Götter für die Toren: Die Verbindung Von Götterpolemik Und Weisheit Im Alten Testament 3110364107, 9783110364101

Manfred Lautenschlaeger Award for Theological Promise 2016 ! Die alttestamentliche Polemik gegen andere Götter und deren

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Götter für die Toren: Die Verbindung Von Götterpolemik Und Weisheit Im Alten Testament
 3110364107, 9783110364101

Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Diskursbegriff
1.1.1 Was ist ein Diskurs?
1.1.2 Wie können Diskurse untersucht werden?
1.1.3 Exegese als Diskursgeschichte
1.2 Der weisheitliche Diskurs
1.3 Der götterpolemische Diskurs
1.4 Fragestellung und Aufbau
2. Deuterojesaja
2.1 Einleitende Bemerkungen
2.2 Jes 40,1231
2.2.1 Übersetzung und Textkritik
2.2.2 Durchgang durch den Text
2.2.3 Weisheitüches und Götterpolemisches in jes 40,12-31
2.3 Jes 41,21-29
2.3.1 Übersetzung und Textkritik
2.3.2 Durchgang durch den Text
2.3.3 Weisheitüches und Götterpolemisches in jes 41,21-29
2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in Dtjes
2.4.1 jes 41,6 f
2.4.2 jes 42,8 f
2.4.3 jes 42,17
2.4.4 jes 45,1417
2.4.5 jes 45,20f
2.4.6 jes 46,1-7
2.4.7 jes 48,3-5
2.4.8 Ergebnis
2.5 jes 44,9-20
2.5.1 Übersetzung und Textkritik
2.5.2 Durchgang durch den Text
2.5.3 Weisheitüches und Götterpolemisches in jes 44,6-20
2.6 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitüches in Dtjes
3. Jeremia 10 und verwandte Texte
3.1 Einleitende Bemerkungen
3.2 Jeremia 10,1–16
3.2.1 Übersetzung und Textkritik
3.2.2 Durchgang durch den Text
3.2.3 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jer 10,1–16
3.3 Psalm 135
3.3.1 Text und Übersetzung von Ps 135
3.3.2 Literarische Beziehungen des Psalms
3.3.3 Götterpolemisches und Weisheitliches in Ps 135
3.3.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Ps 113 LXX und Ps 134 LXX
3.4 Epistula Ieremiae
3.4.1 Einleitende Bemerkungen
3.4.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer
3.5 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Jer 10 und seiner Rezeption
4. Sapientia Salomonis
4.1 Einleitende Bemerkungen
4.2 Der götterpolemische Exkurs im Buchkontext
4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23–15,19
4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12–15
4.4.1 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12,23–27
4.4.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,1–9 und 15,14–19
4.4.3 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 14,11 f.15–21
4.4.4. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,11–19
4.4.5 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 14,1–8a und 15,1–5
4.4.6 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,10; 14,8b–10.22–31; 15,6
4.4.7 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 15,7–13
4.4.8 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12–15
5. Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik
5.1 Chronologischer Überblick
5.1.1 Vorläufer: Jhwhs Macht in der Geschichte
5.1.2 Erste götterpolemische Texte in DtJes
5.1.3 Götterpolemik in der späteren Perserzeit
5.1.4 Götterpolemik in hellenistischer Zeit
5.1.5 Götterpolemik in römischer Zeit
5.2 Götterpolemik ohne Weisheit?
5.2.1 Der Ort der anvisierten Götterbilder im altorientalischen Kontext
5.2.2 Das Material der Götterbilder
5.2.3 Die Herstellung der Götterbilder
5.2.4 Die Figur des Götterherstellers
5.3 Götterpolemik und Schöpfung
5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel
5.4.1 Erkenntnis und Erkenntnismangel im götterpolemischen Diskurs
5.4.2 Der Erkenntnismangel zwischen prophetischer und weisheitlicher Konzipierung
5.5 Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit
5.6 Ertrag
6. Summary
Literaturverzeichnis
Hilfsmittel
Quellen und Textausgaben
Sekundärliteratur
Stellenregister (in Auswahl)

Citation preview

Sonja Ammann Götter für die Toren

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft

Herausgegeben von John Barton, Ronald Hendel, Reinhard G. Kratz und Markus Witte

Band 466

Sonja Ammann

Götter für die Toren Die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit im Alten Testament

DE GRUYTER

ISBN 978-3-11-036410-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-036538-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038587-8 ISSN 0934-2575 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2013/14 an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen und für den Druck leicht überarbeitet. Es ist mir eine große Freude, allen Menschen zu danken, die mich während der Arbeit an diesem Buch unterstützt haben. Sie sind so zahlreich, dass ich in der Kürze dieses Vorwortes meinen Dank nur ganz unvollkommen ausdrücken kann und mancher Name ungenannt bleiben wird. Ich danke meinem Doktorvater und Erstgutachter Prof. Dr. Reinhard G. Kratz, von dessen scharfsinnigem Mitdenken und kritischem Nachhaken ich bei der Arbeit an diesem Buch viel profitieren durfte. Weiter gilt mein Dank Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Spieckermann für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie meinem dritten Prüfer Dr. Nathan MacDonald. Die Anregung zur Beschäftigung mit Götterpolemik geht zurück auf Prof. Dr. Jan C. Gertz, der mein Forschen in den vergangenen Jahren mit freundlichem Interesse begleitet hat; dafür sei ihm herzlich gedankt. Prof. Dr. Dr. Bernd U. Schipper hat mir sehr großzügig Freiraum zur Fertigstellung dieser Arbeit geschaffen. Für seine Unterstützung danke ich ihm herzlich und schließe in diesen Dank auch unser großartiges Berliner Lehrstuhlteam mit ein. Von 2009 bis 2012 wurde die Arbeit an diesem Promotionsprojekt durch ein Dorothea Schlözer-Stipendium der Universität Göttingen gefördert. Das Graduiertenkolleg 896 „Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder“, dem ich als Gastkollegiatin angehörte, hat meine Kongressreisen finanziell ermöglicht. Sowohl dem Kreis der Schlözerinnen als auch dem der Kollegiatinnen verdanke ich viele Anregungen und Ansprechpartnerinnen aus den benachbarten Disziplinen. Besonders danken möchte ich Dr. des. Ina Alber, die mich in Sachen Diskursanalyse beraten hat. Im Graduiertenkolleg wie auch im Alttestamentlichen Doktorandenkolloquium Göttingen und bei den jährlichen Treffen des Netzwerks OTSEM (Old Testament Studies: Epistemologies and Methods) konnte ich regelmäßig Teile meiner Arbeit vorstellen; allen Beteiligten danke ich herzlich für die ausgesprochen konstruktiven Diskussionen. Zahlreiche Doktorgeschwister, Bürokolleginnen und Weggefährten in Göttingen, Heidelberg und Berlin sind mir während der Promotionsphase mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Namentlich nennen möchte ich hier nur Dr.Walter Bührer und Maren Wissemann, denen ich für ihre kritischen Blicke auf das Manuskript danke, sowie Dr. Harald Samuel, Christoph Hilmes und Paul Michael Kurtz. PD Dr. Anja Klein und Dr. Erin Darby haben mir Teile ihrer Arbeiten vor der Veröffentlichung zur Verfügung gestellt, wofür ich ihnen danke.

VI

Vorwort

Für ihre Hilfe bei der Vorbereitung des Manuskripts danke ich Ann-Kristin Wigand und Matthias Müller. Den Herausgebern der BZAW gilt mein Dank für die Aufnahme der Studie in die Reihe. Sophie Wagenhofer danke ich für die sehr freundliche verlegerische Betreuung. Den Dank an meinen Mann und meine Familie hebe ich mir zur persönlichen Überbringung auf. Berlin, im Dezember 2014

Sonja Ammann

Inhalt  Einleitung 1 . Diskursbegriff 2 .. Was ist ein Diskurs? 2 .. Wie können Diskurse untersucht werden? 8 .. Exegese als Diskursgeschichte . Der weisheitliche Diskurs 11 . Der götterpolemische Diskurs 13 . Fragestellung und Aufbau 15

5

 Deuterojesaja 18 . Einleitende Bemerkungen 18 20 . Jes 40,12 – 31 .. Übersetzung und Textkritik 22 .. Durchgang durch den Text 26 31 .. Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 40,12 – 31 . Jes 41,21 – 29 44 .. Übersetzung und Textkritik 46 48 .. Durchgang durch den Text .. Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 41,21 – 29 52 . „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes 57 .. Jes 41,6 f 60 63 .. Jes 42,8 f .. Jes 42,17 65 .. Jes 45,14 – 17 67 .. Jes 45,20 f 69 .. Jes 46,1 – 7 71 .. Jes 48,3 – 5 77 .. Ergebnis 79 . Jes 44,9 – 20 82 .. Übersetzung und Textkritik 84 .. Durchgang durch den Text 87 .. Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 44,6 – 20 90 . Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in DtJes 103 107  Jeremia 10 und verwandte Texte . Einleitende Bemerkungen 107

VIII

. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .

Inhalt

Jeremia 10,1 – 16 109 109 Übersetzung und Textkritik Durchgang durch den Text 113 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jer 10,1 – 16 121 Psalm 135 137 137 Text und Übersetzung von Ps 135 Literarische Beziehungen des Psalms 139 144 Götterpolemisches und Weisheitliches in Ps 135 Götterpolemisches und Weisheitliches in Ps 113 LXX und Ps 134 LXX 145 147 Epistula Ieremiae Einleitende Bemerkungen 147 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 151 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Jer 10 und 188 seiner Rezeption

 Sapientia Salomonis 192 . Einleitende Bemerkungen 192 . Der götterpolemische Exkurs im Buchkontext 193 . Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19 197 206 . Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15 .. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12,23 – 27 206 .. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,1 – 9 209 und 15,14 – 19 .. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 14,11 f.15 – 21 220 ... Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,11 – 19 226 .. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 14,1 – 8a und 15,1 – 5 230 .. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,10; 14,8b–10.22 – 31; 15,6 236 .. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 15,7 – 13 242 .. Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15 246  Die . .. .. .. .. ..

Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik Chronologischer Überblick 254 255 Vorläufer: Jhwhs Macht in der Geschichte Erste götterpolemische Texte in DtJes 256 Götterpolemik in der späteren Perserzeit 257 Götterpolemik in hellenistischer Zeit 260 Götterpolemik in römischer Zeit 263

254

Inhalt

. .. .. .. .. . . .. .. . . 

Götterpolemik ohne Weisheit? 266 Der Ort der anvisierten Götterbilder im altorientalischen 267 Kontext Das Material der Götterbilder 270 Die Herstellung der Götterbilder 273 275 Die Figur des Götterherstellers Götterpolemik und Schöpfung 277 281 Götterverehrung als Erkenntnismangel Erkenntnis und Erkenntnismangel im götterpolemischen Diskurs 281 Der Erkenntnismangel zwischen prophetischer und 285 weisheitlicher Konzipierung Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit 291 296 Ertrag

Summary

298

Literaturverzeichnis 304 Hilfsmittel 304 Quellen und Textausgaben 306 Sekundärliteratur Stellenregister (in Auswahl)

305

325

IX

1 Einleitung Die Polemik gegen andere Götter und deren Verunglimpfung als machtlose Bilder ist als Thema atl. Texte zwar bekannt, gehört aber nicht zu den Bereichen, die in theologischen Reflexionen und kirchlicher Praxis besondere Wertschätzung erfahren. Im Gegenteil stößt die in diesen Texten ausgedrückte „religiöse Intoleranz“ auf Widerstand und viele Exegeten zogen es vor, die als „theologisch minderwertig“ empfundenen Texte späteren Ergänzern zuzuschreiben.¹ Blendet man solche Werturteile einmal aus, handelt es sich um kulturgeschichtlich durchaus relevante Texte, die Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem konzipieren und diese Grenzziehung aus einer neuen Perspektive mit der Gottesverehrung verknüpfen. Letztlich entsteht aus der atl. Götterpolemik ein Konzept „anderer Religionen“, das bis in die Gegenwart nachwirkt. Wie selbstverständlich räumt von Rad in seinem Buch „Weisheit in Israel“ götterpolemischen Texten (Ps 135; Hab 2,18 f; Jer 10; Jes 40,19 f; 41,7; 44,9 – 20; 46,1 f; BelDr; EpJer; Sap 13 – 15 u. a.) einen Exkurs ein. Dass die „Polemik gegen die Götterbilder“, so der Titel des Kapitels, ihren Platz innerhalb der weisheitlichen Gedankenwelt hat, steht für von Rad außer Frage und bedarf keiner Begründung im Einzelnen. Tatsächlich ist von Rad weder der Erste noch der Einzige, der die Affinität der götterpolemischen Texte zur Weisheitsliteratur bemerkt hat. Die Bemerkung, die Polemik verwende weisheitliches Vokabular, findet sich häufig in Kommentaren zu den entsprechenden Textstellen.² Übergreifende Arbeiten zur Götterpolemik im AT beschäftigen sich jedoch nicht näher mit der Bedeutung der weisheitlichen Elemente.³ Handelt es sich also nur um eine zufällige Berührung oder wirken sich die weisheitlichen Anklänge auch auf die Argumentationsstruktur der götterpolemischen Texte aus? In dieser Arbeit möchte ich von Rads Ansatz aufnehmen und die Untersuchung der weisheitlichen Prägung atl. Götterpolemik vertiefen. Dazu werde ich in einem ersten Schritt hinter von Rads selbstverständliche Einreihung der Götter-

 Vgl. etwa Duhm 1968: 333 zu Jes 44,9 – 20: „Wenn er [= der Prophet Deuterojesaja, die Vf.] die Bilder angreift, so geschieht es, um die Hoheit Jahwes recht hervorzuheben, nicht um einen lehrhaften, auf ein wenig gebildetes Publikum berechneten Beitrag zur theologischen Polemik und zur Seelsorge zu liefern.“  Siehe dazu die Einzeltextanalysen.  Vgl. die Darstellungen von Roth 1975; Frevel 1998; Levtow 2008; Hurowitz 2012 sowie die (v. a. von DtJes ausgehenden) Untersuchungen von Berlejung 1998: 315 – 413; Dick 1999. Preuss 1971: 269 f.273.277 f hält erst sehr späte götterpolemische Texte wie Sap und ApcAbr für weisheitlich geprägt (vgl. auch Preuss 1976: 63); vor allem aber wendet er sich damit gegen die Ausscheidung der götterpolemischen Texte in DtJes als weisheitliche Zusätze.

2

1 Einleitung

polemik in die weisheitliche Tradition zurückgehen und fragen, inwiefern die götterpolemischen Texte überhaupt auf weisheitlichen Voraussetzungen basieren. Die Beziehung von Götterpolemik und Weisheit kann ausgehend von unterschiedlichen Merkmalen wie zum Beispiel Vokabular, Sprachstil oder Themen beschrieben werden.⁴ Die vielfältigen Möglichkeiten, diese Beziehung anzugehen, ergeben sich daraus, dass sowohl Götterpolemik als auch Weisheit keine einheitliche Gattung bezeichnen. Beide Begriffe⁵ werden auf Gruppen von Texten angewendet, die in sich gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, die aber nicht als Kette von literarischen Abhängigkeiten erschöpfend beschrieben werden können. Ich möchte vorschlagen, Götterpolemik und Weisheit als Bezeichnungen für Diskurse zu verstehen, und die Beziehung von Götterpolemik und Weisheit entsprechend als eine Diskursverschränkung zu untersuchen. Da der Begriff „Diskurs“ mehrdeutig ist, werde ich zunächst erläutern, in welchem Sinn ich den Begriff in dieser Arbeit verwende. Im Anschluss werde ich darauf zurückkommen, wie der so verstandene Diskursbegriff zur Beschreibung von Götterpolemik und von Weisheit verwendet werden kann und wie ich in dieser Untersuchung vorgehen werde. Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklung der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit zu rekonstruieren und aufzuzeigen, welche Effekte sich aus dieser Verbindung ergeben. Wie wir sehen werden, zeichnet die Götterpolemik ein bestimmtes Bild „anderer Götter“, durch die Verbindung mit Weisheit aber entsteht das Konzept der Verehrer dieser Götter als einsichtslose Toren.

1.1 Diskursbegriff 1.1.1 Was ist ein Diskurs? Der Begriff „Diskurs“ wird in wissenschaftlicher Literatur unterschiedlich verwendet. Die Unterschiede in der Verwendung gehen mehrheitlich darauf zurück, dass der Begriff vor jeweils unterschiedlichen theoretischen und disziplinären Hintergründen verstanden wird. Ich verwende den Begriff „Diskurs“ im Sinne

 Vgl. dazu die Diskussionen um die Feststellung weisheitlicher Einflüsse, z. B. Shupak 1993: 340.352; Wanke 1996: 87– 90.  Die Texte, die ich als „götterpolemisch“ bezeichne, werden häufiger als Polemik gegen Götterbilder bzw. als Götzenpolemik bezeichnet. Da die Texte aber auch die bildlich repräsentierten Götter über die Identifizierung mit dem Götterbild abwerten und ich mir für die Analyse die im Begriff „Götze“ implizierte wertende Perspektive nicht zu eigen machen möchte, scheint mir der neutralere Begriff „Götterpolemik“ geeigneter. Für eine genauere Erläuterung s.u. 1.3.

1.1 Diskursbegriff

3

poststrukturalistischer Theorien, die sich mit der Entstehung von Wissensordnungen befassen. Im Unterschied zu linguistischen Analysen des (situativen) Sprachgebrauchs, die ebenfalls als discourse analysis bezeichnet werden, schließt Diskursanalyse im hier gemeinten Sinn an die Arbeiten von Foucault an.⁶ Foucaults Ideen wurden in den Kultur- und Sozialwissenschaften aufgegriffen und zu kohärenten Diskurstheorien weiterentwickelt. Das im Folgenden vorgestellte Modell basiert auf Arbeiten von Keller und Jäger.⁷ Was Menschen für wahr halten und als selbstverständlich voraussetzen, fällt in unterschiedlichen geographischen, historischen, kulturellen Kontexten unterschiedlich aus. Diskurstheorie knüpft an die sozialkonstruktivistische Deutung des Sachverhalts an, dass nicht immer und überall das Gleiche als wahr und richtig gilt: Über das, was (wahres) Wissen ist, müssen Menschen sich in einer Gemeinschaft verständigen. Es ist also kollektiv und durch Kommunikation hergestellt. Dieses Wissen beeinflusst auch unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, formt unsere Vorstellungen und leitet unsere Handlungen. Deswegen gilt auch für die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen und gestalten, dass sie durch kollektive Kommunikationsprozesse diskursiv hergestellt wird. Eine objektive, naturgegebene, von gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen unabhängige Wirklichkeit ist uns nicht zugänglich.Was wir wissen und was wir als wirklich erkennen, ist das Ergebnis sozialer Aushandlungsprozesse. Diskurstheorie bietet ein Modell des Prozesses, in dem Wissen und Wirklichkeit geformt werden, und ermöglicht so die Untersuchung solcher Prozesse. Als Diskurs bezeichne ich einen strukturierten Zusammenhang von Aussagen, durch den gesellschaftliches Wissen (re)produziert wird. „Aussage“ ist dabei der analytische Begriff für einen typisierten Inhalt, der in konkreten Äußerungen unterschiedlich formuliert werden kann.⁸ Einen strukturierten Zusammenhang bilden die Aussagen z. B. durch zugrunde liegende Argumentationsmuster oder Erzählstränge. Dieser Diskurs ist ein kollektives Produkt: Viele Menschen tragen durch (geschriebene oder gesprochene) Texte zur Entstehung und Veränderung eines Dis Zur Unterscheidung verschiedener Diskursbegriffe und zum Anschluss an Foucault vgl. Keller 2008: 109 – 174. Der Ansatz der discourse analysis (Textlinguistik) wird seit längerem auf biblische Texte angewendet, vgl. etwa den Sammelband von Bodine 1995. Zu von anderen Exegeten im Zusammenhang mit Weisheit und Götterpolemik verwendeten Diskursbegriffen s.u. Anm. 46.58.  Vgl. Keller 2008; Keller 2011; Jäger 2009.  Vgl. Keller 2008: 235 f. Die Unterscheidung zwischen „Aussage“ und „Äußerung“ geht auf Foucault zurück („énoncé“/„énonciation“, vgl. Foucault 1969: 133 f), der das Problem der Definition der „Aussage“ als kleinster Analyseeinheit des Diskurses eingehend diskutiert (Foucault 1969: 105 – 154).

4

1 Einleitung

kurses bei. Eine einzelne Person kann den Verlauf eines Diskurses nicht steuern. Andere Menschen müssen bereit sein, sich (durch Texte, Redebeiträge, Handlungen) zu beteiligen, damit ein Diskursstrang entsteht. Welche Diskursstränge sich in welcher Form durchsetzen, hängt immer von vielen Akteuren ab, die sich an diesem Diskurs (aber auch gleichzeitig an vielen anderen Diskursen) beteiligen. Einzelpersonen sind auch nicht autonome Subjekte, die frei und losgelöst von allen bestehenden Diskursen ihre Gedanken denken. Jeder Mensch wird in ein gesellschaftliches Umfeld hineingeboren, in dem bereits laufende Diskurse Wahrheit und Wirklichkeit bestimmen.⁹ Wer gehört werden will, muss sich nach den Regeln solcher Diskurse äußern. Das bedeutet, dass er sich an gewisse Regeln des Diskurses, an dem er sich beteiligen möchte, halten muss, damit seine Äußerungen für andere Menschen sinnvoll und relevant sein können. Aus dieser Perspektive ist ein Text kein Einzelereignis, sondern stellt eine Möglichkeit im Rahmen der in einer Gesellschaft laufenden Diskurse dar.¹⁰ Eine Person, die einen Text schreibt, greift auf verschiedene Diskurse zurück (vgl. Fig. 1). Auch Texte, die von einer einzelnen Person verfasst sind, sind in diesem Sinne kollektive Produkte und Fragmente gesellschaftlicher Diskurse.¹¹ Der so entstandene Text wiederum kann zur Verbreitung und Veränderung dieser Diskurse beitragen. Daher sind alle Texte potentiell beteiligt an der Gestaltung von Wissen und Wirklichkeit. Diskurse sind nicht einfach nur sprachliche Konventionen. Die Konzepte, die in einem Diskurs entwickelt werden, prägen das Weltbild und die Wahrnehmung. Rationale Entscheidungen basieren auf diesen Ressourcen und Handlungen werden durch sie geleitet. In dieser Weise können Diskurse zur Schaffung von Institutionen und zu Veränderungen in der materiellen Welt führen.¹² Das bedeutet auch: Diskurse (und Texte als Bestandteile von Diskursen) sind nicht „harmlos“. Die Machtwirkungen von Diskursen sind in der Lebenswelt au-

 Vgl. Landwehr 2008: 93.  Daher ist das hier beschriebene Diskursmodell mit seinem qualitativen Ansatz auch für anonyme Texte und (für eine quantitative Analyse ungeeignete) dünne Quellenlagen geeignet. Dass es sich bei atl. Texten um Traditionsliteratur handelt, stützt zudem die Annahme, dass sie repräsentativ für eine Kollektivität sind.  Vgl. Jäger 2009: 117: „Texte sind […] niemals etwas nur Individuelles, sondern immer auch sozial und historisch rückgebunden. Anders ausgedrückt: Sie sind oder enthalten Fragmente eines (überindividuellen) sozio-historischen Diskurses.“ Vgl. auch Jäger 2009: 148.  Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Der Diskurs über Sterbehilfe prägt die Wahrnehmung unheilbar kranker Menschen, führt zur Gründung von Sterbehilfe-Organisationen und schlägt sich in der Gesetzgebung nieder. Aus dem Gegendiskurs dazu entstehen Hospize, deren (auch materielle) Einrichtung durch diesen Gegendiskurs geprägt ist. Die Untersuchung solcher Prozesse der „Materialisierung“ von Diskursen wird auch als Dispositivanalyse bezeichnet.

1.1 Diskursbegriff

5

Fig. 1: Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Diskurs und Text

ßerhalb der Texte spürbar. Diskurse spiegeln nicht eine vorbestehende, gegebene Wirklichkeit, sondern bringen Wirklichkeit hervor und gestalten sie. Das dieser Untersuchung zugrunde liegende Verständnis von „Diskurs“ lässt sich somit in den folgenden Aspekten zusammenfassen: – Ein Diskurs ist ein strukturierter Zusammenhang von Aussagen, durch den gesellschaftliches Wissen (re)produziert wird. – Ein Diskurs spiegelt die Wirklichkeit nicht, er formt sie. – Ein Diskurs ist ein gesellschaftliches (kollektives) Produkt. – Texte sind (oder enthalten) Fragmente von Diskursen.

1.1.2 Wie können Diskurse untersucht werden? Die skizzierte Diskurstheorie bietet ein Modell, das Prozesse der Wirklichkeitsgestaltung methodisch greifbar macht, indem sie eine diesem Prozess zugrunde liegende, beschreibbare Struktur vorschlägt: Bestimmte einzeln auftretende Äußerungen sind durch einen regelhaften Zusammenhang (= Diskurs) miteinander verbunden. Die Annahme eines solchen Zusammenhangs ist die Grundlage für die

6

1 Einleitung

Zusammenstellung des Textkorpus,¹³ an dem eine Diskursanalyse durchgeführt werden soll.¹⁴ Ein Diskurs ist kein vorfindliches Objekt, sondern eine von den Forschenden konstruierte Analyseeinheit. Die Isolierung des zu untersuchenden Diskursstrangs geschieht in einem ersten Schritt meist anhand eines Themas, doch es erweist sich erst im Laufe der Untersuchung, ob der postulierte Zusammenhang anhand des ausgewählten Datenmaterials nachgewiesen werden kann oder ob zur Untersuchung des Diskursstrangs andere Texte herangezogen werden müssen.¹⁵ Je nach Detailliertheit der Analyse können verschiedene Unterdiskurse zu einem Diskurs ausgemacht werden.¹⁶ Innerhalb eines Diskursfeldes¹⁷ können Diskurse und entsprechende Gegendiskurse betrachtet werden. Je nach Trägerschaft und Adressaten handelt es sich um einen (z. B. auf eine wissenschaftliche oder religiöse Gemeinschaft begrenzten) Spezialdiskurs oder um einen öffentlichen Diskurs.¹⁸ Die Diskursanalyse rekonstruiert Struktur, Verlauf und Wirkungen eines Diskurses. Die Abgrenzung des Diskurses ist dabei keine absolute Größe, sondern wird in Relation zum Forschungsgegenstand und zur forschungsleitenden Frage festgelegt. Je nach konkreter Fragestellung kann die Analyse eher diachron oder eher synchron ausgerichtet sein, wobei die historische Gewordenheit des Diskurses und seiner Gegenstände, die innerhalb des Diskurses oft als zeitlos dargestellt werden, stets beachtet werden muss. Die Untersuchung kann z. B. nach den unterschiedlichen Positionen der Akteure, nach Diskursstrategien (= Strategien zur Durchsetzung eines Diskurses)¹⁹ oder – wie die vorliegende Untersu-

 Die meisten Diskursanalysen arbeiten wie auch die vorliegende mit Texten. Andere Daten wie Bilder als Ausgangsmaterial sind aber durchaus möglich, vgl. Keller 2011: 95 f (mit weiteren Literaturhinweisen).  Vgl. Keller 2011: 83.  Zur Problematik und Vorläufigkeit der Datenauswahl vgl. Keller 2008: 265: „Wenn Gegenstände durch Diskurse erst in ihrer spezifischen, erkennbaren Gestalt geschaffen werden, kann nicht einfach vom Gegenstand ausgehend ein Diskurs erschlossen werden. […] Die Identifikation der Daten für eine Diskursanalyse ist deswegen ein eher offener Suchprozess in verschiedene Richtungen, der sich immer nur vorläufig an Themen, Referenzphänomenen, Schlüsselbegriffen usw. orientieren kann.“  Vgl. Keller 2011: 71: „je mehr man sich einem Diskurs nähert, desto größer ist wahrscheinlich die Zahl unterscheidbarer ‚Subdiskurse‘.“  „Diskursfeld“ bezeichnet die „Arena, in der verschiedene Diskurse um die Konstitution bzw. Definition eines Phänomens wetteifern“ (Keller 2011: 68).  So mit Keller 2011: 68; Jäger 2009: 159 schränkt den Begriff „Spezialdiskurs“ (im Anschluss an Link) auf wissenschaftliche Diskurse ein.  Vgl. dazu Keller 2008: 265 f.

1.1 Diskursbegriff

7

chung – nach Diskursverschränkungen²⁰ (= Verbindungen von unterschiedlichen Diskurssträngen) und ihren Effekten fragen.²¹ Stehen (vorläufige) Fragestellung und (vorläufige) Textauswahl²² fest, empfiehlt es sich, sich einen Überblick über die Makrostruktur des untersuchten Diskurses zu verschaffen. Als Leitfrage schlägt Landwehr vor: „Welche sprachlichen Merkmale stehen im Mittelpunkt, welche Worte, Argumente, Abgrenzungen tauchen immer wieder auf, halten den Diskurs zusammen und sind Kernpunkte von Auseinandersetzungen?“²³ Durch diese Voranalyse der Diskursfragmente können Inhalt und Grundstruktur des Diskurses skizziert werden. Dabei sollten auch diskursive Ereignisse²⁴ erfasst werden, d. h. Ereignisse, die (durch ihre mediale bzw. literarische Ausarbeitung) einen Diskurs prägen.²⁵ Anschließend werden einzelne Textbeispiele (Diskursfragmente) einer detaillierten Analyse unterzogen. Diskursanalyse ist Interpretationsarbeit,²⁶ aber sie ist nicht auf den Einzeltext fokussiert, sondern untersucht den Text immer als Fragment eines Diskurses und in seinem Zusammenhang mit anderen Texten.²⁷ Anhand eines einzelnen Textes lässt sich noch kein Diskurs bestimmen, erst in der Zusammenschau, aus der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Texten, wird dies möglich. Anders gesagt, man muss natürlich den einzelnen Text möglichst genau verstehen, aber das ist nur Mittel zum Zweck: Das Forschungsinteresse richtet sich auf den Diskurs. Diskursanalyse ist keine Methode der Textanalyse, vielmehr setzt sie die Analyse von Texten voraus. Für die Analyse der Einzeltexte bieten sich Methoden an, die in den Bibelwissenschaften wie in der

 Vgl. Jäger 2009: 160 f.  Zu möglichen Fragestellungen einer Wissenssoziologischen Diskursanalyse vgl. Keller 2008: 262– 268.  Die Zusammenstellung eines Textkorpus stellt in den Sozialwissenschaften oft eine schwierige Aufgabe dar, auch weil gerade bei gegenwartsbezogenen Themen die in Frage kommende Datenmenge nicht leicht zu überblicken ist. Für Hinweise zum Vorgehen bei der Datenauswahl vgl. Keller 2011: 86 – 91. Da sich das Problem für Bibelwissenschaftler meist nicht in gleicher Weise stellt, gehe ich darauf nicht gesondert ein; vgl. aber die Erläuterungen zu meiner Textauswahl in 1.4.  Landwehr 2008: 115.  Zu diesem Begriff vgl. Jäger 2009: 162. Keller 2008: 234 verwendet den Begriff „diskursives Ereignis“ in einem anderen Sinn (synonym zu „Aussageereignis“).  In Bezug auf atl. Diskurse könnte man hier etwa an die Eroberung Jerusalems denken; ein Beispiel aus der Gegenwart wäre das Reaktorunglück in Fukushima als prägendes Ereignis für den deutschen Energie-Diskurs.  Mit Keller 2008: 273 f (= Keller 2011: 76 f). In diesem Punkt hat sich die neuere Diskursforschung von Foucault abgewendet.  Vgl. Jäger 2009: 173: „Der Blick auf das individuelle Produkt verfolgt die Absicht, Elemente des (sozialen) Diskurses zu erfassen.“

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1 Einleitung

Literaturwissenschaft oder auch in der qualitativen Sozialwissenschaft zur Interpretation von Texten verwendet werden.²⁸ Untersucht wird der (situative, institutionell-organisatorische und soziohistorische) Kontext²⁹ des Textes, seine Gattung und seine sprachliche Struktur (z. B. Metaphern, Parallelismen, Schlussregeln, Fachsprache).³⁰ Dann werden die Aussageinhalte rekonstruiert, d. h. man erstellt eine schematische Erfassung der Aussagen.³¹ Aus der Analyse mehrerer Texte³² kann dann die Struktur des Diskurses erhoben werden. Dazu werden die typischen Elemente eines Diskurses (wie bestimmte sprachliche Formen und Deutungsmuster) beschrieben, wie die Elemente des Diskurses verknüpft sind, welche Diskursstrategien eingesetzt werden und wie sich der Diskurs zum soziohistorischen Kontext verhält. Die Bündelung der Ergebnisse richtet sich nach der spezifischen Fragestellung der Untersuchung.

1.1.3 Exegese als Diskursgeschichte Die Untersuchung von Diskursen ist der atl. Exegese nicht fremd. Auch thematische und traditionsgeschichtliche Untersuchungen stellen eine Art Diskursanalyse dar. Verschiedene exegetische Methoden wie z. B. Formkritik, Redaktions Für die Analyseschritte vgl. Keller 2011: 97– 112; eine ähnliche Vorgehensweise wird aber auch von anderen sozialwissenschaftlich orientierten Diskursforschern vertreten, vgl. Jäger 2009: 175 – 187.  Zur Unterscheidung der verschiedenen Kontextebenen vgl. Keller 2011: 100. Eine ähnliche Differenzierung bietet Landwehr 2008: 107 f. Es geht an dieser Stelle nicht darum, den Text aus seinem Kontext heraus zu erklären, sondern es sollen Informationen erhoben werden, die für die Rekonstruktion des Diskurses relevant sein können, wie z. B. die Trägerschaft und Verbreitung eines Dokuments, oder die für einen bestimmten institutionellen Kontext charakteristischen Textund Sprachformen. Damit sind auch Fragen der Machtverhältnisse in einem Diskursfeld verbunden.  Dazu Keller 2011: 100 f und ausführlicher Jäger 2009: 179 – 184. Zu weiteren Vorschlägen vgl. Landwehr 2008: 117– 126, der genauer auf die Bedeutung der Regeln des Schlussfolgerns eingeht.  Keller 2008: 240 – 252 schlägt dazu mögliche, einander ergänzende Konzepte vor (für eine leicht abweichende Erläuterung mit mehr Beispielen siehe Keller 2011: 101– 112): a) Phänomenstruktur: systematische Darstellung der Dimensionen eines Phänomens (z. B. Ursache, Zuständigkeit, Folgen), so wie sie sich dem Text entnehmen lassen; b) Deutungsmuster: Interpretationsschemata, die im gesellschaftlichen Wissensvorrat zur Verfügung stehen und auf konkrete Ereignisse angewendet werden können, z. B. Risiko, Mutterliebe; c) Klassifikationen: im Text vorgenommene explizite und implizite Klassifikationen; d) Narrative Strukturen: Darstellung der story line, durch die verschiedene Elemente des Diskurses zu einer Erzählung verknüpft werden.  Je nach Umfang des Materials wird man dabei so vorgehen, dass nur einzelne (besonders typische oder aussagekräftige) Diskursfragmente einer Feinanalyse unterzogen werden, und die übrigen einfach auch in die Strukturanalyse des untersuchten Diskurses einfließen.

1.1 Diskursbegriff

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oder Rezeptionsgeschichte lassen sich in eine Diskursanalyse integrieren. Das Diskursmodell bietet dabei den Vorteil, dass sich sowohl vornehmlich synchron orientierte als auch vornehmlich diachron orientierte Ansätze im Modell verorten und schlüssig kombinieren lassen. Dem hier vertretenen Ansatz der Diskursanalyse kommt die Fragestellung der Traditionsgeschichte nahe, insbesondere in der Konzeption von Steck. Steck unterscheidet zunächst von der Frage nach literarischen Abhängigkeiten und mündlichen Vorstufen eines Textes die Frage, „welche Elemente aus der vorgegebenen, geistigen Entstehungswelt […] auf seine Abfassung eingewirkt haben“.³³ Solche vorgegebenen Vorstellungselemente oder „Wissensgehalte“³⁴ sind nach Steck „keine gestaltlosen […] Partikeln, sondern dem Verfasser in Gestalt geformter, charakteristisch formulierter Sätze zugekommen“³⁵ und lassen sich in Vorstellungen, und diese wiederum in Traditionen und schließlich übergreifende Konzeptionen einordnen.³⁶ Aufgrund dieses Zusammenhangs verweisen einzelne im Text belegte Elemente stets auf eine umfassendere Vorstellung, die sie voraussetzen.³⁷ Auch die von Steck genannten Charakteristika einer Tradition – Begriffe, Wortfelder, Formulierungsstruktur, Aussagegefälle, Denkbewegung und „je besondere Gattungen zur zweckmäßigen Gestaltung ihrer Aussagen“³⁸ – lassen sich auch auf Diskursstränge anwenden. Wie im hier zur Diskursanalyse vorgeschlagenen Vorgehen folgt nach Steck auf die Analyse einzelner Texte die synthetische Beschreibung von „Strömungen von Tradition“³⁹ in ihrer historischen Entwicklung. Für meine Untersuchung möchte ich den traditionsgeschichtlichen Ansatz vor dem theoretischen Hintergrund der Diskursanalyse erweitern und Anregungen aus der Diskursforschung aufnehmen. Zum einen scheint mir der Begriff der Tradition mit einigen Konnotationen behaftet, die für meine Arbeit ungeeignet sind. Mein Fokus liegt weniger auf einer althergebrachten, kontinuierlichen Tradition, aus der ein Verfasser schöpft, als vielmehr auf dem Wandel eines Diskurses, zu dem jeder Verfasser beiträgt. Auch sind konstante, mehr oder weniger abgegrenzte Trägergruppen keine Notwendigkeit für das Fortleben von

 Steck 1982: 297.  Steck 1982: 299.  Steck 1982: 298.  Zu den Begriffen und Gliederungsebenen vgl. Steck 1982: 299.  Vgl. dazu Steck 1999: 83.Wesentlich ist hier, dass in keinem Text die Vorstellung ausformuliert vorliegt; diese ist nur aus der Synthese der einzelnen, in den Texten verstreuten Elementen zugänglich.  Alle Begriffe finden sich so bei Steck 1982: 300 f.  Steck 1982: 301 u. ö.

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1 Einleitung

Diskursen, an denen Menschen teilnehmen, die stets auch Zugang zu einer Vielzahl weiterer Diskurse haben. Vor allem aber bringt der hier vorgestellte Diskursbegriff meine Herangehensweise an die götterpolemischen Texte und ihre Bezüge zur Weisheit besser zum Ausdruck. Ich möchte das am Beispiel der atl. Polemik gegen Baal verdeutlichen. Wie religionsgeschichtliche Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt haben, bezeichnet der Begriff „Baal“ in vielen Fällen im Grunde nicht einen außerhalb der atl. Polemik greifbaren Gott. Die Gegenüberstellung von Baal und Jhwh bei Hosea dürfte sich weniger auf unterschiedliche Gottheiten als auf ein unterschiedliches Verständnis von Kult und Gottesverhältnis beziehen,⁴⁰ und die Zuordnung der Aschera zu Baal findet sich nur in dtr geprägter Polemik.⁴¹ Offenbar sind diese Texte Teil eines Diskurses, in dem ein solcher Gott Baal konstituiert wird, und verweisen nicht auf einen Gott, der außerhalb dieses Diskurses so vorfindlich wäre. Aus diesem Grund scheint mir auch in Bezug auf andere Götter und deren Verehrer die Frage, ob die Beschreibung historisch zutreffend sei, wenig zielführend. Die Richtigkeit ist eine Frage des eigenen Standpunktes: Was die einen als „Baal“ verunglimpfen, würde für andere möglicherweise gar nicht unter den Begriff „Baal“ fallen. Es gibt keinen Ort jenseits aller Diskurse, von dem aus der „wirkliche Baal“ bestimmt werden könnte; jedes Urteil über die „richtige“ Beschreibung muss zunächst die Eingrenzung des Phänomens „Baal“ aus einem Diskurs übernehmen. Um zu vermeiden, die Deutungshoheit willkürlich einem Diskurs zu übertragen, erscheint es mir geeigneter zu beschreiben, wie Phänomene in verschiedenen antiken Diskursen unterschiedlich konstituiert werden. Ich möchte daher vielmehr der Frage nachgehen, was durch den götterpolemischen Diskurs wie konstruiert wird. Ein zweiter wichtiger Aspekt der diskursanalytischen Perspektive ist, dass die (Re‐)Produktion von Diskursen und Texten als Handlung in einem gesellschaftlichen Kontext verstanden wird. Damit unterscheidet sich der hier gewählte Ansatz etwa von einer theologiegeschichtlichen Betrachtung der polemischen Texte, die die zugrunde liegende Gotteslehre herausarbeitet.⁴² Wie Holter in Bezug auf DtJes gezeigt hat, steht in den götterpolemischen Texten oftmals weniger die Auseinandersetzung mit anderen Göttern als vielmehr mit deren Herstellern und Verehrern im Vordergrund.⁴³ Dass die Polemik gegen andere Götter auch soziale Implikationen hat, stellte Gerstenberger durch eine sozialpsychologische

 Vgl. Weippert 1990: 158.162 f; Jeremias 1994: 441– 452.  Vgl. Olyan 1988: 38 – 61.73; Frevel 1995: I 101 f.121 f.125 f, II 920 u.ö.  Vgl. dazu z. B. Preuss 1971: 12– 23.287– 291, der die Götterpolemik als wesentlich aus der Eigenart Jhwhs heraus begründet sieht. In eine ähnliche Richtung gehen auch Exegeten, die die Götterpolemik als Ausdruck monotheistischen Glaubens betrachten.  Vgl. Holter 1995.

1.2 Der weisheitliche Diskurs

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Analyse der atl. Darstellung „anderer“ Götter (in Ps 115; Jos 24; Lev 18 – 20 u. a.) heraus.⁴⁴ Levtow untersucht die götterpolemischen Texte (in DtJes; Jer 10; Ps 115// 135) als polemische Repräsentation ritueller Praxis, durch die das babylonische Ritualsystem gegenüber dem eigenen Ritualsystem abgewertet wird. Sie produzieren damit nach Levtow einen klassifizierenden Diskurs, der in soziopolitische Machtverhältnisse symbolisch eingreift.⁴⁵ Polemische Zuschreibungen und Abgrenzungen werden nicht durch einen einzelnen Text in einer sozialen Lebenswelt wirksam. Betrachtet man die einzelnen Texte aber als Fragmente einer kollektiven Praxis, so bezeugen sie einen Diskurs, der durchaus auch im Hinblick auf die Vorstellungen und Handlungen einer Gruppe von Menschen ernst zu nehmen ist. Dies gilt für die atl. Texte umso mehr, als ihre Zusammenstellung und Überlieferung ohne eine kollektive Legitimierung kaum vorstellbar wäre. Der Diskursbegriff lenkt hier den Blick auf (mögliche, nicht immer auch in den verfügbaren Quellen nachweisbare) soziale Wirkungen und damit auf Machtfragen. Ich achte dazu in der Untersuchung des götterpolemischen Diskurses insbesondere auch auf Selbst- und Fremdpositionierungen. Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der Beziehung zwischen Götterpolemik und Weisheit im Sinne einer Diskursverschränkung. Damit die Verschränkung untersucht werden kann, muss durch eine vorläufige Beschreibung eingegrenzt werden, was ich dem götterpolemischen bzw. dem weisheitlichen Diskurs zuordne. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Ausgangsentscheidung Fragen vorwegnimmt, die im Laufe der Arbeit neu beantwortet werden.

1.2 Der weisheitliche Diskurs Zur Untersuchung der Beziehung von Götterpolemik und Weisheit fasse ich „Weisheit“ als Diskurs im oben erläuterten Sinn.⁴⁶ Dieses Verständnis von Weis-

 Vgl. Gerstenberger 1994. Er liest die „anderen“ Götter als „Projektionen“ (133) und führt die Polemik auf das „Identitäts- und Abgrenzungsbedürfnis“ (138) der exilisch-nachexilischen JhwhGemeinschaft zurück.  Vgl. Levtow 2008: 17– 39.78 – 85.164– 172.  Dies auch im Unterschied zu Saur 2011 (auch Saur 2012: 134.156) und im Anschluss an ihn Schwienhorst-Schönberger 2013: 126, die Weisheit ebenfalls als „Diskurs“ bezeichnen. Schwienhorst-Schönberger 2013: 126 verwendet den Begriff im Habermas’schen Sinn (d. h. als herrschaftsfreie Diskussion). Saur 2011: 236 definiert „Diskurs“ als „die fortlaufende, auf einen bestimmten Themenbereich bezogene Auseinandersetzung unterschiedlicher Trägergruppen […],

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1 Einleitung

heit entspricht, wie ich hier kurz skizzieren werde, einer in der atl. Forschung gängigen Auffassung. „Weisheitsliteratur“ und „Weisheit“ sind seit langem etablierte Begriffe der atl. Wissenschaft. Trotz ihrer häufigen und oft auch selbstverständlichen Verwendung wird immer wieder konstatiert, dass sie sich einer präzisen Definition entziehen. Die Zuordnung eines Buches zur Weisheitsliteratur oder die Charakterisierung eines Textes als „weisheitlich“ erfolgt vielmehr intuitiv aufgrund von Ähnlichkeiten mit anderen, bereits als „weisheitlich“ kategorisierten Texten.⁴⁷ Diese Schwierigkeit hängt unter anderem damit zusammen, dass mit „Weisheit“ ein Phänomen bezeichnet wird, das sich über Zeit und Raum in stetigem Wandel befindet. Morgan spricht daher von Weisheit als „Prozess“.⁴⁸ Dass „Weisheit“ mehr oder anderes ist als eine Gruppe von Texten mit bestimmten gemeinsamen Merkmalen, schlägt sich auch in den Versuchen nieder, „Weisheit“ genauer zu beschreiben und Kriterien für „Weisheitliches“ zu finden. Sofern mit Kriterienlisten in Bezug auf Vokabular, Form, Motive oder Themen gearbeitet wird, sind diese immer nur als hinreichende, nicht aber als notwendige Kriterien zu verstehen. Für die Kategorisierung eines Textes als „weisheitlich“ wird meist gefordert, dass mehrere Kriterien, und zwar aus unterschiedlichen Gruppen (Terminologie, Form, Themen) erfüllt sein müssen.⁴⁹ Zudem knüpfen manche Exegeten die Klassifizierung an bestimmte Trägerkreise (die „Weisen“) und/oder Verwendungssituationen (Bildung).⁵⁰ Hinweise darauf müssen allerdings aus dem Text erschlossen werden. In Bezug auf die Abgrenzung der Trägerkreise erscheint auch problematisch, dass weisheitliche Elemente z. B. in prophetischen Texten begegnen, so dass mit einer größeren Durchlässigkeit gerechnet werden muss.⁵¹ Es die in diesem interaktiven Prozess nicht nur ihre jeweiligen Positionen darlegen, sondern darüber hinaus auch bestimmte Muster der Auseinandersetzung und Bearbeitung von Problemkonstellationen erkennen lassen, die es ermöglichen, die Vielfalt von Meinungen als einen Zusammenhang zu verstehen“ und versteht unter „Diskursivität“ die Vielstimmigkeit der Weisheitsliteratur (Saur 2011: 247 f). Ohne diese völlig legitimen Verwendungen des Begriffs „Diskurs“ kritisieren zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass der in dieser Arbeit verwendete Diskursbegriff ein anderer ist, da ich nicht den vielstimmigen Prozess der Auseinandersetzung, sondern den regelhaften Zusammenhang der Aussagen als Diskurs bezeichne und an dessen Machtwirkungen interessiert bin.  Vgl. Collins 1997: 1: „an impressionistic, intuitive grouping of books that seem to have something in common“. Collins spricht daher auch von „family resemblances“.  „Most are agreed that wisdom is a process, a living tradition, and any definition to a certain extent reifies this phenomenon and therefore makes assumptions of continued growth and interrelationship with other traditions difficult to explain“ (Morgan 1981: 20).  Vgl. Shupak 1993: 340.352; Wanke 1996: 87; Dell 2000: 5.  Vgl. z. B. McKane 1965: 40 – 47; Crenshaw 1998b: 20 – 34.  Vgl. Weeks 2010: 134.136; Saur 2012: 140.

1.3 Der götterpolemische Diskurs

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empfiehlt sich daher, den Blick zunächst auf die innertextlichen Gegebenheiten zu richten. Die einzelnen Vokabeln, Gattungselemente, Motive und Themenkreise reichen noch nicht aus, einen Text als „weisheitlich“ zu klassifizieren. Es kommt auch auf ihre Kombination an. Charakteristisch für weisheitliche Texte ist eine bestimmte Art Theologie, Philosophie oder Weltanschauung, die in einer charakteristischen sprachlichen Form betrieben wird.⁵² Die Inhalte sind dabei nicht statisch, relativ konstant sind aber gewisse Interessen- oder Problembereiche und die Art und Weise ihrer Bearbeitung.⁵³ In diese Richtung weisen Beschreibungen der „Weisheit“ als „a way of thought and a way of speech“, „an approach to reality“,⁵⁴ „Strömung theologischer Tradition“.⁵⁵ Im Anschluss daran lässt sich Weisheit als ein Diskurs (mit vielen Unterdiskursen) begreifen, aus dem sich die einzelnen weisheitlichen Texte speisen und zu dem sie gleichzeitig beitragen. Eine Beschreibung des weisheitlichen Diskurses und seiner Entwicklung ist in dieser Arbeit weder angestrebt noch möglich; Vorschläge für solche Rekonstruktionen bieten Untersuchungen zur Theologie und Geschichte der Weisheit seit Zimmerli, Gese, Schmid und von Rad.⁵⁶ Für die Zuordnung bestimmter Elemente zu einem weisheitlichen Diskurs gehe ich in dieser Arbeit zunächst von Ähnlichkeiten mit Hi, Qoh, Sir und insbesondere Prov aus, und beziehe ggf. weitere altorientalische Weisheitsliteratur mit ein. Finden sich Übereinstimmungen in Terminologie, Form, Motiven und/oder Themen, prüfe ich, ob sich die Aussage des Textes in einen Zusammenhang weisheitlicher Aussagen sinnvoll einordnen lässt. Wo dies der Fall ist, spreche ich einen Text(teil) als Fragment eines weisheitlichen Diskurses an. Dies bedeutet keine Vorentscheidung über den Verfasserkreis. Es bedeutet lediglich, dass der Text m. E. (auch) durch einen weisheitlichen Diskurs geprägt ist, auf diesen Diskurs anspielt und potentiell zu ihm beisteuert.

1.3 Der götterpolemische Diskurs Im gleichen Sinn begreife ich die in dieser Arbeit untersuchten götterpolemischen Texte als Fragmente eines Diskurses. Schon in früheren Studien wurden Jes 40,19 f; 41,6 f; 44,9 – 20; 46,1 f.5 – 8; Jer 10; Hab 2,18 f; Ps 115; Ps 135; BelDr; EpJer; Sap 13 – 15;

 Vgl. Collins 1997: 1; Dell 2000: 68.77.  Vgl. ähnlich Saur 2011: 236.  Beide McKenzie 1967: 2.  Steck 1982: 304 (u. ö.).  Vgl. Zimmerli 1933; Gese 1958; Schmid 1966 und von Rad 1970; unter den Neueren insbesondere Perdue 1994; Murphy 1996: 111– 131; Crenshaw 1998b: 1– 54.

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1 Einleitung

Jub 11– 12 und ApcAbr 1– 8 als götterpolemische Texte zusammengeordnet.⁵⁷ Aufgrund ähnlicher Argumentationsweise, Ausdrucksweise und Tonfall werden diese Texte intuitiv als eine Gruppe wahrgenommen. In ihren thematischen und sprachlichen Eigenheiten unterscheiden sie sich deutlich von ihrem unmittelbaren Kontext. Es scheint jedoch, dass diese Ähnlichkeit nicht das Ergebnis literarischer Abhängigkeiten all dieser Texte untereinander sind. Häufig stellen die götterpolemischen Texte sekundäre Zusätze zu anderen Texten dar, aber sie gehören nicht zu einer einheitlichen Redaktionsschicht. Diese Art der Verbindung, die über eine bloße thematische Ähnlichkeit hinausgeht und dennoch nicht in allen Fällen als direkte Text-Text-Beziehung erklärt werden kann, beschreibe ich über die Teilnahme dieser Texte an einem gemeinsamen götterpolemischen Diskurs.⁵⁸ Von diesem Diskurs zu unterscheiden sind sowohl Bilderverbotstexte als auch ein Diskurs, der die Götterverehrung als Abwendung von Jhwh und als Untreue begreift. Auf die Abgrenzung des hier untersuchten Diskurses gegenüber diesem Abtrünnigkeits-Diskurs werde ich anhand der Jer-Texte näher eingehen (s.u. 3.1). Nicht untersuchen werde ich dtn-dtr geprägte Texte, die die Israeliten vor der Verehrung fremder Götter warnen, ihnen diese vorwerfen und gegen „kanaanäische“ Götter polemisieren. Wie sich im Laufe der Untersuchung bestätigen wird, unterscheidet sich dieser Diskursstrang deutlich von dem hier untersuchten götterpolemischen Diskurs, der in den oben genannten Texten begegnet. Im dtndtr Fremdgötterdiskurs finden sich ganz andere Elemente (z. B. Höhen, Mazzeben, Baal) und Aussagestrukturen (z. B. König und Volk als Subjekte der Götterverehrung; ein geschichtstheologischer Narrativ). Wo sich Berührungen ergeben (in Jes 41,24b; 42,8; 44,19; 48,5 und in jüngeren Texten wie Sap), werde ich darauf hinweisen. Da der Schwerpunkt dieser Untersuchung jedoch auf der Verbindung zwischen dem genannten götterpolemischen Diskurs und weisheitlichen Diskursen liegt, kann den Beziehungen zwischen den verschiedenen atl. belegten Diskursen über Götter nicht weiter nachgegangen werden.  Vgl. von Rad 1970: 229 – 239 (Kapitel „Die Polemik gegen die Götterbilder“); Kratz 1991a: 200 Anm. 648; Berlejung 1998: 318 – 411; Levtow 2008: 1 Anm. 2. Roth 1975 untersucht diese Texte als Vertreter einer Gattung „idol parody“; zu „idol satire“ als einer (prophetischen) Textgattung vgl. auch Lindblom 1962: 234.  Auch Levtow 2008 spricht in Bezug auf die götterpolemischen Texte von „Diskurs“. Sein (nicht explizit ausformulierter, aber offenbar auf Bourdieu gestützter) Diskursbegriff scheint weitgehend dem hier verwendeten zu entsprechen, allerdings gibt der von ihm zugrunde gelegte theoretische Rahmen die klassifizierende Funktion von Diskursen im Machtkampf sozialer Gruppen vor. Zu anderen Ergebnissen als die vorliegende Arbeit gelangt Levtow darüber hinaus deswegen, weil er diesen Diskurs aus einem babylonischen Kontext heraus erklärt und die weisheitlichen Elemente nicht Gegenstand seiner Untersuchung sind.

1.4 Fragestellung und Aufbau

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Die untersuchten Texte sind polemisch in dem Sinne, dass es sich um eine verbale Aggression handelt, die im Unterschied zu Kritik in unsachlichem Stil gehalten ist und im Unterschied zu einer Beschimpfung argumentativ ist (wobei ich auch implizite oder narrativ entfaltete Begründungen als argumentativ verstehe).⁵⁹ Wie sich zeigen wird, operieren diese Texte häufig mit einer Gleichsetzung oder zumindest Überblendung von Gott und Bild.⁶⁰ Aufgrund dieser (für die polemische Argumentation bewusst produzierten) Unschärfe scheint mir eine Reduzierung dieses Diskurses auf das Thema „Polemik gegen Götterbilder“ nicht geeignet, weshalb ich bei der Bezeichnung „Götterpolemik“ bleibe. Wo der Text keine Unterscheidung zwischen Bild und Gott zulässt, verwende ich den Begriff „Bild-Gott“ bzw. „Götter(bilder)“; dies trifft auch für den Begriff εἴδωλον zu, der in der LXX sowohl für Götter als auch für Götterbilder verwendet wird.⁶¹ Den negativ konnotierten Begriff „Götze“ vermeide ich in der Analyse, da diese die Perspektive der Texte beschreiben, aber nicht übernehmen soll. Eine genauere Beschreibung dieses götterpolemischen Diskurses wird sich aus den in den folgenden Kapiteln gebotenen Textanalysen ergeben. Im synthetischen Teil dieser Untersuchung (Kap. 5) werde ich Struktur und Verlauf dieses Diskurses erörtern.

1.4 Fragestellung und Aufbau Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die bereits von anderen⁶² gemachte Feststellung, dass götterpolemische Texte wie Jes 40,19 f; 41,6 f; 44,9 – 20; 46,1 f.5 – 8; Jer 10; Hab 2,18 f; Ps 115; Ps 135; BelDr; EpJer; Sap 13 – 15; Jub 11– 12 und ApcAbr 1– 8 einander ähnlich sind und sich zugleich von anderen atl. Texten über Götter(bilder) unterscheiden. Ich gehe daher davon aus, dass in diesen Texten ein bestimmter götterpolemischer Diskurs produziert wird. Meine Untersuchung widmet sich zum einen der Charakterisierung dieses götterpolemischen Diskurses: Welche Aussagen begegnen in diesem Diskurs und wie hängen diese Aussagen zusammen? Gegen wen oder was richtet sich diese Polemik? Wie sich zeigen wird, ist eine genaue soziohistorische Einordnung der Polemik anhand der Texte

 Diese Definition von Polemik schließt an Stenzel 1986: 4 f und Dieckmann 2005: 26 an.  Vgl. dazu schon Eissfeldt 1962: 268; Preuss 1971: 282– 285; Dohmen 1985: 37 u. a.  Mit Woyke 2005: 90. Das übliche griechische Wort für „Götterbild“ wäre ἄγαλμα. Εἴδωλον bedeutet eigentlich „Abbild“ und wird in der LXX sowohl für Götterbilder (‫ָעָצב‬, ‫ ֶצֶלם‬etc.) als auch für Götter (z. B. ‫ ֵאִלים‬in Jes 57,5; ‫ ֱאל ִֹהים‬in Num 25,2 u. ö.) verwendet; für eine ausführliche Begriffsanalyse vgl. Woyke 2005: 37– 103.  S.o. Anm. 57.

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1 Einleitung

oft nicht möglich, was auch mit der polemischen Strategie dieser Texte zusammenhängt (s.u. 3.4.2.13; 5.2.1). Im Fokus dieser Untersuchung steht der auffällige Befund, dass viele götterpolemische Aussagen einen weisheitlichen Hintergrund haben. Die leitende Fragestellung ist daher, wo und wie sich der götterpolemische Diskurs mit weisheitlichen Diskursen verbindet und welche Effekte sich aus dieser Verbindung ergeben. Da der weisheitliche Diskurs natürlich wesentlich breiter ist als der für diese Untersuchung abgegrenzte götterpolemische Diskurs, ist besonders darauf zu achten, mit welchen weisheitlichen (Unter‐)Diskursen sich der götterpolemische Diskurs(strang) verbindet. Im Hinblick auf die Effekte der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit werde ich insbesondere der Frage nach Argumentationsstruktur und -grundlage (Auf welchen unhinterfragten Voraussetzungen basiert die Polemik?) sowie der Frage nach Selbst- und Fremdpositionierung (Welche Konzepte von sich selbst und von anderen werden im Diskurs entwickelt?) nachgehen. Die Analyse des götterpolemischen Diskurses, seiner Entwicklung und seiner Verbindung mit weisheitlichen Diskursen wird in Kap. 5 auf der Grundlage der Einzeltextanalysen (Kap. 2– 4) dargestellt. Für die Einzeltextanalysen habe ich Texte ausgewählt, die Elemente der oben skizzierten götterpolemischen und weisheitlichen Diskurse enthalten. In Bezug auf Götterpolemik bedeutet dies, dass Texte, die sich ausschließlich mit Bildern befassen, dem Volk Bilder- und Fremdgötterkult vorwerfen oder Bilder- und Fremdgötterverbote formulieren, unberücksichtigt bleiben. Diese Eingrenzung erscheint insofern legitim, als die ausgewählten polemischen Texte untereinander Ähnlichkeiten aufweisen, die sie von den Verbotstexten unterscheiden.⁶³ Im Hinblick auf Weisheit habe ich mich für eine Zurückstellung der Dan-Texte entschieden. Ich beziehe BelDr zwar in die Gesamtschau mit ein, nehme aber keine gesonderte Analyse der götterpolemischen und weisheitlichen Elemente dieses Textes vor, da sich in BelDr m. E. keine Berührungen zu den in den anderen götterpolemischen Texten verwendeten weisheitlichen Diskursen feststellen lässt.⁶⁴ Neben inhaltlichen Erwägungen spielt für die Textauswahl die Länge der Texte eine Rolle. Ich habe für die Einzeltextanalysen nur längere Textabschnitte oder Textzusammenhänge gewählt; literarisch miteinander verbundene Texte finden sich dabei jeweils in einem Ka-

 S.u. 3.1. Vgl. zu diesem Unterschied auch von Rad 1970: 238 (und zur Einteilung unterschiedlicher Arten von mit Bildern befassten atl. Texten Dohmen 1985: 38). Das gilt auch für die EzTexte, die mit deutlich unterscheidbarer Terminologie einen Vorwurf an Israel formulieren.  Schon für Dan ist fraglich, wie weit sich das Verständnis von Weisheit mit dem der atl. Weisheitsliteratur berührt (vgl. zur Diskussion einer „mantischen“ Weisheit in Dan Müller 1972: 277– 279; Collins 1997: 49). In BelDr fehlt zudem das entsprechende Vokabular, Daniel wird nicht als Weiser bezeichnet.

1.4 Fragestellung und Aufbau

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pitel. Die dadurch ermöglichte redaktionsgeschichtliche Analyse bereitet die Rekonstruktion der Entwicklung der Götterpolemik und ihrer Verbindung mit Weisheit vor. In den Einzeltextanalysen untersuche ich jeden Text abschnittsweise oder ggf. entlang der rekonstruierten Schichten oder Fortschreibungen auf Elemente götterpolemischer und weisheitlicher Diskurse. Anschließend beschreibe ich, wie sich götterpolemische und weisheitliche Elemente im jeweiligen Diskursfragment verbinden. Das synthetische Kap. 5 führt die Ergebnisse der Einzeltextanalysen zu einer Analyse des götterpolemischen Diskurses und seiner Verbindung mit weisheitlichen Diskursen zusammen. Dabei beziehe ich weitere Texte (BelDr, Jub, Arist, Philo, ApcAbr) mit ein, die ich innerhalb des chronologischen Überblicks (5.1) kurz vorstelle.

2 Deuterojesaja 2.1 Einleitende Bemerkungen In DtJes finden sich mehrere, meist kurze Passagen, die sich polemisch mit Göttern, Götterbildern, deren Herstellern und Verehrern auseinandersetzen (40,18 – 20; 41,6 f.21– 29; 42,8.17; 44,9 – 20; 45,15 – 17.20; 46,1 f.5 – 7; 48,5). Obwohl DtJes durchaus Beziehungen zur Weisheitsliteratur aufweist⁶⁵ und auch Weisheit explizit thematisiert,⁶⁶ wurden die götterpolemischen Texte doch nur selten mit Weisheit in Zusammenhang gebracht.⁶⁷ Ob ein solcher Zusammenhang nachgewiesen werden kann, hängt in vielen Fällen davon ab, in welchem Kontext die götterpolemischen Passagen gelesen werden. Daher ist es notwendig, zunächst den Ort der Götterpolemik in der Entwicklung des DtJes-Buches zu bestimmen. Götterpolemische Aussagen finden sich nur in Jes 40 – 48. Ein Teil dieser Götterpolemik, nämlich kurze Textstücke, die die Götterbilder und ihre Herstellung thematisieren, werden von vielen Exegeten als Ergänzungsschicht betrachtet.⁶⁸ Daneben finden sich aber auch weitere götterpolemische Passagen, die oft anderen Schichten zugeordnet werden,⁶⁹ sowie die Gerichtsrede Jes 41,21– 29, die in

 Vgl. Lindblom 1955: 198.203; Morgan 1981: 114– 119; Wilson 2009. Die Beziehung zu Hi diskutiert Terrien 1966.  Vgl. Jes 44,25; 47,10; 50,4.  Nielsen 1970: 202 weist Jes 44,9 – 20; 40,19 f; 41,6 f; 46,6 – 7 einer Gattung „chokmatische Lehrgedichte“ zu. Vgl. auch Merendino 1981: 556 f, der die Polemik gegen die Götterbilder zusammen mit Jes 40,12– 17 einer weisheitlich-theologischen Bearbeitung zuschreibt, sowie Fohrer 1986: 12, der für Jes 40,18 – 20; 41,7; 44,9 – 20 und 46,5 – 8 einen Verfasser annimmt, „bei dem man am ehesten an einen Weisheitslehrer zu denken hat“. Hermisson 2003a: 102 bemerkt zur Ähnlichkeit der dtjes Bilderpolemik mit Jer 10,1– 16, dies deute auf „weisheitliche Tradentenkreise“ hin. Explizit gegen eine weisheitliche Prägung der Polemik spricht sich Preuss 1976: 63 aus.  Duhm 1968: 333 – 337.352 f hielt 44,9 – 20 und 46,6 – 8 für Zusätze, Fohrer 1986: 12 und Elliger 1978: 65 f.115 daneben auch 40,(18.)19 – 20 und 41,6 – 7.Volz 1932: 51 f hält 40,19 f; 41,6 f; 46,5 – 7 für sekundär, 44,9 – 20 hingegen für ursprünglich. Zu weiteren Vertretern einer sekundären götterpolemischen Ergänzungsschicht vgl. Anm. 205. Gegen die Ausscheidung und für die Zugehörigkeit der götterpolemischen Passagen zur Grundschicht sprechen sich u. a. Guillet 1959: 428; Preuss 1971: 192– 237; Clifford 1980: 451; Spykerboer 1976: 40 f.66 f (und passim) aus.  Jes 42,8.17; 45,16; 46,1 f; 48,5. Z. B. rechnet Kratz 1991a: 194.206 f 42,8.17; 46,1 f; 48,5 einer späteren Ergänzungsschicht zu; Merendino 1981: 273 f.495 – 497 dagegen hält die genannten Stellen bis auf 48,5 für älter als die götterpolemische Bearbeitung.

2.1 Einleitende Bemerkungen

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der Forschung nahezu einhellig dem Grundbestand des DtJes-Buches zugerechnet wird.⁷⁰ Die erste götterpolemische Passage in DtJes begegnet in Jes 40,(18.)19 – 20. Diese Passage ist eingebettet in den Abschnitt 40,12– 31, dessen rhetorische Fragen an Hi 38 – 41 und Prov 30,1– 4 erinnern.⁷¹ Für die Untersuchung der Beziehung von Götterpolemik und Weisheit bietet sich 40,12– 31 daher als Startpunkt an. Um die literarhistorische Schichtung der Götterpolemik in DtJes und ihre Verbindung mit Weisheit zu untersuchen, werde ich daher zunächst mit Jes 40,12– 31 und Jes 41,21– 29 zwei Textbereiche untersuchen, in denen sich weisheitliche Anklänge und unterschiedliche Formen der Götterpolemik finden. Aufbauend darauf werde ich auf die Frage einer sekundären götterpolemischen Überarbeitungsschicht zurückkommen, und die Berührung der Herstellungspolemik mit weisheitlichem Gedankengut in Jes 44 untersuchen. Zur literarhistorischen Einordnung der Texte möchte ich an dieser Stelle eine Vorbemerkung machen, die das DtJes-Buch insgesamt und daher alle im Folgenden behandelten Texte betrifft. So wird in den Analysen der Einzeltexte von einer „Grundschicht“ die Rede sein. Was damit gemeint ist, bedarf einer kurzen Erläuterung.⁷² Das DtJes-Buch weist zum einen eine übergreifende konzeptionelle Struktur auf,⁷³ besteht zum anderen aber aus formal und inhaltlich sehr unterschiedlich ausgerichteten Einzelstücken.⁷⁴ Diese spannungsreiche Erscheinung lässt sich – gerade für ein Prophetenbuch – als komponierte Sammlung von Einzelworten deuten.⁷⁵ Ausgehend von der Annahme, es handle sich um eine

 Anders m.W. nur Vermeylen 1989: 36 (Anm. 110).50, der nur 41,25 für dtjes hält. Merendino 1981: 201 f unterschiedet in 41,21– 29 zwei unabhängige Texte, die aber beide auf den gleichen Verfasser zurückgehen.  Vgl. Melugin 1971: 323 f und dazu unten 2.2.3.1.1.  Zum Problem vgl. Kratz 1991a: 1– 8; van Oorschot 1993: 23.  Als Hinweise auf eine „bewusste Komposition“ nennt Westermann 1981a: 26 z. B. die Rahmung durch Prolog 40,1– 11 und Epilog 55,6 – 11; die Anordnung der Loblieder, die größere Teile abschließen; die zentrale Stellung des Kyrosorakel im Zentrum; die Einleitung der beiden Teile durch 40,12– 31 und 49,14– 26. Die durchgehende Komposition spricht auch gegen die These einzelner Sammlungen (Merendino 1981: 542; Hermisson 1998: 153), vgl. Kratz 1991a: 160 (in Bezug auf Jes *40 – 48).  Die Identifizierung von selbständigen Einzelworten wurde v. a. seit Gressmann 1914 mit einem formgeschichtlichen Ansatz vorangetrieben (Mowinckel 1931). Eine Übersicht über konzeptionelle Spannungen gibt Hermisson 1998: 137– 153.  Aus dem Vergleich mit Hag leitet Blenkinsopp 2002: 71 eine analoge Entstehungsweise für DtJes ab („an associate or disciple wrote from memory, some time after delivery and in greatly abbreviated form,what the master had said, adding his own comments and arranging the material in as orderly a fashion as he could“). Schon Elliger 1933: 220 f hält Jes 40 – 55 für eine redaktionell

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2 Deuterojesaja

Sammlung von Worten einer prophetischen Einzelgestalt („DtJes“), versuchten manche Exegeten, die Worte dieses Propheten als eigentliche Grundschicht der Texte zu rekonstruieren.⁷⁶ Doch selbst wenn das DtJes-Buch unter Verwendung authentischer Worte eines oder mehrerer Propheten entstanden ist, bilden diese Einzelworte für sich genommen nicht die Grundschicht des uns vorliegenden Buches. Sinn und Zusammenhang des literarischen Werks ergeben sich erst durch die Komposition (im Sinne einer redaktionellen Anordnung und Bearbeitung der Worte).⁷⁷ Unter „Grundschicht“ verstehe ich daher die älteste greifbare schriftliche Gestalt des DtJes-Buches,⁷⁸ auf die spätere Überarbeitungen und Ergänzungen aufbauen. Für die Analyse folgt daraus, dass die Texte in ihrem Kontext und mit ihren kompositionellen Bezügen interpretiert werden müssen. Die Grundschicht ist, weil sie Einzelworte redaktionell in eine Gesamtkonzeption einbindet, nicht völlig spannungsfrei. Spannungen zwischen unterschiedlichen Deutungsansätzen und Leseanweisungen weisen hingegen auf spätere Überarbeitungen hin.

2.2 Jes 40,12 – 31 Jes 40,*12– 31 wird im Allgemeinen der literarischen Grundschicht des DtJes-Buches zugerechnet, wobei Struktur und Einheitlichkeit unterschiedlich beurteilt werden. Der Abschnitt ist thematisch und formal vom vorangehenden Prolog 40,1– 11 abgegrenzt.⁷⁹ Dahinter folgt mit der Gerichtsrede 41,1– 5 ein neuer

bearbeitete Sammlung durch einen Prophetenschüler, nämlich TritoJes. Dass die Sammlung nicht auf DtJes selbst zurückgehen kann, meinte unter anderen Voraussetzungen schon Mowinckel 1931: 244 f.  Vgl. Vermeylen 1989: 36 – 41.  Zur Orientierung am Konzept statt an der Person des Propheten vgl. auch Hermisson 1998: 134, der allerdings in der Grundschicht doch noch nach „dem einheitlichen Verkündigungskonzept des Propheten“ (Hermisson 1998: 135) sucht. Merendino 1981: 540 – 543 löst das Problem, indem er aus den Worten, die er dem Propheten DtJes zuschreibt, fünf von diesem selbst bearbeitete Sammlungen rekonstruiert.  Mit Kratz 1991a: 157 (Grundschicht als „prophetische Verkündigung in verschrifteter Gestalt“); vgl. dazu auch Kratz 2011a: 40; Kratz 2011b: 11. Entsprechend verweist das im Folgenden verwendete Adjektiv „dtjes“ nicht etwa auf die Person des Propheten, sondern auf das literarische Phänomen.  Die meisten Exegeten betrachten Jes 40,*1– 11 als Prolog, ob in literarhistorischer Perspektive (z. B. van Oorschot 1993: 105) oder nicht (z. B. Westermann 1981a: 30; Spykerboer 1976: 182– 184; Koole 1997: 49). Zur Abgrenzung der Passage V.1– 11 vgl. auch Kiesow 1979: 23 – 25; Ehring 2007: 19. Anders Elliger 1978: 34, der Jes 40 insgesamt als redaktionell komponierten Prolog betrachtet. Gegen eine Zäsur zwischen V.1– 11 und V.12– 31 und für die Einheitlichkeit von Jes 40 sprechen sich z. B. Haran 1963: 128 f.132 und Moor 1993 aus.

2.2 Jes 40,12 – 31

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Einsatz. Der Abschnitt V.12– 31 ist von (rhetorischen) Fragen durchzogen (V.12.13.14.18.21.25.26.27.28). Die sich um diese Fragen gruppierenden Verse bilden eine Art kleinere Untereinheiten (V.12– 17.18 – 20.21– 24.25 – 26.27– 31),⁸⁰ die aber thematisch eng miteinander verbunden sind und ihrem Sinn nach auf V.27– 31 zulaufen.⁸¹ V.27– 31 ist deutlich auf die vorangehenden V.12– 26 bezogen: ‫ ֶדּ ֶרְך‬und ‫ ִמ ְשׁ ָפּט‬in V.27b verweisen auf V.14;V.28aα greift – nun rückblickend im Perfekt – die Fragen aus V.21aα auf; weiter erinnern in V.28a das Schöpfungsthema und das Leitwort ‫ ֶא ֶרץ‬an V.12.21– 24.26; V.28b erinnert an V.13 f (‫ ;) ְתּבוּ ָנה‬V.29 (‫ ֹכּ ַח‬, ‫ )אוֹ ִנים‬an V.26bβ. Wie ich in den Vorbemerkungen zu DtJes (s.o. 2.1) bereits dargelegt habe, verstehe ich die Grundschicht als Komposition, die nicht mehr in ihr mögliches Ausgangsmaterial – authentische Prophetenworte? – zerlegt werden kann. Daher ist der offensichtlich als Einheit komponierte Abschnitt V.12– 31 als zusammenhängender Text zu lesen und zu analysieren. Weisheit und Götterpolemik sind in V.12– 31 in sehr auffälliger (Weisheit:V.12– 14; Götterpolemik: V.18 – 20), vielleicht aber auch noch in etwas verborgenerer Weise (z. B.V.21 f: Weisheit? V.26: Götterpolemik?) präsent. Eine Aufgabe wird also sein, Berührungen mit weisheitlichen und götterpolemischen Diskursen an konkreten Textstellen aufzuzeigen. In Bezug auf die Frage nach der Entwicklung der Götterpolemik und ihrer Verbindung stehen wir hier vor dem interessanten Phänomen, dass sowohl Weisheit als auch Götterpolemik in der literarkritischen Diskussion um V.12– 31 eine besondere Rolle spiel(t)en. So hält z. B. Merendino (1981: 82.121 f) V.12– 17 aufgrund der weisheitlichen Sprache für sekundär.V.(18.)19 – 20 werden zusammen mit ähnlichen götterpolemischen Passagen in DtJes von vielen Exegeten als spätere Einschübe betrachtet (dazu s.u. 2.4), während andere die Götterpolemik in V.18 – 20 als konstitutiv für den Aufbau von V.12– 31 anse-

 Diese Unterabschnitte werden von einigen Exegeten als selbständige literarische Einheiten betrachtet, vgl. von Waldow 1953: 29 – 32.36; Begrich 1963: 48 f; Duhm 1968: 295.298; Melugin 1971 (passim); Elliger 1978: 45. Gegen die Aufteilung von V.12– 31 in selbständige Einheiten spricht sich Westermann 1981c: 44– 47 aus; vgl. auch ähnlich Bonnard 1972: 97.  Vgl. Duhm 1968: 300 zu V.27– 31: „das letzte Gedicht in dieser Reihe und der Abschluß der Ausführungen v. 12– 26“. Melugin 1971: 337 kommt zum Schluss, V.12– 31 sei „a carefully planned collection of speeches which once existed separately“. Elliger 1978: 46 betont (allerdings gegen die von Westermann postulierte Einheitlichkeit), dass es in V.12– 31 durchgängig sowohl um Schöpfung (bzw. Gott als Herrn der Schöpfung) als auch um die Völker (bzw. Gott als Herrn der Geschichte) geht, und gibt die „inhaltliche und formale Verwandtschaft“ als Grund für die Zusammenstellung an. Auf der Ebene der Komposition scheint also auch Elliger V.12– 31 als Einheit aufzufassen, aber er hebt die Eigenständigkeit der Teile als mögliche authentische Prophetenworte hervor (vgl. Elliger 1978: 46 f; die vorliegende Arbeit verfolgt einen anderen Ansatz, s.o. 2.1 und im Folgenden).

22

2 Deuterojesaja

hen.⁸² Es muss daher zunächst geklärt werden, ob Weisheit und/oder Götterpolemik bereits in der Grundschicht anzusiedeln sind. Darauf aufbauend ist zu fragen, ob die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik durch den Kompositor der Grundschicht gestaltet wurde, oder ob und wie ihre Verbindung in der weiteren Entwicklung des Textes zustande gekommen ist. Auf die übrigen götterpolemischen Passagen in DtJes wird dabei in der Argumentation möglichst nicht Bezug genommen, da eine Vorentscheidung über ihren sekundären oder ursprünglichen Charakter der Untersuchung vorgreifen würde.

2.2.1 Übersetzung und Textkritik ‫( ִמי־ָמ ַדד ְבּ ָשֳׁעלוֹ ַמיִם ְו ָשַׁמיִם ַבּ ֶזּ ֶרת ִתּ ֵכּן ְוָכל ַבּ ָשִּׁלשׁ ֲעַפר‬) Wer hat mit seiner hohlen Hand das Was‫ ָהָא ֶרץ ְו ָשַׁקל ַבּ ֶפֶּלס ָה ִרים וּ ְגָבעוֹת ְבּמֹא ְז ָניִם׃‬ser a gemessen und misst den Himmel mit der Spanne der Hand ab und hat mit dem Dreimaß den Staub der Erde erfasst und wiegt mit der Waage die Berge und mit Waagschalen Hügel? ‫( ִמי־ִת ֵכּן ֶאת־רוּ ַח ְיה ָוה ְוִאישׁ ֲעָצתוֹ יוֹ ִדיֶענּוּ‬) Wer misst b den Geist Jhwhs und (wer) ist der Mann, den er seinen Ratschluss wissen lässt? c ‫א ַרח ִמ ְשׁ ָפּט ַו ְיַל ְמּ ֵדהוּ ַדַעת‬ ֹ ‫( ֶאת־ִמי נוָֹעץ ַו ְיִבי ֵנהוּ ַו ְיַל ְמּ ֵדהוּ ְבּ‬) Mit wem hat er sich beraten, dass er ‫ =( ְו ֶד ֶרְך ְתּבוּנוֹת יוֹ ִדיֶענּוּ׃‬Jhwh) d ihm Einsicht gebe und ihn unterweise im Pfad des Rechts, und ihn Erkenntnis lehre, und ihn den Weg der Einsichten wissen lasse? ‫( ֵהן גּוֹיִם ְכַּמר ִמ ְדִּלי וְּכ ַשַׁחק מֹא ְז ַניִם ֶנְח ָשׁבוּ ֵהן ִא ִיּים ַכּ ַדּק‬) Siehe, Völker sind wie ein Tropfen des Ei‫ יִּטוֹל׃‬mers e und zählen so viel wie ein Staubbelag der Waagschalen. Siehe, Inseln [wiegen] f wie ein Stäubchen. ‫( וְּלָבנוֹן ֵאין ֵדּי ָבֵּער ְוַח ָיּתוֹ ֵאין ֵדּי עוָֹלה׃‬) Der Libanon genügt nicht zum Verbrennen und seine Lebewesen genügen nicht zum Brandopfer. ‫( ָכּל־ַהגּוֹיִם ְכַּאיִן ֶנ ְגדּוֹ ֵמֶאֶפס ָוֹתהוּ ֶנְח ְשׁבוּ־לוֹ׃‬) Alle Völker sind wie nichts vor ihm, weniger g als Nichts und Leere gelten sie für ihn. ‫( ְוֶאל־ִמי ְתּ ַד ְמּיוּן ֵאל וַּמה־ ְדּמוּת ַתַּע ְרכוּ לוֹ׃‬) Mit wem wollt ihr Gott vergleichen und was für ein Abbild wollt ihr ihm gegenüberstellen?

 Dabei werden V.18 – 20 als Entsprechung zu den (ebenfalls götterpolemisch verstandenen) V.25 f gedeutet, vgl. den Aufbau nach Schoors 1973: 259; Albani 2000: 127– 129. Dass die Götterpolemik in V.18 – 20 von vielen als gut in den Kontext eingebunden empfunden wird (vgl. noch Preuss 1971: 193 f; Spykerboer 1976: 44 f; Holter 1995: 77 f), unterscheidet diese Passage z. B. deutlich von 41,6 – 7, die auch Exegeten, die die Götterpolemik in DtJes grundsätzlich für ursprünglich halten, als fehl am Platz interpretieren (vgl. Schoors 1973: 253; Blenkinsopp 2002: 192).

2.2 Jes 40,12 – 31

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‫( ַה ֶפֶּסל ָנַסְך ָח ָרשׁ ְוֹצ ֵרף ַבּ ָזָּהב ְי ַר ְקֶּענּוּ וּ ְרֻתקוֹת ֶכֶּסף צוֹ ֵרף׃‬) Ein Götterbild[?] h Ein Handwerker hat (es) gegossen und ein Feinschmied überzieht es mit Gold und [legt] Silberdrähte [ein] i. ‫( ַהְמֻס ָכּן ְתּרוָּמה ֵעץ ל ֹא־יִ ְרַקב יְִבָחר ָח ָרשׁ ָחָכם ְיַב ֶקּשׁ־לוֹ‬) [Einen Verantwortlichen] für das ‫ ְלָהִכין ֶפֶּסל ל ֹא יִמּוֹט׃‬Podest[?] j Holz, das nicht fault, wählt er; einen weisen Handwerker sucht er sich, um ein Götterbild zu errichten, das nicht zum Wackeln gebracht wird. ‫( ֲהלוֹא ֵת ְדעוּ ֲהלוֹא ִת ְשָׁמעוּ ֲהלוֹא ֻה ַגּד ֵמר ֹאשׁ ָלֶכם ֲהלוֹא‬) Erkennt ihr nicht? Hört ihr nicht? Wurde ‫ ֲהִבינֶֹתם מוְֹסדוֹת ָהָא ֶרץ׃‬euch nicht verkündigt von Anfang an? Habt ihr nicht verstanden [seit Grundlegung] k der Erde? ‫( ַה ֹיּ ֵשׁב ַעל־חוּג ָהָא ֶרץ ְוי ֹ ְשֶׁביָה ַכֲּח ָגִבים ַהנּוֶֹטה ַכ ֹדּק ָשַׁמיִם‬) Der über dem Kreis der Erde wohnt – die sie ‫אֶהל ָל ָשֶׁבת׃‬ ֹ ‫ ַו ִיְּמ ָתֵּחם ָכּ‬bewohnen (aber) l sind wie Heuschrecken; der ausbreitet wie dünnen Stoff den Himmel und ihn ausspannt wie [ein] m Zelt zum Wohnen; ‫תּהוּ ָע ָשׂה׃‬ ֹ ‫שְׁפֵטי ֶא ֶרץ ַכּ‬ ֹ ‫( ַהנּוֵֹתן רוֹ ְז ִנים ְלָאיִן‬) der Würdenträger zu Nichts werden lässtn, Richter der Erde hat er wie Nichts gemacht; ‫שׁ ֵרשׁ ָבָּא ֶרץ ִגּ ְזָעם ְו ַגם־ ָנ ַשׁף‬ ֹ ‫( ַאף ַבּל־ ִנ ָּטעוּ ַאף ַבּל־ֹז ָרעוּ ַאף ַבּל־‬) kaum o sind sie gepflanzt worden, kaum ‫ ָבֶּהם ַו ִיָּבשׁוּ וְּסָע ָרה ַכּ ַקּשׁ ִתּ ָשֵּׂאם׃‬sind sie gesät worden, kaum hat ihr Stamm eine Wurzel in der Erde, schon blies er sie an, so dass sie verdorrten und der Sturmwind sie wegtrug wie Strohstoppeln. ‫( ְוֶאל־ִמי ְת ַד ְמּיוּ ִני ְוֶא ְשׁ ֶוה י ֹאַמר ָקדוֹשׁ׃‬) Mit wem wollt ihr mich vergleichen, dass ich gleich sei? sagt der Heilige. ‫( ְשׂאוּ־ָמרוֹם ֵעי ֵניֶכם וּ ְראוּ ִמי־ָב ָרא ֵא ֶלּה ַהמּוִֹציא ְבִמְס ָפּר‬) Hebt eure Augen nach oben und schaut: ‫ ְצָבָאם ְלֻכ ָלּם ְבּ ֵשׁם יְִק ָרא ֵמר ֹב אוֹ ִנים ְוַא ִמּיץ ֹכּ ַח ִאישׁ ל ֹא‬Wer hat diese geschaffen? Der herausführt nach ‫ ֶנְע ָדּר׃‬der Zahl ihr Heer, er ruft sie alle beim Namen; wegen der Fülle an Vermögen und der [Stärke seiner] p Kraft wird keiner vermisst. ‫( ָל ָמּה ֹתאַמר ַיֲעקֹב וְּת ַד ֵבּר יִ ְשׂ ָרֵאל ִנְס ְתּ ָרה ַד ְר ִכּי ֵמ ְיה ָוה‬) Warum sagst du, Jakob, und sprichst du, ‫ וֵּמֱאל ַֹהי ִמ ְשׁ ָפִּטי ַיֲעבוֹר׃‬Israel: „Verborgen ist mein Weg vor Jhwh und vor meinem Gott zieht mein Recht vorbei“? ‫( ֲהלוֹא ָי ַדְע ָתּ ִאם־ל ֹא ָשַׁמְע ָתּ ֱאל ֵֹהי עוָֹלם ְיה ָוה בּוֹ ֵרא ְקצוֹת‬) Hast du nicht erkannt oder hast du nicht ‫ ָהָא ֶרץ ל ֹא יִיַעף ְול ֹא יִי ָגע ֵאין ֵחֶקר ִלְתבוּ ָנתוֹ׃‬gehört? Ein ewiger Gott ist Jhwh, Erschaffer der Enden der Erde, er wird nicht müde und nicht matt, unerforschlich ist seine Einsicht. ‫( ֹנֵתן ַל ָיֵּעף ֹכּ ַח וְּלֵאין אוֹ ִנים ָעְצָמה ַי ְר ֶבּה׃‬) Er gibt dem Müden Kraft und dem, der kein Vermögen hat, macht er die Stärke groß. ‫( ְויֲִעפוּ ְנָע ִרים ְויִ ָגעוּ וַּבחוּ ִרים ָכּשׁוֹל יִ ָכּ ֵשׁלוּ׃‬) Jünglinge ermüden und ermatten und junge Männer straucheln sogar. ‫( ְוקוֹ ֵי ְיה ָוה ַיֲחִליפוּ ֹכ ַח ַיֲעלוּ ֵאֶבר ַכּ ְנּ ָשׁ ִרים ָירוּצוּ ְול ֹא יִי ָגעוּ ֵיְלכוּ‬) Die auf Jhwh hoffen, erhalten neue Kraft, sie ‫ ְול ֹא יִיָעפוּ׃‬treiben q Flügel wie Adler, sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht. a

Elliger :  liest hier ‫( ַבּ ָשָׁעַליִם ָים‬ähnlich schon Duhm : : ‫ ) ִבּ ְשָּׁעִלים ָים‬und erklärt das (in V. singuläre) Suffix aus der Verlesung von ‫ י‬zu ‫ו‬. Doch der MT kann als difficilior beibehalten

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werden. Zu QJesa (‫ )שועלו מי ים‬als Verlesung des MT vgl. Orlinsky :  f. Am Sinn des Verses ändert sich dadurch nicht viel, da in jedem Fall das Wasser des Meeres gemeint sein muss. b ‫ תכן‬bedeutet hier wie in V. „messen“, nicht „bestimmen“, gegen Duhm : ; Driver :  f; mit Elliger : . Gemeint ist, dass der Mensch Jhwhs Gedanken nicht erfassen kann. So versteht auch die LXX den Text (τίς ἔγνω νοῦν κυρίου). c Ich lese ‫ ִאישׁ‬als casus pendens und ‫ ֲעָצתוֹ‬als Objekt (parallel zur doppelt transitiven Verwendung von ‫ יוֹ ִדיֶענּוּ‬in V.). So übersetzte schon Köhler :  und, mit inhaltlicher Begründung, wieder Merendino : . Wie in V.a geht es auch in V.b um die Unbegreiflichkeit von Jhwhs Gedanken. Das Verständnis von ‫ ִאישׁ ֲעָצתוֹ‬als Konstruktusverbindung (LXX, MT und die Mehrzahl der Exegeten) könnte von Jes , her beeinflusst sein (explizit so z. B. Werner : ). Von Ps , (‫ )ַא ְנ ֵשׁי ֲעָצִתי‬her wäre denkbar, dass es sich um einen feststehenden Begriff für „Ratgeber“ handelt, aber die davon abweichende Verwendung in Jes , spricht gegen eine erstarrte Verbindung. Es ist auch mit anderer syntaktischer Analyse möglich, zu einem inhaltlich quasi identischen Ergebnis zu kommen, vgl. Elliger :  mit Anm. . Da auch die Pendenskonstruktion eher ‫ ִאישׁ‬als (im Suffix wieder aufgenommenes) Objekt nahelegt, verstehe ich Jhwh als Subjekt von ‫( יוֹ ִדיֶענּוּ‬mit Köhler : ; Elliger : ; Merendino : ; gegen Duhm : ; Westermann a:  u. a.). d Im hebräischen Text wird nicht unmittelbar deutlich, wer in V. Subjekt ist. Entsprechend zu meiner Übersetzung von V. nehme ich an, dass auch in V. Jhwh durchgehend Subjekt ist. So auch Elliger :  und möglicherweise Köhler :  (teilweise ambivalent); anders Duhm : ; Schoors : ; Westermann a: . f; Fohrer : ; van Oorschot :  Anm.  u. a. Whybray  widmet den V. f eine ausführliche Untersuchung, setzt aber das Setting „Yahweh is represented as taking advice“ () unhinterfragt voraus. Das Fragewort ‫ ֶאת־ִמי‬mit nota accusativi zeigt jedoch an, dass die Frage nach dem Objekt lautet. Auch in den folgenden, an ‫ נוָֹעץ‬angeschlossenen Teilsätzen V.aβ.bβ stellt m. E. das Objekt die Unbekannte dar. V. führt V.b aus: Der ganze Fragesatz ist zwischen ‫( נוָֹעץ‬vgl. ‫ ֲעָצתוֹ‬in b) und ‫יוֹ ִדיֶענּוּ‬ (vgl. ‫ יוֹ ִדיֶענּוּ‬in b) aufgespannt. Es scheint mir unwahrscheinlich, dass das V. und V. verklammernde ‫ יוֹ ִדיֶענּוּ‬in den beiden Versen mit entgegengesetzer Subjekt-Objekt-Konstellation gelesen werden soll (so aber Merendino : , der zwischen V.a und V.b, sowie nach ‫ ֶאת־ִמי נוָֹעץ‬in V.a einen Subjektwechsel annimmt). Für die Lesart mit Jhwh als Subjekt spricht auch die Bezugnahme auf V. in V.: Das Volk glaubt, sein Weg (‫ ֶדּ ֶרְך‬, V.) und Recht (‫ִמ ְשׁ ָפּט‬, V.) seien vor Jhwh verborgen. Dabei ist es gerade umgekehrt: Jhwhs Weg (‫ ֶדּ ֶרְך‬, V.) und Gerechtigkeit (‫ִמ ְשׁ ָפּט‬, V.) sind für die Menschen nicht einsehbar. Dieses Verständnis zeigt sich auch in V.b (‫)ֵאין ֵחֶקר ִלְתבוּ ָנתוֹ‬, wo die Verhältnisse nun richtig gestellt sind: Jhwhs Einsicht (vgl. ‫ ְתּבוּ ָנה‬V.) ist unerforschlich. e Thomas :  –  schlägt vor, diesen Teilvers parallel zu den beiden anderen als „like dust of the balances“ zu lesen und leitet dazu aus arabischen Wurzeln ‫ַמ ְדֶלי‬/‫ ְכֻּמר ִמ‬ab. Die Änderung erscheint mir unnötig, zumal alle antiken Versionen in Richtung „Tropfen des Eimers“ gehen. Wie der Staub an den Waagschalen beeinflusst auch der Tropfen am Eimer die Messung nicht wesentlich. f Im Anschluss an Buhl :  und Elliger :  lese ich wie viele andere ‫( יִּטוֹלוּ‬Haplographie oder andere Worttrennung bei asyndetischem Beginn von V.). g So auch Schoors :  f. Elliger :  ändert mit QJesa zu ‫( ְכֶּאֶפס‬so schon Delitzsch : ). Angesichts der ähnlich gelagerten Fälle in Jes , ziehe ich den (schwierigeren) MT vor. Möglich ist dann auch die Übersetzung „aus Nichts“ (in diesem Sinne Duhm : ). Ob

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aber tatsächlich eine solche ontologische Aussage gemeint ist, erscheint mir zweifelhaft. Inhaltlich bewirkt das ‫ ִמן‬in jedem Fall eine Verstärkung. h Mettinger :  folgend lese ich hier und in V. das Interrogativpartikel ‫ ֲה‬anstelle des bestimmten Artikels (so auch LXX und Vg in V.). Alternativ und letztlich mit dem gleichen Sinn könnte man den bestimmten Artikel am vorangestellten Objekt als Hervorhebung lesen („Das Götterbild:“ bzw. „Das Götterbild –“); so Schoors : ; Holter : . f; Koole : ; vgl. auch Elliger : . i Eine Deutung des vorliegenden Textes als Wortspiel (z. B. Holter : ) scheitert daran, dass V.b in seiner jetzigen Form weder sprachlich noch von den technischen Abläufen her plausibel erklärt werden kann (vgl. zur Kritik Duhm : ). Ich folge hier dem Vorschlag von Fitzgerald : , der eine Konsonanten-Metathese annimmt. Das seltene Verb ‫( רצף‬vgl. noch Hld ,) konnte leicht zu ‫ צרף‬verlesen werden und ergibt herstellungstechnisch mehr Sinn. Möglicherweise ist ‫ יִ ְרֹצף‬zu lesen. Elliger :  –  nimmt in V.b–a einen größeren Textausfall an und hält den Text für nicht rekonstruierbar. Auch die Übersetzung von ‫ ְרֻתקוֹת‬als „Silberdrähte“ geht auf Fitzgerald :  f zurück und scheint mir besser in den Kontext der Verschönerung zu passen als Korpels Vorschlag „Lötnähte“ (Korpel :  f). j Die Deutung dieser beiden Wörter ist immer noch umstritten. Diskutiert werden für ‫ ַהְמֻס ָכּן‬v. a. folgende Bedeutungen (für weitere Alternativen und ausführlichere Argumentation vgl. Williamson ; van Leeuwen ): a) Sissoo-Holz (= akk. musukkannu, vgl. Zimmern ; weiterführend Millard/Snook ; Dick :  f Anm. g–h u. a.), b) ein zweites Bild (Ptz. Pu. zur ug. Wurzel skn, „Stele“ oder „formen“, vgl. Gray : ; Schoors : ; Holter :  u. a.), c) ein dritter Handwerker (Ptz. Pi. ‫ ְמַס ֵכּן‬zur ug. Wurzel skn, „formen“ oder „zuständig sein“, und zu einer heb. Wurzel ‫סכן‬, „sorgen für“, vgl. Korpel : ; van Leeuwen :  –  u. a.; vgl. auch Mulder  zu ‫ סֶֹכ ֶנת‬in  Kön ,.). Syntaktisch und im Kontext von V. –  halte ich c) für die beste Lösung; allerdings dürfte die masoretische Vokalisierung einen sekundären Zusammenhang zu a) herstellen. Gegen die ältere Übersetzung als ‫„( ִמְס ֵכּן‬arm“) und ‫„( ְתּרוָּמה‬Weihegabe“) vgl. z. B. Elliger : . ‫ ְתּרוָּמה‬bezeichnet wahrscheinlich das Podest des Götterbildes (vgl. Millard/Snook : ; van Leeuwen : ; vgl. auch Fokkelman :  zu ‫ ְתּרוָּמה‬in  Sam ,); der Vorschlag von Hurowitz :  Anm.  („selection“) vermag nicht zu überzeugen, da das von ihm angeführte Beispiel (Ps ,) keine Parallelität von ‫ בחר‬und ‫( רום‬Hi.) belegt. k Zur Kritik an der Übersetzung „Grundfesten“ vgl. Duhm : . Die Parallele zu ‫ ֵמר ֹאשׁ‬legt auch hier ein ‫ ִמן‬nahe. Ich lese mit Köhler :  ‫ִמיסוּ ַדת‬. l Die wohlklingendere Übersetzung mit „thront“ und „Bewohner“ verbirgt das Kontrastpaar. ‫ ְו‬ist hier m. E. nicht konsekutiv („so dass“), sondern disjunktiv zu verstehen (vgl. zur Unterscheidung Lambdin :  – ; Waltke/O’Connor :  f). m Diese Übersetzung impliziert eine Vokalisierung ohne Artikel, vgl. Duhm :  („Wohnzelt“). n ‫ נתן‬mit Akk. und ‫„( ְל‬machen zu“), vgl.  Chr , u. ö. o Zu dieser Verwendung von ‫ ַבּל‬vgl. Albright : . p So mit QJesa (‫ )אמץ כחו‬und den Versionen (vgl. Blenkinsopp : .; Berges : .); anders Köhler : ; Elliger :  u. a., die Duhm :  folgend hier den MT beibehalten und stattdessen ‫ מרב‬adjektivisch lesen. q Duhm :  scheint hier eine andere Wurzel anzunehmen, was wohl nicht nötig ist, da „wachsen lassen“ durchaus im Bedeutungsspektrum von ‫ עלה‬Hi. liegt, vgl. Brongers : ; Blenkinsopp : .

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2.2.2 Durchgang durch den Text Nach dem Prolog Jes 40,1– 11 setzt in V.12 ein neuer Textabschnitt ein. a) Die rhetorischen Fragen V.12– 14 eröffnen einen neuen Abschnitt, der von weiteren rhetorischen Fragen durchzogen ist. Die V.12 – 14⁸³ sind durch die Frageworte ‫ ִמי‬bzw. ‫( ֶאת־ִמי‬jeweils mit daran anschließendem ‫ ) ְו‬in drei Fragen gegliedert. Die mittlere Frage verbindet dabei die erste mit der dritten und verdeutlicht so den V.12– 14 zugrunde liegenden Gedankengang. Nach oben auf V.12 verweist das Thema des Messens in V.13a (‫)ִת ֵכּן – ִת ֵכּן‬, nach unten auf V.14 das Thema des Einsichtgebens in V.13b (‫)יוֹ ִדיֶענּוּ – יוֹ ִדיֶענּוּ‬. Abgesehen von diesen zusammenbindenden Wortwiederholungen verwendet der Text unterschiedliche parallele Ausdrücke für die Vorgänge des Messens und des Einsichtgebens. Eine Ausnahme bildet die auffällige Wiederholung von ‫ ַו ְיַל ְמּ ֵדהוּ‬in V.14bα. Dieser Teilvers fehlt zudem in der LXX⁸⁴ und unterbricht den chiastischen Parallelismus V.14aβ. bβ. Mit vielen anderen⁸⁵ nehme ich daher an, dass es sich um eine Glosse handelt. Die Einfügung könnte sich zum Beispiel der Assoziation mit Hi 21,22 (‫ַהְלֵאל‬ ‫ ְיַל ֶמּד־ ָדַּעת ְוהוּא ָרִמים יִ ְשׁפּוֹט׃‬, „Kann man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der Erhabene richtet?“) verdanken. b) V.15 geht von Fragen zu Feststellungen über (‫ )ֵהן‬und bringt das neue Thema der Völker ein, das die V.15 – 17 verbindet. An das Vorangehende knüpft dieser Abschnitt durch das Bild der Waagschalen (V.12.15) an. Die in V.15.17 formulierte ungehinderte Souveränität Gottes kann auf seinen in V.13 erwähnten Plan bezogen werden: Die Völker fallen nicht ins Gewicht. V.16 hingegen ist ein Bild für Gottes Größe, das nicht spezifisch auf sein Planen und Handeln bezogen ist.⁸⁶ Diese Aussage lässt sich m. E. nur schwer in den Aufbau von V.12– 31 einordnen.⁸⁷

 Aufgrund des weisheitlichen Stils vermutet Merendino 1981: 82.121 f den sekundären Charakter dieser Verse. Im Anschluss daran scheidet Vermeylen 1987: 190 f die V.13 – 15.17 als Fortschreibung aus V.12.22 f aus. Der weisheitliche Stil sollte hier m. E. nicht als literarkritisches Kriterium verwendet werden, zumal sich das weisheitliche Gedankengut auch im übrigen Text findet, s.u. 2.2.3.1.1.  Da LXX in Jes eher frei übersetzt (vgl. Seeligmann 2004: 184.205), ist dies allein noch kein Argument für den sekundären Charakter von V.14bα. Genauso gut kann der Übersetzer V.14bα (als störend oder redundant?) ausgelassen haben.  Duhm 1968: 295; Schoors 1973: 245; Elliger 1978: 41; Merendino 1981: 83; Fohrer 1986: 23; Moor 1993: 194 u. a.  Zum inhaltlichen Herausfallen dieses Verses vgl. Elliger 1978: 56 f; Westermann 1981a: 45.  Die Vorschläge zur Einbettung sind wenig überzeugend. Bonnard 1972: 99 Anm. 1 argumentiert, dass nach Meer, Himmel und Erde nun Flora und Fauna behandelt werden – aber auch

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Weitere Merkwürdigkeiten wie die konkrete Nennung des Libanon und das kultische Thema sprechen ebenfalls für den sekundären Charakter von V.16.⁸⁸ Es dürfte sich daher um einen späteren Zusatz handeln.⁸⁹ c) Der Abschnitt V.18 – 20 setzt erneut mit einer Frage ein und behandelt das Thema des Götterbildes. Das seltene und offenbar schwierige Vokabular der V.19 f (vgl. die Anmerkungen zur Textkritik) lässt sich durch das Thema der Götterbilderherstellung erklären. Inhaltlich bewegen sich diese Verse aber auf einer ganz anderen Ebene der Argumentation, die den Zusammenhang von V.12– 31 unterbricht. Könnte man die Erwähnung des Götterbildes zwar als Reaktion auf die Unvergleichbarkeitsfrage in V.18 verstehen, so bleibt doch auffällig, dass hier nicht an Jhwhs unermessliche Souveränität angeknüpft wird, sondern der Herstellungsprozess der Bilder thematisiert wird. Diese Argumentationsweise fällt aus dem Kontext heraus.⁹⁰ Die V.19 f beantworten eine rhetorische Frage, die im restlichen Abschnitt anders beantwortet wird. Mit vielen anderen Exegeten⁹¹ betrachte ich daher V.19 f als eine sekundäre Einfügung.⁹² Handelt es sich bei V.19 f um eine sekundäre Ergänzung, so ist weiter zu fragen, ob V.18 dem Ergänzer oder der Grundschicht zuzuschlagen ist. Für beide dann wäre V.16 in seinem jetzigen Kontext fehl am Platz und müsste stattdessen auf V.12 folgen. Moor 1993: 210 Anm. 43 hält den Aufbau von V.13 – 17 für parallel zu V.21– 24, nämlich für eine Abfolge von Mangel an Verstehen und Zerstörung der Völker (V.16 als ein blutiges Opfer für Jhwh). M. E. geht es in V.12– 26 nicht um eine Zerstörung der Völker (was auch nicht zur Rolle der Völker im Folgenden passen würde), sondern um Jhwhs Souveränität.  Dazu van Oorschot 1993: 24 f Anm. 11.  So auch Elliger 1978: 43 f.56 f; Fohrer 1986: 25 Anm. 12 u. a. Anders Merendino 1981: 80 u. a.  Vgl. Merendino 1981: 90. Dass die V.19 f nicht auf den Fluchtpunkt ausgerichtet sind, wird deutlich, wenn man den Text mit Elliger 1978: 47 als „Appell zum Vertrauen auf den Gott, der die Verfügungsgewalt über die gesamte Schöpfung einschließlich der Völkerwelt hat“ liest.  Volz 1932: 7; Elliger 1978: 65 f; Westermann 1981a: 47; Fohrer 1986: 26 f; Kratz 1991a: 192 f; van Oorschot 1993: 313 u. a. Dagegen Preuss 1971: 193 – 198; Schoors 1973: 252 f; Spykerboer 1976: 39 – 42 (der aber vermutet, dass DtJes zitiert oder ein Zitat adaptiert); Ben-Dov 2000:103 f u. a.  Im Anschluss an Duhm 1968: 296 f (der auf de Lagarde verweist) ist es populär geworden, 41,6 f hier einzufügen oder anzuschließen, vgl. Köhler 1923: 8: „Daß 41,6.7 zwischen 40,19a und 19b gehören, ist fast allgemein anerkannt.“ Vgl. auch von Waldow 1953: 194 Anm. 7 (wie Duhm nach V.19); Roth 1975: 22 (Anm. 9).26 (nach V.19a); Fitzgerald 1989: 431 und Blenkinsopp 2002: 192 (nach V.20); Schoors 1973: 253 (nach V.20, Ausfall durch Homoioteleuton). Merendino 1981: 92.94 mit Anm. 62 hält dagegen, dass beide Stücke bewusst in ihren jeweiligen Kontext gesetzt worden sind. Spykerboer 1976: 66 f; Clifford 1980: 454; Holter 1995: 26 f haben weitere Beobachtungen zum Kontextbezug vorgebracht, die die Platzierung von 41,6 f durch ein Schreiberversehen unwahrscheinlich machen. Auch die These, 40,19 f und 41,6 f seien Teile desselben Spottgedichts, die von einem Ergänzer an unterschiedlichen Stellen eingebaut worden seien, ist m. E. unzutreffend (dazu s.u. 2.4.1.1).

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Sichtweisen gibt es plausible Erklärungen: Ein Ergänzer könnte die Götterpolemik an das Stichwort der Nichtigkeit der Völker angeschlossen und V.18 in Anlehnung an V.25 als Überleitung verfasst haben; oder aber die bereits vorfindliche Frage V.18 bildete den Anlass für die Ergänzung. Zunächst soll daher geprüft werden, ob die Formulierung von V.18 für oder gegen einen ursprünglichen Zusammenhang mit V.19 f spricht.⁹³ – Die Gottesbezeichnung ‫ ֵאל‬wird in der Grundschicht in Einzigkeitsaussagen Jhwhs verwendet und bezeichnet so den einzigen Gott, der diesen Namen verdient. In sekundären (dazu s.u. 2.4) götterpolemischen Passagen wird ‫ֵאל‬ parallel zu ‫ ֶפֶסל‬verwendet (44,10.15.17; 45,20; 46,6).V.18 stimmt mit keinem der beiden Verwendungstypen genau überein, scheint aber näher an der erstgenannten Verwendung zu liegen. – ‫ ְדּמוּת‬bedeutet in den meisten Fällen „Ähnlichkeit“. Der Begriff kann zwar auch ein konkretes Abbild bezeichnen (2 Chr 4,3), ist aber als Bezeichnung für ein Götterbild nicht belegt.⁹⁴ – Die Kombination von ‫ ְדּמוּת‬und ‫ ערְך‬ist sonst nirgends belegt. Die konkrete Bedeutung von ‫ ערְך‬Qal bezieht sich auf eine bestimmte Anordnung, meist das Aufstellen eines Heeres oder das Herrichten bei kultischen Handlungen. Im übertragenen Sinn kann ‫ ערְך‬Qal „darlegen“ (so z. B. Jes 44,7, der einzige andere Beleg in DtJes) oder eben auch „gegenüberstellen“ im Sinne von „vergleichen“ bedeuten. Ps 40,6 (‫ )ֵאין ֲער ְֹך ֵאֶליָך‬und 89,7 (‫ערְך‬//‫ )דמה‬drücken so Jhwhs Unvergleichbarkeit aus. Es zeigt sich also, dass die Formulierung von V.18 einen Bezug auf ein konkretes Abbild (und damit eine ursprüngliche Fortsetzung durch V.19 f) keineswegs zwingend erfordert, ein abstrakter Vergleich scheint im Gegenteil naheliegender. Einen eindeutigen Schluss über die Zugehörigkeit zur Grundschicht oder zur Ergänzung lässt der sprachliche Befund allerdings nicht zu. Entscheidend ist daher die Verankerung von V.18 im Kontext der Grundschicht. V.15 formuliert mit ‫ְכּ‬  Als weiteres Argument gegen die Ursprünglichkeit von V.18 führt Merendino 1981: 91 Anm. 55 an, dass V.18 anders als die übrigen Vergleichbarkeitsfragen in DtJes kein Jhwh-Wort sei. Allerdings sind V.12– 24 insgesamt einer der wenigen Texte in DtJes, die nicht als Jhwh-Rede formuliert sind, und bei nur drei weiteren ähnlichen Fragen (40,25; 44,7; 46,5) ist mit der Ableitung von Regelhaftigkeiten Vorsicht geboten.  So argumentiert Elliger 1978: 66, der zudem auf den Parallelismus mit V.18a hinweist. Auch in Gen 1,26 fungiert ‫ ְדּמוּת‬nicht als Begriff für ein Kultbild (gegen Angerstorfer 1984: 36.40 f u. a.), vgl. Gross 2000: 18 – 21; Janowski 2004: 194– 196. Schaper 2014: 151 deutet V.18 vor dem Hintergrund von Gen 1,26 f als polemisch gegen die Herstellung eines ‫ ְדּמוּת‬durch Menschen (statt durch Gott); dagegen spricht, dass in V.18 nicht von Herstellung die Rede ist und die Betonung nicht auf dem Subjekt der Handlungen, sondern auf dem Objekt des Vergleichs liegt.

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Vergleiche für die Völker, die in V.17 auf ‫ ְכַּאיִן‬zulaufen. Der Vorgang des Vergleichens ist also im Vorfeld von V.18 bereits angelegt. V.17 leitet zum Vergleichen mit Gott über, indem die Nichtigkeit der Völker durch ‫ ֶנ ְגדּוֹ‬und ‫ ־לוֹ‬in ein Verhältnis zu Jhwh gesetzt wird. Dass damit Völker/Menschen als Vergleichsrahmen für V.18 ins Blickfeld rücken, passt zur politischen Dimension von Jes 40 und ist auch für andere Vergleichbarkeitsfragen belegt (vgl. Jer 49,19//50,44).⁹⁵ Die ‫ֲהלוֹא‬-Fragen in V.21 lassen sich als an V.18 anschließende abhängige Fragen verstehen, die den Blick auf die Schöpfung lenken. Von der Schöpfungsordnung her formuliert V.22 eine „Antwort“ auf die Vergleichbarkeitsfrage V.18: So klein sind die Menschen vor dem Schöpfer, dass jeder Versuch eines Vergleichs lächerlich erscheinen muss. Für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von V.18.21 f in der Grundschicht spricht schließlich, dass die Abfolge von Frage – Erkenntnisaufforderung – Schöpfung auch in V.25 f.27 f den Aufbau des Textes bestimmt (siehe dazu im Folgenden). Daher vermute ich, dass V.18 nicht vom Ergänzer der V.19 f zu diesem Zweck verfasst wurde. Vielmehr bezeugen V.19 f eine sekundäre Deutung der Vergleichbarkeitsfrage. Erst von V.19 f her scheint sich V.18b wie selbstverständlich auf ein Götterbild zu beziehen. d) V.21– 24⁹⁶ wären demnach zusammen mit V.18 zu lesen. Wie die Völker können auch die Mächtigen nicht vor Jhwh bestehen. Jhwhs Unvergleichbarkeit wird so durch die kosmischen Größen- und Machtverhältnisse illustriert. Nicht nur aus Gottes Perspektive erscheinen die Erdenbewohner wie Heuschrecken (V.22a). Das Bild dürfte hier ähnlich wie in Num 13,33, wo Menschen im Angesicht der Riesen auch in ihren eigenen Augen wie Heuschrecken sind,⁹⁷ zur Verdeutlichung der Relationen dienen.

 Es gibt keinen Grund zur Annahme, Jhwhs Unvergleichbarkeit könne nur gegenüber anderen Göttern gedacht werden, wie dies Petry 2007: 146 kategorisch voraussetzt; vgl. zu „Jahwe[s] unvergleichliche[r] Stellung über der Erde“ Johannes 1968: 94– 127, der dort auch Jes 40,18 diskutiert. Wo es um Macht über Geschichtsverläufe geht, kommen sowohl Götter als auch menschliche Machthaber ins Spiel. Vgl. zu menschlichen Machthabern als konkurrierende politische Größen zu Jhwh etwa Ps 146,3 – 6.  Begrich 1963: 53 hält 40,21– 24 für einen Einschub an falscher Stelle, der den Aufbau störe. Die Begründung ist mir nicht einleuchtend.  Num 13,33 zeigt den Größenunterschied auf, indem er von beiden Seiten betrachtet wird (‫ַו ְנִּהי‬ ‫)ְבֵעי ֵנינוּ ַכֲּח ָגִבים ְוֵכן ָהיִינוּ ְבֵּעי ֵניֶהם‬. Das, und nicht etwa eine Flugzeugperspektive Gottes, dürfte auch hier gemeint sein, denn es geht nicht um die große Distanz Gottes zur Welt, sondern um seine unvorstellbare Größe und Macht (gegen Duhm 1968: 298; Westermann 1981a: 49; Fohrer 1986: 29).

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e) Die Frage in V.25 stellt eine verknappte und in die 1. Sg. transponierte Version von V.18 dar. Auffällig ist die verwendete Gottesbezeichnung ‫ָקדוֹשׁ‬. Im gesamten Jesajabuch ist dieser Begriff als Gottesname sonst stets mit der Näherbestimmung „Heiliger Israels“ (bzw. einem entsprechenden Suffix) verbunden. Nach Ansicht mancher Exegeten soll in V.25 die Unvergleichbarkeit Jhwhs dadurch besonders betont werden, dass jede Relativierung ausgeschlossen wird.⁹⁸ Wenn das zutrifft, würde das eher auf die Sensibilität eines Späteren hinweisen, der die in der Grundschicht verwendete Gottesbezeichnung als potentiell problematisch erkennt. Im Übrigen ist der Vers aber gut in V.12– 31 eingebunden, so dass sich eine Ausscheidung nur aufgrund der Gottesbezeichnung nicht aufdrängt.⁹⁹ Wie schon V.18 knüpft V.25 an das Vorangehende an (‫ ) ְו‬und leitet durch eine Erkenntnisaufforderung (hier statt als Frage im Imperativ: ‫ ְשׂאוּ‬, ‫ ) ְראוּ‬zur „Antwort“ aus der Schöpfung (‫ )ִמי־ָב ָרא ֵא ֶלּה‬über. V.26 porträtiert Jhwh als Erschaffer und Kommandant¹⁰⁰ des Himmelsheers. Dass damit eine polemische Depotenzierung der Himmelskörper verbunden sein soll, ist alles andere zwingend (s.u. 2.2.3.1.2) Vielmehr wird nach der Darstellung von Gottes vernichtender Macht (V.23 f) nun Gottes produktive Handlungsmacht in Erinnerung gerufen. f) Im letzten Abschnitt V.27– 31 wird diese produktive Handlungsmacht auf Israel hin gebündelt: Gott, der selber über Vermögen (‫אוֹ ִנים‬, V.26) und Kraft (‫ ֹכּ ַח‬, V.26) verfügt, kräftigt (‫ ֹכּ ַח‬, V.29.31) jene, die unvermögend (‫ֵאין אוֹ ִנים‬, V.29) sind. Gottes stärkendes Handeln an Israel (‫ֹנֵתן ַל ָיֵּעף ֹכּ ַח‬, V.29) ist die Umkehrung zu seinem vernichtenden Handeln an Mächtigen (‫ַהנּוֵֹתן רוֹ ְז ִנים ְלָאיִן‬, V.23). Die Beziehung der Frage in V.27b zu V.14 über die Stichworte ‫ ֶדּ ֶרְך‬und ‫ ִמ ְשׁ ָפּט‬lässt V.12– 26 als Hinführung zur Beantwortung erkennen.¹⁰¹ Der Aufbau folgt wieder dem Schema Frage (V.27) – Erkenntnisaufforderung (V.28aα) – Schöpfung (V.28aβ). Über V.28b (‫ ְתּבוּ ָנה‬wie V.14) wird auf die in V.13 f dargestellte Unbegreiflichkeit von Jhwhs Plan Bezug genommen, die der Behauptung in V.27b widerspricht. Die etwas redundant erscheinenden V.30 f führen das in V.29 Zusammengefasste aus und verhalten sich damit zu V.29 ähnlich wie V.24 zu V.23. V.27– 31 ist also eng mit dem Vorange-

 Vgl. Elliger 1978: 87; Merendino 1981: 100 – 103; ähnlich auch Schoors 1973: 256; Koole 1997: 113.  Anders nur Vermeylen 1987: 194, der V.25 wie auch V.18 einer späten götterpolemischen Redaktion zuordnet. Als weitere Auffälligkeit ist höchstens noch die Formulierung von V.25 mit Imperfekt zu nennen. Bis auf 40,1 (Bucheinleitung) und 41,21 sind alle übrigen Jhwh-Reden durch ‫ ֹכּה ָאַמר‬oder ‫ ְנֻאם־יהוה‬markiert.  Vgl. zur militärischen Metaphorik Elliger 1978: 89 f.  Vgl. ähnlich Westermann 1981a: 42 f.

2.2 Jes 40,12 – 31

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henden verbunden¹⁰² und bildet als integraler Bestandteil der Grundschicht den Abschluss dieses Kapitels. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Die Grundschicht thematisiert Gottes unfassbare Macht und Herrschaft, indem sie mit verschiedenen Größenverhältnissen spielt. Gottes Schöpfung und Plan sind für den Menschen unermesslich (V.12– 14); die Völker hingegen verschwinden im unteren Bereich des Nicht-Messbaren (V.15.17). V.*18 – 31 sind durch eine dreimalige Abfolge von Vertrauensfrage, Erkenntnisaufforderung und Verweis auf die Schöpfung (V.18.21 f; V.25 f; V.27 f) strukturiert. Aus der in V.*12– 26 entfalteten Fülle von Gottes Macht (‫אוֹ ִנים‬, ‫אֶמץ‬ ֹ , ‫) ֹכּ ַח‬ schöpft die Zuversicht in V.27– 31. Die Vergleichbarkeitsfrage V.18 ist als integraler Bestandteil der Grundschicht zu betrachten: Sie schließt einerseits als rhetorische Frage das Vorangehende ab – anders als die Völker kann Gott nicht verglichen werden – und leitet andererseits als Vertrauensfrage zum Folgenden über. Der Zusatz V.19 f reagiert auf die Frage in V.18 durch eine Polemik gegen Götterbilder und ihre Hersteller. Offenbar rechnet dieser Zusatz damit, dass die Israeliten statt auf Jhwh auf solche Bilder vertrauen könnten. Wann V.14bα und V.16 relativ zu diesem Zusatz in den Text geraten sind, ist nicht feststellbar.

2.2.3 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 40,12 – 31 2.2.3.1 Grundschicht Jes 40,*12 – 31 2.2.3.1.1 Weisheitliches in der Grundschicht Jes 40,*12 – 31 Die rekonstruierte Grundschicht besteht somit aus Jes 40,12– 15(ohne 14bα). 17 f.21– 31. In dieser Grundschicht sind auf mehreren Ebenen Beziehungen zur Weisheit feststellbar. – Formal springen zunächst die ‫ִמי‬-Fragen in V.12 f ins Auge, die an die Gottesreden in Hi 38 – 41 erinnern.¹⁰³ Auch in Hi beziehen sich solche Fragen auf die Vermessung der Schöpfung (Hi 38,5.37), fragen nach Unmöglichem (z. B. Hi 41,2.3.5.6) und zielen letztlich auf den Machterweis Gottes (vgl. Hiobs Reaktion in Hi 42,2: ‫ ָי ַדְע ִתּ ִכּי־כֹל תּוָּכל‬, „Ich habe erkannt, dass du alles vermagst“).

 Vgl. noch ‫ ֶא ֶרץ‬in V.28 und V.12.21– 24.  Auf die hier genannten Parallelen weist auch Melugin 1976: 32 hin: „In both Job 38 ff. and Proverbs 30,4 the rhetorical questions function in a particular way; they show that mortal man is nothing compared with Yahweh the Creator.“ Zu diesem Schluss kommt auch van Oorschot 1993: 25. Merendino 1981: 84 f führt darüber hinaus noch Qoh 7,1– 15.16 – 17 als formale Parallele an,was ich nicht nachvollziehen kann.

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Auf viele der rhetorischen Wer?-Fragen in Hi wäre es möglich, mit „Jhwh“ zu antworten. Diese Fragen sind aber durchzogen von der Frageform ‫ֲה‬+ 2. Sg. („Kannst du …?“). Daran wird deutlich, dass es in Hi wie in Jes 40 nicht nur um Gottes Größe und Macht, sondern um Relationen geht: Die mit Schöpfungsgrößen operierenden ‫ִמי‬-Fragen zielen auf die Kleinheit des Menschen vor Gott.¹⁰⁴ Ganz umfassend wird die Kleinheit der Menschen vor Gott im Bild der Heuschrecken (V.22a) ausgesprochen. Weniger klar ist, ob auch mit ‫ָכּל־ַהגּוֹיִם‬ (V.17) die Gesamtheit der Erdbewohner gemeint ist. Ab V.18 wird eine Gruppe in der 2. Pl. angesprochen.Wenn diese Gruppe als getrennt von den in der 3. Pl. bezeichneten Menschen (Völker in V.15.17; Machthaber in V.23 f) zu betrachten ist, so ist die Machtlosigkeit des Menschen vor Gott in Jes 40 in erster Linie die Machtlosigkeit der anderen Menschen. Damit erfährt die weisheitliche Aussage eine latent polemische Zuspitzung. Das Abmessen von kosmischen Größen begegnet in weisheitlichen Texten als Schöpfungshandeln Gottes, vgl. Hi 28,25 (‫ תכן‬Pi. wie in V.12 f); 38,5. Hi 28,23 – 28 erläutert Gottes privilegierten Zugang zur Weisheit durch seine intime Kenntnis der Welt von der Schöpfung her.¹⁰⁵ Eine ähnliche Vorstellung dürfte Jes 40,12– 14 zugrunde liegen. Die in V.13 – 14 verwendeten Wurzeln ‫ידע‬, ‫ בין‬und ‫ למד‬begegnen in weisheitlichen Kontexten häufig, ebenso die Begriffe ‫( ְתּבוּ ָנה‬auch V.28b) und ‫א ַרח‬ ֹ .¹⁰⁶ Darüber hinaus ist die Weg-Metaphorik ein beliebtes Element der atl.Weisheit. Zwar sind die Verbindungen ‫א ַרח ִמ ְשׁ ָפּט‬ ֹ und ‫ ֶדּ ֶרְך ְתּבוּנוֹת‬sonst nicht belegt. Sie dürften aber in den Bereich der in V.13 genannten, unerforschlichen ‫רוּ ַח יהוה‬ gehören und stehen wie ‫ ֲעָצתוֹ‬in V.13 mit einem Verb der Unterweisung. Damit wären hier die Grenzen der menschlichen Erkenntnis angesprochen: Die Gedanken und Pläne Gottes bleiben den Menschen verborgen. Explizit bezeichnet V.28b Gottes ‫ ְתּבוּ ָנה‬als unerforschlich (‫)ֵאין ֵחֶקר‬. Der Begriff ‫ ֵחֶקר‬ist fast ausschließlich in der Weisheitsliteratur belegt.¹⁰⁷ Dass menschliche Weisheit

 Vgl. Hiobs erste Reaktion in Hi 40,4: ‫„( ֵהן ַקלּ ִֹתי‬Siehe, ich bin klein“); auch in Prov 30,4 drücken entsprechende Fragen (‫ִמי ָאַסף־רוּ ַח ְבָּחְפ ָניו ִמי ָצ ַרר־ַמיִם ַבּ ִשְּׂמָלה ִמי ֵהִקים ָכּל־ַאְפֵסי־ָא ֶרץ‬, „Wer hat den Wind in seinen hohlen Händen eingesammelt? Wer hat das Wasser in ein Kleid eingewickelt? Wer hat alle Enden der Erde aufgerichtet?“) den unermesslichen Wissensvorsprung Gottes gegenüber dem Menschen aus.  Vgl. dazu auch (wohl von Hi 28 und Jes 40 abhängig) Sir 1,1– 9.  ‫א ַרח‬ ֹ begegnet zwar auch in Jes 2,3; 3,12; 26,7; 26,8; 30,11 im metaphorischen Sinn, wird aber besonders oft in der Weisheitsliteratur verwendet (Prov 20×, Hi 11×, Ps 119 5×; übriges AT: 23×).  ‫ ֵאין ֵחֶקר‬in Hi 5,9; 9,10; Ps 145,3; Prov 25,3; ‫ ל ֹא־ֵחֶקר‬in Hi 34,24; 36,26; ‫ ֵחֶקר‬noch in Ri 5,16; Hi 8,8; 11,7; 38,16; Sir 42,19; häufiger begegnet das Verb außerhalb von Weisheitsliteratur (insgesamt im AT 35×, davon 6× in Hi; 4× in Prov; 1× in Qoh; 8× in Sir).

2.2 Jes 40,12 – 31





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letztlich nicht an Gott heranreichen kann, ist auch eine typische Aussage des weisheitlichen Diskurses, vgl. Prov 21,30; Hi 36,26; 38,2.¹⁰⁸ ‫ ֵעָצה‬begegnet in Jes und Jer mehrfach als Jhwhs Ratschluss im Sinne seines Plans und Gerichtshandelns (Jes 14,26; 19,17; 46,10; Jer 49,20; 50,45). Damit scheint ‫ ֵעָצה‬auf den ersten Blick ein typisch prophetischer Begriff zu sein. Andere Stellen zeigen aber, dass das Planen und Raten in einem engen Zusammenhang mit Weisheit und der Aktivität von weisen Ratgebern steht.¹⁰⁹ Darüber hinaus ist ‫ ֵעָצה‬ein in weisheitlicher Literatur häufig verwendetes Wort (10× in Prov; 9× in Hi). Insbesondere fällt auf, dass gerade in weisheitlichen Texten das Verhältnis von menschlichem und göttlichem Rat/Plan thematisiert wird: Menschliche Weisheit und Pläne haben vor Gottes ‫ ֵעָצה‬keinen Bestand, vgl. Prov 19,21; 21,30. Dass die Entzogenheit von Gottes Ratschluss auch das Ausgeliefertsein der Menschen bedeutet, zeigt sich auch in Jes 40 mit der Fortsetzung V.15.17.23 f. V.13 f steht damit der weisheitlich geprägten Rede von Jhwhs ‫ ֵעָצה‬nahe.¹¹⁰ Der Begriff ‫ חוּג‬in V.22 kommt sonst nur noch in Prov 8,27 und Hi 22,14¹¹¹ – und zwar im gleichen kosmologischen Sinn wie hier – vor. An Prov 8¹¹² erinnert auch der Verweis auf die Weltschöpfung in V.21: ‫ ֵמר ֹאשׁ‬steht in V.21 parallel zu ‫( ]ִמיסוּ ַדת[ ָהָא ֶרץ‬vgl. Textanm. k) und ähnlich in Prov 8,23¹¹³ zu ‫ עוָֹלם‬und ‫ִמ ַקּ ְדֵמי־ָא ֶרץ‬. Anders als sonst in DtJes wird hier die frühere Verkündigung bis

 Vgl. für diese Aussage auch – allerdings ohne eigene sprachliche Bezüge zur Weisheitsliteratur und auf Jes 40 aufbauend – Jes 55,8 f.  In Jes 11,2 steht ‫ רוּ ַח ֵעָצה וּ ְגבוּ ָרה‬in einer Reihe mit dem Geist der Weisheit und der Einsicht (‫ָחְכָמה‬ ‫ ;)וִּבי ָנה‬in Jer 49,7 steht der Verlust von ‫ ֵעָצה‬parallel zur Abwesenheit von Weisheit (‫)ָחְכָמה‬. In Jes 19,11 meint ‫ ֵעָצה‬den Ratschlag von „Weisen“ als Ratgebern des Pharaos. Die klassische Stelle für diese Bedeutung von ‫ ֵעָצה‬ist Jer 18,18, wo der Rat als charakteristisches Attribut des Weisen (‫)ָחָכם‬ dargestellt wird. Insgesamt finden sich ‫ ֵעָצה‬und ‫ יעץ‬natürlich häufig im Kontext politischer Beratung am Königshof. Der Rat des Weisen ist aber nicht auf diesen Kontext beschränkt, vgl. dazu Whedbee 1983: 131. Jer 18,18 sollte auch nicht dazu benutzt werden, den Weisen an sich zu definieren. Vgl. zur Kritik an einem Verständnis von ‫ ֵעָצה‬und ‫ יעץ‬als „typisch weisheitliche“ Termini Ruppert 1982: 727– 729.  Whedbee 1983: 142 hebt das Motiv der Kontrastierung von menschlichem und göttlichem Plan hervor und hält die dtjes Verwendung von ‫ ֵעָצה‬von daher insgesamt für weisheitlich beeinflusst. Gegen Whedbees synchron-harmonisierende Lesart scheint mir das prophetische ‫ֵעָצה‬ als Gerichtshandeln nicht zwingend auf dieser weisheitlichen Gegenüberstellung zu basieren. Umgekehrt erklärt Berges 2008:133 f V.13 ausschließlich in Kontinuität zur Verwendung von ‫ ֵעָצה‬in Jes 1– 39 und übergeht damit die Beziehung zur Weisheitsliteratur.  Vgl. noch (mit Textänderung nach Peschitta und Targum) Hi 26,10 sowie Sir 43,12.  Zu weiteren Berührungspunkten zwischen Jes 40 und Prov 8 vgl. Gosse 1993, der Prov 8 für den nehmenden Text hält.  Auf die Parallele verweist in diesem Sinn Elliger 1978: 83 Anm. 1.

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auf die urzeitliche Schöpfung zurückgeführt.¹¹⁴ Das Erkennen (‫ )ידע‬und Verstehen (‫ בין‬Hi.) bezieht sich, wie auch aus den Formulierungen in V.22 deutlich wird, auf die Macht des Schöpfergottes. Die geschichtliche Verkündigung (‫נגד‬, ‫ ;שׁמע‬vgl. 41,22.26; 42,9; 43,9.12; 44,8; 45,21) wird in einen weisheitlich geprägten kosmologisch-schöpfungstheologischen Rahmen gestellt. Schöpfung ist hier gerade nicht der Neubeginn in der Gegenwart,¹¹⁵ sondern die von Anfang an gegebene kosmologische Ordnung, von der her Gottes Machtposition (V.22– 24.26) erkannt wird (‫ידע‬, ‫ בין‬Hi.,¹¹⁶ V.21). In V.26 begegnet wieder eine ‫ִמי‬-Frage. Anders als V.12 f zielt diese Frage nun klar auf den Schöpfergott. Die Verbindung von Imperativ und Frage ist ähnlich wie in Hi 22,12; 35,5 f, wo dem Menschen ebenfalls der Blick nach oben empfohlen wird. Die Betrachtung der Welt ist nach weisheitlichem Denken erkenntnisfördernd, und insbesondere scheint der Blick auf die Sterne zu lehren, welche Machtpositionen Gott und Mensch im Kosmos einnehmen.¹¹⁷

Im Sinne der in der Einleitung benannten Zuordnung (s.o. 1.2) wird, wie aus den vorangehenden Beobachtungen hervorgeht, in Jes 40,*12 – 31 ein weisheitlicher

 Diese Passage unterscheidet sich damit sowohl in der Konzeptionalisierung der „früheren Verkündigung“ als auch in der Verwendung des Schöpfungsmotivs von dem sonst in der dtjes Grundschicht Üblichen. Schöpfung ist in der dtjes Grundschicht gegenwartsbezogen und verweist normalerweise nicht auf eine mythische Urzeit, vgl. Vermeylen 1987: 239 f. Das „Früher“ der Verkündigung ist normalerweise relativ zum Ausgang zu verstehen und nicht im Sinne eines Zeitraums zu Anbeginn der Welt, vgl.Vogt 1967: 59. Zu dieser Besonderheit von Jes 40 hinsichtlich Schöpfung und Erkenntnis vgl. auch die Analyse von Eberlein 1986: 174– 183, der allerdings daraus auf eine Phase dtjes Verkündigung vor dem Auftreten des Kyros schließt. Ich vermute eher, dass die Unterschiede durch den Rückgriff auf einen weisheitlichen Diskurs zu erklären sind und daher nicht gegen die Zugehörigkeit von Jes 40,21 zur (wie in der Einleitung erläutert nicht völlig spannungsfreien!) Grundschicht sprechen. Der Einsatz mit der urzeitlichen Schöpfung ordnet sich organisch in die chronologische Abfolge der Bezugnahmen auf Früheres ein (Berufung der Geschlechter in 41,4; Erwählung der Erzväter in 41,8 f; Exodus in 43,16 f), vgl. zu dieser Zuordnung des Früheren Kratz 1991a: 154, mit schematischer Darstellung 152.  Stuhlmueller 1970: 144– 152 versucht zu zeigen, dass es in V.12– 31 um Gottes Herrschaft („lordship“), nicht um Schöpfung als creatio prima geht, und lässt nur gerade noch V.26a als Verweis auf die anfängliche Schöpfung gelten. M. E. sollten die beiden Aspekte hier nicht gegeneinander ausgespielt werden: Thema ist die in der Schöpfung begründete und aus ihr ersichtliche Herrschaft Gottes.  Beide Verben zusammen noch in V.13b.14: Die dem Menschen zugängliche Erkenntnis ist nach Jes 40 offenbar die Erkenntnis über die Schöpfung, nicht die Einsicht in Gottes Pläne. Sonst nur noch in 43,10 (mit ‫ נגד‬und ‫ שׁמע‬in 43,12), wo es um Jhwhs Einzigkeit als Rettergott geht, und in 44,18 (dazu s.u. 2.5.3.3).  Vgl. auch Ps 8,4 f.

2.2 Jes 40,12 – 31

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Diskurs produziert: Die Berührungen mit Weisheitsliteratur¹¹⁸ auf der Ebene der verwendeten Begriffe (‫ידע‬, ‫בין‬, ‫למד‬, ‫ ְתּבוּ ָנה‬, ‫א ַרח‬ ֹ und ‫ )חוּג‬und die formalen Ähnlichkeiten (‫ִמי‬-Fragen) sind nicht zufällig, sondern gehen einher mit gemeinsamen thematischen Interessen und zugrunde liegenden Konzepten. Jes 40,*12– 31 lässt sich verstehen als Fragment eines weisheitlichen Diskurses über Gottes den Menschen überlegene Erkenntnis und Macht, die darin gründet, dass er der Schöpfer von Himmel und Erde ist. Die Erkenntnis, dass Jhwh dieser mächtige Schöpfergott ist (V.28), wird dabei nicht argumentativ entwickelt; vielmehr handelt es sich um eine Gewissheit, die den Adressaten des Textes bereits bekannt ist und an die erinnernd (V.21.26.28) angeknüpft wird. Einige der hier begegnenden weisheitlich geprägten Aussagen – das hierarchische Verhältnis von Gott und Mensch, Gottes Schöpfungshandeln als Erweis seiner Macht, der erkenntnisfördernde Blick nach oben – werden in Verbindung mit Götterpolemik im Laufe dieser Untersuchung in anderen Texten wieder begegnen. Ob und inwiefern in Jes 40 götterpolemische Aussagen an die weisheitlichen Elemente und Aussagen anknüpfen, soll im Anschluss an die Analyse der götterpolemischen Elemente in der Grundschicht sowie der weisheitlichen und götterpolemischen Komponenten des Zusatzes V.19 f erörtert werden.

2.2.3.1.2 Götterpolemisches in der Grundschicht Jes 40,*12 – 31 In der rekonstruierten Grundschicht von Jes 40 werden andere Götter nicht explizit erwähnt. Obwohl der Fokus dieser Untersuchung auf expliziter Götterpolemik liegt, muss geprüft werden, inwiefern die explizite Erwähnung des Götterbildes in der Ergänzung V.19 f auf bereits vorhandene implizite Polemik aufbauen konnte. Als implizite Polemik gegen andere Götter kommen in der Grundschicht zwei Stellen in Frage: V.13 f könnte sich gegen die Vorstellung einer göttlichen Ratsversammlung bzw. gegen babylonische Gottesvorstellungen richten; V.26 könnte als Polemik gegen astrale Gottheiten gemeint sein. Beide Möglichkeiten wurden durch die obigen Ausführungen bereits unwahrscheinlich gemacht, sollen aber dennoch hier etwas gründlicher behandelt werden. Whybray und Albani vermuten hinter V.13 f Polemik gegen Marduk, der seine Weisheit von seinem Vater, dem Weisheitsgott Ea-Enki, erhält, und auf dessen Rat hört (vgl. Ee III 127 ff;VI 1 ff).¹¹⁹ Wie ich im Zusammenhang mit meiner Übersetzung begründet habe, halte ich es aber für wahrscheinlicher, dass in der Grundschicht  Es fällt auf, dass insbesondere die Beziehungen zu Hi auf allen Ebenen sehr eng sind (vgl. insbesondere Hi 9,2– 20). Die komplexe Frage einer literarischen Abhängigkeit kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden.  Vgl. Whybray 1971: 73 – 77; Albani 2000: 131.

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2 Deuterojesaja

Jhwh als Subjekt von V.13b.14 gemeint ist. Jhwh wird nicht dargestellt als derjenige, der keines Rats von außen bedarf, sondern als derjenige, dessen Weisheit und Ratschluss unergründlich sind. Ähnliches wird in Ludlul bēl nemēqi I 31 f auch von Marduk gesagt: „Marduk, he sees [eve]rything in the heart of the gods / But no god can learn his counsel.“¹²⁰ Es dürfte sich bei V.13 f weniger um Polemik als vielmehr um ein Zeugnis für ähnliche Gottesvorstellungen handeln. Dass sich Jhwh mit niemandem berät, könnte weiter als Polemik gegen die Vorstellung einer göttlichen Ratsversammlung verstanden werden. Dass die Götter zur Beratung zusammenkommen, so wie auch ein König sich am Hof mit seinen Ratgebern berät, ist eine im Alten Orient allgemein verbreitete Vorstellung.¹²¹ An eine solche Ratsversammlung lässt in V.13 f die Verwendung von ‫ ֵעָצה‬und ‫ יעץ‬Ni. denken. Doch diese Begriffe haben ein weites Verwendungsspektrum und sind nicht spezifisch für eine (göttliche oder königliche) Ratsversammlung.¹²² Gegen die Vorstellung einer Ratsversammlung in V.13 f spricht hier die Verwendung von ‫ למד‬Pi. Dieses Verb wird im AT nie im Zusammenhang mit einer Ratsversammlung verwendet und verweist vielmehr auf den Kontext von Wissensvermittlung. Ähnliches Vokabular wie in V.14 begegnet zum Beispiel in Ps 25,4: ‫ְדּ ָרֶכיָך ְיה ָוה הוֹ ִדיֵע ִני‬ ‫א ְרחוֶֹתיָך ַל ְמּ ֵד ִני׃‬ ֹ („Deine Wege, Jhwh, lass mich wissen, deine Pfade lehre mich!“). Dass V.13 f nicht auf eine Kritik an der Vorstellung der Götterversammlung abzielt, sondern über das Gefälle zwischen Gott und Mensch spricht, legt auch der Kontext nahe. Es geht in Jes 40 nicht um eine Teilnahme anderer Götter an der Beratschlagung, sondern um den menschlichen Zugriff auf Gottes Pläne. Dieses Verständnis von V.12– 14 passt auch zur im Folgenden geschilderten Nichtigkeit der Völker. Wohl liegt damit die Betonung auf Jhwhs Souveränität, aber nicht in polemischer Abgrenzung zu einem Rat der Götter. Verbreiteter ist die These, es handle sich in V.26 um Polemik gegen babylonische Astralgötter.¹²³ Liest man den Vers im Zusammenhang mit V.18 – 20, entsteht dieser Eindruck fast zwingend.¹²⁴ Im Kontext der rekonstruierten Grundschicht ist eine

 dAMAR.UTU [mi]m-ma ŠÀ-bi DINGIR.MEŠ i-bar-ri / DINGIR a-a-um-ma ul i-lam-mad ṭè-en-šú (Text und Übersetzung: Annus/Lenzi 2010).  Für einen kurzen Überblick vgl. Neef 1994: 18 – 27; ausführlicher insbesondere zu Ugarit Mullen 1980; zum Thronrat Jhwhs im AT vgl. White 2014.  Vgl. Ruppert 1982 und s. o. 2.2.3.1.1 zu Verwendungen in prophetischem und weisheitlichem Kontext.  So Preuss 1971: 190 f; Westermann 1981b: 50; van Oorschot 1993: 26; und die in der folgenden Fußnote Genannten; nuancierter Elliger 1978: 87– 91; dagegen Johannes 1968: 101.  Die meisten Exegeten, die V.19 f für ursprünglich halten, lesen V.26 als Polemik gegen babylonische Astralgötter und setzen V.25 f in Beziehung zu V.18 – 20, vgl. z. B. Koole 1997: 112;

2.2 Jes 40,12 – 31

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ursprünglich polemische Intention aber fraglich. Nicht die Abwertung astraler Gottesvorstellungen, sondern die Erkenntnis von Jhwhs Macht ist das Thema von V.26. Die Aufforderung, den Himmel bzw. die Sterne zu betrachten, lässt eine an V.21 f anknüpfende Ausführung erwarten, denn schon in V.21 f wird aufgefordert zur Erkenntnis (V.21: ‫ )ֲהלוֹא ֵת ְדעוּ‬dessen, was oben (V.22: ‫ַעל־חוּג ָהָא ֶרץ‬, ‫ ) ָשַׁמיִם‬ist. Die in V.26 auf die Aufforderung folgende Frage (‫ )ברא‬bestärkt die Verbindung über das gemeinsame Schöpfungsthema (V.21: ‫ֵמר ֹאשׁ‬, ‫ ;]ִמיסוּ ַדת[ ָהָא ֶרץ‬V.22: ‫)נטה‬. Es dürfte in V.26 also wie in V.21– 24 um die Erkenntnis von Jhwhs Macht gehen, die in seiner Schöpfungstätigkeit deutlich wird. Die Frage ‫ ִמי‬erinnert zurück an V.12 f, die die Unfassbarkeit von Jhwhs Schöpfung und entsprechend dazu die Unfassbarkeit von Jhwhs Weisheit und Plan thematisieren. Die Fortsetzung von V.26 dürfte mit dem Hinweis auf die (sprichwörtlich große, vgl. Gen 15,5) Zahl der Sterne, deren Namen Jhwh alle (‫ ) ֻכּ ָלּם‬kennt, in eine ähnliche Richtung gehen.¹²⁵ V.26 porträtiert Jhwh nicht nur als Schöpfer dieser unbegreiflichen Sternenmenge, sondern auch als ihren Herrn: Auf seinen Befehl zieht das Heer der Sterne aus. Die Häufung von Begriffen, die in V.26 Gottes Kraft und Stärke ausdrücken (‫אוֹ ִנים‬, ‫אֶמץ‬ ֹ , ‫) ֹכּ ַח‬, bestätigt schließlich, dass der Fokus des Verses auf Jhwhs Macht liegt. Diese Macht wurde im Vorangehenden beschrieben als Durchsetzungsfähigkeit seines dem menschlichen Zugriff entzogenen Plans, als Schöpfungsmacht und Herrschaft über Erde, Menschen und Himmelsheer. Ein Angriff auf die astral vorgestellten Götter der Babylonier wäre damit höchstens ein Nebenprodukt des Textes. Eine polemische Lesart ist nicht zwingend.¹²⁶ Wie schon in V.13 f ist auch hier möglich, dass Jhwhs Macht in einer im babylonischen Kontext als gültig erachteten Weise ausgedrückt wurde. Denn im babylonischen Diskurs war eine Unterordnung der Himmelskörper durchaus möglich. Auch Marduk wurde als Schöpfer und Herr über die Sterne verherrlicht.¹²⁷ Durch das Verschwindenlassen und Wiedererschaffen eines Sterns erweist sich Marduk nach Ee IV 19 – 28 des Götterkönigtums würdig. Schöpfermacht und himmlische Herrschaft dürften damit Vorstellungen von höchster göttlicher Macht ausdrücken. In eben diesem Sinn ist m. E. auch V.26 zu verstehen. Das könnte polemisch gegen Marduk gemeint sein,¹²⁸ es kann aber Schoors 1973: 256 (anders Duhm 1968: 299 f). Diese Lesart scheint mir im Endtext durchaus intendiert.  Zu dieser Lesart von V.26 vgl. Duhm 1968: 300 und Johannes 1968: 101. V.26 hat eine enge Parallele in Ps 147,4 (zur literarischen Beziehung vgl. Schoors 1973: 256), wo es ebenfalls um Jhwhs Macht (‫ ַרב־ ֹכּ ַח‬, Ps 147,5) und unermessliche Einsicht (‫ ) ְתּבוּ ָנה‬geht. Wenn Ps 147 von Jes 40 abhängig ist, bezeugt er die hier vorgeschlagene Lesart.  Eine konsequente polemische Lesart müsste auch die politische Polemik in V.15.17.23 f berücksichtigen.  Vgl. dazu Albani 2000: 47– 74.125.  So Albani 2000: 253.

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ebenso gut zeigen, dass Babylonier und Judäer gewisse Vorstellungen und Ausdrucksformen von göttlicher Macht teilen. V.*12 – 31 schreibt Jhwh umfassende Macht zu. Liest man den Text vor der Folie konkurrierender Machtansprüche, so kann man ihn polemisch verstehen. Damit enthält der Text mögliche Anknüpfungspunkte für Polemik; es lässt sich aber nicht am Text selbst nachweisen, dass er polemisch gemeint ist.

2.2.3.2 Zusatz Jes 40,19 f 2.2.3.2.1 Weisheitliches in Jes 40,19 f In V.20 begegnet der Begriff ‫ ָחָכם‬als Attribut des Handwerkers (‫)ָח ָרשׁ‬. Nach altorientalischer Vorstellung sind Handwerker weise in dem Sinne, dass sie über besonderes Fachwissen verfügen.¹²⁹ Insbesondere für Tempelhandwerker findet sich im AT wie in Mesopotamien die Vorstellung, dass sie von (einem) Gott zur Erfüllung ihrer Aufgabe mit Weisheit begabt werden (vgl. Ex 31,3.6; 35,31.35; 36,1.2.8; AsBbA Rs. 18 [= RINAP IV 48,70]¹³⁰). Der Diskurs über die Weisheit der Handwerker ist nicht unmittelbar mit weisheitlichen Diskursen, die in Literatur wie Hi, Qoh, Sir und Prov greifbar werden, in Verbindung zu bringen.¹³¹ Es handelt sich hier auch nach atl. Vorstellung um einen anderen Aspekt von Weisheit, der zwar eine Anknüpfungsstelle für die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit (im eingangs dargelegten Sinn, vgl. 1.2) bieten kann (vgl. Jer 10,9; Jes 44 – dort allerdings in Abgrenzung, s.u. 2.5.3.3.2); doch ist in Jes 40,19 f nicht ersichtlich, dass über den Begriff ‫ ָחָכם‬weitere weisheitlich geprägte Vorstellungen in den Text eingetragen werden. Eher fällt auf, dass an die weisheitlichen Elemente aus V.*12 – 31 nicht angeknüpft wird.

2.2.3.2.2 Götterpolemisches in Jes 40,19 f Dass es sich in V.19 f um einen polemischen Text handelt, ist m.W. unbestritten. Doch worin genau der verbale Angriff besteht, wird unterschiedlich beurteilt. Das liegt insbesondere daran, dass der Text vordergründig als technische Beschreibung ohne explizite Kritik erscheint. Bevor ich meine eigene Analyse vorstelle, möchte ich die Schwierigkeiten an zwei vielbeachteten Vorschlägen verdeutlichen, die jeweils unterschiedlichen Ansätzen folgen. Diese Erklärungsansätze

 Vgl. zur Weisheit der Handwerker Berlejung 1996.  Aktuelle Edition: Leichty 2011: 107; übersetzt in Berlejung 1998: 164.  So ist in der atl. Weisheitsliteratur nie von einem ‫ ָח ָרשׁ‬die Rede. Ein Feinschmied (‫ ) ֵרף‬kommt nur in Prov 25,4 in der Bildhälfte des Spruches vor. Explizit zur Trennung von Handwerk und Weisheit vgl. Sir 38,27– 34.

2.2 Jes 40,12 – 31

39

werden meist nicht nur für Jes 40,19 f, sondern im Hinblick auf die götterpolemischen Texte generell vorgebracht, so dass eine etwas ausführlichere Diskussion im Rahmen dieser Untersuchung angebracht ist. Vorschlag 1: Das polemische Element besteht darin, dass V.19 f die Handwerker mit Jhwh kontrastieren, indem sie Verben verwenden, die sonst Jhwhs Handlungen beschreiben. Für Jes 40,19 f wie für andere götterpolemische Passagen in DtJes wurde darauf hingewiesen, dass diese Texte Verben verwenden, die sonst in DtJes mit Jhwh als Subjekt benutzt werden.¹³² In V.19 f betrifft das ‫צרף‬,¹³³ ‫רקע‬, ‫ בחר‬und ‫כון‬, die im übrigen DtJes-Buch im Zusammenhang mit Gottes Schöpfungshandeln und seiner Zuwendung zu Israel stehen.¹³⁴ Diese Verwendung ermöglicht eine Kontrastierung zwischen dem Handeln der Handwerker und dem Handeln Gottes.¹³⁵ Dass diese Kontrastierung durch die Verwendung gleicher Begriffe möglich ist, kann an anderen götterpolemischen Passagen gezeigt werden (s.u. 2.4.1.2 zu Jes 41,6 f; ähnlich auch Jes 45,14– 17; 46,1– 4). Für V.19 f sprechen aber mehrere Gründe dagegen, dass darin der Schlüssel zum Verständnis der Polemik liegt: – Neben den genannten vier Verben sind die Handwerker auch Subjekt von ‫נסְך‬ und von ‫בקשׁ‬. ‫ בקשׁ‬kommt in DtJes sonst nur mit Israel als Subjekt vor.¹³⁶ ‫נסְך‬ kommt in DtJes nur noch in anderen götterpolemischen Passagen vor und ist darüber hinaus nur in Jes 29,10 mit Jhwh als Subjekt belegt. Von den sechs Verben in V.19 f lassen sich also nur vier in das Kontrast-Schema einordnen. – Die vier Verben tauchen im unmittelbaren Kontext von V.19 f nicht auf (der nächste Beleg ist ‫ בחר‬in 41,8). Die in Jes 40 für Jhwhs Handeln verwendeten Verben werden also in V.19 f nicht ironisch aufgenommen, obwohl das in einigen Fällen sachlich durchaus möglich gewesen wäre (‫ נטה‬in V.22: vgl. Jes 44,13; ‫ עשׂה‬in V.23: vgl. Jes 44,13.15.17.19; 46,6). – Es ist auch fraglich, ob die vier Verben wirklich als so zentral für Jhwhs Schöpfungs- und Erwählungshandeln in DtJes gelten können, dass sich die Kontrastierung aufdrängt: ‫ צרף‬wird mit Jhwh als Subjekt nur in Jes 48,10 benutzt und zwar innerhalb einer Metapher, die von der Läuterung Israels spricht (vgl. auch Jes 1,25). ‫כון‬ kommt im Hi. in DtJes gar nicht mehr vor; im Pol. ist es in Jes 45,18 mit Jhwh als

 Vgl. Guillet 1959: 430 f; Kim 1962: 20 – 22; Spykerboer 1976: 44; Holter 1995: 54– 59 u. a.  Allerdings nur als Partizip zur Bezeichnung des Feinschmieds (vgl. Textanm. i).  Auführlicher dazu Holter 1995: 54– 59.  Vgl. Berlejung 1998: 374 f, die allerdings dazu tendiert, von den (auch ihrer Meinung nach) sekundären V.19 f her die V.12– 14 zu interpretieren.  In Jes 41,12.17; 45,19; 51,1; vgl. Holter 1995: 54.

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2 Deuterojesaja

Subjekt belegt, aber auch in Jes 51,13 mit ‫„( ַה ֵמִּציק‬der Bedränger“) als Subjekt.¹³⁷ ‫ רקע‬kommt zwar zweimal mit Jhwh als Subjekt vor (‫)ר ַֹקע ָהָא ֶרץ‬, aber im Qal (statt wie in V.19 Pi.) und immer zusammen mit (‫( נטה ) ָשַׁמיִם‬42,5; 44,24); ob allein der Gebrauch der Wurzel ‫ רקע‬einen expliziten Bezug zu Jhwhs Schöpfungshandeln darstellt, scheint mir daher zweifelhaft. Nur ‫ בחר‬ist in DtJes tatsächlich mehrfach und nahezu ausschließlich für Jhwhs Erwählungshandeln belegt.¹³⁸ Die Verwendung von ‫ בחר‬mit menschlichem Subjekt in 41,24 (dazu s.u. 2.3.2) lässt aber vermuten, dass spätere Ergänzungen – und um eine solche handelt es sich m. E. in V.20 – analog zu TritoJes (vgl. 65,12; 66,3 f) ‫ בחר‬für menschliches Handeln verwenden. Eine spezifisch auf den Kontrast zu Jhwhs Handeln angelegte Verwendung der Verben ist nach alldem eher unwahrscheinlich. Die gemeinsamen Begriffe sind m. E. umgekehrt zu erklären: Ähnlich wie ‫ צרף‬wird auch ‫ רקע‬da für Jhwh verwendet, wo Gottes Handeln analog zu dem eines Handwerkers gedacht wird. Dass daneben diese Begriffe weiterhin zur Beschreibung der Tätigkeit von menschlichen Handwerkern dienen, sollte nicht theologisch überstrapaziert werden. Der Vorschlag ist in dieser Form m. E. nicht haltbar, aber der zugrunde liegende Ansatz, den Kontext miteinzubeziehen und das verwendete Vokabular genau zu prüfen, soll weiterverfolgt werden. Vorschlag 2: Das polemische Moment besteht darin, dass V.19 f die mesopotamische Kultbild-Herstellung parodieren und die damit verbundene mesopotamische Bildertheologie angreifen. Viele Exegeten verstehen die Polemik gegen Bilder-Götter in DtJes (wie auch Jer 10; Ps 115/135) spezifisch gegen babylonische Kultbilder gerichtet und betrachten den babylonischen Diskurs über Herstellung und Umgang mit Kultbildern als Referenzrahmen, auf den die atl. Texte in polemischer Weise Bezug nehmen.¹³⁹ So vergleicht etwa Berlejung die Schilderung in V.19 f mit mesopotamischen Berichten über die Herstellung von Götterbildern und stellt fest, dass „zahlreiche zentrale Elemente fehlen, die zur kultisch korrekten Herstellung eines Kultbildes gehörten“.¹⁴⁰ Der unabdingliche Kontakt zur Götterwelt fehlt völlig, V.19 f schildert nur Vorgänge auf der menschlichen Ebene und stellt die Handwerker als eigenmächtig (weil ohne göttliche Beauftragung) handelnd dar. Diese

 Sowie in 54,14 im Hitpol. mit Jerusalem (2. Sg. f.) als Subjekt.  Vgl. 41,8 f; 43,10; 44,1 f; 48,10; 49,7.  Vgl. neben Berlejung z. B. Dick 1999 und Levtow 2008, die dies unhinterfragt voraussetzen; differenzierter Hurowitz 2012: 265 – 269 (und passim); anders Tiemeyer 2011: 108.113.  Berlejung 1998: 373.

2.2 Jes 40,12 – 31

41

Beobachtung ist zweifellos richtig. Mir scheint aber fraglich, ob sich die Polemik damit als eine elaborierte „Gegendarstellung“¹⁴¹ zur mesopotamischen Kultbildtheologie erweist. Als solche ist sie nur dann zu erkennen, wenn man das rekonstruierte mesopotamische Vorgehen zur Bilderherstellung mitsamt seinen theologischen Implikationen dem Text als Kontrastfolie zugrunde legt. Grundsätzlich stellt sich dabei folgendes Problem: Das, was den Bezug zur mesopotamischen Bilderherstellung vereindeutigen würde, wird im Text nicht gesagt, und dieses Nicht-Gesagte wird – mit Bezug auf die mesopotamische Bilderherstellung – zum eigentlichen Fokus des Textes erklärt. Dass es sich um eine spezifische Widerlegung der mesopotamischen Bildertheologie handelt, ist daher am Text selbst schwer nachzuweisen. V.19 f setzt keine Kenntnisse über mesopotamische Kultbilder, ihre Herstellung und ihre Theologie voraus, die über grobe Vorstellungen ihrer äußeren Gestalt hinausgehen.¹⁴² So geht V.19 von einem gegossenen Kern aus, während die großen mesopotamischen Kultbilder einen Holzkern¹⁴³ besaßen. Auch ist nur von einer Verzierung mit Gold und Silber die Rede, während nach mesopotamischen Texten die Verzierung mit Edelsteinen zentral und auch theologisch aufgeladen war.¹⁴⁴ Es scheint mir naheliegender, bei V.19 f an die Herstellung einer kleineren metallenen Götterfigur zu denken,wie sie im gesamten Alten Orient und auch in Ägypten archäologisch nachgewiesen sind.¹⁴⁵ Damit soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Polemik antikes Wissen über Kultobjekte zur Anwendung bringt. Doch welche Wissenselemente für die Polemik relevant sind und auf welche Diskurse die Polemik Bezug nimmt, muss m. E. an jedem einzelnen Text untersucht werden. Ich möchte daher V.19 f wie auch die folgenden götterpolemischen Passagen als kleine, in sich sinnvolle

 Berlejung 1998: 409.  Dass der Verfasser sich mit der mesopotamischen Bilderherstellung genauer auskannte, wird in Berlejungs Analyse durch die Übersetzung von ‫( ְמֻס ָכּן‬V.20) als Sissoo-Holz zusätzlich wahrscheinlich gemacht (Berlejung 1998: 373); aber vgl. dagegen Tiemeyer 2011: 109 – 113 und zur unsicheren Deutung des Begriffes s.o. Textanm. j. Weiter liest Berlejung die götterpolemischen Passagen in DtJes als zusammenhängende Argumentation (dagegen s.u. 2.4.8; 5.2.1). Selbst dann zeigt sich aber in ihrer Übersicht (Berlejung 1998: 410), dass in der dtjes Polemik nur eine Bezugnahme auf 7 von 19 (Teil‐)Schritten der mesopotamischen Bilderherstellung erfolgt, und dass auch die explizit erwähnten Schritte zum Teil sehr unspezifisch beschrieben sind. Levtow 2008: 67 spricht im Hinblick auf die polemischen Texte in DtJes von „detailed representation of Mesopotamian iconic practices“, ohne diese Details allerdings näher zu benennen.  Vgl. Seidl 1980 – 1983: 310 f; Berlejung 1998: 37.120 – 124.  Vgl. z. B. Erra-Epos I 154.161 (TUAT III 789); K. 4149+ ii 36–iii 12 (TUAT NF II 52); AsBbA Rs. 30 (= RINAP IV 48,82) (Berlejung 1998: 165); zur theologischen Bedeutung Berlejung 1998: 127– 131.  Vgl. für Beispiele solcher Metallfiguren Roeder 1956; Negbi 1976; Seeden 1980; Spycket 1981. An solchen Figürchen orientiert sich auch die Textrekonstruktion von Fitzgerald 1989.

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2 Deuterojesaja

Texte mit ihren Bezügen analysieren und erst danach zusammentragen, welche Elemente sich als tragend für die Götterpolemik in DtJes herauskristallisieren. Im vorliegenden Text nehmen V.19 f die Stelle einer möglichen Antwort auf die Frage V.18 ein.¹⁴⁶ Der Begriff ‫ ֶפֶּסל‬bezeichnet immer ein (negativ konnotiertes) Götterbild¹⁴⁷ und signalisiert daher den Lesern, dass keine neutrale oder gar positive Aussage folgen wird. Die ins Negative gewendete Aussage von V.19 f lautet demnach: Das Götterbild kann Gott nicht abbilden, und der Podest-Handwerker ist nicht mit Gott vergleichbar.¹⁴⁸ Eine Abwertung von Bild oder Herstellern ist aus der folgenden Herstellungsbeschreibung nicht ersichtlich. Die Beschreibung scheint durch die genannten Materialien und die beteiligten Personen eher den Wert des Bildes und den mit der Herstellung verbundenen Aufwand zu betonen. Auffällig ist erst das Ziel des ganzen Vorgangs in V.20b: Die bloße Stabilität des Bildes dürfte weder in handwerklicher noch in theologischer Perspektive den ganzen Aufwand rechtfertigen.¹⁴⁹ Das verwendete Verb ‫ מוט‬bezeichnet etwas Negatives:¹⁵⁰ Wer „wankt“, braucht Hilfe (vgl. Lev 25,35; Ps 94,18), die Feinde freuen sich darüber (vgl. Ps 13,5; 38,17). Dramatisch wird es, wenn die Welt ins Wanken gerät (vgl. Ps 46,3; 60,4; Jes 24,19). Dieser Möglichkeit des Wankens wird gerne ‫( כון‬Ni.) entgegengesetzt: „Fest steht die Welt, sie wankt nicht!“ (1 Chr 16,30; Ps 93,1; 96,10; ähnlich Ps 104,5). Auf diese letztgenannte Formulierung dürfte V.20 anspielen, wie das gemeinsame Vokabular und die Wortstellung zeigen: Jes 40,20 Ps ,¹⁵¹

‫ְלָהִכין ֶפֶּסל ל ֹא יִמּוֹט‬ ‫ַאף־ ִתּכּוֹן ֵתֵּבל ַבּל־ ִתּמּוֹט‬

um ein Götterbild zu errichten, es wird nicht wanken Ja, fest steht die Erde, sie wird nicht wanken.

 Zur Parallelität der rhetorischen Fragen V.18a.b und der darauf bezogenen V.19.20 vgl. Holter 1995: 46 f, der daraus auf die gleiche syntaktische Funktion der beiden ‫( ַה‬in V.19.20), aber auch auf die synonyme Bedeutung der Begriffe ‫ ֶפֶּסל‬und ‫ ְמֻס ָכּן‬schließt. Letzteres ist m. E. nicht notwendig, wenn man (wie ich das für den Ergänzer vermute) ‫ ִמי‬als Frage nach einer Person und ‫ ָמה‬als Frage nach einem Gegenstand versteht, die – in invertierter Reihenfolge – in V.19.20 beantwortet werden.  Vgl. Schroer 1987: 304– 307; Dohmen 1989: 691– 693.  In dem absichtlichen Vergleich unvergleichbarer Entitäten liegt nach Holter 1995: 29 Anm. 31 die Ironie des Textes.  So Fitzgerald 1989: 441: „so much fuss on the part of the caster and the goldsmith and what’s the result? A pegged figurine that can’t stand unless it is fitted to a base!“  ‫ ל ֹא יִמּוֹט‬ist daher m. E. nicht als polemische Aussage über die Bewegungslosigkeit des Götterbildes zu lesen, gegen Spykerboer 1976: 44 f und Williamson 1986: 16. Für eine Diskussion von ‫ ל ֹא יִמּוֹט‬unter Berücksichtigung anderer Belege von ‫ מוט‬vgl. auch Baltzer 1999: 134.  Im gleichen Wortlaut auch (wahrscheinlich von Ps 93,1 abhängig) Ps 96,10 und 1 Chr 16,30.

2.2 Jes 40,12 – 31

43

So fällt besonders das Missverhältnis von ‫ ֶפֶּסל‬und ‫ ֵתֵּבל‬auf: Während Jhwh das Feststehen der Erde garantiert, können die Handwerker gerade einmal die Standfestigkeit des Götterbildes erreichen. Die Verwendung dieser Formulierung dürfte im menschlichen, handwerklichen Kontext unverhältnismäßig und daher lächerlich erscheinen. Über diese Anspielung fügt sich die Götterpolemik V.19 f gut in den Kontext von Jes 40 ein. Die Aussage zur Beständigkeit der Erde steht in Ps 93,1; 96,10 und 1 Chr 16,30 im Zusammenhang mit dem Königtum Jhwhs. Auch in Jes 40 geht es um Jhwhs einzigartige Macht. V.18 fragt nach einer möglichen Vergleichsgröße für diesen mächtigen Gott. Das Ende von V.20 wertet beide hypothetischen Antworten, das Götterbild und den „Podestverantwortlichen“, ab: Der Hersteller kann gerade einmal ein handwerkliches Produkt solide aufstellen, nicht aber wie Jhwh die Welt in die Hand nehmen. Und das Götterbild garantiert keine Stabilität, es muss schon froh sein, wenn es selber nicht wankt. Den für das Verständnis der Polemik notwendigen Bezugsrahmen von Jes 40,19 f bildet somit weniger ein babylonischer Diskurs über Kultbildherstellung als vielmehr ein atl. Diskurs über Jhwhs kosmische Macht. Auch die Stellung im Kontext (Jes 40,*12 – 31) suggeriert, dass mit diesem Text Jhwh-Verehrer angesprochen sind, die davon abgehalten werden sollen, die Macht des Schöpfergottes den Bilder-Göttern zuzuschreiben. Ein expliziter Vorwurf wird aber nicht formuliert; während V.18 eine direkte Anrede einleitet, nimmt V.19 f eine Beobachterperspektive ein. Dass nicht mit den Götterverehrern, sondern in der 3. Person über sie gesprochen wird, wird sich im Laufe dieser Untersuchung als ein typisches Element des götterpolemischen Diskurses erweisen.

2.2.3.3 Die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik in Jes 40,12 – 31 Nach der vorangehenden Analyse finden sich in der Grundschicht von Jes 40 keine götterpolemischen, und in der Ergänzung V.19 f keine weisheitlichen Elemente. Die götterpolemische Ergänzung V.19 f stellt auch keine Verbindungen zum weisheitlich geprägten Kontext 40,*12– 31 etwa über synonyme Begriffe oder parallele Formulierungen her und knüpft nicht an dort vorfindliche weisheitliche Elemente an. Dennoch ergibt sich eine Verbindung von Götterpolemik und Weisheit als Lesemöglichkeit des durch die Ergänzung entstandenen Textes, denn durch den Zusatz V.19 f kommt die Götterpolemik in einem weisheitlichen Umfeld zu stehen. Dadurch wird es für Leser dieses Textes im Folgenden möglich, beides als miteinander verbunden zu verstehen. Aus dem Kontext gewinnt die Götterpolemik an Schlagkraft: Jhwhs Machtposition, die sich aus der Schöpfung begründet (V.22.26) und in der Durchsetzungsfähigkeit seines Plans manifestiert (V.13 – 17.24), kann das wertvollste Göt-

44

2 Deuterojesaja

terbild (V.19 f) nichts entgegensetzen. Inmitten der für Nichts erklärten Völker (V.17), Würdenträger und Richter (V.23) liegt es nahe, auch die Götterbilder und ihre Hersteller für Nichts zu halten. Ein heuschreckenkleiner Erdbewohner (V.22) ist auch der weiseste Handwerker (V.20). Die Betonung der Kleinheit und Unwissenheit des Menschen vor Gott lässt die Herstellung des Götterbildes als Anmaßung erscheinen. Als ob das Aufstellen des Götterbildes, wie die Anspielung in V.20bβ suggeriert, ein Akt von kosmischer Bedeutung sei! Der Mensch in seinem Sandkasten meint, die Welt umfassende Geschehnisse beeinflussen zu können, die doch von Gottes Plan bestimmt sind. In dieser Weise verstärkt die Einordnung der Götterherstellung in den weisheitlichen Diskurs die Polemik. Darüber hinaus entsteht ein besonderer Effekt durch den Einschub zwischen V.18 und V.21. Als an V.18 angeschlossene Aufforderung bezog sich V.21 in der Grundschicht auf das in V.22 ff Ausgeführte. Die Fragen leiteten den neuen Unterabschnitt ein, in dem die weisheitliche Aussage der Erkenntnis von Jhwhs Machtposition aus der Schöpfung ausgeführt wird. Durch die Voranstellung von V.19 f ändert sich der Aufbau: Im Anschluss an die exemplarische Schilderung kann die Frage „Erkennt ihr nicht?“ (‫ֲהלוֹא ֵת ְדעוּ‬, V.21) auch auf eben diese Schilderung bezogen werden. Damit zeigt sich nicht nur durch den Wechsel in V.19 f von der 2. in die 3. Person eine beobachtende Perspektive auf die Götterverehrer; vielmehr werden die Götterhersteller explizit zu Objekten der Beobachtung. Durch die in V.21 folgenden Fragen bleibt gleichzeitig aber der Bezug zur weisheitlichen Aussage erhalten. Vor dem Hintergrund des weisheitlichen Schöpfungswissens und mit Blick auf die Götterherstellung wird nun sowohl Jhwhs Machtposition als auch die Nichtigkeit der Götterbilder und ihrer Hersteller erkannt. Wie wir noch sehen werden, wird dieses weisheitliche Hinsehen und Erkennen für die Götterpolemik zunehmend an Relevanz gewinnen.

2.3 Jes 41,21 – 29 Der Abschnitt Jes 41,21– 29 wird eröffnet durch die Redeeinleitung in V.21 und endet mit dem abschließenden ‫ֵהן‬-Satz in V.29. Formelemente und Terminologie dieser Rede verweisen in den Bereich einer Gerichtsverhandlung,¹⁵² wie schon aus den einleitenden Worten ‫„( ָק ְרבוּ ִריְבֶכם‬Bringt eure Rechtssache vor!“, V.21) deutlich wird. In DtJes begegnen noch weitere solche Gerichtsreden.¹⁵³ Diese Gerichtsreden  Vgl. Begrich 1963: 26 – 48; Schoors 1973: 214; Westermann 1981c: 52– 54 u. a.; vgl. auch von Waldow 1953: 37– 47, der aber für einen kultischen Sitz im Leben der sog. Gerichtsreden plädiert.  Der Begriff stammt wohl von Gunkel 1915: LXIII.LXVf. Zur Gattung vgl. Gunkel/Begrich 1975: 364– 366; in Bezug auf DtJes Begrich 1963: 26 – 48, der darauf hinweist, dass der Begriff

2.3 Jes 41,21 – 29

45

hängen sowohl durch die vorausgesetzte Verhandlungssituation (Jhwh und die versammelten Völker) als auch inhaltlich zusammen.¹⁵⁴ Die Rede in Jes 41,21– 29 steht in einem besonders engen Zusammenhang mit der vorangehenden Rede Jes 41,1– 4 (zur dort anschließenden Götterpolemik 41,6 f s.u. 2.4.1): Auf die Wer?Frage in V.2 gibt einerseits das Schlusswort in V.4b eine Antwort, andererseits liest sich V.25 wie eine ausführlichere Antwort auf dieselbe Frage.¹⁵⁵ Auch die Frage „Wer hat getan und gemacht?“ (‫ )ִמי־ָפַעל ְוָע ָשׂה‬aus V.4 wird zum einen durch V.4 selbst beantwortet, aber auch via negativa unter Verwendung derselben Wurzeln in V.24 (‫ )ָפָעְלֶכם ֵמָאַפע‬und V.29 (‫)ֶאֶפס ַמֲע ֵשׂיֶהם‬: Die Götter jedenfalls nicht! Doch durch die ausdrückliche Einführung des Sprechers in V.21¹⁵⁶ erscheinen V.21– 29 dennoch als eigenständige Rede.¹⁵⁷ Zwar bleibt das Thema der Gerichtsrede ähnlich, aber die Adressaten sind nun nicht mehr die Völker wie in V.1– 4,¹⁵⁸ sondern ihre Götter.¹⁵⁹ In Jes 41,21– 29 begegnet uns eine ganz andere Art der Götterpolemik als an der zuvor untersuchten Stelle Jes 40,19 f. Die Götter werden direkt angesprochen und eines konkreten Versagens bezichtigt. Die Herstellung der Bilder hingegen spielt hier keine Rolle.¹⁶⁰ Es stellt sich daher die Frage, wie sich diese Götterpolemik zu der in Jes 40,19 f verhält. Die Zugehörigkeit der Gerichtsrede Jes 41,(*)21–

„Gerichtsrede“ eigentlich eine „Sammelbezeichnung“ (Begrich 1963: 26) für unterschiedliche Redeformen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ist. Eine genauere Untersuchung dieser einzelnen Redeformen nimmt Boecker 1970 vor (vgl. die Übersicht bei Schoors 1973: 184).  Vgl. zum Zusammenhang der Gerichtsreden Westermann 1981c: 52– 58.  Vgl. Berges 2008: 219.  Besonders hervorgehoben durch den Parallelismus mit zweifacher Redeeinleitung.  Zur Abgrenzung von V.21– 29 als eigenständigem Sinnabschnitt vgl. Kratz 1991a: 38.  Elliger 1978: 112 versteht ‫„( יִ ְגּשׁוּ ָאז ְי ַד ֵבּרוּ‬sie sollen herantreten, dann sollen sie reden“) als zu den Göttern gesprochen. Auch wenn die Fragen in V.2– 4a sich auf göttliches Handeln beziehen, können sie an die Völker gerichtet sein (vgl. Kratz 1991a: 38 mit Anm. 113). Dass bereits hier die Götter selbst angesprochen sind, ist sehr unsicher, weil die „Inseln“ und „Völker“ unmittelbar davor genannt sind, und der Wechsel von 2. und 3. Person nicht für einen Adressatenwechsel sprechen muss (vgl. Berges 2008: 175: „gehört zum Proprium hebräischer Poesie“).  Die Götter werden erst in V.23 genannt. Hermisson 2000a: 119 f vertritt deshalb die Ansicht, dass in V.21 wie auch sonst bei Aufforderungen im Plural die Völker angesprochen sind. Aus V.23 geht eindeutig hervor, dass mit der Aufforderung ‫„( ַה ִגּידוּ‬Verkündigt!“) die Götter angesprochen sind.Von daher ist anzunehmen, dass auch in V.22 die Götter Subjekt des Verkündigens sind. Dass die Götter schon in V.21 angesprochen sind, scheint mir deshalb wahrscheinlicher, zumal kein anderes in Frage kommendes Subjekt vorangeht und der Wechsel von 2. und 3. Person hier wie in V.1 nicht für einen Adressatenwechsel sprechen muss.  Zu den weiteren polemischen Texten mit Bezug auf die Bilderherstellung (darunter auch den hier übersprungenen Abschnitt Jes 41,6 f) s.u. 2.4 und 2.5.

46

2 Deuterojesaja

29 zur Grundschicht ist m.W. unbestritten.¹⁶¹ Für die literarhistorische Untersuchung der Götterpolemik ist dieser Text daher besonders interessant, denn er dürfte auf einer anderen – auch diachron anderen – Ebene anzusiedeln sein als der zuvor untersuchte götterpolemische Text Jes 40,19 f.

2.3.1 Übersetzung und Textkritik ‫ָק ְרבוּ ִריְבֶכם י ֹאַמר ְיה ָוה ַה ִגּישׁוּ ֲעֻצמוֵֹתיֶכם י ֹאַמר ֶמֶלְך‬ ‫ַיֲעקֹב׃‬ ‫שׁנוֹת ָמה ֵה ָנּה‬ ֹ ‫ַי ִגּישׁוּ ְו ַי ִגּידוּ ָלנוּ ֵאת ֲא ֶשׁר ִתְּק ֶרי ָנה ָה ִרא‬ ‫ַה ִגּידוּ ְו ָנ ִשׂיָמה ִל ֵבּנוּ ְו ֵנ ְדָעה ַאֲח ִריָתן אוֹ ַה ָבּאוֹת ַה ְשִׁמיֻענוּ׃‬

‫אִתיּוֹת ְלָאחוֹר ְו ֵנ ְדָעה ִכּי ֱאל ִֹהים ַא ֶתּם ַאף־ ֵתּיִטיבוּ‬ ֹ ‫ַה ִגּידוּ ָה‬ ‫ְוָת ֵרעוּ ְו ִנ ְשׁ ָתָּעה ְו ִנ ְרֶא ַיְח ָדּו׃‬

‫ֵהן־ַא ֶתּם ֵמַאיִן וָּפָעְלֶכם ֵמָאַפע תּוֵֹעָבה יְִבַחר ָבֶּכם׃‬

‫בא‬ ֹ ‫ַהִעירוִֹתי ִמ ָצּפוֹן ַו ַיּאת ִמ ִמּ ְז ַרח־ ֶשֶׁמשׁ יְִק ָרא ִב ְשִׁמי ְו ָי‬ ‫ְס ָג ִנים ְכּמוֹ־חֶֹמר וְּכמוֹ יוֵֹצר יִ ְרָמס־ִטיט׃‬

‫ִמי־ִה ִגּיד ֵמר ֹאשׁ ְו ֵנ ָדָעה וִּמ ְלָּפ ִנים ְוֹנאַמר ַצ ִדּיק ַאף ֵאין־ַמ ִגּיד‬ ‫שֵׁמ ַע ִאְמ ֵריֶכם׃‬ ֹ ‫ַאף ֵאין ַמ ְשִׁמי ַע ַאף ֵאין־‬

‫ִראשׁוֹן ְלִציּוֹן ִה ֵנּה ִה ָנּם ְוִלירוּ ָשִַׁלם ְמַב ֵשּׂר ֶא ֵתּן׃‬ ‫ְוֵא ֶרא ְוֵאין ִאישׁ וֵּמֵא ֶלּה ְוֵאין יוֵֹעץ ְוֶא ְשָׁאֵלם ְו ָי ִשׁיבוּ ָדָבר׃‬

‫ֵהן ֻכּ ָלּם ָא ֶון ֶאֶפס ַמֲע ֵשׂיֶהם רוּ ַח ָוֹתהוּ ִנְס ֵכּיֶהם׃‬

() Bringt eure Rechtssache (vor), sagt Jhwh, bringt eure Beweise a vor, sagt der König Jakobs. () Sie sollen vorbringen b und uns ankündigen c, was sich ereignet: Die früheren Dinge, was ist mit ihnen? Kündigt an, damit wir darauf achten und wir ihren Ausgang erkennen d. Oder die kommenden Dinge lasst uns hören! () Kündigt die in Zukunft kommenden Dinge an, damit wir erkennen, dass ihr Götter seid. Ja, tut Gutes und Schlechtes, damit wir [erschrecken] e und uns zugleich [fürchten] f. () Siehe, ihr seid weniger als g nichts und euer Wirken ist weniger als ein Wahn h, ein Gräuel (ist es), euch zu erwählen i. () Ich habe in Bewegung gesetzt von Norden (her) und er kam, vom Aufgang der Sonne den, der in meinem Namen [gerufen ist] j, und er [zertritt] k Fürsten wie Ton, wie der Töpfer den Ton tritt. () Wer hat (es) angekündigt von Anfang an, damit wir es erkennen und von vornherein, damit wir sagen: Richtig. Ja, es gibt keinen, der (es) ankündigt. Ja, es gibt keinen, der (es) hören lässt. Ja, es gibt keinen, der eure Worte hört. () Einen Vorboten l für Zion – „Siehe, da sind sie!“ – und für Jerusalem einen Boten gebe ich. () Und ich schaue und es gibt niemanden, und von diesen: m keinen Berater gibt es, dass ich sie frage und sie antworten. () Siehe, sie alle sind Trug n, nichts sind ihre Werke, Wind und Leere sind ihre Gussbilder.

 Vgl. Merendino 1981: 201; Vermeylen 1989: 41; Kratz 1991a: 36; van Oorschot 1993: 23; Hermisson 1998: 153.155, die alle Jes 41,21– 29 (abzüglich sekundärer Zusätze) der Grundschicht zurechnen.

2.3 Jes 41,21 – 29

a

47

So mit Köhler : ; Duhm : ; Begrich :  Anm.  u. a. Schoors :  – ; Elliger :  u. a. lesen mit LXX Qal (‫ )יִ ְגּשׁוּ‬statt Hi., da das Objekt fehlt (vgl. auch ,b; ,). Merendino :  f weist aber darauf hin, dass in Jes , die gleiche Formulierung mit zwei Hi.-Formen und ohne Objekt begegnet (‫)ַה ִגּידוּ ְוַה ִגּישׁוּ‬. c Zu dieser Bedeutung von ‫ נגד‬Hi. vgl. Schoors :  f. d Duhm :  hält eine Umstellung des letzten Teilverses hinter das folgende ‫אוֹ ַה ָבּ אוֹת‬ ‫„( ַה ְשִׁמיֻענוּ‬oder die Kommenden lasst uns hören“) für notwendig (so auch Fohrer : ; Westermann a: ; Elliger : .; literar- statt textkritisch Berges : ). Dagegen argumentiert Merendino :  mit dem chiastischen Aufbau des V.b (‫שׁנוֹת‬ ֹ ‫ )ַה ָבּאוֹת – ְו ֵנ ְדָעה – ְו ָנ ִשׂיָמה – ָה ִרא‬sowie des Übergangs V.b–V.a (– ‫אִתיּוֹת – ְלָאחוֹר‬ ֹ ‫ְו ֵנ ְדָעה – ָה‬ ‫)ַה ָבּאוֹת – ְו ֵנ ְדָעה‬. Zu berücksichtigen wäre für den Aufbau noch das zweimalige ‫„( ַה ִגּידוּ‬Kündigt an!“), dem nach der Anordnung des MT jeweils der Gegenstand der Ankündigung (Vergangenheit/Zukunft) vorangeht. Vgl. zum Aufbau ohne Umstellung auch Kratz a: . e Statt Hitp. ist hier analog zu Jes , (‫ ) ְו ִנ ְשׁ ְתָּעה‬Qal von der auch im Ugaritischen parallel zu ‫ירא‬ belegten Wurzel ‫„( שתע‬fürchten“) zu lesen, mit North : .; die Wurzel ist auch im Phönizischen belegt, vgl. Schoors :  und Elliger :  f; weitere Literaturhinweise bei Merendino :  Anm.  (der diese Herleitung aber selber nicht übernimmt). f Punktiert als ‫ ְו ִנ ָרא‬von ‫„( ירא‬fürchten“), so schon Duhm :  und aufgrund des Parallelausdrucks ‫( ְו ִנ ְשׁ ְתָּעה‬siehe voranstehende Textanm.) North : ; Elliger : ; Koole :  u. a. g Köhler : ; Westermann a: ; Elliger :  f u. a. halten ‫ ֵמַאיִן‬und ‫ ֵמָאַפע‬in V. für das Ergebnis einer Dittographie und entfernen das ‫מ‬. Dass ein Schreiber sich hier zweimal (!) irrte, in V. bei gleicher Ausgangslage aber nicht, scheint mir eher unwahrscheinlich, zumal ein ähnliches Phänomen auch in Jes , vorliegt (‫)ֵמֶאֶפס‬. Die hier gewählte Übersetzung findet sich bei Blenkinsopp :  und Berges : . h ‫ ָאַפע‬wird meist für einen Schreibfehler (statt: ‫ )ֶאֶפס‬gehalten, vgl. Duhm : ; Ginsberg : ; North : ; Elliger :  u. a. Abgesehen davon, dass ‫ ָאַפע‬difficilior ist, ist der Begriff ‫ אפעה‬in QH , als Parallelbegriff zu ‫ שׁוא‬bezeugt. Der MT kann daher beibehalten werden. So mit detaillierterer Argumentation Barthélemy :  f; vgl. schon WernbergMoeller :  Anm.  (mit Verweis auf Driver); Maier : ; gegen eine Textänderung auch Koole :  und Berges : . Die Übersetzung folgt HALAT. i Die Konstruktion ist unklar, die Übersetzungen gehen in verschiedene Richtungen: entweder im Sinne von „einen Gräuel erwählt man an euch“ (vgl. Westermann a: ; Berges : ; zu beachten ist allerdings, dass das ‫ ְבּ‬zur Konstruktion des Verbes gehören kann) oder „ein Gräuel, der euch erwählt“ (vgl. die Übersetzung der Vg; Hermisson a: ; Blenkinsopp : ). Elliger :  versteht ‫ תּוֵֹעָבה‬als Prädikatsnomen und den Rest des Satzes als Subjekt, also: „der Umstand, daß man euch erwählt, ist ‫תועבה‬.“ j So mit Blenkinsopp : . Die beliebte Änderung zu ‫( ִבּ ְשׁמוֹ‬Schoors :  f; Elliger :  u. a.) ist problematisch, weil das Suffix . Sg. gut bezeugt ist (nur QJesa liest . Sg.), vgl. Barthélemy :  f, und nicht plausibel erklärt werden kann, wie aus einem klaren (dem Sinn nach Jes , entsprechenden) Text die in den Versionen bezeugte Verwirrung hätte entstehen können. k ‫בא‬ ֹ ‫ ְו ָי‬ist wohl durch Haplographie aus ‫ ְו ָיֻבס‬entstanden, vgl. Duhm : ; Elliger :  (mit Verweis auf Ältere). l So mit Thomas :  (nach einem Vorschlag von Duhm :  u. a.) und Janzen : , der für diese Übersetzung auf  Sam , –  verweist. Für diesen Vers wurden unzählige, b

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2 Deuterojesaja

m. E. zu spekulative Änderungsvorschläge gemacht, vgl. dazu Elliger :  f und Janzen . m Es dürfte sich hier, wie in Jer ,, um eine Pendenskonstruktion mit emphatischer Wirkung (vgl. dazu Gross :  f) handeln. n ‫ ָא ֶון‬wird meist mit QJesa zu ‫ ַאיִן‬korrigiert (Köhler : ; North : ; Schoors : ; Elliger :  u. a.). Barthélemy :  wendet ein, dass QJesa in dieser Frage unzuverlässig ist. ‫ ָא ֶון‬kann hier durchaus als weiterer Parallelbegriff stehen (vgl. ‫ָא ֶון וִּמ ְרָמה‬, Ps ,; ‫ ָשׁ ְוא‬//‫ָא ֶון‬, Hos ,), da der Text offenbar Wert auf Variation legt (V.: ‫ֵמַאיִן – ֵמָאַפע – תּוֵֹעָבה‬, V.: ‫תּהוּ‬ ֹ – ‫)ָא ֶון – ֶאֶפס – רוּ ַח‬. Ohne Textänderung auch Bonnard : ; Koole :  f.

2.3.2 Durchgang durch den Text a) Der Abschnitt beginnt mit der doppelten Redeeinleitung V.21. Dass Jhwh hier als Sprecher explizit eingeführt wird, braucht nicht zu verwundern,¹⁶² denn ähnlich wird auch die Gerichtsrede in 44,6 eröffnet. Das Zusammentreten zur Gerichtsverhandlung ist bereits in 41,1 erfolgt. Die beiden parallelen Sätze V.21a und V.21b machen deutlich, dass es in diesem Abschnitt nun darum gehen soll, dass die Gegenseite ihre Sache vertritt. b) In V.22– 23 wird präzisiert, was gefordert wird. Die Adressaten wurden in V.21 noch nicht explizit benannt, aber aus V.23 geht nun eindeutig hervor, dass mit der Aufforderung ‫ ַה ִגּידוּ‬Götter (‫ֱאל ִֹהים‬, V.23aβ) angesprochen sind.¹⁶³ Die Götter sollen Rechenschaft geben über „das, was sich ereignet“ (‫ֵאת ֲא ֶשׁר ִתְּק ֶרי ָנה‬, V.22a). Die Aufforderung ist in drei Aspekte unterteilt:¹⁶⁴ Sie betrifft die Ankündigung der früheren Dinge (V.22bα: ‫שׁנוֹת‬ ֹ ‫ )ָה ִרא‬und der kommenden Dinge (V.22bβ–23a: ‫)ַה ָבּאוֹת‬ sowie die Handlungsmacht (V.23b: ‫)ַאף־ ֵתּיִטיבוּ ְוָת ֵרעוּ‬.¹⁶⁵ Jedem Aspekt folgt jeweils

 Gegen die Vermutung von van Oorschot 1993: 31 f Anm. 46, es könnte sich bei den Sprecherbezeichnungen um einen „zionstheologische[n] Eintrag“ handeln.  Anders Hermisson 2000a: 119 f, aber s. o. Anm. 159.  Zum Aufbau von V.22– 23 mit dem „überzeitlichen ‫“את אשׁר תקרינה‬, das in den parallelen Sätzen V.22bα und V.22bβ–23a ausgeführt und durch V.23b abgeschlossen wird, vgl. Kratz 1991a: 40 mit Anm. 120.  Die Aufforderung, „Gutes und Schlechtes“ zu tun, verlangt von den Göttern, in das Leben der Menschen einzugreifen. Die verbreitete Übersetzung „Gutes oder Schlechtes“ (z. B. Duhm 1968: 308; Westermann 1981a: 69; Fohrer 1986: 44.46; Blenkinsopp 2002: 203 u. a.) ist ungenau und irreführend. Gemeint ist nicht, dass die Götter irgend etwas tun sollen. Für die Formulierung ‫טוֹב ָו ָרע‬ kommt Stoebe 1953: 197– 201 – in Abgrenzung zu einem absoluten, moralischen Verständnis – zu dem Ergebnis, dass sie „eine überwiegend praktische Bedeutung“ hat, nämlich als „etwas, was dem Leben förderlich oder ihm abträglich ist“ (201; vgl. schon Wellhausen 2001[= 1927]: 301). Auch für die verbale Formulierung mit ‫ רעע‬Hi. und ‫ יטב‬Hi. legt sich eine solche praktische Be-

2.3 Jes 41,21 – 29

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eine mit ‫ ְו‬angeschlossene Verbform in der 1. Pl. Imperfekt. Es handelt sich in V.22b–23 nicht um drei separate Möglichkeiten der Beweisführung (wie der Fortgang des „Verfahrens“ in V.25 – 28 zeigt), sondern um drei miteinander verbundene Aspekte der Geschichtsmächtigkeit.¹⁶⁶ c) Eingeleitet durch ‫ ֵהן‬trifft V.24 ein erstes Urteil über die angesprochenen Götter. Die Nichtigkeitsaussage in V.24aα erinnert an die Nichtigkeit der Völker in Jes 40,17. Dazu kommt im parallelen Teilvers V.24aβ ein Akzent auf die Nichtigkeit des Handelns (‫ )ָפָעְלֶכם‬der Götter. Auffällig ist in verschiedener Hinsicht die Aussage V.24b.¹⁶⁷ Der Verbalsatz stört den Parallelismus und der Begriff ‫ תּוֵֹעָבה‬liegt auf einer anderen Ebene als die Nichtigkeitstermini ‫ ַאיִן‬und ‫ָאַפע‬.¹⁶⁸ Vor allem aber ist die Verwendung von ‫ בחר‬für das DtJes-Buch ungewöhnlich: In Jes 40 – 48 wird ‫בחר‬ nur im Zusammenhang mit der Erwählung Israels durch Jhwh verwendet.¹⁶⁹ Die Verwendung in V.24 entspricht vielmehr den Belegen in TritoJes,¹⁷⁰ wo ‫בחר‬ meistens ein Wählen durch Menschen bezeichnet, in Jes 65,12; 66,3 f wie hier das Wählen dessen, was Jhwh nicht gefällt. Es dürfte sich daher bei V.24b um einen Zusatz handeln,¹⁷¹ der die Verehrung solcher (Nicht‐)Götter verurteilt. d) Nach dem vorweggenommenen Urteilsspruch V.24 beginnt mit V.25 der zweite Teil der Gerichtsrede, in dem konstatiert wird, dass die im ersten Teil geforderten Beweise nicht erbracht wurden.¹⁷² V.27 unterbricht diesen Zusammenhang mit

deutung in Bezug auf das menschliche Leben nahe, vgl. für göttliches Handeln noch Jos 24,20; Zef 1,12; Sach 8,14 und ähnlich auch Hi 2,10.  Gegen Fohrer 1986: 46. Gegen V.23b als eine alternative Beweismöglichkeit vgl. auch Elliger 1978: 186, der allerdings anders übersetzt („Ja, lasst es gut sein oder schlimm sein!“). Die drei Aspekte werden im Folgenden nicht separat abgehandelt: In V.26 wird nur konstatiert, dass es keine Verkündigung gibt, von einem Tatbeweis ist nicht mehr die Rede. Andererseits stellt Jhwh dem Versagen der Götter keinen eigenen Weissagungsbeweis entgegen, vielmehr wird nur von seiner Tat berichtet (V.25), die die Götter nicht vorhergesagt haben. Schließlich wird in den Urteilssätzen V.24.29 wieder auf das Wirken der Götter Bezug genommen (V.24: ‫ ;ָפָעְלֶכם‬V.29: ‫)ַמֲע ֵשׂיֶהם‬.  Vgl. dazu auch Elliger 1978: 173.187 f, der aber nach einer text-, nicht literarkritischen Erklärung sucht.  Außerdem kommt der Begriff sonst in DtJes nur noch in Jes 44,19 vor. Zum sekundären Charakter der Götterpolemik in Jes 44,9 – 20 s.u. 2.5.2.  Mit Ausnahme von Jes 40,20; dabei handelt es sich aber m. E., wie oben (2.2.2) dargelegt, um einen Zusatz.  So schon Duhm 1968: 309.  So auch Merendino 1981: 201 und Kratz 1991a: 41, die V.24b wie V.29b einer götterpolemischen Überarbeitung zuschreiben.  Das zeigen sowohl die rhetorische Frage in V.26aα als auch die Feststellungen in V.26b.28. In V.26 wird Vokabular aus V.22– 23 aufgenommen (‫ נגד‬Hi., ‫ ) ְו ֵנ ְדָעה‬und auf das in V.25 geschilderte

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2 Deuterojesaja

einer neuen Ankündigung Jhwhs. Diese Ankündigung stört den parallelen Aufbau V.21– 24/V.25 – 29 und unterbricht die ‫ַאיִן‬-Sätze. Auch die auf Jes 49,14 ff vorverweisende Erwähnung Zions/Jerusalems (vgl. zu ‫ ְמַב ֵשּׂר‬Jes 52,7) macht wahrscheinlich, dass es sich um einen sekundären Einschub handelt,¹⁷³ der Jhwhs Ankündigung der Rückkehr als Beispiel für seine Überlegenheit einbringt. e) V.29a ist entsprechend zu V.24a aufgebaut: Es werden ebenfalls die Nichtigkeit der Götter und ihrer Werke (‫ )ַמֲע ֵשׂיֶהם‬festgestellt. V.29b formuliert darüber hinaus parallel zu V.29aβ die Nichtigkeit der Götterbilder. Dieser letzte Teilsatz hat in V.24 keine Entsprechung; wie oben gezeigt wurde, ist V.24b wahrscheinlich sekundär. Die Ausscheidung von V.24b führt aber nicht zwingend zur Ausscheidung von V.29b. Die abschließende Wiederholung eines parallelen Ausdrucks mit einer Erweiterung um ein drittes Element begegnet ähnlich in 1 Kön 18,26.29. Anders als in V.24b verweist die Formulierung von V.29b nicht auf spätere Textschichten. Zwar begegnet ‫ רוּ ַח‬in DtJes nur hier als Nichtigkeitsbegriff,¹⁷⁴ aber im Wortpaar mit ‫ ָוֹתהוּ‬fügt sich der Begriff zwanglos in die variantenreichen Ausdrucksformen der Nichtigkeit in V.24.29. Das Substantiv ‫ ֶנֶסְך‬ist in DtJes nur noch im (sekundären) Vers 48,5 belegt, dort aber wohl von 41,29 abhängig.¹⁷⁵ Die Verwendung von ‫ ֶנֶסְך‬in Jes 48,5 fällt daher als Argument für die sekundäre Zufügung von V.29b weg. Sprachlich gibt es somit keine Gründe für die Ausscheidung von V.29b. Sachlich ist aber die Einführung eines neuen Themas – Bilder – im V.21– 29 abschließenden Verdikt auffällig. Während V.24a.29a durch die Aufnahme von ‫ פעל‬und ‫ עשׂה‬aus Jes 41,4¹⁷⁶ ganz in der Argumentationslinie der Gerichtsreden bleiben, hat die Aussage V.29b keinen Anhaltspunkt im Vorangehenden. Ihr prominenter Platz als Kyros-Geschehen hin konkretisiert. Gegen Fohrer 1986: 46; Blenkinsopp 2002: 206 u. a. handelt es sich nicht um einen Tatbeweis Jhwhs. Jhwh als Subjekt der Handlung wird (im MT, anders LXX) nicht hervorgehoben – ganz anders als in der ersten Gerichtsrede Jes 41,1– 4. Auch die Fortsetzung zeigt, dass es in dieser zweiten Gerichtsrede nicht um Jhwh, sondern um die Nichtigkeit der Götter geht.  So mit den hier übernommenen Argumenten Kratz 1991a: 40 f; van Oorschot 1993: 31 f mit Anm. 46; (vgl. auch Clifford 1984: 87 Anm. 10) und ausführlich zu diesem Vers Berges 2006: 211.221 f. Volz 1932: 24 sieht das Problem, versucht es aber textkritisch zu lösen.  Zwar begegnet ‫ רוּ ַח‬in DtJes am häufigsten als Jhwhs ‫( רוּ ַח‬Jes 40,7.13; 42,1; 44,3; 48,16), aber es werden auch andere Bedeutungsmöglichkeiten des Begriffs genutzt: synonym zu „Sturm“ (‫)ְסָע ָרה‬ in Jes 41,16; als Lebensatem (//‫ ) ְנ ָשָׁמה‬der Menschen in Jes 42,5.  Zu 48,5 und zum sekundären Charakter von 48,1– 11 insgesamt s.u. 2.4.7.1. ‫ ֶנֶסְך‬steht auch in Jes 48,5 im Zusammenhang mit der Frage nach der Urheberschaft von Tat und Verkündigung, ist aber gegenüber 41,29 erweitert um die parallelen Begriffe ‫( עֵֹצב‬vgl. Jes 46,1) und ‫( ֶפֶּסל‬vgl. Jes 40,19 f; 42,17; 44,9 f.15.17; 45,20). Zudem ist 48,1– 11 insgesamt aus Versatzstücken komponiert, so dass eine Abhängigkeit von 41,29 wahrscheinlicher scheint als umgekehrt.  Darauf weist Kratz 1991a: 41 hin.

2.3 Jes 41,21 – 29

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letztes Element einer (steigernden?) Aufzählung ist im überlegten Aufbau der Rede inkonsistent.¹⁷⁷ Es dürfte sich daher doch wahrscheinlicher um eine Ergänzung handeln,¹⁷⁸ die die Konsequenz aus der Nichtigkeit der Götter explizit macht: Sind die Götter nichts, so sind auch ihre Bilder Wind und Leere. Aus diesem Durchgang ergibt sich für die Grundschicht V.21– 24a.25 f.28 – 29a folgender Aufbau: In V.21 wird das Verfahren durch Jhwh eröffnet. Angesprochen sind von V.21 an die Götter. Die Rede ist in zwei Teile gegliedert,wovon der erste zur Vorbringung von Beweisen auffordert und der zweite die Nicht-Erfüllung des Verlangten feststellt. Nach der Redeeinleitung in V.21 folgt in V.22a in der 3. Pl. eine Art zusammenfassende Überschrift für die folgenden Aufforderungen (V.22b–23, 2. Pl.), die das in V.22a Gesagte in die Dimensionen Vergangenheitsdeutung, Zukunftsankündigung und Handlung auffächern. Gefolgt sind die Aufforderungen jeweils von einem auf die zu erwartende Reaktion der Versammlung hinweisenden Nebensatz (1. Pl.). V.24 beendet den ersten Teil mit einer vorweggenommenen Urteilsverkündigung. Die faktische Begründung dieses Urteils folgt erst in der zweiten Strophe. V.25 schildert den konkreten Fall, auf den sich die Frage nach Ankündigung in V.26a bezieht. Der Urteilsbegriff ‫( ַצ ִדּיק‬als Rechtsterminus: „schuldlos“)¹⁷⁹ am Ende von V.26a lässt die Frage als entscheidend für den Prozessausgang erscheinen. V.26b beantwortet die Frage aus V.26a mit einer dreifachen Negation und verallgemeinert die Feststellung durch den Gebrauch von Partizipien über den in V.26a (aufgrund der Beziehung zu V.25) angesprochenen konkreten Fall hinaus. Damit ist die Verhandlung zu Ende (V.28) – von den Göttern kann nun nur noch in der 3. Pl. gesprochen werden. In V.29 wird dann, nun durch das Vorangehende begründet, das Urteil über den Anspruch der Götter gesprochen.

 Hält man V.29b für ursprünglich, so muss erklärt werden, warum gerade die Nichtigkeit der Bilder, von denen vorher nicht die Rede war, Zielpunkt der Gerichtsrede ist. Alternativ müsste postuliert werden, dass dieser Platz keine besondere Betonung impliziert und es sich in den parallelen Aussagen V.29aβ.b lediglich um Ausschmückungen der Aussage V.29aα handle.  So auch Merendino 1981: 201; Kratz 1991a: 41; Ruppert 1996: 79; Petry 2007: 151. Aufgrund der unterschiedlichen Terminologie und Argumentationsweise geht der Zusatz aber wohl nicht auf den Ergänzer von Jes 40,19 f (und ähnlichen Stellen) zurück, mit Petry 2007: 151 f.  ‫ ַצ ִדּיק‬ist im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ein juristischer terminus technicus, eine Freispruchsformel, die bedeutet, dass die Rechtsgemeinde dem Angesprochenen Recht zuspricht, vgl. Boecker 1970: 122 – 132.

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2 Deuterojesaja

Dieser Grundtext wurde später durch drei Zusätze ergänzt:¹⁸⁰ – V.24b bezieht (unter Voraussetzung von TritoJes?) den Prozess auf durch Israel verehrte Götter und verdeutlicht die Verwerflichkeit einer solchen Götterverehrung. – V.27 setzt der Nicht-Ankündigung durch die Götter eine Ankündigung Jhwhs entgegen und bringt mit der Rückkehr nach Jerusalem ein Beispiel für Jhwhs Wirkmächtigkeit ein. – V.29b verdeutlicht die Konsequenz der Rede in Bezug auf die Götterbilder.

2.3.3 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 41,21 – 29 2.3.3.1 Grundschicht Jes 41,*21 – 29 2.3.3.1.1 Weisheitliches in der Grundschicht Jes 41,*21 – 29 Eine Verbindung zur weisheitlichen Tradition ist in Jes 41,21– 29 nicht ersichtlich: Es lassen sich weder weisheitliche Sprache noch typisch weisheitliche Motive oder Gedankengänge feststellen. Indirekte Verbindungen zur Weisheit ergeben sich höchstens über den Kontext.Wie oben (2.2.3.1.1) dargestellt, ist Jes 40,*12– 31 stark weisheitlich geprägt. An diese Eröffnung schließen die Gerichtsreden an. Das ‫ִמי‬ aus Jes 40,12 – 14.18(.25).26 wird im Folgenden zur Leitfrage der Gerichtsreden (‫ִמי‬, Jes 41,2.4.26; 43,9; 44,7; 45,21).¹⁸¹ Die weisheitlich geprägte Einleitung Jes 40,12 ff stellt klar, dass es sich bei dem Gott, der das Kyros-Geschehen lenkt, um denselben handelt, der auch Herr über die ganze Welt ist. Näher steht dieser Einleitung die erste Gerichtsrede Jes 41,1– 4, die über die Wer?-Frage hinaus noch durch die Stichworte ‫( נתן‬V.2, vgl. 40,23.29) und ‫( ְכַּקשׁ‬V.2, vgl. 40,24) mit Jes 40,12– 31 verknüpft ist. Hier wird klar, dass Jhwhs Macht über die menschlichen Machthaber, die in Jes 40 mit einer weisheitlichen Herleitung dargestellt ist, im Kyros-Geschehen wirkt. Jes 41,21– 29 steht hingegen weitgehend unabhängig von Jes 40,12– 31 und schließt nicht an weisheitliche Diskurse an.

 Die drei Zusätze scheinen mir nicht auf der gleichen Linie zu liegen.V.27 bezeugt ein anderes Interesse als V.24b.29b. Die beiden Zusätze V.24b.29b sind jeweils unterschiedlich an die vorangehenden V.24a.29a angeschlossen: Während V.29b sorgfältig den Vers als Parallelismus fortführt, knüpft V.24b weder syntaktisch noch terminologisch an die Grundschicht an (einziges Zugeständnis an den Kontext ist das Suffix ‫)‐ֶכם‬.  Insbesondere auch aufgrund dieser Fragen hält von Waldow 1963: 47– 53 die Gerichtsreden in DtJes für weisheitlich geprägt.

2.3 Jes 41,21 – 29

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2.3.3.1.2 Götterpolemisches in der Grundschicht Jes 41,*21 – 29 Dass in V.21– 29 die Götter angesprochen sind, wird aus V.23 klar. Ihnen gilt das vernichtende Urteil in V.29a. Die Gerichtsrede befasst sich also spezifisch mit den Göttern und ist in ihrer entwertenden Argumentation deutlich polemisch. Es ist nun zu untersuchen, worauf genau die Polemik zielt und auf welche Diskurse dabei Bezug genommen wird. Aus dem Urteil „sie alle sind nichts“ in V.29a schließen manche Exegeten, in der Gerichtsrede werde die Existenz der Götter verhandelt.¹⁸² Der Erweis der NichtExistenz der Götter als Ziel der Gerichtsrede würde die fiktive Verhandlungsszene jedoch als ein holpriges Bild erscheinen lassen, da die Götter darin direkt angesprochen und als Gegenpartei in der Verhandlung gedacht werden.¹⁸³ Ein Satz wie ‫( ַא ֶתּם ֵמַאיִן‬V.24) ist ontologisch verstanden ein Widerspruch in sich. Abgesehen davon lautet das Urteil auf die Nichtigkeit nicht nur der Götter, sondern auch ihrer Taten. Dass dieses betont ans Ende gestellte Tun das zentrale Anliegen des Textes ist, zeigt sich auch in der vorangehenden Beweisführung sowie in der ersten Gerichtsrede am Anspruch Jhwhs: „Wer tut und macht? – Ich!“ In V.21– 29 wird der entsprechende Gegenanspruch der Götter verhandelt,¹⁸⁴ wie die Bezugnahme auf 41,1– 4¹⁸⁵ zeigt. Ein ontologischer Existenzbegriff scheint mir also am praktischen und geschichtstheologischen Interesse des Textes vorbeizugehen.¹⁸⁶ Richtig ist aber, dass der Text, obwohl thematisch ganz den Göttern gewidmet, den Göttern sprachlich auffällig wenig Raum lässt.¹⁸⁷ Sie werden mit Anforderungen konfrontiert (‫ַה ִגּידוּ‬, V.22b.23a; ‫ ֵתּיִטיבוּ ְוָת ֵרעוּ‬, V.23b), auf die sie nicht reagieren. Im zweiten Teil der Rede werden die Imperative eingestellt und nur noch ihre Nichterfüllung konstatiert (‫ ֵאין־ַמ ִגּיד‬etc., V.26b.28). Bei alledem werden die Götter nur ein einziges Mal benannt, und zwar im Nebensatz V.23aβ, innerhalb einer hypothetischen Folge. Da die Bedingung nicht erfüllt wird, tritt auch das Erkennen der Götter als Götter nicht ein: Die einzige explizite Nennung der Götter in diesem Text ist also eigentlich eine Nicht-Nennung. Schließlich treten die Götter

 Vgl. Ruppert 1996: 78; Hermisson 2000a: 119.  Hermisson 2000a: 119 – 122 erkennt das Problem und versucht, entweder die Anrede der Götter zu eliminieren oder die Anrede als „Sprachspiel“ zu deuten. In seiner umständlichen Analyse zeigt sich, dass das Hereinbringen eines ontologischen Existenzbegriffs den Text problematischer erscheinen lässt, als er ohne eine solche Voraussetzung ist.  Zu Recht weist Westermann 1981c: 53 darauf hin, dass es in dem Verfahren um zwei konkurrierende Ansprüche geht und nicht um eine strafrechtliche Verhandlung, so auch schon (anders als von Westermann dargestellt) Begrich 1963: 44.  Vgl. die Wer?-Frage in V.4.26; ‫ פעל‬und ‫ עשׂה‬in V.4.24.29; ‫ עור‬Hi. in V.2 f.25; vgl. dazu auch Berges 2008: 214.218 f.  Vgl. dazu auch zu DtJes insgesamt MacDonald 2009: 48 – 52.  Vgl. Ruppert 1996: 78; Hermisson 2000a: 119 f.

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2 Deuterojesaja

sprachlich noch in Form von Suffixen der 2./3. Pl. in Erscheinung (‫ָפָעְלֶכם‬, V.24; ‫ִאְמ ֵריֶכם‬, V.26; ‫ַמֲע ֵשׂיֶהם‬, V.29). Alles ihnen so Zugeordnete wird aber im selben Moment entwertet: Ihre Worte hört keiner, ihre Taten sind nichts. Auffällig ist, dass den Göttern zugeordnete Personen im Text nicht in Erscheinung treten. Der nach der Feststellung ‫ ֵאין ַמ ְשִׁמי ַע‬pleonastische Ausdruck ‫שֵׁמ ַע ִאְמ ֵריֶכם‬ ֹ ‫ ֵאין־‬in V.26b scheint die Abwesenheit von menschlichen Empfängern sogar noch hervorzuheben. Es gibt keine menschliche (Kult‐)Gemeinschaft, die im Verfahren für die Götter einsteht.¹⁸⁸ Die Polemik richtet sich also nicht gegen die Verehrer dieser Götter, sondern einzig gegen die Götter, die hier von den Menschen und ihrer Geschichte entkoppelt werden. Der konkrete Ankerpunkt des Urteils ist das Versagen der Götter in Bezug auf das Kyros-Geschehen. Trotz der allgemein gehaltenen Schlussfolgerung in V.29 (!‫ ) ֻכּ ָלּם‬ist die Götterpolemik in V.21– 29 also nicht zeitlos. Sie argumentiert anhand einer bestimmten historischen Situation. Man könnte daher annehmen, dass sich die Polemik auch gegen bestimmte historisch greifbare Götter wendet. Der Text enthält aber keine Angaben zu Beschaffenheit und Eigenschaften dieser Götter (auch Bilder werden in der Grundschicht nicht erwähnt!). Wir wissen von ihnen nur, dass sie offenbar einen mit Jhwhs Anspruch konkurrierenden Anspruch auf Geschichtsmächtigkeit erheben. Schon in frühen sumerischen Texten findet sich die Vorstellung, dass historische Ereignisse wie Eroberungen von Göttern beschlossen und verursacht werden.¹⁸⁹ Konkurrierende Ansprüche hinsichtlich der Geschichtsmächtigkeit im Allgemeinen wären also zu allen Zeiten denkbar gewesen. Im Zusammenhang mit dem Bezug auf Kyros könnte aber durchaus eine spezifische Auseinandersetzung im Blick sein.¹⁹⁰ Zum einen könnte die Gerichtsrede auf die Behauptung zielen, Kyros sei von Marduk zur Eroberung Babylons bestimmt gewesen. Dieser Anspruch ist auf dem Kyros-Zylinder belegt, wo nach einer Schilderung der bösen Herrschaft Nabonids beschrieben wird, wie

 Man könnte vermuten, dass die in 41,1.5 einberufenen Völker diese Götter verehren. Falls die Völker in V.21– 29 noch als anwesend gedacht sind, wären sie der versammelten Rechtsgemeinde zuzurechnen und damit in die 1. Pl. (V.22 f.26) eingeschlossen. Das würde bedeuten, dass die Nichtigkeit der Götter und ihres Anspruchs von den versammelten Völkern erkannt werden kann und erkannt wird.  Vgl. dazu Albrektson 1967: 24– 28. Insbesondere verweist Albrektson auf den Text „The Curse of Akkad“ (auch: „The cursing of Aggade“), wo in Z. 149 ff Enlil einen Angriff der Gutäer verursacht (vgl. die Edition und Übersetzung in Cooper 1983: 57 f). Zu babylonischen Vorstellungen von Marduks Geschichtsmächtigkeit vgl. Albani 2003: 177– 179.  Zum im Folgenden dargestellten möglichen babylonischen Hintergrund vgl. Kratz 1991a: 165; Albani 2000: 94– 102 (s. auch Albani 2003). Die Streitigkeiten um den babylonischen Kult unter Nabonid erwähnt bereits Simcox 1937: 169 f als möglichen Hintergrund für den „Götterkampf between Yahweh and the gods of Babylon and Persia“ in DtJes.

2.3 Jes 41,21 – 29

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Marduk Kyros’ Eroberungszug geplant, angeleitet und ermöglicht hat (Z.10 – 17).¹⁹¹ Weitere Quellen wie eine Schmähschrift gegen Nabonid („Strophengedicht“)¹⁹² machen wahrscheinlich, dass die Vorstellung, Kyros sei von Marduk geschickt worden, über den Kyros-Zylinder hinaus verbreitet war. Zum anderen könnte sich die Polemik über das Versagen der Götter auf die falsche Einschätzung der Situation unter Nabonid beziehen. Auf dem EḫulḫulZylinder¹⁹³ wird berichtet, dass Marduk Nabonid die Vernichtung der Meder durch Kyros verheißt (I 24– 29). Kyros wird damit als willkommener Unterstützer gegen die Harran bedrohenden Meder dargestellt. Das Orakel des Marduk ist zwar nicht falsch, erscheint aber im Hinblick auf den späteren Sieg des Kyros über Nabonid doch irreführend.¹⁹⁴ Dass die Verfasser des DtJes sich auf genau dieses Orakel beziehen, ist nicht besonders wahrscheinlich. Es ist aber möglich, dass (nach dem Ende von Nabonids Herrschaft) weitere Berichte über Nabonids Fehleinschätzung des Kyros im Umlauf waren. So wirft auch das Strophengedicht Nabonid vor, seinen Sieg über Kyros behauptet zu haben (V 4’–7’).¹⁹⁵ Angesichts der Kritik an Nabonids Kultverhalten und der Polemik gegen von ihm verehrte Götter(bilder)¹⁹⁶ wäre eine Verbindung dieser Fehleinschätzung mit falschen Orakeln denkbar, ist aber in den Texten nicht belegt. Zu beiden Aspekten – der Lenkung des Kyros durch Marduk und der fehlenden Vorhersehung – könnte der Verfasser von Jes 41,*21– 29 also Anhaltspunkte im babylonischen anti-nabonidischen Diskurs gefunden haben. Bei den „verurteilten“ Göttern könnte es sich also insbesondere um Marduk (und vielleicht auch um den von Nabonid hervorgehobenen Sin) handeln. Zeitlich dürfte die Polemik nach

 Vgl. Z. 12: „suchte gründlich“ (iš-te-ʾe-e-ma), „ergriff“ (it-t-ma-aḫ); Z. 15: „befahl“ (iq-bi); Z. 17 „ließ ihn einziehen“ (ú-še-ri-ba-áš), „füllte“ Nabonid „in seine Hand“ (ú-ma-al-la-a qa-tu-uš-šú); für Text und Übersetzung vgl. Schaudig 2001: 552– 555.  Aktuelle Edition und Übersetzung: Schaudig 2001: 563 – 578.  Aktuelle Edition und Übersetzung: Schaudig 2001: 409 – 440.  Vgl. Albani 2003: 196 f; Kratz 2004: 43 – 46. Die Inschrift lässt zwar Kyros als von Marduk eingesetztes Werkzeug erscheinen. Ob damit eine positive Beurteilung des Kyros einhergehen muss, scheint mir dennoch fraglich, da z. B. auf der Babylon-Stele (Edition und Übersetzung: Schaudig 2001: 514– 529) auch der König der Meder als von Marduk eingesetztes Werkzeug zur Rache an den Assyrern (für die Zerstörung Babylons) dargestellt wird (II 1’–31’), obwohl die Meder auch als Verwüster des Eḫulḫul in Erscheinung treten (X 14’–15’).  Zu diesem als (fiktives) Zitat einer Königsinschrift formulierten Vorwurf bemerkt Schaudig 2001: 576 Anm. 942: „Der Zweck des Zitats wird gewesen sein, den hier vor der Zeit gedemütigten, aber schließlich siegreichen Kyros noch stärker auf die Seite der Mardukpriesterschaft zu ziehen.“  Vgl. I 20’ff. Hintergrund dieser Polemik ist die „falsche“ Darstellung Sins, vgl. Seidl 2000: 98 – 105.

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2 Deuterojesaja

der Machtübernahme durch Kyros anzusiedeln zu sein.¹⁹⁷ Der auf dem KyrosZylinder und im Strophengedicht bezeugte anti-nabonidische Diskurs ist erst nach der Machtübernahme belegt. Dass er in ähnlicher Form bereits unter Nabonid existierte, scheint mir aufgrund der engen Verknüpfung mit persischer Propaganda fraglich.¹⁹⁸ Auch der Wortlaut von V.21– 29 macht wahrscheinlich, dass der Text bereits auf die Machtübernahme durch Kyros zurückblickt. Da die Ankündigung als Beweismittel eingesetzt wird, ist eine Bestätigung der Kyros-Ankündigung durch die Ereignisse vorausgesetzt. Dass das Urteil über die babylonischen Götter auf dieser Grundlage gefällt wird, zeigt, dass die Verfasser für sich ein zuverlässiges Wissen um die Geschehnisse (auch im Verhältnis zu ihrer früheren Ankündigung) in Anspruch nehmen.

2.3.3.2 Zusätze Jes 41,24b.27.29b 2.3.3.2.1 Weisheitliches in Jes 41,24b.27.29b Auch in den Zusätzen lassen sich m. E. keine weisheitlichen Elemente erkennen.

2.3.3.2.2 Götterpolemisches in Jes 41,24b.27.29b Die Zusätze V.24b.29b schließen jeweils direkt an das Verdikt über die Nichtigkeit der Götter und ihres Tuns an. Die in ihnen formulierte Polemik hat aber eine andere Zielrichtung als die der Grundschicht. V.24b bringt die Dimension der potentiellen Verehrer in den Text ein. Die Erwählung der Götter, und damit die menschliche Handlung ihnen gegenüber wird verurteilt. V.24b bedient sich dabei einer Sprache, die sonst in DtJes nicht geläufig ist. Der Begriff ‫ תּוֵֹעָבה‬begegnet besonders häufig in dtn-dtr Texten¹⁹⁹ und bei Ez, und steht dann auch häufig im Zusammenhang mit der Verehrung anderer Götter neben Jhwh. Zu ‫ בחר‬mit menschlichem Subjekt wurde bereits oben ver-

 Allerdings lässt sich aus der Verbindung mit der anti-nabonidischen Überlieferung kein sicherer terminus ante quem gewinnen, da das Fortleben der Polemik gegen Nabonid bis in die hellenistische Zeit belegt ist, vgl. Kratz 2004: 49 mit Hinweis auf die assyrische „Dynastic Prophecy“ (Edition und Übersetzung: Grayson 1975: 24– 37), wo Nabonids böse Herrschaft in II 11– 16 beschrieben wird.Vgl. auch zur Rezeption der Nabonid-Überlieferung im Danielbuch Kratz 1991b: 99 – 111. Kratz 1991a: 170 spricht sich für eine Datierung der dtjes Grundschicht kurz nach 539 aus.  Anders von Soden 1983: 64 (der wegen der Vehemenz der Polemik annimmt, dass das Strophengedicht auf einen noch während der Regierungszeit Nabonids verfassten Text zurückgehe); Albani 2000: 96 (s. auch Albani 2003): 193 f. Vgl. aber Kuhrt 1990: 143 f und Kratz 2004: 48 zum möglichen Sinn einer solchen „nachträglichen“ Polemik.  Dazu mit Angabe der zahlreichen Belegstellen Hoffmann 1980: 359. In der Wendung ‫תּוֵֹעָבה‬ ‫ יהוה‬ist der Begriff 11× in Prov belegt.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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merkt, dass diese Verwendung mehrfach in TritoJes belegt ist. Die Verwendung mit menschlichen Subjekten im religiösen Bereich²⁰⁰ findet sich auch in Dtn 30,19; Jos 24,15.22; Ri 10,14, wo mit ‫ בחר‬eine Wahl zwischen Jhwh und anderen Göttern ausgedrückt wird. Die (sonst nicht belegte) Kombination der beiden Begriffe ‫בחר‬ und ‫ תּוֵֹעָבה‬betont das Verwerfliche und Jhwh-Feindliche dieser Wahl und vermeidet gleichzeitig die Bezeichnung der so Erwählten als „Götter“ (anders als z. B. Jos 24). V.24b formuliert also nicht eine Polemik gegen Götter, sondern gegen Menschen, die sich den „Nichtsen“ und dadurch in der Konsequenz auch Jhwh gegenüber falsch verhalten. Durch den menschlichen Akt des Wählens werden die „Nichtse“ zu Göttern erhoben. V.29b ergänzt die Polemik gegen die Bilder der Götter. Die Bezeichnung der Bilder als ‫ ִנְס ֵכּיֶהם‬²⁰¹ könnte mit dem vorangehenden ‫( ַמֲע ֵשׂיֶהם‬V.29a) zusammenhängen, das vielleicht bereits als Verweis auf ein Götterbild verstanden²⁰² und nun um einen weiteren handwerklichen Begriff ergänzt wurde. Die Nichtigkeit der Götterbilder wird hier aber nicht mit ihrer handwerklichen Herstellung begründet. Sie folgt, ohne eigenständige polemische Argumentation, aus der in V.*21– 29a dargelegten Nichtigkeit der Götter selbst. Sind die Götter nichts, so sind auch ihre Bilder leer.

2.3.3.3 Die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik in Jes 41,21 – 29 Wie wir gesehen haben,verwendet Jes 41,21– 29 weder in der Grundschicht noch in den Zusätzen Elemente eines weisheitlichen Diskurses. Die hier formulierte Götterpolemik weist also keine Verbindung zur Weisheit auf.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes In der Analyse von Jes 40,12– 31 und 41,21– 29 hat sich gezeigt, dass in DtJes unterschiedliche Arten der Götterpolemik vertreten sind. Die wichtigsten Unterschiede möchte ich hier kurz zusammenfassen:

 ‫ בחר‬kann (mit menschlichen Subjekten) auch im profanen Bereich „sorgfältiges, prüfendes Wählen“ (Seebass 1973b: 594) ausdrücken, vgl. z. B. 1 Sam 17,40; Ex 18,25; Jos 8,3. Weitaus am häufigsten ist das Verb aber mit Jhwh als Subjekt belegt.  ‫ ֶנֶסְך‬als Begriff für ein Götterbild ist sonst nur noch in Jes 48,5 und Jer 10,14(//51,17) belegt. Warum hier nicht der häufigere Begriff ‫( ַמ ֵסָּכה‬25× im AT) verwendet wird, ist unklar.  Das Allerweltswort ‫ ַמֲע ֵשׂה‬kommt insgesamt im AT 235× vor. Eindeutig ein Götterbild bezeichnet es in Dtn 4,28; 27,15; 2 Kön 19,18; 2 Chr 32,19; Ps 115,4; 135,15; Jes 2,8; 17,8; 37,19; Jer 1,16; 10,3.9.15(//51,18); Hos 13,2; 14,4; Mi 5,12.

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– – – – – –

2 Deuterojesaja

Die Polemik richtet sich in 40,19 f gegen Bilder und Hersteller, in 41,21– 29 gegen Götter. Thema der Polemik ist in 40,19 f die Bilderherstellung, in 41,21– 29 die Fähigkeit zu Ankündigung und Tat. In 40,19 f steht Jhwh nur implizit als Schöpfer (und Erhalter) im Hintergrund, während er in 41,21– 29 eine aktive Rolle als Richter spielt. 40,19 f verwendet Elemente einer handwerklichen Fachsprache, 41,21– 29 Elemente der Rechtssprache. 40,19 f formuliert sehr allgemein und abstrakt, 41,21– 29 ist auf eine bestimmte historische Situation bezogen. Aus 40,19 f müssen die Leser selbständig den polemischen Schluss ziehen, in 41,21– 29 ist ihnen die Schlussfolgerung vorgegeben.

Die unterschiedlichen Arten der Götterpolemik sind im Fall von Jes 40,18 – 20 und 41,21– 29 auf unterschiedlichen literargeschichtlichen Ebenen anzusiedeln. Für die weiteren götterpolemischen Texte in DtJes stellt sich daher die Frage, ob sie sich dem einen oder anderen Typ der Götterpolemik zuordnen lassen, und ob diese Typen durchgängig mit bestimmten literarischen Schichten zusammenfallen. Schon länger wird vermutet, dass die Herstellungspolemik im Stil von Jes 40,19 f charakteristisch für eine einheitliche götterpolemische Ergänzungsschicht sei. Bereits Duhm bezeichnete 44,9 – 20 und 46,6 – 8 als sekundär und schrieb sie demselben Ergänzer zu.²⁰³ Westermann scheidet zusammen mit diesen beiden Textabschnitten weitere Zusätze aus, die als „Polemik gegen die Herstellung von Götterbildern“ eine redaktionelle Schicht bilden.²⁰⁴ Die These einer Ergänzungsschicht, die die Herstellung von Götterbildern polemisch thematisiert, wurde seither von vielen Exegeten aufgenommen.²⁰⁵ Die Beziehung zwischen den herstellungspolemischen Passagen betrifft dabei nicht nur ihre

 Vgl. Duhm 1968: 352 (aufgrund der nur in Jes 44,9 – 20; 46,6 – 8 vorkommenden Ausdrücke ‫ ֵאל‬+ ‫עשׂה‬, ‫ַעל־ֵלב‬/‫( ֶאל־‬Hi.) ‫שׁוב‬, ‫)סגד‬. Duhm spricht noch nicht von einer „Götzenschicht“, bringt diese Texte aber assoziativ mit anderen bilder- und götterpolemischen Texten in Verbindung: „[Jes 44,9 – 20] gehört so wenig dem Dtjes., wie Jer 10,1– 16 dem Jeremia. […] Der Abschnitt erinnert am meisten an die Bekämpfung der Bilderanbetung im B. Daniel, besonders im griechischen, in Baruch 6 und ähnlichen Produkten der spätesten Zeit“ (Duhm 1968: 333).  Vgl. Westermann 1981b: 27.119 f.  Roth 1975: 22– 24; Merendino 1981: 556; Fohrer 1986: 12; Kratz 1991a: 192– 206; van Oorschot 1993: 312– 318; Hermisson 1998: 137 f; Blenkinsopp 2002: 75 u. a. Über die genaue Abgrenzung der einer solchen „Götzen-Schicht“ (Kratz 1991a: 37) zuzuweisenden Textstellen herrscht keine Einigkeit (vgl. die Übersicht bei Werlitz 1999: 41); von fast allen genannt werden Jes 40,19 f; 41,6 f; 44,9 – 20; 45,20b; 46,5 – 8. Elliger 1978: 422 hält diese Texte zwar für sekundär, aber nicht unbedingt für eine einheitliche Schicht (vgl. auch Schroer 1987: 221).

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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zeitliche Ansetzung. So sieht Berlejung in den bilderpolemischen Passagen eine planvolle, zusammenhängende Widerlegung mesopotamischer Bildertheologie.²⁰⁶ Wie gezeigt wurde (und im Folgenden an weiteren Passagen gezeigt wird), lässt sich aber nicht sämtliche Götterpolemik in DtJes unter den Typ Herstellungspolemik subsumieren. Kratz rechnet hier mit götterpolemischen Fortschreibungen, die nicht zur „Götzen-Schicht“ gehören und auf einer anderen zeitlichen Ebene anzusetzen sind.²⁰⁷ Merendino schreibt die herstellungspolemischen Passagen einer „weisheitlich-theologischen Bearbeitung“ zu.²⁰⁸ Ihren weisheitlichen Charakter begründet er mit der inhaltlichen, formalen und sprachlichen Nähe zu anderen weisheitlich geprägten götterpolemischen Texten (Ps 115; 135; Sap 13 – 15; Jer 10; EpJer). Doch solange sich die Verwandtschaft auf die götterpolemischen, nicht aber die spezifisch weisheitlichen Elemente beschränkt, ist der weisheitliche Charakter der Herstellungspolemik in DtJes nicht erwiesen (zumal sie durchaus älter sein könnte als alle von Merendino genannten Texte). Für jeden der götterpolemischen Texte muss daher geprüft werden, ob sich Beziehungen zu weisheitlichen (nicht nur götterpolemisch-weisheitlichen!) Texten aufzeigen lassen. Es wird in diesem Kapitel also untersucht werden, inwiefern die herstellungsbezogene Polemik als punktuelles Phänomen in der Entwicklung des DtJesBuches erklärt werden kann. Dazu soll neben der inhaltlichen Verwandtschaft auch die literarische Einbettung berücksichtigt werden. Weiter ist zu klären, wie sich unterschiedliche Arten der Götterpolemik zueinander verhalten: Handelt es sich um verschiedene literarische Schichten oder um einzelne Fortschreibungen? Und schließlich: Können die verschiedenen Passagen einem gemeinsamen götterpolemischen Diskurs zugeordnet werden, dessen Entwicklung und Verbindung mit dem weisheitlichen Diskurs anhand der literargeschichtlichen Entwicklung nachvollzogen werden kann? Dazu werde ich Jes 41,6 f; 42,8 f.17; 45,14– 17.20 f; 46,1– 7; 48,3 – 5 durchgehen und neben der literarischen Einordnung jeweils eine kurze Analyse der götterpolemischen und weisheitlichen Elemente vornehmen. Nicht in diesem Kapitel behandelt wird der längere Text Jes 44,9 – 20. Dieser Text weist besondere Bezüge zur Weisheit auf und wird deshalb in einem gesonderten Kapitel im Anschluss ausführlicher untersucht.

 Vgl. Berlejung 1998: 386 f.389.  Vgl. Kratz 1991a: 194.  Merendino 1981: 556 f zählt zu dieser Redaktionsschicht: Jes 40,18 – 20; 41,6 f.24b.29b; 44,14– 18a.19.20bα; 45,20b; 46,6 f.8b; 48,5.6aα.7b.22. Vgl. auch Fohrer 1986: 12, der Jes 40,18 – 20; 41,7; 44,9 – 20; 46,5 – 8 einem „Weisheitslehrer“ zuschreibt; ähnlich Nielsen 1970: 202 f aufgrund der „rein menschlichen Beweisführung“; dagegen Preuss 1971: 203.

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2 Deuterojesaja

2.4.1 Jes 41,6 f ‫( ִאישׁ ֶאת־ ֵרֵעהוּ ַיְעֹזרוּ וְּלָאִחיו י ֹאַמר ֲח ָזק׃‬) Einer hilft a dem anderen und sagt zu seinem Bruder: „Sei stark!“ ‫אֵמר‬ ֹ ‫( ַו ְיַח ֵזּק ָח ָרשׁ ֶאת־ֹצ ֵרף ַמֲחִליק ַפּ ִּטישׁ ֶאת־הוֶֹלם ָפַּעם‬) Ein Handwerker ermutigt/unterstützt einen ‫ ַל ֶדֶּבק טוֹב הוּא ַו ְיַח ְזֵּקהוּ ְבַמְסְמ ִרים ל ֹא יִמּוֹט׃‬Feinschmied, der mit dem Schmiedehammer b glatt schlägt c, den, der mit dem kleinen Hammer d schlägt; er sagt zur Haftung e: „Gut ist sie.“ und macht es fest mit Nägeln, damit es nicht ins Wanken gebracht wird. a

Die Pluralform ist in dieser Formulierung üblich (vgl. z. B. Gen ,b; Ex ,; Jes ,; Jer ,.) und impliziert mehrere Subjekte, die untereinander etwas tun. b Es handelt sich bei ‫ ַפִּּטישׁ‬um den schweren Hammer, wie auch aus Jer , (zerschmettert Felsen) hervorgeht; vgl. Fitzgerald : . c Gemeint ist wahrscheinlich die Herstellung von Metallblech zur Verzierung der Statue, vgl. Schroer :  – .. Zur Technologie vgl. anhand von ägyptischen Figuren Roeder :  –  (§d oder §b). d Die Bedeutung von ‫ ַפַּעם‬ist unsicher. Schon die Versionen scheinen den Begriff nicht zu kennen, vgl. dazu Elliger : . Ausgehend von der gewöhnlichen Bedeutung „Fuß“ wurden vorgeschlagen: a) ein Hammer (Duhm :  u. a.); b) ein Amboss (Schroer :  u. a.); c) ein Podest (Fitzgerald :  u. a.). Der Parallelismus legt nahe, dass ein Hammer gemeint sein könnte, mit Koole : . e So mit Elliger :  f (Haftung des gehämmerten Edelmetall-Überzugs).

2.4.1.1 Kontextbezug und literargeschichtliche Analyse Zunächst fällt auf, dass in V.6 f das hergestellte Objekt gar nicht benannt wird, es ist nur in V.7bβ als Suffix 3. Sg. m. präsent. Die Ähnlichkeit der V.6 f mit Jes 40,19 f (‫ָח ָרשׁ‬, ‫צֹ ֵרף‬, ‫ )ל ֹא יִמּוֹט‬lässt vermuten, dass es ebenfalls um ein Götterbild geht. Manche Exegeten gingen daher soweit, V.6 f nach Jes 40,19 f umzustellen.²⁰⁹ Dafür gibt es zum einen keinen textkritischen Grund. Zum anderen sind V.6 f auf ihren Kontext in Jes 41 bezogen: Alle in V.6 f für die Handlungen der Handwerker verwendeten Verben²¹⁰ finden sich auch im Folgenden (‫ עזר‬in V.10.13; ‫ חזק‬in V.9.13; ‫אמר‬ in V.9.13), und zwar für Handlungen Jhwhs.²¹¹ Diese Korrespondenz ist schwerlich

 S.o. 2.2.2 Anm. 92.  Ausgenommen sind die Partizipien, die die Handwerker bezeichnen.  Die Verbindung mit dem Kontext über die verwendeten Verben wird von vielen Exegeten festgestellt und sehr unterschiedlich bewertet, vgl. z. B. Spykerboer 1976: 66 f (vom gleichen Verfasser wie die Grundschicht); Dick 1999: 21 (für die Einfügung an dieser Stelle bearbeitet); Kratz 1991a: 37 (von einem Ergänzer auf den Kontext hin formuliert). Elliger 1978: 128 Anm. 1 weist darauf hin, dass ‫ עזר‬sonst in DtJes nur mit Jhwh als Subjekt begegnet.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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zufällig. Die ganze götterpolemische Passage basiert auf dem Wortspiel mit ‫ ;חזק‬es scheint mir daher unwahrscheinlich, dass es sich bei V.6 f um ein ursprünglich selbständiges Stück handelt.²¹² Vielmehr dürften V.6 f erläutern, warum sich die Völker fürchten (‫יִי ָראוּ‬, V.5), während Israel/Jakob sich nicht fürchten (‫ַאל־ ִתּי ָרא‬, V.10.13) muss, indem Jhwhs Handlungen an Israel aus V.9 f.13 aufgegriffen werden und in einer Art parodistischer Verkehrung auf die Herstellung eines Götterbildes bezogen werden.²¹³ Die V.6 f scheinen damit genau für diesen Kontext verfasst. Gleichzeitig fallen sie aus ihrem Kontext heraus: Der Übergang von Inseln (V.5) zu Handwerkern (V.7) als Subjekte ist unklar.²¹⁴ Die V.6 f können zwar inhaltlich mit V.5 in Verbindung gebracht werden, indem sie als Verkehrung von V.9 f.13 und damit als Begründung der Furcht der Völker gelesen werden. Sie stehen dann aber in keinem sinnvollen Zusammenhang mit V.1– 4,²¹⁵ so dass V.5 durch die Fortsetzung V.6 f von seinem eigentlichen Anschlusspunkt V.1– 4 entkoppelt wird.V.6 f gehören daher m. E. nicht zur Grundschicht, sondern stellen einen mit Blick auf Jes 40,19 f; 41,5.9 – 13 für diesen Kontext verfassten Zusatz dar.²¹⁶

 Ohne dieses Wortspiel (vgl. dazu Holter 1995: 25 f; Baltzer 1999: 133) sowie ohne das aus dem Kontext Entlehnte bliebe von V.6 f nicht viel übrig; es scheint mir daher nicht sinnvoll, mit Dick 1999: 21 eine kontextbezogene Überarbeitung eines ursprünglich selbständigen Textes (*40,18 – 20 + 41,6 f) anzunehmen. Der Kontextbezug spricht auch gegen die These, es handle sich bei Jes 40,19 f und 41,6 f um „zwei aufeinanderfolgende Strophen des gleichen Gedichtes“ (Elliger 1978: 115), die an unterschiedlichen Stellen in den Text aufgenommen worden seien (Elliger 1978: 66.81.115.130). Schon Mowinckel 1931: 90 Anm. 3 nahm an, es handle sich um Teile eines zwischen die Kolumnen geschriebenen Gedichts, und 40,21; 41,5 seien vom Abschreiber verfasste Überleitungsverse. Einen gemeinsamen Ursprung der Verse vermuten auch Westermann 1981a: 47; van Oorschot 1993: 314; Dick 1999: 21.  Vgl. ähnlich Kratz 1991a: 37 mit Anm. 105 (V.6 f „legen V.5 mit Bezügen zu V.8 ff. aus“).  Zur Leseschwierigkeit vgl. Werlitz 1999: 46 – 48.  Zur Verschiebung gegenüber V.1– 4 vgl. Kratz 1991a: 37. Gegen die von Holter 1995: 117 vorgeschlagene Anbindung der V.6 f als eine Art Antwort auf die (rhetorischen) Fragen V.2.4 spricht m. E., dass V.6 f weder unmittelbar auf eine Frage folgen noch auf diese hin formuliert sind; vgl. skeptisch auch MacDonald 2007: 30.  Mit Kratz 1991a: 37; als mit Jes 40,19 f verbundener Zusatz wird V.6 f auch von Elliger 1978: 115 f; Merendino 1981: 133 f; Westermann 1981a: 47.119; van Oorschot 1993: 314 u. a. ausgeschieden. Dass V.6 f in ihrem Kontext als störend empfunden werden, zeigt sich auch daran, dass manche Exegeten die Verse zwar zur Grundschicht rechnen, aber nach Jes 40,19 f umstellen (s.o. Anm. 92).

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2.4.1.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Jes 41,6 f Weisheitliche Termini begegnen in V.6 f nicht;²¹⁷ das Vokabular ist dem nahen Kontext entlehnt oder bezieht sich auf handwerkliche Tätigkeiten. Auch inhaltlich ergeben sich keine Anknüpfungspunkte zur Weisheit. Allenfalls könnte man vermuten, die Form dieser kurzen, allgemein gehaltenen Schilderung gehe auf weisheitliche Vorbilder zurück.²¹⁸ In Prov 10 – 29 entdeckt Hermisson verschiedene Sprüche in Form von Verbalsätzen, in denen „ein kleiner, in sich geschlossener Vorgang geschildert [wird], der für eine Situation oder eine bestimmte Person in einer besonderen Situation bezeichnend ist“.²¹⁹ Diese Miniaturen sind aber sämtlich deutlich kürzer als V.6 f und sind auch anders als V.6 f klar zweiteilig aufgebaut. Es empfiehlt sich daher nicht, V.6 f einem weisheitlichen Diskurs zuzuordnen.²²⁰ Wie schon bei Jes 40,19 f wäre es auch hier zu kurz gegriffen, den Text als rein technische Beschreibung der Götterbildherstellung zu erklären. Dagegen spricht zunächst, dass in V.6 gar kein Bezug zu handwerklicher Tätigkeit gegeben ist. In V.7a sind die genannten Personen Handwerker. Erst in V.7b wird klar, dass ein handwerklicher Prozess, nämlich die Herstellung eines Objekts (‫)‐הוּ‬, im Gange ist. Die letzten beiden Worte ‫ ל ֹא יִמּוֹט‬schlagen den Bogen zurück zu Jes 40,19 f und legen so nahe, dass es sich bei dem Objekt um ein Götterbild handelt. Weder das Götterbild noch die handwerkliche Tätigkeit zieht sich als roter Faden durch die Polemik V.6 f. Vielmehr sind die Verse zum einen durch die Verwendung der Wurzel ‫חזק‬, zum anderen durch die Beschreibung einer zwischenmenschlichen Interaktion verbunden. Im Vordergrund der Polemik steht nicht der (ungenannte) Bild-Gott, sondern die Menschen, die mit ihm in Beziehung stehen. Das Verhältnis der beteiligten Menschen wird in V.6 durch die Formulierung ‫ ִאישׁ ֶאת־ ֵרֵעהוּ‬und den Begriff ‫ ָאח‬beschrieben: Beide befinden sich auf der gleichen Ebene und stehen im gleichen Verhältnis zueinander.²²¹ Die in V.7 genannten Handwerker (‫ָח ָרשׁ‬//‫צֹ ֵרף‬, ‫ַמֲחִליק ַפּ ִּטישׁ‬//‫ )הוֶֹלם ָפַּעם‬sind wohl entsprechend als gleichrangig zu verstehen. Diese auf derselben Ebene befindlichen Personen  Zwar ist der Begriff ‫ ֵר ַע‬in Prov im Verhältnis zur Buchlänge am häufigsten belegt (31 Belege; insgesamt im AT 191 Belege), wird dort aber nie in einer Wendung im Sinne von ‫ִאישׁ ֶאת־ ֵרֵעהוּ‬ benutzt.  Vgl. Wilson 2009: 161 („a wisdom-like set of observations“), die aber Jes 41,6 f nicht als weisheitlich geprägt ansieht.  Als Beispiele nennt Hermisson 1968: 167 mit Anm. 3 Prov 14,6.18; 16,33; 17,10; 18,23; 19,24 (vgl. 26,15); 20,4.14; 22,13; 26,13.  Auch die Subjektformulierung Ptz. + Objekt (‫ַמֲחִליק ַפִּּטישׁ‬, V.7) ist für eine solche Zuordnung keinesfalls ausreichend, siehe dazu 2.4.3.2.  Beide Formulierungen sind ohne Sinnänderung umkehrbar: A ist der Bruder von B = B ist der Bruder von A.

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unterstützen einander. Die für diese Handlungen verwendeten Verben ‫עזר‬, ‫אמר‬ und ‫ חזק‬entstammen alle dem unmittelbaren Kontext V.9 – 13, wo sie Jhwhs Handeln an Israel/Jakob beschreiben.²²² Hier versuchen also Menschen untereinander das zu leisten, was Jhwh (‫ָא ִני‬, V.10.13) seinem Volk (‫ָך‬-, V.8 – 13)²²³ zuspricht. Dass das schiefgeht, wird nicht gesagt. Auch der folgende V.7b zur Stabilität des hergestellten Objekts ist positiv formuliert: Es hält alles.²²⁴ Dass das mit Hammer und Nagel Fixierte nicht die Art von Sicherheit bieten kann, die Jhwhs Zuwendung verspricht, können sich die Leser dazudenken. Im Kontext liest sich V.6 f als eine Erläuterung zu V.5: Die Inseln müssen sich, anders als Israel, fürchten, denn sie vertrauen auf Menschliches und haben keinen starken Jhwh.²²⁵ Anders als in 40,19 f werden die mit dem Bild-Gott in Beziehung stehenden Menschen den Völkern (Nicht-Israel) zugeordnet.

2.4.2 Jes 42,8 f ‫( ֲא ִני ְיה ָוה הוּא ְשִׁמי וְּכבוֹ ִדי ְלַאֵחר ל ֹא־ֶא ֵתּן‬) Ich bin Jhwh, dies ist mein Name, und meine Ehre gebe ‫ וְּתִה ָלִּתי ַל ְפִּסיִלים׃‬ich nicht einem anderen, noch meinen Ruhm den Götterbildern. ‫שׁנוֹת ִה ֵנּה־ָבאוּ ַוֲח ָדשׁוֹת ֲא ִני ַמ ִגּיד ְבֶּט ֶרם‬ ֹ ‫( ָה ִרא‬) Die früheren Dinge, siehe, sie sind gekommen, und neue ‫ ִתְּצַמְח ָנה ַא ְשִׁמיע ֶאְתֶכם׃‬kündige ich an. Bevor sie sprossen, lasse ich (sie) euch hören.

2.4.2.1 Kontextbezug und literargeschichtliche Analyse Die V.8 f stehen zwischen der eine 2. Sg. ansprechenden Rede V.5 – 7 und der Lobaufforderung V.10 – 12. Die Begriffe ‫ ָכּבוֹד‬und ‫( ְתִּה ָלּה‬V.8) verweisen nach vorne auf die V.10 – 12, die Ankündigung der früheren Dinge (‫שׁנוֹת‬ ֹ ‫ָה ִרא‬, ‫ נגד‬Hi. und ‫שׁמע‬

 Vgl. mit einer ähnlichen Interpretation auch Berlejung 1998: 378; MacDonald 2007: 30. Die terminologischen Übereinstimmungen wurden schon von vielen festgestellt,vgl. z. B. Spykerboer 1976: 66; Holter 1995: 102– 104; Dick 1999: 21.  Die Beziehung zwischen dem ansprechenden Ich und dem angesprochenen Du ist anders als die Beziehung zwischen den Personen in V.6 f weder gleichgeordnet noch umkehrbar (vgl. V.6: ‫ ;וְּלָאִחיו י ֹאַמר ֲח ָזק‬V. 9: ‫אַמר ְלָך ַעְב ִדּי־אַ ָתּה‬ ֹ ). Jhwhs Machtüberschuss scheint hier als segensreich für den Menschen gedacht zu sein (vgl. schon Jes 40,12– 31), während die Menschen unter sich einander nicht helfen können.  Vielleicht ist hier an Gen 1 zu denken, wo Gott ebenfalls das getane Werk für „gut“ (‫)טוֹב‬ befindet, vgl. Baltzer 1999: 133.  Ähnlich Merendino 1981: 135, der die Polemik aber auf eine konkrete historische Situation, nämlich den Eroberungszug des Kyros, bezogen sieht.

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Hi., V.9) zurück auf die Gerichtsrede Jes 41,21– 29. Diese Verbindung zwischen der Gerichtsrede und dem Gotteslob ist aber wohl nicht der Grundschicht zuzuordnen. Dagegen sprechen die Verwendung der 2. Pl. (V.9), die nicht an 41,21– 29 anschließen kann,²²⁶ aber auch die unterschiedlichen Begriffsverwendungen. So begegnet die explizite Betonung des Jhwh-Namens in der Grundschicht nicht;²²⁷ ‫ ֵשׁם‬wird immer zusammen mit ‫ קרא‬verwendet.²²⁸ Auch ‫ ְתִּה ָלּה‬wird nach 42,10.12; 43,21 von Jhwh nicht gegeben, sondern erhalten.²²⁹ Die hier verwendete Begrifflichkeit begegnet wieder in Jes 48,9 – 11 (‫ ְשִׁמי‬, ‫ ְתִּה ָלִּתי‬, ‫) ְכּבוֹ ִדי‬, wobei Jes 48,11b wörtlich mit Jes 42,8bα übereinstimmt. Da es sich bei Jes 48,1– 11 um einen sekundären, aus Versatzstücken zusammengestellten Text handelt (s.u. 2.4.7.1), ist wahrscheinlich, dass entweder Jes 48 bereits auf Jes 42,8 f zurückgreift, oder aber, dass beide Texte zur gleichen Überarbeitungsschicht gehören.²³⁰

2.4.2.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Jes 42,8 f Jes 42,8 f entnehmen Vokabular und Formulierungen aus ihrem dtjes Kontext. Eine Anlehnung an weisheitliche Konzepte ist nicht festzustellen. Wie in Jes 41,21– 29 geht es um eine Konkurrenzsituation zwischen Jhwh und den Göttern, die sich speziell auf die Fähigkeit des Ankündigens bezieht. Gegenüber Jes 41,21– 29 fällt auf, dass die Götter hier als ‫ ְפִּסיִלים‬bezeichnet werden. Jhwhs Antagonisten (‫ַאֵחר‬//‫ ) ְפִּסיִלים‬sind demnach die Bilder, oder wahrscheinlicher die metonymisch so bezeichneten Götter. Die beiden Parallelbegriffe erinnern an den Dekalog. Problematisiert wird in V.8 f nicht direkt der konkurrierende Anspruch dieser Bilder-Götter, sondern die Möglichkeit, dass diese zu Unrecht Jhwhs Ruhm (vgl. auch im Hinblick auf die Fortsetzung V.10 – 12) einfahren könnten. Statt „Die Götter sind Nichts!“ heißt es nun „Mir allein gebührt Ruhm!“ Das impliziert eine Ansprache an die Verehrer – und zwar hier: die Jhwh-Verehrer–, die in V.9 (2. Pl.) sichtbar und schließlich in Jes 48,5 explizit gemacht wird. Sowohl die An-

 Sonst wären die Götter angesprochen, mit Dion 1970: 21; Kratz 1991a: 128 gegen Duhm 1968: 315; Merendino 1981: 249 f.  Auch die Formulierung ‫ יהוה ְצָבאוֹת ְשׁמוֹ‬begegnet nur in den sekundären Versen 48,2; 51,15, vgl. Merendino 1981: 246 f.  Subjekt ist Jhwh: Jes 40,26; 41,25(?); 43,1(.7 Ni.); 45,3 f; von den übrigen Belegen beziehen sich 44,5; 48,19 nicht auf den Gottesnamen; 48,1.2.9 sind sekundär (mit Kratz 1991a: 114– 117 und s. im Folgenden).  Darauf weist Merendino 1981: 247 hin.  Für letzteres spricht, dass Jes 48,1– 11 und Jes 42,8 f inhaltlich auf der gleichen Ebene liegen (dazu Kratz 1991a: 129 f, der beide Texte derselben Ergänzungsschicht – „Ebed-Israel-Schicht“, vgl. Kratz 1991a: 206 – 216 – zuschreibt). In beiden Texten ist Jhwhs Ankündigung ein Zeichen an sein Volk (2. Pl./Sg.), das so von der Verehrung anderer Götter abgehalten werden soll.

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sprache an die Verehrer als auch der Bezug auf den Dekalog unterscheiden V.8 f von der Götterpolemik in 40,19 f und 41,6 f. 42,8 f weist eine größere Nähe zum dtndtr Fremdgötterdiskurs auf. Im Hintergrund steht nicht der Nutzen für den Menschen, sondern eine potentielle Konkurrenzsituation zwischen Jhwh und anderen Göttern, in der die Loyalität der Verehrer gefordert ist. Inwiefern sich hier möglicherweise unterschiedliche götterpolemische Diskursstränge abzeichnen, oder ob vielmehr eine Entwicklung des götterpolemischen Diskurses hin zur Verbindung mit dem dtn-dtr Fremdgötterdiskurs vorliegt, ist im weiteren Verlauf zu untersuchen.

2.4.3 Jes 42,17 ‫בְּטִחים ַבּ ָפֶּסל‬ ֹ ‫ב ֶשׁת ַה‬ ֹ ‫בשׁוּ‬ ֹ ‫( ָנסֹגוּ ָאחוֹר ֵי‬) Sie a sind zurückgewichen, sie werden völlig b zuschan‫אְמ ִרים ְלַמ ֵסָּכה ַא ֶתּם ֱאל ֵֹהינוּ׃‬ ֹ ‫ ָה‬den, die auf das Götterbild vertrauen, die sagen zum Gussbild: Ihr c seid unsere Götter! a

Die LXX liest hier ein betontes Subjekt (αὐτοὶ δέ). Duhm :  hält daher am Ende von V. ‫( ֵהם ֶאֱעֹזב‬statt ‫ )ֲע ִשׂיִתם‬für den ursprünglichen Text; dagegen ist aber einzuwenden, dass LXX auch die in V.b vorangehende Perfektform ‫ ֲע ִשׂיִתם‬als Futur übersetzt. Eher scheint es sich um einen Versuch der LXX zu handeln, mit dem abrupten Subjektwechsel umzugehen. b Die Wendung ‫ב ֶשׁת‬ ֹ ‫ בושׁ‬begegnet im AT nur hier; die figura etymologica ist wohl als Verstärkung zu verstehen (mit Merendino :  und Elliger : , der eine Textkorrektur zu Recht als unbegründet zurückweist). c Die pluralische Anrede könnte ‫( ֶפֶּסל וַּמ ֵסָּכה‬vgl. Dtn ,; Ri ,.; ,; Nah ,) meinen (so Elliger : ).

2.4.3.1 Kontextbezug und literargeschichtliche Analyse Jes 42,17 folgt auf eine Jhwh-Rede, in der Jhwh sein heilsames Eingreifen ankündigt. In Jes 42,18 setzt mit den Imperativen ‫ ַהֵח ְר ִשׁים‬und ‫ ַה ִבּיטוּ‬ein neuer Abschnitt ein, der über das Stichwort ‫ ִע ֵוּר‬an V.16 anknüpft.V.17 steht also merkwürdig zwischen zwei Jhwh-Reden, mit denen er weder syntaktisch noch semantisch in Verbindung steht, und deren Zusammenhang (Thema „Blindheit“) er unterbricht.²³¹ Ich vermute daher, dass es sich um eine sekundär zwischen die Reden eingefügte Bemerkung handelt.²³² Die 3. Pl. Perfekt nach einer Rede erinnert an

 Zur isolierten Stellung von V.17 vgl. auch Werlitz 1999: 231, der den Vers daher für sekundär hält.  Mit z.T. unterschiedlichen Begründungen halten auch Elliger 1978: 266 f; Westermann 1981a: 89; Merendino 1981: 266 f; Kratz 1991a: 196 (Anm. 639).206; van Oorschot 1993: 312; Hermisson 1998: 138 mit Anm. 23; Blenkinsopp 2002: 214 Jes 42,17 für sekundär.

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41,5 und könnte ebenfalls als Beschreibung einer Reaktion auf Jhwhs Rede gedacht sein. Durch V.17 wird das in V.16 offen formulierte Heil eingeschränkt: Götterverehrer haben nichts Gutes zu erwarten.Vielleicht soll V.17 so den abrupten Tonwechsel zwischen den beiden Reden erklären und verdeutlichen, dass die ab V.18 angesprochenen Tauben und Blinden diejenigen sind, die statt auf Jhwhs heilvolles Tun (‫עשׂה‬, V.16, in der Grundschicht immer mit Jhwh als Subjekt) auf die Götter vertrauen. Wie in Jes 48,5²³³ sprechen Verehrer in direkter Rede dem Götterbild (‫ ) ֶפֶּסל‬ihr Vertrauen aus. Im Anschluss wird jeweils das (Nicht‐)Hören thematisiert (‫שׁמע‬, 42,18.20.23; 48,6 – 8; ‫א ֶזן‬ ֹ , 42,20; 48,8; ‫אזן‬, 42,23). Auch hier ist daher wieder (s.o. 2.4.2.1 ;2.3.2) zu überlegen, ob V.17 Jes 48 bereits vorlag, oder auf derselben Ebene liegt.

2.4.3.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Jes 42,17 Zwar verweisen die Bezeichnungen der Götterbilder (‫פסל > ֶפֶּסל‬, „behauen“; ‫> ַמ ֵסָּכה‬ ‫נסְך‬, „gießen“) auf ihre handwerkliche Herstellung, aber es geht in V.17 nicht um den Herstellungsprozess. Problematisiert wird vielmehr das Verhältnis von Menschen zu diesen Bildern: Wer auf sie vertraut, sie als seine Götter anspricht, wird zuschanden. Mit Blick auf V.18 ff könnte man vermuten, dass bei diesen Menschen (auch) an Israeliten gedacht ist. Explizit macht der Text aber keine näheren Angaben über die Anhänger der Götterbilder. Das Subjekt verschwindet hinter seiner Handlung:²³⁴ Wer auch immer solches tut, wird/soll zuschanden werden. Das Subjekt in Form eines Ptz. mit (indirektem) Objekt begegnet auch häufig in Prov,²³⁵ aber ebenso in der Rechtssprache²³⁶ und kann nicht als spezifisch weisheitlich gelten. Die nächsten Parallelen zu Jes 42,17 finden sich nicht in der Weisheitsliteratur, sondern in den Psalmen. Die Formulierung mit ‫בושׁ‬, ‫סוג ָאחוֹר‬ und Ptz. Pl. (mit Objekt) als Subjekt erinnert an Ps 35,4; 40,15; 70,3; 129,5,²³⁷ wo sie zusammen mit weiteren Fluchworten verwendet wird.

 Auf die Ähnlichkeit in Formulierung und Kontext weist Kratz 1991a: 129 Anm. 495 hin.  Vgl. zur Subjektformulierung Ptz. + Objekt Hermisson 1968: 163 (dort mit Bezug auf Prov): „Die Form ermöglicht einmal, ein Verhalten oder Tun und eine damit charakterisierte Person in einem Ausdruck zusammenzufassen. Zugleich aber ermöglicht sie die notwendige Allgemeingültigkeit des Spruches, da nicht eine konkrete Person, sondern irgendeine beliebige Person, für die diese Charakteristik zutreffen könnte, bezichnet wird.“  Dazu Hermisson 1968: 163; vgl. z. B. Prov 10,9.17; 11,12.27.28; 12,11; 13,20 u. ö. Seltener wird ein Ptz. Pl. verwendet, vgl. Prov 12,20; 14,22; 28,4.  Vgl. Ex 21,12.15 – 17; 22,18 f; alle Sg.  Darauf verweisen Elliger 1978: 265; Merendino 1981: 265 f.

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2.4.4 Jes 45,14 – 17 ‫( ֹכּה ָאַמר ְיה ָוה ְי ִגי ַע ִמְצ ַריִם וְּסַחר־כּוּשׁ וְּסָבִאים ַא ְנ ֵשׁי ִמ ָדּה‬) So hat Jhwh gesprochen: der Erwerb ‫ברוּ ְוֵאַליְִך‬ ֹ ‫ברוּ ְוָלְך יְִהיוּ ַאֲח ַריְִך ֵיֵלכוּ ַבּ ִזּ ִקּים ַיֲע‬ ֹ ‫ ָעַליְִך ַיֲע‬Ägyptens und der Gewinn Kuschs und die Leute ְ ְ ְ ‫ יִ ְשׁ ַתֲּחוּוּ ֵאַליִך יְִת ַפּ ָלּלוּ ַאך ָבּך ֵאל ְוֵאין עוֹד ֶאֶפס ֱאל ִֹהים׃‬von Seba, großgewachsene Menschen, werden an dir (f.) vorüberziehen und dir (f.) gehören. Hinter dir (f.) werden sie gehen und in Fesseln vorüberziehen und sie werden sich vor dir (f.) verneigen und zu dir (f.) beten: Ja, in dir (f.) ist Gott, und es gibt keinen anderen, keinen Gott! ‫( ָאֵכן ַא ָתּה ֵאל ִמְס ַתּ ֵתּר ֱאל ֵֹהי יִ ְשׂ ָרֵאל מוֹ ִשׁיַע׃‬) Wahrlich, du (m.) bist ein Gott, der sich verborgen hält, Gott Israels, Retter. ‫( בּוֹשׁוּ ְו ַגם־ ִנְכְלמוּ ֻכּ ָלּם ַיְח ָדּו ָהְלכוּ ַב ְכִּל ָמּה ָח ָר ֵשׁי ִצי ִרים׃‬) Sie sind beschämt und zuschanden zugleich alle, zusammen gehen sie in Schande, die Hersteller von Bildern a. ‫בשׁוּ ְול ֹא־ִת ָכְּלמוּ‬ ֹ ‫( יִ ְשׂ ָרֵאל נוֹ ַשׁע ַבּיה ָוה ְתּשׁוַּעת עוָֹלִמים ל ֹא־ֵת‬) Israel ist gerettet durch Jhwh, immerwäh‫ ַעד־עוְֹלֵמי ַעד׃‬rende Hilfe, ihr werdet nicht beschämt und nicht zuschanden werden für alle Zeit. a

Das Wort ‫ ִציר‬ist im AT nur hier mit der Bedeutung „Bild“ (‫ ִציר‬IV von ‫יצר‬, vgl. syr. ṣīrā = „Bild“) belegt, dazu Schroer 1987: 321.

2.4.4.1 Kontextbezug und literargeschichtliche Analyse In V.14 beginnt mit ‫ ֹכּה ָאַמר יהוה‬eine Jhwh-Rede, die in sich eine zitierte direkte Rede der Völker (eingeleitet durch ‫ )ֵאַליְִך יְִת ַפּ ָלּלוּ‬einschließt. Jhwhs Rede richtet sich an eine 2. Sg. f., womit wahrscheinlich die Stadt Zion/Jerusalem gemeint ist.²³⁸ Auch die Rede der Völker richtet sich an die Stadt (oder an Israel als Gebiet?), in der (‫) ָבְּך‬ der einzige Gott zu finden ist. In V.15 ändert sich die Sprechrichtung: Angesprochen ist nun Jhwh selber (‫)ַא ָתּה‬. Durch diesen Wechsel und die erneute Einleitung mit einer emphatischen Partikel erscheint V.15 nicht als Fortsetzung des VölkerZitats, sondern als eine Art Kommentar zum Bekenntnis der Völker.²³⁹ V.16 f formulieren das gegensätzliche Ergehen von Bilderherstellern und Israel. Durch die betonte Fokussierung von Jhwhs Heil auf Israel in V.15b.17aα (inclusio um V.16!) erscheinen die Bilderhersteller als Nicht-Israel und lassen sich im Kontext mit den in V.14 genannten Völkern in Verbindung bringen. Den Text durchzieht damit eine merkwürdige Spannung zwischen Bekehrung/Inklusion und Beschämung/Ex-

 Mit Hermisson 2003a: 33.  Vgl. zum Anrede- und damit verbundenen Sprecherwechsel auch Volz 1932: 68; Hermisson 2003a: 32 u. a., die daher V.15 als „Reaktion des Propheten“ (Hermisson) deuten. Anders Baltzer 1999: 308 – 315, der die Zäsur zwischen V.15a und V.15b setzt.

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klusion der Völker. Deutlich ist die Bruchkante zwischen V.14 und V.15.²⁴⁰ Es dürfte sich bei V.15 – 17 um einen Zusatz handeln, der die Öffnung für die Völker korrigierend einschränkt.²⁴¹

2.4.4.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Jes 45,15 – 17 Über die Hersteller von (Götter‐)Bildern – hier mit dem singulären Begriff ‫ָח ָר ֵשׁי‬ ‫ ִצי ִרים‬bezeichnet²⁴² – sagt V.16 explizit nur, dass sie allesamt beschämt/zuschanden (‫בושׁ‬//‫ )כלם‬werden. Die Negierung einer solchen Beschämung für Israel (V.17) zeigt, dass das Ergehen der Bilderhersteller im Kontrast zum Ergehen Israels gelesen werden soll. Jhwh, Rettung (‫)ישׁע‬, Israel erscheinen durch die Wiederholung in zwei unterschiedlichen Kombinationen (V.15b.17aα) eng verbunden, und unterstreichen in der Position um V.16 die kontrastierende Abgrenzung zum Schicksal der Bilderhersteller.²⁴³ Auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension sind Israel und Bilderhersteller als Kontrastpaar konstruiert: Die Verbformen im Perfekt lassen vermuten, dass die Beschämung der Bilderhersteller bereits erfolgt ist; Israels Rettung (‫ ) ְתּשׁוַּעת עוָֹלִמים‬und Nicht-Beschämung hingegen gilt für alle Zeit (‫)ַעד־עוְֹלֵמי ַעד‬. Von einem Vorwurf an Israel (wie in 42,8.17 impliziert) ist dieser Text also weit entfernt. Bilderhersteller sind die anderen, und als Bilderhersteller werden sie beschämt, ohne dass für diesen Zusammenhang eine Begründung erforderlich wäre. Hier bahnt sich eine Verwendung götterpolemischer Elemente zur Stigmatisierung der Völker an (vgl. auch im Folgenden 45,20b). V.15 – 17 greifen nicht auf weisheitliche Sprache und Konzepte zurück.²⁴⁴

 So auch Westermann 1981a: 138. Auch innerhalb von V.14 überlagern sich die beiden Tendenzen (Völkerwallfahrt – Völkerunterwerfung), was sich im Endtext in der seltsamen Zuordnung von Subjekten und Verben äußert (vgl. Hermisson 2003a: 36).  Mit Kratz 1991a: 100. Anders Merendino 1981: 435 f; Westermann 1981a: 139; Blenkinsopp 2002: 257; Hermisson 2003a: 37, die nur V.16 f abtrennen.  Bonnard 1972: 176 f vermutet ein Wortspiel mit ‫( ִמְצ ַריִם‬vgl. V.14). Das würde meine Deutung unterstützen, dass die Bilderhersteller zu den Völkern gehören und im Kontrast zu Israel zu verstehen sind.  Da die Rettung für Israel (V.15.17) damit eine Rettung nur für Israel meint, ist ‫ֵאל ִמְס ַתּ ֵתּר‬ möglicherweise als Hinweis auf Jhwhs Verborgenheit vor den Völkern zu verstehen (ähnlich Duhm 1968: 346, der daher V.15 der Rede der Völker zuweist).  Zwar ist nach Hi 28,21 die Weisheit verborgen (‫ סתר‬Ni.), was Gottes Sich-Verbergen in Jes 45,15 dem Sinn nach näher kommen könnte als die häufigere Verborgenheit Gottes in seinem Zorn (vgl. z. B. Dtn 31,18; Ps 10,11; Hi 13,24; Jes 8,17). Doch in Jes 45,15 – 17 spielt das unterschiedliche Verhältnis zu Israel und zu den Bilderherstellern eine Rolle, es geht nicht um eine generelle Entzogenheit Gottes (s.o. Anm. 243).

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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2.4.5 Jes 45,20 f ‫באוּ ִהְת ַנ ְגּשׁוּ ַיְח ָדּו ְפִּליֵטי ַהגּוֹיִם ל ֹא ָי ְדעוּ ַה ֹנּ ְשִׂאים‬ ֹ ‫( ִה ָקְּבצוּ ָו‬) Versammelt euch und kommt, tretet zu‫ ֶאת־ֵעץ ִפְּסָלם וִּמְת ַפְּלִלים ֶאל־ֵאל ל ֹא יוֹ ִשׁיַע׃‬sammen heran, Entronnene der Völker! Sie haben keine Erkenntnis, die, die tragen das Holz ihrer Götterbilder, und die beten zu einem Gott, (der) nicht rettet. ‫( ַה ִגּידוּ ְוַה ִגּישׁוּ ַאף יִ ָוֲּעצוּ ַיְח ָדּו ִמי ִה ְשִׁמי ַע ֹזאת ִמ ֶקּ ֶדם ֵמָאז‬) Kündigt an und bringt vor, ja, sie sollen ‫ ִה ִגּי ָדּה ֲהלוֹא ֲא ִני ְיה ָוה ְוֵאין־עוֹד ֱאל ִֹהים ִמ ַבְּלָע ַדי ֵאל־ַצ ִדּיק‬miteinander beraten: Wer hat dies hören lassen ‫ וּמוֹ ִשׁי ַע ַאיִן זוָּלִתי׃‬von früher her? Hat es früher angekündigt? Ist es nicht so: Ich bin Jhwh und es gibt keinen Gott außer mir? Einen gerechten Gott und Retter gibt es nicht außer mir.

2.4.5.1 Kontextbezug und literargeschichtliche Analyse Jes 45,20 f leiten eine Gerichtsrede ein,²⁴⁵ in der es wie in Jes 41,21 ff; 43,9 ff; 44,6 ff um die Frage der Verkündigung geht. Der Auftakt mit Einberufung, strittiger Frage und Aufforderung zur Beweiserbringung²⁴⁶ entspricht auch terminologisch weitgehend den übrigen dtjes Gerichtsreden (‫ קבץ‬Ni., Jes 43,9; ‫נגשׁ‬, Jes 41,1.21 f; ‫ נגד‬Hi., Jes 41,22 f.26; 43,9; 44,7). V.20b unterbricht die Reihe der Imperative V.20a.21aα²⁴⁷ und passt weder formal noch inhaltlich in die Einleitung der Gerichtsrede. Es dürfte sich daher um eine Glosse handeln,²⁴⁸ die die Anrede an die Völker kommentiert.²⁴⁹

2.4.5.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Jes 45,20b Die Polemik in 45,20b richtet sich in erster Linie gegen die Verehrer; die Untauglichkeit des Götterbildes wird nur zur Hervorhebung der Erkenntnislosigkeit derer, die zu ihm beten, angesprochen. Wie in 42,17 ist von den Verehrern nur in Form von Partizipien die Rede, was an weisheitliche Sprache erinnert, aber nicht auf diese beschränkt ist (s.o. 2.4.3.2 zu 42,17). Da V.20b die Anrede an die Völker

 Mit Schoors 1973: 234; Westermann 1981a: 142; Fohrer 1986: 95 u. a.  Zu den typischen Elementen der Einleitung von Appellationsreden vgl. auch Begrich 1963: 33 – 35; Boecker 1970: 68 – 70.  Hermisson 2003a: 56 f.  Mit Merendino 1981: 447; Westermann 1981a: 142; Fohrer 1986: 94 f mit Anm. 85; Kratz 1991a: 60; anders Duhm 1968: 348; Schoors 1973: 235 u. a.  Anders Westermann 1981a: 142, der V.20b als Randglosse zu Jes 46,1 f betrachtet. Wenn die Vermutung zutrifft, dass 45,20a.21 und 46,1 f einmal näher zusammen standen (s.u.), könnte 45,20b aber durchaus als Glosse zu 45,20a.21 mit Blick auf 46,1 f verfasst worden sein.

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kommentiert, sind die Verehrer der Bilder-Götter den Völkern zugeordnet. Wie in den vorangehenden götterpolemischen Texten werden darüber hinaus keine spezifischen Angaben zu Göttern und Verehrern gemacht, die eine soziohistorische Einordnung ermöglichen würden.²⁵⁰ Die Unfähigkeiten von Verehrer und Gott bilden einen Rahmen um die Handlungen der Verehrer und stehen so in einem Entsprechungsverhältnis zueinander. Dieses Entsprechungsverhältnis liegt auch anderen götterpolemischen Texten zugrunde (s.u. 3.3.2.1 zu Ps 115,8//135,18). Die Begriffe ‫ ֶפֶּסל‬und ‫ ֵאל‬werden parallel verwendet; die nicht rettenden Götter, zu denen die Völker beten, werden so dem hölzernen Götterbild gleichgesetzt (= Bild-Gott). Dem Bild-Gott wird hier erstmals die Fähigkeit zu retten (‫ )ישׁע‬explizit abgesprochen (vgl. 46,7). Die Fähigkeit zu retten begegnet in Jes 43,11 f; 45,21 als Alleinstellungsmerkmal Jhwhs. In 43,3; 45,15.17 ist Jhwhs Rettung exklusiv auf Israel bezogen, während 45,22 mit einer Rettung durch Jhwh für alle Völker rechnet. Dass die Bildergötter der Völker im Gegensatz zu Jhwh unfähig sind, ihre Verehrer zu retten, ist daher ein im Kontext naheliegender Gedanke.²⁵¹ Die Erkenntnislosigkeit der Verehrer lässt sich innerhalb von 45,20 f sowohl auf die mangelnde Erkenntnis der Unfähigkeit ihrer Bilder-Götter als auch auf die mangelnde Erkenntnis des eigentlich rettungsmächtigen Gottes beziehen. Theologische Inhalte über Jhwh als rettenden Gott fügt die Ergänzung V.20b allerdings nicht hinzu, es wird keine Überzeugungsarbeit geleistet und keine Argumente formuliert. Die Untauglichkeit der Bilder-Götter ist vielmehr vorausgesetzt und wird hier zur Hervorhebung der Erkenntnislosigkeit der Verehrer benannt. V.20b dient nicht der Ermahnung, sondern der Stigmatisierung der „Entronnenen der Völker“ als erkenntnislose Verehrer von Bilder-Göttern. Zusammen mit der Erwähnung von Holz als Material des Götterbildes und der parallelen Verwendung von ‫ ֶפֶּסל‬und ‫ ֵאל‬begegnet die Erkenntnislosigkeit der Verehrer noch in Jes 44,14– 18 – nun aber in deutlich weisheitlich geprägter Formulierung. Die Erkenntnislosigkeit der Götterverehrer wird sich im weiteren Verlauf der Untersuchung als zentrales Thema der weisheitlich geprägten Götterpolemik erweisen (s.u. 5.4).

 Prozessionen, bei denen Götterbilder herumgetragen werden, sind über Babylonien hinaus weit verbreitet; vgl. z. B. zu Ägypten Lorton 1999: 126.141.144 f; Robins 2005: 4– 6.9 f.  Dass nur Jhwh rettet, ist dabei nicht allein im Gegensatz zu anderen Gottheiten gemeint, vgl. Jes 47,13.15.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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2.4.6 Jes 46,1 – 7 ‫אֵתיֶכם‬ ֹ ‫( ָכּ ַרע ֵבּל קֹ ֵרס ְנבוֹ ָהיוּ ֲעַצ ֵבּיֶהם ַלַח ָיּה ְוַל ְבֵּהָמה ְנ ֻשׂ‬) Bel ist zusammengebrochen, Nebo krümmt a ‫ ֲעמוּסוֹת ַמ ָשּׂא ַלֲע ֵיָפה׃‬sich, ihre Götterbilder werden den Tieren und dem Vieh zuteil b. Eure Getragenen (sind) Aufgeladene c, eine Last dem müden (Vieh?). ‫( ָק ְרסוּ ָכ ְרעוּ ַיְח ָדּו ל ֹא ָיְכלוּ ַמ ֵלּט ַמ ָשּׂא ְו ַנְפ ָשׁם ַבּ ְשִּׁבי ָהָלָכה׃‬) Sie haben sich gekrümmt und sind zusammengebrochen in einem, sie können nicht retten die Last und sie d sind in Gefangenschaft gegangen. ‫( ִשְׁמעוּ ֵאַלי ֵבּית ַיֲעקֹב ְוָכל־ ְשֵׁא ִרית ֵבּית יִ ְשׂ ָרֵאל ַהֲעֻמִסים‬) Hört mir zu, Haus Jakob und der ganze Rest des ‫ ִמ ִנּי־ֶבֶטן ַה ְנּ ֻשִׂאים ִמ ִנּי־ ָרַחם׃‬Hauses Israel, die ihr aufgeladen seid vom Mutterleib an und getragen vom Mutterschoß an: ‫בּל ֲא ִני ָע ִשׂיִתי ַוֲא ִני‬ ֹ ‫( ְוַעד־ ִזְק ָנה ֲא ִני הוּא ְוַעד־ֵשיָבה ֲא ִני ֶאְס‬) Auch bis zum Alter bin ich es, und bis zum ‫בּל ַוֲאַמ ֵלּט׃‬ ֹ ‫ ֶא ָשּׂא ַוֲא ִני ֶאְס‬hohen Alter werde ich tragen. Ich habe gemacht und ich werde heben und ich werde tragen und retten. ‫( ְלִמי ְת ַדְמיוּ ִני ְוַת ְשׁווּ ְוַתְמ ִשׁלוּ ִני ְו ִנ ְדֶמה׃‬) Mit wem wollt ihr mich vergleichen und gleichstellen und mich vergleichen, dass wir uns gleich seien? ‫( ַה ָזִּלים ָזָהב ִמ ִכּיס ְוֶכֶסף ַבּ ָקּ ֶנה יִ ְשׁקֹלוּ יִ ְשׂ ְכּרוּ צוֹ ֵרף ְו ַיֲע ֵשׂהוּ‬) Die Gold aus dem Beutel schütten und Silber ‫ ֵאל יְִס ְגּדוּ ַאף־יִ ְשׁ ַתֲּחוּוּ׃‬mit der Waage abwägen, sie dingen einen Feinschmied, dass er einen Gott daraus mache. Sie beugen sich, verneigen sich sogar. ‫( יִ ָשֻּׂאהוּ ַעל־ ָכֵּתף יְִס ְבֻּלהוּ ְו ַי ִנּיֻחהוּ ַתְח ָתּיו ְו ַיֲעמֹד ִמ ְמּקוֹמוֹ‬) Sie heben ihn auf die Schulter, tragen ihn und ‫ ל ֹא ָיִמישׁ ַאף־יְִצַעק ֵאָליו ְול ֹא ַיֲע ֶנה ִמ ָצּ ָרתוֹ ל ֹא יוֹ ִשׁיֶענּוּ׃‬stellen ihn an seinen Platz und er steht da, von seinem Ort bewegt er sich nicht weg. Auch schreit man zu ihm, und er antwortet nicht, aus seiner Not rettet er einen nicht. a

Klostermann : ; Duhm :  u. a. nehmen auch hier Perfekt an; Torrey :  punktiert zweimal Partizip. Dagegen spricht sich Hermisson a:  für die Beibehaltung des schwierigeren MT aus („das Partizip zeigt die Gleichzeitigkeit und den engen Zusammenhang mit dem ersten Satz an“; vgl. Gesenius [= ]: §o). b Mit Jenni :  (Nr. ). c Die Versionen bekunden Schwierigkeiten, vgl. dazu Hermisson a:  f, der auch verschiedene Änderungsvorschläge mit ihren jeweiligen Problemen erläutert. Ich bleibe beim MT und übersetze die Ptz. Pl. f. als Neutra (mit Duhm : ; Torrey :  u. a.). d Wörtl. „ihr Leben“.

2.4.6.1 Kontext und literargeschichtliche Einordnung a) Jes 46,1– 7 wird durch Stichwortverbindungen (‫נשׂא‬, V.1.3.4.7; ‫עמס‬, V.1.3; ‫סבל‬, V.4.7) zusammengehalten, scheint aber nicht aus einem Guss zu sein. Auffällig ist zunächst das Suffix 2. Pl. in V.1, das sich offenbar auf Verehrer von Bel und Nabu

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bezieht. Im Vorangehenden ist in 45,20.22 eine Anrede in der 2. Pl. zu finden. Für eine genauere Bestimmung des möglichen Bezugspunktes ist allerdings zu beachten, dass 45,20 – 25 wohl keine literarisch einheitliche Rede bildet.²⁵² 45,24b.25 korrigieren einschränkend die Einladung der Völker in V.22– 24a und heben den Gegensatz zwischen Israel und Jhwhs Gegnern hervor. Wie schon in 45,15 – 17 dürfte die Spannung zur vorangehenden Völkerperspektive auf eine sekundäre Ergänzung hinweisen.²⁵³ Doch auch der Anknüpfungspunkt dieser Ergänzung, 45,22– 24a, ist vermutlich nicht der Grundschicht zuzurechnen. Zwar schließen V.22– 24a, auch durch die Wiederholung der Einzigkeitsaussage V.22b (vgl. V.21b), gut an das Vorangehende an. Es ist aber fraglich, ob V.22– 24a inhaltlich auf der Ebene der Gerichtsreden in der Grundschicht liegen können. Die Völker sind sonst als Publikum der Gerichtsreden präsent (vgl. Jes 41,1.5), aber nicht als Objekt der Rettung. Die Gerichtsreden zielen auf die Anerkennung von Jhwhs Souveränität über die Geschichte, nur hier in DtJes ist von einer Wendung hin zu Jhwh (‫פנה‬, V.22) ²⁵⁴ die Rede. Die Vorstellung einer „Völkerbekehrung“ in V.22– 24a weist damit deutlich über das hinaus,was sonst in den Gerichtsreden von den Völkern erwartet wird.²⁵⁵ Ich vermute, dass es sich um eine Fortschreibung handelt, die V.21 konsequent weiterdenkt.²⁵⁶ Für 46,1 ist nun zu fragen, ob sich der Bezugspunkt der 2. Pl. in der Grundschicht (45,20a.21) oder in einer der Fortschreibungen (45,22– 24a oder 45,24b–25) findet. Eine Bezugnahme von 46,1 f auf 45,22– 24a.24b–25 lässt sich m. E. nicht erkennen. Hingegen teilt 46,1 f mit 45,20 f das Setting einer militärischen Niederlage,²⁵⁷ das in 45,20 im Begriff ‫ ְפִּליֵטי ַהגּוֹיִם‬impliziert ist. Die 2. Pl. in 46,1 dürfte daher noch vor 45,22 ff (die V.21 in anderer Weise fortschreiben) auf 45,20 Bezug nehmen.  Zum sekundären Charakter von Jes 45,20b s. o. 2.4.5.1.  Den ähnlichen und jeweils sekundären Charakter dieser Texte betont Hermisson 2003a: 37.57, der aber 45,16 f.24b.25 der Götterbilderschicht zuordnet. Auch Kratz 1991a: 59 hält V.24b.25 für sekundär, rechnet sie jedoch nicht derselben Schicht wie V.16 f zu.  Merendino 1981: 455 weist darauf hin, dass die Formulierung ‫ פּנה ֶאל‬in Lev 19,4.31; 20,6 mit Götterbildern, Ahnengeistern und Wahrsagern, sowie in Dtn 31,18.20; Hos 3,1 mit ‫ ֱאל ִֹהים ֲאֵח ִרים‬als Objekt begegnet (vgl. auch ähnlich Jer 2,27; 32,33). In Jes 45,22 dürfte eine ähnliche kultische Privilegierung gemeint sein. Das ist aber sonst nicht Thema der Grundschicht.  Vgl. dazu ausführlicher Kratz 1991a: 60 f.  Zu Jes 45,22 als Weiterführung von V.21 vgl. Diesel 2006: 330 f, die allerdings keine literarkritische Entscheidung trifft. Für sekundär halten V.22– 24a Merendino 1981: 448 f.458 f; Kratz 1991a: 60 f.  Die V.1 f werden üblicherweise mit dem Fall des babylonischen Reiches in Zusammenhang gebracht, ob als Abtransport der Götterstatuen durch die Eroberer (Fohrer 1986: 97 f; Ehring 2007: 238 f u. a.) oder durch fliehende Babylonier (North 1964: 163 f; Westermann 1981a: 145 f u. a.), dazu s.u. 2.4.6.2.1 Anm. 269. Anders Preuss 1971: 218; Albani 2003: 176, die V.1 f als Parodie auf die babylonische Neujahrsprozession lesen.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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Der Neueinsatz in V.1 unterbricht aber die in 45,20 f begonnene Gerichtsrede,²⁵⁸ so dass es sich bei V.1 f um einen sekundären Kommentar handeln dürfte.²⁵⁹ b) Die V.3 f sind eng auf V.1 f bezogen. Abgesehen von der inhaltlichen Beziehung zeigt auch die Verwendung der Partizipien ‫ עמס( ֲעֻמִסים‬in Jes nur hier in V.1.3) und ‫( ְנּ ֻשִׂאים‬Ptz. pass. von ‫ נשׂא‬in DtJes nur hier in V.1.3), dass V.1 f.3 f sicher nicht unabhängig voneinander entstanden sind.²⁶⁰ V.3 f stellt den Kontrast zu Jhwhs Handeln an Israel her und verwendet die Partizipien im übertragenen Sinn: Das Tragen wird hier zur Metapher. In V.3 f ändert sich nicht nur die Sprechrichtung (2. Pl. ist jetzt Jakob/Israel, nicht mehr wie in 45,20 f; 46,1 die Völker/Babylonier). Auch die polemische Aussage verschiebt sich (dazu genauer im Folgenden): In V.1 f zielt sie auf die Niederlage der babylonischen Götter, in V.3 f auf das Getragensein Israels durch Jhwh im Gegensatz zum Getragensein der babylonischen Götter durch ihre Verehrer.²⁶¹ Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass V.3 f sekundär auf V.1 f hin geschrieben wurden.²⁶² c) Die Vergleichbarkeitsfrage V.5 ist ähnlich formuliert wie Jes 40,25 und könnte daher sprachlich und sachlich durchaus zur Grundschicht gehören.²⁶³ Es ist aber fraglich, ob der so entstehende Textzusammenhang Jes 45,20a.21; Jes 46,5(.9 ff)²⁶⁴ der Grundschicht zugeordnet werden kann. Die Abfolge Jes 45,21; 46,5 scheint mir zum einen inhaltlich problematisch: Die Frage nach der Vergleichbarkeit Jhwhs (46,5) würde so auf eine bereits mit einer dezidierten Einzigkeitsaussage „be-

 Die ursprüngliche Fortsetzung der Gerichtsrede 45,20b.21 dürfte in 46,9 ff zu finden sein, vgl. dazu Kratz 1991a: 64– 66.  Vgl. (mit anderer Begründung) Vermeylen 1989: 37 Anm. 112; Kratz 1991a: 56 – 59; anders Merendino 1981: 464; Werlitz 1999: 222– 224; Ehring 2007: 241 u. a., die 46,1 f aus stilistischen und inhaltlichen Gründen und mit Hinweis auf eine mögliche Datierung vor 539 zur Grundschicht rechnen, ohne auf den literarischen Zusammenhang einer so rekonstruierten Grundschicht genauer einzugehen.  Zum Zusammenhang von V.1 f.3 f vgl. auch Merendino 1981: 465 f; Ehring 2007: 225.  Vgl. ähnlich zur Abgrenzung der V.1 f von V.3 ff Mowinckel 1931: 101 mit Anm. 4; Begrich 1963: 61 Anm. 234.  So mit anderer Begründung auch Petry 2007: 170 f.  So argumentiert Merendino 1981: 473; ihm folgt Berlejung 1998: 388 Anm. 1898 (vgl. ähnlich schon Duhm 1968: 352).  Jes 46,8 wird von den meisten Exegeten für sekundär gehalten, entweder zusammen mit der Ergänzung V.6 f (vgl. Duhm 1968: 352; Merendino 1981: 471– 473 [nur V.8b]; Westermann 1981a: 148 f; Fohrer 1986: 100 f; van Oorschot 1993: 313 Anm. 8) oder, was mir wahrscheinlicher scheint, als daran anschließender späterer Zusatz (vgl. Kratz 1991a: 53 f; Petry 2007: 175). Ebenfalls als sekundären Zusatz, doch ohne klare Verhältnisbestimmung zu V.(5.)6 – 7 beurteilen V.8 Werlitz 1999: 320 (Anm. 308).356 und Hermisson 1998: 126.139.

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antwortete“ Einzigkeitsfrage (45,21b) folgen. Zum anderen ist die Zusammenstellung von Einzigkeitsaussage und Vergleichbarkeitsfrage in einer Gerichtsrede sonst in DtJes nicht belegt. Die Frage nach der Vergleichbarkeit findet sich in der Grundschicht in 40,18.25 und steht dort im Kontext einer Vertrauensfrage Jhwhs an sein Volk. Die Frage nach Jhwhs Vergleichbarkeit sollte also nicht vorschnell mit der Frage seiner Einzigkeit als souveräner Herr über die Geschichte gleichgesetzt werden, wie sie sich in den Gerichtsreden findet.²⁶⁵ Ich vermute daher, dass es sich bei V.5 um eine 40,18.25 nachgebildete Frage handelt, die ihren Anschlusspunkt nicht in der Grundschicht hat. Ausgehend vom Gebrauch der Frage in Jes 40 scheint es wahrscheinlicher, dass die Frage entweder im Sinne einer Vertrauensfrage an V.3 f anschließt,²⁶⁶ oder aber nach dem Vorbild von 40,18 – 20 die Polemik in V.6 f einleitet. Da V.5 somit sowohl auf das Vorangehende als auch auf das Folgende bezogen werden kann, dürfte es sich um eine redaktionelle Überleitung handeln, die dann dem letzten Zusatz V.6 f zuzuordnen ist. d) V.6 f beschreiben die Herstellung eines Götterbildes und seine Untauglichkeit. Wie 40,19 f unterbrechen diese in der 3. Person gehaltenen Verse die Anrede einer 2. Pl. Die Verse sind über ‫ סבל‬und ‫( נשׂא‬V.7) mit V.4 verbunden. Die Aufnahme von ‫ סבל‬aus V.4 weist darauf hin, dass V.6 f V.1– 4 bereits voraussetzen. Das seltene Verb passt in V.4 als Tragen einer im übertragenen Sinn schweren Last wie in Jes 53,4.11; Lam 5,7 (zur Anspielung auf das dritte Gottesknechtslied s.u. 2.4.6.2.2) und lässt sich m. E. in V.7 aus der Anknüpfung an V.4 erklären.²⁶⁷

2.4.6.2 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 46 2.4.6.2.1 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 46,1 f Die Polemik gegen Bel und Nebo in V.1 f schließt an die Einleitung der Gerichtsrede in 45,20 f an und schaltet so dem Verkündigungs-Argument (45,21b; 46,9 – 11) eine

 Den Unterschied zwischen Unvergleichlichkeit (in den Diskussionsworten) und Einzigkeit (in den Gerichtsreden) betont in Bezug auf Jes 46,5 auch Kratz 1991a: 54.  Melugin 1976: 23 f hält V.1– 4 für eine Heilsankündigung, muss aber zugeben, dass die unspezifische zeitübergreifende Formulierung dafür ungewöhnlich ist (zur Kritik an Melugin vgl. Hermisson 2003a: 94.98, der V.3 f als „Trostwort“ oder „Paränese“ bestimmt). Es scheint mir fraglich, ob V.3 f überhaupt uneingeschränkt positiv als eine freundliche Heilszusage an Israel gemeint ist. Das Bild vom Volk als Last, die geschleppt (‫עמס‬, ‫ )סבל‬werden muss, ist nicht gerade schmeichelhaft. Die Erinnerung an Jhwhs zeitloses Heilshandeln könnte auch mahnend an das Volk gerichtet sein, wozu auch das sonst nie in dieser Häufung verwendete ‫ ֲא ִני‬als ein einhämmerndes Staccato passt. Von daher erscheint V.5 als Vertrauensfrage hier naheliegend.  Für die Abhängigkeit der V.6 f von V.3 f plädiert auch Hermisson 2003a: 90; umgekehrt Kratz 1991a: 58.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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weitere Begründung der Einzigkeitsaussage vor: Dass es keinen Gott außer Jhwh gibt, ist auch am Versagen der babylonischen Götter zu erkennen. Dieses Versagen spielt sich im Rahmen einer militärischen Niederlage ab, auf die schon in 45,20a verwiesen wird. Wahrscheinlich ist gemeint, dass bei der Einnahme Babylons die Hauptgötter in Form ihrer Kultbilder²⁶⁸ deportiert (‫ ַבּ ְשִּׁבי‬, „in die Gefangenschaft“, V.2b) werden.²⁶⁹ Ähnlich wie die Gerichtsreden formuliert 46,1 f damit ein an „historische“²⁷⁰ Ereignisse angelehntes Argument. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Verwendung der Eigennamen der Götter, Bel (= Marduk) und Nebo (= Nabu). Ein Bezug zum weisheitlichen Diskurs ist m. E. nicht feststellbar.

2.4.6.2.2 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 46,1 – 4 Durch die Ergänzung von V.3 f verschiebt sich der Schwerpunkt des Textes hin zum Thema „Tragen“. Der Neueinsatz in V.3 zeigt eine Zweiteilung des Textes in zwei Bilder V.1 f.3 f an. Diese beiden Bilder sind durch das Motiv des Tragens miteinander verbunden. In beiden Bildern geht es nicht nur um Götter, sondern auch um deren Verehrer, die jeweils direkt angeredet werden. Am Beispiel des Tragens wird der Kontrast der Beziehung von Gott und Verehrer dargestellt: Während die babylonischen Götter von Tieren getragen werden (‫ )עמס‬und nicht retten können (‫ – )מלט‬nicht einmal sich selbst! –, trägt (‫ )עמס‬und rettet (‫ )מלט‬Jhwh zuverlässig sein Volk. Die davongetragenen babylonischen Götter können ihren Verehrern keinen Schutz bieten. Jhwh hingegen ist der Gott, auf den das Volk vertrauen soll. Neu gegenüber V.1 f ist zum einen die Verwendung des Verbs ‫סבל‬. Dabei handelt es

 Wie noch in Jes 41,29b (‫ ) ִנְס ֵכּיֶהם‬verweist das Suffix 3. Pl. an den Bildern (‫ )ֲעַצ ֵבּיֶהם‬auf die Götter selbst. Eine Trennung zwischen Gott und Bild, wie sie Kratz 1991a: 54 Anm. 181 aufgrund der Erwähnung der Namen der Götter und ihrer ‫ ֶנֶפשׁ‬annimmt, scheint mir für das Textverständnis nicht zentral, da das Schicksal der Götter an ihren Bildern sichtbar wird (V.2b drückt entweder dasselbe wie V.2aβ oder die Konsequenz daraus aus; vgl. dazu Baudissin 1911: 74). Gegen eine Trennung von Gott und Bild vgl. auch Spykerboer 1976: 146 („what happens to the idols happens to the gods“); Ehring 2007: 231 ff.  Auf eine ähnliche Beschreibung von Eroberung und Götterdeportation in Jer 48,7 verweist Schroer 1987: 241: ‫„( ַגּם־ַא ְתּ ִתּ ָלֵּכ ִדי ְו ָיָצא ְכמוֹשׁ ַבּגּוָֹלה‬auch du [= Moab] wirst eingenommen werden, und Kemosch wird in die Verbannung ziehen“). Gegen die Deutung als Versuch flüchtender Babylonier, ihre Götter in Sicherheit zu bringen (so z. B. Duhm 1968: 350; Westermann 1981a: 145 f) vgl. Hermisson 2003a: 106 – 108; Ehring 2007: 237– 239.  Wichtig für das polemische Argument ist die Darstellung in Form von historischen Ereignissen. Zur Diskussion über die Zuordnung zu bestimmten Ereignissen (Einnahme Babylons; Maßnahmen unter Xerxes) und der Übereinstimmung der Beschreibung in V.1 f mit deren heutiger Rekonstruktion vgl. Hermisson 2003a: 95 f.99 – 101.

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sich um ein Synonym zu ‫עמס‬, das die Verbindung zum dritten Gottesknechtlied (‫ סבל‬in Jes 53,4.11) herstellt.²⁷¹ Zum anderen haben die Aussagen ‫ ֲא ִני הוּא‬und ‫ֲא ִני‬ ‫( ָע ִשׂיִתי‬V.4) keine Entsprechung im ersten Bild V.1 f. Die Aussage ‫ ֲא ִני הוּא‬begegnet noch in Jes 41,4; 43,10; 48,12.²⁷² In 43,10 ist ‫ ֲא ִני הוּא‬verbunden mit einer Einzigkeitsaussage Jhwhs; in 41,4 und 48,12 wird Jhwh parallel dazu als ‫ ִראשׁוֹן‬und ‫ַאֲחר ֹן‬ (resp. ‫ )ֶאת־ַאֲחר ֹ ִנים‬bezeichnet. ‫ ֲא ִני ָע ִשׂיִתי‬liest sich als eine weitere Antwort auf die Frage ‫ ִמי־ָפַעל ְוָע ָשׂה‬in 41,4. Über diese beiden Aussagen wird der Gegensatz der V.1– 4 also in den Erweis von Jhwhs überlegener und zuverlässiger Geschichtsmächtigkeit eingebaut, auf die die Israeliten vertrauen können und sollen. Die Polemik in V.3 f lässt sich somit als Fortschreibung aus DtJes heraus erklären. Bezüge zur Weisheit sind nicht erkennbar.

2.4.6.2.3 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 46,5 – 7 Weisheitliche Elemente sind in Jes 46,5 – 7 nicht erkennbar. Die Götterpolemik in V.5 – 7 scheint zu großen Teilen Elemente der vorangehenden götterpolemischen Texte zu verarbeiten.²⁷³ Wieder stehen Menschen und ihre Handlungen in Bezug auf die Bilder-Götter²⁷⁴ im Fokus. Die Polemik basiert hier auf einem narrativen Muster, das auch weitere götterpolemische Texte verwenden (Jes 44,14– 17; Sap 13,11– 19; ähnlich EpJer 23 – 26): Auf die Herstellung des Bildes folgt seine kultische Verwendung in Prozession und/oder Anbetung, wobei das Bild die Erwartungen seiner Verehrer nicht erfüllt und sich als nutzlos erweist.²⁷⁵ In Jes 46,6 f werden in Bezug auf die Herstellung des Bildes nicht die technischen Vorgänge geschildert; vielmehr zielt die Darstellung auf den Preis (vgl. EpJer 24): Der Bild-

 Mit Hermisson 2003a: 97. Das Verb kommt (abgesehen von V.7) in Jes nur hier vor; außerhalb von Jes noch in Lam 5,7 (Objekt: Schuld [‫ ]ֲעוֹנוֹת‬der Väter); von Tieren in Gen 49,15 (Qal); Ps 144,14 (Pu.); Qoh 12,7 (Hitp.).  In 52,6 wird ‫ ֲא ִני הוּא‬durch ein Partizip fortgesetzt.  Wie in 44,13.15.17.19 wird das Verb‫ עשׂה‬verwendet und das Bild als ‫( ֵאל‬44,8.10.15.17; 45,20) bezeichnet. Wie in 40,18 – 20 folgt in V.5 – 7 eine götterpolemische Aussage auf eine Vergleichbarkeitsfrage, Silber und Gold werden als Materialien genannt (vgl. 40,19) und der Hersteller ist ein ‫( צוֹ ֵרף‬vgl. 40,19; 41,7). V.7 nennt wie 45,20 die Unfähigkeit des Bild-Gottes zu retten (‫ – )ל ֹא יוֹ ִשׁיֶענּוּ‬in DtJes ein Alleinstellungsmerkmal Jhwhs, s.o. 2.4.5.2. Besondere Nähe besteht zu Jes 44,14– 17, wo ein ähnliches narratives Muster begegnet und dieselben Begriffe für die Verehrung verwendet werden (‫סגד‬, im ganzen AT nur Jes 44,15.17.19; 46,6, und ‫חוה‬, vgl. 44,15.17; 46,6).  In der Formulierung ‫( עשׂה ֵאל‬V.6) wird deutlich, dass Gott und Bild als identisch zu verstehen sind.  Olyan 2009: 12 weist darauf hin, dass möglicherweise die Dysfunktionalität der Bilder-Götter im kultischen Kontext – vor dem Hintergrund der geforderten Fehlerlosigkeit von Opfertieren, Priestern (Lev 21,17– 23) und evtl. Kultteilnehmern (2 Sam 5,8) – besonders störend wirkt.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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Gott ist teuer, aber nutzlos.²⁷⁶ Diese Polemik ist deutlich aus der Perspektive eines außenstehenden Beobachters formuliert, für den die Unfähigkeit der Bilder-Götter und die Überlegenheit Jhwhs feststehen, denn aus der Perspektive der Verehrer selbst ist die Verwendung hochwertiger Materialien positiv konnotiert.²⁷⁷ Die Behauptung der Machtlosigkeit der Bilder-Götter bzw. der Nutzlosigkeit ihrer Verehrung erfolgt ohne Bezugnahme etwa auf babylonische theologische Diskurse über Kultbilder²⁷⁸ und wäre im Rahmen solcher Diskurse auch kaum überzeugend, da die Polemik die überlegene Macht Jhwhs voraussetzt und nicht etwa begründet. Im Kontext ist V.5 – 7 als an Israeliten gesprochen zu verstehen, die hier als Auftraggeber und Käufer von Götterbildern im Fadenkreuz stehen.

2.4.7 Jes 48,3 – 5 ‫שׁנוֹת ֵמָאז ִה ַגּ ְד ִתּי וִּמ ִפּי ָיְצאוּ ְוַא ְשִׁמיֵעם‬ ֹ ‫( ָה ִרא‬) Die früheren Dinge habe ich früher verkündigt, und aus ‫בא ָנה׃‬ ֹ ‫אם ָע ִשׂיִתי ַו ָתּ‬ ֹ ‫ ִפְּת‬meinem Mund sind sie hervorgegangen, und lasse ich sie hören; plötzlich habe ich (sie) gemacht, und sie sind gekommen. ‫( ִמ ַדְּע ִתּי ִכּי ָק ֶשׁה ָא ָתּה ְו ִגיד ַבּ ְר ֶזל ָע ְר ֶפָּך וִּמְצֲחָך‬) Weil a ich wusste, dass du hart bist, und dein Nacken ‫ ְנחוּ ָשׁה׃‬eine eiserne Sehne ist, und dein Hals (aus) Bronze, ‫( ָוַא ִגּיד ְלָך ֵמָאז ְבֶּט ֶרם ָתּבוֹא ִה ְשַׁמְע ִתּיָך‬) habe ich dir früher verkündigt, bevor es kommt, habe ‫תּאַמר ָעְצ ִבּי ָע ָשׂם וִּפְסִלי ְו ִנְס ִכּי ִצ ָוּם׃‬ ֹ ‫ ֶפּן־‬ich dich hören lassen, damit du nicht sagst: Mein Götterbild b hat sie gemacht und mein Götterbild und mein Gussbild hat sie befohlen. a

V. bezieht sich sowohl auf V. als auch auf V., mit Franke :  („double-duty phrase“). MT vokalisiert polemisch nach ‫„ עֶֹצב‬Mühsal“ oder ‫בּ ֶשׁת‬ ֹ „Schande“ (mit Blenkinsopp : ; Hermisson a:  f); ursprünglich wäre wohl ‫ ֲעַצ ִבּי‬von ‫„ ָעָצב‬Götterbild“.

b

 In ‫( ַה ָזִּלים‬von ‫ )זול‬klingt vermutlich auch ‫„( זלל‬verschwenden“) an (vgl. Duhm 1968: 352; Baltzer 1999: 334). Zur implizierten Kritik am falschen Umgang mit Reichtum s.u. 5.2.2.2.  Dies gilt für mesopotamische Kultbilder (vgl. zur Verwendung teurer Materialien etwa Berlejung 1998: 126 – 134) ebenso wie für atl. Vorstellungen über die korrekte Heiligtumsausstattung (vgl. etwa Ex 35,5 – 9.22– 28; vgl. Hurowitz 2012: 290 f).  Anders etwa Berlejung 1998: 390.409 (zur Kritik s.o. 2.2.3.2.2 zu Jes 40,19 f). Es handelt sich m. E. vielmehr um alternative, nicht miteinander kompatible Diskurse: Potentielle Probleme im Umgang mit Kultbildern werden im babylonischen Diskurs rituell behoben, im atl. götterpolemischen Diskurs hingegen als unlösbar dargestellt (vgl. zu diesem Unterschied Hurowitz 2012: 269) und auf die Götter selbst übertragen.

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2.4.7.1 Kontext und literargeschichtliche Analyse Jes 48,3 – 5 ist Teil der Jhwh-Rede V.1– 11, auf die im Vorangehenden schon mehrfach verwiesen wurde.²⁷⁹ Diese Rede enthält sowohl typisch dtjes Aussagen (z. B. zur früheren Verkündigung: ‫שׁנוֹת‬ ֹ ‫ ִרא‬, ‫נגד‬, ‫ שׁמע‬etc., und zu Jhwhs Tun: ‫ )עשׂה‬als auch ungewohnt scharfe Vorwürfe gegen Israel.²⁸⁰ Viele Exegeten sind daher Duhms Vorschlag gefolgt, den Text in eine (dtjes) Grundschicht und eine Israel anklagende Bearbeitungsschicht zu zerlegen.²⁸¹ Doch die Streichung aller kritischen Töne²⁸² würde als Grundschicht nur eine Anhäufung dtjes Termini ohne eigene Aussage übriglassen.²⁸³ Es scheint daher sinnvoller, die Kombination aus gewöhnlichem dtjes Vokabular und ungewöhnlicher Aussage als Arbeit eines Späteren zu erklären, der seinen Text unter Aufnahme dtjes Elemente formuliert.²⁸⁴ Der götterkritische V.5b fügt sich sprachlich und inhaltlich problemlos in den Zusammenhang der Rede V.1– 11 ein und sollte nicht als Zusatz ausgeschieden werden.²⁸⁵ Erst durch V.5b wird das in V.3 – 5 formulierte Argument deutlich.

2.4.7.2 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 48,3 – 5 Die Götterpolemik in V.3 – 5 ist deutlich in Anlehnung an andere götterpolemische Stellen in DtJes formuliert. Vokabular und Thema der früheren Verkündigung entsprechen den dtjes Gerichtsreden. Die besondere Hervorhebung von Jhwhs Tun (‫ עשׂה‬in V.3) im Gegensatz zu den Bilder-Göttern (‫ עשׂה‬in V.5) begegnete in ähnlichem Zusammenhang bereits in 41,21– 29.²⁸⁶ Auch die für die Götterbilder ver-

 S.o. 2.3.2; 2.4.3.1 ;2.4.2.1.  Eine detaillierte sprachliche Untersuchung bietet Elliger 1933: 188 – 195 (der nach dtjes und tritojes Sprache fragt).  Duhm 1968: 360 bestimmt als Grundschicht 1aα(bis ‫) ַיֲעקֹב‬.3.5a.6.7a.8a.11(ohne ‫ ;)כּי איְך יחל‬ihm folgen Marti 1900: 321 (der die Bearbeitung als eine Art „Interlinearcommentar“ beschreibt); Elliger 1933: 195 – 198; Schmitt 1979: 48 – 54; Westermann 1981a: 158 f u. a. mit nur geringfügigen Abweichungen (vgl. die Übersicht bei Schoors 1973: 284 f). Werlitz 1999: 284 f.351– 353 setzt zwar schon den Grundbestand auf einer redaktionellen Ebene an, nimmt dann aber eine ähnliche Aufteilung vor (mit Grundbestand 1a.bα.2aβ.b.3.6.7a.8a[?].11[ohne ‫)]כּי איְך יחל‬.  Zu Recht weist van Oorschot 1993: 300 – 302 darauf hin, dass auch die postulierte Grundschicht noch Elemente enthält, die eine Kritik implizieren. Eine konsequente Eliminierung würde keinen sinnvollen Text ergeben.  Vgl. Kratz 1991a: 114 f; Hermisson 2003a: 210 f.  Mit Fohrer 1986: 112; Kratz 1991a: 114– 117; Hermisson 2003a: 209 – 215; für V.1– 11 als Ergänzung spricht sich schon Staerk 1909: 40 Anm. 1 aus.  Gegen Hermisson 2003a: 214 f, der V.5b.7b für Zusätze hält, dabei allerdings Unsicherheit einräumt. Kritisch gegen diese thematisch bedingte Ausscheidung äußert sich Werlitz 1999: 350 („Systemzwang“).  Ähnliches könnte auch in 42,17 gemeint sein.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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wendeten Begriffe sind bereits bekannt: ‫ ֶפֶּסל‬aus 40,19 f; 42,17; 44,9.10.15.17; 45,20; ‫( ָעָצב‬vgl. Textanm. b) aus 46,1 und ‫ ֶנֶסְך‬aus 41,29b. Ein Bekenntnis der Götterverehrer in direkter Rede findet sich auch in 42,17; 44,17. Das Anliegen, Jhwhs Taten mögen nicht anderen Göttern angerechnet werden, entspricht Jhwhs Ausspruch in 42,8. Sowohl die Form der Jhwh-Rede als auch das verwendete Vokabular speisen sich also aus dem Vorangehenden. Auf weisheitlich geprägte Stellen wird dabei nicht zurückgegriffen. Neben all diesen Ähnlichkeiten enthalten V.3 – 5 einige singuläre Aussagen. Nirgendwo sonst in DtJes werden die Götterbilder explizit mit Israel/Jakob in Verbindung gebracht.²⁸⁷ Damit hängt zusammen, dass nur hier die mit Göttern verbundenen Personen in der 2. Sg. angesprochen sind. Die 2. Sg. ist in DtJes die übliche Anrede für Israel/Jakob,²⁸⁸ während von den Götterverehrern durchgängig in der 3. Person gesprochen wird (mit Ausnahme von 46,2). Ein genauerer Blick auf das Vokabular zeigt auch, dass vier Begriffe hier zum ersten und einzigen Mal in DtJes vorkommen: ‫ָק ֶשׁה‬, ‫ ִגיד‬, ‫עֹ ֶרף‬, ‫ֵמַצח‬. Mit diesen Begriffen wird in V.4 die Halsstarrigkeit Israels beschrieben. Das Thema der Halsstarrigkeit in Verbindung mit der Verehrung von Götterbildern begegnet auch in Ex 32,9; 33,3.5; 34,9; Dtn 9,6.13; 2 Kön 17,14; Jer 19,15.²⁸⁹ Es handelt sich also um eine Aussage des dtn-dtr GötterDiskurses, die hier mit Aussagen der Götterpolemik in DtJes verknüpft wird.

2.4.8 Ergebnis In der dtjes Grundschicht behauptet Jhwh seine zuverlässige Souveränität über die Geschichte, auf die Israel vertrauen soll (Jes 40), und die die anderen Völker anerkennen müssen (Jes 41). An diese Auseinandersetzung mit anderen (vermeintlichen) Mächten und an die damit verbundene Vertrauensfrage an Israel schließen götterpolemische Fortschreibungen an. Die Analyse der einzelnen götterpolemischen Passagen führte zu dem Ergebnis, dass Götterbilder noch kein Thema der Grundschicht sind. Sämtliche Texte, die sich gegen Götterbilder, ihre Hersteller und Verehrer richten, ließen sich als sekundäre Erweiterungen verstehen.

 Implizit könnte man 40,19 f; 42,8.17 und 46,5 – 7 in diesem Sinn lesen.  Vgl. 40,22 ff; 41,2 ff; 43,1 ff.22 ff; 44,1 ff.21 f.  Darauf weist Hermisson 2003a: 229.232 hin. Auch der Begriff ‫ ֵמַצח‬kann in anklagenden Worten an Israel in Bezug auf die Verehrung anderer Götter verwendet werden, vgl. Jer 3,3. Schon Duhm 1968: 361 vermutet als Verfasser von V.4 einen „Schüler der Deuteronomisten und Hesekiels“. – Zum Sinngehalt der „Halsstarrigkeit“ (Israel will nicht auf Jhwh hören) vgl. Couroyer 1981: 224 f.

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2 Deuterojesaja

Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, eine umfassende Rekonstruktion der Literargeschichte der götterpolemischen Texte in DtJes vorzulegen. Die götterpolemischen Passagen sind meist zu kurz, um weitreichende Schlüsse etwa zur relativen chronologischen Ordnung aus ihrem Wortlaut zu ziehen. Eine solche Rekonstruktion müsste auf der redaktionsgeschichtlichen Untersuchung des ganzen DtJes basieren. Die Untersuchung nur der götterpolemischen Passagen hat aber gezeigt, dass sich diese schwerlich einer einzigen Überarbeitungsschicht zuordnen lassen. Dagegen spricht nicht nur die unterschiedliche Ausrichtung der Texte, sondern auch die mehrstufige Entstehung längerer götterpolemischer Texte wie Jes 46,1– 7 (und vgl. noch die Analyse von Jes 44,9 – 20 im folgenden Kapitel), die unterschiedliche Einbettung in den Kontext und der Umstand, dass die götterpolemischen Ergänzungen in unterschiedlichem Maß andere Fortschreibungen voraussetzen dürften. Es scheint mir daher wahrscheinlicher, dass, nachdem das Thema der bildlich repräsentierten Götter in ersten Ergänzungen einmal angerissen war, sich nach und nach weitere Fortschreibungen im Umfeld angelagert haben.²⁹⁰ Die götterpolemischen Stücke knüpfen in je unterschiedlicher Weise an den älteren Text an. Sie nehmen Bezug auf Themen und Fragen ihres literarischen Kontexts und scheinen alle für ihren jeweiligen Ort verfasst zu sein. Es handelt sich also um Fortschreibungen, nicht um die Einfügung ehemals selbständiger Texte.²⁹¹ Manche götterpolemische Passagen knüpfen unmittelbar an die Argumentation der Gerichtsreden an. Ähnlich wie schon 41,29b ergänzten 46,1 f die Gerichtsreden um die Erwähnung der Nichtigkeit der Götterbilder. Die untereinander verwandten Passagen 42,8.17; 48,5²⁹² greifen Jhwhs Machterweis durch Verkündigung und Tat auf und wenden sich polemisch gegen diejenigen, die solche Macht den Götterbildern zuschreiben. Damit müssen nun aber nicht die Babylonier gemeint sein; in 48,5 richtet sich der Vorwurf explizit gegen Israeliten. Die Verwendung von ‫ ְלַאֵחר‬parallel zu ‫ ַל ְפִּסיִלים‬in 42,8 und der Verweis auf die Halsstarrigkeit der Israeliten in 48,4 lassen vermuten, dass diese Texte die dtjes Machtfrage mit dem in dtr Texten erhobenen Vorwurf der Fremdgötterverehrung in

 So sind z. B. vermutlich 45,20b und 46,3 f.5 – 7 um 46,1 f herum entstanden. Elliger 1978: 422 ist m. E. zuzustimmen, wenn er (bezogen auf 40,19 f; 41,6 f; 44,9 – 20; 46,5 – 8) schreibt: „Man braucht bei ihnen nicht an den gleichen Verfasser zu denken; das einmal gegebene Beispiel weckte Nacheiferung.“  Mit Kratz 1991a: 195. Der Kontextbezug kann, wie meine Analyse von Jes 41,6 f; 42,8; 45,15 – 17.20b; 46,1– 7 gezeigt hat, nicht auf redaktionelle Überleitungsverse eingeschränkt werden, gegen Hermisson 1998: 138 u. a.  Zu den sprachlichen Verbindungen zwischen 42,8.17 und 48,1– 11 s.o. 2.4.2.1; 2.4.3.1.

2.4 „Götzenschicht“? Weitere götterpolemische Texte in DtJes

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Verbindung bringen. Andere götterpolemische Passagen scheinen den Vorwurf der Bilderverehrung hingegen zur Abwertung anderer Völker zu benutzen. So stellt 45,15 – 17 die Hersteller und Verehrer von Göttern in einen klaren Gegensatz zu Israel und reagiert damit auf die positive Darstellung der Völker in 45,14. Auch 45,20b folgt auf eine Anrede der Völker und hält den Götterverehrern Erkenntnislosigkeit vor. Diese Vorwürfe sind jeweils gekoppelt an die Darstellung der Bilder als Götter, die im Gegensatz zu Jhwh nicht retten (‫)ישׁע‬. Über die Frage, auf welchen Retter Israel vertrauen kann und soll, sind die Fortschreibungen in 45,15 – 17.20b wie auch 46,5 – 7 (an Israel gewandt) mit der Grundschicht verbunden.²⁹³ Anknüpfungspunkte für Götterpolemik bieten in Jes 40 – 48 also insbesondere die mit Vergleichbarkeitsfragen und Gerichtsreden verbundenen Fragen von Jhwhs Geschichtsmächtigkeit:Vorhersage, Tat und Rettung können ausschließlich von Jhwh kommen. Die Fortschreibungen basieren auf der insbesondere in den Gerichtsreden zum Ausdruck kommenden latenten Konkurrenzsituation, in der Israels Vertrauen auf Jhwh bestärkt werden soll.²⁹⁴ Neben der Bezugnahme auf den Kontext und der Verwendung von entsprechendem Vokabular ist aber nicht zu übersehen, dass die götterpolemischen Fortschreibungen Elemente enthalten, die sich nicht als bloße Weiterentwicklungen aus dem vorfindlichen DtJes heraus erklären lassen. Anders als die Grundschicht gehen die Fortschreibungen von einer engen Verbindung zwischen Göttern und Bild aus. Die (polemische) Gleichsetzung von Gott und Bild wird besonders deutlich, wo Begriffe wie ‫ ֶפֶּסל‬und ‫ ֵאל‬parallel zueinander oder austauschbar verwendet werden (45,20b; 46,6). Diejenigen, die nicht auf Jhwhs Geschichtsmächtigkeit vertrauen, werden als Hersteller (41,6 f; 45,16) und Verehrer (42,8.17; 45,20b; 46,1.6 f; 48,5) von Götterbildern beschrieben, die sich auf Bilder verlassen, hinter denen keine rettenden Götter stehen. Nicht nur die kultische Verwendung von Bildern, auch die verehrten Götter werden so abgewertet. Trotz ihrer unterschiedlichen Ausrichtung und Formulierung liegt das Konzept der nutzlosen Kultbilder machtloser Götter, für das ich den Begriff „Bild-Gott“ verwende, allen götterpolemischen Fortschreibungen zugrunde. Sie lassen sich also

 Alle drei Stellen setzen darüber hinaus weitere Fortschreibungen voraus, s. o. die einzelnen Textanalysen.  Diese Orientierung an der Grundschicht ist m. E. auch der Grund dafür, dass die götterpolemischen Fortschreibungen nur in dem Textbereich Jes 40 – 48, in dem diese Fragen verhandelt werden, zu finden sind. Kratz 1991a: 196 f führt als Grund für die Beschränkung der Herstellungspolemik auf Jes 40 – 46 die Verbindung zu Babylon an. Allerdings findet sich gerade in Jes 47 kein Verweis auf babylonischen Bilderkult.

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2 Deuterojesaja

einem gemeinsamen götterpolemischen Diskurs zuordnen, der nicht unmittelbar aus DtJes hervorgeht.²⁹⁵ Spezifische Bezüge auf babylonische Diskurse, die über gemeinsame altorientalische Wissensbestände hinausgehen, lassen sich in den götterpolemischen Texten nicht ausmachen.²⁹⁶ Für mit dem babylonischen Kultbild-Diskurs vertraute Menschen dürfte die atl. Polemik schwerlich verständlich gewesen sein, da zum einen die geschilderten Bilder-Götter und deren Herstellung mit Göttern und Kultbildern in babylonischen Diskursen wenig gemein haben, und zum anderen die Polemik auf theologische Diskurse der Jhwh-Verehrer zurückgreift.²⁹⁷ Schon die Argumentation der Grundschicht basiert auf der Voraussetzung, dass Jhwh souveräner Herr über die geschichtlichen Ereignisse und autorisiert ist, über Götter und Völker zu richten. Auch die götterpolemischen Fortschreibungen richten sich an eine Leserschaft aus Jhwh-Verehrern.²⁹⁸ Obwohl in der Grundschicht, wie anhand von Jes 40 gezeigt wurde, weisheitliche Elemente zu finden sind, werden diese in den hier behandelten Fortschreibungen nicht aufgenommen. Keine der analysierten götterpolemischen Passagen knüpft speziell an weisheitliche Aussagen an oder verwendet weisheitliche Sprache und Konzepte. Das spricht dafür, dass wir es bislang mit einem götterpolemischen Diskurs zu tun haben, der nicht mit Weisheit verschränkt ist.

2.5 Jes 44,9 – 20 Jes 44,9 – 20 ist der längste durchgehend götterpolemische Text im hebräischen AT. Dass innerhalb dieses Textes an unterschiedlichen Punkten – und, wie sich zeigen wird, auf unterschiedlichen diachronen Ebenen – Beziehungen zur Weisheit erkennbar sind, macht Jes 44 zu einem zentralen Text für die Fragestellung dieser Untersuchung. In Jes 44 laufen verschiedene Fäden zusammen, die uns im

 Anders z. B. Preuss 1971: 202 f.213; Spykerboer 1976: 185; Ehring 2007: 266 f sowie Werlitz 1999: 234 f, der die Gleichsetzung von Gott und Bild theologiegeschichtlich den monotheistischen Aussagen in DtJes vorordnet.  Berlejung geht von einer Bezugnahme auf babylonische Diskurse über Herstellung und Theologie von Kultbildern aus (vgl. auch Dick 1999; Levtow 2008; kritisch dazu s.o. 2.2.3.2.2), stellt aber keine Bezugnahme auf babylonische Mundwaschungs- und Mundöffnungsrituale fest (Berlejung 1998: 412 f; gegen Dick 1999: 26.43). Wissen über die (theologisch „korrekte“) Herstellung von kultischen Gegenständen ist im AT aber auch unabhängig von einem babylonischen Hintergrund bezeugt, vgl. insbesondere Ex 25 – 31.35 – 40.  Babylonische Polemik gegen Götterbilder argumentiert und formuliert dagegen völlig anders, nämlich vor allem unter Verweis auf einen Traditionsbruch (vgl. Hurowitz 2012: 277– 280).  So auch Levtow 2008: 80.170.

2.5 Jes 44,9 – 20

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vorangehenden Kapitel begegnet sind: Die Herstellungspolemik gegen die Götterbilder und die Schande und Erkenntnislosigkeit der Götterhersteller sind hier eingebettet in eine Art Gerichtsrede. Jes 44,9 – 20 wird daher verschiedentlich als Mittelpunkt der Götterpolemik in DtJes betrachtet.²⁹⁹ An diesem Text lassen sich die im Vorangehenden erschlossenen Hypothesen zur Entstehung der götterpolemischen Texte in DtJes exemplarisch überprüfen und, aufgrund der stärkeren Verwendung weisheitlicher Elemente, darüber hinaus weiterführen. Assmann rückt Jes 44 in die Nähe ägyptischer Berufstypologien.³⁰⁰ Solche Berufstypologien, deren ältestes Beispiel die „Lehre des Dua-Cheti“ darstellt, zählen verschiedene Berufe auf, um anschließend den Beruf des Schreibers über diese anderen Berufe zu erheben. Den einzelnen Berufen ist meist eine drei- bis sechszeilige Strophe gewidmet, in der die Mühen der jeweiligen Tätigkeiten geschildert werden.³⁰¹ Eine mögliche Anknüpfung von Jes 44 an solche Berufstypologien ist für die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung besonders interessant, weil es sich bei der „Lehre des Dua-Cheti“ um einen weisheitlichen Text handelt: Ein Vater lässt darin seinen Sohn an Erkenntnissen aus seiner Lebenserfahrung teilhaben und möchte ihm das Lernen schmackhaft machen. Die Verwendung einer Berufstypologie in Sir 38 lässt vermuten, dass die Gattung der Berufstypologien auch in der israelitisch-jüdischen Literatur als Element weisheitlichen Diskurses präsent war. Der götterpolemische Abschnitt setzt in V.9 nach der Gerichtsrede V.6 – 8 ein. Da die Polemik in V.9 – 11 eng auf die Gerichtsrede bezogen ist, werden die V.6 – 8 in der folgenden Übersetzung mit angeführt.

 Vgl. Kratz 1991a: 196; als Mittelpunkt einer konzentrischen Anordnung der götterpolemischen Texte in DtJes Matheus 1987: 324.  Assmann 1999: 77 bemerkt zu Jes 44,9 – 17 insgesamt: „Der Text verwendet die altorientalische Gattung der Berufssatire, um das Treiben der Götzendiener zu verspotten.“ und verweist dazu auf Seibert 1967. Die Texte entsprechen nicht der literaturwissenschaftlichen Definition einer Satire, vgl. Jäger 2004: 2. Seibert 1967: 12 f Anm. 5 verwendet die Bezeichnung „Charakteristik“, wobei er diese Textgattung nicht auf die Beschreibungen von Berufstätigkeit beschränkt sah. Ich folge hier dem Vorschlag von Jäger 2004: 3, der diese Texte als „Berufstypologien“ bezeichnet.  Zum Beispiel: „Der Schmuckarbeiter bohrt Perlen aus, / in jeder Art von Hartgestein. / Hat er eine Elle Arbeit vollendet, / dann sind seine Arme lahm wegen seiner Mühe. / Er setzt sich an die Nahrung des Re, / doch seine Knie und sein Rücken sind gebeugt“ („Lehre des Dua-Cheti“, Kap. 6, Z. 1– 3, Übersetzung von Jäger 2004: 135). „Der Bäcker ist beim Backen, / indem er Brote ins Feuer hinablässt. / Sein Kopf ist im Ofen, / an den Füßen hält ihn sein Sohn fest; / ein Versehen seitens seines Sohnes, / und er fällt von dort in die Tiefe“ („Soldat, Priester und Bäcker“, Z. 14– 16, Übersetzung von Jäger 2004: 226). „Der Ruderer ist erschöpft, / mit einem Ruder in der Hand, / einer Peitsche auf dem Rücken / und einem Bauch ohne Brot“ („Die Berufe am Wasser“, Z. 7– 8, Übersetzung von Jäger 2004: 233).

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2.5.1 Übersetzung und Textkritik ‫( ֹכּה־ָאַמר ְיה ָוה ֶמֶלְך־יִ ְשׂ ָרֵאל ְוֹגֲאלוֹ ְיה ָוה ְצָבאוֹת ֲא ִני ִראשׁוֹן‬) So hat Jhwh gesprochen, der König Israels ‫ ַוֲא ִני ַאֲחרוֹן וִּמ ַבְּלָע ַדי ֵאין ֱאל ִֹהים׃‬und sein Löser, Jhwh der Heere: „Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und außer mir gibt es keinen Gott. ‫אִתיּוֹת‬ ֹ ‫( וִּמי־ָכמוֹ ִני יְִק ָרא ְו ַי ִגּי ֶדָה ְו ַיְע ְרֶכָה ִלי ִמשּׂוִּמי ַעם־עוָֹלם ְו‬) Und wer ist wie ich? Er soll rufen a und es ‫בא ָנה ַי ִגּידוּ ָלמוֹ׃‬ ֹ ‫ ַוֲא ֶשׁר ָתּ‬verkündigen und es mir darlegen, seit ich das Volk der Urzeit einsetzte b, und die kommenden Dinge und die, die kommen werden, sollen sie [uns] c verkünden. ‫( ַאל־ ִתְּפֲחדוּ ְוַאל־ ִתּ ְרהוּ ֲהל ֹא ֵמָאז ִה ְשַׁמְע ִתּיָך ְוִה ַגּ ְד ִתּי ְוַא ֶתּם‬) Zittert nicht und [erschreckt] d nicht! Habe ich ‫ ֵע ָדי ֲה ֵישׁ ֱאלוַֹּה ִמ ַבְּלָע ַדי ְוֵאין צוּר ַבּל־ ָי ָדְע ִתּי׃‬dich nicht früher hören lassen und verkündigt? Ihr seid meine Zeugen: Gibt es einen Gott außer mir? Es gibt keinen Fels, ich kenne keinen.“ e ‫תּהוּ ַוֲחמוּ ֵדיֶהם ַבּל־יוִֹעילוּ ְוֵע ֵדיֶהם ֵה ָמּה‬ ֹ ‫( ְצ ֵרי־ֶפֶסל ֻכּ ָלּם‬) Götterbild-Hersteller sind alle Nichts, und ‫בשׁוּ׃‬ ֹ ‫ ַבּל־יִ ְראוּ וַּבל־ ֵי ְדעוּ ְלַמַען ֵי‬ihre Lieblinge nützen nichts. Ihre Zeugen sind sie f: Sie sehen nichts und wissen nichts, so dass g sie zuschanden werden. ‫( ִמי־ ָיַצר ֵאל וֶּפֶסל ָנָסְך ְלִבְל ִתּי הוִֹעיל׃‬) Wer hat einen Gott gebildet und ein Götterbild gegossen, dass (es) nichts nütze? ‫בשׁוּ ְוָח ָר ִשׁים ֵה ָמּה ֵמָא ָדם יְִתַק ְבּצוּ ֻכ ָלּם ַיֲעמֹדוּ‬ ֹ ‫( ֵהן ָכּל־ֲחֵב ָריו ֵי‬) Siehe, alle seine Gefährten werden zu‫בשׁוּ ָיַחד׃‬ ֹ ‫ יְִפֲחדוּ ֵי‬schanden werden, und was die Handwerker betrifft, sie sind Menschen h. Sie versammeln sich alle, sie stehen da und zittern und schämen sich in einem. ‫( ָח ַרשׁ ַבּ ְר ֶזל ַמֲעָצד וָּפַעל ַבּ ֶפָּחם וַּב ַמּ ָקּבוֹת יִ ְצּ ֵרהוּ ַו ִיְּפָעֵלהוּ‬) Ein Eisenhandwerker, ein Beil i [macht er] i ‫ ִבּ ְזרוֹ ַע ֹכּחוֹ ַגּם־ ָרֵעב ְוֵאין ֹכּ ַח ל ֹא־ ָשָׁתה ַמיִם ַו ִיּיָעף׃‬mit Kohlefeuer und mit Hammern formt er es und er macht es mit seinem kräftigen Arm, auch ist er hungrig und hat keine Kraft, er hat kein Wasser getrunken und ist müde. ‫( ָח ַרשׁ ֵעִצים ָנָטה ָקו ְיָתֲא ֵרהוּ ַב ֶשּׂ ֶרד ַיֲע ֵשׂהוּ ַבּ ַמְּקֻצעוֹת‬) Ein Holzhandwerker spannt eine Schnur, er ‫ וַּב ְמּחוּ ָגה ְיָתֳא ֵרהוּ ַו ַיֲּע ֵשׂהוּ ְכַּתְב ִנית ִאישׁ ְכִּתְפֶא ֶרת ָא ָדם‬umreißt es mit dem Reißstift, er macht es mit den ‫ ָל ֶשֶׁבת ָבּיִת׃‬Schnitzmessern und mit dem Zirkel umreißt er es. Er hat es gemacht wie das Bild eines Mannes, wie die Herrlichkeit eines Menschen, damit es ein Haus bewohne. ‫( ִלְכ ָרת־לוֹ ֲא ָר ִזים ַו ִיּ ַקּח ִתּ ְר ָזה ְוַאלּוֹן ַו ְיַא ֶמּץ־לוֹ ַבֲּעֵצי־ ָיַער ָנַטע‬) [Er hat] j für sich Tannen k gefällt und nahm ‫א ֶרן ְו ֶג ֶשׁם ְי ַג ֵדּל׃‬ ֹ eine Steineiche oder eine Eiche und ließ (sie) für sich stark werden unter den Bäumen des Waldes. Er hatte Lorbeer l gepflanzt, und Regen lässt (ihn) wachsen. ‫( ְוָה ָיה ְלָא ָדם ְלָבֵער ַו ִיּ ַקּח ֵמֶהם ַו ָיָּחם ַאף־ ַי ִשּׂיק ְוָאָפה ָלֶחם‬) Und es war für den Menschen zum Ver‫ ַאף־יְִפַעל־ֵאל ַו ִיּ ְשׁ ָתּחוּ ָע ָשׂהוּ ֶפֶסל ַו ִיְּס ָגּד־ָלמוֹ׃‬brennen, und er nahm davon und wärmte sich, auch zündet er (es) an und backt Brot, auch

2.5 Jes 44,9 – 20

‫ֶחְציוֹ ָשׂ ַרף ְבּמוֹ־ֵאשׁ ַעל־ֶחְציוֹ ָבּ ָשׂר י ֹאֵכל יְִצֶלה ָצִלי ְויִ ְשׂ ָבּע‬ ‫ַאף־ ָיחֹם ְוי ֹאַמר ֶהָאח ַחמּוִֹתי ָרִאיִתי אוּר׃‬

‫וּ ְשֵׁא ִריתוֹ ְלֵאל ָע ָשׂה ְלִפְסלוֹ יְִס ָגּוד־לוֹ ְויִ ְשׁ ַתּחוּ ְויְִת ַפּ ֵלּל ֵאָליו‬ ‫ְוי ֹאַמר ַה ִצּיֵל ִני ִכּי ֵאִלי ָא ָתּה׃‬

‫בָּתם׃‬ ֹ ‫ל ֹא ָי ְדעוּ ְול ֹא ָיִבינוּ ִכּי ַטח ֵמ ְראוֹת ֵעי ֵניֶהם ֵמַה ְשׂ ִכּיל ִל‬

‫ְול ֹא־ ָי ִשׁיב ֶאל־ִלבּוֹ ְול ֹא ַדַעת ְול ֹא־ְתבוּ ָנה ֵלאמֹר ֶחְציוֹ ָשׂ ַרְפ ִתּי‬ ‫אֵכל ְויְִתרוֹ‬ ֹ ‫ְבמוֹ־ֵאשׁ ְוַאף ָאִפיִתי ַעל־ ֶגָּחָליו ֶלֶחם ֶאְצֶלה ָב ָשׂר ְו‬ ‫ְלתוֵֹעָבה ֶאֱע ֶשׂה ְלבוּל ֵעץ ֶאְסגּוֹד׃‬

‫ר ֶֹעה ֵאֶפר ֵלב הוַּתל ִהָּטהוּ ְול ֹא־ ַי ִצּיל ֶאת־ ַנְפשׁוֹ ְול ֹא י ֹאַמר‬ ‫ֲהלוֹא ֶשֶׁקר ִבּיִמי ִני׃‬

a

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macht er einen Gott und verneigt sich. Er machte ein Götterbild und beugte sich vor ihm m! () Die Hälfte davon verbrannte er im Feuer, auf der Hälfte davon Fleisch, er [brät] n es, er [isst] n Gebratenes und sättigt sich, auch wärmt er sich und sagt: „Ha, ich habe mich gewärmt und Feuer gesehen!“ () Den Rest davon macht er zu einem Gott, seinem Götterbild, er beugt sich vor ihm und verneigt sich und betet zu ihm und sagt: „Rette mich, denn mein Gott bist du!“ () Sie haben nicht erkannt und haben keine Einsicht, denn verputzt sind o ihre Augen, so dass sie nicht sehen, und ihre Herzen, (so dass sie) keine Einsicht haben. () Er geht nicht in sich, und er (hat) nicht Erkenntnis und Einsicht zu sagen: „Die Hälfte davon habe ich verbrannt im Feuer, und auch habe ich Brot gebacken auf seinen Kohlen, ich brate Fleisch und esse (es), und seinen Rest mache ich zu einem Gräuel, vor einem Holzklotz beuge ich mich.“ () Er gibt sich mit Asche ab p, das Herz ist getäuscht, es verführt ihn, und er rettet sein Leben nicht und sagt nicht: „Ist nicht Trug in meiner Rechten?“

Westermann a: ; Fohrer : ; Elliger :  u. a. ändern mit LXX (στήτω καλεσάτω καὶ ἑτοιμασάτω μοι) zu ‫„( ַיֲעמֹד ְויְִק ָרא‬Er trete vor und rede“). Das passt gut in die Situation der Gerichtsrede, könnte aber auch eine von LXX ergänzte Verdeutlichung sein. b Oort :  und ihm folgend Elliger :  u. a. nehmen hier Textverderbnis an. Sie ändern zu ‫„( ִמי ִה ְשִׁמי ַע ֵמעוָֹלם‬Wer hat von jeher hören lassen?“) und entfernen das folgende ‫ ְו‬. Da die Versionen den MT stützen, schlägt Schoors :  f näher am Konsonantenbestand ‫ִמי ַי ְשִׁמי ַע‬ ‫אִתיּוֹת‬ ֹ ‫ ֵמעוָֹלם‬vor. Vgl. für weitere ähnliche Vorschläge Torrey :  (Ptz.); Koole : . Auch dann bleibt rätselhaft, wie die lectio difficilior des MT entstanden sein soll. Zum möglichen Sinn des MT vgl. Barthélemy : ; Berges : . c Bei ‫ ָלמוֹ‬handelt es sich wohl um einen Schreibfehler; ich lese stattdessen mit LXX und Targum ‫ָלנוּ‬ so schon Marti : ; Köhler : ; North : ; Elliger  u. a. d Eine semitische Wurzel ‫ רחה‬ist nicht bezeugt; Guillaume : I ; Elliger : ; HALAT u. a. nehmen eine Wurzel ‫(„ ירּה‬vor Schreck) gelähmt sein“ zu arab. wariha an; dagegen wendet schon Torrey :  und neuerdings wieder Weippert :  ein, dass die arabische Wurzel eine andere Bedeutung habe. QJesa liest (facilior) ‫תיראו‬. Jedenfalls ist ein Parallelbegriff zu ‫ פחד‬anzunehmen. e Diesen etwas wunderlichen Text stützen Vg und Peschitta; LXX liest in V.bβ stattdessen καὶ οὐκ ἦσαν τότε. Dass LXX die Gottesbezeichnung ‫ צוּר‬vermeidet, ist auch an anderen Stellen belegt (vgl. Jes ,; ,; ,; dazu Seeligmann : ), erklärt aber nicht die weiteren Abwei-

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chungen. Eher scheint daher bereits LXX über einen schwer verständlichen Text gestolpert zu sein. Verschiedentlich wurden daher Konjekturen vorgeschlagen, insbesondere ‫ ְוִאם‬statt ‫( ְוֵאין‬Houbigant : ; Klostermann :  u. a.) und ‫ ִמ ַבְּלָע ָדי‬statt ‫( ַבּל־ ָי ָדְע ִתּי‬Houbigant : ; Marti : ; ähnlich Duhm :  [‫ ] ִבְּלָע ַדי‬u. a.; beeinflusst von V.?). Aber warum ein so einleuchtender Text Schwierigkeiten bereitet haben soll, bleibt unklar. Siehe weiter ... f Über ‫ ֵה ָמּה‬stehen puncta extraordinaria. Schwierigkeiten bereitet offenbar die Zuordnung des Subjekts, aber ob mit oder ohne ‫ ֵה ָמּה‬verweist ‫ ֵע ֵדיֶהם‬parallel zu ‫ ֲחמוּ ֵדיֶהם‬auf die Götterbilder (mit Holter :  f; vgl. auch Buhl : ). In der LXX fehlt ‫ ְוֵע ֵדיֶהם ֵה ָמּה ַבּל־יִ ְראוּ וַּבל־ ֵי ְדעוּ‬, was aber mit Torrey :  f durch aberratio oculi (von ‫ ַבּל־יוִֹעילוּ‬zu ‫ ) ַבּל־ ֵי ְדעוּ‬erklärt werden könnte. g ‫( ְלַמַען‬eigentlich „damit“) könnte hier als unintendierte Folge verstanden werden; die ähnliche Formulierung in Hos , (ebenfalls im Zusammenhang mit Götterbildern, vgl. noch Jer ,) könnte aber auch auf eine ironische Verwendung (vgl. HALAT: ) hinweisen. h Zur Syntax vgl. Waltke/O’Connor :  f (‫ ִמן‬ist partitiv). i Liest man ‫ ַמֲעָצד‬als ein Werkzeug, fehlt in diesem Teilvers das Verb (die LXX weicht in V. f stark ab). Elliger :  liest stattdessen ein Verb aus der Wurzel ‫עצב‬, muss aber (da das Partizip hier nicht passt, gegen Torrey :  und ihm folgend Westermann a: ) dennoch konjizieren und das fehlende Objekt ergänzen. Da ‫ ַמֲעָצד‬in Jer , aufgenommen wird (siehe ....), halte ich es für sinnvoller, dieses Wort hier beizubehalten und mit Schroer :  ‫( יְִפַעל‬statt ‫ )וָּפַעל‬zu lesen, da damit auch das Problem des fehlenden Objekts gelöst wird. j Duhm :  liest ‫ ; ָכּ ַרת‬Torrey :  ‫ ;יְִכר ֹת‬andere stellen ein konjugiertes Verb vor den Infinitiv (‫ָהַלְך‬, Marti : ; Volz : ; Thomas : ; ‫ ָיָצא‬, Westermann a:  Anm. ), was letztlich keinen wesentlichen Unterschied macht (vgl. North : ). Elliger :  möchte den unvermittelten Einsatz mit Infinitiv durch die Übernahme aus einem anderen (unbekannten) Textzusammenhang erklären; dabei bleibt aber m. E. unklar, warum ein Ergänzer einen so ungrammatischen Text hätte herstellen sollen. Jedenfalls scheint schon LXX (ὃ ἔκοψεν) einen ungewöhnlichen Satzbeginn vorgefunden zu haben. k Abies Cilicia, mit Köhler :  – ; Schroer : ; HALAT. l Lorbeer ist weder in Mesopotamien noch in Palästina endemisch. Genau das könnte (mit Elliger : ) erklären, warum dieser Baum erst gepflanzt werden muss. Schroer :  f mit Anm.  verweist stattdessen auf akk. erēnu(m) „Zeder“ (vgl. auch Berlejung :  Anm. ). Möglicherweise handelt es sich aber um den nicht identifizierten Baum urnu, der in Texten aus Ugarit und Mari belegt ist, vgl. Sherwin :  – . m Gesenius [= ]: § f Anm.  verweist u. a. auf Ps ,; Hi , wo ‫מוֹ‬- ebenfalls als Suffix . Sg. m. steht. Eine Textänderung ist demnach unnötig, mit Thomas : ; Elliger :  u. a. n Mit LXX und V. ist zu vermuten, dass ‫ י ֹאֵכל‬und ‫ יְִצֶלה‬vertauscht wurden (so Elliger :  f). o Eine Textänderung ist unnötig (mit Elliger : ), denn vor Subjekten im Pl. kann das Verb im Sg. stehen, vgl. Gesenius [= ]: §o; Joüon/Muraoka : §b. p Neben der Wurzel ‫ רעה‬I, „hüten“, existiert ein Homonym ‫ רעה‬II, „sich einlassen mit“, das in weisheitlicher Literatur verwendet wird, um schlechten Umgang auszudrücken. Die ähnlichen Formulierungen in Prov ,; ,; , sowie die weisheitlichen Anklänge im Kontext (dazu s. u. ....) sprechen m. E. dafür, dass diese Bedeutung hier gemeint ist. So übersetzt auch Elliger :  (aber ohne Verweis auf die weisheitliche Sprache), und vermutlich König :  („Wenn einer Haltlosem nachhängt“).

2.5 Jes 44,9 – 20

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2.5.2 Durchgang durch den Text a) Der Abschnitt beginnt mit der Jhwh-Rede V.6 – 8. Sowohl das Thema der Aufforderung zur Verkündigung³⁰² als auch die Begriffe ‫„( ערְך‬vorlegen“ von Beweisen als juristischer terminus technicus ³⁰³) und ‫„( ֵעד‬Zeuge“) zeigen, dass wir uns wieder im Bereich der Gerichtsreden befinden.³⁰⁴ Fraglich ist die Ursprünglichkeit von V.8bβ. Die Gottesbezeichnung ‫ צוּר‬begegnet sonst nicht in DtJes, und auch der Sinn des ‫ ַבּל־ ָי ָדְע ִתּי‬in einer Jhwh-Rede ist unklar.³⁰⁵ Möglicherweise handelt es sich um eine später zugesetzte Leserreaktion, die durch die Assoziation mit Ps 18,32//2 Sam 22,32; 1 Sam 2,2 entstanden ist. b) Mit V.9 beginnt ein längerer Text über die Hersteller von Götterbildern. Die mit der Götterherstellung befassten V.9 – 20 unterbrechen die Anrede des Gottesvolkes in der 2. Pl., deren ursprüngliche Fortsetzung vermutlich in V.21 ff zu finden ist.³⁰⁶ Für V.9 – 11 ist zudem zu beobachten, dass die Auseinandersetzung mit den Göttern zwar in gewisser Hinsicht weitergeführt wird, aber nicht auf der Ebene des Weissagungsbeweises wie in V.6 – 8. Die Gerichtssituation wird beibehalten, jedoch wechselt abrupt die Besetzung und der Gegenstand der Verhandlung. Diese oberflächliche Beziehung, hinter der eine Spannung sichtbar wird, zeigt sich auch in dem V.6 – 8 und V.9 – 11 gemeinsamen Vokabular.³⁰⁷ So bezeichnet ‫ ֵעד‬in V.8 wie in 43,9 f.12 „jemanden, der die Geschichtsmächtigkeit seines Gottes aufgrund erfüllter Weissagungen ‚bezeugen‘ kann.“³⁰⁸ In V.9 hingegen werden die nutzlosen

 ‫ נגד‬Hi., vgl. 41,22 f.26; 43,9.12; 45,21; 46,10; ‫אִתיּוֹת‬ ֹ , vgl. 41,23; zu ‫בא ָנה‬ ֹ ‫ ָתּ‬vgl. ‫ ָבּאוֹת‬in 41,22;‫ ֵמָאז‬, vgl. 45,21; ‫ שׁמע‬Hi., vgl. 41,22.26; 43,9.12; 45,21.  Vgl. Begrich 1963: 42 mit Anm. 138.  Zu 44,6 – 8 als Gerichtsrede vgl. auch Boecker 1970: 162 f; Schoors 1973: 228.  Man könnte höchstens mit Torrey 1928: 347 vermuten, dass es sich wie in 41,23b um eine ironische Bemerkung handelt. Die entsprechenden Formulierungen in Jes 41 (vgl. auch 41,22b.23bβ) stehen aber im Pl. und beziehen so die Leser/Hörer mit ein.  So mit Duhm 1968: 333; Westermann 1981a: 119. Zum Zusammenhang von Jes 44,6 – 8.21 ff vgl. Duhm 1968: 337; Kratz 1991a: 66 Anm. 231. Jes 44,9 – 20 wird von den meisten Exegeten für einen sekundären Einschub gehalten, vgl. noch Elliger 1978: 416 f; Merendino 1981: 385; Blenkinsopp 2002: 240; anders Matheus 1987: 318 (vgl. dagegen aber Werlitz 1999: 229 Anm. 357); Bonnard 1972: 159.  Die V.6 – 8 und V.9 – 11 sind über die Wörter ‫( ֵעד‬V.8.9), ‫( ִמי‬7.10), ‫( פחד‬V.8.11) und, falls V.8bβ schon vorausgesetzt werden kann, ‫( ַבּל־ ָי ָדְע ִתּי‬V.8) und ‫( וַּבל־ ֵי ְדעוּ‬V.9) verbunden. M. E. ergibt sich aus dieser Vokabularanknüpfung aber keine klar strukturierte Gegenüberstellung: V.6 – 8: Israel als Zeugen Jhwhs; rhetorische Wer?-Frage drückt Einzigkeit Jhwhs aus; Israel soll nicht zittern – V.9 – 11: die Bilder als Zeugen der Hersteller; rhetorische Wer?-Frage drückt Sinnlosigkeit des Unterfangens der Bilderhersteller aus; die Handwerker zittern.  Elliger 1978: 415.

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Götterbilder als „Zeugen“ ihrer Hersteller bezeichnet. Die deutliche Anknüpfung an V.6 – 8, während gleichzeitig die zugrunde liegenden Argumentationsmuster verlassen werden, machen V.9 – 11³⁰⁹ als sekundäre Fortschreibung von V.6 – 8 wahrscheinlich.³¹⁰ c) Mit V.12 setzt ein neuer Abschnitt ein: Nach dem Angriff auf die GötterbildHersteller im Allgemeinen folgt nun in V.12 f die Beschreibung der Tätigkeit zweier anscheinend an diesem Vorgang beteiligter Handwerker, eines Eisenhandwerkers (V.12) und eines Holzhandwerkers (V.13). Anders als V.9 – 11 interessieren sich V.12 f für die Vorgänge bei der Herstellung eines Götterbildes,³¹¹ die in V.9 leitenden Stichwörter ‫ יעל‬Hi. und ‫ בושׁ‬kommen hingegen nicht mehr vor. Literarkritisch bedeutsam scheint mir aber besonders, dass die Verbindung zu V.6 – 8 in V.12 plötzlich abbricht. Während V.9 – 11 durchgehend in Bezug auf Setting und Vokabular an das Vorangehende anknüpfen, sind V.12 f mit V.6 – 8 gar nicht und mit V.9 – 11 nur thematisch (Handwerker) verbunden. Ich vermute daher, dass V.12 f nicht zusammen mit V.9 – 11 entstanden sind. Die V.12 f sind der Form und dem Inhalt nach der Gattung der Berufstypologie zuzuordnen (vgl. die Beispiele in Anm. 301 und s.u. 2.5.3.3.1): Der Nennung des Handwerkers folgt jeweils eine kurze Beschreibung seiner mühevollen Tätigkeit. In dieser Weise illustrieren sie das in V.11 gezeichnete jämmerliche Bild der Handwerker, was der Grund für ihre Einfügung an dieser Stelle gewesen sein dürfte. d) V.14– 17 berichten von V.12 f unabhängig einen Vorgang der Bilderherstellung. Aufbau und Argumentation des Abschnitts unterscheiden sich deutlich von V.12 f. Es handelt sich offensichtlich nicht um eine weitere Strophe einer Berufstypologie. Auch als Fortsetzung zu V.13 lassen sich die Verse nicht erklären: Abgesehen von der Störung der zeitlichen Abfolge (in V.13 ist von der Anfertigung und Fertigstellung des Bildes die Rede,V.14 setzt mit dem Fällen des Baumes ein)³¹² ist das Subjekt von V.14– 17 nicht der Holzhandwerker (‫ָח ַרשׁ ֵעִצים‬, V.13), sondern schlicht ein Mensch (‫ָא ָדם‬, V.15). Das Herstellen eines Götterbildes (V.15.17) ist nur eine unter  Roth 1975: 23 Anm. 12 hält aufgrund des Numeruswechsels V.9 – 11 für in sich uneinheitlich. Der Singular in V.10 erklärt sich m. E. aber aus der Anlehnung an die dtjes Gerichtsfragen ‫ ִמי‬+ 3. Sg. m.  Mit Elliger 1978: 416; ähnlich Westermann 1981a: 121. Es wird eben gerade nicht – wie Baltzer 1999: 252 in Bezug auf Jes 44,9 – 20 insgesamt in seinem dtjes Kontext schreibt – „das gleiche Vokabular […] hier wie sonst verwendet“.  Die Herstellungsweise des Götterbildes ist in V.9 – 11 irrelevant (‫יצר ֵאל‬//‫) ֶפֶּסל נסְך‬, der Punkt ist, dass sie nichts nützen. Dies hingegen kommt in V.12 f nicht mehr zur Sprache.  Dick 1999: 25 f sieht darin eine bewusste Parodie des mesopotamischen Mundwaschungsrituals. Zur Kritik an dieser These vgl. Berlejung 1998: 386.

2.5 Jes 44,9 – 20

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seinen vielen (alltäglichen) Aktivitäten. V.14– 17 dürfte daher nicht vom gleichen Verfasser stammen wie V.12 f ³¹³ und wurde wahrscheinlich aufgrund des Themas „Holz“ hier angeschlossen. e) Auf die beschreibenden Abschnitte V.12 f.14– 17 folgt ab V.18 eine wertende Deutung. V.18 setzt eine Bezugsgröße im Plural voraus („sie“) und kann sich also nicht nur auf V.14– 17 beziehen, sondern setzt V.9 – 11 und/oder V.12 f voraus. Die Thematik des Nicht-Erkennens und Nicht-Sehens erinnert an V.9 – 11, doch anders als dort wird die Negation ‫( ל ֹא‬nicht ‫ ) ַבּל‬verwendet. Auch die in V.9 – 11 dominierenden Themen der Nutzlosigkeit der Bilder und der Schande der Hersteller werden nicht fortgesetzt, so dass V.18 schwerlich den ursprünglichen Abschluss einer mit V.9 – 11 beginnenden Einheit bilden kann. Es scheint mir aber wahrscheinlich, dass V.18 V.9 – 11 bereits voraussetzt und daraus das Thema der Erkenntnislosigkeit der Handwerker (V.9) aufnimmt. Mit den berufstypologischen V.12 f scheint V.18 auf den ersten Blick nichts gemeinsam zu haben. Doch dazu ist zu bedenken, dass die älteste Funktion der ägyptischen Berufstypologien der Erweis der Überlegenheit des Schreiberberufes ist. Die Verarbeitung einer Berufstypologie kann, wie das Beispiel Sir 38,24– 39,11 zeigt, in Richtung einer Trennung der Handwerker von weisheitlicher Erkenntnis gehen. Daher vermute ich, dass V.18 den ursprünglichen Abschluss zu V.12 f bildet. Die gegenüber Sir (und älteren ägyptischen Berufstypologien) schärfere Verurteilung könnte sich aus der Anpassung der Gattung an ihre Verwendung innerhalb der Polemik erklären. f) V.19 f wechseln wieder zurück in den Singular und beziehen sich klar (und ausschließlich) auf V.14– 17. Dass ein Späterer durch den Einschub von V.18 diese abschließende Erläuterung und Wertung von V.14– 17 abgetrennt hätte, erscheint mir eher unwahrscheinlich, da der pluralische und allgemein gehaltene V.18 dann besser als Abschluss nach V.20 zur Geltung gekommen wäre. Außerdem knüpft V.19 durch ‫בין‬, ‫ ידע‬und ‫ ֵלב‬chiastisch an V.18 an und setzt diesen also voraus.³¹⁴ Während V.18 gegenüber V.19 keine neuen Aussagen enthält, und als Ausweitung des Urteils auf alle genannten Handwerker an der falschen Stelle stehen würde,³¹⁵ erklärt sich V.19 f problemlos als Fortschreibung von V.18, die dieses Urteil kon-

 Mit Elliger 1978: 418 f und Merendino 1981: 384 (der aber V.18a.19 dazu nimmt); anders Matheus 1987: 315; Berlejung 1998: 386 u. a.  Anders Petry 2007: 158 und auch Westermann 1981a: 123, der V.18 für eine Glosse hält.  Der Aspekt der Ausweitung wird auch nicht, wie es bei einem genau zu diesem Zweck eingefügten Zusatz zu erwarten wäre, besonders hervorgehoben (z. B. durch ‫) ֹכּל‬.

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kreter auf den Menschen aus V.14– 17 zuspitzt. Es dürfte sich daher bei V.19 f um einen späteren Zusatz handeln, der sowohl V.14– 17 als auch V.18 voraussetzt.³¹⁶ Aus diesem Durchgang durch den Text ergibt sich folgendes Bild: Jes 44,9 – 20 ist in sich nicht einheitlich und stellt insgesamt einen sekundären Einschub in Jes 44 dar, dessen einzelne Fortschreibungen aufeinander aufbauen. Wahrscheinlich wurden zunächst V.9 – 11 im Anschluss an die Gerichtsrede V.6 – 8 formuliert. Im nächsten Schritt wurden V.12 f.18 hinzugefügt, um die erbärmliche Lage der Handwerker durch eine berufstypologische Beschreibung zu illustrieren. Später wurde mit V.14– 17 ein weiteres Beispiel ergänzt, das Holz als Material aus V.13 aufnimmt. Als letztes sind die V.19 – 20 hinzugekommen, die die in V.18 ausgedrückte Erkenntnislosigkeit auf den Menschen aus V.14– 17 hin verdeutlichen.

2.5.3 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jes 44,6 – 20 2.5.3.1 Grundschicht Jes 44,6 – 8bα Jhwhs Einzigkeitsaussagen behaupten seine Einzigkeit als Gott (‫ִמ ַבְּלָע ַדי ֵאין ֱאל ִֹהים‬, V.6bβ; ‫ֲה ֵישׁ ֱאלוַֹּה ִמ ַבְּלָע ַדי‬, V.8bα) und sind mit Jhwhs Ankündigen begründet (V.7 f). Die Vergleichbarkeitsfrage in V.7 wird als Herausforderung an mögliche Konkurrenten fortgesetzt. Diese Betonung des Ankündigens als entscheidendes Element von Jhwhs Einzigkeit gegenüber konkurrierenden Ansprüchen sowie die Verwendung von Rechtssprache erinnern an die Gerichtsrede Jes 41,21– 29. Nur ist Jhwhs Rede nun nicht mehr an die Götter (oder wie 41,1– 4 an die Völker), sondern an Israel gerichtet. Das kündigt sich schon in der Bezeichnung Jhwhs als ‫( ֶמֶלְך־יִ ְשׂ ָרֵאל ְוֹגֲאלוֹ‬V.6) an und bestätigt sich in der Fortsetzung in V.21 ff.³¹⁷ Im Zentrum steht nun nicht mehr die Zurückweisung der konkurrierenden Ansprüche; vielmehr soll deutlich gemacht werden, was die Gewissheit über diese Einzigkeit Jhwhs für sein Volk bedeutet. Beziehungen zur Weisheit sind weder in Sprache noch Inhalt erkennbar. Insgesamt liegt V.6 – 8 also im Hinblick auf Götterpolemik und Weisheit ganz auf der Linie von Jes 41,*21– 29.

 Mit Elliger 1978: 422; Kratz 1991a: 193 Anm. 632.  Auch die Aufforderung, sich nicht zu fürchten (hier ungewöhnlich formuliert, vgl. Textanm. d), ergeht immer an Israel/Jakob,vgl. 41,10.13.14; 43,1.5; 44,2. Die Ausrichtung auf das Volk hin zeigt sich auch darin, dass es nun als Zeuge (‫ַא ֶתּם ֵע ָדי‬, V.8) einbezogen wird.

2.5 Jes 44,9 – 20

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2.5.3.2 Zusatz Jes 44,9 – 11 2.5.3.2.1 Weisheitliches in Jes 44,9 – 11 An weisheitliches Gedankengut mag der Vorwurf der Erkenntnislosigkeit in V.9 erinnern. Doch die Kombination von ‫ ראה‬und ‫( ידע‬V.9) ist im AT häufig belegt³¹⁸ und kann nicht für weisheitlichen Einfluss in Anspruch genommen werden. Im Zusammenhang mit Zeugen (‫ )ֵעד‬wäre eher zu vermuten, dass es sich hier um eine Anspielung auf Rechtssprache handelt, denn nach Lev 5,1 (‫) ְוהוּא ֵעד אוֹ ָרָאה אוֹ ָי ָדע‬ charakterisiert ‫ ראה‬oder ‫ ידע‬einen Zeugen. Auch die ‫ִמי‬-Frage (V.10) steht hier nicht wie in Jes 40 in einem weisheitlich geprägten Zusammenhang, sondern leitet sich aus der Nachahmung einer Gerichtsverhandlung ab (vgl. die ‫ִמי‬-Fragen in 41,2.4.26; 44,7). Schließlich wäre möglich, dass die Verwendung von ‫ יעל‬auf einen weisheitlichen Diskurs verweist. In der dtjes Grundschicht verläuft die Trennlinie zwischen Jhwh und den Göttern zwischen Tun und Nicht-Tun (vgl. ‫עשׂה‬/‫פעל‬, 41,4.24.29), zwischen Verkündigen und Nicht-Verkündigen (vgl. ‫ נגד‬Hi./‫ שׁמע‬Hi., Jes 41,22 f.26; 44,7 f), zwischen Retten und Nicht-Retten (vgl. ‫ ישׁע‬Hi., 43,11 f; 45,21). Die Frage des Nützens (‫ )יעל‬spielt darin keine Rolle. Der Begriff begegnet hingegen in der Weisheitsliteratur (vgl. Prov 10,2; 11,4; Hi 15,3; 21,15; 30,13; 35,3). Doch im Zusammenhang mit Götterpolemik wird ‫ יעל‬bereits in Texten verwendet, die vor Jes 44,9 – 11 entstanden sein könnten (Jer 2,8.11),³¹⁹ so dass eine Abhängigkeit vom weisheitlichen Diskurs höchstens indirekt in Frage käme.

2.5.3.2.2 Götterpolemisches in Jes 44,9 – 11 Die Polemik gegen Götter und Götterhersteller ist in V.9 – 11 in Anlehnung an Rechtssprache formuliert. Ein Teil des Vokabulars ist dabei aus der unmittelbar vorangehenden Gerichtsrede V.6 – 8 entlehnt (‫ ֵעד‬aus V.8, ‫ִמי‬-Frage aus V.7); weitere Formulierungen teilen V.9 – 11 mit anderen dtjes Gerichtsreden: ‫תּהוּ‬ ֹ (V.9) ist u. a. das Verdikt über die Götterbilder in 41,29; ‫( ְלַמַען‬V.9) begegnet in ähnlichem Zusammenhang in 43,26;³²⁰ zuschanden werden (‫בושׁ‬, V.9.11) sollen auch die Gegner

 Vgl. Dtn 11,2; 1 Sam 12,17; 14,38; 18,28; 23,22 f; 24,12; 25,17; 26,12; 1 Kön 20,7; 2 Kön 5,7; Neh 4,5; Ps 138,6; Qoh 6,5; Jes 6,9; 29,15; 41,20; Jer 2,19; 5,1 u. ö.  Jer 16,19 ist vermutlich bereits von Jer 10 und Jes 45,20 – 25 abhängig und dürfte daher eher jünger als Jes 44,9 – 11 sein (s.u. 3.2.3.7).Vgl. noch 1 Sam 12,21; Jes 57,12; Jer 7,8; 23,32; Hab 2,18; über die angegebenen weisheitlichen und götterpolemischen Stellen hinaus ist der Begriff nur noch in Jes 30,5.6; 47,12; 48,17; Jer 12,13 belegt.  Nach der Aufforderung, vor Gericht zu treten (43,26a), folgt in 43,26b die Aufforderung, zu sprechen (‫ ַס ֵפּר ַא ָתּה‬vgl. in V.9 die Nennung der Zeugen), und der mit ‫ ְלַמַען‬eingeleitete (un)mögliche Ausgang der Verhandlung (‫ְלַמַען ִתְּצ ָדּק‬, vgl. in V.9 ‫בשׁוּ‬ ֹ ‫ ְלַמַען ֵי‬als Ergebnis des Verfahrens).

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im (Rechts‐)Streit in 41,11;³²¹ ‫( ֵהן‬V.11) leitet auch die Urteilssprüche in 41,24.29 ein;³²² ‫( קבץ‬V.11) als Zusammentreten zur Gerichtsverhandlung begegnet in 43,9; 45,20.³²³ Die Verwendung von Rechtssprache im Allgemeinen und von Sprache aus dtjes Gerichtsreden im Besonderen weist V.9 – 11 als eine parodistische Nachahmung dieser Gerichtsreden aus. Statt Jhwhs Geschichtsmächtigkeit wird hier über das sinnlose Tun der Hersteller nutzloser Götter verhandelt. Ähnlich wie in 41,5 sich die Inseln fürchten (‫)יִי ָראוּ‬, Israel sich aber nach 41,10 nicht fürchten soll (‫)ַאל־ ִתּי ָרא‬, zittern (‫ )פחד‬die Götterhersteller in 44,11 im Gegensatz zu dem von Jhwh in 44,8 angesprochenen Volk (‫)ַאל־ ִתְּפֲחדוּ‬.³²⁴ Wieder erweisen sich die Hersteller mit ihren Bilder-Göttern als hoffnungslos abgeschlagene Option gegenüber dem machtvollen Handeln Jhwhs für sein Volk. Die Anlehnung an Rechtssprache legt nahe, dass in V.9 die Zeugen Subjekt von ‫ ַבּל־יִ ְראוּ‬und ‫ ַבּל־ ֵי ְדעוּ‬sind (vgl. auch 43,10): Sie werden damit disqualifiziert, da sie gerade der für Zeugen wesentlichen Qualifikationen entbehren (vgl. Lev 5,1).³²⁵ Subjekt von ‫ ֵיבֹשׁוּ‬hingegen müssten im Rahmen der Rechtssprache nicht die Zeugen, sondern die Angeklagten sein, die – auch aufgrund ihrer untauglichen Zeugen – den Prozess verlieren. Wie in V.11 dürfte es sich hierbei um die Handwerker handeln. ‫ ֵע ֵדיֶהם‬bezeichnet parallel zu ‫ ֲחמוּ ֵדיֶהם‬die Götterbilder (vgl. Textanm. f). Die Unsicherheiten bezüglich der Subjekte in V.9b entstehen daraus, dass innerhalb des götterpolemischen Diskurses die Verben ‫ראה‬, ‫ ידע‬und ‫ בושׁ‬auch mit dem jeweils anderen Subjekt verwendet werden können (vgl. Jes 44,18; Jer 50,2). Dass Bild und Hersteller an dieser Stelle praktisch austauschbar erscheinen, zeigt ihre enge Verbundenheit und das einander entsprechende Ergehen, das auch andere götterpolemische Texte thematisieren.³²⁶ Etwas aus dem Rahmen der Rechtssprache fällt die Bezeichnung der Götter als ‫ ֲחמוּ ֵדיֶהם‬. ‫ חמד‬wird im AT häufig mit einer negativen Konnotation verwendet: Etwas wird aufgrund von sichtbarer Schönheit oder materiellem Wert begehrt und un-

 Zu ‫ בושׁ‬in 44,11 als Begriff der Rechtssprache vgl. auch Klopfenstein 1972: 80.  Und vgl. ‫בשׁוּ‬ ֹ ‫ ֵהן ֵי‬in 41,11.  Vgl. noch ‫ ִה ָקְּבצוּ ֻכ ְלֶּכם‬in 48,14.  Zu weiteren terminologischen Verbindungen zu V.6 – 8 s.o. 2.5.2 mit Anm. 307.  Eine andere polemische Pointe schlägt MacDonald 2007: 31 (= MacDonald 2009: 53) vor, der darin einen Verweis auf die Blindheit Israels in 42,16 – 20 und 43,8 vermutet, das nur durch Jhwh, nicht aber durch die Bilder-Götter erkennen kann (vgl. 48,5 – 8). Der für Israel bzw. den Knecht verwendete Begriff ‫( ִע ֵוּר‬42,16.18 f) wird allerdings nicht auf die Bilder-Götter angewendet, und gerade die Polemik in 42,17 verwendet das Motiv der Blindheit nicht. Ich verstehe daher V.9 – 11 nicht als einen auf Israel und die Bilder-Götter zugespitzten Kontrast, sondern als Gegenüberstellung eines dysfunktionalen Systems Hersteller/Bilder-Götter gegenüber dem funktionalen System Jhwh/Israel.  Vgl. Ps 115,8//135,18 und s.o. 2.4.5.2 zu Jes 45,20.

2.5 Jes 44,9 – 20

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rechtmäßig an sich gebracht.³²⁷ In Bezug auf Kultobjekte begegnet die Wurzel ‫חמד‬ noch in Jes 1,29 (‫ֵמֵאיִלים ֲא ֶשׁר ֲחַמ ְד ֶתּם‬, „wegen der Bäume, die ihr begehrt“) und Dan 11,37 (‫ֶחְמ ַדּת ָנ ִשׁים‬, „Liebling der Frauen“).³²⁸ Die Hersteller werden dadurch in eine sinnliche Beziehung zu den Bilder-Göttern gestellt.³²⁹ Ebenfalls eine Beziehung zwischen Herstellern und Bild drückt ‫ ֲחֵב ָריו‬in V.11 aus. Auch dieser Begriff ist hier wahrscheinlich negativ gemeint³³⁰ (vgl.‫ֶחֶבר‬, „Rotte“ in Hos 6,9; ‫ָחֵבר ]…[ ַמ ְשִׁחית‬, „Geselle […] des Verderbens“ in Prov 28,24) und ist in Bezug auf Kultobjekte noch in Hos 4,17 (‫ֲחבוּר ֲעַצ ִבּים‬, „verbündet mit Götterbildern“) belegt. An diesen Formulierungen zeigt sich noch einmal deutlich, dass sich die götterpolemischen Texte weniger mit Göttern befassen als mit den ihnen verbundenen Menschen: Im Vordergrund steht die problematische Beziehung der Hersteller/Verehrer zu ihren Bilder-Göttern, über die diese Personen abgewertet werden und der über den Kontext die heilvolle Beziehung zwischen Jhwh und seinem Volk gegenübergestellt werden kann (vgl. auch Jes 41,6 f).

2.5.3.3 Zusatz Jes 44,12 f.18 2.5.3.3.1 Götterpolemisches in Jes 44,12 f.18 Die Beschreibung von handwerklicher Tätigkeit in V.12 f erinnert an die kurzen Einschübe zur Herstellung von Götterbildern 40,19 f; 41,7. Wieder werden einige technische Begriffe verwendet (besonders auffällig die hapax legomena in V.13: ‫ ֶשׂ ֶרד‬, ‫ תאר‬Pi., ‫ַמְקצוָּעה‬, ‫)ְמחוּ ָגה‬, und es wird keine explizite Wertung formuliert. Die technische Seite der Herstellung ist hier besonders schwer zu deuten,³³¹ da in V.12aα wohl ein Verb fehlt, und ansonsten nur sehr allgemein von ‫ פעל‬und ‫יצר‬ gesprochen wird,³³² während V.13a durch die Verwendung der hapax legomena

 Vgl. Gen 3,6; Ex 20,17; Dtn 5,21; 7,25; Jos 7,21; Prov 6,25; Mi 2,2.  Auf diese beiden Stellen verweist Holter 1995: 135.  Vgl. zu dieser polemischen Strategie auch Sap 15,5.6.  Cazelles 1977: 723 vermutet hier ein Spiel mit der magischen Konnotation der Wurzel ‫חבר‬.  Verschiedentlich wurde vermutet, die Schwierigkeit entstehe aus unserer unzulänglichen Kenntnis der hebräischen Handwerkssprache, vgl. z. B. Thomas 1971: 329 f. Es wäre aber auch denkbar, dass die Verfasser selbst nicht so genau über die Bilderherstellung Bescheid wussten,wie Schroer 1987: 216 f aufgrund der unspezifischen Verben vermutet; vgl. dazu im Folgenden.  Möglicherweise wird durch ‫ פעל‬und ‫ עשׂה‬in V.12 f auf Jhwhs machtvolles Handeln angespielt (vgl. 41,1); die Probleme einer solchen Deutung sind aber ähnlich wie bei 40,19 f (s.o. 2.2.3.2.2). Holter 1995: 201 f; MacDonald 2007: 31; Levtow 2008: 63 u. a. lesen ‫ עשׂה‬und ‫ יצר‬in polemischem Kontrast zu Jhwhs Handeln in 44,21– 24. Als Assoziation ist das sicher denkbar, aber diese Verbindung scheint mir nicht die wesentliche Pointe der Polemik darzustellen. Dagegen spricht m. E., dass die Aufmerksamkeit der Leser in V.12 f eher auf die doppelt wiederholten Verben ‫ פעל‬und ‫עשׂה‬ als auf ‫ עשׂה‬und ‫ יצר‬gelenkt wird, und die beiden Verben nicht zusammen begegnen.

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sehr spezifisch scheint, aber hauptsächlich das Vorzeichnen des Bildes schildert. Dass es überhaupt um die Herstellung eines Götterbildes geht, kann man nur von V.13b her vermuten. Seltsam mutet in diesem Zusammenhang allerdings die Nennung des Eisenhandwerkers an, da Eisen als Material für Götterbilder nicht belegt ist.³³³ Schroer merkt zu dieser Stelle an, die beschriebenen Tätigkeiten seien „höchstens noch typisch für die jeweilige Handwerkerbranche, nicht aber für die Götzenbilder“.³³⁴ Ganz ähnliche Beschreibungen begegnen in ägyptischen Berufstypologien. Wie in den kurzen Portraits des Eisen- und des Holzhandwerkers in Jes 44,12 f wird in den einzelnen Strophen solcher Berufstypologien jeweils ein Handwerker als Subjekt eingeführt und dessen Tätigkeiten geschildert. Erschöpfung und Hunger als Folgen der harten Arbeit begegnen in den ägyptischen Berufstypologien ebenso wie in V.12bβ.γ.³³⁵ Die Verwandtschaft mit den ägyptischen Berufstypologien erklärt einige Merkwürdigkeiten der V.12 f: So hat der Eisenhandwerker als erster Beispielberuf vor dem Holzhandwerker wohl weniger mit der Herstellung von Götterbildern als mit der Aufzählung von Berufen in der Lehre des Dua-Cheti zu tun. Dort begegnet als erstes Beispiel der Kupferschmied (Kap. 4) „an der Öffnung seines Ofens“ (Z. 2, vgl. ‫ ֶּפָחם‬in V.12a), gefolgt vom Holzhandwerker³³⁶ (Kap. 5). In jüngeren ägyptischen Berufstypologien ist der Metallarbeiter nicht belegt, aber er taucht wieder auf in Sir 38,28, wo für den Schmied (χαλκεύς) ebenfalls das Feuer und die Hitze des Ofens (θέρμη καμίνου) genannt werden.³³⁷ Die V.12 f sind wohl nicht aus einer vorbestehenden Berufstypologie übernommen, sondern nach den Regeln der Textgattung „Berufstypologie“ für diesen Kontext gestaltet. Die Beschreibung des erschöpften Handwerkers in V. 12bβ.γ passt perfekt in eine Berufstypologie, erinnert aber gleichzeitig auch an Jes 40,28 –

 Vgl. Schroer 1987: 220 f. Dick 1999: 27 Anm. l vermutet daher, der Eisenhandwerker bereite das Werkzeug für den Holzhandwerker vor. So mit anderer Begründung schon Schroer 1987: 219: „Was der ‫ חרשׁ ברזל‬da verrichtet, hat mit dem Götterbild des ‫ חרשׁ עצים‬augenscheinlich nichts zu tun.“ Dabei bleibt aber schwierig, dass das Suffix 3. Sg. m. in V.12 auf etwas anderes verweisen muss als in V.13, und der Text keinen Hinweis auf eine solche Zusammenarbeit der Handwerker enthält – auch das Beil wird im Folgenden vom Holzhandwerker nicht verwendet.  Schroer 1987: 217 Anm. 239.  Die Müdigkeit infolge der Arbeit wird in der Lehre des Dua-Cheti für den Bauern (Kap. 13, Z. 6) und den Eilboten (Kap. 16, Z. 3) erwähnt. Vgl. auch das in Anm. 301 zitierte Beispiel des Ruderers aus den „Berufen am Wasser“.  Der Text enthält nur die allgemeine Bezeichnung „Handwerker“ (vgl. Jäger 2004:135 Anm. 8), anders Seibert 1967: 115 („Holzbearbeiter“) mit emendiertem Text. Aus der Beschreibung seiner Tätigkeit geht klar hervor, dass der Handwerker Holz bearbeitet.  Vgl. dazu Jäger 2004: 309 f. Ein hebräischer Text ist für diesen Vers nicht erhalten.

2.5 Jes 44,9 – 20

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31,³³⁸ wo Jhwh der Erschöpfung (‫)יעף‬³³⁹ und Kraftlosigkeit (‫) ְוֵאין ֹכּ ַח‬³⁴⁰ entgegenwirkt. Auch verspricht Jhwh in Jes 49,10 seinem (zurückkehrenden) Volk, dass es nicht hungern (‫) ָרֵעב‬³⁴¹ und nicht dürsten wird. Hunger (‫) ָרֵעב‬, Durst (‫ )ָצֵמא‬und Erschöpfung (‫ )ָע ֵיף‬beschreiben in Jes 29,8 den Zustand, der den Feinden Jerusalems angewünscht wird. Der Erschöpfungszustand des Handwerkers in V.12 ist also durch seine Arbeit bedingt, zeigt aber auch seine Jhwh-Ferne an. V.13 hebt die Menschengestaltigkeit des Bildes hervor.Vielleicht ist diese Stelle mit V.11aβ zusammen zu lesen: Die menschlichen Handwerker stellen MenschenBilder her. Ähnlich wie in Jes 41,6 f könnte die Polemik darin liegen, dass die Bilderherstellung als Vorgang unter Menschen geschildert wird, bei dem Gott nicht in den Blick kommt.³⁴² Auf eine solche Kritik menschlicher Selbsthilfe könnte der Begriff ‫ ִתְּפֶא ֶרת‬hinweisen. ‫ ִתְּפֶא ֶרת‬bezeichnet in Jes häufig den (falschen, vergänglichen) Stolz Jhwh-ferner Völker.³⁴³ Im positiven Sinn hingegen illustriert der Begriff die heilvolle Beziehung zwischen Jhwh und Israel.³⁴⁴ Im unmittelbaren Kontext (V.23) ist das Verb ‫ פאר‬Hitp. zu finden; es beschreibt – als Parallelbegriff zu ‫ – גאל‬Jhwhs Handeln an Israel (wie auch in 49,3). V.12 f (und V.18, vgl. dazu im Folgenden) richten sich also primär gegen die Handwerker und stellen diese als außerhalb der Beziehung zu Jhwh dar.

 So u. a. auch Matheus 1987: 321, der zudem für ‫ ַמיִם‬auf 41,17– 20 verweist.  Das Verb ‫ יעף‬begegnet darüber hinaus in Jes nicht mehr; das Adjektiv ‫ ָיֵעף‬ist noch in Jes 50,4 und das Adjektiv ‫ ָע ֵיף‬in Jes 5,27; 28,12; 29,8; 32,2; 46,1 belegt.  Mit dem kräftigen Arm (‫ ִבּ ְזרוֹ ַע ֹכּחוֹ‬, V.12) des Eisenhandwerkers ist es also nicht weit her – hier wird wahrscheinlich damit gespielt, dass ‫ ְזרוֹ ַע‬sonst in DtJes immer Jhwhs Arm bezeichnet, vgl. Elliger 1978: 426; Baltzer 1999: 259.  Das Verb begegnet in DtJes nur hier; das Substantiv ‫ ָרָעב‬noch in 51,19.  Zum polemischen Aspekt von V.13 gibt es unterschiedliche Vorschläge. Z. B. schlägt Holter 1995: 166 f noch vor, darin eine Anspielung auf Dtn 4,16 – 18 (und damit verbunden Gen 1,26 f) zu sehen, wo die Anfertigung eines Götterbildes als ‫ ַתְּב ִנית‬eines Lebewesens verboten wird. Die Formulierung ist dort aber anders, und in V.13 geht es speziell um Menschen. Berlejung 1998: 383 weist darauf hin, dass die Beschreibung des Bildes als Abbild altorientalischer Bildertheologie widerspricht. Westermann 1981a: 122 und Holter 1995: 163 f verstehen ‫ ָל ֶשֶׁבת ָבּיִת‬im Kontrast zu Jhwh, der im Himmel thront und verweisen dazu auf Jes 66,1. Mangels deutlicher Parallelen ziehe ich es hier vor, mich an den nahen Kontext zu halten.  Jes 3,18 (Zion); 10,12 (Assur); 13,19 (Babylon); 20,5 (Ägypten); 28,1.4 (Ephraim).  Mit Holter 1995: 167– 169; vgl. Jes 4,2; 46,13; 52,1; 60,7; 60,19; 62,3; 63,12.14; anders 63,15; 64,10.

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2.5.3.3.2 Weisheitliches in Jes 44,12 f.18 Von ihrer Verwandtschaft mit ägyptischen Berufstypologien her ergibt sich auch ein möglicher weisheitlicher Hintergrund für V.12 f.18.³⁴⁵ Wie erwähnt, handelt es sich bei der Lehre des Dua-Cheti um einen weisheitlichen Text. Dass die Gattung der Berufstypologien auch in der israelitisch-jüdischen Weisheitsliteratur verwendet werden konnte, zeigt die Berufstypologie in Sir 38. In Sir wird die Berufstypologie wie in den altägyptischen Texten durch ein Lob auf den Schreiberberuf (Sir 38,34b–39,11) abgeschlossen. Die Verbindung zur Weisheit tritt hier aber noch stärker zutage, da als größter Nachteil der übrigen Berufe erscheint, dass sie sich nicht der Weisheit widmen können.³⁴⁶ Mit diesem Fokus auf Streben nach Erkenntnis bewegt sich die Berufstypologie Sir 38 ganz im Rahmen des atl. Weisheitsdiskurses. Die weisheitliche Akzentuierung und der damit verbundene starke Gottesbezug zeigen, dass es sich bei Sir 38,24– 39,11 um eine eigenständige, judäisch geprägte Weiterentwicklung einer altägyptisch belegten Tradition handelt.³⁴⁷ Analog kann daher für V.12 f.18 vermutet werden, dass es sich um eine eigenständige Formulierung auf der Grundlage einer bestehenden – weisheitlichen – Gattung handelt. Von den ägyptischen Berufstypologien und ihrer Verwendung in Sir her stellt sich aber auch die Frage, ob die Berufstypologie in Jes 44 tatsächlich ohne weitere weisheitliche Elemente und ohne einen richtungsweisenden Abschluss auskommt. Ich vermute, dass der ursprüngliche Abschluss von V.12 f in V.18 zu finden ist. V.18 verbindet einen handwerklichen Anklang (‫ַטח‬, „verputzt“³⁴⁸) mit weisheitlicher Ausrichtung. Wie für V.12 f liegt der Anknüpfungspunkt für V.18 im Verdikt über die Handwerker V.9 – 11. Anders als V.9 – 11 kulminiert V.18 aber nicht in der Schande, sondern in der Erkenntnislosigkeit der Handwerker. Das besondere Interesse am Thema Erkenntnis macht auch für V.18 einen weisheitlichen Hintergrund wahrscheinlich.³⁴⁹ Die Feststellung der Erkenntnislosigkeit der Götterhersteller ist der einzige Inhalt dieses Satzes: Vier Ausdrücke für das Nicht-Erkennen (‫ל ֹא ָי ְדעוּ‬, ‫ל ֹא ָיִבינוּ‬, verneintes ‫ ראה‬und verneintes ‫שׂכל‬Hi.) rahmen den Grund für den Erkenntnismangel: Ihre Erkenntnisorgane (Augen und Herz, also Verstand) sind verputzt. Die Charakterisierung bestimmter

 Mit Baltzer 1999: 258 (zu Jes 44,12 f).  So explizit der einleitende Vers Sir 38,24, der auch direkt mit dem Thema ‫חכמת סופר‬/σοφία γραμματέως einsetzt. Die folgenden Berufstypologien sind an die Frage ‫מה יתחכם‬/τί σοφισθήσεται angeschlossen.  Mit Jäger 2004: 316 f, der auch darauf hinweist, dass Sir 38 f der Lehre des Dua-Cheti näher steht als den neuägyptischen Berufstypologien.  Vgl. das verwandte Verb ‫ טוח‬als „verputzen/überziehen“ von Wänden in Lev 14,42.43.48; 1 Chr 29,4; im übertragenen Sinn Ez 13,10 – 15; 22,28.  Als weisheitlich geprägt betrachten V.18 auch Westermann 1981a: 123; Berges 2008: 352.

2.5 Jes 44,9 – 20

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Menschen durch ihre Unfähigkeit zu Erkenntnis aus visueller³⁵⁰ Wahrnehmung ist besonders in weisheitlichen Texten belegt, vgl. z. B. Prov 12,26; 22,3(//27,12). Zwar sind Vokabular und Erkenntniskonzept von V.18 nicht auf Weisheitsliteratur beschränkt und finden sich auch sonst in Jes.³⁵¹ Es scheint mir aber wahrscheinlich, dass V.12 f.18 als Berufstypologie in eine weisheitlich geprägte Form gegossen ist, und sich der hier vorgebrachte Vorwurf gegen die Götterverehrer auch aus weisheitlichem Gedankengut speist.

2.5.3.4 Zusatz Jes 44,14 – 17 2.5.3.4.1 Weisheitliches in Jes 44,14 – 17 In V.14– 17 sind keine Berührungen mit weisheitlichem Diskurs festzustellen.

2.5.3.4.2 Götterpolemisches in Jes 44,14 – 17 Über das Thema der Götterherstellung aus Holz knüpfen V.14– 17 an V.13 an. Während V.12 f die Tätigkeit von Handwerkern beschreiben, erzählen V.14– 17 eine kleine Geschichte von einem Menschen (‫)ָא ָדם‬, der nicht als Handwerker eingeführt wird. Holz als Material eröffnet den Abschnitt, noch bevor näher auf das Subjekt eingegangen wird. V.15 erzählt im Schnelldurchgang die Verwendung des Holzes. V.15aα formuliert dabei eine Art Überschrift zur Bestimmung des Holzes; die Handlungen setzen erst ab ‫ ַו ִיּ ַקּח‬ein. Die Perfektform ‫ ָע ָשׂהוּ‬in V.15bγ blickt bereits auf das fertige Bild zurück. Durch die Parallele ‫( יְִפַעל־ֵאל ַו ִיּ ְשׁ ָתּחוּ‬V.15bα)//‫ָע ָשׂה ֶפֶסל‬ ‫( ַו ִיְּס ָגּד‬V.15bβ) wird die Herstellung und Verehrung des Götterbildes gegenüber den vorangehenden Handlungen besonders hervorgehoben. Nachdem die Leser/Hörer also wissen, worauf es ankommt, wird der ganze Vorgang ausführlicher wieder-

 Im AT lassen sich verschiedene Typen von Erkenntniswegen ausmachen. Im Anschluss an einen Vorschlag von Crenshaw 1998a: 120 – 130 unterscheidet Schellenberg 2002: 19 – 21 die drei Erkenntnisquellen „Erfahrung“, „Tradition“ und „unmittelbare Offenbarung“. Die eigene Erfahrung läuft dabei vornehmlich über visuelle Wahrnehmung, die Tradition stärker über das Hören. Obwohl Schellenberg 2002: 19 Anm. 103 betont, dass die drei Erkenntnisquellen für das AT insgesamt gelten, scheint der Typ „Erfahrung“ doch verhältnismäßig häufiger in weisheitlicher Literatur hervorgehoben zu werden.Vgl. zum Erkenntnisweg über das Sehen noch Prov 6,6; 24,32; Qoh 1,14 u. ö.  Ähnliche Formulierungen finden sich auch in Jes 6,9 f (‫בין‬, ‫ראה‬, ‫ידע‬, ‫ֵלב‬, ‫ ;)ֵעי ַניִם‬41,20 (‫יִ ְראוּ ְו ֵי ְדעוּ‬ ‫ ;) ְו ָי ִשׂימוּ ְו ַי ְשׂ ִכּילוּ‬43,10 (‫ידע‬, ‫)בין‬. Williamson 1994: 49 betrachtet V.18 als bewusste Parallele zu Jes 6,9 f (vgl. dazu auch McLaughlin 1994: 14 f), da die Verbindung von Verstehen (‫ )בין‬mit Sehen und Hören „distinctively Isaianic“ sei. Doch gerade der Aspekt des Hörens fehlt in V.18; die Verbindung von Sehen und Verstehen ohne Hören ist aber auch sonst im AT häufig belegt, vgl. 2 Sam 12,19; Hi 9,11; 11,11; Ps 94,7; Prov 7,7; Jer 2,10.

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holt. Anders als in der Aufzählung V.15 wird der Vorgang nun in zwei Teilen V.16.17 berichtet, die jeweils auf eine direkte Rede enden. Jeder Teil schildert die Verwendung einer Hälfte des Holzes. Damit wird deutlich, dass die Teile über das gemeinsame Ausgangsmaterial verbunden sind. Der erste Teil schildert Handlungen, die auf dem Verbrennen des Holzes basieren, und führt so die in V.15aα formulierte Bestimmung des Holzes ‫ְלָבֵער‬aus. Die in direkter Rede formulierten Gedanken des Menschen scheinen als Ergebnis dieser Handlungen seine wohlige Zufriedenheit auszudrücken. Der zweite Teil schildert die Herstellung und Verehrung des Götterbildes aus dem übrigen Holz. Wie schon in V.15b wird der Herstellungsvorgang nicht näher beschrieben (er „macht“, ‫עשׂה‬/‫)פעל‬. Bedeutsam für die Polemik sind offenbar andere Aspekte,³⁵² die über Parallelismen hervorgehoben werden: – Die Identität des Materials zum Verbrennen und zum Herstellen eines Götterbildes (V.15; V.16//V.17). – Die Gleichsetzung von Gott und Götterbild (‫ֵאל‬//‫ ֶפֶּסל‬, V.15b.17a), deren explizite Formulierung zugleich zeigt, dass die Identifikation eine bewusste polemische Zuspitzung ist. – Die Identität von Hersteller und Verehrer (‫ יְִפַעל– ַו ִיּ ְשׁ ָתּחוּ‬, V.15bα; ‫ָע ָשׂהוּ – ַו ִיְּס ָגּד‬, V.15bβ; ‫ָע ָשׂה – יְִס ָגּד ְויִ ְשׁ ַתּחוּ‬, V.17). Schließlich weisen die beiden direkten Reden auch auf das unterschiedliche Ergebnis hin: Auf das Verbrennen des Holzes folgt unmittelbare Zufriedenheit, Resultat der Verehrung ist eine – unbeantwortete – Bitte.³⁵³ Die genannten polemischen Parallelsetzungen wie auch der Gegensatz im Hinblick auf den Nutzen für den Menschen (im Allgemeinen, daher wohl auch ‫ ָא ָדם‬in V.15) sind Grundmuster dieser narrativen Polemik (s.u. 5.2.3), die auch späteren Texten wie Sap 13,11– 19; 15,7– 13 zugrunde liegen. Die Polemik richtet sich hier gegen die Bilderverehrung im Rahmen eines Hauskultes.Von einer Weiterbearbeitung oder Aufstellung des Holzbildes ist nicht die Rede; vielleicht ist eher eine Figurine als ein Kultbild im engen Sinn gemeint. Die Beschreibung der Materialbeschaffung lässt vermuten, dass ein israelitischer Kontext im Blick ist: Die genannten Holzarten sind in Mesopotamien nicht zu

 Holter 1995: 172 f sieht auch in diesem Abschnitt einen Kontrast zu Jhwh über die verwendeten Verben ‫כרת‬, ‫ נטע‬und ‫( אמץ‬V.14). Ein kohärentes Muster einer Kontrastierung lässt sich aber über die (wenigen) weiteren Belege in DtJes nicht herstellen.  Die Formulierung der Begründung ‫ ִכּי ֵאִלי ָא ָתּה‬spielt möglicherweise auf ‫ ִכּי ַעְב ִדּי־ָא ָתּה‬in Jes 44,21 an (vgl. MacDonald 2009: 53); ähnlich wie in Jes 41,6 f (s.o. 2.4.1.2) könnte damit der Zuspruch des an Macht überlegenen Gottes mit der Beziehung zwischen Götterverehrer und BildGott kontrastiert werden.

2.5 Jes 44,9 – 20

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finden, wohl aber in weiter westlich gelegenen Gebieten, und auch die Anspielung auf Regenlandwirtschaft weist in diese Richtung.³⁵⁴

2.5.3.5 Zusatz Jes 44,19 f 2.5.3.5.1 Weisheitliches in Jes 44,19 f Wie V.18 thematisieren V.19 f die Erkenntnislosigkeit des Götterherstellers. Zur Formulierung dieser Erkenntnislosigkeit werden die in V.18 verwendeten Wurzeln ‫ידע‬, ‫ בּין‬und der Begriff ‫ ֵלב‬aufgegriffen. Vokabular, Form und Aussage von V.19 f verweisen aber deutlicher auf den weisheitlichen Diskurs: – Statt Verbalformen werden nun die für die Weisheitsliteratur charakteristischen Nomina ‫ ַדַּעת‬und ‫ ְתּבוּ ָנה‬benutzt. Diese Begriffe kommen in DtJes sonst nur noch in weisheitlich geprägten Texten vor (‫ ַדַּעת‬, Jes 40,14; 44,25; 47,10; 53,11; ‫ ְתּבוּ ָנה‬, 40,14.28). – Im Vordergrund steht das Herz/Verstand (‫ )ֵלב‬als Ort der Erkenntnislosigkeit. Ein defizitäres ‫ ֵלב‬begegnet häufig in der Beschreibung negativ konnotierten Verhaltens in den Sprüchen, vor allem im Begriff des ‫( ֲחַסר־ֵלב‬vgl. Prov 11,12; 15,21). Prov 12,8 beschreibt eine Person ohne Einsicht als ‫„( ַנֲע ֵוה־ֵלב‬herzverdreht“). Eine ähnliche Vorstellung scheint der Formulierung ‫ֵלב הוַּתל‬in V.20 zugrunde zu liegen. – Die Form von V.20 ist weisheitlich geprägt:³⁵⁵ Der Satzanfang mit Partizip und Objekt findet sich häufig in weisheitlichen Sprüchen (vgl. Prov 9,7 u. a.).Wie in V.20 folgt anschließend die (negative) Konsequenz dieses Verhaltens. – Schließlich ist ‫( ר ֶֹעה‬V.20) nicht von ‫ רעה‬I, „hüten“, sondern von dem typisch weisheitlichen Homonym ‫ רעה‬II, „sich einlassen mit“, abzuleiten (s.o. Textanm. p). In Analogie zu ‫( ר ֶֹעה ְכִסיִלים‬Prov 13,20), ‫( ר ֶֹעה זוְֹלִלים‬Prov 28,7) und ‫ר ֶֹעה‬ ‫( זוֹנוֹת‬Prov 29,3) handelt es sich bei ‫ ר ֶֹעה ֵאֶפר‬um einen, der sich mit Asche abgibt.Wie in diesen Sprüchen drückt ‫ רעה‬in V.20 schlechten Umgang aus und nennt dessen negative Konsequenzen: Das Subjekt verlässt sich auf das, was seine Erwartungen enttäuscht, und gefährdet so offenbar sein Leben. Der in V.18 herausgestellte Erkenntnismangel der Götterhersteller wird in V.19 f unter Verwendung eines weisheitlichen Diskurses über Einsicht und weises Ver-

 So Sherwin 2003: 526 f (ausführlich begründet in 516 – 525), der auch auf Ältere verweist; vgl. auch Tiemeyer 2011: 113 – 116.  So auch Koole 1997: 401, der V.20 als „wisdom saying“ bezeichnet; in diese Richtung weist auch die Deutung von V.20 als Sprichwort, vgl. Duhm 1968: 336 („nach Form und Inhalt ein Maschal“); ihm folgend Westermann 1981a: 123; Thomas 1971: 329 („a proverbial expression“) u. a.

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2 Deuterojesaja

halten präzisiert. Der Götterhersteller wird dargestellt als Mensch, der im weisheitlichen Sinn töricht handelt: Er reflektiert sein Tun nicht, pflegt schlechten Umgang und bringt durch sein unvernünftiges Verhalten sein Leben in Gefahr (vgl. Prov 10,21). Die Konzeptionalisierung des Götterverehrers nach dem Muster des weisheitlichen Toren/Frevlers wird in jüngeren Texten noch deutlicher zutage treten (s.u. 5.4.2.2).

2.5.3.5.2 Götterpolemisches in Jes 44,19 f In Anknüpfung an V.18 interpretieren V.19 f die Götterverehrung als ein Erkenntnisproblem. V.19 f führen nun den Inhalt der Erkenntnis aus, die dem Menschen aus V.14– 17 fehlt: Wenn der Mensch mit offenen Sinnen sein Tun überdenken würde, müsste er zur Erkenntnis kommen, dass er einen Holzklotz verehrt. Diese fiktive Erkenntnis äußert sich im Reden des Menschen: An die Stelle der zitierten Reden V.16bβ.17bγ treten die Reden V.19.20bβ. Es ist anzunehmen, dass aus der sprachlich geäußerten Erkenntnis eine Verhaltensänderung folgen müsste. Aber zunächst einmal erscheint die Frage, als was der Mensch den Holzgott wahrnimmt, entscheidend. Einsicht über das Götterbild müsste der Mensch nach V.19 aus der Reflexion über den Herstellungsprozess gewinnen können. In der Rekapitulation der V.15 – 17 in V.19 wird zum einen das Objekt ‫ְלבוּל ֵעץ‬ (vgl. ‫ לוֹ‬in V.15.17) expliziert und zum anderen ‫( ֵאל‬V.17) durch ‫ תּוֵֹעָבה‬ersetzt. Gegenüber den im vorangehenden Text verwendeten Begriffen ‫( ֶפֶּסל‬das Götterbild als Gegenstand) und ‫( ֵאל‬das Götterbild aus der Perspektive des Verehrers) fallen die Bezeichnungen des Götterbildes in V.19 f deutlich negativer aus:³⁵⁶ – ‫( תּוֵֹעָבה‬V.19) begegnet in DtJes nur noch in 41,24b (s.o. 2.3.3.2.2). Für Götter und Götterbilder wird der Begriff auch in dtn-dtr Texten verwendet (vgl. Dtn 7,26; 32,16; 2 Kön 23,13)³⁵⁷ sowie in Ez, wo beschimpfende Bezeichnungen für die Götter häufiger vorkommen (vgl. ‫תּוֵֹעָבה‬//‫ ִגּלּוִּלים‬in Ez 14,6; ‫תּוֵֹעָבה‬//‫ ִשׁקּוּץ‬in Ez 5,11; 11,18.21). – ‫( בּוּל‬V.19) ist ein hapax legomenon aus akk. bulû(m), „Dürrholz“, meint also Holz zum Verbrennen.³⁵⁸ Es handelt sich daher nicht um eine neutrale Be-

 Vgl. Holter 1995: 186, der in der Verwendung von ‫ ְלבוּל ֵעץ‬und ‫ תּוֵֹעָבה‬einen Hinweis auf „the shift from a descriptive to a more accusatory mood“ sieht.  Vgl. Elliger 1978: 438. Zur dtr Verwendung des Begriffs als „Götze, Götzenbild, Götzendienst“ vgl. Hoffmann 1980: 359; die Verwendung ist aber nicht auf diese Bedeutung beschränkt.  Darauf weist Holter 1995: 187 hin, vgl. CAD s.v. bulû A („firewood, dry wood and reed“).

2.5 Jes 44,9 – 20





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zeichnung des Materials. Vielmehr impliziert der Begriff dessen Vergänglichkeit³⁵⁹ und spielt auf die eigentliche Funktion des Holzes an. ‫( ֵאֶפר‬V.20) kann in der Bedeutung „Asche“ die mit ‫ בּוּל‬bereits angedeutete Brennbarkeit des hölzernen Götterbildes zu Ende gedacht haben.³⁶⁰ In dem Begriff schwingt auch Wertlosigkeit mit, wie sich z. B. in der Selbsterniedrigungsformel ‫ ָאֹנִכי ָעָפר ָוֵאֶפר‬in Gen 18,27 zeigt.³⁶¹ ‫( ֶשֶׁקר‬V.20)³⁶² meint hier wohl primär „Trug“ im objektiven Sinne: Das Götterbild kann die in es gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.³⁶³ Inhaltlich entspricht dies der Feststellung in V.9 f, dass die Götter nichts nützen. ³⁶⁴

Sämtliche in V.19 f verwendete Bezeichnungen für das Götterbild sind also abwertende Begriffe. Der Text ergeht sich aber nicht in unreflektierten Beschimpfungen des Götterbildes. Vielmehr scheinen bestimmte Vorstellungen über Ursprung und Folgen der Götterverehrung im Hintergrund zu stehen. Die Perfektformen in V.20 lokalisieren das Problem im Herzen des Menschen. ‫ הוַּתל‬ist dabei entsprechend zur sonstigen Verwendung von ‫ תלל‬zu verstehen: das Herz ist getäuscht, weil es sich auf Unzuverlässiges verlassen hat.³⁶⁵ Agens der Passivform ist nach dem Kontext wohl das Götterbild.³⁶⁶ Die Aussage entspricht also dem folgenden ‫ ֶשֶׁקר‬: Der Verstand des Menschen ist hereingefallen auf die falschen Erwartungen, die das Götterbild weckt. Die Formulierung ‫ ִה ָּטהוּ‬mit ‫ ֵלב‬als Subjekt (statt Objekt)³⁶⁷ ist auffällig. Sein eigenes Herz verleitet (vgl. Prov 7,21; Hi 36,18)³⁶⁸ den Menschen,

 Vgl. Elliger 1978: 438: „[…] ein totes, allmählich sich auflösendes Stück Holz [auf dem] Wege der Auflösung ins Wesenlose […]“.  So Elliger 1978: 439.  Hutter 1992: 11 f möchte in ‫ ֵאֶפר‬eine Polemik gegen die persische Verehrung des Feuers sehen. Diese Deutung hat m. E. keinen Anhalt im Kontext, in dem es um ein hölzernes Götterbild geht. Vgl. zur Kritik auch Holter 1995: 189 Anm. 150.  Ausführlich zu ‫ ֶשֶׁקר‬in götterpolemischen Texten vgl. Klopfenstein 1964: 81– 95.  Vgl. Duhm 1968: 337; Klopfenstein 1964: 90 f erklärt die objektive Trughaftigkeit aus der „physischen Insuffizienz“ der Götterbilder und nimmt an, dass in Jes 44,20 auch die subjektive Perspektive mitgemeint ist, da die Götterbilder ihre auf Rettung hoffenden Verehrer „trügen“.  Mit Koole 1997: 401; das meint wohl auch Klopfenstein 1964: 90.  Vgl. Gen 31,7; Ex 8,25 u. a. Zur Bedeutung vgl. Koole 1997: 400 („someone arouses expectations which are disappointed“); Irsigler 1995: 666 („täuschen > sich trügerisch, wortbrüchig verhalten“).  Mit Irsigler 1995: 666.  ‫ נטה‬Hi. mit ‫ ֵלב‬als Subjekt sonst nur noch Ps 141,4. Als Objekt im Zusammenhang mit Göttern noch Jos 24,23; 1 Kön 8,58 (sein Herz zu Jhwh wenden); 1 Kön 11,1– 4 (das Herz eines anderen fremden Göttern zuwenden).  Auf die Ähnlichkeit verweist Duhm 1968: 337.

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2 Deuterojesaja

nichts deutet auf Fremdeinwirkung hin. Auf die Folgen der Täuschung weist V.20b hin. ‫ ל ֹא־ ַי ִצּיל‬spielt auf die Gebetsbitte ‫( ַה ִצּיֵל ִני‬V.17) an:³⁶⁹ Der Gott erfüllt seine Funktion nicht. Aber Subjekt ist hier der Mensch selbst, der sich nicht rettet. Umgekehrt lässt dies darauf schließen, dass er sein Leben dadurch gefährdet, dass er den Holzgott nicht als Trug erkennt.

2.5.3.6 Die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik in Jes 44,9 – 20 Der erste götterpolemische Eintrag V.9 – 11 baut auf der Gerichtsrede V.6 – 8 (mit Blick auf die weiteren Gerichtsreden) auf und richtet sich gegen die Hersteller. Im Anschluss an das Thema Handwerker wird dann mit V.12 f.18 eine Hersteller-Polemik mit weisheitlichem Hintergrund eingefügt. Die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit entsteht hier also nicht aus weisheitlichen Elementen in DtJes heraus. Auch steht das Bild selbst in V.12 f.18 nicht im Vordergrund, der Bezug der beschriebenen Vorgänge auf das Götterbild wirkt im Gegenteil etwas holprig und als Zugeständnis an den Kontext geschaffen. Die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit verdankt sich hier offenbar dem Fokus auf die Handwerker, über die eine bereits bestehende Verknüpfung von Handwerkern und Weisheit aufgenommen wird. Die Beurteilung der Handwerker erfolgt nach weisheitlichen Maßstäben: Ihnen wird vor allem mangelnde Erkenntnis vorgeworfen. Über die Bezüge zum Buchkontext geht damit aber auch ihre Jhwh-Ferne einher. Die folgende Ergänzung um V.14– 17 knüpft an die Beschreibung handwerklicher Vorgänge an, wobei der Schwerpunkt auf dem Material Holz liegt. Die weisheitlichen Implikationen von V.9 – 13.18 werden nicht ausgeschöpft. Zwar deutet V.18 aus Leserperspektive auch den Protagonisten von V.14– 17, aber die Polemik ist nicht auf eine weisheitliche Grundlage angewiesen. In V.19 f schließlich wird die vorangehende Götterpolemik aufgenommen und in weisheitlichen Kategorien interpretiert. Es handelt sich dabei um eine wirkliche Verschränkung und nicht etwa nur einen weisheitlichen Anhang, denn die weisheitlich geprägten Ausführungen bleiben ganz dem götterpolemischen Diskurs verhaftet: Die Interpretation ist ganz auf V.15 – 17 bezogen, die Konzentration auf das Material wird durch‫ בּוּל ֵעץ‬und ‫ ֵאֶפר‬fortgeführt. Der wichtigste Effekt dieser Verbindung scheint mir zu sein, dass der Fehler des Götterverehrers ganz auf das Sprechen und damit auf das Denken konzentriert wird. Im Unterschied zu älterer Polemik wird das Sprechen des Götterverehrers nicht mehr nur als kultische Handlung thematisiert. Vielmehr drückt das Sprechen des Herstellers eine Erkenntnis über das Götterbild aus, die richtig (das Götterbild als ‫ ֶשֶׁקר‬, V.20) oder

 Vgl. (mit anderen Schlussfolgerungen) Matheus 1987: 316.

2.6 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in DtJes

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falsch (was eigentlich ‫תּוֵֹעָבה‬/‫ בּוּל ֵעץ‬ist,wird als ‫ ֵאִלי‬angesprochen) sein kann,wobei die richtige Erkenntnis aus der Reflexion empirischer Tatsachen gewonnen wird. Der Zusammenhang von Erkenntnis und Bekenntnis (‫מר‬ ֹ ‫ ְּתבוּ ָנה ֵלא‬, V.19) gerät damit in den Fokus der Polemik.

2.6 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in DtJes Die Analyse von Jes 44,9 – 20 hat bestätigt, dass die Einfügung götterpolemischer Zusätze nicht als punktuelles Phänomen betrachtet werden kann. Vielmehr scheint es sich um einen Prozess zu handeln, der – da einige Zusätze direkt an die Grundschicht anschließen – bald nach Entstehung der Grundschicht eingesetzt haben könnte und sich danach über längere Zeit fortsetzt. Eine genauere chronologische Eingrenzung ist aus den götterpolemischen Texten allein nicht zu ermitteln, da die darin getroffenen Aussagen sehr allgemein sind. Die Beschreibung der Götterbilder führt zu keiner präziseren geographischen oder zeitlichen Eingrenzung, da sich Götterbilder aus Holz oder Metall, mit Edelmetall beschlagen, überall im Alten Orient und in Ägypten finden. Zwar könnte die Nennung mehrerer Handwerker in 40,19 f; 41,6 f; 44,11 f eine professionelle Herstellung in (größeren) Werkstätten implizieren und 45,20b; 46,7 auf Prozessionen anspielen. Im Kontext der Gerichtsreden könnte man daher vermuten, dass sich die Polemik gegen staatliche (babylonische?) Kultbilder richtet.³⁷⁰ Andere, in der Tendenz wohl etwas jüngere Texte wie 44,14– 17.19 f (und vielleicht auch 42,17; 46,5 – 7; 48,5) scheinen hingegen eher auf private Götterfigürchen zu zielen. Das älteste götterpolemische Element in DtJes bildet der Vorwurf an die Götter, sie könnten im Unterschied zu Jhwh die Geschehnisse nicht kontrollieren und sie daher weder deuten noch vorhersagen. Diese Aussage, die am deutlichsten in Jes 41,21– 29 ausgedrückt wird, ist bereits zur Grundschicht zu rechnen. Alle weiteren götterpolemischen Aussagen werden sekundär in Fortschreibungen nach und nach hinzugefügt. Einige dieser Texte (Jes 42,8; 48,5) nehmen die Aussage von Jes 41 auf und setzen die Gegenüberstellung von Jhwh und den Göttern in Bezug

 Über eine zeitliche Eingrenzung ist damit noch nichts gesagt, da babylonische Kulte auch noch in hellenistischer Zeit lebendig waren, mit Kratz 1991a: 197 f (für Quellen vgl. Linssen 2004). Darauf, dass die Beschreibung der Herstellung (auch auf der technischen Ebene) wohl nicht der Herstellung großer babylonischer Kultbilder entspricht, wurde bereits hingewiesen (s.o. 2.2.3.2.2). Dass den Verfassern der Polemik eher kleinere Figuren als Anschauungsmaterial zur Verfügung standen, muss aber nicht ausschließen, dass sich die Polemik (auch) gegen staatliche Kulte richten sollte.

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2 Deuterojesaja

auf Verkündigung und Tat fort. Der in den Zusätzen einsetzende götterpolemische Diskurs lässt sich aber durch weitere Elemente charakterisieren, die sich in der Grundschicht noch nicht finden: – Über Götter wird als Götterbilder gesprochen.³⁷¹ Die als machtlos dargestellten Götter werden mit den materiellen Bildern gleichgesetzt (44,10.15.17; 45,20b; 46,6) und so als nutzlose Kultobjekte (Bilder-Götter) abgewertet. – Die Texte benennen Hersteller und Verehrer, die mit diesen Bilder-Göttern in Beziehung stehen. Über diese Menschen wird in der 3. Pl. aus einer Beobachterperspektive gesprochen. Zwar werden Äußerungen der Verehrer zitiert (41,7; 42,17; 44,17), es findet aber kein Gespräch mit ihnen statt. Eine Ausnahme bildet 48,5 wo Israel/Juda in der 2. Sg. angesprochen wird, doch die implizierte Beziehung zu Bilder-Göttern ist hier zugleich eine Trennung von ihnen (‫) ֶפּן‬. – Die Polemik richtet sich in erster Linie gegen diese Menschen³⁷² und ihre Handlungen, durch die sie den Bilder-Göttern Macht zuschreiben. Dass die angegriffenen Menschen über ihre Handlungen definiert werden, zeigt sich besonders deutlich in 42,17; 45,20b, wo von ihnen nur in Form von Partizipien gesprochen wird. Die Zuschreibung von Macht kann auch explizit als Zitat (42,17; 44,17; 48,5) dargestellt werden. – Der Herstellungsvorgang steht im Kontrast zu den Erwartungen, die an das Götterbild gestellt werden. Auf diesem Missverhältnis basiert die Polemik in 41,6 f wie auch in der Geschichte 44,14– 17. Das Götterbild bleibt auch nach seiner Fertigstellung Holz (vgl. 45,20b). Damit enttäuscht es die Erwartungen seiner Hersteller und Verehrer, es ist Trug (‫ ֶשֶׁקר‬, 44,20). – Die Bilder-Götter können nicht retten (‫ נצל‬Hi. in 44,17.20; ‫ ישׁע‬Hi. in 45,20b; 46,7; vgl. ‫ יעל‬Hi. in 44,9 f). – Daraus folgt eine Abwertung der Menschen, die mit den Bilder-Göttern in Beziehung stehen: Diese werden beschämt durch die Nutzlosigkeit ihrer Bilder-Götter. Dass sie selber nicht merken, dass ihre menschengemachten Götterbilder nicht retten können, zeigt ihre Erkenntnislosigkeit (45,20b; 44,18 f). Aus dem hier beschriebenen götterpolemischen Diskursstrang fällt Jes 46,1 f heraus. Dieser Text unterscheidet sich in mehreren Punkten von den anderen Zusätzen. Insbesondere werden hier die Götter namentlich genannt und ihre

 Vgl. zu dieser polemischen Gleichsetzung Preuss 1971: 282 f; Weeks 2007: 15.  Das hat Holter 1995: 29 – 31 (und passim) anhand von Jes 40,18 – 20; 41,6 f; 44,9 – 20; 46,5 – 7 aufgezeigt (gefolgt von MacDonald 2007: 30 u. a.).

2.6 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in DtJes

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Verehrer in der 2. Pl. angesprochen. Jes 46,1 f ist vermutlich vor einem anderen Hintergrund zu erklären als die übrigen götterpolemischen Texte: Es handelt sich um die Beschreibung einer militärischen Niederlage. Eine ähnliche Beschreibung der Zerstörung, die auch den entsprechenden Gott betrifft, findet sich z. B. in Jer 48,7 (Anrede in der 2. Sg.; der Gott Kemosch wird weggeführt).³⁷³ Die Themenfelder, in denen die götterpolemischen Zusätze auftreten, sind Jhwhs Einzigkeit in seiner Souveränität über die Geschichte, die damit zusammenhängende Auseinandersetzung mit anderen Mächten und die Vertrauensfrage an Jhwhs Volk, und schließlich die daraus folgende Sonderstellung Israels mit seinem Gott unter den Völkern.³⁷⁴ Daher können sie sich sowohl gegen die als fremd/babylonisch gezeichneten Bilder-Götter als auch gegen die Götterverehrung der Israeliten wenden. Insbesondere in den (vermutlich etwas jüngeren) Zusätzen Jes 45,15 – 17.20b verlässt die Polemik die Ebene der Ermutigung und Ermahnung Israels und dient stärker der Abwertung der Götterverehrer. Wie die Textanalysen gezeigt haben, knüpfen die götterpolemischen Zusätze nicht unmittelbar an weisheitliche Elemente in DtJes an. In Jes 40 berührt sich Götterpolemik durch ihre Stellung im Kontext mit weisheitlich geprägter Rede von Jhwh als dem Schöpfer. Jhwhs kosmisches Schöpfungshandeln dient hier als Machterweis. Durch diese indirekte Verbindung von Götterpolemik und Weisheit wird umso deutlicher, wie sehr die von Menschen gemachten Götterbilder gegenüber diesem mächtigen Schöpfergott abfallen. Die Rede von Jhwh als Schöpfergott wird sich in anderen götterpolemischen Texten als wichtige Schnittstelle zwischen Götterpolemik und Weisheit erweisen (s.u. 5.3). Nur wenige götterpolemische Zusätze in DtJes bringen weisheitliche Elemente in den Text ein und stellen eine direkte Verbindung von Götterpolemik und Weisheit her. Die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte von Jes 44 lässt vermuten, dass die Verschränkung von Weisheit und Götterpolemik erst zu einem relativ späten Zeitpunkt aufgetreten ist und insbesondere dazu dient, den Irrtum der Menschen, die mit Bilder-Göttern in Beziehung stehen, zu deuten. Die Ergänzungen zur Erkenntnislosigkeit der Hersteller und Verehrer setzen vermutlich eine Überlegung fort, die zunächst in den götterpolemischen Texten nicht explizit weisheitlich formuliert wurde, aber auf einer weisheitlichen Vorstellung von Schöpfung als Quelle der Erkenntnis basiert: Die Aufforderung, hinzusehen und zu erkennen,

 Zur Zerstörung und Wegführung von Göttern im Zusammenhang mit militärischen Eroberungen vgl. auch Jes 21,9; Jer 43,12 f; 46,25; 48,13; 50,2.  Die Entstehung der Polemik zunächst in Anknüpfung an die Rede von Jhwhs Geschichtsmächtigkeit, die in Jes 40 – 48 am Kyros-Geschehen festgemacht wird, dürfte auch der Grund sein, warum die götterpolemischen Zusätze sich ab Jes 49 nicht mehr finden. Vgl. dazu Matheus 1987: 325 mit Anm. 34 (in synchroner Perspektive); Kratz 1991a: 196 f (in diachroner Perspektive).

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2 Deuterojesaja

zielt in Jes 40 auf die Anerkennung von Jhwhs Machtposition. Jes 44,9; 45,20b führen entsprechend das Gegenstück dazu, die Konsequenz des Nicht-Hinsehens, in Bezug auf die Bilder-Götter aus. Gerade die unmittelbar mit den Bilder-Göttern in Beziehung Stehenden, die Hersteller und die Verehrer, müssten deren Unfähigkeit erkennen können. Zugrunde liegt auch hier ein Erkenntniskonzept, das von ganz normaler Lebenserfahrung ausgeht und nicht etwa, wie z. B. in 1 Kön 18, punktuelle Zeichen voraussetzt.Wie bereits dargelegt (s.o. 2.5.3.3.2 mit Anm. 350), begegnet dieser Erkenntnisweg häufig in weisheitlichen Texten. In den späteren Ergänzungen 44,18.19 f schließlich sind Vokabular und Vorstellungsgehalt deutlich weisheitlich geprägt. Der götterpolemische Diskurs verbindet sich hier mit einem weisheitlichen Diskurs über Erkenntnislosigkeit. Zu Recht weist von Rad darauf hin, dass diese polemischen Texte kein Interesse an kultischen Fragen zeigen und es sich bei der Götterpolemik vielmehr um eine „Weltanschauungsfrage“ handle.³⁷⁵ Die Ablehnung der Götterbilder aus Welt-Anschauung ist keine Frage des Standpunktes: Die Welt steht allen Menschen vor Augen, ein Misslingen ihrer Anschauung ist ein Zeichen von Blindheit und Torheit. Von daher erscheint der Götterverehrer als Tor (so in 40,19 f), der im Gegensatz zu einem Weisen einen nichtigen Gott verehrt. Die universal-rational anmutende Argumentation dieser Götterpolemik sollte jedoch nicht vorschnell als eine „rein menschliche Beweisführung“³⁷⁶ in der Art aufklärerischer Religionskritik gelesen werden. Wie am Beispiel von Jes 41,6 f dargelegt wurde, plädieren die götterpolemischen Texte vielmehr dafür, auf Gott und nicht auf Menschen (und deren selbstgemachte Götter) zu vertrauen. Jhwhs Macht ist dabei nicht in derselben Weise begründungsbedürftig wie die bestrittene Macht der Bilder-Götter. Die Texte richten sich an Jhwh-Verehrer und dienen deren Ermutigung. Dass Jhwh der mächtige (Schöpfer‐)Gott ist, ist dabei immer schon vorausgesetzt und braucht den Adressaten nur in Erinnerung gerufen zu werden. Nicht babylonische Diskurse über Kultbildherstellung und -verehrung, sondern theologische Diskurse der Jhwh-Verehrer bilden damit den für das Verständnis notwendigen Kontext der Götterpolemik in DtJes.

 Von Rad 1970: 240.  Nielsen 1970: 202, der mit dieser Begründung Jes 44,9 – 20; 40,19 f; 41,6 f; 46,6 – 8 als „chokmatische Lehrgedichte“ bezeichnet.

3 Jeremia 10 und verwandte Texte 3.1 Einleitende Bemerkungen In diesem Kapitel untersuche ich die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit in Jer 10,1– 16 und in den davon abhängigen Texten Ps 135 und EpJer. Jer 10 ist für diese Fragestellung ein zentraler Text, da er sowohl eindeutig gegen andere Götter polemisiert, als auch ganz offensichtlich weisheitliche Begriffe (darunter ‫)ָחְכָמה‬ verwendet. Zwar finden sich in Jer viele Texte, die sich mit der Verehrung falscher Götter befassen, doch unterscheidet sich Jer 10 von diesen in charakteristischer Weise. Während ansonsten durchgängig ein Vorwurf an das Volk in Bezug auf einen bereits erfolgten Abfall von Jhwh formuliert wird, scheint Jer 10 gar nicht davon auszugehen, dass Israel und Juda in der Vergangenheit oder in der Gegenwart andere Götter als Jhwh verehr(t)en. Vielmehr wird eine vorausblickende Warnung vor den Sitten und Göttern der Völker formuliert. Dieser Befund führt zum einen zu einer literargeschichtlichen These: Jer 10,1– 16 wird seit langem als nicht-jeremianisch bzw. als sekundärer Einschub angesehen.³⁷⁷ Zum anderen legt sich die Vermutung nahe, dass wir es in Jer mit zwei³⁷⁸ unterschiedlichen Diskurssträngen zu tun haben, die zwar beide andere Götter außer Jhwh thematisieren, aber unterschiedlich ausgerichtet sind und auf unterschiedliche Begründungsmuster rekurrieren. Der in Jer mehrheitlich³⁷⁹ produzierte Diskurs operiert mit einem narrativen Muster: Die Israeliten haben Jhwh verlassen, sie haben Böses getan und sich anderen Göttern zugewandt.³⁸⁰ Diese anderen Götter erweisen sich vor dem Hintergrund der geschichtlichen Ereignisse als nutzlos für Israel, sie können nicht retten.³⁸¹ Jhwh und die Götter stehen einander dabei als zwei entgegengesetzte  Schon Duhm 1901: 98 bemerkt, Jer 10,1– 16 sei „längst als unecht erkannt“. S.u. 3.2.2.  Dieser Befund ließe sich natürlich noch weiter differenzieren, z. B. s.u. Anm. 380.  Anders z. B. Jer 14,22 und Jer 16,19 – 21; diese Textstelle betrachte ich allerdings als von Jer 10 abhängig (s.u. 3.2.3.7).  Zur Beschreibung dieses Diskursstrangs vgl. Krüger 2004: 181 f (am Beispiel von Jer 2). Man könnte hier noch zwischen weiteren Unterdiskursen differenzieren, etwa anhand der von SchulzRauch 1996: 97– 101 vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen einem „zweiphasigen Konfrontationsmodell“ (vorher: Jhwhs Zuwendung – nachher: Abwendung des Volkes), das sich schon bei Hos findet, und einem „Credomodell“ (kontinuierlicher Ablauf von Exodus über Wüstenzeit bis Landnahme). Die von Jeremias 1996: 127– 134 skizzierte Entwicklung des Baal-Themas von Hos über Jer zum DtrG weist auf Unterschiede hin, zeigt aber gleichzeitig den traditionsgeschichtlichen Zusammenhang auf. M. E. lässt sich hier eine Entwicklungslinie aufzeigen, die weitgehend unabhängig und getrennt vom götterpolemischen Diskurs verläuft.  Vgl. Krüger 2004: 188 f.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Alternativen gegenüber: Das Volk kann sich nur entweder Jhwh oder den Göttern zuwenden.³⁸² Sowohl die Darstellung der Götterverehrung als ein Abfall des Volkes von Jhwh (beschrieben in den Dimensionen von Raum und Beziehung/ Rechtsverhältnis)³⁸³ als auch die geschichtliche Argumentationsbasis für die Nutzlosigkeit der Götter unterscheiden diesen Diskurs von dem polemischen Diskurs gegen andere Götter, der uns in DtJes begegnet ist und nun in Jer 10 wieder begegnet. Auch sprachlich unterscheidet sich der Diskurs über die Abtrünnigkeit Israels vom hier untersuchten götterpolemischen Diskurs. Die Schlüsselbegriffe des Abtrünnigkeits-Diskurses (z. B. ‫שׁכח‬, [‫הלְך ]אחר‬, ‫ )עבד‬begegnen in Jer 10 gar nicht; die wenigen gemeinsamen Termini wie ‫( ֶהֶבל‬Jer 2,5; 8,19; 10,3.8.15 u. ö.) oder ‫( ֶשֶׁקר‬Jer 7,9; 8,8; 10,14; 13,25 u. ö.) werden anders verwendet oder inhaltlich anders gefüllt. Trotz einiger Anknüpfungspunkte an andere Texte in Jer, die sich mit der Verehrung von anderen Göttern außer Jhwh befassen, lässt sich Jer 10,1– 16 also nicht einfach unter diese Texte einreihen. Hinzu kommt, dass Jer 10 in engerer Beziehung mit Texten zu stehen scheint, die gar nicht von fremden Göttern handeln. Gerade die weisheitlich geprägten Elemente stehen keineswegs isoliert in Jer, so dass manche Exegeten Jer 10 einer weisheitlichen Überarbeitungsschicht zurechnen.³⁸⁴ Ich werde mich daher auf Jer 10 konzentrieren und ausgehend von diesem Text seine Verbindungen in das Jeremiabuch untersuchen. An Jer 10 knüpfen die götterpolemischen Texte Ps 135 und EpJer an. Beide Texte schöpfen zwar nicht nur aus Jer 10, stehen aber in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zu diesem Text, das durch Zitate (Ps 135) bzw. durch die Einordnung in die jeremianische Tradition (EpJer) markiert wird. Ich versuche daher in diesem Kapitel, eine Linie zu ziehen von der Rückfrage hinter die Endgestalt von Jer 10,1– 16 (MT) bis hin zu seiner Rezeption in Ps 135 und EpJer. Dabei ist insbesondere zu untersuchen, inwiefern die in Jer 10 angelegte Verbindung von Götterpolemik und Weisheit in Ps 135 und EpJer fortgeführt und/oder weiterentwickelt wurde.

 Vgl. Krüger 2004: 182: „Deshalb bedeutet die Hinwendung zu anderen Göttern zugleich eine Abwendung von Jahwe.“  Zur räumlichen Dimension vgl. die Rede von Hinwenden und Abwenden (z. B. Jer 2,27: ‫ִכּי־ָפנוּ‬ ‫ )ֵאַלי עֹ ֶרף ְול ֹא ָפ ִנים‬oder von Hinterherlaufen; in den Bereich von Beziehung gehört z. B. die Rede vom Kennen/Nicht-Kennen und die Metaphern der Untreue (vgl. zu diesem Konzept der Götterverehrung Halbertal/Margalit 1994: 9 – 36).  So Hermisson 2000b: 188 – 191.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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3.2 Jeremia 10,1 – 16 3.2.1 Übersetzung und Textkritik Zur Textüberlieferung ist vorab daran zu erinnern, dass die LXX des Jeremiabuches insgesamt deutlich kürzer ist als der MT. Jer 10 ist von diesem Problem besonders betroffen,weil die V.6 – 8.10 in der LXXvöllig fehlen und V.9 an anderer Stelle steht. In der neueren Forschung wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass die LXX den tendenziell älteren Text enthält und es sich bei den nur im MT bezeugten Wörtern oder Versen meist um sekundäre Zusätze handelt.³⁸⁵ Im Fall von Jer 10 belegt 4Q71 die Existenz eines kürzeren hebräischen Textes, auf den die LXX zurückgehen dürfte.³⁸⁶ Dennoch können LXX und MT nicht pauschal als zwei aufeinanderfolgende Textstufen behandelt werden. Überschüsse der LXX gegenüber dem MT widersprechen diesem einfachen Entwicklungsmodell.³⁸⁷ Selbst bei einer generellen Priorität der LXX könnten Unterschiede zwischen MT und LXX auch in der Überlieferungsgeschichte des griechischen Textes (oder seiner hebräischen Vorlage) entstanden sein.³⁸⁸ Für den Umgang mit Unterschieden zwischen MT und LXX heißt das, dass in der LXX fehlende Elemente nicht mechanisch als sekundäre Zusätze ausgeschieden werden sollten. Ich werde daher die mögliche Priorität von MT oder LXX im Einzelfall untersuchen und eine redaktionsgeschichtliche Rekonstruktion vorschlagen, die die Entstehung beider Textformen zu erklären vermag. Da also sowohl Jer 10 LXX als auch Jer 10 MT Gegenstand der Untersuchung sind, werden hier beide Übersetzungen in synoptischer Darstellung gegeben und im Folgenden besprochen.

 Vgl. Janzen 1973 (passim); Bogaert 1981 (passim); Schenker 1982: 525 – 527; McKane 1986: xi–xxi; Gôldman 1992: 218 – 223; Stipp 1994: 66 – 91 u. a.; anders Fischer 1993 (passim); Schmid 1996: 15 – 23.  Das Fragment wurde erstmals als 4QJerb von Janzen 1973: 181 f publiziert, der im Anschluss an Cross 1961: 187 Anm. 38 auf die Übereinstimmungen mit LXX hinwies. Dass aus Platzgründen ein kürzerer, der Vorlage der LXX entsprechender Text zu rekonstruieren ist, legt ausführlich Tov 1997: 174– 176 dar. Bestritten wird diese Rekonstruktion von Fischer 1993: 2– 5 (und wieder in Fischer 2007: 21 f u. ö.).  Vgl. Schmid 1996: 21.  Vgl. dazu Stipp 2008: 631 (der kürzere,von LXX, 4Q71 und 4Q72a bezeugte Text „repräsentiert insgesamt eine ältere Entwicklungsstufe des Buches, aber nicht so, dass sie dem masoretischen Typ in direkter Linie vorausliefe“).

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

LXX () Hört ein Wort des Herrn, das er gesagt hat über/gegen euch, Haus Israel. () Dies sagt der Herr: Nach den Wegen der Völker lernt nicht und vor den Zeichen des Himmels fürchtet euch nicht, denn sie fürchten sie mit(?) c ihren Gesichtern. () Denn die Sitten der Völker sind nichtig;

MT () Hört das Wort, das Jhwh gesprochen hat über/gegena euch, Haus Israel. () So hat Jhwh gesprochen: Zum b Weg der Nationen hin sollt ihr nicht lernen und vor den Zeichen des Himmels sollt ihr nicht erschreckt sein wie die Nationen vor ihnen erschreckt sind. () Denn die Satzungen d der Völker sind e ein Hauch, Holz ist es, aus dem Wald geschlagen, denn es ist Holz vom Wald, man fällt es, ein Werk eines Handwerkers und ein Gussbild. ein Werk der Hände des Handwerkers mit seinem Beil. () Mit Silber und Gold sind sie geschmückt, () Mit Silber und mit Gold schmückt er es mit Hammern und Nägeln befestigen sie sie, mit Nägeln und Hammern befestigen sie sie, und sie werden sich nicht bewegen. damit es nicht taumelt. (a) Getriebenes Silber ist es, () Wie getriebene Palmen f sind sie sie werden nicht gehen; und sie reden nicht. () Silberüberzug von Tarsis wird kommen, Gold des Mofaz h, [Werke der Handwerker] g [und der Hand der Goldschmiede] g sie alle; hyazinthenfarbenes Kleid und Purpur werden sie ihnen anziehen. (b) Als Getragene werden sie getragen, (b) Sie müssen getragen werden, denn sie werden nicht auftreten. denn sie können nicht schreiten. Fürchtet sie nicht, Fürchtet euch nicht vor ihnen, denn sie tun gewiss nicht Böses denn sie tun nichts Böses und Gutes ist nicht in ihnen. und auch Gutes zu tun vermögen sie nicht. () Es gibt gar keinen wie dich, Jhwh, groß bist du und groß ist dein Name mit Kraft. () Wer fürchtet dich nicht, König der Nationen? denn dir gebührt es. Denn unter allen Weisen der Nationen und in ihrem ganzen Königreich ist gar keiner wie du. () Zugleich dumm und töricht sind sie; Lehre der Nichtse: Holz ist es. () Breit gehämmertes Silber wird aus Tarsis gebracht und Gold aus Ufas h; ein Werk des Handwerkers und der Hände des Feinschmiedes; blaue und rote Purpurwolle sind ihre Kleider; ein Werk der Weisen (sind) sie alle. () Aber Jhwh ist Gott (in) Wahrheit,

3.2 Jeremia 10,1 – 16

() So werdet ihr ihnen sagen: „Götter, die den Himmel und die Erde nicht gemacht haben, sollen zugrunde gehen von der Erde und von unter diesem Himmel.“ () Der Herr j, der die Erde gemacht hat in seiner Kraft, der errichtet hat die bewohnte Erde in seiner Weisheit und in seinem Verstand den Himmel ausgespannt hat () und eine Masse Wasser im Himmel,

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er ist lebendiger Gott und König (für) immer. Von seinem Zorn erbebt die Erde und die Nationen (können) seine Verwünschung nicht aushalten. () So sagt zu ihnen: „Götter, die Himmel und Erde nicht gemacht haben, sollen zugrunde gehen von der Erde und von unter dem Himmel, diese.“ i () Macher der Erde in seiner Kraft, Errichter des Festlands in seiner Weisheit,

in seiner Einsicht hat er den Himmel ausgespannt. () [Auf seinen Befehl ergießt sich] k Brausen von Wasser im Himmel, und er führte Wolken hinauf vom Ende der Erde, er hat Wolken hinaufsteigen lassen vom Ende der Erde, Blitze machte er für den Regen Blitze für den Regen hat er gemacht und er führte Licht l aus seinen Schatzkamund er hat Wind l herausgehen lassen aus seinen mern. Schatzkammern. () Zum Narren wird jeder Mensch von Er() Als dumm erweist sich jeder Mensch, der kenntnis, fern ist von m Erkenntnis; beschämt ist jeder Goldschmied über seinen beschämt steht jeder Feinschmied da vom Götgeschnitzten (Bildern), terbild, denn Lügen haben sie geschmolzen, denn Trug ist sein Gussbild Geist ist nicht in ihnen. und kein Atem ist in ihnen. () Nichtig sind sie, verspottete Werke, () Ein Hauch sind sie, ein Werk des Gespötts, in der Zeit ihrer Heimsuchung sind sie verloren. zur Zeit ihrer Heimsuchung gehen sie zugrunde. () Nicht ist ebenso der Teil Jakobs () Nicht wie sie ist der Anteil Jakobs denn der alles geformt hat, denn der alles formt, er ist sein Erbe, er (ist) […] n sein Erbteil, Herr ist sein Name. Jhwh der Heerscharen ist sein Name. a

Duhm : ; Rudolph : ; Holladay :  u. a. lesen = ‫ֲאֵליֶכם‬, doch die Parallele in Am , (vgl. auch Am ,) bietet in LXX und MT ebenfalls ἐφ’ ὑμᾶς bzw. ‫ֲעֵליֶכם‬. b ‫ למד‬ist sonst nie mit ‫ ֶאל‬konstruiert. Duhm : ; Rudolph :  emendieren daher zu ‫ֶאת‬. Da aber auch LXX (κατά) und Q ‫ ֶאל‬lesen, ist die Präposition hier vielleicht doch ursprünglich (vgl. Holladay : ). Möglicherweise ist ein Wortspiel mit dem folgenden ‫ִמן‬ intendiert. c Die Bedeutung von τοῖς προσώποις αὐτῶν in diesem Zusammenhang unklar, vgl. auch Bogaert :  (der „ils craignent devant leurs faces“ vorschlägt); instrumental übersetzt auch Walser : . d Die von Giesebrecht :  vorgeschlagene und von Rudolph :  übernommene Konjektur ‫ ִח ַתּת‬ist unnötig: ‫ ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬ist sinnvoll als Parallelausdruck für ‫( ֶד ֶרְך ַהגּוֹיִם‬mit Holladay

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

: ; zur Kritik an der Konjektur vgl. auch Wambacq : ). Cohen/Hurowitz  schlagen vor, entsprechend zur Verwendung des akk. parṣu („Kultordnung“, aber auch: „der Ordnung entsprechendes Kultobjekt“) ‫ ֻחקּוֹת‬als Bezeichnung für ein Kultobjekt zu verstehen; doch scheint es mir naheliegender, die Bedeutung der Formulierung über innerbiblische Parallelen zu erklären (dazu s. u. ....) als über einen (etymologisch nicht verwandten) akk. Begriff. e Die Verwendung des Sg. ‫ הוּא‬ist hier wohl (wie in Lev ,) durch das Prädikat beeinflusst, vgl. Joüon/Muraoka : §c. f LXX liest ‫ ְכֹּתֶמר‬vereinfachend als ἀργύριον. Die anderen Versionen basieren alle auf dem MT; der Text ist also nicht zu emendieren (mit Kratz :  Anm.  und den Kommentaren gegen Schroer :  mit Anm. ). EpJer  nimmt den Ausdruck als ὥσπερ […] ἐν σικυηράτῳ (vgl. Jes ,) προβασκάνιον οὐδὲν φυλάσσον („wie eine nichts schützende Vogelscheuche im Gurkenfeld“) auf. Diese Deutung dürfte aber kaum den ursprünglichen hebräischen Text treffen (gegen Rudolph : ; Holladay : ; Fischer :  u. a.), da ‫תֶּמר‬ ֹ in diesem Sinn weder belegt noch etymologisch herleitbar ist (Gerleman : ), und der Ausdruck in EpJer besser passt als in V.aα. Eher ist im Kontext der Herstellungspolemik die übliche handwerkliche Bedeutung von ‫ ִמְק ָשׁה‬als „getriebene Arbeit“ (vgl. Ex ,..; ,..; Num ,) beizubehalten. ‫תֶּמר‬ ֹ ist als Variante zu ‫ ָתַּמר‬noch in Ri , belegt. In diesem Sinn übersetzen auch Dalman :  f; Deist : . Wie in Ri , (dazu Diebner : ) könnte es sich auch in V. um ein Wortspiel mit ‫ אמר‬handeln, so dass sich die Unfähigkeit der Bilder (in V.aα: ‫) ְול ֹא ְי ַד ֵבּרוּ‬ wie auch in V.b.aβ.b auf das unmittelbar Vorangehende bezieht. g Der Text ist hier wohl umzustellen, denn die Anordnung der LXX (καὶ χείρ χρυσοχόων ἔργα τεχνιτῶν πάντα) ergibt keinen Sinn. Der Fehler geht wahrscheinlich bereits auf die hebräische Vorlage zurück, da ‫ )?( ַיד ֹצ ְרִפים‬als Nominativ (statt, nach der rekonstruierten Anordnung, als Genitiv) verstanden wurde. h Möglicherweise wurde ein ursprüngliches ‫„( ָזָהב מוָּפז‬gereinigtes Gold“, Ptz. Ho., vgl.  Kön ,) von Späteren für eine Ortsangabe (parallel zu ‫ )ִמ ַתּ ְר ִשׁישׁ‬gehalten (so Wanke :  Anm. ) bzw. von LXX nicht verstanden. Allerdings ist auch in Dan , ‫ אוָּפז‬als Herkunftsort von Gold belegt. Wahrscheinlich vereinfachend (so auch Carroll : ) lesen Peschitta und Targum „aus Ophir“ (vgl. zu Gold aus Ophir  Kön ,; ,; Hi ,; Ps ,; Jes , u. ö.; vgl. Schroer :  f). i Zu dieser Übersetzung (Chiasmus!) s. u. .... Anders Duhm : , der den Text der LXX vorzieht mit der Erklärung, die Götter könnten ruhig in anderen Himmeln bleiben, wo sie die Menschen nicht stören. j Wahrscheinlich handelt es sich um einen Zusatz gegenüber MT (dort unvermittelter Subjektwechsel), der den Übergang von V. erleichtern soll. Für die sekundäre Ergänzung von κύριος spricht auch, dass es in der Parallelstelle , LXX nicht erscheint. k MT bietet ‫„( ְלקוֹל ֹ ִתּתּוֹ‬bei der Stimme seines Gebens“); die LXX überspringt den offenbar unverständlichen Versanfang. Ich folge der von Duhm :  vorgeschlagenen Emendation ‫ְלקוֹלוֹ‬ ‫ ִנ ַתְּך‬. Der Abschreiber hatte wahrscheinlich die häufige Formulierung ‫ נתן קוֹל‬im Kopf. Neuere Kommentare versuchen z. T., ohne Emendation auszukommen, vgl. Fischer : ; Schmidt : ; Allen : . Die Wendung ‫ נתן קוֹל‬findet sich aber nie in dieser Form, und auch nie mit der Präposition ‫( ְל‬vgl. Reimer :  f). Bedenkenswert ist allenfalls der Vorschlag von Althann :  f, es handle sich um eine absichtliche (poetische) Umkehrung der Konstruktusverbindung, wie sie auch sonst im AT belegt ist. Allerdings führt Althann keinen Beleg an, bei dem wie hier auch die Präposition das Bezugswort wechselt. Möglich wäre auch Textausfall, die Rekonstruktion bleibt dann aber sehr spekulativ (zu Vorschlägen vgl. Reimer ). Der Fehler

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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muss schon ziemlich früh passiert sein, da ihn das Zitat in Jer , (MT: ‫ ;ְלקוֹל ִתּתּוֹ‬, LXX: εἰς φωνὴν ἔθετο) voraussetzt. l Jhwh lässt nach MT Wind (‫)רוּ ַח‬, nach LXX aber Licht (φῶς) aus seinen Schatzkammern hervorgehen. Φῶς bedeutet wie das hebräische ‫„ אוֹר‬Licht“, insbesondere „Tageslicht“, und bezeichnet also kein Phänomen, das seinen Platz in der Schilderung einer Gewitter-Vorbereitung hätte (mit McKane : ). Möglicherweise basiert die Version der LXX auf einer Verlesung von ‫ַויּוֵֹצא רוּ ַח‬ zu ‫ ַויּוֵֹצא אוֹ ָרה‬. Der Vorschlag einer solchen Verwechslung stammt von Duhm : , der allerdings ‫ אוֹ ָרה‬für ursprünglich hält. Wie der Fehler von da auch nach , LXX gekommen ist, bleibt jedoch unklar, da die Übersetzung des Paralleltextes ansonsten nicht mit Jer  LXX identisch ist. m Mit Ackroyd : ; McKane :  f; Lundbom :  u. a. übersetze ich ‫ ִמן‬in V.aα separativ und nicht, wie in V.aβ, kausativ. ‫ ַדַּעת‬ist im AT grundsätzlich positiv konnotiert (Ausnahme: Jer ,) und steht insbesondere im Umfeld von Jer  für die Erkenntnis Jhwhs. Eine kausative Übersetzung des ersten ‫ ִמן‬halte ich daher für nicht möglich. Holladay :  (und vgl. darauf aufbauend Rudman :  f mit Anm. ) übersetzt unter Verweis auf eine ähnliche Satzstruktur in Gen , „every person is too stupid to know“, was m. E. aber inhaltlich nicht überzeugt (vgl. auch die Rezeption in Sap ,, dazu s. u. ..). Auch die Übersetzung der LXX (ἀπό) ist nicht eindeutig, vgl. zu unterschiedlichen Verständnissen bei den Kirchenvätern Walser :  f. n Der MT korrigiert wahrscheinlich die ungewöhnliche Bezeichnung von Jhwh als ‫ ַנֲחָלה‬im älteren, von der LXX bezeugten Text (‫הוּא ַנֲחָלתוֹ‬/‫ ) ִכּי־יוֵֹצר ַה ֹכּל‬in Richtung der üblicheren Vorstellung von Israel als Jhwhs Erbteil (vgl. Dtn ,; ,.; ,;  Sam ,; ,;  Sam ,; ,;  Kön ,.;  Kön ,; Ps ,; ,; ,; ,; ,.; ,.; Jes ,; Jer , – ; Joel ,; Mi ,; in Verbindung mit ‫ ֵשֶׁבט‬auch in Ps ,; Jes ,), mit Duhm : ; Janzen : ; Bogaert : ; Stipp : ; ähnlich Allen : ; gegen Rudolph : ; McKane : ; Lundbom : . Zur Bedeutung des älteren, ungewöhnlicheren Textes s. u. .....

3.2.2 Durchgang durch den Text Jer 9,22– 10,16 unterbricht den Zusammenhang der Klagetexte 9,1– 21 und 10,17– 22.³⁸⁹ Dieser Einschub besteht aus drei auf den ersten Blick unabhängigen Teilen, zwei kurzen Jhwh-Sprüchen 9,22 f und 9,24 f sowie der durch 10,1 f eingeleiteten Rede 10,1– 16. Der sekundäre Charakter von Jer 10,1– 16 wurde schon lange erkannt.³⁹⁰ Für eine spätere Ergänzung spricht neben der Unterbrechung des Kon-

 Auch die Verbindung über das Stichwort ‫( אסף‬9,21; 10,17, vgl. Rudolph 1968: 75) weist auf eine ursprünglich größere Nähe dieser Texte hin.  So bereits mit ausführlicher Argumentation und Verweis auf Ältere Graf 1862: 170 – 172; vgl. auch Duhm 1901: 98. Der sekundäre Charakter wird oft mit einer nachexilischen Datierung des Textes begründet, die wiederum aus der Verwandtschaft mit der Götterpolemik in DtJes und Ps 115/ 135 erschlossen ist (vgl. Janzen 1973: 132 mit Anm. 19 f; Rudolph 1968: 71 u. a.). Wie die folgende Analyse zeigen wird, kann die Abhängigkeit von DtJes aber nur für bestimmte Fortschreibungen

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

textes, dass sich Jer 10,1– 16 in auffälliger Weise von allen anderen mit fremden Göttern befassten Stellen in Jer unterscheidet. Während sonst auf Israels Abfall von Jhwh zurückgeblickt wird, wird in Jer 10 eine Warnung ausgesprochen.³⁹¹ Vielfältige Verbindungen zum Jeremiabuch insgesamt und auch zum näheren Kontext³⁹² weisen darauf hin, dass Jer 10,1– 16 nicht als selbständiges Textstück hier eingefügt wurde, sondern an seinem jetzigen Ort entstanden ist. Dabei handelt es sich nicht um einen literarisch einheitlichen Einschub, wie schon an den unterschiedlichen Textformen von MT und LXX ersichtlich ist, sondern um einen gewachsenen Text. Die folgende Rekonstruktion bemüht sich, die Entstehung beider Textformen (MT und LXX) zu erklären. Dazu werde ich zunächst die Bruchlinien innerhalb von Jer 10,1– 16 aufzeigen und anschließend einen Rekonstruktionsvorschlag zur sukzessiven Entstehung des Textes vorstellen. a) Der Abschnitt beginnt mit einer doppelten Redeeinleitung V.1.2a. Zwar finden sich an anderen Stellen in Jer ebenfalls solche doppelten Redeeinleitungen (vgl. 2,4 f; 7,2 f; 17,20 f; 19,3). Doch da die Abschnitte im näheren Kontext jeweils nur mit einer Redeeinleitung wie V.2a (‫ ֹכּה ָאַמר יהוה‬, 9,16.22; 10,18) beginnen und ein Grund für einen betonten Neueinsatz der prophetischen Rede nicht ersichtlich ist, könnte man vermuten, dass die Verdoppelung der Einleitung hier sekundär ist. Die Formulierung von V.1 scheint an Am 3,1 angelehnt, wo ebenfalls das Verhältnis Israels zu den Völkern thematisiert wird.³⁹³ Es wäre daher denkbar, dass V.1 im Zusammenhang mit 9,24 f sekundär in den Text eingetragen wurde, um den in V.2 ff implizierten Vorwurf an Israel hervorzuheben. b) V.2 mahnt vor einer Aneignung der Bräuche der Völker und nennt konkret die Furcht vor Himmelszeichen, was insbesondere gegen babylonische Sitten gerichtet sein könnte.³⁹⁴ V.3b schließt schlecht an V.3a an: War zunächst von Astrologie die Rede, erfolgt hier ein unvermittelter Sprung zu den Götterbildern. Die Satzungen der Völker (‫ )ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬können wohl als „Hauch“ (‫ֶהֶבל‬, V.3a) bezeichnet werden, schwerlich aber als „Holz vom Wald“ (‫ֵעץ ִמ ַיַּער‬, V.3b).³⁹⁵ Die in nachgewiesen werden (s.u. 3.2.3.3.2) und Ps 135 ist eher von Jer 10 abhängig als umgekehrt (s.u. 3.3.2; 3.3.2.2).  Mit Graf 1862: 170 („wie kann Jer., welcher alles Unheil seiner Volksgenossen von ihrem Götzendienste ableitet, hier sie blos ermahnen, sich nicht vom Götzendienste anstecken zu lassen?“); Rudolph 1968: 71. Dass es sich um eine andere Art von Götterpolemik handelt, bemerken auch McKane 1986: 219; Carroll 1986: 254 f u. a. (gegen Overholt 1965: 9 – 12), s. dazu o. 3.1.  Auf diese Verbindungen wird im Laufe der Analyse eingegangen werden.  Ähnlich Fischer 2005: 378.  S.u. 3.2.3.2.  Anders Cohen/Hurowitz 1999: 286 f, vgl. Textanm. d.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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V.3b–5 folgende Beschreibung schließt hingegen gut an ‫ ֶהֶבל‬verstanden als abwertende Bezeichnung für ein Götterbild („Götze“, vgl. Jer 8,19) an. Dieses Verständnis kann im Zusammenhang mit V.2 kaum ursprünglich sein, bildet jedoch einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die spätere Erweiterung.³⁹⁶ Ich halte daher V.3b–5 für sekundär gegenüber V.2– 3a.³⁹⁷ c) In V.6 wechselt die Sprechrichtung: Waren bisher laut Redeeinleitung die Israeliten von Jhwh angesprochen (vgl. auch die Prohibitive in V.2.5), folgt ab V.6 ein an Jhwh gerichtetes Gotteslob. Auch inhaltlich erfolgt so ein Wechsel von der Götterpolemik, der aber gut anschließt, da den nichtigen Göttern der unvergleichbare Jhwh gegenübergestellt wird. Allerdings findet sich diese Gegenüberstellung in der LXX nicht; die V.6 – 8 sind nur im MT belegt. Da auch V.10 in der LXX keine Entsprechung hat, vermute ich, dass die Doxologien auf eine gemeinsame Überarbeitung zurückgehen, denn umgekehrt ließe sich eine Kürzung des Textes um diese Passagen nur schwer plausibel machen.³⁹⁸ Warum auch V.8 dieser Fortschreibung zugerechnet werden kann, werde ich unten zeigen. d) V.9 präzisiert stichwortartig die in V.3b–4 bereits erwähnten Elemente ‫ֶכֶּסף‬ („Silber“, nun: ‫ ֶכֶּסף ְמֻר ָקּע ִמ ַתּ ְר ִשׁישׁ‬, „breit gehämmertes Silber aus Tarsis“), ‫ָזָהב‬ („Gold“, nun: ‫ ָזָהב ֵמאוָּפז‬, „Gold aus Ufas“), ‫„( ַמֲע ֵשׂה ְי ֵדי־ָח ָרשׁ‬Werk der Hände des Handwerkers“, nun: ‫ַמֲע ֵשׂה ָח ָרשׁ ִוי ֵדי צוֹ ֵרף‬, „ein Werk des Handwerkers und der Hände des Feinschmiedes“) und ergänzt die Bekleidung der Bilder. Es handelt sich daher bei V.9 wohl um einen sekundären Zusatz zu V.3b–4. Der Vers befindet sich in LXX und MT an jeweils unterschiedlichen Stellen. Beide Versionen weisen aber auf einen sekundären Umgang mit V.9 hin: Im Text der LXX unterbricht V.9 die in V.4b begonnene Reihe der Aussagen über die Götter, die jeweils auf οὐ + Verb 3. Pl. enden. Im MT deutet das in V.8b vorangehende ‫( ֵעץ הוּא‬vgl. V.3b) darauf hin, dass hier eine variierende Wiederaufnahme von V.3b–4 folgt, die sich nicht so recht in den Text fügen will (vgl. dazu die Tabelle unter 3.2.3.6.2).³⁹⁹

 Mit Wambacq 1974: 60 f; daran anschließend McKane 1986: 218 f; Wanke 1995: 113.  Aufgrund des Wechsels von ‫( ֶדּ ֶרְך ַהגּוֹיִם‬V.2) zu ‫( ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬V.3) betrachtet Wambacq 1974: 60 bereits V.3a als Fortschreibung, an die eine weitere Fortschreibung V.3b–4 anschließt. Doch so lange keine weiteren Argumente angeführt werden können, bleibt die Verwendung des Parallelbegriffs eine stilistische Variante, die sich ebenso gut synchron erklären lässt.  Für eine sekundäre Streichung von V.6 – 8.10 und Umstellung von V.9 sehe ich keinen Grund (anders offenbar aus ästhetischen Gründen Vonach 2009: 210). Hingegen ist das Phänomen doxologischer Erweiterungen textgeschichtlich belegt, vgl. Ben-Dov 2000: 113 – 116.  Ben-Dov 2000: 108 führt neben dem Zurückkommen auf bereits abgehandelte Themen die Unterbrechung der hymnischen V.6 – 8.10 als problematisch an. Diese Unterbrechung wird aber

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

e) V.10 ist, wie bereits erwähnt, nur im MT belegt und mit V.6 f verwandt – beide Textstellen preisen Jhwh als König über die Völker –,⁴⁰⁰ so dass eine gemeinsame Überarbeitungsschicht vermutet werden kann. f) V.11 ist als einziger Vers dieses Textes aramäisch und gehört daher schwerlich mit den anderen Textteilen ursprünglich zusammen.⁴⁰¹ Zwar gibt es verschiedene Ansätze, die Verwendung des Aramäischen in diesem Vers zu erklären (dazu s.u. 3.2.3.4.2 mit Anm. 459), doch ist in synchroner Perspektive nicht zu erklären, warum bereits für die Redeeinleitung ins Aramäische gewechselt wird. Hinzu kommt die unterschiedliche Ausrichtung dieses Verses in Bezug auf die Rolle der Völker: Nur hier wird eine direkte Kommunikation mit den Götterverehrern in Betracht gezogen, während sonst durchgängig aus Beobachterperspektive über die Götterverehrer bzw.Völker gesprochen wird.⁴⁰² Das Pronomen ‫„( ְלהוֹם‬zu ihnen“) verweist auf einen vorbestehenden Kontext, in dem die götterverehrenden Völker erwähnt werden;V.11 setzt also mindestens einen Grundbestand des Textes V.1– 10 bereits voraus. g) V.12 bildet formal und inhaltlich einen Neueinsatz: Mit hymnischen Partizipien wird hier Jhwh als Schöpfer gelobt. Obwohl über das Thema „Schöpfung“ mit V.11 verwandt, schließt V.12 schlecht an V.11 an, wie auch die nachträgliche Einfügung von κύριος durch LXX (und Peschitta) zeigt. Eine an V.11 anknüpfende Fortschreibung halte ich daher für wenig wahrscheinlich; eher scheint V.11 nachträglich vor V.12 eingefügt worden zu sein. Handelt es sich also bei V.12(f) nicht um die ursprüngliche oder sekundär ergänzte Fortsetzung von V.11, stellt sich die Frage, wo sich davor im Text ein möglicher Anschlusspunkt für V.12(f) – als Fortschreibung oder als Bestandteil der Grundschicht – findet. Dabei zeigt sich, dass die bisher abgegrenzten Textteile V.(1.)2– 3a,V.3b–5 und V.9 aus inhaltlichen Gründen als Anschlusspunkt für V.12(f) nicht in Frage kommen. Allenfalls könnte der V.12(f) an V.7 oder V.10 anschließen, doch wäre damit der Text der LXX, in dem V.12– 16 bezeugt sind, V.6 – 8.10 jedoch nicht, schwer zu erklären. Daher soll hier

bereits durch V.8 eingeleitet. Der „störende“ V.9 wird im Endtext durch die Abfolge von Götterpolemik und Hymnus aufgefangen.  Zu Recht weist Mizrahi 2014: 119 darauf hin, dass dieses „politische“ Gotteslob sich vom Schöpferlob in V.12 f unterscheidet.  Vgl. Duhm 1901:101 („aramäische Randbemerkung“); Rudolph 1968: 71 f; Ben-Dov 2000:109 u. a. Schon Houbigant 1753: 220 bezweifelt, dass Jeremia selbst den Vers auf Aramäisch verfasst habe, hält aber ein Versehen in der Textüberlieferung für möglich (dagegen s.u. 3.2.3.4.2). Zu anderen Erklärungsversuchen s.u. Anm. 459.  Vgl. Mizrahi 2014: 121.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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zunächst nur festgehalten werden, dass für V.12(f) eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit oder literarische Abhängigkeit von anderen Versen aus 10,1– 11 nicht festgestellt werden kann; ich werde im Folgenden auf einen Lösungsvorschlag zurückkommen. h) In V.14 wechselt das Thema von der Schöpfung zur Götterpolemik, es ist nun nicht mehr von Jhwh, sondern von Menschen und ihren Götterbildern die Rede. Man könnte daher vermuten, es handle sich um einen nachträglichen götterpolemischen Einschub. Zu diesem wären mindestens V.14– 16a zu rechnen, da der Gegensatz ‫„( ל ֹא־ְכֵא ֶלּה‬nicht wie diese“) in V.16a unmittelbar an V.14 f anschließt. Es bleibt noch V.16b als möglicher Bestandteil des älteren Textes. Die Formel ‫יהוה‬ ‫ )ְצָבאוֹת( ְשׁמוֹ‬wird in Jer⁴⁰³ wie auch sonst im AT⁴⁰⁴ oft nach hymnischen Partizipien verwendet. Dass ein Späterer diese Formel durch einen Einschub so weit von ihrem ursprünglichen Anschluss V.12 f abgetrennt hätte, scheint mir jedoch unwahrscheinlich. Als genuiner Bestandteil von V.16 hat die Formel ihren Platz in einem Vers, der Götterpolemik und Schöpfer-Hymnus kunstvoll miteinander verwebt: ‫ל ֹא־ְכֵא ֶלּה ֵחֶלק ַיֲעקֹב‬ („Nicht wie diese ist der Anteil Jakobs“) ‫ִכּי־יוֵֹצר ַה ֹכּל‬ („denn er formt alles“) ‫הוּא ַנֲחָלתוֹ‬ („er ist sein Erbteil“) ‫יהוה ְצָבאוֹת ְשׁמוֹ‬ („Jhwh der Heere ist sein Name.“)

nimmt Bezug auf die Götterpolemik V.b–

das Partizip und die Schöpfungsthematik verweisen auf V. f bildet eine Parallele zu ‫ ֵחֶלק ַיֲעקֹב‬am Anfang von V. bildet den Abschluss eines Hymnus, der schon in V. f einsetzt

Die sorgfältige Verknüpfung weist darauf hin, dass der Hymnus in V.12 f nicht als Störung, sondern als ein zur Götterpolemik gehörendes Element verstanden wurde. Ich vermute daher, dass V.12– 16 als literarisch einheitlich zu betrachten sind. Der Text lässt sich somit in seine Bestandteile V.1.2– 3a.3b–5.6 – 8.9.10.11.12– 16 zerlegen, wobei V.3b–5,V.9 und V.11 von jeweils älteren Schichten abhängig sind und V.6 – 8.10 erst einer späteren, im MT bezeugten Fortschreibung zuzurechnen sind. Als möglicher ältester Kern des Textes bleiben damit V.(1.)2– 3a oder V.12 – 16

 Jer 31,35; 32,18; 33,2. In Jer 50,34 mitten in einer Rede nach ‫ ֹגֲּאָלם ָח ָזק‬. In Jer 46,18; 48,15; 51,57 jeweils im Anschluss an den singulären Ausdruck ‫ ְנֻאם־ַה ֶמֶּלְך‬.  Jes 51,15; Am 4,13; 5,8; 9,6.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

übrig. Ich vermute, dass sich der Grundbestand des Textes in V.12– 16 findet. Drei Überlegungen sind für diese Entscheidung ausschlaggebend: – Anders als V.2– 3a weisen V.12– 16 enge Berührungen mit dem unmittelbaren Kontext Jer 9 – 10 auf und lassen sich auch inhaltlich gut als Fortschreibung in diesem Zusammenhang erklären. Sowohl das Thema der Götterverehrung (vgl. insbesondere Jer 8,19: ‫ ֶפֶּסל‬/‫ ֶהֶבל‬wie Jer 10,14 f) als auch weisheitliche Reflexion (Jer 9,11.22 f; zu weisheitlichen Elementen in Jer 10,12– 16 s.u. 3.2.3.1.1) finden sich bereits im Kontext in die Klage über die Zerstörung Jerusalems eingestreut. Besonders eng ist V.12 mit 9,22 f verbunden: Auch dort findet sich das Partizip ‫ עֹ ֶשׂה‬und der Begriff ‫ ֶא ֶרץ‬sowie, zwar in anderer Verwendung, aber in der Form exakt identisch ‫ ְבָּחְכָמתוֹ‬.⁴⁰⁵ – V.12– 16 wurden geschlossen in das Babylon-Orakel Jer 50 – 51 aufgenommen (51,14– 17).⁴⁰⁶ Dies zeigt zum einen, dass antike Rezipienten V.12– 16 als Einheit wahrgenommen haben, und zum anderen verträgt sich die weitere Verarbeitung (nur) von V.12 – 16 innerhalb von Jer gut mit der These, dass es sich bei diesem Abschnitt um den ältesten Kern des Textes handelt.⁴⁰⁷ – Ein Anschlusspunkt für V.12– 16 ist innerhalb von V.1– 11 schwer plausibel zu machen, umkehrt lassen sich aber die übrigen Bestandteile des Textes als Fortschreibungen ausgehend von V.12– 16 erklären. Dies werde ich im Folgenden darlegen. Aus den vorangehenden Überlegungen ergibt sich der folgende Rekonstruktionsvorschlag: 1. Grundschicht: V.12 – 16. Ältester Bestandteil von 10,1– 16 sind m. E. V.12 – 16. Ich vermute, dass V.12– 16 mit Blick auf 9,22 f hier eingefügt wurde.⁴⁰⁸ Neben der bereits genannten terminologischen Anknüpfung (‫עֹ ֶשׂה‬, ‫ֶא ֶרץ‬, ‫ ) ְבָּחְכָמתוֹ‬spricht dafür auch, dass in 9,22 f die – nach Ausweis der LXX vor V.12 als notwendig empfundene – Nennung Jhwhs erfolgt.  Weiser 1960: 87 vermutet für den Abschnitt 10,1– 16 insgesamt, dass er „im Blick auf 9,23 hier eingefügt worden“ sei. Hermisson 2000b: 189 sieht einen „Zusammenhang“ zwischen 9,22 f und 10,1– 16, und vermutet, dass (u. a.) diese Texte zu einer „einheitlichen Weisheitsschicht im Jeremiabuch“ gehören könnten (Hermisson 2000b: 191).  Die Kontextbezüge von Jer 10,12– 16 und der Komposit-Charakter von Jer 50 – 51 sprechen für eine Entstehung in Jer 10 und eine spätere Übernahme in Jer 51. In Jer 51,(44.)47.52 wird daran anschließend die Heimsuchung der Götterbilder ausgeführt. Vgl. auch die Verwendung von Jer 6,22– 24 in Jer 50,41– 43 und zu weiteren, kürzeren Versatzstücken Macchi 1997: 135.  Mit Ben-Dov 2000: 126.  Und zwar vor der Einfügung von 9,24 f, im Zuge derer zu einem späteren Zeitpunkt 10,1 – vermutlich als Überleitung von 9,24 f (‫ ֵבּת יִ ְשׂ ָרֵאל‬in 9,25; 10,1) – ergänzt wird.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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2. Ergänzungsschicht I: V.2 – 3a. Als nächstes wurde die Jhwh-Rede V.2– 3a vor V.12– 16 eingefügt, um den Text zu einer Warnung vor babylonischen Bräuchen umzugestalten. Die Anknüpfung an V.12– 16 wird in der Übernahme der Begründung ‫( ִכּי ]…[ ֶהֶבל הוּא‬V.3a; vgl. ‫ ִכּי ]…[ ֶהֶבל ֵה ָמּה‬in V.14b.15a) deutlich. 3. Ergänzungsschicht II: V.3b–5. Die V.3b–5 wurden an V.2– 3a angefügt, da ‫ ֶהֶבל‬in V.3a – statt als abwertendes Prädikat zu den „Satzungen der Völker“ (‫– )ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬ als Begriff für einen Bild-Gott (vgl. Jer 8,19) verstanden wurde. Nur in dieser Fortschreibung zeigen sich enge Parallelen zur Herstellungspolemik in DtJes (s.u. 3.2.3.3.2).⁴⁰⁹ 4. Ergänzungsschicht III: V.11. V.11 bildet eine nachträgliche Verbindung von V.2– 5 mit V.12– 16. V.11 schließt gut an V.5 an, da sich dort ein Bezugspunkt für das Pronomen ‫„( ְלהוֹם‬zu ihnen“) findet. Auf V.12– 16 weist das Thema der Schöpfung (vgl. V.12 f) und des Verschwindens der Götter (vgl. V.15) voraus.⁴¹⁰ 5. Glosse:V.9.Wie oben festgestellt, erweist sich V.9 in LXX als Zusatz und wird auch im MT erst über die Fortschreibung V.6 – 10 eingebunden.Weder kann der Text der LXX aus dem MT (inkl.V.9) noch der MT aus der Textform der LXX (inkl.V.9) erklärt werden: Für eine Kürzung und Umstellung des MT lässt sich kein plausibler Grund benennen, und umgekehrt ist nicht ersichtlich, warum ein Ergänzer V.9 aus V.4 (in der Textform der LXX) herausgelöst haben sollte, um ihn in die Fortschreibung V.6 – 10 zu integrieren, da diese Fortschreibung andere Interessen verfolgt⁴¹¹ (s.u. 3.2.3.6 zur Erweiterung von V.9 um ‫ ַמֲע ֵשׂה ֲחָכִמים ֻכּ ָלּם‬im MT, die V.9 überhaupt erst mit dem Thema der V.6 – 8.10 MT verbindet). Dass LXX und MT jeweils unterschiedlich und unabhängig voneinander verfahren, um V.9 in den Text einzuordnen, V.9 aber in beiden Fällen als zusammenhängende Einheit behandelt und sekundär eingearbeitet wird, lässt vermuten, dass V.9 erst kurz vor der Trennung

 V.14 verwendet zwar einige Begriffe, die sich auch in götterpolemischen Texten in DtJes finden (‫בושׁ‬, Jes 42,17; 44,9.11; 45,16 [alle Qal]; ‫צוֹ ֵרף‬, Jes 40,19; 41,7; 46,6; ‫ ֶפֶּסל‬, Jes 40,19 f; 42,17; 44,9.10.15.17; 45,20; 48,5; ‫ ֶשֶׁקר‬, Jes 44,20; ‫ ֶנֶסְך‬, Jes 41,29; 48,5), doch die Fortschreibung V.12– 16 insgesamt lässt sich m. E. besser aus Jer heraus verstehen (s.u. 3.2.3.1).  Vgl. McKane 1986: 225, der V.11 als eine Zusammenfassung von V.12– 16 betrachtet.  Dies muss auch Bogaert 1981: 228 f zugestehen, der für eine Entstehung des MT aus der Vorlage der LXX plädiert. Zudem erklärt seine Rekonstruktion nicht, warum V.9 auch vom Ergänzer als eine Einheit behandelt wird: Der Ergänzer verschiebt nicht nur die Doppelungen, sondern auch die in V.9 neue Notiz zur Bekleidung der Götterbilder und stellt V.9 nur in sich um.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

der zu MT und zu LXX führenden Überlieferung in den Text geraten war, möglicherweise als Randbemerkung noch ohne genau fixierten Platz im Text.⁴¹² 6a. Textform A (= LXX). In der Textform der LXX wird V.9 zwischen V.5a und V.5b eingefügt. Grund für die Einordnung von V.9 an dieser Stelle dürfte die damit geschaffene Abfolge von Herstellung und Verehrung (vgl. Jes 44,14– 17; 46,6 f) sein. 6b. Textform B (= MT). In der Textform des MT werden V.6 – 8.10 ergänzt und damit V.9 in die Textstruktur eingebunden. Der Text wird nun als zweimalige Abfolge von Warnung, Herstellungspolemik und Gotteslob strukturiert. Die Einbettung von V.9 geschieht dabei über eine Parallelisierung mit der Polemik in V.3b–4: Dem Silber und Gold wird wie schon in V.3b–4 das Holz vorangestellt, und ‫ מוַּסר‬könnte als Entsprechung zu V.2– 3a gemeint sein (vgl. die Übersicht unter 3.2.3.6.2). Ein weiterer Hinweis ist das sehr seltene⁴¹³ Verb ‫ בער‬IV („dumm sein“) (V.8), das in V.14 wahrscheinlich aus V.21 aufgenommen wurde und hier im Anschluss an V.14 erweitert um das hapax legomenon ‫ כסל‬verwendet wird. Den Vorwurf der Dummheit richtet V.8a kontrastierend an die „Weisen der Nationen“ (‫ַחְכֵמי ַהגּוֹיִם‬, V.7) und schließt so V.9 (eingeleitet durch V.8b) an V.6 f an.

Zusammenfassend schlage ich folgende Rekonstruktion der Entstehung von Jer 10 (MT und LXX) vor: 1. eine Grundschicht V.12– 16 (in Anknüpfung an 9,22 f) 2. die Ergänzung I um V.2– 3a als Warnung vor babylonischen Bräuchen 3. die Ergänzung II um V.3b–5, die Herstellungspolemik in Anlehnung an DtJes einfügt 4. die Ergänzung III um das aramäische Wortspiel V.11, das V.(1.)2– 5.12 – 16 verbindet 5. die Glossierung (von V.3b–4) durch V.9 6a. die Einbettung von V.9 zwischen V.5a und V.5b in der Textform der LXX 6b. die Einbettung von V.9 durch die Ergänzung um V.6 – 8.10 in der Textform des MT

 Vgl. Volz 1928: 123 (der allerdings auch V.6 f.8a.8b für „glossarische Stücke“ hält); Ben-Dov 2000: 108 f; Schmidt 2008: 218 Anm. 19; ähnlich auch Wambacq 1974: 59. Denkbar wäre allenfalls, dass V.9 ursprünglich hinter V.5 stand und von dort in der Textform der LXX umgestellt (Abfolge Herstellung – Verehrung) und in der Textform des MT durch V.6 – 8.10 eingefasst wurde.  Neben Jer 10,8 nur in Ps 94,8; Ez 21,36 (Ptz. Qal) und Jer 10,14.21; Jes 11,19 (Ni.).

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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3.2.3 Weisheitliches und Götterpolemisches in Jer 10,1 – 16 3.2.3.1 Jer 10,12 – 16 3.2.3.1.1 Weisheitliches in Jer 10,12 – 16 Die V.12– 16 sind vermutlich im Anschluss an 9,22 f entstanden. In 9,22 f wird das Thema „Weisheit“ explizit angesprochen, es fallen die Stichwörter ‫ ָחָכם‬und ‫ָחְכָמה‬ und die Erkenntnis-Verben ‫ שׂכל‬Hi. und ‫ידע‬. Zusammen mit Stärke und Reichtum ist Weisheit hier etwas Positives, das dem Menschen zukommt. Weisheit, Stärke und Reichtum sind unterschieden von der Erkenntnis Jhwhs, scheinen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dieser Erkenntnis zu stehen und sind ihr untergeordnet. Als Anknüpfungspunkt für Götterpolemik scheint das Thema Weisheit aber eine besondere Rolle gespielt zu haben: In V.12 wird der Begriff ‫ָחְכָמה‬ nochmals aufgenommen, und zwar in der exakt identischen Form ‫ ְבָּחְכָמתוֹ‬. Weisheit kommt jetzt aber nicht dem Menschen, sondern Jhwh zu. Parallel zu ‫ ְבָּחְכָמתוֹ‬stehen in V.12 ‫ ְבּכֹחוֹ‬und ‫ ִבְּתבוּ ָנתוֹ‬. Jhwhs Schöpfung durch seine ‫ ֹכּ ַח‬wird sonst nur noch in Jer 27,5; 32,17 beschrieben.⁴¹⁴ Schöpfung durch ‫ ָחְכָמה‬und ‫ ְתּבוּ ָנה‬begegnet hingegen in Prov 3,19 f, die formal und inhaltlich V.12 f sehr nahe stehen:⁴¹⁵ ‫ְיה ָוה ְבָּחְכָמה ָיַסד־ָא ֶרץ כּוֹ ֵנן ָשַׁמיִם ִבְּתבוּ ָנה׃‬ ‫ְבּ ַדְעתּוֹ ְתּהוֹמוֹת ִנְבָקעוּ וּ ְשָׁחִקים יִ ְרֲעפוּ־ָטל׃‬

() Jhwh hat in Weisheit die Erde gegründet, er hat die Himmel befestigt in Einsicht, () in seinem Wissen spalteten sich die Tiefen, und die Wolken triefen (von) Tau.

V.12 f knüpfen also sowohl an Jeremianisches als auch direkt an Weisheitliches an, indem hier Elemente kombiniert wurden, die sich auch in Jer 27,5; 32,17 und Prov 3,19 f finden. V.14 verwendet das seltene Verb ‫ בער‬IV („dumm sein“).⁴¹⁶ An dieser Stelle dürfte ‫ בער‬Ni. aus Jer 10,21 übernommen sein, aber das zugehörige Adjektiv ‫ַבַּער‬ kommt nur in weisheitlichen Kontexten vor.⁴¹⁷ V.14 kann daher zum einen von V.21 her verstanden werden, wobei sich ein Kontrast zwischen ‫ ָא ָדם‬und ‫ בער‬ergibt: Der Mensch (generisch ‫ )ָא ָדם‬ist dumm wie Vieh (‫ בער‬aus ‫* ְבִּעיר‬, „Vieh“⁴¹⁸). Zum anderen

 Und vgl. Ps 65,7 (‫)ֵמִכין ָה ִרים ְבֹּכחוֹ‬.  Auf die Ähnlichkeit verweisen auch Lindblom 1955: 198; Weippert 1981: 29; Wanke 1995: 114; Ben-Dov 2000: 126 u. a. Zu Gottes Schöpfung ‫ ְבָּחְכָמה‬vgl. auch Ps 104,24.  Ps 94,8; Jes 19,11 (Ni.); Jer 10,14.21 (Ni.); Ez 21,36.  Vgl. Prov 12,1; 30,2; Ps 49,11; 73,22; 92,7.  Vgl. ‫ בער‬III und ‫ ְבִּעיר‬in Ges18, HALAT3. Diese Assoziation dürfte in Jer 10,21 (Bild von Hirten und Herde) präsent sein. Auch ‫ ַבַּער‬wird in Ps 73,22; Prov 30,2 in einem Spiel mit dem Gegensatz von Mensch und Tier verwendet.

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scheint mir durchaus wahrscheinlich, dass in V.14 auch der ‫ ַבַּער‬mitgehört werden konnte, der in weisheitlichen Texten in Opposition zur Erkenntnis (‫ ַדַּעת‬, Prov 12,1; ‫ידע‬, Ps 73,22; 92,7) steht. Der Begriff ‫( ַדַּעת‬V.14) begegnet häufig in weisheitlicher Literatur, ist aber nicht auf diese beschränkt. Wenn in V.12 f an Prov 3,19 f gedacht ist, könnte man vermuten, dass in V.14 dem Menschen die in Prov 3,20 Gott zukommende ‫ ַדַּעת‬abgesprochen wird.⁴¹⁹ Naheliegender scheint es mir aber, ‫ ַדַּעת‬hier im Kontext des Jeremiabuches und insbesondere im Anschluss an ‫ ידע‬in 9,23 als Erkenntnis Jhwhs zu verstehen.⁴²⁰ Diese Erkenntnis Jhwhs ist durch die weisheitlich inspirierten V.12 f inhaltlich gefüllt. Die Aussage von V.12 – 14aα bewegt sich also auf der Linie von Ps 92,6 f: ‫בֶתיָך׃‬ ֹ ‫אד ָעְמקוּ ַמְח ְשׁ‬ ֹ ‫ַמה־ ָגּ ְדלוּ ַמֲע ֶשׂיָך ְיה ָוה ְמ‬ ‫ִאישׁ־ ַבַּער ל ֹא ֵי ָדע וְּכִסיל ל ֹא־ ָיִבין ֶאת־ֹזאת׃‬

() Wie groß sind deine Werke, Jhwh! Sehr tief sind deine Gedanken. () Ein dummer Mensch erkennt nicht und ein Tor versteht dies nicht.

V.12– 16 setzen damit die weisheitlich geprägte Reflexion über Gotteserkenntnis fort, die auch in Jer 4,22; 9,22 f zu finden ist.⁴²¹ Der Begriff ‫( ֶהֶבל‬V.15) wird auch an anderen Stellen in Jer im Zusammenhang mit der Verehrung anderer Götter verwendet.⁴²² Es fällt auf, dass ‫ ֶהֶבל‬auch über Jer hinaus fast ausschließlich im Zusammenhang mit Fremdgötterverehrung einerseits und in der Weisheitsliteratur andererseits belegt ist,⁴²³ wobei die weisheitlichen Belege überwiegen. Schließlich ist zu erwähnen, dass die nur hier belegte Form ‫( ַתְּע ֻתִּעים‬V.15; dazu s.u. 3.2.3.1.2) an den Begriff ‫„( ַשֲׁע ֻשִׁעים‬Wonne“) erinnert und vermutlich in Anspielung darauf gebildet wurde. Während in Prov 8,30 f durch ‫ ַשֲׁע ֻשִׁעים‬Freude an

 Vgl. Rudman 1998: 67, der die dem Menschen fehlende ‫ ַדַּעת‬als „the counterpart to that divine wisdom and knowledge which God displays in v. 12 in the act of creation“ versteht (allerdings ohne Verweis auf Prov 3,19 f).  Vgl. dazu auch V.21, wo den für ‫ בער‬erklärten Hirten vorgehalten wird: ‫ֶאת־יהוה ל ֹא ָד ָרשׁוּ‬.  Hermisson 2000b: 190 f rechnet diese und weitere Verse, darunter auch Jer 10,1– 16, einer Weisheitsschicht zu, die sich mit der Erkenntnis Jhwhs befasst; vgl. ähnlich Wanke 1996: 105, der eine solche weisheitliche Überarbeitung aber auf Jer 4,19 – 22; 9,2bβ.5bβ.22 f beschränkt.  Jer 2,5; 8,19; 10,3.8.15; 14,22; 16,19; 51,18(//10,15).  Im Zusammenhang mit Fremdgötterverehrung: Dtn 32,21; 1 Kön 16,13.26; 2 Kön 17,15; Jes 57,13 (im Wortsinn „Windhauch“, aber wohl bewusst verwendet); Sach 10,2; wahrscheinlich auch Ps 31,7; Jona 2,9. In weisheitlichen Texten: Hi 7,16; 9,29; 21,34; 27,12; 35,16; Prov 13,11; 21,6; 31,30; Qoh 1,2 (5×).14; 2,1.11.15.17.19.21.23.26; 3,19; 4,4.7.8.16; 5,6.9; 6,2.4.9.11.12; 7,6.15; 8,10.14(2×); 9,9(2×); 11,8.10; 12,8(3×); Ps 39,6.7.12; 94,11; weisheitlich geprägt wohl auch: Ps 62,10(2×); 144,4. Andere Verwendungen nur Ps 78,33; Jes 30,7; 49,4; Lam 4,17.

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der Schöpfung von Erde und Menschen zum Ausdruck gebracht wird,⁴²⁴ ist das als ‫ ַמֲע ֵשׂה ַתְּע ֻתִּעים‬bezeichnete Werk mit Sicherheit kein Grund zur Freude (s.u., folgender Abschnitt).

3.2.3.1.2 Götterpolemisches in Jer 10,12 – 16 Die polemischen Aussagen gegen Bilder-Götter und deren Hersteller knüpfen an das Thema der Erkenntnis Gottes als dem Schöpfer (prima creatio und creatio continua) an. V.14 behandelt zunächst allgemein den Menschen, dem diese Erkenntnis fehlt, und kommt von dort auf den Götterbilder-Hersteller zu sprechen. Die Parallele weist darauf hin, dass der Götterbilder-Hersteller offenbar ein solcher Mensch fern von Erkenntnis ist. Es ist die spezifische Erkenntnis Jhwhs als des Schöpfers, die der Götterverehrung diametral entgegengesetzt ist. So beschreibt auch V.16 den grundlegenden Unterschied zwischen Jhwh und den Bilder-Göttern mit Jhwhs Schöpfertätigkeit: Jhwh ist nicht wie die Götter (‫)ל ֹא־ְכֵא ֶלּה‬, weil er derjenige ist, der alles schafft (‫) ִכּי־יוֵֹצר ַהכֹּל‬. Die Schöpfung ist zum einen ein Erweis von Gottes Macht. In diesem Sinne argumentiert beispielsweise Jer 5,22 (und s.o. 2.2.3.1 zu Jes 40,*12– 31). Zum anderen ist mit Gottes Schöpfung auch seine Kontrolle über die Lebensgrundlagen der Menschen verbunden. Diese wird in V.13 als Jhwhs Gabe von Regen thematisiert.⁴²⁵ Jhwhs Fähigkeit, Regen zu geben, begegnet auch in Jer 5,24 und explizit im Kontrast zu den „Nichtsen“ der Völker (‫ )ַהְבֵלי ַהגּוֹיִם‬in Jer 14,22.⁴²⁶ Auch in V.16 wird Jhwhs Fürsorge für sein Volk ausgedrückt. ‫ ֵחֶלק‬und ‫ ַנֲחָלה‬werden in der Unterhaltsregelung der Leviten für Jhwh verwendet.⁴²⁷ Hier wird nun das ursprünglich auf die Leviten Bezogene vom ganzen Volk ausgesagt.⁴²⁸ Sowohl als Regenspender als auch als ‫ ַנֲחָלה‬und ‫ ֵחֶלק‬seines Volkes ist Jhwh

 So mit Sæbø 2012: 132, der auch auf vergleichbare Vorstellungen in Ps 104,31; Hi 38,7 hinweist.  Der Regen bildet das Ziel (‐‫ )ְל‬der in V.13 beschriebenen Vorbereitungen (mit McKane 1986: 225 f), um das die drei Elemente Wolken, Blitze, Wind kreisen. Anders Weippert 1981: 30 f und Kratz 1991a: 204 Anm. 659, die den Aspekt der Theophanie im Gewitter hervorheben. Doch das nach Weippert die strafende Theophanie kennzeichnende (vgl.Weippert 1981: 31 Anm. 42) ‫נתן קוֹל‬ ist in Jer 10,13 unsicher (s.o.Textanm. j), und 1 Kön 18,41.45 formuliert ähnlich einen gewitterhaften Regen, der Jhwhs Macht in einer für die Menschen heilvollen Weise zum Ausdruck bringt.Vgl. auch Gunkel 1986: 575 (zur Parallelstelle Ps 135,7): „kein Regen in Palästina ohne Gewitter“.  Vgl. zu V.13 auch 1 Kön 18,41 (‫ֲהמוֹן ַה ָגּ ֶשׁם‬, im Zusammenhang mit Jhwhs Überlegenheit gegenüber Baal). Dass die Verehrung anderer Götter zu Jhwhs Verweigerung der Gabe von Regen führen kann, begegnet im Rahmen der dtr Landgabe-Vorstellung in Dtn 11,16 f.  Vgl. Jos 13,14.33; 18,7; Num 18,20; Dtn 10,9; 18,1 f; Ez 44,28.  Für ‫ ֵחֶלק‬ist diese Verschiebung auch in anderen Texten belegt,vgl. Ps 16,5; 73,24 und dazu von Rad 1966: 416 f.

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derjenige, der die Lebensgrundlagen für sein Volk gibt.⁴²⁹ In dieser Funktion steht er auch an anderen Stellen in Jer im Kontrast zu anderen Göttern, vgl. Jer 2,13. Wie bei der Untersuchung der weisheitlichen Elemente festgestellt wurde, thematisieren V.12– 16 wie andere weisheitliche Einwürfe im Kontext die richtige Gotteserkenntnis. Die mangelnde Gotteserkenntnis des Volkes erscheint im Zusammenhang mit der Klage als Grund für das Unheil. V.14 wendet sich nun aber nicht gegen das Volk, das keine Gotteserkenntnis hat und falsche Götter verehrt, und auch nicht in erster Linie gegen diese Götter. Vielmehr richtet sich die Kritik gegen den Hersteller der Götterbilder. Dass ein ‫ צוֹ ֵרף‬Götterbilder herstellt, wird in V.14aβ als selbstverständlich vorausgesetzt. Der Feinschmied steht beschämt da wegen seines Götterbildes. ‫בושׁ‬ wird oft verwendet, wo Geplantes misslingt und Erwartungen enttäuscht werden.⁴³⁰ Der Grund für ein objektiv konstatierbares Beschämtsein des Feinschmieds wird in V.14b.15 angegeben: Das Götterbild ist ‫„( ֶשֶׁקר‬Trug“), es erfüllt seine Funktion nicht. Der Feinschmied wird also beschämt, weil das von ihm hergestellte Produkt die in es gesetzten Erwartungen enttäuscht.⁴³¹ Die unmittelbar folgende Leblosigkeit des Bildes (‫ ) ְול ֹא־רוּ ַח ָבּם‬könnte eine Erläuterung dazu darstellen: Der Feinschmied ist offensichtlich nicht in der Lage, sein Götterbild mit ‫רוּ ַח‬ auszustatten. Die Bezeichnung der Götterbilder als ‫ ֶהֶבל‬in V.15 knüpft wahrscheinlich spottend daran an: Die Bilder haben keinen Atem (‫)רוּ ַח‬, sie sind ein Hauch (‫)ֶהֶבל‬.⁴³² Damit könnte bereits die Vergänglichkeit impliziert sein, die V.15b explizit macht.⁴³³ Die Bezeichnung ‫ ַמֲע ֵשׂה ַתְּע ֻתִּעים‬ist singulär. Das hapax legomenon ist aus der Wurzel ‫ תעע‬⁴³⁴ („Spott treiben“) gebildet, die noch in Gen 27,12 (Pilp.); 2 Chr 36,16 (Hitpal.) belegt ist. Die Versionen verstehen das Götterbild als Objekt des Spotts (LXX: ἔργα ἐμπεπαιγμένα, Vg: opus risu dignum). Rudman leitet hingegen aus den genannten Belegstellen sowie zwei jüngeren Belegen in MMish zu Prov 10,17 und MekhY, Pisḥa 13 ab, dass das Verb für einen Mangel an (gebotenem) Respekt verwendet wird.⁴³⁵ Diese Verwendung findet sich auch in 1QpHab 4,2 f (‫במלכים‬ ‫)ושרים יתעתע‬. Von daher scheint wahrscheinlich, dass ‫ ַמֲע ֵשׂה ַתְּע ֻתִּעים‬Werke man-

 Vgl. Allen 2008: 129 zu V.16: „Yahweh was Israel’s ultimate means of living, the very ground of its being.“  Vgl. Klopfenstein 1972: 89; Seebass 1973a: 571.  Vgl. Klopfenstein 1972: 80.  Dass sich ‫ ֶהֶבל ֵה ָמּה‬und auch die Pluralform ‫ י ֹאֵבדוּ‬immer noch auf die Bilder (und nicht: auf Bild und Hersteller) bezieht, macht die folgende Bezeichnung als ‫ ַמֲע ֵשׂה‬wahrscheinlich.  Vgl. die Verwendung von ‫ ֶהֶבל‬in Jes 57,13; Ps 39,12; 144,4.  So mit HALAT3; nach Ges18 ‫תעתע‬.  Vgl. Rudman 1998: 71 f.

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gelnden Respekts gegenüber Gott bezeichnet.⁴³⁶ Die Herstellung des Götterbildes ist offenbar für Hersteller und Bild schuldbehaftet: Der Hersteller wird zuschanden (V.14) und die Bilder werden bestraft (V.15; ‫ ֵעת ְפֻּק ָדה‬wird hier wahrscheinlich in Übereinstimmung mit dem üblichen Gebrauch in Jer für Jhwhs Bestrafung verwendet⁴³⁷). Der Gedanke, dass Bild-Gott und Hersteller ein ähnliches Schicksal verbindet, ist auch in weiteren götterpolemischen Texten anzutreffen (s.u. 3.3.2.1). Die Polemik in V.12– 16 thematisiert weder den Herstellungsprozess noch die Verehrung der Götterbilder. Vielmehr wird grundsätzlich konstatiert, dass der Feinschmied nicht in der Lage ist, ein mit ‫ רוּ ַח‬versehenes Lebewesen zu erschaffen. Es liegt nahe, darin einen Kontrast zum Schöpfergott Jhwh zu sehen.⁴³⁸ Auch in der Distanzierung des Herstellers von ‫ ַדַּעת‬und in der Bezeichnung der Bilder als ‫ַמֲע ֵשׂה‬ ‫ ַתְּע ֻתִּעים‬schwingt diese Gegenüberstellung mit. Die Kontrastierung des Herstellers mit Jhwh bleibt aber immer unterschwellig und wird nicht explizit formuliert. So tritt Jhwh in V.12 f zwar als Schöpfergott, aber nicht als Schöpfer von Lebewesen in Erscheinung. Als lebloses Bild ohne ‫ רוּ ַח‬ist das Götterbild Trug. Obwohl die Kritik sich zunächst auf den Hersteller bezieht, läuft der Abschnitt auf die Gegenüberstellung der Bilder-Götter mit Jhwh in V.16 zu.

3.2.3.2 Jer 10,2 – 3a 3.2.3.2.1 Weisheitliches in Jer 10,2 – 3a Die Rede vom Weg (‫ ) ֶדּ ֶרְך‬im Sinne eines positiven oder negativen Lebenswandels begegnet zwar häufig in der Weisheitsliteratur, ist aber keineswegs auf diese beschränkt. Der negativ beurteilte Weg ist auch in dtr Literatur häufig mit kultischer Verfehlung und Abfall von Jhwh verknüpft, vgl. z. B. in der Beurteilung des Lebenswandels von Königen (1 Kön 13,33; 15,26; 16,26; 22,53 f; 2 Kön 16,3; 21,21 f

 Mit Rudman 1998: 72, der als Bedeutung „a work of disrespect (to God)“ erschließt und erläutert: „the disrespect is towards God in his role as Creator“; dazu siehe im Folgenden.  Vgl. Jer 46,21; 49,8; (wohl bereits von Jer 10 abhängig: 50,27.31;) ebenfalls in Kombination mit ‫בושׁ‬: Jer 6,15; 8,12.  ‫ רוּ ַח‬kann den Lebensatem der Geschöpfe bezeichnen, über den Jhwh verfügt,vgl. z. B. Gen 6,3; Num 16,22; Ps 104,29; Hi 34,14 f. Der Gegensatz von Jhwh als Schöpfergott und dem Hersteller von Götterbildern wird von Rudman 1998: 67 f betont (vgl. ähnlich Berlejung 1998: 397– 399).Vgl. aber die folgende Nuancierung. Auch eine Kontrastierung mit der Menschenschöpfung (so McKane 1986: 227; Rudman 1998: 67 f) kann am Text nicht näher nachgewiesen werden; so ist etwa in Gen 2,7 von ‫ ִנ ְשַׂמת ַח ִיּים‬und nicht von ‫ רוּ ַח‬die Rede.

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u. ö.).⁴³⁹ Die bösen Wege des Volkes werden in 2 Kön 17,13 dem Halten der Gebote Jhwhs (‫ִמְצוֹת‬, ‫ֻחקּוֹת‬, ‫ )תּוֹ ָרה‬entgegengesetzt.⁴⁴⁰ Ähnliches dürfte auch in Jer 10,2– 3a gemeint sein, wie die Parallelisierung von ‫ ֶדּ ֶרְך ַהגּוֹיִם‬durch ‫ ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬nahelegt. Denn ‫ ֻחקּוֹת‬werden normalerweise von Jhwh festgesetzt. Wo von den ‫ ֻחקּוֹת‬von Völkern die Rede ist, stehen sie im Gegensatz zu Jhwhs Satzungen (vgl. Lev 18,3; 20,23; 2 Kön 17,8). Auch die Vorstellung, dass der Weg gelernt (‫ )למד‬werden kann, ist hier wohl nicht weisheitlich geprägt, sondern entstammt Jer 12,16(a): ‫ ְוָה ָיה ִאם־ָלמֹד יְִלְמדוּ ֶאת־ ַדּ ְרֵכי ַע ִמּי ְלִה ָשֵּׁב ַע ִבּ ְשִׁמי‬Und es wird geschehen, wenn sie wirklich lernen die ‫ ַחי־ ְיה ָוה ַכֲּא ֶשׁר ִל ְמּדוּ ֶאת־ַע ִמּי ְלִה ָשֵּׁב ַע ַבּ ָבַּעל‬Wege meines Volkes, zu schwören bei meinem Namen „So wahr Jhwh lebt“, wie sie mein Volk gelehrt hatten, zu schwören bei Baal

Für die Ergänzung V.2– 3a kann somit keine Verwendung weisheitlicher Elemente festgestellt werden.

3.2.3.2.2 Götterpolemisches in Jer 10,2 – 3a Die Ergänzung V.2– 3a nimmt klar auf die Polemik in V.14 f Bezug. Die Begründung ‫( ִכּי ]…[ ֶהֶבל הוּא‬V.3a) spiegelt die Begründung der Beschämung des Feinschmieds ‫ ִכּי ]…[ ֶהֶבל ֵה ָמּה‬in V.14b.15a. Die Satzungen der Völker erscheinen damit ebenso als ‫ ֶהֶבל‬wie die Götterbilder. Zugleich führt die Voranstellung der Bräuche der Völker und die parallele Formulierung dazu, dass auch die in V.14 erwähnten Götterbilder als den Völkern zugeordnet verstanden werden können. Der Kontrast verschiebt sich hier von der Gegenüberstellung von Schöpfergott und Bild-Gott hin zur Gegenüberstellung der Völker (mit ihren Sitten) und Israels (mit seinem Gott). Das in V.2 genannte Fürchten von Himmelszeichen (‫אתוֹת ַה ָשַּׁמיִם‬ ֹ ‫ )חתת ֵמ‬bezieht sich nicht auf die Verehrung von Astralgöttern – ‫ חתת‬wird (anders als ‫ )ירא‬nicht für das Fürchten eines Gottes verwendet⁴⁴¹ –, sondern auf Divination.⁴⁴² Astraldivination begegnet auch in der Rede gegen Babylon in Jes 47,13 und scheint schon

 Vgl. für weitere Beispiele negativ beurteilter Wege und zum Zusammenhang mit Fremdgötterverehrung (etwa Dtn 31,29; allerdings sind Götterbilder m. E. in Jer 10,2– 3a nicht direkt im Blick) Zehnder 1999: 537– 543.  Vgl. auch ähnlich Dtn 30,16; 1 Kön 2,3; 11,33.38; Ps 18,22 f u. ö.  Einzige Ausnahme ist Mal 2,5. Die Aufforderung, sich nicht zu fürchten (‫ חתת‬Ni.), ergeht häufig in einer Kriegssituation: Israel soll den Gegner nicht fürchten (‫ חתת‬Ni.), weil es den Beistand Jhwhs hat (vgl. Dtn 1,21; 31,8; Jos 1,9; 8,1; 10,25; 1 Sam 17,11; 1 Chr 22,13; 2 Chr 20,15.17; 32,7; Hi 39,22).  Gegen Davidson 1976: 52 f.

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früh als typisch babylonisch zu gelten.⁴⁴³ Es wäre daher möglich, dass bei den „Völkern“ (‫ַהגּוֹיִם‬/‫ )ָהַע ִמּים‬insbesondere an Babylon gedacht ist. Von daher ließen sich auch die Götterbilder in V.14 f als babylonische Götterbilder verstehen. Die Aufnahme von V.12 – 16 in das Babylon-Orakel Jer 50 – 51 (dort 51,14– 17)⁴⁴⁴ bestätigt, dass diese Verse zu einer gewissen Zeit auf Babylon hin gelesen werden konnten. Die Nachricht von der Zerstörung Babylons in 50,2 wird in der Zerstörung der Götterbilder ausgedrückt. Die Bilderverehrung erscheint dort als so charakteristisch, dass Babel als ‫( ֶא ֶרץ ְפִּסִלים‬50,38) bezeichnet werden kann. Durch V.2– 3a werden also astrale Divination und Götterbilder als zwei Elemente abzulehnender fremder Bräuche nebeneinandergestellt. Die Kombination von astraler Divination und Götterbildern könnte als Hinweis dienen, dass mit den „Völkern“ insbesondere Babylon gemeint ist.

3.2.3.3 Jer 10,3b–5 3.2.3.3.1 Weisheitliches in Jer 10,3b–5 In Jer 10,3b–5 sind keine weisheitlichen Elemente zu erkennen.

3.2.3.3.2 Götterpolemisches in Jer 10,3b–5 Die Formulierung von V.3b–5 weist deutliche Parallelen zur Polemik in DtJes auf:⁴⁴⁵ – Das Fällen (‫ )כרת‬von Holz (‫ )ֵעץ‬aus dem Wald (‫ ) ַיַער‬fasst Jes 44,14 zusammen. Holz als Material des Götterbildes begegnet auch in Jes 44,13; 45,20. – Der ‫ ָח ָרשׁ‬als Hersteller des Götterbildes wird auch in Jes 40,19 f; 41,7; 44,11– 13; 45,16 genannt. – Das Werkzeug ‫ ַמֲעָצד‬kommt im gesamten AT nur in Jes 44,12 und Jer 10,3 vor. – In Jes 40,19 wird das Götterbild ebenfalls mit Silber (‫ ) ֶכֶּסף‬und Gold (‫) ָזָהב‬ verziert; vgl. noch Jes 46,6.

 Schon in der persischen und frühhellenistischen Zeit bezeichnet „Chaldäer“ babylonische Astronomen und Astrologen, vgl. Rochberg-Halton 1988: 2 f. Bei Herodot und Strabo wird der Begriff zu einem Synonym für „Astrologe“. Die Assoziation der Divination mit Babylon zeigt auch die Verwendung von ‫ ַכּ ְשׂ ִדּים‬in Dan 2,2 ff; 4,4; 5,7 ff, vgl. Zatelli 1991: 96.  Zur Abhängigkeitsrichtung s.o. Anm. 406.  Zu den folgenden Beobachtungen vgl. auch Schroer 1987: 211.213 f (Ähnlichkeiten zwischen Jer 10 und Jes 40,19 f; 41,6 f); Kratz 1991a: 204 mit Anm. 659.Wanke 1995: 113 bemerkt m. E. richtig, dass erst diese Fortschreibung klare Bezüge zu DtJes erkennen lässt. Auf Unterschiede weisen Davidson 1976: 43 – 47; Margaliot 1980: 305 f u. a. hin, die sich gegen eine literarische Abhängigkeit und für jeremianische Autorschaft von Jer 10,1– 16 aussprechen.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Auch in Jes 41,7 wird das Bild mit Nägeln (‫ַמְסְמ ִרים‬, Jer 10,4: ‫ )ַמְסְמרוֹת‬befestigt (‫)חזק‬. Der Hammer (‫ )ַמ ֶקֶּבת‬wird vom Schmied in Jes 44,12 verwendet. Durch die Befestigung wird erreicht, dass das Bild nicht wackelt (‫ ְולוֹא ָיִפיק‬, vgl. ‫לוֹא יִמּוֹט‬, Jes 40,20; 41,7). Die Götterbilder müssen getragen werden (‫ )נשׂא‬wie in Jes 45,20; 46,7. Auch die Form der kurzen Sätze mit jeweils passenden Unfähigkeiten der Götterbilder (… ‫ ) ְול ֹא‬erinnert an Jes 46,7. Dass die Götter nicht in der Lage sind, Gutes und Schlechtes zu tun (‫ יטב‬Hi. und ‫ רעע‬Hi.), findet sich auch in Jes 41,23.

Da sich die Parallelen auf V.3b–5 beschränken, scheint mir wahrscheinlich, dass diese Fortschreibung von DtJes beeinflusst ist.⁴⁴⁶ Allerdings ist V.3b–5 nicht einfach aus DtJes-Zitaten zusammengestellt. Interessanterweise wird hier mit den auch in DtJes genannten Materialien Holz, Silber und Gold ein Götterbild mit Holzkern und Edelmetall-Beschlag beschrieben, was den mesopotamischen Texten näher kommt als die gegossenen Bilder aus DtJes.⁴⁴⁷ Der Text enthält auch eigenständige Formulierungen (z. B. die singuläre Formulierung ‫תֶּמר ִמְק ָשׁה‬ ֹ in V.5a) und speist sich über DtJes hinaus aus einem götterpolemischen Diskurs. So begegnet z. B. die in anderen und späteren Texten häufige Rede von den Götterbildern als Werk (‫ )ַמֲע ֵשׂה‬von Menschenhand⁴⁴⁸ in DtJes nicht. Der Ausdruck ‫ַמֲע ֵשׂה‬ ‫( ְי ֵדי־ָח ָרשׁ‬V.3b) findet sich hingegen noch in Dtn 27,15 als Synonym zu ‫ ֶפֶּסל‬, ‫ ַמ ֵסָּכה‬und ‫תּוַֹעַבת יהוה‬. Die Aufforderung in V.5b, sich nicht zu fürchten, könnte sich auf V.2 zurückbeziehen, denn gemeint ist wohl wie dort (mit ‫ חתת‬ausgedrückt) ein Fürchten vor jemandem.⁴⁴⁹ ‫ ַאל־ ִתּ ְראוּ ִמן‬wird meistens in Bezug auf (vermeintlich über-

 Wäre die Abhängigkeitsrichtung umgekehrt, ließe sich dieser Befund schwer erklären: Warum sollten sich die Verfasser der polemischen Texte in DtJes nicht ebenso z. B. aus Jer 10,9.15 bedienen? Dies gilt umso mehr, als sich die Parallelen zu Jer 10,3b–5 (nach meiner Analyse der Texte in DtJes, s. o.) in unterschiedlichen literarischen Schichten finden.  Dennoch halte ich es für übertrieben, mit Levtow 2008: 57 von „intimate knowledge of Babylonian iconic practices“ zu sprechen; die von ihm angeführten „details of cult image construction […] and ritual manipulation“ (Herstellung aus Holz und Metall, das Tragen und die zu erwartende Sprachfähigkeit der Bilder) scheinen mir eher auf altorientalischer Allgemeinbildung zu beruhen.  Vgl. auch Hos 13,2 (‫ ;)ַמֲע ֵשׂה ָח ָר ִשׁים‬als Werk von Menschenhand werden die Götterbilder in Dtn 4,28; 2 Kön 19,18; 22,17; 2 Chr 32,19; Ps 115,4//135,15; Jes 37,19; EpJer 50; Sap 13,10 bezeichnet; ähnlich auch Jes 2,8; Hos 14,4; Mi 5,12. Die LXX verwendet χειροποίητον als ein Begriff für „Götterbild“.  Mit Duhm 1901: 101. Im Sinne von „Gott fürchten“ begegnet ‫ ירא‬mit der Präposition ‫ ִמן‬nur in Lev 19,14.32; 25,17.36.43.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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mächtige) Feinde verwendet.⁴⁵⁰ Der Grund, warum man die Feinde nicht zu fürchten braucht, ist in diesen Fällen Jhwhs Beistand. In V.5 wird die Aufforderung hingegen mit der Machtlosigkeit der Bilder-Götter begründet. Im Anschluss an V.2– 3a legt V.3b–5 also dar, dass die (als hinter den Himmelszeichen stehend gedachten) Götter handlungsunfähig⁴⁵¹ sind. Eine Realisierung des im Zeichen Angekündigten ist daher sicherlich nicht zu befürchten. In der babylonischen Divination können Omen als eine Art (Schrift‐)Sprache der Götter gedacht werden,⁴⁵² über die die Götter ihre Entscheidungen mitteilen. Divination ist Kommunikation zwischen Göttern und Menschen.⁴⁵³ Die durch ‫( ל ֹא ְי ַד ֵבּרוּ‬V.5) ausgedrückte Kommunikationsunfähigkeit der Götter könnte deshalb auch implizieren, dass die Zeichen gar nicht von den Göttern stammen können.⁴⁵⁴

3.2.3.4 Jer 10,11 3.2.3.4.1 Weisheitliches in Jer 10,11 Jer 10,11 führt das Thema von Gottes Schöpfermacht fort, das in den weisheitlich geprägten V.12 f formuliert wurde. Spezifisch weisheitliche Elemente sind in V.11 selbst nicht zu finden.

3.2.3.4.2 Götterpolemisches in Jer 10,11 Die Sprechanweisung in V.11aα besagt, man solle das Folgende zu „ihnen“ (‫)ְלהוֹם‬ sagen. Dieses Pronominalsuffix verweist wahrscheinlich im Anschluss an V.5 auf die Götterbilder. Dass diese in V.11 unvermittelt als ‫ ֱאָלַה ָיּא‬angesprochen werden können, bestätigt, dass Bilder und Götter in eins gesetzt werden, die Polemik sich also gegen Bilder-Götter richtet. Ähnlich wie in Jes 41,24 soll hier offenbar den Göttern selbst ihre eigene Nichtigkeit vorgehalten werden. Der Spruch, der an die Verehrer der Bilder-Götter gerichtet werden soll, ist chiastisch aufgebaut,⁴⁵⁵ sowohl durch die Abfolge der Satzglieder (Subjekt – Prädikat, Prädikat – Subjekt) als

 Jos 10,8; 11,6; Neh 4,8; Jer 42,11; vgl. auch 2 Kön 1,15; Jer 1,8; Ez 2,6.  Vgl. dazu Zef 1,12: Jhwh wird diejenigen heimsuchen, die glauben, er tue weder Gutes noch Böses (‫)ל ֹא־ ֵייִטיב יהוה ְול ֹא ָי ֵר ַע‬. Offenbar handelt es sich um ein machtvolles göttliches Tun.Vgl. auch Berges 2008: 218 zu Jes 41,23, und die Ausführung in EpJer 33 – 37.  So heißt es in einem akkadischen Gebet, Šamaš „schreibe“ (tašaṭṭar) den Opferschaubefund in das Schaf (BMS 6,111, Text: Mayer 1976: 505, und dazu Rochberg 2007: 48).  Rochberg 2007: 45: „a system of divine communication with human beings by means of perceptible patterns of phenomena“.  So explizit EpJer 66.  Mit Volz 1928: 122 (gefolgt von Clendenen 1987: 404); Holladay 1986: 325 u. a.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

auch durch die Stellung identischer Begriffe (‫ַא ְרָקא – ְשַׁמ ָיּא‬, ⁴⁵⁶‫ ) ְשַׁמ ָיּא – ַא ְרָעא‬und den Klang der Worte (‫ֵא ֶלּה – ֱאָלַה ָיּא‬, ‫) ֵיאַבדוּ – ֲעַבדוּ‬. Der chiastische Aufbau lässt vermuten, dass sich das ‫ ֵא ֶלּה‬am Satzende nicht auf ‫ ְשַׁמ ָיּא‬, sondern auf die Götter bezieht.⁴⁵⁷ V.11 setzt die Nennung Jhwhs als Schöpfer (V.12– 16) voraus und stellt die nicht-schöpferischen Götter in Kontrast dazu. Ähnlich wie in V.16a wird ein Gegensatz zwischen dem Schöpfergott Jhwh und den handwerklich hergestellten Göttern aufgemacht. Deutlicher als dort fungiert hier die Schöpfermacht als Kriterium, wer überhaupt als Gott zu gelten hat. Dieser Gedanke ist im altorientalischen Kontext alles andere als selbstverständlich, da die Schöpfertätigkeit nur eine mögliche göttliche Aufgabe unter anderen ist.⁴⁵⁸ Innerhalb des weisheitlich geprägten götterpolemischen Diskurses wird jedoch der Vorstellung, dass alle göttliche Macht an der Schöpfermacht hängt, und der atl. Gott einziger Schöpfergott ist, eine zentrale Bedeutung zukommen (s.u. 5.3). Gott kann nach V.11 nur universal gedacht werden; die Bilder-Götter sollen nicht bloß nicht verehrt werden, vielmehr sollen sie von der Welt insgesamt verschwinden. V.11 ist in aramäischer Sprache⁴⁵⁹ entstanden (im Hebräischen wäre das Wortspiel ‫ ֵיאַבדוּ – ֲעַבדוּ‬nicht möglich⁴⁶⁰) und erklärt sich daher nicht als eine Entwicklung aus dem vorfindlichen Text heraus oder als eine schriftgelehrte Bearbeitung in Anlehnung an andere atl. Texte. Das Aramäische weist darauf hin, dass dieser Vers seinen Ursprung außerhalb des Textes hat: Offenbar wurde der götterpolemische Diskurs auch in Aramäisch – und das dürfte bedeuten: in gesprochener Sprache – produziert. Auch die Form von V.11 als konkrete Sprechanweisung weist in den mündlichen Bereich zurück.

 Zum orthographischen Unterschied s.u. 5.1.3 mit Anm. 856.  Mit Giesebrecht 1907: 65; Volz 1928: 122; Holladay 1986: 335 u. a.  Vgl. dazu Weeks 2007: 20.  Dieser Umstand gab schon antiken Lesern Rätsel auf, vgl. die Erklärung des Targum, es handle sich um einen Brief Jeremias an die Exilierten (dazu und zur Aufnahme dieser Erklärung durch Raschi und Kimchi McKane 1986: 225). Margaliot 1980: 301 f meint, der Satz sei im Hinblick auf seine Verwendung in Kontroversen mit Mesopotamiern in deren Sprache gehalten; warum dies s. E. auch die aramäische Redeeinleitung erklärt, bleibt mir allerdings unklar. Clendenen 1987: 405 – 408 erklärt den Sprachwechsel als code switching im bilingualen Kontext, muss dazu aber Jer 10,1– 16 als unmittelbare Transkription einer gesprochenen Rede verstehen.  Vgl. Holladay 1986: 325. Das erklärt aber nicht, warum auch die Redeeinleitung in Aramäisch gehalten ist.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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3.2.3.5 Jer 10 LXX 3.2.3.5.1 Weisheitliches in Jer 10 LXX Im Text der LXX lassen sich keine zusätzlichen weisheitlichen Elemente feststellen.

3.2.3.5.2 Götterpolemisches in Jer 10 LXX Aus der Einfügung von V.9 zwischen V.5a und V.5b des MT ergibt sich eine Abfolge von Herstellung,Verzierung, Bekleidung und Getragenwerden der Götter. Dahinter steht vermutlich die Idee, dass die Götterbilder für eine Prozession schön zurechtgemacht werden. Aus der polemischen Perspektive von V.3b–5 zeigt sich aber gerade in der Prozession die Unfähigkeit der Bilder-Götter, die nicht einmal in der Lage sind, sich selbständig zu bewegen: οὐ κινηθήσονται – οὐ πορεύσονται – οὐκ ἐπιβήσονται.⁴⁶¹ Ein ähnliches Muster zeigt sich in kürzerer Form in Jes 46,6 f, wo ebenfalls Herstellung und Prozession sowie die in Prozession und Anbetung ersichtliche Unfähigkeit der Bilder-Götter beschrieben werden (s.o. 2.4.6.2.3). V.9 ergänzt die Herkunftsangaben zu dem in V.4.5a erwähnten Silber und Gold. Der Hinweis auf den Import dürfte den Wert der Materialien unterstreichen. Auch die in V.9 erstmals erwähnten Stoffe zur Bekleidung der Statuen sind besonders wertvoll.⁴⁶² Möglicherweise sieht der Verfasser einen Gegensatz zwischen dem teuren Material und der in V.5 beschriebenen Handlungsunfähigkeit der Götter. Indirekt könnte die Polemik auf die Verehrer der Götter zielen, die so viel Geld auf nutzlose Götterbilder verschwenden (vgl. auch Jes 46,6 f; EpJer 24; und s.u. 5.2.2.2).

3.2.3.6 Jer 10,6 – 10 (MT) 3.2.3.6.1 Weisheitliches in Jer 10,6 – 10 (MT) Wie bereits in der literarhistorischen Analyse dargelegt, baut der MT V.9 an einer anderen Stelle in den Text ein als LXX. Abgesehen von Textumstellungen unterscheidet sich der Wortlaut von V.9 MT von V.9 LXX nur durch das Plus von ‫ַמֲע ֵשׂה‬  Der Aspekt der Bewegungsunfähigkeit wird in Jer 10 LXX besonders betont, vgl. die Wiedergabe von ‫פוק( לוֹא ָיֵפיק‬, „taumeln“, vgl. Jes 28,7) durch οὐ κινηθήσονται und die Ersetzung von ‫ל ֹא‬ ‫ ְי ַדֵברוּ‬durch οὐ πορεύσονται (anders Bogaert 1981: 230).  Reid 2006: 228 Anm. 27 und Amphoux et al. 2009: 201 sehen in den in V.9 aufgezählten Elementen eine besondere Beziehung zum Bau des Heiligtums in Ex 31,3 – 6 und 35,31– 35. Gold, Silber und Purpurstoffe kommen dort zwar vor, finden sich aber auch an anderen Stellen zur Betonung von Reichtum und Pracht; vgl. die Verwendung von ‫ ְתֵּכֶלת‬und ‫ ַא ְר ָגָּמן‬in Est 1,6; 8,15; Ez 27,7.16.24. Wäre speziell eine Verbindung zum Bau des Heiligtums beabsichtigt, müsste man auch die Nennung von ‫„( תּוַֹלַעת ַשׁ ִני‬Karmesin“) und ‫„( ֵשׁשׁ‬Leinen“) erwarten, da diese vier Stoffe in Ex immer gemeinsam vorkommen (vgl. Ex 25,4; 26,1.31.36; 27,16; 28,5.6.8.15.33; 35,6.23.25.35 u.ö.).

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

‫ֲחָכִמים‬,⁴⁶³ das zudem betont ans Satzende gestellt wird. Es ist daher zu vermuten, dass die ‫ ֲחָכִמים‬ein besonderes Anliegen dieser Redaktion darstellen.⁴⁶⁴ Weitere Anklänge an weisheitliche Literatur in V.6 – 10 sprechen dafür, dass es sich dabei nicht um ein bloßes Synonym zu ‫ָח ָרשׁ‬, sondern tatsächlich um einen Begriff für „Weise“⁴⁶⁵ handelt: – Bereits V.7 erwähnt ‫ֲחָכִמים‬.⁴⁶⁶ – ‫( ברע‬V.8a) ist hier wohl aus V.14 aufgenommen. Dass dieses Verb nun aber zusammen mit ‫ כסל‬verwendet wird, weist auf einen weisheitlichen Hintergrund hin. Als ‫ ַבַּער‬⁴⁶⁷ und ‫ ְכִּסיל‬⁴⁶⁸ sind die beiden Wurzeln vornehmlich in weisheitlichen Texten belegt. Als Subjekt von ‫ יְִבֲערוּ ְוְכָסלוּ‬sind im Kontext die in V.7 genannten Weisen der Völker anzunehmen. Diese Weisen sind also nicht wirklich weise, sondern eigentlich Toren. – Der Terminus ‫( מוַּסר‬V.8b) kommt zwar in Jer noch siebenmal im Sinne von „Zucht“ oder „Züchtigung (durch Jhwh)“ vor, ist aber vor allem in der Weisheitsliteratur häufig. Der eigenartige Satzbau in V.8b–9 wiederholt die Abfolge in V.2– 3,⁴⁶⁹ so dass ‫ מוַּסר ֲהָבִלים‬als eine Art Parallelbegriff für ‫ ֶדּ ֶרְך ַהגּוֹיִם‬und ‫ ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬zu verstehen ist. ‫ ֲהָבִלים‬bezieht sich demnach nicht auf die Götterbilder, sondern auf die Völker. In Prov wird ‫ מוַּסר‬oft in einer Konstruktusverbindung mit ‫ ָאב‬oder ‫ יהוה‬verwendet, d. h. das nomen rectum bezeichnet die Instanz, die die Lehre vorgibt.⁴⁷⁰ Ich vermute, dass hier ein ähnlicher Gebrauch vorliegt und ‫ ֲהָבִלים‬also die mit den Völkern im Zusammenhang stehende Instanz bezeichnet, die eine Lehre vorgibt. Dafür bieten sich im

 Bogaert 1981: 227 bemerkt dazu, dass nur das Wort ‫ ֲחָכִמים‬neu hinzugefügt wurde und ‫ַמֲע ֵשׂה‬ im MT zweimal verwendet wurde.  Ähnlich Bogaert 1981: 230, dessen Interpretation im Einzelnen aber in eine andere Richtung geht.  Nach altorientalischen Vorstellungen ist der Handwerker ein Weiser (vgl. dazu Berlejung 1996: 154 und s.o. 2.2.3.2.1). Allerdings vermute ich für Jer 10,6 – 10 eine Entstehung erst in hellenistischer Zeit (s.u. 5.1.4), in der Handwerker und Weise durchaus unterschieden werden können (vgl. Sir 38,24– 34), so dass es sich hier eher um ein Spiel mit sich ausdifferenzierenden Kategorien handeln dürfte.  Die umgekehrte Konsequenz zieht Holter 1995: 233, der die ‫ ֲחָכִמים‬in V.7 und V.9 als „idolfabricators“ versteht.  Vgl. Prov 12,1; 30,2; Ps 49,11; 73,22; 92,7.  Vgl. Prov 1,22.32; 3,35; 8,5; 10,1.18.23; 12,23 u.ö; parallel zu ‫ ַבַּער‬in Ps 49,11; 92,7 f.  S.u. 3.2.3.6.2.  Vgl. Hi 5,17; Prov 1,8; 3,11; 4,1; 13,1; 15,5.

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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unmittelbaren Kontext die ‫ ַחְכֵמי ַהגּוֹיִם‬aus V.7 an. ‫ ֲהָבִלים‬wird hier demnach als abwertende Bezeichnung für die „Weisen der Völker“ verwendet.⁴⁷¹ Aus dieser Analyse der Verwendung weisheitlicher Begriffe ergibt sich, dass die Weisen der Völker in V.8 – 10 MT als töricht beschrieben werden. Das zeigt, dass ‫ ֲחָכִמים‬hier im Sinne einer üblichen Bezeichnung und nicht als eine Qualifizierung verwendet wird: Die sogenannten Weisen der Völker sind eigentlich Toren.⁴⁷² Die Bezeichnung der Bilder-Götter als ‫ ַמֲע ֵשׂה ֲחָכִמים‬macht diese Weisen als Urheber verantwortlich für die Bilderverehrung. Wohl sind die Götterbilder ein Werk von Handwerkern, aber sie sind eben auch erschaffen als Götter durch die Lehre von sogenannten Weisen.⁴⁷³ Der Vorwurf, mit den Bilder-Göttern in Beziehung zu stehen, dient hier der Stigmatisierung der „Weisen“: Dass die Götterbilder keine „richtigen“ Götter sind, dürfte zu dem Zeitpunkt bereits hinreichend klar sein, so dass die hölzernen Bilder-Götter als Inhalt ihrer Lehre die Abwertung dieser Weisen unterstreicht. Hier zeigt sich ein Effekt der Verbindung des götterpolemischen Diskurses mit einem weisheitlich geprägten Diskurs über Erkenntnis, der auch in jüngeren Texten zur intellektuellen Unterordnung „fremder“ Weiser verwendet werden wird (s.u. 5.5).

3.2.3.6.2 Götterpolemisches in Jer 10,6 – 10 (MT) Die im vorgegebenen V.9 enthaltenen Notizen zur Herstellung von Götterbildern werden im MT von den zwei Stücken V.6 f.10 gerahmt, in denen jeweils Jhwh gepriesen und sein Verhältnis zu den Völkern geklärt wird. Der gesamte Abschnitt V.6 – 10 nimmt Material aus dem unmittelbaren Kontext auf und zeigt durch die Anordnung, dass Parallelsetzungen intendiert sind. Erst aus der Analyse dieser Parallelisierungen wird deutlich, wie die Götterpolemik in V.6 – 10 verankert ist und welche Verschiebungen der Perspektive sich gegenüber dem Text V.1– 5.11– 16 ergeben.⁴⁷⁴  Gegen eine Deutung als „nichtige Lehre“ spricht, dass der Plural ‫ ֲהָבִלים‬immer eine Mehrzahl bezeichnet (Dtn 32,21; 1 Kön 16,13.26; Qoh 5,6; Jer 8,19; 14,22; ‫ ֲהֵבל ֲהָבִלים‬in Qoh 1,2; 12,8 ist ein Superlativ) und nicht synonym zum Singular verwendet wird.  Die Kritik an fremden Weisen und die Verkehrung von Weisheit in ihr Gegenteil begegnet auch in anderen prophetischen Texten. Allerdings werden sie dort nicht generell als Toren bezeichnet, sondern von Jhwh zu Toren gemacht, weil sie seinen Plan nicht erkennen, vgl. z. B. Jes 19,11– 13 (‫ בער ֱא ִוִלים‬Ni.); 44,25 (‫ הלל‬Pol., ‫ שׂכל‬Pi.).  Vgl. zu dieser Interpretation auch Vonach 2009: 213, der ebenfalls „Werke von Weisen“ übersetzt.  Auf die in dieser Tabelle hervorgehobenen Wortwiederholungen macht (in anderem Zusammenhang) auch Bogaert 1981: 228 aufmerksam.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

‫ֶאל־ ֶדּ ֶרְך ַהגּוֹיִם ַאל־ ִתְּלָמדוּ‬ () Zum Weg der Nationen [Konstruktusverbindung] hin sollt ihr nicht lernen ‫ִכּי־ ֻחקּוֹת ָהַע ִמּים‬ ‫מוַּסר ֲהָבִלים‬ () Denn die Satzungen der Völker [Konstruktusver- (b) Lehre der Nichtse (Hauch Pl.): [Konbindung] struktusverbindung] ‫ֶהֶבל הוּא‬ sind ein Hauch [Nominalsatz] ‫ִכּי־ֵעץ ִמ ַיַּער ְכּ ָרתוֹ‬ denn es ist Holz vom Wald, man fällt es,

‫ֵעץ הוּא‬ Holz ist es. [Nominalsatz]

‫ַמֲע ֵשׂה ְי ֵדי־ָח ָרשׁ ַבּ ַמֲּעָצד‬ ein Werk der Hände des Handwerkers mit seinem Beil.

(vgl. V.aβ)

‫ְבֶּכֶסף‬ () Mit Silber

‫ֶכֶּסף ְמֻר ָקּע ִמ ַתּ ְר ִשׁישׁ יוָּבא‬ () Breit gehämmertes Silber wird aus Tarsis gebracht

‫וְּב ָזָהב ְי ַי ֵפּהוּ‬ und mit Gold schmückt er es…

‫ְו ָזָהב ֵמאוָּפז‬ und Gold aus Ufas,

(vgl. V.b)

‫ַמֲע ֵשׂה ָח ָרשׁ ִוי ֵדי צוֹ ֵרף‬ ein Werk des Handwerkers und der Hände des Feinschmiedes.

Die Einbindung von V.9 durch V.8b wiederholt die in V.2 f angelegte Identifizierung der Götterbilder als Inhalt der Lehre der Völker. Dabei wird, wie oben (3.2.3.6.1) dargelegt, diese Lehre in V.8 im Speziellen den Weisen der Völker als ihren Urhebern zugeschrieben. Der Aufbau von V.6 – 10 insgesamt entspricht grob V.12– 16 in der Abfolge der Themen Jhwh-Lob (V.6 f; V.12), Dummheit (V.8a; V.14a), Götterherstellung (V.8b–9; V.14b–15), Jhwh-Lob (V.10; V.16). Die V.6 f.8a weisen darüber hinaus eine engere Verbindung zu V.14– 16 auf: – Mit ‫( בער‬V.8a) und ‫( ֵשׁם‬V.6b) werden das erste und das letzte Wort von V.14– 16 aufgenommen. – Die Abwertung bezieht sich jeweils auf zwei mit ‫ ֹכּל‬eingeleitete Größen (V.7b.14a). – Von den je zwei begründenden ‫ ִכּי‬-Sätzen bezieht sich jeweils ein kurzer auf Jhwh (V.7aβ: ‫ ; ִכּי ְלָך ָיָאָתה‬V.16aβ: ‫ ) ִכּ־יוֵֹצר ַה ֹכּל‬und der andere auf die Jhwh gegenüber gestellte Größe (V.7b.14b–15). Der auf die Beschreibung der Götterbilder folgende Einsatz ‫ ַויהוה‬in V.10 erinnert an die Kontrastierungen in V.12 und V.16, wo ebenfalls auf die machtlosen Götter(bilder) eine Aussage über Jhwhs Macht folgt. Die Rede von Jhwhs ‫ ֶקֶצם‬und ‫ַזַעם‬

3.2 Jeremia 10,1 – 16

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(V.10) könnte die Vorstellung der letztendlichen Vernichtung der Götter in V.11.15 aufnehmen. Es zeigt sich also, dass sich V.6 – 10 über die Einbindung von V.9 hinaus auf götterpolemische Elemente des vorfindlichen Textes beziehen. Dabei wird neben dem in V.9 f reflektierten Kontrast zwischen Bilder-Göttern und Jhwh in V.6 f.10b ein neuer Kontrast zwischen Jhwh und den Völkern gestaltet, der an den götterpolemischen Diskurs anschließt. Anders als in V.11.16 wird Jhwh also Menschen, nicht Bilder-Göttern, gegenübergestellt.⁴⁷⁵ An neu hinzukommenden Elementen fällt (neben der stärkeren Weisheitsorientierung, dazu s.u.) insbesondere die wiederholte Bezeichnung Jhwhs als ‫ ֶמֶלְך‬auf.⁴⁷⁶ Statt als ‫קב‬ ֹ ‫( ֵחֶלק ַיֲע‬V.16a) erscheint Jhwh nun als ‫( ֶמֶלְך ַהגּוֹיִם‬V.7a). Seine Universalität ist nicht mehr nur von der Schöpfung her gedacht wie in V.(11.)12– 16 (Jhwh als ‫ יוֵֹצר ַה ֹכּל‬im Gegensatz zu den Göttern), sondern als Herrschaft über die Völker formuliert. Die innere Verbindung zwischen Götterpolemik und Jhwhs Überlegenheit über die Völker wird durch die Zuordnung der Weisen der Völker zu den BilderGöttern hergestellt. Auf diese Verknüpfung werde ich im Folgenden noch näher eingehen.

3.2.3.7 Die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik in Jer 10,1 – 16 Die Götterpolemik in Jer 10,1– 16 lässt sich nicht bloß aus einer Abhängigkeit von DtJes erklären. Vielmehr verdanken sich die Ähnlichkeiten der Teilnahme an einem gemeinsamen götterpolemischen Diskurs. Im Laufe der Zeit wird die Verbindung zu DtJes enger durch Fortschreibungen, die den Text durch Elemente aus ähnlichen Textstellen anreichern. Dieses Phänomen ließ sich insbesondere für die Ergänzung von V.3b–5 zeigen. Darüber hinaus setzt sich diese Bewegung in der Literar- und Textgeschichte fort. So werden in Jer 16,19 – 21 Elemente aus Jer 10 mit solchen aus Jes 45,20 – 25 kombiniert,⁴⁷⁷ und der Vaticanus trägt in V.4 θήσουσιν αὐτά aus Jes 41,7 nach.⁴⁷⁸ Aber gerade im Hinblick auf die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik ist Jer 10,1– 16 nicht von DtJes abhängig. Anders als in DtJes bilden weisheitliche Aussagen von Anfang an den Anknüpfungspunkt für die Götterpolemik in Jer 10. Wie andere Ergänzungen im Jeremiabuch (vgl. z. B. Jer 4,22; 9,22 f; 17,5 – 11⁴⁷⁹) verbinden V.12– 16 Begriffe und Themen aus Jer mit

  49 f.   

Mit Camponovo 1984: 110 mit Anm. 175, der V.6 f aus diesem Grund für sekundär hält. Zu Anklängen an Psalmen, die Jhwh als König preisen (vgl.v. a. Ps 47; 145) vgl. Davidson 1976: Vgl. dazu Rudolph 1968: 113. Vgl. den textkritischen Apparat in Gö. Darauf weist auch McKane 1985: 303 hin. Zu diesen Beispielen Hermisson 2000b: 179 – 186.

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weisheitlichen Elementen. Weisheitlich geprägt ist in V.12– 16 insbesondere die Formulierung der Schöpfungsvorstellung. Diese ist integrativer Bestandteil der Götterpolemik: Als Schöpfergott steht Jhwh den Göttern gegenüber (vgl. auch V.11). Jhwhs in der Schöpfung eingesetzte Weisheit steht aber auch im Kontrast zu menschlicher Erkenntnislosigkeit. Die Formulierung des Erkenntnismangels in V.14 enthält weisheitliche Anklänge und lässt sich als Fortschreibung im Anschluss an weisheitliche Einwürfe im Kontext, die ebenfalls menschliche Weisheit und Gotteserkenntnis thematisieren, verstehen. Insgesamt sind V.12– 16 nahe am Kontext formuliert und konzipiert. So findet sich auch hier die Vorstellung, dass Jhwh im Gegensatz zu den Götterbildern für sein Volk sorgen kann (vgl. z. B. Jer 2,13). Von Jer 9 her kommend liegt es nahe, V.12 – 16 als an Judäer gerichtet zu verstehen. Doch die Beziehung zwischen Jhwh und seinem Volk wird hier nicht thematisiert, es findet sich – anders als im dtn-dtr Fremdgötterdiskurs üblich – keine Anklage gegen das Volk. Die Polemik richtet sich insbesondere gegen den Hersteller der Bilder. Dieser Hersteller wird nicht explizit anderen Völkern zugeordnet und kann ebenfalls als Judäer verstanden werden. Die folgenden Fortschreibungen vertiefen die weisheitlichen Elemente der Götterpolemik zunächst nicht. V.2– 3a thematisieren die Abgrenzung von den Völkern, wobei der Hinweis auf Astraldivination wohl eine Zuspitzung der Polemik auf Babylon impliziert. Der Kontrast verschiebt sich hier von der Gegenüberstellung von Schöpfergott und Götterbild hin zur Gegenüberstellung der Völker (mit ihren Sitten) und Israels (mit seinem Gott). V.3b–5 sind wohl größtenteils in Anlehnung an DtJes formuliert und beziehen sich dort auf nicht weisheitlich geprägte Götterpolemik. V.11 schließlich bezeugt einen lebendigen götterpolemischen Diskurs, der das Schöpfungsthema als Kriterium des „wahren“ Gottes verwendet. Explizit verbindet die Fortschreibung V.6 – 8.(9.)10 götterpolemische Aussagen mit weisheitlichen Elementen. Die Polemik gegen fremde Götter wird hier in eine Polemik gegen fremde Weisheit gewendet. Der Mangel an Erkenntnis wird deutlich weisheitlich formuliert. Der Erkenntnismangel der Götterhersteller muss nun nicht mehr an der Unfähigkeit ihrer Produkte nachgewiesen werden.Vielmehr wird die Beziehung zu Götterbildern zum Ausweis von Dummheit. Verantwortlich für die Götterbilder werden hier die sogenannten Weisen der Völker gemacht. Jhwhs Überlegenheit über die Bilder-Götter muss nicht mehr gezeigt werden; thematisiert wird jetzt seine Souveränität über die Völker (V.7.10). Die hier vorgelegte Rekonstruktion macht wahrscheinlich, dass die Polemik in ihrem ältesten Kern auf judäische Bilderverehrung bezogen ist, sich dann aber nach außen wendet⁴⁸⁰ und die Verehrung von Götterbildern als ein unsinniges

 Vgl. zu dieser Tendenz auch Frevel 1998: 55.73 f.

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Verhalten anderer Völker darstellt und schließlich die Völker als Bilderverehrer stigmatisiert.⁴⁸¹ Die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit lässt sich dabei nicht als lineare Entwicklung darstellen. Auch wenn man meiner literargeschichtlichen Rekonstruktion im Einzelnen nicht folgen mag, können die weisheitlich geprägten V.6 – 8.10 und V.12 – 16 schwerlich als unmittelbar aufeinanderfolgende Fortschreibungen plausibel gemacht werden. Wie sich schon bei der Analyse von Jes 44 gezeigt hat (s.o. 2.5), kann auch nach einer weisheitlich geprägten Fortschreibung wieder rein auf Herstellung und Material der Götterbilder bezogene Polemik eingefügt werden, die keinerlei Interesse an weisheitlichen Diskursen zeigt (Jer 10,3b–5.9).

3.3 Psalm 135 Wie bereits in der Einleitung erwähnt, zitiert Ps 135,7 Jer 10,13 und verrät damit Kenntnis von diesem Text. Die götterpolemischen Formulierungen in Ps 135 erscheinen allerdings nur wenig von Jer 10 beeinflusst und entstammen größtenteils Ps 115. Die hier vorausgesetzte literarische Beziehung dieser drei Texte soll im Folgenden erläutert werden. Da Ps 135 auf den weisheitlich geprägten Text Jer 10,12– 16 Bezug nimmt und gleichzeitig götterpolemische Verse aus anderen Quellen verwendet, werde ich untersuchen, inwieweit in Ps 135 eine eigenständige Verbindung von Götterpolemik und Weisheit vorliegt. Schließlich ist zu fragen,wie sich das Thema in der Fassung der LXX entwickelt.

3.3.1 Text und Übersetzung von Ps 135 ‫( ַהְללוּ ָיּה ַהְללוּ ֶאת־ ֵשׁם ְיה ָוה ַהְללוּ ַעְב ֵדי ְיה ָוה׃‬) Lobt Jah, lobt den Namen Jhwhs, lobt, ihr Knechte Jhwhs, ‫( ֶשׁעְֹמ ִדים ְבֵּבית ְיה ָוה ְבַּחְצרוֹת ֵבּית ֱאל ֵֹהינוּ׃‬) die ihr im Haus Jhwhs steht, in den Höfen des Hauses unseres Gottes. ‫( ַהְללוּ־ ָיּה ִכּי־טוֹב ְיה ָוה ַז ְמּרוּ ִל ְשׁמוֹ ִכּי ָנִעים׃‬) Lobt Jah, denn gut ist Jhwh. Musiziert seinem Namen, denn er ist liebenswürdig. ‫( ִכּי־ ַיֲעקֹב ָבַּחר לוֹ ָיּה יִ ְשׂ ָרֵאל ִלְס ֻג ָלּתוֹ׃‬) Denn Jakob hat Jah sich erwählt, Israel als sein Eigentum.

 Vgl. Barton 1999: 68 („the ridicule of idols has ceased to be a way of criticising Israelite practices and has become a stick with which to beat foreign nations“); und s.u. Anm. 490 zu Ps 115.

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‫( ִכּי ֲא ִני ָי ַדְע ִתּי ִכּי־ ָגדוֹל ְיה ָוה ַוֲאד ֹ ֵנינוּ ִמ ָכּל־ֱאל ִֹהים׃‬) Ja, ich habe erkannt, dass Jhwh groß ist und unser Herr größer als alle Götter. ‫( ֹכּל ֲא ֶשׁר־ָחֵפץ ְיה ָוה ָע ָשׂה ַבּ ָשַּׁמיִם וָּבָא ֶרץ ַבּ ַיּ ִמּים‬) Alles, was Jhwh gefällt, ‫ ְוָכל־ ְתּהוֹמוֹת׃‬macht er, im Himmel und auf der Erde, in den Meeren und (in) allen Tiefen/Fluten. ‫( ַמֲעֶלה ְנ ִשִׂאים ִמְקֵצה ָהָא ֶרץ ְבּ ָרִקים ַל ָמָּטר ָע ָשׂה‬) Der Wolken aufsteigen lässt vom Ende der Erde, ‫ מוֵֹצא־רוּ ַח ֵמאוְֹצרוָֹתיו׃‬er macht Blitze für den Regen, der Wind hinausgehen lässt aus seinen Schatzkammern. ‫( ֶשִׁה ָכּה ְבּכוֹ ֵרי ִמְצ ָריִם ֵמָא ָדם ַעד־ ְבֵּהָמה׃‬) Der geschlagen hat die Erstgeborenen Ägyptens, von Mensch bis Vieh, ‫אתוֹת וּמְֹפִתים ְבּתוֵֹכִכי ִמְצ ָריִם ְבַּפ ְרעֹה‬ ֹ ‫( ָשַׁלח‬) er hat Zeichen und Wunder geschickt in deine a ‫ וְּבָכל־ֲעָב ָדיו׃‬Mitte, Ägypten, dem Pharao und allen seinen Knechten. ‫( ֶשִׁה ָכּה גּוֹיִם ַר ִבּים ְוָה ַרג ְמָלִכים ֲעצוִּמים׃‬) Der viele Völker geschlagen hat und mächtige Könige getötet hat, ‫( ְלִסיחוֹן ֶמֶלְך ָהֱאמֹ ִרי וְּלעוֹג ֶמֶלְך ַה ָבּ ָשׁן וְּלֹכל ַמְמְלכוֹת‬) Sichon, den König der Amoriter ‫ ְכּ ָנַען׃‬und Og, den König von Baschan, und alle Königreiche Kanaans. ‫( ְו ָנַתן ַא ְרָצם ַנֲחָלה ַנֲחָלה ְליִ ְשׂ ָרֵאל ַעמּוֹ׃‬) Und er gab ihr Land als Erbteil, als Erbteil für Israel, sein Volk. ‫( ְיה ָוה ִשְׁמָך ְלעוָֹלם ְיה ָוה ִזְכ ְרָך ְלד ֹר־ ָוד ֹר׃‬) Jhwh, dein Name (hat Bestand) für immer, Jhwh, das Denken an dich von Generation zu Generation. ‫( ִכּי־ ָי ִדין ְיה ָוה ַעמּוֹ ְוַעל־ֲעָב ָדיו יְִת ֶנָחם׃‬) Denn Jhwh schafft seinem Volk Recht und er erbarmt sich seiner Knechte. ‫( ֲעַצ ֵבּי ַהגּוֹיִם ֶכֶּסף ְו ָזָהב ַמֲע ֵשׂה ְי ֵדי ָא ָדם׃‬) Die Götterbilder der Völker sind Silber und Gold, ein Werk von Menschenhand. ‫( ֶפּה־ָלֶהם ְול ֹא ְי ַד ֵבּרוּ ֵעי ַניִם ָלֶהם ְול ֹא יִ ְראוּ׃‬) Sie haben einen Mund und reden nicht, sie haben Augen und sehen nicht. ‫( ָא ְז ַניִם ָלֶהם ְול ֹא ַיֲא ִזינוּ ַאף ֵאין־ ֶישׁ־רוּ ַח ְבִּפיֶהם׃‬) Sie haben Ohren und hören nicht hin, auch b ist kein Atem in ihrem Mund. ‫בֵּט ַח ָבֶּהם׃‬ ֹ ‫( ְכּמוֶֹהם יְִהיוּ עֹ ֵשׂיֶהם ֹכּל ֲא ֶשׁר־‬) So wie sie werden c diejenigen, die sie machen, jeder, der auf sie vertraut. ‫( ֵבּית יִ ְשׂ ָרֵאל ָבֲּרכוּ ֶאת־ ְיה ָוה ֵבּית ַאֲהר ֹן ָבֲּרכוּ ֶאת־ ְיה ָוה׃‬) Haus Israel, segnet Jhwh! Haus Aaron, segnet Jhwh! ‫( ֵבּית ַה ֵלּ ִוי ָבֲּרכוּ ֶאת־ ְיה ָוה יִ ְרֵאי ְיה ָוה ָבֲּרכוּ ֶאת־ ְיה ָוה׃‬) Haus Levi, segnet Jhwh! Jhwh-Fürchtende, segnet Jhwh!

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‫שֵׁכן ְירוּ ָשׁ ִָלם ַהְללוּ־ ָיּה׃‬ ֹ ‫( ָבּרוְּך ְיה ָוה ִמ ִצּיּוֹן‬) Gesegnet sei Jhwh von Zion, der in Jerusalem wohnt. Lobt Jah! a Mit unterschiedlichen Begründungen lesen Dahood 1970: 151 (‫ ִכּי‬als „emphatic particle in a construct chain“) und Hossfeld/Zenger 2008: 660 („reduplizierte Form des status constructus“) hier kein Pronominalsuffix. M. E. ist das Suffix 2. Sg. f. mit den Versionen (und vgl. die suffigierten Formen von ‫ ְבּתוְֹך‬in Ps 136,11.14) beizubehalten. b ‫ ַאף‬kann sowohl „Nase“ (vgl. Ps 115,6) als auch „sogar“ bedeuten. Hossfeld/Zenger 2008: 660 u. a. vermuten daher ein Wortspiel ausgehend von Ps 115 (anders Gärtner 2012: 319 Anm. 82). c Die LXX übersetzt im Optativ (γένοιντο). Der Indikativ drückt hier aber passend die Gewissheit des Untergangs der Götterverehrer aus, die auch in Jes 42,17 und 45,16 indikativisch formuliert ist. Vgl. zur Begründung des Indikativs auch Hossfeld/Zenger 2008: 285 (zur Parallelstelle Ps 115,8).

3.3.2 Literarische Beziehungen des Psalms Wegen der auffälligen Ähnlichkeit von Ps 135 mit dem folgenden Ps 136 werden die beiden Psalmen meist als Zwillingspsalmen aufgefasst.⁴⁸² Dabei dürfte es sich bei Ps 135 um den jüngeren der beiden Zwillinge handeln: Die Weiterführungen in Ps 135 machen wahrscheinlich, dass Ps 135 als spätere Leseanweisung im Hinblick auf Ps 136 verfasst wurde.⁴⁸³ Neben dieser Abhängigkeit von einem redaktionellen Psalm⁴⁸⁴ erweisen die Kontextbezüge und der kompositionelle Charakter den Ps 135 insgesamt als einen späten schriftgelehrten Text.⁴⁸⁵ Die zahlreichen Verbindungen in den näheren und weiteren Kontext und auch über den Psalter

 Der Begriff der Zwillingspsalmen stammt von Zimmerli 1974, der Ps 135 und 136 allerdings nicht behandelt. Die Ähnlichkeit dieser beiden Psalmen thematisiert Weiser 1987: 547, der die Idee eines gemeinsamen Verfassers zugunsten einer „Abhängigkeit von gemeinsamen Überlieferungen“ verwirft.  Mit Hossfeld/Zenger 2008: 664.671; Klein 2014: 326 f. Leuenberger 2004: 313 Anm. 158 nennt als Argumente für die Abhängigkeit des Ps 135 von Ps 136 a) die Ausweitung von 136,17 f auf die Völker in 135,10; b) die Ergänzung der kanaanäischen Königreiche in 135,11b gegenüber 136,19 f; c) die kontextbedingte Änderung von ‫( ַעְבדוֹ‬136,22) zu ‫ ַעמּוֹ‬in 135,12; er plädiert aber gleichzeitig für einheitliche Verfasserschaft (vgl. Leuenberger 2004: 319.370). Zu 135,11 als Aufnahme und Korrektur von 136,18 – 20 vgl. ausführlicher Klein 2014: 325 f .  Ps 136 nimmt auf den Pentateuch inkl. seiner priesterschriftlichen Anteile Bezug und ist in die spätere Perserzeit zu datieren, vgl. Hossfeld/Zenger 2008: 675.677; Klein 2014: 324.328 – 332 u. a.  Mit Leuenberger 2004: 315; Hossfeld/Zenger 2008: 662 f.

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hinaus⁴⁸⁶ legen nahe, bei Ähnlichkeiten mit anderen Texten Ps 135 zunächst einmal als den nehmenden Text zu vermuten.

3.3.2.1 Beziehung zu Ps 115 Ausführlich zitiert Ps 135 Ps 115, in V.6a.15 – 20 (vgl. Ps 115,3b–8) zur Polemik gegen andere Götter und in V.19 f (vgl. Ps 115,9 – 13) zur Aufzählung der Jhwh preisenden Menschen. Da der Fokus dieser Untersuchung auf den götterpolemischen und weisheitlichen Elementen liegt, soll die Beziehung zwischen Ps 135 und Ps 115 anhand von Ps 115,2– 8 genauer betrachtet werden. ‫( ָל ָמּה י ֹאְמרוּ ַהגּוֹיִם ַא ֵיּה־ ָנא ֱאל ֵֹהיֶהם׃‬) Warum sagen die Völker: „Wo ist denn ihr Gott?“ ‫( ֵואל ֵֹהינוּ ַב ָשָּׁמיִם ֹכּל ֲא ֶשׁר־ָחֵפץ ָע ָשׂה׃‬) Unser Gott ist im Himmel alles, was ihm gefällt, macht er. ‫( ֲעַצ ֵבּיֶהם ֶכֶּסף ְו ָזָהב ַמֲע ֵשׂה ְי ֵדי ָא ָדם׃‬) Ihre Götterbilder sind Silber und Gold, ein Werk von Menschenhand. ‫( ֶפּה־ָלֶהם ְול ֹא ְי ַד ֵבּרוּ ֵעי ַניִם ָלֶהם ְול ֹא יִ ְראוּ׃‬) Sie haben einen Mund und sprechen nicht, sie haben Augen und sehen nicht. ‫( ָא ְז ַניִם ָלֶהם ְול ֹא יִ ְשָׁמעוּ ַאף ָלֶהם ְול ֹא ְי ִריחוּן׃‬) Sie haben Ohren und hören nicht, sie haben eine Nase und riechen nicht. ‫( ְי ֵדיֶהם ְול ֹא ְיִמישׁוּן ַר ְגֵליֶהם ְול ֹא ְיַה ֵלּכוּ ל ֹא־ ֶיְהגּוּ ִבּ ְגרוֹ ָנם׃‬) Ihre Hände a – damit tasten sie nicht, ihre Füße a – damit gehen sie nicht umher, sie reden nicht mit ihrer Kehle. ‫בֵּט ַח ָבֶּהם׃‬ ֹ ‫( ְכּמוֶֹהם יְִהיוּ עֹ ֵשׂיֶהם ֹכּל ֲא ֶשׁר־‬) So wie sie werden b diejenigen, die sie machen, jeder, der auf sie vertraut. a

Pendens mit folgendem ‫ ; ְו‬so schon Gunkel 1986: 499 und vgl. zur vorliegenden Pendenskonstruktion Gross 1987: 102. b Gunkel 1986: 496 f liest hier ‫ יְִהיוּ‬als Jussif, aber s. o. Textanm. c zur Parallelstelle Ps 135,18.

Die Formulierung der Polemik in kurzen Antithesen (V.5 – 7) ist vermutlich eine Weiterentwicklung aus Texten wie Jes 46,7 und Jer 10,4– 5. Die Bezeichnung der Bilder als ‫ ַמֲע ֵשׂה ְי ֵדי ָא ָדם‬zusammen mit den Verneinungen ‫ל ֹא יִ ְראוּ‬, ‫ ל ֹא יִ ְשָׁמעוּ‬und ‫ל ֹא‬ ‫ ְי ִריחוּן‬dürfte Dtn 4,28 entstammen.⁴⁸⁷ Aufgrund dieser Herleitung lässt sich m. E.

 Auflistungen der intertextuellen Bezüge, die sich für jeden Vers dieses Psalmes zeigen lassen, finden sich bei Jacquet 1979: 557 und Hossfeld/Zenger 2008: 663. Besonders offensichtlich sind (neben der bereits angesprochenen Verwendung von Ps 136) die Zitate Ps 113,1 (V.1); Ps 134,1 (V.1 f); Ex 18,11 (V.5); Ex 3,15b (V.13); Dtn 32,36a (V.14); Ps 134,3a (V.21a); sowie die im Folgenden zu behandelnden Zitate aus Jer 10 und Ps 115.  Mit Zenger 2001: 242 Anm. 30. Auch Preuss 1971: 251; Frevel 1995: 391 f u. a. betrachten Ps 115 als von Dtn 4,28 abhängig.

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Ps 135,15 – 18 besser als Aufnahme von Ps 115,4– 6 erklären als umgekehrt,⁴⁸⁸ da der Weg von der älteren Götterpolemik zu Ps 135 über Ps 115 führt: Die Abstammung von Dtn 4,28 ist in Ps 135,17 nicht mehr zu erkennen, weil die entsprechenden Verben aus Ps 115 vermutlich zu Gunsten von poetischen Wortspielen (‫ ַאף ; ַיֲא ִזינוּ – ָא ְז ַניִם‬als emphatische Partikel; inclusio um V.16 f durch ‫ ) ֶפּה‬aufgegeben wurden. Wie wir sehen werden, ergibt sich aus der Aufnahme dieses Psalms in Ps 135 eine interessante Korrektur der Rolle der Völker gegenüber Ps 115. Durch die aufeinanderfolgenden Satzanfänge ‫( ֶאל ֵֹהינוּ‬V.3) – ‫( ֲעַצ ֵבּיֶהם‬V.4) wird ein Kontrast zwischen Jhwh und den Götterbildern der Völker hergestellt. Hier zeigt sich deutlich, dass die anderen Götter nur in Form ihrer Bilder in den Blick geraten.⁴⁸⁹ Wie schon in Jer 10,16 ist die Kontrastierung der Gottheiten nicht ohne die ihnen verbundenen Gemeinschaften zu verstehen. Unser Gott und ihre Bilder stehen sich gegenüber. Die Kontrastierung auf der menschlich-sozialen Ebene wird auch in V.8 – 11 deutlich durch die Gegenüberstellung derer, die auf die Götterbilder vertrauen (‫בֵּט ַח ָבֶּהם‬ ֹ ,V.8), mit Israel, Haus Aaron und Gottesfürchtigen, die auf Jhwh vertrauen sollen (‫ ִבְּטחוּ ַביהוה‬, V.9 – 11). Die Polemik spielt sich also zwischen Menschengruppen ab; die Unfähigkeit der Götterbilder dient der Herabsetzung ihrer Anhängerschaft.⁴⁹⁰ Ps 115 stellt die V.4– 7 in eine bestimmte polemische Situation: Die Polemik gegen die Götter(bilder) der Völker wird als Reaktion auf die spöttische Frage der Völker in V.2 dargestellt. Die Frage „Wo ist ihr Gott?“ (‫ )ַא ֵיּה ֱאל ֵֹהיֶהם‬stellen die Völker auch in Joel 2,17; Ps 79,10, und zwar angesichts militärischer Niederlage und Fremdherrschaft.⁴⁹¹ Der Anklang von V.1 an Ez 36,20 – 25 lässt vermuten, dass Jhwhs Volk hier das unter die Völker zerstreute Volk ist, das zusammen mit seinem anscheinend machtlosen Gott zum Gespött der Völker wird.⁴⁹² Die Polemik stellt

 Die Abhängigkeit des Ps 115 von Ps 135 vertritt m.W. nur Levin 2000: 24 f, der die Nennung von Israel, Aaron und Jhwh-Fürchtigen in Ps 135 aus psalterkompositorischen Gründen aus Ps 118 herleitet, wogegen Ps 115 dann eine „sekundäre Variante zu Ps 135“ darstelle. Als Grund für die Verwendung gerade dieser götterpolemischen Formulierung aus Ps 115 in Ps 135 vermutet Mathys 1994: 261 die streng poetische Struktur von Ps 115,4– 8, die sich besonders gut in Ps 135 füge.  Dass die Verwendung von ‫ ֲעַצ ֵבּיֶהם‬statt des zu erwartenden ‫ ֱאל ֵֹהיֶהם‬hier „die in den altorientalischen Religionen vorausgesetzte Differenz zwischen den Göttern und ihren Kultbildern negiert“, meint auch Zenger 2001: 241.  Vgl. auch Berlejung 1998: 400 f zu Ps 115: „[D]ie Bilderpolemik steht ganz im Dienst der Völkerpolemik, so daß sich die Auseinandersetzung um die Statuen als Bestandteil eines theologisierten gesellschaftlich-politischen Konfliktes darstellt.“  Vgl. zu dieser Frage als Feststellung des Nicht-Eingreifens eines Gottes für sein Volk auch 2 Kön 18,34//Jes 36,19 und – in Bezug auf Götterbilder! – Jer 2,28.  Vgl. zu V.1– 3 die ähnliche Situationsbeschreibung Ez 36,20 – 25; auf den Bezug weist Hossfeld/Zenger 2008: 279.281 f hin. Die terminologischen Berührungen beschränken sich auf

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sich damit als ein apologetischer Gegenangriff des materiell und politisch unterlegenen Volkes dar. In Ps 135 sind dieselben Worte Teil eines persönlichen erinnernden Bekenntnisses, das in V.5 durch ‫ ִכּי ֲא ִני ָי ַדְע ִתּי‬eingeleitet wird.V.5 zitiert fast wörtlich das Bekenntnis des Jitro aus Ex 18,11. Dass gerade das Bekenntnis des Midianiters Jitro aufgenommen wird, zeigt, dass die Anerkennung von Jhwhs Überlegenheit hier nicht als auf Israel beschränkt gedacht ist.⁴⁹³ Anders als in Ps 115 versuchen die Völker nicht mehr, Israel und seinen Gott zu verspotten. Vielmehr wird hier daran erinnert, dass Jhwhs Macht über das ethnische Israel hinaus sichtbar geworden ist. In Ps 115 wird mit der Frage „Wo ist ihr Gott?“ zudem eine theologische Reflexion über den Ort Gottes in der Welt eingeleitet. Dass die Frage hier auch in ihrer wörtlichen Bedeutung verwendet wird, zeigt die Antwort ‫ ֵואל ֵֹהינוּ ַב ָשָּׁמיִם‬in V.3, die in V.15b.16 weiter erläutert wird. Jhwh steht hier den Bilder-Göttern entgegen nicht nur als der Schöpfer, sondern auch als der Gott, dessen Ort im Unterschied zu den menschengemachten Götterbildern der Himmel ist.⁴⁹⁴ Die Zuordnung von Gott und Mensch zu Himmel und Erde erinnert an Qoh 5,1 (‫ָהֱאל ִֹהים ַבּ ָשַּׁמיִם ְוַא ָתּה ַעל־ָהָא ֶרץ‬, „der Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde“). Man könnte daher vermuten, dass es sich dabei um eine weisheitliche Aussage handelt. Auch Jes 40,22 formuliert das Machtgefälle zwischen Gott und Erdbewohnern in einem weisheitlich geprägten Text (dazu s.o. 2.2.3.1.1). Doch anders als in Jes 40 findet sich in Ps 115 kein terminologischer Bezug auf den weisheitlichen Diskurs. Ob V.16 eine weisheitliche Vorstellung zugrunde liegt, muss daher offen bleiben. In Ps 115,3 folgt aus Jhwhs übergeordneter Position im Himmel: ‫ֹכּל ֲא ֶשׁר־ָחֵפץ‬ ‫„( ָע ָשׂה‬alles, was ihm gefällt, macht er“).⁴⁹⁵ Dieser Satz wird in Ps 135,6 aufgenommen, doch die Lokalisierung Gottes im Himmel spielt in Ps 135 keine Rolle. Vielmehr wird in Ps 135 zwischen diesem Vers und der (in Ps 115 unmittelbar folgenden) Polemik gegen die Götterbilder ausgeführt, wie sich dieses Handeln Jhwhs konkret äußert (Ps 135,6b–12).

die Wörter ‫( ֵשׁם‬Jhwhs Name,V.1 und Ez 36,20.21.22.23), ‫( ַהגּוֹיִם‬V.2 und Ez 36,20.21.22.23.24) und ‫עשׂה‬ (Jhwhs Handeln, V.3 und Ez 36,22), denen in beiden Texten allerdings besonderes Gewicht zukommt.  Vgl. zu diesem Verständnis von V.5 Hossfeld/Zenger 2008: 666.  Anders als die Götter der Völker ist Jhwh nicht durch sein Kultbild präsent, vgl. Hossfeld/ Zenger 2008: 282. Dabei geht es in Ps 115 m.E. nicht primär um die Sichtbarkeit Gottes und die Frage seiner Abbildbarkeit (so z. B. Schmid 2006: 123). Gerade V.16 zeigt, dass die jeweiligen Positionierungen von Gott und Mensch eine Rolle spielen, wobei dem Schöpfergott im Himmel eine überlegene Machtposition zukommt.  Vgl. dazu Jes 46,10, wo Jhwhs Souveränität über den Geschichtsverlauf durch ‫ְוָכל־ֶחְפִצי ֶאֱע ֶשׂה‬ ausgedrückt wird.

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Auch in Jes 42,17 und Hab 2,18 ist die Rede von Menschen, die auf Götterbilder vertrauen (‫)בטח‬. Die Unfähigkeit der Götterbilder enttäuscht die ihnen entgegengebrachte Hoffnung, ihre Verehrer werden zuschanden (‫בושׁ‬, Jer 10,14; Jes 42,17 u. ö.). In Ps 115,8 und Ps 135,18 wird dagegen anders argumentiert: Die Hersteller und Verehrer der Götterbilder werden diesen gleich, die Unfähigkeit der Bilder fällt also auf ihre Anhänger zurück. Das Thema der Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Herstellern/Verehrern und ihren Bilder-Göttern wird in späteren götterpolemischen Texten – möglicherweise in Anlehnung an Ps 115,8//135,18 – weiter ausgearbeitet (vgl. EpJer 45 – 47; Sap 15,16 f) und das philosophische Ideal der ὁμοίωσις θεῷ (vgl. Plat. Tht. 176b) polemisch gegen die Verehrer von Bilder-Göttern verwendet (Decal. 73 f). Das dürfte hier noch nicht im Blick sein, könnte aber in der griechischen Übersetzung bereits anklingen (ὅμοιοι αὐτοῖς γένοιντο, Ps 113,16// 134,18 LXX).

3.3.2.2 Beziehung zu Jer 10 Mit nur minimaler Umformulierung zitiert⁴⁹⁶ V.7 Jer 10,13: Ps 135,7 Jer ,

‫ַמֲעֶלה ְנ ִשִׂאים ִמְקֵצה ָהָא ֶרץ ְבּ ָרִקים ַל ָמָּטר ָע ָשׂה מוֵֹצא־רוּ ַח ֵמאוְֹצרוָֹתיו׃‬ ‫אְצר ָֹתיו׃‬ ֹ ‫ַו ַיֲּעֶלה ְנ ִשִׂאים ִמְקֵצה ֶא ֶרץ ְבּ ָרִקים ַל ָמָּטר ָע ָשׂה ַויּוֵֹצא רוּ ַח ֵמ‬

Angesichts der Prominenz des götterpolemischen Themas in Ps 135 mag es erstaunen, dass der Psalm gerade auf diesen Vers aus Jer 10 und nicht etwa auf die dort breit ausgemalte Polemik gegen die Bilder-Götter zurückgreift. Ein möglicher Grund für die Verwendung von Jer 10,13 erschließt sich aus der Rezeption von Ps 136: Dort erinnert die Schöpfungsbeschreibung ‫( עֹ ֵשׂה ַה ָשַּׂמיִם ִבְּתבוּ ָנה‬Ps 136,5a) an Jer 10,12 (‫עֹ ֵשׂה‬, ‫) ִבְּתבוּ ָנתוֹ ָנָטה ָשָׁמיִם‬.⁴⁹⁷ Während Ps 136,5 – 9 Gottes Weltschöpfung rekapituliert, richtet sich der Fokus in Ps 135 direkt auf Gottes Handeln in der Schöpfung (V.6). Dazu passt Jer 10,13 besser als Jer 10,12, während gleichzeitig die

 Das umgekehrte Abhängigkeitsverhältnis zieht Kratz 1991a: 204 Anm. 659 in Betracht, der Jer 10,12 f als Theophanie-orientierte Weiterentwicklung der Schöpfungsaussage Ps 135,6 f (die dort aus Ps 115,3b.15b und Ps 136,4– 9 erklärt werden kann) versteht. Die Richtung der Weiterentwicklung kann aber auch anders herum gedeutet werden (vgl.Weippert 1981: 31 Anm. 42), zumal Jer 10,13 m.E. durchaus Jhwhs Schöpfermacht unterstreicht (dazu s.o. 3.2.3.1.2 und Anm. 425). Entscheidender scheint mir, dass Ps 135 eine deutliche Neigung zu wörtlichen Zitaten aus anderen Texten aufweist (s.o. 3.3.2 mit Anm. 486), während Jer 10,12– 16 eigenständiger formuliert.  Mit Klein 2014: 337 f . Dass Ps 136,5 Jer 10,12 rezipiert, meinen auch Leuenberger 2004: 317 Anm. 170; Gärtner 2012: 301 f u. a. Dass darin jedenfalls aus Leserperspektive eine Anspielung gehört werden konnte, scheint mir wahrscheinlich, da die Schöpfung von Himmel und/oder Erde nur in Ps 136,5; Jer 10,12(//Jer 51,15); Prov 3,19 ‫ ִבְּתבוּ ָנה‬erfolgt (dazu s. o. 3.2.3.1.1 mit Anm. 415).

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Beziehung zu Ps 136 über die gemeinsame Verbindung zu Jer 10 erhalten bleibt. Durch die Verwendung von Jer 10,13 ohne Jer 10,12 ist der weisheitliche Hintergrund der Schöpfungsvorstellung nicht mehr erkennbar. Die götterpolemischen Formulierungen in Ps 135 sind größtenteils aus Ps 115 übernommen (dazu s.o. 3.3.2.1). Eine kleine Änderung in V.17 verrät aber, dass Ps 115 auch vor dem Hintergrund von Jer 10 gelesen wird. Statt ‫ַאף ָלֶהם ְול ֹא ְי ִריחוּן‬ (Ps 115,6b) heißt es in V.17b: ‫ַאף ֵאין־ ֶישׁ־רוּ ַח ְבִּפיֶהם‬, was von Jer 10,14 (‫) ְול ֹא־רוּ ַח ָבּם‬ inspiriert sein könnte.⁴⁹⁸ So wird die Unfähigkeit der Götterbilder explizit als Leblosigkeit benannt. Auch die Verehrer in V.18 werden dadurch in die Nähe des Todes gerückt.⁴⁹⁹

3.3.3 Götterpolemisches und Weisheitliches in Ps 135 Aus der Bezugnahme auf Ps 115 und Jer 10 lässt sich zur Verbindung von Götterpolemik und Weisheit in Ps 135 Folgendes feststellen: – Die Formulierung der götterpolemischen Aussagen geht größtenteils auf Ps 115 zurück. Dieser Psalm lässt sich nicht einem weisheitlichen Diskurs zuordnen. Ps 135 setzt damit eine nicht-weisheitlich geprägte Linie der Götterpolemik fort. – Ps 135 kennt und verwendet Jer 10, übernimmt aber nicht die dort bezeugte Verschränkung von Weisheit und Götterpolemik. Die Darstellung Jhwhs als des Schöpfers (im Sinne einer creatio continua) ist auch in Ps 135 wichtig, wird aber anders als in Jer 10 ohne weisheitliche Sprache und Konzepte formuliert. Wie schon bei der Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte von Jer 10 zeigt sich also, dass die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit nicht als lineare Entwicklung erklärt werden kann. Die Grundaussage der Götterpolemik in Ps 135 steht Jer 10 noch sehr nahe: Das menschengemachte Götterbild kann nicht lebendig und handlungsfähig sein.

 Mit Hossfeld/Zenger 2008: 669. Grundsätzlich wäre auch eine Abhängigkeit von Hab 2,19 (‫ ) ְוָכל־רוּ ַח ֵאין ְבִּק ְרבוֹ‬möglich, aber da schon V.7 auf Jer 10,13 verweist, scheint mir ein Anklang an Jer 10,14 wahrscheinlicher.  Dieser bedrohliche Unterton ist auch in Jer 10,14– 16 präsent. Dass die Verehrung von Götterbildern das Leben gefährdet, besagt auch Jes 44,20. Zenger 2001: 242 f (wie Hossfeld/Zenger 2008: 284 f) sieht die Götterbilder schon in Ps 115 als tot beschrieben und identifiziert die „Toten“ aus V.17 mit den Verehrern von Götterbildern (Zenger 2001: 233, ausführlicher in Hossfeld/ Zenger 2008: 278 f.287 f). Schon Lohfink 1987: 202 sieht in der Verwendung des Begriffs ‫ דּוָּמה‬in Ps 115,17 einen Rückverweis auf die in 115,5.7 erwähnte Unfähigkeit der Götter zu sprechen.

3.3 Psalm 135

145

Während Jer 10 für Hersteller und Bild ein böses Ende vorsieht, zielt Ps 135 in Aufnahme von Ps 115 primär auf die Hersteller und Verehrer, deren Schicksal durch ein Entsprechungsverhältnis mit dem der Bilder-Götter verknüpft wird. Wie schon die Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte von Jer 10 zeigen auch die in Ps 135 erkennbaren Rezeptionsprozesse, dass sich die Rolle der Völker in der Götterpolemik im Laufe der Zeit verändert. Ps 115 zeichnet Israel als das bedrohte Gottesvolk, das sich gegen den Spott der Völker zur Wehr setzen muss. Ps 135 setzt dagegen mit einem Vers aus Ps 113 ein und schließt so an das dortige Lob Jhwhs als des Gottes aller Welt an.⁵⁰⁰

3.3.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Ps 113 LXX und Ps 134 LXX Abschließend möchte ich einen kurzen Blick auf die Weiterentwicklung von Ps 115 und 135 in der LXX werfen. Nach Zenger finden sich in Ps 113 LXX mehrere Differenzen gegenüber dem MT, die in Bezug auf die Polemik gegen andere Götter relevant sind.⁵⁰¹ – Die LXX liest Ps 114 MT und Ps 115 MT als einen Psalm 113 LXX. Das in Ps 113,1– 8 LXX erinnerte Exodusgeschehen wird damit zum Bestandteil dieses Psalms. Der Geschichtsbezug wird dadurch verstärkt, dass die LXX in 113,11 (wie MT).17– 21(anders als MT) Vergangenheit liest. Die polemische Auseinandersetzung mit den Göttern der Völker kommt so in den Kontext der Exoduserinnerung zu stehen. Die Ohnmacht der Götterbilder wird darin aber präsentisch formuliert und gilt also nicht nur im Hinblick auf die Götter der

 ‫„( ָרם ַעל־ ָכּל־גּוֹים יהוה‬erhaben über alle Völker ist Jhwh“, Ps 113,4). Vgl. die kosmischen Dimensionen in Ps 113,5 f und Ps 135,6. Vgl. ähnlich zur theologischen Entwicklung Hartenstein 2013: 213 f.  Vgl. Zenger 2001: 250 – 253. Neben den im Folgenden genannten Unterschieden verweist Zenger 2001: 251 im Zusammenhang mit Götterpolemik noch auf die Umformulierung zu einem negativen Finalsatz μήποτε εἴπωσιν in 113,10 LXX (statt ‫ָל ָמּה י ֹאְמרוּ‬, 115,2 MT) und die Wiedergabe von ‫ יְִהיוּ‬in 113,16 LXX durch den Optativ γένοιντο. Beide Lesarten unterstreichen s. E. die „bedrängende Aktualität“ des Themas. Diese Deutung scheint mir nicht zwingend. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass 113,26 LXX gegenüber 115,18 MT zusätzlich οἱ ζῶντες bietet. Lohfink 1987: 201 sieht darin eine Verdeutlichung des in „Etagen“ unterteilten Weltbildes; nach Zenger 2001: 251 f verstärkt der Zusatz den Gegensatz zu den „Toten“ in 113,25 LXX und drückt damit aus, dass die „Verehrer des wahren Gottes“ sich „für das Leben entschieden“ haben. Allerdings ist zu beachten, dass in Hiskias Danklied in Jes 38,18 f ähnlich ein Gegensatz zwischen Toten (‫ ְשׁאוֹל‬//‫ָמ ֶות‬//‫יוֹ ְר ֵדי־בוֹר‬/ οἱ ἐν ᾅδου//οἱ ἀποθανόντες), die Jhwh nicht preisen, und Lebenden (‫ַחי‬/οἱ ζῶντες), die Jhwh preisen, formuliert wird, so dass ein Zusammenhang mit Götterpolemik nicht unbedingt angenommen werden muss.

146







3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Ägypter.Vielmehr wird das Exodusgeschehen zum Machterweis Jhwhs, durch den sich seine Überlegenheit über andere Götter erweist.⁵⁰² Auch die Verbformen in 113,17– 19 LXX, die im Unterschied zur masoretischen Vokalisierung Vergangenheitsformen sind, beziehen sich so auf die Heilsgeschichte Israels zurück. Dadurch wird ein mögliches Verständnis der Gottesfürchtigen (φοβουμένοι τὸν κύριον) als nicht-israelitische Jhwh-Anhänger ausgeschlossen.⁵⁰³ Die LXX wählt für ‫ בטח‬in 115,8 MT und 115,9 – 11 MT unterschiedliche Übersetzungen: Die Völker sind von ihren Göttern „überzeugt“ (πείθω), Israel aber „hoffte“ (ἐλπίζω) auf Jhwh.⁵⁰⁴ Offenbar widerstrebt es der LXX angesichts des (aus Verfasser-/Übersetzerperspektive) qualitativen Unterschieds zwischen Jhwh und den Göttern der Völker, eine gleichartige Beziehung der Verehrer zu diesen zu formulieren. In 113,11 LXX wird zum einen der Aufenthaltsort Gottes als im Himmel „oben“ (ἄνω) gegenüber 115,3 MT spezifiziert, und zum anderen zusätzlich der Wirkungsbereich Gottes mit ἐν τοῖς οὐρανοῖς καὶ ἐν τῇ γῇ angegeben. Der Himmel „oben“ entspricht dabei offenbar dem in 113,24 LXX genannten ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ (vgl. dagegen 115,16 MT: ‫)ַה ָשַּׁמיִם ָשַׁמיִם ַליהוה‬.⁵⁰⁵ Damit zeichnet Ps 113 LXX eine in verschiedene Bereiche unterteilte kosmische Geographie,⁵⁰⁶ in der sich Gott außerhalb seiner Schöpfung befindet. Die Zuordnung von Gott und Mensch auf unterschiedliche Bereiche, die sich bereits im MT findet, wird damit weiter zugespitzt und gleichzeitig Gottes Machtbereich um die Himmel als Ort seines Handelns erweitert. Im Hinblick auf die Polemik gegen die Bilder-Götter ergibt sich daraus eine Steigerung des Kontrasts zu den in der Welt gegenständlich anwesenden Göttern.

In Bezug auf die letztgenannten Änderungen ist zu beobachten, dass ἐν τοῖς οὐρανοῖς καὶ ἐν τῇ γῇ in Anlehnung an Ps 135,6 hier eingefügt worden sein dürfte. Auch die Bezeichnung der Götterbilder als τὰ εἴδωλα τῶν ἐθνῶν in Ps 113,12 LXX (statt ‫ )ֲעַצ ֵבּיֶהם‬erklärt sich aus Ps 135,15.⁵⁰⁷ Eine Angleichung von Ps 113 LXX an  Ähnlich Zenger 2001: 250.  Mit Zenger 2001: 250.  Darauf weist Zenger 2001: 251 hin.  Zu diesen Unterschieden zwischen MT und LXX und ihren Implikationen für das zugrunde liegende Weltbild vgl. Lohfink 1987: 201 f und darauf aufbauend Zenger 2001: 252 f.  Vgl. auch die Ersetzung von ‫( דּוָּמה‬115,17 MT) durch den topographischen Begriff ᾅδης (113,25 LXX) (wie in Ps 93,17 LXX, vgl. Zenger 2001: 252).  Beide Stellen benennt Lohfink 1987: 200 als „sekundäre Harmonisierung“ mit Ps 135 und weist weiter darauf hin, dass οἴκος in 113,17 LXX zwar eine Angleichung an 135,19 darstellt, sich aber auch aus der Angleichung an V.18 innerhalb von Ps 113 LXX erklären lässt.

3.4 Epistula Ieremiae

147

Ps 135 MT/134 LXX findet auch auf der inhaltlichen Ebene statt, indem das Exodusgeschehen nun zum Erweis von Jhwhs Macht und der Ohnmacht der Götter der Völker herangezogen wird. Umgekehrt füllen viele Handschriften die götterpolemischen Aussagen in Ps 134 LXX mit Elementen aus Ps 113,14 f LXX auf.⁵⁰⁸ Abgesehen davon finden sich in Ps 134 LXX keine Abweichungen von Ps 135 MT, die im Hinblick auf die Polemik gegen andere Götter relevant scheinen. Die Weiterentwicklung von Ps 115 und 135 in der LXX lässt also erkennen, dass zum einen in Ps 113 LXX Änderungen vorgenommen wurden, die sich auf die geschichtliche Verankerung der Polemik, die Abgrenzung von den Verehrern anderer Götter und die Erhöhung Jhwhs über den Kosmos auswirken. Zum anderen ist eine weitere Annäherung der beiden Psalmen aneinander festzustellen. Während die götterpolemischen Elemente der Psalmen also weiter in Bewegung waren und vertieft wurden, gibt auch der griechische Text keine Hinweise auf eine Verbindung zum weisheitlichen Diskurs.

3.4 Epistula Ieremiae 3.4.1 Einleitende Bemerkungen EpJer präsentiert sich als Brief des Propheten Jeremia, der an die vor der Deportation nach Babylon stehenden Judäer gerichtet ist und sie im Hinblick auf das bevorstehende Exil vor den babylonischen Götterbildern warnt. Polemik gegen Bilder-Götter findet sich in EpJer reichlich; eine genauere Untersuchung erfordert die Frage, ob und inwiefern in EpJer auch weisheitliche Elemente verwendet werden. Insbesondere wird zu untersuchen sein, ob EpJer eine Entwicklung der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit bezeugt, die auf der in Jer 10 beobachteten Verbindung aufbaut, da EpJer von diesem Text literarisch abhängig ist. Schon die Stilisierung als Brief ⁵⁰⁹ an die Exilierten knüpft an die jeremianische Tradition an. In Jer 29 schreibt Jeremia an die bereits im Exil befindlichen Judäer.  Laut Ra lesen der Codex Alexandrinus, die bohairische und die sahidische Übersetzung und der abendländische Text zwischen V.17a und V.17b im Anschluss an die Nennung von Mund, Augen und Ohren mit Ps 113,14b–15 LXX weiter: „eine Nase haben sie und werden nicht riechen, Hände haben sie und werden nicht betasten, Füße haben sie und werden nicht umhergehen, sie werden nicht tönen/sprechen mit ihrer Kehle“ (ῥῖνας ἔχουσιν καὶ οὐκ ὀσφρανθήσονται, χεῖρας ἔχουσιν καὶ οὐ ψηλαφήσουσιν, πόδας ἔχουσιν καὶ οὐ περιπατήσουσιν, οὐ φωνήσουσιν ἐν τῷ λάρυγγι αὐτῶν). Bei Augustin findet sich eine andere Reihenfolge (dazu Rahlfs 1979: 50).  Dass es sich um einen Brief handeln soll, wird nur aus der Überschrift und V.1– 6 klar, danach begegnet eine direkte Anrede der Adressaten nur noch in den Refrain-Versen (vgl. Moatti-Fine 2005: 294).

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

EpJer präsentiert sich also als zeitlich Jer 29 vorgeordneter Brief.⁵¹⁰ Wie Jer 29 gibt EpJer eine Anweisung für das Leben im Exil, wobei in EpJer an die Stelle der Warnung vor falschen Propheten die Warnung vor falschen Göttern tritt.⁵¹¹ Dazu wird nun Material aus Jer 10 benutzt,⁵¹² das zum Teil durch die Verwendung in Jer 51 bereits explizit auf Babylon bezogen wurde.⁵¹³ Die Kombination von Jer 10 mit Jer 29 übernimmt der Targum, der so den aramäischen Vers Jer 10,11 als Teil eines Briefes Jeremias an die Exilierten erklärt.⁵¹⁴ Heute herrscht ein weitgehender Konsens darüber, dass es sich bei EpJer um die griechische Übersetzung einer hebräischen oder aramäischen Vorlage handelt.⁵¹⁵ Dies zeigt sich an einigen schwer verständlichen Stellen (insbesondere

 Vgl. Kratz 1995: 20 f.  Mit Kratz 1998: 77 f.  Kratz 1995: 14 vertritt die These, dass EpJer insgesamt „eine Explikation und implizite Auslegung“ von Jer 10,1– 16 darstelle und dieser Text auch die Struktur von EpJer bestimmt habe. Dies macht er zum einen an der Formulierung der Refrain-Verse, zum anderen an der Abfolge der Aussagen fest.Wie ich im Folgenden erläutern werde, erklärt sich die Erkenntnis-Aufforderung der Refrain-Verse m. E. aus anderen Texten besser. Die von Kratz 1995: 9 – 15 (vgl. Kratz 1998: 77) vertretene an Jer 10 orientierte Anordnung der Themen basiert auf einem anderen Verständnis von Jer 10 (Jer 10,5bα.14aα als strukturbildende Einschnitte; Trennung von Wesen und Wirken der Götter). Eine Jer 10,6 – 10(.11.12 f.16) ähnliche kontrastierende Darstellung des Schöpfergottes findet sich m. E. in EpJer gar nicht (auch nicht in EpJer 59 – 62, s.u. 3.4.2.10); zur selektiven Benutzung von Jer 10 (wie auch anderer götterpolemischer Texte) s.u. 3.4.2.13; zur Kritik an Kratz’ These vgl. auch Thomas 2008: 549 Anm. 10, der annimmt, dass EpJer auf dem kürzeren hebräischen Text von Jer 10 (Vorlage der LXX) basiert (vgl. die Übersicht in Thomas 2008: 552– 554). Auch Ackroyd 1963: 385 f Anm. 3 beschreibt EpJer als ausführlichere Fassung des Materials aus Jer 10, weist aber darauf hin, dass V.3 f.6 – 10.16 nicht verwendet werden.  Vgl. Kratz 1998: 78.  Vgl. dazu Kratz 1995: 8 f. Auch 2 Makk 2,2 kennt eine Warnung Jeremias an diejenigen, die ins Exil ziehen: καὶ ὡς ἐνετείλατο τοῖς μεταγενομένοις ὁ προφήτης δοὺς αὐτοῖς τὸν νόμον, ἵνα μὴ ἐπιλάθωνται τῶν προσταγμάτων τοῦ κυρίου καὶ ἵνα μὴ ἀποπλανηθῶσι ταῖς διανοίαις βλέποντες ἀγάλματα χρυσᾶ καὶ ἀργυρᾶ καὶ τὸν περὶ αὐτὰ κόσμον. („[In den Schriften findet sich, …] und dass der Prophet [Jeremia] den Verbannten aufgetragen habe, nachdem er ihnen das Gesetz gegeben hatte, die Anordnungen des Herrn nicht zu vergessen und nicht abzuirren in Gedanken, wenn sie goldene und silberne Götterbilder sähen und den Schmuck, der um sie ist.“) Ich vermute, dass der Verfasser (unter anderem?) an EpJer denkt und die Hervorhebung der Gebote eine Neuakzentuierung darstellt. Eine Bezugnahme auf EpJer bezweifeln Naumann 1913: 52 f und Gunneweg 1980: 186. Die Inhaltsangabe in 2 Makk 2,4 (Jeremia als zweiter Mose mit Zelt und Bundeslade) passt ganz offensichtlich nicht auf EpJer; dies könnte sich aber auf eine andere Schrift als 2 Makk 2,2 beziehen (vgl. Moatti-Fine 2005: 297).  So seit Ball 1913 und (nuancierter) Naumann 1913. Diesen Konsens stellt in neuerer Zeit Wright 2010 in Frage, behandelt jedoch nicht alle relevanten Stellen (z. B. V.30). Die meisten Exegeten sprechen sich für eine hebräische Vorlage aus (vgl. Moore 1977: 326; Moatti-Fine 2005: 296); Torrey 1945: 66 plädiert für Aramäisch; unentschieden Kratz 1998: 74.

3.4 Epistula Ieremiae

149

V.30.71), die sich als Fehlübersetzungen semitischer Homonyme erklären lassen.⁵¹⁶ Im Einzelnen werde ich auf Indizien für eine semitische Vorlage in den Textanmerkungen zurückkommen. Abgesehen davon ist aber festzustellen, dass EpJer in gutem Griechisch gehalten ist, das weitgehend frei von Hebraismen ist.⁵¹⁷ Anders als andere griechische Übersetzungen der LXX vermeidet EpJer z. B. Parataxen und verwendet Begriffe und Konstruktionen, die keine hebräischen Äquivalente haben, aber bei griechischen Philosophen belegt sind.⁵¹⁸ So ist z. B. unklar, inwiefern die in EpJer häufig verwendeten Verbaladjektive auf -τεον (νομιστέον, V.39.44.56.63; κλητέον,V.39.44.63; γνωστέον,V.51; ἐκδεκτέον,V.56) eine hebräische Formulierung wiedergeben könnten.⁵¹⁹ Es dürfte sich daher bei EpJer (zumindest teilweise) um eine freiere Übersetzung oder Übertragung handeln. Daher werde ich keine literarkritische Untersuchung des Textes unternehmen. Zwischen semitischer Vorlage und griechischer Übersetzung muss unterschieden werden, wobei uns erstere nur indirekt an einigen Stellen aus Rückschlüssen zugänglich ist. So muss auch die Frage nach Datierung und Entstehungsort für Text und Übersetzung je einzeln geklärt werden. Der vermutete Entstehungsort der semitischen Vorlage hängt oft mit der Einschätzung zusammen, ob die Polemik sich auf babylonische Kulte bezieht, die der Verfasser aus eigener Anschauung kennt.⁵²⁰ Obwohl der Verfasser seine Vorstellungen über den babylonischen Kult nicht ausschließlich aus atl. Polemik bezieht, lässt sich, wie ich in der Analyse zeigen werde, eine genaue Kenntnis aus erster Hand nicht nachweisen. Durch die Bezeichnung als „Abschrift“ eines von Jeremia den nach Babylon Deportierten mitgegebenen Briefes stellt sich EpJer selbst als das in Palästina verbliebene Exemplar dar.⁵²¹ Da der Brief an die noch in Palästina befindlichen Judäer vor dem

 Mit Rost 1971: 54; Kratz 1998: 74. Ball 1913: 597; Moore 1977: 326 f führen darüber hinaus noch textkritische Varianten, Hebraismen und schlechten Stil als Argumente für ein semitisches Original an, vgl. gegen eine solche Begründung aber Kratz 1998: 74; Wright 2010: 133 – 137.  Als Beispiele für Hebraismen nennt Moatti-Fine 2005: 296 f die etymologischen Figuren in V.1.4 sowie ἄνθρωπος κριτής in V.13, das ein ‫שֵׁפט‬ ֹ ‫ ִאישׁ‬wiedergeben könnte. Letzteres lässt sich allerdings syntaktisch auch anders deuten, vgl. Kratz 1998: 91 mit Anm. 56 und meine Übersetzung.  Vgl. Wright 2010: 130 – 133 (der Griechisch als Originalsprache für möglich hält); MoattiFine 2005: 306 f und Naumann 1913: 31– 44.  Vgl. dazu Wright 2010: 131 f, der darauf aufmerksam macht, dass solche Verbaladjektive nie in der LXX in Übersetzungen aus dem Hebräischen belegt sind (nur im griechisch verfassten 2 Makk sowie ἡγητέον in Prov 26,23 LXX, das keine hebräische Entsprechung hat).  Vgl. die Argumentation bei Preuss 1971: 263 (genaue Kenntnis, daher Entstehung in Babylonien; in Anlehnung an Naumann 1913: 31.59) und bei Moore 1977: 329 (vage Kenntnis, daher Entstehung in Palästina).  Vgl. Kratz 1995: 18 f.

150

3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Wegzug nach Babylon gerichtet ist, können sich palästinische Leser unmittelbar mitangesprochen fühlen.⁵²² Dass der Brief tatsächlich in Palästina entstanden ist, halte ich für durchaus wahrscheinlich.⁵²³ In Bezug auf die Datierung ergibt sich aus V.2 nur, dass die 70 Jahre aus Jer 29 offenbar bereits vergangen sind und daher ausgedehnt werden müssen.⁵²⁴ Eine Datierung in spätere Zeit ergibt sich aber schon aus den Schriftbezügen, da aus Jer 10 mindestens die V.2– 5.14 vorausgesetzt sind. Denkbar wäre eine Entstehung im 3. oder frühen 2. Jh. v.⁵²⁵ Die meisten Exegeten unterteilen den Hauptteil von EpJer anhand der refrainartigen Verse V.14.22.28.39.44.49.51.56.63 f.68.71 in zehn Strophen, die allerdings von ganz unterschiedlicher Länge sind.⁵²⁶ Wie die Textanalyse zeigen wird, lassen sich die Abschnitte auch nicht durchgängig als thematische Strophen abgrenzen. Manche Themen setzen sich über einen Refrain-Vers hinaus fort, während an anderen Stellen ein abrupter Wechsel innerhalb eines durch RefrainVerse begrenzten Abschnitts erfolgt.⁵²⁷ Die Beobachtung einer thematischen Verbindung zwischen den Abschnitten führte verschiedentlich zur These, die Abfolge der „Strophen“ sei durch Stichwortverbindungen und Assoziationen bestimmt.⁵²⁸ Doch weder sind alle Abschnitte über Stichworte verbunden, noch folgt die Anordnung der sich wiederholenden Motive einem regelmäßigen Muster.⁵²⁹  Vgl. dazu Doering 2012: 157.  Mit Kratz 1998: 84.  Mit Kratz 1998: 82. Einen genaueren Hinweis auf die Zeit des Verfassers (wie dies etwa Ball 1913: 596 vorschlägt), ergibt sich daraus nicht (mit Naumann 1913: 53); auch ist die Dauer einer „Generation“ keineswegs eindeutig (vgl. Ewald 1868: 285).  Ähnlich Torrey 1945: 66 (Anfang 2. Jh. v.) und (mit Betrachtung der zeitgeschichtlichen Umstände) Kratz 1998: 81– 84 (um 200 v.). Zur möglichen Rezeption in 2 Makk s.o. Anm. 514; die von Berger 1981: 388 Anm. 11e erwogene Abhängigkeit von Jub 11 von EpJer 54 ist zweifelhaft (vgl. Teeter 2013) und kann nicht zur Datierung von EpJer dienen.Wenn das Fragment 7Q2 einer EpJerHandschrift entstammt und um 100 v. zu datieren ist (vgl. Baillet 1962:142 f; sowohl die Datierung als auch die spezifische Zuordnung des kleinen Fragments zu EpJer erscheinen unsicher), ergäbe sich daraus ein terminus ad quem für die Übersetzung (so Kratz 1998: 82; Moatti-Fine 2005: 297).  So z. B. Naumann 1913: 48 f; Roth 1975: 41 (ohne Angabe der Verszahlen); geläufig ist die Gliederung V.7– 14.15 – 22.23 – 28.29 – 39.40 – 44.45 – 51.51– 56a.56b–64.65 – 68.69 – 72; vgl. MoattiFine 2005: 302; Brooke 2007: 113; ähnlich Moore 1977: 317 f.  Z. B. setzt V.56b.57 das Thema der Götter, die sich selbst nicht retten können, aus V.54 f fort; in V.58 beginnt formal und inhaltlich etwas Neues.  Vgl. Roth 1975: 40 und daran anknüpfend Brooke 2007: 116 – 121.  Zwar begegnen einige Begriffe und Motive in der Tat nur in zwei bis drei aufeinanderfolgenden Abschnitten; so z. B. κονιορτός in V.12.16; die Rechtsprechung (κρίσιν διακρίνωσιν/κρίσιν κρῖναι) in V.53.63; ἤλιος und σελήνη in V.59.66 oder die Frauen (γυναῖκες) in V.27.29.32.42 (Brooke 2007: 120 f; Letzteres schon Roth 1975: 40 Anm. 54). Andererseits enthält EpJer viele Wiederholungen von Begriffen und Motiven, die sich über nicht unmittelbar aufeinanderfolgende Abschnitte verteilen. So wird z. B. den Göttern in V.33.52 vorgeworfen, dass sie den König nicht

3.4 Epistula Ieremiae

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Ich werde in der folgenden Analyse den Text entsprechend der Unterteilungen durch die Refrain-Verse präsentieren (Ausnahme: V.50 f werden zusammen mit V.45 – 49 behandelt) und auf Bezüge innerhalb von EpJer eingehen. Da der argumentative Aufbau von EpJer aber m. E. deutlicher im tragenden Gerüst der RefrainVerse als in der Abgrenzung und Abfolge der dazwischenliegenden Abschnitte zu erkennen ist, werde ich zunächst die Refrain-Verse gesondert betrachten.

3.4.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 3.4.2.1 Götterpolemisches und Weisheitliches in den Refrain-Versen Die polemische Beschreibung der babylonischen Bilder-Götter und ihrer Kulte in EpJer 7– 71 ist gegliedert durch refrainartige Verse, die zwar nicht identisch formuliert sind, aber aus sich wiederholenden Elementen bestehen. Zwei Grundmuster lassen sich unterscheiden: Zum einen die schlussfolgernde Feststellung, dass die Bilder keine Götter sein können, verbunden mit der Aufforderung, sie nicht zu fürchten; zum anderen die Frage, wie man die Bilder überhaupt für Götter halten könne. Das feststellende Muster mit der Aufforderung, nicht zu fürchten, begegnet am Anfang und am Ende von EpJer, während der mittlere Teil durch die Fragen strukturiert wird: A) Feststellende Schlussfolgerungen V.14: (ὅθεν) erkennen, dass sie keine Götter sind/sie nicht fürchten V.22: (ὅθεν) erkennen, dass sie keine Götter sind/sie nicht fürchten V.28: (γνόντες οὖν) erkennen, dass sie keine Götter sind/sie nicht fürchten B) Fragen⁵³⁰ V.39: (πῶς) wie annehmen, sie seien Götter?

einsetzen können (Roth 1975: 40 Anm. 54 nennt hingegen βασιλεύς als „catchword“ in V.50.52, vgl. aber noch V.17.33.58.65); Räuber (λῃστής) begegnen in V.14.17.56; und vom Abwischen (ἐκμάσσω) der Statuen ist in V.12.23 die Rede (die Bestimmung von μεμελανωμένοι/ἐκμάξῃ als „catchthought“ für V.20.23 durch Roth 1975: 40 Anm. 54 erscheint daher eher willkürlich). Auch die These einer chiastischen Anordnung (Brooke 2007: 112– 116) vermag z. B. angesichts der Bezüge von V.23 – 25 auf V.3 – 5.7 f.11 f nicht zu überzeugen.  Den hier nicht aufgeführten V.29.47 fehlt gegenüber den anderen Fragen das rückblickende οὖν und sie zielen nicht auf die Meinung der Menschen über die Bilder-Götter. V.29 eröffnet (γάρ) den durch Fragen strukturierten Teil B, im Unterschied zu den folgenden Fragen, die jeweils einen Abschnitt beschließen. Für V.47 vermute ich hingegen, dass dieser Vers keine strukturierende Funktion für den Gesamttext hat. Vielmehr wird hier das in V.46 begonnene Argument in Frageform fortgeführt.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

V.44: (πῶς) wie annehmen, sie seien Götter? V.49: (πῶς) wie nicht merken, dass sie keine Götter sind? Begründung im Relativsatz (zwischen V.49 und V.51 folgen keine weiteren Argumente, sondern eine Art Zwischenfazit) V.51: (τίνι) wie nicht merken, dass sie keine Götter sind? V.56: (πῶς) wie annehmen, sie seien Götter? C) Feststellende Schlussfolgerungen V.63: Kombination: ὅθεν (wie V.14.22) + νομιστέον/κλητέον/ὑπάρχω (wie 39.44) V.64: (γνόντες οὖν) erkennen, dass sie keine Götter sind/sie nicht fürchten V.68: wir (1. Pl.!) erkennen nicht, dass sie Götter sind/sie nicht fürchten V.71: erkennen, dass sie keine Götter sind Die Elemente der Refrain-Verse lassen sich teilweise auf ältere atl. Götterpolemik zurückführen. Die Aufforderung, sich nicht vor den Bilder-Göttern zu fürchten, findet sich auch in Jer 10,5b.⁵³¹ Wie die Refrain-Verse in EpJer folgt auch Jer 10,5b auf eine polemische Beschreibung der Götter und ihrer Handlungsunfähigkeit. Da EpJer zudem auch an anderen Stellen auf Jer 10 zurückgreift, ist eine direkte literarische Abhängigkeit wahrscheinlich. Auch die Fragen, die im mittleren Teil begegnen, haben Vorläufer in atl. götterpolemischen Texten. So wird in Jer 16,20 rhetorisch gefragt: ‫„( ֲה ַיֲע ֶשׂה־לּוֹ ָא ָדם ֱאל ִֹהים ְוֵה ָמּה ל ֹא ֱאל ִֹהים‬Kann etwa ein Mensch sich Götter machen? Das sind doch keine Götter!“). Die Erkenntnisaufforderung in Form einer Frage findet sich auch in Jes 40, wo im Endtext auf die Beschreibung der Götterbilder-Herstellung die Frage „Erkennt ihr nicht?“ (Jes 40,21) folgt. Obwohl das Thema der Erkenntnis auch in weiteren götterpolemischen Texten belegt ist, stehen diese EpJer eher ferner. Denn meist sprechen sie von der Erkenntnis Gottes (s.o. 3.2.3.1.1 zu Jer 10,14) oder richten den Vorwurf an die Götterhersteller, die Unfähigkeit ihrer Bilder-Götter nicht zu erkennen (Jes 44,9.18 f; vgl. EpJer 41). Die Refrain-Verse begegnen erst ab V.14 und sind stets – als einziges allen Refrain-Versen gemeinsames Element – mit οὖν formuliert. Beides weist darauf hin, dass die Refrain-Verse auf den jeweils vorangehenden Text zurückblicken und eine Schlussfolgerung daraus formulieren.⁵³² Die argumentative Struktur von EpJer lässt sich also beschreiben als eine Aufzählung von Beobachtungen und Feststellungen über die Götter, aus denen jeweils eine Schlussfolgerung gezogen wird. Ein solches Vorgehen, insbesondere auch mit einer Erkenntnis als

 Mit Kratz 1995: 9.  Dies bestätigen weitere Formulierungen wie ὅθεν (V.14.22.63); μετὰ ταῦτα (V.50); ἀπό (V.71).

3.4 Epistula Ieremiae

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Schlussfolgerung, begegnet auch in weisheitlichen Texten.⁵³³ Die Variationen der Refrain-Verse in Teil C machen deutlich, dass EpJer insgesamt auf diese deduktive Erkenntnis zuläuft. V.63.64 nehmen Elemente aus den vorangehenden RefrainVersen V.14.22.28.39.44 auf.V.68 bestätigt mit der neuen Formulierung κατ’ οὐδένα οὖν τρόπον („in keiner Weise also“), dass nun die Gesamtschlussfolgerung gezogen wird. Nur hier in EpJer begegnet eine 1. Pl.: Adressaten und Verfasser teilen nun einen gemeinsamen Standpunkt, von dem aus Erkenntnis möglich ist. Der Schlusssatz V.71 f gleicht den feststellenden Schlussfolgerungen in V.14.22.28.64, anstelle der Aufforderung, die Bilder-Götter nicht zu fürchten, folgen nun aber das Zuschandenwerden der Götterbilder und eine weisheitliche Sentenz, wie sie öfter weisheitliche Lehrreden beschließt.⁵³⁴ EpJer präsentiert sich dadurch als ein didaktischer Text. Die Schlussfolgerung kann von den Lesern selbst gezogen bzw. nachvollzogen werden, wie die rhetorischen Fragen und die Formulierung in der 2. Pl. in V.22.28.64.71 zeigen. Aber nicht nur von diesen: Die unpersönlichen Formulierungen mit Verbaladjektiven zielen auf universale Gültigkeit, wie sie in V.50 explizit ausformuliert wird. Das Subjekt der Erkenntnis spielt keine Rolle, da die Schlussfolgerung durch die unpersönliche Formulierung für jedes Subjekt als zwingend dargestellt wird. Prominentester Inhalt der Schlussfolgerung ist die Erkenntnis, „dass sie [die Bilder-Götter] keine Götter sind“. Dieses ὅτι οὔκ εἰσι θεοί wird in EpJer siebenmal wiederholt (V.22.28.49.50.51.64.71). Rechnet man noch leichte Abwandlungen (V.14.56.68) sowie die entsprechende Formulierung mit ὑπάρχειν θεούς (V.39.44.63) dazu, so begegnet diese Aussage in jeder durch οὖν gekennzeichneten Schlussfolgerung. Nur in V.50 findet sich eine positiv formulierte Schlussfolgerung: Über die Bilder-Götter wird erkannt, „dass sie trügerisch sind“ (ὅτι ἐστὶ ψευδῆ) bzw. dass sie keine Götter sind, „sondern Werke von Menschenhänden“ (ἀλλὰ ἔργα χειρῶν ἀνθρώπων). Die Schlussfolgerung enthält keine unmittelbare Handlungsanweisung; vielmehr betrifft sie in erster Linie den innerlichen Vorgang der Kategorisierung der Bilder-Götter. Die Angesprochenen sollen vor allem „erkennen“ (γινώσκω, V.22.28.50.64.71; γνώριμοι, V.14; γνωστέον, V.51), dass die Bilder-Götter nicht in eine Kategorie „Götter“ eingeordnet werden sollen. In die gleiche Richtung weisen die in den weiteren Refrain-Versen verwendeten Termini νομιστέον (V.39.44.56.63), φανερός (V.50.68), αἰσθάνομαι (V.49) und ἐκδεκτέον (V.56). Das

 Vgl. explizit mit Hinweis auf die daraus zu ziehende Erkenntnis Prov 6,6 – 11; 7,6 – 27; 24,30 – 34; Hi 12,6 – 9; Qoh 9,13 – 16 sowie das Zustandekommen von Einsichten aus Beobachtung bei Qohelet (‫ ָרִאיִתי ]…[ ַתַּחת ַה ֶשֶּׁמשׁ‬, Qoh 1,14; 3,16; 4,1 u. ö.; vgl. auch Qoh 3,10.14: […] ‫)ׇרִאיִתי ֶאת ]…[ ָי ַדְע ִתּי ִכּי‬. Dieselbe argumentative Struktur findet sich in Jes 44,12– 20 LXX.  Vgl. zum Aufbau weisheitlicher Lehrreden Lang 1972: 31– 34; für ähnliche Sentenzen vgl. z. B. Prov 1,19; 4,19 f u.ö.

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zusammen mit νομιστέον verwendete κλητέον (V.39.44.63) könnte allenfalls als Handlungsanweisung verstanden werden; wahrscheinlicher scheint mir aber, dass καλέω wie das Bekenntnis in V.5 als Denken gemeint ist und „Götter nennen“ sich wiederum auf die gedankliche Einordnung in die entsprechende Kategorie bezieht. Die Formulierungen „etwas für Götter halten“ bzw. „Götter nennen“ haben keine Entsprechungen im hebräischen AT und begegnen erst wieder in Sap.⁵³⁵ Die Aussage und ihre Formulierung mit νομίζω erklärt sich aus dem klassischen griechischen Gebrauch von θεοὺς νομίζω (vgl. insbesondere Plat. symp. 202d, wo sich die Wendung ebenfalls in einer argumentativen Auseinandersetzung findet).⁵³⁶ Aus der Kategorisierung der Bilder-Götter als Nicht-Götter bzw. ψευδῆ, die aus der jeweils vorangehenden Beschreibung hervorgeht, wird eine weitere Schlussfolgerung gezogen: Sind sie keine Götter, so soll man sie nicht fürchten.⁵³⁷ Inwiefern sich dieses „nicht fürchten“ in äußerlichen Handlungen niederschlägt, wird nicht ausgeführt. Hinweise für richtiges Verhalten lassen sich allenfalls aus V.5.72 erschließen (dazu s.u. z.St.). Ziel des Briefes scheint eine Belehrung weniger im Hinblick auf richtiges Handeln als vielmehr auf richtiges Denken zu sein. Die fehlende Handlungsorientierung unterscheidet EpJer von weisheitlichen Lehrreden.⁵³⁸ Die Behandlung der Götterverehrung als ein kognitives Problem wird hingegen in weisheitlich-götterpolemischen Texten wie Sap 13,1– 9 weitergeführt.

3.4.2.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Überschrift und EpJer 1 – 6 (Überschrift) Αντίγραφον ἐπιστολῆς, ἧς ἀπέστειλεν Ιερεμίας πρὸς τοὺς ἀχθησομένους αἰχμαλώτους εἰς Βαβυλῶνα ὑπὸ τοῦ βασιλέως τῶν Βαβυλωνίων ἀναγγεὶλαι αὐτοῖς καθότι ἐπετάγη αὐτῷ ὑπὸ τοῦ θεοῦ. () διὰ τὰς ἁμαρτίας, ἃς ἡμαρτήκατε ἐναντίον τοῦ θεοῦ, ἀχθήσεσθε εἰς Βαβυλῶνα αἰχμάλωτοι ὑπὸ Ναβουχοδονοσορ βασιλέως τῶν Βαβυλωνίων.

(Überschrift) Abschrift des Briefes, den Jeremia gesandt hat an diejenigen, die gefangen nach Babylon geführt werden sollten vom König der Babylonier, um ihnen zu verkünden, wie ihm von Gott aufgetragen war. () Wegen der Sünden, die ihr begangen habt gegenüber Gott, werdet ihr gefangen nach Babylon geführt werden, von Nebukadnezzar, dem König der Babylonier.

 Vgl. Sap 13,2 (θεοὺς νομίζω); 13,10 (καλέω θεούς).  Darauf weist schon Ball 1913: 605 hin. Für weitere Belege vgl. LSJ s.v. νομίζω II.  Dass es sich hierbei um eine Schlussfolgerung zweiten Grades handelt, die aus der Kategorisierung der Bilder-Götter folgt, zeigt sich an den Formulierungen der Refrain-Verse mit ὅθεν – οὖν (V.14.22), Ptz. Aor. – Imp. (V.28.64) und besonders explizit in V.68 (διό).  Vgl. zu EpJer als weisheitlicher Lehrrede auch Brooke 2007: 124 f, der dies aber vor allem an einer Einteilung in zehn Strophen festmacht. Ich halte diese Deutung des Aufbaus von EpJer für problematisch, s. o. 3.4.1.

3.4 Epistula Ieremiae

() εἰσελθόντες οὖν εἰς Βαβυλῶνα ἔσεσθε ἐκεῖ ἔτη πλείονα καὶ χρόνον μακρὸν ἕως γενεῶν ἑπτά, μετὰ τοῦτο δὲ ἐξάξω ὑμᾶς ἐκεῖθεν μετ᾽εἰρήνης. () νυνὶ δὲ ὄψεσθε ἐν Βαβυλῶνι θεοὺς ἀργυροῦς καὶ χρυσοῦς καὶ ξυλίνους ἐπ᾽ὤμοις αἰρομένους δεικνύντας φόβον τοῖς ἔθνεσιν. () εὐλαβήθητε οὖν μὴ καὶ ὑμεῖς ἀφομοιωθέντες τοῖς ἀλλοφύλοις ἀφομοιωθῆτε καὶ φόβος ὑμᾶς λάβῃ ἐπ᾽αὐτοῖς () ἰδόντας ὄχλον ἔμπροσθεν καὶ ὄπισθεν αὐτῶν προσκυνοῦντας αὐτά, εἴπατε δὲ τῇ διανοίᾳ Σοὶ δεῖ προσκυνεῖν, δέσποτα. () ὁ γὰρ ἄγγελός μου μεθ᾽ὑμῶν ἐστιν, αὐτός τε ἐκζητῶν τὰς ψυχὰς ὑμῶν.

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() Wenn ihr nun nach Babylon hineingekommen seid, werdet ihr dort sein viele Jahre und eine lange Zeit, bis zu sieben Generationen; danach aber werde ich euch herausführen von dort in Frieden. () Nun aber werdet ihr sehen in Babylon Götter aus Silber und aus Gold und aus Holz, die auf Schultern getragen werden (und) die Völker Furcht lehren. () Hütet euch also, damit nicht auch ihr den Fremden a völlig gleich werdet b und euch Furcht ergreift ihretwegen, () wenn ihr die Menge seht vor und hinter ihnen sie anbeten, dann sagt in Gedanken: „Dich soll man anbeten, Herr c.“ () Denn mein Engel ist mit euch und er kümmert sich um eure Leben. d

a

A ᾿ λλόφυλοι bezeichnet in der LXX (mit wenigen Ausnahmen: Ex ,; Jdt ,) die Philister; von diesem Sprachgebrauch weichen nur die Makkabäerbücher ab, die den Begriff für die Hellenen verwenden. Vgl. dazu Moatti-Fine : , die darin einen möglichen Hinweis auf die Datierung der Übersetzung vermutet. b Vermutlich handelt es sich um die Wiedergabe einer hebräischen figura etymologica, vgl. Kratz : . c Von  Belegen für δεσπότης in der LXX entfällt die Hälfte auf griechische Bücher ohne hebräische Vorlage; an den übrigen Stellen wird der Begriff nur in Prov ,; Sir ,; ,; Jer ,; Dan ,; ,. –  allein (also außerhalb einer Verbindung wie ὦ δέσποτα κύριε) als Gottesbezeichnung verwendet. Auch dies lässt EpJer als jungen Text erscheinen. Auffällig bleibt, dass die übliche Gottesbezeichnung κύριος in EpJer nicht verwendet wird (dazu auch Moatti-Fine : ). d Die Wendung ἐκζητέω τὴν ψυχήν (+ Gen.) ist auch in Gen ,; Ps , LXX; Prov , belegt. Diese Belege legen nahe, das „Kümmern“ als „Rechenschaft fordern für“ zu verstehen (ähnlich wie ἐκζητέω τὸ αἷμα, vgl. Gen ,;  Sam , u. ö.; anders die häufigere Formulierung ζητέω τὴν ψυχήν „jmd. nach dem Leben trachten“, Ex , u. ö.). Dass dies in einem positiven Sinne erhofft werden kann, zeigen Ps , LXX und Prov , (und vgl. mit τὸ αἷμα und Gott als Subjekt in Ps ,). Vgl. Moatti-Fine : , die darin eine Drohung sieht.

Dieser einleitende Abschnitt unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht vom Rest des Briefes. Zum einen formal durch die durchgehend direkte Ansprache, die danach nur noch in den Refrain-Versen begegnet, und durch die Gottesrede in der 1. Sg. (V.2.6). Nur hier präsentiert sich also EpJer tatsächlich als ein Brief, der eine durch den Propheten empfangene Gottesrede übermittelt.⁵³⁹ Aber auch im Hinblick auf die Rede von den Göttern unterscheidet sich diese Passage vom Rest des  Darauf weist auch Moatti-Fine 2005: 294 hin.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Textes: Nur in diesem Teil von EpJer finden sich Elemente des dtn-dtr Fremdgötterdiskurses. Die Begründung der Deportation mit „Sünden […] gegenüber Gott“ in V.1 formuliert eine zentrale Aussage dtr Geschichtstheologie. Entsprechend zu dem in Jer oft wiederholten Vorwurf der Untreue gegenüber Jhwh und wie in der Begründung des angekündigten Unheils in Jer 16,10 – 12 dürften diese „Sünden“ besonders die Verehrung anderer Götter meinen.⁵⁴⁰ Während Texte wie Dtn 4,28 und Jer 16,13 davon ausgehen, dass die Israeliten im Exil anderen Göttern dienen werden, wird hier die Anweisung ausgegeben, dass die Exilierten sich davor hüten sollen. Die Situation einer Ermahnung im Hinblick auf das zukünftige Leben in einem Land, in dem andere Götter verehrt werden, denen die Angesprochenen aber nicht dienen sollen, spiegelt Moses Mahnreden an die Israeliten vor dem Einzug ins verheißene Land.⁵⁴¹ Die Aufforderung „Hüte dich!“ (‫ )ִה ָשֶּׁמר ְלָך‬begegnet in diesen Reden häufig und bezieht sich in Dtn 12,30 ähnlich wie in V.4 auf die kultische Angleichung an die Völker des Landes.⁵⁴² Der Engel, der mit den Exilierten sein wird (V.6), erinnert an den Engel in Ex 23,20 – 23,⁵⁴³ der die Israeliten ins verheißene Land begleitet und dem sie gehorchen sollen, da er Übertretungen bestrafen wird. In Ex 23,24 folgt als erstes das Gebot, die Götter der Völker des Landes nicht anzubeten. Die Rolle des Engels, der die Israeliten im fremden Land gegebenenfalls mit Gewalt beschützt, aber auch ihre Treue zu Jhwh überwacht, könnte auch auf den Engel in V.6 zutreffen. Die Beschreibung dessen, was die Judäer in Babylon erwartet, entspricht atl. Götterpolemik. Silber und Gold sowie Holz sind als Materialien für Götterbilder häufiger belegt; ein hölzernes, mit Edelmetallen überzogenes Kultbild findet sich in Jer 10,3 f.⁵⁴⁴ Das Tragen der Götter auf Schultern (V.3) wird auch in Jes 46,7 angesprochen (‫יִ ָשֻּׂאהוּ ַעל־ ָכֵּתף‬/αἴρουσιν αὐτὸ ἐπὶ τῶν ὤμων). Als Situation, in der die Exilierten der Bestärkung in ihrem hergebrachten Glauben bedürfen, wird

 Auf Jer 16,10(ff) verweisen auch Ball 1913: 599; Moore 1977: 334; Kratz 1995: 21 mit Anm. 35 u. a. Dort wird die Frage nach der gemeinten Sünde (‫ֶמה ַחָּטאֵתנוּ ֲא ֶשׁר ָחָטאנוּ ַליהוה ֱאל ֵֹהינוּ‬, man beachte die Ähnlichkeit der Formulierung in EpJer 1) mit der Verehrung anderer Götter, aber auch mit dem Ungehorsam gegenüber Jhwh und seinem Gesetz beantwortet, wie dies in dtr Theologie üblich ist (vgl. auch Dtn 8,11– 20; Jer 7,1– 15 u. ö.).  Auch in Ex 23,24; 34,12– 17; Dtn 7,4.16; 12,2 f.30 f wird davor gewarnt, die kultische Praxis der Bewohner des Landes zu übernehmen und ihren Göttern zu dienen. Anders als dort wird in EpJer allerdings nicht zu aktivem Widerstand aufgerufen.  Auf Dtn 12,30 verweist auch Moore 1977: 336.  Auf diese Stelle weisen auch Kratz 1998: 90; Thomas 2008: 560 f und Moatti-Fine 2005: 313 hin, letztere sieht darin ebenfalls eine implizite Drohung für den Fall, dass das Volk der Idolatrie verfällt.  Als Komponenten ein und desselben Bildes nur in Jer 10,3 f; nach Moatti-Fine 2005: 311 f bezieht sich ἀργυροῦς καὶ χρυσοῦς καὶ ξυλίνους aber auf je unterschiedliche Bilder.

3.4 Epistula Ieremiae

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offenbar eine öffentliche Prozession vorgestellt, wie sie für babylonische Feste gut belegt ist.⁵⁴⁵ Jes 46,6 erwähnt in diesem Zusammenhang wie V.5 das Verneigen (προσκυνέω) vor den Göttern. Die Problematik, ob man sich mit der Masse vor den Bilder-Göttern oder aber nur vor Jhwh verneigen (προσκυνέω/‫ )סגד‬soll, begegnet auch in Dan 3 und BelDr 4 f.⁵⁴⁶ Dass die Völker ihre Götter fürchten, die Israeliten diese aber nicht fürchten sollen, erinnert an Jer 10,2, wo Ähnliches über die „Zeichen des Himmels“ ausgesagt wird und der in EpJer als Refrain-Vers aufgegriffene Imperativ „Fürchtet euch nicht vor ihnen!“ in Bezug auf die Bilder-Götter in Jer 10,5 folgt. Trotz der möglichen Bezüge auf atl. götterpolemische Texte fällt auf, dass V.1– 6 nicht in der für diese Texte typischen Weise argumentieren. Die Nichtigkeit und Ohnmacht der Bilder-Götter spielt (noch) keine Rolle. Stattdessen wird die Trennung zwischen Israel und den Völkern stark gemacht und die Exilierten werden ermahnt, ihren Gott und nicht die Götter der Babylonier zu verehren. Dabei wird (in V.3) unbefangen von θεοί gesprochen; die üblichen Begriffe für Bilder werden auch im Folgenden nicht benutzt. Nur die Verwendung von αὐτά (n. Pl., V.5) zeigt an, dass die Götter (θεοί, m. Pl.) als Gegenstände gedacht werden. Die Beschreibung der Situation in Babylon gleicht Dan und DtJes; die Formulierung der Ermahnung scheint dtr geprägt und die Aufforderung, nicht zu fürchten, was die Völker fürchten, dürfte aus Jer 10,2 übernommen sein. Damit verbindet dieser einleitende Abschnitt verschiedene Stränge der Polemik gegen babylonische Kulte mit der dtr Warnung vor dem Kult der Völker des Landes. Anders als in dtr Texten und in der Daniel-Tradition wird aber nicht zum aktiven Widerstand aufgerufen. Die grundsätzlich positive Einstellung zum Leben im fremden Land, die EpJer durch Jer 29 vorgegeben ist,⁵⁴⁷ wird durch die Warnung vor den Bilder-Göttern nicht in Frage gestellt. Spezifisch weisheitliche Elemente lassen sich in V.1– 6 nicht erkennen.

 Vgl. dazu Naumann 1913: 14; Kratz 1998: 89 f. Auch in Jer 10,5; Jes 45,20 wird auf Prozessionen angespielt, mit Moatti-Fine 2005: 312 und Kratz 1998: 90, der die Beschreibung in V.3 aber in erster Linie auf Jer 10 zurückführt.  Nach BelDr 4 verneigte (προσκυνέω) sich der babylonische König jeden Tag vor Bel, „Daniel aber verneigte (Th: προσεκύνει; LXX: προσηύχετο) sich vor seinem Gott (so Th; LXX: dem Herrn). Und der König sagte zu Daniel: ‚Warum verneigst (προσκυνεῖς) du dich nicht vor Bel?‘“ Es scheint mir möglich, dass EpJer die semitische Vorlage von BelDr kannte, s.u. 5.1.3 zu BelDr.  Vgl. dazu Kratz 1995: 24 f.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

3.4.2.3 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 7 – 14 (7) γλῶσσα γὰρ αὐτῶν ἐστιν κατεξυσμένη ὑπὸ τέκτονος, αὐτά τε περίχρυσα καὶ περιάργυρα, ψευδῆ δ᾽ἐστὶν καὶ οὐ δύνανται λαλεῖν. () καὶ ὥσπερ παρθένῳ φιλοκόσμῳ λαμβάνοντες χρυσίον () κατασκευάζουσι στεφάνους ἐπὶ τὰς κεφαλὰς τῶν θεῶν αὐτῶν· ἔστι δὲ καὶ ὅτε ὑφαιρούμενοι οἱ ἱερεῖς ἀπὸ τῶν θεῶν αὐτῶν χρυσίον καὶ ἀργύριον εἰς ἑαυτοὺς καταναλώσουσι, () δώσουσι δὲ ἀπ᾽αὐτῶν καὶ ταῖς ἐπὶ τοῦ τέγους πόρναις. κοσμοῦσί τε αὐτοὺς ὡς ἀνθρώπους τοῖς ἐνδύμασι, θεοὺς ἀργυροῦς καὶ χρυσοῦς καὶ ξυλίνους· () οὗτοι δὲ οὐ διασῴζονται ἀπὸ ἰοῦ καὶ βρωμάτων. περιβεβλημένων αὐτῶν ἱματισμὸν πορφυροῦν () ἐκμάσσονται τὸ πρόσωπον αὐτῶν διὰ τὸν ἐκ τῆς οἰκίας κονιορτόν, ὅς ἐστιν πλείων ἐπ᾽αὐτοῖς. () καὶ σκῆπτρον ἔχει ὡς ἄνθρωπος κριτὴς χώρας, ὃς τὸν εἰς αὐτὸν ἁμαρτάνοντα οὐκ ἀνελεῖ. () ἔχει δὲ ἐγχειρίδιον ἐν δεξιᾷ καὶ πέλεκυν, ἑαυτὸν δὲ ἐκ πολέμου καὶ λῃστῶν οὐκ ἐξελεῖται. ὅθεν γνώριμοί εἰσιν οὐκ ὄντες θεοί· μὴ οὖν φοβηθῆτε αὐτούς.

a

() Ja a, ihre Zunge ist geglättet worden durch einen Handwerker und sie sind mit Gold und Silber überzogen, aber sie sind trügerisch und sie können nicht reden. () Und wie für eine schmuckliebende junge Frau nehmen sie Gold () (und) bereiten (daraus) Kränze/Kronen auf den Köpfen ihrer Götter. Manchmal aber entwenden die Priester von ihren Göttern Gold und Silber (und) verbrauchen (es) für sich selbst, () sie geben davon auch den Huren im Bordell b. Sie schmücken sie auch wie Menschen mit Kleidern, Götter aus Silber und aus Gold und aus Holz. () Diese aber retten sich nicht vor dem Rost und dem Zerfressenwerden c, eingehüllt in ein purpurnes Gewand. () Sie lassen sich ihr Gesicht abwischen wegen dem Staub aus dem Tempel d, der überreichlich auf ihnen liegt. () Und er hält ein Szepter wie ein Mensch, ein Richter eines Landes, der den, der gegen ihn sündigt, niemals e vernichtet. () Er hält einen Dolch in der Rechten und eine Axt, aber er befreit sich niemals e aus Schlacht und Räubern. Dadurch erkennt man über sie f, dass sie keine Götter sind. Fürchtet sie also nicht!

Als Wiedergabe eines hebräischen ‫ ִכּי‬, vgl. Kratz :  mit Anm. . Wörtlich „auf dem Dach“, doch ab dem . Jh. v. ist der Begriff auch zur Bezeichnung eines Ortes der Prostitution belegt (vgl. LSJ s.v. τέγος III; so auch Moore : ). Möglich wäre auch, mit Torrey :  und Kellermann :  f, eine Fehlübersetzung von aram. ‫ַעל ַא ַגּ ָרא‬, „als Lohn“, als ‫ַעל ִא ָגּ ָרא‬, „auf dem Dach“. c Ball : ; Moore : ; Kratz :  Anm.  u. a. rechnen hier mit einer Fehlübersetzung eines hebräischen ‫אֵכל‬ ֹ ‫„( ֵמ‬vor dem Fresser/Motte“, vgl. Mal ,). Allerdings weist schon Naumann :  darauf hin, dass der Begriff in späteren medizinischen Schriften „Fraß“ im Sinne von „Fäule“ bedeutet; vgl. zu einer möglichen analogen Verwendung in EpJer Wright :  und (mit anderer Konsequenz) Moatti-Fine : . d In der LXX bezeichnet οἰκία das gewöhnliche Haus, für Tempel wird stattdessen ὁ οἶκος verwendet. Ball :  vermutet, dass der Begriff hier mit polemischer Absicht vermieden wird. Allerdings zeigt EpJer auch in anderen Fällen einen von der LXX unabhängigen Sprachgebrauch (vgl. z. B. die folgende Textanm.) und verwendet beide Begriffe ohne erkennbare Systematik (οἰκία: V...., sowie V. wohl für das gewöhnliche Haus; οἶκος: V...). b

3.4 Epistula Ieremiae

159

e

Das negierte Futur drückt hier wohl die zeitübergreifende Gewissheit aus, vgl. dazu Kratz :  Anm. . f Wörtlich „wodurch sie bekannt sind“. Nachklassisch ist γνώριμος als Adjektiv nur selten belegt (in der LXX nur  Makk ,; sonst immer substantivisch „Bekannter“), vgl. Naumann :  f.

Dieser Abschnitt setzt mit einem „klassischen“ Thema atl. Götterpolemik ein: der Herstellung der Götterbilder. Neben bekannten Elementen⁵⁴⁸ begegnen aber auch neue Aspekte der Polemik: Zum einen bildet der Vergleich (ὧσπερ/ὡς, V.8.10.13; vgl. auch V.17) des Bildes mit Menschen ein tragendes Element der Polemik. In V.8 werden die Bilder-Götter mit einer „schmuckliebenden ⁵⁴⁹ jungen Frau“ verglichen und in V.9 f wird berichtet, dass die Priester vom Gold und Silber der Götter an Prostituierte⁵⁵⁰ abgeben. Damit werden die Bilder-Götter selbst in die Nähe einer solchen Prostituierten gerückt. Zum anderen heben V.11– 14 hervor, dass die Bilder-Götter sich selbst nicht helfen können. Diese Aussage wird zwar durch Beschreibungen der Unfähigkeit der Götter in DtJes und Jer 10 vorbereitet, begegnet dort aber noch nicht in dieser pointierten Form. Dass die Götter nicht retten können, besagen schon Jes 44,17; 45,20; 46,7; allerdings geht es in diesen polemischen Texten jeweils um die Nutzlosigkeit der Götter für ihre Verehrer. Hier nun wird darauf hingewiesen, dass die Bilder-Götter sich selbst vor ihrem materiellen Verfall nicht retten können; sie sind auf Menschen angewiesen (V.12), ja, sie sind wehrloser als ein mit derselben Ausstattung versehener Mensch es wäre (V.13 f). Das Bild des Richters, der den, der „gegen ihn sündigt“, nicht vernichten kann, geht über die Rolle eines menschlichen Richters allerdings noch hinaus und bildet einen Kontrast zu Jhwh, der nach V.1 die gegen ihn begangenen Sünden sehr wohl

 Wie in DtJes und Jer 10 ist ein Handwerker (τέκτων) mit ihrer Anfertigung beschäftigt. Die Verzierung der Bilder mit Gold und Silber begegnet auch in Jer 10,4.9; Jes 40,19 (sowie vermutlich Jes 41,7). Die Bekleidung,wie in V.11 mit Purpur,wird auch in Jer 10,9 erwähnt. Die Bezeichnung der Götter als ψευδῆ erinnert an das in atl. Götterpolemik verwendete ‫( ֶשֶׁקר‬vgl. Jer 10,14; Jes 44,20; vgl. auch Jer 13,25; 16,19; Hab 2,18).Wie in Jer 10,14 (dazu s.o. 3.2.3.1.2) ist das Bild „Trug“ in dem Sinne, dass es die erwartete Funktion nicht erfüllt: Es kann nicht sprechen (vgl. Jer 10,5; Ps 115,5.7; Ps 135,16).  Die Charakterisierung der Frau als φιλοκόσμος ist offenbar für den polemischen Vergleich relevant und könnte als negativ konnotierter Charakterzug verstanden werden. Verschiedene griechische und römische Autoren erwähnen es als unangebracht, dass Frauen, die keine Hetären sind, Goldschmuck tragen (vgl. z. B. Diod. 12,21; Athen. deipn. 12,521b [als Zitat von Phylarchos]).  Der Text enthält keinen Hinweis darauf, dass diese Prostituierten zum Tempel gehören (mit Wacker 2009: 67). Die Existenz von Kultprostitution im Alten Orient wird in der jüngeren Forschung stark bezweifelt, vgl. Frevel 1995: II 591– 618.631– 643 zur sog. „Heiligen Hochzeit“ und zur (in Mesopotamien nicht belegten) Kultprostitution.Wilhelm 1990: 514– 523 sieht Hinweise für vom Tempel organisierte Prostitution in spätaltbabylonischen Texten und in Nuzi-Texten; vgl. aber dazu die kritischen Anmerkungen von Assante 1998: 19 – 26.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

bestraft.⁵⁵¹ Wie schon in V.3 – 6 oszilliert der Text in Bezug auf die Bilder-Götter zwischen m. Pl. (V.10.11.14) und n. Pl. (V.7). Diese Strategie der Gleichsetzung der Götter (θεοί, m. Pl.) mit Gegenständen (n. Pl.) setzt sich in den folgenden Abschnitten fort.⁵⁵² Beschaffenheit und Aussehen der Götterbilder bilden in diesem Abschnitt den Ausgangspunkt der Polemik. Die Beschreibung der Bilder ermöglicht jedoch keine Identifizierung. Die genannten Materialien inkl. des purpurnen Kleides gehen auf atl. Götterpolemik zurück (vgl. Jer 10,4.9; Jes 40,19). Die goldenen στέφανοι in V.9 können sowohl als „Kronen“ babylonischer Götter als auch als „Kränze“ griechischer (oder ägyptischer) Götter gedeutet werden. Im Anschluss an Naumann wurde für die in V.13 f genannten Attribute Zepter, Dolch und Axt oft auf babylonische Götter, insbesondere Bel/Marduk und Adad, verwiesen. Doch die genannten Attribute erlauben weder die Identifizierung einer bestimmten babylonischen Gottheit noch eine Einschränkung auf babylonische Kultbilder. Adad z. B. ist charakteristischerweise mit Blitz und Axt bewaffnet; wenn man mit Naumann argumentieren wollte, dass ἐγχειρίδιον hier ebendiesen Blitz bezeichne,⁵⁵³ so spräche dies zumindest nicht für eine genaue Sachkenntnis des Verfassers. Ich nehme an, dass sich die Beschreibung in V.13 f auf zwei verschiedene Bilder bezieht,⁵⁵⁴ in V.13 auf einen Richtergott mit Zepter und in V.14 auf einen mit Dolch und Axt bewaffneten Gott. Diese Ausstattung lässt sich aber nicht eindeutig auf die Darstellung einer bestimmten Gottheit beziehen noch ist sie besonders charakteristisch für babylonische Götter im Unterschied zu anderen altorientalischen Göttern. Man kann in dieser Beschreibung höchstens zwei unterschiedliche Typen von Götterdarstellungen erkennen, die auch als Metallfigurinen belegt sind: einmal einen wahrscheinlich sitzend vorgestellten Gott, der mit dem Zepter als Machtsymbol ausgestattet ist, und einmal einen schlagenden Gott. Obwohl der Einsatz bei der Herstellung der Götter anderen götterpolemischen Texten entspricht, gehört das zu Beginn in V.7 genannte Glätten der Zunge nicht zu den üblicherweise genannten Vorgängen der Götterbild-Herstellung. Die Erwähnung der Zunge passt zum Hinweis am Ende von V.7, dass die Götter nicht reden können. Hinter dem griechischen καταξύω („glätten“) könnte das hebräische ‫חלק‬ stehen, das auch in Jes 41,7 im Zusammenhang mit der Bilderherstellung verwendet wird. Gleichzeitig klingt im Glätten der Zunge der hebräische Ausdruck für

 Auf den Kontrast (ἁμαρτία/ἁμαρτάνω nur in V.1.13 in EpJer) weist Moatti-Fine 2005: 315 hin.  S.u. 3.4.2.13.  Vgl. Naumann 1913: 5.37.  Für Zepter, Dolch und Axt als Ausstattung einer Gottheit führt Naumann 1913: 5 als Parallele die Darstellung eines Gottes im Felsenrelief von Yazılıkaya an, doch das Zepter ist auf dieser Darstellung äußerst unsicher (vgl. Bittel 1967: 87 f und Tafeln 18 – 20, Nr. 44).

3.4 Epistula Ieremiae

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Schmeicheln an, das besonders in weisheitlichen Texten verurteilt wird.⁵⁵⁵ In Prov 6,24 wird vor der „Glätte der Zunge“ (‫ )ֶחְלַקת ָלשׁוֹן‬der fremden Frau gewarnt. Angesichts dessen, dass auch in V.8 – 10 die Bilder-Götter mit jungen Frauen verglichen bzw. in die Nähe von Prostituierten gerückt werden, scheint mir wahrscheinlich, dass dieses Bild schon durch das Glätten der Zunge in V.7 eingeleitet wird und darin eine an weisheitliche Texte angelehnte Warnung anklingt.⁵⁵⁶

3.4.2.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 15 – 22 (15) ὥσπερ γὰρ σκεῦος ἀνθρώπου συντριβὲν ἀχρεῖον γίνεται, () τοιοῦτοι ὑπάρχουσιν οἱ θεοὶ αὐτῶν, καθιδρυμένων αὐτῶν ἐν τοῖς οἴκοις. οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτῶν πλήρεις εἰσὶν κονιορτοῦ ἀπὸ τῶν ποδῶν τῶν εἰσπορευομένων. () καὶ ὥσπερ τινὶ ἠδικηκότι βασιλέα περιπεφραγμέναι εἰσὶν αἱ αὐλαὶ ὡς ἐπὶ θανάτῳ ἀπηγμένῳ, τοὺς οἴκους αὐτῶν ὀχυροῦσιν οἱ ἱερεῖς θυρώμασίν τε καὶ κλείθροις καὶ μοχλοῖς, ὅπως ὑπὸ τῶν λῃστῶν μὴ συληθῶσι.

() Denn wie ein zerschlagenes Gefäß eines Menschen a unbrauchbar wird, () so sind ihre Götter, wenn sie in den Tempeln aufgestellt sind. Ihre Augen sind voll Staub von den Füßen der Eintretenden.

() Und wie für einen, der sich gegen den König vergangen hat, die Höfe versperrt sind, wie für einen, der zum Tod abgeführt wird, (so) befestigen die Priester ihre Tempel mit Türen und Schlössern und Riegeln, damit (sie) nicht von Räubern geplündert werden. () λύχνους καίουσι καὶ πλείους ἢ ἑαυτοῖς, ὧν () Sie zünden Leuchten an, und zwar mehr als οὐδένα δύνανται ἰδεῖν. für sich selber, von denen sie (= die Götter) keine sehen können. () ἔστιν μὲν ὥσπερ δοκὸς τῶν ἐκ τῆς οἰκίας, () Es ist wie bei einem Balken des Tempels: Ihr τὰς δὲ καρδίας αὐτῶν φασιν ἐκλείχεσθαι, τῶν Inneres wird, wie man sagt, herausgeleckt; dass ἀπὸ τῆς γῆς ἑρπετῶν κατεσθόντων αὐτούς τε καὶ die Kriechtiere aus der Erde sie und ihre Kleider τὸν ἱματισμὸν αὐτῶν οὐκ αἰσθάνονται. aufzehren, nehmen sie nicht wahr. () μεμελανωμένοι τὸ πρόσωπον αὐτῶν ἀπὸ () Sie sind geschwärzt in ihrem Gesicht vom τοῦ καπνοῦ τοῦ ἐκ τῆς οἰκίας. Rauch aus dem Tempel.

 Vgl. Prov 2,16; 7,5 (die fremde Frau „macht ihre Worte glatt“, ‫ חלק‬Hi.); Prov 5,3 (‫ ;)ָחָלק‬mit unbestimmten oder männlichen Subjekten ‫( ִמ ַמֲּחִליק ָלשׁוֹן‬Prov 28,23), ‫( ָחָלק‬Prov 26,28); ‫ חלק‬Hi. (Prov 29,5). Das Schmeicheln ‫ חלק‬Hi. + ‫ ָלשׁוֹן‬begegnet auch in Ps 5,10 in der Beschreibung der Feinde (und vgl. Ps 12,3 f). Maier 1995: 97 weist darauf hin, dass dieses ‫ חלק‬in allen Texten zur „fremden Frau“ begegnet und darüber hinaus zur Darstellung der „Frevler“ gehört. Außerhalb weisheitlicher Texte nur Jes 30,10; Ez 12,24; Dan 11,32. Das Motiv findet sich auch in ägyptischer Weisheitsliteratur, vgl. die Warnung vor der fremden Frau, die „Ich bin glatt“(!) sagt, in der Lehre des Ani, B 16,13 – 17 (gemeint ist wohl „Ich bin zärtlich“), vgl. zu Text und Übersetzung Quack 1994: 93 (mit Anm. 31).156.  Zur fremden Frau, die in Prov gerade durch ihr Reden gefährlich wird, vgl. Hausmann 1995: 157 f.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

() ἐπὶ τὸ σῶμα αὐτῶν καὶ ἐπὶ τὴν κεφαλὴν ἐφίπτανται νυκτερίδες, χελιδόνες καὶ τὰ ὄρνεα, ὡσαύτως δὲ καὶ οἱ αἴλουροι. () ὅθεν γνώσεσθε ὅτι οὔκ εἰσιν θεοί· μὴ οὖν φοβεῖσθε αὐτά.

() Auf ihren Körper und auf den Kopf fliegen Fledermäuse herbei, Schwalben und die Vögel (im Allgemeinen), ebenso wie auch die Katzen b. () Dadurch werdet ihr erkennen, dass sie keine Götter sind. Fürchtet sie also nicht!

a

„Εines Menschen“: wahrscheinlich Fehlübersetzung von ‫ אדמה‬als ‫אדם‬, mit Moore : ; Gunneweg :  Anm. f (der auch eine korrumpierte hebräische Vorlage in Betracht zieht); Moatti-Fine :  u. a.; ähnlich Ball : , der aber ein ursprüngliches ‫( כלי חרשׁ‬wie Jer ,) annimmt. b Die auffällige Erwähnung der „Katzen“ (nur hier in der LXX), die schlecht in die Reihe der fliegenden Tiere passen, gab Anlass zu diversen Erklärungsversuchen. Naumann :  rechnet mit einer ägyptischen Glosse; dazu müssten allerdings der Ergänzer und seine Überlieferer ein Zeugma lesen. Lee :  f (und ihm folgend Kellermann :  f) geht von einem ursprünglichen ἔλαιοι aus, das durch eine mehrstufige innergriechische Textverderbnis zum vorliegenden Text führte. Mir scheint angesichts der durchgängigen Bezeugung wahrscheinlicher, dass der Fehler schon früher entstanden ist. Ball :  vermutet eine Verlesung von ‫איות‬, „Falken“, zu ‫איים‬, das als „Katzen“ verstanden wurde (vgl. Jes ,; ,). Hurowitz :  f schlägt eine Fehlübersetzung eines aus dem akk. šurrinu („Göttersymbol“) gebildeten ‫ שׁורנא‬vor; diese Lösung scheint mir jedoch syntaktisch und im Kontext schwierig.

Nachdem in V.7 die Herstellung der Bilder-Götter angesprochen wurde, setzt nun V.15 mit der Aufstellung im Tempel ein. Während im vorangehenden Abschnitt⁵⁵⁷ die Polemik von Herstellung, Verzierung und Aussehen der Bilder-Götter ausging, liegt der Schwerpunkt dieses Abschnittes auf dem Tempel als Ort, an dem die Götter sich befinden. Die Zustände im Tempel erweisen die Hilflosigkeit der Götter, die dort eingesperrt sind, schmutzig werden und verrotten. Zwar gehört das Aufstellen der Bilder als Endpunkt ihrer Herstellung noch zu den Motiven atl. Götterpolemik (vgl. Jes 40,20; 41,7; Jer 10,4); für die Polemik gegen die im Tempel befindlichen Bilder-Götter gibt es aber keine näheren Parallelen.⁵⁵⁸ Dass die Götter nicht sehen können (V.18, vgl. auch V.16) begegnet wie das in V.7

 Mehrere Elemente aus V.11– 14 werden in diesem Abschnitt aufgenommen und weitergeführt: Die Bilder-Götter haben Staub (κονιορτός) im Gesicht (V.12.16); ihre Gesichter (τὸ πρόσωπον αὐτῶν) werden im Tempel schmutzig (V.12.20, Schmutz jeweils ἐκ τῆς οἰκίας); ihre Kleider (ἱματισμός) werden zerfressen (V.11.19) und gegen Räuber (λῃστής) können sie sich nicht selber wehren (V.14.17). Auf die gemeinsamen Begriffe weist Brooke 2007: 117 hin.  Zwar spielt auch BelDr 1– 22 im Tempel, im Vordergrund der Polemik steht dort aber der Betrug der Priester. Ein ähnlicheres Motiv findet sich in der griechischen Batrachomyomachia (ca. 1. Jh. v.) in der Klage der Göttin Athene über die Mäuse im Tempel, die ihr Kleid anknabberten (Batr. 180 – 184, für Text und Übersetzung vgl. Ahlborn 1968: 28 f). Das sollte allerdings nicht als Polemik gegen die Götter(bilder) missverstanden werden, denn die griechischen Götter „verstehen offenbar Spaß“ (Nesselrath 2006: 25, mit anderen Beispielen).

3.4 Epistula Ieremiae

163

genannte „nicht reden“ in Ps 115,5//135,16.⁵⁵⁹ Es ist aber in eine andere polemische Argumentation eingebettet: Anders als in Ps 115/135 steht die Unfähigkeit der Bilder-Götter nicht im Zusammenhang mit ihrer materiellen Beschaffenheit; vielmehr steht sie im Kontrast zu den Handlungen der Verehrer. Eine ähnliche Argumentation begegnet noch in V.40 f. Auf (vermeintliche) atl. Götterpolemik könnte der Vergleich in V.15 zurückgreifen. Dieser Vergleich liest sich etwas merkwürdig: Wenn ein Gefäß durch Zerbrechen unbrauchbar wird, werden die Bilder-Götter entsprechend durch das Aufstellen im Tempel unbrauchbar? Nutzlose Gefäße (‫ ְכִּלי ֵאין־ֵחֶפץ בּוֹ‬/σκεῦος οὗ οὐκ ἔστιν χρεία αὐτοῦ) begegnen als Vergleich auch in Jer 22,28; 48,38 (31,38 LXX); Hos 8,8; allerdings werden demnach Gefäße zerbrochen,weil sie nutzlos sind (nicht umgekehrt). Möglicherweise lehnte sich die Vorlage von V.15 an Jer 22,28 an und las ‫„( ֶעֶצב‬tönernes Gefäß“, ein hapax legomenon) als ‫„( ָעָצב‬Götterbild“), wodurch sich ergibt: ‫ ַהָעָצב ִנְב ֶזה ָנפוּץ ָהִאישׁ ַה ֶזּה ָכּ ְנ ָיהוּ‬Ist dieser Mann Konja etwa ein verachtetes, zerschlagenswertes ‫ ִאם־ ְכִּלי ֵאין ֵחֶפץ בּוֹ‬Götterbild, oder ein Gefäß, an dem niemand Gefallen hat?

Die in V.16 – 21 beschriebenen Verhältnisse sind für babylonische Tempel möglich, aber nicht spezifisch. Im Verschließen der Tore könnte man eine Anspielung auf die täglichen Torrituale sehen.⁵⁶⁰ Auch in BelDr spielt das Verschließen (und Öffnen) der Tempeltüren eine Rolle, da damit verhindert werden soll, dass jemand anders als der Gott selbst sein Essen aufisst (BelDr 14). Dass Vögel eine Plage in Tempeln darstellen (V.21), berichtet auch Eupolemos (für den Jerusalemer Tempel).⁵⁶¹ Während in Ps 84,4 die Vögel an Jhwhs Kultstätte zu seinem Lob genannt werden, erweisen sie in V.21 die Würdelosigkeit der babylonischen Götter.⁵⁶² Spezifische Anleihen aus weisheitlicher Literatur lassen sich in V.15 – 22 nicht ausmachen. Die bildhafte Rede mit Vergleichen begegnet in weisheitlichen Lehrreden (z. B. Prov 6,4.11), ist aber nicht auf diese beschränkt und findet sich auch häufiger in prophetischen Texten. Mit seiner bildhaften Beschreibung der Zustände, aus der die entsprechende Schlussfolgerung gezogen werden soll, fügt sich der Abschnitt aber gut in einen weisheitlich-didaktischen Lehrtext.

 Vgl. Kratz 1995: 16 f.  Vgl. Kratz 1998: 95; zum babylonischen Toröffnungsritual in hellenistischer Zeit vgl. Linssen 2004: 36 – 39. Vgl. auch Naumann 1913: 15 zum Anzünden von Leuchten in V.18.  Frg. 2 §34,11; mit Kratz 1998: 96 Anm. 75. Zum Vorkommen von Fledermäusen und Schwalben in Babylonien vgl. Naumann 1913: 28 f, der auf die Erwähnung von Fledermäusen in Borsippa bei Strabo (16,1,7) hinweist.  Auf die entgegengesetzte Verwendung des Motivs weisen Naumann 1913: 29 und Moore 1977: 341 hin.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

3.4.2.5 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 23 – 28 (23) τὸ γὰρ χρυσίον, ὃ περίκεινται εἰς κάλλος ἐὰν μή τις ἐκμάξῃ τὸν ἰόν, οὐ μὴ στίλψωσιν· οὐδὲ γάρ, ὅτε ἐχωνεύοντο, ᾐσθάνοντο.

() ἐκ πάσης τιμῆς ἠγορασμένα ἐστίν, ἐν οἷς οὐκ ἔστιν πνεῦμα. () ἄνευ ποδῶν ἐπ᾽ὤμοις φέρονται ἐνδεικνύμενοι τὴν ἑαυτῶν ἀτιμίαν τοῖς ἀνθρώποις, αἰσχύνονταί τε καὶ οἱ θεραπεύοντες αὐτὰ () διὰ τό, μήποτε ἐπὶ τὴν γῆν πέσῃ, δι᾽αὐτῶν ἀνίστασθαι· μήτε ἐάν τις αὐτὸ ὀρθὸν στήσῃ, δι᾽ἑαυτοῦ κινηθήσεται, μήτε ἐὰν κλιθῇ, οὐ μὴ ὀρθωθῇ, ἀλλ᾽ὥσπερ νεκροῖς τὰ δῶρα αὐτοῖς παρατίθεται. () τὰς δὲ θυσίας αὐτῶν ἀποδόμενοι οἱ ἱερεῖς αὐτῶν καταχρῶνται· ὡσαύτως δὲ καὶ αἱ γυναῖκες αὐτῶν ἀπ᾽αὐτῶν ταριχεύουσαι οὔτε πτωχῷ οὔτε ἀδυνάτῳ μεταδιδόασι· () τῶν θυσιῶν αὐτῶν ἀποκαθημένη καὶ λεχὼ ἅπτονται. γνόντες οὖν ἀπὸ τούτων ὅτι οὔκ εἰσι θεοί, μὴ φοβηθῆτε αὐτούς.

() Denn das Gold, mit dem sie zur Verschönerung angetan sind – wenn nicht jemand den Belag abwischt, glänzen sie überhaupt nicht; denn nicht einmal als sie gegossen wurden, nahmen sie es wahr. () Zu jedem Preis sind sie gekauft, die, in denen kein Atem ist. () Ohne Füße, werden sie auf Schultern getragen (und) weisen (damit) die Menschen auf ihre eigene Schande hin; auch die, die ihnen dienen, werden beschämt () dadurch, dass, damit es nicht auf die Erde fällt, es durch sie aufgestellt wird, und wenn es jemand gerade hinstellt, gerät es nicht selbständig in Bewegung; und wenn es sich neigt, richtet es sich gewiss nicht auf, sondern wie Toten werden ihnen die Opfergaben vorgesetzt. () Ihre Opfer aber verwenden ihre Priester, indem sie sie verkaufen, ebenso wie auch die Frauen davon einpökeln und weder dem Armen noch dem Schwachen davon geben. () Ihre Opfer berühren Menstruierende a und Wöchnerin. Habt ihr also daraus erkannt, dass sie keine Götter sind, (so) fürchtet sie nicht!

a Wörtl. „eine abgesondert Sitzende“, d.i. in der LXX eine menstruierende Frau, vgl. Lev 15,33; Ez 36,17 u. ö. (dazu Ball 1913: 604 u. a.).

Dieser Abschnitt setzt in V.23 mit einem Rückblick auf die Herstellung der BilderGötter ein (vgl. V.7) und bezieht sich insgesamt intensiv auf das Vorangehende.⁵⁶³ Verbunden werden diese Rückblenden durch Elemente, die aus der atl. Götterpolemik bekannt sind.⁵⁶⁴ Zwei dieser Elemente sind für die Untersuchung des götterpolemischen Diskurses besonders interessant: Zum einen ist in V.24 wie in

 Vgl. zur Verzierung mit Gold (V.23) V.7 f; zum Belag (ἰός, V.23) V.11; jemand muss die BilderGötter abwischen (ἐκμάσσω, V.23), vgl. V.12. Ihre Herstellung (V.23) nahmen die Götter nicht wahr (αἰσθάνομαι), ebenso wenig wie ihren Zerfall (V.19). Auf ἰός und αἰσθάνομαι weist auch MoattiFine 2005: 319 hin.  Das Götterbild wird gegossen (χωνεύω,V.23) wie die Bilder in Jes 40,19; Jer 10,14; in ihnen ist kein Atem (V.24),vgl. Jer 10,14; Ps 135,17; Hab 2,19; sie müssen getragen werden,vgl. Jer 10,5; Jes 46,7. Anders als in V.25 haben die Bilder-Götter nach Ps 115,7 zwar Füße, können damit aber nicht gehen. Dass die Verehrer solcher Götter beschämt werden, begegnet auch in Jer 10,14; Jes 42,17; 44,9.11; 45,16.

3.4 Epistula Ieremiae

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Jes 46,6 der (hohe) Preis der Götterbilder Gegenstand der Polemik. Während im vorangehenden Abschnitt (V.15 – 21) eindeutig von Kultbildern in einem Tempel die Rede war, verweist das Kaufen (ἀγοράζω, „[auf dem Markt] kaufen“, V.24) von Götterbildern eher in einen privaten Kontext: Mesopotamische Kultbilder wurden nicht gekauft, sondern von Tempelhandwerkern im Auftrag des Königs in der Tempelwerkstätte (bīt mummu) hergestellt.⁵⁶⁵ Dass dieses Element der Polemik dennoch im Kontext von EpJer verwendet werden kann, zeigt die gezielt unscharfe Bestimmung der Bilder-Götter, die sich als typisch für den götterpolemischen Diskurs erweisen wird (s.u. 5.2.1). Weiter entspricht auch die Abfolge der Handlungen – Herstellung eines kostbaren Götterbildes,Tragen des Bildes auf der Schulter (Prozession), Aufstellen des Bildes – der Reihenfolge in Jes 46,6 f.⁵⁶⁶ Dort wird ebenfalls darauf verwiesen, dass das Götterbild nach dem Aufstellen nicht mehr selbständig in Bewegung gerät (V.26; vgl. Jes 46,7: ‫מד ִמ ְמּקוֹמוֹ ל ֹא ָיִמישׁ‬ ֹ ‫) ְו ַי ִנּיֻחהוּ ַתְח ָתּיו ְו ַיֲע‬. In EpJer zeigt sich deutlich, dass dieses in götterpolemischen Texten häufiger begegnende narrative Muster von Herstellung und anschließender kultischer Inanspruchnahme des Bildes (vgl. dazu 5.2.3) auf die Unfähigkeit der hergestellten Bilder zielt: Das Tragen der Bilder-Götter auf Schultern in V.25 verweist zurück auf das Motiv der Götterprozession in V.3 – 5.⁵⁶⁷ Doch während dort solche Prozessionen die Völker Furcht lehren (δείκνυμι,V.3), weisen sie in V.25 – aus Sicht des Polemikers – auf die eigene Schande hin (ἐνδείκνυμι).⁵⁶⁸ Dass die Verehrer selbst ihre Götter beschämen, indem sie sie in eine Situation bringen, die die Handlungsunfähigkeit der Götter offenbart, besagt auch EpJer 40.⁵⁶⁹ Neu gegenüber DtJes und Jer 10 wird hier an Prozession und Aufstellung des Götterbildes das Thema Opfer angeknüpft. Den Göttern werden „wie Toten“ Opfer vorgesetzt (V.26),⁵⁷⁰ womit die Bilder-Götter in die Nähe von Toten gerückt werden, wie dies schon in älterer atl. Götterpolemik geschieht: Die Bilder-Götter haben keinen Atem (Jer 10,14; Ps 135,17; Hab 2,19), sind also leblos. Explizit als tot werden sie dann in der Sap (13,18; 15,5.17) bezeichnet. Wie in BelDr wird zudem den  Vgl. Berlejung 1998: 80 f.89 – 93 u. ö.  Das Aufstellen und Befestigen des Bildes thematisieren auch Jer 10,4; Jes 40,20; 41,7, wo jeweils „damit es nicht wankt“ angefügt wird.  Mit Gunneweg 1980: 188 Anm. h; Kratz 1998: 97.  Auf die wiederholte Verwendung von δείκνυμι und Ableitungen weist Moatti-Fine 2005: 319 hin.  Anders interpretieren Ball 1913: 604; Moatti-Fine 2005: 319 u. a. die Schande der BilderGötter in V.25 als Anspielung auf die Entblößung der Götter durch die Prozession (im Sinne von Jer 13,26; Nah 3,5).  Dies setzt Darbringungen für Tote voraus, wie sie auch in Sir 30,18; Tob 4,17 erwähnt werden; dazu schon Ball 1913: 604; vgl. ausführlicher Moatti-Fine 2005: 320.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Priestern (und ihren Familien?) vorgeworfen, die Opfer der Götter selbst zu verwenden.⁵⁷¹ Götterpolemische Texte rekurrieren im Allgemeinen auffällig wenig auf atl. Gesetze und insbesondere nicht auf das Bilderverbot. Hier könnten jedoch biblische Vorschriften zum Thema Opfer im Hintergrund der Polemik stehen. Dass Menstruierende und Wöchnerin die Opfer berühren, ist vor dem Hintergrund ihrer Unreinheit (Lev 12,2– 5; 15,19 f) skandalös.⁵⁷² Der Umgang mit dem Opfer widerspricht zudem dem Gesetz, das den Verzehr an der Kultstätte vorschreibt (Lev 6,9 – 11.19.22; 7,6) und die Aufbewahrung auf maximal zwei Tage beschränkt (Lev 7,15 – 18).⁵⁷³ Doch der Text selbst stellt ein anderes Problem in den Vordergrund: In V.27 wird den Frauen vorgeworfen, dass sie den Armen und Schwachen nichts abgeben. Das erinnert an die Vorschrift in Dtn 14,28 f, den Zehnten im dritten Jahr den Armen zu geben.⁵⁷⁴ Allerdings ist in EpJer nicht von den dort genannten personae miserae (Levit, Fremder, Waise, Witwe) die Rede, so dass sich der Vorwurf auch allgemeiner auf das Gebot der Armenfürsorge beziehen könnte, das neben den Gesetzeskorpora auch in der Weisheitsliteratur begegnet.⁵⁷⁵

3.4.2.6 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 29 – 39 (29) πόθεν γὰρ κληθείησαν θεοί; ὅτι γυναῖκες παρατιθέασιν θεοῖς ἀργυροῖς καὶ χρυσοῖς καὶ ξυλίνοις· () καὶ ἐν τοῖς οἴκοις αὐτῶν οἱ ἱερεῖς διφρεύουσιν ἔχοντες τοὺς χιτῶνας διερρωγότας καὶ τὰς κεφαλὰς καὶ τοὺς πώγωνας ἐξυρημένους, ὧν αἱ κεφαλαὶ ἀκάλυπτοί εἰσιν. () ὠρύονται δὲ βοῶντες ἐναντίον τῶν θεῶν αὐτῶν ὥσπερ τινὲς ἐν περιδείπνῳ νεκροῦ.

() Denn wie könnten sie Götter genannt werden? Denn Frauen setzten (Opfer) vor (den) Göttern aus Silber und Gold und Holz. () Und in ihren Tempeln fahren die Priester durcha mit zerrissenen Gewändern und rasierten Köpfen und Bärten (und) ihre Köpfe sind unverhüllt, () und sie klagen laut schreiend im Angesicht ihrer Götter wie einige beim Leichenmahl eines Toten.

 Darauf weist auch Kratz 1998: 97 hin.  Darauf weisen u. a. Gunneweg 1980: 188 f Anm. i; Kratz 1998: 98; Moatti-Fine 2005: 321; Brooke 2007: 118 hin. Die Unreinheit von Menstruierenden und Wöchnerinnen ist allerdings kein spezifisch atl. Konzept und dürfte zur Zeit der Abfassung von EpJer allgemein im Alten Orient verbreitet gewesen sein, vgl. Marsman 2003: 488 f; Ackerman 2012: 275 – 278.  Mit Kratz 1998: 98. Allerdings werden zum Umgang mit dem Anteil der Priester (Lev 7,31– 34) keine Vorschriften gemacht.  So Gunneweg 1980: 188 Anm. i; Kratz 1998: 98; Moatti-Fine 2005: 321 u. a. Im Gebet Dtn 26,13 f wird das Abtreten des Zehnten an die Armen der Verwendung als Gabe für einen Toten entgegengesetzt.  Vgl. z. B. Ex 23,11; Dtn 15,11; Hi 31,16 – 20; nach Tob 1,8 lehrt eine Frau, nämlich seine Großmutter, Tobit dieses Gebot. Das Verhalten der Frauen in EpJer widerspricht auch dem der tüchtigen Ehefrau nach Prov 31,20.

3.4 Epistula Ieremiae

() ἀπὸ τοῦ ἱματισμοῦ αὐτῶν ἀφελόμενοι οἱ ἱερεῖς ἐνδύουσιν τὰς γυναῖκας αὐτῶν καὶ τὰ παιδία. () οὔτε ἐὰν κακὸν πάθωσιν ὑπό τινος οὔτε ἐὰν ἀγαθόν, δυνήσονται ἀνταποδοῦναι· οὔτε καταστῆσαι βασιλέα δύνανται οὔτε ἀφελέσθαι. () ὡσαύτως οὔτε πλοῦτον οὔτε χαλκὸν οὐ μὴ δύνωνται διδόναι· ἐάν τις αὐτοῖς εὐχὴν εὐξάμενος μὴ ἀποδῷ, οὐ μὴ ἐπιζητήσωσιν. () ἐκ θανάτου ἄνθρωπον οὐ μὴ ῥύσωνται οὔτε ἥττονα ἀπὸ ἰσχυροῦ οὐ μὴ ἐξέλωνται. () ἄνθρωπον τυφλὸν εἰς ὅρασιν οὐ μὴ περιστήσωσιν, ἐν ἀνάγκῃ ἄνθρωπον ὄντα οὐ μὴ ἐξέλωνται. () χήραν οὐ μὴ ἐλεήσωσιν οὔτε ὀρφανὸν εὖ ποιήσουσι. () τοῖς ἀπὸ τοῦ ὄρους λίθοις ὡμοιωμένοι εἰσὶ τὰ ξύλινα καὶ τὰ περίχρυσα καὶ τὰ περιάργυρα, οἱ δὲ θεραπεύοντες αὐτὰ καταισχυνθήσονται. () πῶς οὖν νομιστέον ἢ κλητέον αὐτοὺς ὑπάρχειν θεούς;

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() Von ihrer Kleidung nehmen die Priester weg (und) ziehen (damit) ihre Frauen und Kinder an. () Weder wenn sie Böses von jemandem erfahren noch Gutes, werden sie es vergelten können; sie können den König weder einsetzen noch absetzen. () Ebenso können sie weder Reichtum noch Geld geben; wenn ihnen jemand ein Gelübde leistet (und) nicht erfüllt, werden sie (es) niemals einfordern. () Vor dem Tod retten sie einen Menschen gewiss nicht, noch befreien sie einen Schwächeren von einem Starken. () Einen blinden Menschen bringen sie gewiss nicht zum Sehen, einen Menschen in Not befreien sie gewiss nicht. () Sie erbarmen sich gewiss nicht der Witwe, noch tun sie einer Waise Gutes. () Den Steinen vom Berg sind sie gleich, die Hölzernen und die Vergoldeten und die Versilberten, und die, die ihnen dienen, werden beschämt werden. () Wie also (kann man) meinen oder behaupten, sie seien Götter?

a Wohl eine Fehlübersetzung von ‫ נהג‬I, „führen, mit dem Wagen fahren“, statt ‫ נהג‬II, „stöhnen, brüllen“ (vgl. Nah ,), mit Rost : ; Kellermann :  f; Gunneweg :  Anm. k; Kratz :  Anm. . Anders Moatti-Fine :  f, die (mit dem syrischen Text und Vg) „sitzen“ liest und dies als Euphemismus interpretiert.

Auch dieser Abschnitt knüpft an das Vorangehende an. V.29b–31 entwickeln das Thema aus V.26 „wie Toten werden ihnen die Opfergaben vorgesetzt“ im Anschluss an V.27 f weiter.⁵⁷⁶ Die beschriebenen kultischen Handlungen und Trauerriten sind im Rahmen babylonischer Kulte denkbar. Sie sind aber unspezifisch, da solche

 Παρατίθημι kommt in EpJer nur in V.26.29 vor; auf die Verbindung zum Vorangehenden verweist Moatti-Fine 2005: 321. Dass in V.32 die Priester den Göttern Dinge wegnehmen (und Frauen an der Verwertung beteiligt sind) greift über V.27 auf V.9 f zurück. Das Ende in V.38 erinnert durch den Vergleich mit einem inanimierten Objekt an V.15; die Bezeichnung der Götter mit n. Pl. in V.38 ist aus dem Vorangehenden bekannt (vgl. V.5.7.22.25; gegen Gunneweg 1980: 189 Anm. l ist daher in V.38 nicht von einem Zusatz auszugehen). Die Beschämung der Verehrer (οἱ θεραπεύοντες αὐτά) wiederholt V.25.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Trauerriten auch in Israel Brauch waren⁵⁷⁷ und ein kultisches Trauern um Götter im Alten Orient breit belegt ist.⁵⁷⁸ Als kultische Trauer um die Gottheit bestätigen sie für den Polemiker, dass diese Bilder-Götter wie Tote behandelt werden und also ebenso leblos sind. Sollten auch andere Trauerriten mitgemeint sein, so erklärt sich die Polemik vor dem Hintergrund atl. Vorschriften, die ein Trauerverbot für Priester aussprechen (vgl. Lev 10,6; 21,5.10 f).⁵⁷⁹ Ebenso könnte die Polemik gegen opfernde Frauen darauf basieren, dass im atl. Kontext (anders als sonst im Alten Orient) Frauen als Priesterinnen nicht vorgesehen waren.⁵⁸⁰ In V.33 beginnt eine Aufzählung von Beispielen für die Unfähigkeit der BilderGötter (dreimal negiertes δύναμαι, gefolgt von sechsmal οὐ μή).⁵⁸¹ Alle aufgezählten Fähigkeiten werden von altorientalischen Göttern erwartet und werden auch im AT Gott zugeschrieben.⁵⁸² Ein Gegensatz zu Jhwh wird hier aber nicht formuliert; vielmehr sind die Bilder-Götter schlicht nicht in der Lage, zu tun, was von einem Gott erwartet wird.Während in den vorangehenden Abschnitten betont wurde, dass die Götter sich selber nicht helfen können (V.11– 14.17.19.26), geht es in V.34– 38 darum, dass sie ihren Verehrern nicht helfen können. Diese Perspektive zeigt sich schon in V.33: Im Unterschied zur Aussage, dass die Götter weder Gutes noch Schlechtes tun (Jer 10,5; Jes 41,23), wird hier hervorgehoben, dass die Götter auf Handlungen ihrer Verehrer nicht reagieren können.⁵⁸³ Der (kultische) Umgang mit den Bilder-Göttern hat keinerlei Konsequenzen, weder im Guten noch im Bösen. So kann man ihnen ihre Kleider entwenden (V.32) oder auch Gelübde leisten, die man nicht einhält (V.34). Umgekehrt ist von Bitten und Zuwendungen an sie nichts zu erwarten. Dass die Götter nicht retten können, begegnet auch in

 Vgl. Kratz 1998: 99 mit Anm. 85, der auf 2 Sam 1,11 f; 3,31 ff; Hi 2,12; Jer 41,5; 48,37; Am 5,16 verweist.  Vgl. Moore 1977: 346 u. a. Ez 8,14 erwähnt um den (babylonischen) Gott Tammuz klagende Frauen – allerdings im Jerusalemer Tempel.  Mit Moore 1977: 346 (der auch noch auf die Ausnahmen in Ez 44,25 hinweist); Kellermann 1979: 41; Kratz 1998: 99 mit Anm. 85; Moatti-Fine 2005: 322.  Mit Ball 1913: 604; Moore 1977: 346; Kratz 1998: 99; Moatti-Fine 2005: 321. Allerdings leitet V.30 einen expliziten Ortswechsel ein, so dass die Frauen in V.29 nicht unbedingt (nur) als Tempelpriesterinnen verstanden werden müssen.  Darauf weist Moatti-Fine 2005: 323 hin.  Zu babylonischen Texten vgl. schon Naumann 1913: 24– 27. Der Gott des AT kann Könige einund absetzen (Dan 2,21), Reichtum geben (2 Chr 1,12), Gelübde einfordern (Dtn 23,22), vor dem Tod retten (Ps 56,14), den Schwachen vom Starken befreien (Ps 35,10), Blinde sehend machen (Ps 146,8), Menschen in Not befreien (Ps 34,7) und Waisen und Witwen helfen (Ps 68,6); für diese und weitere Beispiele vgl. Moore 1977: 346; Kratz 1998: 100 Anm. 89; Moatti-Fine 2005: 323.  Zur Umformulierung von Aktion zu Reaktion vgl. auch Kratz 1998: 100.

3.4 Epistula Ieremiae

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Jes 44,17; 45,20; 46,7, und zwar jeweils im Kontext eines Gebets.⁵⁸⁴ Es geht also in diesem Abschnitt nicht um die allgemeine Handlungsmacht der Götter, sondern um ihre Unfähigkeit, auf Handeln und Bitten ihrer Verehrer zu antworten.⁵⁸⁵ Aus diesem Grund werden ihre Verehrer beschämt werden (V.38).Wie sich zeigen wird, spielt die Unfähigkeit der Bilder-Götter, auf Handeln und Bitten ihrer Verehrer zu antworten, im götterpolemischen Diskurs eine wichtige Rolle, da so die kultischen Handlungen der Verehrer als nutzlos und letztlich irrational dargestellt werden können (s.u. 5.4). Nach den vorangehenden, jeweils mit feststellenden Schlussfolgerungen (V.14.22.28) abgeschlossenen Abschnitten beginnt mit diesem Abschnitt der durch Fragen (V.39.44.49.51.56) gegliederte Teil von EpJer.⁵⁸⁶ Die Fragen zielen darauf, dass die Leser selbst eine Antwort formulieren können und also aktiv die Lehre aus dem Text ziehen. Sie sind damit in EpJer Teil des Erkenntnisprozesses, der in den vorangehenden Refrain-Versen als Ziel genannt wird: „Habt ihr also daraus erkannt …“ (V.28). Erkenntnis hilft gegen die Verehrung der Bilder-Götter, und diese Erkenntnis lässt sich aus dem schlussfolgern, was man im Zusammenhang mit den Bilder-Göttern beobachten kann. Diese didaktische Struktur und die Rolle der Erkenntnis darin erinnert an weisheitliche Texte.⁵⁸⁷ Der konkrete Inhalt von V.29 – 39 scheint hingegen nicht aus weisheitlichen Texten zu schöpfen.

3.4.2.7 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 40 – 44 (40) ἔτι δὲ καὶ αὐτῶν τῶν Χαλδαίων ἀτιμαζόντων αὐτά, οἵ ὅταν ἴδωσιν ἐνεὸν οὐ δυνάμενον λαλῆσαι, προσενεγκάμενοι τὸν Βῆλον ἀξιοῦσιν φωνῆσαι, ὡς δυνατοῦ ὄντος αὐτοῦ αἰσθέσθαι, () καὶ οὐ δύνανται αὐτοὶ νοήσαντες καταλιπεῖν αὐτά, αἴσθησιν γὰρ οὐκ ἔχουσιν.

() Überdies verunehren sie die Chaldäer selbst, die, wenn sie einen Stummen sehen, der nicht reden kann, (ihn) herbeibringen (und) den Bel bitten, dass er einen Laut von sich gebea, als ob es ihm möglich wäre, wahrzunehmen; () und sie können, (selbst) wenn sie (es) bemerken, sie nicht verlassen, denn sie haben keine Erkenntnis.

 In Jes 45,20; 46,7 wird das Beten im Anschluss an eine Prozession erwähnt (ähnlich EpJer 5); die Aussage, dass die Götter nicht retten, steht also in einem kultischen Kontext. Dass die Unfähigkeit zu retten sich darauf bezieht, dass die Götter Gebete nicht beantworten, wird in Jes 46,7b besonders deutlich: ‫„( ַאף־יְִצַעק ֵאָליו ְול ֹא ַיֲע ֶנה ִמ ָצּ ָרתוֹ ל ֹא יוֹ ִשׁיֶענּוּ‬auch schreit man zu ihm, und er antwortet nicht, aus seiner Not rettet er einen nicht“).  Daher sind atl. Texte wie Dtn 32,39; 1 Sam 2,6 – 10; Jes 45,7 nur bedingt als Vergleichstexte geeignet. Eine Ausnahme bildet hier vielleicht das Ein- und Absetzen der Könige in V.33.  S.o. 3.4.2.1 zum Aufbau von EpJer.  S.o. 3.4.2.1 mit Anm. 533.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

() αἱ δὲ γυναῖκες περιθέμεναι σχοινία ἐν ταῖς ὁδοῖς ἐγκάθηνται θυμιῶσαι τὰ πίτυρα· () ὅταν δέ τις αὐτῶν ἐφελκυσθεῖσα ὑπό τινος τῶν παραπορευομένων κοιμηθῇ, τὴν πλησίον ὀνειδίζει, ὅτι οὐκ ἠξίωται ὥσπερ καὶ αὐτὴ οὔτε τὸ σχοινίον αὐτῆς διερράγη.

() Die Frauen aber sitzen mit sich umgelegten Schnüren an den Wegen (und) räuchern Kleie. () Und wenn eine von ihnen abgeschleppt wird von einem der Vorübergehenden (und) mit ihm geschlafen hat, schmäht sie die Nachbarin, dass sie nicht geehrt wurde wie sie und ihre Schnur nicht zerrissen wurde. () πάντα τὰ γινόμενα αὐτοῖς ἐστι ψευδῆ· πῶς () Alles, was mit ihnen (= den Göttern) geοὖν νομιστέον ἢ κλητέον ὥστε θεοὺς αὐτοὺς schieht, ist trügerisch. Wie also (kann man) ὑπάρχειν; meinen oder behaupten, dass sie Götter seien? a

Möglich ist auch, Bel als Objekt von προσενεγκάμενοι zu verstehen, der dann zum Stummen gebracht würde; auch das Subjekt von φωνῆσαι ist uneindeutig (der Stumme oder Bel?), vgl. Kratz :  Anm. ; Moatti-Fine : .

Nachdem in V.38 die Beschämung der Verehrer aus V.25 wiederholt wurde, folgt nun in V.40 noch die Beschämung der Bilder-Götter (ἀτιμάζω), die wie in V.25 (ἀτιμία) durch die Kultpraxis ihrer Verehrer entehrt werden.⁵⁸⁸ Auffällig ist in diesem Abschnitt die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Verehrern und BilderGöttern, die bereits in Ps 135,18 begegnete (s.o. 3.3.2.1). In EpJer 40 – 44 finden sich verschiedene Hinweise auf diese Beziehung zwischen Verehrern und Bilder-Göttern. So wird das in V.33 f zur Formulierung der Handlungsunfähigkeit der BilderGötter gehäuft auftretende δύναμαι in V.40 f wieder aufgenommen (in V.40 auch δυνατός), bezieht sich nun aber auch auf die Verehrer.Weiter erinnert die Aussage, dass der Stumme nicht reden kann (οὐ δυνάμενον λαλῆσαι, V.40), an V.7, wo von den Göttern gesagt wurde, dass sie nicht reden können (οὐ δύνανται λαλεῖν).⁵⁸⁹ Ein Stummer wird also zu einem Stummen gebracht. Vor dem Hintergrund dieser polemischen Strategie ist es wohl nicht zufällig, dass in V.40 Subjekt und Objekt nicht immer klar zuzuordnen sind. Die in diesem Abschnitt geschilderten kultischen Vorgänge werden häufig als Hinweis auf die besondere Sachkenntnis des Verfassers und die gezielte Ausrichtung der Polemik auf babylonische Verhältnisse in Anspruch genommen. Nur hier in EpJer wird ein Gott beim Namen genannt. Atl. götterpolemische Texte bleiben in Bezug auf die gemeinten Götter meist eher unbestimmt. Bel ist aber derjenige, der unter den babylonischen Göttern am häufigsten genannt wird (Jes 46,1; Jer 50,2; 51,44 MT; BelDr); seine Erwähnung in V.40 setzt also keine über die atl. Polemik hinausreichende Kenntnis babylonischer Religion voraus. Das Räuchern von Kleie (V.42) ist als babylonische Praxis nicht bezeugt und nur in

 Auf die Verbindung zwischen V.40 und V.25 weist Moatti-Fine 2005: 324 hin.  Mit Moatti-Fine 2005: 325; Brooke 2007: 118.

3.4 Epistula Ieremiae

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griechischen Quellen belegt.⁵⁹⁰ Der in V.42 f beschriebene Brauch erinnert an einen Bericht Herodots (1,199), nach dem in Babylonien sich jede Frau einmal im Leben im Tempel der Ischtar prostituieren müsse.⁵⁹¹ Anders als in EpJer ist bei Herodot von Räuchern nicht die Rede, und die Frauen tragen die Schnüre um den Kopf (στέφανον […] θώμιγγος).⁵⁹² Nichtsdestoweniger sind die Gemeinsamkeiten frappierend:⁵⁹³ In beiden Fällen wird der Brauch als ein Beispiel für eine schändliche babylonische Sitte beschrieben; Frauen sitzen mit Schnüren angetan an Wegen,⁵⁹⁴ auf denen Männer vorübergehen, die sich eine Frau zum Beischlaf auswählen. Auch die Konkurrenz zwischen den Frauen – je eher sie ausgewählt werden, desto besser – kommt in beiden Texten zur Sprache. Das Zerreißen der Schnur in V.43 deutet darauf hin, dass auch in EpJer an eine einmalige Handlung gedacht ist.⁵⁹⁵ Der von Herodot beschriebene Brauch ist jedoch außerhalb polemischer Zuschreibungen nicht belegt und dürfte auch kaum jemals praktiziert worden sein.⁵⁹⁶ Da auch andere griechische Autoren den Bericht Herodots aufgreifen,⁵⁹⁷ halte ich es für wahrscheinlich, dass der Verfasser von EpJer davon

 Zu griechischen Parallelen für das Räuchern von Kleie vgl. Kellermann 1979: 30 – 35.  „Der folgende Brauch verstößt am meisten gegen den Anstand bei den Babyloniern: Jede Babylonierin muß sich einmal in ihrem Leben in den Tempel der Aphrodite setzen und einem fremden Manne hingeben. […] Sie sitzen im Tempel der Aphrodite und tragen eine fadengeflochtene Binde um den Kopf. […] Schnurgerade Gassen ziehen sich kreuz und quer durch die Reihen der Wartenden, und die fremden Männer schreiten hindurch und wählen aus. […] Die Schönen und Stattlichen kommen sehr schnell davon, die Häßlichen unter ihnen aber müssen lange warten und kommen nicht dazu, den Brauch zu erfüllen“ (Übersetzung: Feix 1963: 185).  Mit diesen Unterschieden begründen Naumann 1913: 20 und Moore 1977: 348, dass EpJer nicht von Herodot abhängig sein könne; zudem sei in EpJer nicht von allen Frauen die Rede.  Vgl. dazu Stark 2006: 20, die für EpJer mit einer literarischen Abhängigkeit von Herodot rechnet.  Bei Herodot spielt sich das Ganze in einem Tempelareal ab, es ist aber ebenfalls von Wegen (ὁδοί) zwischen den Frauen die Rede, auf denen die Männer vorbeigehen.  Vgl. zum Zerreißen der Schnur Naumann 1913: 23, der allerdings vermutet, das Umlegen der Schnur könne auf einen älteren Brauch zurückgehen, der auch bei gewerbsmäßiger Prostitution beibehalten wurde. Da in EpJer von Bezahlung nicht die Rede ist, sollte der beschriebene Brauch aber nicht vorschnell mit Prostitution in Zusammenhang gebracht werden.  Vgl. schon skeptisch Naumann 1913: 20 f. Herodots Glaubwürdigkeit wurde schon in der Antike angezweifelt, vgl.Wilhelm 1990: 506 f.Vgl. auch Stark 2006: 12– 16 und Budin 2008: 58 – 92 zur literarischen Konstruktion des Berichts. Zur angeblichen Kultprostitution im Alten Orient s.o. Anm. 550.  Vgl. den Bericht bei Strabo 16,1,20, den Naumann 1913: 19 f synoptisch mit Herodot darstellt und für von Herodot abhängig hält. Bei Strabo zeigen sich – wie in EpJer – kleine Variationen gegenüber Herodot; so basiert der Brauch nach Strabo auf einem Orakelspruch. Zu den von Herodot abhängigen Berichten bei Strabo sowie bei Lukian. Syr.D. 6 vgl. Budin 2008: 94– 103.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

zumindest indirekt Kenntnis hatte und EpJer 42 f von diesem Gerücht über die Promiskuität babylonischer Frauen in kultischem Kontext inspiriert ist. In V.44 werden nicht die Bilder-Götter selbst als „trügerisch“ (ψευδῆ) beschrieben wie in V.7 (Jer 10,14; Jes 44,20). Vielmehr charakterisiert der Begriff hier die Handlungen an den Göttern. Dass die Kultpraxis der Verehrer – hier wohl insbesondere das in V.40 – 43 Beschriebene – die Götter abwertet, ist ein Argument, das in dieser Form in älterer atl. Götterpolemik nicht begegnet. Die Abwertung der Bilderverehrer in V.41 hingegen nimmt mit dem Vorwurf der Erkenntnislosigkeit ein Element älterer Götterpolemik auf. Wie anhand von Jes 44,18.19 f; Jer 10,8.14 gezeigt wurde, hat diese Aussage einen weisheitlichen Hintergrund. Es fällt auf, dass der Sprachgebrauch in V.41 dem Proverbienbuch entspricht, wo mit νοέω das hebräische ‫ בין‬wiedergegeben wird und αἴσθησις im Sinne von „Erkenntnis“ als Übersetzung von ‫ ַדַּעת‬verwendet wird.⁵⁹⁸ Ganz anders wird αἴσθησις z. B. bei Philo verwendet, der den Begriff mit der üblichen Bedeutung „Sinneswahrnehmung“ als der Weisheit entgegengesetzt begreift.⁵⁹⁹ In EpJer dagegen ist Erkenntnis (αἴσθησις) wie in der Weisheitsliteratur etwas, das aus Wahrnehmung folgen sollte. Die Belspriester entsprechen in ihrer Erkenntnislosigkeit dem Menschen aus Jes 44, der über die Beschaffenheit seines Götterbildes Bescheid weiß (Jes 44,14– 17), daraus aber nicht die richtigen Schlüsse – sein Götterbild ist ein Holzklotz (V.19), es ist Trug (‫ ֶשֶׁקר‬, V.20) – zieht. Ebenso sehen die Belspriester, dass ihr Gott stumm ist und den Stummen nicht heilen kann, wenden sich aber nicht von ihm ab.

3.4.2.8 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 45 – 51 (45) ὑπὸ τεκτόνων καὶ χρυσοχόων κατεσκευασμένα εἰσίν· οὐθὲν ἄλλο μὴ γένωνται ἢ ὃ βούλονται οἱ τεχνῖται αὐτὰ γενέσθαι. () αὐτοί τε οἱ κατασκευάζοντες αὐτὰ οὐ μὴ γένωνται πολυχρόνιοι. () πῶς τε δὴ μέλλει τὰ ὑπ᾽αὐτῶν κατασκευασθέντα εἶναι θεοί; κατέλιπον γὰρ ψεύδη καὶ ὄνειδος τοῖς ἐπιγινομένοις.

() Von Handwerkern und Goldschmieden wurden sie angefertigt, nichts anderes werden sie, als was die Künstler wollen, dass sie werden. () Und die, die sie anfertigen, sind nicht dauerhaft. () Wie soll es denn sein, dass die von ihnen Angefertigten Götter seien? Ja, Trug und Schmach haben sie (= die Hersteller) den Nachkommen hinterlassen.

 Darauf weisen Naumann 1913: 35 und Moatti-Fine 2005: 325 hin.  Nach Migr. 5 ist αἴσθησις kein Modus der Gotteserkenntnis; in Cher. 41 steht sie im Gegensatz zu σοφία und ἐπιστήμη; in Leg. 2,49 f zu νοῦς, ἀρετή und σοφία τοῦ θεοῦ (auf diese Stellen und weitere Verwendungen verweist Delling 1933: 186 f).

3.4 Epistula Ieremiae

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() ὅταν γὰρ ἐπέλθῃ ἐπ᾽αὐτὰ πόλεμος καὶ κακά, βουλεύονται πρὸς ἑαυτοὺς οἱ ἱερεῖς ποῦ συναποκρυβῶσι μετ᾽αὐτῶν. () πῶς οὖν οὐκ ἔστιν αἰσθέσθαι ὅτι οὔκ εἰσι θεοί, οἳ οὔτε σῴζουσιν ἑαυτοὺς ἐκ πολέμου οὔτε ἐκ κακῶν;

() Wenn nämlich Krieg und Unheil über sie (= die Götter) kommt, beraten die Priester für sich selbst, wo sie sich mit ihnen verstecken (sollen). () Wie also ist es möglich, nicht wahrzunehmen, dass nicht Götter sind diejenigen, die sich selbst nicht retten weder vor Krieg noch vor Unheil? () ὑπάρχοντα γὰρ ξύλινα καὶ περίχρυσα καὶ () Ja, von denen, die Hölzerne und Vergoldete περιάργυρα γνωσθήσεται μετὰ ταῦτα ὅτι ἐστὶ und Versilberte sind, wird nach diesen (Ausψευδῆ; τοῖς ἔθνεσι πᾶσι τοῖς τε βασιλεῦσι führungen) erkannt werden, dass sie trügerisch φανερὸν ἔσται ὅτι οὔκ εἰσι θεοὶ ἀλλὰ ἔργα sind. Allen Völkern und den Königen wird ofχειρῶν ἀνθρώπων, καὶ οὐδὲν θεοῦ ἔργον ἐν fenbar sein, dass sie keine Götter sind, sondern αὐτοῖς ἐστι. Werke von Menschenhänden, und dass kein Werk Gottes in ihnen ist. () τίνι οὖν οὐ γνωστέον ἐστὶν ὅτι οὔκ εἰσι θεοί; () Wem ist also nicht erkennbar, dass sie keine Götter sind?

Die Themen der Herstellung der Götterbilder und ihrer Unfähigkeit, sich selbst zu retten, sind im Vorangehenden bereits begegnet.⁶⁰⁰ Neu etwa gegenüber V.7– 14 wird nun ausgeführt, was es bedeutet, dass die Bilder-Götter von Menschen hergestellt sind. Diese Überlegungen zur Beziehung zwischen Hersteller und Hergestelltem können an ältere atl. Texte anknüpfen. Dass das Hergestellte (oder Geschöpf) dem Willen des Herstellers (oder des Schöpfers) unterworfen ist, wird im AT meist am Beispiel von Töpfer⁶⁰¹ und Ton dargestellt. Obwohl in V.45 nicht von einem Töpfer, sondern von den klassischen Götterbilder-Herstellern (τεχνίτης = ‫ ָח ָרשׁ‬und χρυσοχόος = ‫צוֹ ֵרף‬, vgl. Jer 10,9; Jes 40,19; 41,7) die Rede ist, erinnert die beschriebene Vollmacht des Herstellers stark an die atl. Töpfermetaphorik.⁶⁰² Dies wird hier mit dem götterpolemischen Thema der Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den Bilder-Göttern und den mit ihnen assoziierten Menschen verbunden, das bereits in EpJer 40 – 44 und (ebenfalls im Hinblick auf die Hersteller) in Ps 115,8a// 135,18a begegnete. Doch steht in V.46 f nicht die Abwertung der Hersteller oder Verehrer im Vordergrund; vielmehr wertet die Herstellung durch Menschen die

 Die typischen Begriffe für die Bilderherstellung begegnen nur hier und in V.7– 11, vgl. τέκτων (V.7.45) und κατασκευάζω (V.8.45 f); auf den Bezug weist auch Brooke 2007: 118 hin. Ähnlich wie in V.11– 14 (V.11: οὐ διασῴζονται) wird auch in V.45 – 51 im Anschluss an die Herstellung ausgeführt, dass die Götter sich selbst nicht retten können (οὔτε σῴζουσιν ἐαυτούς, V.49).  Der Töpfer tritt als Hersteller von Götterbildern erst in Sap in Erscheinung. Dazu und zur Töpfermetaphorik im AT s.u. 4.4.7.1.  Vgl. z. B. Jer 18,4b (‫ ְו ָשׁב ַו ַיֲּע ֵשׂהוּ ְכִּלי ַאֵחר ַכֲּא ֶשׁר ָי ַשׁר ְבֵּעי ֵני ַהיּוֵֹצר ַלֲעשׂוֹת‬, „und er [= der Töpfer] machte es wieder zu einem anderen Gefäß, wie es in den Augen des Töpfers recht war zu tun“); Sir 36,13a (ὡς πηλὸς κεραμέως ἐν χειρὶ αὐτοῦ πλάσαι αὐτὸ κατὰ τὴν εὐδοκίαν αὐτοῦ, „Wie der Lehm eines Töpfers in seiner Hand, ihn zu formen nach seinem Gutdünken“).

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

Bilder-Götter ab:⁶⁰³ Sind die Hersteller vergänglich, so können auch die Hergestellten nur vergänglich sein.⁶⁰⁴ Für die Verbindung der Themen, die in V.45 – 51 an die Herstellung angeschlossen werden, dürften Jer 16,19 – 21 und 2 Kön 19,18 f (//Jes 37,19 f) Pate gestanden haben.⁶⁰⁵ Da V.45 – 51 nicht nur in der Verknüpfung von Aussagen, sondern auch bis in manche Formulierungen hinein diesen Texten sehr nahe kommen, vermute ich, dass es sich um eine literarische Aufnahme handelt. V.47

Menschen können keine Götter herstellen. (rhetorische Frage) Götterverehrer haben Trug geerbt. V. f Die Bilder-Götter retten sich nicht vor dem Krieg. V.

Jer , (‫)ֲה ַיֲע ֶשׂה־לּוֹ ָא ָדם ֱאל ִֹהים ְוֵה ָמּה ל ֹא ֱאל ִֹהים‬

Jer , (‫)ַאְך־ ֶשֶׁקר ָנֲחלוּ ֶהֶבל ְוֵאין־ ָבּם מוִֹעיל‬  Kön , – ; ,. f: Die Götter retten ihr Land und sich selbst nicht, sie werden im Krieg zerstört. Es kann erkannt werden, dass die Jer , (‫) ְוי ֹאְמרוּ ַאְך־ ֶשֶׁקר‬ Götter Trug sind. Alle Völker und Könige werden er- Jer , –  (‫באוּ ֵמַאְפֵסי־ָא ֶרץ ְוי ֹאְמרוּ‬ ֹ ‫)ֵאֶליָך גּוֹיִם ָי‬ kennen,  Kön , (‫) ְו ֵי ְדעוּ ָכּל־ַמְמְלכוֹת ָהָא ֶרץ‬⁶⁰⁶ dass die Bilder keine Götter sind, Jer , (‫) ְוֵה ָמּה ל ֹא ֱאל ִֹהים‬  Kön , (‫) ִכּי ל ֹא ֱאל ִֹהים ֵה ָמּה‬ sondern Werke von Menschen Kön , (‫) ִכּי ִאם־ַמֲע ֵשׂה ְי ֵדי־ָא ָדם‬ hand.

Während aber in Jer 16,21 (‫ ) ְו ָי ְדעוּ ִכּי־ ְשִׁמי יהוה‬und 2 Kön 19,19 (‫ְו ֵי ְדעוּ ]…[ ִכּי ַא ָתּה יהוה‬ ‫ )ֱאל ִֹהים ְלַב ֶדָּך‬die Völker Jhwh erkennen, betrifft die Erkenntnis der Völker nach EpJer 50 f ausschließlich die Bilder-Götter. Eine positive Gotteserkenntnis ist damit nicht verbunden. Wie in anderen götterpolemischen Texten auch ist die Argumentation gegen die Götter nicht einfach umkehrbar in eine Argumentation für den einen Gott. Die Jhwh-Erkenntnis aller Völker ist offenbar nicht Zielpunkt in diesem Szenario. Dass die Adressaten des Briefes auf den Gott des AT vertrauen, scheint vorausgesetzt (vgl.V.5); jedenfalls wird keine Überzeugungsarbeit in diese

 Dazu s.u. 5.2.3.  Mit Kratz 1998: 105. Es wäre auch denkbar, dass die Überlegung in V.45 – 47 Hos 8,6 (‫ְוהוּא ָח ָרשׁ‬ ‫ )ָע ָשׂהוּ ְול ֹא ֱאל ִֹהים הוּא‬ausführt; dort ist der Zusammenhang zwischen Herstellung und „Nicht-GottSein“ allerdings völlig offen.  Einzelne Themen kommen auch in anderen götterpolemischen Texten vor, z. B. dass sich die Götter im Kriegsfall nicht retten können in Jes 46,1 f (vgl. bei Kratz 1998: 105; Moatti-Fine 2005: 327); der Ausdruck „Werke von Menschenhand“ begegnet noch in Ps 115,4//135,15; Dtn 4,28; 2 Chr 32,19 (und vgl. 2 Kön 22,17); um Völker und Könige geht es auch in Jer 10,7 (allerdings in anderem Zusammenhang).  Und vgl. auch 2 Kön 19,15: Jhwh ist allein Gott für alle Königreiche der Erde (‫ַא ָתּה־הוּא ָהֱאל ִֹהים‬ ‫)ְלַב ְדָּך ְלֹכל ַמְמְלכוֹת ָהָא ֶרץ‬.

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Richtung geleistet und entsprechende Passagen aus Jer 16 und 2 Kön 19 nicht übernommen. Denkbar ist auch, dass Verfasser und Adressaten den Optimismus von 2 Kön 19 bezüglich Jhwhs rettendem Eingreifen im Krieg nicht (mehr?) teilen. Dieser Abschnitt unterscheidet sich im Aufbau von den vorangehenden durch die ausführliche Schlussfolgerung. Die Aussage- und Frageform begegnen hier zusammen. Die Aussage ist zudem erweitert: Nicht nur die Leser des Textes werden erkennen, dass die Bilder-Götter keine Götter sind (vgl.V.22.28), sondern auch alle Völker und Könige.

3.4.2.9 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 52 – 56a (52) βασιλέα γὰρ χώρας οὐ μὴ ἀναστήσωσιν οὔτε () Denn den König des Landes stellen sie ὑετὸν ἀνθρώποις οὐ μὴ δῶσιν gewiss nicht auf, noch geben sie den Menschen Regen. () κρίσιν τε οὐ μὴ διακρίνωσιν αὐτῶν οὐδὲ μὴ () Sie sprechen ihnen auch gewiss kein Recht ῥύσωνται ἀδικούμενον ἀδύνατοι ὄντες· noch retten sie einen, dem Unrecht geschieht, denn sie sind unfähig/ohnmächtig. () ὥσπερ γὰρ κορῶναι ἀνὰ μέσον τοῦ οὐρανοῦ () Ja a, sie sind wie Krähen zwischen Himmel καὶ τῆς γῆς. καὶ γὰρ ὅταν ἐμπέσῃ εἰς οἰκίαν θεῶν und Erde. Und wenn nämlich Feuer den Tempel ξυλίνων ἢ περιχρύσων ἢ περιαργύρων πῦρ, οἱ der hölzernen oder vergoldeten oder versilberμὲν ἱερεῖς αὐτῶν φεύξονται καὶ διασωθήσονται, ten Götter befällt, werden ihre Priester fliehen αὐτοὶ δὲ ὥσπερ δοκοὶ μέσοι κατακαυθήσονται. und sich retten, sie aber werden wie Balken mittendrin verbrennen. () βασιλεῖ δὲ καὶ πολεμίοις οὐ μὴ ἀντιστῶσι. () Einem König und Feinden widerstehen sie gewiss nicht. () πῶς οὖν ἐκδεκτέον ἢ νομιστέον ὅτι εἰσὶ () Wie also (kann man) annehmen oder meiθεοί; nen, dass sie Götter sind? a

Viele Handschriften lassen hier γάρ weg (vgl. Gö z.St.), wodurch das Vorangehende ἀδύνατοι ὄντες zusammen mit dem Folgenden gelesen werden kann, wie auch Vg liest (quia nihil possunt sicut corniculae inter medium caeli et terrae); so übersetzen z. B. Moore :  und die Einheitsübersetzung.

In V.52 f wird ausgeführt, inwiefern „kein Werk Gottes in ihnen“ (V.50), nämlich den Bilder-Göttern, ist: Für Königtum, Fruchtbarkeit des Landes und Recht zu sorgen, sind typische Aufgaben einer altorientalischen Gottheit.⁶⁰⁷ Wer diese „Gotteswerke“ nicht tun kann, verdient nicht, „Gott“ genannt zu werden: Den sogenannten Göttern wird vorgeworfen, ihre staatstragenden und auf gesellschaftlicher Ebene lebenserhaltenden Aufgaben nicht zu erfüllen. Für die Formulierung in V.52 f waren offenbar nicht babylonische Verhältnisse, sondern atl. Tradition  Vgl. Kratz 1998: 105 mit Anm. 113.

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ausschlaggebend: In Babylonien spielt der Regen aufgrund der Kanal-Landwirtschaft eine untergeordnete Rolle,⁶⁰⁸ doch begegnet das Thema des Regens in atl. Götterpolemik häufiger als Alleinstellungsmerkmal des Schöpfers und Erhalters gegenüber anderen Göttern.⁶⁰⁹ In Jer 14,22 wird den Göttern der Völker die Fähigkeit, Regen zu spenden, ebenfalls abgesprochen: ‫„( ֲה ֵישׁ ְבַּהְבֵלי ַהגּוֹיִם ַמ ְג ִשִׁמים‬Gibt es [etwa] unter den Nichtsen der Völker Regenspender?“, Jer 14,22aα). Die Verwendung des Regen-Motivs in EpJer 52 entspricht der für jüngere götterpolemische Texte typischen Weise (s.u. 5.3): Die Fähigkeit, Regen zu geben, bezieht sich nicht auf ein einzelnes Volk, sondern kommt der Menschheit (ἀνθρώποις, V.52) zugute,⁶¹⁰ und sie dient als Kriterium des „wahren“ Gottes. V.54 f führen das Thema des Kriegsfalls aus V.48 f fort.Wie V.48 f könnten auch diese Verse an 2 Kön 19 anknüpfen: Nach 2 Kön 18,33 – 35; 19,12 konnten die Götter der Völker ihr Land nicht vor den Königen von Assur retten, und nach 2 Kön 19,18 wurden die Bilder-Götter von den einfallenden Feinden verbrannt. Es scheint mir daher wahrscheinlich, dass der Tempelbrand in V.54 im Kontext der expliziten Verweise auf Kriegsgeschehen in V.48 f.55 ebenfalls in diesem Zusammenhang zu verstehen ist.Wenn in V.52 f die Verantwortung der Götter für ihr Land thematisiert wird, so fällt auf, dass in V.54 f (anders als in 2 Kön 18 f) gerade nicht angesprochen wird, dass die Bilder-Götter ihr Land im Kriegsfall nicht beschützen können. Stattdessen steht wieder (vgl. V.11– 14.49) der Vorwurf im Vordergrund, dass die Bilder-Götter sich selbst nicht retten können. Vielleicht zeigt sich darin die Berücksichtigung der (zumindest fiktiven) Exilsituation, in der sich ein Vorwurf analog zu 2 Kön 18,33 – 35; 19,12 zu offensichtlich als Bumerang erweisen könnte. Etwas rätselhaft steht dazwischen der Satz „Ja, sie sind wie Krähen zwischen Himmel und Erde“ (V.54). Weder lässt sich für Krähen eine besonders negative Konnotation nachweisen,⁶¹¹ noch – wenn man das vorangehende ἀδύνατοι ὄντες dazunimmt (vgl. Textanm. a) – ist ersichtlich, warum sie als exemplarisch unfähig

 Wichtiger für babylonische Gottheiten ist daher auch die Fähigkeit, Wasser von unten zu geben und Flüsse anschwellen zu lassen; vgl. etwa die Liste der entsprechenden Gebetsanreden Marduks in Oshima 2011: 453 f.  Vgl. Ps 135,7; Jer 10,13; 1 Kön 18; Jer 5,24; Jer 14,22.  Vgl. zur Unfähigkeit der Götter, zum Wohl der Menschen (Dat. Pl.) zu handeln, auch EpJer 63; in EpJer 63.65 werden die drei Elemente aus V.52 f wieder aufgenommen.  Negativ konnotiert treten Krähen oder Raben (κορώνα dürfte hier mit ‫ עֹ ֵרב‬gleichzusetzen sein, vgl. Jer 3,2; mit Kratz 1998: 106 Anm. 114) z. B. in Jes 34,11 (Tiere des verwüsteten Landes); Lev 11,15//Dtn 14,15 (unreine Tiere); Prov 30,17 (hacken Augen aus) auf; vgl. Kratz 1998: 106. Auch können Krähen in der Landwirtschaft Schaden anrichten,vgl. Jub 11,11– 24 (und für entsprechende babylonische Texte Weszeli 2006 – 2008: 211). Dem stehen allerdings Stellen gegenüber, in denen die Raben in (göttlichen) Dienst genommen werden (Gen 8,7; 1 Kön 17,4.6) oder von Gott versorgt werden (Hi 38,41; Ps 147,9), so dass sie nicht per se als abscheuliche Tiere gelten können.

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gelten sollten.⁶¹² Im Zusammenhang mit dem Vorwurf, die Bilder-Götter seien nicht in der Lage, ihre gesellschaftlichen Aufgaben wahrzunehmen, könnte der Vergleich mit „Krähen zwischen Himmel und Erde“ darauf zielen, die Bilder-Götter außerhalb der menschlichen Zivilisation zu verorten. Krähen sind Tiere der Wildnis, und die Luft „zwischen Himmel und Erde“ ist in atl. Texten kein Ort, von dem aus jemand handeln kann.⁶¹³ Weisheitliche Elemente lassen sich in diesem Abschnitt nicht erkennen.

3.4.2.10 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 56b–64 (56b) οὔτε ἀπὸ κλεπτῶν οὔτε ἀπὸ λῃστῶν οὐ μὴ διασωθῶσι θεοὶ ξύλινοι καὶ περιάργυροι καὶ περίχρυσοι, () ὧν οἱ ἰσχύοντες περιελοῦνται τὸ χρυσίον καὶ τὸ ἀργύριον καὶ τὸν ἱματισμὸν τὸν περικείμενον αὐτοῖς ἀπελεύσονται ἔχοντες, οὔτε ἑαυτοῖς οὐ μὴ βοηθήσωσιν;

(b) Weder vor Dieben noch vor Räubern können sich die hölzernen und mit Silber und mit Gold überzogenen Götter retten, () denen die, die es vermögen, ringsum wegnehmen werden das Gold und Silber und die Kleidung, die ihnen umgelegt ist, (und) damit a davongehen, und sie (= die Götter) helfen sich selber gar nicht. () ὥστε κρεῖσσον εἶναι βασιλέα ἐπιδεικνύ() So dass es besser ist, ein König zu sein, der μενον τὴν ἑαυτοῦ ἀνδρείαν ἢ σκεῦος ἐν οἰκίᾳ seine eigene Tapferkeit erweist, oder ein Gerät, χρήσιμον, ἐφ᾽ᾧ χρήσεται ὁ κεκτημένος, ἢ οἱ das im Haus nützlich ist, wenn der Besitzer es ψευδεῖς θεοί ἢ καὶ θύρα ἐν οἰκίᾳ διασῴζουσα τὰ gebraucht, als die trügerischen Götter, oder ἐν αὐτῇ ὄντα ἢ οἱ ψευδεῖς θεοί, καὶ ξύλινος eine Tür im Haus, die bewahrt, was darin ist, als στῦλος ἐν βασιλείοις ἢ οἱ ψευδεῖς θεοί. die trügerischen Götter, und (besser ist) eine hölzerne Säule in Königspalästen als die trügerischen Götter. () ἥλιος μὲν γὰρ καὶ σελήνη καὶ ἄστρα ὄντα () Sonne und Mond und Sterne nämlich, λαμπρὰ καὶ ἀποστελλόμενα ἐπὶ χρείας εὐήκοά leuchtend und ausgesandt in den Dienst, sind εἰσιν gehorsam. () ὡσαύτως καὶ ἀστραπή, ὅταν ἐπιφανῇ, () Ebenso ist auch der Blitz, wenn er aufεὔοπτός ἐστιν τὸ δ᾽αὐτὸ καὶ πνεῦμα ἐν πάσῃ scheint, gut sichtbar. Desgleichen weht auch χώρᾳ πνεῖ· der Wind in jedem Land, () καὶ νεφέλαις ὅταν ἐπιταγῇ ὑπὸ τοῦ θεοῦ () und wenn den Wolken aufgetragen ist von ἐπιπορεύεσθαι ἐφ᾽ὅλην τὴν οἰκουμένην, συν- Gott über die ganze Erde zu ziehen, führen sie τελοῦσι τὸ ταχθέν· den Auftrag aus.

 Vgl. Ball 1913: 608; Moore 1977: 352 („a most inappropriate adjective to apply to the wily crow – as every farmer and hunter well knows“). Gerade diese Charakterisierung spricht auch dagegen, Jub 11 mit dieser Textstelle in Verbindung zu bringen, vgl. Teeter 2013: 383 f.  Teeter 2013: 382 Anm. 42 sieht in dieser Lage „a position of helplessness“, vgl. den „zwischen Himmel und Erde“ hängenden Absalom in 2 Sam 18,9. Allenfalls ein Engel kann von einem Ort „zwischen Erde und Himmel“ aus handeln, vgl. 1 Chr 21,16; häufiger ist dies aber eine Durchgangsstation, vgl. Ez 8,3; Sach 5,9.

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() τό τε πῦρ ἐξαποσταλὲν ἄνωθεν ἐξαναλῶσαι ὄρη καὶ δρυμοὺς ποιεῖ τὸ συνταχθέν. ταῦτα δὲ οὔτε ταῖς ἰδέαις οὔτε ταῖς δυνάμεσιν αὐτῶν ἀφωμοιωμένα ἐστίν. () ὅθεν οὔτε νομιστέον οὔτε κλητέον ὑπάρχειν αὐτοὺς θεούς, οὐ δυνατῶν ὄντων αὐτῶν οὔτε κρίσιν κρῖναι οὔτε εὖ ποιεῖν ἀνθρώποις. () γνόντες οὖν ὅτι οὔκ εἰσιν θεοί, μὴ φοβηθῆτε αὐτούς. a

() Auch das Feuer, das von oben herausgeschickt wurde, zu zerstören Berge und Wälder, macht das Angeordnete. Jene aber sind weder ihren Erscheinungen noch ihren Kräften ähnlich. () Weshalb man nicht glauben oder behaupten soll, dass sie Götter seien, denn sie sind nicht fähig, Recht zu sprechen noch den Menschen Gutes zu tun. () Habt ihr also erkannt, dass sie keine Götter sind, (so) fürchtet sie nicht!

Wörtl. „als Besitzende“.

Nachdem in V.55 festgestellt wurde, dass die Bilder-Götter sich gegen Feinde nicht wehren können, werden in V.56b noch die Räuber genannt (vgl. schon V.14.17), vor denen sich die Bilder-Götter ebenfalls nicht retten können. V.57 formuliert allgemeiner, dass „die, die (es) vermögen“ (οἱ ἰσχύοντες) ihre Ausstattung entwenden,⁶¹⁴ so dass darin auch die Priester aus V.9.32 mit gemeint sein können. Die Darstellung der Priester als eigennützige Räuber entspricht der Darstellung babylonischer Priester in BelDr. Die Bezeichnung der die Götterbilder Beraubenden als οἱ ἰσχύοντες weist zudem auf die folgenden Ausführungen voraus: Andere haben Kraft, die Bilder-Götter hingegen vermögen nichts. Die in V.58 folgende Aufzählung von Dingen, die besser sind als die BilderGötter, basiert formal auf dem weisheitlichen Vergleichsspruch (… ‫)טוֹב … ִמן‬⁶¹⁵ und beinhaltet den Vorwurf, dass „die trügerischen Götter“ (οἱ ψευδεῖς θεοί) im Unterschied zu den genannten Gegenständen⁶¹⁶ ihren Zweck nicht erfüllen. Es fällt auf, dass die Vergleichsobjekte den Bereich des Königtums hervorheben (εἶναι

 Was den Götterbildern ringsum angebracht worden war (περίκειμαι,V.23.57), wird ihnen nun ringsum weggenommen (περιαιρέω, V.57). V.56b.57 setzen sich fast vollständig aus Elementen zusammen, die im Vorangehenden erwähnt wurden und bringt so die Unfähigkeit der Götter, sich selbst zu helfen, auf den Punkt: Die Götter können sich nicht retten (διασῷζω,V.10.56); sie sind mit Gold und Silber angetan (V.7.57), das ihnen entwendet wird (V.9.57); sowie mit Kleidung (ἱματισμός, V.11.19.57), die ihnen ebenfalls weggenommen wird (V.32.57); sie können sich aber nicht wehren (V.13 f.33.57).  Darauf weisen Kratz 1998: 106; Moatti-Fine 2005: 328 hin. Ball 1913: 608 nennt für die Formulierung insbesondere Prov 21,9 (Konstruktion mit Infinitiv) und Prov 19,1 (Konstruktion mit Partizip).  Inhaltlich speist sich die Aufzählung aus dem Vorangehenden, vgl. zum tapferen König V.55 (und ferner V.13 f); zum nützlichen Gefäß (σκεῦος) V.15; zur diebessicheren Tür V.17; zur hölzernen Säule die Balken in V.19.54, vgl. Kratz 1998: 106.

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βασιλέα – ἐν βασιλείοις).⁶¹⁷ Das passt zu V.50, wonach gerade auch die Könige erkennen sollen, dass die Bilder-Götter keine Götter sind. Götterpolemik aus königsfreundlicher Perspektive (der König ist gut, nur die Götter sind falsch) begegnet auch in Dan 6 und BelDr. Der König als impliziter Adressat passt auch zur weisheitlichen Form von V.58, da Könige auch in anderen weisheitlichen Belehrungen angesprochen werden.⁶¹⁸ Den „trügerischen Göttern“ werden in V.59 – 62 die Himmelsphänomene gegenübergestellt, die gehorsam ausführen, was Gott befohlen hat.⁶¹⁹ Diese Beschreibung erinnert an weisheitlich geprägtes Schöpferlob, wie es sich insbesondere in Sir 43,1– 22 findet:⁶²⁰ Gottes Schöpfungswerke handeln auf seinen Befehl (πρόσταγμα, Sir 39,16; ὑπακούω, Sir 42,23), sie tun ihren Dienst (χρεία, Sir 39,21; 42,23; vgl. EpJer 59).Wer die Werke sieht, soll den Schöpfer preisen (Sir 43,11), denn Gott ist noch größer als seine Werke (Sir 43,28). Kleinere Einheiten dieses weisheitlichen Aussagezusammenhangs sind bereits in Jes 40,26 und, in einen götterpolemischen Text integriert, in Jer 10,13⁶²¹ begegnet (s.o. 2.2.3.1.1; 3.2.3.1.1). Anders als an all diesen Stellen wird jedoch in EpJer 59 – 62 das Schöpferlob nicht expliziert und die Himmelskörper nicht (wie in Jes 40,26) als Geschöpfe Gottes dargestellt. Die Bilder-Götter werden nicht mit dem Schöpfergott kontrastiert. Vielmehr werden sie gegenüber den Gott unterstellten Himmelsphänomenen abgewertet, an deren kraftvolle und beeindruckende Erscheinung die BilderGötter nicht im geringsten heranreichen (V.62). Dass die Himmelsphänomene selbst keine Götter sind und nicht verehrt werden sollen, ist hier nicht Gegenstand der Polemik.

 Während sich die hölzernen Balken aus V.19.54 im Tempel befinden, handelt es sich bei der Säule aus V.58 explizit um eine Säule des Königspalastes. Auch bezeichnet οἰκία hier nicht unbedingt wie sonst in EpJer den Tempel; das Gefäß, das von seinem Käufer/Besitzer verwendet wird, passt m. E. besser in einen Haushalt. Schon Ball 1913: 608 fragt zu diesem Vers: „But why a ‚king‘ and not rather a ‚man‘, i. e. any one whatever?“; seine Überlegungen gehen allerdings in eine andere Richtung.  Vgl. Prov 31,1– 9 sowie die ägyptischen Königslehren; auch nach Prov 1,1.8 lässt sich das Folgende als Unterweisung des jungen Königs verstehen.  Vgl. ἀποστέλλω,V.59; ἐξαποστέλλω,V.62; ἐπιτάσσω,V.61; τάσσω,V.61; συντάσσω,V.62; auf die Häufung von -τάσσω macht auch Moatti-Fine 2005: 329 aufmerksam.  Vgl. auch Ps 104; Hi 9,1– 10; 38,1– 42,6.  Vgl. dazu Thomas 2008: 556.560, der von einer direkten literarischen Abhängigkeit ausgeht.

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3.4.2.11 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 65 – 68 (65) οὔτε γὰρ βασιλεῦσιν οὐ μὴ καταράσωνται οὔτε μὴ εὐλογήσωσι. () σημεῖά τε ἐν ἔθνεσιν ἐν οὐρανῷ οὐ μὴ δείξωσιν οὐδὲ ὡς ὁ ἥλιος λάμψουσιν οὐδὲ φωτίσουσιν ὡς ἡ σελήνη.

() Denn weder verfluchen noch segnen sie Könige. () Zeichen unter den Völkern a lassen sie gewiss nicht am Himmel erscheinen und sie leuchten nicht wie die Sonne und scheinen nicht wie der Mond. () τὰ θηρία ἐστὶ κρείσσω αὐτῶν, ἃ δύνανται () Die Wildtiere sind besser als sie, die durch ἐκφυγόντα εἰς σκέπην ἑαυτὰ ὠφελῆσαι. Entfliehen in Schutz sich selbst helfen können. () κατ᾽οὐδένα οὖν τρόπον ἐστὶν ἡμῖν φανερὸν () In keiner Weise also ist uns offenbar, dass ὅτι εἰσὶ θεοί· διὸ μὴ φοβηθῆτε αὐτούς. sie Götter sind. Deshalb fürchtet sie nicht! a

Viele Textzeugen bekunden Schwierigkeiten mit ἐν ἔθνεσιν ἐν οὐρανῷ und ergänzen entweder die Kopula (so z. B. der Alexandrinus) oder lesen „den Völkern am Himmel“ (z. B. Vetus Latina: in coelo gentibus; Origenes-Rezension: τοῖς ἔθνεσιν ἐν οὐρανῷ; Lukian-Rezension: σημεῖα ἐν οὐρανῷ οὐ μὴ δείξωσιν ἔθωεσιν).

Die Unterlegenheit der Götter gegenüber den Himmelsphänomenen wird in diesem Abschnitt am Beispiel von Sonne und Mond (V.66, vgl.V.59) fortgeführt⁶²² und damit verknüpft, dass die Götter keine Zeichen am Himmel bewirken. Diese Aussage ist aus Jer 10,2 (vgl. ἐθνῶν/σημείων τοῦ οὐρανοῦ) aufgenommen und passt einerseits gut in einen babylonischen Kontext, in dem die Astrologie und die Beziehung zwischen Göttern und Himmelskörpern eine wichtige Rolle spielte.⁶²³ Den Göttern wird hier jede Verbindung mit den Himmelskörpern abgesprochen:⁶²⁴ Sie haben keine Macht über diese und stehen auch nicht in einer Ähnlichkeitsbeziehung zu ihnen. Andererseits geht aus dem Text nicht hervor, dass sich die Polemik spezifisch gegen babylonische Theologie richtet. Weder die Beziehung zwischen Göttern und Himmelskörpern noch eine Göttlichkeit der Himmelskörper wird explizit angesprochen oder polemisch bestritten. Vielmehr zielt die Argumentation auf die Unterlegenheit der Bilder-Götter, wie sich insbesondere darin

 Vgl. Brooke 2007: 119.  S.o. zu Jer 10,2 (3.2.3.2.2). In diesem Sinn schon Naumann 1913: 27; die Abhängigkeit von Jer 10,2 nehmen auch Moore 1977: 356; Kratz 1998: 107 an. Dass die Götter die Zeichen nicht bewirken, ergibt sich in Jer 10,2 aus dem Kontext. Moatti-Fine 2005: 66 weist darauf hin, dass δείκνυμι außer in V.66 in EpJer (nur) noch in V.3 begegnet, wo es darum geht, dass die Götter die Völker Furcht lehren. V.3.66 verarbeiten so je unterschiedliche Aspekte aus Jer 10,2. Hinter der seltsamen Formulierung von EpJer 66 (vgl. Textanm. a) könnte aber auch die Vorstellung aus Dtn 4,19 stecken, dass die Himmelszeichen für die Völker sind.  Vgl. Kratz 1998: 107.

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zeigt, dass nicht nur die Himmelsphänomene, sondern auch die Wildtiere (V.67) als den Göttern überlegen angeführt werden.⁶²⁵ Wie V.58 (κρεῖσσον) formuliert V.67 (κρείσσω) mit dem Komparativ von ἀγαθός; der Satzbau entspricht in V.67 aber nicht einem weisheitlichen Vergleichsspruch.

3.4.2.12 Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer 69 – 72 (69) ὥσπερ γὰρ ἐν σικυηράτῳ προβασκάνιον οὐδὲν φυλάσσον, οὕτως οἱ θεοὶ αὐτῶν εἰσι ξύλινοι καὶ περίχρυσοι καὶ περιάργυροι. () τὸν αὐτὸν τρόπον καὶ τῇ ἐν κήπῳ ῥάμνῳ, ἐφ᾽ἧς πᾶν ὄρνεον ἐπικάθηται, ὡσαύτως δὲ καὶ νεκρῷ ἐρριμμένῳ ἐν σκότει ἀφωμοίωνται οἱ θεοὶ αὐτῶν ξύλινοι καὶ περίχρυσοι καὶ περιάργυροι. () ἀπό τε τῆς πορφύρας καὶ τῆς μαρμάρου τῆς ἐπ᾽αὐτοῖς σηπομένης γνώσεσθε ὅτι οὔκ εἰσιν θεοί· αὐτά τε ἐξ ὑστέρου βρωθήσονται, καὶ ἔσται ὄνειδος ἐν τῇ χώρᾳ.

() Ja, wie eine Scheuche im Gurkenbeet, die nichts schützt, so sind ihre Götter, hölzern und mit Gold und mit Silber überzogen. () In derselben Weise (sind sie) auch einem Dornstrauch im Garten, auf dem jeder Vogel sitzt, und ebenso einem ins Dunkel geworfenen Toten ähnlich, ihre hölzernen und mit Gold und Silber überzogenen Götter. () An dem Purpur und dem Marmor a, der auf ihnen verfault, werdet ihr erkennen, dass sie keine Götter sind, und sie werden später verzehrt werden und es wird eine Schande sein im Land. () κρείσσων οὖν ἄνθρωπος δίκαιος οὐκ ἔχων () Besser also ein gerechter Mensch, der εἴδωλα, ἔσται γὰρ μακρὰν ἀπὸ ὀνειδισμοῦ. keine Götterbilder hat, denn er wird fern von Schande sein. a

Da Marmor nicht verfaulen kann und auch nicht zum „Purpur“ passt, nimmt Ball : . einen Übersetzungsfehler an (‫ ֵשׁשׁ‬II, „Alabaster“, statt ‫ ֵשׁשׁ‬III, „Leinen“); ihm folgen Naumann : ; Gunneweg :  Anm. r; Kellermann : ; Kratz :  Anm.  u. a. Anders Wright :  f. Gegen den Einwand von Moatti-Fine :  f, es sei nicht ersichtlich, warum der Übersetzer das seltenere (und unpassende) Homonym gewählt haben sollte, lässt sich mit Torrey :  und Kellermann :  f vermuten, dass der Begriff als Hebraismus in einem aramäischen Text gestanden haben könnte und dem aramäisch sprechenden Übersetzer nicht geläufig war.

Mit einer Reihe von Vergleichen kommt EpJer zum Abschluss. V.69 nimmt den Vergleich (‫ ) ְכֹּתֶמר ִמְק ָשׁה ֵה ָמּה‬aus Jer 10,5⁶²⁶ auf, der gut in den Kontext der Polemik gegen die Bilder-Götter als leblose materielle Gegenstände passt. Προβασκάνιον

 Hier wird nochmals aufgegriffen, dass die Götter sich selbst nicht helfen können (vgl. zuletzt V.56 f; die Unfähigkeit der Bilder-Götter zu fliehen wurde bereits in V.49.54 thematisiert).  Dass der Verfasser hier Jer 10,5 MT benutzt, sehen schon Ball 1913: 610; Naumann 1913: 45; Moore 1977: 357 u. a. M. E. ist Jer 10,5 aber anders zu verstehen, s.o. 3.2.1 Textanm. f und auch Roth 1975: 41 Anm. 58.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

bezeichnet ein magisches Schutzmittel; vielleicht denkt der Verfasser hier an hölzerne Priapussäulen, die nach griechischem Brauch zu diesem Zweck verwendet wurden.⁶²⁷ Falls das Schutzmittel gegen Tiere gedacht ist, könnte V.69 thematisch an V.67 (τὰ θηρία) anknüpfen und würde in V.70 (ὄρνεον) weitergeführt. Der Vergleich von Götterbildern mit Schreckmitteln (terricula) findet sich auch bei Lucilius (15,490). Es wäre daher möglich, dass sich der Verfasser auf eine verbreitete Analogie bezieht und die ältere Götterpolemik in Jer 10,5 mithilfe außerbiblischer Diskurse über Götterbilder interpretiert. Die Schande der Bilder-Götter und ihrer Verehrer wurde in EpJer bereits angesprochen.⁶²⁸ Neu in V.71 ist, dass es um ein noch ausstehendes (ἐξ ὑστέρου) Zuschandenwerden geht.⁶²⁹ Dies erinnert an die den Bilder-Göttern angedrohte Heimsuchung in Jer 10,15 und – im Zusammenhang mit dem Land (ἐν τῇ χώρᾳ) – an die Unheilsankündigung über Babylon und seine Götter in Jer 50 – 51. Dort begegnet explizit das Zuschandenwerden (‫ בושׁ‬Hi.) der Götter (Jer 50,2). V.72 beschließt im Anschluss daran (ὄνειδος, V.71 – ὀνειδισμός, V.72) die Polemik mit einer Sentenz im Stil eines weisheitlichen Vergleichsspruchs (vgl. V.58).⁶³⁰ Dies entspricht formal der Konklusion einer weisheitlichen Lehrrede.⁶³¹ Die Formulierung von V.72 lässt vermuten, dass an den Menschen aus Jer 10,14a// 51,17a gedacht ist:⁶³² ‫( ִנְבַער ָכּל־ָא ָדם ִמ ַדַּעת הִֹבישׁ‬) Als dumm erweist sich jeder Mensch, der fern ist von Erkenntnis; ‫ ָכּל־צוֹ ֵרף ִמ ָפֶּסל‬beschämt steht jeder Feinschmied da vom Götterbild

Dem ἄνθρωπος δίκαιος steht der dumme Mensch (‫ ) ִנְבַער ָכּל־ָא ָדם‬gegenüber, der fern von Erkenntnis ist (‫ִמ ַדַּעת‬, vgl. γνώσεσθε, V.71). Der Feinschmied mit Götterbild (‫) ֶפֶּסל‬

 So Duhm 1901: 100 und Ball 1913: 610, der auf Hor. sat. 1,8,1– 4a verweist. Dort wird ein hölzerner Priapus genannt, der als magischer Schutz aufgestellt wird (deus inde ego, furum aviumque / maxima formido, „Ein Gott bin ich seitdem, der größte Schrecken für die Diebe und die Vögel“, Z. 3 f, Text und Übersetzung: Fink 1999: 68 f).  Vgl. V.25.47.  Vgl. zum Begriff der Schande in V.71 f noch Kratz 1998: 108; Brooke 2007: 120.  Mit Kratz 1998: 108. Da der Vergleichspunkt nicht ausgeführt ist, halten Ball 1913: 611 und ihm folgend Moore 1977: 357 V.72 für „an apparently lame conclusion“. Moatti-Fine 2005: 303 sieht den Vers in Spannung zum Rest des Briefes, da er sich nicht auf die Exilsituation bezieht.  Langs Charakterisierung der typischen Abschlüsse der Lehrreden in Prov trifft auch auf den Schluss von EpJer zu: „Den Abschluß der Lehrrede bilden Hinweise auf die Folgen weisen oder unweisen Verhaltens; dabei wird von der Mahnung in der zweiten Person auf die dritte Person gewechselt: von der Appellation zur Demonstration, von der Anrede zur Feststellung. Diese Feststellungen tragen gnomenartigen Charakter – vermutlich greift der Weisheitslehrer hier auf vorgegebene Formulierungen der weisheitlichen Tradition zurück“ (Lang 1972: 33 f).  Auf Jer 10,14(a) verweist hier auch Kratz 1995: 12 Anm. 18; Kratz 1998: 108.

3.4 Epistula Ieremiae

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wird zuschanden (‫הִבישׁ‬ ֹ ), während der gerechte Mensch ohne Götterbilder (οὐκ ἔχων ⁶³³ εἴδωλα) fern von Schande (μακρὰν ἀπὸ ὀνειδισμοῦ) ist. Beide Texte basieren so auf einem gemeinsamen Schema: Auf der Seite des Guten stehen Erkenntnis bzw. Erkenntnis und Gerechtigkeit, und fern davon (ἀπό/‫ )ִמן‬sind Götterbilder und Schande angesiedelt, die unweigerlich zusammengehören. Dieses bipolare Schema ist für den götterpolemischen Diskurs grundlegend (s.u. 5.4.1) und öffnet zwischen erkennenden, gottesfürchtigen Menschen und erkenntnislosen Verehrern von BilderGöttern eine Kluft, die nicht überbrückt werden kann. Was auf den ersten Blick als etwas sperriger Schlussvers dieses Textes wirken mag, ist formal stimmig als Endpunkt einer weisheitlichen Lehrrede. Der Schluss von EpJer verbindet, wie EpJer insgesamt, prophetische Kritik an „babylonischen“ Bilder-Göttern (vgl. zu V.71 Jer 50,2 und zu V.72 Jer 10,14) mit weisheitlichen Formen.

3.4.2.13 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in EpJer Wie in Jer 10 sind in EpJer Jhwh-Verehrer angesprochen, die vor einer Angleichung an die Völker gewarnt werden. Ihnen wird die Torheit der Götterverehrung vorgeführt, nicht aber die Verehrung solcher Bilder-Götter vorgehalten. Die Polemik ist aus einer Beobachterperspektive formuliert; es wird nicht zu den Götterverehrern, sondern über sie gesprochen. Weder Verfasser noch Adressaten müssen sich dabei in Babylonien befinden: Nirgends erweist sich der Verfasser eindeutig als „Augenzeuge“ babylonischer Kulte; als Mahnung und Rüstzeug im Hinblick auf bevorstehende Bedrängnis durch Bilderkulte kann der Brief von Lesern in Palästina gelesen werden.⁶³⁴ In einigen Passagen dürfte die Polemik bei den Lesern Kenntnis biblischer Texte bzw. Vorschriften voraussetzen (V.27– 29); dies gilt aber nur für den kleineren Teil der polemischen Argumente. Die anvisierten Götter werden als babylonische Götter eingeführt. Namentlich genannt wird nur der Gott Bel, der im AT mehrfach erwähnt wird und den Adressaten (auch) aus dieser Tradition heraus bekannt sein kann. Die Beschreibungen des Aussehens, der erwarteten Wirkweise und des Kultes der Götter können sich auf babylonische Götter beziehen, sind aber nicht besonders spezifisch für diese. Auch die sich in V.59.66 bietende Gelegenheit, gegen babylonische Astraltheologie zu polemisieren, wird nicht explizit genutzt. Vielmehr werden Sonne und Mond positiv dargestellt, so dass eine Hochschätzung der Astrologie zu  Nur hier wird – wahrscheinlich in Anlehnung an Jer 10,14 – in EpJer ein Begriff für „Götterbild“ verwendet (εἴδωλα), während sonst durchgängig von θεοί die Rede ist.  Vgl. Doering 2012: 157: „Though such readers would not see themselves directly in exile, they would perceive the need to be prepared for the challenge of idolatry.“

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vermuten ist. Der „babylonische“ Charakter von Göttern und Kult dürfte zunächst darauf zurückzuführen sein, dass der Verfasser die jeremianische Fiktion aufrechterhalten möchte. Die dazu verwendeten Elemente setzen weniger spezifische Kenntnisse über babylonische Kulte als vielmehr literarische Bildung voraus. Verwendet werden Elemente atl. Götterpolemik, insbesondere auch aus der Daniel-Tradition. Die literarische Bildung (des Verfassers, oder erst der griechischen Überlieferer?) dürfte sich aber darüber hinaus erstrecken, wie die Ähnlichkeit von V.42 f zum Bericht des Herodot und vielleicht auch der Vergleich der Bilder-Götter mit Schreckmitteln in V.69 nahelegen. Die weitgehend offen gehaltene, aus einer reichen Tradition gespeiste polemische Beschreibung von Göttern, Kultpersonal und Ritualen erschwert eine präzise soziohistorische Einordnung der Polemik. Gerade diese Offenheit aber macht EpJer (wie auch andere götterpolemische Texte) zu einem Text, der es den antiken Rezipienten ermöglicht, die Polemik auf ihre jeweils eigene Situation anzuwenden, wie es das Fortbestehen des götterpolemischen Diskurses über persische, hellenistische und römische Zeit hinweg zeigt (s.u. 5.1). Die Polemik richtet sich gegen Götter, die in Gestalt von Kultbildern verehrt werden. Dabei oszilliert EpJer stets zwischen den Göttern und ihren Bildern. Die Götter (θεοί) werden als materielle Objekte beschrieben (ξύλινοι καὶ περίχρυσοι καὶ περιάργυροι), und es ist von ihnen sowohl als n. Pl. (Bilder) als auch m. Pl. (Götter) die Rede. So kann dieselbe Aufforderung, die Götter nicht zu fürchten, als μὴ οὖν φοβηθῆτε αὐτούς („Fürchtet sie [m. Pl.] also nicht!“,V.14) oder als μὴ οὖν φοβεῖσθε αὐτά („Fürchtet sie [n. Pl.] also nicht!“, V.22) formuliert sein. Durch die Verwischung der Differenz zwischen Gott und Gegenstand macht EpJer in der für die götterpolemischen Texte typischen Weise den „Bild-Gott“ zum Objekt der Polemik (s.u. 5.2.1). EpJer ist zum Teil von der LXX sprachlich sehr unabhängig (z. B. οἰκία für „Tempel“ in V.12.19 f.54; γνώριμος als Adjektiv in V.14), verfügt aber andererseits offenbar über breite Kenntnis atl. Götterpolemik, die an manchen Stellen mit wörtlichen Übereinstimmungen einhergeht. Der Text steht in der Nachfolge von Jer 10,1– 16, aus dem er sich aber sehr selektiv bedient. Während die Aufforderung aus Jer 10,5, die Bilder-Götter nicht zu fürchten, als refrainhafte Formel aufgenommen wird und Jer 10,2– 5.9.14 (und allenfalls noch Jer 10,6 in V.5 und Jer 10,15 in V.71) in EpJer verarbeitet werden, spielt die Jer 10 prägende Gegenüberstellung von Jhwh und den Göttern wie auch das Thema Schöpfung in EpJer keine Rolle.⁶³⁵  In V.59 – 62 begegnet Gott nicht als Schöpfer, sondern als Herrscher über die Himmelskörper. Insofern stimme ich der These von Thomas 2008, EpJer basiere auf dem kürzeren, der LXX zugrunde liegenden hebräischen Text von Jer 10, grundsätzlich zu, würde diesen Befund aber noch weiter differenzieren.

3.4 Epistula Ieremiae

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Weiter werden aus Jer die Briefform und die Verweildauer im Land aus Jer 29 aufgenommen, und Jer 16,19 – 21 wird in V.47– 51 verarbeitet (sowie möglicherweise Jer 22,28 in V.15). Auch die Polemik aus DtJes ist vorausgesetzt und klingt zum Teil im verwendeten griechischen Vokabular an.⁶³⁶ EpJer verbindet nun die aus DtJes und Jer 10 bekannte Polemik über die Herstellung der Götterbilder mit der Polemik aus Dan und BelDr. So wird z. B. an das Motiv, dass sich die Verehrer im Rahmen einer Prozession vor den Bilder-Göttern verneigen (V.5; vgl. auch Jes 46,6), die in Dan 3 und BelDr 4 f behandelte Problematik angeschlossen, ob man sich mit der Masse vor den Bilder-Göttern oder aber nur vor Jhwh verneigen soll. Auf das Aufstellen der Bilder in V.16 (vgl. Jes 40,20; 41,7; Jer 10,4) folgt eine Polemik gegen die in ihren Tempeln eingeschlossenen Götter (vgl. BelDr 1– 22). Am deutlichsten zeigt sich der Einfluss der Daniel-Traditionen auf die Polemik in EpJer vielleicht in der personellen Besetzung: Spielten die Handwerker noch die Hauptrolle in Jer 10 und DtJes (in EpJer nur V.7.45), stehen in EpJer die Priester (mit ihren Familien, V.32) und die Frauen als Haupttäter im Vordergrund, sowie, in einer positiv besetzten Rolle, die Könige. Darüber hinaus wurden in EpJer weitere Texte verarbeitet, wie z. B. Ex 23,20 – 23 in V.4– 6 und 2 Kön 19,18 f (zusammen mit Jer 16,19 – 21) in V.48 – 51. Es scheint, dass sich EpJer aus atl. Texten bedient, die über Götter der Völker handeln. Keine deutlichen Bezüge finden sich hingegen zu Texten, die die Götterverehrung durch Israeliten selbst anprangern (z. B. Dtn 32; 1 Kön 18).⁶³⁷ Die „Sünden“ (V.1) Israels gehören der Vergangenheit an. Eine Bezugnahme auf den dtn-dtr Fremdgötterdiskurs findet sich nur in der Einleitung V.1– 6. Es bestätigt sich damit, dass es sich bei dem untersuchten götterpolemischen Diskurs um einen Diskursstrang handelt, der als weitgehend getrennt vom dtn-dtr Fremdgötterdiskurs betrachtet werden kann. Mögliche Berührungspunkte mit weisheitlichen Diskursen fallen in EpJer zunächst auf formaler Ebene auf: Es handelt sich um einen didaktischen Text ähnlich einer weisheitlichen Lehrrede, wie die Erkenntnisaufforderungen in den Refrain-Versen und vor allem die Schlusssentenz zeigen. Typisch weisheitlich ist auch die Form der „Besser-als“-Sprüche, wie sie in V.58.72 begegnet. Die Beziehung zur Weisheit geht allerdings über bloße formale Anklänge hinaus. Innerhalb der Struktur einer auf Erkenntnis ausgerichteten Lehrrede finden sich einzelne inhaltliche Elemente, die als weisheitlich geprägt betrachtet werden können. Ein solches Element ist vermutlich in V.7 der unterschwellige Vergleich der Bilder-

 So werden z. B. die Götter in V.3 wie in Jes 46,7 auf Schultern getragen (αἴρω ἐπὶ τῶν ὤμων bzw. ἐπ᾽ ὤμοις) und die Verehrer der Götter werden in V.25 wie in Jes 42,17 beschämt (αἰσχύνω).  Allenfalls könnte Hos 8,6 in V.45 – 47 anklingen.

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Götter mit der „fremden Frau“, vor der in weisheitlichen Texten gewarnt wird. Eine weitere aus weisheitlichen Diskursen entlehnte Figur könnte der König (als impliziter Adressat in einer positiven Rolle, vgl. V.58) sein; dieser lässt sich jedoch auch von den Daniel-Traditionen her erklären. Prägender für EpJer sind m. E. weisheitliche Diskurse über Schöpfung und vor allem über Erkenntnis, die der Argumentation zugrunde liegen. So zeigen etwa die Vergleiche in V.58 – 64.69, dass die Bilder-Götter weder die Funktion von Göttern erfüllen noch, im Gegensatz zu Gegenständen und Geschöpfen, überhaupt eine Funktion haben. Ordnet man EpJer aufgrund der weisheitlichen Anklänge in einen weisheitlichen Diskurs ein, so verstärkt sich dieser Vorwurf vor dem Hintergrund eines Weltbildes, wie es etwa in Sir 39,16 – 41 entfaltet wird: Der weise Gott hat eine Welt geschaffen, in der alles seinen Platz und seine Funktion hat.⁶³⁸ Nur die Bilder-Götter fallen aus diesem System heraus: Sie haben keine Funktion, und – „wie Krähen zwischen Himmel und Erde“ (V.54) – auch keinen Platz in der geordneten Welt. Wie in anderen atl. götterpolemischen Texten, die in Beziehung zur Weisheit stehen, spielt in EpJer das Thema der Erkenntnis eine Rolle. Der Erkenntnismangel der Verehrer (hier: Priester) kommt in EpJer zwar nur an einer Stelle (V.41) vor, liegt aber klar auf der Linie der weisheitlich geprägten Götterpolemik Jes 44,18.19 f. Der Erkenntnismangel ist ein Problem der innerlichen Verarbeitung: Die Priester bemerken zwar die Wahrnehmungslosigkeit Bels, handeln aber nicht entsprechend, weil sie keine αἴσθησις haben. Wie in der Weisheitsliteratur ist αἴσθησις – anders als bei Philo – etwas, das aus Wahrnehmung folgen sollte. Der griechische Sprachgebrauch in V.41 entspricht damit dem Proverbienbuch (νοέω/‫בין‬, αἴσθησις/ ‫) ַדַּעת‬. Doch wichtiger als die Feststellung der Erkenntnislosigkeit der Götterhersteller und -verehrer, die in anderen atl. götterpolemischen Texten im Vordergrund steht, ist in EpJer die Aufforderung zur Erkenntnis. Inhalt der geforderten Erkenntnis ist, dass die Bilder-Götter keine Götter sind. Eine positiv formulierte Erkenntnis darüber, was etwa die babylonischen Götter und Götterbilder eigentlich sind, ist nicht Thema dieses götterpolemischen Diskurses (s.u. 5.4.1). Dies wird in EpJer auch daran deutlich, dass (bis auf V.72) gar keine Begriffe für „Götterbilder“ verwendet werden und die Bilder-Götter oft nur pronominal bezeichnet werden. Ebenso wenig geht es um eine positiv formulierte Erkenntnis Gottes. Jhwh wird den Bilder-Göttern – mit Ausnahme von V.5, und vgl. die implizite Kontrastierung in V.1.13 – nicht entgegengesetzt. Entsprechende Passagen in den in EpJer verarbeiteten Textstellen (z. B. Jer 10,6 – 16) werden in der Rezeption durch EpJer übergangen. EpJer zielt (wie auch andere götterpolemische Texte) nicht darauf, die

 Vgl. auch Prov 16,4; Sir 16,26 f.

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Völker zur Erkenntnis Gottes zu führen: Die zu erwartende Erkenntnis der Völker beschränkt sich auf die Einsicht, dass ihre Bilder-Götter keine Götter sind. Damit sollen die Völker letztlich dieselbe Erkenntnis vollziehen, die auch von den Lesern des Briefes gefordert wird. Erkannt werden soll, dass die Bilder-Götter nicht verehrungswürdig sind – ihre Würdelosigkeit zeigt sich z. B. an den Zuständen in ihren Tempeln (V.16.20 f) – noch über Handlungsmacht verfügen: Sie erfüllen nicht die Aufgabe eines Gottes (z. B. V.52 f) und reagieren nicht auf Handlungen ihrer Verehrer (z. B. V.33 – 40). Daraus folgt in EpJer vor allem, dass man diese Götter nicht zu fürchten braucht, vermutlich im doppelten Sinn: Weder soll man sie ehrfürchtig verehren, noch hat man von ihnen etwas zu befürchten. Dass die Handlungsunfähigkeit der BilderGötter auch bedeutet, dass man von ihnen keine Hilfe erwarten kann, wird anders als bei DtJes nicht besonders hervorgehoben.⁶³⁹ In DtJes basiert die Polemik auch darauf, dass sich die Menschen untereinander nicht helfen können (Jes 41,6) und die Verehrung von menschengemachten Göttern – im Gegensatz zur Verehrung Jhwhs – sie aus dieser menschlichen Hilflosigkeit nicht heraushebt (Jes 44,20). EpJer hingegen betont, dass die Bilder-Götter sich selbst nicht helfen können im Gegensatz zu Menschen und sogar zu Tieren, die sich sehr wohl selbst helfen können (V.54.58.67). Die Bilder-Götter in EpJer sind Menschen unterlegen und deren Willkür ausgeliefert (vgl. in Bezug auf Herstellung V.7.45; in Bezug auf ihre Sicherheit und ihre Habseligkeiten V.9.17.33.48.56 f). Diese Erkenntnis soll von den Lesern selbst erschlossen bzw. nachvollzogen werden, wie insbesondere die rhetorischen Fragen zeigen. Es wird nicht Bezug genommen auf (göttliche) Gebote oder auf einen Ursprung dieser Erkenntnis in der eigenen Geschichte. Der Erkenntnisweg ist die durch den Text vermittelte und angeleitete Beobachtung, aus der durch Vernunftgebrauch die richtigen Schlüsse gezogen werden sollen. EpJer setzt voraus, dass dieser Vernunftgebrauch eine allgemein-menschliche Fähigkeit ist, die zu identischen Ergebnissen in der Interpretation des empirischen Befundes (d. h. der in EpJer beschriebenen „babylonischen“ Verhältnisse) führen müsste: „Wem ist also nicht erkennbar, dass sie keine Götter sind?“ (V.51). Die Formulierung der Refrain-Verse impliziert die allgemeine Zugänglichkeit der Erkenntnis: Die Verehrungsunwürdigkeit der BilderGötter steht nach der Darstellung des Verfassers für jeden Menschen offensichtlich vor Augen. Die Verehrung solcher Götter ist damit völlig unverständlich und widerspricht der vernünftigen Erkenntnis. Dieser Gegensatz zwischen Göttervereh Zwar wird in V.35.53 festgestellt, dass die Bilder-Götter Menschen in Not nicht retten können (vgl. Jes 44,17; 45,20; 46,7). Häufiger aber wird betont, dass die Götter sich selbst nicht helfen können (V.11.14.49.56.57). Dementsprechend spielen Reflexivpronomen in EpJer eine tragende Rolle.

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rung und vernünftiger Erkenntnis wird in jüngeren götterpolemischen Texten weiter ausgebaut.

3.5 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Jer 10 und seiner Rezeption Die Reise durch die jeremianische Götterpolemik führt von der Anklage Israels und Judas, sie hätten sich nichtigen Göttern zugewandt, bis zum Vorwurf an die Babylonier, sie erkennten die Unwürdigkeit ihrer Verehrung nutzloser Bilder nicht. Wie schon in DtJes richtet sich die Polemik gegen Menschen; insbesondere gegen Hersteller (Jer 10,14; Ps 115,8//135,18) und neu gegen andere (religiöse) Fachleute wie Weise (Jer 10,6 – 10 MT) und Kultpersonal (EpJer). Die „Babylonisierung“ der Götterpolemik erweist sich in Jer 10 als ein sekundärer Vorgang und ist, wie auch EpJer nahelegt, wahrscheinlich Teil einer polemischen Strategie. Die Beschreibung der Bilder-Götter, ihrer Verehrer und ihrer Kulte lässt – auch dies wie in DtJes – keine präzise soziohistorische Verortung von Verfassern und Ziel der Polemik zu. Die Polemik spiegelt nicht eine Auseinandersetzung mit babylonischen Diskursen, sondern entwickelt sich vielmehr im Kontext atl. Diskurse über babylonische Kulte, Jhwhs Schöpfermacht und menschliche Erkenntnis. Die Anknüpfung an weisheitliche Diskurse erfolgt auf diesem Weg nicht kontinuierlich und die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik geschieht in Jer 10,12– 16 nicht ein für allemal, so dass sie von jüngeren Texten bloß übernommen würde. Jer 10,12– 16, der vermutlich älteste Teil von Jer 10,1– 16, knüpft zum einen an Jer 9,22 f und damit an die weisheitlich geprägte Reflexion über menschliche Weisheit und die Erkenntnis Jhwhs innerhalb von Jer an. Zum anderen beschreibt er Jhwh als Schöpfergott und verwendet dabei weisheitlich geprägte Formulierungen in Anlehnung an Prov 3,19 f. Diese weisheitlichen Elemente sind in Jer 10,12– 16 eng mit der Polemik gegen Götterbilder verbunden. Die (in Jer 10,12 f weisheitlich formulierte) Erkenntnis des Schöpfergottes ist es, die dem Götterhersteller fehlt. Seine leblosen Produkte geraten zum Affront gegen Gottes lebendige Schöpfung, sie beschämen den Hersteller und werden mit ihm zugrunde gehen. Als Schöpfergott steht Jhwh in Jer 10,16 den Götterbildern gegenüber. Nichts weist in Jer 10,14 f darauf hin, dass der Götterhersteller und seine Götterbilder außerhalb Israels zu suchen sind. Doch in V.16 werden die Bilder-Götter als Option für Israel deutlich zurückgewiesen: Jhwh ist es, der für sein Volk die Lebensgrundlagen bietet. Die folgenden Fortschreibungen setzen die weisheitliche Reflexion nicht fort. Jer 10,2– 3a wendet die Polemik aus Jer 10,15 gegen die Bräuche der Völker, verwendet dabei aber keine weisheitlich geprägten Elemente. Die Erwähnung der

3.5 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Jer 10 und seiner Rezeption

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Astraldivination in Jer 10,2 könnte darauf hinweisen, dass mit den Völkern speziell die Babylonier gemeint sind. Die Götterbilder aus V.12– 16 erscheinen so als babylonische Götterbilder. Eine analoge Deutung von Jer 10,12– 16 auf Babylon hin spiegelt sich in der Aufnahme dieser Verse in Jer 51,14– 17. Jer 10,3b–5 fasst ‫( ֶהֶבל‬Jer 10,3a) offenbar als Begriff für „Bild-Gott“ auf und schließt eine Polemik an, die deutlich von götterpolemischen Texten in DtJes beeinflusst ist. Über die Aufforderung, nicht zu fürchten (Jes 10,5), ist diese Fortschreibung mit Jer 10,2– 3a verbunden. Dass man sich weder vor den Himmelszeichen noch vor den Götterbildern fürchten soll, dürfte hier in einem engen gedanklichen Zusammenhang stehen: Die Götter, die den Babyloniern zufolge die Himmelszeichen schicken müssten, sind nur handlungsunfähige Bilder-Götter. Der vermutlich als nächstes eingefügte aramäische Vers Jer 10,11 bestätigt indirekt diese Identifizierung von Gott und Bild, da hier unvermittelt von den Bildern zu den Göttern (‫ )ֱאָלַה ָיּא‬gewechselt werden kann. Wie schon Jer 10,16 kontrastiert Jer 10,11 die Bilder-Götter mit dem Schöpfergott, wobei die Schöpfermacht hier zum Kriterium wahrer Göttlichkeit avanciert. Jer 10,9 findet sich in MT und LXX, allerdings an unterschiedlicher Stelle. Beide Textfassungen weisen auf einen sekundären Umgang mit V.9 hin: In der LXX steht der Vers an passender Stelle im Ablauf von Herstellung und Verehrung (zwischen V.5a und V.5b), unterbricht aber die Aufzählung zur Bewegungsunfähigkeit der Bilder-Götter (V.4.5a.5b, jeweils οὐ + Verb in der 3. Pl.). Im MT ist V.9 durch die (in der LXX nicht belegten) V.6 – 8.10 zu einer Wiederholung des Herstellungsvorgangs V.3 f ausgebaut. Ich nehme daher⁶⁴⁰ an, dass es sich bei Jer 10,9 ursprünglich um eine Randbemerkung zu Jer 10,3 f handelte, die am Gabelungspunkt der Vorläufer von MT und LXX je unterschiedlich in den Text eingearbeitet wurde. Dieser Vers enthält keine weisheitlichen Elemente, er konzentriert sich nochmals ganz auf die Polemik gegen Herstellung und Materialität der Götterbilder im Stil götterpolemischer Texte in DtJes und scheint insbesondere (wie Jes 46,6 f; und vgl. EpJer 24) auf die hohen Kosten der Götterbilder zu zielen. An Jer 10,9 zeigt sich m. E. sehr deutlich, dass eine lineare Entwicklung der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit nicht rekonstruiert werden kann. Denn die in der LXX nicht belegte und wahrscheinlich jüngste Fortschreibung Jer 10,6 – 10 trägt wieder (vgl. Jer 9,22 f; 10,12– 16) deutlich weisheitliche Züge. Die Nutzlosigkeit der Götterbilder und der Erkenntnismangel ihrer Hersteller muss in Jer 10,6 – 10 nicht mehr nachgewiesen werden. Vielmehr wird die Verantwortung für die Götterbilder den sogenannten Weisen der Völker (Jer 10,7.9 MT) zugeschrieben, die sich dadurch als Toren (‫בער‬/‫ )כסל‬erweisen. Die nach außen

 Für eine ausführlichere Argumentation s.o. 3.2.2.

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3 Jeremia 10 und verwandte Texte

gewendete Polemik gegen Bilder-Götter wird hier in eine Polemik gegen fremde Weisheit transformiert. Die Auseinandersetzung verschiebt sich von den BilderGöttern hin zum Verhältnis zwischen Jhwh und den Völkern. Statt Jhwhs Weltschöpfung steht nun seine Herrschaft über die Völker im Vordergrund. Seine Überlegenheit über die Bilder-Götter kann vorausgesetzt werden; in der Zuordnung der Götterbilder zu den Weisen der Völker zeigt sich jetzt deren Vernunftlosigkeit. Ob Ps 135 und EpJer diese Wendung von Jer 10 noch kennen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, da sie auch auf dem kürzeren Text Jer 10,1– 5a.9.5b.11– 16 (so die Vorlage der LXX) basieren könnten; allenfalls kann aus EpJer 5 geschlossen werden, dass Jer 10,6 (und damit Jer 10 MT) vorausgesetzt ist. Ps 135 zitiert Jer 10,13, greift aber keine explizit weisheitlichen Elemente auf. Die Formulierung der götterpolemischen Aussagen ist fast vollständig aus Ps 115 übernommen; nur ‫„( ַאף ֵאין ֶישׁ־רוּ ַח ְבִּפיֶהם‬auch ist kein Atem in ihrem Mund“) in V.17b verweist noch einmal auf Jer 10 (V.15). Zwar lassen sich von Ps 115 zu Ps 135 und hin zu Ps 135 LXX Entwicklungen in der Götterpolemik beobachten, diese betreffen aber nicht die Verbindung mit weisheitlichen Diskursen. Insbesondere fällt auf, dass Ps 135 die Möglichkeit einer Erkenntnis von Jhwhs Macht über Israel hinaus zu öffnen scheint, während in der LXX die Grenzen zwischen Jhwhs Volk und den die Götter verehrenden Völkern wieder schärfer gezogen werden. Ähnliche Entwicklungen einer Öffnung und anschließenden Einschränkung ließen sich bereits in DtJes beobachten (s.o. 2.4.4.1; 2.4.6.1). Auch EpJer nimmt wenig Weisheitliches aus Jer 10 auf; zu nennen ist vor allem der weisheitlich formulierte Vorwurf an die Priester, die die Unfähigkeit ihrer Bilder-Götter nicht erkennen (V.41) und denen darum ähnlich wie den Herstellern und Weisen in Jer 10 (und Jes 44,18.19 f) mangelnde Einsicht vorgeworfen wird. Ansonsten gestaltet sich die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit nicht nach dem Vorbild von Jer 10. Die Jer 10 prägende Gegenüberstellung von Jhwh und den Bilder-Göttern wie auch das Thema Schöpfung spielen in EpJer keine Rolle. Stattdessen wird in EpJer die Götterpolemik insgesamt in die weisheitliche Form einer Lehrrede gegossen. Diese zielt auf Einsicht in die Machtlosigkeit der BilderGötter und in die Lächerlichkeit ihres Kultes. Die Adressaten sollen dies anhand von Vergleichen und exemplarischen Schilderungen erkennen. Innerhalb dieser Lehrrede finden sich dann auch einzelne im götterpolemischen Diskurs bisher nicht verwendete weisheitliche Elemente wie die „Besser-als“-Sprüche in V.58.72. Durch sie wird in weisheitlich geprägter Form eine im götterpolemischen Diskurs geprägte Aussage – die absolute Nutzlosigkeit der Götterbilder – formuliert. Die Untersuchung von Jer 10 und seiner Rezeption in Ps 135 und EpJer legt nahe, dass die Verehrung von Bilder-Göttern zunehmend von Israel weg ausschließlich auf die Völker bezogen wurde. Die Bilderverehrung wird schließlich als

3.5 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Jer 10 und seiner Rezeption

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ein unsinniges Verhalten anderer Völker dargestellt, in dem sich ihre – auch intellektuelle – Unterlegenheit spiegelt. Der Erkenntnismangel der Götterverehrer im Hinblick auf den Schöpfergott und auf die Nutzlosigkeit ihrer eigenen BilderGötter wird dabei unter Verwendung weisheitlicher Diskurse über Schöpfung und Erkenntnis formuliert. Aussagen über Jhwhs Schöpfermacht (Jer 10,14) und über die Sinnhaftigkeit des von ihm durchwirkten Kosmos (EpJer 59 – 62) greifen auf einen weisheitlich geprägten Schöpfergott-Diskurs zurück. Auch die den Götterverehrern fehlende Erkenntnis ist innerhalb eines weisheitlichen Diskurses über Erkenntnis zu verstehen: Den Menschen, die mit Bilder-Göttern in Beziehung stehen, fehlt die korrekte kognitive Verarbeitung von Wahrnehmung (Jer 10,14; EpJer 41); sie gleichen dem weisheitlichen Toren (Jer 10,8 MT). In der didaktischen Struktur von EpJer wird ein weisheitlich geprägtes Konzept von Erkenntnis deutlich, die – anders etwa als die erinnernde Erkenntnis des dtn-dtr Fremdgötterdiskurses – individuell und gegenwärtig anhand der berichteten „empirischen“ Beobachtungen und basierend auf dem Gebrauch menschlicher Vernunft erfolgt. Wer Bilder-Götter verehrt, ist demnach nicht nur fern von Gotteserkenntnis (vgl. Jer 10,14), sondern fern von vernünftiger Erkenntnis überhaupt.

4 Sapientia Salomonis 4.1 Einleitende Bemerkungen Sap 12,23 – 15,19 ist der längste und komplexeste götterpolemische Text des AT. Er setzt die im Vorangehenden behandelten Texte voraus und verarbeitet sie. Dass es sich bei Sap insgesamt um ein sehr junges Buch handelt, zeigt sich nicht nur daran, dass atl. Bücher offenbar in ihrer griechischen Übersetzung benutzt werden.⁶⁴¹ Sprachliche und theologiegeschichtliche Gründe legen eine Entstehung in römischer Zeit nahe. Viele Begriffe teilt Sap nicht mit der LXX der protokanonischen Bücher, aber mit anderen zwischentestamentlichen Schriften.⁶⁴² Auch die Ähnlichkeiten mit Philo⁶⁴³ sprechen für die Datierung von Sap in römische Zeit. Die Nähe zu Philo, das Interesse an Ägypten und die Vertrautheit mit griechischphilosophischem Gedankengut werden zudem üblicherweise für die verbreitete Annahme angeführt, Sap sei in Alexandria entstanden.⁶⁴⁴ Obwohl dies nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kann,⁶⁴⁵ gehe ich für die Analyse der götterpolemischen Kapitel ebenfalls von Alexandria als Entstehungsort aus. Wie sich zeigen wird, bilden die Verhältnisse in Alexandria unter Augustus einen plausiblen Hintergrund für Sap 13 – 15. Die Kapitel 13 – 15 bilden in synchroner Perspektive einen Exkurs innerhalb von Sap. In diachroner Perspektive handelt es sich – wie im Folgenden zu begründen sein wird – um eine Fortschreibung, die vermutlich zu den jüngsten Teilen dieses Buches gehört. Der terminus ante quem für den Text in der uns vorliegenden Form ist dadurch gegeben, dass Paulus Sap, und zwar insbesondere auch die götterpolemischen Passagen, zu kennen

 Grimm 1860: 9 weist besonders auf 15,10 hin, wo Jes 44,20 in der (vom MT abweichenden) Version der LXX rezipiert wird.  Zur sprachlichen Nähe von Sap mit Texten aus der römischen Zeit vgl. Scarpat 1967; Kepper 1999: 40 – 73. Diskutiert werden insbesondere die Begriffe διάγνωσις (3,18; spricht nach Scarpat 1988 für eine Datierung um 40 n.; dagegen Hübner 1999: 17 f); κράτεσις (6,3; spricht nach Scarpat 1989 – 99: I 16 f für eine Datierung nach 30 v.; zur Kritik vgl. Kepper 1999: 48 f; Kurzewitz 2010: 39); αὐθέντης (12,6; Dihle 2000: 45: ab dem späten 1. Jh. v.); θρησκεία (14,8; Reese 1970: 8; Gilbert 1973: 130f: ab Augustus; weitere Belege bei Kurzewitz 2010: 40 mit Anm. 61); σέβασμα (14,20; 15,17; Reese 1970: 8: ab dem 1. Jh. v.); weitere Begriffe listet Winston 1981: 22 f Anm. 33 auf.  Vgl. dazu Larcher 1969: 151– 178. Heinisch 1912: XXIII spricht sich dagegen für eine frühere Entstehung aus, da der Verfasser von Sap die Logoslehre Philos offenbar noch nicht kenne.  So z. B. schon Grimm 1860: 19 f, der die Abfassung in Alexandria bereits als „jetzt so gut wie allgemein anerkannt“ bezeichnet. Anders unter den Neueren nur Georgi 1980: 396.  Dass die Indizien nicht zwingend auf Alexandria weisen, moniert zu Recht Dochhorn 2013: 291; vgl. auch die Vorbehalte von Kepper 1999: 25– 27.202 f.

4.2 Der götterpolemische Exkurs im Buchkontext

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scheint.⁶⁴⁶ Auf weitere Anhaltspunkte für eine Datierung der götterpolemischen Kapitel werde ich innerhalb der Textanalysen zurückkommen. Im Hinblick auf die Beziehung von Götterpolemik und Weisheit ist Sap aus zwei Gründen ein besonders wichtiger Text: Zum einen lässt sich hier beobachten, wie sich Ansätze aus Jer 10 und DtJes weiter entwickelt haben, und zum anderen begegnet uns hier erstmals⁶⁴⁷ ein götterpolemischer Text innerhalb eines genuin weisheitlichen Buches. Von daher ist nun nicht mehr die Frage, ob sich hier götterpolemische und weisheitliche Diskurse berühren. Vielmehr soll im Folgenden untersucht werden, welche Elemente weisheitlicher Diskurse im Zusammenhang mit Götterpolemik verwendet werden und wie sich diese auf den götterpolemischen Diskurs auswirken.

4.2 Der götterpolemische Exkurs im Buchkontext Sap besteht – darüber herrscht unter Exegeten grundsätzlich Einigkeit – aus drei Hauptteilen (1– 6; 6 – 9/10; 10/11– 19) und zwei Exkursen (11– 12; 13 – 15).⁶⁴⁸ Teil I wendet sich an die Herrschenden (1,1; 6,1– 9.21) und thematisiert das kontrastierende Schicksal der Gottlosen und des Gerechten. Teil II (ab 6,22) ist als Rede Salomos über die Weisheit formal und inhaltlich klar von Teil I und Teil III abgegrenzt.⁶⁴⁹ Nach der im Abschluss von Teil I ergangenen Aufforderung an die

 In seiner Untersuchung der Beziehungen zwischen Sap und den Paulusbriefen kommt Larcher 1969: 19 zum Schluss, dass eine literarische Abhängigkeit nicht nachgewiesen werden kann, es aber sehr wahrscheinlich scheint, dass Paulus Sap kannte („on a l’impression que Paul a lu notre livre, gardé dans sa mémoire les idées maîtresses des principaux développements, certaines idées ou même certains termes“). Dies gilt besonders für Röm 1,18– 32 (vgl. Lucas 2010: 80 – 82); zu Übereinstimmungen in der Behandlung der Verehrung falscher Götter in Sap und bei Paulus vgl. Grafe 1892: 270 – 274.  Davor nur die kurze Bemerkung Sir 30,19.  Vgl. Winston 1981: 10 – 12; Schmitt 1989: 7 f; Engel 1990: 92– 95; Hübner 1999: 22– 24 u. a. Reese 1965: 393 kommt auf vier Hauptteile, weil er die beiden Exkurse (die auch er als „digressions“ bezeichnet) als Teil III zählt. Wright 1967: 168 f unterscheidet nur zwei Hauptteile, unterteilt den ersten Hauptteil aber ebenfalls in die zwei Teile 1– 6 und 6– 10. Zu älteren Gliederungsvorschlägen, die bis auf wenige Ausnahmen die Zäsuren ebenfalls zwischen den drei Hauptteilen und zwei Exkursen setzen, vgl. Pfeiffer 1949: 321 f. Umstritten ist in der gegenwärtigen Forschung die genaue Abgrenzung dieser Einheiten,v. a. die Zuordnung der Überleitungen, sowie der Aufbau der einzelnen Teile.  Zur Abgrenzung durch die Verwendung der 1. Sg. und die häufige Nennung der Weisheit vgl. auch Hübner 1999: 88f, der allerdings trotzdem das in der 3. Person formulierte Kap. 10 diesem Buchteil zuschlägt. Dass der Ich-Erzähler als König Salomo zu verstehen ist, zeigt sich an der Charakterisierung als König in 7,5; 9,7.12 und als Erbauer des Tempels in 9,8.

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4 Sapientia Salomonis

Herrschenden,Weisheit zu erlangen (6,9.21), wird in Teil II genauer auf Wesen und Ursprung der Weisheit⁶⁵⁰ eingegangen. Kap. 10 verbindet Teil II und Teil III:⁶⁵¹ Die in 9,18 angekündigte Rettung der Menschen durch die Weisheit (τῇ σοφίᾳ ἐσώθησαν) wird anhand einer der Geschichte Israels entnommenen Beispielreihe (vgl.Teil III) entfaltet.⁶⁵² Ab Kap. 10 setzt auch die für Teil I und III charakteristische Unterscheidung zwischen δίκαιος und ἀσεβεῖς wieder ein, die sich auch für den götterpolemischen Exkurs als bedeutsam herausstellen wird.⁶⁵³ Teil III setzt zunächst die Geschichte Israels chronologisch fort: Die Episode von Massa-Meriba (11,4) schließt an den Durchzug durch das Schilfmeer (10,18 f) an. Der Rettung des Gottesvolkes wird nun aber die Strafe der Gegner – die Nil-Plage (11,6) – gegenübergestellt. Auch die folgenden Kapitel sind entlang der ägyptischen Plagen aufgebaut und betonen den Gegensatz zwischen dem Gottesvolk und seinen Feinden.⁶⁵⁴ Durch den Fokus auf Strafe⁶⁵⁵ (statt Rettung) ist Teil III klar vom Vorangehenden abgegrenzt. Das Geschehen wird dargestellt als pädagogische Handlung, die den in die Geschichte involvierten Israeliten Erkenntnis über die Systematik von Gottes Strafhandeln vermittelt. Die dabei formulierten Leitprinzipien von Gottes Strafhandeln erklären nicht nur die in Teil III geschilderten Geschehnisse, sondern auch das Ergehen der Gottlosen in Teil I.⁶⁵⁶ Dieser Rück Die Schwerpunktsetzung lässt sich schon an der Wortverteilung sehen: Der Begriff σοφία begegnet 17× in 6,22– 9,18 sowie je 4× in den Überleitungsteilen 6,1– 21 und Kap. 10. Darüber hinaus findet er sich in Teil I und III nur noch insgesamt 5×.  Vgl. Wright 1967: 168.175 („transitional section“). Die Überleitung von Sap 10 zum Folgenden wird darin insbesondere durch 10,20 – 11,1 hergestellt, vgl. Haag 1990: 104f.  Σῴζω mit Weisheit als Subjekt: 10,4.6.9.13.15.  Vgl. Offerhaus 1981: 120.  Zum Kompositionsprinzip vgl. Offerhaus 1981: 193. Darüber hinaus ist der genaue Aufbau von Teil III umstritten. Die meisten Exegeten identifizieren sieben Vergleiche oder Antithesen, aber mit unterschiedlichen Abgrenzungen besonders ab 18,5 (z. B. Larcher 1983– 85: I 122 f; Rooden 1986: 83 – 86; Engel 1990: 94 f; für eine Übersicht über ältere Vorschläge vgl.Wright 1965: 30). Häufig wird im Anschluss an Reese 1965: 398f eine Abgrenzung der einzelnen Antithesen durch inclusio postuliert; aber die thematischen Abschnitte sind sehr unterschiedlich gestaltet und weisen kein einheitliches Abgrenzungsmerkmal auf (so schon Reese 1965: 398 selbst; und vgl. Wright 1965: 30).  Weber 1904: 151 nennt als Thema des dritten Teils die „Strafmethode Gottes“.  Vgl. die folgenden in Teil III explizit formulierten, auf Teil I anwendbaren Prinzipien: a) Strafe für die Gottlosen, entsprechende Wohltaten für den Gerechten (11,5; vgl. 11,13; 16,2;18,8; ähnlich auch 16,24): Die Gottlosen werden aus ihren Fundamenten geschüttelt (4,19), der Gerechte hingegen steht aufrecht (5,1); die Erinnerung (μνήμη) an die Gottlosen vergeht (4,19; vgl. 5,14), die Erinnerung (μνήμη) der Gerechten ist unvergänglich (4,1). b) Strafe entspricht Sünde (11,16; vgl. 16,1): Zu Lebzeiten verlachten die Gottlosen den Gerechten (γελάω, 5,4), nach ihrem Tod aber wird Gott sie verlachen (γελάω, 4,18) (vgl. Blischke 2007: 31). c) Strafe für die Feinde, pädagogische „Kostprobe“ für Israel (16,4; vgl. 18,25 f): Strafe für die Gottlosen (3,10; 4,19), pädagogische „Kostprobe“ für die Gerechten (3,5).

4.2 Der götterpolemische Exkurs im Buchkontext

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griff von Teil III auf das paradigmatische Ergehen von Gerechtem und Gottlosen in Teil I ist auch bei der Analyse von Sap 12– 15 im Auge zu behalten. Die beiden zu Beginn von Teil III eingeschobenen Exkurse 11,17– 12,22 und 13,1– 15,19 tragen zur Reflexion über Gottes Strafhandeln bei. Der erste Exkurs 11,17– 12,22 behandelt die Gerechtigkeit und Milde von Gottes Strafen.⁶⁵⁷ Das Zwischenstück⁶⁵⁸ 12,23 – 27 benennt als Grund für die Bestrafung der Ägypter, dass diese Tiere für Götter hielten. Da V.23 – 27 Gottes Strafe für die Tierverehrung mit einer pädagogischen Steigerung beschreiben, beziehen sie sich nicht nur auf die in 11,15 f; 16,1– 14 angesprochene Tierstrafe, sondern blicken bereits darüber hinaus auf die weiteren (in 16,15 – 19,5 genannten) Plagen bis hin zur Tötung der Erstgeborenen und dem Tod der Ägypter im Schilfmeer (vgl. 12,27: τὸ τέρμα τῆς καταδίκης).⁶⁵⁹ Von V.23 – 27 her ist also der ganze Teil III unter dem Vorzeichen der Götterpolemik zu lesen. Der zweite Exkurs 13,1– 15,19 widmet sich dem in 12,23 – 27 angesprochenen Thema der Verehrung „falscher“ Götter und vertieft die Frage des Strafgrundes, wie der Anschluss an 12,23 – 27 mit γάρ (13,1)⁶⁶⁰ zeigt. Der Aufbau des Exkurses folgt nun nicht der Steigerung der Strafe (wie 12,23 – 27), sondern der Steigerung der Verwerflichkeit:⁶⁶¹ – μάταιοι μέν („nichtig nämlich“) sind die Verehrer von Schöpfungswerken (13,1) – ταλαίπωροι δέ („elend aber“) die Verehrer von menschengemachten Götterbildern (13,10)

Vgl. zu diesen Bezügen zwischen Teil I und Teil III Blischke 2007: 37 f (mit redaktionskritischer Auswertung 39 ff). Für Teil III wurden solche Leitprinzipien schon sehr lange erkannt, allerdings nicht immer mit gleicher Abgrenzung und Funktion, vgl. Stein 1934: 559 – 563; Reese 1965: 397 mit Anm. 15; Wright 1965: 31 f; Larcher 1983– 85: I 121; Engel 1990: 94. Alle drei hier genannten Prinzipien nennt Rooden 1986: 82 als literarische Konstruktionsprinzipien (ähnlich schon Grimm 1937: 331).  Der menschenliebende Gott (11,24; 12,8) ist ein barmherziger Richter (12,18), der seine Macht zu strafen maßvoll, pädagogisch (12,10.19 f.22) und schonend (11,26; 12,8) einsetzt. In diesem Sinne werden im ersten Exkurs weitere Prinzipien formuliert, wie z. B.: „Alles hast Du nach Maß und Zahl und Gewicht angeordnet“ (πάντα μέτρῳ καὶ ἀριθμῷ καὶ σταθμῷ διέταξας, 11,20).  Zu 12,23 – 27 als Überleitung vgl. Grimm 1860: 230 (mit dem Vorangehenden nur lose verbunden); Feldmann 1926: 89 (kommt auf die Ägypter zurück); Fichtner 1938: 49 (greift auf 11,15 f zurück); so auch Winston 1981: 11 u. a.; ausführlicher zu V.23 – 27 als eigenständige Einheit Gilbert 1973: XVIIf. Anders Hübner 1999: 161– 164.  Zu diesem Verständnis von 12,27 vgl. Larcher 1983– 85: III 744; Vílchez Líndez 1990: 345.  Dass dieses γάρ sich auf den Exkurs insgesamt bezieht, meinen auch Heinisch 1912: 250; Gilbert 1973: XVIII u.a.  Diese dreiteilige Steigerung wurde von Heinisch 1912: 250 vorgeschlagen und wird heute allgemein vertreten; zu älteren (und anderen) Vorschlägen vgl. Gilbert 1973: 246– 252. Ähnlich aufgebaute götterpolemische Texte – mit noch weiteren Unterteilungen – finden sich bei Philo (Decal. 52– 81; Contempl. 3– 9).

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4 Sapientia Salomonis

πάντες δὲ ἀφρονέστατοι („alle aber am dümmsten“) schließlich die Ägypter (15,14)

Im Kontext des dritten Teils dient der Exkurs Sap 13 – 15 also dazu, die besondere Verwerflichkeit der ägyptischen Götterverehrung herauszustellen⁶⁶² und so deren Bedeutung als Grund für die Strafen zu erklären. Diese synchrone Betrachtung des Aufbaus von Sap und der Funktion des götterpolemischen Exkurses innerhalb von Sap ergibt auf den ersten Blick ein kohärentes Bild, lässt jedoch bei genauerem Hinsehen verschiedene Fragen offen.⁶⁶³ So fällt auf, dass die beiden Exkurse als Leseanweisungen für Teil III eigentlich zu spät kommen, da die Reihe der Gegenüberstellungen schon in 11,4 beginnt. Sie stehen mitten in der zweiten Gegenüberstellung und unterbrechen so durch mehr als vier Kapitel nicht nur die Beispielreihe insgesamt, sondern auch den Zusammenhang der zweiten Gegenüberstellung zwischen Gottes Strafhandeln an den Feinden (11,15 f) und Gottes Handeln an seinem Volk (16,2– 4).⁶⁶⁴ Diese Platzierung erklärt sich auch nicht aus dem thematischen Bezug zur Tierverehrung: Zwar führt der zweite Exkurs von seinem Aufbau her auf die besondere Verwerflichkeit der ägyptischen Götterverehrung zu. Doch die Tierverehrung wird nur am Rande erwähnt; viel mehr Raum nimmt eine allgemeine Abhandlung über die Bilderverehrung ein, die mit den Ägyptern nichts zu tun hat. Zudem passt 12,23 – 15,19 als Erläuterung über die Verehrung „falscher“ Götter als Grund der Bestrafung nicht zur Darstellung in Teil III: Weder von Tier- noch von Bilderverehrung ist im Folgenden die Rede;⁶⁶⁵ vielmehr werden andere Begründungen gegeben, wie die Tötung der Kleinkinder (11,7; 18,5) und die Fremdenfeindlichkeit der Ägypter (19,13 – 16). Das große Interesse, das der zweite Exkurs der Verehrung „falscher“ Götter und insbesondere der Bilderverehrung entgegenbringt, geht damit am Anliegen des dritten Teils vorbei. Aufgrund dieser Schwierigkeiten, die sich bei einer synchronen Lesart von Sap ergeben, soll im Folgenden geprüft werden, ob Ort und Funktion der Götterpolemik in Sap diachron erklärt werden können.

 Mit Gilbert 1973: XVIII.  Ich werde mich hier auf die Probleme beschränken, die unmittelbar den götterpolemischen Exkurs betreffen. Zu literarkritischen Untersuchungen von Sap insgesamt s.u. Anm. 666.  Vgl. schon Focke 1913: 14 f.  Einzig in 17,9 findet sich noch eine Anspielung auf die ägyptische Tierverehrung, aber in der Terminologie von 11,15 (Verehrung von ἑρπετὰ καὶ κνώδαλα) und ohne Bezug zum zweiten Exkurs.

4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19

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4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19 Wie die vorangehende Betrachtung gezeigt hat, lassen sich Ort und Funktion der götterpolemischen Kapitel innerhalb von Sap schwer erklären, wenn man von einem literarisch einheitlichen Werk ausgeht. Die Möglichkeit eines mehrstufigen Entstehungsprozesses muss daher geprüft werden. Diese Feststellung ist nicht neu und auch nicht auf den götterpolemischen Exkurs beschränkt. Obwohl viele heutige Exegeten Sap als ein einheitliches Werk betrachten, führte und führt die Beobachtung von Spannungen zwischen den Buchteilen und von Einschaltungen mit eigenem Charakter dazu, dass die Verarbeitung von Quellen oder ein längerer Entstehungsprozess angenommen wird.⁶⁶⁶ Insbesondere die beiden Exkurse sind in literarkritischer Hinsicht auffällig und werden in diachronen Entstehungsmodellen meist als die jüngsten Teile des Buches angesehen.⁶⁶⁷ Ich werde mich im Folgenden auf die literargeschichtliche Analyse der götterpolemischen Texte 12,23 – 15,19 konzentrieren, wobei ich annehme, dass der Kontext 1,1– 11,16; 16,2– 19,22 grundsätzlich älter ist als die Exkurse, ohne auf die mögliche Vorgeschichte dieses Kontextes einzugehen. Allerdings betreffen die im vorangehenden Kapitel genannten Probleme auch die Frage der Einheitlichkeit des götterpolemischen Exkurses selbst: Die lange Unterbrechung der zweiten Gegenüberstellung (11,15 f; 16,1– 4) lässt sich m. E. plausibler als ein gewachsener Einschub erklären. Darauf weisen Spannungen zwischen den beiden Exkursen, aber auch innerhalb von 12,23 – 15,19 hin, die ich im Folgenden erläutern werde.

 Winston 1981: 13; McGlynn 2001: 3; Engel 2012: 135 f u.a. stellen die Einheitlichkeit als aktuellen Konsens dar. Für die Verwendung von Quellen sprechen sich u. a. Vílchez Líndez 1990: 68; Kaiser 2000: 99 aus; vgl. auch Kepper 1999: 24 f (Komposition aus Schultexten). Dass der Verfasser selbst sein Werk über längere Zeit weiter bearbeitete, halten u.a. Skehan 1945: 5; Reider 1957: 21 f; Osty/Trinquet 1971: 248; Larcher 1983 – 85: I 118f; Engel 1998: 34 für wahrscheinlich; dabei stellt sich aber grundsätzlich die Frage, wie weit ein veränderter Verfasser in literarkritischer Perspektive noch derselbe wäre. Von mehreren Händen gehen Georgi 1980: 393 (ein gewachsenes „Schulprodukt“); Haag 1990: 103 – 114; Spieckermann 2002: 349 f und Blischke 2007: 25– 44 (die eine redaktionsgeschichtliche Rekonstruktion für Sap insgesamt vorschlägt) aus. Ältere Thesen zu einer mehrstufigen Entstehung stammen v. a. aus dem 18. Jh. (Houbigant, Eichhorn u. a.) sowie aus dem frühen 20. Jh. (Weber, Focke u.a.); vgl. zur Forschungsgeschichte Offerhaus 1981: 7– 14.  Vgl. unter den Neueren Blischke 2007: 41 f; unter den Älteren Weber 1904: 155.169, der Sap 13 – 15 als ein in den dritten Teil eingefügtes „Buch von den Götzenbildern“ betrachtet. Auch Focke 1913: 14 f hält 11,15– 16,1 für sekundär in Teil III eingeschoben, aber aus umgekehrter Perspektive (Schema von Teil III als Quelle, 11,15 – 16,1 als Werk „des Verfassers“, vgl. Focke 1913: 6– 12). Die Exkurse werden z.T. auch in Modellen, die grundsätzlich von einer einheitlichen Verfasserschaft ausgehen, ausgesondert, vgl. Kaiser 2000: 99 (die Exkurse als ursprünglich selbständige Texte).

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Die beiden Exkurse 11,17– 12,22 und 13,1– 15,19 sind ganz unterschiedlich ausgerichtet und kaum zusammen entstanden.⁶⁶⁸ Es fällt auf, dass sowohl 11,17 ff als auch 12,23 ff inhaltlich und syntaktisch gut an 11,15 f anschließen, der zweite Exkurs aber nur schlecht an den ersten Exkurs anschließt.⁶⁶⁹ Das lässt vermuten, dass der erste Exkurs erst nach dem zweiten eingefügt wurde, wobei das Zwischenstück 12,23 – 27 die an 11,15 f angeschlossene Einleitung des zweiten Exkurses bildete. Allerdings erscheint 12,23 – 27 trotz der thematischen Verwandtschaft als Einleitung zu Sap 13 – 15 in verschiedener Hinsicht ungeeignet: – Die 12,23 – 27 zugrunde liegende Steigerung ist die (pädagogisch begründete) Steigerung der göttlichen Strafe. 13 – 15 hingegen ist entlang einer Steigerung nach Verehrer-Gruppen aufgebaut. – In 12,23 – 27 ist nur die Tierverehrung der Ägypter als Grund der Strafe genannt. 13 – 15 befasst sich aber vornehmlich mit der Verehrung von Bildern,⁶⁷⁰ und in 15,15 wird auch den Ägyptern die Bilderverehrung vorgeworfen. – Passend zu Teil III insgesamt bietet auch 12,23 – 27 eine Erklärung von Gottes Strafhandeln. Von Strafe ist in 13 – 15 aber nur am Rande in 14,8 – 14 die Rede, wo zudem – im Unterschied zu 12,23 – 27– der Gedanke einer Bestrafung nicht nur der Verehrer, sondern in erster Linie auch der Verehrten geäußert wird. – 12,23 – 27 blickt nicht voraus auf 13 – 15, sondern auf die weiteren Strafen in 16 – 19, deren Steigerung bis hin zur Tötung der Erstgeborenen und dem Tod

 Der erste Exkurs zielt auf Gottes Milde und Barmherzigkeit, an der man sich ein Beispiel nehmen soll. Das passt schwerlich zur Ausrichtung von Teil III, der immer schlimmere Strafen ausmalt und Milde nicht als angebracht erscheinen lässt (vgl. 19,1: τοῖς δὲ ἀσεβέσιν μέχρι τέλους ἀνελεήμων[!] θυμὸς ἐπέστη, „über die Gottlosen aber kam bis zum Ende unbarmherziger Zorn“). Zudem begegnet das für Teil I und Teil III charakteristische Grundmuster des Kontrasts (zwischen Gerechtem und Gottlosen bzw. Gottesvolk und Feinden), das auch dem zweiten Exkurs zugrunde liegt, im ersten Exkurs nicht; stattdessen dominiert die Zusammenfassung aller in der Kategorie „Menschen“ (11,23;12,8; vgl. zur Aufhebung jeglichen Kontrasts auch 11,24;12,1) sowie die Perspektive der Umkehr (μετάνοια, in Sap nur 11,23; 12,10.19; ἀπαλλάσσω τῆς κακίας, 12,2.20). Der erste Exkurs befasst sich also wie Teil III mit der Systematik von Gottes Strafhandeln, aber in ganz anderer Weise. Das spricht dafür, dass ein Späterer hier eine „Kurskorrektur“ eingefügt hat, die die universale Fürsorge und die Menschenfreundlichkeit Gottes hervorhebt.  Das Zwischenstück 12,23– 27 scheint zwar mit ὅθεν καί (V.23) an V.22 anzuknüpfen, geht aber inhaltlich in eine andere Richtung, indem es wieder auf die Tierstrafen der Ägypter (11,15 f) zurückkommt und auf die maximale Bestrafung der Feinde (τὸ τέρμα τῆς καταδίκης,V.27) zuläuft.V.22 zielt dagegen auf Gottes Milde; mit Vanhoye 1962: 536 (nach einem Vorschlag von Kuhn 1931: 449) ist in V.22 μετριότητι (statt μυριότητι) zu lesen,vgl. 11,20. Mυριότητι steht im Widerspruch nicht nur zum Kontext, sondern auch zur Aussage von V.22 selbst, vgl. Vanhoye 1962: 533 f. Der Konjektur folgen Winston 1981: 244; Schmitt 1989: 39; dagegen Reese 1970: 79 Anm. 207; Scarpat 1989– 99: II 480 f.  Aus diesem Grund zieht Gärtner 1912: 44 12,23 – 27 zum Vorangehenden, aber s.o. Anm. 669.

4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19

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der Ägypter im Schilfmeer hier vorweggenommen wird (vgl. 12,27: τὸ τέρμα τῆς καταδίκης).⁶⁷¹ Es scheint mir daher unwahrscheinlich, dass 12,23 – 27 gezielt als Einleitung zu 13 – 15 verfasst wurde. Eher dürfte 12,23 – 27 zunächst im Anschluss an 11,15 f als Deutungsanleitung für das in Sap 16 – 19 Folgende verfasst worden sein und so erst den Anlass gegeben haben, Sap 13 – 15 in einem späteren Schritt an dieser Stelle einzufügen. Der Exkurs Sap 13 – 15 ist klar abgegrenzt durch die Eröffnung in 13,1 und die Wiederaufnahme von 11,15 f in 16,1. Er besteht aus mehreren kleinen, oft in sich geschlossenen Untereinheiten. Diese einzelnen Abschnitte sind unterschiedlich ausgerichtet – so verflucht etwa 14,8 – 10 die Bilderverehrer als „Täter“, während sie in 14,15 – 21 eher als Opfer dargestellt werden – und die Übergänge sind z.T. problematisch: So bleibt etwa im Anschluss an 14,31 unklar, wozu „Du aber“ (σὺ δέ) in 15,1 eine Abgrenzung darstellt, auf die Lasterkataloge 14,22– 31 wird in 15,1– 5 nicht Bezug genommen. Den Stücken liegen auch unterschiedliche Vorstellungen zugrunde: So wird in 13,3.10; 15,15 wie in 12,23 – 27 etwas fälschlicherweise für Götter (θεοί) gehalten; 14,29 – 31 hingegen scheint gar nicht davon auszugehen, dass die Verehrer die Bilder tatsächlich für Götter halten. Weiter fällt auf, dass in Sap 13 – 15 die Bezüge zum Buchkontext Sap 1– 10.16 – 19 auf wenige Stellen konzentriert sind (13,10; 14,2– 6.22.30; 15,1– 6.14), während ganze Abschnitte mit dem weiteren Kontext in keinerlei Verbindung stehen. Das lässt vermuten, dass Sap 13 – 15 unter Verarbeitung von Quellen entstanden ist und/ oder sukzessive ausgebaut wurde. Der Versuch einer literarkritischen Analyse scheint mir daher notwendig, auch wenn sich die Verflechtungen von Bezugnahmen und Widersprüchlichkeiten nicht vollständig entwirren lassen. Die im Folgenden erläuterte Rekonstruktion soll als Grundlage dienen, um gewisse Tendenzen der Entwicklung der weisheitlich geprägten Götterpolemik aufzuspüren. 1. Grundschicht A: Menschen und Ägypter. Wo finden wir also den ursprünglichen Kern von Sap 13 – 15, der zwischen 12,27 und 16,2 eingefügt wurde? Es empfiehlt sich, das Ganze von hinten aufzurollen: 16,2 bleibt nur verständlich, wenn davor von einer Strafe der Ägypter die Rede ist. Werden 11,15 f und 12,23 – 27 durch einen Einschub von 16,2 getrennt, so ist zu vermuten, dass 16,1 als Überleitung zwischen dem neuen Einschub und 16,2 verfasst wurde. Der Begriff ὅμοιος in 16,1 setzt als

 S.o. 4.2 mit Anm. 659.

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Bezugsgröße Tiere voraus und kann daher nicht von 15,18 f getrennt werden. 15,18 f wiederum dürfte von Anfang an zu dem mit 15,14 beginnenden Abschnitt gehört haben. Denn was vor 15,18 f stand, musste sich ebenfalls auf die Ägypter beziehen, und es scheint mir weniger wahrscheinlich, dass ein Späterer durch die Einfügung von 15,14 einen Teil der Idolatrie-Vorwürfe von den Ägyptern abgetrennt haben sollte. Die prononcierte Einführung der Ägypter in 15,14 setzt voraus, dass davor von Nicht-Ägyptern die Rede war. 15,14 kann also nicht direkt an 12,27 angeschlossen haben. Das Verdikt über die Ägypter wird in 15,14– 19 in erster Linie mit ihrer Bilderverehrung begründet. Ich vermute daher, dass nicht andere Bilderverehrer, sondern die Verehrer von Elementen aus 13,1– 9 den ursprünglichen Kontrapunkt zu den Ägyptern in 15,14– 19 bildeten.⁶⁷² So bezieht sich πάντες δὲ ἀφρονέστατοι (15,14) zurück auf 13,1 (μάταιοι μὲν γὰρ πάντες) und nicht etwa auf 13,10, der wahrscheinlich 13,1 nachgebildet ist (disqualifizierendes Adjektiv – δέ – relativer Satzanschluss). Dieser erste Einschub 13,1– 9; 15,14– 16,1 stand noch in engem Kontakt zum „Zwischenstück“ 12,23 – 27, aus dem das Thema „etwas für Götter (θεοί) halten“ (12,24.27; 13,2.3; 15,15) und die Qualifizierung der Ägypter als „dumm (ἄφρων) wie ein Kleinkind (νήπιος)“ (12,24; 15,14) übernommen wurden. 2. Ergänzungsschicht B: Ätiologie des Bilderkults. Die folgende Erweiterung schiebt sich zwischen 13,9 und 15,14. 13,10 wurde kaum als Einleitung für das folgende Beispiel 13,11– 19 verfasst, da in 13,10 von Götterbildern aus Holz gerade nicht die Rede ist.⁶⁷³ 14,1– 10 und 15,7– 13 sind beide von 13,11– 19 abhängig. Das Hauptstück dieser Erweiterung dürfte also entweder in 13,11– 19 oder in der Bilderkult-Ätiologie 14,11– 21 zu suchen sein. Dass 13,11– 19 und 14,11– 21 beide je auf ihre Weise an 13,9 anschließen (vgl. dazu im Folgenden), spricht dafür, dass zunächst 14,11– 21 eingefügt wurde und danach 13,11– 19 dazwischengeschoben wurde. 14,11– 21 verfügt mit V.11 f.21 über eine eigene Rahmung, die die Ätiologie m. E. passender mit 13,1– 9 verknüpft als 13,10, weshalb ich 13,10 nicht dieser Fortschreibung zurechne. 14,11 leitet einen neuen Abschnitt ein, denn διὰ τοῦτο bezieht sich hier auf das Folgende (ὅτι …) („aus folgendem Grund …: weil …“).⁶⁷⁴ Auf diese Einleitung antwortet der Schlusssatz 14,21: Dieser Vers ist wieder mit τοῦτο … ὅτι … kon-

 Vgl. zu einer ähnlichen Gegenüberstellung „aller Menschen“ (außer den Juden) und der Ägypter (τῶν γὰρ ἄλλων πολυματαίων […] Αἰγυπτίων) in Bezug auf die Verehrung von Göttern Arist 138.  Gegen 13,10 als ursprüngliche Einleitung von 13,11– 19 s.u. Anm. 678.  So mit Gilbert 1973: 127, der noch auf die analoge Konstruktion in 5,16 verweist. 14,11 ff können daher als selbständiges Stück ohne 14,9 f bestanden haben. 14,9 f wiederholen den in 14,8 formulierten Gedanken und bauen den Fluch (ἐπικατάρατος,V.8) zu „Gott verhasst“ (μισητὸς θεῷ,V.9) und zur folgenden Strafe (κολάζω, V.10) aus. Sie sind daher wahrscheinlich im Anschluss an 14,8 entstanden und somit erst nach dem Einbau von 13,11– 14,8.

4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19

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struiert und verwendet mit γίνομαι εἰς ἔνεδρον ein ähnliches Bild wie V.11 (γίνομαι εἰς σκάνδαλα/εἰς παγίδα).⁶⁷⁵ Die V.13 f dürften zu einem späteren Zeitpunkt zwischen der Themenvorgabe V.12 und ihrer Ausführung V.15 – 20 eingefügt worden sein. Sie schließen vorzeitig das in V.11 Eröffnete ab, indem sie durch καί διὰ τοῦτο (V.14) eine Inklusion⁶⁷⁶ mit V.11 (διὰ τοῦτο καί) schaffen, die den Abschluss in V.21 von der Einleitung V.11 abtrennt.⁶⁷⁷ Im Anschluss an 13,1– 9, wo erklärt wird, dass Menschen irrtümlicherweise an der Schönheit der Schöpfungswerke hängen bleiben und diese verehren, wird in 14,11 f.15 – 21 erklärt, wie es zur Verehrung von Bildern kommt. Anders aber als in 13,1– 9; 15,14– 19 richtet sich die Polemik nicht direkt gegen die Menschen, die falsche Götter verehren, sondern gegen die Bilder, die den Menschen zur Falle werden. Die Einleitung in 14,11 nimmt das Stichwort „Bilder (εἴδωλα) der Völker“ aus 15,15 auf. 3. Ergänzungsschicht C: Beispielgeschichte des Holzhandwerkers.Von 13,11– 19 sind sowohl 14,1 ff als auch 15,7– 13 abhängig, weshalb ich vermute, dass dieses Stück nach 14,11 f.15 – 20 die nächste Fortschreibung darstellt. 13,11 kann über εἰ δὲ καί direkt an 13,9 anschließen.⁶⁷⁸ Εἰ begegnet innerhalb des götterpolemischen Exkurses nur noch in 13,3.4.9, so dass seine Verwendung hier als eine Einreihung in die in 13,1– 9 geschilderten Irrwege der Götterverehrer verstanden werden kann. Wie 13,1– 9 thematisiert 13,11– 19 falsch eingesetzte Fähigkeiten, die nicht in den Dienst der Gotteserkenntnis gestellt werden. Allerdings wird hier deutlich auf älteres atl. Material (Jes 44) Bezug genommen.

 Vgl. Gilbert 1973: 131.  Auf die Inklusion weisen u. a. Gilbert 1973: 127; Engel 1998: 227 hin.  Die Leseschwierigkeit, die sich aus V.14b ergibt, stellt auch Larcher 1983 – 85: III 809 fest („ce rappel d’une suppression des idoles […] est inattendu et interrompt le développement“); in die gleiche Richtung weisen die verschiedenen Korrekturvorschläge (schon bei Nannius, vgl. dazu Larcher 1983 – 85: III 809). Neben dem Textaufbau sprechen auch inhaltliche Spannungen für den sekundären Charakter von V.13 f.V.13 f nehmen zwar aus V.12 das Stichwort ἀρχή auf, aber in anderer Verwendung: Statt um die Bilder als Ursprung geht es in V.13 f um den Ursprung der Bilder. A ᾿ ρχή steht in V.13f im Gegenüber zu τέλος. Die Funktion des folgenden Textes 14,15 – 21 wird in V.12 und V.13 f unterschiedlich bestimmt: Nach V.12 wird von der Entstehung der Idolatrie als Ursprung der Untreue die Rede sein, nach V.13 f hingegen zeigt die Entstehung der Idolatrie, dass der Bilderkult eine vorübergehende Erscheinung ist. Weiter lässt auch die Transformation der Stichworte ἐπίνοια und εὕρεσις in ein wertenderes κενοδοξία vermuten, dass V.13 f in Anlehnung an V.11 f verfasst wurden.  Gegen 13,10 als ursprüngliche Einleitung für 13,11– 19 spricht, dass es in 13,10 nicht um Holz und nicht um ein einzelnes Götterbild geht. Als allgemeine Einleitung zum Bilderkult ist 13,10 m. E. einer späteren Ergänzungsschicht zuzuordnen, dazu siehe im Folgenden. Für die Abtrennung von 13,10 sprechen auch die Bezüge zu Jes 44: Gegen Gilbert 1973: 64– 75, der einen parallelen Aufbau von Jes 44,9 – 20 und Sap 13,10 – 19 postuliert, beschränken sich die engeren Bezüge auf die Holzfällergeschichten Jes 44,(13.)14– 17 und Sap 13,11– 19.

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4. Ergänzungsschicht D: Direkte Gottesanrede. An 13,11– 19 knüpft 14,1 mit τις πάλιν an: Es folgt offenbar die Geschichte eines anderen, der ebenfalls mit Holzgöttern zu tun hat. Diese Andeutung einer zweiten Beispielerzählung dient aber offenbar nur der Überleitung, denn ab V.2 wendet sich der Text der Schifffahrt zu. Ab V.3 folgt, ausgehend von der Schifffahrt, eine als direkte Anrede an Gott (2. Sg.) formulierte theologische Reflexion über Gottes Vorsehung. Die oberflächliche Anknüpfung an 13,11– 19 (vgl. auch πορισμός in 13,19 und 14,2) bei letztlich völlig anderer Ausrichtung weist m. E. auf eine sekundäre Ergänzung hin. Anders auch als 13,11– 19 enthält 14,1– 8 deutliche Bezüge in den Buchkontext Sap 1– 10.16 – 19.⁶⁷⁹ Diese Ergänzung endet m. E. in 14,8a mit der Gegenüberstellung des gesegneten und des verfluchten Holzes. Denn der im Endtext fließend wirkende Übergang 14,7– 11 enthält bei genauerer Betrachtung merkwürdige Verschiebungen: In V.7– 8a liegt der Fokus auf dem Material, in V.8b wird der bis dahin nicht erwähnte Hersteller eingeführt und in V.9 f mit dem Bild im Hinblick auf Verurteilung und Strafe auf eine Ebene gestellt. Ab V.11 ist vom Hersteller aber nicht mehr die Rede und der Fokus liegt auf der Bestrafung der Bilder. Ich vermute daher, dass die Verurteilung des Herstellers in V.8b–10 nachgetragen wurde (im Rahmen der Ergänzungsschicht E, s.u.). Die für die Fortschreibung 14,1– 8a genannten Charakteristika treffen auch auf 15,1– 5⁶⁸⁰ zu. In diesem Abschnitt wird ebenfalls Gott in der 2. Sg. angesprochen; und im Vordergrund steht weniger die Götterpolemik als die Erinnerung an die Geschichte des Volkes mit seinem Gott.⁶⁸¹ Auch die kontrastierende Formulierung τὸ γὰρ ἐπίστασθαί – οὔτε γὰρ ἐπλάνησεν („Denn zu kennen … – Denn nicht hat irregeführt …“, V.3 f) im Zusammenhang mit der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη, nur 14,6; 15,3 im dritten Buchteil) erinnert an die Gegenüberstellung von gesegnetem und verfluchtem Holz in 14,7 f. Wie 14,1– 8a enthält 15,1– 5 Bezüge zum Buchkontext.⁶⁸² Auch die sehr deutliche Anknüpfung an das Vorbestehende erfolgt mit

 So begegnet nur hier im götterpolemischen Exkurs die in Sap 6– 10 so prominente σοφία.Wie in 7,22; 8,6 ist in V.2 von der τεχνῖτις σοφία die Rede. Mit dem Weg (ὁδός) im Meer (θάλασσα) wird in V.3 auf den Durchzug durchs Schilfmeer angespielt (vgl. mit den gleichen Worten 19,7) und damit auf das Exodusgeschehen, das den Hintergrund für den dritten Buchteil insgesamt bildet. An die Formulierung der Sintflut-Erzählung in 10,4 erinnern das kleine Holz (ξύλον, V.5), die göttliche Rettung (σῴζω, V.4) und Steuerung (κυβερνάω, V.6; in Sap nur an diesen beiden Stellen).  Zu 15,6, der m. E. 13,10 voraussetzt, siehe im Folgenden.  Ähnlich auch Gilbert 1973: 195 f zur Verwandtschaft von 14,1– 10 mit 15,1– 6.  Διοικέω τὰ πάντα (15,1) entspricht 8,1, wo sich auch das Adverb χρηστῶς (vgl. χρηστός in 15,1) findet (vgl. Reese 1970: 133). Διοικέω ist sonst in der LXX nicht mit Gott als Subjekt belegt. Der Begriff χρηστῶς bzw. χρηστός findet sich in Sap nur an diesen beiden Stellen. Die Parallelsetzung von

4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19

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15,4 f (ἐπίνοια wie 14,12; zur Kritik am Künstler vgl. 14,18 – 20) in ähnlicher Weise wie in 14,1. Die Lasterkataloge (14,22– 27) scheinen dabei noch nicht im Blick. Ich vermute daher, dass 15,1– 5 zusammen mit 14,1– 8a eine Ergänzungsschicht bildet. 5. Ergänzungsschicht E: Bestrafung der gottlosen Bilderverehrer. Die Verknüpfungen mit dem Buchkontext werden durch die folgende Überarbeitungsschicht vertieft, die ich in 13,10; 14,8b–10.22– 31; 15,6 vermute. 13,10 leitet durch einen 13,1 nachempfundenen Satz die Polemik gegen die Verehrer von menschengemachten Kultgegenständen als einen eigenen Hauptteil des Exkurses ein. Im Blick ist hier nicht nur der unmittelbar folgende Holzhandwerker, sondern das große Ganze der Götterbilder-Verehrung, wie die Zusammenstellung von teils übernommenen, teils eigenständig formulierten BilderBegriffen zeigt. 13,10 nimmt deutlich Bezug auf 3,11. Dort werden die Gottlosen als ταλαίπωρος beschrieben, ihre Hoffnung (ἐλπίς) als leer, und ihre Werke (τὰ ἔργα αὐτῶν) als nutzlos (ἄχρηστα).⁶⁸³ Die Verwendung derselben Wörter in 13,10 zeigt die Gleichsetzung der Bilderverehrer mit den Gottlosen. 14,8b–10 fügt in die Verurteilung der Bilder in 14,8a.11 die Bestrafung des Herstellers ein. Das Thema der Bestrafung, das das Grundthema des dritten Buchteils bildet, begegnet hier zum ersten Mal innerhalb von Sap 13 – 15 und ist wie in 11,5.8.16; 12,14.15.27; 16,1.9; 18,11.27 mit κολάζω (14,10) ausgedrückt. Die Verurteilung des Bild-Gottes als „Vergängliches“ (τὸ φθαρτόν) erklärt sich vor dem Ideal der ἀφθαρσία (2,23; 6,18 f) und trägt so ebenfalls zur Einbettung der Götterpolemik in den Buchkontext bei. Die Aussage von 14,8b–10 liegt auf einer Linie mit 13,10: Ähnlich wie in 13,10 (θεοὺς καλέω) wird in 14,8b kritisiert, dass die Bilder Götter (θεοί) genannt (hier ὀνομάζω) werden.⁶⁸⁴ Dass der Bilderhersteller wie in 13,10 als Gottloser beschrieben wird, ist durch die Verwendung von ἀσεβῶν/ ἀσέβεια in 14,9 explizit. 14,22 verbindet die Ätiologie 14,15 – 21 mit dem folgenden Lasterkatalog. Von den Bilderverehrern wird in 14,22 gesagt, sie seien „irregeführt über das Wissen von Gott“ (πλανᾶσθαι περὶ τὴν τοῦ θεοῦ γνῶσιν). Auch diese Beschreibung stellt die Bilderverehrer als Gottlose dar.⁶⁸⁵ Durch 14,22 werden die Lasterkataloge 14,23 – 28 eingeleitet, deren Hinzufügung dem Fokus dieser Überarbeitung auf dem bösen

Gerechtigkeit und Unsterblichkeit in 15,3 verweist auf den Spitzensatz der Einleitung 1,15: δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατός ἐστιν (mit Eising 1959: 399 und Reese 1970: 133).  Auf die Verbindung weist Reese 1970:131 hin, der zudem in ἐμμελέτημα (13,10) ein Wortspiel mit ἀμελήσαντες („die, die missachteten“, 3,10) sieht.  Vgl. dazu auch Gilbert 1973: 101, der den ganzen V.14,8 als 13,10 entsprechend betrachtet.  Dazu s.u. 4.4.6.2.

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Denken und Tun der Bilderverehrer entspricht.⁶⁸⁶ Κακός begegnet in 13 – 15 nur im Rahmen dieser Ergänzungsschicht (14,22.27.29.30; 15,6; sowie in 15,12, dazu siehe im Folgenden). 14,29 – 31 befasst sich wie schon 14,8b–10 mit der Bestrafung der Götterverehrer. 14,30 enthält wieder einen deutlichen Bezug zum ersten Buchteil: Dass die Bilderverehrer „schlecht (oder: falsch) über Gott denken“ (κακῶς ἐφρόνησαν περὶ θεοῦ), zeigt, dass sie in klarem Widerspruch zur Aufforderung „Denkt über den Herrn in Gutheit!“ (φρονήσατε περὶ τοῦ κυρίου ἐν ἀγαθότητι) in Sap 1,1 stehen.⁶⁸⁷ 15,6 bezeichnet die Bilderverehrer als „Liebhaber von Bösem“ (κακῶν ἐρασταί) und stellt dadurch einen Kontrast zu 8,2 her, wo Salomo sich als ἐραστής der Weisheit bezeichnet.⁶⁸⁸ Dass die Bilderverehrer „würdig solcher Hoffnungen“ (ἄξιοί τε τοιούτων ἐλπίδων) sind, hat im unmittelbar Vorangehenden keinen klaren Bezugspunkt und könnte sich zurück auf 13,10 beziehen.Wie in 14,10 wird das Verb δράω für die Herstellung der Bilder verwendet, das sonst in Sap nicht vorkommt.⁶⁸⁹ Es zeigt sich also, dass die Stellen, die für diese Überarbeitungsschicht in Frage kommen, untereinander verknüpft sind. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die Polemik gegen den Bilderkult strukturieren und die Bilderverehrer den Gottlosen in Sap 1– 5 entsprechend darstellen. Die Verurteilung der Bilderhersteller und -verehrer fällt schärfer aus als in den vorangehenden Textschichten, und neu wird ihre Bestrafung thematisiert. Aufgrund dieser Übereinstimmungen halte ich es für wahrscheinlich, dass 13,10; 14,8b–10.22– 31; 15,6 einer Ergänzungsschicht zuzuordnen sind. 6. Ergänzungsschicht F: Beispielgeschichte des Töpfers. Möglicherweise ist auch das Beispiel des Töpfers 15,7– 13 der letztgenannten Ergänzungsschicht E zuzurechnen. Denn auch hier wird der Götterhersteller scharf kritisiert und (gerade auch im Vergleich zur Vorlage 13,11– 19 und darüber zu Jes 44,14– 20) als bösartig

 14,23 – 31 ist möglicherweise in sich nicht einheitlich (vgl. auch Anm. 693): V.27 wirkt wie ein Schlusssatz (Rückbezug auf 14,12), danach folgt eine wiederholende Zusammenfassung des vorangehenden Lasterkataloges (V.28), und schließlich wird das Schwören ab V.29 (nun ὄμνυμι statt ἐπιορκία/ἐπιορκέω wie in V.25.28) besonders hervorgehoben, während es in V.25 in einer Reihe mit anderen Lastern stand.  Φρονέω begegnet in Sap nur an diesen beiden Stellen (und in der LXX nur hier in der Formulierung φρονέω περί).  Schon Reese 1970: 134 sieht darin einen beabsichtigten Kontrast. Die Bezugnahme könnte dadurch angeregt worden sein, dass schon 15,1 auf 8,1 verweist; vgl. zur Beziehung dieser Stellen auch Gilbert 1973: 196.  Darauf weist Gilbert 1973:195 hin. Das Verb ist sonst in der LXX nur noch in 4 Makk 11,4 belegt.

4.3 Literarhistorische Analyse von Sap 12,23 – 15,19

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dargestellt.⁶⁹⁰ Doch anders als in der Ergänzungsschicht E ist von einer Strafe nicht die Rede,⁶⁹¹ und auch der Bezug zum Buchkontext ist anders gestaltet. So erinnert zwar die Lebenseinstellung des Töpfers an die der Gottlosen in 2,1– 20, doch es werden keine wörtlichen Anspielungen formuliert.⁶⁹² Das Missverständnis über das Leben teilt der Töpfer nicht nur mit den Gottlosen aus Sap 1– 5, sondern auch mit den Götterverehrern aus 12,23 (ἐν ἀφροσύνῃ ζωῆς βιώσαντας ἀδίκως). Daher könnte sich die Beispielerzählung zur Schuldhaftigkeit der Götterherstellung auch unabhängig von der Ergänzungsschicht E im Anschluss an das unmittelbar Vorangehende entwickelt haben.⁶⁹³ So ist der Neologismus κακόμοχθος wahrscheinlich eine Analogbildung zu κακότεχνος aus 15,4.⁶⁹⁴ Die Auffassung der Bilderherstellung als Sünde (ἀμαρτάνω, 15,13) dürfte aus 14,31; 15,2 übernommen sein. Das Thema der nichtigen Hoffnung (ἐλπίς, 15,10) der Götterverehrer begegnet mehrfach im götterpolemischen Exkurs, zuletzt unmittelbar vor der Töpfergeschichte in 15,6. Durch die Ergänzung des Töpferbeispiels wird dem Mittelteil des Exkurses aufgrund der Entsprechung zu 13,11– 19 eine symmetrische Rahmung durch Beispielerzählungen verliehen.

 Genauer zum Vergleich von 15,7– 13 mit 13,11– 19 und Jes 44 s.u. 4.4.7.1.  15,8 f verweist auf den bevorstehenden Tod und die Kürze des Lebens nicht im Sinne einer Bestrafung des Töpfers, sondern allgemein in Bezug auf das menschliche Leben, mit Larcher 1983 – 85: III 865.  Der Irrtum des Töpfers ist auch ein anderer, denn im Unterschied zu den Gottlosen (vgl. 2,1) ist ihm die Kürze des Lebens nicht bewusst (15,9). An anderen Stellen könnte man allenfalls Vokabularaufnahmen vermuten, die aber anders als die Bezugnahmen der vorigen Ergänzungsschicht keine Parallelisierung des Bilderherstellers mit den Gottlosen erzeugen. Vgl. z. B. die Verwendung von θλίβω für das Drücken des Tons in 15,7 mit der Bezeichnung von Gottlosen und Ägyptern als „Unterdrücker“ (θλίψαντες, 5,1; θλίβοντες, 10,15) oder die Verwendung von κίβδηλος für das Götterbild in 15,9 und für die Gottlosen in 2,16. Anders vielleicht nur die ähnliche Verwendung von ἄτιμος in 15,10 und 3,17; 4,19.  Ein Hinweis auf eine von der Ergänzungsschicht E unabhängige Entstehung könnte auch die auffällige Sprache der Töpfergeschichte geben, die auf einen Verfasser nicht-griechischer Muttersprache schließen lässt (vgl. Larcher 1983 – 85: III 867; zu Sap insgesamt vgl. Larcher 1969: 182). Ähnliche sprachliche Auffälligkeiten begegnen im übrigen Exkurs nicht, mit Ausnahme der (fälschlichen?) Verwendung von γενέσεως statt γένους in 14,26 (so Winston 1981: 280 mit Verweis auf Goodrick). Ich halte es für denkbar, dass der komplexe Lasterkatalog-Abschnitt 14,22– 31 Zusätze erfahren hat, die mit dem Töpferbeispiel auf einer Ebene anzusiedeln sind, sehe aber dafür keine konkrete redaktionskritische Lösung.  Mit Larcher 1983 – 85: III 862, der zur Bildung des Begriffs auch auf ἐπίμοχθον (13,7) verweist.

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Zusammenfassend schlage ich also folgende Rekonstruktion der Entstehung von Sap 13 – 15 vor: 1. eine zweiteilige Grundschicht (A) Menschen – Ägypter in 13,1– 9; 15,14– 19 2. die Ergänzung (B) um die Ätiologie des Bilderkults 14,11 f.15 – 20 3. die Ergänzung (C) um die Beispielgeschichte des Holzhandwerkers 13,11– 19 4. die Ergänzung (D) in direkter Gottesanrede 14,1– 8a; 15,1– 5 5. die Ergänzung (E) zur Bestrafung der gottlosen Bilderverehrer 13,10; 14,8b– 10.22– 31; 15,6 6. die Ergänzung (F) um die Beispielgeschichte des Töpfers 15,7– 13

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15 Die folgende Analyse erfolgt entlang der von mir rekonstruierten Ergänzungsschichten. Aus dem Vorangehenden dürfte deutlich geworden sein, dass die literargeschichtliche Analyse in Sap aufgrund der dichten Verflechtung von Spannungen und Bezügen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Ich halte es dennoch für lohnenswert, meinen Rekonstruktionsvorschlag der weiteren Analyse zugrunde zu legen. Auch wenn die literargeschichtliche Untersuchung im Detail nur tastend vorgehen kann, zeichnen sich m. E. doch gewisse Grundlinien der Entwicklung ab, deren Berücksichtigung ein nuancierteres Bild der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit ermöglicht.

4.4.1 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12,23 – 27 (11,15) ἀντὶ δὲ λογισμῶν ἀσυνέτων ἀδικίας αὐτῶν, ἐν οἷς πλανηθέντες ἐθρήσκευον ἄλογα ἑρπετὰ καὶ κνώδαλα εὐτελῆ, ἐπαπέστειλας αὐτοῖς πλῆθος ἀλόγων ζῴων εἰς ἐκδίκησιν

(,) Für ihre törichten Gedanken der Ungerechtigkeit aber, durch welche irregeleitet sie unvernünftige Kriechtiere und wertlose Untiere verehrten, hast du gegen sie eine Menge unvernünftiger Tiere geschickt zur Strafe, () ἵνα γνῶσιν ὅτι, δι᾽ὧν τις ἁμαρτάνει, διὰ () damit sie erkannten, dass, wodurch jeτούτων κολάζεται. mand sündigt, dadurch wird er bestraft. (,) ὅθεν καὶ τοὺς ἐν ἀφροσύνῃ ζωῆς (,) Weshalb du auch die, die in Unverstand βιώσαντας ἀδίκως διὰ τῶν ἰδίων ἐβασάνισας des Lebens ungerecht lebten, durch ihre eigeβδελυγμάτων· nen Gräuel gefoltert hast. () καὶ γὰρ τῶν πλάνης ὁδῶν μακρότερον () Denn sie irrten zu a lange herum auf b irreἐπλανήθησαν θεοὺς ὑπολαμβάνοντες τὰ καὶ ἐν führenden Wegen, (indem) sie annahmen, ζῴοις τῶν αἰσχρῶν ἄτιμα νηπίων δίκην ἀφρόνων (dass) Götter (seien) sogar die verachteten der ψευσθέντες. [verhassten] c unter den Tieren, nach Art von unvernünftigen Kleinkindern getäuscht.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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() διὰ τοῦτο ὡς παισὶν ἀλογίστοις τὴν κρίσιν εἰς ἐμπαιγμὸν ἔπεμψας. () οἱ δὲ παιγνίοις ἐπιτιμήσεως μὴ νουθετηθέντες ἀξίαν θεοῦ κρίσιν πειράσουσιν.

() Deshalb wie unbesonnenen Kindern hast du ihnen das Urteil durch d Spott gesandt. () Die aber, die durch spielerischen Tadel e nicht gewarnt sind, werden ein Gott würdiges Urteil erfahren. () ἐφ᾽οἷς γὰρ αὐτοὶ πάσχοντες ἠγανάκτουν, () Wegen derer nämlich sie ärgerlich waren, ἐπὶ τούτοις, οὓς ἐδόκουν θεούς, ἐν αὐτοῖς (als) sie litten, wegen diesen, die sie für Götter κολαζόμενοι ἰδόντες, ὃν πάλαι ἠρνοῦντο εἰhielten, in diesen bestraft, sahen sie, den sie δέναι, θεὸν ἐπέγνωσαν ἀληθῆ· διὸ καὶ τὸ τέρμα früher geleugnet hatten zu sehen, erkannten sie τῆς καταδίκης ἐπ᾽αὐτοὺς ἐπῆλθεν. den wahren Gott; deshalb kam auch die äußerste Strafe f über sie. a Zu dieser Verwendung des Komparativs vgl. Kühner/Gerth 1955: §540 Anm. 7; Schwyzer 1953: II 184 f. b Der Genitiv bezeichnet hier den Raum, innerhalb dessen etwas geschieht, vgl. Kühner/Gerth 1955: §419,2. c So mit Vaticanus, Sinaiticus, Alexandrinus u. a. (τῶν ἐχθρῶν). Ra und Gö ziehen die (erst in späteren Handschriften bezeugte) Lesart τῶν αἰσχρῶν („der schändlichen“) vor. Vgl. dagegen Scarpat 1989 – 99: II 485, gefolgt von Engel 2011: 2148. d Εἰς wird hier, entsprechend zu ἐν, instrumental verwendet, vgl. auch Apg 7,53, dazu Blass/ Debrunner 1990: §206. e Wörtlich: „Spielzeuge von Tadel“. f Wörtlich: „der Höhepunkt der Verurteilung“; nach Larcher 1983 – 85: III 744 die Todesstrafe.

4.4.1.1 Götterpolemisches in Sap 12,23 – 27 Der Abschnitt 12,23 – 27 knüpft an 11,15 f an (s.o. 4.3). Aus diesem Anschluss ergeben sich die (nicht explizit benannten) Ägypter als Objekt in 12,23.⁶⁹⁵ Wie im Vorangehenden stehen die Verehrer, nicht die vermeintlichen Götter, im Fadenkreuz der Polemik. Der Vorwurf lautet nun anders als in 11,15 nicht mehr, dass die Ägypter Tiere verehren (θρησκεύω, 11,15), sondern dass sie sie „für Götter halten“ (θεοὺς ὑπολαμβάνοντες, V.24, bzw. ἐδόκουν, V.27). Von kultischen Handlungen ist hier nicht die Rede, kritisiert wird einzig der Kategorienfehler: Die Götterverehrer denken falsch. Diese Grundproblematik wird den ganzen in Sap 13 – 15 angeschlossenen Exkurs prägen. Die Polemik gegen die Tierverehrung der Ägypter ist in älterer atl. Götterpolemik nicht belegt und begegnet erstmals im Aristeasbrief (s.u. 5.1.4). Sap zeigt sich hier als typischer Vertreter der Götterpolemik aus hellenistisch-römischer Zeit, in der die Ägypter als vernunftlose (dazu s.u. 4.4.1.2) Verehrer grässlicher

 Auf den Exodus spielt auch der Begriff ἐμπαιγμός (12,25) an,vgl. Ex 10,2 LXX (ὅσα ἐμπέπαιχα τοῖς Αἰγυπτίοις), mit Larcher 1983– 85: III 741; Engel 1998: 211.

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Tiere dargestellt werden.⁶⁹⁶ Die für Götter gehaltenen Tiere werden in Sap 12,23 – 27 nicht explizit benannt, aber wie in 11,15 als besonders abstoßend beschrieben – wie auch in älteren götterpolemischen Texten nicht Bezeichnung und Beschreibung der Bilder-Götter, sondern deren Abwertung im Vordergrund stehen. Im heilsgeschichtlichen Bezug und in der Verwendung des Begriffs βδελύγματα (V.23; vgl. hebräisch ‫ )תּוֵֹעָבה‬klingt ein dtn-dtr Diskurs über Götter an.⁶⁹⁷ Wie sich zeigen wird, nimmt der götterpolemische Exkurs in Sap durchaus Elemente dieses Diskurses auf; die tragende Argumentationslinie bleibt aber die des hier untersuchten götterpolemischen Diskurses. Trotz der weitgehenden Kontinuität mit 11,15 f sollte die Tragweite dieser Fortschreibung nicht unterschätzt werden: Während 11,15 f die ägyptische Tierverehrung um der Symmetrie von Vergehen und Strafe willen erwähnt, widmet 12,23 – 27 der Verurteilung der Tierverehrer einen eigenen Absatz, der zudem als Leseanweisung für das Folgende verstanden werden kann. 12,23 – 27 beschränkt sich nicht auf die Erklärung einer einzelnen Plage, sondern legt ein pädagogisches Gesamtkonzept von Gottes Strafhandeln vor, das über die Tierstrafe auf weitere Plagen vorausblickt (12,26 f). Die Vergöttlichung von Tieren wird dabei zum Grundirrtum (V.24), der diese Strafen veranlasst.

4.4.1.2 Weisheitliches in Sap 12,23 – 27 Wie schon in 11,15 f werden die Tierverehrer in 12,23 – 27 als unverständig⁶⁹⁸ und irregeleitet beschrieben. Die verwendeten Begriffe der Torheit, ἀφροσύνη (V.23) und ἄφρων (V.24), gehören zur bevorzugten Terminologie biblischer Weisheitsliteratur.⁶⁹⁹ ᾿Aλόγιστος (V.25) begegnet in der LXX sonst nicht zur Charakterisierung von Menschen.⁷⁰⁰ Innerhalb von Sap fällt auf, dass die Gottlosen in Sap 1– 5 im Gegenüber zum Gerechten durch ihr falsches Denken (λογίζομαι) charakteri-

 Vgl. Arist 138; Philo, Decal. 76 – 78; Contempl. 8; Josephus, C. Ap. 66.86f.139; und s.u. 5.1.4.  Bδέλυγμα/‫ תּוֵֹעָבה‬begegnet atl. im Zusammenhang mit Fremdgötterverehrung (z.B. Dtn 7,25 f). In eine andere Richtung geht die möglicherweise ebenfalls auf ägyptische Tiergötter bezogene Verwendung in Ex 8,22; zur Verwendung von βδέλυγμα/βδελύσσομαι in der Auseinandersetzung mit Ägyptern in frühjüdischen Schriften vgl. Schimanowski 2006: 60f.  Das Bild des unverständigen Kleinkindes (νήπιος, V.24) ist sprichwörtlich in der griechischen Literatur und findet sich auch bei Philo in Bezug auf die Ägypter (Mos. 1,102) und in Bezug auf die Verehrer von Götterbildern (Decal. 69), vgl. dazu Gilbert 1973: 233 f.  Von 37 LXX-Belegen für ἀφροσύνη entfallen 25 auf die Bücher Prov, Qoh, Hi, Sap und Sir; für ἄφρων 119 von 133.  Der Begriff ist nur noch in 3 Makk 6,12; 4 Makk 3,11; 6,18; 16,23 belegt.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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siert werden.⁷⁰¹ Der Begriff λογίζομαι spielt in Sap 1– 5 also eine Rolle innerhalb des typisch weisheitlichen Gottloser-Gerechter-Schemas. Die Verwendung von ἀλόγιστος in V.25 könnte vor diesem Hintergrund zu verstehen sein. Deutlicher verweist die Beschreibung der Tierverehrer als irregleitet (πλανάω, V.24) auf die Gottlosen aus Sap 1– 5 (2,21; 5,6). Das Verb πλανάω wird in Sap nur für die Gottlosen und die in 11,15 f; 12,23 – 15,19 beschriebenen Götterverehrer verwendet.⁷⁰² Auch dass die Götterverehrer nach V.23 „im Unverstand des Lebens“ (ἐν ἀφροσύνῃ ζωῆς) leben, verbindet sie mit den Gottlosen aus Sap 1– 5, die sich im Irrtum über das Leben befinden (vgl. Sap 2,1 f). Die Charakterisierung der Götterverehrer nach dem Muster der Gottlosen aus Sap 1– 5 durchzieht den gesamten götterpolemischen Exkurs (vgl. insbesondere Schicht E). Die in 11,16 benannte Strafregel δι᾽ ὧν τις ἁμαρτάνει, διὰ τούτων κολάζεται („wodurch jemand sündigt, dadurch wird er bestraft“) wird in 12,27 aufgenommen (ἐπὶ τούτοις, οὓς ἐδόκουν θεούς, ἐν αὐτοῖς κολαζόμενοι, „wegen diesen, die sie für Götter hielten, in diesen bestraft“). Die aus der Strafe zu ziehende Erkenntnis (γινώσκω in 11,16; ἐπιγινώσκω in 12,27) ist nun aber explizit die Erkenntnis des wahren Gottes. Mit dem Thema der richtigen Gotteserkenntnis und der Einbettung der Götterverehrung in einen breiteren Irrtum über das Leben bringt 12,23 – 27 so gegenüber 11,15 f neue Aspekte ein, die in den folgenden Fortschreibungen unter Verwendung weisheitlicher Elemente vertieft werden.

4.4.2 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,1 – 9 und 15,14 – 19 (13,1a) μάταιοι μὲν γὰρ πάντες ἄνθρωποι φύσει, οἷς παρῆν θεοῦ ἀγνωσία (b) καὶ ἐκ τῶν ὁρωμένων ἀγαθῶν οὐκ ἴσχυσαν εἰδέναι τὸν ὄντα (c) οὔτε τοῖς ἔργοις προσέχοντες ἐπέγνωσαν τὸν τεχνίτην,

(,a) Nichtig sind nämlich alle Menschen der Natur a nach, denen die Unkenntnis Gottes möglich war, (b) und aus den sichtbaren guten Dingen vermochten sie nicht zu erkennen den Seienden (c) und wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf die Werke richteten, erkannten sie den Handwerker nicht, () ἀλλ᾽ἢ πῦρ ἢ πνεῦμα ἢ ταχινὸν ἀέρα ἢ κύκλον () sondern das Feuer oder den Geist oder die ἄστρων ἢ βίαιον ὕδωρ ἢ φωστῆρας οὐρανοῦ schnelle Luft oder den Kreis der Sterne oder das πρυτάνεις κόσμου θεοὺς ἐνόμισαν. gewalttätige Wasser oder die Lichter des Himmels hielten sie für die Welt beherrschende b Götter.

 Λογισάμενοι οὐκ ὀρθῶς (2,1; vgl. 2,21; 3,2; 5,4); der Gerechte hingegen schätzt (λογίζομαι) die Gottlosen zutreffend als „Fälschung“ (κίβδηλος) ein (2,16).  Eine Ausnahme dazu bildet die Verwendung in 17,1.

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(a) ὧν εἰ μὲν τῇ καλλονῇ τερπόμενοι ταῦτα θεοὺς ὑπελάμβανον, (b) γνώτωσαν πόσῳ τούτων ὁ δεσπότης ἐστὶ βελτίων, (c) ὁ γὰρ τοῦ κάλλους γενεσιάρχης ἔκτισεν αὐτά (a) εἰ δὲ δύναμιν καὶ ἐνέργειαν ἐκπλαγέντες, (b) νοησάτωσαν ἀπ᾽αὐτῶν πόσῳ ὁ κατασκευάσας αὐτὰ δυνατώτερός ἐστιν· () ἐκ γὰρ μεγέθους καὶ καλλονῆς κτισμάτων ἀναλόγως ὁ γενεσιουργὸς αὐτῶν θεωρεῖται. () ἀλλ᾽ὅμως ἐπὶ τούτοις μέμψις ἐστὶν ὀλίγη, καὶ γὰρ αὐτοὶ τάχα πλανῶνται θεὸν ζητοῦντες καὶ θέλοντες εὑρεῖν· () ἐν γὰρ τοῖς ἔργοις αὐτοῦ ἀναστρεφόμενοι διερευνῶσιν καὶ πείθονται τῇ ὄψει, ὅτι καλὰ τὰ βλεπόμενα. () πάλιν δὲ οὐδ᾽αὐτοὶ συγγνωστοί () εἰ γὰρ τοσοῦτον ἴσχυσαν εἰδέναι ἵνα δύνωνται στοχάσασθαι τὸν αἰῶνα, τὸν τούτων δεσπότην πῶς τάχιον οὐχ εὗρον; (,) πάντες δὲ ἀφρονέστατοι καὶ τάλανες ὑπὲρ ψυχὴν νηπίου οἱ ἐχθροὶ τοῦ λαοῦ σου καταδυναστεύσαντες αὐτόν, () ὅτι καὶ πάντα τὰ εἴδωλα τῶν ἐθνῶν ἐλογίσαντο θεούς, οἷς οὔτε ὀμμάτων χρῆσις εἰς ὅρασιν οὔτε ῥῖνες εἰς συνολκὴν ἀέρος οὔτε ὦτα ἀκούειν οὔτε δάκτυλοι χειρῶν εἰς ψηλάφησιν καὶ οἱ πόδες αὐτῶν ἀργοὶ πρὸς ἐπίβασιν. () ἄνθρωπος γὰρ ἐποίησεν αὐτούς, καὶ τὸ πνεῦμα δεδανεισμένος ἔπλασεν αὐτούς· οὐδεὶς γὰρ αὐτῷ ὅμοιον ἄνθρωπος ἰσχύει πλάσαι θεόν·

() θνητὸς δὲ ὢν νεκρὸν ἐργάζεται χερσὶν ἀνόμοις· κρείσσων γάρ ἐστιν τῶν σεβασμάτων αὐτοῦ, ὧν αὐτὸς μὲν ἔζησεν, ἐκεῖνα δὲ οὐδέποτε.

(a) Wenn sie, sich an deren Schönheit ergötzend, diese für Götter hielten, (b) hätten sie erkennen sollen, wie viel besser als diese der Herr ist, (c) denn der Urheber c der Schönheit hat sie geschaffen. (a) Wenn (sie) aber über die Kraft und Wirksamkeit erstaunt (waren), (b) hätten sie von diesen erkennen sollen, wie viel mächtiger der ist, der sie geschaffen hat. () Denn aus der Macht und Schönheit der Geschöpfe wird entsprechend dazu ihr Schöpfer d erkannt. () Gleichwohl aber ist der Vorwurf gegen diese gering, denn sie schweifen vielleicht ab, (obwohl) sie Gott suchen und finden wollen. () Denn bei seinen Werken halten sie sich auf (und) durchforschen (sie), und werden durch den Anblick überzeugt, weil das, was sie sehen, schön/gut ist. () Wiederum aber sind sie nicht entschuldbar: () Wenn sie nämlich so sehr zu erkennen vermochten, dass sie auf den Aion e schließen konnten, den Herrn von diesen, wie haben sie (ihn) nicht früher gefunden? (,) Alle aber (sind sie) vollends dumm f und elend über eine unmündige Seele hinaus, die Feinde deines Volkes, (die) es unterdrückten, () weil sie auch alle Götterbilder der Völker für Götter hielten, denen weder der Gebrauch der Augen zum Sehen (ist), noch eine Nase zum Einziehen der Luft, noch Ohren zu hören, noch Finger der Hand zum Betasten, und ihre Füße sind nutzlos für das Gehen. (a) Denn ein Mensch hat sie gemacht (b) und einer, dem der Geist geliehen ist g, hat sie geformt. (c) Denn kein Mensch vermag zu formen einen ihm ähnlichen Gott. (a) Ein Sterblicher nämlich schafft etwas Totes mit gesetzlosen Händen. (b) Denn überlegen ist er seinen Kultgegenständen, (denn) von ihnen h hat er (nämlich) gelebt, jene hingegen niemals.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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() καὶ τὰ ζῷα δὲ τὰ ἔχθιστα σέβονται· ἀνοίᾳ γὰρ συγκρινόμενα τῶν ἄλλων ἐστὶ χείρονα·

() Und sie verehren auch die verhasstesten Tiere, denn in Bezug auf Unverstand sind sie verglichen mit den anderen schlimmer, () οὐδ᾽ὅσον ἐπιποθῆσαι ὡς ἐν ζῴων ὄψει καλὰ () und sie (sind) nicht etwa schön, so dass τυγχάνει, ἐκπέφευγεν δὲ καὶ τὸν τοῦ θεοῦ man sie begehrt, so weit das beim Anblick von ἔπαινον καὶ τὴν εὐλογίαν αὐτοῦ. Tieren möglich ist, i sondern sie sind entgangen sowohl dem Lob des Gottes als auch seinem Segen. a Die philosophische Bedeutung „von Natur aus/dem Wesen nach“ passt nicht zur folgenden Darlegung, mit Kepper :  f. Kepper :  nimmt daher die umgangssprachliche Bedeutung „von Geburt an“ an und versteht einen „als veränderlich gedachten Zustand der Torheit“. Ebenfalls auf dieser umgangssprachlichen Bedeutung basiert die Verwendung von φύσις zur Bezeichnung der Charakteristika eines Individuums oder einer Gruppe (dazu Gilbert : ), die m. E. angesichts des anschließenden Relativsatzes naheliegt. Zu anderen Deutungen von φύσει in , vgl. Larcher  – : III  f (und s. u. Anm. ). b So mit Heinisch :  und Kepper : , wodurch die Parallelität der einzelnen Glieder der Aufzählung erhalten bleibt. Anders z. B. Gilbert :  – , der πρυτάνεις κόσμου als Apposition zu φωστῆρας οὐρανοῦ übersetzt, da θεούς in ,.; ,.; , jeweils ohne Apposition begegnet. c Bei diesem sehr seltenen Begriff handelt es sich wahrscheinlich um einen Neologismus in Sap; vgl. Larcher  – : III ; Scarpat  – : III ; Kepper :  mit Anm. . d Wahrscheinlich ein Neologismus, da es sich um den ältesten Beleg handelt; später begegnet der Begriff in hermetischen Schriften (vgl. dazu Larcher  – : III  f; Scarpat  – : III ; Kepper :  mit Anm. ). e Der Begriff bezeichnet die Welt primär unter einem zeitlichen Aspekt, vgl. Kepper :  und auch die Übersetzungen und Erläuterungen von Sasse :  („Weltlauf“) und Larcher  – : III . f („le cours éternel des choses“), und ist somit nicht vorschnell mit κόσμος gleichzusetzen. Smith :  –  (gefolgt von Reese :  – ; Gilbert :  f; Georgi : ; Kepper :  – ; anders Winston :  f u. a.) schlug vor, darin die kosmische Gottheit Aion zu sehen. Dafür spricht nach Smith :  insbesondere die Verwendung des Aorists στοχάσασθαι, der zeigt, dass es nicht um ein allgemeines Erforschen, sondern eine konkrete Schlussfolgerung geht. Gilbert :  weist zudem darauf hin, dass στοχάζομαι nur im Sinne von „schließen auf (den Weltgott)“ mit Akkusativ konstruiert wird (vgl. z. B. Praem. : στοχασάμενοι τὸν δημιουργόν). f Zum absoluten Gebrauch des Superlativs an dieser Stelle vgl. Larcher  – : III . g Der Vorschlag von Schaper :  f, „der geborgte Geist“ zu übersetzen, scheint mir aufgrund des Ptz. m. (statt n.) ungenauer; das ändert m. E. aber nichts daran, dass hier (wie Schaper zu Recht betont) der ganze Mensch von seinem von Gott gegebenen πνεῦμα her bestimmt wird. h Partitiver Genitiv, der sich sowohl auf den Handwerker (aufgenommen durch αὐτὸς μέν) als auch auf die Kultgegenstände (aufgenommen durch ἐκεῖνα δέ) bezieht, mit Larcher  – : III ; Gilbert :  u. a. i Wörtl. „und sie sind nicht einmal schön, soweit zu begehren, insoweit wie (dies) beim Aussehen/ Ansehen von Tieren (möglich ist)“; vgl. zur Übersetzung Larcher  – : III .

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4 Sapientia Salomonis

4.4.2.1 Götterpolemisches in Sap 13,1 – 9 und 15,14 – 19 In 13,1– 9; 15,14– 19 wird die Polemik aus 12,23 – 27 fortgeführt: Wieder lautet der Vorwurf, etwas für Götter (θεοί) zu halten (13,2.3; 15,15; vgl. 12,24.27); die Ägypter werden als „dumm (ἄφρων) wie ein Kleinkind (νήπιος)“ (15,14; vgl. 12,24) bezeichnet und die von ihnen verehrten Tiere als besonders verabscheuenswert (15,18 f; vgl. 12,24). Doch der Bezug zu den Themen von Sap *11– 19 – Exodus, Plagen, Gottes Strafhandeln – tritt nun zurück;⁷⁰³ stattdessen beginnt eine argumentative Auseinandersetzung mit „falschen Göttern“ in der Tradition des götterpolemischen Diskurses. Dass der Text an ältere atl. Polemik anknüpft, zeigt bereits die Ähnlichkeit von 13,1 mit Jer 10,14: Sap 13,1a Jer ,aα

μάταιοι μὲν γὰρ ἐμωράνθη (‫) ִנְבַער‬

πάντες ἄνθρωποι πᾶς ἄνθρωπος (‫) ָּכל־ָא ָדם‬

φύσει,

οἷς παρῆν θεοῦ ἀγνωσία ἀπὸ γνώσεως (‫)ִמ ַדַּעת‬

Die Qualifizierung der mit solchen falschen Göttern befassten Menschen als μάταιοι entspricht dabei Jes 44,9 (οἱ πλάσσοντες καὶ γλύφοντες πάντες μάταιοι/ ‫תּהוּ‬ ֹ ‫)י ְֹצ ֵרי־ֶפֶסל ֻכּ ָלּם‬.⁷⁰⁴ Der Ausdruck τὰ εἴδωλα τῶν ἐθνῶν⁷⁰⁵ in 15,15 in Verbindung mit der folgenden Beschreibung der Bilder geht auf Ps 113,12– 15 LXX zurück. Die Anknüpfung an atl. Götterpolemik auch da,wo von Götterbildern nicht die Rede ist (13,1– 9), zeigt, dass zwischen der Verehrung von Elementen der Schöpfung und der Verehrung von Götterbildern kein grundsätzlicher, sondern höchstens ein gradueller Unterschied gemacht wird.⁷⁰⁶ Die Polemik gegen die Bilder-Götter findet daher ein weites Anwendungsfeld. Durch 13,1 (μάταιοι μὲν γὰρ πάντες) und 15,14 (πάντες δὲ ἀφρονέστατοι) wird die Grundschicht in zwei Teile gegliedert, die sich offenbar gegen unterschiedliche Personengruppen richten. Die erste Gruppe wird zunächst sehr allgemein be-

 Das Thema der Bestrafung wird erst in 16,1 wieder aufgenommen (vgl. 11,15f; κολάζω auch in 12,27; βασανίζω auch in 12,23).  Darauf weisen auch Gilbert 1973: 5; Scarpat 1989 – 99: III 74; Engel 1998: 215 u. a. hin.  Heinisch 1912: 250 vermutet darin eine Polemik gegen Synkretismus (ähnlich Larcher 1983 – 85: III 879). Doch es handelt sich wahrscheinlich um einen feststehenden Begriff, denn in der LXX werden unterschiedliche hebräische Wendungen als τὰ εἴδωλα τῶν ἐθνῶν übersetzt (‫ ֲעַצ ֵבּי ַהגּוֹיִם‬in Ps 134,14 LXX; ‫ ַהְבֵלי ַהגּוֹיִם‬in Jer 14,22 und vgl. 1 Chr 16,26) und diese Bezeichnung in Ps 113,12 LXX (in Angleichung an Ps 135/Ps 134,15 LXX) ergänzt.  Vgl. dazu neben Decal. 52– 81 und Contempl. 3– 9 auch Virt. 219, wo Philo Abraham, der sich von der babylonischen Astrologie und Elementeverehrung abwendet, als Vorbild für diejenigen darstellt, die sich von der Bilderverehrung abwenden.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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schrieben als πάντες ἄνθρωποι […] οἷς παρῆν θεοῦ ἀγνωσία (13,1).⁷⁰⁷ Die folgende Aufzählung vermeintlicher Götter könnte Aufschluss darüber geben, gegen welchen religiösen Diskurs sich die Polemik richtet, und so auch einen Hinweis auf ihren soziohistorischen Ort liefern. Es ist naheliegend, in der hellenistischen Philosophie nach entsprechenden Gottesvorstellungen zu suchen.⁷⁰⁸ Aus den genannten Begriffen ergibt sich allerdings nicht das Profil einer bestimmten philosophischen Richtung: – Bei πῦρ und πνεῦμα handelt es sich um göttliche Prinzipien der Stoa:⁷⁰⁹ πνεῦμα bezeichnet den Lebensstrom; das Feuer als Hauptelement ist eine schöpferische Kraft (πῦρ νοερόν/πῦρ τεχνικόν), die auch andernorts als Gottheit der Stoiker verstanden wurde.⁷¹⁰ – Die parallele Formulierung ἢ ταχινὸν ἀέρα ἢ κύκλον ἄστρων/ἢ βίαιον ὕδωρ ἢ φωστῆρας οὐρανοῦ lässt vermuten, dass diese vier Begriffe als zusammenhängend zu verstehen sind.⁷¹¹ Als Schlüsselbegriffe griechischer Religionsphilosophie sind diese Wendungen nicht bekannt, und auch ihre Zusammenstellung gibt Rätsel auf. Nicht nur das Fehlen der Erde, auch die Nennung der Gestirne spricht dagegen, in 13,2 einen Bezug auf die vier Elemente zu sehen. Die Adjektive ταχινός und βίαιος zeigen, dass hier von bewegten Elementen die Rede ist. Auch κύκλος ἄστρων kann die kreisförmige Bewegung der Himmelskörper bezeichnen.⁷¹² McGlynn schlägt daher vor, dass hier auf das philosophische Argument angespielt wird, nach dem das Bewegte einen

 Bei dieser allgemeinen Beschreibung handelt es sich evtl. um eine Art doxographischer Einleitung eines philosophischen Arguments. Engel 1998: 215 vermutet (aufbauend auf einen Hinweis bei Gilbert 1973: 47 f Anm. 219) eine polemische Anspielung auf den ersten Satz der Metaphysik des Aristoteles (980a: Πάντες ἄνθρωποι τοῦ εἰδέναι ὀρέγονται φύσει, „Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“).  Anders Görg 1990: 19 – 25, der die genannten kosmischen Elemente ägyptischen Gottheiten zuordnet. Daran erscheint insbesondere problematisch, dass die Erde als Element der Göttin Isis nicht erwähnt wird, vgl. zur Kritik Kepper 1999: 164– 166. Denkbar wäre auch, dass die Polemik auf vorsokratische Naturphilosophen zielt (vgl. dazu die Hinweise auf Ältere bei Larcher 1983– 85: III 759), doch in Anbetracht der Entstehungszeit von Sap liegt die Auseinandersetzung mit deren hellenistischen Nachfolgern näher.  Vgl. Gilbert 1973: 14; Kepper 1999: 167.  Vgl. z. B. SVF II 1027; SVF II 1050 (Text und Übersetzung bei Nickel 2008: I 340f.372 f [Nr. 307 und 321]).  Für eine Gliederung der Aufzählung unter Berücksichtigung der Attribute plädiert auch Kepper 1999: 167. Anders z. B. Gilbert 1973: 15, der πῦρ – πνεῦμα – ἀήρ und κύκλος ἄστρων – ὕδωρ – φωστῆρες οὐρανοῦ als jeweils aufeinander bezogen betrachtet.  Larcher 1983 – 85: III 757 weist darauf hin, dass dieses Verständnis aufgrund der beiden Adjektive, die ebenfalls Bewegung implizieren, naheliegt. Für weitere Belege für κύκλος als Kreisbewegung (auch von Gestirnen) vgl. LSJ s.v.

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Beweger voraussetzt und also selber nicht Gott sein kann.⁷¹³ Vor dem Hintergrund der LXX lässt sich das noch präzisieren: Das Adjektiv βίαιος wird in der LXX für Wind auf dem Wasser,⁷¹⁴ aber auch in Jes 59,19 wie in Sap 19,7 für das (vom Wind) bewegte Wasser verwendet,⁷¹⁵ und zwar jeweils im Kontext eines göttlichen Eingreifens.⁷¹⁶ Die Formulierung βίαιον ὕδωρ enthält also für den Schriftkundigen einen deutlichen Hinweis auf den dahinter stehenden Gott. Von daher erklärt sich auch φωστῆρες οὐρανοῦ, das keine Bewegung beinhaltet: Der vor der LXX sehr selten belegte Begriff φωστήρ könnte hier auf Gen 1,14 zurückgehen⁷¹⁷ und damit ebenfalls daran erinnern, dass hinter dem allen der Schöpfergott steht. Die Erwähnung von δύναμις und ἐνέργεια in 13,4 ist wahrscheinlich als Anspielung auf die griechische Kraftlehre zu verstehen.⁷¹⁸ In hellenistischer Zeit wurde die Vorstellung zunehmend populär, dass Götter nicht nur persönlich handeln, sondern durch ihre Kraft (ἐνέργεια) auf wunderbare Weise wirken.⁷¹⁹ Schließlich wird in 13,9 Αἰών genannt.⁷²⁰ Der Aion begegnet in römischer Zeit als Welt-Gottheit, die Leben hervorbringt und durch den Himmel die verschiedenen Elemente zusammenhält.⁷²¹ Eine Aion-Statue⁷²² aus der Zeit des Augustus legt nahe, dass diese Gottheit damals kultische Verehrung erfuhr.

Auch wenn es grundsätzlich möglich wäre, die genannten Begriffe insgesamt vage im Umfeld religiöser Philosophie stoischer Prägung zu verorten,⁷²³ legt dies die Formulierung im Einzelnen nicht nahe. Die Polemik zielt nicht auf einen bestimmten religionsphilosophischen Diskurs, sondern nennt verschiedene für Götter gehaltene Objekte unter dem Gesichtspunkt, dass sie – und zwar vor dem Hintergrund atl. Schöpfungstheologie fälschlicherweise – als schöpferische Ursache der Welt angesehen werden. Charakteristisch für die im Fokus der Polemik stehenden „Menschen“ (13,1) ist dabei weniger eine bestimmte Gottesvorstellung

 Vgl. McGlynn 2001: 141 f.  Z. B. Ex 14,21; Ps 47,8 LXX; Jes 11,15.  Mit Gilbert 1973: 15 f Anm. 60.  Darauf weist Kepper 1999: 168 hin.  Mit Larcher 1983 – 85: III 757; vgl. zum Begriff auch Gilbert 1973: 16.  Mit Kepper 1999: 186f.  Vgl. dazu Nilsson 1950: 215.512f.  Zur Deutung des Begriffs in 13,9 auf die Welt-Gottheit Aion hin vgl. Textanm. e.  Nach Fragmenten über den Konsul Marcus Messala (53 v.), dazu Festugière 1954:176 – 180, und der Inschrift auf der im Haupttext erwähnten Statue. Ausführlicher zu Aion als hellenistisch-römische Gottheit vgl. Zepf 1927.  Zu dieser Statue vgl. Festugière 1954: 180 – 182.  So z. B. schon Ricken 1968: 60 – 62 und Gilbert 1973: 14– 20 (für 13,2).

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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als vielmehr die Art und Weise, wie sie zu ihrer Gottesvorstellung gelangen. Darauf werde ich bei der Untersuchung der weisheitlichen Aussagen näher eingehen. Die zweite Gruppe bilden nach 15,14 „die Feinde deines Volkes, die es unterdrückten“ (οἱ ἐχθροὶ τοῦ λαοῦ σου καταδυναστεύσαντες αὐτόν). Damit sind im Kontext des dritten Buchteils die Ägypter gemeint.⁷²⁴ Wenn man das πάντες ἄνθρωποι in 13,1 ernst nimmt, kann man die Zweiteilung so verstehen, dass die Ägypter, als πάντες δὲ ἀφρονέστατοι (15,14), der Menschheit im Allgemeinen gegenübergestellt werden. Die Ägypter als konträr zur übrigen Menschheit darzustellen, war in der Antike ein beliebter Topos, am bekanntesten formuliert wohl von Herodot in seinen Historien (2,35): „Wie der Himmel bei den Ägyptern anders ist als in anderen Ländern, der Strom sich anders verhält als die anderen Flüsse, so stehen auch die Sitten und Bräuche der Ägypter größtenteils in allen Stücken im Gegensatz zu denen der übrigen Völker. […] Die anderen Völker schlagen beim Weben den Einschlag von oben nach unten, die Ägypter tun es umgekehrt. […]“ (es folgt eine Reihe weiterer Beispiele).⁷²⁵ Dem Grundbestand des Exkurses könnte eine ähnliche Gegenüberstellung zugrunde liegen. Allerdings zeichnet sich schon in 13,1 ab (und wird sich in der weiteren Entwicklung des götterpolemischen Exkurses bestätigen), dass auch die Juden als einzige mit wahrer Gotteserkenntnis nicht zu den „Menschen“ (im Allgemeinen) zu rechnen sind. Eine ähnliche Positionierung von Wir-Gruppe, Menschheit und Ägyptern zeigt sich auch in anderen götterpolemischen Texten (s.u. 5.1.4 zu Arist). Den Ägyptern wird zum einen die Verehrung aller „Bilder-Götter der Völker“ vorgeworfen. Die mit καί angeschlossene Bemerkung gegen die Tierverehrung der Ägypter (dazu s.o. 4.4.1.1) ist als anknüpfend an die Bilderverehrung zu verstehen. Auch Philo wirft den Ägyptern zusätzlich zur Bilderverehrung die Tierverehrung vor (Decal. 76). Die Polemik gegen die Bilder-Götter in 15,15 unterscheidet sich (bei weitgehend eigenständiger Formulierung) in der Aussage nicht von Beschreibungen der unfähigen Bilder wie Ps 113,13 – 15 LXX und Jer 10,5, und auch die Feststellung, die Bilder seien von Menschen hergestellt (15,16a), geht auf ältere Götterpolemik zurück (vgl. besonders Jes 44,11). Nun aber geht Sap über die ältere Polemik hinaus, indem sie philosophisch begründet, warum aus der Herstellung durch Menschen die Unfähigkeit der Götterbilder folgt.⁷²⁶ Dazu folgt zunächst in V.16b eine an-

 Vgl. ἐχθροί in 16,4.8.22; 18,7.10 und καταδυναστεύω in 17,2 (und vgl. schon Ex 1,13).  Übersetzung aus Feix 1963: I 229.  Zu V.16 f als (mehrstufige) Begründung zu V.15 vgl. auch Gilbert 1973: 227 f.

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thropologische Näherbestimmung (τὸ πνεῦμα δεδανεισμένος).⁷²⁷ Daran knüpfen zwei Argumente (jeweils mit γάρ) an: – Da der Mensch einen geliehenen Geist hat, kann er ihn nicht an sein Geschöpf weitergeben – er schafft also nur etwas Totes. – Da der Mensch zumindest für eine gewisse Zeit lebt, ist er darin seinem Kultgegenstand überlegen – wie aber, so wohl die implizite Schlussfolgerung, soll man etwas verehren, das einem selber unterlegen ist? Der Ansatz beim Menschen selbst und die Frage, wie weit sich Götterbild und Hersteller entsprechen, kann sich gut aus Ps 115/135 heraus entwickelt haben.⁷²⁸ Dort heißt es unmittelbar im Anschluss an die Beschreibung der unfähigen Bilder (vgl. Sap 15,15): ‫( ְכּמוֶֹהם יְִהיוּ עֹ ֵשׂיֶהם‬Ps 115,8//135,18) bzw. ὅμοιοι αὐτοῖς γένοιντο οἰ ποιοῦντες αὐτά (Ps 113,16//134,18 LXX). Statt als Fluch über die Hersteller und Verehrer wird der Gedanke einer Ähnlichkeit zwischen Hersteller und Bild in V.16 f umgekehrt gegen das Bild gerichtet, das dem Hersteller eben in letzter Konsequenz nicht ähnlich (ὅμοιος, V.16c) sein kann. Erstmals in den bislang untersuchten Texten wird hier die Vorstellung der Menschenschöpfung für die götterpolemische Argumentation herangezogen (vgl. auch 15,7– 13). Es zeigt sich in 15,15 – 17 also eine philosophische Reflexion, die auf Elementen der älteren atl. Götterpolemik aufbaut. Ähnlich verhält es sich für den ersten Teil 13,1– 9, nur dass hier seltener auf atl. Elemente zurückgegriffen wird, und die philosophische Argumentation mehr Raum einnimmt. Letztlich steht aber hinter 13,1– 9; 15,14– 19 insgesamt das biblische Thema der Welt als Gottes Schöpfung, und mit dem Anklang an Jer 10,14 in 13,1 wird auf einen götterpolemischen Text verwiesen, der vom Schöpfergott her argumentiert. Der unhinterfragte Glaube an den Schöpfergott bildet die entscheidende Grundlage für die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit (dazu s.u. 5.3).

4.4.2.2 Weisheitliches in Sap 13,1 – 9 und 15,14 – 19 Wie zu 12,23 – 27 ausgeführt, beschreiben die Begriffe λογίζομαι und πλανάω das Handeln der Gottlosen in Sap 1– 5 und entsprechend dazu das Handeln der

 Zum stoischen Hintergrund dieser Vorstellung vgl. Schaper 2008: 460 – 464, der auch darauf hinweist, dass der Mensch dadurch – im Gegensatz zum Götterbild! – mit Gott verbunden ist.  Ein anderer Umgang mit derselben Frage zeigt sich in EpJer 46f (von dort auf Sap 15,16 f verweist Moatti-Fine 2005: 326). EpJer argumentiert im Gegensatz zu Sap 15,16 gerade mit der Ähnlichkeit von Hersteller und Bild: Wie der Hersteller ist auch das Bild vergänglich und kann deshalb nicht Gott sein (so vermutlich das implizite Argument). Sap 15,16 f scheint weder in Formulierung noch Aussage von EpJer 46f abhängig zu sein.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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Götterverehrer in 12,23 – 27. Auch in 13,6 und 15,15 begegnen diese Begriffe wieder. Hinzu kommt der Vorwurf der θεοῦ ἀγνωσία in 13,1, der nicht nur an Jer 10,14 erinnert, sondern auch an die Gottlosen aus Sap 1– 5, die Gottes Geheimnisse und Gottes Weg nicht erkennen (οὐκ ἔγνωσαν).⁷²⁹ Auch hier dürften also die Gottlosen wieder als Muster für die Beschreibung der Götterverehrer gedient haben. Die Charakterisierung der Ägypter in 15,14 schließt an 12,23 – 27 an und verwendet ebenfalls das in der Weisheitsliteratur beliebte Adjektiv ἄφρων. Wie oben gezeigt wurde, lassen sich die in 13,1– 9 genannten falschen Gottesvorstellungen nicht einer spezifischen Gruppe zuordnen. Sie beziehen sich aber alle auf kosmologische Größen. Der Polemik liegt die Gewissheit zugrunde, dass Gott aus der sichtbaren Welt erkannt werden könnte, wie schon in 13,1b aus dem Vorwurf an die Götterverehrer hervorgeht. Dieser Gedanke ist auch in der zeitgenössischen Philosophie verbreitet.⁷³⁰ Prägend für die hellenistische Naturphilosophie wirkte Platos Werk Timaios. Darin gibt Plato eine mythologische Erklärung des Kosmos: Ein Handwerker (ποιητής/δημιουργός) hat die Welt geschaffen. Im Timaios ist das Argument des Rückschlusses aus der Welt auf den Urheber angelegt: Alles Gewordene hat eine Ursache; die Welt, da sichtbar, ist geworden; daraus folgt, dass die Welt einen Urheber hat. Plato geht es dabei nicht um einen Gottesbeweis, sondern um die Entstehung der Welt. Erst in der Auslegung des Timaios wird die Vorstellung expliziert, dass es an der Welt selbst ablesbar sei, dass sie von einem Schöpfer hergestellt sei. Auch Philo argumentiert in dieser Weise und benutzt dabei auch die gleichen Begriffe wie nicht-jüdische Philosophen. Wie sich vom Werk auf den Handwerker (τεχνίτης) schließen lässt, so lässt sich aus der Schöpfung auf den δημιουργός (Spec. 1,33) bzw. den ποιητής (Spec. 1,34) schließen.⁷³¹ Der Gedanke, dass die Welt transparent auf ihren Schöpfer sei, lässt sich andererseits auch aus der atl. Weisheit heraus entwickeln.⁷³² Vorläufer dieses Gedankens ist zum einen das aus der Schöpfung selbst (z. B. Ps 19,2) und aus ihrer Betrachtung (z. B. Jes 40,25) hervorgehende Lob des Schöpfers, und zum anderen die Vorstellung von der Weisheit als an der Schöpfung beteiligt und ihr innewohnend (Prov 3,19 f; 8,22– 31; Ps 104,24; Sir 1,1– 10; 24,3 – 6), so dass die Betrachtung der Schöpfung weisheitliche Erkenntnis ermöglicht. Aus der Verlängerung dieser beiden Linien folgt die Erkenntnis des Schöpfergottes selbst aus der

 Vgl. Sap 2,22; 5,7.  Vgl. Gilbert 1973: 22 f; Winston 1981: 252 f.  Auch aus der Betrachtung des Himmels lässt sich nach Philo auf den Schöpfer schließen (στοχάζομαι), vgl. Praem. 43; auf diese Stelle bei Philo weist Gilbert 1973: 21 mit Anm. 96 hin.  Vgl. dazu die Ausführungen von von Rad 1970: 210 – 215 über die „Selbstoffenbarung der Schöpfung“.

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4 Sapientia Salomonis

Schöpfung.⁷³³ Dies wird erstmals in Hi 12,9 explizit formuliert: ‫ִמי ל ֹא־ ָי ַדע ְבָּכל־ֵא ֶלּה ִכּ‬ ‫ ַיד־יהוה ָע ְשָׂתה ֹּזאת‬/τίς οὐκ ἔγνω ἐν πᾶσι τούτοις ὅτι χεὶρ κυρίου ἐποίησεν ταῦτα („Wer erkennt nicht in all diesen, dass die Hand Jhwhs [LXX: des Herrn] dies gemacht hat?“). Philosophie und Weisheit kommen in diesem Punkt also zusammen. Die Überlappung von atl. und philosophischen Traditionen zeigt sich auch in der Bezeichnung dessen, der erkannt werden sollte: 13,1b spricht wie Ex 3,14 LXX von Gott als ὁ ὤν,⁷³⁴ 13,1c wie zeitgenössische Philosophen von ὁ τεχνίτης.⁷³⁵ Sap 13,1– 9 rechnet allerdings damit, dass dieser Erkenntnisprozess auch scheitern kann: Die angegriffenen Götterverehrer werden ja gerade dadurch charakterisiert, dass sie (den wahren) Gott aus der Welt nicht erkennen können. Stattdessen gelangen sie zu unterschiedlichen falschen Schlussfolgerungen. Wie man zur richtigen Gotteserkenntnis gelangen sollte, und welche Fehler die Götterverehrer dabei begehen, lässt sich an den in Sap 13,1– 9 verwendeten Verben ablesen.⁷³⁶ Richtig und prinzipiell möglich wäre Gotteserkenntnis, die ausgedrückt wird mit den Verben οἶδα („wissen, verstehen, kennen“, V.1), ἐπιγινώσκω („genau erkennen, bemerken“, V.1); γινώσκω („erkennen, erfahren, verstehen“, V.3); νοέω („wahrnehmen, erkennen“, und vor allem: „denken“, V.4); θεωρέω („betrachten“, und auch: „geistig betrachten“, V.5). Es handelt sich also jeweils um eine eigenständige kognitive Aktivität, eine Denkleistung, die die sinnliche Wahrnehmung verarbeitet. Alle diese Verben werden in Negation oder im Imperativ verwendet, beschreiben also, was die Menschen tun sollten, aber tatsächlich nicht tun. Stattdessen halten sie etwas für Götter, was mit νομίζω („etwas als Brauch oder Gesetz haben“, allgemein: „glauben, meinen, halten für“, V.2) und ὑπολαμβάνω („etwas von unten fassen“, von daher: „einen Vorschlag annehmen, glauben, meinen“, V.3) ausgedrückt wird. Bei beiden Verben schwingt mit, dass man etwas Vorgegebenes annimmt und für wahr hält. Im Gegensatz dazu drücken die positiv konnotierten Verben eigenständige geistige Arbeit aus. Nur in V.9 werden den Menschen solche kognitiven Aktivitäten zugeschrieben, wobei aber gleichzeitig impliziert ist, dass sie darin nicht weit genug gehen. Da, wo diese Menschen „Gott suchen und finden wollen“ (V.6), hindert sie nach V.7 das Verweilen bei den Werken (vgl. auch V.1), über die sie nicht hinaus kommen. Dieses Problem scheint in besonderer Weise

 Die Schöpfungswerke als Träger von Gottes Offenbarung begegnen explizit in Sir 43,16; vgl. dazu Perdue 1994: 279 f und (mit Betonung der Sichtbarkeit von Gottes ‫ ָכּבוֹד‬in der Natur) Goering 2009: 45 – 49.  Vgl. Gilbert 1973: 6 mit Anm. 11, der auch darauf hinweist, dass dieser Terminus nicht dem Sprachgebrauch griechischer Philosophen (τὸ ὄν) entspricht.  Vgl. Philo, Leg. 3,99 (διὰ τῶν ἔργων τὸν τεχνίτην κατανοοῦντες) und Epikt. 1,6,7 f (τούτων μὲν ἕκαστον [sc. ἔργον] ἐμφαίνει τὸν τεχνίτην); dazu Gilbert 1973: 21– 23 mit Anm. 95; Reese 1970: 54.  Ähnliche Überlegungen finden sich bei McGlynn 2001: 140.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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mit der Verbindung von sehen und erkennen zusammenzuhängen: Aus den sichtbaren (ὁρώμενος, V.1) Dingen können die Götterverehrer nicht erkennen (οἶδα, V.1); sie ergötzen sich (τερπόμενοι, V.3) und sind erstaunt (ἐκπλαγέντες, V.4)⁷³⁷ und werden von der Schönheit dessen, was sie sehen (τὰ βλεπόμενα, V.7) durch den Anblick (τῇ ὄψει, V.7), überzeugt. Das Sehen bleibt also beim unmittelbaren Eindruck stehen und führt nicht zu tieferer Erkenntnis. Die fehlende kognitive Prozessierung von visueller Wahrnehmung entspricht der weisheitlich geprägten Beschreibung der Götterhersteller und -verehrer in Jes 44,18 (s.o. 2.5.3.3.2). Auch die Gottlosen in Sap 1– 5 zeichnen sich durch Blindheit (2,21; vgl. die falsche Wahrnehmung mit den Augen in 3,2.4) bzw. das fehlende Prozessieren visueller Wahrnehmung aus (ὄψονται […] καὶ οὐ νοήσουσιν, 4,17; ὄψονται καὶ ἐχουθενήσουσιν, 4,18).⁷³⁸ Dass die Götterpolemik auf der Ebene eines kognitiven Problems verhandelt wird, zeigt sich auch im argumentativen Aufbau des Textes: V.1a These: Die Menschen haben keine Gotteserkenntnis. V.1b (οὐκ) verpasster Erkenntnisweg (I) V.1c (οὔτε) verpasster Erkenntnisweg (II) V.2 (ἀλλά) entsprechender Erkenntnisfehler: falsche Götter V.3a (εἰ μέν) fehlgeleitete Betrachtung (I): Schönheit V.3b (Imperativ) geforderte richtige Erkenntnis: Gott überbietet (vgl. πόσῳ) die Schöpfungselemente. V.3c (γάρ) Grundlage dieser Erkenntnis: Gott ist Schöpfer. V.4a (εἰ δέ) fehlgeleitete Betrachtung (II): Kraft und Wirksamkeit V.4b (Imperativ) geforderte richtige Erkenntnis: Gott überbietet (vgl. πόσῳ) die Schöpfungselemente. V.5 (γάρ) Grundlage dieser Erkenntnis: Der Schöpfer ist aus den Geschöpfen erkennbar (Erkenntnisweg: Analogie). V.6 f (ἀλλ᾽ ὅμως) Einwand V.8 f (πάλιν δέ) Zurückweisung des Einwands Auch im zweiten Teil 15,14– 19 lässt sich eine argumentative Struktur erkennen:⁷³⁹ V.14 These: Die Ägypter sind die Dümmsten.

 Von der Sache her könnte man darin eine Kritik an der Vorstellung von Bewunderung und Staunen als Ausgangspunkt der Philosophie (vgl. Plat. Tht. 155d: τὸ θαυμάζειν als ἀρχὴ φιλοσοφίας) sehen, wie sie etwa Philo in Opif. 7 an denjenigen formuliert, die den Kosmos mehr als den Schöpfer bewundern (θαυμάζω); Sap verwendet allerdings eine andere Terminologie.  Dass das Sehen der Toren in Sap „an der Oberfläche haften“ bleibt, stellt auch Ziener 1956: 133 fest (s. dort auch zu den hier genannten Stellen).  Vgl. dazu (ähnlich) Gilbert 1973: 226 – 228.

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V.15 (ὅτι καί) Begründung (I): Sie verehren unfähige Götterbilder. V.16a (γάρ) Begründung der Unfähigkeit der Bilder: Ein Mensch hat sie gemacht. V.16b–17a (γάρ) Begründung, warum dadurch die Bilder disqualifiziert werden (I) V.17b (γάρ) Begründung, warum dadurch die Bilder disqualifiziert werden (II) V.18 (καί) Begründung (II): Sie verehren verhasste Tiere. V.18b–19 (γάρ – οὐδέ – δέ) Begründung, warum diese Tiere verhasst sind. Grundlage dieser ganzen Argumentation ist der Glaube an den von der Schöpfung unterschiedenen Schöpfergott, auf den als Schöpfer von Kosmos, Mensch und Tier verwiesen wird.⁷⁴⁰ In 13,1– 9;15,14– 19 bestätigt sich sehr deutlich, was schon in DtJes zu erahnen war: Durch die Götterpolemik werden Personen, nicht nur Götter, klassifiziert. Diese Personen werden wieder (vgl. 12,23 – 27) nach dem Vorbild der Gottlosen aus Sap 1– 5 dargestellt. Sap 13,1– 9; 15,14– 19 knüpft an ältere atl. Götterpolemik an und führt diese unter Einbezug hellenistischer Bildung weiter. Viele Elemente der Polemik scheinen so für Nicht-Juden verständlich, auch wenn die atl. Bezüge ein vertieftes Verständnis ermöglichen. Doch die notwendige Voraussetzung, um der polemischen Argumentation folgen zu können, bildet der Glaube an den Schöpfergott, der mit dem atl.-jüdisch bezeugten Gott identisch sein muss. Aus einer Verbindung von atl. Weisheit und hellenistischer Philosophie heraus wird in 13,1– 9 die Idee formuliert, dass fehlende Erkenntnis des Schöpfergottes aus einem Mangel an vernünftiger Betrachtung der Welt resultiert. Die folgenden Fortschreibungen werden sich von den Verehrern kosmischer Größen und von den Ägyptern abwenden und stärker die Bilderverehrung in den Vordergrund stellen. Die skizzierten Charakteristika von 13,1– 9; 15,14– 19 durchziehen als grundlegende Muster weisheitlich geprägter Götterpolemik aber auch die weiteren Entwicklungen.

4.4.3 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 14,11 f.15 – 21 (11) διὰ τοῦτο καὶ ἐν εἰδώλοις ἐθνῶν ἐπισκοπὴ () Aus folgendem Grund a wird auch an den ἔσται, ὅτι ἐν κτίσματι θεοῦ εἰς βδέλυγμα ἐγε- Bildern der Heiden eine Heimsuchung sein: Weil sie in der Schöpfung Gottes zum Gräuel ge-

 Vgl. die Verweise auf den biblischen Schöpfungsbericht: φωστήρ (13,2) begegnet in Gen 1,14.16; καλά in V.7 erinnert an die Gutheißungsformeln in Gen 1 (mit Engel 2011: 2149); zu 15,19 vgl. Gen 1,22 (mit Larcher 1983 – 85: III 885 f).

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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νήθησαν καὶ εἰς σκάνδαλα ψυχαῖς ἀνθρώπων καὶ worden sind und zu Fallen für die Seelen der εἰς παγίδα ποσὶν ἀφρόνων. Menschen und zur Schlinge für die Füße der Törichten. () ἀρχὴ γὰρ πορνείας ἐπίνοια εἰδώλων, () Der Anfang der Untreue b nämlich ist das εὕρεσις δὲ αὐτῶν φθορὰ ζωῆς. Ausdenken der Bilder, ihre Entdeckung ist das Verderben des Lebens. () ἀώρῳ γὰρ πένθει τρυχόμενος πατὴρ τοῦ () Denn ein von vorzeitiger Trauer gequälter ταχέως ἀφαιρεθέντος τέκνου εἰκόνα ποιήσας Vater machte ein Bild des schnell dahingeraffτόν ποτε νεκρὸν ἄνθρωπον νῦν ὡς θεὸν ἐτίμη- ten Kindes, den einst c toten Menschen ehrte er σεν καὶ παρέδωκεν τοῖς ὑποχειρίοις μυστήρια nun wie einen Gott und er überlieferte seinen καὶ τελετάς· Leuten d Mysterien und Feiern. () εἶτα ἐν χρόνῳ κρατυνθὲν τὸ ἀσεβὲς ἔθος ὡς () Dann wurde der gottlose Brauch, mit der νόμος ἐφυλάχθη. καὶ τυράννων ἐπιταγαῖς Zeit gefestigt, wie ein Gesetz beachtet. Auch ἐθρησκεύετο τὰ γλυπτά, durch die Befehle von Herrschern wurden die Geschnitzten verehrt; () οὓς ἐν ὄψει μὴ δυνάμενοι τιμᾶν ἄνθρωποι () die die Menschen nicht im Angesicht ehren διὰ τὸ μακρὰν οἰκεῖν τὴν πόρρωθεν ὄψιν ἀνα- können, weil sie weit weg wohnen; sich vom τυπωσάμενοι ἐμφανῆ εἰκόνα τοῦ τιμωμένου Aussehen von weitem eine Vorstellung gemacht βασιλέως ἐποίησαν, ἵνα ὡς παρόντα τὸν ἀπόντα habend, machten sie ein öffentliches Bild des κολακεύωσιν διὰ τῆς σπουδῆς. verehrten Königs, um dem Abwesenden wie einem Anwesenden zu schmeicheln durch den Eifer. () εἰς ἐπίτασιν δὲ θρησκείας καὶ τοὺς ἀγνο- () Zur Steigerung der Verehrung hat auch die, οῦντας ἡ τοῦ τεχνίτου προετρέψατο φιλοτιμία· die (den Geehrten) nicht kannten, der Ehrgeiz des Künstlers angetrieben. () ὁ μὲν γὰρ τάχα κρατοῦντι βουλόμενος () Denn dieser, (da) er wahrscheinlich dem ἀρέσαι ἐξεβιάσατο τῇ τέχνῃ τὴν ὁμοιότητα ἐπὶ Herrschenden gefallen wollte, verformte geτὸ κάλλιον· waltsam e durch die Kunst die Ähnlichkeit hin zu etwas Schönerem. () τὸ δὲ πλῆθος ἐφελκόμενον διὰ τὸ εὔχαρι () Die Menge aber, angezogen durch das τῆς ἐργασίας τὸν πρὸ ὀλίγου τιμηθέντα Reizvolle des Bildwerkes, hielt den vor Kurzem ἄνθρωπον νῦν σέβασμα ἐλογίσαντο. als Menschen geehrten nun für einen Kultgegenstand. () καὶ τοῦτο ἐγένετο τῷ βίῳ εἰς ἔνεδρον, ὅτι ἢ () Und dies wurde dem Leben zum Hinterhalt, συμφορᾷ ἢ τυραννίδι δουλεύσαντες ἄνθρωποι dass die Menschen, die sich entweder von eiτὸ ἀκοινώνητον ὄνομα λίθοις καὶ ξύλοις nem Schicksalsschlag oder von der Tyrannei περιέθεσαν. haben versklaven lassen, den unmitteilbaren Namen Hölzern und Steinen beilegten. a

Wörtl. „deshalb“; zum Verständnis von τοῦτο als auf das Folgende bezogen vgl. Gilbert : , der u. a. auf Sap , verweist. Allerdings geht Gilbert von einem ursprünglichen Zusammenhang mit V. aus, während ich den Bezugspunkt in V. sehe. b Wörtl. „Prostitution“, hier ist wohl im Anschluss an den Sprachgebrauch der LXX Untreue Israels gegenüber Jhwh gemeint, mit Larcher  – : III . c So mit Ra und Gö gegen die mehrheitlich bezeugte Lesart τοτέ. Zu verstehen ist dies aus der Perspektive des Vaters als Gegensatz zwischen ποτέ (ἄνθρωπον) und νῦν (θεόν), s. u. ...; vgl.

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auch Georgi :  f Anm. c. d Wörtl. „die, die unter (seiner) Hand [= Autorität] stehen“; dazu Larcher  – : III . e Wörtl. „trieb aus“.

4.4.3.1 Götterpolemisches in Sap 14,11 f.15 – 21 14,11 f.15 – 21 ist, wie schon in der literarhistorischen Analyse vermerkt wurde (s.o. 4.3), mit einem Rahmen (14,11 f.21) versehen. Diese rahmenden Verse weisen einen klaren Bezug zu atl. Götterpolemik auf. Deutlicher noch als in Sap 12 (s.o. 4.4.1.1) zeigt sich, dass in Sap neben typischen Elementen des hier untersuchten götterpolemischen Diskurses⁷⁴¹ auch Elemente anderer atl. Diskurse über Götter verwendet werden:⁷⁴² Wieder begegnet der Begriff βδέλυγμα (V.11); πορνεία (V.12; wörtl. „Prostitution“) bezeichnet in der LXX den Abfall von Jhwh⁷⁴³ und verweist damit auf den „Abtrünnigkeits-Diskurs“ (s.o. 3.1 am Beispiel von Jer); ξύλοις καὶ λίθοις (V.21: λίθοις καὶ ξύλοις) ist eine besonders in dtr Literatur häufige Bezeichnung für Götter(bilder).⁷⁴⁴ Anders die Polemik in V.15 – 20, die sich (bis auf die Bezeichnung der Götterbilder als γλυπτά in V.16b)⁷⁴⁵ nicht aus atl. Polemik erklärt. Die Argumentation basiert hier vielmehr auf einer euhemeristischen Erklärung, also einer geschichtlichen Erklärung des Götterglaubens, nach der die Götter ursprünglich Menschen gewesen sind, „die einmal gelebt haben und gestorben sind“.⁷⁴⁶ Die Ereignisse in der Vergangenheit, durch die erklärt wird, wie aus Menschen Götter wurden, dürften dabei aus der Gegenwart zurückprojiziert sein.⁷⁴⁷ Bevor ich auf die unterschiedliche Ausrichtung von 14,11 f.21 und 14,15 – 20 zurückkomme,

 Die Vorstellung einer Heimsuchung (ἐπισκοπή) der Bilder (V.11) entstammt Jer 10,15 (vgl. Gilbert 1973: 138 f). Diese Anspielung ist sehr passend zur Einleitung eines neuen Abschnitts nach 13,1– 9, denn bereits der Aufbau von 13,1 erinnert an Jer 10 (s.o. 4.4.2.1). Auch die Rede von Gottes Schöpfung (V.11) ist gut atl. und begegnet häufig in weisheitlich geprägter Götterpolemik (s.u. 5.3).  Neben den im Folgenden genannten Elementen ist mit Engel 2011: 2150 darauf hinzuweisen, dass auch die Rede von der Falle als Anlass zur Sünde (vgl.V.11: σκάνδαλα/παγίς) atl. belegt ist, vgl. insbesondere Hos 4,17 LXX (ebenfalls εἴδωλα als σκάνδαλα).  Vgl. Larcher 1983 – 85: III 805 f.  Vgl. Dtn 4,28; 28,36.64; 29,16 (Sg.); 2 Kön 19,18//Jes 37,19; Jer 3,9 (Sg.); Ez 20,32; ähnlich Hab 2,19; Jer 2,27; vgl. dazu Frevel 1995: I 380 – 406.  Τὰ γλυπτά ist eine in der LXX übliche Bezeichnung der Götterbilder, vgl. Ex 34,13; Lev 26,1; Dtn 4,16.23.25; 7,5.25; 12,3; 27,15; Hab 2,18; Jes 10,10; 42,8.17; 44,17; 46,1; 48,5; Jer 8,19; 10,14 u.ö.  Nilsson 1950: 269 f. Eine solche Erklärung findet sich bereits in Arist 135 – 137. Allerdings geht es dort um Menschen, die Nützliches erfunden haben, so dass sich für Sap 14,15– 20 eine literarische Abhängigkeit von diesem Text nicht nahelegt.  Vgl. dazu Larcher 1983– 85: III 814.

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möchte ich daher untersuchen, ob sich aus V.15 – 20 Hinweise auf die Entstehungszeit dieses Textes gewinnen lassen. Wie auch aus V.21 hervorgeht, gliedert sich der Text in zwei Beispielfälle. Der erste Fall V.15 – 16a handelt von der Vergöttlichung eines verstorbenen Kindes. Dafür lassen sich in hellenistischer und römischer Zeit sehr viele Beispiele finden, so dass aus den allgemein gehaltenen Angaben des Textes kein spezifischer Verweis auf einen konkreten Fall hervorgeht.⁷⁴⁸ Die dramatische Ausmalung der Trauer lässt das Geschehen nachvollziehbar erscheinen⁷⁴⁹ und zeigt das ätiologische Interesse des Textes. Der Text schildert einen mehrstufigen, zeitlich klar strukturierten Prozess der Kultentwicklung.⁷⁵⁰ In diesem Prozess spielt das Kultbild zwar eine Rolle, doch vergöttlicht wird nicht das Bild, sondern die Person. Die Beschreibung des Kultes als μυστήρια καὶ τελεταί spielt auf Mysterienreligionen an.⁷⁵¹ Wie schon in 13,1– 9 (Verehrung kosmischer Größen) deutlich wurde, bezieht sich die Götterpolemik also nicht immer ausschließlich auf den Bilderkult. Der zweite Fall V.16b–20 dreht sich um den Herrscherkult. Wie im ersten Fall wird die Herstellung des Bildes (jeweils εἰκών + Gen. der Person + ποιέω), der Grund für die Herstellung und die Apotheose beschrieben. Die zeitliche Strukturierung ist nicht so ausgeführt wie in V.15 – 16a, doch es wird ebenfalls eine Entwicklung geschildert und V.20b formuliert parallel zu V.15b:

V.b V.b

τόν

vorher

(Adjektiv)

Mensch

jetzt

Kultobjekt

ποτε πρὸ ὀλίγου

νεκρὸν τιμηθέντα

ἄνθρωπον

νῦν

ὡς θεὸν ἐτίμησεν σέβασμα ἐλογίσαντο

 Vgl. (mit Beispielen konkreter Fälle von Kindsvergöttlichung) Gilbert 1973: 146– 157; Larcher 1983 – 85: III 813– 815.  Der Tod des Kindes wird als verfrüht und plötzlich beschrieben; vgl. dazu Larcher 1983 – 85: III 810 („les termes s’accumulent pour évoquer le désarroi d’une grande douleur“). Anders McGlynn 2001: 154 f.  Die Handlungen des Vaters führen in drei Schritten zur Entwicklung eines Kultes (V.15): Er machte (ποιέω) ein Bild – er ehrte (τιμάω) das verstorbene Kind wie einen Gott – er tradierte (παραδίδωμι) entsprechende Riten. Diese Entwicklung ist explizit zeitlich strukturiert: ποτέ (V.15) handelte es sich um einen toten Menschen – νῦν (V.15) wurde er wie ein Gott verehrt – εἶτα (V.16a) wurde die Verehrung zum etablierten Kult, wobei die Rolle der zeitlichen Dimension zusätzlich durch ἐν χρόνῳ κρατυνθὲν („mit der Zeit gefestigt“) unterstrichen wird.  Auch Philo, Spec. 1,319 bezeichnet die Mysterienkulte als μυστήρια καὶ τελεταί und mahnt, dass Juden daran nicht teilnehmen sollen,vgl.Winston 1981: 279 f; Engel 1998: 202 f.228 (der auch auf die Teilnahme von Juden an Dionysos-Mysterien nach 3 Makk 2,30 f hinweist). An dionysische Mysterien denkt auch Gilbert 1973: 154 f.

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Handelnde sind hier die (weit vom Herrscher weg wohnenden) Untertanen und, in einer besonderen Verantwortung, der Hersteller des Bildes. Schon Grimm wies auf die Spannung hin, die sich aus dem Befehl in V.16b und der nachfolgend geschilderten „Eigeninitiative“ der Untertanen ergibt.⁷⁵² Inhaltlich lässt sich diese Spannung am besten lösen, indem man den Herrscherbefehl als auf Ehrbezeugungen bezogen versteht, den die Untertanen eigenverantwortlich durch die Kultbildverehrung übererfüllen.⁷⁵³ Dass die Kritik sich nicht gegen den König, sondern gegen das Verhalten der Untertanen richtet (vgl. den pejorativen Begriff κολακεύω⁷⁵⁴ in V.17 und den Vorwurf an den Künstler⁷⁵⁵ in V.19), kann einerseits als politische Vorsicht verstanden werden und könnte so auf ein breiteres Zielpublikum hinweisen. Andererseits erscheint die Beschreibung eines graduellen Prozesses der Herrscherbild-Verehrung, der (auch) von der Bevölkerung selbst ausgeht, treffend für die Situation in Ägypten unter Augustus.⁷⁵⁶ Während sich die Ptolemäer explizit als Götter darstellten, wurden die ersten römischen Kaiser offiziell erst nach ihrem Tod vergöttlicht.⁷⁵⁷ Der Kaiserkult in den Provinzen (vgl. 14,17: der Herrscher ist weit weg⁷⁵⁸) galt als Loyalitätsbezeugung. Kaiserbilder wurden von Privatpersonen, Vereinen oder Städten aufgestellt, die dafür die Erlaubnis des Kaisers einholen mussten.⁷⁵⁹ Ein Kultzwang ergibt sich aus 14,15 – 21

 Vgl. Grimm 1860: 247, der daher (wie später auch andere) den ganzen V.16 zu V.15 zieht; das widerspricht aber V.21 (mit Larcher 1983 – 85: III 815).  Mit Winston 1981: 277: „Graven images came to be worshiped at the command of rulers, inasmuch as their demand for official expressions of honor led their distant subjects to the production of images exaggerating their beauty, which then led to their awed worship by the masses.“  Vgl. Scarpat 1989 – 99: III 129 („un onorare interessato“); Larcher 1983 – 85: III 818. Warum Dihle 2000: 46 darin einen Hinweis auf den Zwang zur Kaiserbild-Verehrung unter Gaius (Caligula) sieht, ist mir unklar.  Zum Thema der Verführung durch die Werke von Künstlern in griechischer und lateinischer Literatur vgl. Gilbert 1973: 191 f; die hier damit verbundene Kritik findet sich auch bei Philo (Spec. 1,29).  An Augustus denken auch Gärtner 1912: 99 f; Winston 1981: 22.Winston 1981: 279 sieht auch im Begriff σέβασμα (14,20) eine Anspielung auf die griechische Form des Namens Augustus (vgl. ähnlich Larcher 1983 – 85: III 820). Zum Gebrauch von Sebastos als Kultname des Augustus im griechischen Osten vgl. Wlosok 1978: 41.  Offiziell wurde auch Augustus erst nach seinem Tod vergöttlicht, doch ist schon zu seiner Lebzeit ein Kult des „Numen Augusti“ belegt, vgl. Ogilvie 1982: 151; Herklotz 2007: 54 f. Zur Entwicklung des Kaiserkults unter Augustus vgl.Wlosok 1978: 35– 47; zum Kult des Augustus in Ägypten vgl. Pfeiffer 2010: 237– 241.285– 287.  Zeller 1963[=1923]: 295 Anm. 1; Collins 1997: 197 u. a. sehen darin ebenfalls einen Hinweis auf Augustus.  Vgl. Herklotz 2007: 375 f. In Alexandria ist auch ein privater Kultverein für Augustus belegt,vgl. Herklotz 2007: 303f.

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nicht; daher ist der Text wohl noch vor den Ereignissen unter Gaius (Caligula) anzusetzen.⁷⁶⁰ Anders als in der Grundschicht des Exkurses werden die Verehrer in dieser Ergänzung nicht verspottet und als unvernünftig dargestellt. Zwar werden die verantwortlichen Personen kritisiert, doch der Text liefert auch nachvollziehbare Gründe für die Kultentwicklung. Fluchtpunkt der Handlungen ist dabei die verehrte Person, und ihre Vergöttlichung wird in den parallelen Sätzen V.15.20b festgestellt. Der Rahmen in V.11 f.21 sowie die Überleitung zum zweiten Fall in V.16b thematisieren hingegen die Verehrung der Bilder. Aufgrund der Unterschiede wäre denkbar, dass es sich bei V.11 f.16b.21 um die redaktionelle Einbettung einer (nicht unbedingt jüdischen) Erklärung des Personenbilderkults handelt. Mir scheint aber auch möglich, dass der Text zwischen Person und Bild oszilliert, ähnlich wie atl. polemische Texte zwischen Gottheit und Bild. Die atl. Anspielungen lassen vermuten, dass sich die Argumentation (die auch für NichtJuden verständlich ist), in erster Linie an Juden richtet.⁷⁶¹

4.4.3.2 Weisheitliches in Sap 14,11 f.15 – 21 Wie bereits oben (4.4.1.2; 4.4.2.2) zu 12,24 und 15,14 bemerkt, begegnet der Begriff ἄφρων (V.11) häufig in weisheitlicher Literatur. Auffällig ist hier, dass die ἄφρονες in V.11 offenbar parallel zu ἄνθρωποι stehen. Dies erklärt sich nicht unmittelbar vor einem weisheitlichen Hintergrund, bei dem Toren u. ä. üblicherweise eine stereotype negative Gruppe bilden, die mit anderen, positiv konnotierten Menschengruppen (Weise etc.) kontrastieren, wie auch in Sap 1– 5 ἄφρων für die negative Gruppe, die den Kontrast zum Gerechten bildet, verwendet wird.⁷⁶² Die Zusammenordnung von Menschen und Törichten begegnet aber auch in anderen götterpolemischen Texten wie in Jer 10,14 und Sap 13,1, wobei die Menschen jeweils als Verehrer „falscher“ Götter zu verstehen sind. In Sap 14,11 sind die Menschen nicht näher bestimmt, doch es legt sich auch hier nahe, darunter die Götterverehrer, oder mit Arist 134 gesprochen „alle übrigen Menschen außer uns“ (πάντες οἰ λοιποὶ παρ᾽ ἠμᾶς ἄνθρωποι), zu verstehen. Die weisheitliche Kategorie des Toren liegt der Konzeptualisierung der Götterverehrer wohl noch zugrunde,

 Mit Fichtner 1938: 54.  Vgl. die oben und in Anm. 741.742.745 genannten Elemente atl. Götterpolemik; zudem weist Blischke 2007: 164 darauf hin, dass der Begriff νόμος in V.16 wohl wie auch sonst in Sap das atl.jüdische Gesetz bezeichnet. Damit impliziert V.16 den Vorwurf, dass etwas als Gesetz beachtet wird, was an die Stelle des atl.-jüdischen Gesetzes gesetzt wird – ein Vorwurf, der sich nur an Juden richten kann.  Vgl. Sap 1,3; 3,2.12; 5,4.

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wird aber gleichzeitig dadurch gesprengt, dass die Verehrer des (aus ihrer Perspektive) wahren Gottes sich der Menschheit insgesamt gegenüberstellen.⁷⁶³ Wie schon in 13,1– 9 erscheint hier wieder das Sehen als potentiell problematisch: Nach einer, wie es scheint, eher vagen Vorstellung vom Aussehen (ὄψις, V.17) des Herrschers wird ein Bild hergestellt, das der Künstler schöner als das reale Vorbild macht (V.19), und durch diese Schönheit des Bildes (τὸ εὔχαρι τῆς ἐργασίας, V.20) werden die Menschen zur Verehrung verleitet. Auch das für Gottlose und Götterverehrer typische λογίζομαι (s.o. 4.4.1.2) begegnet wieder in 14,20. Das falsche Denken beschränkt sich nun nicht mehr auf irrige Meinungen über vorfindliche Objekte und Tiere, vielmehr werden Götterbilder aktiv ausgedacht (V.12). Statt Gott zu finden (13,6.9), er-finden die Menschen Götterbilder. Die Bilder erscheinen nach 14,11 als Fremdkörper in Gottes Schöpfung. Damit wird die weisheitliche Vorstellung einer Erkenntnis aus der Schöpfung pervertiert. Wie die Abwendung von der Weisheit (vgl. Prov 8,36) ist auch die Verehrung der Bilder lebensfeindlich (V.12.21). Während Gott den Menschen als Bild (εἰκών) seiner eigenen Eigenschaften „auf Unvergänglichkeit hin“ (ἐπ᾽[…] ἀφθαρσίᾳ, 2,23) geschaffen hat, sind die Götterbilder nach 14,11 das Verderben (φθορά) des Lebens. Die Verehrung der Bilder-Götter erweist sich damit wieder (s.o. 4.4.1.2) als Fehler im Hinblick auf die geschaffene Welt und auf das menschliche Leben.

4.4.4. Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,11 – 19 (11) εἰ δὲ καί τις ὑλοτόμος τέκτων εὐκίνητον φυτὸν ἐκπρίσας περιέξυσεν εὐμαθῶς πάντα τὸν φλοιὸν αὐτοῦ καὶ τεχνησάμενος εὐπρεπῶς κατεσκεύασεν χρήσιμον σκεῦος εἰς ὑπηρεσίαν ζωῆς,

() Wenn aber auch ein Holz fällender Handwerker, (nachdem er) einen beweglichen Baum herausgesägt hat, fachmännisch a seine ganze Rinde abschält und schön gestaltend ein nützliches Gerät verfertigt zum Dienst (im täglichen) Leben: () τὰ δὲ ἀποβλήματα τῆς ἐργασίας εἰς ἑτοι- () Die Abfälle der Herstellung aber verwenμασίαν τροφῆς ἀναλώσας ἐνεπλήσθη, dete er zur Zubereitung von Nahrung (und) sättigte sich. () τὸ δὲ ἐξ αὐτῶν ἀπόβλημα εἰς οὐθὲν () Der Abfall von diesem aber, zu nichts nütze, εὔχρηστον, ξύλον σκολιὸν καὶ ὄζοις συμπεφυ- krummes Holz und mit Ästen Zusammengeκός, λαβὼν ἔγλυψεν ἐν ἐπιμελείᾳ ἀργίας αὐτοῦ wachsenes, nahm er (und) schnitzte mit der

 In die Richtung eines weisheitlichen negativen Menschentyps könnte auch der Begriff ἀσεβής in V.16 weisen, der in der LXX meist für ‫ ָר ַשׁע‬steht und den dem δίκαιος entgegengesetzten Frevler bezeichnet. Auch in Sap 1– 5 bezeichnet dieser Begriff die Gottlosen. Doch die Verwendung zur Charakterisierung eines Brauchs (und nicht eines Menschen) passt eher nicht in eine spezifisch weisheitliche Konzeption.

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καὶ ἐμπειρίᾳ ἀνέσεως ἐτύπωσεν αὐτό, ἀπείκα- Sorgfalt seiner Rast b und der Erfahrenheit der σεν αὐτὸ εἰκόνι ἀνθρώπου Erholung c, formte er es, er bildete es dem Bild eines Menschen nach () ἢ ζῴῳ τινὶ εὐτελεῖ ὡμοίωσεν αὐτὸ κατα() oder machte es irgendeinem wertlosen Tier χρίσας μίλτῳ καὶ φύκει ἐρυθήνας χρόαν αὐτοῦ ähnlich, er bestrich mit Rötel und rötete mit καὶ πᾶσαν κηλῖδα τὴν ἐν αὐτῷ καταχρίσας Seegras seine Haut und jeden Flecken an ihm bestrich er () καὶ ποιήσας αὐτῷ αὐτοῦ ἄξιον οἴκημα ἐν () und machte ihm eine ihm angemessene τοίχῳ ἔθηκεν αὐτὸ ἀσφαλισάμενος σιδήρῳ Nische, er stellte es in die Wand, festgemacht mit Eisen. () ἵνα μὲν οὖν μὴ καταπέσῃ, προενόησεν () Einerseits also, damit es nicht herunterfällt, αὐτοῦ εἰδὼς ὅτι ἀδυνατεῖ ἑαυτῷ βοηθῆσαι· καὶ sorgt er für es, wissend, dass es sich nicht γάρ ἐστιν εἰκὼν καὶ χρείαν ἔχει βοηθείας. selber helfen kann, denn es ist ein Bild und braucht Hilfe. () περὶ δὲ κτημάτων καὶ γάμων καὶ τέκνων () Andererseits betet er für Vermögen und προσευχόμενος οὐκ αἰσχύνεται τῷ ἀψύχῳ Hochzeitd und Kinder, er schämt sich nicht, zu προσλαλῶν καὶ περὶ μὲν ὑγιείας τὸ ἀσθενὲς etwas Seelenlosem zu sprechen und für Geἐπικαλεῖται, sundheit ruft er das Schwache an, () περὶ δὲ ζωῆς τὸ νεκρὸν ἀξιοῖ, περὶ δὲ () für Leben ersucht er das Tote, für Hilfe fleht ἐπικουρίας τὸ ἀπειρότατον ἱκετεύει, περὶ δὲ er das Unkundigste an, für eine Reise das, das ὁδοιπορίας τὸ μηδὲ βάσει χρῆσθαι δυνάμενον, den Fuß nicht gebrauchen kann, () περὶ δὲ πορισμοῦ καὶ ἐργασίας καὶ χειρῶν () für Erwerb und Arbeit und Erfolg der Hände ἐπιτυχίας τὸ ἀδρανέστατον ταῖς χερσὶν εὐbittet er das mit den Händen Unwirksamste um δράνειαν αἰτεῖται. Kraft. a Eigentlich „gelehrig“, hier ist aber wohl „fachmännisch“ gemeint, mit Larcher  – : III  („avec compétence, en connaisseur“). b Vgl. die freiere Übertragung von Engel : : „als Feierabendbeschäftigung“. c Ra zieht hier die Lesart ἐμπειρίᾳ συνέσεως vor, vgl. dagegen Engel : . d Der Plural wird, wie das lateinische nuptia, oft für eine einzige Hochzeit verwendet, vgl. LSJ s.v.; Larcher  – : III . Gö streicht hier (anders als Ra) das gut bezeugte αὐτοῦ; vgl. dagegen Larcher  – : III .

4.4.4.1 Götterpolemisches in Sap 13,11 – 19 Die polemische Argumentation zerfällt in zwei Teile: Die V.11– 15 berichten von der Herstellung des Bildes und stellen es dabei als ein minderwertiges Fabrikat dar. In V.16 – 19 richtet sich die Polemik deutlicher gegen den Hersteller/Verehrer, wobei vorausgesetzt ist, dass das Bild als solches (unabhängig von der Art und Weise seiner Herstellung) gar nicht in der Lage ist, die in es gesetzten Erwartungen zu erfüllen.

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Dieser Text basiert deutlich auf der Beispielerzählung des Götterverehrers in Jes 44,(13.)14– 17 (dazu s.o. 2.5.3.4).⁷⁶⁴ In beiden Holzfällergeschichten begegnet ein Handwerker (τέκτων), der sich sättigt (ἐμπίπλημι), dann ein Götterbild schnitzt (γλύφω) und es anbetet (προσεύχομαι).⁷⁶⁵ Hinzu kommen weitere Gemeinsamkeiten: – Subjekt ist jeweils ein als Holzhandwerker näherbestimmter τέκτων (Sap 13,11: ὑλοτόμος τέκτων; Jes 44,13 LXX: τέκτων ξύλον; Jes 44,13 MT: ‫ָח ַרשׁ‬ ‫)ֵעִצים‬. – Der Handwerker fällt den Baum selbst (Sap 13,11; Jes 44,14). Beide Texte legen nahe, dass der Baum besonders ausgewählt wird. – Das Bild wird aus dem Rest (Jes 44,15 LXX: τὸ λοιπόν) des Holzes geschnitzt, wobei Sap negativer formuliert: Schon das Kochen erfolgt aus Abfällen (ἀποβλήματα), das Bild schließlich wird aus Abfall von Abfällen hergestellt (Sap 13,13). – Die Gestalt des Bildes ist die eines Menschen (Sap 13,13: εἰκόνι ἀνθρώπου; Jes 44,13 LXX: ὠς μορφὴν ἀνδρός//ὡς ὡραιότητα ἀνθρώπου; Jes 44,13 MT: ‫ ְכַּתְב ִנית ִאישׁ‬//‫ ;) ְכִּתְפֶא ֶרת ָא ָדם‬nach Sap 13,14 ist aber auch eine Tiergestalt möglich, die dann wie die von den Ägyptern verehrten Tiere als „wertlos“ bezeichnet wird (ζῴῳ τινὶ εὐτελεῖ, vgl. Sap 11,15). Eine Kenntnis des Textes Jes 44,13 – 17 dürfte für Sap 13 also vorauszusetzen sein. Die Wertung und Kommentierung geht in Sap allerdings andere Wege als in Jes 44,18 – 20, was für die Analyse der weisheitlichen Elemente relevant ist. Weiter finden sich Elemente, die sich nicht speziell auf Jes 44 zurückführen lassen, aber typisch für den götterpolemischen Diskurs ohne weisheitliche Prägung sind: – Es werden Handlungen an einem nur pronominal bezeichneten Objekt (αὐτό/ αὐτά) geschildert. Erst nach und nach erschließt sich, dass es um die Herstellung eines Götterbildes geht.⁷⁶⁶ – Das nutzlose Götterbild wird den nützlichen Dingen gegenübergestellt, die der Handwerker herstellen kann und sollte.⁷⁶⁷

 Vgl. für einen Vergleich der beiden Texte auch Suggs 1957: 27 f; Gilbert 1973: 64– 75.  Die Übereinstimmung dieser Schlüsselbegriffe stellt Gilbert 1973: 74 fest; vgl. zu wörtlichen Übereinstimmungen auch Suggs 1957: 28, der aber erst die Entsprechung von Sap 15,10 und Jes 44,20 als ausschlaggebend für eine literarische Abhängigkeit betrachtet.  Vgl. Jes 41,7; 44,12 f; Jer 10,3 f.  Die Charakterisierung als nutzlos geht in Sap sowohl aus der Bezeichnung des Materials als οὐθὲν εὔχρηστον in 13,13 hervor wie auch aus der Kommentierung des Gebets in V.17– 19. Zur

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Nach seiner Fertigstellung wird das Bild aufgestellt und befestigt, damit es nicht herunterfällt.⁷⁶⁸ Das Götterbild kann sich selber nicht helfen.⁷⁶⁹ Der Begriff der Schande (αἰσχύνομαι,V.17) begegnet häufig im Zusammenhang mit der Herstellung und Verehrung von Göttern: Die Götterverehrer sollten sich schämen bzw. werden zuschanden (αἰσχύνομαι/‫)בושׁ‬.⁷⁷⁰ Die Aufzählung dessen, was das Bild nicht kann (13,16 – 19), erinnert an Jer 10,5; Ps 115,5 – 7; 135,16 f.⁷⁷¹

Obwohl in deutlicher Kontinuität mit atl. Götterpolemik,⁷⁷² enthält dieser Text nichts, was ohne Kenntnis atl. Schriften unverständlich bleiben müsste. Gebote und religiöse Glaubensinhalte spielen für die Polemik keine Rolle, auch eine Gegenüberstellung mit einem „wahren“ Gott wird nicht angestrebt. Die Verwendung der Bezeichnung ἄψυχος (V.17) zeigt, dass diese Polemik an pagane Diskurse über Götterbilder anschließen konnte: Schon Plato spricht von Götterbildern als τὰ ἄψυχα (leg. 931e).⁷⁷³ Die Geschichte des Holzhandwerkers erschien dazu möglicherweise besonders geeignet, da das Thema der alternativen Verwendungsmöglichkeiten von Holz in ähnlichen Kontexten offenbar verbreitet war. So wird von Epicharm überliefert: ἐκ παντὸς ξύλου κλοιός τέ κα γένοιτο κἠκ τωὐτοῦ θεός („aus jedem Holz kann ein Joch werden, oder aus demselben ein Gott“).⁷⁷⁴ Über Diagoras Melius wird erzählt, er habe einen hölzernen Herkules verwendet, um

Nutzlosigkeit des Bild-Gottes vgl. Jes 44,9 f; Jer 2,8.11; Hab 2,18; die Gegenüberstellung findet sich auch in EpJer 59 (auf letzteres weist Gregg 2012[= 1909]: 130 hin, gefolgt u. a. von Gilbert 1973: 83 f).  Das Befestigen des Bildes (nach Jes 41,7 mit Nägeln: ἐν ἥλοις, vgl. Sap 13,15: σιδήρῳ) wird auch in Jes 40,20; 41,7; Jer 10,4 geschildert, wo eine ähnliche Begründung gegeben wird.  EpJer 27.58; dieser Hinweis findet sich bei Gregg 2012 [= 1909]: 131; vgl. noch EpJer 49.  Vgl. Jes 42,17; 44,9.11; 45,16; Jer 10,14 (καταισχύνομαι).  Auf die beiden letztgenannten Stellen verweist auch Gilbert 1973: 92.  Neu ist der Hinweis auf die Bemalung des Götterbildes (15,14): In anderen götterpolemischen Texten folgt an dieser Stelle ebenfalls eine Verzierung des Bildes, allerdings handelt es sich jeweils um Metallarbeiten (vgl. Jes 40,19; Jer 10,4). Die Erwähnung der Bemalung könnte sich hier dem gegenüber Jes 44 ausführlicheren Bericht der Herstellung einer privaten Holzfigur verdanken. Gilbert 1973: 89f weist darauf hin, dass zwar Rötel in römischer Zeit durchaus zur Bemalung von Götterstatuen, Seegras aber auch als Schminke verwendet wurde und die Bemerkung daher ähnlich wie EpJer 8 auf die Aufmachung der Statuen zielen könnte. Vgl. auch die Nähe von Bemalung der Götterbilder und erotischer Konnotation in der folgenden Fortschreibung (15,4 f).  Vgl. Gilbert 1973: 79. Zwar benennt ältere Götterpolemik die Leblosigkeit der Bilder, spricht dann aber von ‫ רוּ ַח‬bzw. πνεῦμα (vgl. Jer 10,14; Ps 135,17; Hab 2,19; EpJer 24 und vgl. auch Sap 15,16; darauf weist Skehan 1948: 391 f hin).  Text nach Olivieri 1946: 49 Frg. 77 (= 131 K). Κλοιός kann ein Joch im Sinne einer Fesselungsvorrichtung für Gefangene bezeichnen, vgl. LSJ s.v.

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seine Suppe zu kochen.⁷⁷⁵ Da diese Geschichte auch über Diogenes den Kyniker erzählt wird,⁷⁷⁶ dürfte sie als Legende verbreitet gewesen sein. Schließlich dichtete Horaz: „Ein Stamm vom Feigenbaum war ich dereinst, wertloses Holz (inutile lignum); ob eine Bank, ob ein Priapus aus mir werden sollte, schwankte erst der Zimmermann; dann machte er mich lieber zum Gott.“⁷⁷⁷ Keiner dieser Texte bildet eine direkte literarische Vorlage für Sap 13,11– 19. Doch sie zeigen, dass zur Zeit der Sap in- und außerhalb jüdischer Diskurse ähnliche Elemente im Umlauf waren.

4.4.4.2 Weisheitliches in Sap 13,11 – 19 Im Unterschied zu Jes 44,9 – 20 werden in Sap 13,11– 19 fast ausschließlich die Handlungen des Götterherstellers und -verehrers erzählt. Das Bild wird in V.17– 19 mit verschiedenen Bezeichnungen belegt, die seine Unfähigkeit zum Ausdruck bringen. Über den Hersteller jedoch erfolgt keine explizite Wertung. Es scheint, dass hier die Beobachtungen für sich sprechen sollen. Nur in V.16 wird die Ebene der sichtbaren Handlungen verlassen und auf das Wissen des Handwerkers verwiesen: Dieser weiß (εἰδώς), dass das Bild auf seine Hilfe angewiesen ist. Aus dem Gegensatz (μέν – δέ) zwischen diesem Wissen des Herstellers und seinem Handeln als Verehrer entsteht hier die Polemik gegen den Handwerker. Ähnlich wie in 13,1– 9 richtet sich die Polemik also gegen einen, der es besser wissen könnte und müsste. Dass er nicht die richtigen Schlussfolgerungen und praktischen Konsequenzen zieht, verbindet ihn mit weisheitlichen Toren. Darüber hinaus verwendet der Text aber keine typisch weisheitlichen Elemente. Es ist im Gegenteil geradezu auffällig, dass die deutlich weisheitlich geprägten Verse Jes 44,18.19 f in Sap 13,11– 19 keine Entsprechung haben, während andere Teile von Jes 44 weiter ausgebaut wurden. Es zeigt sich damit wieder, dass die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik nicht linear verläuft.

4.4.5 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 14,1 – 8a und 15,1 – 5 (14,1) πλοῦν τις πάλιν στελλόμενος καὶ ἄγρια μέλλων διοδεύειν κύματα τοῦ φέροντος αὐτὸν πλοίου σαθρότερον ξύλον ἐπιβοᾶται.

(,) Ein anderer bricht zu einer Schiffsreise auf und hat vor, wilde Wellen zu durchreisen. Er ruft ein Holz zu Hilfe an, das morscher ist als das Schiff, das ihn trägt.

 Vgl. schol. Aristoph. Nub. 830; Athenag. leg. 4,1.  Vgl. Theosophia Tubingensis §70 (in: Buresch 1973: 119). Darauf weist Decharme 1904: 133 hin.  Hor. sat. 1,8. Text und Übersetzung: Fink 1999: 68 f.879.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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() ἐκεῖνο μὲν γὰρ ὄρεξις πορισμῶν ἐπενόησεν, () Jenes nämlich hat das Verlangen nach Erτεχνῖτις δὲ σοφία κατεσκεύασεν· werb ausgedacht, aber die Handwerkerin a Weisheit hat (es) verfertigt. () ἡ δὲ σή, πάτερ, διακυβερνᾷ πρόνοια, ὅτι () Aber Deine Fürsorge/Voraussicht, Vater, ἔδωκας καὶ ἐν θαλάσσῃ ὁδὸν καὶ ἐν κύμασι steuert (es) hindurch, weil Du auch im Meer τρίβον ἀσφαλῆ einen Weg gegeben hast und in den Wellen eine sichere Straße. () δεικνὺς ὅτι δύνασαι ἐκ παντὸς σῴζειν, ἵνα () Du zeigst, dass Du aus allem retten kannst, κἂν ἄνευ τέχνης τις ἐπιβῇ. so dass jemand auch ohne Kunstfertigkeit (ein Schiff) besteigen kann. () θέλεις δὲ μὴ ἀργὰ εἶναι τὰ τῆς σοφίας σου () Du willst, dass nicht brachliegen die Werke ἔργα. διὰ τοῦτο καὶ ἐλαχίστῳ ξύλῳ πιστεύουσιν Deiner Weisheit. Deshalb vertrauen Menschen ἄνθρωποι ψυχὰς καὶ διελθόντες κλύδωνα σχε- auch dem kleinsten Holz (ihr) Leben an und δίᾳ διεσώθησαν. Wogen durchquerend mit einem Floß wurden sie gerettet. () καὶ ἀρχῆς γὰρ ἀπολλυμένων ὑπερηφάνων () Denn auch am Anfang, als die übermütigen γιγάντων ἡ ἐλπὶς τοῦ κόσμου ἐπὶ σχεδίας Giganten umkamen, floh die Hoffnung der Welt καταφυγοῦσα ἀπέλιπεν αἰῶνι σπέρμα γενέσεως auf einem Floß (und) hinterließ der Welt b den τῇ σῇ κυβερνηθεῖσα χειρί. Samen des Lebens c, durch deine Hand geführt. () εὐλόγηται γὰρ ξύλον, δι᾽οὗ γίνεται () Denn gesegnet ist das Holz, durch das Geδικαιοσύνη· rechtigkeit wird. (a) τὸ χειροποίητον δέ, ἐπικατάρατον αὐτὸ (a) Das Handgemachte d hingegen, verflucht ist es.

[Hier folgt der bereits besprochene Abschnitt 14,11– 21 über die Heimsuchung der Bilder und die Ätiologie des Personen-/Bilderkults] (15,1) σὺ δέ, ὁ θεὸς ἡμῶν, χρηστὸς καὶ ἀληθής, μακρόθυμος καὶ ἐλέει διοικῶν τὰ πάντα. () καὶ γὰρ ἐὰν ἁμάρτωμεν, σοί ἐσμεν, εἰδότες σου τὸ κράτος· οὐχ ἁμαρτησόμεθα δέ, εἰδότες ὅτι σοὶ λελογίσμεθα.

(,) Du aber, unser Gott, (bist) gut und wahr, langmütig und alles mit Erbarmen verwaltend. () Denn auch wenn wir sündigen, gehören wir dir, wissend um deine Macht; wir werden aber nicht sündigen, weil wir wissen, dass wir dir zugerechnet sind. () τὸ γὰρ ἐπίστασθαί σε ὁλόκληρος δικαιοσύνη, () Denn dich zu kennen, ist vollkommene Geκαὶ εἰδέναι σου τὸ κράτος ῥίζα ἀθανασίας. rechtigkeit, und deine Macht zu kennen, die Wurzel der Unsterblichkeit. () οὔτε γὰρ ἐπλάνησεν ἡμᾶς ἀνθρώπων () Denn die arglistige Erfindung der Menschen κακότεχνος ἐπίνοια οὐδὲ σκιαγράφων πόνος hat uns nicht irregeführt, und auch nicht die ἄκαρπος, εἶδος σπιλωθὲν χρώμασιν nutzlose Arbeit des Perspektivenmalers, eine διηλλαγμένοις, Gestalt befleckt mit verschiedenen Farben, () ὧν ὄψις ἄφροσιν εἰς ὄρεξιν ἔρχεται, ποθεῖ τε () deren Anblick den Törichten zum Verlangen νεκρᾶς εἰκόνος εἶδος ἄπνουν. kommt, und er begehrt die leblose Gestalt des toten Bildes. a b

Zu anderen Lesarten s. u. ... mit Anm. . Aufgrund der zeitlichen Dimension des Begriffs αἰών schlägt Larcher  – : III  vor, hier

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die Welt in ihrer zeitlichen und zukünftigen Ausdehnung zu verstehen. c Wörtlich „Hervorbringung/Zeugung“. d Χειροποίητος muss hier als terminus technicus gemeint sein, da sich sonst kein Gegensatz zum Schiff ergeben würde. Der Begriff wird in der LXX häufig als abwertende Bezeichnung für BilderGötter verwendet, z. B. in Jes ,; ,; ,; , zur Übersetzung von ‫ ;ֱאִליִלם‬nach Lev , sind die „Handgemachten“ (auch) aus Holz (τὰ ξύλινα χειροποίητα). Alle übrigen LXX-Belege für χειροποίητον als „Götterbild“ stehen im Pl., das Neutrum Sg. ist daher hier wohl als Adjektiv zu ξύλον in V. zu verstehen.

4.4.5.1 Götterpolemisches in Sap 14,1 – 8a und 15,1 – 5 In dieser Ergänzungsschicht steht nicht die eigentliche Götterpolemik im Vordergrund; der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der Reflexion der Beziehung zwischen Israels Gott und seinem Volk. Dem entspricht, dass hier eine 1. Pl. Gott in der 2. Sg. anspricht. Die biblischen Bezüge erinnern an Gottes Fürsorge für die Menschheit und im Besonderen für sein Volk in der Vergangenheit: Der Pfad durch das Meer (14,3) spielt auf den Exodus an,⁷⁷⁸ die frühere Rettung auf einem Stück Holz verweist (über 10,4) auf Noah⁷⁷⁹ und 15,1 f nimmt die Gnadenformel Ex 34,6 f (mit Moses Antwort: […] ἀφελεῖς σὺ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν καὶ τὰς ἀνομίας ἡμῶν καὶ ἐσόμεθα σοί, Ex 34,9 LXX) auf.⁷⁸⁰ Explizite Polemik gegen Götter, ihre Bilder und ihre Verehrer findet sich nur in 14,1.8a; 15,4 f, die die Ergänzung mit dem Kontext verbinden.⁷⁸¹ 14,1 setzt Götterbild und Schiff aufgrund des gemeinsamen Materials Holz in einen Vergleich, wobei das Götterbild als gegenüber dem Schiff minderwertig abschneidet.⁷⁸² Offenbar geht es um eine Gottheit, die vor Antreten der Fahrt angerufen wird (στελλόμενος […] μέλλων διοδεύειν).⁷⁸³ Die Anrufung von Göttern vor Abfahrt eines Schiffes war

 Nahezu identische Formulierungen finden sich in Ps 76,20 LXX und Jes 43,16 LXX, vgl. zu dieser Anspielung auf den Schilfmeer-Durchzug Larcher 1983– 85: III 792; Engel 1998: 224 (u. a.).  Larcher 1983 – 85: III 793 f vermutet, dass schon beim unkundigen Seefahrer in 14,4 an Noah gedacht ist. Σχεδία bezeichnet in griechischer Literatur die flachbödigen Schiffe früher (mythischer) Seefahrt (dazu Larcher 1983– 85: III 796) und ist daher gut als Begriff für die Arche Noahs geeignet. Die Deutung der Sintflut als Vernichtung der Giganten findet sich auch in 3 Makk 2,4 und bei Josephus, vgl. Gilbert 1973: 109 – 111; Engel 1998: 225.  Vgl. dazu Gilbert 1973: 175– 182.  Vgl. in 14,1 τις πάλιν (vgl. τις in 13,11), in 15,4 ἐπίνοια (vgl. 14,12).  Ähnlich wird in EpJer 58 f mit Gegenständen argumentiert, die nützlicher seien als Bilder-Götter; die Formulierung in Sap 14,1 ist allerdings unabhängig von EpJer.  Anders Winston 1981: 263; Engel 1998: 223; Hübner 1999: 173, die an die Gallionsfigur denken. Larcher 1983 – 85: III 788f scheint davon auszugehen, dass die Gallionsfigur identisch mit der vor der Fahrt angerufenen Gottheit ist.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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in römischer Zeit üblich.⁷⁸⁴ Die folgenden Verse befassen sich mit der Schifffahrt und untermauern ihre Wertschätzung. Ich werde darauf im Zusammenhang mit der Analyse der weisheitlichen Elemente zurückkommen. 15,4 f schließt eng an die vorangehende Polemik an. Wieder wird der Künstler in erster Linie verantwortlich gemacht, der mit seinem nutzlosen (hier ἄκαρπος, vgl. der Sache nach 13,13), bunt bemalten (vgl. 13,14) Werk die Menschen verführt (vgl. 14,18 – 20). Allerdings wird hier anders als noch in 14,19 f dem Bild keine Schönheit zugestanden: die Beschreibung als „befleckt (σπιλωθέν) mit verschiedenen Farben“ (15,4) ist deutlich negativ konnotiert.⁷⁸⁵ Neu ist die Diffamierung der Götterverehrer durch erotisch konnotierte Formulierungen.⁷⁸⁶ Εἰς ὄρεξιν ἔρχεται dürfte hier wie ἐξεκαύθησαν ἐν τῇ ὀρέξει in Röm 1,27 sexuelles Verlangen meinen, wozu auch das folgende ποθέω („begehren“) passt.⁷⁸⁷ Dieses Verständnis bestätigt die folgende Ergänzung durch die Bezeichnung der Götterverehrer als κακῶν ἐρασταί („Liebhaber von Bösem“, 15,6).

4.4.5.2 Weisheitliches in Sap 14,1 – 8a und 15,1 – 5 Nur hier in 14,2.5 wird im dritten Buchteil die in Sap 1– 10 so herausragende σοφία genannt. In 14,2 ist die Rede von der τεχνῖτις […] σοφία, was an die Bezeichnung der σοφία als ἡ […] πάντων τεχνῖτις […] σοφία in 7,22 erinnert. Nach 8,6 zeichnet sich die σοφία durch φρόνησις als größte Handwerkerin (τεχνῖτις) aus.Während in 7,22; 8,6 die göttliche Weisheit gemeint ist, die an der Schöpfung beteiligt ist, scheint fraglich, ob in 14,2 dieselbe σοφία gemeint ist. Schließlich geht es hier nicht um ein göttliches Schöpfungswerk, sondern um den Bau eines Schiffes. Einige Exegeten ziehen daher die Lesart τεχνίτης δὲ σοφίᾳ κατεσκεύασεν („ein Handwerker hat [es] mit Weisheit verfertigt“) vor.⁷⁸⁸ Textkritisch empfiehlt sich diese Korrektur nicht, dem Sinn nach dürfte aber zutreffen, dass es um die Weisheit geht, die die Handwerker, die menschlichen Erbauer des Schiffes, in-

 Vgl. z. B. die bei Liv. 36,42,2 erwähnte (kultische) Reinigung der Flotte; weitere Verweise bei Larcher 1983 – 85: III 789.  Zur negativen Konnotation vgl. Larcher 1983 – 85: III 856 und die dort angegebenen Belegstellen.  Das Thema ist in griechischer und lateinischer Literatur belegt, man denke nur an den Pygmalion-Mythos; zu diesem und weiteren Beispielen vgl. Gilbert 1973: 192 f; Larcher 1983 – 85: III 858.  Mit Larcher 1983 – 85: III 857.  Vgl. Grimm 1860: 241 u. a. Eine Minderheit der Mss liest τεχνίτης anstelle von τεχνῖτις; Ziegler 1980: 67 zählt dies zu den orthographischen Varianten und nennt weitere Beispiele für den (häufig belegten) Vokalwechsel ι > η.

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spiriert.⁷⁸⁹ Wenn die Formulierung als Anklang an 7,22; 8,6 zu verstehen ist, kann dies bedeuten, dass der Bau des Schiffes in Kontinuität mit der göttlichen Weisheit und Schöpfung gedacht wird. Menschliche Hände können, unter Anleitung der Werkmeisterin σοφία, zur Fortsetzung der Schöpfung eingesetzt werden; die göttliche Weisheit ist auch da beteiligt, wo die Möglichkeiten der Welt ausgeschöpft werden. Dieses Verständnis wird durch die zweite Erwähnung der σοφία in 14,5 bestärkt. Mir scheint aufgrund der räumlichen und inhaltlichen Nähe wahrscheinlich, dass σοφία in 14,2.5 im gleichen Sinn verwendet wird. In 14,5 wird die σοφία explizit Gott zugeordnet (ἡ σοφία σου) und auf ihre Werke (ἔργα) verwiesen, die nicht brachliegen sollen. Diese Werke können als die Schöpfungswerke insgesamt verstanden werden: Das Meer soll befahren werden, Ressourcen aus Fischerei und Fernhandel sollen genutzt werden.⁷⁹⁰ Die Seefahrt entspricht also dem Willen Gottes und wird durch dieselbe Weisheit ermöglicht, die schon nach Prov 8 und Hi 28 am Anfang der Schöpfung steht.Von der Götterpolemik hat sich der Text nun ziemlich weit entfernt und ist nur noch über den Gegensatz von gottgefälliger und frevlerischer Holzverwendung lose damit verbunden. Ausgeführt wird hier vielmehr ein Thema, das auch andere zeitgenössische Texte beschäftigt: Wie verhält sich die menschliche Seefahrt zum göttlichen Willen? Manche, wie Cicero oder Manilius, führen die Seefahrt positiv als Beispiel für den Durchbruch menschlicher Vernunft und Selbstbestimmung an.⁷⁹¹ Doch finden sich gerade unter den Dichtern der augusteischen Zeit auch Stimmen, die die Seefahrt als frevlerische Übertretung darstellen.⁷⁹² So schreibt zum Beispiel Properz: A pereat, quicumque ratis et vela paravit / primus et invito gurgite fecit iter! („Verflucht sei, wer immer es war, der erstmals Schiffe und Segel schuf und dem Meer zum Trotz einen Weg fand“).⁷⁹³ Gegen diese negative Darstellung der Seefahrt

 Vgl. ähnlich Larcher 1983 – 85: III 790 f.  Vgl. dazu auch Larcher 1983 – 85: III 794.  Vgl. Manil. 1,73 – 88; Cic. nat. deor. 2,152; zu diesem positiven Bild der Seefahrt Schulz 2005: 204.218.  Vgl. dazu Schulz 2005: 210 f: „In dem Maße, wie die augusteische Propaganda die Goldene Zeit aktualisierte, musste sie konsequent auch die Atlantikfahrt der Gegenwart mit einem religiös-moralischen Makel belegen – ein Vorgang, dessen politisch-ideologische Dimension um so klarer hervortritt, als gerade in dieser Zeit die maritime Handelsfahrt in den Atlantik blühte wie nie zuvor und vergleichbare Verbote, wie sie augusteische Dichter beschworen, der Republik unbekannt waren.“ Larcher 1983 – 85: III 794f zitiert zu 14,5 ausschließlich negative Meinungen griechischer und lateinischer Autoren über die Seefahrt. Dass 14,2 ff zu einem antiken Diskurs über die Seefahrt gehört, meint auch Winston 1981: 263 f und weist noch auf eine 14,2– 7 nahe stehende Stelle aus TestXII hin: „Ich machte als erster ein Boot, um auf dem Meer zu fahren, denn der Herr gab mir Einsicht und Weisheit darin“ (TestXII.Zab 6,1; Übersetzung: Becker 1980: 89).  Prop. 1,17,13 f (Text und Übersetzung: Luck 1996: 44 f).

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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richtet sich 14,1– 7 unter Einbezug von atl. Geschichtsüberlieferung und weisheitlicher Schöpfungstradition.Verschiedene Gründe wären denkbar, warum dem Verfasser das Thema an der Stelle aktuell scheint. Nach Schulz diente die Abwertung der Seefahrt auch der negativen Charakterisierung „der am Hafen und in der Seefahrt tätigen Menschen“.⁷⁹⁴ Könnte dies eine jüdische Gemeinschaft in Alexandria treffen, die sich dagegen theologisch rüstet? Weiter lässt sich aus einem Bericht von Philo (Legat. 151) schließen, dass Augustus im Sebasteion von Alexandria mit dem kultischen Beinamen Ἐπιβατήριος als Beschützer der Seefahrer verehrt wurde.⁷⁹⁵ Auch vor diesem Hintergrund könnte sich die Polemik gegen vermeintliche Beschützer, verbunden mit einer längeren Ausführung über Gottes Weisheit und Vorsehung, die in Wahrheit sichere Seefahrt ermöglichen, erklären. Unbedenklich ist die Seefahrt nach 14,3 – 6, weil Gottes Hand bzw. seine πρόνοια das Schiff steuert. Damit greift der Text auch auf ein Bild zurück, das zur Erläuterung göttlicher Weltlenkung in der antiken Literatur verbreitet ist: Gott als Steuermann (κυβερνήτης) begegnet z. B. schon bei Plato (polit. 272e) oder wieder bei Philo (κυβερνῶν, Decal. 155), und διακυβερνάω als Gottes Tätigkeit auch in 3 Makk 6,2.⁷⁹⁶ Neben der expliziten Erwähnung der σοφία und dem damit verbundenen Rückgriff auf weisheitliche Schöpfungstheologie zeigt sich die weisheitliche Prägung in dieser Ergänzung wieder in der Darstellung der Götterverehrer nach dem Vorbild der Gottlosen aus Sap 1– 5. – Wie schon in 13,1– 9; 14,17– 20 wird das Sehen problematisiert. Nach 15,4 ist es der Anblick (ὄψις) der Bilder, der die Menschen zur Verehrung der Götterbilder verleitet. Angeprangert wird aber nicht nur die sinnliche Reaktion auf das Sehen – das unvernünftige Begehren –, sondern auch die Herstellung eines solchen potentiell verführerischen Bildes durch den Künstler. – Verführen lassen sich insbesondere die ἄφρονες (15,5), was an die Beschreibung der Bilder als „Schlinge für die Füße der Törichten (ἀφρόνων)“ in 14,11 erinnert. Doch wiederum betrifft die Bilderverehrung nicht nur eine Minderheit von Toren: Die Bilder sind Erfindung „der Menschen“ (ἀνθρώπων) im Allgemeinen. – Die Götterverehrer begehren das tote Bild bzw. die dargestellte leblose Gestalt (15,5). Dass auch die Gottlosen vom Tod angezogen werden, drückt 1,16 aus:

 Schulz 2005: 211.  Vgl. dazu Herklotz 2007: 267– 269; sie vermutet, dass sich dieser Kultbeiname ursprünglich auf Julius Caesar bezog (Vgl. Herklotz 2007: 65– 69).  Vgl. Gilbert 1973:103 f mit Anm. 27; Beyer 1939:1035 (mit weiteren Belegstellen). Reese 1970: 11 verweist zu dieser Stelle auf den Zeus-Hymnus des Kleanthes.

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4 Sapientia Salomonis

Die Gottlosen halten den Tod für ihren Freund (φίλος) und schmelzen dahin (τήκω). Erstmals in Sap 12 – 15 wird diese Charakterisierung hier explizit zu einem kontrastierenden Schema ausgebaut: Die in 15,1– 5 begegnende Wir-Gruppe grenzt sich gegenüber den Götterverehrern ab wie der Weise vom Toren bzw. in Sap 1– 5 der Gerechte von den Gottlosen. – Die Wir-Gruppe hat Gotteserkenntnis: Sie kennen (ἐπίσταμαι)⁷⁹⁷ Gott (15,3) und wissen (οἶδα) um Gottes Macht und um ihre Beziehung zu Gott (15,2 f). – 15,3 setzt Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) und Unsterblichkeit (ἀθανασία) zueinander in Beziehung und greift darin wahrscheinlich auf 1,15 zurück (δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατός ἐστιν).⁷⁹⁸ Während die Gottlosen bzw. die Götterverehrer mit Tod und Ungerechtigkeit assoziiert werden (1,16; 2,24; 15,5), kommt der Wir-Gruppe wie dem Gerechten Gerechtigkeit und Unsterblichkeit zu (3,4; 4,1; 15,3). – Schließlich passt auch die Verwendung von πλανάω in das Schema Gerechter – Gottlose: Im Gegensatz zu den Götterverehrern (11,15; 12,24; und vgl. die Gottlosen in 2,21; 5,6) lässt sich die Wir-Gruppe nicht irreführen (οὔτε γὰρ ἐπλάνησεν ἡμᾶς, 15,4). Neben der Weiterführung des Schöpfungsthemas und der Partizipation an zeitgenössischen, nicht spezifisch jüdischen Diskursen ist also in dieser Ergänzungsschicht zu beobachten, dass in Anlehnung an das Paradigma Gerechter – Gottlose aus Sap 1– 5 ein kontrastierendes Schema „Wir“ (d.i. das Gottesvolk) – Götterverehrer entwickelt wird.

4.4.6 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 13,10; 14,8b–10.22 – 31; 15,6 (13,10) ταλαίπωροι δὲ καὶ ἐν νεκροῖς αἱ ἐλπίδες αὐτῶν, οἵτινες ἐκάλεσαν θεοὺς ἔργα χειρῶν ἀνθρώπων, χρυσὸν καὶ ἄργυρον τέχνης ἐμμελέτημα καὶ ἀπεικάσματα ζῴων ἢ λίθον ἄχρηστον χειρὸς ἔργον ἀρχαίας.

(,) Elend aber und bei Toten (sind) die Hoffnungen derer, die Götter nannten Werke von Menschenhänden, Gold und Silber, kunstvoll Bearbeitetes a, und Abbilder von Lebewesen oder einen nutzlosen Stein, Werk einer früheren Hand.

 Vgl. noch in 8,8; 9,9 mit σοφία als Subjekt.  Vgl. zu diesem „Querverweis“ Eising 1959: 399; Reese 1970: 133.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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[Es folgt die Beispielerzählung des Holzhandwerkers 13,11– 19 und die Reflexion über die Schifffahrt 14,1– 8a, die oben bereits besprochen wurden. Aufgrund des Sinnzusammenhangs wird hier V.8a nochmals wiedergegeben.] (14,8a) τὸ χειροποίητον δέ, ἐπικατάρατον αὐτὸ (,a) Das Handgemachte hingegen, verflucht ist es, (b) καὶ ὁ ποιήσας αὐτό, ὅτι ὁ μὲν ἠργάζετο, τὸ δὲ (b) und der, der es gemacht hat, dieser, weil er φθαρτὸν θεὸς ὠνομάσθη. (es) geschaffen hat, (jenes, weil) das Vergängliche Gott genannt wurde. () ἐν ἴσῳ γὰρ μισητὰ θεῷ καὶ ὁ ἀσεβῶν καὶ ἡ () Gleichermaßen nämlich sind Gott verhasst ἀσέβεια αὐτοῦ· der Frevler und seine Frevelhaftigkeit, () καὶ γὰρ τὸ πραχθὲν σὺν τῷ δράσαντι () denn das Getane wird zusammen mit dem κολασθήσεται. Täter b gezüchtigt werden.

[Es folgt 14,11– 21 über die Heimsuchung der Bilder und die Ätiologie des Personen-/Bilderkults.] (14,22) εἶτ᾽οὐκ ἤρκεσεν τὸ πλανᾶσθαι περὶ τὴν τοῦ θεοῦ γνῶσιν, ἀλλὰ καὶ ἐν μεγάλῳ ζῶντες ἀγνοίας πολέμῳ τὰ τοσαῦτα κακὰ εἰρήνην προσαγορεύουσιν. () ἢ γὰρ τεκνοφόνους τελετὰς ἢ κρύφια μυστήρια ἢ ἐμμανεῖς ἐξάλλων θεσμῶν κώμους ἄγοντες () οὔτε βίους οὔτε γάμους καθαροὺς ἔτι φυλάσσουσιν ἕτερος δ᾽ἕτερον ἢ λοχῶν ἀναιρεῖ ἢ νοθεύων ὀδυνᾷ. () πάντα δὲ ἐπιμὶξ ἔχει αἷμα καὶ φόνος, κλοπὴ καὶ δόλος, φθορά, ἀπιστία, τάραχος, ἐπιορκία, () θόρυβος ἀγαθῶν, χάριτος ἀμνηστία, ψυχῶν μιασμός, γενέσεως ἐναλλαγή, γάμων ἀταξία, μοιχεία καὶ ἀσέλγεια. () ἡ γὰρ τῶν ἀνωνύμων εἰδώλων θρησκεία παντὸς ἀρχὴ κακοῦ καὶ αἰτία καὶ πέρας ἐστίν· () ἢ γὰρ εὐφραινόμενοι μεμήνασιν ἢ προφητεύουσιν ψευδῆ ἢ ζῶσιν ἀδίκως ἢ ἐπιορκοῦσιν ταχέως· () ἀψύχοις γὰρ πεποιθότες εἰδώλοις κακῶς ὀμόσαντες ἀδικηθῆναι οὐ προσδέχονται.

(,) Dann genügte es (ihnen) nicht, irregeführt zu werden über das Wissen von Gott, sondern auch (während) sie im großen Kampf der Unwissenheit lebten, bezeichnen sie so große Übel als Frieden. () Denn kindermordende Feiern oder heimliche Mysterien oder tolle Feste nach außergewöhnlichen Bräuchen betreiben sie, () weder Leben noch Ehen bewahren sie noch rein, einer tötet den anderen durch einen Hinterhalt oder betrübt ihn durch Ehebruch. () Und alles ist durcheinander, Blut und Mord, Diebstahl und List, Verderben, Argwohn, Aufruhr, Meineid, () Verwirrung des Guten, Vergessen von Wohltat, Befleckung der Seelen, Vertauschung der Hervorbringung c, Regellosigkeit der Ehen, Ehebruch und Zügellosigkeit. () Denn die Verehrung der namenlosen Bilder ist der Anfang allen Übels und Ursache und Höhepunkt. () Denn sei es, dass sie verzückt tobten, oder dass sie Erlogenes weissagten, oder dass sie unrecht lebten, oder dass sie schnell einen Meineid schworen: () Denn weil sie leblosen Bildern vertrauten, als sie böse schworen, befürchten sie nicht, beeinträchtigt zu werden.

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() ἀμφότερα δὲ αὐτοὺς μετελεύσεται τὰ δίκαια, ὅτι κακῶς ἐφρόνησαν περὶ θεοῦ προσέχοντες εἰδώλοις καὶ ἀδίκως ὤμοσαν ἐν δόλῳ καταφρονήσαντες ὁσιότητος·

() (Für) beides wird sie das Gerechte strafen: Dass sie unverständig waren über Gott, indem sie sich den Bildern zuwandten, und (dass) sie unrecht schworen trügerischerweise, die Gottesfurcht verachtend. () οὐ γὰρ ἡ τῶν ὀμνυμένων δύναμις, ἀλλ᾽ἡ τῶν () Denn nicht die Kraft derer, bei denen geἁμαρτανόντων δίκη ἐπεξέρχεται ἀεὶ τὴν τῶν schworen wird, sondern das Recht der Sünder ἀδίκων παράβασιν. straft immer das Vergehen der Ungerechten.

[Es folgt in 15,1– 5 die Darstellung der Wir-Gruppe im Gegensatz zu den Götterverehrern.] (15,6) κακῶν ἐρασταὶ ἄξιοί τε τοιούτων ἐλπίδων (,) Freunde von Bösem und würdig solcher καὶ οἱ δρῶντες καὶ οἱ ποθοῦντες καὶ οἱ Hoffnungen (sind) sowohl die Machenden als σεβόμενοι. auch die Begehrenden und die Verehrenden. a

Wörtl. „das, worauf Sorgfalt (μελέτη) verwendet wird“. Larcher  – : III  weist darauf hin, dass das Ptz. ὁ δράσας oft einen negativen Beiklang im Sinne von „Übeltäter, Schuldiger“ hat (vgl. Plat. leg. a). c Scarpat  – : III  (und ihm folgend Engel : ) liest hier γένεσις im Sinne von „weibliches Geschlecht“ und bezieht die Formulierung auf Homosexualität. Winston :  weist (im Anschluss an Goodrick) darauf hin, dass wahrscheinlich ein Fehler vorliegt und γένους ἐναλλαγή gemeint war. b

4.4.6.1 Götterpolemisches in Sap 13,10; 14,8b–10.22 – 31; 15,6 Diese Überarbeitungsschicht strukturiert die Polemik gegen die Bilderverehrer. 13,10 fungiert dabei als Überschrift,⁷⁹⁹ die durch die Anlehnung an 13,1 deutlich macht, dass mit den Bilderverehrern eine neue Kategorie von Götterverehrern folgt. Die Aufzählung vom kunstvoll gestalteten Edelmetall-Kultbild bis zum nahezu unbearbeiteten Stein⁸⁰⁰ kombiniert übliche atl. Bezeichnungen (ἔργα χειρῶν ἀνθρώπων; χρυσὸς καὶ ἄργυρος) mit eigenen Formulierungen und zeigt, dass alle denkbaren Götterbilder gemeint sind. Wer solche Bilder verehrt, ist nicht nur dumm (vgl. 13,1; 15,14), sondern setzt auch seine Hoffnungen auf „Tote“, nämlich auf die leblosen Bilder-Götter (vgl. 13,18; 15,5.17). Das Thema der (verfehlten) Hoffnungen wird abschließend in 15,6 wieder aufgenommen und bildet so einen Rahmen um den gesamten Bilderverehrungs-Teil. Ich werde darauf bei der Analyse der weisheitlichen Elemente zurückkommen.

 Mit Engel 1998: 220.  Die Verehrung rudimentär bearbeiteter Steine (sog. Xoana) ist bei Semiten und Griechen belegt; das dürfte hier gemeint sein, vgl. Larcher 1983– 85: III 776; Winston 1981: 259 f.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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In dieser Bearbeitung verschärft sich der Ton. Insbesondere werden die Hersteller und Verehrer der Götterbilder deutlicher verurteilt.Während in 14,11– 21 die Bilder und deren Bestrafung im Vordergrund standen, und in 13,11– 19 das nutzlose Bild und sein Hersteller implizit verspottet wurden, richtet sich hier die Polemik explizit gegen das böse Denken und Tun der Bilderverehrer. Diese Ausrichtung wird an verschiedenen Stellen deutlich: So begegnet in 14,22.27.29.30; 15,6 erstmals innerhalb des götterpolemischen Exkurses der Begriff κακός (bzw. als Adverb κακῶς).⁸⁰¹ Weiter ergänzt 14,8b–10 die Verurteilung der Bilder um die Verurteilung des Herstellers, der als „Frevler“ (ἀσεβῶν) und „Täter“ (δράσας)⁸⁰² bezeichnet wird. Die Lebensfeindlichkeit der Bilderverehrung (14,12.21) wird in den durch 14,22 angeschlossenen Lasterkatalogen (14,23 – 28) nun konkret ausgeführt als die daraus folgende moralische Bosheit der Verehrer. Alles Übel folgt aus der Verehrung falscher Götter, die zugleich das schlimmste aller Vergehen darstellt (14,27).⁸⁰³ Die Götterverehrung kann hier wahrscheinlich wie in 14,30 in engem Zusammenhang mit dem Mangel an Gotteserkenntnis (14,22) verstanden werden.⁸⁰⁴ Der Gedanke, dass ein Mangel an Gotteserkenntnis zu bösem Verhalten führt, hat in Hos 4,1– 6 einen atl. Vorläufer, findet sich aber auch bei Plato (Tht. 176c).⁸⁰⁵ Schließlich wird in 14,29 f das Schwören besonders hervorgehoben und in 14,30 als gleichwertiger Strafgrund mit der Hinwendung zu Bildern allgemein dargestellt. Auch ältere atl. Texte sehen die Abwendung von oder Zuwendung zu einem Gott besonders darin ausgedrückt, bei welcher Gottheit jemand schwört (vgl. Jer 12,16).⁸⁰⁶ 14,29 setzt voraus, dass die Verehrer selber nicht an die Macht ihrer Bilder-Götter glauben. Die ὁσιότης, die nach 14,30 durch das falsche Schwören verletzt wird, kann streng genommen nicht die Respektlosigkeit

 Auch die folgende Fortschreibung verwendet κακός (15,12). Darüber hinaus ist der Begriff in Sap nur noch in 16,8; 17,6; 18,19 zu finden.  Vgl. Textanm. b.  Dass alles Übel aus der Idolatrie folgt, sieht Gilbert 1973: 132 f (gefolgt von Engel 1998: 230 f) durch die Aufzählung von 22 Lastern von τεκνοφόνους τελετάς bis ἀσέλγεια besonders unterstrichen. M. E. besteht die Aufzählung, die formal in sich nicht einheitlich ist, nicht eindeutig aus 22 Gliedern. Zu den einzelnen Begriffen der Lasterkataloge vgl. Reese 1970: 20 f; Gilbert 1973: 164– 169.  Vgl. Gilbert 1973: 160: „la méconnaissance de Dieu est synonyme d’idolâtrie […] cette méconnaissance de Dieu se traduit dans l’immoralité.“  Auf die Ähnlichkeit weisen Gilbert 1973: 157 f; McGlynn 2001: 157 hin; vgl. auch Engel 1998: 229.  Gilbert 1973: 170 f; Engel 1998: 231 erklären die Hervorhebung des Schwörens als Verweis auf den Dekalog, doch werden andere Gebote des Dekalogs ja gerade nicht in gleicher Weise hervorgehoben. Auf die besondere Bedeutung des Schwörens für das soziale Leben und die damit verbundene alltägliche Konfrontation mit fremden Göttern verweisen Engel 1998: 231 f; Larcher 1983 – 85: III 840 f.

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gegenüber dem Gott des AT meinen, da ja nicht bei ihm geschworen wird.Vielmehr scheint es hier um eine gottlose Haltung zu gehen, die diesen Menschen unabhängig von einer partikular jüdischen Perspektive vorgeworfen werden kann.⁸⁰⁷ Wie schon in 14,8b–10 wird in 14,30 f die bevorstehende Bestrafung der Bilderverehrer betont. Aber diese Bestrafung erfolgt nicht durch einen personalen, beleidigten Gott: „das Gerechte“ (τὰ δίκαια) bzw. „das Recht der Sünder“ (ἡ τῶν ἁμαρτανόντων δίκη) wird die meineidigen Bilderverehrer strafen, ja, es straft „immer“ (ἀεί) die „Vergehen der Ungerechten“ (14,31). Der Begriff der Gerechtigkeit spielt in diesem Abschnitt eine wesentliche Rolle.⁸⁰⁸ Vergehen und Strafe betreffen hier losgelöst von atl. Gesetzen alle Menschen, die Bestrafung erfolgt durch einen universell gültigen Automatismus.⁸⁰⁹ Solche Polemik kann, anders als die in 15,1– 3 folgende, problemlos in einem nicht-jüdischen Kontext kommuniziert werden. 15,6 bildet das abschließende Urteil über die in 13 – 15 behandelten Bilderhersteller und -verehrer: Sie sind „Freunde (oder auch, im Anschluss an die erotischen Komponenten von 15,5: Liebhaber)⁸¹⁰ von Bösem“, wie in 14,22– 31 ausgeführt wurde, und „würdig solcher Hoffnungen“, nämlich der in 13,10 genannten Hoffnungen auf tote Bilder-Götter, die nicht zum Leben führen.

4.4.6.2 Weisheitliches in Sap 13,10; 14,8b–10.22 – 31; 15,6 Götterpolemische und weisheitliche Elemente sind in dieser Schicht eng verbunden. Was oben bereits als götterpolemisch besprochen wurde, soll nun auf seinen weisheitlichen Unterbau hin untersucht werden. Die in dieser Schicht besonders dichten Bezüge in den Buchkontext sind in erster Linie Bezüge auf die Gottlosen aus Sap 1– 5: – Wieder begegnet πλανάω (14,22; vgl. 2,21; 5,6; und entsprechend für die Götterverehrer schon in 12,24; 13,6) und die Affinität zum Tod (13,10 und implizit im Rückverweis darauf 15,6; vgl. 1,16; und für die Götterverehrer schon in 15,5).

 Auch bei den Griechen war das falsche Schwören ein Verstoß gegen die ὁσιότης, vgl. dazu Larcher 1983 – 85: III 843.  ᾿Aδίκως in 14,28.30; ἀδικέω, 14,29; οἱ ἄδικοι, 14,31; τὰ δίκαια, 14,30; ἡ δίκη, 14,31. Darauf weist auch Gilbert 1973: 135 hin.  Zur Ähnlichkeit der Formulierungen in 14,30f (insbesondere auch das Verb μετέρχεσθαι) mit der Vorstellung einer strafenden Gerechtigkeit in griechischen Tragödien vgl. Grimm 1860: 253; Scarpat 1989 – 99: III 139 – 142.  Vgl. Larcher 1983 – 85: III 858.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15









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Die Hoffnungen der Götterverehrer (13,10; 15,6) erinnern an die leere Hoffnung der Gottlosen (κενὴ ἡ ἑλπὶς αὐτῶν, 3,11), die in 5,14 mit vom Wind verwehtem Staub, mit Reif und mit Rauch verglichen wird. Im Gegensatz dazu ist die Hoffnung des Gerechten voll Unsterblichkeit (3,4). Mit der Beschreibung der Gottlosen in 3,11 weist die Beschreibung der Götterverehrer in 13,10 darüber hinaus noch weitere Gemeinsamkeiten auf. So werden auch diese als ταλαίπωρος bezeichnet und ihre Werke (τὰ ἔργα αὐτῶν) als nutzlos (ἄχρηστα).⁸¹¹ In 14,22 wird von den Bilderverehrern gesagt, sie seien „irregeführt über das Wissen von Gott“ (πλανᾶσθαι περὶ τὴν τοῦ θεοῦ γνῶσιν). Im ersten Buchteil heißt es in 2,13, dass der Gerechte über γνῶσις θεοῦ verfügt, die Gottlosen dagegen erkennen (γινώσκω) Gottes Geheimnisse und Wege laut 2,22 und 5,7 nicht. Das mangelnde Wissen über Gott wird auch den Verehrern von Schöpfungswerken in 13,1 vorgehalten. In 14,30 wird das Unwissen der Bilderverehrer noch deutlicher in Anlehnung an den ersten Buchteil formuliert. Dass die Bilderverehrer „schlecht (oder: falsch) über Gott denken“ (κακῶς ἐφρόνησαν περὶ θεοῦ) zeigt, dass sie in klarem Widerspruch zur Aufforderung in 1,1 stehen, wo es heißt: φρονήσατε περὶ τοῦ κυρίου ἐν ἀγαθότητι!⁸¹²

Der weisheitliche Deutungsrahmen zeigt sich aber nicht nur in der Darstellung der Bilderverehrer analog zu den Gottlosen aus dem ersten Buchteil. Es finden sich auch Bezüge in den zweiten Buchteil, durch die die Bilderverehrer als der Weisheit entgegengesetzt charakterisiert werden. Die Auflistung der Laster in 14,22– 31 bildet eine Art Gegenstück zur positiven Liste 7,22 f, in der der Geist der Weisheit beschrieben wird.⁸¹³ Während sich Salomo in 8,2 als Liebhaber (ἐραστής) der Weisheit darstellt, nennt 15,6 die Bilderverehrer „Liebhaber von Bösem“ (κακῶν ἐρασταί).⁸¹⁴ Die Götterverehrer sind nach dieser Ergänzungsschicht nicht bloß unvernünftig. In ihrem bösen Denken und Tun erweisen sie sich als Gottlose, die der Weisheit entgegengesetzt sind. Das zugrunde liegende Schema, das hier anhand der Bezüge innerhalb von Sap erkennbar ist, ist die weisheitliche Dichotomie von Gerechtem und Gottlosen. Während dies in den vorangehenden Schichten bereits anklang, wird in Ergänzungsschicht E deutlich, dass die Götterverehrer keine

 Zur Beziehung von 13,10 mit 3,10 f vgl. Reese 1970: 131; Engel 1998: 220; Hübner 1999: 171 Anm. 55.  Die Beziehung zwischen 14,30 und 1,1 stellt Reese 1970: 133 fest.  Auf die Ähnlichkeit weist McGlynn 2001: 156 hin.  Auf den Kontrast weisen Reese 1970: 134; Gilbert 1973: 196; Larcher 1983 – 85: III 858 hin.

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harmlose Toren sind, sondern – entsprechend zum weisheitlichen Bild des Gottlosen – eine Gefahr für sich und andere darstellen.

4.4.7 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 15,7 – 13 (15,7) καὶ γὰρ κεραμεὺς ἁπαλὴν γῆν θλίβων ἐπίμοχθον πλάσσει πρὸς ὑπηρεσίαν ἡμῶν ἓν ἕκαστον· ἀλλ᾽ἐκ τοῦ αὐτοῦ πηλοῦ ἀνεπλάσατο τά τε τῶν καθαρῶν ἔργων δοῦλα σκεύη τά τε ἐναντία, πάντα ὁμοίως· τούτων δὲ ἑτέρου τίς ἑκάστου ἐστὶν ἡ χρῆσις, κριτὴς ὁ πηλουργός.

() καὶ κακόμοχθος θεὸν μάταιον ἐκ τοῦ αὐτοῦ πλάσσει πηλοῦ ὃς πρὸ μικροῦ ἐκ γῆς γενηθεὶς μετ᾽ὀλίγον πορεύεται ἐξ ἧς ἐλήμφθη, τὸ τῆς ψυχῆς ἀπαιτηθεὶς χρέος.

() ἀλλ᾽ἔστιν αὐτῷ φροντὶς οὐχ ὅτι μέλλει κάμνειν οὐδ᾽ὅτι βραχυτελῆ βίον ἔχει, ἀλλ᾽ἀντερείδεται μὲν χρυσουργοῖς καὶ ἀργυροχόοις χαλκοπλάστας τε μιμεῖται καὶ δόξαν ἡγεῖται ὅτι κίβδηλα πλάσσει. () σποδὸς ἡ καρδία αὐτοῦ, καὶ γῆς εὐτελεστέρα ἡ ἐλπὶς αὐτοῦ, πηλοῦ τε ἀτιμότερος ὁ βίος αὐτοῦ, () ὅτι ἠγνόησεν τὸν πλάσαντα αὐτὸν καὶ τὸν ἐμπνεύσαντα αὐτῷ ψυχὴν ἐνεργοῦσαν καὶ ἐμφυσήσαντα πνεῦμα ζωτικόν, () ἀλλ᾽ἐλογίσαντο παίγνιον εἶναι τὴν ζωὴν ἡμῶν καὶ τὸν βίον πανηγυρισμὸν ἐπικερδῆ, δεῖν γάρ φησιν ὅθεν δή, κἂν ἐκ κακοῦ, πορίζειν.

() οὗτος γὰρ παρὰ πάντας οἶδεν ὅτι ἁμαρτάνει ὕλης γεώδους εὔθραυστα σκεύη καὶ γλυπτὰ δημιουργῶν. a

(,) Denn der Töpfer, (der) mühsam weiche Erde drückt, formt zu unserem Dienst jedes einzelne, aber aus dem gleichen Lehm baut er neu sowohl die Gefäße, die reinen Werken dienen a, als auch die Entgegengesetzten, alle gleichermaßen, von diesen beiden b aber, was der Gebrauch eines jeden sei, (darüber ist) Richter der Lehmhandwerker. () Und „der, der Böses arbeitet“ c, formt einen nichtigen Gott aus dem gleichen Lehm, (einer,) der vor kurzem aus Erde geworden war, bald darauf geht er (zu ihr), aus der er genommen war, (wenn) die Schuld der Seele eingefordert wird. () Aber es ist ihm eine Sorge nicht, dass er sterben d muss, und nicht, dass er ein kurzes e Leben hat, sondern er rivalisiert f mit Gold- und Silberschmieden g und ahmt Bronzehandwerker h nach und hält es für eine Ehre, dass er Unechtes formt. () Asche/Staub ist sein Herz und wertloser als Erde ist seine Hoffnung, und verachteter als Lehm ist sein Leben, () weil er den nicht kannte, der ihn geformt hatte, und den, der ihm die wirksame Seele eingehaucht hatte und den lebendigen Geist eingehaucht hatte. () Sondern er meinte i, unser Leben sei ein Spiel, und das Leben eine gewinnbringende Vergnügung j, denn man muss, sagt er, wodurch (auch immer), auch wenn es aus Bösem ist, verdienen. () Denn dieser wusste mehr als alle, dass er sündigt, (wenn) er aus erdigem Material ein zerbrechliches Gefäß und Götterbilder schafft.

Zu diesem (ungewöhnlichen) Gebrauch des Adjektivs vgl. Larcher  – : III ; Scarpat  – : III . b So mit Gö. Ra zieht die Lesart ἑτέρου vor, die sich aber als Verschreibung erklären lässt, vgl. Larcher  – : III .

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c

Es handelt sich um eine Wortschöpfung aus κακότεχνος (,) und ἐπίμοχθον (,), mit Larcher  – : III . d Wörtl. „ermatten“, meint aber hier „sterben“ (mit Larcher  – : III ; anders Gilbert : ) analog zur Verwendung des Partizips Aor./Pf. (vgl. LSJ s.v.). Larcher : III  sieht diese Verwendung des Verbs als Hinweis darauf, dass der Verfasser nur unzureichend mit dem griechischen Sprachgebrauch vertraut war. e Es handelt sich bei diesem Adjektiv wohl um einen Neologismus, vgl. Larcher  – : III . f A ᾿ ντερείδεται bedeutet wörtl. „ist gestemmt gegen, hält stand“, muss hier aber parallel zu μιμεῖται „rivalisieren mit“ bedeuten; Larcher  – : III  vermutet eine Verwechslung mit ἀντερίζω, „im Wettbewerb stehen mit“. g Der Begriff ist sonst nicht belegt, wahrscheinlich handelt es sich um eine Analogbildung zu χρυσοχόος, mit Larcher  – : III . h Auch dies ist ein Neologismus, vgl. Larcher  – : III . i Gilbert :  f. plädiert dafür, wie Ra den Pl. (bezeugt u. a. durch den ursprünglichen Text des Sinaiticus, den Alexandrinus und den Vaticanus) beizubehalten und deutet ihn als unpersönliches „sagt man“. Für Pl. als lectio difficilior spricht sich auch Engel :  aus. j Nach Gilbert :  ist dieses Bild in der griechischen Literatur häufig belegt, allerdings mit dem Begriff πανήγυρις (nicht wie hier πανηγυρισμός).

4.4.7.1 Götterpolemisches in Sap 15,7 – 13 Die polemische Beispielgeschichte 15,7– 13 schließt mit καὶ γάρ an das Vorangehende an und ist daher offenbar als Erläuterung zur These 15,6 zu lesen.⁸¹⁵ Auch das verwendete Vokabular zeigt, dass das Vorangehende im Blick ist: Der Töpfer ist ein κακόμοχθος (Neologismus in Analogie zu κακότεχνος in 15,4); er sündigt (ἁμαρτάνω, vgl. 14,31; 15,2). Diese Begriffe sind charakteristisch für die Tendenz dieser Erzählung, in der der Töpfer als „Freund von Bösem“ (15,6) erwiesen werden soll. Neu ist in 15,7– 13, dass statt mit Holz nun mit Ton gearbeitet wird, ein Material, das in älterer Götterpolemik nicht belegt ist.⁸¹⁶ Der Töpfer begegnet in atl. Texten, anders als andere Handwerker, fast ausschließlich als eine metaphorische Figur.⁸¹⁷ Die atl. Rede von Gott als Töpfer verweist auf die Menschenschöpfung (Gen 2,9)⁸¹⁸ und zwar insbesondere unter dem Aspekt von Gottes überlegener

 Mit Gilbert 1973: 202.  Dies merkt auch Darby 2014: 259.273 – 277.283 f an.  Nur in 1 Chr 4,21 und Sir 38,29 f ist Töpfer der Beruf eines konkreten Menschen und hat keine metaphorische Funktion.  Neben dem Bild vom Töpfer und der Feststellung, dass der Hersteller selbst aus πηλός und γῆ geformt ist (15,8), spielt auch die Formulierung ἐξ ἧς ἐλήμφθη („aus der er genommen war“; vgl. ἐξ ἧς ἐλήμφθης in Gen 3,19 LXX, Hinweis bei Grimm 1860: 257) auf die Menschenschöpfung in Gen 2– 3 an.

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Autorität (Jes 45,9),⁸¹⁹ die ihm ermöglicht und erlaubt, unhinterfragt zu richten.⁸²⁰ Die Figur des Töpfers erscheint daher in 15,7– 13 besonders passend, da der Töpfer als souveräner Richter über seine Geschöpfe agiert (15,7), ohne zu bedenken, dass auch er Geschöpf eines Töpfers ist (15,11) und seine Lebensführung danach ausrichten sollte. Hinter dieser bildhaften Verwendung des Töpfer-Motivs dürfte hier aber auch die reale Anschauung tönerner Kultobjekte stehen, gegen deren Hersteller der Text polemisiert.⁸²¹ Tonfiguren sind im Alten Orient, auch in Israel und Juda, reichlich belegt⁸²² und werden üblicherweise privater Kultpraxis zugeordnet.⁸²³ Weder gegen solche Figuren noch gegen ihre Besitzer/Verehrer lässt sich im AT Polemik nachweisen. 15,7– 13 setzt die Nichtigkeit der Tongötter voraus und greift den Hersteller an, dessen finanzielle Interessen im Vordergrund stehen (15,12).⁸²⁴ 15,7– 13 zielt wie die Polemik in der vorangehenden Ergänzungsschicht auf das Denken und Handeln der Menschen, die mit den Götterbildern zu schaffen haben. In der Aufnahme und Umformung von Elementen aus älteren Schichten des götterpolemischen Exkurses wird die charakteristische Ausrichtung dieser Ergänzung besonders deutlich. So wird in 15,8 – 12 wie in 15,16 f das Leben des Herstellers in ein Verhältnis zum hergestellen Bild gesetzt und zwar jeweils unter Verwendung der Begriffe πνεῦμα (15,11.16) und πλάσσω (in Sap nur in  Vgl. dazu Wanke 1980: 157– 160, der nach einer kurzen motivkritischen Untersuchung zum Schluss kommt, es handle sich um ein „geprägtes Bild […] als Vergleich für die Souveränität Jahwes“.  Vgl. Sir 36,13: ὡς πηλὸς κεραμέως ἐν χειρὶ αὐτοῦ πλάσαι αὐτὸ κατὰ τὴν εὐδοκίαν αὐτοῦ, οὕτως ἄνθρωποι ἐν χειρὶ τοῦ ποιήσαντος αὐτοὺς ἀποδοῦναι αὐτοῖς κατὰ τὴν κρίσιν αὐτοῦ. („Wie der Lehm eines Töpfers in seiner Hand, ihn zu formen nach seinem Gutdünken, so die Menschen in der Hand dessen, der sie gemacht hat, ihnen zurückzugeben nach seiner Entscheidung.“) Ähnlich und ebenfalls mit diesem Verweis Gilbert 1973: 204; vgl. noch Jer 18,1– 6; sowie Jes 29,16. Zur Rede von Ton und Töpfer im AT vgl. auch Darby 2014: 260 – 283.  Dass dem Töpfer die Herstellung von Götterbildern vorgeworfen wird, ist aus den Begriffen θεὸς μάταιος (15,8) und γλυπτός (15,13, ein in der LXX üblicher Begriff für Götterbilder) ersichtlich.  Dies gilt nicht nur, wie häufig behauptet wird, für die vorexilische Zeit, vgl. de Hulster 2012.  Vgl. Moorey 2003: 51; Darby 2014: 400.  Die Bezeichnung der Bilder als „unecht“ (15,9) und der Versuch des Herstellers, mit Verarbeitern wertvollerer Materialien zu konkurrieren (15,9), könnte implizieren, dass der Töpfer Terrakotten für den Privatgebrauch verkauft, bei denen es sich um Abbilder größerer Kultbilder handelt. Ob tönerne Votivfiguren tatsächlich bekannten Kultbildern nachgebildet waren, untersucht Alroth 1989:15– 64 anhand von griechischen Ton- und Bronzefiguren. Sie kommt zum Schluss, dass es sich nicht um exakte Kopien handelt, viele Terrakotten aber von Kultbildern inspiriert waren (Alroth 1989: 106 – 108). Das Rivalisieren mit Metallhandwerkern könnte sich aber auch auf den Herstellungsvorgang beziehen, da anhand derselben Modelle Metallguss- und Tonfiguren hergestellt werden konnten (vgl. zum Verfahren Merker 2000: 14). An die gesamte Szenerie von Sap 15,7– 13 erinnert Apg 19,24– 27, auch, was die Charakterisierung des Herstellers betrifft (auf Letzteres weist auch Gilbert 1973: 219 hin).

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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15,7.8.9.11.16). Doch während in 15,16 f die Leblosigkeit des Bildes anthropologisch begründet wird, richtet sich die Polemik in 15,8 – 12 gegen den Hersteller, der gegen seinen Schöpfer⁸²⁵ sündigt. Weiter erinnert 15,7– 13 an die erste götterpolemische Beispielgeschichte in 13,11– 19. In beiden Texten wird von einer Person erzählt, die ein nützliches (ὑπηρεσία, 13,11; 15,7) Gefäß (σκεῦος, 13,11; 15,7) herstellen kann,⁸²⁶ aus dem gleichen Material aber auch Götterbilder herstellt; und es wird jeweils berichtet, was die Person in Bezug auf das Götterbild sagt (13,17– 19; 15,12). Dabei wird auf ein narratives Muster zurückgegriffen, das schon in Jes 44 belegt ist.⁸²⁷ Doch der Töpfer wird anders als die Holzhandwerker in Jes 44 und Sap 13,11– 19 als böser, habgieriger Mensch beschrieben.⁸²⁸ Auch fallen Hersteller und Verehrer hier nicht mehr zusammen: Es geht nun nicht mehr um die Blindheit derjenigen, die – obwohl gerade sie es doch besser wissen müssten – die von ihnen selbst hergestellten Bilder-Götter anbeten. Vielmehr wird der Töpfer als einer verurteilt, der, auch ohne selbst an die Wirksamkeit seiner Tonfiguren zu glauben,⁸²⁹ aus den Götterbildern Kapital schlägt. Sein auf einer anderen Ebene liegender Erkenntnisfehler soll im Folgenden untersucht werden.

4.4.7.2 Weisheitliches in Sap 15,7 – 13 In der Beschreibung des Töpfers begegnen bereits bekannte Züge, die die Götterhersteller mit den Gottlosen aus Sap 1– 5 teilen: Die Hoffnung (ἐλπίς, 15,10) des Töpfers ist „wertloser als Erde“ (vgl. 3,11; 5,14; 13,10; 15,6), was er meint (λογίζομαι, 15,12; vgl. 2,1.21; 3,2; 5,4; 14,20; 15,15) ist falsch. Hinzu kommt der Begriff κίβδηλος (15,9), der in 2,16 die Gottlosen beschreibt. Die Unkenntnis des Schöpfers (15,11) verbindet den Töpfer mit den in 13,1– 9 Angesprochenen. Daraus folgt nun aber nach 15,12 ein Missverständnis über das menschliche Leben (vgl. 12,23). Der Töpfer hält das Leben für eine Vergnügung⁸³⁰ und nimmt das Böse, das er tut, auf die leichte Schulter. Darin gleicht er den Gottlosen in Sap 2. Auch diese denken falsch über das Leben (2,1), kennen ihren Schöpfer nicht (nach 2,2 halten sie sich für ein  Zur Beziehung zwischen Sap 15,11 und Gen 2,7 vgl. Gilbert 1973: 211 f.  Auf die Parallele weist Wright 1967: 181 hin.  Dass 15,7– 13 neben 13,11– 19 auch Jes 44 kennt, zeigt sich in der Formulierung σποδὸς ἡ καρδία αὐτοῦ („Asche/Staub ist sein Herz“, 15,10), die auf Jes 44,20 LXX (γνῶτε ὅτι σποδὸς ἡ καρδία αὐτῶν) anspielt (vgl. dazu Suggs 1957: 28; Gilbert 1973: 203.210). Schon Grimm 1860: 258 weist darauf hin, dass Sap hier auf dem Text der LXX (und nicht MT) basiert.  Die unterschiedliche Akzentuierung beobachtet auch Larcher 1983 – 85: III 859: Der Töpfer ist zynisch und geldgierig, der Holzhandwerker hingegen ist „qu’un pauvre homme“.  Zu dieser Differenz vgl. auch Gilbert 1973: 203.  Das Bild vom Leben als παίγνιον oder als πανήγυρις ist in der griechischen Literatur verbreitet, vgl. dazu Gilbert 1973: 214– 218.

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Produkt des Zufalls: αὐτοσχεδίως ἐγενήθημεν), widmen sich dem Vergnügen (2,6 – 9) und tun Böses (2,10 – 20). Die Reflexion über die Kürze des menschlichen Lebens und über das rechte Verhalten vor dem Schöpfer angesichts der Vergänglichkeit findet sich auch in anderen weisheitlichen Texten.⁸³¹ Wie Sap 15,8 knüpft auch Sir 17 an die Schöpfungserzählung Gen 2– 3 an und entfaltet diese auf die Thematik der begrenzten Lebenszeit des Menschen (17,2) und des guten Lebenswandels hin. Der Schöpfer kennt die Wege seiner Menschen (17,15 – 24); Hinwendung zu Gott und Abkehr von Sünden ist gefordert (17,25 f) vor dem bevorstehenden Tod (17,27 f). Obwohl sich zur eigenwilligen Formulierung der menschlichen Vergänglichkeit in 15,9 keine sprachlichen Parallelen zu anderen weisheitlichen Texten ziehen lassen, durchzieht das Thema doch die Bücher Hiob und Qohelet. Der Vorwurf an den Töpfer, er sei sich seines kurzen Lebens nicht bewusst, impliziert eine ähnliche Vorstellung wie Ps 90,12: ‫„( ִלְמנוֹת ָיֵמינוּ ֵכּן הוֹ ַדע ְו ָנִבא ְלַבב ָחְכָמה‬Zu zählen unsere Tage, das lehre uns, damit wir ein weises Herz erhalten“). In dieser Ergänzung zeigt sich deutlich das zugrunde liegende weisheitliche Denkmuster, nach dem Gotteserkenntnis mit sämtlicher Erkenntnis unlösbar verknüpft ist. In ihrer Unkenntnis des Schöpfergottes liegen die Gottlosen aus Sap 2 und der Töpfer aus 15,7– 13 mit allem falsch: Sie verstehen weder den Menschen noch die Welt noch das eigene Leben richtig. Dabei gibt es für den Töpfer keine Entschuldigung: Er weiß (οἶδα, 15,13), dass er sündigt, und ändert dennoch sein Verhalten nicht.

4.4.8 Fazit: Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15 Die literarkritische Untersuchung von Sap 12,23 – 15,19 hat zur Rekonstruktion einer sukzessiven Entstehung des götterpolemischen Exkurses geführt. Auf die Entwicklungstendenzen im Hinblick auf Götterpolemik und Weisheit, die sich anhand dieser Rekonstruktion herausarbeiten lassen, möchte ich im Folgenden eingehen. Dazu erfolgt zunächst ein kurzer Überblick über die rekonstruierten Schichten. Vorausgesetzt als vorbestehender Kontext ist dabei Sap (*)1,1– 11,16; 16,2– 19,22.

 Vgl. zum Motiv der Vergänglichkeit Kaiser 2008: 180 – 187, der dort u.a. auf Ps 39 und Ps 90 verweist. Zum guten Handeln in der Kürze des Lebens vgl. Prov 30,7– 9 (‫ ְבֶּט ֶרם ָאמוּת‬/πρὸ τοῦ ἀποθανεῖν με, „bevor ich sterbe“).

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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1. 12,23 – 27: Dieser Abschnitt wurde im Anschluss an das Stichwort der „Tierverehrung“ der Ägypter (11,15 f) als Leseanweisung für den dritten Buchteil eingeschoben: Die Tierverehrung wird damit zum Grundirrtum der Ägypter erklärt, der alle folgenden Strafen begründet. Den Ägyptern wird in Bezug auf die Götterverehrung falsches Denken vorgeworfen; sie werden nach dem Muster der Gottlosen aus Sap 1– 5 charakterisiert und als Toren dargestellt, die sich im Irrtum über das Leben befinden. 2. Grundschicht A (13,1 – 9; 15,14 – 19): Die zweiteilige Grundschicht des Exkurses beschreibt die Denkfehler von „Menschen“ ohne Gotteserkenntnis und von Ägyptern. Der Bezug zu den Themen des dritten Buchteils (Exodus, Gottes Strafhandeln) tritt in den Hintergrund. Stattdessen wird an ältere atl. Götterpolemik angeknüpft und wie dort ist der Gedanke des Schöpfergottes zentral. Doch die atl. Motive und Traditionen begegnen hier verbunden mit Terminologie und Gedankengut hellenistischer Philosophie. Die Götterverehrung wird als kognitives Problem dargestellt und resultiert insbesondere aus unzureichender Prozessierung visueller Wahrnehmung. 3. Ergänzungsschicht B (14,11 f.15 – 21): Diese Ergänzungsschicht bietet zwei Ätiologien eines Personenbilderkultes, zum einen die Entwicklung eines Mysterienkultes aus der Vergöttlichung eines verstorbenen Kindes und zum anderen die Entwicklung eines Herrscherkults. Subjekte der Götterverehrung sind „Menschen“, deren Handlungen mit nachvollziehbaren Gründen geschildert werden. Nichtsdestotrotz weisen sie Gemeinsamkeiten mit den Gottlosen aus Sap 1– 5 auf und ihre Personenbildverehrung erweist sich als Fehler im Hinblick auf die geschaffene Welt und auf das menschliche Leben. 4. Ergänzungsschicht C (13,11 – 19): Die eingefügte Beispielerzählung über einen Handwerker, der für sich ein Götterbild herstellt und anbetet, basiert auf Jes 44,(13.)14– 17. Es finden sich keine explizit wertende Charakterisierung des Handwerkers oder seiner Handlungen und keine typisch weisheitlichen Elemente. 5. Ergänzungsschicht D (14,1 – 8a; 15,1 – 5): Der Schwerpunkt dieser Ergänzungsschicht liegt auf der Reflexion der Beziehung zwischen Israels Gott und seinem Volk. Ein Lob der Seefahrt verbindet zeitgenössische Themen (auch nicht-jüdischer Literatur) mit weisheitlicher Argumentation. Götterpolemische Elemente finden sich nur in Anknüpfung an den Kontext, wobei sich der Ton gegen BilderGötter und deren Verehrer verschärft. Die Charakterisierung der Götterverehrer nach dem Muster der Gottlosen aus Sap 1– 5 wird durch eine Wir-Gruppe, die dem Gerechten aus Sap 1– 5 gleicht, zu einem kontrastierenden Schema ausgebaut.

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6. Ergänzungsschicht E (13,10; 14,8b–10.22 – 31; 15,6): Diese Ergänzungsschicht strukturiert den götterpolemischen Exkurs und enthält viele Bezüge in den Buchkontext. Über diese Bezüge wird das böse Denken und Handeln der Götterverehrer, das dem der Gottlosen entspricht und der Weisheit entgegengesetzt ist, hervorgehoben. Lasterkataloge machen deutlich, dass die Verehrung von BilderGöttern gefährliche moralische Verkommenheit mit sich bringt. 7. Ergänzungsschicht F (15,7 – 13): Schließlich wird den Exkurs um eine Beispielerzählung nach dem Vorbild von 13,11– 19 ergänzt. Der Töpfer produziert wider besseres Wissen Götterbilder und wird als böser, habgieriger Mensch dargestellt. Wie für die Gottlosen in Sap 1– 5 gilt für den Töpfer, dass aus seiner Unkenntnis des Schöpfers Unkenntnis über das menschliche Leben folgt. Im Hinblick auf Götterpolemik lassen sich anhand dieser Fortschreibungen gewisse Entwicklungstendenzen feststellen. So wird das Thema der Tierverehrung nur in den ersten Fortschreibungen vertieft, danach entfernt sich der Text zunehmend von den Ägyptern. Wichtiger wird das Thema der Bilderverehrung. Wie schon in DtJes scheinen hier den Verfassern der Polemik unterschiedliche Arten von Götterbildern und Kulten vor Augen zu stehen. So handelt 13,11– 19 von einem privaten Holzgott, in 14,15.23 klingen Mysterienkulte an, 14,16 – 20 kritisiert die Verehrung von Herrscherbildern, und 15,7– 13 bezieht sich auf Terrakotten. Die Überschrift in 13,10 bestätigt den Eindruck, dass sich die Polemik gegen alle denkbaren Götterbilder richtet. Im Laufe der Fortschreibungen wird die Polemik gegen die Verehrer der Bilder aggressiver. Die Verehrung falscher Götter wird durch 12,23 – 27 zur Kapitalsünde, die der Bestrafung der Ägypter insgesamt zugrunde liegt; nach 14,27 folgen alle anderen Vergehen aus der Idolatrie. Werden zunächst noch Erklärungen versucht oder die Verehrer als etwas einfältige Opfer ihrer Bilder dargestellt, so wird der Ton gegen die Verehrer zunehmend schärfer: Die Hersteller und Verehrer werden als Täter gebrandmarkt, sie sind nicht mehr einfältig, sondern böse. Sie scheinen selbst gar nicht an die Wirkmächtigkeit ihrer Bilder-Götter zu glauben (vgl. 14,29 f und den habgierigen Töpfer in 15,7– 13), sind also gottlos und handeln unmoralisch. Zeitgeschichtlich lässt sich die zunehmende Aggressivität gegenüber Verehrern von Bildern vor dem Hintergrund der Ereignisse in Alexandria unter römischer Herrschaft lesen. Zunächst lag der Schwerpunkt auf der Abgrenzung gegenüber Ägyptern und deren Verehrung von Tieren. Während alexandrinische Juden unter den Ptolemäern als Hellenen galten und damit einen höheren Sta-

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

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tus als Ägypter genossen,⁸³² wurde die Zuordnung der Juden zur privilegierten Bevölkerungsgruppe unter den Römern offenbar in Frage gestellt. So dürfte die 24/23 v. unter Augustus eingeführte Steuer (laographia) Juden gleichermaßen wie Ägypter getroffen haben.⁸³³ Mit dieser Entwicklung könnte für die jüdische Bevölkerung ein Anlass gegeben sein, sich durch polemische Abgrenzung gegen die Gleichsetzung mit Ägyptern zu wehren. Für eine Datierung unter Augustus sprechen auch Hinweise im Abschnitt 14,11– 21 (s.o. 4.4.3.1). Die Wendung gegen die Bilderverehrer könnte mit den zunehmenden Spannungen zusammenhängen, die sich durch die politische Umstrukturierung unter römischer Herrschaft aufbauten.⁸³⁴ Die Ägypter traten dabei als Feindbild zurück, wichtiger wurde die Abgrenzung gegen griechisch-römische Kulte und Sitten. So zielt die Polemik auf Bilder- und Mysterienkulte (14,15.23) und scheint sich auch gegen Juden zu richten, die an solchen Kulten teilnehmen.⁸³⁵ Insgesamt steht die Götterpolemik in Sap in Kontinuität zu älterer atl. Götterpolemik. Es werden Begriffe, Themen, Formen und Argumente verwendet, die bereits in den im Vorangehenden besprochenen Texten begegnet sind (vgl. z. B. zu Sap 13,1 Jer 10,14 und Jes 44,9; zu Sap 13,11– 19 Jes 44,14– 17; zu Sap 14,11 Jer 10,15; zu Sap 15,10 Jes 44,20 LXX; zu Sap 15,15 Ps 113,12– 15 LXX).⁸³⁶ Sap bezieht sich auch auf den dtn-dtr Diskurs über fremde Götter, wenn in 14,12 die Götterverehrung als

 Vgl. Collins 2000: 66 f; Gambetti 2009: 49 f.  Vgl. Collins 2000: 115– 118; skeptisch Schimanowski 2006: 156 – 163.  Das wahrscheinlich unter den Ptolemäern bestehende πολίτευμα alexandrinischer Juden, das nach Gambetti 2009: 49 f wohl auf die militärischen Siedler zurückging, wurde zwar unter den Römern nicht abgeschafft. Aber da die militärische Struktur aufgelöst wurde, musste der Anspruch auf Privilegien nun individuell nachgewiesen werden (vgl. Gambetti 2009: 75 f). Die unter den Römern regelmäßig durchgeführten Volkszählungen, in deren Rahmen auch der (steuer)rechtliche Status einer Person festgestellt wurde (Gambetti 2009: 75), könnten daher für zunehmenden Unmut unter der jüdischen Bevölkerung gesorgt haben. – Andere rechnen, der Darstellung Philos folgend, mit zunehmenden sozialen Spannungen, die schließlich 38 n. zum Aufruhr eines unkontrollierten Mobs geführt hätten (z. B. Barclay 1998: 53 f); vgl. dagegen Gambetti 2009: 168– 172, die die Rolle der politischen Führung hervorhebt. In jedem Fall setzen die Ereignisse unter Gaius (Caligula) eine konfliktträchtige Stimmung voraus, deren Vorläufer schon einige Jahre früher einen Nährboden für die in der Sap belegte Polemik geboten haben könnten. Dafür, dass Sap noch unter dem Eindruck der Ereignisse von 38 n. fortgeschrieben wurde, sehe ich hingegen keine Hinweise (s.o. 4.4.3.1).  Vgl. schon Suggs 1957: 27, der Sap 2– 5 und 13– 14 als gegen „disloyal Jews“ gerichtet versteht.  Sap greift offenbar durchgängig auf die griechische Fassung zurück, auch für eine Kenntnis von Jer 10,6– 8.10 (nur MT) gibt es keine Anzeichen. Die Ähnlichkeiten mit EpJer (s.o. 4.4.4.1 zu Sap 13,11– 19) sind eher allgemein und sprechen nicht für literarische Abhängigkeit (vgl. auch die unterschiedliche Ausrichtung von Sap 15,16 f und EpJer 46f, dazu s.o. 4.4.2.1 Anm. 728); auch BelDr wird nicht verwendet. Größere Nähe besteht zu Arist und zu Philo, auch wenn eine literarische Abhängigkeit nicht nachgewiesen werden kann.

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4 Sapientia Salomonis

πορνεία bezeichnet wird, oder in 14,21 die Bilder-Götter λίθοις καὶ ξύλοις genannt werden. Wiederum wird aber nicht auf ein göttliches Verbot der Verehrung dieser Götter verwiesen. Theoretisch kann diese Polemik in großen Teilen auch aus nichtjüdischer Perspektive nachvollzogen werden. Das zeigt sich z. B. in 13,11– 19, wo auf der Grundlage von Jes 44 eine polemische Erzählung entwickelt wird, die ohne atl. Bezüge verständlich ist und begrifflich an nicht-jüdische Diskurse über Götterbilder anschließt (ἄψυχος). Deutlich setzen 13,1– 9 und 14,15 – 21 den Kontakt zu nicht-jüdischen Diskursen über Götter voraus. 14,1– 8 fügt sich, nun klar vor atl. Hintergrund, in einen breiteren zeitgenössischen Diskurs über die Seefahrt. Es handelt sich also keineswegs um isolierte Binnenliteratur einer ethnisch-religiösen Gruppe. Auf die Frage, ob sich die Polemik damit auch an eine nicht-jüdische Leserschaft richten kann, werde ich im Anschluss an die Diskussion der weisheitlichen Elemente zurückkommen. Jedenfalls dürfte die Tendenz von Sap, ältere atl. Götterpolemik mit philosophischer Reflexion zu unterfüttern (vgl. 14,22– 31; 15,8 – 12.16 f), die Plausibilität der Polemik nicht nur für mögliche nicht-jüdische Leser, sondern auch für hellenistisch gebildete jüdische Leser erhöhen. Ich komme nun zur Verwendung weisheitlicher Elemente in Sap 12– 15, in der ebenfalls eine Entwicklung sichtbar wird.Wie schon in DtJes und Jer 10 verläuft die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit nicht linear, wie insbesondere die Rezeption von Jes 44 in Sap 13,11– 19 und 15,7– 13 zeigt, die gerade nicht die weisheitlich geprägten Elemente verstärkt. Von Anfang an werden die Götterverehrer in Sap dem weisheitlichen Toren nachgebildet, sie sind dumm und haben keine Erkenntnis. Die zunehmende Bosheit der Götterverehrer, von der bereits die Rede war, wird in weisheitlichen Denkmustern erfasst.Während die Götterverehrer in den ersten Fortschreibungen in Sap 12– 15 wie in älteren götterpolemischen Texten vor allem sich selbst schaden, folgt in Sap 14,22– 31; 15,7– 13 aus dem falschen Denken der Götterverehrer ihr böses Handeln gegen andere. Sie entsprechen damit dem weisheitlichen Frevler,⁸³⁷ wie sich auch innerhalb von Sap in der Entsprechung mit den Gottlosen aus Sap 1– 5 zeigt. Diese Entsprechung wird im Laufe der Fortschreibungen immer deutlicher. Die wichtigsten Elemente, die den Gottlosen in Kapitel 1– 5 vom Gerechten unterscheiden, finden sich in 12– 15 zur Charakterisierung der Bilderverehrer wieder. In 15,1– 5 wird das binäre Schema vervollständigt, indem den Götterverehrern/Gottlosen die Wir-Gruppe/Gerechten

 In der älteren Weisheit ist die negative Wirkung des Toren und des Frevlers auf andere bereits angelegt, nimmt aber weniger Raum ein als die negativen Auswirkungen auf die Person selbst, vgl. dazu Hausmann 1995: 24– 27.54 f.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

251

gegenübergestellt wird/werden. Die folgende Übersicht fasst die zu den einzelnen Textabschnitten beobachteten Entsprechungen nochmals zusammen: Die Gottlosen (in Sap 1 – 5)

Der Gerechte (in Sap  – )

kennen (γινώσκω) die Geheimnisse hat Gotteserkenntnis Gottes (,) bzw. Wege des Herrn (γνῶσις θεοῦ, ,) (,) nicht

Die Götterverehrer (in Sap  – )

haben Unkenntnis Gottes (θεοῦ ἀγνωσία, ,) bzw. befinden sich im Irrtum über die Gotteserkenntnis (τοῦ θεοῦ γνῶσις, ,) ihre Hoffnung (ἐλπίς) ist leer (,) seine Hoffnung (ἐλπίς) ihre Hoffnungen (ἐλπίδες) sind bei bzw. ist wie vom Wind verwehter ist voll Unsterblichkeit Toten (,; vgl. auch ,); die Staub//Reif//Rauch (,) (,) Hoffnung (ἐλπίς) des Töpfers ist wertloser als Erde (,) sind würdig (ἄξιοι) zum Anteil des ist von Gott als seiner sind würdig (ἄξιοι) solcher HoffTodes zu gehören (,) würdig (ἄξιος) befun- nungen (,) den worden (,) gehören zum Anteil des Todes ist nur scheinbar ge- ihre Hoffnungen sind bei Toten (,; ,); halten den Tod für ei- storben (,) (,) nen Freund (,) denken (λογίζομαι) nicht richtig halten (λογίζομαι) etwas fälschli(,; vgl. auch ,; ,; ,) cherweise für Kultgegenstände (,) bzw. Götter (,); der Töpfer meint (λογίζομαι), das Leben sei ein Spiel (,) gehen irre (πλανάω, passiv ,; gehen irre (πλανάω, passiv, , ,) [×]; ,; ,); „Wir“ im Gegenteil werden nicht irregeführt (πλανάω, passiv) durch die Götterbilder (,) sind verblendet (ἀποτυφλόω, ,; sind nicht in der Lage, aus den vgl. die falsche Wahrnehmung mit sichtbaren (ὁρώμενος) guten Dinden Augen in ,.); sie sehen, gen zu erkennen (,); lassen sich ohne zu verstehen (ὄψονται […] καὶ durch den Anblick (ὄψις, ,; οὐ νοήσουσιν, ,; vgl. auch vgl. ,) überzeugen; – erst, als es ,); – erst, als es zu spät ist, erzu spät ist, erkennen sie (ἰδόντες, kennen sie (ἰδόντες, , f) ,) irren ab vom Weg der Wahrheit hält sich fern von den irren herum auf irreführenden We(ὁδός ἀληθείας, ,); kennen den Wegen (ὁδοί) der gen (πλάνης ὁδοί, ,) Weg des Herrn (ὁδὸς κυρίου) nicht Gottlosen (,) (,)

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4 Sapientia Salomonis

Als Gottlose sind die Götterverehrer der Weisheit fern. Dass sie im Widerspruch zur Weisheit stehen und ihr diametral entgegengesetzt sind,⁸³⁸ zeigt sich auch an anderen Stellen. So sind die Götterhersteller und -verehrer, statt Freunde der Weisheit (vgl. ἐραστής in 8,2), Liebhaber von Bösem (κακῶν ἐρασταί, 15,6). Sap 12– 15 ist Götterpolemik innerhalb eines weisheitlichen Buches und ist auch über die Darstellung der Götterverehrer als weisheitliche Frevler hinaus stark auf weisheitliche Diskurse bezogen. Schwerpunkte weisheitlicher Reflexion finden sich wieder in den Bereichen, die bereits in älterer Götterpolemik weisheitlich unterfüttert wurden. Zentral ist das Thema der Erkenntnis, und zwar insbesondere als richtige kognitive Verarbeitung visueller Wahrnehmung. Mangelnde Gotteserkenntnis ist der grundlegende Vorwurf an die Götterverehrer (13,1; 14,22.30). Wie schon in Jes 40 ist die Gotteserkenntnis mit richtiger Erkenntnis über die Welt eng verbunden. Die Götterverehrer aus 13,1– 9 denken falsch über die Schöpfung und erkennen den Schöpfer nicht. Gott der Schöpfer durchzieht die Polemik als Gegenpol der falschen Götter, und wo die Weisheit (σοφία, 14,2.5) explizit erwähnt wird, begegnet sie in ihrer schöpferischen Funktion. Diese an der Schöpfung beteiligte Weisheit soll auch das Handeln der Menschen in der Welt leiten, insofern das menschliche Handeln der Bestimmung der Schöpfungswerke entsprechen soll (14,5). Nicht zuletzt die Verwendung von Holz – ein beliebtes Motiv der Götterpolemik!⁸³⁹ – kann darüber beurteilt werden, vgl. 14,7 f. Erstmals wird in Sap auch der Gedanke der Menschenschöpfung für die götterpolemische Argumentation verwendet: Nach 15,16 kann der Mensch seinen (von Gott) geliehenen Geist nicht an das von ihm selbst Geschaffene weitergeben. Der Töpfer in 15,7– 13 geht seiner bösen Tätigkeit der Bilderherstellung nach, weil er seinen Schöpfer nicht kennt (15,11) und daher sein Leben falsch einschätzt. Wieder wird dem mit den Bilder-Göttern assoziierten Menschen fehlende Erkenntnis des Schöpfergottes vorgeworfen. Wie in Sap 14,1– 8 ist das Wissen um Schöpfung und Schöpfergott handlungsrelevant, denn der Erkenntnismangel des Töpfers über Gott ist zugleich Unverstand über das menschliche Leben (vgl. auch Sap 14,22– 31: mangelnde Gotteserkenntnis führt zu falschem Handeln). Der hier postulierte Zusammenhang zwischen richtiger Gotteserkenntnis, richtiger Welterkenntnis und richtigem Handeln lässt sich sowohl von der atl. Weisheit als auch von der hellenistischen Philosophie her denken. Für Plato (Tht. 176c) geht die Unwissenheit über Gott mit Torheit (ἀμαθία) und Schlechtigkeit (κακία) zusammen. Obwohl inhaltlich verschieden gefüllt, misst sich die rechte

 Vgl. dazu auch McGlynn 2001: 132– 134.147.156.164 f (allerdings mit anderer Begründung, da sie mit einem aus Sap 6 – 10 entwickelten Konzept von geoffenbarter Weisheit operiert).  Vgl. Jes 44,14– 20; Sap 13,11– 19 und s.u. 5.2.2.1.

4.4 Götterpolemisches und Weisheitliches in Sap 12 – 15

253

Lebensführung nach Ansicht hellenistischer und römischer Philosophen an ihrer „Naturgemäßheit“.⁸⁴⁰ Dass sich diejenigen, die sich in Bezug auf den Kosmos und auf Gott irren, auch im Irrtum über das menschliche Leben befinden (vgl. 12,23; 14,22; 15,12), ist daher ein über seine atl. fundierte Begründung hinaus plausibler Gedanke im Entstehungskontext von Sap. Es zeigt sich in Sap 12– 15, dass weisheitliche Vorstellungen und Argumentationsformen die Grundlage einer Götterpolemik bilden können, die verschiedene nicht spezifisch jüdisch geprägte Diskurse integriert und am zeitgenössischen philosophischen Diskurs teilhat. Das gilt auch für die Beteiligung an einer argumentativen Auseinandersetzung über die rechte Gottesverehrung. Die Frage, was man vernünftigerweise „für Götter halten“ (θεοὺς νομίζειν, 13,2) soll, entstammt ihrer Idee und Formulierung nach dem griechischen Kontext.⁸⁴¹ Die Abhandlung in Sap bildet eine Art Miniatur-De-natura-deorum-Traktat. Passend dazu wird letztlich (14,30) den mit Bilder-Göttern assoziierten Menschen nicht ihre mangelnde Erkenntnis des Schöpfergottes in atl. Tradition, sondern ihre Verachtung der Gottesfurcht (ὁσιότης) vorgeworfen. Dass die weisheitlich geprägte Götterpolemik damit auch den philosophischen Ansprüchen der Zeit genügen kann, bedeutet allerdings nicht, dass sie sich gleichermaßen an Juden wie Nicht-Juden richten kann. Insbesondere die Weiterentwicklung der Konzeptionalisierung der Götterverehrer als Toren macht dies m. E. eher unwahrscheinlich. Die Ausdehnung der Kategorie der Toren auf alle Menschen (außer den Verehrern des aus Verfassersicht wahren Gottes), die die Parallelisierung von ἄφρονες und ἄνθρωποι in 14,11 (und vgl. 13,1; 15,4 f) impliziert,⁸⁴² sowie die klare Aussonderung einer Wir-Gruppe in Sap 15,1– 5, die sich den törichten Verehrern von Bilder-Göttern gegenüber abgrenzt, formulieren nicht gerade eine Einladung an Leser, die sich nicht bereits der jüdischen Tradition verbunden wissen.Wie sich Weisheitsliteratur nur an „Weise“ (und nicht an „Toren“) richtet, aber dennoch auch die Adressaten vom Verhalten eines „Toren“ abhalten will, so könnte sich auch die Polemik in Sap nur an „weise“ Leser richten, denen der tiefe Graben bewusst gemacht werden soll, der sie von den Götterverehrern trennt – oder trennen sollte.

 Vgl. Dihle 2009: 4.  S.o. 3.4.2.1 mit Anm. 536.  Es handelt sich m. E. nicht um die als Topos philosophischer Literatur häufig belegte Gegenüberstellung von Philosophen und Nicht-Philosophen, die auch nicht-jüdische Philosophen in die Kategorie der Weisen einbeziehen könnte. Die Antithese wird standardmäßig mit οἱ πολλοί formuliert, während οἱ (πάντες) ἄνθρωποι inklusiv und weniger negativ verwendet wird, vgl. zur Verwendung bei Plato und Aristoteles Voigtländer 1980: 413.624.

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik 5.1 Chronologischer Überblick In den vorangehenden Kapiteln habe ich eine Reihe von Texten untersucht, die als Fragmente eines götterpolemischen Diskurses miteinander in Beziehung stehen. Positiv lässt sich dieser Diskurs charakterisieren durch eine Argumentation, die auf der gezielten Überblendung von Göttern und Götterbildern basiert. Negativ – in Abgrenzung zu anderen Diskursen über Götter und Kulte – fällt auf, dass weder Baal noch Aschera, weder Höhen noch Mazzeben in diesen polemischen Texten eine Rolle spielen. Die hier beschriebenen Götterbilder werden aus Holz und/oder Metall hergestellt; die typische Kombination ist Silber und Gold und nicht etwa Holz und Stein. An Personen treten vornehmlich Handwerker sowie Verehrer und in einigen Fällen Priester auf, nicht aber Propheten. Dieser polemische Diskurs kommt ohne geschichtstheologisches Narrativ aus; wo narrative Muster verwendet werden, beziehen sie sich auf die Herstellung und anschließende Verehrung der Götterbilder.⁸⁴³ Neben solchen offensichtlichen Merkmalen finden sich auch unauffälligere typische Elemente, etwa dass das Götterbild als Objekt von Handlungen oft nur pronominal bezeichnet statt explizit genannt wird,⁸⁴⁴ und dass von den mit Bilder-Göttern assoziierten Personen stets in der 3. Pl. (seltener auch 3. Sg.) die Rede ist – es wird also nicht zu ihnen, sondern über sie gesprochen. Allerdings kommen die Verehrer hin und wieder selbst zu Wort, indem ihr Bekenntnis zu den Bildern als ihren Göttern zitiert wird. Konkret benannt werden die Verehrer nicht; in einigen Fällen sind Verehrer und Handwerker identisch, immer jedenfalls sind die Verehrer über ihre Handlungen und ihre Beziehung zum Bild-Gott definiert.⁸⁴⁵ Über die aus den Textanalysen rekonstruierte Entwicklung dieses götterpolemischen Diskurses und seiner Verbindung mit weisheitlichem Diskurs möchte ich nun, unter Einbezug von weiteren Texten, einen kurzen Überblick geben und werde dabei auch versuchen, die Etappen dieser Entwicklung historisch einzuordnen.

 Erst in sehr späten Texten wie Sap 14,12– 31 (und ansatzweise schon Jub 11,4 f) kommt ein Erzählfaden über den Ursprung und die Folgen der Götter(bilder)verehrung hinzu.  Vgl. Jes 41,7; 44,12 f; Jer 10,3 – 5.9; Sap 13,13 – 15 (vgl. auch die nicht explizit genannten Tiere in Sap 12,27).  Vgl. insbesondere die Bezeichnung der Verehrer durch Partizipien (Jes 42,17; 45,20; 46,6; Ps 115,8//135,18; Sap 12,23.26; 15,6) und Relativsätze (Sap 13,10).

5.1 Chronologischer Überblick

255

5.1.1 Vorläufer: Jhwhs Macht in der Geschichte Die ältesten götterpolemischen Texte im Sinne des hier untersuchten Diskursstrangs sind wahrscheinlich in Anknüpfung an die DtJes-Grundschicht entstanden. Wie die Analyse von Jes 41,21– 29 gezeigt hat, finden sich polemische Aussagen gegen andere Götter außer Jhwh schon in der Grundschicht selbst. Allerdings weist diese Polemik ganz andere Strukturen auf als die danach einsetzende, unter Bezugnahme auf Götterbilder argumentierende Polemik, so dass ich Jes 41,*21– 29 einem anderen Diskursstrang zurechne. Im Kontrast zu den späteren götterpolemischen Texten, die in erster Linie Hersteller und Verehrer von Götter(bilder)n ins Visier nehmen, fällt auf, dass die Götter in Jes 41,*21– 29 ohne menschliche Entourage auftreten. Jhwh selbst setzt sich mit diesen Göttern auseinander, und zwar vor dem Forum der versammelten Völker. Basis der polemischen Argumentation sind historische Geschehnisse, ihre Vorhersage und ihre Deutung. Da das zuverlässige Wissen der Verfasser um die Geschehnisse, auch im Verhältnis zu ihrer früheren Ankündigung, die Grundlage des Urteils über die Götter bildet, scheint eine Bestätigung der Kyros-Ankündigung (vgl. Jes 41,25) durch die Ereignisse vorausgesetzt. Jes 41,*21– 29 (und damit die DtJes-Grundschicht) dürfte daher nach der Machtübernahme des Kyros anzusetzen sein.⁸⁴⁶ Vor dem Hintergrund babylonischer anti-nabonidischer Polemik dürfte bei den anvisierten Göttern insbesondere an Marduk und möglicherweise an den von Nabonid favorisierten Sin gedacht sein.⁸⁴⁷ Gegenstand der Auseinandersetzung ist weniger die Verehrung bestimmter Gottheiten als vielmehr die Frage, auf wen man sich im Hinblick auf die Lenkung der Geschichte verlassen kann.Wie auch in Jes 40 wird zum Ausdruck gebracht, dass die Israeliten sich auf Jhwhs einzigartige Macht, die größer ist als andere Mächte – einschließlich der Macht anderer Götter –,verlassen können und sollen. Die Polemik gegen andere Götter außer Jhwh steht hier also im Kontext der exilischen und nachexilischen Reflexion über Jhwhs Macht vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse ab der Eroberung Jerusalems. In einen verwandten Diskurs dürften sich die polemischen Aussagen gegen andere Götter in Jer einordnen lassen. Zwar richtet sich die Polemik in Jer gegen die Verehrung anderer Götter durch Israel und Juda, doch auch dort setzt

 S.o. 2.3.3.1.2. Für eine Datierung (kurz) nach 539 sprechen sich auch Kratz 1991a: 170; Werlitz 1999: 293 aus.  S.o. 2.3.3.1.2.

256

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

sich Jhwh selbst mit den anderen Göttern auseinander und die „Nichtigkeit“ der anderen Götter erweist sich in der Geschichte.⁸⁴⁸ Ebenfalls zur Vorgeschichte des götterpolemischen Diskurses gehören Texte, die wie Jes 46,1 f im Rahmen militärischer Niederlagen auch den Sturz der Götter(bilder) thematisieren.⁸⁴⁹

5.1.2 Erste götterpolemische Texte in DtJes An die Aufforderung an Israel in der dtjes Grundschicht, auf Jhwhs einzigartige und zuverlässige Souveränität über die Geschichte zu vertrauen, schließen die götterpolemischen Fortschreibungen in DtJes an. Diese Fortschreibungen müssen nicht in der mesopotamischen Diaspora entstanden sein; für manche (jüngere) Texte scheint mir dies im Gegenteil eher unwahrscheinlich.⁸⁵⁰ Sie dürften über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden sein, wobei die ältesten Fortschreibungen schon relativ bald nach der dtjes Grundschicht entstanden sein könnten, auf die sie sich beziehen. Die Götter werden nun aber in einer engen Verbindung mit ihren Bildern dargestellt und als bloße Bilder abgewertet. Dabei rückt auch die Auseinandersetzung zwischen Jhwh und anderen Göttern mit konkurrierendem Anspruch in den Hintergrund. Nur vereinzelt findet sie sich in Ergänzungen, die mit Bezug zu dtn-dtr Fremdgötterdiskurs und zum Bilderverbot einen Vorwurf an Israel formulieren.⁸⁵¹ In diesen Ergänzungen tritt Jhwh weiterhin als Sprecher und Partei in einer Auseinandersetzung auf. Die typischen Vertreter des hier einsetzenden götterpolemischen Diskurses sind aber nicht unmittelbar auf Jhwhs Sprecherrolle angewiesen. Vielmehr werden in kurzen, aus der Perspektive eines unpersönlichen Erzählers oder Kommentators formulierten Texten Menschen

 Vgl. Jer 2,28a: ‫„( ְוַא ֵיּה ֱאל ֶֹהיָך ֲא ֶשׁר ָע ִשׂיָת ָלְּך ָיקוּמוּ ִאם־יוֹ ִשׁיעוָּך ְבֵּעת ָרָעֶתָך‬Und wo sind [nun] deine Götter, die du dir gemacht hast? Sie sollen aufstehen oder dich retten zur Zeit deines Unheils!“). Zur Charakterisierung götterpolemischer Diskurse in Jer s.o. 3.1.  S.o. 2.4.6.2.1 zu Jes 46,1 f (vgl. Jer 43,12 f; 48,7.13 u. a.). Zwar gehört dieser Text wohl nicht mehr auf die Ebene der Grundschicht, dürfte aber älter sein als die im Folgenden besprochenen götterpolemischen Ergänzungen.  Darauf lassen nicht nur (ex silentio) der fehlende Bezug zu mesopotamischen Diskursen über Kultbilder und die ungenaue Kenntnis über die Beschaffenheit der Bilder schließen, sondern auch insbesondere in Jes 44,14 der Hinweis auf Regen und auf in Babylonien nicht heimische Holzarten (s.o. 2.5.3.4.2). Der exilische Ursprung der Götterpolemik wird häufig unhinterfragt vorausgesetzt, vgl. etwa Levtow 2008: 59 (Anm. 41).73, der (im Anschluss an Albertz) die literarische Einbettung der götterpolemischen Texte zwar für jünger hält, aber dennoch davon ausgeht, dass die Texte im 6. Jh. im babylonischen Exil entstanden seien.  Vgl. Jes 41,24b; 42,8; 46,3 f; 48,5.

5.1 Chronologischer Überblick

257

gezeigt, die sich auf Bilder verlassen, hinter denen keine rettenden Götter stehen. Damit verschiebt sich die Gegenüberstellung: Auf sich selbst gestellte Menschen stehen implizit im Kontrast zu Jhwhs kraftvoller Hilfe. Entsprechend richtet sich die Polemik in erster Linie gegen die Menschen, die als Hersteller und/oder Verehrer mit Götterbildern in Beziehung stehen. Dass die Bilder-Götter nicht retten können, erweist sich nun nicht mehr aus der Geschichte, sondern gründet in deren rein menschlichem Ursprung. Ein Gegensatz zu Jhwh oder eine historische Tragweite der Nutzlosigkeit der Bilder-Götter ergeben sich höchstens indirekt aus dem Kontext. Die götterpolemischen Fortschreibungen selbst zeigen die Nutzlosigkeit der Bilder-Götter eher in kleinen Momentaufnahmen typischer Szenen zwischen Herstellern oder Verehrern und ihren Götterbildern. Dass die Verehrer der Bilder-Götter deren Nutzlosigkeit nicht erkennen, wird ihnen zum Vorwurf gemacht, aber zunächst noch nicht in weisheitlichen Begriffen formuliert.

5.1.3 Götterpolemik in der späteren Perserzeit Vermutlich später als die ersten götterpolemischen Ergänzungen in DtJes ist die Entstehung von Jer 10,12– 16 anzusetzen, da diese Fortschreibung bereits mehrere Überarbeitungen des Jer-Buches voraussetzt. Jer 10,12– 16 knüpft, wie in der Textanalyse dargelegt, wahrscheinlich sekundär an Jer 9,22 f an, das seinerseits zu einer Reihe weisheitlich geprägter Fortschreibungen in Jer gehört. Diese weisheitlichen Einschübe thematisieren die (mangelnde) Erkenntnis Jhwhs⁸⁵² im Kontext der Vergehen des Volkes. Auch Jer 10,12– 16 ist zunächst als an die Israeliten gerichtet zu verstehen, die, statt sich nutzlosen Götterbildern zuzuwenden, ihren Gott Jhwh erkennen sollen. Obwohl Jer 10,12– 16 unabhängig von DtJes und stark an Jer orientiert formuliert, finden sich mit DtJes übereinstimmende Aussagen. Wie in Jes 40,12– 31 erweisen sich die Götterbilder und ihre Hersteller als lächerlich machtlos gegenüber dem Schöpfergott Jhwh, der seinem Volk seine Unterstützung zusagt. Aus dem Nebeneinander von Weisheit und Götterpolemik in Jes 40 ist in Jer 10,12– 16 nun eine weisheitlich geprägte Götterpolemik geworden. Es scheint mir wahrscheinlich, dass die weisheitlich geprägten Fortschreibungen Jes 44,12 f.18.19 f in einer ähnlichen Zeit entstanden sind, da sie einerseits an ältere götterpolemische Fortschreibungen anschließen, andererseits aber Jer 10,3b–5 vermutlich bereits Jes 44,12– 18 voraussetzt.⁸⁵³ Wie bereits  Wanke 1996: 98 vermutet in Jer 4,19 – 22; 9,2bβ.5bβ.22 f eine weisheitliche Bearbeitung, die das Thema Gotteserkenntnis in Gestalt von Jhwh-Reden einträgt. Vgl. auch Hermisson 2000b: 185 f.  Dazu s.o. 3.2.3.3.2.

258

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

mehrfach dargelegt, lässt sich eine lineare Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik nicht rekonstruieren, da auch in dieser Phase weiterhin götterpolemische Fortschreibungen ohne weisheitliche Bezüge entstehen. In der abschließenden Gegenüberstellung Jer 10,16 ist neben ihrer Unterlegenheit auch die Fremdheit der Bilder-Götter angelegt, die nicht wie Jhwh Jakobs Anteil und Erbe, d. h. der Garant seiner Lebensgrundlagen, sind.⁸⁵⁴ Durch die folgenden Bearbeitungen des Textes – die Erweiterung um Jer 10,2– 3a und die Verwendung von Jer 10,12– 16 in Jer 51 – wird die Fremdheit der Götterbilder durch ihre Zuordnung zu den Völkern (und insbesondere zu Babylon) dargestellt. Diese Zuordnung der Bilder-Götter an die Völker⁸⁵⁵ und speziell die „Babylonisierung“ der Bilderverehrung scheinen sich ab dieser Zeit zu verstärken, wie sich im weiteren Verlauf noch zeigen wird (s.u. 5.1.4). Nach Baumgartner weist das Aramäisch von Jer 10,11 ins 5. oder 4. Jh. v.⁸⁵⁶ Wenn das zutrifft, müsste Jer 10,1– 5.11– 16 noch in (spät‐)persischer Zeit ergänzt worden sein. Da die Polemik in Jer 10,3b–5 eine große Nähe zu DtJes aufweist, aber eher genauer über babylonische Kultbilder informiert scheint, halte ich diesen Entstehungszeitpunkt für denkbar. Der götterpolemische Diskurs scheint sich nun besonders an Babylon zu orientieren.

 Zur Bedeutung von ‫ ֵחֶלק‬und ‫ ַנֲחָלה‬in diesem Zusammenhang s.o. 3.2.3.1.2.  Auch in den Fortschreibungen in DtJes gibt es Tendenzen, die Verehrung von Bilder-Göttern den Völkern (im Gegensatz zu Israel) zuzuschreiben, und die Stigmatisierung der Völker als Bilderverehrer in Jes 45,15 – 17 gehört sicher zu den jüngeren Fortschreibungen (s.u. 5.1.4). Eine klare lineare Entwicklung von der Darstellung der Israeliten als möglicher Bilderverehrer hin zur Zuschreibung der Bilderverehrung an die Völker kann ich in den Fortschreibungen in DtJes aber nicht rekonstruieren. An Israeliten als mögliche Bilderverehrer gerichtet verstehe ich Jes 40,19 f; 42,8.17; 46,5 – 7; 48,3 – 5, in Jes 41,6 f; 45,20b; 45,15 – 17 werden m. E. die Bilderverehrer als NichtIsraeliten dargestellt (vgl. die Textanalysen). Gerade Jes 41,6 f muss aber nicht jünger sein als Texte, die den Vorwurf der Bilderverehrung an Israeliten richten. – Eine Entwicklung von intra- zu interreligiöser Ausrichtung der Polemik sieht auch Frevel 1998: 55.73 f, der aber ebenfalls darauf hinweist, dass die Unterscheidung nicht immer klar zu treffen ist.  Da die Schreibweise mit ‫ ע‬anstelle von ‫ ק‬erst im 5. Jh. v. aufkommt (vgl. zum Wechsel der Schreibweise Folmer 1995: 63.67– 70), spricht das Nebeneinander von ‫ ַא ְרָקא‬und ‫ ַא ְרָעא‬in Jer 10,11 nach Baumgartner 1927: 101 für eine Entstehung in der Übergangszeit. Präzise Schlüsse für die Datierung lässt dies allerdings nicht zu, da die Schreibweise mit ‫ ק‬noch bis in spätere Zeit belegt ist und sich die Schreibweise mit ‫ ע‬auch einem Abschreibeversehen verdanken könnte (vgl. Holladay 1986: 324 f.334). Baumgartner 1927: 105.123 weist zudem noch auf die Suffixendung ‫הוֹם‬- hin, die in jüngeren Texten wie Dan ‫הוֹן‬- (mit ‫ )ן‬geschrieben wird (vgl. Dan 2,35; 3,14 u. ö.; vgl. dazu Folmer 1995: 145 – 152).

5.1 Chronologischer Überblick

259

In (spät‐)persischer Zeit könnte auch die älteste semitische Fassung von BelDr entstanden sein.⁸⁵⁷ Da EpJer die Erzählung von Bel zu kennen scheint und Elemente daraus mit solchen aus den götterpolemischen Texten in DtJes und Jer verbindet, soll hier kurz auf diese Erzählung eingegangen werden. BelDr besteht aus zwei ähnlich aufgebauten Teilen, in denen jeweils Daniel dem König demonstriert, dass das von den Babyloniern als Gott Verehrte – in der ersten Erzählung das Bild Bels, in der zweiten der Drache – dieser Verehrung nicht würdig ist. Im Fall Bels weist Daniel nach, dass gar nicht Bel, sondern die Priester mit ihren Familien heimlich die dargebrachten Opfer verspeisen (BelDr 1– 22). Im zweiten Teil lässt Daniel den (lebendigen) Drachen, dessen Fähigkeit zu essen und zu trinken nicht von der Hand zu weisen ist, durch unbekömmliches Futter explodieren (BelDr 23 – 27). Die verärgerten Babylonier veranlassen daraufhin, dass Daniel in die Löwengrube geworfen wird (BelDr 28 – 32). Dieser entsteigt er nach sieben Tagen – und vom eigens aus Juda eingeflogenen Propheten Habakuk mit Frühstück versorgt – unversehrt, woraufhin der König den Gott Daniels lobt (BelDr 33 – 42).

Die Erzählung könnte ähnlich wie andere Daniel-Erzählungen, die in das kanonische Dan-Buch aufgenommen wurden, auf Überlieferungen basieren, die in persischer Zeit zirkulierten.⁸⁵⁸ Zumindest in die Draco-Erzählung könnten auch Vorstellungen über Babylon eingeflossen sein, die möglicherweise auf die babylonische Diaspora zurückgehen.⁸⁵⁹ Der uns vorliegenden griechischen Übersetzung dürfte allerdings eine jüngere Überarbeitung zugrunde liegen.⁸⁶⁰

 Mit Davies 1913: 655 f; Moore 1977: 120; Kratz 1991b: 112 f u. a. gehe ich von einem semitischen Original aus (anders Wysny 1996: 145 – 148); der aramäische Jerachmeel-Text von BelDr 23 – 42 steht aber m. E. diesem Original nicht näher, sondern basiert vielmehr auf Th (mit Kottsieper 1998: 220 u. a. gegen Koch 1987: II 154– 192.203, der an eine ältere These von Gaster anknüpft; gegen Gaster vgl. schon Davies 1913: 656). Die komplizierten Verhältnisse der griechischen Texte von Dan, Dan 3 – 6 und BelDr lassen sich am besten durch die Annahme einer unabhängig von Dan zirkulierenden und bereits früher ins Griechische übersetzten Sammlung Dan 3 – 6 LXX + BelDr erklären; vgl. Kottsieper 1998: 213 – 219.248.  Moore 1977: 128 hält das für möglich, plädiert aber eher für eine spätere Entstehung (spätes 2./frühes 1. Jh. v.); Koch 1987: 147 nimmt eine Entstehung im 3./2. Jh. v. an (vor dem kanonischen Danielbuch, so auch Kratz 1991b: 112 f; Collins 1993: 412), wobei die mündliche Überlieferung älter sein könne. Kottsieper 1998: 253 f.258 datiert die Redaktion von BelDr schon ins 5. Jh. v.  Kottsieper 1998: 251 f vermutet in V.23 – 27 eine alte Überlieferung, die in Aufnahme der babylonischen Erzählung über den Urweisen Lū-Nanna, der einen Schlangendrachen aus dem Tempel vertrieben habe, entstanden sei.  Vgl. insbesondere das vor dem 2. Jh. v. kaum denkbare „Der König ist ein Jude geworden!“ in V.28 (vgl. dazu Collins 1992: 340.343; Kottsieper 1998: 282 betrachtet diesen Versteil offenbar als Zusatz).

260

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

5.1.4 Götterpolemik in hellenistischer Zeit Die letzten Bearbeitungen von Jer 10, die zur Fassung Jer 10,1– 16 MT führten, können spätestens im 3. Jh. v. vorgenommen worden sein, da 4Q70 um 200 v.⁸⁶¹ diesen Text bezeugt.Weisheitliche Elemente werden in Jer 10 MT zur Formulierung des Erkenntnismangels der mit Götterbildern assoziierten Personen verwendet. Dabei wird die Nutzlosigkeit der Bilder-Götter nicht mehr eigens thematisiert. Vielmehr wird die Beziehung zu Götterbildern zum Ausweis von Dummheit. Eine vergleichbare Stigmatisierung der Völker als Bilderverehrer findet sich in den Versen Jes 45,15 – 17⁸⁶² (und vielleicht auch Jes 45,20b), die in zeitlicher Nähe zu Jer 10,6 – 10 entstanden sein könnten. Auch hier wird nicht mehr die Nutzlosigkeit der Götterbilder nachgewiesen, vielmehr dient der Vorwurf der Bilderverehrung der Abwertung der Völker. Ps 135, der wahrscheinlich in einer ähnlichen Zeit entstanden ist,⁸⁶³ listet hingegen die Unfähigkeiten der Götterbilder im Anschluss an Ps 115 auf. Doch auch hier geht es um die polemische Abgrenzung gegenüber den Völkern, denen die Götterbilder unmissverständlich zugeordnet werden (‫ֲעַצ ֵבּי‬ ‫ַהגּוֹיִם‬, Ps 135,15). Ähnlich wie in Jer 10 MT findet sich die Behauptung einer Souveränität Jhwhs auch über die Völker, die seine Herrschaft eigentlich anerkennen müssten, zugleich mit einer Abwertung der als Bilderverehrer dargestellten Völker. In Jer 10 MT ist diese Abwertung noch präziser zugespitzt auf die Weisen der Völker, die als Toren dargestellt werden. Die Polemik wendet sich nun gegen fremde Weisheit. Auch EpJer⁸⁶⁴ weist die Götterbilder klar den Völkern – genauer: den Babyloniern – zu und vermeidet jeden Hinweis auf die Möglichkeit, dass auch Israeliten solche Bilder-Götter verehren könnten. Die Verbindung von Weisheit und Götterpolemik schlägt hingegen eine andere Richtung als in Jer 10 MT ein: Mit weisheitlicher Didaktik sollen die Adressaten angeleitet werden, die Nichtigkeit der Bilder-Götter zu erkennen. Die argumentative Auseinandersetzung darüber, was für Gott gehalten (θεοὺς νομίζειν, vgl. EpJer 39.44.56.63) werden soll, erinnert

 So nach Tov 1997: 150.  Diese Fortschreibung korrigiert bereits die in Jes 45,14 ergänzte Möglichkeit, dass auch die Völker zu Jhwh-Verehrern werden (s.o. 2.4.4.1).  Ps 135 setzt Ps 136 voraus, der wiederum auf den mehr oder weniger abgeschlossenen Pentateuch zurückblickt (s.o. 3.3.2 mit Anm. 484). In Bezug auf die Völker liegt Ps 135 eher noch auf der Linie von Jes 45,14, da die Möglichkeit einer Hinwendung der Völker zu Jhwh impliziert ist. Eine deutlichere Abgrenzung von den Völkern erfolgt dann in Ps 135 LXX (vgl. ähnlich die Einschränkung von Jes 45,14 durch Jes 45,15 – 17).  Zur Datierung von EpJer im 3. oder frühen 2. Jh. v. s.o. 3.4.1.

5.1 Chronologischer Überblick

261

an Diskussionen, die auch unter griechischen und römischen Philosophen geführt wurden. Spätestens jetzt, für die Götterpolemik in hellenistischer Zeit, stellt sich die Frage, wie weit die atl. Polemik an nicht-jüdische philosophische Diskurse anknüpft. Schon lange haben Exegeten bei der Behandlung götterpolemischer Texte auf griechische Parallelen verwiesen.⁸⁶⁵ Dabei bleibt allerdings oft unbeachtet, dass zum einen die als Parallelen herangezogenen Motive ursprünglich nicht zu einem götterpolemischen Diskurs gehören (so die Geschichte von Amasis und dem goldenen Becken, s.u. 5.2.2.1 Anm. 909). Zum anderen sind manche als parallel angeführte Texte im Grunde ziemlich unterschiedlich und erscheinen erst aus einer späteren rezeptionsgeschichtlichen Perspektive als ähnlich.⁸⁶⁶ So wird etwa in Jes 44 anders als in der Geschichte von Diagoras⁸⁶⁷ der hölzerne Gott nicht verbrannt, sondern hergestellt; erst ApcAbr 5 bietet eine Parallele zum Motiv des zum Kochen verbrannten Götterbildes. Sowohl der Ursprung in anderen Zusammenhängen als auch die größere Ähnlichkeit der götterpolemischen Texte aus römischer Zeit deuten darauf hin, dass diese der griechischen Literatur entnommenen Elemente erst zu einem späteren Zeitpunkt in den götterpolemischen Diskurs integriert wurden. Deutlich wird dies bei den christlichen Apologeten, die solche Elemente regelrecht sammeln und z.T. auch explizit auf ihre Quellen verweisen.⁸⁶⁸ Die hier untersuchten polemischen Texte hingegen beziehen sich weniger auf einzelne bilder- oder religionskritische Elemente als vielmehr auf andere zeitgenössische Diskurse. So teilen sie z. B. Stereotypen über andere Völker (s.u. zu den Ägyptern in Arist) und greifen kosmologische und religionsphilosophische Diskurse auf (vgl. Sap; Philo). Die weisheitlich geprägte Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit setzt sich in zwei etwas jüngeren Texten fort: dem Jubiläenbuch und dem Aristeasbrief. Das Jubiläenbuch, das vollständig nur in äthiopischer Übersetzung überliefert ist, ist vermutlich Mitte 2. Jh. v. in hebräischer Sprache entstanden.⁸⁶⁹ Es bietet eine Nacherzählung der

 Für Zusammenstellungen entsprechender Textstellen vgl. Funke 1981: 745 – 752.782– 792; Fredouille 1981: 831– 846 sowie (mit allerdings problematischer Kommentierung) Geffcken 1907: XVI–XXIX; Geffcken 1916 – 19.  Andere Parallelen werden ohne Erklärung von Chronologie und möglicher Abhängigkeit gezogen, so etwa der Verweis auf Hor. sat. 1,8 für Jes 44 (vgl. Westermann 1981a: 122 u. a.).  Zur Geschichte des Diagoras s. o. 4.4.4.1.  Vgl. z. B. die ausführliche polemische Tirade bei Clem. Al. protr. 46 – 63.  Hebräische Fragmente wurden in Qumran gefunden, das älteste (4Q216) wird um 125 – 100 v. datiert (VanderKam/Milik 1994: 2). Zur Datierung von Jub um 150 v. vgl.VanderKam 2001: 18 – 21; Berger 1981: 299 f.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

Geschehnisse von Gen 1 bis zur Sinaioffenbarung. Ausgehend von der in Gen 11,27– 31 geschilderten babylonischen Herkunft Abrahams wird in Jub 11– 12 Abrahams Abkehr von der Götterverehrung erzählt. Als 14-jähriger Junge erkennt Abraham den Irrtum der Verehrung von Götterbildern, wie sie in seinem Umfeld praktiziert wird (Jub 11,16).⁸⁷⁰ Er beginnt zum Schöpfergott zu beten und bittet ihn um Errettung aus diesem Irrtum (Jub 11,17). Daraufhin gelingt es Abraham, die vom bösen Mastema geschickten Raben, die die Ernte vernichteten (Jub 11,11), zu vertreiben (Jub 11,19 – 21) und er entwickelt eine Sämaschine, die dem durch die Vögel verursachten Schaden vorbeugt (Jub 11,23 f). Schließlich sucht Abraham das Gespräch mit seinem Vater und erläutert ihm die Nutzlosigkeit der Götterbilder, die geistlos und ein Werk von Menschenhänden sind (Jub 12,1– 5), doch seine Familie fordert Abraham auf, darüber zu schweigen (Jub 12,7 f). Später zündet Abraham eines Nachts den Tempel der Bilder-Götter an (Jub 12,12). Sein Bruder Haran verbrennt beim Versuch, die Götter zu retten (Jub 12,14).⁸⁷¹ Nun wandert die Familie aus Babylonien aus. Während Abraham eines Nachts die Sterne beobachtet, um Regenfälle vorherzusagen, erkennt er, dass hinter allem der Schöpfergott steht, der alles erschaffen hat und über den Regen bestimmt (Jub 12,16 – 18). Auf sein Gebet hin hört er nun zum ersten Mal Gottes Stimme, der ihm seinen Segen verheißt (Jub 12,19 – 24). Der griechische Aristeasbrief ist wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 2. Jh.s v. in Alexandria entstanden.⁸⁷² Er berichtet aus der fiktiven Perspektive eines ptolemäischen Hofbeamten über die Reise einer Gesandtschaft zum Hohepriester nach Jerusalem und über die anschließende Übersetzung der jüdischen Gesetze in Alexandria. Auf die Frage der Gesandten nach dem Sinn der Speisegebote (Arist 128 f) folgt eine Erläuterung der jüdischen Gesetze durch den Hohepriester Eleasar (Arist 130 – 169). Zu Beginn dieser Erläuterung erwähnt Eleasar, dass alle Menschen außer den Juden glaubten, es gebe viele Götter (Arist 134). Es folgt ein polemischer Abschnitt (Arist 135– 138) über die Verehrung von Bildern, die Vergöttlichung von Erfindern bei den Griechen und die Tierverehrung der Ägypter, wobei die Tierverehrer als dümmste aller Götterverehrer dargestellt werden.

Arist ist damit der erste götterpolemische Text, der sich gegen ägyptischen Tierkult richtet. In der ethnischen Zuordnung und in der Wertung der unterschiedlichen Kulte verwendet er griechisch geprägte Muster: Schon Herodot notierte die

 Jub 11,4 f verbindet den Ursprung der Bilderverehrung mit der von bösen Geistern bewirkten Hinwendung zur Sünde.  Dadurch wird erklärt, warum Haran nach Gen 11,28 noch vor dem Wegzug der Familie nach Kanaan „in Ur“ (‫) ְבּאוּר‬, hier gedeutet als „im Feuer“ (‫ ) ְבּאוֹר‬starb (mit VanderKam 2001: 47).  Dass der Brief nicht, wie es die Fiktion impliziert, aus der Zeit des Ptolemäus II. Philadelphus stammen kann, zeigte schon Hody 1685 (vgl. Collins 2000: 98 Anm. 148; Schimanowski 2006: 29 Anm. 130). Bickermann 1930: 287– 290 legte durch eine Untersuchung der verwendeten Formeln den möglichen Entstehungszeitraum auf 145 – 100 v. fest. Unter den neueren Exegeten wird dieser Zeitraum z.T. noch näher eingegrenzt, etwa auf die Herrschaft des Ptolemäus Physcon bei Meisner 1972: I 211– 215 und Collins 2000: 101.

5.1 Chronologischer Überblick

263

Hochschätzung von Tieren als eine kulturelle Besonderheit der Ägypter.⁸⁷³ Auf Spott in Komödien des 4. Jh. v.⁸⁷⁴ folgten zunehmend scharfe Abwertungen des ägyptischen Tierkults, wie sie sich später etwa bei Strabo⁸⁷⁵ oder bei Cicero⁸⁷⁶ finden. Dieses Thema, wie auch der in Arist erkennbare Gegensatz zwischen den Juden (die den einen wahren Gott verehren) und der Menschheit insgesamt (die viele „falsche“ Götter verehrt), werden in Texten der römischen Zeit weiter vertieft.

5.1.5 Götterpolemik in römischer Zeit Als jüngster der untersuchten Texte datiert Sap in römische Zeit und dürfte wie Arist in Alexandrien entstanden sein. Die Polemik gegen andere Götter und ihre Verehrer ist hier in ein weisheitliches Buch eingebunden und basiert insbesondere in der Darstellung der Götterverehrer auf weisheitlichem Diskurs. Zwar nicht über die Zuschreibung der Götterbilder an fremde Weise, aber über die Auseinandersetzung mit hellenistischer Religionsphilosophie (Sap 13,1– 9) setzt sich in Sap die Polemik gegen fremde Weisheit fort. Ähnlich wie schon in EpJer werden in Sap verschiedene Elemente der Götterpolemik gesammelt. Die Anordnung richtet sich aber nach Verehrergruppen, auf die die Polemik zielt.Wie zuvor schon Arist stellt Sap die Ägypter als Anhänger besonders unvernünftiger Kulte dar und ordnet ihnen Bilder- und Tierverehrung zu. Die Ägypter werden nicht nur den Griechen, sondern der Menschheit insgesamt entgegengesetzt. Damit verwendet Sap ein in der griechischen Antike verbreitetes Schema, das sich schon bei Herodot findet.⁸⁷⁷

 Vgl. Hdt. 2,36 und 2,65. Zur Wahrnehmung ägyptischer Tierverehrung durch griechische und römische Autoren vgl. Smelik/Hemelrijk 1984.  Vgl. z. B. ein Fragment des Anaxandrides: „You worship the cow, but I sacrifice it to the gods. You hold the eel to be a mighty divinity, we hold it by far the mightiest of dainties. You eat no pork, but I like it very much. You worship the bitch, I beat her when I catch her eating up my best food“ (Übersetzung zitiert nach: Smelik/Hemelrijk 1984: 1882, s. dort für weitere Beispiele aus Komödien von Timokles und Antiphanes).  Z. B. beschreibt Strabo in 17,1,28 das Kultbild im Tempel von Heliopolis als „irgendein vernunftloses Tier“ (τῶν ἀλόγων ζῴων τινός) darstellend; vgl. auch 17,1,44.  Vgl. Tusc. 5,78: „Wer kennt nicht die Sitte der Ägypter? Ihr Geist ist von den absurdesten Irrtümern durchtränkt (quorum imbutae mentes pravitatis erroribus), und sie würden lieber jede Tortur über sich ergehen lassen als einen Ibis, einen Skorpion, eine Katze, einen Hund oder ein Krokodil zu verletzen; selbst wenn sie so etwas auch nur aus Versehen getan haben, so schrecken sie vor keiner Strafe zurück“ (Text und Übersetzung: Gigon 1970: 376 f; vgl. dazu Berthelot 2000: 201).  Vgl. Hdt. 2,35 f (s.o. 4.4.2.1).

264

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

Ungefähr zeitgleich mit Sap setzt auch Philo die Ägypter als Bilder- und vor allem Tierverehrer herab. In zwei längeren Passagen, Decal. 52– 81 und Contempl. 3 – 9, befasst sich Philo ähnlich wie Sap 13 – 15 (und Arist 135 – 138) mit verschiedenen Ausprägungen der Götterverehrung, die in einer Steigerung auf die Tierverehrung der Ägypter zulaufen. In der Auslegung des ersten Gebots (Decal. 52– 65) behandelt Philo zunächst die „Verirrung“ (πλάνος, Decal. 52) derjenigen, die die Elemente, die Himmelskörper oder den Kosmos insgesamt vergöttlichen (Decal. 53). Schlimmer an „Vernunftlosigkeit“ (ἀπόνοια, Decal. 59) sind aber diejenigen, die eines dieser Objekte für den höchsten Gott halten. Die dritte Kategorie schließlich umfasst Menschen, die in ihrer „Gottlosigkeit“ (ἀσέβεια, Decal. 62) noch weiter gehen, indem sie Gott gar nicht verehren. In der Auslegung des zweiten Gebots (Decal. 66 – 81) wird diese Steigerung explizit fortgesetzt. Hier werden zunächst die Verehrer von menschengemachten Götterbildern genannt, deren Irrtum Philo unter Aufnahme atl. götterpolemischer Texte darlegt. In Decal. 76 kommt Philo schließlich auf die Ägypter zu sprechen, die zusätzlich zu den Götterbildern noch Tiere verehren, und zwar nicht nur nützliche Haustiere, sondern auch wilde Bestien (Decal. 78). In einer kürzeren Passage Contempl. 3 – 9 stellt Philo den θεραπευταί die Verehrer falscher Götter gegenüber und teilt diese ebenfalls in verschiedene Gruppen ein, wobei eine Steigerung der Verwerflichkeit nicht explizit gemacht wird. Philo nennt hier zuerst die Verehrer der Elemente (Contempl. 3), dann der Himmelskörper und des Kosmos (Contempl. 5), als drittes die Verehrer von Halbgöttern (Contempl. 6) und viertens die Verehrer von Götterbildern (Contempl. 7). Die Ägypter mit ihrer Verehrung „vernunftloser Tiere“ (ζῷα ἄλογα), schreibt Philo in Contempl. 8, seien eigentlich nicht einmal der Erwähnung wert.

In ähnlicher Tendenz wie z. B. schon in Jes 44 scheinen sich auch in Sap zunehmend weitere Beispielgeschichten und Argumente zum Thema der Bilderverehrung angelagert zu haben. Dabei scheint sich der Fokus im Laufe der Zeit von der (ägyptischen) Tierverehrung weg und hin zu Bilder- und Mysterienkulten gewandt zu haben. Die vermutlich spätesten Fortschreibungen lassen eine zunehmend aggressive Verurteilung der Bilderverehrer erkennen. Diese Entwicklungen könnten sich vor dem Hintergrund der Situation in Alexandria um die Zeitenwende erklären.⁸⁷⁸ Der in ptolemäischer Zeit eher privilegierte Status der ägyptischen Juden scheint sich unter römischer Herrschaft verschlechtert zu haben. Die alexandrinischen Juden versuchten wahrscheinlich zunächst, sich von den schlechter gestellten Ägyptern abzugrenzen. Dazu eignete sich der Hinweis auf die auch vielen Römern suspekte Hochschätzung von Tieren. Doch als (vor dem Hintergrund der ab Augustus regelmäßig durchgeführten Volkszählungen) manche jüdische Alexandriner die Anerkennung ihres Status bedroht sehen,

 Dazu s.o. 4.4.8 (mit Literaturhinweisen).

5.1 Chronologischer Überblick

265

scheint sich der Ärger zunehmend auch gegen die Römer selbst zu richten. Schließlich müssen sich auch umgekehrt Spannungen aufgebaut haben, die die Eskalation unter Gaius (Caligula) 38 n. – die Sap m. E. noch nicht voraussetzt – erst möglich gemacht haben. Mit den letzten Fortschreibungen in Sap kommt der götterpolemische Diskurs weisheitlicher Prägung keineswegs zu einem Ende. Zum einen werden Elemente des Diskurses von christlichen Autoren aufgenommen.⁸⁷⁹ Zum anderen setzt sich die Polemik gegen andere (Bilder‐)Götter und deren Verehrer als Demonstration überlegener Weisheit in aramäischen und hebräischen jüdischen Texten fort. Auf ein für diese Untersuchung besonders interessantes Beispiel möchte ich hier noch eingehen. Die vermutlich Ende des 1. Jh.s n. entstandene und in einer semitischen Sprache verfasste⁸⁸⁰ Apokalypse Abrahams beginnt mit einer längeren Erzählung (Kap. 1– 8) über die Hinwendung Abrahams zu Jhwh. Abrahams Vater Terach wird als Hersteller von Götterstatuen eingeführt, in dessen Geschäft Abraham mithilft, bis ihm nach und nach die Machtlosigkeit der Bilder-Götter bewusst wird: Ein steinerner Gott fällt um und kann sich nicht selbst wieder aufrichten (ApcAbr 1,2); als bei der Wiederaufrichtung sein Kopf abbricht, wird kurzerhand ein neuer Körper hergestellt und der alte entsorgt (ApcAbr 1,6 – 9); bei der Auslieferung von Göttern fallen Abraham einige Götter vom Esel und zerbrechen (ApcAbr 2); beim Kochen stürzt ein hölzerner Gott ins Feuer und verbrennt (ApcAbr 5). Über all dies denkt Abraham nach und erläutert seinem Vater, dass von den von ihm selbst geschaffenen Göttern, die sich selbst nicht helfen können, keine Hilfe zu erwarten sei (ApcAbr 3 – 4; 6).⁸⁸¹ Daher erörtert Abraham, welches Element des Kosmos denn tatsächlich verehrungswürdig sei und schließt auf den Schöpfer von allem als den wahren Gott, den er um seine Offenbarung bittet (ApcAbr 7).

Die Erzählung verarbeitet griechische Traditionen wie die vielfach überlieferte Geschichte des zum Kochen verbrannten Holzgottes⁸⁸² und stellt wie Philo und Sap die Verehrung der Elemente als zwar höhere, aber immer noch irrige Form der Götterverehrung dar. Sehr deutlich wird die Götterverehrung als ein Mangel an Erkenntnis beschrieben. Allerdings verbindet sich damit keine ethnische Positionierung oder Abgrenzung von den Völkern. Erkenntnislose Bilderverehrer und weise Polemiker befinden sich in derselben Familie. Dass die Polemik nicht auf

 Vgl. Athenag. leg. 26; Clem. Al. protr. 46 – 63 u.v.m.  Überliefert ist nur die slawische Übersetzung, die vermutlich auf einer griechischen Übersetzung basiert. Vgl. zu Sprache und Datierung Philonenko-Sayar/Philonenko 1982: 417.419; Rubinkiewicz 1987: 33 – 37.70 – 75.  Vgl. zur Rede Abrahams an seinen Vater Jub 12,1– 8.  Darauf weist auch Philonenko-Sayar/Philonenko 1982: 424 hin. Zur Geschichte des verbrannten Herkules, die sowohl über Diagoras Melius als auch über Diogenes den Kyniker überliefert wird, s.o. 4.4.4.1.

266

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

einem binären ethnischen Schema beruht, zeigt sich auch in ApcAbr 25,wo die von Terach hergestellten Götter noch einmal erwähnt werden. Dort sieht Abraham in seiner Vision im Tempel „ein Bild des Götzen der Eifersucht, gleich dem holzgeschnitzten Bild, das mein Vater gemacht hatte“.⁸⁸³ Die Anspielung auf Ez 8⁸⁸⁴ und die folgende Deutung („Der Götze aber, den du gesehen hast, ist mein Zorn, durch den mich das Volk, das aus dir kommen soll, erzürnen wird.“⁸⁸⁵) bestätigen, dass an eine innerjüdische Auseinandersetzung gedacht ist. Offenbar wird hier, unter Einbezug der in der Zwischenzeit entwickelten Konzeption der Götterverehrung als Erkenntnismangel, die Zerstörung des zweiten Tempels in einem aktualisierten dtr-geschichtstheologischen Schema gedeutet.⁸⁸⁶ Im Folgenden werde ich auf einige typische Aussagen des beschriebenen götterpolemischen Diskurses näher eingehen. Die thematische Zusammenstellung folgt dabei grob der rekonstruierten diachronen Entwicklung.

5.2 Götterpolemik ohne Weisheit? Die älteste Form des hier untersuchten götterpolemischen Diskurses scheint sich in Fortschreibungen der dtjes Grundschicht zu zeigen, die ohne Bezug zu weisheitlichem Diskurs formuliert sind. Auch für Jes 40,19 f ist die weisheitliche Prägung seines Kontextes Jes 40,12– 31 nicht ausschlaggebend, da die weisheitlichen Elemente nicht explizit aufgenommen werden und die Polemik auch unabhängig von weisheitlichem Diskurs verständlich ist. Unter den nicht weisheitlich geprägten götterpolemischen Fortschreibungen lassen sich zwei Grundmuster unterscheiden. Jes 42,8.17; 48,3 – 5 richten sich an Jhwhs Volk und implizieren die Aufforderung, auf Jhwh und nicht auf Bilder zu vertrauen. Diese Fortschreibungen spielen wahrscheinlich auf Bilderverbotstexte⁸⁸⁷ an (vgl. zu Jes 42,8 Ex 20,3 f//Dtn 5,7 f; zu Jes 48,4 Ex 32,9 u. a.). Texte der zweiten Gruppe stellen das Götterbild als handwerklich hergestelltes Objekt in den Vordergrund. Die Bilder-Götter werden

 ApcAbr 25,1; Übersetzung: Philonenko-Sayar/Philonenko 1982: 447.  Vgl. zum „Götzen der Eifersucht“ Ez 8,3.5, wo der Prophet ein ‫ ֵסֶמל ַה ִקּ ְנָאה‬im Jerusalemer Tempel sieht.  ApcAbr 25,6; Übersetzung: Philonenko-Sayar/Philonenko 1982: 448.  Die Zerstörung des Tempels durch die „Heiden“ (ApcAbr 27,2) wird in erster Linie damit begründet, dass das Volk Gott durch den zuvor erwähnten „Götzen“ im Tempel erzürnt hat (ApcAbr 27,4). Dazu kommt es, weil Terach laut Abraham „nicht auf mich hören wollte“ (ApcAbr 26,3), das bedeutet aber: auf Abrahams rationale Argumentation vor der Offenbarung Gottes.  Zur Abgrenzung einer Textgruppe „Bilderverbotstexte“ vgl. Dohmen 1985: 38.

5.2 Götterpolemik ohne Weisheit?

267

als machtlos und nutzlos dargestellt; anders als Jhwh können sie nicht retten. Doch die Polemik basiert nicht in erster Linie auf einem Kontrast zwischen Jhwh und den Bilder-Göttern. Vielmehr wird herausgestellt, dass die Hersteller und Verehrer der Götter(bilder) in einem rein menschlichen Bereich fernab Jhwhs machtvoller Hilfe verbleiben. Argumentiert wird mit dem mangelnden Nutzen der Bilder-Götter für die Menschen, mit ihrer Unfähigkeit, die Erwartungen ihrer Verehrer zu erfüllen; das Fremdgötter- und Bilderverbot spielt in diesem götterpolemischen Diskurs keine Rolle. Diese Art der Polemik setzt sich über DtJes hinaus bis in viel jüngere Texte wie EpJer; Sap 13,11– 19 oder ApcAbr 1– 6 fort. Im Folgenden werde ich untersuchen, welche Aussagen über Material und Herstellung der Götterbilder sich in den götterpolemischen Texten (ohne weisheitliche Bezüge) finden, und inwiefern durch diese die Götter und die mit ihnen in Beziehung stehenden Personen abgewertet werden. Außerdem ist zu prüfen – und damit werde ich anfangen –, ob sich aus den Aussagen über Material und Herstellung erschließen lässt, worauf sich die Polemik im kultgeschichtlichen und soziohistorischen Kontext bezieht.

5.2.1 Der Ort der anvisierten Götterbilder im altorientalischen Kontext Die Beschreibungen von Material, Herstellung und Verwendung in den götterpolemischen Texten weisen auf unterschiedlichen Arten (oder Vorstellungen) von Götterbildern hin, an denen sich die Verfasser orientierten. Allerdings sind die Informationen über die Bilder in den einzelnen Texten oft sehr spärlich. Da ich nicht denke, dass alle götterpolemischen Fortschreibungen in DtJes auf dieselbe Hand zurückgehen, können die einzelnen Elemente auch nicht ohne Weiteres kombiniert werden.⁸⁸⁸ Zudem besteht, wenn man aus den Texten auf die materiellen Vorbilder der polemisch angegriffenen Götterbilder schließen möchte, die Gefahr eines Zirkelschlusses, da sich z. B. bereits die Übersetzung von Jes 40,19 f an archäologischen Befunden orientiert.⁸⁸⁹ Unter diesen Vorbehalten könnten die untersuchten Texte folgende Typen von Götterbildern im Blick haben:⁸⁹⁰ a) Rundplastische, gegossene Metallbilder, die mit Gold und Silber überzogen oder verziert sind: Jes 40,19 f (auf einem Holzsockel montiert); evtl. auch Jes 41,7 (wo nur die Herstellung des Edelmetall-Überzugs beschrieben wird;

 S.o. 2.4.8 zum redaktionsgeschichtlichen Problem. Dass die Angaben aus den einzelnen Texten nicht zu einem einheitlichen Bild-Typ kombiniert werden können, zeigt sich deutlich,wenn man etwa Jes 40,19 f und Jes 44,14– 17 vergleicht.  S.o. 2.2.1 Textanm. i.  Vgl. dazu ausführlicher Schroer 1987: 200 – 221; siehe auch Berlejung 1998: 299 f.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

der Text bezieht sich aber wahrscheinlich auf Jes 40,19 f zurück) und Jer 10,14 (wo von der Verzierung nicht die Rede ist). Bei diesen Metallbildern könnte es sich um kleinere Figuren handeln, wie sie archäologisch häufig belegt sind.⁸⁹¹ b) Rundplastische Bilder mit Holzkern, an denen Elemente aus Silber und Gold angebracht sind und die in Prozessionen getragen werden: Jer 10,3b–5; evtl. auch Jes 45,20b (wo von Edelmetallverzierung nicht die Rede ist) und Jes 46,6 f (wo von einem Holzkern nicht die Rede ist). c) Holzbilder für den Privatkult: Jes 44,14– 17; Sap 13,11– 19 (mit roter Farbe bemalt); evtl. auch Jes 44,13 (hier wäre Haus- oder Tempelkult möglich). d) Götterbilder aus Ton: Sap 15,7– 13. Einige Texte beschreiben explizit menschengestaltige Bilder (Jes 44,13; EpJer; Sap 14,15 – 20). Das Geschlecht der dargestellten Götter spielt für die Polemik keine Rolle; in einigen Fällen lässt die Beschreibung auf eine männliche Gottheit schließen (EpJer 14 f; Sap 14,17– 19). Jüngere Texte erwähnen für die Kultbilder mit Holzkern auch Bekleidung (Jer 10,9; EpJer 10 f.32.57) und Paraphernalia (EpJer 9.13 f). Aus diesen spärlichen Hinweisen in den Texten auf die anvisierten Götter oder Kulte zu schließen, erscheint schwierig. Kleine Metallfiguren (Typ a) wie auch Tonfiguren (Typ d) sind archäologisch im ganzen Alten Orient und in Ägypten nachweisbar.⁸⁹² Größere Kultbilder aus Holz und Metall (Typ b) wurden nicht gefunden; nur einige Bruchstücke weisen zumindest auf die Existenz der entsprechenden Technologie hin.⁸⁹³ Der archäologische Befund kann also für eine geographische Verortung der in den polemischen Texten beschriebenen Götterbilder nicht weiterhelfen. Mesopotamische Texte⁸⁹⁴ legen nahe, dass Rundplastiken aus Holz und Metall (Typ b) mit Bekleidung im Kult verwendet wurden; dasselbe dürfte für Ägypten zutreffen, wo wie in Mesopotamien auch Prozessionen belegt sind.⁸⁹⁵ Die Angaben dazu in den götterpolemischen Texten in Jes und Jer sind so allgemein gehalten, dass sie sich auf gemeinorientalische Phänomene  Für Beispiele vgl. Roeder 1956; Negbi 1976; Seeden 1980; Spycket 1981.Vgl. zu Gussbildern für den Hausgebrauch auch Jub 11,4.  Vgl. Moorey 2003 (für Tonfiguren); Spycket 1981 (für Metallfiguren).  Besonders schön der Holztorso einer annähernd lebensgroßen weiblichen Figur aus seleukidischer Zeit, der in Uruk in der Cella des Irigal gefunden wurde, vgl. van Ess/Pedde 1992: 182 (Nr. 1332 = W 15638b).Vgl. zum Problem der archäologischen Belege auch Seidl 1980 – 1983: 314 f; Schroer 1987: 174 f; Berlejung 1998: 37.  Zu mesopotamischen Quellen über Kultbilder vgl. Berlejung 1998: 141– 171; Walker/Dick 1999: 58 – 67 und zu Mundöffnungsritual-Texten Walker/Dick 2001.  Zu ägyptischen Kultbildern und Prozessionen vgl. Lorton 1999: 126.141.144 f; Robins 2005: 4– 6.9 f.

5.2 Götterpolemik ohne Weisheit?

269

beziehen lassen. Spezifische Bezugnahmen auf babylonische Diskurse über Kultbilder scheinen nicht vorzuliegen; so werden in babylonischen Texten zentrale Elemente wie die Geburtsmetaphorik⁸⁹⁶ oder die Verzierung mit Edelsteinen⁸⁹⁷ nicht in den götterpolemischen Diskurs aufgenommen. Dies gilt letztlich auch für EpJer, wo klar als babylonisch präsentierte Kultbilder anvisiert sind. Dabei stützt sich EpJer aber vornehmlich auf andere polemische Texte – nicht auf babylonische Diskurse über Kultbilder – und schreibt vermutlich aus einer judäischen Perspektive.⁸⁹⁸ Insgesamt entsteht also der Eindruck, dass sich die götterpolemischen Texte nicht auf einen in babylonischen Diskursen gebildeten Gegenstand „Kultbild“ beziehen, sondern ihren eigenen Gegenstand „Götterbild“, oder besser „BildGott“, herstellen. Für diese „Bilder-Götter“ ist eine klare Unterscheidung zwischen privaten Götterfiguren und im öffentlichen Kult verwendeten Götterbildern offenbar nicht notwendig. Die Beschreibungen sind sehr allgemein gehalten, auch Namen (von Göttern oder Verehrern) werden üblicherweise nicht genannt,⁸⁹⁹ so dass sich die Polemik gegen Bilder-Götter in unterschiedlichen Bereichen richten kann – und wahrscheinlich soll.⁹⁰⁰ Dass die Bilder-Götter nicht auf einen bestimmten Kult begrenzt sind, zeigt sich auch daran, dass Elemente dieser älteren Götterpolemik nahezu unverändert in jüngeren Texten wie Sap oder ApcAbr verwendet werden können. Die Bilder-Götter zeichnen sich durch stereotype Materialien aus, die, wie erwähnt, mit dem archäologischen und (mesopotamischen) literarischen Befund nicht deckungsgleich sind.Welche Rolle die genannten (und die nicht genannten) Materialien im götterpolemischen Diskurs spielen, möchte ich im Folgenden untersuchen.

 Vgl. dazu Berlejung 1998: 135– 141.  Vgl. z. B. Erra-Epos I 154.161 (TUAT III 789); K. 4149 + ii 36–iii 12 (TUAT NF II 52); AsBbA Rs. 30 (= RINAP IV 48,82) (Berlejung 1998: 165).  S.o. 3.4.  Eine explizite Zuordnung zu den Babyloniern mit Nennung des Gottes Bel findet sich in BelDr und dem daran anknüpfenden EpJer.  Das zeigt sich exemplarisch in EpJer (s.o. 3.4.2.13): Einerseits wird explizit der Tempelkult thematisiert, andererseits weist die Rede von „gekauften“ (ἠγορασμένα, EpJer 24) Götterbildern und die Schlusssentenz über den gerechten Menschen, der „keine Götterbilder hat“ (οὐκ ἔχων εἴδωλα, EpJer 72), eher in den privaten Bereich.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

5.2.2 Das Material der Götterbilder Betrachtet man atl. Texte über Götterbilder, so fällt auf, dass bestimmte Kombinationen von Materialien meist getrennt voneinander auftauchen. Die götterpolemischen Texte in DtJes, Jer 10, EpJer und große Teile von Sap behandeln BilderGötter aus Holz und/oder Silber und Gold. Daneben gibt es eine Reihe von Texten, in denen die Formel „Holz und Stein“ (‫ )ֵעץ ָוֶאֶבן‬als Begriff für „Götterbilder“ verwendet wird.⁹⁰¹ Diese Formulierung dürfte einem dtr Diskurs über Götterbilder zuzurechnen sein,⁹⁰² der erst im Laufe der Zeit mit dem hier untersuchten götterpolemischen Diskurs verbunden wird. Die Verbindung zeigt sich insbesondere in späten Stellen wie Dtn 29,16; Hab 2,19, die eine Kumulation von Begriffen zur Abwertung der Götter bieten.⁹⁰³ Auch in Sap werden verschiedene Materialien zusammengestellt (Sap 13,10) und die Formel „Holz und Stein“ (in umgekehrter Reihenfolge und wie in der LXX üblich im Pl.: λίθοις καὶ ξύλοις, Sap 14,21) aufgenommen. Dass sich das Phänomen der Kumulation fortsetzt, zeigt sich ferner darin, dass die Vg in EpJer 3.38.56 zu den genannten Materialien jeweils „Stein“ ergänzt.⁹⁰⁴ Die Materialien sind nicht einfach zufällig und auch nicht entsprechend der tatsächlichen Herstellung solcher Götterfiguren gewählt. Vielmehr haben sie eine literarische Bedeutung und sind durch den Diskurs bestimmt. Dies zeigt sich auch darin, dass gewisse Materialien, die aus heutiger Perspektive sachlich durchaus angemessen gewesen wären, nicht oder erst sehr spät auftauchen. So wird z. B. Bronze (‫ח ֶשׁת‬ ֹ ‫ ) ְנ‬als Material für Götterbilder nicht erwähnt,⁹⁰⁵ obwohl archäolo-

 Dtn 4,28; 28,36.64; 29,16; 2 Kön 19,18//Jes 37,19; Jer 2,27 (getrennt genannt); 3,9 (Umkehrung: ‫ ;)ֶאת־ָהֶאֶבן ְוֶאת־ָהֵעץ‬Ez 20,32; Hab 2,19 (getrennt genannt).  Eine Untersuchung dieser Stellen bietet Frevel 1995: I 380 – 406, der zum Schluss kommt, dass die Formel „erstmals in der Exilszeit von deuteronomistisch orientierten Theologen im Kontext des Ausschließlichkeitsanspruchs YHWHs in polemischer Absicht verwandt“ wird.  Zur Verbindung eines älteren (spät‐)dtr Diskurses mit dem hier untersuchten götterpolemischen Diskurs in Hab 2,18 f und Ps 115/135 vgl. auch Kratz 1991a: 201 Anm. 653; Levtow 2008: 78. Die Verbindung zeigt sich besonders deutlich in Ps 115,4– 8//135,15 – 18, die die Götterbilder in sprachlicher Anlehnung an Dtn 4,28 abqualifizieren, dabei aber die in Dtn 4,28 verwendete Formel ‫ ֵעץ ָוֶאֶבן‬durch eine neue Formel „Silber und Gold“ (‫ ) ֶכֶּסף ְו ָזָהב‬ersetzen.  Auf die (für Bilder in einer Prozession ganz unpassende) Ergänzung des Materials Stein in EpJer 3 in der Vg und Peschitta weist schon Ball 1913: 600 hin.  Ein anderes Materialkonzept, das hier nicht näher untersucht werden kann, liegt in Dan (Götter „aus Gold und Silber, Bronze, Eisen, Holz und Stein“: ‫ ַדֲּהָבא ְוַכְס ָפּא ְנָח ָשׁא ַפ ְר ְזָלא ָאָעא ְוַאְב ָנא‬, Dan 5,4; vgl. Dan 2,32; 5,24) und BelDr 7 (Ton und Bronze) vor (vgl. auch das Gebet des Nabonidus, 4Q242). Möglicherweise sind auch die in Sap 15,9 erwähnten Bronzehandwerker als Hersteller von Götterbildern zu verstehen.

5.2 Götterpolemik ohne Weisheit?

271

gische Funde eine solche Verwendung durchaus nahelegen⁹⁰⁶ und Bronze zusammen mit Silber und Gold nach atl. Darstellung auch beim Tempelbau zum Einsatz kommt. Ich möchte im Folgenden drei Gruppen von Materialien auf ihre Funktion in den polemischen Texten untersuchen: Holz, Silber und Gold sowie Ton.

5.2.2.1 Holz Holz wird in den götterpolemischen Texten sowohl zusammen mit Metall (Jes 40,19 f; Jer 10,3 f.8 f; EpJer) als auch alleine (Jes 44,12 f.14– 17; 45,20;⁹⁰⁷ Sap 13,11– 19; 14,1; ApcAbr) genannt. Wo von reinen Holzbildern die Rede ist,⁹⁰⁸ trägt das Material Holz in zwei Weisen zur Polemik bei: – Holz ist ein vergängliches (brennbares), minderwertiges Material: Die Götterbilder werden als aus zweitklassigem Material gemacht dargestellt. Die Bilder-Götter sind nichts anderes als ein Stück Feuerholz (Jes 44,19; vgl. EpJer 54); für ihre Herstellung wird unbrauchbarer Abfall verwendet (Sap 13,13); das Holz des Götterbildes ist morsch (Sap 14,1; vgl. EpJer 19). – Mit Holz könnten die Menschen anderes tun als sich Bilder-Götter zu machen. Diese Aussage über mehrere mögliche Verwendungsweisen des Holzes kann unterschiedlich variiert werden. So kann etwa hervorgehoben werden, dass die Menschen das Holz für sinnvollere Dinge verwenden könnten (Jes 44,14– 17; Sap 13,11; 14,1– 7), wodurch die Nutzlosigkeit des Götterbildes in den Vordergrund rückt. Auch kann damit die Zufälligkeit der Entstehung der Bilder-Götter und ihre Unterworfenheit unter den Willen des Herstellers demonstriert werden (Sap 13,13; vgl. Hor. sat. 1,8). Dieses Schema der zwei Verwendungsweisen wird in Sap 15,7 auf das Material Ton übertragen.⁹⁰⁹

 Vgl. für Bronzefiguren aus der Levante im 1. Jt. v. Spycket 1981: 426 – 430; Uehlinger 1997: 102– 104.112– 114.129; für ältere Bronzefiguren Negbi 1976; Seeden 1980.  In Jes 45,20 könnte im Kontext aber auch ein mit Metall überzogenes oder verziertes Bild gemeint sein, s.o. 5.2.1.  In Jes 40,19 f wird das Holz als hochwertiges Material dargestellt, wie es sonst für Silber und Gold der Fall ist (s.u. 5.2.2.2). Bei den Bildern in Jer 10,3 f.8 f könnte es sich anders verhalten, da die Beschreibung des Holzes in Jer 10,3b (auf die Jer 10,8 wahrscheinlich bezogen ist) von Jes 44,14 abhängt, wo ein reines Holzbild beschrieben wird.  Vgl. auch Philo, Contempl. 7: Aus dem Holz und Stein, aus dem die Götterbilder hergestellt werden, werden auch Sanitärartikel hergestellt. Spätere götterpolemische Texte benutzen auch die von Herodot (2,172) überlieferte Geschichte von Amasis, der aus einem goldenen Fußbecken einen Gott machen ließ (vgl. Athenag. leg. 26,6; Min. Fel. 24,7); diese Geschichte hat ursprünglich keine götterpolemische Aussage.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

5.2.2.2 Silber und Gold Silber und Gold sind als Materialien für die Herstellung von Götterbildern auch über die hier untersuchten Texte Jes 40,19; 46,6; Jer 10,4.9; Ps 115,4//135,15; EpJer; Sap 13,10 hinaus im AT belegt.⁹¹⁰ Ganz anders als das Holz stehen Silber und Gold für wertvolles Material, was durch den Hinweis auf Import noch gesteigert wird (Jer 10,9). Wo Silber und Gold verwendet werden, wird zudem einiger Aufwand getrieben (Jes 40,19 f; wahrscheinlich auch Jes 41,6 f; vgl. Sap 13,10). Die götterpolemischen Texte lassen keine materiellen oder technischen Defizite der aus Silber und Gold hergestellten Götterbilder erkennen. Mit Gold und Silber werden die Bilder verziert (Jes 40,19) und verschönert (‫יפה‬, Jer 10,3; vgl. EpJer 23); aus Gold wird ihnen Schmuck gefertigt (EpJer 8 f). Der polemische Aspekt der Materialien Silber und Gold scheint gerade im Wert dieser Metalle zu liegen. Zum einen könnte ein Kontrast zwischen dem materiellen und technischen Aufwand und der Nutzlosigkeit des Götterbildes intendiert sein.⁹¹¹ Zum anderen könnte mit der Erwähnung von Silber und Gold eine Kritik am Umgang mit materiellen Schätzen verbunden sein. Gold und Silber stehen im AT häufig für Reichtum, der von Jhwh gegeben ist, aber auch oft die Gefahr birgt, falsch verwendet zu werden und seinen Besitzer dazu verleiten kann, sich von Jhwh unabhängig zu glauben.⁹¹² Damit kann der durch Silber und Gold beschriebene Reichtum eine ähnliche Stelle einnehmen wie die Götterbilder. In manchen Texten wird eine solche Linie von Reichtum zu Götterbildern explizit gezogen, vgl. etwa Hos 2,10b: ‫ְוֶכֶסף ִה ְר ֵבּיִתי ָלּה ְו ָזָהב‬ ‫„( ָעשׂוּ ַל ָבַּעל‬und viel Silber habe ich [= Jhwh] ihr gegeben, und Gold, und sie haben es zum Baal gemacht“).⁹¹³ Ein solcher Zusammenhang wird allerdings in den hier untersuchten götterpolemischen Texten nicht explizit gemacht. Hingegen scheinen an einigen Stellen durchaus kritisch diejenigen in den Blick zu kommen, die die hohen Ausgaben für solche Götterbilder tätigen (vgl. Jes 46,6; EpJer 24).

 Vgl. Ex 20,23; Dtn 7,25 (hier wird der materielle Wert besonders deutlich); 29,16; Jes 2,20; 30,22; 31,7; Ez 16,17; Hos 2,10; 8,4; Hab 2,19. Darüber hinaus begegnen die beiden Materialien auch einzeln, vgl. Ex 32,3 f (nur Gold); Ri 17,4 (nur Silber).  Vgl. EpJer 7 (αὐτά τε περίχρυσα καὶ περιάργυρα, ψευδῆ δέ ἐστί, „und sie sind mit Gold und Silber überzogen, aber sie sind trügerisch“). Zu dieser Interpretation s. o. 2.2.3.2.2 zu Jes 40,19 f und vgl. noch Jes 46,6 f; Jer 10,4 f.9.  Vgl. etwa die dtr Mahnungen Dtn 8,12– 14; 17,17; aber auch Zef 1,18 (‫ַגּם־ ַכְּסָפם ָגּם־ ְזָהָבם ל ֹא־יוַּכל‬ ‫ְלַהִציָלם‬, „weder ihr Silber noch ihr Gold kann sie retten“) und Ez 16,17.  Vgl. auch Ez 16,17; Hos 8,4.

5.2 Götterpolemik ohne Weisheit?

273

5.2.2.3 Ton Ton als Material von Götterbildern gerät erst sehr spät, in Sap 15,7– 13, in den Blick. Dies kann angesichts der auch in Palästina reich belegten Terrakotta-Figurinen verwundern. Offensichtlich ist die Polemik gegen die Bilder-Götter nicht gegen solche Tonfiguren angelegt.⁹¹⁴ Der Lehm (πηλός) wird in Sap parallel zu „Erde“ (γῆ) als ein billiges Material dargestellt (Sap 15,10). Die Polemik scheint nach ähnlichen Mustern zu funktionieren wie mit dem Material Holz: Der Ton hat zwei mögliche Verwendungen, über die der Hersteller entscheidet (Sap 15,7) und das Material wird als minderwertig dargestellt. Darüber hinaus ermöglicht die Verwendung von Ton aber noch eine weitere Aussage auf der Grundlage der Menschenschöpfung aus Ton: Der Hersteller selbst ist geschaffen und vergänglich, gleich wie das von ihm Hergestellte (Sap 15,8). Die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Hersteller und Götterbild (vgl. auch Ps 115,8//135,18; EpJer 46 f; Sap 15,16) rückt damit über das Material in den Fokus.

5.2.3 Die Herstellung der Götterbilder Die Beschreibung der Herstellung der Götterbilder lässt nicht darauf schließen, dass diese als handwerklich schlecht gemacht dargestellt werden sollen. Die technischen Vorgänge, soweit sie überhaupt näher beschrieben werden, entsprechen üblichen Tätigkeiten von Handwerkern. Polemische Elemente lassen sich eher in den Überschüssen finden, die über die rein technische Beschreibung des Herstellungsprozesses hinausgehen. So wird in Jes 40,20 auf Ps 93,1 angespielt und damit wahrscheinlich der Anspruch der Handwerker, ein gottgleich die Weltordnung erhaltendes Objekt herzustellen, angeprangert.⁹¹⁵ In der Aussage ähnlich, aber mit anderen Mitteln, impliziert Jes 41,6 f durch ein Wortspiel mit ‫חזק‬, dass bei der Herstellung des Götterbildes Menschen untereinander versuchen, sich die Sicherheit zu verschaffen, die Jhwh seinem Volk zuspricht.⁹¹⁶ Der in Jes 44,12 f beschriebene Herstellungsvorgang richtet sich weniger auf die Abwertung des Produktes als vielmehr auf die erbärmliche Situation der Handwerker, die hier dem Genre der Berufstypologie entsprechend geschildert wird und im Zu-

 Darby 2014: 297 f vermutet, dass Tonfiguren kein Objekt der Götterpolemik sind, weil die atl. Götterpolemik auf die Ikonographie fremder Götter reagiere und die Tonfiguren nicht mit einer solchen assoziiert seien. Allerdings wäre auch für Metallfigurinen zu fragen, wieweit diese tatsächlich mit „fremder“ Ikonographie verbunden sind.  Dazu s.o. 2.2.3.2.2.  S.o. 2.4.1.2.

274

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

sammenhang mit der weisheitlichen Deutung Jes 44,18 zu lesen ist.⁹¹⁷ In der Schilderung der handwerklichen Tätigkeiten selbst lässt sich also kein einheitliches Muster feststellen.⁹¹⁸ Als grundsätzlich problematisch erscheinen weniger die technischen Vorgänge im einzelnen als vielmehr die Tatsache der Herstellung an sich.⁹¹⁹ Diese Tatsache der Herstellung gewinnt ihren polemischen Aspekt zum einen aus dem Umstand, dass die Herstellung von Göttern durch Menschen erfolgt, und zum anderen durch die Einbettung in ein narratives Muster. – Identifiziert man die Götter mit den Bildern (vgl. ‫ֵאל‬//‫ ֶפֶּסל‬in Jes 44,10.15.17; 45,20), so ergibt sich, dass die Götter von Menschen hergestellt werden. Dass dies als störend empfunden wird, zeigt sich in der abwertenden Bezeichnung „Werk von Menschenhand“ (vgl. Dtn 4,28; EpJer 50; Decal. 76 u. ö.) und in der Betonung der Menschlichkeit der Handwerker (vgl. Jes 44,11). Manche Texte formulieren dies auch explizit, vgl. Jer 16,20: ‫ֲה ַיֲע ֶשׂה־לּוֹ ָא ָדם ֱאל ִֹהים ְוֵה ָמּה ל ֹא ֱאל ִֹהים‬ („Kann etwa ein Mensch sich Götter machen? Das sind doch keine Götter!“). Jüngere Texte vertiefen diese Aussage durch weisheitlich-philosophische Argumentationen ausgehend von der Vergänglichkeit der Menschen (EpJer 46 f; Sap 15,16 f). – Die Herstellung kann in ein narratives Muster eingebunden sein, entweder als Teil einer kleinen Beispielerzählung (Jes 44,14– 17; Sap 13,11– 19) oder in einem Text mit implizierter zeitlicher Abfolge (Jes 46,6 f; EpJer 23 – 26; Sap 15,7 f). Dabei kann eine andere Verwendung des Materials der Herstellung des Bildes vorausgehen (s.o. zum Holz). Auf die Herstellung folgt jeweils ein Akt der Verehrung (Prozession oder Verneigung) und/oder der Bitte. Anschließend wird konstatiert, dass das nach der Prozession hingestellte Götterbild bewegungsunfähig ist (Jes 46,7; EpJer 26) bzw. dass es der Bitte nicht nachkommen kann, weil es unfähig ist zu retten (Jes 44,20; 46,7; Sap 13,17– 19). Berlejung beschreibt den Effekt dieser Polemik als Demontage sowohl der „Ursprungsbeziehung“ (zwischen Gott und Bild) als auch der „Wahrnehmungs- oder

 S.o. 2.5.3.3.  Das bestätigt sich in weiteren Texten. So könnte das Glätten der Zunge in EpJer 7 auf die glatte Zunge der Verführerin (vgl. Prov 6,24) anspielen. Der in Sap 13,13 – 15 geschilderte Herstellungsprozess betont das Spielerische dieser Freizeitbeschäftigung.  Die Details der Herstellungsbeschreibung können daher variieren und auf unterschiedliche Weisen zusätzlich zur Polemik beitragen (s.o. die Diskussion der Texte in DtJes). Erst jüngere Texte präzisieren die Argumente, warum der Herstellungsvorgang gegen die Bilder-Götter spricht (vgl. z. B. Sap 15,16; Decal. 69). Dabei dürfte es sich um sekundäre Rationalisierungen handeln.

5.2 Götterpolemik ohne Weisheit?

275

Handlungsbeziehung“ (zwischen Bild und Verehrer).⁹²⁰ Beide Aspekte, die Herstellung durch Menschen und der narrative Zusammenhang zwischen der Herstellung und der Unfähigkeit des Bildes, hängen mit der Rolle des Herstellers zusammen, auf die ich im Folgenden eingehen werde.

5.2.4 Die Figur des Götterherstellers Nach den götterpolemischen Texten beschämt (‫בושׁ‬/αἰσχύνομαι, Jes 42,17; 44,9.11; 45,16; Jer 10,14; Sap 13,17) die Unfähigkeit der Bilder-Götter die Menschen, die ihnen Macht zuschreiben: Die Hersteller fabrizieren etwas, das seine erwartete Funktion nicht erfüllt (‫ ;) ֶשֶׁקר‬die kultische Verehrung der Bilder-Götter bleibt ohne Nutzen für die Menschen und wird daher als ein sinnloses Tun dargestellt. Damit richtet sich die Polemik weniger gegen die – meist unbestimmt oder sogar ungenannt bleibenden – Bilder-Götter als vielmehr gegen die Menschen, die mit den Götterbildern in Beziehung stehen: Die Unfähigkeit der Bilder-Götter fällt auf ihre Verehrer zurück.⁹²¹ Die am häufigsten auftretenden Personen in den götterpolemischen Texten sind die Hersteller der Götterbilder (vgl. Jes 40,19 f; 41,6 f; 44,9.11.12 f; 45,16; 46,6; Jer 10,3.9.14//51,17; EpJer 45; Sap 13,1; 14,18; 15,4.7.9); erst in EpJer ändert sich – im Anschluss an BelDr – das Figurenrepertoire.⁹²² Während die Verehrer der Bilder-Götter oft nur als eine unbestimmte 3. Pl. oder als Partizip begegnen (vgl. Jes 42,17; 45,20; 46,6 f), werden die Hersteller (meist ‫ ָח ָרשׁ‬und ‫)צֹ ֵרף‬ explizit als Subjekte genannt. Wie schon Holter für DtJes gezeigt hat, richtet sich die Polemik in erster Linie gegen die Hersteller, das Götterbild muss dabei gar nicht unbedingt erwähnt werden (vgl. Jes 41,6 f).⁹²³ Darauf, dass die Hersteller als Menschen, die Götter herstellen wollen, zur Polemik beitragen, wurde oben bereits hingewiesen. In vielen Texten ist zudem von einer Kooperation mehrerer Handwerker die Rede (Jes 40,19 f; 41,6 f; 44,9 – 11.12 f). Offenbar ist problematisch, was diese Menschen unter sich machen. Im Kontext erscheint Jhwhs machtvolle Hilfe und Weltregierung als Kontrast zu dieser gegenseitigen Unterstützung auf rein menschlicher Ebene.⁹²⁴ Die Tätigkeit der Handwerker wird nicht nur als nutzlos,

 Vgl. Berlejung 1998: 418 (u. ö.).  Vgl. auch die Abwertung über die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Bild und Hersteller/ Verehrer in Ps 115,8//135,18 u. ö. (s.o. 3.3.2.1).  Weitaus häufiger als die Hersteller werden in EpJer König, Priester und Frauen genannt.  Vgl. Holter 1995 (passim) und s. o. die Textanalysen.  Zur Darstellung der Handwerker als auf einer rein menschlichen Ebene operierend vgl. auch Berlejung 1996: 155.161.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

sondern auch als anmaßend dargestellt.⁹²⁵ Dass die Hersteller besonders angegriffen werden, dürfte darauf hinweisen, dass sie in einer besonderen Verantwortung gesehen werden. Diese Verantwortung kann später auf die Weisen (Jer 10 MT) oder das Kultpersonal (BelDr; EpJer) übergehen. Anders als in vielen kultpolemischen und dtr geprägten Texten, die dem Volk die Abwendung von Jhwh vorwerfen, werden in diesen Texten professionelle Götter-Zuständige verantwortlich gemacht, vor denen das Volk in gewisser Weise durch die Polemik gewarnt werden soll. Den Herstellern als solchen, die es besser wissen müssten,⁹²⁶ wird Erkenntnislosigkeit vorgeworfen (Jes 44,9 u. ö.), die zunehmend weisheitlich ausgedeutet wird. Eine narrative Darstellung dieser Erkenntnislosigkeit des Herstellers findet sich in Jes 44,14– 17; Sap 13,11– 19 und ApcAbr, wo der Hersteller selbst als Verehrer auftritt (vgl. Hab 2,18 f). Gerade der Hersteller müsste es besser wissen, als den eben von ihm selbst geschaffenen Bild-Gott zu verehren. So argumentiert auch explizit Philo in Decal. 72: ἤδη γάρ τινας οἴδα τῶν πεποιηκότων τοῖς πρὸς ἑαυτῶν γεγονόσιν εὐχομένους τε καὶ θύοντας, οἴς πολὺ βέλτιον ἠν ἑκατέραν τῶν χειρῶν προσκυνεῖν, εἰ δὲ μὴ βοὐλοιντο δόξαν φιλαυτίας ἐκτρεπόμενοι, σφύρας γοῦν καὶ ἄκμονας καὶ γραφίδας καὶ καρκίνους καὶ τὰ ἄλλα ἐργαλεῖα, δι᾽ὥν ἐμορφώθησαν αἱ ὕλαι.

Ich kenne nämlich einige von den Herstellern, die zu den von ihnen selbst Erschaffenen beten und sogar opfern; stattdessen würden sie besser ihre beiden Hände anbeten, oder aber, wenn sie den Anschein der Eigenliebe vermeiden wollen, wenigstens Hämmer, Ambosse, Nägel, Zangen und die anderen Werkzeuge, durch die die Materien geformt wurden.

Diese Funktion scheint den Götterhersteller für seine prominente Rolle in den polemischen Texte zu prädestinieren; sie ist aber wie gezeigt wohl nicht die älteste und sicher nicht die einzige mögliche Funktion des Herstellers in den polemischen Texten. Sap 15,7– 13 schließlich zeigt den Hersteller gerade nicht als einfältigen Verehrer. Vielmehr ist dieser Hersteller ein gewissenloser Geschäftsmann, der nur auf seinen Verdienst aus ist. Ein ähnliches Herstellerbild begegnet in Apg 21,24– 27, wo die Hersteller von silbernen Artemis-Tempeln sich um ihr Geschäft sorgen. Der Hersteller als einer, der Verantwortung für die Verehrung der Bilder-Götter trägt, der es besser wissen müsste und vielleicht auch wider besseres Wissen handelt, ist nach den götterpolemischen Texten nicht zwingend einer aus den „Völkern“.⁹²⁷ Texte wie Jes 40,19 f; 46,6 f; Jer 10,14 f können sich durchaus gegen

 S.o. 2.2.3.2.2; 3.2.3.1.2.  Vgl. Berlejung 1996: 145; Berlejung 1998: 384.  Obwohl ich Holter 1995: 78.117 durchaus zustimmen würde, dass die Hersteller eine Rolle analog zu den Völkern übernehmen können (m. E. auf der Ebene der Kritik daran, sich auf

5.3 Götterpolemik und Schöpfung

277

solche richten, die nach Ansicht der Verfasser zur Gemeinschaft der Jhwh-Verehrer gehören müssten. Am Übergang zwischen Völkern und Jhwh-Verehrern zeigen dies die Texte, die Abraham als Sohn eines Götterbilder-Herstellers darstellen.⁹²⁸

5.3 Götterpolemik und Schöpfung Jhwh begegnet in den götterpolemischen Texten als Schöpfer der Welt und Erhalter seines Volkes. Dies trifft schon auf die vermutlich ältesten Texte in DtJes zu. So stellt Jes 40,18 – 20 durch den Anschluss an eine Vergleichbarkeitsfrage die Götterbilder und ihre Hersteller Jhwh gegenüber. Hier begegnet Jhwh im unmittelbaren Kontext als Schöpfergott (Jes 40,12 f.22.26.28) und als derjenige, auf den sich Israel verlassen kann und soll (Jes 40,27– 31; vgl. Jes 41,6 f bezogen auf Jes 41,10.13 f). Explizit wird die Gegenüberstellung von menschengemachten Götterbildern und dem Schöpfergott Jhwh in Jer 10,12– 16 formuliert. Jer 10,12 f beschreiben Jhwhs Schöpfungshandeln im Sinne einer prima creatio und creatio continua: Er hat die Welt geschaffen, und er sorgt durch Regen für ihr Fortbestehen. Jer 10,16 wiederholt die Schöpferrolle Jhwhs (‫ )יוֵֹצר ַה ֹכּל‬in explizitem Kontrast zu den Götterbildern (‫ )ל ֹא־ְכֵא ֶלּה‬und verweist darüber hinaus durch die Bezeichnungen Jhwhs als „Anteil Jakobs“ (‫קב‬ ֹ ‫ )ֵחֶלק ַיֲע‬und „sein Erbteil“ (‫) ַנֲחָלתוֹ‬ darauf, dass dieser Schöpfergott die Lebensgrundlage für sein Volk darstellt. Jhwh kann für sein Volk sorgen, weil er die Naturgewalten kontrolliert. Das Vertrauen darauf gründet nach diesen Texten darin, dass Jhwh der Schöpfer der Welt ist. Als Schöpfergott lenkt er das von ihm Geschaffene zum Wohl seines Volkes. Damit wäre es absurd, sein Vertrauen in etwas anderes als in diesen Schöpfergott zu setzen. Diesen Gedanken formuliert auch Jer 14,22: ‫ ֲה ֵישׁ ְבַּהְבֵלי ַהגּוֹיִם ַמ ְג ִשִׁמים ְוִאם־ַה ָשַּׁמיִם יִ ְתּנוּ ְרִבִבים ֲהל ֹא‬Gibt es (etwa) unter den Nichtsen der Völker ‫ ַא ָתּה־הוּא ְיה ָוה ֱאל ֵֹהינוּ וּ ְנַק ֶוּה־ ָלְּך ִכּי־ַא ָתּה ָע ִשׂיָת‬Regenspender oder gibt der Himmel Regen‫ ֶאתּ־ ָכּל־ֵא ֶלּה׃‬schauer? Bist es nicht du, Jhwh, unser Gott, und auf dich hoffen wir, weil du all dies gemacht hast?

Jüngere götterpolemische Texte verwenden das Schöpfergott-Motiv auch ohne direkten Bezug auf Gottes Handeln an seinem Volk. Gottes Handeln als Schöpfergott, der die Naturgewalten lenkt, kommt nun der Menschheit insgesamt zu-

menschliche Hilfe zu verlassen), halte ich seine These von den Herstellern als Repräsentanten der Völker daher für nicht ganz zutreffend.  Vgl. neben ApcAbr noch BerR 38,13.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

gute. In EpJer wird den Bilder-Göttern die Fähigkeit abgesprochen, den Menschen Regen zu geben (ὑετὸν ἀνθρώποις οὐ μὴ δῶσι, EpJer 52) bzw. ihnen „Gutes zu tun“ (εὖ ποιεῖν ἀνθρώποις, EpJer 63).⁹²⁹ Im Gegensatz dazu wird in V.59 – 62 ausgeführt, dass die Himmelskörper und Naturgewalten auf Gottes Befehl handeln. Auffällig ist, dass dies neben „Werk Gottes“ in EpJer 50 die einzige Stelle im Briefkorpus EpJer 7– 72 ist, in der Gott genannt wird. Mit einem ähnlichen Gegensatz und explizit mit Verweis auf Gottes Schöpfungshandeln argumentiert Abraham in Jub 12,3 f in einem Gespräch mit seinem Vater: „Verehrt sie (= die Bilder-Götter) nicht! Verehrt den Gott des Himmels, der Regen und Tau herabsteigen lässt auf die Erde und der alles auf der Erde macht und alles geschaffen hat durch sein Wort!“⁹³⁰ Steht in älteren Texten noch die Bedeutung von Jhwhs Macht als Schöpfer und Regenspender für Israel im Vordergrund, so wird zunehmend die Schöpfermacht an sich zu einem Kriterium des „wahren“ Gottes. Diese Funktion des Schöpfermotivs (und die Verschiebung gegenüber Jer 10,12– 16) zeigt sich exemplarisch in der aramäischen Ergänzung Jer 10,11: ‫ ִכּ ְד ָנה ֵתּאְמרוּן ְלהוֹם ֱאָלַה ָיּא ִדּי־ ְשַׁמ ָיּא ְוַא ְרָקא ָלא‬So sagt zu ihnen: „Götter, die Himmel und Erde nicht ‫ ֲעַבדוּ ֵיאַבדוּ ֵמַא ְרָעא וִּמן־ ְתּחוֹת ְשַׁמ ָיּא ֵא ֶלּה׃‬gemacht haben, sollen zugrunde gehen von der Erde und von unter dem Himmel – diese!“ ⁹³¹

Jhwh als Schöpfergott bildet im götterpolemischen Diskurs den Gegenpol zu den Bilder-Göttern. Dies lässt sich auch in anderen Texten wie Jub 11,17 f zeigen: Abraham wendet sich von den Bilder-Göttern ab „und er fing an, anzubeten zum Schöpfer aller Dinge“.⁹³² Die Verehrung des Schöpfergottes ist der Verehrung anderer sogenannter Götter wie Götterbilder und Himmelskörper diametral entgegengesetzt. So verweigert auch Daniel in BelDr 5 die Verehrung Bels mit dem Bekenntnis zu dem Gott, „der Himmel und Erde geschaffen hat“ (τὸν κτίσαντα τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν).⁹³³ Der Verweis auf Jhwh als den Schöpfergott wird also im götterpolemischen Diskurs zum einen verwendet, um die Unfähigkeit der Bilder-Götter, ebenso machtvoll zu handeln, herauszustellen. Jhwhs Schöpfertätigkeit wird in götterpolemischen Texten (bzw. in ihrem Kontext: Jes 40,12– 31) von Anfang an unter  Die beiden Stellen sind m. E. auf einander bezogen, s.o. 3.4.2.10.  Übersetzung: Berger 1981: 391. Vgl. zur entscheidenden Rolle des Schöpfers und Regenspenders auch Jub 12,16 – 18: Während Abraham die Sterne beobachtet, um Regen vorherzusagen, erkennt er, dass der Regen allein dem Willen des Schöpfergottes unterworfen ist.  Zur Übersetzung als Chiasmus s. o. 3.2.1 Textanm. i.  Übersetzung: Berger 1981: 389.  Der Vers unterscheidet sich in LXX und Th; diese Formulierung ist aber beiden Versionen gemeinsam. Vgl. auch TestJob 2,4.

5.3 Götterpolemik und Schöpfung

279

Verwendung eines weisheitlichen Diskurses beschrieben (vgl. Jer 10,12– 16). Im Vordergrund steht dabei Gottes Schöpfung der Welt und seine Herrschaft über die Natur. Erst Sap nutzt die Vorstellung von Jhwhs Menschenschöpfung für die Götterpolemik und begründet damit die Leblosigkeit der Bilder-Götter (Sap 15,16 f). Obwohl diese Leblosigkeit der Bilder schon früher thematisiert wird (vgl. z. B. Jer 10,15: ‫) ְול ֹא־רוּ ַח ָבּם‬, wird nicht explizit ein Kontrast zu Jhwh hergestellt, der allein lebendige Wesen erschaffen kann.⁹³⁴ Zum anderen fungiert das Bekenntnis zum Schöpfergott Jhwh als Antithese zur Götterverehrung. Andere Konzeptionen, etwa Jhwh als Israels Bundesgott, Gott der Väter oder Gott, der sich im Exodusgeschehen als mächtig erwiesen hat, spielen im götterpolemischen Diskurs eine untergeordnete Rolle.Wer sich von den trügerischen, nutzlosen Göttern ab- dem wirklich machtvollen Gott zuwenden will, muss sich dem Schöpfergott zuwenden. Dieser Schöpfergott ist Jhwh. Dass andere Götter einen konkurrierenden Anspruch auf Schöpfung erheben könnten, wird in den götterpolemischen Texten nicht explizit verhandelt. Es ist vorausgesetzt, dass die Adressaten der Texte wissen, dass Jhwh und nicht etwa Marduk,⁹³⁵ Amun-Re⁹³⁶ oder Ahura Mazda⁹³⁷ Schöpfer der Welt ist. Jüngere götterpolemische Texte haben offensichtlich Kenntnis von philosophischen Diskursen, die die Entstehung der Welt anders erklären. Durch Platos Timaios und seine Rezeption in der mittelplatonischen Philosophie ist die Möglichkeit eines personalen Schöpfers auch in griechisch-philosophischem Diskurs denkbar.⁹³⁸ Philo bezeichnet Gott wie Plato als ποιητής und πατήρ (Virt. 64; Opif. 7 u. ö.; vgl. Tim. 28c). Er identifiziert den platonischen Demiurgen (δημιουργός, Spec. 1,33 u. ö., vgl. Tim. 29a) mit dem jüdischen Gott, indem er – anders als andere mittelplatonische Denker⁹³⁹ – den Schöpfergott mit dem transzendenten Gott in eins setzt. Philo verwendet also bewusst philosophisch geprägte Begriffe und macht deutlich, dass diese dem jüdischen Gott zukommen, da dieser der Schöpfergott sei. In Sap 13 hingegen wird der Terminus δημιουργός vermieden, stattdessen verwendet Sap die seltenen (vielleicht eigens kreierten) Begriffe γενεσιουργός

 Anders etwa Schaper 2014: 152 f (in Bezug auf Jes 44), und s.o. Anm. 438 (zu Jer 10).  Vgl. z. B. Ee VII 83 – 89.  Vgl. z. B. die Hymnen des pCairo CG 58038 (TUAT II 838 – 841).  Vgl. z. B. die Grabinschrift des Dareios DNa §1 (TUAT NF VI 293).  Plato geht es im Timaios allerdings noch keineswegs um den Erweis eines personalen Schöpfergottes, vgl. Dillon 1977: 40 f: „The demiurge is a novel figure, admitted through the adoption of a (limited) mythical framework.“  Vgl. Dillon 1977: 46.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

(Sap 13,5) und γενεσιάρχης (Sap 13,3).⁹⁴⁰ Damit wird einerseits an die platonische Verwendung des Begriffs γένεσις für die Welt als Gewordenes gegenüber dem ungewordenen Schöpfer angeknüpft,⁹⁴¹ andererseits aber die Identifizierung dieses Schöpfers als δημιουργός implizit, sowie als Αἰών (13,9) explizit zurückgewiesen. Die Kenntnis und Anknüpfung an das naturphilosophische Nachdenken über Gott bei gleichzeitiger Bemühung, den Schöpfergott nicht zu einem abstrakten Prinzip werden zu lassen, spiegeln sich auch in der Bezeichnung Gottes als ὁ ὤν (Sap 13,1). Dieser Begriff schließt an die Erklärung des Gottesnamens in Ex 3,14 LXX (ἐγώ εἰμι ὁ ὤν) an, kann aber gleichzeitig als korrigierende Aufnahme des Neutrums τὸ ὄν verstanden werden, mit dem Plato in Tim. 27d das der gewordenen Welt gegenüberstehende Seiende bezeichnet.⁹⁴² Der Gott, den die Menschen als Urheber der Welt suchen, wäre nach Sap durchaus aus seiner Schöpfung zu erkennen (Sap 13,3 f.9): Es handelt sich um den im AT bezeugten Schöpfergott. Dass ein anderer Urheber oder ein Schöpfungsprinzip aus der Welt erkannt werden könnte, kommt für Sap offenbar nicht in Frage. Andere Schlussfolgerungen aus der Betrachtung der Schöpfung resultieren zwangsläufig aus einer nicht ausreichend durchdringenden Erkenntnisbemühung. Während in älteren götterpolemischen Texten Gottes Schöpfertätigkeit als Machterweis fungiert, der die Adressaten im Vertrauen auf diesen mächtigsten Gott bestärken soll, wird in jüngeren Texten also das Schöpfungshandeln zum Kriterium, wem überhaupt Anerkennung und Verehrung als Gott zusteht (Jer 10,11; Arist 136; vgl. auch Ps 96,5). Dazu kann kosmologisch-philosophisch argumentiert werden, dass der Urheber von allem allem anderen überlegen ist. Die Erkenntnis des Schöpfers bringt nach dem götterpolemischen Diskurs mit sich, dass nichts anderes, dem Schöpfergott Untergeordnetes, als Gott verehrt werden kann.⁹⁴³ In der Betonung des Schöpfergottes kommt es in zwei Weisen zur Verschränkung götterpolemischer und weisheitlicher Diskurse. Zum einen wird, wie bereits erwähnt, der Schöpfergott in weisheitlich geprägter Sprache beschrieben. Das weisheitlich formulierte Gottesbild des Schöpfergottes ermöglicht – im Unterschied etwa zum Bundesgott des Abtrünnigkeitsdiskurses (s.o. 3.1) – den

 Zu diesen Begriffen s.o. 4.4.2 die Textanm. c und d.  Mit Kepper 1999: 176 f, die auch darauf hinweist, dass der Begriff γένεσις atl. als Übersetzung von ‫ תּוֵֹלדוֹת‬verwendet wird. Die Herleitung aus der platonischen Kosmologie erklärt die Neologismen der Sap daher besser als der Verweis auf Gen 1 f (so aber Engel 2011: 2149).  Die von Kepper 1999: 174 mit Anm. 101 angeführten Belege für ὁ ὤν bei Plato beziehen sich nicht auf Gott oder auf ein göttliches Prinzip.  Vgl. dazu auch Philo,Virt. 65: Wie die Philosophie, so lehre das jüdische Gesetz die „Kenntnis der höchsten und ältesten Ursache von allem“ (ἐπιστήμη τοῦ ἀνωτάτω καὶ πρεσβυτάτου πάντων αἰτίου), was die Juden davor bewahre, vermeintliche, da gewordene, Götter zu verehren.

5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel

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universalen Geltungsanspruch der Götterpolemik. Zum anderen nehmen götterpolemische Texte den weisheitlichen Gedanken auf, dass die geschaffene Welt Ausgangspunkt von Erkenntnis ist. In der Erkennbarkeit Gottes aus seiner Schöpfung, die im götterpolemischen Diskurs bei Philo, in Sap und ApcAbr deutlich wird, finden zeitgenössische philosophische mit weisheitlichen Vorstellungen zusammen. Auf das in der Götterpolemik zentrale Thema der Erkenntnis, das mit dem weisheitlichen Diskurs über den Schöpfergott eng zusammenhängt, werde ich im folgenden Kapitel näher eingehen.

5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel 5.4.1 Erkenntnis und Erkenntnismangel im götterpolemischen Diskurs Wo die götterpolemischen Texte auf Erkenntnis zu sprechen kommen (‫ידע‬/‫ ַדַּעת‬, ‫בין‬/ ‫ ְתּבוּ ָנה‬, ‫ שׂכל‬Hi., γινώσκω, οἶδα, αἰστάνομαι/αἴστησις, νοέω u. a.), erscheint diese fast immer negiert und als Erkenntnismangel (‫בער‬, ‫כסל‬, ἄφρων/ἀφροσύνη, πλανάω, ἀνόητος u. a.). Subjekt dieses Erkenntnismangels sind meistens die Verehrer anderer Götter,⁹⁴⁴ etwas seltener die Hersteller⁹⁴⁵ oder sogar die Bilder-Götter selbst.⁹⁴⁶ Der Erkenntnismangel wird immer über Personen in der 3. Pl. ausgesagt. In der 2. Pl., und damit in der Anrede der Adressaten, finden sich in den götterpolemischen Texten nur Aufforderungen zur Erkenntnis, aber den Angesprochenen wird nicht Erkenntnismangel zugeschrieben.⁹⁴⁷ Dabei ist es immer die negierte Erkenntnis, die zu den Göttern hinführt: Nicht andere Erkenntnis, sondern Erkenntnismangel (‫ )ל ֹא ָי ְדעוּ‬liegt der Götterverehrung zugrunde.⁹⁴⁸ Daher können die Verehrer anderer Götter auch explizit als „dumm“ bezeichnet werden (z. B. ‫ בער‬in Jer 10,8.14). Umgekehrt führt affirmativ formulierte Erkenntnis immer von den Göttern weg: Wer über Erkenntnis verfügt, wendet sich von den Göttern ab. Wo affirmativ von Erkenntnis gesprochen wird, ist der Inhalt dieser Erkenntnis oft eine Negation: Erkannt werden kann und soll, dass die

 Jes 45,20; Arist 136; Jub 11,16; 12,5; Decal. 59; Sap 13,1– 9; 14,22.30; 15,14; ApcAbr 6,2.4. Der Hersteller in Jes 44,19 f ist gleichzeitig Verehrer (vgl. auch Decal. 73).  Jes 44,18.19 f; Sap 15,11; implizit Jer 10,7– 9.14.  Jes 44,9; EpJer 40.  Vgl. EpJer. Auch Abraham als Identifikationsfigur für die Adressaten in Jub und ApcAbr ruft zur Gotteserkenntnis auf, dazu s.u. 5.4.2.2.  Vgl. Jes 44,9 (‫ ;) ַבּל־ ֵי ְדעוּ‬44,18 (‫ ;)ל ֹא ָי ְדעוּ ְול ֹא ָיִבינוּ‬44,19 (‫ ;)ל ֹא ַדַעת‬45,20 (‫ ;)ל ֹא ָי ְדעוּ‬Jer 10,14 (‫)ִמ ַדַּעת‬ u.ö.

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verehrten Objekte keine Götter sind. ⁹⁴⁹ Was die (Bilder‐)Götter positiv formuliert sind, ist nicht Thema des götterpolemischen Diskurses. Daher gibt es auch keine einheitliche und kohärente Terminologie zur Bezeichnung dieser vermeintlichen Götter: Manche Texte bezeichnen die Bilder-Götter mit Begriffen für Götterbilder, selten wird auf pejorative Termini atl. Tradition zurückgegriffen (‫ תּוֵֹעָבה‬in Jes 44,19), häufig stehen die Bezeichnung als „Gott“ und die Negation, dass es sich nicht um Götter handle, unvermittelt nebeneinander.⁹⁵⁰ Jhwh als positiver Inhalt affirmativer Erkenntnis begegnet in den götterpolemischen Texten vergleichsweise selten. In Sap 15,2 f betont eine Wir-Gruppe, im Gegensatz zu den Bilderverehrern Gott und seine Macht zu kennen (ἐπίσταμαι/οἶδα). Dieses Kennen ist eingebettet in eine gegenwärtige Beziehung (Anrede einer 1. Pl. an eine 2. Sg.), die in der gemeinsamen Geschichte wurzelt (Anspielungen auf Ex 34,6 f) und eine Zukunft über den Tod hinaus begründet (ἀθανασία). Ein sich im Text vollziehendes Erkennen Gottes analog zur Erkenntnis der Nutzlosigkeit und Unwürdigkeit der Bilder-Götter begegnet in den götterpolemischen Texten nicht. Auch Abraham erkennt in Jub und ApcAbr jeweils den Irrtum der Götterverehrung und schließt auf den Schöpfer. Dass er Gott erkennt, wird dabei nicht gesagt; vielmehr gibt sich Gott Abraham zu erkennen in Antwort auf sein Gebet.⁹⁵¹ Der in den götterpolemischen Texten angesprochene Erkenntnismangel hingegen scheint sich inhaltlich gleichermaßen auf die Erkenntnis Jhwhs als des Schöpfergottes wie auf die Nutzlosigkeit und Verehrungsunwürdigkeit der BilderGötter zu beziehen. Allerdings wird die inhaltliche Füllung des Erkenntnismangels oft nicht explizit (etwa durch einen Objektsatz) benannt und muss aus dem Kontext erschlossen werden. Während manche Texte entweder die mangelnde Erkenntnis in Bezug auf Jhwh (z. B. Sap 13,1– 9) oder die mangelnde Erkenntnis über die Bilder-Götter (z. B. Jes 44,19 f; EpJer 41) hervorheben, lassen andere Texte vermuten, dass es sich dabei um zwei Seiten ein und derselben Medaille handelt. So bezieht sich in Jes 45,20b das ‫ ל ֹא ָי ְדעוּ‬zugleich darauf, dass das hölzerne Götterbild nicht rettet (‫ל ֹא יוֹ ִשׁי ַע‬, Jes 45,20b), und darauf, dass Jhwh der einzige rettende Gott ist (‫מוֹ ִשׂי ַע‬, Jes 45,21).⁹⁵² Der Erkenntnismangel kann damit zum generellen  Vgl. EpJer 14.22.28.64.71; Jub 11,16; ApcAbr 3.6 – 7.  Vgl. EpJer; Jes 46,6 f; implizit auch Jes 44,15 – 17. Auch der Begriff εἴδωλον hebt diese Unschärfe nicht auf; vgl. etwa 1 Kor 8,4– 6: „Was also das Essen von Opferfleisch betrifft, wissen wir, dass es keinen Götzen gibt in der Welt und dass niemand Gott ist außer einem (οἴδαμεν ὅτι οὐδὲν εἴδωλον ἐν κόσμῳ καὶ ὅτι οὐδεὶς θεὸς εἰ μὴ εἷς). Denn wenn es auch solche gibt, die Götter (θεοί) genannt werden, ob im Himmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter (θεοί) und viele Herren gibt, aber für uns gibt es (nur) einen Gott, den Vater, aus dem alles ist und wir auf ihn hin, und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alles ist und wir durch ihn.“  Vgl. zur gottgewirkten Erkenntnis auch Mose in Arist 139; Spec. 1,41.  Vgl. auch Jer 10,6 – 8.14 f und in affirmativer Umkehrung Jub; Sap 15,1– 6.

5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel

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Unverstand über Gott werden, bis hin zu Sap 14,22– 31 (und 15,7– 13), wo der Erkenntnismangel als Gottlosigkeit überhaupt (κακῶς ἐφρόνησαν περὶ θεοῦ/καταφρονήσαντες ὁσιότητος, Sap 14,30) losgelöst von einer respektvollen Verehrung der Bilder-Götter begegnet. Obwohl also im götterpolemischen Diskurs Erkenntnis und Erkenntnismangel, Verehrung des Schöpfergottes und Verehrung der Bilder-Götter, einander als entgegengesetzte Pole gegenüberstehen, sind Aussagen über Erkenntnis und Erkenntnismangel nicht beliebig umkehrbar. Die Rede von Erkenntnis(mangel) folgt im götterpolemischen Diskurs keiner symmetrischen Struktur, was bedeutet, dass der Vorwurf der fehlenden Erkenntnis des Schöpfergottes nicht automatisch die Möglichkeit beinhaltet, den Schöpfergott auf dem beschriebenen Erkenntnisweg positiv zu erkennen. Ebenso wenig trifft zu, dass die über die Bilder-Götter ausgesagten negativen Erkenntnisse automatisch in ihrer Umkehrung als positive Erkenntnisinhalte über Jhwh zu verstehen sind. Insgesamt tritt im götterpolemischen Diskurs der (theologische) Erkenntnisinhalt hinter die Tatsache des Erkenntnismangels an sich zurück. Erkenntnisinhalte wie Jhwhs Schöpfer- und Rettermacht sind in DtJes schon deutlich ausgesagt, bevor sich der Vorwurf des Erkenntnismangels damit verbindet. So wird den Völkern in der Grundschicht Jes 45,20a.21 Jhwhs Einzigkeit deutlich gemacht, Jes 45,20b aber fügt dem noch den Erkenntnismangel der Verehrer eines BildGottes, der nicht rettet, hinzu. In Jes 44,18 bildet der Erkenntnismangel zwischenzeitlich das abschließende Urteil über die Götterhersteller, ohne dass dieser Erkenntnismangel inhaltlich gefüllt würde. An diesen Beispielen wird auch deutlich, dass der götterpolemische Diskurs nicht darauf zielt, Götterverehrer anzusprechen und zur Erkenntnis Jhwhs zu führen. Vielmehr dient Erkenntnismangel als Vorwurf gegen abwesende Götterverehrer, über die in der 3. Person gesprochen wird und die zunehmend mit „anderen Völkern“ identifiziert werden. Sowenig wie in den götterpolemischen Texten begründet wird, warum gerade Jhwh der allem übergeordnete Schöpfergott sei, sowenig ist es notwendig, den den Götterverehrern vorgeworfenen Erkenntnismangel explizit inhaltlich zu präzisieren: Innerhalb des götterpolemischen Diskurses wird vorausgesetzt, dass die Adressaten darüber längst Bescheid wissen. Die eigene Erkenntnisfähigkeit wird nicht problematisiert.⁹⁵³

 Die götterpolemischen Texte könnte man damit in gewisser Weise zwischen den von Schellenberg 2002: 2– 4 beschriebenen zwei „Formen des Umgangs mit der Erkenntnisthematik“ – einerseits Texte, die menschliche Erkenntnisfähigkeit selbstverständlich voraussetzen und daher gar nicht thematisieren, andererseits Texte, die die menschliche Erkenntnisfähigkeit problematisieren – verorten: Das Problem der Erkenntnisfähigkeit wird in ihnen ausgelagert,

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

Welche Art des Erkenntnismangels – Dummheit, oder Verstockung? – den Götterverehrern vorzuwerfen ist, wird erst in jüngeren götterpolemischen Texten thematisiert, ausführlich in Sap 13,1– 9. Erkenntnismangel erscheint dabei als mangelnde Prozessierung visueller Wahrnehmung⁹⁵⁴ und damit als ein intellektuelles Defizit: Die Götterverehrer bleiben an oberflächlichen Eindrücken hängen, sie gehen der Sache nicht auf den Grund und gelangen so nicht zur Erkenntnis des Schöpfergottes. Sie „meinen“ und „halten“ Dinge für Götter (νομίζω, Sap 13,2, vgl. EpJer 39.44.56.63; ὑπολαμβάνω, Sap 13,3), statt durch eigene kognitive Anstrengung zu erkennen (οἶδα, Sap 13,1; ἐπιγινώσκω, Sap 13,1; γινώσκω, Sap 13,3; νοέω, Sap 13,4; θεωρέω, Sap 13,5). Ob die Götterverehrer nicht erkennen können oder nicht erkennen wollen, wird dabei nicht eindeutig klar. So spricht Sap 13,1 von οὐκ ἴσχυσαν εἰδέναι („sie vermochten nicht zu erkennen“), die rhetorische Frage Sap 13,9 impliziert hingegen, dass die Götterverehrer sehr wohl über ausreichende Erkenntnisfähigkeit verfügt hätten: εἰ γὰρ τοσοῦτον ἴσχυσαν εἰδέναι („wenn sie nämlich so sehr zu erkennen vermochten“). Der Götterverehrer in Jes 44,20 wird von seinem eigenen Herzen/Verstand „verführt“ (‫)ִה ָּטהוּ‬, aber sein Herz selbst wird als „getäuscht“ (‫ )הוַּתל‬dargestellt. Etwas überspitzt könnte man den Götterverehrer daher als „Opfer“ eines Erkenntnismangels bezeichnen, dessen Ursprünge in Jes 44,20 verdunkelt werden.⁹⁵⁵ Philo hingegen rechnet explizit mit einer absichtlichen Erkenntnisverweigerung (ἑκουσίῳ γνώμη, Decal. 68), die Götterverehrer geben sich keine Mühe (οὐ σπουδάζοντες μαθεῖν, Decal. 59). Nach den götterpolemischen Texten stehen die Unfähigkeit und Verehrungsunwürdigkeit der Bilder-Götter bzw. die Machtfülle des Schöpfergottes so offensichtlich vor Augen,⁹⁵⁶ dass der Erkenntnismangel völlig unverständlich und letztlich auch schuldhaft⁹⁵⁷ ist. Obwohl Erkenntnis und Erkenntnismangel, wie oben dargestellt, grundsätzlich klar auf Jhwh-Verehrer einerseits und Götterverehrer andererseits verteilt sind, gibt es im götterpolemischen Diskurs zuweilen eine gewisse Grauzone zwischen ErErkenntnismangel betrifft (aus der Perspektive von Verfasser und Adressaten) nur Außenstehende.  Vgl. schon Jes 44,18.19 f (funktionsuntüchtige Augen und Herz als Erklärung des Erkenntnismangels).  In Jub 11,4 f; 12,20 wird die Hinwendung zu den Götterbildern auf die Verführung durch „böse Geister“ zurückgeführt. Allerdings ist es Abraham dennoch – und zwar noch vor einer göttlichen Intervention – möglich, den Irrtum der Bilderverehrung zu erkennen (vgl. Jub 11,16 f).  Vgl. φανερός in EpJer 50.68, Arist 132. Nach Philo (Decal. 69) würde sogar ein Kleinkind (νήπιος, vgl. Sap 12,24; 15,14) den Irrtum der Bilderverehrer erkennen.  Daher werden die Götterverehrer (und z.T. auch die Bilder-Götter) bestraft, vgl. Jer 10,15; Sap 11,15 f; 12,23 – 27; 14,10.30; Jub 22,22 u. ö.

5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel

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kennen und Nicht-Erkennen, in der die Schuldhaftigkeit der Götterverehrung ausgedrückt werden kann. Die Götterverehrer in Sap 13,9 erkennen zwar etwas, gehen aber in ihrer Erkenntnis nicht weit genug. Die „Chaldäer“ in EpJer 41 erkennen (νοέω) zwar, dass Bel nicht in der Lage ist, einen Stummen zu heilen, doch sie wenden sich dennoch nicht von ihm ab, „denn sie haben keine Einsicht“ (αἴσθησιν γὰρ οὐκ ἔχουσιν). Auch Sap 12,27; 13,11– 19; Jub 12,6 thematisieren den (schuldhaften) Erkenntnismangel derer, die zwar etwas erkennen, aber nicht die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen bzw. nicht ihrer Erkenntnis gemäß handeln.⁹⁵⁸ Dies impliziert für das zugrunde liegende Erkenntniskonzept zweierlei: Erstens erfordert die Abwendung von den Bilder-Göttern eine konsequente und aktive Erkenntnisbemühung, wie sie positiv am Beispiel Abrahams in Jub und ApcAbr geschildert wird. Zweitens führt Erkenntnis nicht automatisch zu rechtem Handeln.

5.4.2 Der Erkenntnismangel zwischen prophetischer und weisheitlicher Konzipierung Die explizite Rede von Erkenntnis(mangel) ist in den götterpolemischen Texten ihrer Formulierung und ihrem Zusammenhang nach von Anfang an weisheitlich geprägt.⁹⁵⁹ Es scheint, dass die Beschreibung der Götterherstellung und der Nutzlosigkeit der Götter sehr gut ohne weisheitliche Elemente auskommt, dass aber die Deutung des Verhaltens der Götterverehrer im götterpolemischen Diskurs unter Verwendung weisheitlicher Diskurse zustande kommt. Gleichzeitig fällt auf, dass der Erkenntnismangel der Götterverehrer zunächst in prophetischen Büchern thematisiert wird (Jes 44,18.19 f; Jer 10,8.14).Von daher stellt sich die Frage, ob und wie die weisheitlich geprägte Rede von der Erkenntnislosigkeit der Götterverehrer auch an einen prophetischen Diskurs über Erkenntnis(mangel) anschließt.

 Sap 12,27: die Ägypter weigern sich (ἀρνέομαι) zunächst, Gott zu erkennen; Sap 13,11– 19: der Bilderhersteller weiß (εἰδώς), dass das Bild hilflos ist, bittet es aber dennoch um Hilfe; Jub 12,6: Abrahams Vater „weiß“ um den Irrtum der Bilderverehrung, dient aber aufgrund des sozialen Drucks dennoch den Bilder-Göttern.  Eine Ausnahme bildet Jes 44,9, wo die Erkenntnisaussage im Zusammenhang mit Rechtssprache verwendet wird (s.o. 2.5.3.2.1). Für Jes 45,20b lässt sich eine weisheitliche Prägung nicht nachweisen, aber dieser Text könnte bereits auf Jes 44,9 – 18 zurückgreifen (s.o. 2.4.5.2).

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

5.4.2.1 Erkenntnismangel in prophetischen Diskursen Sowohl in Jes als auch in Jer ist das Thema der Erkenntnis schon vor den götterpolemischen Texten angelegt und prägt – auf unterschiedlichen redaktionsgeschichtlichen Ebenen – auch das ganze Buch (vgl. die Einleitung Jes 1,2– 4). Insbesondere Jer baut dazu auf die Klage über fehlende Jhwh-Erkenntnis in Hos auf. Aus Jes, Jer und Hos⁹⁶⁰ lässt sich ein Diskurs über Erkenntnis skizzieren, mit dem der götterpolemische Erkenntnisdiskurs einige Berührungen aufweist: – Im Vordergrund steht jeweils der Mangel an Erkenntnis. Ein für die Menschen beschreitbarer Weg zur Erkenntnis hin wird nicht beschrieben; Erkenntnis ist erst zukünftig und dann gottgewirkt zu erwarten (Jer 24,7; 31,34; Jes 12,3 – 5; 19,21; 49,22 f u. ö.). – Die mangelnde Erkenntnis ist in erster Linie fehlende Gotteserkenntnis.⁹⁶¹ Der Vorwurf des Erkenntnismangels beinhaltet, dass Gottes Wirken und Wollen (vgl. Jer 5,4 f: ‫ ) ֶדּ ֶרְך יהוה ִמ ְשׁ ַפּט ֱאל ֵֹהיֶהם‬nicht beachtet werden. Dieser Vorwurf richtet sich zumeist an Israel (vgl. Jes 1,3 u. ö.: ‫)ַע ִמּי‬.⁹⁶² Als Gegenbegriff zu „erkennen“ begegnet in Hos und Jer „vergessen“ (vgl. Hos 4,6; 13,6; Jer 2,32; 18,15 u. ö.).⁹⁶³ Das Wissen um Jhwh wird damit – anders als im götterpolemischen Diskurs – als ein Erinnerungswissen dargestellt. Entsprechend bezieht sich der Erkenntnismangel nicht nur – wie im götterpolemischen Diskurs – auf Jhwh als Schöpfer und Erhalter (vgl. Hos 2,7– 15; 8,14; Jes 40,21.28), sondern auch auf Jhwh als den Gott des Exodus (Hos 13,4; Jer 2,6 f). – Dieser Erkenntnismangel kann absolut formuliert ohne explizites Objekt begegnen (‫ל ֹא־ ָי ְדעוּ‬/‫ל ֹא ָי ַדע‬, vgl. Jer 14,18; Jes 1,3; 42,25; 56,10). Die fehlende Erkenntnis betrifft nicht nur Jhwh als Objekt, sondern wirkt sich auf das ganze Leben aus.⁹⁶⁴ Der Erkenntnismangel wird auch im prophetischen Diskurs als

 Ein anderer Erkenntnisdiskurs begegnet hingegen in Ez, wo die typische Formulierung „erkennen, dass ich Jhwh bin“ (‫ )ידע ִכּ־ֲא ִני יהוה‬stets im Anschluss an ein Handeln Jhwhs in der Geschichte (vgl. Zimmerli 1954: 12) und als Ich-Aussage Jhwhs begegnet. Auch findet sich kein Vorwurf des Erkenntnismangels (Ausnahme: Ez 22,26),vielmehr wird Jhwh-Erkenntnis in Aussicht gestellt. Vgl. zum im Folgenden skizzierten Erkenntnisdiskurs die Darstellung in Schellenberg 2002: 254– 273.  Explizit als ‫( ַדַּעת ֱאל ִֹהים‬Hos 4,1 u. ö.) oder aus dem Kontext ersichtlich (Jes 1,3 u.ö.).  Anders Jes 19,21; 45,1– 6; Jer 10,25; 16,21.  Vgl. zum Vergessen Jhwhs in Hos und Jer Schulz-Rauch 1996: 228 f. Gotteserkenntnis wird in Hos literargeschichtlich erst in einer jüngeren Bearbeitung als Erinnerungswissen („Wiedererkennen“) konzipiert, vgl. dazu Kratz 1997: 13 – 17. Den mit Erkenntnis befassten götterpolemischen Texten geht aber sowohl diese Konzeption in Hos als auch ihre Rezeption in Jer bereits voraus.  Mit Schellenberg 2002: 256 mit Anm. 247.

5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel



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ein kognitives Problem im Sinne von „wissen/merken“ behandelt.⁹⁶⁵ Dieses Problem hindert die Beziehung zwischen Jhwh und seinem Volk: Erkenntnis steht für eine gelingende Beziehung zwischen Gott und Volk (Hos 13,5), während die Abwesenheit von Erkenntnis das gestörte Verhältnis markiert (Hos 2,10; 11,3; Jes 29,15 f). Der Erkenntnismangel wird „als Störung, als Ausnahmezustand“⁹⁶⁶ begriffen, es geht also nicht um eine natürliche Begrenzung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit. Die Ursache dieser Störung ist im prophetischen Diskurs nicht eindeutig geklärt, vielmehr stehen verschiedene Erklärungen für das Auftreten dieser Störung nebeneinander.⁹⁶⁷ Während manche Texte mit einer Verstockung durch Jhwh rechnen (Jes 6,9 f; 29,9 – 14; 63,17), gehen andere von einer willentlichen Verweigerung der Erkenntnis durch die Menschen selbst aus (vgl. ‫ מאס‬in Hos 4,6; ‫ מאן‬in Jer 9,5; ‫ ל ֹא־ָאבוּ‬in Jes 30,9). Der Erkenntnismangel ist also durchaus schuldhaft. Eine besondere Verantwortlichkeit kommt dabei den Führungsgestalten zu, die das Volk in die Irre leiten, obwohl gerade sie es besser wissen müssten (Hos 4,6; Jes 3,12; 9,12– 16; 56,10 – 12; Jer 2,8; 5,4 f u. ö.). Ein solches hierarchisches Modell des Erkenntnismangels könnte auch der herausgehobenen Rolle der Hersteller im götterpolemischen Diskurs zugrunde liegen.

Es ist daher wohl kein Zufall, dass der Erkenntnismangel der Götterverehrer innerhalb prophetischer Bücher zur Sprache kam. Allerdings erfolgt die Reflexion über diesen Erkenntnismangel auch in Jes und Jer unter Verwendung weisheitlicher Diskurse, was insbesondere in Jer, wo weisheitliche Reflexionen über Gotteserkenntnis Jer 10,12– 16 schon vorgegeben sind, kaum verwundert. Anders als im prophetischen Diskurs – der sich auf die ausbleibende oder verfehlte Reaktion der Hörer des Prophetenwortes bezieht – spielt das Hören in den götterpolemischen Texten keine Rolle. Vielmehr wird damit gerechnet, dass der Mensch mit Augen und Herz Jhwh als Schöpfergott einerseits und die Nutzlosigkeit der BilderGötter andererseits erkennen können sollte. Erkenntnismangel und Götterverehrung hängen eng zusammen, und in Texten wie Jer 10,12– 16 zeigt sich, dass es die spezifische Erkenntnis Jhwhs als des Schöpfers ist, die der Götterverehrung diametral entgegengesetzt ist.

 Dazu (und gegen andere Deutungen, vgl. Botterweck 1982: 508 f) Wolff 1973: 186 anhand von Hos; zu Gotteserkenntnis als „kognitives Geschehen“ in Hos und Jer vgl. Schulz-Rauch 1996: 230 f.  Schellenberg 2002: 258.  Vgl. Schellenberg 2002: 258 – 262 (zu Jes). Auch im götterpolemischen Diskurs liegt der Grund für den Erkenntnismangel letztlich im Dunkeln, vgl. Jes 44,18.20.

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

5.4.2.2 Die weisheitliche Prägung des Erkenntnismangels der Götterverehrer Dass gerade der Schöpfergott in Verbindung mit weisheitlich geprägter Rede von Erkenntnis in den götterpolemischen Texten eine wichtige Rolle spielt, deutet m. E. auf ein zugrunde liegendes weisheitliches Erkenntniskonzept hin. Darin sind Schöpfung und Welterkenntnis verbunden in einem Gedankengang, der sich wie folgt skizzieren lässt:⁹⁶⁸ Es gibt eine Ordnung der natürlichen Welt und der menschlichen Gesellschaft, weil Gott die Welt mit dieser Ordnung erschaffen hat. Der Weise ist jemand, der fähig ist, aus Beobachtung und Erfahrung die Weltordnung zu erkennen. Die Erkenntnis der Weltordnung und die Erkenntnis Gottes sind daher eng miteinander verbunden. Jemandem, der die Ordnung, die Gott der Schöpfer gemacht hat, nicht erkennt, fehlt Erkenntnis über die Welt und über Gott.

Der Erkenntnismangel der Götterverehrer im götterpolemischen Diskurs lässt sich m. E. genauer verstehen, wenn man diesen weisheitlichen Gedankengang zugrunde legt. Die richtige Erkenntnis der Welt und die Erkenntnis Gottes als des Schöpfers sind demnach unvereinbar mit der Herstellung und Verehrung von Göttern. Die Verehrung von Göttern ist daher Ausdruck eines Erkenntnismangels in Bezug auf Gott und in Bezug auf die Weltwirklichkeit. Die Verschränkung mit einem weisheitlichen Erkenntnisdiskurs wird in der Entwicklung der Götterpolemik in zwei Ausprägungen deutlich: Zum einen wird, wie ich im Folgenden aufzeigen werde, das Erkenntnis-Thema innerhalb eines Schemas Weiser/Gerechter – Tor/Frevler verwendet, und zum anderen entstehen weisheitliche Lehrreden und Lehrerzählungen, die den Erkenntnisweg des Weisen von den Bilder-Göttern weg hin zum Schöpfergott erläutern. Ich habe bereits in den Textanalysen auf Gemeinsamkeiten des Götterherstellers bzw. der Götterverehrer mit dem weisheitlich geprägten Typ des Toren hingewiesen:⁹⁶⁹ – Wie der Tor ist der Götterhersteller in erster Linie durch seine Erkenntnislosigkeit charakterisiert. Seine Dummheit steht im Kontrast zu Erkenntnis. In Prov 12,1 geht diese Gegenüberstellung aus einem Parallelismus hervor: „Wer Zucht liebt, liebt Erkenntnis (‫) ַדַּעת‬, aber wer Zurechtweisung hasst, ist dumm (‫) ָבַּער‬.“ Ganz ähnlich fungieren auch in Jer 10,14 ‫ בער‬und ‫ ַדַּעת‬als Kontrastbegriffe (‫ ִנְבַער ָכּל־ָא ָדם ִמ ַדַּעת‬, „Als dumm erweist sich jeder Mensch, der fern ist

 Vgl. zu diesem Zusammenhang z. B. von Rad 1970: 125; Collins 1977: 51; Crenshaw 1998b: 10; Hermisson 2003b: 112. Vgl. aber dazu auch die kritischen Bemerkungen von Weeks 2010: 111– 117.  In Bezug auf den hier nicht eingehend analysierten Text Arist 130 – 142 merkt Feldmeier 1994: 30 an, dass der Gegensatz zwischen den Weisen und den Toren der Argumentation zugrunde liegt.

5.4 Götterverehrung als Erkenntnismangel







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von Erkenntnis“). Während der Gerechte nach Sap 2,13 γνῶσις θεοῦ hat, irren sich die Götterverehrer nach Sap 14,22 in Bezug auf die θεοῦ γνῶσις; in Sap 13,1 werden sie durch ihre θεοῦ ἀγνωσία charakterisiert. Götterverehrer wie Toren können Sichtbares und Erkennbares nicht richtig wahrnehmen und prozessieren. Augen und Herz funktionieren nicht richtig. In Jes 44,18 wird das Nicht-Erkennen (verneintes ‫ידע‬, ‫בין‬, ‫ ראה‬und ‫ שׂכל‬Hi.) auf „verputzte“ (‫ )ַטח‬Erkenntnisorgane – Augen und Herz – zurückgeführt.⁹⁷⁰ In weisheitlichen Texten wird grundsätzlich mit der Möglichkeit gerechnet, dass man aus dem Sehen etwas lernen kann. So wird dem Faulen in Prov 6,6 gesagt, er solle sich die Wege der Ameise anschauen (‫ ) ְרֵאה‬und daraus weise werden (‫)ֲחַכם‬. In Prov 22,3 (//27,12) zeigt sich der Unterschied zwischen dem Klugen und dem Toren darin, dass der Kluge aus dem, was er sieht, die richtige Konsequenz zieht, während der Einfältige (‫ ) ֶפִּתי‬das Sichtbare entweder nicht wahrnimmt oder nicht in der Lage ist, daraus zu lernen. Darin gleicht ihm der Götterhersteller aus Jes 44,19 f, der zwar das Brennholz sieht, aber nicht in der Lage ist, daraus die Nutzlosigkeit seines Bild-Gottes zu erkennen. Hier zeigt sich wieder, dass die Anbetung falscher Götter nicht nur Unwissenheit über Gott ist, sondern immer auch gleichzeitig ein Irrtum über die Welt. Auch die Götterverehrer in Sap verarbeiten visuelle Wahrnehmung nicht richtig. Nach Sap 13,1 sind sie nicht in der Lage, aus dem Sichtbaren (ἐκ τῶν ὁρωμένων ἀγαθῶν) zu erkennen, denn sie verlassen sich fälschlicherweise auf den äußeren Anblick (πείθονται τῇ ὄψει, Sap 13,7), statt das Gesehene mit dem Verstand zu verarbeiten. Die Erkenntnislosigkeit des Toren und des Götterherstellers ist eine ernste Sache. Nach Jes 44,20 rettet der einsichtslose Götterhersteller sein Leben nicht. Auch die Dummheit des Toren gefährdet sein Leben und wird mit dem Tod assoziiert, z. B. in Prov 10,21: ‫„( ֱא ִויִלם ַבֲּחַסר־ֵלב ָימוּתוּ‬die Toren sterben durch Unverstand [wörtl. Mangel an Herz])“, und pauschal spricht die Weisheit in Prov 8,36: „alle, die mich hassen, lieben den Tod“. In Sap 1,16; 2,24 werden die Gottlosen mit dem Tod assoziiert. Entsprechend werden auch die Götterverehrer in Sap 13,10 (und im Rückbezug darauf Sap 15,6) in die Nähe des Todes gerückt. In der späten Weisheit fallen Tor und Frevler zunehmend zusammen. So übersetzt die Septuaginta nicht nur ‫ ָר ַשׁע‬, sondern an manchen Stellen auch ‫ ְכִּסיל‬mit ἀσεβής.⁹⁷¹ Dummheit und Gottlosigkeit gehen Hand in Hand, die

 Zu ähnlichen Formulierungen in Jes s.o. Anm. 351.  Vgl. Reventlow 2004: 61– 63. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an Prov 1,22. Der Vers lautet im MT: „Bis wann, ihr Einfältigen, wollt ihr Einfalt lieben und haben Spötter ihre Lust an Spott und hassen die Toren (‫ ) ְכִּסיִלים‬Erkenntnis (‫ “?) ַדַּעת‬In der LXX wird daraus: „So lange die

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

Grenzen zwischen dem Toren und dem Frevler zerfließen. Der Götterhersteller kann daher nicht nur mit dem Toren, sondern auch mit dem Frevler (‫ ָר ַשׁע‬/ ἀσεβής) verglichen werden. So heißt es zum Beispiel in Prov 4,19: „Der Weg der Gottlosen (‫ ) ְר ָשִׁעים‬ist wie das Dunkel; sie erkennen (‫ )ידע‬nicht, worüber sie stolpern.“ Der Gottlose ist hier also wie der Götterverehrer blind und ohne Erkenntnis. Und sehr ähnlich wie in Jer 10,14 heißt es in Prov 13,19 LXX: ἔργα δὲ ἀσεβῶν μακρὰν ἀπὸ γνώσεως („die Werke des Gottlosen aber sind fern von Erkenntnis“).⁹⁷² Dieses ἀπὸ γνώσεως charakterisiert auch den Götterhersteller. Das Zusammenfallen von Gottlosigkeit und Erkenntnislosigkeit nimmt im götterpolemischen Diskurs aber eine etwas andere Wendung als in der Weisheitsliteratur, da nicht nur verhaltensauffällige Mitglieder der eigenen Religionsgemeinschaft, sondern auch Verehrer anderer Götter als Jhwh als erkenntnislose Toren dargestellt werden. Die Götterhersteller und -verehrer entsprechen nicht nur auf der Ebene ihrer Charakteristika den weisheitlichen Toren/Frevlern, auch strukturell handelt es sich um verwandte Figuren. Wie in der Weisheitsliteratur der Tor, so steht in götterpolemischen Texten der Götterhersteller als Negativbeispiel im Vordergrund, doch angesprochen sind Weise bzw. Jhwh-Verehrer.⁹⁷³ Tor und Götterverehrer sind Figuren, die der scharfen Kontrastierung dienen. Alles, was wir aus den Texten über sie erfahren, zeigt ihr falsches Denken und Handeln. So sind die Götterverehrer nicht nur unter anderem Götterverehrer: Es ist in ihnen kein Platz für positive Eigenschaften oder für richtige Erkenntnis. Sie erfüllen, wie der weisheitliche Tor, ihre Funktion innerhalb eines antithetischen Schemas. Die Texte befassen sich nicht damit, wie die Götterverehrer aus ihrer als verkehrt beschriebenen Situation herausfinden können.⁹⁷⁴

Unschuldigen sich an die Gerechtigkeit halten, werden sie nicht zuschanden werden; die Unvernünftigen (ἄφρονες) aber, die gierig auf vermessenes Tun sind, sind gottlos (ἀσεβεῖς) geworden, sie hassen Erkenntnis (αἴσθησις).“ Es wird also nicht mehr dem Toren Erkenntnislosigkeit zugeordnet, sondern Dummheit und Gottlosigkeit werden gemischt. Zur Nähe von Tor und Frevler aufgrund des im weisheitlichen Diskurs vorausgesetzten Zusammenhangs zwischen geistigen Fähigkeiten und sozio-religiösem Verhalten vgl. auch Shupak 1993: 266.  Reventlow 2004: 63 bemerkt zu diesem Vers: „The Greek version in Prov. 13.19 confirms the impression that for the Hellenistic translators the intellectual aspect is a basic component of piety […]. For the translators, stupid boldness means nothing else but a lack of piety.“ Allerdings scheint mir hier vor allem umgekehrt betont, dass die mangelnde Gottesfurcht Dummheit bedeutet.  Vgl. zum weisheitlichen Toren Hausmann 1995: 35.  Vgl. entsprechend zum weisheitlichen Toren Hausmann 1995: 14: „Daß und wie der Tor aus seiner Torheit entkommen kann, wird nirgends gesagt!“

5.5 Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit

291

Implizit setzen die götterpolemischen Texte voraus, dass die Leser an der Figur des töricht-frevlerischen Götterverehrers die Torheit der Götterverehrung erkennen. Explizit wird dieser didaktische Impuls in der „Lehrrede“ EpJer. In EpJer werden die Adressaten ausdrücklich zur Erkenntnis hingeführt und in ihrer Deutung der geschilderten Götterkult-Episoden angeleitet. Auch hier sind die Adressaten klar von den Götterverehrern unterschieden. Etwas anders stellt sich die Situation in den Lehrerzählungen Jub und ApcAbr dar, die einen Weg zur Gotteserkenntnis hin beschreiben. Der erkennende Protagonist – Abraham – hebt sich von Anfang an von seinem (den Bilder-Göttern verfallenen) Umfeld ab und ist den Lesern als Weiser/Gerechter bereits bekannt. Abraham erkennt jeweils, dass es sich bei der Verehrung der Bilder-Götter um einen Irrtum handelt und vollzieht so die Erkenntnis, die auch die Adressaten anderer götterpolemischer Texte vollziehen sollen. Diese Erkenntnis kann Abraham nicht an andere weitergeben: Seine Familie lässt sich nicht zur Abwendung von den Bilder-Göttern bewegen (Jub 12,6 – 8; ApcAbr 4,4– 6; 5,14– 6,10). Die Erkenntnis der Torheit der Götterverehrung ist jeweils eine individuell vollzogene Erkenntnis aufgrund eigener Anschauung. Die Abkehr von den Bilder-Göttern ist Voraussetzung für die Erkenntnis des Schöpfergottes. Durch selbständiges Nachdenken über die sichtbare Welt kann Abraham zur Erkenntnis gelangen, dass es einen Schöpfer geben muss. Zur vollständigen Erkenntnis des Schöpfergottes braucht es allerdings dessen Selbstoffenbarung als Antwort auf Abrahams Gebet (Jub 12,19 – 27; ApcAbr 7,1– 8,3).

5.5 Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit Die Götterverehrer leiden, wie ich im vorangehenden Kapitel ausgeführt habe, aus der Perspektive der polemischen Texte unter Erkenntnismangel. Sie sind blind in dem Sinn, dass sie Sichtbares und Erkennbares nicht richtig wahrnehmen und prozessieren können, und sie befinden sich im Irrtum, was besonders an der häufigen Verwendung von πλανάω in Sap deutlich wird. Die wahre Natur der Dinge erkennen die Götterverehrer nicht: Der Götterhersteller in Jes 44,14– 20 kann seinen Bilder-Gott nicht als den Holzklotz erkennen, der er ist; und auch die Verehrer von Elementen und Gestirnen in Sap 13,1– 9 halten diese fälschlicherweise für Götter, statt die Welt als Gottes Schöpfung und Gott als den Schöpfer zu erkennen. Das Nicht-Erkennen der Schöpfung und des Schöpfers scheint nach vielen götterpolemischen Texten ein grundlegender Irrtum der Götterverehrer zu sein. Die Anbetung falscher Götter ist nicht nur Unwissenheit über Gott, sondern auch gleichzeitig ein Irrtum über die Welt (z. B. Jes 44,19 f; Sap 13,1– 9) und über das menschliche Leben (z. B. Sap 12,23; 15,11 f). Der den Götterverehrern vorge-

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

worfene Erkenntnismangel ist umfassend und basiert auf einem Erkenntniskonzept, das allgemeine Gültigkeit beansprucht. Denn der Vorwurf des Erkenntnismangels bezieht sich nicht etwa auf Zuwiderhandlung gegen ein Gebot oder auf fehlende Geschichtserinnerung, sondern auf gegenwärtig und individuell zu vollziehende vernünftige Erkenntnis. Die Erkenntnis der Nutzlosigkeit und Verehrungsunwürdigkeit der Bilder-Götter wäre nach Darstellung der polemischen Texte voraussetzungslos jedem Menschen zugänglich (vgl. z. B. EpJer 51), der über die adäquate Prozessierung visueller Wahrnehmung verfügt. Als Konsequenz daraus kann sich der Vorwurf des Erkenntnismangels auch gegen Menschen richten, die sich nicht in einer Beziehung mit dem Gott des AT wissen. Dieser Erkenntnismangel offenbart sich in der Verehrung von Bilder-Göttern, was bedeutet, dass der Vorwurf der Verehrung „falscher“ Götter den Vorwurf fehlender Erkenntnis über Gott, Welt und Mensch impliziert und begründen kann. Daher kann sich die späte Götterpolemik in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung um Erkenntnis gegen „falsche“ Weise richten, die mit Götterbildern in Zusammenhang gebracht werden. Dies lässt sich erstmals an Jer 10 MT zeigen. Jer 10,7 erwähnt die „Weisen der Völker“ (‫)ַחְכֵמי ַהגּוֹיִם‬. Diese sind auch Subjekt des folgenden ‫יְִבֲערוּ ְויְִכָסלוּ‬, sie sind dumm und töricht. ‫ יְִבֲערוּ‬greift auf Jer 10,14 zurück, wo der Götterhersteller mit dem dummen Menschen ohne Gotteserkenntnis verglichen wird. Dazu kommt nun noch ‫ ְויְִכָסלוּ‬, das als ‫ ְכִּסיל‬aus der Weisheitsliteratur bekannt ist. Diese Weisen sind also nicht wirklich weise, sondern eigentlich Toren. Ihre Bezeichnung als „Weise der Völker“ lässt vermuten, dass es daneben auch so etwas wie „israelitisch-jüdische Weise“ gibt, und dass die Tätigkeit dieser Weisen gewisse Gemeinsamkeiten aufweist und sie untereinander vergleichbar sind, wobei sich ergibt, dass die Weisen der Völker dumme Toren sind. Diese Weisen werden im Folgenden mit den Bilder-Göttern verbunden. Zum einen wird der Begriff ‫ ֲחָכִמים‬in Jer 10,9 wiederholt, und zwar in der Formulierung ‫ַמֲע ֵשׂה ֲחָכִמים‬, die sich auf die Götterbilder bezieht. Zum anderen bezeichnet ‫ֲהָבִלים‬ („Nichtse“) in dem Ausdruck ‫( מוַּסר ֲהָבִלים‬V.8) die Instanz, die die Lehre (‫)מוַּסר‬ vorgibt, womit ebenfalls die „Weisen der Völker“ aus Jer 10,7 gemeint sein dürften.⁹⁷⁵ Dass die Götterbilder keine richtigen Götter sind, dürfte zu dem Zeitpunkt bereits hinreichend klar sein. Hölzerne Bilder-Götter (Jer 10,8b: ‫ )ֵעץ הוּא‬als Inhalt der Lehre betonen daher wahrscheinlich zusätzlich die Dummheit derjenigen, die so etwas lehren. Erkenntnismangel begegnet damit nicht nur als Grund für die Götterverehrung, sondern umgekehrt wird der Umgang mit Bilder-Göttern zum Ausdruck von Erkenntnismangel.

 Für eine ausführlichere Erläuterung s. o. 3.2.3.6.1. Eine ähnliche Interpretation von Jer 10,8 bietet Ben-Dov 2000: 124 („The aim of this verse is to ridicule alien wisdom“).

5.5 Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit

293

Die Deutung der Götterverehrung als Erkenntnisproblem in weisheitlichem Sinn schafft die Möglichkeit und Notwendigkeit einer solchen „internationalen“ Polemik, wie sie in Jer 10 MT gegen die Weisen der Völker gerichtet begegnet. Statt als Ermahnung an Israel erfolgt die Ablehnung der Bilder-Götter nun als Kritik am Erkenntnismangel der Völker. Diese Polemik basiert auf der Voraussetzung, dass die Ablehnung des Götterkultes nicht aus dem Befolgen eines Gebots, sondern aus der Erkenntnis über die Nutzlosigkeit und Verehrungsunwürdigkeit der BilderGötter folgt und diese Erkenntnis zudem allen Menschen zugänglich wäre. Damit ist die Möglichkeit gegeben, allen Menschen, die dennoch statt des Schöpfergottes die Bilder-Götter verehren, eine kognitive Fehlleistung zuzuschreiben. Da diese kognitive Fehlleistung in Bezug auf die Bilder-Götter und den Schöpfergott aber zugleich auf fehlende Welterkenntnis schließen lässt, sind die Götterverehrer (nach dem götterpolemischen Diskurs) in einem umfassenden Sinn als intellektuell unterlegen zu betrachten. Diese Auswirkung der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit lässt sich auch in der umgekehrten Ausformulierung zeigen: Wer wirklich weise ist, wendet sich von den Bilder-Göttern ab. Nur diejenigen Weisen, die Jhwh als wahren Gott erkennen, verfügen über umfassende Weisheit und sind daher anderen Weisen überlegen. So erkennt Abraham nach Jub nicht nur die Götterverehrung als einen Irrtum (Jub 11,16) und wendet sich dem Schöpfergott zu (Jub 11,17), er übertrifft und belehrt auch seine Mitmenschen in landwirtschaftlichen Belangen und erfindet eine Sämaschine (Jub 11,23 f). Während Abraham hier (wie in ApcAbr und BerR 38,13) seinem näheren Umfeld an Weisheit überlegen ist, stellt Josephus explizit die international-transkulturelle Dimension dieser Weisheit heraus: Abraham diskutiert in Ägypten mit Priestern über die Götter und widerlegt nicht nur die Ansichten der Ägypter, was die Götter betrifft, sondern lehrt sie gleich auch noch Arithmetik und Astronomie (A.J. 1,8,1– 2).⁹⁷⁶ Dieser Zusammenhang zwischen der Abwendung von den falschen Göttern und der intellektuellen Überlegenheit über die Verehrer anderer Götter ist ein Produkt des götterpolemischen Diskurses und nicht auf Abraham beschränkt. Ein kurzer Abschnitt aus Arist weist in dieselbe Richtung. Die Polemik gegen die Bilderverehrung und gegen die Vergöttlichung von Erfindern schließt mit folgenden Worten:⁹⁷⁷

 Interessant ist, dass die Diskussion als ergebnisoffen dargestellt wird („Wenn sie Besseres lehrten, wollte er ihnen folgen, andernfalls versuchen, sie eines Besseren zu belehren“, A.J. 1,8,1, Übersetzung nach Clementz 2002: 39). Die Frage der Götterverehrung ist hier eine Frage des besseren Arguments, und zwar unabhängig von einer gemeinsamen Tradition.  Der griechische Text folgt Pelletier 1962: 170 (meine Übersetzung).

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5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

(137) […] Καὶ νομίζουσιν οἱ ταῦτα διαπλάσαντες καὶ μυθοποιήσαντες τῶν Ἑλλήνων οἱ σοφώτατοι καθεστάναι. […] () Συνθεωρήσας οὖν ἕκαστα σοφὸς ὤν ὁ νομοθέτης, ὑπὸ θεοῦ κατεσκευασμένος εὶς ἐπίγνωσιν τῶν ἁπάντων, περιέφραξεν ἡμᾶς ἀδιακόποις χάραξι καὶ σιδηροῖς τείχεσιν, ὅπως μηθενὶ τῶν ἄλλων ἐθνῶν ἐπιμισγώμεθα κατὰ μηδέν, ἁγνοὶ καθεστῶτες κατὰ σῶμα καὶ κατὰ ψυχήν, ἀπολελυμένοι ματαίων δοξῶν, τὸν μόνον θεὸν καὶ δυνατὸν σεβόμενοι παρ᾽ὅλην τὴν πᾶσαν κτίσιν.

() […] Und diejenigen, die dies erfunden und erdichtet haben, halten sich für die weisesten der Griechen. […]⁹⁷⁸ () Als er nun alles umfassend betrachtet hatte, hat der Weise, der (unser) Gesetzgeber ist, der von Gott zur Erkenntnis von allem ausgestattet wurde, uns rundherum mit einem Zaun aus Pfählen und eisernen Mauern umgeben, damit wir gar keinen Umgang haben sollen mit keinem der anderen Völker, an Körper und Seele rein bleibend, befreit von leeren Meinungen, den einen und mächtigen Gott über der ganzen Schöpfung verehrend.

Für die Götterverehrung verantwortlich gemacht werden Personen, die sich „Weise“ nennen (τῶν Ἑλλήνων οἱ σοφώτατοι, vgl. ‫ ַחְכֵמי ַהגּוֹיִם‬in Jer 10,7). Im Gegensatz dazu wird Mose in Arist 139 als (wirklicher) σοφός bezeichnet. Er erkennt die Unsinnigkeit (ἀνόητος, Arist 136) der Götterverehrung, weil er, von Gott für die Erkenntnis von allem ausgestattet, jedes Einzelne umfassend betrachtet hat. Zwar ist die Fähigkeit zur umfassenden Erkenntnis hier als eine Gottesgabe dargestellt, sie befreit aber Mose als Weisen nicht von der Aufgabe, seine Fähigkeit in der Betrachtung auch anzuwenden. Seine Zurückweisung der Götterverehrung ist eine Befreiung von μάταιαι δόξαι. Der Begriff δόξα kann hier als bloße Meinung, als Vermutung aus dem Anschein im Gegensatz zur Erkenntnis über das Wesen der Dinge verstanden werden.⁹⁷⁹ Wieder wird Götterverehrung als Erkenntnismangel über die Schöpfung dargestellt, als mangelnde kognitive Durchdringung und verfehlte Interpretation der Welt (vgl. auch Arist 136). Die Verwerfung der BilderGötter und die Verehrung des Schöpfergottes implizieren beide eine überlegene Erkenntnis der Wirklichkeit.⁹⁸⁰ Über diese verfügt Mose, der sich damit offensichtlich als weiser als „die weisesten der Griechen“ (Arist 137) erweist. Die Verehrung des einen Schöpfergottes wird hier nicht mehr nur in Abgrenzung gegenüber „allen übrigen Menschen“ (Arist 134; vgl. Jer 10,14; Sap 13,1) zum Grund und Ausweis besonderer Erkenntnis. Vielmehr wird die Polemik auf eine Teilmenge dieser Menschen zugespitzt: Gerade gegenüber den „Weisen“ er-

 Arist 138 richtet sich gegen die Ägypter.  Vgl. LSJ s.v. δόξα II.2. Dass Überlegungen über das Wesen der Dinge durchaus im Blick sind, zeigt sich in Arist 136. Dort wird argumentiert, dass die Erfinder ja bloß Elemente der Schöpfung neu kombinieren, aber deren Grundbeschaffenheit (τὴν κατασκευὴν αὐτῶν) nicht gemacht haben.  Vgl. auch Feldmeier 1994: 21, der in Bezug auf Arist 139 darauf hinweist, dass damit ein „Anspruch auf Vernünftigkeit und damit letztlich auf allgemeine Anerkennung“ verbunden ist.

5.5 Götterpolemik als Polemik gegen fremde Weisheit

295

weist sich die Erkenntnis(fähigkeit) der Verehrer des einen Schöpfergottes nach Jer 10 MT und Arist 132– 139 als überlegen.⁹⁸¹ In beiden Texten findet sich ein ähnlicher Umgang mit diesen (anderen Völkern zugeordneten) „Weisen“: Sie werden für die Verehrung von Bilder-Göttern verantwortlich gemacht und ihnen wird Erkenntnis abgesprochen. Das gleiche Muster findet sich in Röm 1,22 f.⁹⁸² Als Urheber der Bilder-Götter nehmen die Weisen in der Polemik die gleiche Rolle wie die schon früher belegten Handwerker ein: Die Polemik gegen die (gegenständlichen) Machwerke von Handwerkern (‫ַמֲע ֵשׂה ָח ָרשׁ‬, Jer 10,9 MT) ist auch eine Polemik gegen die (ideologischen/theologischen) Machwerke der Weisen (‫ַמֲע ֵשׂה‬ ‫ֲחָכִמים‬, Jer 10,9 MT). Dazu passt, dass die polemischen Texte zwischen denjenigen, die Elemente der Schöpfung für Götter halten, und denjenigen, die von Menschen gemachte Objekte für Götter halten, keinen grundsätzlichen Unterschied machen. Vielmehr handelt es sich um einen graduellen Unterschied (vgl. Sap 13 – 15; Decal. 52– 81; Contempl. 3 – 9); die Übergänge sind fließend.⁹⁸³ Dass die „Weisen“ der Völker damit in die Nähe von Bilder- und Tierverehrern gerückt werden, könnte manche gebildete Griechen und Römer, die selbst solchen Kulten kritisch gegenüber standen, beleidigen. Vor allem aber zeigt sich an dieser Entwicklung, dass die weisheitlich geprägte Götterpolemik über die Ablehnung von bestimmten Kultobjekten hinaus einsetzbar ist als Polemik gegen andere Deutungen der Wirklichkeit mit rationalem Anspruch.Wie ich im Vorangehenden dargelegt habe, beschäftigt sich die Götterpolemik nicht nur mit Erkenntnis über Gott, sondern mit Erkenntnis über die Welt insgesamt. Wenn die Völker allesamt erkenntnislose Götterverehrer und ihre sogenannten Weisen die Urheber nutzloser Bilder-Götter sind, kann es außerhalb der Gemeinschaft der Verehrer des einen Schöpfergottes keine überlegene Weisheit geben. Die weisheitlich geprägte Götterpolemik sichert so letztlich die Stellung der jüdischen Weisheit als der einzig vernünftigen Deutung der Wirklichkeit.

 Etwas anders deutet Feldmeier 1994: 32 f Arist; er sieht die Juden zusammen mit den „paganen Weisen“ der dumpfen Masse der „Götzen- und Bauchdiener“ gegenübergestellt. Dieser Interpretation stimme ich grundsätzlich zu, meine aber, dass die jüdischen Weisen den anderen Weisen gegenüber als überlegen dargestellt werden (vgl. auch die Überlegenheit über die „Philosophen“ in Arist 235).  Diejenigen, die sich für „Weise“ (σοφοί, Röm 1,22) ausgaben, „sind zu Narren geworden“ (ἐμωράνθησαν, wie Jer 10,14 LXX); nach Röm 1,23 stehen sie am Ursprung der menschen- und tiergestaltigen Götter(bilder).  So stellt z. B. Philo in Virt. 219 Abraham, der sich von der babylonischen Astrologie und Elementeverehrung abwendet, als Vorbild für diejenigen dar, die sich von der Bilderverehrung abwenden.

296

5 Die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik

5.6 Ertrag Ziel dieser Arbeit war es, zu untersuchen, wie sich der in DtJes, Jer 10, EpJer, Sap und ähnlichen Texten produzierte götterpolemische Diskurs mit weisheitlichen Diskursen verbindet und welche Effekte sich aus dieser Diskursverschränkung ergeben. Die literarhistorischen Textanalysen haben ergeben, dass die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit nicht als lineare Entwicklung beschrieben werden kann. Die wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf den Verlauf des götterpolemischen Diskurses und seiner Verbindung mit Weisheit möchte ich hier thesenhaft noch einmal zusammenfassen. 1. Durch den götterpolemischen Diskurs wird der Gegenstand „Bild-Gott“ gebildet, der in altorientalischen Diskursen keine Entsprechung hat. Der Bild-Gott ist ein allgemein gehaltenes, nicht auf ein konkretes Götterbild festgelegtes Konstrukt, das aufgrund dieser Offenheit auf unterschiedliche Situationen (öffentliche Kultbilder/private Götterfiguren) und in unterschiedlichen historischen Kontexten anwendbar ist. Ein Bild-Gott ist ein handwerklich hergestellter, lebloser und nutzloser Gegenstand, der von den ihm zugeordneten Menschen mit „Gott“ angesprochen wird. Innerhalb des götterpolemischen Diskurses sind alle Götter anderer Völker (d. h. außerhalb der Gruppe, die sich selbst Jhwh zuordnet) BilderGötter. 2. Der götterpolemische Diskurs richtet sich weniger gegen Götter als vielmehr gegen Menschen, die Bilder-Götter herstellen und ihnen göttliche Macht zuschreiben. Diese Menschen können sich in älteren Texten innerhalb oder außerhalb der Gruppe der Jhwh-Verehrer befinden, später gehören sie stets zu den „Völkern“ und werden insbesondere als Babylonier oder Ägypter dargestellt. 3. Die Deutung des Verhaltens der Menschen, die den Bilder-Göttern zugeordnet werden, wird unter Verwendung weisheitlicher Diskurse vorgenommen. Die Diagnose wird aus einer beobachtenden Perspektive vorgenommen und lautet Erkenntnismangel. Den Götterverehrern fehlt es sowohl an Erkenntnis der Nutzlosigkeit und Verehrungsunwürdigkeit ihrer Bilder-Götter als auch an Erkenntnis des Gottes, dem eigentlich Verehrung zukommen sollte. Ihre Charakterisierung erfolgt in Entsprechung zu weisheitlichen Toren/Frevlern. Obwohl sich Götterverehrung/Erkenntnismangel und Jhwh-Verehrung/Erkenntnis als entgegengesetzte Pole gegenüberstehen, folgt die Rede von Erkenntnis im götterpolemischen Diskurs keiner symmetrischen Struktur. Zwar wird den Götterverehrern auch mangelnde Jhwh-Erkenntnis vorgeworfen, aber umgekehrt bezieht sich affirmativ formulierte Erkenntnis fast immer auf die Nutzlosigkeit und Verehrungsunwür-

5.6 Ertrag

297

digkeit der Bilder-Götter. Entsprechend leiten manche Texte zur Erkenntnis der Nichtigkeit der Bilder-Götter an, aber es gibt keine analoge Hinführung zur Erkenntnis Jhwhs. Im Vordergrund steht der Vorwurf des Erkenntnismangels. 4. Jhwh begegnet im götterpolemischen Diskurs insbesondere als Schöpfergott. Die Beschreibung seiner Schöpfermacht speist sich dabei aus einem weisheitlichen Diskurs. Während die Rede von Jhwh als Schöpfergott in älteren Texten dazu dient, seine überlegene Macht in ihrer heilvollen Auswirkung für sein Volk darzustellen, wird die Schöpfermacht in jüngeren Texten zum Kriterium des wirklich verehrungswürdigen Gottes. Aus der partikularen (und unhinterfragten) Perspektive heraus, dass der Gott Israels der Schöpfer der Welt sei, begründet Jhwhs Schöpfermacht seinen universalen Anspruch, als einziger Gott erkannt und verehrt zu werden. Die aus einem weisheitlichen Diskurs heraus entwickelte Vorstellung, dass Erkenntnis aus der adäquaten Betrachtung der geschaffenen Welt resultiere, ermöglicht die (positive oder kritische) Aufnahme nicht-jüdischer philosophischer Diskurse über Gotteserkenntnis in den götterpolemischen Diskurs. 5. Die Verehrung von Bilder-Göttern wird als Ausdruck einer kognitiven Fehlleistung beschrieben, die sich auf die Deutung der Wirklichkeit insgesamt bezieht. Das der Götterpolemik zugrunde liegende weisheitlich geprägte Erkenntniskonzept bezieht sich auf gegenwärtig und individuell zu vollziehende Erkenntnis und beansprucht allgemeine Gültigkeit. Richtige Erkenntnis über Gott, die Welt und das menschliche Leben bedingen sich darin gegenseitig. 6. Die weisheitlich geprägte Götterpolemik kann in jüngeren Texten zur Polemik gegen fremde Weisheit werden. Da die Götterverehrung zunehmend anderen Völkern zugeschrieben wird und gleichzeitig der Erkenntnismangel der Götterverehrer in den Vordergrund gerät, wird damit das Problem fehlender Erkenntnis aus dem Verfasser- und Adressatenkreis ausgelagert. Die Beziehung zu BilderGöttern wird anderen „Weisen“ als Zeichen von Erkenntnismangel vorgeworfen, während sich die Verehrer des einen Schöpfergottes als intellektuell überlegen erweisen.

6 Summary Aims and approach of the present book The present study aims at investigating how biblical idol polemics relate to wisdom.⁹⁸⁴ A number of texts in the Hebrew Bible and Septuagint criticize other gods and their worshippers in a particular way, namely, by denigrating the gods as mere images (Isa 40:19 – 20; 41:6 – 7; 44:9 – 20; 46:1– 2, 5 – 8; Jer 10; Hab 2:18 – 19; Ps 115; 135; Bel et Draco; Ep Jer; Sap. 13 – 15).⁹⁸⁵ Von Rad devoted a short chapter of his book Weisheit in Israel to these texts,⁹⁸⁶ taking for granted that the polemics against idols belong to the biblical wisdom tradition. Although other commentators have likewise noted that these polemical texts use terms and concepts commonly found in wisdom literature, no systematic attempt has been made to investigate the relationship between idol polemics and wisdom in more detail. In order to explore the relationship between idol polemics and wisdom as well as the effects of their convergence, I apply a discourse-analytical approach rooted in the sociology of knowledge.⁹⁸⁷ On the one hand, this approach allows me to describe the joining of idol polemics and wisdom, using both terms to denote certain discourse strands (rather than, for instance, literary genres), and investigate shared patterns of thought that underlie the use of similar forms and terminology in idol polemics and wisdom texts. On the other hand, within this discourse-analytical perspective, the texts are conceptualized as fragments of a discourse by which phenomena are actively constituted. Hence, I do not assume the polemical texts reflect a tangible historical reality perceptible without the lens of idol polemic discourse. This approach brings other aspects of the polemics to the fore. Special attention is given to arguments and lines of reasoning upon which the texts draw as well as to mechanisms of self-positioning and the positioning of others.⁹⁸⁸

 I use the term “idol” to denote powerless objects of reprehensible worship as the texts construe them (cf. 6.3), to be distinguished from the gods and cult images in the discourse of their worshippers.  In the following, I will refer to this group as “idol polemics.”  Vgl. von Rad 1970: 229 – 239 (“Die Polemik gegen die Götterbilder”).  Cf. Keller 2008 and 2011.  A different discourse-analytical perspective (based on Bourdieu) on idol polemics has been suggested by Levtow 2008, who reads these texts as polemical representations of Babylonian ritual practice.

Chronological overview

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The introductory chapter explains the discourse-analytical approach (1.1) and the delimitation of the sapiential and idol polemic discourses for the purpose of this study (1.2, 1.3). In chapters 2– 4, I analyze texts that potentially combine elements of both sapiential and idol polemic discourses. In order to trace the literary development of the joining of wisdom and idol polemics, each chapter treats texts which are clearly related either by a common context or by intertextual links. Chapter 2 deals with text passages from Second Isaiah, chapter 3 with Jer 10 as well as Ps 135 and Ep Jer (which are both dependent on Jer 10), and chapter 4 with Sap. 12– 15. The redaction-critical analysis of each text is followed by an analysis of sapiential and polemical features, and how they are combined in each particular passage. Chapter 5 presents a synthesis of the evidence, which I will briefly outline in this summary.

Chronological overview Based on the redaction-critical analyses detailed in chapters 2– 4, I reconstruct the following development of the joining of idol polemics and wisdom (cf. 5.1). Probably the earliest exponents of the discourse of idol polemics (in the sense of this study) are found in a series of secondary additions to Second Isaiah and do not show any sapiential features. These additions (which I do not consider a uniform redactional layer) tie in with polemics in the base layer of Second Isaiah (Isa 41:*21– 29) and denigrate the gods as mere images, a topic not yet present in the base layer of Second Isaiah. The idols’ lack of power is not demonstrated by reference to history – a major issue in the base layer of Second Isaiah –, but derives instead from their human origin. A few polemical passages show a different profile, drawing on a deuteronomistic discourse on foreign gods and on the interdiction of images (Isa 41:24b; 42:8; 46:3 – 4; 48:5). A fusion with wisdom discourse appears only in later polemical texts, such as in the additions of Isa 44:12– 13, 18, 19 – 20 (which presuppose the earlier additions containing idol polemics) and Jer 10:12– 16 (which connects to secondary sapiential reflections in the context of Jer 9 – 10). While Jer 10:12 – 16 might address the issue of idol worship within Israel, later redactions (Jer 10:2– 3a, 3b–5, 11) and the use of this text in Jer 51 direct the polemics at the nations, against Babylonians in particular. The final addition of Jer 10:6 – 10 (in the MT) could have taken place in the Hellenistic period and brands the wise of the nations as fools. Further polemical texts from the Hellenistic period might include Isa 45:15 – 17, Ps 135, Ep Jer, Jub. and Let. Aris., all of which present the worship of idols as a misguided behavior of the nations. There is no linear increase of sapiential features in the polemical texts from the Hellenistic period. However, most of the texts draw on

300

6 Summary

wisdom discourse in order to exalt the creator god and to conceive of idol worship as an intellectual failure. This impression is confirmed by polemical texts from the Roman period (Philo, Sap., Apoc. Ab.).

Idol polemics without sapiential features Idol polemics without reference to wisdom discourses appear in the earliest polemical passages in Second Isaiah as well as in passages of late texts such as Ep Jer, Sap., and Apoc. Ab. Several typical features characterize this discourse independently of its later combination with wisdom (cf. 5.2). To designate the object of the polemics as construed within the discourse, I use the term “idol.” The polemical texts construe this phenomenon as a manmade, inanimate, and useless object that is called “god” by its worshippers. The phenomenon of “idols” is not known in other ancient Near Eastern discourses, and the vague description of its fabrication, appearance, and use provided by the polemical texts does not allow for any identification with a precise statue or divinity known by other sources (cf. 5.2.1). Rather than a more or less correct representation of, for instance, Babylonian gods, the “idol” is a highly adaptable concept that can be applied to denigrate various forms of worship and belief in changing historical contexts. The use of almost identical polemical elements in texts from different time periods, as in Isa 44 and Sap. 13 (cf. 4.4.4.1), confirms this interpretation. Central to the the idol polemics’ line of argumentation is the idea that the idol makers and idol worshippers remain in a purely human sphere and cannot benefit from Yhwh’s powerful divine support. The divine prohibition against images or against the worship of foreign gods is not part of the rationale of idol polemics. Rather, the idols are of no use to humankind, for they are unable to fulfill the expectations of their worshippers. According to the polemical texts, the persons associated with idols fail to realize that their actions are useless and do not make any sense. The polemics are therefore targeted more on people than gods: the discourse of idol polemics constitutes not only the phenomenon of “idols” but also the phenomenon of the “idol worshippers”: precisely here, the joining with wisdom discourse comes into play.

The idol worshipper as a sapiential fool Sapiential features appear in idol polemical texts primarily to interpret the behavior of the people who rely on idols.

Idol polemics and the creator god

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For instance, Isa 44:19 – 20 provides an interpretation of the idol worshipper in Isa 44:14– 17 based on the negative human type found in wisdom literature. Like the sapiential fool, the idol worshipper lacks knowledge (‫ ) ַדַּעת‬and insight (‫) ְתּבוּ ָנה‬. The participle ‫( ר ֶֹעה‬from ‫ רעה‬II “to get involved with”) followed by an object describes the behavior of the negative human type in the antithetical sayings in Prov 13:20, 28:7 and 29:3. The underlying problem of the idol maker in Isa 44:20 is his deluded heart (‫)ֵלב הוַּתל‬. Similarly, in Proverbs, it is mainly the heart that distinguishes the wise from the fool. Further examples of descriptions of idol worshippers in terms of sapiential fools or wicked can be found in Jer 10:14, Let. Aris. 134– 138 and Sap. 12– 15 (cf. 5.4.2.2). The idol worshippers resemble the wicked/fool in several respects, including the role the latter plays in the text (cf. 5.4.2.2). Wisdom texts and idol polemics seem to dedicate more attention respectively to the wicked/fool and the idol worshipper than to their positive counterpart, the righteous/wise and the worshipper of Yhwh. Nonetheless, both Proverbs and idol polemics address the people on the “good” side, the righteous/wise and the worshipper of Yhwh. They describe the erroneous behavior of the fool, the wicked, and the idol worshipper without providing instructions on how to become wise for those who are not already. Instead, they confirm the wise and the worshipper of Yhwh in their moral, intellectual, and religious superiority. The primary function of the fool, the wicked, and the idol worshipper is to serve as a negative foil. Consequently, they have no further characteristics or activities beyond their stereotypically foolish, wicked and idolatrous behavior. In this sense, the idol polemics are structured by principles similar to the antithetical pattern of Proverbs.

Idol polemics and the creator god In addition to describing idol worshippers, idol polemics also refer to sapiential terminology and concepts in addressing the topics of creation and the creator god (cf. 5.3). Within the discourse of idol polemics, Yhwh is primarily conceived of as the creator god. In earlier texts, the reference to Yhwh as the creator is used to express his superior power and its beneficial effects for his people. In later texts, the act of creation becomes the criterion for who should be acknowledged and worshipped as god. This feature is particularly obvious in the Aramaic verse Jer 10:11: “The gods who did not make the heavens and earth shall perish from the earth and from under the heavens.” It is specifically in his role as creator that Yhwh constitutes the antipole to the idols (cf. Isa 40:12– 31; Jer 10:16; Bel 5; Jub. 11:17– 18; 12:3 – 4; Sap. 13:1– 9, etc.). Thus, Yhwh’s creative power legitimates

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6 Summary

his universal claim to be acknowledged and worshipped as the only god. The fact that other peoples attribute the creation of the world to their own gods does not play a role in the polemical texts, which address only the “wise.” Hence, a prior commitment to Yhwh is necessary in order to follow the argument of the texts. Still, the texts claim that the visible world reveals the power of the creator god manifest in his creation. Those who do not recognize the creator do not look closely enough or fail to draw the correct conclusion from what they have seen. The idea that the created world is a source of knowledge draws on a sapiential discourse. In this view, the idol worshippers’ lack of knowledge is not limited to their inability to know God: the fact that they consider idols to be gods indicates they have failed to understand the world correctly and to recognize it as God’s creation. The worship of idols thus betrays a lack of knowledge with regard not only to God but also to the world.

Knowledge of God as a rational insight According to the polemical texts, idol worshippers lack knowledge. They futilely worship powerless idols because they have no insight (cf. 5.4). Isa 44:18, 19 locate the problem in the heart (‫ )ֵלב‬of the idol worshipper. The issue of idol worship versus worship of God becomes a matter of reason: if the idol worshipper in Isa 44 were able to perceive his “god” correctly and reflect on his actions, he would necessarily realize that he worships a log of wood. In this aspect, the idol polemics differ from other biblical texts, which construe legitimate worship and knowledge of God as determined by tradition, law, and loyalty. Within the discourse of idol polemics, the worship of other gods is not prohibited; rather, it is a sign of stupidity. Idol worshippers lack insight because they fail to process visual information adequately. This idea is made explicit in Sap. 13:1– 9: the idol worshippers neither see nor think correctly (οἶδα, v. 1; ἐπιγινώσκω, v. 1; γινώσκω, v. 3; νοέω, v. 4; θεωρέω, v. 5). Instead, they rely on superficial impressions and mere opinions when they believe various objects to be gods (νομίζω, v. 2 [cf. Ep Jer 39, 44, 56, 63]; ὑπολαμβάνω, v. 3). Idol polemics thus present the issue of who or what should be worshipped as god as an insight each person should be able to reach individually through unprejudiced observation and reasoning. However, this conception remains theoretical, for the writers and readers of the polemical texts clearly presuppose the biblical god as the only powerful creator god and do not claim to have reached this knowledge by rational reasoning. It seems that only the “wrong” gods can be recognized by intellectual efforts, whereas the “true” god cannot (cf. 5.4.1).

Idol worship indicates a lack of insight

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Idol worship indicates a lack of insight Although the idol polemics claim that every reasonable person should be able to recognize the creator god manifest in his created world, it is not their purpose to lead all humans toward the knowledge of God. The polemical texts deal with the lack of insight; affirmative knowledge of God is rarely an issue in these texts. The lack of insight is used as a negative judgment and serves to denigrate people who worship other gods. Most of the polemical texts are written from the perspective of an observer, not blaming the readers of the text but a third party instead. There is a tendency to identify the mindless idol worshippers with other nations. Most of the later polemical texts emphasize that the author’s and reader’s own group does not worship idols (cf. Ep Jer; Sap. 15:1– 6). In doing so, they do not express the rejection of idols as an exhortation to Israel but as a reproach to the nations. According to the polemical texts, the insight that the idols are useless and unworthy of worship should be accessible to every reasonable person – in contrast to the divine prohibition of images, which is not referred to in idol polemics. Therefore, it follows that all those who worship idols instead of the creator god have failed on a cognitive level. Since this cognitive error in matters of idols and the creator god discloses an erroneous perception of the world, the worshippers of idols are considered intellectually inferior in a broad sense (cf. 5.5). This effect of the joining of idol polemics and wisdom is confirmed by the converse statement also found in the discourse of idol polemics: those who are truly wise turn away from idols, like Abraham in Jub. 11:16 – 17 (and Apoc. Ab. 1– 7) or Moses in Let. Aris. 139. Only the wise who know the creator god possess comprehensive wisdom and are therefore superior to all the “wise of the nations” (Jer 10:7) associated with idols. In sum, the present study argues that through the use of sapiential elements and patterns of thought, biblical idol polemics denigrate the worshippers of other gods specifically as fools. As a result, the polemics against idols develop into polemics against foreign wisdom, using the topic of idols merely to demonstrate the intellectual inferiority of the nations. Thus, the Bible’s joining of idol polemics with wisdom discourses lays the foundation for a conception of “other religions” as “less reasonable,” an idea which has exerted considerable influence to this day.

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Stellenregister (in Auswahl) Kursive Seitenzahlen verweisen auf Einträge in Fußnoten und Textanmerkungen.

Hebräische Bibel Gen 1 Gen 1,14 Gen 1,26 f Gen 2 – 3 Gen 2,7 Gen 2,9 Gen 18,27 Ex 8,22 Ex 18,11 Ex 20,3 f Ex 23,20 – 24 Ex 25 – 31 Ex 31,3 – 6 Ex 32,9 Ex 33,3 Ex 33,5 Ex 34,6 f Ex 34,9 Ex 35 – 40 Ex 35,31 – 35 Ex 36,1 f Ex 36,8 Lev 5,1 Lev 6,9 – 11 Lev 6,19 Lev 6,22 Lev 7,6 Lev 7,15 – 18 Lev 10,6 Lev 12,2 – 5 Lev 15,19 f Lev 21,5 Lev 21,10 f Num 13,33 Num 25,2 Dtn 4,16 – 18 Dtn 4,28 Dtn 5,7 f Dtn 7,25 f Dtn 7,26

63 214 28.95 246 125 243 101 208 142 64.266 156 82 38.131 79.266 79 79 232.282 79 82 38.131 38 38 91 f 166 166 166 166 166 168 166 166 168 168 29 15 95 140 f.156.270.274 64.266 208 100

Dtn 9,6 Dtn 9,13 Dtn 11,16 f Dtn 12,30 Dtn 14,28 f Dtn 26,13 f Dtn 27,15 Dtn 29,16 Dtn 30,19 Dtn 31,29 Dtn 32 Dtn 32,16 Jos 24 Ri 4,5 Ri 10,14 1 Kön 18 1 Kön 18,41 1 Kön 18,45 2 Kön 17,13 2 Kön 17,14 2 Kön 18,33 – 35 2 Kön 19,12 2 Kön 19,17 – 19 2 Kön 19,18 Jes 1,2 – 4 Jes 1,29 Jes 3,12 Jes 6,9 f Jes 9,12 – 16 Jes 11,2 Jes 12,3 – 5 Jes 19,11 Jes 19,11 – 13 Jes 19,21 Jes 21,9 Jes 29,8 Jes 29,9 – 16 Jes 30,9 Jes 38,18 f Jes 40 – 48

79 79 123 156 166 166 128 270 57 127 185 100 57 112 57 106.185 123 123 126 79 174.176 174.176 174 176 286 93 287 97.287 287 33 286 33 133 286 105 95 287 287 145 81.105

326

Jes 40,1 – 11 Jes 40,12 – 31 Jes 40,12 – 17 Jes 40,13 f Jes 40,17 Jes 40,18 – 20 Jes 40,19 f

Jes 40,21 Jes 40,22 Jes 40,25 Jes 40,26 Jes 40,28 – 31 Jes 40,28 Jes 41,1 – 4 Jes 41,1 Jes 41,4 Jes 41,5 Jes 41,6 f Jes 41,7 Jes 41,9 – 13 Jes 41,10 f Jes 41,20 Jes 41,21 – 29 Jes 41,22 f Jes 41,24 Jes 41,26 Jes 41,29 Jes 42,5 – 7 Jes 42,8 Jes 42,10 – 12 Jes 42,16 – 20 Jes 42,16 Jes 42,17 Jes 42,18 Jes 42,25 Jes 43,3 Jes 43,8 f Jes 43,9 Jes 43,10 Jes 43,11 f

Stellenregister (in Auswahl)

20 20 – 38.43 f.52.79. 82.105 f.257 18 35 f 47.49 18 f.27 – 29.277 14.38 – 43.45 f.58 – 60.103.266 – 268. 271 – 273.275 f 152.286 142 73 f 36 – 38.179 94 f 286 52 f.61 48 50.76 61.63.92 14.18.27.59.60 – 63. 81.103 f.106.273.275 160 61.63 92 97 18 f.44 – 57.58.64.69. 80.103.255 91 59.91 f 91 59.91 f 64 18.63 – 65.81 f.103. 266 64 f 92 66 18.65 – 67.81 f.103 f. 143.266.275 65 f 286 70 92 69.88 34.76.88.92.97 70.91

Jes 43,12 Jes 43,26 Jes 44,6 – 8 Jes 44,9 – 11 Jes 44,9 Jes 44,10 f Jes 44,9 – 20

Jes 44,12 – 18 Jes 44,12 f Jes 44,13 – 17 Jes 44,14 – 20 Jes 44,14 – 18 Jes 44,14 – 17 Jes 44,17 Jes 44,18 Jes 44,19 f Jes 44,19 Jes 44,20 Jes 44,21 ff Jes 44,21 – 24 Jes 44,21 Jes 44,25 Jes 45,3 Jes 45,9 Jes 45,14 – 17 Jes 45,15 – 17 Jes 45,15 Jes 45,17 Jes 45,20 – 25 Jes 45,20 f Jes 45,20 Jes 45,21 Jes 45,22 Jes 46,1 – 7 Jes 46,1 – 4 Jes 46,1 f Jes 46,1 Jes 46,5 – 8 Jes 46,5 – 7 Jes 46,6 – 8 Jes 46,6 f Jes 46,6 Jes 46,7 Jes 46,8

88 92 69.84.87 f.90 f.92 91 – 93.275 276 274 14.18 f.58 – 60.83 – 103.104 – 106.245. 261 257 93 – 96.274.276 228.268.271 291 71 76.172.274.276 159.169 96 f.283.289 257.289 282 284 87.90 94 98 133 47 244 67 – 69.81 18.105.260 70 70 72.135 69 – 71.73 – 75.282 f 18.59.80.81.103 – 106.159.169.274 f 91 70 71 – 77.80 75 f 14.18.70.75.105.256 81.170 14.59.81 f.103 f 18.76 f 58 165.274.276 272 140.159.169 73

Stellenregister (in Auswahl)

Jes 46,9 – 11 Jes 46,10 Jes 46,11 Jes 47,13 Jes 48,1 – 11 Jes 48,3 – 5 Jes 48,4 Jes 48,5 Jes 48,7 Jes 48,12 Jes 49,10 Jes 49,19 Jes 49,22 f Jes 50,44 Jes 53,4 Jes 53,11 Jes 55,8 f Jes 56,10 – 12 Jes 57,5 Jes 63,17 Jes 65,12 Jes 66,1 Jes 66,3 f Jer 2 Jer 2,5 Jer 2,6 f Jer 2,8 Jer 2,11 Jer 2,13 Jer 2,27 Jer 2,28 Jer 2,32 Jer 4,22 Jer 5,4 f Jer 5,22 Jer 5,24 Jer 7,9 Jer 8,8 Jer 8,19 Jer 9,1 – 21 Jer 9,5 Jer 9,11 Jer 9,22 f Jer 9,24 f Jer 10,1 – 16

75 142 24 126 64.78 77 – 79.266 81 18.50.65 f.81.103 f 105 76 95 29 286 29 76 76 33 287 15 287 49 95 49 107 108 286 91.287 91 124.136 108 141.256 286 135 286 f 123 123 108 108 108.115.118 113 287 118 113.118.121.135.257 113 f.118 14.18.40.107 – 137. 144 f.147 f.184 – 186. 188 – 191

Jer 10,2 f Jer 10,2 Jer 10,3 – 5 Jer 10,3 Jer 10,4 f Jer 10,5 Jer 10,6 – 10 Jer 10,9 Jer 10,11 Jer 10,12 – 16 Jer 10,12 f Jer 10,13 Jer 10,14 f Jer 10,14 Jer 10,15 Jer 10,16 Jer 10,17 – 22 Jer 10,21 Jer 12,16 Jer 13,25 Jer 14,18 Jer 14,22 Jer 16,10 – 13 Jer 16,19 – 21 Jer 16,19 Jer 16,20 Jer 17,5 – 11 Jer 18,4 Jer 18,18 Jer 19,15 Jer 22,28 Jer 24,7 Jer 27,5 Jer 27,15 Jer 29 Jer 31,34 Jer 32,17 Jer 43,12 f Jer 46,25 Jer 48,7 Jer 48,13 Jer 49,7 Jer 50,2

327

125 – 127 180 127 – 129.257 f.268 272 140 152 131 – 135.260.276. 292 f 272.295 129 f.148.258.278. 280 121 – 125.257 f.277. 287 143 f 179 276 143 f.165.183.213. 275.288.290 279 141 113 120 f 126.239 108 286 107.123.176.277 156 107.135.174 91 152.274 135 173 33 79 163 286 121 86 147 f.150.157 286 121 105 105 75 105 33 93.105.127.170.182

328

Jer 50,38 Jer 51,14 – 17 Jer 51,16 Jer 51,44 Ez 5,11 Ez 8 Ez 8,14 Ez 11,18 Ez 11,21 Ez 14,6 Ez 36,20 – 25 Hos 2,7 – 15 Hos 2,10 Hos 4,1 – 6 Hos 4,6 Hos 4,17 Hos 6,9 Hos 8,4 Hos 8,6 Hos 8,14 Hos 11,3 Hos 13,2 Hos 13,4 Hos 13,5 Hos 13,6 Joel 2,17 Am 3,1 Hab 2,18 f Hab 2,18 Hab 2,19 Zef 1,12 Ps 8,4 f Ps 25,4 Ps 79,10 Ps 84,4 Ps 90,12 Ps 92,6 f Ps 93,1 Ps 96,5 Ps 96,10 Ps 104,5 Ps 113 Ps 115 Ps 115,4 – 8 Ps 115,5 Ps 115,8

Stellenregister (in Auswahl)

127 118.127.258 113 170 100 266 168 100 100 100 141 286 272.287 239 286 f 93 93 86 174 286 287 128 286 287 286 141 114 14.270.276 143 144.165 129 34 36 141 163 246 122 42 f 280 42 f 42 145 14.40.137.140 – 145 270 163 216

Ps 135 Ps 135,15 – 18 Ps 135,16 Ps 135,17 Ps 135,18 Ps 136 Ps 136,5 – 9 Ps 146,3 – 6 Ps 147,4 f Hi 9,2 – 20 Hi 12,6 – 9 Hi 12,9 Hi 21,22 Hi 22,12 Hi 28,21 Hi 28,23 – 28 Hi 35,5 f Hi 36,18 Hi 36,26 Hi 38 – 41 Hi 38,2 Prov 3,19 f Prov 4,19 Prov 6,6 – 11 Prov 6,6 Prov 6,24 Prov 7,6 – 27 Prov 7,21 Prov 8 Prov 8,30 f Prov 8,36 Prov 10 – 29 Prov 10,21 Prov 12,1 Prov 12,8 Prov 12,26 Prov 13,20 Prov 16,4 Prov 19,21 Prov 21,30 Prov 22,3 Prov 24,30 – 34 Prov 24,32 Prov 27,12 Prov 28,7 Prov 28,24

14.40.107 f.137 – 147. 191.261 270 163 165 216 139 143 29 37 35 153 218 26 34 69 32 34 101 33 31 f 33 121 f 290 153 97.289 161 153 101 33 122 f 289 62 100.289 122.288 99 97 99 186 33 33 97 153 97 97 99 93

Stellenregister (in Auswahl)

Prov 29,3 Prov 30,4 Prov 31,20 Qoh 1,14 Qoh 3,10 – 14 Qoh 5,1 Qoh 9,13 – 16

329

99 32 166 97.153 153 142 153

Dan Dan 3 Dan 5,4 Dan 6 Dan 11,37 1 Chr 16,30

17.185 157 270 179 93 42 f

243 218.280 232 232 166 148 148 235 145 – 147 212 145 – 147.190 212 289 f 290 193 f 208 f.235 f.240 f.250 f 241 236 235 f.289 245 f 241.289 289 241 193 f 241 233 241 233 194 232 193 f.196 198.206 – 209 195.198 197.246 – 253 195.198 f.200.206 – 209

Sap 12,23 Sap 12,27 Sap 13 – 15

291 285 14.196.199 – 206. 264 f.295 154.209 – 220.263. 279 f.282.284 f.291 289 289 236 – 242.270.289 226 – 230.245.267 f. 271.274.276.285 275 165 230 – 236 236 – 242 220 – 226 254.283 220 – 226.268 236 – 242 289 230 – 236 282 165 233.236 – 242.243. 289 242 – 246.273.276. 283 271.274 291 209 – 220 143.274.279 165 199 32 186 246

Septuaginta Gen 3,19 LXX Ex 3,14 LXX Ex 34,6 – 9 LXX Lev 26,30 LXX Tob 1,8 2 Makk 2,2 2 Makk 2,4 3 Makk 6,2 Ps 113 LXX Ps 113,12 – 15 LXX Ps 134 LXX Ps 134,14 LXX Prov 1,22 LXX Prov 13,19 LXX Sap 1 – 6 Sap 1 – 5 Sap 1,1 Sap 1,15 Sap 1,16 Sap 2 Sap 2,13 Sap 2,24 Sap 3,11 Sap 6 – 9 Sap 7,22 f Sap 7,22 Sap 8,2 Sap 8,6 Sap 10 Sap 10,4 Sap 11 – 19 Sap 11,15 f Sap 11,17 – 12,22 Sap 12,23 – 15,19 Sap 12,23 – 27

Sap 13,1 – 9 Sap 13,1 Sap 13,7 Sap 13,10 Sap 13,11 – 19 Sap 13,17 Sap 13,18 Sap 14,1 – 8 Sap 14,8 – 10 Sap 14,11 f Sap 14,12 – 31 Sap 14,15 – 21 Sap 14,22 – 31 Sap 14,22 Sap 15,1 – 5 Sap 15,2 f Sap 15,5 Sap 15,6 Sap 15,7 – 13 Sap 15,7 Sap 15,11 f Sap 15,14 – 19 Sap 15,16 f Sap 15,17 Sap 16,1 f Sir 1,1 – 9 Sir 16,26 f Sir 17

330

Stellenregister (in Auswahl)

Sir 36,13 Sir 38 Sir 38,24 – 39,11 Sir 38,24 – 34 Sir 38,27 – 34 Sir 38,28 Sir 39,16 – 41 Sir 43,1 – 22 Sir 43,16 Jes 44,9 LXX Jes 44,12 – 20 LXX Jes 44,20 LXX Jer 10 LXX Jer 14,22 LXX Jer 28,15 LXX Jer 28,16 LXX EpJer

EpJer 1 – 6 EpJer 3 – 5 EpJer 3 EpJer 7 – 14 EpJer 7 EpJer 8 f EpJer 9 EpJer 14 f EpJer 14 EpJer 15 – 22 EpJer 17 EpJer 22 EpJer 23 – 28 EpJer 23 – 26 EpJer 24

173.244 84 89.96 132 38 95 186 179 218 212 153 245 109 – 120.131.189 f 212 112 113 14.107 f.147 – 188. 190 f.260.276.278. 291 154 – 157 165 270 158 – 161 170.272 272 178 268 151 – 154 161 – 163 159 151 – 154 164 – 166 274 269.272

EpJer 28 EpJer 29 – 39 EpJer 29 EpJer 32 EpJer 38 EpJer 39 EpJer 40 – 44 EpJer 41 EpJer 44 EpJer 45 – 51 EpJer 45 – 47 EpJer 46 f EpJer 47 EpJer 49 EpJer 50 EpJer 51 EpJer 52 – 56 EpJer 54 EpJer 56 – 64 EpJer 56 EpJer 63 f EpJer 65 – 68 EpJer 68 EpJer 69 – 72 EpJer 69 EpJer 71 f EpJer 71 EpJer 72 BelDr BelDr 4 f BelDr 5 BelDr 7 BelDr 14

151 – 154 166 – 169 151 178.268 270 151 – 154.169 169 – 172 282.285 151 – 154.169 172 – 175 143 216.273 151 151 – 154.169 153.274 151 – 154.169.292 175 – 177 150 177 – 179 151 – 154.169.270 151 – 154 180 f 151 – 154 181 – 183 112 153 f 151 – 154 269 14.17.178 f.185.259. 276 157 278 270 163

Röm 1,22 f Röm 1,27

295 233

ApcAbr 5 ApcAbr 7,1 – 8,3 ApcAbr 25 ApcAbr 26,3

261 291 266 266

Neues Testament Apg 19,24 – 27 Röm 1,18 – 32

244.276 193

Pseudepigraphen ApcAbr 1 – 8 ApcAbr 1 – 6 ApcAbr 4,4 – 6 ApcAbr 5,14 – 6,10

14.265 f 267.276 291 291

Stellenregister (in Auswahl)

Arist Arist 130 – 142 Arist 132 – 139 Arist 134 Arist 135 – 138 Arist 135 – 137 Arist 136 Jub Jub 11 – 12 Jub 11 Jub 11,4 f

262 288 293 – 295 225 264 222 280 261 f 14 150.177 254.268.284

Jub 11,16 f Jub 11,17 f Jub 11,23 f Jub 12,3 f Jub 12,6 – 8 Jub 12,6 Jub 12,16 – 18 Jub 12,19 – 27 Jub 12,20 TestXII.Zab 6,1

284.293 278 293 278 291 285 278 291 284 234

Griechische und römische Autoren Aristot. metaph. 980a Athenag. leg. 4,1 Athenag. leg. 26 Batr. 180 – 184 Cic. nat. deor. 2,152 Cic. Tusc. 5,78 Clem. Al. protr. 46 – 63 Epicharm Epikt. 1,6,7 f Hdt. 1,199 Hdt. 2,172 Hdt. 2,35 Hor. sat. 1,8,1 – 4a Josephus, C. Ap. 66 Josephus, C. Ap. 86 f Josephus, C. Ap. 139 Josephus, A.J. 1,8,1 – 2 Lucil. 15,490 Lukian. Syr.D. 6 Manil. 1,73 – 88 Min. Fel. 24,7 Philo, Cher. 41 Philo, Contempl. 3 – 9 Philo, Contempl. 7 Philo, Decal. 52 – 81 Philo, Decal. 59 Philo, Decal. 68 Philo, Decal. 69

213 230 265.271 162 234 263 261.265 229 218 171 271 215.263 182.230.261.271 208 208 208 293 182 171 234 271 172 264.295 271 264.295 284 284 208.284

Philo, Decal. 72 Philo, Decal. 73 f Philo, Decal. 76 Philo, Decal. 155 Philo, Legat. 2,49 f Philo, Migr. 5 Philo, Mos. 1,102 Philo, Opif. 7 Philo, Praem. 43 Philo, Spec. 1,33 f Philo, Spec. 1,319 Philo, Virt. 64 Philo, Virt. 65 Philo, Virt. 219 Plat. leg. 931e Plat. polit. 272e Plat. symp. 202d Plat. Tht. 176b Plat. Tht. 176c Plat. Tim. Plat. Tim. 27d Plat. Tim. 28c Plat. Tim. 29a Prop. 1,17,13 f schol. Aristoph. Nub. 830 Strab. 16,1,20 Strab. 17,1,28

276 143 215 235 172 172 208 279 217 217.279 223 279 280 212.295 229 235 154 143 239.252 217 280 279 279 234 230 171 263

Mesopotamische und ägyptische Texte AsBbA (= RINAP IV 48) 38.41

Die Berufe am Wasser

83

331

332

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Eḫulḫul-Zylinder Enūma Eliš Erra-Epos K. 4149+ Kyros-Zylinder Lehre des Ani

55 35.37 41 41 55 161

Lehre des Dua-Cheti Ludlul bēl nemēqi Soldat, Priester und Bäcker Strophengedicht des Nabonid

83.94 – 96 36 83 55 f