Gesagten eine tatsächliche Verständigung keinen anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteil im Sinne des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO darstellt, ist eine „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ nur denkbar, wenn in Umsetzung der tatsächlichen Verständigung eine Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 Satz 1 AO eintritt. Das bloße Ein212 BGH, Urt. v. 01.02.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100 (102) und v. 25.01.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 (5), Beschl. v. 23.03.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109 (111); ebenso Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 17. 213 Beckemper, NStZ 2002, 518 (520); Sorgenfrei, wistra 2006, 370 (375). 214 BGH, Beschl. v. 10.12.2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 (106 f.); Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 15. 215 Beckemper, NStZ 2002, 518 (520); Sorgenfrei, wistra 2006, 370 (374); Blesinger, wistra 2009, 294 (297 f.); a.A. BGH, Beschl. v. 10.12.2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 (106 f.). 216 Dies wird grundsätzlich auch von BGH, Beschl. v. 10.12.2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 (106) anerkannt. 217 Schillhorn, S. 111 f.; Jope, DStZ 2009, 247 (248); A.A. BGH, Beschl. v. 10.12.2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 (107); jeweils zum Feststellungsbescheid.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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gehen einer tatsächlichen Verständigung verwirklicht daher mangels eines tatbestandsmäßigen Erfolges niemals den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Das bewusste Eingehen einer inhaltlich falschen tatsächlichen Verständigung kann jedoch einen strafbaren Versuch der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1, 2 AO, §§ 22, 23 StGB darstellen. Hierfür ist Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige bzw. gegebenenfalls sein Berater alles getan haben, was aus ihrer Sicht zur Herbeiführung der Steuerfestsetzung erforderlich ist, und die Umsetzung der tatsächlichen Verständigung durch die Finanzverwaltung unmittelbar bevorsteht218. Wegen der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung sind diese Voraussetzungen mit deren Zustandekommen aber regelmäßig erfüllt, so dass ein unmittelbares Ansetzen zur Steuerhinterziehung im Sinne des § 22 StGB und damit ein strafbarer Versuch der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1, 2 AO, §§ 22, 23 StGB gegeben ist219. Anders als bei Vorliegen einer vollendeten Steuerhinterziehung kann Straffreiheit in dieser Situation aber nicht nur durch eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO, sondern auch durch einen Rücktritt gemäß § 24 StGB erlangt werden220. Steuerstrafrechtlich unerheblich ist demgegenüber, ob eine tatsächliche Verständigung in der entsprechenden Situation überhaupt getroffen werden durfte oder die Besteuerungsgrundlagen nicht stattdessen durch Schätzung gemäß § 162 AO hätten ermittelt werden müssen. Für eine Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 Satz 1 AO ist erforderlich, dass die festgesetzte hinter der tatsächlich geschuldeten Steuer zurückbleibt221. Ob die für die Steuerfestsetzung herangezogenen Besteuerungsgrundlagen zur vollen Überzeugung der Finanzbehörde, durch Schätzung gemäß § 162 AO oder im Wege der tatsächlichen Verständigung ermittelt wurden, ist nicht entscheidend. Welche Steuer tatsächlich geschuldet war, ist im Steuerstrafverfahren ausschließlich nach den dort geltenden Vorschriften festzustellen und unabhängig davon, ob im Besteuerungsverfahren andere Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen gewesen wären, die möglicherweise zu einer anderen Steuerfestsetzung geführt hätten. 218 Vgl. zu dieser Voraussetzung RG, Urt. v. 22.02.1932 – III 41/32, RGSt 66, 141 (142); BGH, Urt. v. 12.08.1997 – 1 StR 234/97, BGHSt 43, 177 (180); Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 261a. 219 Ebenso Sorgenfrei, wistra 2006, 370 (374) für die Frage der Steuerhinterziehung im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung; da der Feststellungsbescheid vom Feststellungsfinanzamt dem Festsetzungsfinanzamt von Amts wegen mitgeteilt wird, ist es entgegen Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 299 und Beckemper, NStZ 2002, 518 (522 f.), unerheblich, ob der betroffene Steuerpflichtige selbst von dem Feststellungsbescheid „Gebrauch macht“. 220 Bedeutung gewinnt diese Unterscheidung u. a. dadurch, dass die Entdeckung der Tat zwar gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zum Ausschluss der Selbstanzeige führt, der Freiwilligkeit einer Rücktrittshandlung gemäß § 24 StGB aber nicht notwendig entgegensteht, vgl. Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 549; Fischer, § 24 StGB, Rn 23. 221 Vgl. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 45.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

III. Die „steuerlich erheblichen Tatsachen“ bei der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ Neben dem Taterfolg der Steuerverkürzung bzw. der Erlangung eines anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils ist den beiden hier relevanten Tatbestandsvarianten des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gemeinsam, dass sich die Tathandlung jeweils auf „steuerlich erhebliche Tatsachen“ beziehen muss. Tatsachen sind Umstände der realen Welt; sie sind von Werturteilen und Begriffen zu unterscheiden222. Steuerlich erheblich sind Tatsachen nach vorherrschender Auffassung in erster Linie, wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen werden müssen, also Grund und Höhe des Steueranspruchs beeinflussen. Darüber hinaus sind aber auch solche Tatsachen steuerlich erheblich, welche die Finanzbehörde zur Einwirkung auf den Steueranspruch sonst veranlassen können223. Steuerlich erheblich in diesem Sinne sind Tatsachen letztlich immer dann, wenn sie für den tatbestandsmäßigen Erfolg potenziell kausal sind224. Da tatbestandsmäßiger Erfolg bei der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ die Steuerverkürzung bei der anschließenden Steuerfestsetzung ist, sind „steuerlich erheblich“ alle Tatsachen, die sich auf diese Steuerverkürzung auswirken können. Wenn die Finanzbehörde ihre im Rahmen der tatsächlichen Verständigung vorgenommene Schätzung in der Folge ohne weiteres umsetzt, beruht die Steuerfestsetzung und damit auch eine Steuerverkürzung allein auf dieser Schätzung. Die Zustimmung des Steuerpflichtigen zu dieser Schätzung und die dadurch bewirkte Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung wirken sich auf die Steuerfestsetzung erst dann aus, wenn die Finanzbehörde – aus welchen Gründen auch immer – im Nachhinein von ihrer Schätzung abweichen will, aufgrund der Bindungswirkung aber an ihr festhalten muss. Dies gilt selbst dann, wenn die tatsächliche Verständigung infolge einer Täuschung der Finanzbehörden durch den Steuerpflichtigen in Wirklichkeit unwirksam ist, da auch die unwirksame tatsächliche Verständigung noch einen Rechtsschein entfaltet, der bis zur Entdeckung der Unwirksamkeit eine zutreffende Steuerfestsetzung verhindert. Da allerdings im Zeitpunkt des Abschlusses der tatsächlichen Verständigung nicht absehbar ist, ob es zum Streit über deren Umsetzung kommen wird, 222

Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 123; Spriegel, wistra 1998, 241. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 130; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 76; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 229. 224 Das Tatbestandsmerkmal der „steuerlichen Erheblichkeit“ ist somit weitgehend entbehrlich, da einerseits Angaben über steuerlich unerhebliche Tatsachen ohnehin keine Steuerverkürzung oder Erlangung anderer nicht gerechtfertigter Steuervorteile nach sich ziehen können, während andererseits Tatsachen, deren Berücksichtigung zu einer Steuerverkürzung oder einem anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils führt, genau deswegen steuerlich erheblich sind. Eigenständige Bedeutung entfaltet das Tatbestandsmerkmal nur bei fehlerhafter Rechtsanwendung durch die Finanzbehörde, wenn nämlich der zuständige Beamte sich bei der Festsetzung von Tatsachen leiten lässt, die richtigerweise außer Betracht bleiben müssten. 223

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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sind „steuerlich erheblich“ nicht nur Tatsachen, die die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörden betreffen, sondern auch solche Tatsachen, die nur das Zustandekommen einer tatsächlichen Verständigung betreffen. Hinsichtlich der Tatsachen der zweiten Gruppe fehlt es aber jedenfalls an der Kausalität für die Steuerverkürzung, wenn die Steuerfestsetzung von Anfang an entsprechend der in der tatsächlichen Verständigung vorgenommenen Schätzung erfolgt.

IV. Tathandlung der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Unter dem Gesichtspunkt der möglichen „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ ist die zentrale Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung abgegebenen Erklärungen „falsche Angaben“ im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO enthalten können. Nemo tenetur berechtigt im Besteuerungsverfahren nur zum Schweigen, nicht zur Begehung neuen Unrechts225. Eine weitere Falscherklärung zur Verdeckung vorangegangener Steuerhinterziehungen ist nicht mehr von der Selbstbezichtigungsfreiheit gedeckt226. Täter einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann auch der sein, den selbst keine steuerlichen Pflichten treffen, also insbesondere auch ein an der tatsächlichen Verständigung beteiligter steuerlicher Berater.

1. Auslegung der Erklärungen des Steuerpflichtigen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt zunächst voraus, dass unrichtige oder unvollständige „Angaben gemacht“ werden. Problematisch ist dabei weniger, ob überhaupt Äußerungen des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters vorliegen, da das Zustandekommen einer tatsächlichen Verständigung Aussagen zu den (wahrscheinlichen) Besteuerungsgrundlagen voraussetzt. Entscheidend ist vielmehr, wie die von dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Berater gemachten Aussagen hinsichtlich Inhalt und Tragweite auszulegen sind, wenn auch in der Gesamtbereinigungssituation noch Einkünfte verschwiegen oder objektiv mehrdeutige Erklärungen abgegeben werden. Speziell im Hinblick auf den nemo tenetur-Grundsatz kommt es entscheidend darauf an, bis zu welchem Stadium 225 BGH, Beschl. v. 26.04.2001 – 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8 (15), v. 10.01.2002 – 5 StR 452/01, wistra 2002, 149, v. 23.01.2002 – 5 StR 540/01, wistra 2002, 150 (151), v. 12.01.2005 – 5 StR 191/04, wistra 2005, 148 (149) und v. 17.03.2005 – 5 StR 328/04, wistra 2005, 228 (229); OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 11.07.2005 – 1 Ws 11/04, wistra 2006, 198 (199); AStBV(St) 2009 Nr. 11 Abs. 2 Satz 3; Röckl, S. 115 f.; Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 10. 226 Marx, Fachanwalt-FS, S. 673 (675); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (548); vgl. bereits BGH, Urt. v. 11.10.1951 – 4 StR 208/51, BGHSt 3, 18 (19).

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

das Zurückhalten von Tatsachen in einer tatsächlichen Verständigung noch als nur passives Verhalten zu qualifizieren ist, das von der Freiheit vom Zwang zur Selbstbelastung gedeckt ist und damit nicht gleichzeitig (erneut) strafbarkeitsbegründend sein kann227. Wohl bedingt durch die Formalisierung der Steuererklärungen gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 AO228, ist die Frage nach der Auslegung verbaler Erklärungen des Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzbehörde im Rahmen des § 370 AO bisher vorwiegend im Zusammenhang mit dem Fall erörtert worden, dass der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung eine von der Finanzbehörde abweichende Rechtsauffassung zugrunde legt229. Im Zollstrafrecht wird allerdings auch die Frage erörtert, welcher Erklärungswert im Rahmen des § 370 AO nonverbalen Verhaltensweisen zukommen kann230.

a) Auslegung bei von der Finanzbehörde abweichender Rechtsauffassung Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzen „vollständige“ Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO voraus, dass die zugrunde liegenden Sachverhalte für die Finanzbehörden „erkennbar“ sind. Da sich hinter den mitgeteilten Zahlen die verschiedensten Sachverhalte verbergen können, die für das Finanzamt nicht erkennbar sind, bestünde zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist231. Maßgeblich für die „Vollständigkeit“ wäre dementsprechend der typisierte Empfängerhorizont der Finanzbehörden, wie er in der im Teil II des Bundessteuerblatts veröffentlichten höchstrichterlichen Rechtsprechung und den Richtlinien und Erlassen der Finanzverwaltung zum Ausdruck kommt232. Gegen diese Rechtsprechung ist eingewandt worden, dass Anknüpfungspunkt einer Strafbarkeit nur ein Verstoß gegen formelle und materielle Gesetze der Legislative sein könne, nicht aber ein Verstoß gegen – wenn auch höchstrichterliche – Entscheidungen der Judikative, die nur inter partes gelten. Die Richtlinien der Finanzverwaltung entfalteten lediglich interne Wirkung gegenüber den nachgeordneten Behörden, 227

Vgl. Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (548). Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 121. 229 Vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 126 ff.; Hübschmann/Hepp/ Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 84 ff.; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 234 ff., jeweils m. w. Nachw. 230 Vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 121 f., 220c ff.; Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 81; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 217 ff. 231 BGH, Urt. v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137 (140); zust. Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 86; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 22, ebenso bereits Danzer, DStJG 6, 67 (73, 95 f.). 232 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 86; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 47; Tipke/Lang – Seer, § 23, Rn 24. 228

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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während der Bürger aus ihnen weder Rechte herleiten233 noch durch sie verpflichtet werden könne. Es gebe keine Vorschrift, die den Steuerpflichtigen bei Abgabe der Steuererklärung zur Orientierung an der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder den Richtlinien der Finanzverwaltung zwinge234. Vielfach wird daher davon ausgegangen, dass der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung jede Rechtsansicht zugrunde legen könne, soweit sie nur „vertretbar“ sei235. Nur eine unvertretbare Rechtsauffassung sei kein Werturteil mehr, sondern eine – unrichtige – Tatsachenbehauptung236.

b) Auslegung schlüssigen Verhaltens Die zollstrafrechtliche Diskussion betrifft namentlich die Frage, inwiefern bei dem Durchschreiten des „grünen Ausgangs“ am Flughafen, der denjenigen Passagieren vorbehalten ist, die nichts anzumelden haben, Angaben im Sinne des § 370 Abs.1 Nr. 1 AO gemacht werden. Entgegen einer Auffassung, die § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ausschließlich auf verbale – mündliche oder schriftliche – Erklärungen anwenden will237, gehen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs238 und die wohl überwiegende Literaturmeinung239 ohne weiteres davon aus, dass in dieser Situation Angaben durch schlüssiges Verhalten gemacht werden. Auch hier liegt letztlich ein Rückgriff auf die Verkehrsauffassung zugrunde240.

c) Folgerungen Soweit im Zollstrafrecht gegen die Auslegung nonverbaler Erklärungen anhand der Verkehrsauffassung Einwände erhoben werden, betreffen diese nicht die Auslegung von gegenüber den Finanzbehörden abgegebenen Erklärungen anhand der Verkehrsaufassung, sondern lediglich die Einbeziehung nonverbaler Verhaltensweisen in den Anwendungsbereich des § 370 AO. Insoweit stellen sich bei 233

Dies ist insofern ungenau, als die Richtlinien der Finanzverwaltung unter bestimmten Umständen eine Selbstbindung der Finanzverwaltung begründen und damit mittelbar Rechte des Steuerpflichtigen begründen können, vgl. BFH, Urt. v. 26.04.1995 – XI R 81/93, BFHE 178, 4 (7) und v. 29.03.2007 – IV R 14/05, BFHE 217 (525). 234 Röckl, S. 163 ff.; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 235. 235 Beermann/Gosch – Meyer, § 370 AO, Rn 41; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 128; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 236, jeweils m. w. Nachw.; Harms, Stbg 2005, 12 (14). 236 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 128. 237 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 122. 238 BFH, Beschl. v. 16.03.2007 – VII B 21/06, BFH/NV 2007, 824; vgl. auch BGH, Urt. v. 06.06.1973 – 1 StR 82/72, BGHSt 25, 190 (191). 239 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 81; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 220. 240 So ausdrücklich Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 221.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

der Frage nach der Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung aber regelmäßig keine Probleme. Mit Blick auf die Auslegung von Steuererklärungen bei abweichender Rechtsauffassung ist zwar zu berücksichtigen, dass es in der Gesamtbereinigungssituation gerade nicht um Steuererklärungen im Sinne der §§ 149 ff. AO geht. Für die vorliegende Untersuchung ist aber festzuhalten, dass letztlich nach allen Auffassungen der objektive Empfängerhorizont der Finanzbehörde als maßgebliches Kriterium für die Auslegung der Steuererklärung anerkannt wird, da die Erklärungen des Steuerpflichtigen ansonsten für die Finanzbehörde praktisch unbrauchbar wären241. Die unterschiedlichen Ergebnisse ergeben sich allein daraus, dass im Bezug auf die der Steuererklärung zugrunde liegende Rechtsauffassung jeweils von einem anderen objektiven Empfängerhorizont ausgegangen wird. Insofern gelten auch im Steuerstrafrecht die allgemeinen strafrechtlichen Auslegungsgrundsätze. Danach ist der Inhalt einer Erklärung nach allgemeinen Interpretationsregeln zu ermitteln, indem zunächst der objektive Inhalt einer Erklärung festzustellen ist, darüber hinaus aber auch berücksichtigt werden muss, wie der Rechtsverkehr die Erklärung des Täters versteht oder verstehen darf242. Entscheidend ist daher bei unvollständigen oder objektiv mehrdeutigen Erklärungen im Rahmen der tatsächlichen Verständigung der Empfängerhorizont der Finanzbehörde. Der Bundesgerichtshof hielt es diesbezüglich in seiner eingangs erwähnten Entscheidung für „selbstverständlich“, dass die Finanzbehörde von einer vollständigen Erfassung aller vereinnahmten Beträge ausgeht243. In der Gesamtbereinigungssituation besteht aber gerade keine strafbewehrte Verpflichtung zur Abgabe vollständiger Steuererklärungen oder zur Abgabe von Steuererklärungen überhaupt. Auch wenn dies den Steuerpflichtigen freilich nicht berechtigt, in gleichwohl abgegebenen Erklärungen aktiv über seine steuerlichen Verhältnisse zu täuschen, kann daher nicht bereits das Verschweigen einzelner steuerlich erheblicher Tatsachen als konkludente Täuschung interpretiert werden. Für die Auslegung von „Berichtigungserklärungen“ des Steuerpflichtigen ist insbesondere der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO („insoweit“) zu beachten. Der Gesetzgeber hat dort für die Selbstanzeige die Möglichkeit der unvollständigen Berichtigungserklärung ausdrücklich in Betracht gezogen und die bewusste Zuwenigerklärung, die „dolose Teilberichtigung“ nicht ausgenommen244. Insofern hat sich trotz der Unterschiede zur Selbstanzeige die Finanzbehörde auch in der Gesamtbereinigungs-

241 Vgl. Beermann/Gosch – Meyer, § 370 AO, Rn 36; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 127; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 22; Tipke/Lang – Seer, § 23, Rn 24; Danzer, DStJG 6, 67 (73, 95 f.); Lang, StuW 203, 289 (292); für Auslegung unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts auch BFH, Urt.v. 22.09.2004 – III R 9/03, BFHE 207, 549 (554). 242 Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 86. 243 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (106). 244 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 570; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 64a; Kohlmann – Kohlmann, § 371 AO, Rn 68.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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situation gegebenenfalls über die Vollständigkeit oder den Sinn der Erklärungen des Steuerpflichtigen zu vergewissern245.

2. Einzelne Arten möglicher Tatsachenangaben Für die Frage, ob im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung unrichtige oder unvollständige Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht werden, sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden, von denen in der bereits genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur tatsächlichen Verständigung lediglich eine erörtert wurde.

a) Bestimmte Angaben über Indizien Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung betrifft den Fall, dass in den Verhandlungen im Vorfeld einer tatsächlichen Verständigung der Finanzbehörde gegenüber nach Grund und Höhe bestimmte Angaben über Indizien gemacht werden, die die Finanzbehörde ihrer Schätzung zugrunde legt. Die Angeklagten hatten als steuerliche Generalbevollmächtigte ihrer Mandanten mit den Finanzbehörden über eine Gesamtbereinigung verhandelt und dabei erhebliche Vermögenswerte verschwiegen, die ihrerseits nach Auffassung des Bundesgerichtshofs offenkundig aus (weiteren) pflichtwidrig verschwiegenen Einkünften herrührten, die später auch im Rahmen der tatsächlichen Verständigung nicht berücksichtigt wurden246. Das Landgericht hatte bereits das Vorliegen einer Steuerverkürzung rechtsfehlerhaft verneint, so dass Ausführungen zur Tathandlung lediglich im Rahmen eines obiter dictum erfolgten. Der Bundesgerichtshof sah in dem Verhalten der Angeklagten eine mögliche Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Finanzbehörde sei „selbstverständlich“ von einer vollständigen Erfassung aller zugeflossenen Beträge ausgegangen. Das Verschweigen einzelner Einkünfte sei nicht isoliert zu sehen, sondern in eine Gesamtwürdigung des Verhaltens der Angeklagten einzubeziehen. Der Bundesgerichtshof ging damit im Ergebnis offenbar von einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. AO durch unvollständige Angaben247 aus. Bei den Angaben zum Vermögen handelte es sich nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs um steuerlich erhebliche Tatsachen, da bei vollständigen 245 Dies kann letztlich bereits durch die pauschale Frage geschehen, ob zusätzlich zu den der Finanzbehörde bereits offenbarten steuerlich erheblichen Tatsachen weitere steuerlich erhebliche Tatsachen vorliegen. 246 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (105 f.). 247 Vgl. zu der Unterscheidung zwischen „unrichtigen“ und „unvollständigen“ Angaben Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 59 und Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 129.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Angaben der Angeklagten die Finanzbehörde die (weiteren) pflichtwidrig verschwiegenen Einkünfte geschätzt und bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt hätte248. Zwar ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, die Finanzbehörde habe „selbstverständlich“ von der vollständigen Erfassung aller vereinnahmten Beträge ausgehen dürfen, abzulehnen249. Zustimmung verdient die Entscheidung jedoch insoweit, als steuerlich erhebliche Tatsachen nicht nur Tatsachen sind, die unmittelbar zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen werden müssen, sondern auch Indizien, die lediglich mittelbare Rückschlüsse auf Merkmale eines Besteuerungstatbestandes zulassen. Auch, wer lediglich Angaben über solche Indizien, namentlich über Schätzungsgrundlagen, macht, macht daher Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und kann sich, wenn diese Angaben unrichtig oder unvollständig sind und es infolgedessen zu einer Steuerverkürzung kommt, wegen Steuerhinterziehung strafbar machen.

b) Bestimmte Angaben über Besteuerungsgrundlagen Theoretisch denkbar ist auch, dass nicht nur Angaben über Indizien, sondern dem Grunde und der Höhe nach bestimmte Angaben über die Besteuerungsgrundlagen selbst gemacht werden. Die beim Abschluss einer tatsächlichen Verständigung abgegebenen Wissenserklärungen enthalten steuerrechtlich als bloße Schätzungen250 aber zumindest der Höhe nach keine bestimmten Angaben über die Besteuerungsgrundlagen. Zudem muss die erschwerte Sachverhaltsermittlung bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der tatsächlichen Verständigung andauern. Die Voraussetzungen für den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung lägen nicht mehr vor, wenn sich die Beteiligten zwischenzeitlich Gewissheit über die Besteuerungsgrundlagen verschafft hätten251. Mit bestimmten Angaben über Besteuerungsgrundlagen ist im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung aber auch ein erhebliches strafrechtliches Risiko verbunden. Der Steuerpflichtige bzw. sein Berater würde sich durch bestimmte Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung zwingend wegen versuchter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO, §§ 22, 23 StGB, in vielen Fällen sogar wegen vollendeter Steuerhinterziehung strafbar machen. Allenfalls der Nachweis der angestrebten bzw. verwirklichten Steuerverkürzung wäre problematisch. Der Versuch der Steuerhinterziehung setzt den gesamten subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung sowie das unmittelbare Ansetzen zur Tat voraus252. Der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO umfasst das Wissen um die täuschende Hand248 249 250 251 252

BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (106). Vgl. soeben 1.c). Vgl. oben D. I. und 4. Kapitel, B.III.3. Salditt, StuW 1998, 283 (284). Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 253.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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lung und den dadurch bewirkten Erfolg, hier in Gestalt einer Steuerverkürzung. Dabei genügt Eventualvorsatz253, der Täter muss den Erfolg lediglich billigend in Kauf nehmen, ihn also als möglich und nicht ganz fern liegend erkennen254. Die Situation beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung ist allerdings gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten wegen der erschwerten Sachverhaltsermittlung exakte Angaben über die Besteuerungsgrundlagen nicht mit Sicherheit machen können. Ein Steuerpflichtiger oder ein steuerlicher Berater, der in dieser Situation exakte Angaben über die Besteuerungsgrundlagen macht, ist sich stets darüber im Klaren, dass diese Angaben die Realität auch zu seinen Gunsten verfehlen können, ebenso wie er davon ausgeht, dass seine Angaben für die Steuerfestsetzung verwertet werden. Er handelt somit mit Eventualvorsatz bezüglich einer Steuerhinterziehung und setzt zu dieser auch unmittelbar an255. Wenn es in Umsetzung der tatsächlichen Verständigung zu einer Steuerverkürzung käme, wäre sogar der Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO erfüllt. Insofern ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Steuerpflichtiger oder sein Berater im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung, anders als bei einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO oder einer (einfachen) Berichtigung gemäß § 153 AO, keine bestimmten Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen machen will, und dies auch bei Auslegung der von ihnen abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen.

c) Wahrscheinlichkeitsüberlegungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen Wenn man, der steuerrechtlichen Einordnung als Schätzung256 entsprechend, die Wissenserklärungen beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung als Wahrscheinlichkeitsüberlegungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen ansieht, stellt sich konsequent die Frage, inwiefern durch derartige Wahrscheinlichkeitsüberlegungen eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begangen werden kann. Nach Ansicht von Salditt soll die Äußerung von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen keine Angaben über Tatsachen enthalten, so dass eine „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ insoweit ausscheidet257. Zutreffend ist, dass Wahrscheinlichkeitsüberlegungen insofern keine Tatsachenbehauptungen darstellen, als der Aussage, ein bestimmter Sachverhalt habe „möglicherweise“ oder „wahrscheinlich“ vorgelegen, weder die ausdrückliche noch die konkludente Behauptung zu entnehmen ist, dieser Sachverhalt habe tatsächlich vorgelegen. Als 253

Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 238. Fischer, § 15 StGB, Rn 9b, im Einzelnen str., vgl. auch Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 50. 255 Vgl. hierzu bereits oben I.2. 256 Vgl. oben D. I. und 4. Kapitel, B.III.2. 257 Salditt, StuW 1998, 282 f.; unter Bezugnahme auf Salditt auch Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 37. 254

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Tatsachen kommen jedoch auch innere Tatsachen in Betracht, beispielsweise Absichten oder Vermutungen258. Unter diesem Gesichtspunkt enthält auch die im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung vorgenommene einvernehmliche Schätzung als Wahrscheinlichkeitsüberlegung eine konkludente Tatsachenbehauptung, nämlich die Behauptung, von der angenommenen Wahrscheinlichkeit überzeugt zu sein. Diese Behauptung kann ausdrücklich aufgestellten werden, wenn es beispielsweise in der Niederschrift über die tatsächliche Verständigung heißt, dass die Beteiligten von einem bestimmten Sachverhalt „ausgehen“. Sie ergibt sich unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts aber auch bei Verwendung anderer Formulierungen daraus, dass die tatsächliche Verständigung darauf abzielt, einen möglichst zutreffenden Sachverhalt einvernehmlich festzulegen und auf die Ermittlung der tatsächlich verwirklichten Besteuerungsgrundlagen gerichtet ist259. Mit diesen Grundsätzen wäre es unvereinbar, wenn ein Beteiligter wider besseres Wissen eine nach seinem Kenntnisstand ersichtlich unzutreffende tatsächliche Verständigung einginge. Wenn es an dieser Überzeugung fehlt, enthält eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung daher auch unrichtige Angaben über Tatsachen260. Diese Tatsachen sind nach dem oben Gesagten auch steuerlich erheblich, da eine nicht ernsthaft eingegangene tatsächliche Verständigung keine Bindungswirkung entfaltet261 und die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung wegen ihrer Bedeutung für die spätere Steuerfestsetzung eine steuerliche erhebliche Tatsache ist. Soweit es infolge der durch die wahrheitswidrige Erklärung des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters bewirkten Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung zu einer Steuerverkürzung kommt, ist der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung gegeben. Dieser kann somit entgegen Salditt im Rahmen der tatsächlichen Verständigung wegen deren Bindungswirkung auch durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen verwirklicht werden. Wenn sich die Beteiligten über einen bestimmten Steuerbetrag verständigen und dann den hierzu „passenden“ Sachverhalt „vereinbaren“262, kann dies demzufolge nicht nur steuerrechtlich zur Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung wegen eines offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses führen. Vielmehr stellt ein solches Vorgehen, wenn der „vereinbarte“ von dem tatsächlich für wahrscheinlich gehaltenen Sachverhalt zugunsten des Steuerpflichtigen abweicht, zugleich zumindest einen strafbaren Versuch der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1, 2 AO, §§ 22, 23 258

Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 17; Spriegel, wistra 1998, 241. Vgl. oben 4. Kapitel, B.III.2.c). 260 Vgl. Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 231 f. 261 Vgl. BFH, Urt. v. 31.07.1996 – XI R 78/95, BFHE 181, 103 (107), v. 12.08.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537. 262 Vgl. zu dieser Vorgehensweise Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 29; Streck, StuW 1993, 366 (369); Streck, DStJG 18, S. 173 (187); Stolterfoht, DStJG 21, S. 233 (253); Greite, NWB F 2, 8405 (8411). 259

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

235

Abs. 1 StGB dar263. Entsprechend den für das Verhältnis der verschiedenen Begehungsformen des § 267 Abs. 1 StGB untereinander entwickelten Grundsätzen264 liegt allerdings nur eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne vor, wenn der Inhalt der tatsächlichen Verständigung auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Steuerpflichtigen über Schätzungsgrundlagen in den Vorverhandlungen beruht.

d) Bezugnahme auf Beweismittel Bei den Verhandlungen im Vorfeld der tatsächlichen Verständigung ist darüber hinaus denkbar, dass der Steuerpflichtige und sein Berater keine Erklärungen unmittelbar zu den Besteuerungsgrundlagen abgeben, sondern sich in ihren Erklärungen lediglich auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Beweismitteln beziehen und ausgehend davon ihren Standpunkt darlegen. Beweismittel unterfallen grundsätzlich nicht dem Tatsachenbegriff im Sinne des § 370 AO265, auch wenn die Abgrenzung zwischen Beweismitteln und materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmalen im Einzelfall problematisch sein kann, insbesondere im Bereich der gesetzlich normierten Nachweispflichten, beispielsweise des § 6 Abs. 4 UStG und des § 15 UStG266. Bei der tatsächlichen Verständigung besteht aber die Besonderheit, dass die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung gerade eine „erschwerte Sachverhaltsermittlung“ voraussetzt und das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein bestimmter Beweismittel insofern durchaus „erheblich“ ist. Insofern könnte auch das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Beweismitteln eine „steuerlich erhebliche Tatsache“ darstellen. Unter dem Gesichtspunkt der Steuerverkürzung ist es allerdings – wie bereits gesehen – unerheblich, ob eine tatsächliche Verständigung in der entsprechenden Situation überhaupt getroffen werden durfte oder die Besteuerungsgrundlagen nicht stattdessen durch Schätzung gemäß § 162 AO hätten ermittelt werden müssen. Entscheidend ist vielmehr, ob die aufgrund der tatsächlichen Verständigung festgesetzte hinter der tatsächlich geschuldeten Steuer zurückbleibt267. Unrichtige 263

Vgl. Wannemacher – Grötsch, Rn 4492. Vgl. Fischer, § 267 StGB, Rn 44. 265 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 19; Klein – Gast-de Haan, § 370 AO, Rn 27. 266 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 20; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 44a; die bisher herrschende Meinung, bereits bei der Nichterfüllung von Nachweispflichten eine Steuerhinterziehung anzunehmen (BGH, Beschl. v. 04.01.1989 – 3 StR 415/88, wistra 1989, 190, zu § 6 Abs. 4 UStG; BayObLG, Urt. v. 26.10.1987 – RReg. 4 St 164/87, wistra 1988, 76 (78 ff.), zu § 15 UStG; allgemein Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 56; krit. Spriegel, wistra 1998, 241 (244 ff.)) wurde angesichts EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – Rs. C-146/05, Collée, HFR 2007, 1256 (1257) und in der Folge BFH, Urt. v. 06.12.2007 – V R 59/03, BFHE 219, 469, zu § 6a Abs. 3 UStG, aufgegeben, BGH, Beschl. v. 20.11.2008 – 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45 (48 f.), ebenso bereits Wulf, Stbg 2008, 325. 267 Vgl. oben II.2. 264

236

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

oder unvollständige Angaben zu Beweismitteln im Vorfeld einer tatsächlichen Verständigung sind daher steuerstrafrechtlich ohne Bedeutung, wenn sie lediglich das Zustandekommen, nicht aber den Inhalt der tatsächlichen Verständigung beeinflussen. Selbst wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über Beweismittel getätigt werden, um den Inhalt der tatsächlichen Verständigung zu beeinflussen, liegt insofern lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung vor. Zwar ist auch der Versuch der Steuerhinterziehung strafbar, § 370 Abs. 2 AO. Der Versuch einer Straftat setzt allerdings nach § 22 StGB voraus, dass der Täter nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Das Kriterium der „Unmittelbarkeit“ ist entscheidend für die Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitungshandlung und möglicherweise strafbarem Versuch268. An dieser Unmittelbarkeit fehlt es im Steuerstrafrecht namentlich bei Handlungen, die der Steuerpflichtige vor Beginn der tatbestandsmäßigen Handlung unternimmt, um die tatbestandsmäßige Handlung zu ermöglichen oder zu erleichtern269, beispielsweise fehlerhafte Buchungen oder Absprachen über die Erteilung unrichtiger Rechnungen. Derartige Verhaltensweisen können allenfalls den Bußgeldtatbestand des § 379 Abs. 1 AO erfüllen. Von einem unmittelbaren Ansetzen wird hingegen ausgegangen, sobald der Täter den zur Steuerverkürzung führenden Kausalverlauf aus den Händen gibt, indem er selbst oder durch Dritte unrichtige oder unvollständige Erklärungen auf den Weg zur Finanzbehörde bringt270. In diesem Sinne auf den Weg gebracht wäre eine Erklärung grundsätzlich auch dann, wenn sie im Vorfeld einer tatsächlichen Verständigung erfolgt. Es besteht insofern jedoch die Besonderheit, dass die für den Hinterziehungserfolg maßgebliche Steuerfestsetzung nicht bereits aufgrund der Erklärungen im Vorfeld, sondern erst aufgrund der tatsächlichen Verständigung selbst erfolgt. Der zur Steuerverkürzung führende Kausalverlauf ist daher erst dann in Gang gesetzt, wenn aufgrund der Angaben über die vermeintliche Beweislage entsprechende Aussagen in die tatsächliche Verständigung aufgenommen wurden und – zumindest in der Regel271 – die Niederschrift über die tatsächliche Verständigung von den Beteiligten unterzeichnet wurde. Zuvor scheidet mangels unmittelbaren Ansetzens auch eine Strafbarkeit wegen Versuchs der Steuerhinterziehung, § 370 Abs. 1, 2 AO, §§ 22, 23 StGB aus.

268

Vgl. hierzu allgemein Fischer, § 22 StGB, Rn 7 ff. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 261; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 127; ebenso bereits RG, Urt. v. 07.03.1932 – II 1397/31, RGSt 66, 154 f. 270 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 261; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 127. 271 Vgl. oben 4. Kapitel, D.II. 269

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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3. Kausalität der Angaben für die Steuerverkürzung Allgemein wird davon ausgegangen, dass § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO die Steuerhinterziehung durch Handeln, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO die Steuerhinterziehung durch Unterlassen unter Strafe stellt272. Sofern der Steuerpflichtige bzw. sein Berater im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung nach dem soeben Gesagten tatsächlich Angaben über die (wahrscheinlichen) Besteuerungsgrundlagen machen, scheinen die Auswirkungen von nemo tenetur daher zunächst gering, da nach der überkommenen Meinung insoweit § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO einschlägig wäre273. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfasst aber bereits dem Wortlaut nach nicht jede Situation, in der unrichtige oder unvollständige Angaben274 gemacht wurden und eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil erlangt wurde. Es liegt vielmehr auch dann, wenn der Täter unrichtige und oder unvollständige Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht hat, keine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, wenn die Steuerverkürzung oder der nicht gerechtfertigte Steuervorteil aus anderen Gründen eingetreten ist275. Für die Abgrenzung von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO unterscheiden Wulf und Weidemann/Weidemann daher richtigerweise nicht danach, ob der Täter Angaben gemacht hat oder nicht, sondern danach, ob gerade diese Angaben oder nicht doch die Unkenntnis der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt für den tatbestandlichen Erfolg kausal geworden sind276.

a) Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen Wenn sich die Angaben auf Tatsachen beziehen, die gemäß § 38 AO i.V. m. den Einzelsteuergesetzen den Steueranspruch begründen oder ihn erhöhen, fehlt es an der Kausalität der unrichtigen oder unvollständigen Angaben für die Steuerverkürzung namentlich dann, wenn die Finanzbehörden ohne diese Angaben überhaupt keine oder nur eine geringere Steuer festgesetzt hätten. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Täter steuerlich überhaupt nicht geführt wurde. Wenn in dieser Situation ausgehend von den unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Täters Steuern zu niedrig festgesetzt werden, liegt trotz der Angaben keine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, sondern es käme lediglich eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht277. Die unrichtigen 272 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 107; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 68; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 201; a.A. Hoff, S. 69, 128. 273 Vgl. z. B. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 198. 274 Vgl. zu der Abgrenzung zwischen „unrichtigen“ und „unvollständigen“ Angaben Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 59 f. und Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 129. 275 Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (208 f.). 276 Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 45 ff.; Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (208 f.). 277 Ausführlich hierzu Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 45 ff.; Lütt, S. 18 ff.; a.A. Hoff, S. 74; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 123e.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

oder unvollständigen Angaben waren dann zwar äußerer Anlass für die zu niedrige Steuerfestsetzung, die letztlich eingetretene Steuerverkürzung beruht aber in Wirklichkeit auf der Unkenntnis der Finanzbehörde über die wahren Besteuerungsgrundlagen278. In der Gesamtbereinigungssituation hingegen ist der Steuerfall als solcher der Finanzbehörde bekannt und die Finanzbehörde hat regelmäßig die Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO zu schätzen279. Wenn der Täter in dieser Situation durch unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen eine ansonsten vorzunehmende Schätzung abwendet, die „rettende Kausalkette abbricht“280 und eine zu niedrige Steuerfestsetzung erreicht, liegt regelmäßig eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor281, die auch von nemo tenetur nicht mehr gedeckt ist. Insofern wird zwar für die Kausalität letztlich entgegen dem allgemeinen Grundsatz auf einen hypothetischen Kausalverlauf abgestellt, was aber bei einem Abbruch rettender Kausalverläufe zulässig ist282. Demgegenüber läge bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen auch in der Gesamtbereinigungssituation eine wegen nemo tenetur nicht mehr strafbare Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, wenn der Finanzbehörde zwar der Steuerfall als solcher dem Grunde nach bekannt war, nicht jedoch bestimmte steuerbegründende oder steuererhöhende Einzelaspekte, so dass die von der Finanzbehörde vorzunehmende Schätzung trotz des regelmäßig berücksichtigten „Sicherheitszuschlags“ die wahren Besteuerungsgrundlagen zum Vorteil des Täters verfehlt hätte. Dies ist beispielsweise denkbar, wenn der Finanzbehörde zwar der Steuerfall als solcher und die Existenz von Kapitaleinkünften aus einem ausländischen Wertpapierdepot bekannt ist, nicht aber, dass der Steuerpflichtige in erheblichem Umfang weitere bisher nicht erklärte Einkünfte beispielsweise gemäß § 22 Nr. 3 EStG aus Bestechungsgeldern hat, oder wenn der Finanzbehörde lediglich eines von mehreren ausländischen Wertpapierdepots dem Grunde nach bekannt ist.

b) Angaben über steuermindernde Tatsachen Unrichtige Angaben sind jedoch nicht nur im Bezug auf steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen denkbar, sondern ebenso durch den überhöhten Ansatz steuermindernder Beträge. Wulf zieht insofern Parallelen zu den für den „Rücktritt vom eigenen Rettungsversuch“ entwickelten Grundsätzen283. Dessen strafrechtliche Behandlung ist in Details zwar umstritten, im Ergebnis besteht

278 279 280 281 282 283

Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210). Vgl. oben B. und 4. Kapitel, C.II.2. Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210). Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 55 f.; a.A. Lütt, S. 34 ff. Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 55. Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 65 ff.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

239

aber Einigkeit, dass der Rücktritt vom unbeendeten Rettungsversuch lediglich ein Unterlassen darstellt, während der Rücktritt vom beendeten Rettungsversuch als Handeln einzuordnen ist. Solange der Täter noch nicht alles getan habe, was zur Rettung des Rechtsgutes erforderlich war, kann er nur als Garant oder aus einem echten Unterlassungsdelikt bestraft werden. Sobald er aber alles zur Rettung des Rechtsgutes Erforderliche getan hat, liegt insoweit ein rettender Kausalverlauf vor. Durch die Rücknahme des Rettungsversuchs wird der Täter kausal für den Erfolgseintritt und sein Verhalten ist nach diesem Zeitpunkt als Handeln zu bewerten. Wulf leitet daraus ab, dass lediglich die „nachgeschobene (unrichtige) Verlusterklärung“ den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllen könne, während bei gleichzeitiger Angabe sämtlicher Besteuerungsgrundlagen nur ein Fall des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO denkbar sei284.

c) Stellungnahme Anders als bei dem von Wulf zugrunde gelegten „Rücktritt vom eigenen Rettungsversuch“ ist die Situation bei der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ dadurch gekennzeichnet, dass „Rettungsversuch“ und „Rücktritt“ zusammenfallen, insbesondere dann, wenn die unrichtigen Angaben über steuermindernde Tatsachen in der Niederschrift über die tatsächliche Verständigung zusammen mit den Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen erfolgen. Ob überhaupt ein Verkürzungserfolg eintritt, ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel der Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende und steuermindernde Tatsachen. Die Einkommensteuer beispielsweise knüpft in § 2 EStG an die „Einkünfte“ an, die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V. m. §§ 4 ff. EStG bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V. m. §§ 8 ff. EStG jeweils durch Saldierung verschiedener Positionen zu ermitteln sind. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Kausalität der Falschangaben für den Verkürzungserfolg ist es daher ohne Bedeutung ob z. B. die Betriebseinnahmen um einen bestimmten Betrag zu niedrig oder die Betriebsausgaben um den gleichen Betrag zu hoch angesetzt werden, entscheidend ist der sich ergebende Saldo. Insofern gilt für unrichtige Angaben über steuermindernde Tatsachen nichts anderes als für unrichtige Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen. Sie führen in der Gesamtbereinigungssituation namentlich dann zu einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn sie eine zutreffende Schätzung des für die Besteuerung maßgeblichen Saldos verhindern.

284

Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 66 ff.

240

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

V. Suspension der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO Auch für die Frage der „Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung“ sind allerdings die Auswirkungen von nemo tenetur auf die steuerlichen Mitwirkungspflichten nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens zu berücksichtigen. Wie bereits gesehen, ist zwischenzeitlich anerkannt, dass infolge nemo tenetur die Strafbewehrung der Verletzung der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen suspendiert ist, soweit ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist und andauert285. Es fehlt insoweit an der Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO286. Damit entfällt die Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Soweit dem Betroffenen lediglich zur Last liegt, im Rahmen der tatsächlichen Verständigung die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben, hat er sich dadurch nicht strafbar gemacht.

VI. Verhältnis zu der ursprünglichen Steuerhinterziehung Als besonderes Problem, das sich für die Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung in der Gesamtbereinigungssituation stellt, gilt die Frage nach dem Verhältnis zu der ursprünglichen Steuerhinterziehung287. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur fehlgeschlagenen Gesamtbereinigung liegt diesbezüglich auch für die Beteiligten an der ursprünglichen Steuerhinterziehung eine selbständige neue Tat vor288.

1. Wiederholte Steuerhinterziehung als mitbestrafte Nachtat In der Literatur wird allgemein davon ausgegangen, unzutreffende Erklärungen im Besteuerungsverfahren, die zugleich den Gegenstand des Steuerstrafverfahrens betreffen, stellten für den beschuldigten Steuerpflichtigen eine mitbestrafte Nachtat dar289. Bezüglich des beschuldigten Steuerpflichtigen ergäbe sich dann ein Verjährungsproblem290, die Strafbarkeit der übrigen Beteiligten, soweit sie an der ursprünglichen Steuerhinterziehung nicht beteiligt waren, bliebe unberührt291. Dies entspricht der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. 285

Vgl. oben B.III. Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 49 f. 287 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (548). 288 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 103 (106 f.). 289 Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 63; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 907; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 114; Salditt, StuW 1998, 283. 290 Vgl. näher Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 908 und ausführlich Schneider, wistra 2001, 408. 291 Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 63; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 114; Salditt, StuW 1998, 283. 286

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

241

Der Bundesgerichtshof sah in der durch verspätete Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung begangenen Steuerhinterziehung im Verhältnis zu der durch Unterlassen der fristgerechten Jahreserklärung begangenen Steuerhinterziehung, soweit dadurch keine weitere Steuerverkürzung eingetreten ist, eine mitbestrafte Nachtat292, obwohl zum Zeitpunkt der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bereits vollendet und beendet war. In einem anderen Fall war die ursprüngliche Steuerhinterziehung zwar noch nicht entdeckt, allerdings eine Betriebsprüfung angeordnet, und der Steuerpflichtige und sein Steuerberater – der spätere Revisionsführer – versuchten (letztlich erfolglos), unter anderem unter Vorlage unrichtiger eidesstattlicher Versicherungen einer Nachkalkulation der Betriebsprüfung entgegenzutreten. Der Bundesgerichtshof entschied, die Tathandlungen des Steuerberaters stellten eine gemeinschaftlich mit dem Steuerpflichtigen begangene versuchte Steuerhinterziehung dar. Soweit der Steuerpflichtige betroffen sei, seien sie rechtlich als Nachtat zu behandeln, die für ihn straflos sein könne. Dies gelte nicht für den Steuerberater, weil er an den Vortaten nicht beteiligt gewesen sei293. 2. Der Ansatz von Witte Weiter geht der Ansatz von Witte, die im Rahmen ihrer „neuen Tatbestandslösung“ ein Exklusivitätsverhältnis zwischen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und Begünstigung gemäß § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO annimmt294. Eine Steuerhinterziehung komme immer dann in Betracht, wenn ein noch nicht rechtswidrig verkürzter Steuerbetragsteil betroffen sei. Es gehe dann um neues bzw. erweitertes Erfolgsunrecht im Sinne des § 370 AO. In Bezug auf einen im Sinne des § 370 AO rechtswidrig verkürzten Steuerbetragsteil sei eine – bei isolierter Betrachtung an sich vorliegende – wiederholte Steuerverkürzung dagegen nicht tatbestandsmäßig. In diesem Fall werde der zuvor verursachte rechtswidrige Zustand „nur“ perpetuiert oder ausgenutzt. Dieses Perpetuierungsunrecht werde abschließend von § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO erfasst295. Dass die Täter und Teilnehmer der ursprünglichen Steuerhinterziehung nach deren Verjährung straffrei ausgehen, sei als gesetzgeberische Wertung hinzunehmen296. Nach dieser Ansicht wäre eine Steuerhinterziehung in der Gesamtbereinigungssituation generell ausgeschlossen. Wittes Ansatz beruht auf der Überlegung, dass Überschneidungen beider Tatbestände nicht befriedigend aufgelöst werden könnten297 und es daher geboten 292 BGH, Beschl. v. 17.10.1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366 (368 f.) und v. 26.05.1993 – 5 StR 190/93, wistra 1993, 223 f. 293 BGH, Beschl. v. 07.07.1993 – 5 StR 212/93, wistra 1993, 302 f. 294 Witte, S. 75 f.; zur Begünstigung ausführlicher unten VIII.1. 295 Witte, S. 136. 296 Witte, S. 112 f. 297 Witte, S. 63 ff.

242

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

sei, beiden Tatbeständen jeweils einen eigenständigen Anwendungsbereich zuzuweisen298. Insbesondere Tateinheit zwischen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und Begünstigung gemäß § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO scheide aus, da beide Tatbestände das gleiche Rechtsgut schützten299. § 257 StGB schütze ausschließlich das Interesse des Vortatopfers an der Wiederherstellung der strafrechtswidrig entzogenen Position, die Begünstigung nach einer Steuerhinterziehung richte sich ebenso wie diese gegen das Interesse des Fiskus am vollständigen und rechtzeitigen Steueraufkommen300. 3. Stellungnahme Es ist allgemein anerkannt, dass Tateinheit zwischen Betrug gemäß § 263 StGB und Untreue gemäß § 266 StGB möglich ist301, obwohl beide Tatbestände das Vermögen des Opfers und damit das gleiche Rechtsgut schützen. Dies ist gerechtfertigt, da das zusätzliche Tatunrecht, das in der Anwendung von Täuschung als Schädigungsmittel liegt, in einem Schuldspruch allein nach § 266 StGB nicht erfasst würde302. Für das Verhältnis zwischen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und Begünstigung gemäß § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO gilt Entsprechendes. Auch hier würde das zusätzliche Tatunrecht, das in der Verletzung der steuerlichen Erklärungspflichten liegt, in einem Schuldspruch allein nach § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht erfasst. Selbst wenn man – was durchaus problematisch ist303 – mit Witte annehmen wollte, dass § 257 StGB ausschließlich die Interessen des Opfers der Vortat und nicht zumindest auch Interessen der Allgemeinheit schützt, wäre bei einem Zusammentreffen von Steuerhinterziehung und Begünstigung daher unproblematisch von Tateinheit gemäß § 52 StGB auszugehen. Es fehlt daher an einem Grund und damit auch an einer Rechtfertigung, wiederholte Steuerhinterziehungen entgegen dem Wortlaut des Gesetzes aus dem Anwendungsbereich des § 370 AO herauszunehmen304. Damit ist zwar geklärt, dass auch die wiederholte Steuerhinterziehung bezüglich der gleichen Steuern des gleichen Besteuerungszeitraums tatbestandsmäßig i. S. v. 298

Witte, S. 75. Witte, S. 71. 300 Witte, S. 59. 301 Vgl. nur Fischer, § 266 StGB, Rn 87. 302 Vgl. BGH, Urt. v. 25.01.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236 (240 f.) zum Verhältnis zwischen § 263 StGB und dem damaligen § 529 RVO. 303 Vgl. zum Streitstand Fischer, vor § 257 StGB, Rn 2, m. w. Nachw. 304 Unabhängig davon erscheint Wittes Lösung auch insofern problematisch, als sie differenziert zwischen „rechtswidriger“ Steuerverkürzung im Sinne einer (vorsätzlichen) Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, bei der allein ein perpetuierungsfähiger Schaden denkbar sein soll, und einer nicht vorsätzlichen Steuerverkürzung. Auch die vorsatzlose Steuerverkürzung ist objektiv rechtswidrig und bewirkt als solche einen perpetuierungsfähigen Schaden, sie unterscheidet sich von der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO nur hinsichtlich des Handlungs-, nicht hinsichtlich des Erfolgsunrechts. 299

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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§ 370 AO sein kann, es stellt sich aber weiterhin die Frage, ob sie im Verhältnis zur Ersttat eine neue, selbständige Tat oder lediglich eine mitbestrafte Nachtat darstellt. Die Annahme einer neuen, selbständigen Tat bei der fehlgeschlagenen Gesamtbereinigung wurde damit begründet, auch wenn sich der Verkürzungserfolg auf dieselbe Steuerart und denselben Besteuerungszeitraum beziehe, seien mit der formellen Bestandskraft der ursprünglichen Steuerbescheide die ursprünglichen Steuerstraftaten vollendet und beendet. Soweit im Rahmen der tatsächlichen Verständigung unzutreffende Angaben gemacht wurden, die wiederum zu unzutreffenden Änderungsbescheiden führten, seien diese Handlungen materiell und prozessual als selbständige Tat zu werten, die einen eigenständigen Unrechtsgehalt habe305. Da eine mitbestrafte Nachtat angenommen wird, wenn durch die neue Tat die durch die Vortat erlangten Vorteile lediglich verwertet oder gesichert werden sollen306, ist eine vollendete und beendete Vortat aber Voraussetzung für die Annahme einer mitbestraften Nachtat und kann ihr insofern nicht entgegen stehen. Angesichts der tatbestandlichen Gleichwertigkeit der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO einerseits, der Steuerverkürzung durch gänzlich unterbliebene oder unzutreffende Steuerfestsetzung andererseits, hat die frühere Rechtsprechung mit Blick auf das Vorliegen einer „mitbestraften Nachtat“ zu Recht auch nicht danach differenziert, ob die ursprüngliche Steuerverkürzung dadurch eingetreten ist, dass infolge unrichtiger oder unvollständiger Angaben Steuern unzutreffend festgesetzt wurden, oder dadurch, dass infolge pflichtwidrig unterlassener Angaben überhaupt keine Steuerfestsetzung erfolgte. Ein Unterschied besteht zwischen den Fällen der verspäteten und unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung und dem Fall der fehlgeschlagenen Gesamtbereinigung zwar insofern, als in den erstgenannten Fällen trotz fortbestehender Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung offenbar keine konkrete Aussicht auf eine Verwirklichung des staatlichen Steueranspruchs vorlag, während in dem Fall der fehlgeschlagenen Gesamtbereinigung aufgrund der bereits eingeleiteten Steuerstrafverfahren die konkrete Möglichkeit gegeben war, dass aufgrund neuer Ermittlungen die Besteuerungsgrundlagen zutreffend ermittelt und die zunächst hinterzogenen Steuern zutreffend festgesetzt werden. Eine konkrete Aussicht auf eine Verwirklichung des staatlichen Steueranspruchs bestand aber auch in dem Fall der Steuerhinterziehung nach angeordneter Betriebsprüfung, in dem der Bundesgerichtshof gleichwohl von einer mitbestraften Nachtat im Verhältnis zur ursprünglichen Steuerhinterziehung ausging. Andererseits darf die Kasuistik nicht den Blick dafür verstellen, dass die Entscheidung darüber, ob eine spätere Tat im Verhältnis zur früheren Tat ist, eine mitbestrafte Nachtat ist, letztlich eine Wertungsfrage ist307, die stets vom kon305

BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 103 (106 f.). Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 118; Fischer, vor § 52 StGB, Rn 65. 307 BGH, Beschl. v. 17.10.1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366 (369); MüKo StGB – v. Heintschel-Heinegg, vor §§ 52 ff. StGB, Rn 51; Schneider, wistra 2001, 408 (410). 306

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

kreten Sachverhalt abhängt. Die mitbestrafte Nachtat bleibt nur dann straflos, wenn die Bewertung des konkreten Sachverhalts ergibt, dass dieser nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung wegen ihres inneren – funktionalen – Zusammenhangs mit der (Vor-) Haupttat kein eigener Unwertgehalt zukommt, so dass auch kein Bedürfnis besteht, sie neben der Haupttat selbständig zu bestrafen. Voraussetzung für die Straflosigkeit der Nachtat ist, dass die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird308. Der wesentliche Unterscheid zwischen dem Fall der Steuerhinterziehung nach angeordneter Betriebsprüfung und der fehlgeschlagenen Gesamtbereinigung liegt in der Zäsurwirkung, die die Einleitung des Steuerstrafverfahrens dadurch entfaltet, dass die steuerlichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens faktisch suspendiert sind309. Kennzeichnendes Motiv der mitbestraften Nachtat ist regelmäßig, dass sie insbesondere auch der Verdeckung der ursprünglichen Tat dienen soll310. Vor Einleitung des Steuerstrafverfahrens bestehen die steuerlichen Mitwirkungspflichten unverändert fort. Der Steuerpflichtige kann sich daher insbesondere in der Betriebsprüfung, wenn die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 a) AO ausgeschlossen ist, zur Verdeckung seiner ursprünglichen Tat zur wiederholten strafbaren Verletzung seiner Erklärungspflichten entweder durch unrichtige oder unvollständige Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO oder durch abermaliges Unterlassen geschuldeter Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO veranlasst sehen. Diese Konfliktsituation entfällt nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens, da der Steuerpflichtige sich auch im Besteuerungsverfahren durch bloße Passivität nicht mehr strafbar macht. Wenn der Steuerpflichtige andererseits in dieser Situation weiterhin unrichtige oder unvollständige Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO macht, liegt hierin nicht mehr nur ein „regelmäßig oder typischerweise begleitendes Nebendelikt“311, sondern es fehlt die für die mitbestrafte Nachtat charakteristische „wesensmäßige Verbindung“312 zur ursprünglichen Tat. Der Täter verwirklicht neues, eigenständiges Unrecht und begeht dementsprechend eine selbständige neue Tat.

VII. Strafbarkeit der beteiligten Vertreter der Finanzbehörden Nach dem oben Gesagten stellt sich aber auch die Frage, ob sich der zuständige Finanzbeamte wegen Steuerhinterziehung strafbar machen kann, wenn er an einer tatsächliche Verständigung mitwirkt, obwohl er davon ausgeht, dass die Besteue308 309 310 311 312

BGH, Urt. v. 18.07.2007 – 2 StR 69/07, wistra 2007, 458 (459). Vgl. bereits oben 4. Kapitel, C.II.2. Schneider, wistra 2001, 408 (409). Vgl. MüKo StGB – v. Heintschel-Heinegg, vor §§ 52 ff. StGB, Rn 61. Vgl. Fischer, vor § 52 StGB, Rn 64.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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rungsgrundlagen in der tatsächlichen Verständigung unvollkommen wiedergegeben sind. Da sich der zuständige Finanzbeamte regelmäßig nicht auf nemo tenetur berufen können wird, kommt der Unterscheidung zwischen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO im Ergebnis nur geringe Bedeutung zu. Entscheidend ist unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO313 daher, ob sich der zuständige Finanzbeamte überhaupt nach dieser Vorschrift strafbar machen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs314 und des Bundesfinanzhofs315 ist für Angaben „gegenüber den Finanzbehörden“ lediglich erforderlich, dass diese Angaben in einem steuerlichen Verfahren Verwendung finden sollen, so dass sich auch ein Finanzbeamter wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar machen kann. Da dem Finanzbeamten gegenüber dem Fiskus hinsichtlich des Steueraufkommens eine Vermögensbetreuungspflicht zukommt316, wird insofern regelmäßig Tateinheit mit Untreue gemäß § 266 StGB gegeben sein317. Demgegenüber geht die Literatur grundsätzlich davon aus, dass eine Steuerhinterziehung durch Finanzbeamte ausgeschlossen ist318. Nach dieser Ansicht könnte sich der untreue Finanzbeamte ausschließlich wegen Untreue gemäß § 266 StGB strafbar machen319. Die Rechtsprechung stützt sich im Wesentlichen auf § 370 Abs. 3 Nr. 2, 3 AO. Sie führt insbesondere auch dazu, dass der allgemeine deliktische Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB mit der allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB zumindest faktisch von der weiter gehenden Haftung gemäß § 71 AO innerhalb der verlängerten Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verdrängt wird320.

313

Zu der Frage der Strafbarkeit unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten sogleich VIII. BGH, Urt. v. 06.06.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356 (357 ff., 361 f.) und Beschl. v. 21.10.1997 – 5 StR 328/97, wistra 1998, 64 f.; offen gelassen in BGH, Urt. v. 19.10.1999 – 5 StR 178/99, wistra 2000, 63 (64). 315 BFH, Urt. v. 25.10.2005 – VII R 10/04, BFHE 211, 19 (23 f.). 316 BGH, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 StR 328/97, NStZ 1998, 91. 317 BGH, Urt. v. 06.06.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356 (362 f.); nach BGH, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 StR 328/97, wistra 1998, 64 (65) soll durch das Regelbeispiel nach § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO der Unrechtsgehalt des Untreuetatbestandes bereits erfasst sein und daher nicht nochmals strafschärfend berücksichtigt werden dürfen. 318 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 197 ff., 272; Kohlmann – Schauf, § 370 AO, Rn 1101 ff.; Rolletschke/Kemper – Rolletschke, § 370 AO, Rn 125; Lang, StuW 2003, 289 (291); weitergehend Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 200 ff. 319 A.A. Röckl, S. 63: bewusst zu niedrige Steuerfestsetzung durch den veranlagenden Steuerbeamten nicht strafbar. 320 Privatrechtliche Schadensersatzansprüche des Steuergläubigers werden durch § 71 AO nicht ausgeschlossen, vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Boeker, § 71 AO, Rn 4. Soweit BFH, Urt. v. 24.10.1996 – VII R 113/94, BFHE 181, 552 (560 ff.) und Klein – Rüsken, § 71 AO, Rn 19 davon ausgehen, eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO könne einen Schadensersatzanspruch nicht auslösen, da zum einen bloße Vermögensschäden nicht von § 823 Abs. 1 BGB erfasst seien, zum anderen § 370 AO kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstelle, stünde dies wegen der regelmäßig tateinheitlich begangenen Untreue gemäß § 266 StGB einem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 266 StGB nicht entgegen. 314

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Demgegenüber spricht für die Literaturansicht die Gesetzessystematik mit dem – auch von der Rechtsprechung anerkannten321 – Spezialitätsverhältnis zwischen § 370 AO und § 263 StGB einerseits, der Abgrenzung zwischen § 263 StGB und § 263a StGB andererseits. § 370 Abs. 2 Nr. 2, 3 AO enthalten zwar keine ausdrückliche Beschränkung auf unzuständige Amtsträger. Sie setzen aber ebenso wenig voraus, dass sich auch ein zuständiger Amtsträger wegen Steuerhinterziehung strafbar machen kann. Selbst wenn man letzteres verneint, ergibt sich weiterhin ein eigenständiger Anwendungsbereich für § 370 Abs. 2 Nr. 2, 3 AO in den Fällen, in denen ein unzuständiger Amtsträger entweder selbst unter Überschreitung seines Aufgabenbereichs die Steuerfestsetzung vornimmt oder auf den entscheidungsbefugten Beamten einwirkt oder einzuwirken bereit ist322. Auch wenn die Frage, ob sich auch der zuständige Finanzbeamte wegen Steuerhinterziehung strafbar machen kann, vorliegend nicht abschließend entschieden werden kann, spricht daher einiges dafür, dass sie zu verneinen ist.

VIII. Begünstigung und Nichtsteuerstraftaten Es stellt sich des Weiteren die Frage nach der Strafbarkeit der an der tatsächlichen Verständigung Beteiligten wegen Begünstigung gemäß § 257 StGB, die nach einer Steuerstraftat gemäß § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO ebenfalls eine Steuerstraftat darstellt, sowie wegen Nichtsteuerstraftaten. Von den Straftatbeständen des StGB kommen dabei insbesondere Strafvereitelung gemäß § 258 StGB, Untreue gemäß § 266 StGB und Abgabenüberhebung gemäß § 353 StGB in Betracht.

1. Begünstigung, § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO § 257 StGB setzt voraus, dass der Vortäter durch die Vortat einen Vorteil erlangt hat und noch in dessen Besitz ist. Hierunter sind nicht nur Vermögensvorteile zu verstehen, sondern jede Besserstellung für den Vortäter. § 257 StGB ist damit weiter als § 259 StGB, der lediglich von „Sachen“ spricht, die durch die Vortat erlangt sind323. Nach einer Steuerhinterziehung ist daher eine Begünstigungshandlung auch hinsichtlich der durch die Steuerverkürzung „ersparten“ Abgaben möglich. Die Unmittelbarkeit des Vorteils aus der rechtswidrigen Vortat ist gewahrt, wenn zum Zeitpunkt der Begünstigungshandlung bei konkreter wirtschaftlicher Betrachtungsweise die erlangten Steuerersparnisse als geldwerte Vorteile im Vermögen des Vortäters noch vorhanden sind, ohne dass es auf die Sachidentität 321 Vgl. BGH, Urt. v. 06.06.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356 (363): § 370 AO als lex specialis zu § 263 StGB. 322 Vgl. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 272; Kohlmann – Kohlmann, § 370 AO, Rn 1105. 323 Kohlmann – Ransiek, § 369 AO, Rn 54; Fischer, § 257 StGB, Rn 6.

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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ankommt324. Dass die „Existenz der Beute“ an einem „konkreten Surrogat“ festgemacht werden kann, ist insofern nicht erforderlich325. In dem von ihm entschiedenen Fall der fehlgeschlagenen Gesamtbereinigung wertete der Bundesgerichtshof bereits Verschleierungsmaßnahmen im Vorfeld der tatsächlichen Verständigung als Begünstigungshandlungen und nahm insofern mit recht knapper326 Begründung Tatmehrheit zu der nachfolgenden Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung an327. Letztlich stellt in der Gesamtbereinigungssituation die Herbeiführung einer unzutreffenden tatsächlichen Verständigung aber ebenfalls eine Verschleierungsmaßnahme hinsichtlich der ursprünglichen Steuerhinterziehung dar. Zwar ist die Selbstbegünstigung von § 257 Abs. 1 StGB nicht erfasst und der Teilnehmer an der Vortat328 gemäß § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB straffrei. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass dieselbe Handlung sowohl eine Steuerhinterziehung bzw. Teilnahme an einer Steuerhinterziehung als auch eine Begünstigung hinsichtlich einer anderen Steuerhinterziehung darstellt329. Wenn daher ein an der ursprünglichen Steuerhinterziehung nicht beteiligter steuerlicher Berater eine unzutreffende tatsächliche Verständigung herbeiführt, liegt eine Begünstigung gemäß § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO der ursprünglichen Steuerhinterziehung vor, die mit der erneuten Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO in Tateinheit gemäß § 52 StGB steht.

2. Strafvereitelung, § 258 StGB In der Gesamtbereinigungssituation können die Angaben, die im Besteuerungsverfahren gemacht werden, wie bereits gesehen, auch für das Steuerstrafverfahren verwandt werden330. Ein steuerlicher Berater, der an der ursprünglichen Steuerhinterziehung nicht beteiligt war, kann sich daher gemäß § 258 StGB auch dann strafbar machen, wenn er nur im Besteuerungsverfahren auftritt. Der objektive Tatbestand des § 258 StGB ist bereits dann verwirklicht, wenn die Bestrafung des Vortäters nur zum Teil vereitelt und entgegen dem wahren Sachverhalt eine mildere als die eigentlich verwirkte Strafe oder Maßnahme verhängt wird331. Wegen der Bedeutung des Hinterziehungsvolumens für die Strafzumessung332 wird dies im 324 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (104 f.) und v. 01.08.2000 – 5 StR 624/99, wistra 2000, 340 (344). 325 A.A. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 186c und nunmehr auch Kohlmann – Ransiek, § 369 AO, Rn 55 ff. 326 Vgl. Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (548): „lapidar“. 327 BGH, Urt. v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103 (104, 107). 328 Zur Abgrenzung von Begünstigung und Beihilfe vgl. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 179 f., m. w. Nachw. 329 Vgl. Jäger, wistra 2000, 344 (346). 330 Vgl. oben B.II. 331 Vgl. MüKo StGB – Cramer, § 258 StGB, Rn 25; Fischer, § 258 StGB, Rn 5a. 332 Vgl. oben 3. Kapitel, A. I.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Steuerstrafrecht regelmäßig bereits dann eintreten, wenn ein zu geringes Hinterziehungsvolumen angegeben wird. In subjektiver Hinsicht verlangt § 258 StGB lediglich direkten Vorsatz, nicht zwingend dolus directus 1. Grades. Der subjektive Tatbestand des § 258 StGB kann daher durch den steuerlichen Berater auch dann verwirklicht werden, wenn es ihm nur darauf ankommt, das steuerliche Mehrergebnis zu reduzieren, sofern er nur die Verwertung seiner Angaben im Steuerstrafverfahren und die damit einhergehende Besserstellung seines Mandanten weiß. Für den steuerlichen Berater, der zugleich als Verteidiger im Steuerstrafverfahren auftritt, gilt insofern nichts anderes. Der Strafverteidiger hat sich jeder aktiven Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts zu enthalten333. Die Finanzbehörden ihrerseits sind zur Verfolgung von Steuerstraftaten nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sie unterliegen insofern dem Legalitätsgrundsatz. Dies gilt nicht nur gemäß § 399 Abs. 1, § 386 Abs. 2 AO bzw. § 402 Abs. 1 AO für die Bußgeld- und Strafsachenstellen und gemäß § 404 AO für die Steuerfahndungsstellen, sondern gemäß § 399 Abs. 2 AO bzw. § 402 Abs. 2 AO für sämtliche Finanzbehörden334. Die Angehörigen der Finanzbehörden sind Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, sofern sie in der Gesamtbereinigungssituation ganz oder zum Teil die Bestrafung wegen der ursprünglichen Steuerhinterziehung vereiteln, machen sie sich daher wegen Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB, gegebenenfalls durch Unterlassen gemäß § 13 StGB, strafbar.

3. Untreue, § 266 StGB Der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung kann darüber hinaus auch unter dem Gesichtspunkt der Untreue gemäß § 266 StGB strafrechtlich relevant werden. Dies gilt sowohl für die Beteiligten auf der Seite des Steuerpflichtigen als auch für die beteiligten Vertreter der Finanzbehörden.

a) Vertreter des Steuerpflichtigen Wenn der Beschuldigte im Steuerstrafverfahren im Besteuerungsverfahren zwar für den Steuerpflichtigen auftritt, aber nicht mit diesem identisch ist335, ergeben sich für die Gesamtbereinigung besondere Probleme336. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn ein Geschäftsführer oder Vorstand der Steuerhinterziehung zu 333 BGH, Urt. v. 01.09.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345 (348, 350 f.); Fischer, § 258 StGB, Rn 19; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (548). 334 Wenzel, S. 14; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 399 AO, Rn 27, 54 f.; Klos/Weyand, DStZ 1988, 615 (616). 335 Vgl. den BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, juris, und v. 28.10.1998 – X R 93/95, juris, zugrunde liegenden Fall. 336 Vgl. Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (517).

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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Gunsten einer von ihm vertretenen Körperschaft beschuldigt wird. Der Beschuldigte kann dann zwar als gesetzlicher Vertreter des Steuerpflichtigen eine tatsächliche Verständigung mit Wirkung für und gegen den Steuerpflichtigen abschließen. Es sind aber die Vermögensbetreuungspflichten des Beschuldigten gegenüber der von ihm vertretenen Körperschaft zu berücksichtigen, deren Verletzung neben zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen337 insbesondere auch zu der Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB führen kann. Eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB durch den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung käme nur in der Form der so genannten Treubruchalternative gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB in Betracht. Die so genannte Missbrauchsalternative gemäß § 266 Abs. 1, 1. Alt. setzt eine „Verpflichtung“ und damit rechtsgeschäftliches Handeln voraus338, das bei der tatsächlichen Verständigung gerade nicht gegeben ist339. Für die Treubruchalternative gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB ist allerdings ebenso wie für die Missbrauchsalternative erforderlich, dass der Täter seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit ist für § 266 StGB von zentraler Bedeutung340. Der Abschluss eines Vergleichs über vermögenswerte Ansprüche, durch den eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird, stellt ein risikobehaftetes Handeln341 dar, weil sich die notwendigerweise auf unvollkommener Informationsgrundlage vorgenommene Einschätzung von Art und Ausmaß der Ungewissheit einer sicheren Beurteilung entzieht und sich daher sowohl die Annahme der Ungewissheit selbst als auch die für das Maß des Nachgebens bestimmend gewesene Bewertung nachträglich als unzutreffend erweisen können342. Unter diesen Umständen ist eine Pflichtverletzung erst gegeben, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind343. Dies ist der Fall, wenn der Abschluss der Vergleichsvereinbarung in ihrer konkreten Ausgestaltung unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe bei der aus ex-ante-Sicht objektiv gegebenen Sachlage nicht mehr vertretbar war344. 337 Auf diese kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden, vgl. zur zivilrechtlichen Haftung des Geschäftsführers einer GmbH bzw. des Vorstands einer AG gemäß § 823 Abs. 2 i.V. m. § 266 StGB Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, § 43 GmbHG, Rn 80 bzw. Hüffer, AktG, § 93, Rn 19. 338 BGH, Beschl. v. 13.02.2007 – 5 StR 400/06, wistra 2007, 259f.; Fischer, §266 StGB, Rn 10. 339 Vgl. oben 4. Kapitel, B.III.3. 340 Vgl. Rose, wistra 2005, 281 (289). 341 Vgl. zu Begriff und Struktur des „Risikogeschäfts“ im Zusammenhang mit § 266 StGB Rose, wistra 2005, 281 (282 f.). 342 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.02.2006 – Ws 199/04, wistra 2006, 354 (355). 343 Vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331 (336 ). 344 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.02.2006 – Ws 199/04, wistra 2006, 354 (355); Fischer, § 266 StGB, Rn 44a.

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5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

Wie bereits gesehen, hat die tatsächliche Verständigung zwar weder die gleichen Voraussetzungen noch die gleichen Rechtsfolgen wie ein Vergleich, kommt diesem aber faktisch nahe345. Die für die Pflichtwidrigkeit beim Abschluss eines Vergleichs entwickelten Grundsätze müssen daher auch für den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gelten. Wenn ein Fall erschwerter Sachverhaltsermittlung vorliegt, stellt es dementsprechend regelmäßig keine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB dar, wenn die Beteiligten der Besteuerung einvernehmlich einen angenommenen Sachverhalt zugrunde legen, solange dieser nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Vertreter des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren seine Mitwirkungspflichten gemäß §§ 33, 34 AO verletzt, um seine eigene Position als Beschuldigter im Steuerstrafverfahren nicht zu verschlechtern, und in der Folge eine tatsächliche Verständigung abschließt, die den wahren Sachverhalt zum Nachteil des Steuerpflichtigen verfehlt. In dieser Situation könnte der Vertreter des Steuerpflichtigen durch Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten die zutreffende Besteuerung herbeiführen, der Abschluss der tatsächlichen Verständigung ist daher bei der gebotenen, ausschließlich am Wohl des Steuerpflichtigen orientierten Betrachtung, unvertretbar, und dient lediglich eigennützigen Motiven des Vertreters.

b) Vertreter der Finanzbehörden Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein Finanzbeamter, der eine Steuerverkürzung bewirkt, sich auch dann, wenn man eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO durch den zuständigen Beamten für ausgeschlossen hält, regelmäßig zumindest wegen Untreue gemäß § 266 StGB strafbar macht. Zwar stellt der Abschluss der tatsächlichen Verständigung auch für die Vertreter der Finanzbehörden risikobehaftetes Handeln im Sinne dieser Vorschrift dar, auch für die Vertreter der Finanzbehörden greifen die zum risikobehafteten Handeln entwickelten Grundsätze aber nicht ein, wenn sie von vornherein von der Unrichtigkeit des in der tatsächlichen Verständigung beschriebenen Sachverhalts positiv ausgehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Steuerverkürzung gemäß § 370 AO und der Vermögensnachteil gemäß § 266 StGB nicht deckungsgleich sind. Der staatliche Steueranspruch entsteht gemäß § 38 AO i.V. m. dem jeweiligen Steuergesetz unmittelbar durch Gesetz, bedarf zu seiner Verwirklichung gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 AO allerdings der Festsetzung durch Steuerbescheid. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO knüpft zur Präzisierung des Begriffs der Steuerverkürzung daher an die Steuerfestsetzung an. Ob die richtigerweise festzusetzende Steuer in der Folge auch beigetrieben werden könnte oder ob möglicherweise von der Festsetzung ganz oder teilweise nach § 156 Abs. 2 AO abgesehen werden könnte, ist aufgrund des Kompensationsverbots in § 370 Abs. 3 Satz 4 AO für das Vorliegen 345

Vgl. oben 4. Kapitel, B.III.3.c).

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

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einer Steuerhinterziehung unerheblich346. Demgegenüber bestimmt sich das Vermögen im Sinne des § 266 StGB nach dem rein wirtschaftlichen bzw. dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff347, die jedenfalls insoweit übereinstimmen, als zum Vermögen überhaupt nur solche rechtlichen und tatsächlichen Positionen zählen können, denen ein wirtschaftlicher Wert zukommt. Notleidende Forderungen und nicht durchsetzbare Ansprüche sind daher von § 266 StGB nicht geschützt Bedeutsam wird dieser Unterschied zwischen § 370 AO und § 266 StGB dann, wenn der Steuerpflichtige nach der ursprünglichen Steuerhinterziehung insolvent geworden ist oder sein Vermögen dem Zugriff des deutschen Fiskus entzogen hat, so dass der staatliche Steueranspruch wirtschaftlich betrachtet wertlos ist. Wenn in dieser Situation eine tatsächliche Verständigung getroffen wird, um etwa durch in Aussicht gestellte Zahlungen Dritter zumindest einen Teil des Steueranspruchs zu realisieren, stellt dies auch dann keinen Vermögensschaden im Sinne von § 266 StGB dar, wenn der in der tatsächlichen Verständigung beschriebene Sachverhalt zu Gunsten des Steuerpflichtigen vom wahren Sachverhalt abweicht. Kommt man zu einer Strafbarkeit der beteiligten Finanzbeamten wegen Untreue gemäß § 266 StGB, stellt sich für die Strafzumessung die Frage, inwiefern ein besonders schwerer Fall der Untreue gemäß § 266 Abs. 2 StGB i.V. m. § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB vorliegen kann, wenn sich die Untreue überhaupt erst aus der Verletzung einer beamtenrechtlich begründeten Vermögensbetreuungspflicht ergibt. Die Literatur hat dies im Hinblick auf das Verbot der Doppelbestrafung, nach dem strafbegründende Umstände nicht gleichzeitig strafschärfend berücksichtigt werden dürfen, seit jeher verneint348. Der Bundesgerichthof hat diese Überlegungen zwar zunächst ausdrücklich verworfen und die Anwendbarkeit der § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB auf die Untreue eines Beamten bejaht349, in einer neueren Entscheidung zur Steuerhinterziehung durch Finanzbeamte die Frage jedoch offen gelassen und sich mit der Feststellung der Strafbarkeit wegen Untreue im Regelstrafmaß begnügt350.

4. Abgabenüberhebung, § 353 StGB § 353 StGB ist ein echtes Amtsdelikt, das nur von Amtsträgern begangen werden kann, denen die Erhebung von Abgaben obliegt351. Die an einer tatsächlichen Verständigung beteiligten Finanzbeamten als Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) 346

Vgl. hierzu näher Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 63 ff. Vgl. MüKo StGB – Hefendehl, § 263 StGB, Rn 294 ff.; Fischer, § 263 StGB, Rn 54, jeweils m. w. Nachw. Der Begriff des Vermögens in § 266 StGB entspricht dem in § 263 StGB, MüKo StGB – Dierlamm, § 266 StGB, Rn 180; Fischer, § 266 StGB, Rn 56. 348 Vgl. Fischer, § 266 StGB, Rn 83a, m. w. Nachw. 349 BGH, Beschl. v. 13.07.2000 – 4 StR 271/00, StV 2001, 111 (112). 350 BGH, Urt. v. 06.06.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356 (362 f.). 351 RG, Urt. v. 11.02.1908 – IV 1095/07, RGSt 41, 91; BGH, Urt. v. 13.11.1956 – 1 StR 81/56, NJW 1957, 638; MüKo StGB – Voßen, § 353 StGB, Rn 6; Fischer, § 353 StGB, Rn 2. 347

252

5. Kap.: Strafrechtliche Aspekte der tatsächlichen Verständigung

StGB kämen daher als Täter einer Abgabenüberhebung gemäß § 353 StGB grundsätzlich in Betracht. Der Begriff des „Erhebens“ von Steuern, Gebühren oder anderen Abgaben in § 353 StGB entspricht dem in § 352 StGB352, er ist nicht im Sinne des Steuerverfahrensrechts zu verstehen, sondern meint allgemein Geltendmachung und Vereinnahmung353. Eine Abgabenüberhebung gemäß § 353 StGB ist daher im Besteuerungsverfahren auch außerhalb des Erhebungsverfahrens, im Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung oder deren Vorbereitung, denkbar. Selbst wenn eine tatsächliche Verständigung den wahren Sachverhalt zu Ungunsten des Steuerpflichtigen verfehlt, wird eine Abgabenüberhebung gemäß § 353 StGB aber regelmäßig jedenfalls deswegen ausscheiden, weil die zu Unrecht vereinnahmten Mehrsteuern zur Finanzkasse gebracht werden.

IX. Zwischenergebnis Allein die „Nichteinhaltung“ einer tatsächlichen Verständigung im Sinne einer Nichtentrichtung der sich aus der tatsächlichen Verständigung ergebenden Steuer erfüllt nicht den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Eine Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung ist jedoch denkbar, wenn es in Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung zu einer Steuerverkürzung kommt. Wegen nemo tenetur ist in der Gesamtbereinigunssituation nur eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO denkbar. Für die Frage, ob der Steuerpflichtige Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht hat, ist auf den objektiven Empfängerhorizont der Finanzbehörde abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Finanzbehörde in der Gesamtbereinigungssituation nicht ohne weiteres von der vollständigen Offenlegung aller Besteuerungsgrundlagen ausgehen darf. Auch wenn der Steuerpflichtige Angaben in diesem Sinne gemacht hat, liegt eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nur dann vor, wenn diese Angaben für den Hinterziehungserfolg kausal geworden sind, weil sie eine zutreffende Schätzung der Besteuerungsgrundlagen verhindert haben. „Steuerlich erhebliche Tatsachen“ sind unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung alle Tatsachen, die für die nachfolgende Steuerfestsetzung von Bedeutung sein können. Eine tatsächliche Verständigung enthält zwar regelmäßig keine bestimmten Angaben zu Besteuerungsgrundlagen. Eine Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung kann aber sowohl durch unrichtige oder unvollständige Angaben über Schätzungsgrundlagen begangen werden als auch dadurch, dass die Beteiligten in der tatsächlichen Verständigung eine Schätzung anstellen, die sie in Wirklichkeit für unzutreffend halten. Bloße Aussagen über die Beweissituation in den Vorverhandlungen sind hingegen nicht tatbestandsmäßig. Die in der Gesamtbereinigungssituation begangene Steuerhinterziehung durch 352

Fischer, § 353 StGB, Rn 3. Vgl. MüKo StGB – Voßen, § 353 StGB, Rn 6: Erheben als „Fordern und Empfangen“; unklar Fischer, § 352 StGB, Rn 6. 353

E. Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung

253

tatsächliche Verständigung stellt im Verhältnis zur ursprünglichen Steuerhinterziehung eine materiell und prozessual eigenständige Tat, nicht lediglich eine mitbestrafte Nachtat dar. Ob sich auch die zuständigen Finanzbeamten wegen Steuerhinterziehung strafbar machen können, ist strittig. Die Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung in der Gesamtbereinigungssituation trifft gegebenenfalls mit einer Begünstigung gemäß § 257 StGB i.V. m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO und einer Strafvereitelung gemäß § 258 StGB bzw. einer Strafvereitelung im Amt gemäß § 258 a StGB tateinheitlich gemäß § 52 StGB zusammen, soweit die Beteiligten an der tatsächlichen Verständigung an der ursprünglichen Steuerhinterziehung unbeteiligt waren. Der Abschluss der tatsächlichen Verständigung stellt regelmäßig ein Risikogeschäft im Sinne des § 266 StGB dar, so dass sich die Beteiligten erst dann wegen Untreue strafbar machen, wenn der Inhalt der tatsächlichen Verständigung in ihrer konkreten Ausgestaltung bei der aus ex-ante-Sicht objektiv gegebenen Sachlage nicht mehr vertretbar war. Wenn die tatsächliche Verständigung vom wahren Sachverhalt zu Gunsten des Steuerpflichtigen abweicht, scheidet eine Untreue der beteiligten Finanzbeamten auch insoweit aus, als der sich ausgehend vom wahren Sachverhalt ergebende Steueranspruch wirtschaftlich wertlos ist. Auch wenn eine tatsächliche Verständigung im Einzelfall den wahren Sachverhalt zu Ungunsten des Steuerpflichtigen verfehlt, ist eine Abgabenüberhebung gemäß § 353 StGB ausgeschlossen, solange die sich aus der tatsächlichen Verständigung ergebenden Steuern zur Finanzkasse gebracht werden.

6. Kapitel

7

Das Konzept der Gesamtbereinigung 6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung Gelingt es, die konsensuale Erledigung des Steuerstrafverfahrens und die konsensuale Erledigung des Besteuerungsverfahrens zusammenzuführen, führt dies zu einer „konsensualen“ bzw. „kooperativen Gesamtbereinigung“1. Die „kooperative Gesamtbereinigung“ wird unter verschiedenen Bezeichnungen in der Literatur seit langem diskutiert2, der Begriff als solcher wurde – sogar noch vor der Anerkennung der tatsächlichen Verständigung durch den Bundesfinanzhof – von SchmidtHieber geprägt3. Sie gilt Beratern als „Idealfall, der immer häufiger auftritt“4. Die Erwartungen, die von den Beteiligten an diesen „Idealfall“ geknüpft werden, sind entscheidend für die Gestalt, die eine Gesamtbereinigung annehmen kann. Sie sind Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen, da sie die verfahrensmäßige Umsetzung der Gesamtbereinigung ebenso beeinflussen wie die materiellrechtlichen Ansatzpunkte und die sich bei der Gesamtbereinigung ergebenden rechtlichen Problemfelder. Auch auf die Auswirkungen einer fehlerhaften Gesamtbereinigung ist einzugehen.

A. Interessenlage bei der Gesamtbereinigung A. Interessenlage

Wie bereits gesehen, geht § 393 Abs. 1 AO zwar von der Gleichrangigkeit und Gleichzeitigkeit des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens aus, sieht aber gleichzeitig die rechtliche Trennung beider Verfahren vor5. Die isolierte Erledi1 Die Begriffe der „konsensualen“ und der „kooperativen“ Verfahrensweise sind im Bezug auf die „Gesamtbereinigung“ ebenso synonym wie im Zusammenhang mit der isolierten Erledigung einzelner Verfahren, vgl. bereits 2. Kapitel, C. I. zur Höchstrafenabrede im Steuerstrafrecht. 2 Vgl. etwa Eich, S. 85, 127; Burkhard, 102, 193; Seer, Verständigungen, S. 24 f.; Englisch, S. 61; Jakob, Abgabenordnung Rn 105, 141 (dort Fn 118); Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519; Sauer, Rn 302; Schmidt-Hieber, Rn 226 f.; Tipke/Lang – Seer, § 24 Rn 38 f.; Seer, Kohlmann-FS, S. 535; Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10525); Stahl, KÖSDI 1998, 11625; Baum, NWB F 2, 9957 (9962); Geuenich/Höwer, DStR 2009, 2320 (2321); Matthes, EFG 2009, 1808 (1810). 3 Schmidt-Hieber, Rn 227; übernommen u. a. von Eich, S. 85; Tipke/Lang – Seer, § 24, Rn 38; Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519; Mösbauer, Steuerstrafrecht, S. 359; Reiß, Grünwald-FS, S. 495; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (542); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (389); Achatz, DStJG 27, 173 (185). 4 Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (685). 5 Vgl. oben 5. Kapitel, A.II.2.a).

A. Interessenlage

255

gung beider Verfahren wird allgemein als nicht vorteilhaft angesehen6, so dass sich letztlich ein Junktim zwischen der kooperativen Erledigung beider Verfahren ergibt7. Insofern besteht vielfach Zielkongruenz bezüglich der Herbeiführung einer Gesamtbereinigung8.

I. Interessen der staatlichen Stellen Es sind zwar, wie gesehen, für die Erledigung des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens regelmäßig unterschiedliche staatliche Stellen, Behörden und Gerichte zuständig9. Dies spiegelt die Leitvorstellung des § 393 AO wieder10. Dennoch ist dem Besteuerungs- und dem Steuerstrafverfahren gemeinsam, dass beide auf einen hoheitlichen Eingriff abzielen, so dass die jeweils zuständigen Behörden dem Betroffenen, einerseits als Steuerpflichtiger, andererseits als Beschuldigter, Angeschuldigter bzw. Angeklagter, insoweit in ähnlicher Funktion gegenübertreten. Auch setzt die Erforschung von Steuerstraftaten gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen der Struktur des § 370 AO die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO zwingend voraus11. Es besteht ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang zwischen Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren12. Die staatlichen Stellen stehen daher nicht nur dem gleichen Betroffenen gegenüber, sondern verfolgen ihm gegenüber auch zumindest teilweise übereinstimmende Ziele, so dass sie insofern durch gemeinsame Interessen verbunden sind. Zudem sind die staatlichen Stellen sämtlich zur Berücksichtigung prozessökonomischer Gesichtspunkte gezwungen13, und zwar grundsätzlich umso mehr, je schwieriger sich ein Verfahren in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht erweist. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf den mit eventuellen Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen des Beschuldigten bzw. Steuerpflichtigen unmittelbar verbundenen Aufwand, sondern auch im Hinblick auf die Intensität und den Umfang des Ermittlungsverfahrens. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass die getroffenen 6 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 69; Sauer, Rn 327; Simon/Vogelberg – Simon, S. 350; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (497 f.); Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 (682); Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (389); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (542 ff.); Streck, StuW 1993, 366 (370); Esskandari, DStZ 2006, 717 (720); vgl. auch OFD Hannover, Vfg. 08.01.2008 – S 0223 – 19 – StO 143, juris, unter 7.1: bei tatsächlicher Verständigung nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens „frühzeitige Einschaltung der Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. der Staatsanwaltschaft“ empfehlenswert. 7 Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 189; Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (513); Stahl, KÖSDI 1998, 11625 (11630). 8 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (543). 9 Vgl. oben 1. Kapitel, D.II. 10 Vgl. hierzu oben 5. Kapitel, A, I. und II. 11 Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (490); Seer, Kohlmann-FS, S. 535; vgl. bereits oben 1. Kapitel, B. I. 12 FG Köln, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 2899/97, juris. 13 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (537); vgl. auch oben 4. Kapitel, B.IV., m. w. Nachw.

256

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

Feststellungen und die rechtliche Würdigung angegriffen werden, desto sorgfältiger müssen sie belegt werden und desto aufwändiger gestaltet sich das Ermittlungsverfahren. Die Bußgeld- und Strafsachenstellen sind bei der Erledigung von Steuerstrafverfahren ohnehin ausdrücklich gehalten, das Besteuerungsverfahren mit zu berücksichtigen14, so dass eine parallele Erledigung beider Verfahren nahe liegt. Auch das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Steuerstrafsachen ist allerdings wesentlich geprägt von der Tätigkeit der Steuerfahndung. Der Gesetzgeber selbst hat mit der Doppelzuständigkeit der Steuerfahndung für das Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren15 die institutionellen Voraussetzungen für eine Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren geschaffen16. Die Fahndungs- bzw. Ermittlungsberichte der Steuerfahndung sind regelmäßig Grundlage der Erledigung sowohl des Besteuerungs- als auch des Steuerstrafverfahrens17. Gerade in schwierigen Fällen begleiten die Fahndungsprüfer wegen ihrer besonderen Vertrautheit mit den tatsächlichen und rechtlichen Aspekten des Sachverhalts über die Fahndungsprüfung hinaus vielfach auch ein steuerliches Rechtsbehelfsverfahren und den Fortgang des Steuerstrafverfahrens. Der Steuerfahndung kommt daher trotz ihrer formal untergeordneten Funktion als Ermittlungsorgan der Veranlagungsstellen und der Bußgeld- und Strafsachenstellen bzw. der Staatsanwaltschaft erheblicher Einfluss auf den Abschluss beider Verfahren zu18. Gleichzeitig hat die Steuerfahndung aufgrund ihrer Doppelzuständigkeit typischerweise ein besonderes Interesse am Zustandekommen einer Gesamtbereinigung19. Die mit einer isolierten Erledigung des Besteuerungs- oder des Steuerstrafverfahrens verbundene Entlastungswirkung ist vergleichsweise gering, da die Ermittlungen trotz der Erledigung eines Verfahrens für Zwecke des jeweils anderen Verfahrens fortgesetzt werden müssen20. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Erledigung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO angestrebt ist. Mit den §§ 70, 71, 169 Abs. 2 Satz 2 und § 235 AO knüpfen mehrere praktisch bedeutsame Vorschriften des Steuerverfahrensrechts an das Vorliegen einer Steuerhinterziehung an. Mangels eines strafgerichtlichen Urteils bzw. Strafbefehls würde dann gegebenen14

Vgl. oben 1. Kapitel, D. III. Vgl. hierzu oben 1. Kapitel, D.III. 16 Streck, DStJG 18, S. 173 (180); Schleifenbaum/Schormann, Fachanwalt-FS, S. 681 f. 17 Quedenfeld/Füllsack, Rn 132; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 178; Wannemacher – Grötsch, Rn 4495 ff.; auch im gerichtlichen Hauptverfahren kann den als Zeugen vernommenen Fahndungsprüfern eine zentrale Bedeutung zukommen, vgl. Harms, SchlüchterGS, S. 451 (452, 457 f.). 18 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194 f.: Nach Vorbereitung der tatsächlichen Verständigung durch die Steuerfahndung Information der Veranlagungsstellen erst kurz vor deren Abschluss. 19 Joecks, Praxis, S. 169; Flore/Dörn/Gillmeister – Flore, S. 54; vgl. auch Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519. 20 Vgl. FG Köln, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 2899/97, juris: wegen tatsächlichem und rechtlichem Zusammenhang von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren „Gleichbehandlung in der Erledigung beider Verfahren sinnvoll“. 15

A. Interessenlage

257

falls die gesamte Auseinandersetzung nicht nur über den objektiven, sondern auch über den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung lediglich in das Besteuerungsverfahren verlagert21. Andererseits wird eine vorweggenommene Erledigung des Besteuerungsverfahrens kaum möglich sein, solange für den Steuerpflichtigen nicht absehbar ist, ob und inwiefern sich die Hinnahme der Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO oder der Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO für ihn im Steuerstrafverfahren nachteilig auswirkt. Die Kooperation mit dem Betroffenen erleichtert den staatlichen Stellen allerdings nicht nur den formellen Verfahrensabschluss, sondern auch dessen materiellen Vollzug. Eine kooperative Verfahrenserledigung kann hier Ergebnisse ermöglichen, die ohne oder gegen den Willen des Betroffenen und allein gestützt auf staatliche Eingriffsbefugnisse nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu erreichen wären. Im Steuerrecht wird dies mit Blick auf Verständigungen im Erhebungs-22 und im Vollstreckungsverfahren23 deutlich. Wenn der Steuerpflichtige insolvent ist oder sein Vermögen dem Zugriff des deutschen Fiskus entzogen hat, bleibt das hoheitliche Instrumentarium der Zwangsvollstreckung wirkungslos und erst die Kooperation des Steuerpflichtigen oder für diesen eintretender solventer Dritter24 mit den Finanzbehörden ermöglicht die Verwirklichung des staatlichen Steueranspruchs.

II. Interessenlage des Betroffenen Es liegt in der Natur des Menschen, dass er versucht, hoheitliche Eingriffe in seine Rechtsgüter, sei es durch Steuern, sei es durch Strafen, möglichst zu vermeiden. Auf dieser Erkenntnis beruht die Lenkungsfunktion der Besteuerung25 ebenso wie die (negative) Generalprävention („Abschreckungsfunktion“) des (Steuer-) Strafrechts26. Auch in der Gesamtbereinigungssituation steht für den Betroffenen die Minimierung des erwarteten hoheitlichen Eingriffs im Vordergrund. Zwar ist der Steueranspruch zuzüglich eventueller Hinterziehungszinsen bereits abstrakt entstanden, die zu verhängende Strafe bereits abstrakt verwirkt, gleichwohl 21 Pump, StW 2007, 171 f.; Matthes, EFG 2009, 1808 (1810); Vgl. zu der praktischen Bedeutung der Einstellungen gemäß § 153a StPO im Steuerstrafverfahren oben 3. Kapitel, A. I., zu der Möglichkeit und den Voraussetzungen der Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren nach Einstellung des Steuerstrafverfahrens oben 3. Kapitel, A.IV. und 5. Kapitel, B.IV. 22 Vgl. hierzu Seer, Verständigungen, S. 25 ff. 23 Vgl. BFH, Beschl. v. 10.11.2003 – VII B 342/02, BFH/NV 2004, 315 und ausführlich Seer, Verständigungen, S. 30 ff. 24 Dies können namentlich Angehörige sein, vgl. Burkhard, S. 193, oder Geschäftspartner, vgl. Seer, Verständigungen, S. 26 (zur dreiseitigen Aufrechungsvereinbarung, m. w. Nachw.). 25 Vgl. zur Lenkungsfunktion der Besteuerung Tipke/Lang – Lang, § 3, Rn 10, m. w. Nachw. 26 Vgl. zur Abschreckungsfunktion Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 369 AO, Rn 129.

258

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

kann der Betroffene versuchen, das konkrete Ergebnis des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens durch die Art und den Umfang der Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte zu beeinflussen27. Entscheidend für die Schwere möglicher Eingriffsakte sind aus der Perspektive des Betroffenen dabei nicht die Rechtsgrundlagen einzelner Eingriffsmaßnahmen wie Geldstrafe, Geldauflage, Steuernachzahlung und Hinterziehungszinsen und ihre Zuordnung zum Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, sondern allein die für ihn spürbare „Gesamtbelastung“28. Eine isolierte Erledigung eines Verfahrens ist daher auch aus Sicht des Betroffenen regelmäßig nachteilig, da der Ausgang des anderen Verfahrens ungewiss bleibt. Einerseits kann möglicherweise erst die strafmildernde Wirkung der tatsächlichen Verständigung29 den Anwendungsbereich des § 153a StPO bzw. des Strafbefehlsverfahrens eröffnen30 oder es wird die konsensuale Erledigung des Steuerstrafverfahrens von der vorherigen einvernehmlichen Erledigung des Besteuerungsverfahrens abhängig gemacht31. Andererseits können sich Zugeständnisse im Besteuerungsverfahren aufgrund nicht von vornherein auszuschließender faktischer Bindungswirkung32 im Steuerstrafverfahren unter Umständen sogar zulasten des Betroffenen auswirken, wenn nämlich ein vergleichsweise hoch angesetztes Hinterziehungsvolumen auch der steuerstrafrechtlichen Würdigung zugrunde gelegt wird33. Demgegenüber können bei wechselseitig abgestimmter Erledigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren die grundsätzlich unterschiedlichen Beweismaßstäbe beider Verfahren34 von vornherein zutreffend berücksichtigt werden, es besteht insofern aus Sicht der Verteidigung keine Gefahr einer faktischen Bindungswirkung35 des sich aus der tatsächlichen Verständigung ergebenden (höheren) Hinterziehungsvolumens für das Steuerstrafverfahren. Im Sinne einer Minimierung des hoheitlichen Eingriffs wird der Betroffene bei der Abwägung zwischen verschiedenen Erledigungsalternativen zunächst nach den von Eingriffen bedrohten Rechtsgütern differenzieren. Anders als das Besteuerungsverfahren kann das Steuerstrafverfahren nicht nur mit Eingriffen in das Vermögen des Betroffenen verbunden sein. Es besteht die zumindest abstrakte Gefahr einer Freiheitsstrafe und im Zusammenhang mit dem „Strafmakel“ weiterer Nebenfolgen, auch im beruflichen und sozialen Leben. Diese spezifisch strafrecht27 Pump, StW 2007, 171; vgl. für strafprozessuale Verständigungen allgemein Weigend, BGH-FG, S. 1011 (1014); Hamm, Meyer-Goßner-FS, S.33 (42 f.): Geständnis als „Verhandlungsmasse“. 28 Joecks, Praxis, S. 169; Flore/Dörn/Gillmeister – Flore, S. 54 f. 29 Vgl. hierzu oben 5. Kapitel, C.II. 30 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 400 AO, Rn 6. 31 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (513). 32 Vgl. hierzu oben 5. Kapitel, D.II. 33 Simon/Vogelberg – Simon, S. 350; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (392 f.); Esskandari, DStZ 2006, 717 (720). 34 Vgl. oben 5. Kapitel, D. I. 35 Vgl. oben 5. Kapitel, D.II.; a.A. aber Eich, S. 88.

B. Verfahrensmäßige Abwicklung

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lichen Eingriffe und der möglicherweise irreparable Verlust der sozialen Stellung werden insbesondere von sozial integrierten Betroffenen36 regelmäßig als wesentlich gravierender empfunden werden als selbst umfangreiche Zahlungsverpflichtungen37. Entsprechend hoch ist das Interesse an einer kooperativen Erledigung des Steuerstrafverfahrens vorzugsweise gemäß § 153a StPO, hilfsweise durch Geldoder allenfalls eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe38.

III. Konsequenzen Angesichts dieser Motivlage wird die Grundtendenz der Gesamtbereinigung in der Sache zutreffend, wenn auch recht pointiert, als „Steuer gegen Strafe“ charakterisiert39. Die staatlichen Stellen sind an einer prozessökonomischen Erledigung beider Verfahren interessiert. Der Betroffene wird sich dem nicht verschließen, wenn er dadurch strafrechtliche Sanktionen vermeiden oder zumindest mildern kann, und sich bezüglich der Steuernachforderung regelmäßig – im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten – weitestgehend kooperationsbereit zeigen. Ausgehend von dieser Grundtendenz sollen im Folgenden verfahrensmäßige Abwicklung und inhaltliche Grenzen der Gesamtbereinigung untersucht sowie einige Sonderformen der Gesamtbereinigung und insbesondere auch die Auswirkungen einer fehlerhaften Gesamtbereinigung dargestellt werden.

B. Verfahrensmäßige Abwicklung der Gesamtbereinigung B. Verfahrensmäßige Abwicklung

Zu Einzelfragen der verfahrensmäßigen Abwicklung einer Höchststrafenabrede im steuerstrafrechtlichen Hauptverfahren bzw. Verständigung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren einerseits, einer tatsächlichen Verständigung andererseits wurde bereits weiter oben Stellung genommen. Eine Gesamtbereinigung kann grundsätzlich ohne weiteres auch auf Basis einer rein informellen Verständigung erfolgen und wird in den meisten Fällen zeitnah zu dem gewünschten Ergebnis führen. Dennoch bleibt eine rein informelle Verständigung für die Beteiligten mit gewissen Risiken behaftet. Der Betroffene will, soweit er Zugeständnisse im Besteuerungsverfahren macht, größtmögliche Sicherheit, dass diese im Steuerstrafverfahren abredegemäß be36

Vgl. hierzu oben 1. Kapitel, C. Vgl. Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (516); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (543 f.). 38 Achatz, DStJG 27, S. 161 (185); Pump, StW 2007, 171; eine Gesamtbereinigung kommt allerdings auch bei höheren Straferwartungen in Betracht, vgl. den FG Nürnberg, Urt. v. 13.12.2005 – II 384/2001, juris, und v. 28.06.2006 – V 426/2001, juris, zugrunde liegenden Sachverhalt. 39 Eich, S. 85; Joecks, Praxis, S. 169, 197; Kuhn/Weigell, Rn 435; Randt, Steuerfahndungsfall, Rn A 8; Schmidt-Hieber, Verständigung, Rn 227; Schmidt, StuW 1998, 278 (280); zu der Formulierung „Steuer gegen Strafe“ vgl. Reiß, Grünwald-FS, S. 495. 37

260

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

rücksichtigt werden. Eine rein informelle Verständigung kann diese Sicherheit aber bereits wegen der möglichen Vielzahl der Beteiligten nur beschränkt gewährleisten40. Aus Sicht der staatlichen Stellen gilt es zu verhindern, dass der Betroffene nach dem Fortfall des mit dem Steuerstrafverfahren stets verbundenen – als solchem unbedenklichen41 – Drucks die im Besteuerungsverfahren erzielte Einigung wieder in Frage stellt42. Damit wäre die angestrebte „Austauschgerechtigkeit“ der Gesamtbereinigung dahin, ohne dass dies eine Wiederaufnahme des Steuerstrafverfahrens zuungunsten des Beschuldigten gemäß § 362 StPO rechtfertigen würde43. Es besteht also einerseits ein Bedürfnis nach bindenden (förmlichen) verfahrensübergreifenden Verständigungen44, andererseits grundsätzlich gerade keine Bindungswirkung zwischen dem Strafverfahren und dem Besteuerungsverfahren45. Das Adhäsionsverfahren erlaubt gemäß § 403 StPO lediglich die Regelung von Ansprüchen, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit gehören, nicht aber von Ansprüchen auf Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, über die im Streitfall gemäß § 33 FGO die Finanzgerichte entscheiden. Daher müssen die Erledigung des Besteuerungsverfahrens und des Steuerstrafverfahrens je nach den Umständen des Einzelfalles so miteinander kombiniert werden, dass sie sich im Ergebnis wechselseitig bedingen. Da eine durch eine bestimmte Erledigung des Steuerstrafverfahrens bedingte tatsächliche Verständigung ausgeschlossen ist46, muss die Verknüpfung beider Verfahren über den Abschluss des Steuerstrafverfahrens hergestellt werden. Die verfahrensmäßige Abwicklung der Gesamtbereinigung ist insofern abhängig von der im Einzelfall geplanten Erledigung des Steuerstrafverfahrens47.

I. Gesamtbereinigung bei Höchststrafenabrede Bei der Höchststrafenabrede sagt das Gericht für den Fall der Ablegung eines Geständnisses eine bestimmte Strafobergrenze zu, wobei es nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Höchststrafenabrede48 bzw. nunmehr 40

Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (498); zu den Problemen wegen der konkurrierenden Zuständigkeit im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren bereits 3. Kapitel, C.V. 41 Vgl. oben 5. Kapitel, A. I. 42 Entgegen dem Bericht von Streck, StuW 1993, 366 (368) ist dieses Szenario durchaus realistisch, vgl. nur Pump, StW 2007, 171 f. 43 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (498 f.). 44 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (497 ff.); dem entspricht die von Felix, KÖSDI 1996, 10524 (10525) mitgeteilte Beobachtung, dass sich förmliche tatsächliche Verständigungen insbesondere in Besteuerungsverfahren mit steuerstrafrechtlichen Bezügen finden. 45 Pump, StW 2007, 171 (172). 46 Vgl. oben 4. Kapitel, E.V. 47 Sofern sich der Betroffene im Ausland aufhält, sind für die verfahrensmäßige Abwicklung der Gesamtbereinigung zusätzlich regelmäßig auch völkerrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, vgl. Hillenbrand, BB 1994, 336. 48 Vgl. oben 2. Kapitel, A.II.1.

B. Verfahrensmäßige Abwicklung

261

nach § 257c Abs. 3 StPO neuer Fassung die allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte zu beachten hat. Durch die prognosehafte Zusage einer Strafobergrenze wird nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vertrauenstatbestand geschaffen und tritt eine Selbstbindung des Gerichts ein, soweit sich nicht nachträglich neue, dem Gericht bisher unbekannte Umstände ergäben, die Einfluss auf das Urteil haben können, und soweit die Prognose materiell-rechtlich unter Berücksichtigung aller Umstände vertretbar ist49. Nunmehr ergibt sich unter im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen der Wegfall der Bindungswirkung aus § 257c Abs. 4 StPO neuer Fassung. Zu den vom Gericht zu beachtenden allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkten gehört gemäß § 46 Abs. 2 StGB auch die Schadenswiedergutmachung, die bei Steuerstraftaten sowohl durch Steuernachzahlung als auch bereits durch den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung geleistet werden kann50. Die Zusage einer Strafobergrenze kann daher unter den Vorbehalt der Steuernachzahlung oder des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung gestellt werden. Die bloße Steuernachzahlung schließt allerdings noch nicht aus, dass der Betroffene nach rechtskräftigem Abschluss des Steuerstrafverfahrens gleichwohl Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und einen Rückerstattungsanspruch geltend macht51. Erst der Abschluss der tatsächlichen Verständigung führt dazu, dass der Betroffene insoweit materielle Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann. Soweit die Zusage einer Strafobergrenze darüber hinaus von der Nachzahlung der festgesetzten Steuer abhängig gemacht wird, können seitens des Betroffenen auch etwa getroffene Zahlungsvereinbarungen nicht mehr ohne weiteres in Frage gestellt werden. Die von Eich geäußerte Einschätzung, im strafrechtlichen Hauptverfahren komme eine Gesamtbereinigung nur in Form eines Geständnisses in Betracht, eine tatsächliche Verständigung scheide aus52, ist daher seit der förmlichen Anerkennung der Höchststrafenabrede überholt53.

II. Gesamtbereinigung bei Strafbefehl Praktisch weit häufiger als zu einer Höchststrafenabrede dürfte es in Steuerstrafverfahren allerdings zu einem Verfahrensabschluss ohne Hauptverhandlung kommen54. Anders als das Gericht bei der Zusage einer Strafobergrenze entsprechend den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen ist die Staatsanwaltschaft bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle an die Zusage eines bestimmten Strafbefehlsantrags grundsätzlich nicht gebunden. Der Betroffene wird daher eine tatsächliche Verständigung vorzugsweise erst nach Erlass des Strafbefehls ab49 50 51 52 53 54

BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (210). Vgl. oben 5. Kapitel, C.II.2. Pump, StW 2007, 171 (172). Eich, S. 133. So aber noch Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S.371 (390) unter Bezugnahme auf Eich. Vgl. oben 3. Kapitel, A. I.

262

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

schließen wollen. Die in § 407 Abs. 2 Satz 1 StPO vorgesehenen Rechtsfolgen lassen eine Verknüpfung der Erledigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren allerdings nicht zu. Eine Bindung des Betroffenen im Besteuerungsverfahren tritt nur ein, wenn und soweit den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls dort Indizwirkung zukommt55. Ansonsten bleibt der Abschluss des Besteuerungsverfahrens mit einem Rest von Unsicherheit behaftet. Nur bei Verhängung einer Freiheitsstrafe gemäß § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO ist eine Verknüpfung beider Verfahren möglich, indem der Abschluss des Besteuerungsverfahrens bei den Bewährungsauflagen berücksichtigt wird. Die Finanzbehörden sind bei der Beantragung eines Strafbefehls gemäß AStBV (St) 2009 Nr. 81 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 in den Fällen des § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO ausdrücklich angehalten, Vorschläge bezüglich der Bewährungsauflagen zu machen.

1. Bewährungsauflage gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB In Betracht kommt zunächst die Verknüpfung unmittelbar über eine Auflage gemäß § 56b Abs. 2 StGB, nachdem der abschließende56 Katalog des § 56b Abs. 2 StGB in § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB Maßnahmen der Schadenswiedergutmachung als Bewährungsauflage ausdrücklich vorsieht und sowohl die Steuernachzahlung als auch der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung Maßnahmen der Schadenswiedergutmachung darstellen. Aus Sicht der staatlichen Stellen ist auch hier eine Kombination aus beidem erstrebenswert57. Für den Betroffenen kann mit Steuernachzahlungen zur Schadenswiedergutmachung gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB der Vorteil verbunden sein, dass diese – anders als Zahlungen gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 2, 4 StGB – nicht von § 12 Nr. 4 EStG erfasst sind und daher unter Umständen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgezogen werden können58. Das Gericht hat die Auflagen allerdings so bestimmt zu formulieren, dass Verstöße einwandfrei festgestellt werden können59. Sofern dem Betroffenen der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung auferlegt wird, müsste daher zugleich deren genauer Inhalt festgelegt werden. Da die Auflage nach § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB voraussetzt, dass das Gericht einen Schaden nach Grund und Höhe festgestellt hat, kann dem Betroffenen somit im Strafbefehlsverfahren der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung nur auferlegt werden, wenn und soweit in dem Strafbefehl Feststellungen zu allen in der tatsächlichen Verständigung zu behandelnden Besteuerungsgrundlagen getroffen wurden. Insoweit fehlt es allerdings gerade an 55

Vgl. oben 3. Kapitel, A.III. BayObLG, Urt. v. 14.05.1970 – RReg. 4 St 34/70, BayObLGSt 1970, 122 (124); MüKo StGB – Groß, § 56b StGB, Rn 9; Fischer, § 56b StGB, Rn 5. 57 Vgl. soeben unter I. 58 Schmidt – Drenseck, § 12 EStG, Rn 55; zu beachten ist allerdings der ertragssteuerliche Ausschluss des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs gemäß §§ 4 Abs. 5b, 12 Nr. 3 EStG, § 10 Nr. 2 KStG. 59 Fischer, § 56b StGB, Rn 10. 56

B. Verfahrensmäßige Abwicklung

263

der für den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung erforderlichen erschwerten Sachverhaltsermittlung60. Eine Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist daher durch eine Auflage gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB nur insofern möglich, als dem Betroffenen eine Steuernachzahlung aufgegeben wird. Auch wenn die tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls für das Besteuerungsverfahren Indizwirkung entfalten61, kann der Betroffene dann immer noch Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erheben. Dies betrifft insbesondere strafrechtlich verjährte Besteuerungszeiträume und Schätzungen im Besteuerungsverfahren, die wegen der unterschiedlichen Beweismaßstäbe für das Steuerstrafverfahren nicht übernommen wurden.

2. Anerbieten des Betroffenen gemäß § 56b Abs. 3 StGB Auch wenn der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung nicht als Auflage gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommt, kann er als Maßnahme der Schadenswiedergutmachung gleichwohl als Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Denkbar ist daher, dass das Gericht gemäß § 56b Abs. 3 StGB vorläufig von Auflagen absieht, wenn der Betroffene seine Bereitschaft zu einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzbehörde und einer zeitnahen Steuernachzahlung bereits zum Ausdruck gebracht hat. Beim Abschluss des Besteuerungsverfahrens können die Beteiligten dann wiederum die unterschiedlichen Beweismaßstäbe im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren berücksichtigen und beim Ansatz der Besteuerungsgrundlagen über die tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls hinausgehen. Insoweit entfaltet der Strafbefehl dann auch keine Indizwirkung mehr und steht der Annahme einer erschwerten Sachverhaltsermittlung nicht entgegen. Wenn andererseits der angestrebte Abschluss des Besteuerungsverfahrens scheitert, kann das Gericht gestützt auf seine eigenen Feststellungen zur Steuerverkürzung dem Betroffenen jedenfalls gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB Schadenswiedergutmachung auferlegen. Es kann ihm aber zusätzlich zu oder an Stelle der Schadenswiedergutmachung Zahlungen nach § 56b Abs. 2 Nr. 2, 4 StGB aufgeben. Derartige Zahlungen können gemäß § 12 Nr. 4 EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nicht abgezogen werden, so dass sie den Betroffenen in Abhängigkeit von seinem individuellen Durchschnittssteuersatz wirtschaftlich stärker belasten als eine Steuernachzahlung in gleicher Höhe. Für den Betroffenen fehlt insofern der Anreiz, den vorab vereinbarten Abschluss des Besteuerungsverfahrens aus wirtschaftlichen Motiven nachträglich in Frage zu stellen. Zur Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren mit dem Ziel, den vereinbarten Abschluss des Besteuerungsverfahrens auch über den Erlass des Strafbefehls hinaus abzusichern, ist daher das Vorgehen über § 56b Abs. 3 StGB besser geeignet. 60 61

Vgl. oben 4. Kapitel, C.II. Vgl. oben 3. Kapitel, A.III.

264

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

III. Gesamtbereinigung bei Einstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO Zu den für Steuerstrafverfahren charakteristischen Verfahrensabschlüssen ohne Hauptverhandlung62 zählt auch die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO. Wegen der mit Verständigungen im Ermittlungsverfahren verbundenen Unsicherheiten wird der Betroffene auch hier einen bindenden Abschluss des Besteuerungsverfahrens vorzugsweise erst nach Abschluss des Steuerstrafverfahrens herbeiführen wollen bzw. dann, wenn bereits ein bedingtes Verfahrenshindernis eingetreten ist63 und es nur an ihm liegt, ein endgültiges Verfahrenshindernis herbeizuführen. Ähnlich wie für den Fall der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung in § 56b Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB sind für den Fall der Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflagen in § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 StPO Wiedergutmachungsleistungen und Zahlungen an die Staatskasse als Auflagen ausdrücklich vorgesehen. AStBV (St) 2009 Nr. 78 Abs. 2 konkretisiert dies für Einstellungen von Steuerstrafverfahren gemäß § 153a StPO durch die Finanzbehörden dahingehend, dass – neben Zahlungen an die Staatskasse – namentlich die Entrichtung der verkürzten Beträge einschließlich der Nebenleistungen innerhalb einer von der Finanzbehörde zu bestimmenden Frist als Auflage in Betracht kommt. Ebenso wie im Fall der Strafaussetzung zur Bewährung müssen allerdings auch bei der Einstellung des Steuerstrafverfahrens gegen Auflagen Feststellungen zum Verkürzungserfolg getroffen werden. Die Anwendung des § 153a StPO setzt die Durchermittlung der Tat voraus64. Der Beschuldigte müsste nach der pflichtgemäßen Einschätzung des Staatsanwalts oder Richters aufgrund einer Hauptverhandlung, in der sich der ausermittelte aktenkundige Sachverhalt als wahr herausstellte, verurteilt werden65. Auch müssen die erteilten Auflagen bestimmt sein; dass sie durch den Beschuldigten bestimmbar sind, reicht nicht. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass unklar bliebe, ob der Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO eingetreten ist. Der Beschuldigte muss also der Auflage eindeutig entnehmen können, welche Leistung, bei Geldleistungen in welcher Höhe, er bis zu welchem Zeitpunkt wem gegenüber zu erbringen hat. Er ist freilich nicht gehindert, mehr zu erbringen oder schneller zu leisten, als ihm auferlegt worden ist66. Es ist daher ebenso wie bei § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB ausgeschlossen, die Höhe der Nachzahlung hinterzogener Steuern als Wiedergutmachungsleistung im Sinne von § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO von einer erst noch zu treffenden tatsächlichen Verständigung abhängig zu machen.

62

Vgl. oben 3. Kapitel, A. I. Vgl. zum Eintritt des bedingten Verfahrenshindernisses Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 153a StPO, Rn 52. 64 BT-Drs. 7/550, 298; Beulke/Fahl, NStZ 2001, 426 (428). 65 Schmidt-Hieber, Rn 59; Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 39. 66 Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 50. 63

C. Spezifische Probleme und Grenzen

265

Anders als § 56b StGB enthält § 153a StPO zwar keine Regelung, die ein einstweiliges Absehen von Auflagen erlaubte, § 153a Abs. 1 Satz 4 StPO ermöglicht allerdings die nachträgliche Aufhebung und – mit Zustimmung des Beschuldigten – auch die nachträgliche Erteilung oder Änderung von Auflagen. Damit ist zwar eine Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren im Wege wechselseitiger Bedingung ausgeschlossen. Es dürfte jedoch nicht zu beanstanden sein, wenn dem Betroffenen zunächst neben der Schadenswiedergutmachung eine vergleichsweise hohe Zahlung gemäß § 153a StPO Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO auferlegt und diese reduziert bzw. erlassen wird, wenn er – den unterschiedlichen Beweismaßstäben des Besteuerungs- und Steuerstrafverfahrens entsprechend – aufgrund einer tatsächlichen Verständigung über den strafrechtlich festgestellten Mindestschuldumfang hinaus Nachzahlungen erbringt. Auch hier ist die Schadenswiedergutmachung bzw. Steuernachzahlung mit Blick auf § 12 Nr. 4 EStG für den Betroffenen vorzugswürdig gegenüber der Geldauflage zugunsten der Staatskasse. Faktisch kann auf diese Weise der vereinbarte Abschluss des Besteuerungsverfahrens bei der Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO ähnlich wie beim einstweiligen Absehen von Auflagen gemäß § 56b Abs. 3 StGB im Strafbefehlsverfahren abgesichert werden.

IV. Zwischenergebnis Die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren kann zwar grundsätzlich auch durch rein informelle Verständigungen geschehen, aus Sicht aller Beteiligten besteht allerdings ein Bedürfnis nach möglichst verbindlichen verfahrensübergreifenden Verständigungen. Die Verknüpfung ist nur über den Abschluss des Steuerstrafverfahrens möglich, bei der Höchststrafenabrede unmittelbar, indem der Abschluss des Besteuerungsverfahrens der Höchststrafenzusage zugrunde gelegt wird, bei Verhängung einer Freiheitsstrafe im Strafbefehlsverfahren und bei der Einstellung des Steuerstrafverfahrens mittelbar über § 56b Abs. 3 StGB bzw. § 153a Abs. 1 Satz 4 StPO.

C. Spezifische Probleme und Grenzen der Gesamtbereinigung C. Spezifische Probleme und Grenzen

Da es für die Gesamtbereinigung im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren keine besondere gesetzliche Grundlage gibt, besteht bei der Durchführung einer Gesamtbereinigung eine Bindung nicht nur an die für das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren in formeller und materieller Hinsicht bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben sondern auch in vollem Umfang an die einfachgesetzlichen Regelungen insbesondere der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuchs, der Abgabenordnung und der Einzelsteuergesetze. Die Gesamtbereinigung führt zu einer Verknüpfung der Verfahrensabschlüsse, nicht aber zu einer Aufhe-

266

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

bung der rechtlichen Eigenständigkeit der zugrunde liegenden Verfahren. Sie erspart dem Gericht und der Finanzbehörde zwar möglicherweise eine förmliche Urteilsbegründung bzw. Einspruchsentscheidung, allerdings nicht die entsprechenden Überlegungen in der Sache selbst. Fraglich ist daher, inwiefern sich bei der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren aus der unterschiedlichen Rechtsstellung des Betroffenen und aus den unterschiedlichen Zwecken beider Verfahren besondere Grenzen ergeben. Zudem kommt bei einer Verknüpfung zweier Verständigungen den bereits gegen isolierte Verständigungen geltend gemachten Vorbehalten besonderes Gewicht zu.

I. Unterschiedliche Rechtsstellung des Betroffenen Eine Gesamtbereinigung ist überhaupt nur zulässig, wenn sie mit der unterschiedlichen Rechtsstellung des Betroffenen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren vereinbar ist. Die Geltendmachung des staatlichen Strafanspruchs und des Steueranspruchs des Steuergläubigers unterliegen unterschiedlichen Regeln67. Im Besteuerungsverfahren ist der Betroffene gemäß §§ 90, 200 Abs. 1 und 2 AO zur Mitwirkung verpflichtet; er hat – auch nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens – wahrheitsgemäß alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig offen zu legen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben, widrigenfalls die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden können68. Im Steuerstrafverfahren sieht seine Rechtsstellung wesentlich anders aus, er hat staatliche Zwangsmaßnahmen lediglich zu dulden und braucht insbesondere nicht an der Tataufklärung mitzuwirken. Das Schweigerecht und die Mitwirkungsfreiheit sind Ausprägungen des Grundsatzes nemo tenetur69, sie haben damit Verfassungsrang und müssen auch im Rahmen einer Gesamtbereinigung gewährleistet bleiben.

1. Wahrung der strafprozessualen Schutzposition des Betroffenen Bedenken, ob bei einer Verknüpfung des Strafverfahrens mit einem außerstrafrechtlichen Verfahren die strafprozessualen Rechte des Betroffenen gewahrt bleiben, ergeben sich zunächst mit Blick auf das Adhäsionsverfahren gemäß §§ 403 ff. StPO. Das Adhäsionsverfahren ermöglicht die Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen des Verletzten oder seines Erben, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehören, im Strafverfahren und stellt insofern einen 67

Vogel, NJW 1985, 2986. Vgl. zur Schätzung im Besteuerungsverfahren nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens bereits oben 5. Kapitel, B.IV. 69 Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (493); vgl. zu dem Grundsatz nemo tenetur bereits oben 5. Kapitel, B. I. 68

C. Spezifische Probleme und Grenzen

267

gesetzlich geregelten Fall der Gesamtbereinigung70 dar. Dagegen wird geltend gemacht, die durch das Strafprozessrecht vielfach geschützte Schutzposition des Beschuldigten könne durch das Adhäsionsverfahren nicht unerheblich beeinträchtigt werden71. § 403 StPO erlaubt zwar nicht die Regelung von Ansprüchen auf Steuern und steuerliche Nebenleistungen, über die im Streitfall gemäß § 33 FGO die Finanzgerichten entscheiden. Soweit geltend gemacht wird, durch die Verknüpfung des Strafverfahrens mit einem außerstrafrechtlichen Verfahren werde die strafprozessuale Schutzposition des Betroffenen gefährdet, können sich diese Überlegungen möglicherweise aber auch auf die Verknüpfung des Steuerstrafverfahrens mit dem Besteuerungsverfahren auswirken. Eine Gefährdung der Schutzposition des Beschuldigten durch das Adhäsionsverfahren wird darin gesehen, der Beschuldigte könnte sich aufgrund einer „institutionellen Drucksituation“ gezwungen sehen, sich dem Ersatzanspruch gegenüber freundlicher zu verhalten, als dies nach der Sachlage geboten ist und bei einer Entscheidung außerhalb des Strafverfahrens möglich wäre72. Er könnte sich zudem durch die Konfrontation mit dem finanziellen Konsequenzen aus den Folgen der Tat „resignierend“ in der effektiven Wahrnehmung seiner Verteidigung gehindert fühlen73 oder Anlass zu der Befürchtung haben, sich durch die doppelte Verteidigung auch gegen die geltend gemachte Schadenshöhe in ein schlechtes Licht zu setzen und seiner Verteidigung gegen den eigentlichen Vorwurf zu schaden74. Ein bestreitender und namentlich sich durch Schweigen verteidigender Beschuldigter gefährde die Glaubwürdigkeit seiner prozessual legitimen Verteidigungspraxis, wenn er die Berechtigung des materiellen Ersatzanspruchs des Verletzten substantiiert bekämpfen wolle75. Von diesen Überlegungen betrifft allerdings die erste nicht die strafprozessuale Schutzposition des Beschuldigten im Steuerstrafverfahren, sondern den Grundsatz der Zweckrichtigkeit von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren76. Dem Schutz des Betroffenen wird insofern durch die Nichtigkeit der tatsächlichen Verständigung bei zweckwidriger Instrumentalisierung des Steuerstrafverfahrens77 hinreichend Rechnung getragen. Die übrigen Erwägungen gelten nur für das Adhäsionsverfahren und lassen sich auf die Gesamtbereinigung im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren kaum übertragen. Eine „Resignation“ des Betroffenen an70 So ausdrücklich Rieß, Dahs-FS. S. 425 (434): Adhäsionsverfahren als „eine Art Gesamtbereinigung“ des Tatgeschehens. 71 Rieß, Dahs-FS, S. 425 (433); Loos, GA 2006, S. 195 (199 ff.). 72 Löwe/Rosenberg26 – Hilger, vor § 403 StPO, Rn 9; Rieß, Dahs-FS, S. 425 (434); Loos, GA 2006, 195 (202 f.); vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.12.1990 – 4 StR 532/90, BGHSt 37, 263 (264). 73 Löwe/Rosenberg26 – Hilger, vor § 403 StPO, Rn 9. 74 Volckart, JR 2005, 181 (185). 75 Rieß, Dahs-FS, S. 425 (433 f.). 76 Vgl. zum Grundsatz der Zweckrichtigkeit oben 5. Kapitel, A.II.2.a). 77 Vgl. hierzu oben 5. Kapitel, A.II.2.b), c).

268

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

gesichts überraschender Steuernachzahlungen ist bei der Gesamtbereinigung in Steuerstrafsachen kaum zu erwarten. Während bei dem Adhäsionsverfahren das außerstrafrechtliche Sonderrechtsverhältnis (Schadensersatzanspruch) regelmäßig erst durch die Straftat entsteht, ist die Straftat bei der Gesamtbereinigung Folge einer Pflichtverletzung im außerstrafrechtlichen Sonderrechtsverhältnis (Steuerschuldverhältnis). Dem Steuerhinterzieher wird insofern zumindest der grobe Umfang der hinterzogenen und gegebenenfalls nachzuzahlenden Steuern regelmäßig bereits bei Tatbegehung bekannt sein. Schließlich setzt sich, da die materielle Steuerrechtslage zugleich für den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung mitentscheidend ist78, der Betroffene durch eine Verteidigung gegen den Steueranspruch auch keineswegs in Widerspruch zu seiner steuerstrafrechtlichen Verteidigung79. In der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle wird vielmehr gerade auch die steuerstrafrechtliche Verteidigung über materiell-steuerrechtliche Einwendungen geführt werden80. Im Übrigen werden auch mit Blick auf das Adhäsionsverfahren von den geltend gemachten Vorbehalten solche Konstellationen ausgenommen, in denen für den Beschuldigten eine Gesamtbereinigung des Tatgeschehens prozessual nützlich, von ihm gewollt und deshalb das Adhäsionsverfahren auch für ihn vorteilhaft ist, was ausdrücklich auch für Fälle der Höchststrafenabrede angenommen wird81. Dem liegt zugrunde, dass nemo tenetur überhaupt erst bei einer finalen und unmittelbaren Beziehung zwischen staatlicher Zwangsanwendung und selbst belastender Aussage eingreift82. Dem Gedanken der Freiwilligkeit kommt bei der Gesamtbereinigung noch größere Bedeutung zu als beim Adhäsionsverfahren. Während nämlich die Einleitung des Adhäsionsverfahrens auch gegen den Willen des Beschuldigten möglich ist, setzt die Gesamtbereinigung von Besteuerungsund Steuerstrafverfahren immer die Mitwirkung und damit Zustimmung des Betroffenen voraus. Unabhängig davon, ob die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren allgemein oder im Einzelfall das Schweigerecht und die Mitwirkungsfreiheit des Betroffenen im Steuerstrafverfahren überhaupt beeinträchtigten kann, ist eine solche Beeinträchtigung daher jedenfalls nicht die Folge finaler staatlicher Zwangsanwendung. Wiederum anders als das Adhäsionsverfahren lässt die Durchführung einer Gesamtbereinigung auch die rechtliche Eigenständigkeit des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens und die jeweilige Rechtsstellung des Betroffenen unberührt. Der Steuerpflichtige kann sich im Besteuerungsverfahren weiterhin auf § 393 Abs. 1 Satz 2 AO berufen, der den Anforderun78

Vgl. oben 1. Kapitel, B. I. Ähnlich Loos, GA 2006, 195 (205): im Adhäsionsverfahren jedenfalls dann keine Konfliktsituation, wenn die Verteidigung gegen den strafrechtlichen Schuldspruch und gegen den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch – zusammenfallen, z. B. bei Schadensersatzansprüchen gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. StGB. 80 Vgl. Streck, DStJG 18, S. 173 (185). 81 Rieß, Dahs-FS, S. 425 (434); Loos, GA 2006, 195 (199). 82 Vgl. oben 5. Kapitel, B.IV. 79

C. Spezifische Probleme und Grenzen

269

gen von nemo tenetur ausreichend Rechnung trägt83. Alles, was der Steuerpflichtige trotz der Regelung des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO für das Besteuerungsverfahren mitteilt, kann – wegen der Freiwilligkeit der Mitteilung rechtsstaatlich unbedenklich – auch für das Steuerstrafverfahren übernommen werden und umgekehrt84. Die unter dem Aspekt der Aussagefreiheit des Beschuldigten gegen das Adhäsionsverfahren vorgebrachten Bedenken sind daher auf die Gesamtbereinigung nicht übertragbar.

2. Insbesondere Verbot unzulässiger Willensbeeinflussung gemäß § 136a StPO Speziell für die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren wird in der Literatur auch ein Verstoß gegen § 136a StPO in Erwägung gezogen85. § 136a StPO ist in Art. 1 Abs. 1 GG und in Art. 20 Abs. 3 GG verankert, also in Grundsätzen von so hohem Rang, dass sie nach Art. 79 Abs. 3 GG sogar den verfassungsändernden Gesetzgeber binden86. Er ist eine prozessrechtliche Ausformung des Grundrechts auf Achtung der Menschenwürde87, indem er als einfachgesetzliche Regelung die Aussagefreiheit des Beschuldigten vor unzulässiger Einflussnahme schützt, und steht insofern in engem Zusammenhang mit nemo tenetur88. Spezifische Relevanz gerade für die Verknüpfung des Strafverfahrens mit einem außerstrafrechtlichen Verfahren hat § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO. Diese Vorschrift untersagt nicht nur das Drohen mit einer unzulässigen Maßnahme, sondern auch das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils. § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO geht daher über ein reines Zwangsmittelverbot hinaus und hat neben nemo tenetur einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO erfasst allerdings nicht jede Form der unzulässigen Verknüpfung von Straf- und außerstrafrechtlichem Verfahren, sondern schützt nur die Aussagefreiheit des Beschuldigten im Strafverfahren. In der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren als solcher liegt daher nur dann ein Verstoß gegen § 136a StPO, wenn der Betroffene durch die Drohung mit einer nach den Vorschriften des Strafverfahrensrechts unzulässigen Maßnahme oder durch das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils im Besteuerungsverfahren zu einer Aussage im Steuerstrafverfahren veranlasst werden sollte. Tatsächlich wird es sich bei der Gesamtbereinigung typischerweise genau umgekehrt verhalten. Der Betroffene gibt nicht unter dem Druck des Besteuerungsverfahrens 83

Vgl. oben 5. Kapitel, B.IV. Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 11. 85 Joecks, Praxis, S. 198; Streck, StuW 1993, 366 (370); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1735). 86 FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21.08.2002 – 3 K 284/00, wistra 2003, 473 (477). 87 Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136a StPO, Rn 3. 88 Zum Verhältnis von nemo tenetur und § 136a StPO ausführlich Reiter, S. 74 ff. 84

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

steuerstrafverfahrensrechtliche Positionen preis, sondern macht Zugeständnisse im Besteuerungsverfahren, um einen günstigen Ausgang des Steuerstrafverfahrens zu erreichen. Unabhängig davon, ob eine Gesamtbereinigung im Übrigen möglich ist, scheidet daher jedenfalls ein Verstoß gegen § 136a StPO aus. Dies gilt selbst dann, wenn bei der Gesamtbereinigung das von der Steuerfahndungsstelle Bielefeld entwickelte so genannte „Bielefelder Formular“ Verwendung findet89, das die Niederschrift über die tatsächliche Verständigung und das steuerstrafrechtliche Geständnis in einem Vordruck zusammenfasst. Auch wenn die Zustimmung zur tatsächlichen Verständigung und das steuerstrafrechtliche Geständnis vermeintlich „gleichzeitig“, nur durch eine juristische Sekunde getrennt, erklärt werden, liegt ein Verstoß gegen § 136a StPO im Zusammenhang mit der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren nur dann vor, wenn das steuerstrafrechtliche Geständnis durch das Inaussichtstellen unzulässiger bzw. nicht vorgesehener Maßnahmen im Besteuerungsverfahren erwirkt wurde. Dies wird aber vor dem Hintergrund der geschilderten Interessenkonstellation bei Anwendung des „Bielefelder Formulars“ ebenso selten der Fall sein wie bei der Trennung der Niederschrift über die tatsächliche Verständigung vom steuerstrafrechtlichen Geständnis.

3. Zwischenergebnis Die unterschiedliche Rechtsstellung des Betroffenen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren steht der Zulässigkeit einer Gesamtbereinigung regelmäßig nicht entgegen, da die Gesamtbereinigung nicht gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden kann. Die verfassungsrechtlich gebotene strafprozessuale Schutzposition des Betroffenen wird allein durch die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahrens im Rahmen einer Gesamtbereinigung typischerweise nicht entwertet. Es wird weder der Schutzbereich von nemo tenetur noch der sich mit diesem teilweise überschneidende Schutzbereich des § 136a StPO verletzt.

II. Unterschiedliche Zwecke des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens Auch wenn nach dem soeben Gesagten die unterschiedliche Rechtsstellung des Betroffenen einer Gesamtbereinigung nicht entgegensteht, ist ein Austausch „Steuer gegen Strafe“ nur zulässig, wenn und soweit die Zugeständnisse des Betroffenen im Besteuerungsverfahren Zugeständnisse im Steuerstrafverfahren rechtfertigen. Der steuerrechtliche Eingriff kann wiederum den strafrechtlichen Eingriff 89 A.A. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519; Streck, StuW 1993, 366 (370); Schmidt, DStR 1998, 1733 (1735).

C. Spezifische Probleme und Grenzen

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nur dann kompensieren, wenn und soweit beide den gleichen Zwecken dienen. Im Rechtsstaat ist zwar sowohl das Steuerrecht als auch das Strafrecht90 der Gerechtigkeit verpflichtet. „Gerechtigkeit“ manifestiert sich im Steuerrecht und im Strafrecht allerdings in unterschiedlicher Weise.

1. Zweck des Besteuerungsverfahrens Das Steuerverfahren bezweckt (grundsätzlich)91, den Finanzbedarf des Staates zu sichern. Es verfolgt die objektive Realisierung von Steueransprüchen, bei der Schuld und Verantwortung regelmäßig ohne Belang sind92. Das Grundgesetz enthält – anders als die Weimarer Reichsverfassung in Art. 134 – keine ausdrückliche Bestimmung darüber, nach welchen Grundsätzen die Staatsbürger an den öffentlichen Lasten zu beteiligen sind. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass der Gesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden ist, der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt93. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln94. Er ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten95. Die Besteuerungsgleichheit hat sich an der Eigenart des Steuerrechts zu orientieren, dass der Staat ohne individuelle Gegenleistung auf das Vermögen des Einzelnen zugreift. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt daher für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden96. Daraus folgt, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muss97. „Gerechtigkeit“ bedeutet im Steuerrecht daher die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und die Besteuerung nach der 90 BVerfG, Beschl. v. 19.07.1972 – 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367 (383) und v. 08.10.1985 – 2 BvR 1150/80 und 1504/82, BVerfGE 70, 297 (308). 91 Anders bei den so genannten Lenkungsnormen, vgl. Tipke/Lang – Lang, § 3, Rn 10 f. und § 4, Rn 21 f. 92 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (545); Streck, DStJG 6, S. 217 (220). 93 BVerfG, Beschl. v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 (70). 94 BVerfG, Beschl. v. 16.03.2005 – 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (279) und v. 01.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30). 95 BVerfG, Beschl. v. 29.05.1990 – 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60 (86). 96 BVerfG, Urt. v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 ff.) und v. 09.03.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (112), Beschl. v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134) und v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 70, m. w. Nachw. 97 BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 – 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319 (343 f.), Beschl. v. 29.05.1990 – 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60 (86), v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (135) und v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 81; Vogel, NJW 1985, 2986 (2987).

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit98. Diesem Zweck ist das Besteuerungsverfahren verpflichtet.

2. Zweck des Steuerstrafverfahrens Im Strafverfahren werden anerkannte Wert- und Ordnungsvorstellungen mit Hilfe strafrechtlicher Sanktionen durchgesetzt99, wobei Grundlage jeder Sanktion die individuelle Schuld ist (materielles Schuldprinzip)100. Eine Strafandrohung darf nach Art und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein. Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Dieser Grundsatz der Schuldangemessenheit des Strafens hat seinerseits Verfassungsrang. Er folgt aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip101. § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist Ausdruck dieses Prinzips102. § 46 Abs. 2 StGB legt auch die Gesichtspunkte fest, die der Richter bei der Strafzumessung insbesondere in den Blick zu nehmen hat, um die Schuld eines Täters zu bewerten, der sich in einer bestimmten Situation über die strafrechtlichen Ge- oder Verbote hinweggesetzt hat103. Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Rechtsgüterschutzes Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmig geordneten Verfahren durchzusetzen104. Der Gesetzgeber hat es bewusst vermieden, die Strafzwecke gesetzlich zu definieren105. Die wesentliche Rechtfertigung der Strafe ist aber die Herstellung eines Schuldausgleichs unter gleichzeitiger Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Gesichtspunkte106. Das Bundesverfassungsgericht hat Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters und Sühne und Vergeltung für vergangenes Unrecht als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet107. Strafe ist 98

BVerfG, Urt. v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 ff.), Beschl. v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134 f.) und v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259 ff.), Beschl. v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30 ff.); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (544); ausführlich Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 70 ff. und Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 118 ff. (Gesetzmäßigkeit der Besteuerung), 282 ff. (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) und 479 ff. (Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit). 99 Streck, DStJG 6, S. 217 (219). 100 BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 (275); vgl. auch Rönnau, Absprache, S. 140 f. 101 BVerfG, Urt. v. 20.03.2002 – BVerfGE 105, 135 (154), Beschl. v. 03.06.1992 – 2 BvR 1041/88, 78/89, BVerfGE 86, 288 (313), v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 51, 63, 64, 70, 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145 (173) und v. 14.01.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1 (13). 102 BVerfG, Beschl. v. 03.06.1992 – 2 BvR 1041/88, 78/89, BVerfGE 86, 288 (313), und v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94, BVerfGE 95, 96 (140); BGH, Beschl. v. 03.03.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (49). 103 BVerfG, Beschl. v. 03.06.1992 – 2 BvR 1041/88, 78/89, BVerfGE 86, 288 (313). 104 BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 (275). 105 BT-Drs. 5/4094, 4; Fischer, § 46 StGB, Rn 2. 106 Tipke/Lang – Seer, § 23, Rn 4. 107 BVerfG, Urt. v. 21.06.1977 – 1 BVerfGE 45, 187 (253 ff.).

C. Spezifische Probleme und Grenzen

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nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat. Sie ist – neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren – eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten. Mit der Strafe wird ein rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit. Dem Schuldgrundsatz unterliegen auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken108. Das Steuerstrafverfahren ist daher nicht lediglich gleichsam ein „verlängertes Erhebungsverfahren“109, in dem das Tatgericht gleichsam als „Schuldeneintreiber und Vollstreckungsbehörde des Fiskus“110 auftritt. Es ist vielmehr – wie das Strafverfahren überhaupt – ein Individualverfahren, das nach der Schuld und der Verantwortlichkeit fragt111.

3. Zwischenergebnis Aufgrund der unterschiedlichen Zwecke von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren kann der steuerrechtliche Eingriff den strafrechtlichen grundsätzlich nicht kompensieren. Der für die Durchführung einer Gesamtbereinigung fundamentale Grundsatz der Zweckrichtigkeit112 im Verhältnis von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, wie er in formeller Hinsicht in § 393 Abs. 1 Satz 1 AO geregelt ist, hat insofern auch eine materiell-rechtliche Dimension, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergibt. Einfachgesetzlich verdeutlicht insbesondere der Umkehrschluss aus § 371 AO, dass die Steuernachzahlung allein ein Absehen von Strafe nicht rechtfertigt113. Daher verbietet sich bei der Gesamtbereinigung von Rechts wegen das Abstellen auf die sich für den Betroffenen ergebende „Gesamtbelastung“, trotz deren erheblicher tatsächlicher Bedeutung für den Betroffenen. Der Austausch „Steuer gegen Strafe“ ist nicht unbeschränkt möglich, sondern nur unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zwecke beider Verfahren. Die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren darf weder zu einer schuldunangemessen geringen Strafe noch zu einer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Besteuerung führen. Die strafmildernde Berücksichtigung einer tatsächlichen Verständigung und von Steuernachzahlungen darf daher zum 108 BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94, BVerfGE 95, 96 (140) und v. 14.01.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1 (13 f.), m. w. Nachw. 109 Vgl. Wenzel, S. 12; missverständlich insofern Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (493): „im Kern identische Verfahrenszwecke“ des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens, „die auf die Sicherung des staatlichen Anspruchs auf das vollständige Steueraufkommen gerichtet sind.“ 110 Schöch, NJW 2004, 3462 (3464). 111 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (545); Streck, DStJG 6, S. 217 (220); vgl. auch Vogel, NJW 1985, 2986 (2990). 112 Vgl. 5. Kapitel, A.II.2.a). 113 Vgl. bereits oben 5. Kapitel, C. I.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

einen nur so weit reichen, wie dies in den Strafgesetzen, insbesondere in § 46 StGB und in § 153a StPO, ausdrücklich vorgesehen ist. Zum anderen darf die festzusetzende Steuernachzahlung die tatsächliche Steuerschuld nicht übersteigen, dem Betroffenen darf weder ein besonderer „Zuschlag“ für die vergleichsweise vorteilhafte Erledigung des Steuerstrafverfahrens abverlangt werden114 noch kann der Betroffene dadurch, dass er über die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern hinaus besondere „Zuschläge“ hinnimmt, eine zusätzliche Strafmilderung erlangen. Dem steht der abschließende Charakter der Steuergesetze und das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung entgegen115. Ein durch die Strafgesetze nicht gerechtfertigtes Entgegenkommen der staatlichen Stellen im Steuerstrafverfahren und eine durch die Steuergesetze nicht gerechtfertigte Inanspruchnahme des Betroffenen im Besteuerungsverfahren gleichen sich nicht etwa gegenseitig aus, ein solcher „Ablasshandel“116 begründet vielmehr doppeltes Unrecht, indem sowohl gegen den Grundsatz der Schuldangemessenheit der Strafe als auch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verstoßen wird.

III. Verfahrensgarantien und Rechtsverwirklichung Wenn bei der Gesamtbereinigung die Erledigung des Besteuerungsverfahrens Grundlage für die Erledigung des Steuerstrafverfahrens ist, sei es als Auflage im Rahmen des § 153a StPO, sei es als Strafmilderungsgrund im Rahmen des § 46 StGB, bedeutet dies, dass die eine Verständigung (im Steuerstrafverfahren) auf der anderen (im Besteuerungsverfahren) aufbaut und die letztere bereits im Hinblick auf die erstere getätigt wird. Die Gestaltung von Verfahren und „formaler“ Organisation entscheidet zugleich über Sachfragen mit117. Dies betrifft die Sachverhaltsermittlung ebenso wie die Entscheidungsfindung. Dem Besteuerungsverfahren wird ebenso wie dem Steuerstrafverfahren nie die materielle, sondern die im Verfahren und unter den Bedingungen des Verfahrens festgestellte, also die formelle Wahrheit zugrunde gelegt118. Entscheidungen, die gemeinschaftlich gefällt werden und bei denen die Beteiligten unterschiedliche Präferenzen haben, fallen anders aus als solche, die von einem Entscheider allein getroffen werden119.

114 Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (513); Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (550 f.); Matthes, EFG 2009, 1808 (1810); vgl. aber Füllsack, S. 157 f. 115 Vgl. Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 74; ähnlich Karlsruher Kommentar – Schoreit, § 153a StPO, Rn 16 (Schadenswiedergutmachung gemäß § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO nur, soweit tatsächlich ein Schadensersatzanspruch besteht) und Rn 19 (Zahlungen an die Staatskasse gemäß § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO nur für Zwecke der Strafverfolgung, nicht im Fiskalinteresse). 116 Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (549). 117 Rupp, Bachof-FS, S. 151 (163); Schultze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (664). 118 Eckhoff, StuW 1996, 107 (120). 119 Müller-Franken, S. 208; Brohm, NVwZ 1991, 1025 (1032); vgl. zur tatsächlichen Verständigung Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 163.

C. Spezifische Probleme und Grenzen

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Gleichzeitig ist im Besteuerungsverfahren und im Steuerstrafverfahren die Legitimationswirkung des Konsenses eng begrenzt. Dieser Umstand und sie sich daraus ergebenden Vorbehalte gegen konsensuale Erledigungsformen stehen zwar, wie bereits gesehen, isolierten Verständigungen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren nicht entgegen. Bei einer Gesamtbereinigung stellt sich angesichts des Zusammentreffens zweier Verständigungen die Frage nach „Verfahrensgarantien und Rechtsverwirklichung“120 aber in besonderem Maße.

1. Kumulation materieller „Unrichtigkeiten“ Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Einschränkung der mit dem herkömmlichen Strafverfahren verbundenen besondere Richtigkeitsgewähr durch Höchststrafenabreden ebenso hingenommen121 wie die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durch die Anerkennung von tatsächlichen Verständigungen, die nicht zu „offensichtlich unzutreffenden“ Ergebnissen führen122, implizit „schlicht unzutreffende“ Ergebnisse hinnimmt. Das Strafbefehlsverfahren ist als summarisches Verfahren ebenfalls strukturell mit Erkenntnisdefiziten behaftet123. Die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO setzt zwar die vollständige Ermittlung des Sachverhalts voraus124, beinhaltet jedoch eine Abweichung vom Legalitätsgrundsatz des § 152 Abs. 2 StPO zu Gunsten von Opportunitätserwägungen. Sowohl die konsensuale Erledigung des Besteuerungsverfahrens als auch die konsensuale Erledigung des Steuerstrafverfahrens führt daher im Ergebnis bei streng am Legalitätsgrundsatz orientierter Betrachtung zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem „unrichtigen“ Ergebnis in dem Sinn, dass seine „Legitimation durch Verfahren“125 beschränkt ist, weil entweder der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt wird oder aber an den zwar vollständig aufgeklärten Sachverhalt nicht die regelmäßig vorgesehene Rechtsfolge anknüpft. Dies ist allerdings bei isolierter Betrachtung des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens entweder – im Fall des § 153a StPO und bei der Durchführung des Strafbefehlsverfahrens – gesetzlich ausdrücklich legitimiert oder – bei der Höchststrafenabrede und der tatsächlichen Verständigung – als rechtsstaatlich tragbarer Kompromiss angesichts widerstreitender Sachzwänge gerechtfertigt126 und insofern hinzunehmen. Wenn die für sich genommen in dem genannten Sinn „unrichtige“ tatsächliche Verständigung im Rahmen des § 153a StPO bzw. des § 46 StGB berücksichtigt und damit Grundlage einer ebenfalls in diesem Sinne „unrichtigen“ konsensualen Erledigung des Steuerstrafverfahrens wird, könnte es zu einer „Doppelprivilegierung“ des Betroffenen 120 121 122 123 124 125 126

So Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (520). Vgl. oben 2. Kapitel, B. Vgl. oben 4. Kapitel, C.III. Vgl. oben 3. Kapitel, B.II. BT-Drs. 7/550, 298; Beulke/Fahl, NStZ 2001, 426 (428). Rupp, Bachof-FS, S. 151 (165). Vgl. oben 4. Kapitel, B.IV.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

dadurch kommen, dass die für sich genommen für ihn bereits vorteilhafte Erledigung des Besteuerungsverfahrens im Steuerstrafverfahren nochmals zu seinen Gunsten berücksichtigt wird. § 153a StPO und § 46 StGB stehen einer Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung insofern nicht entgegen, als beide Vorschriften keine vollständige Schadenswiedergutmachung voraussetzen127. Es ist lediglich bei der Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO zu berücksichtigen, dass die erteilte Auflage nach Art und Umfang geeignet sein muss, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und bei der Erledigung im Strafbefehlsweg oder im Wege der Höchststrafenabrede, dass die strafmildernde Wirkung der Schadenswiedergutmachung umso geringer ausfällt, je mehr die Wiedergutmachung hinter dem tatsächlich entstandenen Schaden zurück bleibt. Wegen der unterschiedlichen Beweismaßstäbe im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren wird allerdings das sich aus der tatsächlichen Verständigung ergebende Nachzahlungsvolumen das strafrechtlich festgestellte Hinterziehungsvolumen regelmäßig nicht nur erreichen, sondern übersteigen. Auch wenn die tatsächliche Verständigung steuerrechtlich nur eine Annäherung an den wahren Sachverhalt darstellt und diesen möglicherweise zu Gunsten des Betroffenen verfehlt, muss dann strafrechtlich davon ausgegangen werden, dass eine vollständige Schadenswiedergutmachung erfolgt ist. Eine strafzumessungsrechtliche Doppelprivilegierung liegt darin nicht. Eine rechtlich bedenkliche Doppelprivilegierung lässt sich auch nicht aus dem Vergleich der „Gesamtbelastung“ des Betroffenen infolge der kooperativen Gesamtbereinigung und der fiktiven „Gesamtbelastung“ bei Erledigung beider Verfahren auf herkömmlichem Wege – ohne Verständigung – herleiten. Verfahrensrechtlich lässt die Gesamtbereinigung die rechtliche Eigenständigkeit von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren und die Unterschiede in den jeweiligen Verfahrensordnungen unberührt. Eine allgemeine Wechselbezüglichkeit beider Verfahren, nach der sich Feststellungen und Entwicklungen im Besteuerungsverfahren auch im Steuerstrafverfahren in bestimmter Weise auswirken müssen und umgekehrt, wird nicht begründet. Feststellungen und Entwicklungen im Besteuerungsverfahren sind im Steuerstrafverfahren vielmehr auch bei Durchführung einer Gesamtbereinigung ausschließlich nach Maßgabe der dortigen Vorschriften zu berücksichtigen und umgekehrt. Bereits insofern ist die Überlegung, es müsse bei Durchführung einer Gesamtbereinigung eine bestimmte „Gesamtbelastung“ des Betroffenen gewahrt bzw. dürfe eine bestimmte „Gesamtbelastung“ nicht überschritten werden, nicht zutreffend. Auch in der Sache ist, wie bereits ausgeführt, wegen der unterschiedlichen Zwecke von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren die vom Betroffenen als Ergebnis der Gesamtbereinigung wahrgenommene „Gesamtbelastung“ rechtlich unbeachtlich128. Solange das Besteuerungs- und das 127

Vgl. zur Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung bei der Strafzumessung bereits oben 5. Kapitel, C.II.2. 128 Vgl. oben II.

C. Spezifische Probleme und Grenzen

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Steuerstrafverfahren jeweils für sich genommen einem nach dem jeweils maßgeblichen Recht zutreffenden Ergebnis zugeführt werden, ist dies daher auch dann hinzunehmen, wenn diese Ergebnisse jeweils auf Verständigungen beruhen und daher „Unrichtigkeiten“ im oben beschriebenen Sinn aufweisen.

2. Ausschluss von Kontrollmechanismen Wie bereits gesehen, liegt es im Wesen von Verständigungen und Absprachen sowohl im Besteuerungs- als auch im Steuerstrafverfahren, sich einer (ober-)gerichtlichen Kontrolle zu entziehen129. Es besteht insofern kein Unterschied zwischen rein informellen und formalisierten, offen gelegten Verständigungen und Absprachen, da auch bei letzteren eine objektive (ober-)gerichtliche Kontrolle nur auf Antrag der Beteiligten möglich ist. Dennoch besteht bei der Höchststrafenabrede und der tatsächlichen Verständigung zumindest theoretisch die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung, in eingeschränktem Umfang auch bei einem Strafbefehl. Die gerichtliche Überprüfung einer Gesamtbereinigung als solcher ist demgegenüber schlechthin ausgeschlossen, da im Besteuerungsverfahren und im Steuerstrafverfahren unterschiedliche Rechtswege eröffnet sind und die Beteiligten die Entscheidungen in beiden Verfahren nur isoliert anfechten können. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es über die im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren zur Verfügung stehenden Kontrollmechanismen hinaus überhaupt besonderer Kontrollmechanismen für die Gesamtbereinigung bedarf. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es bei der Gesamtbereinigung im Ergebnis zu Fehlern kommen könnte, die sich weder im Ergebnis des Besteuerungs- noch im Ergebnis des Steuerstrafverfahrens niederschlagen, sondern erst aus dem Zusammenwirken beider Ergebnisse resultieren. Dies ist nach dem oben Gesagten aber ausgeschlossen, ein objektiv-rechtlicher Fehler und damit auch eine eventuelle subjektiv-rechtliche Rechtsverletzung des Betroffenen kann sich entweder aus dem Besteuerungs- oder aus dem Steuerstrafverfahren ergeben. Es besteht damit kein Bedürfnis nach besonderen Kontrollmechanismen. Wenn das Steuerstrafverfahren zweckwidrig instrumentalisiert wurde und die Veranlagungsstelle und die Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. die Staatsanwaltschaft zusammengewirkt haben, um nach damaligem Erkenntnisstand unhaltbare Steueransprüche durchzusetzen, ist der Betroffene durch die Rechtsbehelfe des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens ausreichend geschützt. Die durch Ausübung unzulässigen Drucks erwirkte tatsächliche Verständigung bzw. der auf ihrer Grundlage ergangene Steuerbescheid kann im Besteuerungsverfahren angefochten werden, die schuldunangemessen harte Bestrafung des sich einer Gesamtbereinigung verweigernden Betroffenen130 im Steuerstrafverfahren. Ebenfalls im Steuerstrafverfahren sind 129

Vgl. für das Steuerstrafverfahren 2. Kapitel, A.II.2.b), für das Besteuerungsverfahren 4. Kapitel, C. I.3.c). 130 Vgl. Franzen/Gast/Joecks – Randt, § 404 AO, Rn 101c.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

gegebenenfalls – durch die Staatsanwaltschaft – schuldunangemessen niedrige Strafen anzufechten, die aufgrund einer Höchststrafenabrede im Rahmen der Gesamtbereinigung ausgesprochen wurden. Das Fehlen besonderer Kontrollmechanismen steht der Zulässigkeit einer Gesamtbereinigung daher nicht entgegen. 3. Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit Vorbehalte gegen Verständigungen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren bestehen auch im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit. Die Besteuerungsgleichheit hat als Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung131. Auch wenn Gleichheit bei der Durchsetzung nur das Ergebnis und nicht die Mittel der Steuerhebung im Blick hat, ist wegen der materiell-rechtlichen Dimension der Verfahrensgestaltung die Frage nach dem Zugang zur tatsächlichen Verständigung unter dem Aspekt der Besteuerungsgleichheit von erheblicher Bedeutung. Der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit wird in Frage gestellt, wenn in „Fällen, denen keine wesentliche Bedeutung zukommt“ von einer förmlichen tatsächlichen Verständigung abgesehen werden soll132 bzw. der Anwendungsbereich der tatsächlichen Verständigung auf „besonders schwierig gelagerte Fälle“133 beschränkt wird134. Auch im Strafrecht lässt der Gleichheitssatz es grundsätzlich nicht zu, dass das Gericht in freier Autonomie darüber befindet, ob es den Angeklagten auf das schlichte strafmildernde Geständnis verweist oder ob es sich auf die „Wohltat des Deals“ einlässt135. Zur gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung von Verständigungen im Besteuerungsverfahren wird dagegen angeführt, unter den Umständen der Massenverwaltung gebiete der Gleichheitssatz sogar die Ausrichtung des Einzelvollzugs an der praktischen Realisierbarkeit des Gesamtvollzugs136. In ähnlicher Weise wird für das Strafverfahren mit der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ argumentiert137. Es liegt dann in der Natur der Sache, 131 BVerfG, Urt. v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 ff.) und v. 09.03.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (112); Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 70, m. w. Nachw.; Isensee, StuW 1994, 3 (7 f.); Seer, DStJG 30, 7 (10 f.). 132 BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002, 2008/0411043, BStBl. I 2008, 831, unter 5.; OFD München, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 6 St 312 und OFD Nürnberg, Vfg. v. 17.07.2003 – S 0223 – 20 St 24, DStR 2003, 1663, unter 4. 133 Greite, NWB Fach 2, 8405 (8416). 134 Müller-Franken, S. 216 f.; ähnlich Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 78 AO, Rn 163; Isensee, StuW 1994, 3 (12); Eckhoff, StuW 1996, 107 (1219; Felix, KÖSDI 1996, 10524. 135 Altenhain/Hagemeier/Haimerl, NStZ 2007, 71 (72); Nehm, StV 2007, 549 (550). 136 Englisch, S. 20 f.: ähnlich Tipke/Lang – Lang, § 4, Rn 162; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 190 ff.; Meyding/Bühler, DStR 1991, 488 (493); a.A. Lambrecht, DStJG 12, S. 79 (103 ff.). 137 BGH, Beschl. v. 03.03. 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40 (53 f.), Urt. v. 02.12.2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 94; Seer, Kohlmann-FS, S. 535 (551 f.); Landau, NStZ 2007, 121 (129); Kuckein/Pfister, BGH-FS, S. 641 (643 f.); Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 (290); Gallandi, NStZ 1987, 420; a.A. Rönnau, Absprache, S. 216.

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dass ausschließlich besonders schwierige und daher arbeitsintensive Fälle konsensual erledigt werden, da in einfachen Routinefällen einseitig-hoheitliches Handeln eine effizientere und gleichmäßigere Aufgabenerfüllung gewährleistet138. Wenn man aus den zuletzt genannten Erwägungen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung isolierte Verständigungen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren gleichheitsrechtlich für zulässig hält, können sich Vorbehalte gegen eine Gesamtbereinigung auch gleichheitsrechtlich grundsätzlich nur aus dem Zusammentreffen zweier Verständigungen ergeben. Wegen der Unabhängigkeit von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren und der Verschiedenheit des steuerrechtlichen und des strafrechtlichen Eingriffs ist es allerdings auch hier ausgeschlossen, auf eine „Gesamtbelastung“ bzw. „Gesamtbegünstigung“ abzustellen. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten kann sich allerdings ein Problem ergeben, wenn ein Fall der „erschwerten Sachverhaltsermittlung“ im Besteuerungsverfahren nur deswegen vorliegt, weil der Betroffene nach Entdeckung der Steuerhinterziehung seine fortbestehenden Mitwirkungspflichten verletzt, wie dies häufig der Fall sein wird. Käme der Betroffene seinen steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten nach, könnten seine Angaben gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO und im Umkehrschluss aus § 393 Abs. 2 Satz 1 AO den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt und im Steuerstrafverfahren verwendet werden139. Im Besteuerungsverfahren stehen nicht Schuld und Verantwortung, sondern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im Vordergrund. Daher muss die Tatsache, dass die „erschwerte Sachverhaltsermittlung“ auf eine Mitwirkungspflichtverletzung zurückzuführen ist, einer tatsächlichen Verständigung nicht grundsätzlich im Wege stehen. Für das Steuerstrafverfahren, in dem es gerade um Schuld und Verantwortung geht, stellt sich aber die Frage, ob der Steuerhinterzieher, der seine steuerlichen Mitwirkungspflichten hartnäckig weiter verletzt, in den Genuss der „Wohltat des Deals“ kommen und damit besser gestellt werden darf als der Steuerhinterzieher, der seinen steuerlichen Mitwirkungspflichten letztendlich doch nachkommt, und sich damit seiner Verteidigungsmöglichkeiten begibt, was den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung angeht. Es würden dann der pflichtgemäß handelnde und der pflichtwidrig unterlassende Betroffene nicht nur gleich, sondern darüber hinaus der pflichtwidrig unterlassende sogar besser behandelt. Wenn das Zustandekommen einer Höchststrafenabrede von der Erfüllung der Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren abhängig gemacht wird, könnte hierin jedoch ein Verstoß gegen den Grundsatz nemo tenetur140 liegen. Die Höchststrafenabrede setzt zwar regelmäßig ein Geständnis und damit strafrechtliche Selbstbelastung voraus, so dass – wenn man Höchststrafenabreden grundsätzlich für zulässig hält – nicht bereits deswegen eine Verletzung von nemo tenetur 138 139 140

Schultze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (663); Eckhoff, StuW 1996, 107 (121). Tormöhlen, Korn-FS, S. 779 (782). Vgl. zu nemo tenetur oben 5. Kapitel, B.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

gegeben sein kann, weil als Voraussetzung der Höchststrafenabrede selbstbelastende Angaben außerhalb des Strafverfahrens verlangt werden. Aus dem Grundsatz nemo tenetur folgt aber, dass nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens die steuerlichen Mitwirkungspflichten für die betroffenen Zeiträume nicht mehr strafbewehrt sind. Wenn man von einer materiell-rechtlichen Dimension der Verfahrensgestaltung ausgeht, darf die Verletzung der steuerlichen Mitwirkungspflichten im Steuerstrafverfahren dann auch nicht verfahrensrechtlich sanktioniert werden. Eine Mitwirkungspflichtverletzung kann und muss ausschließlich im Besteuerungsverfahren durch eine Schätzung am oberen Rand des Schätzungsrahmens141 bzw. eine entsprechende tatsächliche Verständigung berücksichtigt werden. Unter diesen Voraussetzungen steht auch der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit einer Gesamtbereinigung nicht entgegen.

4. Zwischenergebnis Auch der Zusammenhang von Verfahrensgarantien und Rechtsverwirklichung, die materiell-rechtliche Dimension der Verfahrengestaltung, schließt die Durchführung einer Gesamtbereinigung durch Kombination einer strafprozessualen Verständigung und einer tatsächlichen Verständigung nicht zwingend aus. Wegen der Eigenständigkeit und der unterschiedlichen Zwecke von Besteuerungsund Steuerstrafverfahren begründet das Zusammentreffen beider Verständigungen trotz der gegen Verständigungen erhobenen Vorbehalte keine rechtlich beachtliche „Kumulation von Unrichtigkeiten“. Auch eines besonderen Kontrollmechanismus’ für Verständigungen bedarf es nicht. Soweit die Durchführung einer Gesamtbereinigung überhaupt erst auf eine Mitwirkungspflichtverletzung des Betroffenen im Besteuerungsverfahren zurückzuführen ist, ist dies gegebenenfalls im Rahmen der tatsächlichen Verständigung zu berücksichtigen, stellt aber die Zulässigkeit der Gesamtbereinigung nicht grundsätzlich in Frage.

IV. Unterschiedliche Verjährungsfristen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren Ein besonderes Problem ergibt sich auch aus den unterschiedlichen Verjährungsfristen im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren. Im Besteuerungsverfahren beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO die Festsetzungsfrist außer für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen regelmäßig vier Jahre, gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dabei sind an die Feststellung einer 141

Vgl. BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 39, Tipke/Kruse – Seer, § 162 AO, Rn 80, jeweils m. w. Nachw.; einschränkend Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 57 ff.

C. Spezifische Probleme und Grenzen

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Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren nach Grund142 und Höhe143 besondere Anforderungen geknüpft. Die Verfolgungsverjährung im Steuerstrafverfahren tritt hingegen gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB grundsätzlich nach fünf Jahren ein, lediglich bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 AO144 gilt nunmehr gemäß § 376 AO in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 eine an das Steuerrecht angeglichene besondere Verjährungsfrist von zehn Jahren145. Für die Gesamtbereinigung sind daher bis zu drei unterschiedliche Zeitabschnitte zu berücksichtigen: der steuerstrafrechtlich noch nicht verjährte („strafbefangene“) Zeitraum, für den die regelmäßige steuerrechtliche Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist, der strafbefangene Zeitraum, für den bereits die regelmäßige Festsetzungsfrist abgelaufen ist und der zwar steuerstrafrechtlich bereits verjährte Zeitraum, für den allerdings steuerrechtlich die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren eingreift.

1. Grundsätze der Zweckrichtigkeit und der Aussagefreiheit im Steuerstrafverfahren Im Sinne einer echten Gesamtbereinigung liegt es nahe, auch die Steuernachzahlungen für die nicht strafbefangenen Veranlagungszeiträume in eine strafprozessuale Verständigung mit einzubeziehen146. In der Literatur wird demgegenüber aus dem Gebot der Zweckrichtigkeit im Verhältnis von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren147 das Verbot, die Nachzahlung von Steuern für nicht strafbefangene Zeiträume mit Hilfe des Steuerstrafverfahrens durchzusetzen, abgeleitet148. Dies ist allerdings insofern inkonsequent, als unter dem Aspekt der Zweckrichtigkeit jede Instrumentalisierung des Steuerstrafverfahrens für Zwecke des Besteuerungsverfahrens abzulehnen ist, ein Grund für eine Differenzierung nach strafbefangenen und nicht strafbefangenen Zeiträumen ist nicht ersichtlich. Vor allem steht das Gebot der Zweckrichtigkeit einer Berücksichtigung einer tatsächlichen Verständigung und von Steuernachzahlungen im Steuerstrafverfahren nach Maßgabe von § 46 Abs. 2 StGB und § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO nicht ent142

Vgl. oben 3. Kapitel, A.IV.2.b)bb). Vgl. oben 5. Kapitel, B.IV. 144 Vgl. hierzu insbesondere, BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (81 ff., 87). 145 Demgegenüber sah der Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2009 die von den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen abweichende zehnjährige Verjährungsfrist als steuerstrafrechtliche Sonderregelung für alle Fälle der Steuerhinterziehung vor, vgl. die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (7. Ausschuss), BT-Drs. 16/11055, S. 144; krit. zu der Neuregelung Pelz, NJW 2009, 470 (471 f.) und Wulf, DStR 2009, 459 (463), zum Hintergrund der Neuregelung Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 452. 146 Randt, Steuerfahndungsfall, Rn B 11; für zulässig gehalten auch von Franzen/Gast/ Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 240. 147 Vgl. hierzu 5. Kapitel, A.II.2.a). 148 Hagemeier, NWB Fach 13, 3733 (3736). 143

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

gegen149. Ob die Steueransprüche für nicht strafbefangene Veranlagungszeiträume bzw. eine damit zusammenhängende tatsächliche Verständigung Gegenstand einer Höchststrafenabrede sein können, bestimmt sich daher ausschließlich nach den Regelungen des Strafprozess- und des materiellen Strafrechts. Diesbezüglich gilt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine unzulässige Absprache vorliegt, wenn das dem Angeklagten angesonnene Verhalten ersichtlich vordergründig einem Zweck dient, der mit der angeklagten Tat und dem Gang der Hauptverhandlung in keinem inneren Zusammenhang steht. Dies wurde in einem Fall bejaht, in dem die (fehlgeschlagene) Höchststrafenabrede der Durchsetzung des gegen den Angeklagten wegen einer verfahrensfremden Tat bestehenden Haftungsanspruchs des Fiskus (§§ 71, 191, 219 AO) gedient hätte150. Nach der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung auf Ausnahmefälle151 stellt auch die über Jahre hinweg wiederholt begangene Steuerhinterziehung regelmäßig hinsichtlich jeder Steuerart und jedes Veranlagungszeitraums eine selbständige Tat dar152. Demnach dürften im Steuerstrafverfahren die Steueransprüche wegen der Steuerhinterziehung in nicht strafbefangenen Veranlagungszeiträumen bzw. eine damit zusammenhängende tatsächliche Verständigung nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

2. Berücksichtigung nicht strafbefangener Veranlagungszeiträume bei der Strafzumessung Andererseits hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch verjährte Taten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen, soweit das Gericht diesbezügliche Feststellungen getroffen hat, allerdings nicht mit demselben Gewicht wie eine den Schuldspruch tragende Tat153. Insofern führt die „Verlagerung“ hinterzogener Teilbeträge in nicht strafbefangene Zeiträume im Wege der tatsächlichen Verständigung154 noch nicht dazu, dass diese Teilbeträge für die Strafzumessung gänzlich außer Betracht bleiben. Gleichwohl fallen dementsprechend höhere Hinterziehungszinsen an und kann eine zum Zwecke einer solchen Verlagerung 149

Vgl. oben II.3. BGH, Urt. v. 19.02.2004 – 4 StR 371/03, BGHSt 49, 84 (88 ff.); zust. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519; Schöch, NJW 2004, 3462 (3464). 151 BGH, Beschl. v. 03.05.1994 – GSSt 2/93, BGHSt 40, 138. 152 Nach Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 308 soll allerdings im Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuer-Jahreserklärung noch eine fortgesetzte Handlung möglich sein. 153 BGH, Beschl. v. 25.10.1995 – 2 StR 433/95 – BGHSt 41, 305 (310) und v. 24.11.2000 – 3 StR 481/00. 154 Salditt, StuW 1998, 283; eine tatsächliche Verständigung, die auf eine „Verlagerung“ von Erträgen oder Umsätzen abzielt, dürfte wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung regelmäßig unwirksam sein, vgl. FG München, Beschl. v. 22.05.2009 – 15 V 182/09, EFG 2009, 1807 (1808). 150

C. Spezifische Probleme und Grenzen

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bewusst unrichtig getroffene tatsächliche Verständigung bezogen auf den strafbefangenen Zeitraum den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen155. Wenn verjährte Taten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden können, stellt sich aber vor allem die Frage, ob nicht auch die Schadenswiedergutmachung bezüglich verjährter Taten bei der Strafzumessung und dementsprechend auch bei einer strafprozessualen Verständigung zu berücksichtigen ist.

3. Folgerungen Nach dem soeben Gesagten schließt das Verbot strafprozessualer Absprachen, bei denen das dem Angeklagten angesonnene Verhalten ersichtlich vordergründig einem Zweck dient, der mit der angeklagten Tat und dem Gang der Hauptverhandlung in keinem inneren Zusammenhang steht, die Berücksichtigung der Steueransprüche aus nicht strafbefangenen Veranlagunszeiträumen bzw. von damit zusammenhängenden tatsächlichen Verständigungen im Rahmen einer Höchststrafenabrede nicht generell aus. Soweit strafrechtlich verjährte Steuerhinterziehungen zumindest in die Strafzumessung einfließen sollen und hierzu entsprechende Feststellungen getroffen werden, besteht auch für die entsprechenden Steueransprüche bzw. tatsächlichen Verständigungen ein innerer Zusammenhang mit dem Gang der Hauptverhandlung. Diese können daher Gegenstand einer Höchststrafenabrede sein. Die Wiedergutmachung des durch die strafrechtlich verjährten Taten verursachten Schadens ist dann bei der Strafzumessung und damit auch bei der Höchststrafenabrede auch bereits deswegen zwingend zu berücksichtigen, weil ansonsten ihr Unrechts- und Schuldgehalt nicht zutreffend erfasst wäre. Unzulässig ist allein die isolierte Berücksichtigung von Steueransprüchen aus strafrechtlich verjährten Veranlagungszeiträumen bzw. damit zusammenhängenden tatsächlichen Verständigungen, ohne dass die diesbezüglichen Steuerhinterziehungen auch strafrechtlich gewürdigt werden.

V. Zwischenergebnis Die unterschiedliche Rechtsstellung des Betroffenen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren begründet richtigerweise keine Einwände gegen die Durchführung einer Gesamtbereinigung. Auch die unterschiedlichen Verfahrenszwecke stehen einer Gesamtbereinigung nicht entgegen, wenn die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren weder zu einer schuldunangemessen geringen Strafe noch zu einer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Besteuerung führen. Die Erledigung des Besteuerungsverfahrens darf daher im Steuerstrafverfahren nur nach Maßgabe von § 46 Abs. 2 StGB und § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO berücksichtigt werden, die festzusetzende Steuernachzahlung 155

Vgl. oben 5. Kapitel, E.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

darf die tatsächliche Steuerschuld nicht übersteigen. Aus den Besonderheiten, die bereits mit isolierten Verständigungen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren verbunden sind, ergeben sich gegen die Durchführung einer Gesamtbereinigung keine grundsätzlichen Vorbehalte, es ist allerdings darauf zu achten, dass der Abschluss des Besteuerungsverfahren eventuellen Mitwirkungspflichtverletzungen des Betroffenen Rechnung tragen muss. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren gilt, dass die steuerlichen Aspekte nicht mehr strafbefangener Steuerhinterziehungen in eine Gesamtbereinigung nur einbezogen werden können, wenn die Steuerhinterziehungen steuerstrafrechtlich in der Strafzumessung bzw. im Fall der Einstellung gemäß § 153a StPO bei der Entscheidung über die Schwere der Schuld berücksichtigt werden sollen und entsprechende strafrechtlich verwertbare Feststellungen getroffen werden konnten.

D. Sonderformen der Gesamtbereinigung D. Sonderformen

Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf eine Gesamtbereinigung nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens, bei der sowohl das Steuerstrafverfahren durch eine Höchststrafenabrede, einen konsensualen Strafbefehl oder durch Einstellung gemäß § 153a StPO als auch das Besteuerungsverfahren durch eine förmliche tatsächliche Verständigung erledigt werden. In der Literatur werden allerdings auch andere Möglichkeiten diskutiert, um in Steuerhinterziehungsfällen zu einer kooperativen Gesamtbereinigung zu kommen.

I. Gesamtbereinigung auf Grundlage der strafgerichtlichen Feststellungen Wenn und soweit die strafgerichtlichen Feststellungen dem Besteuerungsverfahren zugrunde gelegt werden können, kann eine kooperative Gesamtbereinigung auch dergestalt erfolgen, dass nach einer Höchststrafenabrede oder nach einem konsensualen Strafbefehl im Steuerstrafverfahren die dort getroffenen Feststellungen im vorab hergestellten Einvernehmen aller Beteiligten auch dem Besteuerungsverfahren zugrunde gelegt werden156. Der damit verbundene Verzicht auf eine förmliche tatsächliche Verständigung legt zwar eine nicht unerhebliche Verfahrensvereinfachung nahe. Insbesondere dann, wenn die Feststellungen des Steuerstrafverfahrens nicht auf einem Geständnis oder Teilgeständnis des Betroffenen beruhen, verzichtet die Finanzbehörde durch ein solches Vorgehen aber zugleich auf weitere Erkenntnismöglichkeiten. Wenn andererseits die Feststellungen im Steuerstrafverfahren auf einem Geständnis oder Teilgeständnis des Betroffenen beruhen, spricht nichts dagegen, diesen 156

Eich, S. 133; Dannecker, Schmitt Glaeser-FS, S. 371 (386, 390).

D. Sonderformen

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Angaben das gleiche Vertrauen entgegen zu bringen wie Angaben im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung. Im Ergebnis unterliegt der Betroffene, soweit er sich im Steuerstrafverfahren unter Verzicht auf sein Aussageverweigerungsrecht zu den Besteuerungsgrundlagen äußert, ebenso der Wahrheitspflicht wie bei Angaben im Besteuerungsverfahren und kann sich durch unrichtige oder unvollständige Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar machen. In der Literatur wird zwar geltend gemacht, gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO richte sich die Rechtsstellung des Betroffenen im Steuerstrafverfahren ausschließlich nach dem Strafprozessrecht; da er im Strafverfahren grundsätzlich nicht zur Wahrheit verpflichtet sei, dürfe die Möglichkeit der Verwertung seiner zur Verteidigung angebrachten Einlassung seine strafprozessuale Rechtsstellung nicht aushöhlen157. Wenn das StGB in den §§ 153 ff. StGB die falsche Einlassung des Angeklagten nicht unter Strafe stelle und auch die Strafvereitelung zum eigenen Vorteil straflos sei (§ 258 Abs. 1, 5 StGB), dürfe nicht über § 370 AO für den Beschuldigten ein Wahrheitsgebot geschaffen werden158. Auch wenn der Beschuldigte nach dem Strafprozessrecht keiner Wahrheitspflicht unterliegt, beinhaltet seine strafprozessuale Rechtsstellung aber gleichwohl kein „Recht zur Lüge“159. Nemo tenetur berechtigt, wie bereits gesehen160, nur zum Schweigen, nicht zur Begehung neuen Unrechts, so dass eine weitere Falscherklärung zur Verdeckung vorangegangener Steuerhinterziehungen nicht mehr von der Selbstbezichtigungsfreiheit gedeckt ist. Die Beschuldigtenstellung befreit den Beschuldigten daher, soweit er von seinem Aussageverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht, nicht von einer anderweitig begründeten Wahrheitspflicht161. Da die §§ 153 ff., 258 StGB einerseits, § 370 AO andererseits unterschiedliche Rechtsgüter schützen162, liegt auch kein Widerspruch darin, dass ein Verhalten, das unter dem Gesichtspunkt der §§ 153 ff., 258 StGB nicht strafbar ist bzw. nicht bestraft wird, gleichwohl unter dem Gesichtspunkt des § 370 AO bestraft wird. Es ist daher vom Bundesgerichtshof zu Recht entschieden worden, dass ein Beschuldigter, der im Rahmen seiner Vernehmung durch unwahre Angaben die allgemeinen Strafgesetze verletzt, deswegen bestraft werden kann163. „Behörden“ im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sind zwar nur solche 157

Beermann/Gosch – Seipl, § 393 AO, Rn 62; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Hellmann, § 370 AO, Rn 79. 158 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 36. 159 Röckl, S. 116; Karlsruher Kommentar – Hannich, Einl, Rn 89; Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136 StPO, Rn 63; Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 136 StPO, Rn 18. 160 Vgl. oben 5. Kapitel, E.IV. 161 Löwe/Rosenberg26 – Gleß, § 136 StPO, Rn 64. 162 Vgl. Fischer, vor §§ 153 ff. StGB, Rn 2 und vor §§ 257 ff. StGB, Rn 2 einerseits, Franzen/ Gast/Joecks – Joecks, Einl, Rn 8 andererseits. 163 BGH, Beschl. v. 17.05.2005 – 5 StR 328/04, wistra 2005, 228 (230); soweit in diesem Zusammenhang auf BGH, Beschl. v. 14.05.1974 – 1 StR 366/73, BGHSt 18, 204 und damit mittelbar RG, Urt. v. 25.03.1935 – 3 D 250/35, RGSt 69, 173 (Strafbarkeit wegen Falscher Verdächtigung gemäß § 164 StGB bei Vorspiegelung einer falschen Identität in der Beschuldigtenvernehmung) Bezug genommen wird, erscheint die fehlende Differenzierung zwischen falschen Angaben zur Person und falschen Angaben zur Sache allerdings problematisch.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

Behörden, die steuerlich erhebliche Entscheidungen zu treffen haben164, also insbesondere nicht Staatsanwaltschaften und Strafgerichte oder die Bußgeld- und Strafsachen- oder Steuerfahndungsstelle eines nicht für die Steuerfestsetzung oder den Erlass eines Grundlagenbescheids zuständigen Finanzamts. Soweit der Betroffene diesen gegenüber allerdings unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in der Erwartung macht, dass diese an das für die Steuerfestsetzung bzw. den Erlass des Grundlagenbescheids zuständige Finanzamt weitergegeben werden, kann ein Fall der mittelbaren Täterschaft vorliegen165. Die aufgrund einer Höchststrafenabrede oder in einem konsensualen Strafbefehl getroffenen Feststellungen können aber, wie bereits gesehen, dem Besteuerungsverfahren nur vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls zugrunde gelegt werden166. Der Verzicht auf die förmliche tatsächliche Verständigung würde die Finanzbehörde und im Streitfall auch das Finanzgericht daher letztlich verpflichten, stattdessen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Höchststrafenabrede zu überprüfen. Es ist insofern bereits fraglich, ob mit dem Verzicht auf eine förmliche tatsächliche Verständigung tatsächlich eine Verfahrensvereinfachung verbunden ist. Gegen eine Erledigung des Besteuerungsverfahrens ausschließlich auf der Grundlage der strafprozessualen Feststellungen sprechen auch die unterschiedlichen Beweismaßstäbe und die – zumindest partiell – unterschiedlichen Verjährungsfristen in beiden Verfahren. Aus einer im Besteuerungsverfahren zulässigen Schätzung oder einer tatsächlichen Verständigung werden sich außerdem regelmäßig höhere Steuernachzahlungen ergeben als aus den in dubio pro reo getroffenen Feststellungen des Strafgerichts167. Soweit andererseits im Besteuerungsverfahren zur vollen Überzeugung der Finanzbehörden bzw. Finanzgerichte eine Steuerhinterziehung feststeht, beträgt die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, so dass bei wiederholten Steuerhinterziehungen vielfach auch Feststellungen für nicht mehr strafbefangene Veranlagungszeiträume getroffen werden müssen. § 376 AO in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 sieht eine Angleichung der steuerstrafrechtlichen Verjährungsfrist an die zehnjährige steuerrechtliche Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nur für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 AO168 vor, im Übrigen bleibt es steuerstrafrechtlich gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bei der fünfjährigen Verjährungsfrist. Die bloße Übernahme der strafgerichtlichen Feststellungen für das Besteuerungsverfahren ist daher aus Sicht der Finanzbehörden prozessökonomisch keineswegs vorteilhaft, unter fiskalischen Aspekten sogar tendenziell nachteilig. 164

Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn 38. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 131. 166 Vgl. oben 2. Kapitel, D. 167 Pump, StW 2007, 171. 168 Vgl. hierzu insbesondere, BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 (81 ff., 87 f.). 165

D. Sonderformen

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II. Erledigung des Besteuerungsverfahrens durch Einspruchsverzicht bzw. -rücknahme Denkbar ist ferner, dass zwar auf eine förmliche tatsächliche Verständigung vor Erlass der Steuer- oder Haftungsbescheide verzichtet, anschließend aber die Erledigung des Steuerstrafverfahrens von einem Einspruchsverzicht gemäß § 354 AO bzw. einer Einspruchsrücknahme gemäß § 362 AO im Besteuerungsverfahren abhängig gemacht wird169. Diese Vorgehensweise erscheint insofern vorzugswürdig, als keine förmliche tatsächliche Verständigung erforderlich ist, setzt allerdings voraus, dass eine derartige Verknüpfung in beiden Verfahren zulässig ist.

1. Wirksamkeit von Einspruchsverzicht bzw. -rücknahme im Besteuerungsverfahren Steuerrechtlich wäre der Einspruchsverzicht bzw. die Einspruchsrücknahme grundsätzlich wirksam, die Steuerbescheide würden bestandskräftig. Sowohl der Einspruchsverzicht als auch die Einspruchsrücknahme sind verfahrensrechtliche Willenserklärungen170. Sie können als solche nicht widerrufen, zurückgenommen oder wegen Irrtums angefochten werden, sind aber unwirksam, wenn der Steuerpflichtige durch unlautere Mittel zur Abgabe der Erklärung veranlasst wurde171. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einspruchsverzichts bzw. einer Einspruchsrücknahme entsprechen damit denen des Klageverzichts bzw. der Klagerücknahme172. Zur Klagerücknahme hat der Bundesfinanzhofs bereits entschieden, dass ein Klagerücknahmeversprechen auch dann bindend sein kann, wenn die Staatsanwaltschaft die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens von der vorherigen außergerichtlichen Einigung des Klägers mit den Finanzbehörden über die Besteuerung abhängig gemacht hat. Entscheidend ist, dass die Verknüpfung der Einstellung des Steuerstrafverfahrens mit der Einigung über die Besteuerung die Entschließungsfreiheit des Klägers nicht in erpresserischer und damit unstatthafter Weise beein-

169

Pump, StW 2007, 171 (173). Vgl. für den Einspruchsverzicht Hübschmann/Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 354 AO, Rn 11, für die Einspruchsrücknahme Hübschmann/Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 362 AO, Rn 19. 171 Vgl. für den Einspruchsverzicht Beermann/Gosch – v. Wedel, § 354 AO, Rn 13; Klein – Brockmeyer, § 354 AO, Rn 7, i. E. ebenso Hübschmann/Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 354 AO, Rn 72 f. (Unwirksamkeit nur bei „krass“ unlauteren Mitteln), für die Einspruchsrücknahme BFH, Beschl. v. 20.07.2001 – I B 165/00, BFH/NV 2002, 7; Beermann/Gosch – v. Wedel, § 362 AO, Rn 13; Klein – Brockmeyer, § 362 AO, Rn 4, i. E. ebenso Hübschmann/Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 362 AO, Rn 178. 172 Vgl. zur Wirksamkeit des Klageverzichts Gräber – v. Groll, § 50 FGO, Rn 7; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 50 FGO, Rn 109 ff., zur Wirksamkeit der Klagerücknahme Beermann/Gosch – Stöcker, § 72 FGO, Rn 45; Gräber – Koch, § 72 FGO, Rn 21; Hübschmann/ Hepp/Spitaler – Birkenfeld, § 72 FGO, Rn 125 ff. 170

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

trächtigt173. Eine unstatthafte Beeinträchtigung ist nur dann gegeben, wenn die an der Verständigung mitwirkenden entscheidungsbefugten Finanzbeamten mit dem zuständigen Staatsanwalt zusammenwirkten, um nach damaligem Erkenntnisstand unhaltbare Steueransprüche durchzusetzen174.

2. Zulässigkeit der Verknüpfung beider Verfahren aus Sicht des Steuerstrafverfahrens Die soeben dargestellte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betrifft allerdings unmittelbar nur die Zulässigkeit der Verknüpfung beider Verfahren in steuerverfahrensrechtlicher Hinsicht. In steuerstrafverfahrensrechtlicher Hinsicht scheint es hingegen bedenklich, im Rahmen einer strafprozessualen Verständigung auf eine Einspruchsrücknahme bzw. einen Einspruchsverzicht im Besteuerungsverfahren hinzuwirken, da ja das Hinwirken auf einen Rechtsmittelverzicht im Steuerstrafverfahren selbst unzulässig ist, um wenigstens einen Mindestumfang revisionsgerichtlicher Kontrollmöglichkeiten sicher zu stellen175. Angesichts der bei verfahrensübergreifenden Verständigungen stets bestehenden besonderen Gefahr zweckwidriger Verfahrensverknüpfung müsste dies umso mehr für Rechtsmittelbzw. Rechtsbehelfsverzicht und -rücknahme in anderen Verfahren gelten. Nachdem andererseits nach den für das konkret betroffene außerstrafrechtliche Verfahren geltenden Vorschriften eine gerichtliche Kontrolle über Verständigungen nur in geringerem Umfang für erforderlich gehalten wird, erschiene es aber problematisch, über den Umweg des Strafverfahrens weiter gehende Kontrollmöglichkeiten durchzusetzen. Für das Verhältnis von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren folgt dies bereits aus § 393 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat also mittelbar auch Einfluss auf das Steuerstrafverfahren Materiell-strafrechtlich stellt sich allerdings die Frage, ob durch die Verknüpfung mit dem Abschluss des Steuerstrafverfahrens die Einspruchsrücknahme bzw. der Einspruchsverzicht letztlich als Strafzumessungstatsache oder als Auflage für die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO176 berücksichtigt werden darf. Anders als die tatsächliche Verständigung zielt die Einspruchsrücknahme bzw. der Einspruchsverzicht nicht auf eine Vorbereitung der Festsetzung der Steuernachzahlung, sondern schließt lediglich deren Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren aus. Sie stellt insofern steuer173

BFH, Beschl. v. 21.03.1995 – I B 142/94, BFH/NV 1995, 994. BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765 (766) und v. 28.10.1998 – X R 93/95, BFH/NV 1999, 937 (938); zust. Pump, StW 2007, 171 (176); krit. Reiß, GrünwaldFS, S. 495 (517 f.); diese Rechtsprechung ist auch auf die Mitwirkung bei einer tatsächlichen Verständigung übertragbar, vgl. oben 5. Kapitel, A.II.2.b). 175 Vgl. oben 2. Kapitel, A.II.2.b). 176 § 153a StPO ist, obwohl Vorschrift der StPO, zumindest auch materiell-strafrechtlicher Natur insofern, als die dort vorgesehenen Auflagen einen materiellen Schuldausgleich schaffen sollen. 174

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strafrechtlich auch keine Schadenswiedergutmachung im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB dar, da sie nicht zu einem Schuldausgleich beiträgt. Für die Bewährungsauflagen enthält § 56b Abs. 2 StGB eine abschließende Regelung, die als solche nicht durch besondere, im Gesetz nicht vorgesehene Bedingungen für die Strafaussetzung zur Bewährung umgangen werden darf. Allenfalls für Fälle des § 153a StPO, in denen auch gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Auflagen möglich sind, schiene daher eine Verknüpfung der Einstellung des Steuerstrafverfahrens mit einer Einspruchsrücknahme bzw. einem Einspruchsverzicht im Besteuerungsverfahren denkbar. Dennoch dürfte auch in Fällen des § 153a StPO die Forderung nach einer Einspruchsrücknahme bzw. einem Einspruchsverzicht im Besteuerungsverfahren unzulässig sein177. Die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO lässt zwar die Unschuldsvermutung unberührt178. Die Forderung, die Auflagen müssten geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfallen zu lassen, deutet allerdings darauf hin, dass die Auflagen ihrer Art nach grundsätzlich als Schuldausgleich geeignet sein müssen, was bei Einspruchsrücknahme bzw. Einspruchsverzicht gerade zu verneinen ist. Die Durchführung einer Gesamtbereinigung derart, dass der Abschluss des Steuerstrafverfahrens von einer Einspruchsrücknahme bzw. einem Einspruchsverzicht im Besteuerungsverfahren abhängig gemacht wird, ist daher aus Sicht des Steuerstrafverfahrens unzulässig.

3. Vergleich mit der Erledigung durch tatsächliche Verständigung Selbst wenn man eine Gesamtbereinigung über eine Einspruchsrücknahme bzw. einen Einspruchsverzicht für zulässig hielte, würde der Verzicht auf eine förmliche tatsächliche Verständigung nicht in jedem Fall zu einer Vereinfachung im Besteuerungsverfahren führen. Die Finanzbehörde müsste die Besteuerungsgrundlagen dann anderweitig zur vollen Überzeugung festgestellt oder zumindest durch Schätzung gemäß § 162 AO ermittelt haben. Für eine kooperative Gesamtbereinigung relevant ist dabei regelmäßig nur die zweite Alternative, da es ansonsten nicht nur an der für die tatsächliche Verständigung erschwerten Sachverhaltsermittlung fehlt, sondern die staatlichen Stellen für den Abschluss des Steuerstrafverfahrens und die Steuerfestsetzung auch überhaupt nicht auf die Kooperation des Betroffenen angewiesen sind. Hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen geschätzt und erwachsen die auf Grundlage dieser Schätzung ergangenen Steuerbescheide in Bestandskraft, entfalten sie die gleiche Bindungswirkung wie Steuerbescheide, die auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung ergangen sind, auch im Hinblick auf eine Änderung gemäß § 173 AO179. Durch den Einspruchsverzicht bzw. die Einspruchs177 178 179

Beermann/Gosch – Seipl, § 398 AO, Rn 18. Vgl. oben 3. Kapitel, A.IV. Vgl. oben 4. Kapitel, E.II.2.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

rücknahme erwachsen Steuerbescheide selbst dann in Bestandskraft, wenn sie rechtswidrig sind, nicht jedoch, wenn sie gemäß § 125 AO nichtig sind. Nichtigkeit ist zwar selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf einem Verkennen der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Umstände beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen180. Willkürmaßnahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind, können allerdings einen besonders schweren Fehler im Sinne von § 125 Abs. 1 AO darstellen. Dies ist der Fall, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und gegebenenfalls welche Schätzungserwägungen angestellt wurden181. Die Nichtigkeit eines Steuerbescheids kann gegebenenfalls auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist geltend gemacht werden182. Die Anforderungen an die Begründung des Schätzungsergebnisses in einem Steuerbescheid richten sich nach § 121 Abs. 1 AO183. Ein wegen unterlassener Abgabe einer Steuererklärung ergangener Schätzungsbescheid erfordert grundsätzlich keine über die Wertangaben hinausgehende Begründung der geschätzten Besteuerungsgrundlagen. Dagegen ist ein Schätzungsbescheid auch der Höhe nach zu begründen, wenn hierfür ein besonderer Anlass besteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Finanzamt ohne ersichtlichen Grund in erheblichem Maße von den Angaben des Steuerpflichtigen abgewichen ist184. Auf Verlangen ist das Vorgehen der Finanzbehörde bei der Schätzung auch in Einzelheiten offen zu legen185. Die Finanzbehörden sind daher intern ausdrücklich angewiesen, Schätzungen in den Akten nachvollziehbar zu dokumentieren186. Die Erledigung des Besteuerungsverfahrens durch einen ordnungsgemäßen Schätzungsbescheid und anschließenden Einspruchsverzicht bzw. Einspruchsrücknahme kann daher letztlich einen der Durchführung einer tatsächlichen Verständigung vergleichbaren Ermittlungs-, Begründungs- und Dokumentationsaufwand erfordern. Ebenso wie die Gesamtbereinigung auf Grundlage der strafgerichtlichen Feststellungen verzichtet 180

Hübschmann/Hepp/Spitaler – Trzaskalik, § 162 AO, Rn 42. BFH, Urt. v. 20.12.2000 – I R 50/00, BFHE 194, 1 (5) und Beschl. v. 13.10.2003 – IV B 85/02, BFHE 203, 404 (406); Hübschmann/Hepp/Spitaler – Rozek, § 125 AO, Rn 48; Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 53. 182 Vgl. FG München, Urt. v. 04.09.2008 – 2 K 1865/08, EFG 2009, 2. 183 Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 53. 184 BFH, Urt. v. 11.02.1999 – V R 40/98, BFHE 188, 10 (12) und Beschl. v. 23.01.2003 – VIII B 161/02, BFH/NV 2003, 881. 185 BFH, Urt. v. 17.11.1981 – VIII R 174/77, BFHE 135, 11 (18 f.); Klein – Rüsken, § 162 AO, Rn 153; nach Tipke/Kruse – Seer, § 162 AO, Rn 96 ist generell über die Nennung der Schätzungsgrundlagen hinaus anzugeben, auf welche Indizien sich die Schätzung stützt, inwieweit geschätzt und welche Methode angewandt wurde; ähnlich auch FG München, Urt. v. 04.09.2008 – 2 K 1865/08, EFG 2009, 2 (4). 186 Vgl. z. B. BayLfSt, Vfg. v. 10.09.2007 – S 0335 – 3 St 41 M, abgedruckt bei Institut der Steuerberater, AO-Handbuch, S. 580 ff.; auszugsweise wiedergegeben auch bei FG München, Urt. v. 04.09.2008 – 2 K 1865/08, EFG 2009, 2 (3). 181

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sie allerdings auf Angaben des Betroffenen im Besteuerungsverfahren. Der Betroffene kann daher – anders als bei einer tatsächlichen Verständigung187 – bisher unentdeckte steuerlich erhebliche Sachverhalt gefahrlos verschweigen. Insofern ist eine Erledigung des Besteuerungsverfahrens durch tatsächliche Verständigung vorzugswürdig.

III. Die „verfahrensvermeidende“ Gesamtbereinigung In der Literatur verschiedentlich erwähnt188 wird auch eine Praxis, die sich als „verfahrensvermeidende“ Gesamtbereinigung (oder zumindest als deren Versuch) kennzeichnen lässt. Insbesondere bei Außenprüfungen soll es demnach vorkommen, dass der Prüfer zwar Erkenntnisse gewinnt, die den Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung begründen, allerdings von der Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder einer Mitteilung an die Bußgeld- und Strafsachenstelle absieht und dem Steuerpflichtigen anheim stellt, über die gesetzlich geschuldeten Steuern hinaus zusätzliche Steuerzahlungen zu akzeptieren, um ein Steuerstrafverfahren zu vermeiden. Die Angehörigen der Prüfungsdienste sind allerdings regelmäßig – von dem Sonderfall der veranlagenden Außenprüfung abgesehen – nicht zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung und keinesfalls zur Entscheidung über den Abschluss des Steuerstrafverfahrens befugt. Die Zusage eines Betriebsprüfers, von der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens absehen zu wollen, entfaltet daher zu Gunsten des Steuerpflichtigen keinerlei Bindungswirkung, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes189. Selbst wenn der Prüfer ausnahmsweise zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung befugt war, ist diese wegen der unzulässigen Beeinflussung des Steuerpflichtigen durch Versprechen eines nicht vorgesehenen Vorteils steuerrechtlich unwirksam190. Materiellrechtlich ist die „verfahrensvermeidende“ Gesamtbereinigung beispielhaft für einen gegen fundamentale Prinzipien des Steuer- und des Strafrechts verstoßenden „Ablasshandel“191. Der beteiligte Prüfer ist auch bei der Übertragung von Zuständigkeiten gemäß § 387 Abs. 2 AO auf ein anderes Finanzamt nach Maßgabe des § 399 Abs. 2 Satz 1 AO zur Verfolgung von Steuerstraftaten und gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 der Betriebsprüfungsordnung192 – BpO – zur Unterrichtung der Bußgeld- und Strafsachenstelle 187

Vgl. oben 5. Kapitel, E.III.1.c). Seer, Verständigungen, S. 23 f.; Füllsack, S. 95; Wenzel, S. 11, 14; Joecks, Praxis, S. 5; Weyand DStZ 1990, 166 (168); Schöch, Strafverfolgung, S. 235.; Wabnitz/Janovsky – Kummer, 18. Kapitel, Rn 183 ff.; vgl. auch den FG München, Beschl. v. 22.05.2009 – 15 V 182/09, EFG 2009, 1807 zugrunde liegenden Fall. 189 Vgl. oben 3. Kapitel, C.III., IV. für das Steuerstrafverfahren und 4. Kapitel, D. I. für das Besteuerungsverfahren; i. E. ebenso Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 519. 190 Vgl. oben 4. Kapitel, E.III.3. und 5. Kapitel, A.II.2.a). 191 Vgl. soeben C.II.3. 192 BStBl. I 2000, S. 358. 188

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verpflichtet193. Wenn er trotz Anfangsverdachts der Steuerhinterziehung von der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens bzw. von der Unterrichtung der Bußgeldund Strafsachenstelle absieht, stellt bereits dies ein gravierendes Dienstvergehen dar, das grundsätzlich194 disziplinarrechtlich zu ahnden ist. Sofern eine Steuerstraftat vorliegt, macht er sich durch ein solches Vorgehen darüber hinaus wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen gemäß §§ 258, 258a, 13 StGB strafbar195. Auch wenn tatsächlich keine Steuerstraftat vorliegt, ist bei Vorliegen des subjektiven Tatbestandes zumindest ein strafbarer (untauglicher) Versuch der Strafvereitelung im Amt gemäß § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1, 2, §§ 13, 22, 23 StGB gegeben. Der eigennützig handelnde Steuerpflichtige mag zu der Einschätzung kommen, dass eine Entdeckung der Steuerhinterziehung jedenfalls vor Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung nicht zu erwarten ist196, und sich daher zu einer „verfahrensvermeidenden“ Gesamtbereinigung bereit finden. Für die Amtsträger der Finanzbehörden verbietet sie sich wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen zwingendes formelles und materielles Recht ebenso wie im eigenen Interesse, begeben sie sich doch durch eine „verfahrensvermeidende“ Gesamtbereinigung letztlich in die Abhängigkeit vom Steuerpflichtigen197 und riskieren zudem die Entdeckung bei einer Folgeprüfung oder durch Feststellungen anderer Prüfungsdienste.

IV. Gesamtbereinigung bei mehreren Betroffenen Besonderheiten gelten auch für eine Gesamtbereinigung, bei der Beschuldigter und Steuerpflichtiger nicht identisch sind oder bei der es mehrere Beschuldigte bzw. Steuerpflichtige gibt. Die erste Fallgruppe betrifft die fremdnützige Steuerhinterziehung, beispielsweise des Geschäftsführers zugunsten der GmbH. Die Frage nach einer Gesamtbereinigung bei mehreren Beschuldigten stellte sich unter anderem im Zusammenhang mit den „Bankenfällen“, in denen Bankmitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verfolgt wurden, wenn sie Bankkunden anonymisierte Vermögenstransfers ins Ausland ermöglichten198.

193

Vgl. hierzu den Gemeinsamen Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder, BStBl. I 2009, S. 829 f. und Randt, DStJG 31, S. 263 (271 f.). 194 Die disziplinarrechtliche Ahndung entfällt, wenn im Hinblick auf die strafrechtliche Verfolgung des Dienstvergehens ein Maßnahmeverbot eingreift, vgl. z. B. § 14 BDG, Art. 15 BayDG; dies wird allerdings gerade bei gravierenderen Dienstvergehen die Ausnahme sein. 195 Bansemer, wistra 1994, 327; Gehm, StBp 2006, 105 (106 f.). 196 Weyand, wistra 1994, 87 (90). 197 Wannemacher – Spriegel, Rn 4503. 198 Vgl. hierzu näher BGH, Urt. v. 01.08.2000 – 5 StR 624/99, wistra 2000, 340; Franzen/ Gast/Joecks – Joecks, § 370 AO, Rn 251 f.

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1. Fremdnützige Steuerhinterziehung Da die Durchführung einer Gesamtbereinigung die Selbständigkeit und die Eigenarten des Besteuerungs- und des Steuerstrafverfahrens unberührt lässt, setzt sie die Identität von Beschuldigtem und Steuerpflichtigen nicht voraus und ist daher auch bei einer fremdnützigen Steuerhinterziehung möglich. Bezüglich der zu beachtenden Voraussetzungen und Grenzen gelten zunächst die oben dargestellten allgemeinen Grundsätze. Daneben sind allerdings einige Besonderheiten zu beachten. In einem Besteuerungsverfahren kommt der Täter einer fremdnützigen Steuerhinterziehung jedenfalls als Haftungsschuldner gemäß § 71 AO, häufig zusätzlich als Haftungsschuldner gemäß § 69 AO i.V. m. §§ 34, 35 AO und eventuell auch als Vertreter des Steuerpflichtigen gemäß §§ 34, 35 AO in Betracht. Die Haftungsschuld ist im Verhältnis zur Steuerschuld zwar akzessorisch. Da gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO andere Tatsachen als Erfüllung und Aufrechnung nur für und gegen den jeweiligen Steuer- bzw. Haftungsschuldner wirken, muss der Haftungsschuldner die gegenüber dem Steuerpflichtigen erfolgte Steuerfestsetzung aber nur unter den Voraussetzungen des § 166 AO gegen sich gelten lassen und ist ansonsten nicht gehindert, in dem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Haftungsbescheid Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids vorzubringen199. Soweit der Haftungsschuldner als Täter einer Steuerhinterziehung haftet, sieht § 219 Satz 2 AO zudem vor, dass der Haftungsschuldner abweichend von § 219 Satz 1 AO unmittelbar in Anspruch genommen werden darf200. Insofern kann der Täter einer fremdnützigen Steuerhinterziehung als Haftungsschuldner mit den Finanzbehörden eine tatsächliche Verständigung im eigenen Namen treffen. Soweit er als Vertreter des Steuerpflichtigen auftritt, hat er allerdings die sich aus dieser Vertreterstellung ergebenden besonderen Pflichten zu berücksichtigen. Er macht sich daher regelmäßig wegen Untreue gemäß § 266 StGB strafbar, wenn er im Besteuerungsverfahren seine Mitwirkungspflichten gemäß §§ 33, 34 AO verletzt, um seine eigene Position als Beschuldigter im Steuerstrafverfahren nicht zu verschlechtern, und in der Folge eine tatsächliche Verständigung abschließt, die den wahren Sachverhalt zum Nachteil des Steuerpflichtigen verfehlt201. Dies haben auch die an der Gesamtbereinigung beteiligten Amtsträger zu berücksichtigen, um sich nicht dem Verdacht der Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue gemäß §§ 266, 26 StGB bzw. §§ 266, 27 StGB auszusetzen. Im Steuerstrafverfahren ist die Möglichkeit des Antrags auf Anordnung von Nebenfolgen im selbständigen Verfahren gemäß § 401 199 Beermann/Gosch – Jatzke, § 191 AO, Rn 54; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Boeker, § 191 AO, Rn 92; Tipke/Kruse – Kruse, § 191 AO, Rn 132; Jesse, Rn B 93 f.; vgl. auch BFH, Urt. v. 24.08.2004 – VII R 50/03, BFHE 207, 5 (8); Tipke/Lang – Seer, § 21, Rn 138. 200 Gleichwohl bleibt die Inanspruchnahme eine Ermessensentscheidung, vgl. Beermann/ Gosch – Jatzke, § 219 AO, Rn 17; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Alber, § 219 AO, Rn 66; Klein – Rüsken, § 219 AO, Rn 8; Tipke/Kruse – Kruse, § 219 AO, Rn 16. 201 Vgl. 5. Kapitel, E.VIII.3.a).

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AO, §§ 440, 442 Abs. 1, § 444 Abs. 3 StPO zu beachten. Wegen der unterschiedlichen Beweismaßstäbe und Verjährungsfristen202 im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist unter fiskalischen Aspekten allerdings auch hier die Festsetzung von Steuernachzahlungen auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung vorzugswürdig.

2. „Bankenfälle“ Das für die „Bankenfälle“ angedachte „Bankenmodell“ beruhte auf der Überlegung, angesichts einer überbordenden Vielzahl von Fällen und einer erdrückenden Arbeitsbelastung sei die Finanzverwaltung auf Selbstanzeigen der Bankkunden angewiesen. Deshalb könnten die Banken mit den Strafverfolgungsbehörden eine Verständigung des Inhalts treffen, dass eine Straffreiheit der Bankmitarbeiter eintrete, wenn – auf Druck der Bank – genügend Selbstanzeigen von Kunden eingingen203. Unabhängig davon, ob den Banken eine solche Druckausübung überhaupt gestattet wäre, fehlt es allerdings bereits an einer Rechtsgrundlage, auf der bei dem beschriebenen Vorgehen nach vollendeter Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß §§ 370, 27 StGB Straffreiheit eintreten sollte. Straffreiheit gemäß § 371 Abs. 1 AO erlangt nur, wer die Selbstanzeige persönlich erstattet oder durch einen bevollmächtigten Vertreter persönlich veranlasst hat204. Diese Voraussetzungen sind auch bei einer Vielzahl von Taten für jede Tat und jeden Beteiligten gesondert zu prüfen. Zu beachten ist außerdem die Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO. Ein „Moratorium“ des Steuerstrafverfahrens ausschließlich zur Ermöglichung strafbefreiender Selbstanzeigen stellt für die verantwortlichen Amtsträger eine Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB bzw. § 258a, 13 StGB dar205. § 46a StGB, der zumindest ein Absehen von Strafe ermöglicht, ist im Steuerstrafrecht aufgrund dessen spezifischer Täter- und Opferstruktur nicht anwendbar206.

3. Unterschiedliche Verteidigungsstrategien der Betroffenen Auch bei mehreren Betroffenen kann die Gesamtbereinigung nach den oben dargestellten allgemeinen Grundsätzen erfolgen, wenn jeder Betroffene sowohl bei der Erledigung des Besteuerungsverfahrens als auch bei der Erledigung des Steuerstrafverfahrens mitwirkt. Wenn sich auch nur ein Betroffener verweigert, weil er beispielsweise zu einer Steuernachzahlung nicht in der Lage ist oder einen Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung anstrebt, wird die Gesamt202 203 204 205 206

Vgl. I. Vgl. die Zusammenfassung eines Vortrags von Mack bei Schmidt, StuW 1998, 278 (281). Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 79. Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 371 AO, Rn 87b. Vgl. oben 5. Kapitel, C.II.1.

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bereinigung insgesamt hinfällig, da sie ihr wesentliches Ziel, die prozessökonomische Erledigung beider Verfahren, nicht mehr erreichen kann. Im Besteuerungsverfahren kommt der tatsächlichen Verständigung grundsätzlich keine Drittwirkung zu207, im Steuerstrafverfahren erfordert die Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Verständigung sind, zumindest eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung208. In dem bereits erwähnten vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall der Verknüpfung einer tatsächlichen Verständigung und eines Klagerücknahmeversprechens mit der Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO209 stellte das Finanzgericht nach der Zurückverweisung fest, dass die Einstellung des Steuerstrafverfahrens nicht nur davon abhängig gemacht wurde, dass zuvor das Besteuerungsverfahren einer Erledigung zugeführt wurde, sondern zusätzlich davon, dass auch der andere Betroffene einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO im Hinblick auf seine Person zustimmte. Es erachtete das Klagerücknahmeversprechen gleichwohl als wirksam, wies die Klage wegen unzulässiger Rechtsausübung als unzulässig ab und ließ die Revision nicht zu210. Da die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht entsprach, war der Bundesfinanzhof an einer Entscheidung in der Sache gehindert211. Sowohl im Steuerstrafverfahren als auch im Besteuerungsverfahren werden Verständigungen nicht zuletzt mit der Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege bzw. des Gesamtvollzugs der Steuergesetze gerechtfertigt212. Es liegt insofern nahe, Verständigungen nur dann zu treffen, wenn sie auch im konkreten Einzelfall der Prozessökonomie dienen, zumal es einen Anspruch des Betroffenen auf eine Verständigung auch nur in einem der beiden Verfahren nicht gibt. Da bei einer Gesamtbereinigung die einzelnen Verfahrensabschlüsse weiterhin den Geboten der Schuldangemessenheit des Strafens bzw. der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterliegen, ist die Verknüpfung der Verfahren unterschiedlicher Beteiligter grundsätzlich auch unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Auflagen gemäß § 153a StPO dürfen allerdings nur dem Beschuldigten auferlegt werden und keinem Dritten. Die Einstellung des Strafverfahrens darf daher auch nicht von „freiwilligen“, möglicherweise sogar Vor-Leistungen Dritter 207

Vgl. oben 4. Kapitel, D. I.2. BGH, Beschl. v. 15.01.2003 – 1 StR 464/02, BGHSt 48, 161 und v. 06.11.2007 – 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78 (82 f.). 209 Vgl. oben 5. Kapitel, A.II.2.b). 210 FG Köln, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 2899/97, juris; die Entscheidungen erging im zweiten Rechtsgang nach BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 63/95, BFH/NV 1997, 765. 211 BFH, Beschl. v. 24.07.2002 – I B 154/01, BFH/NV 2003, 52 (53). 212 Vgl. oben 3. Kapitel, B. I., II. und 4. Kapitel, B.IV., m. w. Nachw. 208

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abhängig gemacht werden213. Zudem ist die Legitimationswirkung prozessökonomischer Erwägungen begrenzt. Dies zeigt der Vergleich mit den zu der Verbindung von zusammenhängenden Strafverfahren gegen verschiedene Beschuldigte gemäß § 2 StPO entwickelten Grundsätzen. Die Verknüpfung von Verfahrensabschlüssen ist zwar von der Verbindung der Verfahren gemäß § 2 StPO zu unterscheiden, die maßgeblichen Überlegungen sind allerdings übertragbar. Durch eine Verfahrensverbindung gemäß § 2 StPO kann Doppelarbeit erspart, insbesondere aber verhindert werden, dass derselbe Sachverhalt von mehreren Gerichten unterschiedlich beurteilt wird214. Die Verfahrensverbindung dient daher der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege215. Das Recht des Beschuldigten auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren, sein Recht auf zügigen Abschluss des Strafverfahrens und das Übermaßverbot können aber nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Einzelfall das öffentliche Interesse an einer Verfahrensverbindung aus Gründen der Prozessökonomie überwiegen. In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall hatte eine Große Wirtschaftsstrafkammer gemäß § 2 StPO ein „durchschnittliches Wirtschaftsstrafverfahren“ mit einem „nahezu unübersichtlich gewordenen, nur zögernd voranschreitenden Großverfahren“ verbunden. Dies hätte für den Beschuldigten in dem ersten Verfahren – den späteren Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht – nicht nur eine erhebliche Verzögerung des gegen ihn geführten Strafverfahrens geführt. Es hätte zugleich eine gravierende persönliche und wirtschaftliche Belastung durch die Teilnahme an einer wesentlich umfangreicheren Hauptverhandlung, verbunden mit der Tragung entsprechender Verfahrenskosten bedeutet. Das Bundesverfassungsgericht erachtete die Verbindung beider Verfahren daher für unvereinbar mit den Grundsätzen des rechtsstaatlichen, fairen Strafverfahrens216. In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall wurde der verständigungsbereite Beschuldigte ausdrücklich auf die allein von einer langwierigen Hauptverhandlung ausgehenden Folgen für den Fall hingewiesen, dass der andere Beschuldigte sich einer Verständigung weiterhin verschließe217. Die Staatsanwaltschaft erhoffte offenbar, gerade durch eine Verknüpfung beider Steuerstrafverfahren den der Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO zustimmenden Beschuldigten zu veranlassen, die Zustimmung auch des anderen Beschuldigten zu einer solchen Einstellung zu erwirken. Diese Zielsetzung kann eine ansonsten unzulässige Verknüpfung zweier Steuerstrafverfahren allerdings keinesfalls rechtfertigen, sondern 213

Löwe/Rosenberg26 – Beulke, § 153a StPO, Rn 71. BGH, Urt. v. 10.01.1958 – 5 StR 487/57, BGHSt 11, 130 (133) und v. 05.02.1963 – 1 StR 265/62, BGHSt 18, 238 (239); Karlsruher Kommentar – Fischer, § 2 StPO, Rn 2; Meyer-Goßner, NStZ 2004, 353 (358). 215 BVerfG, Beschl. v. 21.06.1977 – 2 BvR 804/76, BVerfGE 45, 354 (359); Meyer-Goßner – Meyer-Goßner, § 2 StPO, Rn 2. 216 BVerfG, Beschl. v. 12.08.2002 – 2 BvR 932/02, StV 2002, 578 (581); zust. Meyer-Goßner, NStZ 2004, 353 (358 f.); ähnlich Karlsruher Kommentar – Fischer, § 2 StPO, Rn 7. 217 BFH, Beschl. v. 24.07.2002 – I B 154/01, BFH/NV 2003, 52 (53); FG Köln, Urt. v. 24.10.2001 – 6 K 2899/97, juris. 214

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begründet vielmehr ihrerseits Bedenken, ob das beschriebene Vorgehen nicht zugleich eine unzulässige Einflussnahme auf den eine Zustimmung verweigernden Beschuldigten bedeutet. Wenn sich von mehreren Betroffenen einzelne einer von den staatlichen Stellen angebotenen Gesamtbereinigung verweigern, darf das Zustandekommen einer solchen Gesamtbereinigung den kooperationsbereiten Betroffenen gegenüber daher nicht von der Mitwirkung auch der übrigen Betroffenen abhängig gemacht werden. Das Bemühen um Prozessökonomie muss hier ebenso wie gegebenenfalls bei der Verbindung von Strafverfahren hinter die Grundsätze des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens und das Übermaßverbot zurücktreten.

V. Einbeziehung nichtsteuerlicher Straftaten Steuerstraftaten können im Einzelfall in engem Zusammenhang mit Nichtsteuerstraftaten stehen. Dies gilt beispielsweise in den Fällen, in denen durch die Verschleierung einer verdeckten Gewinnausschüttung eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und durch die verdeckte Gewinnausschüttung selbst der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB verwirklicht wird, in denen entgegen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG Betriebsausgaben geltend gemacht wurden, die den Tatbestand der Vorteilsgewährung gemäß § 333 StGB oder der Bestechung gemäß § 334 StGB verwirklichten, oder bei der Beschäftigung von „Schwarzarbeitern“ ohne Lohnsteuer-Anmeldung und unter Vorenthalten bzw. Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB. Im ersten Fall sind die Finanzbehörden nach Maßgabe des § 30 Abs. 4 Nr. 4a, 5a StGB zur Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden berechtigt218, im zweiten und im dritten Fall gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 3 EStG bzw. § 31a Abs. 2 Satz 1 AO zur Mitteilung verpflichtet219. Auch wenn es sich bei den Nichtsteuerstraftaten strafprozessrechtlich jeweils um selbständige Taten handelt, die in getrennten Strafverfahren gewürdigt werden könnten, entspräche es in diesen Fällen grundsätzlich dem Sinn und Zweck der Gesamtbereinigung, Steuer- und Nichtsteuerstraftaten als zusammenhängende Straftaten im Sinne des § 3 StPO gemäß § 2 Abs. 1 StPO zu verbinden und auch Nichtsteuerstraftaten in die Gesamtbereinigung mit einzubeziehen. Werden Steuer- und Nichtsteuerstraftaten zur gemeinsamen Verfolgung verbunden, hat die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Ermittlungen nach AStBV (St) 2009 Nr. 18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 an die Staatsanwaltschaft abzugeben, ihre Stellung im weiteren Verfahren richtet sich nach §§ 402, 403 StPO. Soweit es sich bei den Nichtsteuerstraftaten beispielsweise um Vermögensdelikte gemäß §§ 266, 266a StGB im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen oder Schwarz218 Vgl. hierzu Hübschmann/Hepp/Spitaler – Alber, § 30 AO, Rn 180 ff., 194 ff.; Klein – Wisser, § 30 AO, Rn 170 ff, 185. 219 Vgl. auch AStBV(St) 2009 Nr. 112 Abs. 4, 132 Abs. 2; die Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 3 EStG bzw. § 31a Abs. 2 Satz 1 AO wird angezweifelt von Franzen/ Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 10a, m. w. Nachw.

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

arbeit handelt, sind auch die Interessen des Geschädigten angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere sind an die Schadenswiedergutmachung erheblich höhere Anforderungen zu stellen, da nicht nur die verkürzte Körperschafts- bzw. Lohnsteuer nachzuentrichten ist, sondern zusätzlich auch veruntreute Gelder zurückzuerstatten bzw. Sozialabgaben zu begleichen sind. Wenn der Betroffene dann nur zu einer teilweisen Schadenswiedergutmachung im Stande ist, führt die Bedeutung der Schadenswiedergutmachung für die Strafzumessung die Strafjustiz in das Spannungsfeld widerstreitender Gläubigerinteressen der Finanzbehörden einerseits und der Sozialversicherungsträger bzw. der geschädigten Gesellschaft andererseits. Das „Dreieck“ von Betroffenem, Finanzbehörde und Strafjustiz bei einer Gesamtbereinigung, die ausschließlich Steuerstraftaten betrifft, wird durch Hinzutreten eines weiteren Geschädigten zu einem „Viereck“. Es sind dann statt drei insgesamt sechs Rechtsverhältnisse zu berücksichtigen, das bereits bestehende Spannungsfeld von formellem und materiellem Steuerrecht und Strafrecht wird zusätzlich von gesellschafts- bzw. sozialrechtlichen Fragestellungen und den Auswirkungen des jeweiligen Verfahrensrechts überlagert. Auf die Vielzahl der sich daraus ergebenden Konfliktsituationen kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht eingegangen werden220, festzuhalten ist jedenfalls, dass die Einbeziehung von Nichtsteuerstraftaten die Durchführung einer Gesamtbereinigung ganz erheblich verkompliziert.

VI. Zwischenergebnis Zur Durchführung einer Gesamtbereinigung im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren bedarf es nicht zwingend zweier förmlicher Verständigungen. Als Alternative zur Durchführung einer tatsächlichen Verständigung kommt im Besteuerungsverfahren grundsätzlich auch die Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen in Betracht. Anders als durch die Durchführung einer tatsächlichen Verständigung wird hierdurch aber nicht sichergestellt, dass wirklich alle dem Betroffenen bekannten Besteuerungsgrundlagen erfasst werden. Eine Gesamtbereinigung ist auch nach einer fremdnützigen Steuerhinterziehung möglich, dabei ist aber das Verhältnis des Beschuldigten zum Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Es ist bei mehreren Betroffenen allerdings grundsätzlich nicht zulässig, eine einem kooperativen Betroffenen in Aussicht gestellte Gesamtbereinigung allein deshalb zu verweigern, weil die übrigen Betroffenen ihrerseits zu einer Gesamtbereinigung nicht bereit sind. Unzulässig ist es auch, wenn nach Erlass eines Schätzungsbescheids im Besteuerungsverfahren der Abschluss des Steuerstrafverfahrens von einer Einspruchsrücknahme bzw. einem Einspruchsverzicht abhängig 220 Vgl. zu Einzelaspekten Tipke/Lang – Lang, § 1, Rn 15 ff. (Verhältnis des Steuerrechts zum Zivil- und Sozialrecht, m. w. Nachw.) und Vogel, NJW 1985, 2986 (zu „Wertungsdivergenzen zwischen Steuerrecht, Zivilrecht und Strafrecht“ im Zusammenhang mit den „Parteispendenverfahren“).

E. Auswirkungen von Fehlern

299

gemacht oder bei Zugeständnissen des Betroffenen im Besteuerungsverfahren bereits von der Einleitung des Steuerstrafverfahrens bzw. der Unterrichtung der Bußgeld- und Strafsachenstelle abgesehen wird. Ob auch bei Hinzutreten von Nichtsteuerstraftaten eine Gesamtbereinigung möglich ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, jedenfalls wird die Gesamtbereinigung durch die Einbeziehung von Nichtsteuerstraftaten erheblich verkompliziert.

E. Auswirkungen von Fehlern bei der Gesamtbereinigung E. Auswirkungen von Fehlern

Sofern bei der Durchführung der Gesamtbereinigung die Vorschriften über das Besteuerungs- oder das Steuerstrafverfahren verletzt werden, zieht dies zunächst in dem betreffenden Verfahren die gleichen Folgen wie bei einer isolierten Erledigung nach sich. So besteht im Steuerstrafverfahren gemäß § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO ein Verwertungsverbot für ein Geständnis, das durch das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils erwirkt wurde221 und entfaltet im Besteuerungsverfahren eine tatsächliche Verständigung keine Bindungswirkung, wenn die Entschließungsfreiheit des Steuerpflichtigen unzulässig beeinträchtigt wurde222. Aufgrund der Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren stellt sich aber in besonderem Maße die Frage, wie sich ein Fehler im Steuerstrafverfahren im Besteuerungsverfahren auswirkt und umgekehrt.

I. Auswirkungen steuerstrafrechtlicher Verfahrensfehler auf das Besteuerungsverfahren Zunächst soll die Auswirkung der Verletzung steuerstrafverfahrensrechtlicher Vorschriften auf das Besteuerungsverfahren untersucht werden. Ausgangspunkt sind die allgemeinen Grundsätze über die Bedeutung des steuerstrafrechtlichen Verwertungsverbots im Besteuerungsverfahren.

1. Allgemeine Bedeutung des steuerstrafrechtlichen Verwertungsverbots im Besteuerungsverfahren Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren stehen gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Die Frage nach einem Verwertungsverbot ist folglich im Steuerstrafverfahren nach strafprozessualen und im Besteuerungsverfahren nach abgabenrechtlichen Vorschriften, gegebenenfalls unter 221 222

Vgl. hierzu bereits 3. Kapitel, D. Vgl. hierzu bereits 4. Kapitel, E.III.

300

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

Einbeziehung vorrangiger Verfassungsgrundsätze zu beantworten, ein allgemeines Verwertungsverbot für Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften gewonnen wurden, besteht nicht223. Auch die Auswirkung strafrechtlicher Verwertungsverbote auf das Besteuerungsverfahren lässt sich daher nicht allgemein bestimmen. Es kommt darauf an, ob das entsprechende Verwertungsverbot einen typisch strafprozessualen Charakter hat oder einem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht224 bzw. ob eine gesetzmäßige Besteuerung vorrangig ist oder eine rechtswidrige Wahrheitserforschung ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht225. Dementsprechend führt z. B. die Verletzung der Belehrungspflicht gemäß § 393 Abs. 1 Satz 4 AO im Besteuerungsverfahren zu keinem Verwertungsverbot. § 393 AO stellt eine Ergänzung des § 136 StPO im Hinblick auf die Doppelzuständigkeit der Finanzbehörden für Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren dar, dient ausschließlich dem strafprozessualen Grundsatz nemo tenetur und ist damit in erster Linie eine Vorschrift des Steuerstraf-, nicht des Besteuerungsverfahrens. Ein anderes Ergebnis würde zudem den verfassungsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit verletzen226. Wie zu entscheiden ist, wenn § 136a StPO verletzt wurde, hat der Bundesfinanzhof bisher ausdrücklich offen gelassen227. Er hat lediglich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf hingewiesen, dass der Begriff der Täuschung im Sinne des § 136a StPO eng auszulegen ist und dass die Täuschung durch Unterlassen nicht unter § 136a StPO fällt228. Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern und ihm folgend das Hessische Finanzgericht gingen jedoch zu Recht davon aus, dass das aus § 136a StPO folgende Verwertungsverbot im Steuerstrafverfahren auch im Besteuerungsverfahren besteht229. § 136a StPO ist eine prozessrechtliche Ausformung des Grundrechts auf Achtung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG, er hat insofern nicht rein strafprozessualen 223

BFH, Urt. v. 23.01.2002 – XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7 (10) und v. 04.10.2006 – VIII R 53/04, BFHE 215, 12. 224 Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 50; Hübschmann/Hepp/Spitaler – Söhn, § 88 AO, Rn 120; Streck, DStJG 6, S. 217 (230). 225 Wenzel, S. 330; Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (489). 226 BFH, Urt. v. 23.01.2002 – XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7 (10 ff.); A.A. Tipke/Lang – Seer, § 24, Rn 14; Franzen/Gast/Joecks – Joecks, § 393 AO, Rn 46; Hübschmann/Hepp/ Spitaler – Hellmann, § 393 AO, Rn 123; zweifelnd auch FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21.08.2002 – 3 K 284/00, wistra 2003, 473 (475) und Klein – Wisser, § 393 AO, Rn 19, jeweils im Hinblick auf BGH, Beschl. v. 27.02.1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214. 227 BFH, Urt. v. 23.01.2002 – XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7 (12), ebenso BFH, Beschl. v. 30.05.2008 – V B 76/07, BFH/NV 2008, 1441 (1442). 228 BFH, Beschl. v. 30.05.2008 – V B 76/07, BFH/NV 2008, 1441 (1442), unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 08.10.1993 – 2 StR 400/93, BGHSt 39, 335 (348), zu der Frage, ob die von einem Betriebsprüfer bewusst unterlassene Belehrung über den strafrechtlichen Zweck einer Außenprüfung ein steuerrechtliches Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen § 136a StPO begründet. 229 FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21.08.2002 – 3 K 284/00, wistra 2003, 473; Hessisches FG, Beschl. v. 13.02.2006 – 6 V 2275/05, juris; ebenso Kohlmann, Tipke-FS, S. 487 (495) und Randt, DStJG 31, 263 (268).

E. Auswirkungen von Fehlern

301

Charakter, sondern entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken230. Von Bedeutung ist dies dann, wenn auf eine tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren verzichtet und das Besteuerungsverfahren stattdessen auf der Basis des Geständnisses im Steuerstrafverfahren abgeschlossen werden soll. Ein Verstoß gegen § 136a StPO ist namentlich dann gegeben, wenn ein Geständnis des Betroffenen auf einer unzulässigen, da mit einer von vornherein nicht zuständigen Stelle getroffenen, Absprache basiert231. Hingegen liegt kein Verstoß gegen § 136a StPO vor, wenn der Betroffene auf Grundlage einer mit der zuständigen Bußgeld- und Strafsachenstelle getroffenen, zulässigen Verständigung ein Geständnis ablegt, und die Bußgeld- und Strafsachenstelle infolge Evokation der Staatsanwaltschaft gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO nachträglich unzuständig wird232.

2. Keine Besonderheiten bei der Gesamtbereinigung Die Gesamtbereinigung beinhaltet rechtlich lediglich die Verknüpfung der Abschlüsse, keine Verschmelzung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren. Ihre Durchführung darf daher zu einer Beeinträchtigung der strafprozessualen Schutzposition des Betroffenen ebenso wenig führen233 wie zu einer Gefährdung der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung dadurch, dass die Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren den strengeren Regelungen des Steuerstrafverfahrens unterworfen werden. Es bleibt insofern auch bei der Gesamtbereinigung dabei, dass die Verletzung steuerstrafrechtlicher Vorschriften im Besteuerungsverfahren lediglich zu einem Verwertungsverbot führen kann, und auch dies nur, wenn die verletzte Vorschrift nicht typisch strafprozessualen Charakter hat, sondern einem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht. Eine im Rahmen einer Gesamtbereinigung getroffene tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren bleibt deswegen grundsätzlich auch dann wirksam, wenn zuvor im Steuerstrafverfahren gegen § 136a Abs. 1 StPO verstoßen wurde. Etwas anderes gilt erst dann, wenn dieser Verstoß zugleich eine unzulässige Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren beinhaltet, wenn etwa Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde zur Durchsetzung offensichtlich unhaltbarer Steueransprüche zusammengewirkt haben234.

230

FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21.08.2002 – 3 K 284/00, wistra 2003, 473 (475). Vgl. hierzu 3. Kapitel, D. 232 Dies gilt selbst dann, wenn die Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Verständigung das Evokationsrecht bereits ausgeübt hatte, ohne, dass dies jedoch der Bußgeld- und Strafsachenstelle bekannt geworden wäre, da § 136a StPO bei unbewusster Irreführung des Beschuldigten nicht eingreift, vgl. BGH, Beschl. v. 17.03.2005 – 5 StR 328/04, wistra 2005, 228. 233 Vgl. oben C. I. 234 Vgl. hierzu 5. Kapitel, A.II.2. 231

302

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

II. „Durchschlagen“ des steuerrechtlichen Teils auf den strafrechtlichen Teil Sofern es zu Verfahrensfehlern im Besteuerungsverfahren kommt, stellt sich weniger die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot im Steuerstrafverfahren. Soweit es um Steuerstraftaten geht, dürfen zwar die Finanzbehörden die ihnen im Besteuerungsverfahren freiwillig mitgeteilten Verhältnisse des Steuerpflichtigen den Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich offenbaren, diese die ihnen mitgeteilten Erkenntnisse grundsätzlich verwerten235. Die im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung gemachten Angaben sind allerdings im Steuerstrafverfahren generell nur eingeschränkt verwertbar236. Zudem wird das Steuerstrafverfahren häufig vor dem Besteuerungsverfahren abgeschlossen werden. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob mit Hinblick auf die mit der Gesamtbereinigung beabsichtige Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren die erfolgreiche Geltendmachung der Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung durch den Betroffenen auch einen zwischenzeitlich herbeigeführten Abschluss des Steuerstrafverfahrens wieder in Frage stellen kann. Ausgangspunkt ist auch hier, dass bei der Durchführung einer Gesamtbereinigung eine Bindung nicht nur an die für das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren in formeller und materieller Hinsicht bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben besteht sondern auch in vollem Umfang an die einfachgesetzlichen Regelungen insbesondere der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuchs, der Abgabenordnung und der Einzelsteuergesetze und die Gesamtbereinigung zu einer Verknüpfung der Verfahrensabschlüsse führt, nicht aber zu einer Aufhebung der rechtlichen Eigenständigkeit der zugrunde liegenden Verfahren. Es gilt daher insbesondere auch der Grundsatz ne bis in idem, wie er in Art. 103 Abs. 3 GG niedergelegt ist. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens ist daher nur unter den Voraussetzungen der §§ 359 ff. StPO zulässig, die Wiederaufnahme zu Ungunsten des Angeklagten mit dem einzigen Ziel eine andere Strafbemessung aufgrund desselben Strafgesetzes herbei zu führen, durch § 363 StPO ausdrücklich ausgeschlossen. Der nachträgliche Wegfall der tatsächlichen Verständigung als Strafmilderungsgrund kann daher für sich genommen eine Wiederaufnahme des Steuerstrafverfahrens nicht rechtfertigen. Sofern das Gericht die erkannte Strafe zur Bewährung ausgesetzt hat oder das Steuerstrafverfahren gemäß § 153a StPO eingestellt wurde, kann zwar durch entsprechende Handhabung der Auflagen versucht werden, den Abschluss des Besteuerungsverfahrens auch über den rechtskräftigen Abschluss des Steuerstrafverfahrens hinaus abzusichern237. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die festzusetzende Steuernachzahlung die tatsächliche Steuerschuld nicht übersteigen, 235 236 237

Vgl. oben 5. Kapitel, B.II. Vgl. oben 5. Kapitel, D. I. Vgl. oben B.II.2., III.

E. Auswirkungen von Fehlern

303

dem Betroffenen kein besonderer „Zuschlag“ für die vergleichsweise vorteilhafte Erledigung des Steuerstrafverfahrens abverlangt werden darf238. Die Einhaltung dieser Voraussetzung überprüfen zu lassen, muss dem Betroffenen gerade in den Fällen, in denen es möglicherweise zu einer unzulässigen Instrumentalisierung des Steuerstrafverfahrens kam, auch nach dessen rechtskräftigem Abschluss möglich sein. Dies gilt nicht nur im Interesse effektiven subjektiven Rechtsschutzes, sondern auch der objektiv-rechtlichen Kontrolle der Verständigungspraxis. Soweit der Betroffene daher erfolgreich die Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung geltend macht, rechtfertigt dies allein nicht die nachträgliche Festsetzung oder Verschärfung von Auflagen. Einen „Vertrauensschutz“ zugunsten der staatlichen Stellen, der dazu führt, dass der Betroffene die für ihn belastenden Elemente einer objektiv rechtswidrigen Gesamtbereinigung nicht isoliert anfechten dürfte, gibt es in diesem Fall bereits deswegen nicht, da sich auf Treu und Glauben nur berufen kann, wer sich seinerseits rechtstreu verhalten hat239. Wenn allerdings der Betroffene nach Feststellung der Unwirksamkeit der zunächst abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung Steuernachzahlungen auf korrigierter Grundlage verweigert, kann dieses Verhalten strafrechtlich über die nachträgliche Festsetzung von Auflagen sanktioniert werden.

III. Zwischenergebnis Im Rahmen der Gesamtbereinigung ist für die Frage, ob ein im Steuerstrafverfahren bestehendes Beweisverwertungsverbot auf das Besteuerungsverfahren durchschlägt, darauf abzustellen, ob das entsprechende Verwertungsverbot einen typisch strafprozessualen Charakter hat oder einem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht bzw. ob eine gesetzmäßige Besteuerung vorrangig ist oder eine rechtswidrige Wahrheitserforschung ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht. Namentlich ein Verstoß gegen § 136a StPO führt auch zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren. Da die Gesamtbereinigung rechtlich lediglich die Verknüpfung der Abschlüsse, keine Verschmelzung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren beinhaltet, gilt insoweit für die Gesamtbereinigung nichts anderes als für die isolierte Durchführung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren. Stellt sich die zur Erledigung des Besteuerungsverfahrens getroffene tatsächliche Verständigung nachträglich als unwirksam heraus, rechtfertigt dies weder eine Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Steuerstrafverfahrens noch für sich genommen die Sanktionierung durch Auflagen im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung oder Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO.

238 239

Vgl. oben C.II.3. Vgl. oben 4. Kapitel, E.III.2.

304

6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

F. Tatsächliche Probleme der Gesamtbereinigung F. Tatsächliche Probleme

Nach dem soeben Gesagten ist bereits nach gegenwärtiger Rechtslage die Durchführung einer Gesamtbereinigung möglich, bei der die Abschlüsse von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren miteinander verknüpft werden und im Steuerstrafverfahren die Kooperation des Betroffenen im Besteuerungsverfahren zu seinen Gunsten berücksichtig wird. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen eine solche Vorgehensweise bestehen insofern nicht. Probleme können sich allerdings auch im tatsächlichen Bereich ergeben.

I. Informalität von Verständigungen Probleme ergeben sich insbesondere, ähnlich wie bei der isolierten Höchststrafenabrede im Strafverfahren, aus der „Unmöglichkeit, Informelles zu formalisieren“240. Im Vergleich mit formalisierten hoheitlichen Verfahren, insbesondere der öffentlichen strafrechtlichen Hauptverhandlung, bieten Gespräche, die zumindest faktisch von einer Gleichordnung der Verfahrensbeteiligten ausgehen, den Beteiligten wesentlich vielfältigere Kommunikationsmöglichkeiten. Mit den Kommunikationsmöglichkeiten steigen auch die Möglichkeiten zur Einflussnahme und damit letztlich auch die Gefahr der unzulässigen Beeinflussung eines Beteiligten durch den anderen. Im Zusammenhang mit Höchststrafenabreden im Strafverfahren wurde in diesem Zusammenhang insbesondere auf die „Sanktionenschere“, die Diskrepanz zwischen dem für den Fall einer Höchststrafenabrede und dem für den Fall „streitiger“ Verhandlung in Aussicht gestellten Strafmaß hingewiesen. Da auch bei den Vorgesprächen zu einer Höchststrafenabrede nicht mit einer überhöhten Strafe gedroht werden oder der Angeklagte durch das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden darf241, dürfen die vom Gericht ernsthaft aufgezeigten Strafgrenzen nicht so weit auseinander fallen, dass die Willensfreiheit des Angeklagten ungebührlich beeinträchtigt wird242. Die besondere Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme ergibt sich aber daraus, dass allein der Hinweis auf die möglichen Vorteile einer Höchststrafenabrede für den Abgeklagten zugleich Nachteile bei deren Scheitern impliziert243. Die rechtlich klar definierten Grenzen zwischen dem zulässigen „Rechtsgespräch“ und der unzulässigen Drohung können daher im Einzelfall tatsächlich fließend sein, wenn es um mündliche Erörterungen zwischen den Beteiligten und die Auslegung der dabei getätigten Aussagen geht. 240

Vgl. zu dieser Formulierung den Titel des Aufsatzes von Hamm, Meyer-Goßner-FS, S. 33. BGH, Urt. v. 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (204). 242 BGH, Beschl. v. 09.06.2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 424 (427). 243 Vgl. Weigend, BGH-FG, S. 1011 (1030 f.): Angebot einer Strafmilderung und Drohung mit einer Strafschärfung als „zwei Seiten derselben Medaille“; ähnlich Weider, StraFo 2003, 406 (408); ausführlich zu der Druckwirkung eines solchen Hinweises Graumann, S. 262 ff. 241

F. Tatsächliche Probleme

305

In ähnlicher Weise wie bei der Höchststrafenabrede besteht auch bei der Vorbereitung einer Gesamtbereinigung die Gefahr unzulässiger Einflussnahme. Probleme ergeben sich insofern nicht erst dann, wenn ein Verfahrensbeteiligter die eingeschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung vertraulicher Erörterungen gezielt missbraucht. Auch ungewollt missverständliche Aussagen können, gegebenenfalls zusammen mit bestimmten Erwartungshaltungen des Adressaten, im Ergebnis eine unzulässige Einflussnahme bewirken244. Eine solche unzulässige Einflussnahme würde nicht nur den Bestand der Gesamtbereinigung als solcher in Frage stellen, sondern wäre auch rechtsstaatlich nicht hinnehmbar. Da eine Gesamtbereinigung, wie gesehen, durchaus auch im Interesse des Betroffenen sein kann, kann ihr allein die abstrakte Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme nicht entgegen stehen245. Wenn sich die staatlichen Stellen entschließen, von sich aus die Initiative zur Durchführung einer Gesamtbereinigung zu ergreifen, muss dies allerdings in einer Art und Weise geschehen, die bereits den Anschein einer Drohkulisse vermeidet. Daher erfordert, auch wenn die Informalität von Verständigungen vordergründig die Kommunikation zwischen den Beteiligten erleichtert, gerade diese vordergründige Leichtigkeit den Beteiligten in Wirklichkeit eine besondere Sorgfalt und gegebenenfalls Zurückhaltung ab. Ob bestimmte Aussagen sich als zulässiger Hinweis oder als unzulässige Einflussnahme darstellen, lässt sich wegen der mit der Informalität verbundenen Vielgestalt möglicher Verfahrenssituationen grundsätzlich nur anhand der konkret-individuellen Umstände des jeweiligen Falls beurteilen. Abstrakt-generelle Aussagen sind insofern – von Evidenzfällen abgesehen – nur sehr eingeschränkt möglich. Um den Eindruck der „Sanktionenschere“ zu vermeiden, erscheint es allerdings geboten, dass die staatlichen Stellen, wenn sie eine Gesamtbereinigung anregen, den Betroffenen zunächst lediglich in abstrakter Form auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses und von Steuernachzahlungen hinweisen. Sobald der Betroffene erklärt, dass er an einer kooperativen Gesamtbereinigung nicht interessiert ist, sollten weitere diesbezügliche Erörterungen, insbesondere das Aufzeigen konkreter Straferwartungen, unterbleiben246.

II. Unzureichende Dokumentation der Vorverhandlungen Zu praktischen Schwierigkeiten können die auch an die vermeintlich informelle Kommunikation der Beteiligten zu stellenden Anforderungen insbesondere deswegen führen, weil sowohl im Besteuerungs- als auch im Steuerstrafverfahren regelmäßig nur die Ergebnisse einer Verständigung, nicht aber die zu diesen Ergebnissen führenden Erörterungen dokumentiert werden. Aus dem Ergebnis als solchem ergibt sich regelmäßig nicht, ob etwa einer bestimmten Strafzumessung 244 245 246

Vgl. bereits oben 5. Kapitel, A.II.2.d). Vgl. bereits oben 5. Kapitel, A.II.1. Vgl. Salditt, ZStW 115 (2003), 570 (579).

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6. Kap.: Konzept der Gesamtbereinigung

rechtsfehlerfreie Erwägungen zugrunde liegen oder aus welchen Motiven der Betroffene bei einer Verständigung oder Absprache mitgewirkt hat. Werden Inhalt oder Wirksamkeit einer Verständigung nachträglich in Frage gestellt, bestehen daher regelmäßig Beweisschwierigkeiten247, die sich – abhängig von der konkreten Verfahrenssituation – sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil eines Beteiligten auswirken können. Dies gilt insbesondere für den Fall mündlicher Erörterungen zwischen den Beteiligten. Die Aussicht auf einen zeitnahen und vermeintlich „unkomplizierten“ Verfahrensabschluss mag es mitunter nahe legen, bereits im Vorfeld auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften zu verzichten. Der Gang dieser Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass für Verständigungen im Besteuerungsverfahren ebenso wie im Steuerstrafverfahren bindende Verfahrensordnungen existieren. Die Einhaltung dieser Verfahrensordnungen ist (revisions-)gerichtlich überprüfbar, sie bzw. – soweit möglich – der Verzicht der Beteiligten hierauf muss daher bei Streit über Inhalt oder Wirksamkeit einer Verständigung nachgewiesen werden können. Je weniger eine Verständigung dokumentiert ist, umso eher können Inhalt oder Wirksamkeit dieser Verständigung Gegenstand neuer Auseinandersetzungen werden248, wodurch die Prozessökonomie als das zentrale Motiv jeder Verständigung in ihr Gegenteil verkehrt würde. Insofern sollten die einer Gesamtbereinigung zugrunde liegenden Erwägungen ebenso wie deren Ergebnis dokumentiert und aktenkundig gemacht werden, um den Anschein unzulässiger Einflussnahme oder eines „Ablasshandels“ zu vermeiden249.

G. Zusammenfassung G. Zusammenfassung

Eine Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren entspricht regelmäßig den Interessen aller Beteiligten, der staatlichen Stellen ebenso wie des Betroffenen. Eine Verknüpfung der Abschlüsse von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist bei einer Höchststrafenabrede im Steuerstrafverfahren durch Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung im Besteuerungsverfahren bei der Zusage einer Strafobergrenze, bei Erlass eines Strafbefehls durch Auflagen gemäß § 56b StGB und bei Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 153a StPO durch die dort vorgesehenen Auflagen möglich. Mangels einer besonderen gesetzlichen Grundlage besteht bei der Durchführung einer Gesamtbereinigung eine Bindung nicht nur an die für das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren in formeller und materieller Hinsicht bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben, sondern auch in vollem Umfang an die einfachgesetzlichen Regelungen insbesondere der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuchs, der Abgabenordnung und der Einzelsteuergesetze. Dass im Besteuerungsverfahren eine tatsächliche Ver247 248 249

Vgl. oben 4. Kapitel, E.III.3. Vgl. Reiß, Grünwald-FS, S. 495 (504 f.). Vgl. Kohlmann – Kohlmann, § 385 AO, Rn 514 zu strafprozessualen Verständigungen.

G. Zusammenfassung

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ständigung getroffen wird, ist zwar nicht zwingend erforderlich, aber zumindest aus Sicht der Finanzbehörden vorteilhaft. Unzulässig ist es hingegen, eine Gesamtbereinigung derart zu versuchen, dass ein bestimmter Abschluss des Steuerstrafverfahrens von einer Einspruchsrücknahme bzw. einem Einspruchsverzicht im Besteuerungsverfahren abhängig gemacht oder bei Entgegenkommen des Betroffenen im Besteuerungsverfahren trotz Anfangsverdachts bereits von der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens abgesehen wird. Besondere Schwierigkeiten treten auf, wenn eine Gesamtbereinigung mit mehreren Betroffenen oder unter Einbeziehung von Nichtsteuerstraftaten herbeigeführt werden soll. Vielfach werden sich im Zusammenhang mit einer Gesamtbereinigung jedoch weniger rechtliche als tatsächliche Probleme ergeben. Die sorgfältige Dokumentation des Zustandekommens einer Gesamtbereinigung ist insofern von besonderer Bedeutung.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Es ist grundsätzlich zutreffend, dass Steuerstrafverfahren gegenüber „klassischen“ Strafverfahren typischerweise strukturelle Unterschiede aufweisen, die eine konsensuale Erledigung begünstigen1. Keinesfalls stehen dabei aber die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafbemessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, im Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts. Auch bei Urteilen, die auf Höchststrafenabreden beruhen, ist daher die Möglichkeit effektiver revisionsgerichtlicher Kontrolle unverzichtbar2. Die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vorgesehene Gelegenheit der Finanzbehörde zur Stellungnahme bei Höchststrafenabreden in Steuerstrafsachen besteht nach dem Gesetzeswortlaut erst nach Bekanntgabe der möglichen Strafober- bzw. -untergrenzen und des übrigen Inhalts einer möglichen Verständigung. Eventuelle Einwände der Finanzbehörde gegen den vom Gericht vorgegebenen Inhalt der Verständigung werden damit nur relevant, soweit sie vom Angeklagten oder von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen werden3. Bei Höchststrafenabreden besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass das Gericht seiner Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit nur unzureichend nachkommt. Dies kann insbesondere dann von Bedeutung werden, wenn ein „konsensuales“ Urteil Teil einer Gesamtbereinigung sein soll4. Die Feststellungen der Strafgerichte zum Tatvorwurf, insbesondere zu den verwirklichten Besteuerungstatbeständen, können grundsätzlich auch im Besteuerungsverfahren verwertet werden. Die besondere Richtigkeitsgewähr strafgerichtlicher Feststellungen ist bei konsensualen Urteilen aber erschüttert. Daher können die Feststellungen konsensualer Urteile im Besteuerungsverfahren richtigerweise nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls und, soweit sie maßgeblich auf dem Geständnis des Angeklagten beruhen, nur nach einer Überprüfung anhand weiterer Indizien berücksichtigt werden5. Die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO und das Strafbefehlsverfahren sind im Steuerstrafrecht von erheblicher Bedeutung. Auch die Erledigung des Steuerstrafverfahrens durch Einstellung gemäß § 153a StPO schließt allerdings die Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren 1 2 3 4 5

Vgl. 1. Kapitel, F. Vgl. 2. Kapitel, A.II.2. Vgl. 2. Kapitel, A.III.3. Vgl. 2. Kapitel, B.III. Vgl. 2. Kapitel, C.IV.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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nicht aus. Dem stehen weder die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung noch die Unschuldsvermutung und der beschränkte Strafklageverbrauch entgegen6. Solange eine effektive Mitwirkung des Gerichts rechtlich und tatsächlich gesichert ist, ist die Erledigung von Steuerstrafverfahren durch Einstellung gemäß §§ 153, 153a StPO bzw. § 398 AO auch dann nicht zu beanstanden, wenn die Finanzbehörde die Ermittlungen selbständig führt7. Die teilweise unsichere und unklare Kompetenzverteilung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist für den Beschuldigten ambivalent zu beurteilen. Verstöße gegen die Kompetenzordnung der §§ 386 ff. AO stellen regelmäßig den Bestand einer Verständigung bzw. die Wirksamkeit des angestrebten Verfahrensabschlusses in Frage8. Weiterhin unzulässig sind Absprachen im Ermittlungsverfahren, die darauf hinauslaufen, das Ergebnis der Hauptverhandlung vorwegzunehmen. Sie können keine Bindungswirkung entfalten und kommen daher als belastbarer Bestandteil einer Gesamtbereinigung kaum in Betracht9. Die tatsächliche Verständigung wurde erstmals 1925 als lediglich faktisches Phänomen beschrieben, allerdings noch vom Reichsfinanzhof als Rechtsinstitut etabliert10. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur tatsächlichen Verständigung war zunächst recht inkonsistent11. Den qualitativen Durchbruch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs brachte die Grundsatzentscheidung des achten Senats des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 11.12.1984 – VIII R 131/76, nach der im Steuerrecht – insbesondere in Schätzungssachen – eine tatsächliche Verständigung über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände zulässig und bindend ist12. Die Anerkennung der tatsächlichen Verständigung lässt den Grundsatz der einseitig-hoheitlichen Sachverhaltsermittlung im Steuerrecht unberührt13. Eine Kooperationsmaxime im Sinne partnerschaftlicher Gleichordnung von Finanzbehörde und Steuerpflichtigem ist dem Steuerrecht fremd14. Die Rechtsnatur der tatsächlichen Verständigung ist umstritten, ihre Bindungswirkung wird vom Bundesfinanzhof aus dem Grundsatz von Treu und Glauben15, von der überwiegenden Meinung in der Literatur aus den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Vertrags hergeleitet16. Im Steuerrecht besteht allerdings ein Vertragsformverbot17. Vor allem aber enthält die tatsächliche Verständigung weder

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Vgl. 3. Kapitel, A.V. Vgl. 3. Kapitel, B.IV. Vgl. 3. Kapitel, C.V. Vgl. 3. Kapitel, D. Vgl. 4. Kapitel, A. I. Vgl. 4. Kapitel, A.II.3. Vgl. 4. Kapitel, A.III. Vgl. 4. Kapitel, A.IV. Vgl. 4. Kapitel, A.V. Vgl. 4. Kapitel, B. I. Vgl. 4. Kapitel, B.II. Vgl. 4. Kapitel, B.III.1.

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

eine Vereinbarung über einen Steueranspruch18 noch einen prozessualen Vertrag19, sondern stellt der Sache nach eine einvernehmliche Schätzung durch übereinstimmende Wissenserklärungen dar, so dass die auf eine tatsächliche Verständigung gerichteten Erklärungen als Tatsachenbehauptungen auch Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO enthalten können20. Die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren wird mitunter als Vorläuferin bzw. Wegbereiterin der Höchststrafenabrede im Strafverfahren angesehen, tatsächlich vereint die Höchststrafenabrede jedoch Elemente der tatsächlichen Verständigung und der verbindlichen Zusage21. Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung ist die Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen möglich und erforderlich. Für eine bindende tatsächliche Verständigung auch über Rechtsfragen besteht kein Bedürfnis, sie wäre mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren22. Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist eine tatsächliche Verständigung nur in Fällen zulässig, in denen eine (objektiv) erschwerte Sachverhaltsermittlung gegeben ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden müssen23. Die tatsächliche Verständigung darf darüber hinaus nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen24. In formeller Hinsicht erfordert die tatsächliche Verständigung die persönliche Mitwirkung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers, eine nachträgliche Genehmigung einer tatsächlichen Verständigung ist ausgeschlossen. Die tatsächliche Verständigung bedarf keiner besonderen Form, die Form kann jedoch ein Indiz für den Bindungswillen der Beteiligten sein25. Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, besteht im Ergebnis allerdings auch im finanzgerichtlichen Verfahren, da bei zutreffender Umsetzung der tatsächlichen Verständigung jedenfalls eine subjektive Rechtsverletzung im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ausgeschlossen ist26. Das nachträgliche Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel lässt zwar eine tatsächliche Verständigung unberührt, führt jedoch unter den Voraussetzungen des § 173 AO zur Änderung des auf ihrer Grundlage ergangenen Steuerbescheids27. Motivirrtümer der Beteiligten bei der tatsächlichen Verständigung sind grundsätz18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

Vgl. 4. Kapitel, B.III.2.a). Vgl. 4. Kapitel, B.III.2.b). Vgl. 4. Kapitel, B.III.2.c). Vgl. 4. Kapitel, B.IV. Vgl. 4. Kapitel. C. I.4. Vgl. 4. Kapitel, C.II. Vgl. 4. Kapitel, C.III. Vgl. 4. Kapitel, D. Vgl. 4. Kapitel, E. I.2.b). Vgl. 4. Kapitel, E.II.

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lich unbeachtlich, im Falle arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung ist die tatsächliche Verständigung jedoch nichtig28. Eine wirksam zustande gekommene tatsächliche Verständigung kann auch nicht einvernehmlich wieder aufgehoben werden29, eine aufschiebend bedingte tatsächliche Verständigung ist ausgeschlossen30. Eine tatsächliche Verständigung kann auch nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens getroffen werden31, es liegt dann jedoch eine unzulässige Einflussnahme auf den Steuerpflichtigen vor, wenn ihm für den Fall des Zustandekommens bzw. des Nichtzustandekommens einer tatsächlichen Verständigung steuerstrafrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, die steuerstrafrechtlich nicht vorgesehen sind, oder wenn Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden zusammenwirken, um unhaltbare Steueransprüche durchzusetzen32. Dem Koppelungsverbot kommt hingegen nur eine geringe Bedeutung zu33. Es stellt auch keine unzulässige Beeinflussung des Steuerpflichtigen dar, wenn ihm für den Fall des Scheiterns einer tatsächlichen Verständigung im Besteuerungsverfahren eine Schätzung in Aussicht gestellt wird34. Im laufenden Steuerstrafverfahren lässt die tatsächliche Verständigung die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung unberührt35, sie stellt auch keine Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB dar36, ist jedoch als Schadenswiedergutmachung gemäß § 46 Abs. 2 StGB strafmildernd zu berücksichtigen37. Die tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren stellt im Steuerstrafverfahren kein Geständnis im strafprozessualen Sinn dar. Ihr kommt allenfalls eine – auf den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung beschränkte – Indizfunktion zu38. Die Nichteinhaltung einer tatsächlichen Verständigung ist nicht strafbar39. Für den Taterfolg einer Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung ist auf die nachfolgende Steuerfestsetzung abzustellen40. In der Gesamtbereinigungssituation ist für die Frage, ob und inwieweit im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Angaben gemacht werden, auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen41. Als Tathandlung einer Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung kommen regelmäßig nur unzutreffende Angaben zu Schätzungsgrundlagen und un28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Vgl. 4. Kapitel, E.III. Vgl. 4. Kapitel, E.IV. Vgl. 4. Kapitel, E.V. Vgl. 5. Kapitel, A. I. Vgl. 5. Kapitel, A.II.3. Vgl. 5. Kapitel, A.III. Vgl. 5. Kapitel, B.V. Vgl. 5. Kapitel, C. I. Vgl. 5. Kapitel, C.II.1.c). Vgl. 5. Kapitel, C.II.2. Vgl. 5. Kapitel, D.III. Vgl. 5. Kapitel, E. I. Vgl. 5. Kapitel, E.II. Vgl. 5. Kapitel, E.IV.1.

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zutreffende Wahrscheinlichkeitsüberlegungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen in Betracht42. Kausal für den Hinterziehungserfolg sind die Angaben des Steuerpflichtigen erst dann, wenn sie eine zutreffende Schätzung der Besteuerungsgrundlagen verhindern43. Demgegenüber ist die Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO suspendiert, soweit ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist44. Im Verhältnis zur ursprünglichen Steuerhinterziehung stellt die Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung in der Gesamtbereinigungssituation eine selbständige Tat dar45. Eine Strafbarkeit der an der tatsächlichen Verständigung beteiligten Amtsträger der Finanzbehörden nach § 370 AO ist richtigerweise ausgeschlossen46. Ebenso wie die anderen Beteiligten, den Steuerpflichtigen ausgenommen, können sie sich jedoch wegen Begünstigung gemäß § 369 AO, § 257 StGB, Strafvereitelung gemäß § 258 StGB bzw. Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB und Untreue gemäß § 266 StGB strafbar machen. Eine Strafbarkeit wegen Abgabenüberhebung gemäß § 353 StGB wird hingegen regelmäßig ausscheiden47. Die Durchführung einer Gesamtbereinigung wird vielfach im Interesse aller Beteiligten liegen und typischerweise darauf hinauslaufen, dass der Betroffene Zugeständnisse im Besteuerungsverfahren macht, um dadurch einen vergleichsweise vorteilhaften Abschluss des Steuerstrafverfahrens zu erreichen48. Aus Sicht aller Beteiligten besteht allerdings ein Bedürfnis nach möglichst verbindlichen verfahrensübergreifenden Verständigungen. Die Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren ist nur über den Abschluss des Steuerstrafverfahrens möglich, bei der Höchststrafenabrede unmittelbar, indem der Abschluss des Besteuerungsverfahrens der Höchststrafenzusage zugrunde gelegt wird, bei Verhängung einer Freiheitsstrafe im Strafbefehlsverfahren und bei der Einstellung des Steuerstrafverfahrens mittelbar über § 56b Abs. 3 StGB bzw. § 153a Abs. 1 Satz 4 StPO49. Die unterschiedliche Rechtsstellung des Betroffenen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren steht der Zulässigkeit einer Gesamtbereinigung regelmäßig nicht entgegen50. Aufgrund der unterschiedlichen Zwecke von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren kann der steuerrechtliche Eingriff den strafrechtlichen grundsätzlich nicht kompensieren. Ein durch die Strafgesetze nicht gerechtfertigtes Entgegenkommen der staatlichen Stellen im Steuerstrafverfahren und eine durch die Steuergesetze nicht gerechtfertigte Inanspruchnahme des Betroffenen im Besteuerungsverfahren begründen vielmehr doppeltes Unrecht, indem sowohl gegen den Grundsatz der Schuldangemessenheit der Strafe als auch gegen den Grundsatz der 42 43 44 45 46 47 48 49 50

Vgl. 5. Kapitel, E.IV.2. Vgl. 5. Kapitel, E.IV.3. Vgl. 5. Kapitel, E.V. Vgl. 5. Kapitel, E.VI.3. Vgl. 5. Kapitel, E.VII. Vgl. 5. Kapitel, E.VIII. Vgl. 6. Kapitel, A. Vgl. 6. Kapitel, B. Vgl. 6. Kapitel, C. I.

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Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verstoßen wird51. Auch der Zusammenhang von Verfahrensgarantien und Rechtsverwirklichung, die materiell-rechtliche Dimension der Verfahrengestaltung, schließt die Durchführung einer Gesamtbereinigung durch Kombination einer strafprozessualen Verständigung und einer tatsächlichen Verständigung nicht zwingend aus52. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren gilt, dass die steuerlichen Aspekte nicht mehr strafbefangener Steuerhinterziehungen in eine Gesamtbereinigung nur einbezogen werden können, wenn die Steuerhinterziehungen steuerstrafrechtlich in der Strafzumessung bzw. im Fall der Einstellung gemäß § 153a StPO bei der Entscheidung über die Schwere der Schuld berücksichtigt werden sollen und entsprechende strafrechtlich verwertbare Feststellungen getroffen werden konnten53. Die Gesamtbereinigung durch zwei förmliche Verständigungen im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren ist gegenüber anderen Formen der Gesamtbereinigung vorzugswürdig. Eine Gesamtbereinigung ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn in beiden Verfahren mehrere Betroffene beteiligt sind oder Steuerpflichtiger und Beschuldigter nicht identisch sind. Die Einbeziehung von Nichtsteuerstraftaten wird eine Gesamtbereinigung zumindest erheblich komplizieren54. Für die Auswirkungen von Fehlern in einem der beiden Verfahren auf das andere Verfahren gilt grundsätzlich nichts anderes als bei deren isolierter Erledigung55. Die Schwierigkeiten einer Gesamtbereinigung liegen weniger im rechtlichen als im tatsächlichen Bereich.56

51 52 53 54 55 56

Vgl. 6. Kapitel, C.II. Vgl. 6. Kapitel, C.III. Vgl. 6. Kapitel, C.IV. Vgl. 6. Kapitel, D. Vgl. 6. Kapitel, E. Vgl. 6. Kapitel, F.

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Sachverzeichnis Abgabenüberhebung 252 Ablasshandel 306 Absprache vor der Hauptverhandlung 107 Adhäsionsverfahren 260, 266 allgemeiner Gleichheitssatz 271 Amtsermittlungsgrundsatz – Beschränkung auf strittige Punkte 166 – im Besteuerungsverfahren 119 – im finanzgerichtlichen Verfahren 165 – im Strafverfahren 19, 134 – Verzicht auf Sachaufklärung 166 Amtsermittlungsgrundsatzrecht gemäß § 244 Abs. 2 StPO im Strafverfahren 206 arglistige Täuschung bei tatsächlicher Verständigung siehe tatsächliche Verständigung: arglistige Täuschung Aufklärungspflicht des Gerichts im Strafverfahren 57 Aussagefreiheit 45, 191, 268 Ausverkauf von Hoheitsrechten 197

– bei Schweigen des Angeklagten 206 – Übernahme der tatschlichen Feststellungen des Strafverfahrens 60 – Verurteilung aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten 295 Bielefelder Formular 270 Bindung der Finanzbehörde an die Höchststrafenabrede – keine Bindung der Finanzgerichte 64 Bindungswirkung – Verständigungen im Ermittlungsverfahren 75 Bußgeld- und Strafsachenstelle 35, 39 – Angliederung an Festsetzungsfinanzämter 37 – behördeninterne Zuständigkeitsregelung 99 – Mitwirkung bei tatsächlicher Verständigung 156 – Mitwirkung eines Vertreters bei der tatsächlichen Verständigung 192

Begünstigung 241, 246 Beschlagnahme 106 Bestechung 297 Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit 272 Besteuerungsverfahren – Festsetzungsverjährung 280 – Masseverfahren 134 – tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang mit Steuerstrafverfahren 255 – Wechselwirkung mit Steuerstrafverfahren 189 – Zweck 271 Betriebsprüfung 96, 173, 180, 244 Beweisverwertungsverbot – im Besteuerungsverfahren 300 – im Steuerstrafverfahren 302 Beweiswürdigung – § 96 Abs. 1 FGO 59, 166 – § 261 StPO 28

doppelspurige Indizkonstruktion 58 dubio pro reo 286 Durchsetzung unhaltbarer Steueransprüche 193, 301 – Berücksichtigung von Einwendungen des Steuerpflichtigen 194 – kein bewusstes Zusammenwirken erforderlich 196 – Mitwirkung des steuerlichen Beraters 194 – nicht nur Evidenzkontrolle 194 Durchsuchung 106 Eingehungsbetrug 221 Eingriffsminimierung 257 – Differenzierung nach Rechtsgütern 258 einseitig-hoheitliches Eingriffshandeln 119 Einspruchsrücknahme 287 Einspruchsverzicht 287 Einstellung gemäß § 153a StPO 183, 256, 264

Sachverzeichnis – Berücksichtigung von Einspruchsverzicht bzw. Einspruchsrücknahme 288 – Durchermittlung der Tat 80 – fehlgeschlagene Verständigung 104 – Feststellung der Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren 81 – Strafklageverbrauch 70, 80, 85, 103 – Verfassungsmäßigkeit 88 Einstellung gemäß § 398 AO – begrenzter Anwendungsbereich 71 Empfängerhorizont der Finanzbehörde 230 Fahndungs- und Strafsachenfinanzamt 37, 40 fehlgeschlagene Gesamtbereinigung 240, 243, 247 Finanzbehörde 72 – Aktenvorlage an Staatsanwaltschaft 35 – behördeninterne Zuständigkeit 99 – Berücksichtigung prozessökonomischer Gesichtspunkte 255 – Beteiligung an der Höchststrafenabrede siehe Höchststrafenabrede: Beteiligung der Finanzbehörde – Dienstaufsicht 94 – Doppelfunktion 36, 38 – Empfängerhorizont 228, 230 – fiskalische Motive 39 – Konkretisierungsspielraum bei Steuerfestsetzung 140 – Konzentration staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Funktionen 101 – selbständige Ermittlungskompetenz 36, 91, 94, 98 – Steuerrichtlinien 141, 229 – Strafzumessungspraxis 72 – unselbständige Ermittlungskompetenz 34, 94 – Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft 95 finanzgerichtliches Verfahren – kein verlängertes Ermittlungs- und Veranlagungsverfahren 168 – objektive Rechtmäßigkeitskontrolle 142, 169 – subjektiver Rechtsschutz 142, 169 Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege 134, 278, 295

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Gemeinschuldnerbeschluss 199 Generalprävention 257, 272 Gesamtbereinigung – Bankenfälle 294 – bei Einstellung gemäß § 153a StPO 265 – bei mehreren Betroffenen 292 – bei Strafbefehl 263 – Dokumentation 306 – Durchführung bei Höchststrafenabrede 261 – gerichtliche Kontrolle 277 – Gesamtbelastung des Betroffenen 258, 276 – Grundtendenz 259 – keine Doppelprivilegierung 275 – „verfahrensvermeidende“ 291 – Zielkongruenz 255 Gesamtstrafenbildung 74 Gesamtvollzug der Steuergesetze 134, 295 Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren 19, 44, 51 gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil bei Absprache mit unzuständiger Behörde 105, 108 Geständnis 60, 217, 284 – Nichtbestreiten nicht ausreichend 61 – Strafmilderungsgrund 52, 107 – Verhandlungsmasse für Strafzumessung 66 – wahrheitswidriges 65 – Widerruf 62, 107 – Widerruf nach vorheriger Absprache 67 Gewerbs- und bandenmäßige Steuerhinterziehung 76 Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung 20, 109, 136, 139, 204, 271, 301 – Bedeutung für Sachverhaltsermittlung 147 Gleichrangigkeit und Gleichzeitigkeit von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren 188, 190, 299 Haftung des Steuerhinterziehers 245, 293 Hinterziehungsvolumen – Strafzumessungsumstand von besonderem Gewicht 73 Höchststrafenabrede 19, 43, 109, 142, 217, 260, 268, 278, 304

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Sachverzeichnis

– „aufgezwungener Deal“ 144 – Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren 59 – Beteiligung der Finanzbehörde 56 – Entscheidung des Großen Strafsenats 49 – gesetzliche Grundlage 51 – Grundsatzentscheidung des 4. Strafsenats 48 – Parallelen und Unterschiede zur tatsächlichen Verständigung 133 – Prognosecharakter der Strafobergrenze 48 – quasivertragliche Vereinbarung 53 – Rechtsmittelverzicht 51, 288 – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 47 – Transparenz des Verfahrens 53 – Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts 54 Idee der Gerechtigkeit 44 in dubio pro reo 204, 216 Informalität von Verständigungen 305 Irrtum über Besteuerungsgrundlagen siehe tatsächliche Verständigung: Irrtum über Besteuerungsgrundlagen Klagerücknahmeversprechen 192, 287 Konzentration der Steuerstrafsachen 24 Kooperationsmaxime 117, 120, 138 kooperative Verantwortungsgemeinschaft 117, 120 Koppelungsverbot 197 Legalitätsgrundsatz 19, 91, 275 – im Besteuerungsverfahren 148 – im Strafverfahren 86, 191, 248 – Strafbefehlsverfahren 88 Legitimation durch Verfahren 275 Legitimationswirkung des Konsenses 275 Lenkungsfunktion der Besteuerung 257 materielles Schuldprinzip 45, 272 Menschenwürde 199, 269, 300 Mitwirkungspflichten – faktische Suspendierung 150, 191, 200, 244 – Verletzung 279

Motivirrtum bei tatsächlicher Verständigung siehe tatsächliche Verständigung: Motivirrtum ne bis in idem 302 Nebenfolgen – Anordnung im selbständigen Verfahren 293 nemo tenetur 199, 245, 266 – kein Recht zur Lüge 285 – keine zwingende Privilegierung von Straftätern 204 – nicht bei freiwilligen Erklärungen 203 – primär strafprozessuales Prinzip 205 – Schätzung im Besteuerungsverfahren siehe Schätzung: keine Zwangswirkung – Suspendierung der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 202, 240 Öffentlichkeitsgrundsatz 86 – Transparenz der Rechtspflege 89 öffentlich-rechtlicher Vertrag im Steuerrecht 124, 162, 174 – Analogie zu §§ 54 bis 62 VwVfG 124 – Unzulässigkeit 127 – „Vakuum des Gesetzes“ 125 – Vertragsformverbot 124 Perpetuierungsunrecht 241 Planungssicherheit 142 Privatautonomie 143, 164 – keine ~ der öffentlichen Hand 124 Prozessökonomie – Begrenzung durch Rechtsstaatsprinzip 296 Prozessvergleich 109 Rechtsanwendungsgleichheit 278, 280 Rechtsgeschäft 127 Rechtskraft 70 Rechtsschutz – durch kooperative Verfahrensteilhabe 143 – Umgehung durch konsensuales Handeln 146, 277 Rechtsstaatsprinzip 80, 84, 119, 272 rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung 31 richterlicher Rechtsfortbildung durch Anerkennung der Verständigung im Strafverfahren 56 Richtervorbehalt 86, 92

Sachverzeichnis – Effektivität im Einzelfall 93 Rücktritt vom eigenen Rettungsversuch 238 – Zusammenfallen von Rücktritt und Rettungsversuch 239 Rücktritt vom strafbaren Versuch 225 Sanktionenschere 66, 304 Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung bei Steuerhinterziehung 245 Schadenswiedergutmachung 212 – friedensstiftende Wirkung 213 – mit besonderen Anstrengungen 210, 214 Schätzung – durch Finanzgericht 167 – Entbehrlichkeit nach tatsächlicher Verständigung 149 – Ermittlungs-, Begründungs- und Dokumentationsaufwand 290 – im Besteuerungsverfahren 148, 174, 198, 204, 238, 239, 289 – im Steuerstrafverfahren 30, 205, 217 – keine Zwangswirkung 207 – Strafschätzung 204 – Unzulässigkeit der Strafschätzung 180 Schlussbesprechung 36 Schwarzarbeit 297 Schwerpunktstaatsanwaltschaft 27 Spezialprävention 272 Staatsanwaltschaft – Berücksichtigung prozessökonomischer Gesichtspunkte 255 – Ermittlungsbeamte 100 – Evokationsrecht 35, 94, 98 – Gesamtverantwortung für das Steuerstrafverfahren 54, 98 – Informationsmöglichkeiten über Verfahren der Finanzbehörde 96 – zeitlicher Umfang des Evokationsrechts 97 – Zusammenarbeit mit Finanzbehörde 95 Steuer gegen Strafe 259, 270 Steueramtsrichter 27 Steuerbescheid – Bestandskraft 174 Steuerfahndung 29, 35, 40, 100, 102, 173, 180 – Doppelfunktion für das Besteuerungsund Steuerstrafverfahren 102, 256 – Mitwirkung bei tatsächlicher Verständigung 155

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– negativer Befugniskatalog 101 Steuergeheimnis 77, 202 Steuerhinterziehung – als Gefährdungsdelikt 224 – bei abweichender Rechtsauffassung 228 – besonders schwerer Fall 281 – Bezugnahme auf materielles Steuerrecht 26 – durch Finanzbeamte 245 – Erfolgsdelikt 222 – Erschleichen eines unrichtigen Fetststellungsbescheids 222 – Exklusivitätsverhältnis zur Begünstigung 241 – Feststellung im Besteuerungsverfahren 79, 85, 257 – fremdnützige 293 – geschütztes Rechtsgut 40 – Gleichwertigkeit der Steuerverkürzung und des anderen nicht gerechtfertigten Steuervorteils 223 – „grüner Ausgang“ 229 – mittelbare Täterschaft 286 – Nachtatverhalten 208 – nicht bei bloßer Nichtzahlung 221 – steuerlich erhebliche Tatsachen 226 – subjektiver Tatbestand 218, 232 – Tateinheit mit Begünstigung 242 – tatsächliche Verständigung kein anderer nicht gerechtfertigter Steuervorteil 224 – Verjährung 240 – Versuch 232, 234, 236 – Vollendung 208 – Wahrscheinlichkeitsüberlegung als konkludente Tatsachenbehauptung 234 – wiederholte ~ 242 Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung 139, 173, 244, 283 – Angaben über Schätzungsgrundlagen 232 – Angaben über steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen 237 – Angaben über steuermindernde Tatsachen 238 – Auslegung der Erklärungen des Steuerpflichtigen 227 – bestimmte Angaben über Besteuerungsgrundlagen 232 – bestimmte Angaben über Indizien 231

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Sachverzeichnis

– Bezugnahme auf Beweismittel 235 – Empfängerhorizont der Finanzbehörde 230 – Kausalität für die Steuerverkürzung 227, 239 – Kausalität unrichtiger oder unvollständiger Angaben 237 – mitbestrafte Nachtat 240 – nachfolgende Steuerverkürzung maßgeblicher Taterfolg 224, 226 – Tatmehrheit mit Begünstigung 247 – Versuch 225 – Wahrscheinlichkeitsüberlegungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen 233 Steuernachzahlung 201, 261 – Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten 262 – für nicht strafbefangene Jahre 211 – nicht strafbefangene Veranlagungszeiträume 281 – Strafmilderungsgrund 74, 215 Steuerpflichtiger – Auskunfts- und Beweismittel in eigener Sache 119 Steuerstrafverfahren – Absehen von Einleitung 291 – Aussetzung bis zum Abschluss des Besteuerungsverfahrens 188 – Berücksichtigung verjährter Taten 282 – Druckwirkung 186, 260 – Erledigungspraxis 72 – kein Drohmittel 190 – tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang mit Besteuerungsverfahren 255 – Verfolgungsverjährung 281 – Vorfragenkompetenz des Strafrichters 216 – Wechselwirkung mit Besteuerungsverfahren 189 – Wiederaufnahme 260 – Zäsurwirkung der Einleitung 244 Steuerverkürzung 26 – Berechnungsdarstellung 29 – Entbehrlichkeit der Berechnungsdarstellung 30 Steuervorteil, nicht gerechtfertigter 26 Strafanspruch des Staates 272 Strafbefehl 261 – Anerbieten zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung 263

– Antragstellung durch Finanzbehörde 77, 96 – Besonderheiten bei vorangegangener Verständigung 78 – Entlastung der Justiz 88 – fehlgeschlagene Verständigung 104 – Geständnisfiktion 105 – Interesse des Angeschuldigten 89 – Rechtskraft 70, 78 – Steuernachzahlung als Bewährungsauflage 262 – Verfassungsmäßigkeit 90 – Verwertung im Besteuerungsverfahren 78, 263 strafbefreiende Selbstanzeige 41, 201, 225 – abschließende Sonderregelung 211 – „gescheiterte Selbstanzeige“ 211 – persönlicher Strafaufhebungsgrund 209 Strafmakel 258 Strafrichtermonopol 83 Strafvereitelung 247 – im Amt 248, 292 Tateinheit 242, 247 Täter-Opfer-Ausgleich 210 – kein ~ im Steuerstrafrecht 214 – Konfliktbewältigung 213 – Opferschutz 212 tatsächliche Verständigung – Abweichung als subjektive Rechtsverletzung 169 – Ähnlichkeit mit zivilrechtlichem tatsächlichem Anerkenntnis 157 – als öffentlich-rechtlicher Vertrag 123 – als Steuerstraftat siehe Steuerhinterziehung durch tatsächliche Verständigung – als Weg zu einer konsensualen Erledigung des Besteuerungsverfahrens 109 – ältere Rechtsprechug des BFH 114 – Anfechtung 123 – arglistige Täuschung 179 – Ausschluss subjektiver Rechtsverletzung 169 – Auswirkungen neuer Erkenntnisse und Beweismittel 172 – bedingungsfeindlich 183 – Beschreibung als faktisches Phänomen durch den RFH 110

Sachverzeichnis – Bindungswirkung 225, 234 – Bindungswirkung für Finanzgerichte 164 – Bindungswirkung nach Treu und Glauben 122, 162 – einvernehmliche Auflösung 182 – einvernehmliche Schätzung 133, 217 – erschwerte Sachverhaltsermittlung 147, 279 – Etablierung als Rechtsinstitut durch den RFH 111 – faktische Auswirkungen auf das Steuerstrafverfahren 219 – faktische Bindungswirkung 219 – Fehler bei der Niederlegung 177 – fehlgeschlagene 159 – Feststellung der Voraussetzungen 149 – Finanzverfassungsrecht 158 – Form als Indiz für Bindungswillen 160, 181 – Formvorgaben der Finanzbehörden 161 – „gemischte Fragen“ 139 – Gestaltungsinstrument des Steuerpflichtigen 144 – gleichheitsrechtliche Rechtfertigung 278 – Grundsatzentscheidung des VIII. Senats 117 – Hinweis auf steuerstrafrechtliche Folgen 191 – in Schätzungsfällen 150 – Irrtum über Besteuerungsgrundlagen 176 – kein Geständnis im Sinne der Strafprozessordnung 218 – kein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis 151 – kein prozessualer Vertrag 130 – keine Drittwirkung 157 – keine gesetzliche Regelung 109 – keine Teil(un)wirksamkeit 163 – keine Vereinbarung über den Steueranspruch 128 – Mitwirkung des Finanzgerichts 154, 168 – Mitwirkung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers 154 – Motivirrtum 177 – nach Strafurteil bzw. Strafbefehl 150 – nachträglich bekannt gewordene Unwirksamkeit 175

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– nachträgliche Genehmigung 156 – Nachweis unzulässier Druckausübung 181 – nicht strafbefangene Veranlagungszeiträume 282 – Nichteinhaltung 220 – objektivierte Ungewissheit 147 – Parallelen und Unterschiede zur Höchststrafenabrede 133 – Rechtsnatur 133 – schlicht unzutreffende Ergebnisse 275 – Strafmilderungsgrund 215 – strafprozessrechtliche Bedeutung 216 – über zivilrechtliche Vorfragen 136 – Überwindung der Bindungswirkung 174 – Unterscheidbarkeit von Tatsachen- und Rechtsfragen 138 – Verzicht auf ~ 284, 289 – widerrechtliche Drohung 179, 267, 277 – Willensmängel 176 – Wirkung für und gegen Rechtsnachfolger 158 – Zweck 132, 182 Umsatzsteuerkarussellgeschäfte 33 Unschuldsvermutung 79, 80 – Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips 81 – Schuldfeststellung außerhalb des Strafverfahrens 83, 85 Untersuchungshaft 106 – als Druckmittel für das Besteuerungsverfahren 192 Unterwerfungsverfahren 86, 90 Untreue 248, 293, 297 – besonders schwerer Fall 251 – Vergleichsvertrag als risikobehaftetes Handeln 249 verbindliche Auskunft 137 Verbot der Doppelbestrafung 251 Verbot des widersprüchlichen Verhaltens 163 Verbot unzulässiger Willensbeeinflussung 269 verdeckte Gewinnausschüttung 297 Verfahrensgarantien und Rechtsverwirklichung 275 Verfahrensgestaltung – materiell-rechtliche Dimension 278, 280

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Sachverzeichnis

verfahrensmäßige Richtigkeitsgewähr 58, 67 – Entwertung durch konsensuales Verwaltungshandeln 146 – Verlust bei Höchststrafenabrede 68, 275 Verjährung – im Besteuerungsverfahren siehe Besteuerungsverfahren: Festsetzungsverjährung – im Steuerstrafverfahren siehe Steuerstrafverfahren: Verfolgungsverjährung Verknüpfung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren 188, 260 – „Ablasshandel“ 291 – grundsätzlich zulässig 189 – zweckwidrige 145 Vernehmung des Angeklagten – als Gewährung rechtlichen Gehörs 206 Verständigung im Erhebungs- und im Vollstreckungsverfahren 257

Verteidigungsmacht 32 Vertrauensschutz 80 Vorenthalten von Arbeitsentgelt 297 Wechselbezüglichkeit von Handlungsform und Handlungsinhalt, 129 white collar crime 34 widerrechtliche Drohung bei tatsächlicher Verständigung siehe tatsächliche Verständigung: widerrechtliche Drohung Willensmängel bei tatsächlicher Verständigung siehe tatsächliche Verständigung: Willensmängel Wirtschaftsstrafkammer 24, 27 Zwangsvollstreckung 257 Zweckrichtigkeit von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren 190, 267, 281