Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith 9783959485425

Die Konstruktionen von "Weiblichkeit", die im 19. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der bürgerlichen Gesellsc

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Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith
 9783959485425

Table of contents :
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Titelei
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
2 Die Zeitschrift Sulamith
3 Realitäten jüdischer Frauen in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts
3.1 Frauen im Rahmen traditionell jüdischer Lebensweise
3.2 Die Salonjüdinnen
4 Frauenbilder in Sulamith
4.1 Zeitgenössische nichtjüdische Konstruktionen von Weiblichkeit
4.2 Die Sulamith-Quellen
4.3 Die Bestimmung der Frau zur häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau
4.3.1 Die Bestimmung zur Gattin
4.3.2 Die Bestimmung zur Mutter
4.3.3 Die Bestimmung zur Hausfrau
4.3.4 Das Ideal der Häuslichkeit von Frauen
4.4 Erwerbstätigkeit und soziale Aktivitäten von Frauen
4.5 Die Stellung von Frauen in der Religion
4.5.1 Die Konfirmation von Mädchen
4.5.2 Zur religiösen Trauung
4.5.3 Gottesdienstreformen und Frauen
5 Konzepte der Mädchenerziehung in Sulamith
5.1 Geistesgeschichtliche Grundlagen der Bildungskonzepte in Sulamith
5.1.1 Einflüsse der europäischen und deutschen Aufklärung
5.1.2 Einflüsse aus dem traditionellen Judentum
5.2 Zum Ideal von Bildung und Erziehung im Allgemeinen in Sulamith
5.2.1 Bildung als Veredlung von Herz und Geist
5.2.2 Kritik an der traditionellen Erziehung
5.2.3 Kritik an den Bildungsvorstellungen der Eltern
5.2.4 Bildung als Teil der Emanzipation
5.3 Vorstellungen zur Bildung und Erziehung von Mädchen
5.3.1 Gründe für die schulische Bildung und Erziehung von Mädchen
5.3.2 Zum Bildungsbegriff für Mädchen
5.3.3 Kritik am Zeitgeist bezüglich Bildung und Verhalten der Frauen
5.3.4 Kritik an der traditionellen Mädchenbildung
5.4 Schul- und Unterrichtskonzepte für Mädchen in Sulamith
5.4.1 Zu den verschiedenen Schulen
5.4.2 Zur sozialen Situation der Schülerinnen
5.4.3 Zu den Unterrichtsinhalten
5.4.4 Zu den Methoden
6 Konstruktionen von Weiblichkeit in Sulamith als Teil der Entstehung deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit
7 Anhang: Unterrichtsfächer der neuen Schulen
8 Literaturverzeichnis
8.1 Quellen aus Sulamith
8.2 Sonstige Quellen
8.3 Sekundärliteratur

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Michaela Will

Die Konstruktionen von „Weiblichkeit“, die im 19. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft propagiert wurden und mit einer Polarisierung der Geschlechtscharaktere einhergingen, sind in vieler Hinsicht bis heute prägend. Die vorliegende Studie zeigt am Beispiel der jüdischen Zeitschrift Sulamith, wie die entstehenden bürgerlichen Weiblichkeitsvorstellungen in Abgrenzung zu den faktischen Realitäten von Frauen entwickelt wurden und sich u.a. mithilfe einer entsprechenden Mädchenbildung durchsetzen konnten. Dabei wird deutlich, wie die entstehenden jüdisch-bürgerlichen Geschlechterverhältnisse einerseits von der Mehrheitskultur beeinflusst waren und diese andererseits mit geprägt haben. Insofern versteht sich diese Studie als ein Beitrag dazu, die jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland als einen Aspekt deutscher Bildungsgeschichte sichtbar zu machen.

ISBN 978-3-95948-542-5

Michaela Will – Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith

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Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith

Verlag Traugott Bautz GmbH

Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith

Jerusalemer Texte

Schriften aus der Arbeit der Jerusalem-Akademie

herausgegeben von Hans-Christoph Goßmann

Band 24

Verlag Traugott Bautz

Michaela Will

Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith

Verlag Traugott Bautz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://www.dnb.de› abrufbar.

© Verlag Traugott Bautz GmbH 98734 Nordhausen 2021 ISBN 978-3-95948-542-5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

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1 Einleitung

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2 Die Zeitschrift Sulamith

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3 Realitäten jüdischer Frauen in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts

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3.1 Frauen im Rahmen traditionell jüdischer Lebensweise

22

3.2 Die Salonjüdinnen

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4 Frauenbilder in Sulamith

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4.1 Zeitgenössische nichtjüdische Konstruktionen von Weiblichkeit

38

4.2 Die Sulamith-Quellen

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4.3 Die Bestimmung der Frau zur häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau 4.3.1 Die Bestimmung zur Gattin 4.3.2 Die Bestimmung zur Mutter 4.3.3 Die Bestimmung zur Hausfrau

43 46 49 52

4.3.4 Das Ideal der Häuslichkeit von Frauen 4.4 Erwerbstätigkeit und soziale Aktivitäten von Frauen

54 59

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4.5 Die Stellung von Frauen in der Religion 4.5.1 Die Konfirmation von Mädchen 4.5.2 Zur religiösen Trauung 4.5.3 Gottesdienstreformen und Frauen

5 Konzepte der Mädchenerziehung in Sulamith 5.1 Geistesgeschichtliche Grundlagen der Bildungskonzepte in Sulamith 5.1.1 Einflüsse der europäischen und deutschen Aufklärung 5.1.2 Einflüsse aus dem traditionellen Judentum

64 64 67 71

75 76 77 79

5.2 Zum Ideal von Bildung und Erziehung im Allgemeinen in Sulamith 5.2.1 Bildung als Veredlung von Herz und Geist 5.2.2 Kritik an der traditionellen Erziehung 5.2.3 Kritik an den Bildungsvorstellungen der Eltern 5.2.4 Bildung als Teil der Emanzipation

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5.3 Vorstellungen zur Bildung und Erziehung von Mädchen 5.3.1 Gründe für die schulische Bildung und Erziehung von Mädchen 5.3.2 Zum Bildungsbegriff für Mädchen 5.3.3 Kritik am Zeitgeist bezüglich Bildung und Verhalten der Frauen 5.3.4 Kritik an der traditionellen Mädchenbildung

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92 92 94 100 105

5.4 Schul- und Unterrichtskonzepte für Mädchen in Sulamith 5.4.1 Zu den verschiedenen Schulen 5.4.2 Zur sozialen Situation der Schülerinnen 5.4.3 Zu den Unterrichtsinhalten 5.4.4 Zu den Methoden

109 109 114 115 118

6 Konstruktionen von Weiblichkeit in Sulamith als Teil der Entstehung deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit

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7 Anhang: Unterrichtsfächer der neuen Schulen

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8 Literaturverzeichnis

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8.1 Quellen aus Sulamith

134

8.2 Sonstige Quellen

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8.3 Sekundärliteratur

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Vorwort Die Konstruktionen von „Weiblichkeit“, die im 19. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft propagiert wurden und mit einer Polarisierung der Geschlechtscharaktere einhergingen, sind in vieler Hinsicht bis heute prägend. Die vorliegende Studie zeigt am Beispiel der jüdischen Zeitschrift Sulamith, wie die entstehenden bürgerlichen Weiblichkeitsvorstellungen in Abgrenzung zu den faktischen Realitäten von Frauen entwickelt wurden und sich u.a. mithilfe einer entsprechenden Mädchenbildung durchsetzen konnten. Dabei wird deutlich, wie die entstehenden jüdisch-bürgerlichen Geschlechterverhältnisse einerseits von der Mehrheitskultur beeinflusst waren und diese andererseits mit geprägt haben. Insofern versteht sich diese Studie als ein Beitrag dazu, die jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland als einen Aspekt deutscher Bildungsgeschichte sichtbar zu machen. In Zeiten wie diesen mit einem Backlash im Blick auf bürgerliche Geschlechterstereotypen wie auch auf zunehmenden Antisemitismus möchte diese Studie dazu beitragen, Stereotypen und Hass zu überwinden und durch eine differenzierte Sicht auf Geschlechterverhältnisse zu ersetzen. Diese kann entstehen, wenn die vielschichtigen Aushandlungsprozesse zwischen Idealen und Wirklichkeiten in unterschiedlichen, sich wechsel1 seitig beeinflussenden Kontexten in den Blick genommen werden. Mit dieser dekonstruktiven Perspektive verbindet sich für mich die Hoffnung, dass es gelingt, eine Zukunft zu gestalten, in der alle Menschen sich gleichermaßen frei entfalten können, wie auch immer sie sich religiös oder im Blick auf Geschlechterverhältnisse verorten. Die Studie wurde 1996 als Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Diplompädagogin am Fachbereich Erzie1

Als Studie zur Gegenwart vgl. Will 2016.

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hungswissenschaft der Universität Hamburg erarbeitet und für die vorliegende Veröffentlichung aktualisiert. Mein Dank gilt zunächst einmal Prof. Dr. Ingrid Lohmann, die mein Interesse für die Zeitschrift Sulamith geweckt hat, und den Kolleg:innen des damaligen Forschungskolloquiums über Jüdische Erziehung. Darüber hinaus danke ich meinem Ehemann Dr. Hans-Christoph Goßmann, der die Veröffentlichung dieser Studie angeregt und unterstützt hat. Michaela Will

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1 Einleitung Bei der Frage nach der Konstruktion von Weiblichkeit geht es um die Betrachtung des wechselseitigen Einflusses von Theorien von Weiblichkeit und gelebten Weiblichkeiten vor dem Hintergrund sozialer Verhältnisse. Die wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen dieser Fragestellung möchte ich zunächst kurz erläutern. Ich gehe in dieser Studie von der Annahme aus, dass der Begriff des „Geschlechts“ keine Naturkonstante ist, sondern ein soziales Konstrukt bzw. eine historische Kategorie, die sich erst in einem bestimmten histo2 rischen Zusammenhang entwickelt hat. Konsequenz dieser Annahme ist, dass an das Geschlecht gebundene soziale Zuschreibungen nicht als zeitlos gültig, natürlich und somit unwandelbar verstanden werden. Vielmehr werden weibliche (wie auch männliche) Geschlechtscharaktere als ein Produkt einer bürgerlich-patriarchalischen Gesellschaft gesehen, das gesellschaftlicher Veränderung zugänglich ist. Auf der Grundlage dieser Annahme der historischen und sozialen Bedingtheit von Weiblichkeiten wird es möglich, die Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit weiblicher Lebenszusammenhänge wahrzunehmen, wie auch ihre Übereinstimmung oder Abweichung von herrschenden Vorstellungen von Weiblichkeit. Auch die Vorstellungen von Weiblichkeit selbst können auf ihre Widersprüchlichkeit und ihre Beziehung zu alternativen Weiblichkeitsentwürfen wie auch zu den Realitäten von Frauen hin untersucht werden. Der Begriff der „Weiblichkeit“ selbst wird angesichts dieser Überlegungen problematisch, da er im Allgemeinen mit der Annahme einer natürlichen Festschreibung von Geschlecht verbunden wird und die Vorstellung der Einheitlichkeit der Lebensweise von Frauen wie auch der Theorien

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Vgl. Kuhn 1983; Schissler 1990.

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über Frauen vermittelt. Deshalb werde ich ihn im Folgenden häufig durch plurale Begriffe ersetzen (zum Beispiel „Bildung von Frauen“ anstelle von „weibliche Bildung“), soweit es sich nicht um die Wiedergabe von Texten handelt. Der Schwerpunkt der vorliegenden Studie liegt auf der Seite theoretischer Konstruktionen von Weiblichkeit: Die Vorstellungen jüdischer Aufklärer von Weiblichkeit werden anhand von Texten der Zeitschrift Sulamith dargestellt. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen sollen sie in ihrer Widersprüchlichkeit und Vielfältigkeit betrachtet werden. Ihre Abhängigkeit von jüdischen und nichtjüdischen Vorstellungen soll herausgearbeitet und ihr Bezug auf bestehende Realitäten jüdischer Frauen wie auch ihr Einfluss auf die Veränderung dieser berücksichtigt werden. Die Existenz der Zeitschrift Sulamith fällt in die Zeit der Entstehung der modernen bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland. Die Lebensweise des entstehenden Bürgertums war bestimmt durch die Trennung von Erwerbs- und Familiensphäre. Diese Trennung ging einher mit einer Neudefinition geschlechtlicher Arbeitsteilung, die Männern und Frauen ge4 trennte Wirkungsräume zuwies. In der idealen bürgerlichen Familie sollte die Frau, als Gattin, Hausfrau und Mutter dem privaten Bereich zugeordnet, den Familienzusammenhang garantieren, die Kinder erziehen und dem außerhäuslich erwerbstätigen Ehemann emotionale Unterstützung 5 bieten. Die so festgelegten Geschlechterverhältnisse wurden auf innere, 3

Vgl. Dittrich/Kleinau 1983, 26. Vgl. Frevert 1986, 18ff. 5 Kaplan weist auf die Grenzen des Paradigmas einer strikten Trennung von privater und öffentlicher Sphäre hin. Dieses müsse dahingehend differenziert werden, dass der Haushalt als privates und öffentliches Phänomen gesehen wird, da er von der öffentlichen Sphäre beeinflusst wurde und auf diese seinerseits Einfluss nahm. Vgl. Kaplan 1991, 4f.19. 4

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wesensgemäße, naturgegebene Merkmale von Männern und Frauen zurückgeführt. Diese Konstruktion polarer „Geschlechtscharaktere“ beinhaltete die Unterordnung des weiblichen Geschlechts unter das männli6 che. Das bürgerliche Familienmodell wurde zur Richtschnur für das entstehende Bürgertum sowie später auch für andere Gesellschaftsschichten. Die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung vollzog im Laufe des 19. Jahrhunderts den Aufstieg in den bürgerlichen Mittelstand. Im Vergleich zur nichtjüdischen Bevölkerung gelang ihr der Aufstieg zur kapitalistischen Bourgeoisie früh. Wirtschaftlich erfolgreiche Juden entwickelten eine im Verhältnis zum nichtkapitalistischen Bildungsbürgertum wohlhabendere und kulturell aktivere Variante bürgerlicher Existenz. Obwohl ihnen die Aufnahme in die bürgerliche Gesellschaft bis zum Beginn des Kaiserreichs vorenthalten wurde, hatten sie maßgeblichen Einfluss auf die Ge7 staltung des für die bürgerliche Existenz zentralen Ideals der Bildung. Die Zeitschrift Sulamith bietet einen Entwurf deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit, inklusive eines entsprechenden bürgerlich-jüdischen Frauenideals. Dieses soll im Folgenden anhand einer Analyse der Texte der Zeitschrift dargestellt werden. Dafür werde ich zunächst auf die Zeitschrift im Allgemeinen, ihre Autoren und ihre zeitgeschichtliche Einordnung am Übergang von der jüdischen Aufklärung zur Emanzipation eingehen. Im Anschluss wird ein kurzer Einblick in die Lebensrealitäten jüdischer Frauen der Zeit gegeben, wie sie sich auf der Grundlage der Rekonstruktionen gegenwärtiger Forschungen darstellen. In den beiden Hauptkapiteln 4 und 5 werden dann die Sulamith-Texte analysiert. Dabei soll zum einen herausgearbeitet werden, wie das von den Autoren propagierte Frauenideal aussieht, zum anderen, welche zu 6

Zur These der Polarisierung der Geschlechtscharaktere vgl. Hausen 1976. Vgl. Kaplan 1991, 7ff. Kaplan hat insbesondere auf den Einfluss von Frauen auf diese Gestaltung aufmerksam gemacht. Vgl. auch Kaplan 2003. 7

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diesem Frauenideal möglicherweise im Widerspruch stehenden Frauenrealitäten in den Texten zum Ausdruck kommen. Im ersten Hauptkapitel werde ich vor dem Hintergrund zeitgenössischer nichtjüdischer Konstruktionen von Weiblichkeit auf die verschiedenen Facetten des konstruierten Frauenbildes eingehen: Das Ideal der Frau als auf die häusliche Sphäre beschränkte Gattin, Mutter und Hausfrau sowie die ihr zugeschriebene Stellung in der Religion werden dargestellt. Daneben wird auf in den Texten sichtbare Erwerbstätigkeit und soziale Aktivität von Frauen hingewiesen. Im zweiten Hauptkapitel werde ich unter Berücksichtigung geistesgeschichtlicher jüdischer und nichtjüdischer Einflüsse auf die von den Sulamith-Autoren vertretenen Konzepte der Mädchenerziehung eingehen. Im abschließenden Kapitel wird das in Sulamith konstruierte Ideal von Weiblichkeit den zeitgenössischen Realitäten jüdischer Frauen gegenübergestellt, um Abgrenzungen und Kontinuitäten zu verdeutlichen. Ein Vergleich mit der von Marion Kaplan rekonstruierten Lebensweise jüdischer Frauen im Kaiserreich soll schließlich zeigen, in welcher Hinsicht das von den Sulamith-Autoren konstruierte Frauenideal in der folgenden 8 Zeit für die Realitäten jüdischer Frauen bestimmend wurde. Dabei soll auch die Frage aufgeworfen werden, inwiefern dieses Frauenideal bereits den Ansatz zu einer Weiterentwicklung zu einem gleichberechtigten Miteinander von Frauen und Männern in Gesellschaft und Religion in sich trug.

8

Vgl. Lohmann 1996c, 210.

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2 Die Zeitschrift Sulamith 9

Die Zeitschrift Sulamith wurde von David Fränkel und (bis 1807) Jo10 11 12 seph Wolf in Dessau herausgegeben. Sie erschien von 1806 bis 1848 in unregelmäßiger Folge und umfasste insgesamt 9 Jahrgänge mit je 2 13 Bänden á 6 Heften. Ein Band hatte den Umfang von ca. 400 Seiten. Anfang der 20er Jahre ging die Häufigkeit der Veröffentlichungen stark 14 zurück. Das Erscheinen von Sulamith fällt in eine Zeit tiefgreifender Veränderungen. Diese beinhalteten für die Juden in Deutschland die zeitweise Erlangung der Bürgerrechte, so beispielsweise 1806 in den von Napoleon besetzten Gebieten, 1807 in Anhalt-Dessau und 1812 in Preußen. In der Restaurationszeit wurden diese Rechte jedoch teilweise oder ganz zu15 rückgenommen. Die beginnende Industrialisierung und Urbanisierung ermöglichte den mehrheitlich in Armut lebenden Juden den Aufstieg in den bürgerlichen Mittelstand, dem zu Beginn des Kaiserreichs dann die 16 Mehrheit der deutschen Juden angehörte.

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David Fränkel war Gründer und Direktor der jüdischen Schulen in Dessau. Vgl. Fränkel 1807b. Zur Biographie s. Dietrich 2005, 534. 10 Joseph Wolf war Lehrer an den Dessauer jüdischen Schulen und Prediger in der dortigen Gemeinde. Vgl. Du Toit 1806, 66; Feierlichkeiten 1818, 51. 11 1806 erschien sie in Leipzig, 1810 vorübergehend in Kassel. Zum Ausscheiden Wolf aus der Redaktion vgl. Fränkel 1808. 12 Die Zeitschrift ist online zugänglich unter http://www.compactmemory.de [25.07.2021]. Zur Zeitschrift insgesamt vgl. Lohmann 2014; Grossert 1994; Grossert 2001; Grossert 2002. 13 Zur Datierung der Texte siehe Anmerkung 1 im Literaturverzeichnis. 14 In den ersten Jahren (1806-12) erschien jährlich ein Band, nach den Befreiungskriegen (1815-22) umfasste ein Band ein bis zwei Jahre, in den folgenden Jahren sogar bis zu 6 Jahre, d.h. es erschien ca. ein Heft im Jahr. 15 Vgl. Richarz 1976, 22f. 16 Vgl. Richarz 1976, 44.

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Neben den Veränderungen der rechtlichen und sozialen Verhältnisse der Juden war das Erscheinen der Sulamith von einer inneren Krise der jüdi17 schen Gemeinde begleitet. Die entscheidenden Aspekte dieser Krise bestanden in dem Verfall der traditionellen jüdischen Familienstruktur, sichtbar in einer Zunahme der Scheidungsrate und der Anzahl nichtehelicher Geburten, in der sogenannten Taufepidemie und in der Abnahme der traditionellen Religionspraxis. Die Herausgeber und Autoren der Sulamith formulierten angesichts dieser Verhältnisse eine Position der Vermittlung zwischen Tradition und 18 19 „Assimilation“. Dafür knüpften sie an die von Moses Mendelssohn und anderen entworfenen Ideen der Haskala, der jüdischen Aufklärung, 20 an und radikalisierten sie. Diese Ideen wurden Ende des 18. Jahrhunderts von einer Gruppe jüdi21 scher Intellektueller entwickelt. Diese fanden in einer stärker an die christliche Mehrheitskultur akkulturierten, kleinen Schicht wohlhabender 22 Juden Unterstützung und kamen zum Teil selbst aus dieser Schicht. Die Maskilim, die jüdischen Aufklärer, hatten sich zusätzlich zu ihrer traditionell jüdischen Bildung autodidaktisch die deutsche Sprache, Kenntnis 23 der Mehrheitskultur und die Ideen der Aufklärung angeeignet. Sie strebten nach einer Verbesserung der sozialen Lage der Juden und sahen eine 17

Vgl. Lowenstein 1992 sowie Lowenstein 2003. Vgl. Meyer 1994, 138. Zur Problematik des Begriffs „Assimiliation“ vgl. Kaplan 1991, 11. 19 Vgl. Mendelssohn 1989 sowie Behm 2002. 20 Vgl. Sorkin 1987a, 11. 21 Vgl. Lohmann 2020 sowie Lohmann 2014. 22 Naphtali Hartwig Wessely und David Friedländer kamen aus wohlhabenden Familien, Moses Mendelssohn, Herz Homberg, Isaak Abraham Euchel und Lazarus Bendavid wurden von wohlhabenden Familien gefördert. Vgl. Lohmann 1996c, 187ff. 23 Zur Ambivalenz vieler aufklärerischer Denker im Verhältnis zum Judentum vgl. Sutcliffe 2003. 18

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grundlegendende Veränderung des jüdischen Erziehungswesens als Mit24 tel hierzu an. Dieses sollte neben religiösem Unterricht die deutsche Sprache und Kenntnisse und Fähigkeiten für Handwerk und Gewerbe vermitteln, also religiöse mit säkularer Bildung verbinden. Umgesetzt wurde dieses Erziehungsprogramm in der Gründung aufklärerischer 25 Schulen, deren erste 1778 die Berliner Freischule war. Mitte der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts begann eine wachsende Distan26 zierung der jüngeren Maskilim vom traditionellen Lebensstil. Diese stellten die Gültigkeit des „Zeremonialgesetzes“ und die rabbinische Au27 torität in Frage. Anfang des 19. Jahrhunderts machte sich eine zunehmende Spaltung der Gemeinden in orthodoxe und aufklärerische Kreise 28 bemerkbar. In diese zweite Generation der Maskilim sind die Heraus29 geber und viele Autoren der Sulamith einzuordnen. Der Sulamith-Herausgeber Wolf nennt als ersten Zweck der Zeitschrift 30 „die Entwicklung der intensiven Bildungsfähigkeit der Juden“. Das angestrebte Ideal bestehe in einer Nation, die in sich selbst vollkommen und zugleich mit der Menschheit verbunden sei. Diese beiden Dimensionen solle der Name „Sulamith“, der „Vollkommenheit und Einigkeit“ 24

Vgl. U. Lohmann / I. Lohmann 2005. Weitere Schulgründungen erfolgten 1791 in Breslau, 1799 in Dessau, 1801 in Seesen, 1804 in Frankfurt am Main und 1807 in Wolfenbüttel. Vgl. Eliav, 2001, 270ff, sowie Eliav 1960a, 209f. Zur jüdischen Freischule vgl. Lohmann 1996c, 195ff. 26 Vgl. Lowenstein 1991, 9. 27 Vgl. Lowenstein 1994, 5. 28 Vgl. Lowenstein 1991, 8f.13. 29 Vgl. Graetz 1996, 348f; Katz 1986, 141; Meyer 1988, 28; Lohmann 1996c, 200. Anders Sorkin (1987a, 11ff und 1994, 24.30), der die Herausgeber der Sulamith der auf die Haskala folgenden Epoche der Emanzipation zuordnet und sie als frühe „ideologues of emancipation“ bezeichnet. Sorkin betont die Unterschiede zwischen Sulamith und der Haskala bezüglich des Verhältnisses von Bildungsstand und Gewährung der Bürgerrechte, sowie bezüglich der Sicht von Staat und Geschichte. Vgl. Sorkin 1987a, 21ff. 30 Wolf 1806a, 11. 25

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bedeute, wie auch der Untertitel „Zeitschrift zur Beförderung der Kultur 31 und Humanität unter der jüdischen Nation“ zum Ausdruck bringen. Als Mittel der Bildung solle die Religion dienen, bzw. die Besinnung auf den „Kern“ der jüdischen Religion. Dabei gelte es, bei den Juden Ehrerbietung gegenüber der eigenen Religion zu erwecken, aber auch in der Religion das Wahre vom Falschen zu trennen und so „die Nation in ih32 rem eigenen Selbst auf[zu]klären“. Diese Ausrichtung der Sulamith 33 blieb durch die Jahre hindurch unverändert. Neben der innerjüdischen Aufklärung ging es den Herausgebern auch um eine Vermittlung mit der nichtjüdischen Umwelt, der die Vereinbarkeit von (gereinigter) jüdischer Religion und bürgerlicher Gesellschaft ge34 zeigt werden sollte. Diese gleichzeitige Ausrichtung auf jüdische und nichtjüdische Leserschaft war eine Neuerung im Vergleich zu dem Vorgänger der Sulamith, der von Mendelssohn herausgegebenen hebräischen 35 Zeitschrift Hameassef. Auch christliche Beiträge waren in der Sulamith erwünscht, und einige nichtjüdische Gelehrte machten von diesem Ange36 bot Gebrauch. Inhaltlich bot die Sulamith in Anlehnung an „Hameassef“ ein breites Themenspektrum. Es umfasste Abhandlungen über Religion, Moral und Pädagogik, Erzählungen mit sittlicher Tendenz, Übersetzungen aus der Bibel und anderen hebräischen Schriften, Verbesserungsvorschläge zu 31

Vgl. Wolf 1806a, 8 Anmerkung. Wolf 1806a, 10. Vgl. Fränkel 1806a, 17.27. 33 Vgl. Sorkin 1987a, 21. 34 Vgl. Wolf 1806b. Vgl. Meyer 1994, 138. 35 Vgl. Fränkel 1806a, 28f. Vgl. auch Sorkin 1987a, 16f. Sorkin weist darauf hin, dass das Erscheinen von Sulamith und den ersten deutschen Predigten die Anfänge einer neuen deutschsprachigen öffentlichen Sphäre repräsentierte. Vgl. auch von der Krone 2012, 15.103. 36 Vgl. Horwitz 1896, 78, sowie Oppermann 2011. 32

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einzelnen Gebräuchen, Nachrichten über die Lebensweise anderer Völker, besonders der jüdischen Gemeinden, technische Aufsätze, besonders zu kaufmännischen Themen, historische Abhandlungen, Biographien und 37 Bibliographien mit ausführlichen Rezensionen. Die verschiedenen Erlasse zur Gewährung von Bürgerrechten für die Juden wie auch zu deren 38 Einschränkung wurden abgedruckt. Daneben fanden sich Nachrichten über die Gründung neuer aufklärerischer Schulen wie auch regelmäßige 39 Rechenschaftsberichte über die Entwicklung einiger von ihnen. Außerdem wurde ausführlich über erste gottesdienstliche Reformen, insbeson40 dere durch das Königlich Westfälische Konsistorium, berichtet. Diese umfassten die Einführung der deutschen Sprache im Gottesdienst, von Predigt, Orgel und Chor, von Konfirmation und Sonntagsandacht. Die 41 ersten deutschen Predigten wurden abgedruckt. Ein Blick auf die Pränumeranten- und Subskriptionslisten der Sulamith zeigt, dass die Sulamith die beabsichtigte Leserschaft auch erreichte. In den Listen finden sich zum einen verschiedene Könige, Herzöge, Fürsten und Minister, u.a. Hardenberg, zum anderen fast alle Vorsteher und Ältesten der großen deutschen und einiger ausländischer jüdischer Gemein42 den. Auch die Berliner Salonière Madame Levy wird als Abonnentin aufgeführt. Die Mehrheit der jüdischen Leserschaft kam aus dem aufstei43 genden Besitz- und Bildungsbürgertum. Ob die von den Herausgebern 37

Vgl. Stein 1937, 194f. Die Beiträge gingen weit über den regionalen Kontext der Sulamith hinaus. Zur Bedeutung der Zeitschrift beispielsweise für die Prager jüdische Aufklärung vgl. Annette Gerstenberg 1999. 39 Vgl. Graetz 1996, 350. 40 Dubnow (1923, 275) bezeichnet die Sulamith für die Zeit von 1808 bis 1812 sogar als das "Leiborgan" des Konsistoriums. Vgl. Sorkin 1987a, 21. 41 Vgl. Stein 1937, 205ff. 42 Vgl. Stein 1937, 224f. Vgl. zum Beispiel Pränumeranten-Verzeichnis 1837. Vgl. auch Fränkel 1843. 43 Vgl. Graetz 1996, 350. 38

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beabsichtigte Einbeziehung auch traditioneller Juden erreicht wurde, 44 bleibt angesichts der verletzenden Kritik an deren Lebensweise fraglich. Angesichts der Tatsache, dass diese traditionell lebenden Juden bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung 45 ausmachten, stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Sulamith in ihrer Zeit. Diese muß zunächst in ihrer Vorbildfunktion für die damalige aufklärerische Minderheit gesehen werden. Die Berichte über Schulgründungen und Reformen regten zu ähnlichen Projekten an anderen Orten 46 an. Stein hat insbesondere auf die Bedeutung von Sulamith für die Durchsetzung der deutschen Predigt hingewiesen. Insgesamt trug die Zeitschrift dazu bei, dass aus der geistig-kulturellen Strömung der Haskala eine soziokulturelle Erscheinung mit weitreichendem Einfluss 47 wurde. Von Sulamith gingen wichtige Impulse zur religiösen Reform wie auch erste Ansätze einer Wissenschaft des Judentums aus, auch wenn die Zeit48 schrift nur eine vorübergehende Erscheinung war und die eigentlichen Vertreter der Reformbewegung und der Wissenschaft des Judentums in den 20er und 30er Jahren andere Zeitschriften für ihre Diskussion nutz49 ten. So muss die Bedeutung der Sulamith auch in ihrer zukunftsweisenden Funktion gesehen werden. Die durch sie mitgeschaffene bürgerliche, deutsch-jüdische „Subkultur“ wurde nach der Jahrhundertwende identi44

Zur Absicht der Harmonie vgl. Fränkel 1806a, 28; Wolf 1806a, 10f. Zur tatsächlichen Kritik vgl. Stein 1937, 196f. 45 Vgl. Richarz 1976, 47. 46 Vgl. Stein 1937, 213.205f.208. 47 Vgl. Graetz 1996, 349. Zur Bedeutung der jüdischen Presse insgesamt für die jüdische Aufklärung vgl. auch Johannes Valentin Schwarz 2006. 48 Vgl. Graetz 1996, 350. 49 Vgl. Stein 1937, 225; Sorkin 1987b, 124ff; Meyer 1988, x (Preface). Zum Geschichtsverständnis der Maskilim vgl. Feiner 2002 sowie Michael 1974.

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tätsstiftend für eine immer größere Mehrheit der jüdischen Bevölke50 rung. Einen Aspekt dieser deutsch-jüdischen Ideologie stellt der Entwurf des bürgerlichen Frauenideals und entsprechender Konzepte der Mädchenerziehung dar. Neben einigen grundlegenden Betrachtungen dazu finden sich ab 1809 (bis 1822) Berichte über die von den Maskilim gegründeten jüdischen Mädchenschulen. Die Relevanz dieses Themas für die Zeitschrift als ganze wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Fränkel seine einleitenden Worte zum 1. Jahrgang damit beschließt, den „achtungswürdigen Müttern und Töchtern in Israel“ die Sulamith als „getreue 51 Freundin und Rathgeberin“ ans Herz zu legen. In der Forschungsgeschichte ist dieser Aspekt bisher kaum beachtet wor52 den, sei es in judaistischen Studien oder in der Frauenforschung. Dies entspricht der Beobachtung, dass es insgesamt im Schnittbereich dieser 53 beiden Forschungsgebiete nur wenige Studien gibt, insbesondere im 54 Blick auf jüdische Mädchenbildung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die vorhandenen Forschungsergebnisse sollen im Folgenden und anhand einer Analyse der betreffenden Texte aus Sulamith überprüft und vertieft werden. 50

Vgl. Sorkin 1987b, 173; Graetz 1996, 350. Vgl. auch Lässig 2004, 446ff. Fränkel 1806a, 38. Vgl. Horwitz 1896, 53. 52 Neben Feiner (1993, 464ff), Lohmann (1996, 198ff), Eliav (1993, 101.109 Anmerkung 24, sowie 2001, 348ff) und Lässig (2004) geht lediglich Stein (1937, 213f) kurz auf die Bedeutung der Sulamith für die Geschichte der jüdischen Mädchenerziehung ein. Meyer (1994, 149f) weist nur mit einer die Rezeption dieser Ideen infrage stellenden Bemerkung darauf hin. 53 Vgl. Carlebach 1979, 107 Anmerkung 3; Kratz-Ritter 1996. Zur Kaiserzeit siehe die beeindruckende Studie von Marion Kaplan (1991). 54 Abgesehen von den Studien von Eliav (1960b und 2001) und Lässig (2004) handelt es sich in erster Linie um Studien über einzelne Schulen oder regionale Untersuchungen. Vgl. zum Beispiel Rudolph 1978 und 1979; Schlotzhauer 1990; Pritzlaff 1994; Randt 1995; Fehrs 1993; Lohmann 1996c. Für die Folgezeit vgl. Hoffmann 2001, 160ff. 51

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3 Realitäten jüdischer Frauen in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts In Sulamith entwickeln die Maskilim ein bürgerliches Frauenideal, in dessen Zentrum die Aufgaben der Hausfrau, Gattin und Mutter stehen. Mit dem Entwurf eines solchen Frauenbildes grenzen sie sich zum einen gegen die Stellung von Frauen im traditionellen Judentum, zum anderen gegen die weitgehend säkulare, von romantischen Idealen bestimmte Lebensweise der Salonjüdinnen ab. Die Lebensrealitäten dieser Frauen werde ich im Folgenden skizzieren, um dann vor dem Hintergrund zeitgenössischer Konstruktionen von Weiblichkeit auf die Quellen aus Sulamith einzugehen.

3.1 Frauen im Rahmen traditionell jüdischer Lebensweise Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lebte wahrscheinlich die Mehrheit 55 jüdischer Familien traditionell, insbesondere auf dem Land. Über die Lebenssituationen traditionell lebender jüdischer Frauen in dieser Zeit gibt es nach wie vor nur wenige Untersuchungen. Ausgehend von Memoiren und einigem statistischen Material versucht Monika Richarz, ein 56 Bild von diesen Frauen zu entwerfen. Als wesentliches Kennzeichen für die traditionelle Lebensweise nennt sie 57 die Einheit von religiösem, kulturellem und sozialem Leben. Religion und Kultur erschienen als identisch, so dass das Leben des einzelnen wie der Gemeinde von den 613 Geboten der Thora bestimmt war. Die jüdischen Gemeinden besaßen eine weitgehende Autonomie zur Regelung ihrer religiösen, erzieherischen und sozialen Aufgaben und lebten in Dis55

Vgl. Richarz 1976, 48; Eliav 1960a, 196. Anders Carlebach 1981, 170. Zum Leben der Frauen im osteuropäischen Stetl vgl. Zborowsky/Herzog 1991, 96ff. 57 Vgl. Richarz 1976, 44f. 56

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tanz zur nichtjüdischen Umwelt, von der sie sich auch durch Sprache und Kleidung unterschieden. Gemeinde und Familie waren patriarchalisch 58 organisiert. Männer und Frauen hatten weitgehend getrennte religiöse Funktionen. Die Frauen waren dispensiert von den meisten religiösen Pflichten der Männer, unter anderem vom Talmudstudium, das das Ideal höherer Bildung darstellte, dem Vorlesen aus der Thora im Gottesdienst und der Teilhabe am aktiven und passiven Wahlrecht zum Gemeindevorstand. Sie erhielten weniger religiöse Unterweisung und keinen Hebräischunterricht. Die spezifischen religiösen Pflichten der Frauen bestanden in der Geburt und Erziehung der Kinder, der Führung eines koscheren Hauses und der Entzündung und Segnung der Sabbatkerzen. Die Frauen hatten damit eine hohe Bedeutung für die religiöse Praxis im Haus. Ehepaare waren zur gegenseitigen Liebe und Hochachtung und Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse verpflichtet. Rachel Biale hat jedoch darauf hingewiesen, dass gerade im Bereich der Sexualität die Halacha (das jüdische Gesetz) wahrscheinlich großzügiger zu den Frauen war als das 59 Leben selbst. Die Ehen kamen durch Ehestiftung zustande und bedeuteten eine Verbindung zwischen zwei Familien, deren Bedingungen die Eltern festlegten. Die Frauen hatten bis zur Mitte des 19. Jahrhundert auch eine wichtige 60 wirtschaftliche und berufliche Bedeutung. Die meisten Juden waren kleine Händler und Trödler. Haushalt und Handelsbetrieb bildeten eine

58

Vgl. Richarz 1976, 58ff. Vgl. Biale 1984, 6f. 60 Vgl. Richarz 1976, 43f.55f; dies. 1992, 60f. 59

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61

örtliche Einheit. So war die Haushaltsführung eine komplexe Angelegenheit. Neben der Sorge um Haus und Familie mussten Waren eingelagert, Gesinde eingestellt und beaufsichtigt und für die Erziehung der Kinder gesorgt werden. Von der Tradition her hatten die Frauen die wichtige Aufgabe, Söhne und Ehemänner zum Thorastudium anzuhal62 ten. Der Haushalt umfasste neben Verwandten auch Gesinde und Leh63 rer, unter Umständen auch illegale Bewohner und Kostgänger. Daneben 64 gab es auch andere Existenzformen wie zum Beispiel die Kleinfamilie. Die meisten Frauen arbeiteten im Geschäft des Mannes mit, bei Inhabern von Ladengeschäften als Verkäuferin, Buchhalterin oder Kassiererin. Bei den Landjuden übernahmen die Frauen den örtlichen Handel, die Pflege des Stallviehs und den Futteranbau, weil die Männer als Hausierer oder Viehhändler unter der Woche abwesend waren. Die Memoiren der Glückel von Hameln zeigen, dass eine Witwe mit der Hilfe von Angestellten einen Handelsbetrieb auch allein weiterführen konnte. Frauen aus der Unterschicht arbeiteten als Hausangestellte. Wo die Männer sich ganz dem Studium widmeten, waren die Frauen allein für den Unterhalt verantwortlich. Mit steigendem Wohlstand begannen die Frauen der Mittel- und Oberschicht, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, und passten sich damit dem gehobenen Bürgertum der Städte an. Doch auf dem Land und in der Unterschicht blieb die Frauenarbeit weiterhin verbreitet. Daneben waren die Frauen auch in gemeindlichen Aktivitäten, besonders sozialer Art, engagiert. Inwieweit auch hier eine Trennung der Geschlechter maßgeblich war, ist umstritten. Carlebach nimmt an, dass eine rigide Geschlechtertrennung hauptsächlich in der Synagoge und den Stu61

Für eine differenziertere Aufschlüsselung der Berufe vgl. Richarz 1976, 21. Vgl. Herwig 1994, 85ff; Kaplan 1991, 41f. 63 Vgl. Carlebach 1981, 162f. 64 Kaplan betont den zyklischen Wechsel zwischen verschiedenen Existenzformen innerhalb einer Familie. Vgl. Eliav 1960a, 191. 62

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dierzirkeln beachtet wurde und Männer und Frauen sich ansonsten in 65 religiösen und sozialen Situationen relativ frei vermischten. Da die sozialen Aktivitäten eine Extension der Familie dargestellt hätten, hätten Frauen eine starke soziale Stellung und die gleiche Verantwortung für soziale Aktivitäten wie Männer gehabt. Kaplan und Richarz dagegen betonen die Trennung und Hierarchisierung der Geschlechter in allen 66 Bereichen des Gemeindelebens. Die Hierarchie zeigt sich für sie daran, dass die Frauen vom öffentlichen Management gemeindlicher Aktivitäten ausgeschlossen waren und Männer die verantwortlicheren Positionen innehatten. Die Trennung ermöglichte den Frauen andererseits auch gemeinsame Freiräume, in denen sie relativ eigenständig wohltätige Aktivitäten für Frauen organisierten. Auch die Stellung von Frauen im jüdischen Gesetz wird von den Forscher:innen unterschiedlich beurteilt. Carlebach spricht zwar von einer 67 ungerechten („unequal“) Stellung von Frauen im jüdischen Gesetz, bezeichnet dieses jedoch als weitgehend unparteiisch. Die Schwierigkeiten aufgrund der ungerechten Stellung sieht er entkräftet durch soziale Sanktionen der Gemeinde gegen Männer, die das Gesetz ausnutzten. Die vielen Ansuchen von Frauen und Bediensteten in der Responsenliteratur zeigten, dass alle Mitglieder der Gemeinde gleichermaßen Zugang zu legalen Prozessen gehabt hätten. Ein zusätzlicher Ausgleich bestehe in der starken sozialen Stellung der Frauen. Die Frauen selbst hätten die Unzulänglichkeiten im Gesetz im Glauben auf eine Wiedergutmachung am Ende der Tage betrachtet.

65

Vgl. Carlebach 1981, 164ff. Vgl. Eliav 1960a, 197f; Richarz 1992, 58f. Vgl. auch Green 1994, 238f. 67 Er nennt in diesem Zusammenhang verschiedene Aspekte: die Unmöglichkeit für Frauen, die Scheidung einzureichen, die Anwendung der „bastardy laws“ nur bei Ehebruch von seiten der Frau und den Ausschluß von Frauen bei der „Hingabe“ an das Thorastudium. Vgl. Carlebach 1981, 164. 66

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Dagegen argumentiert Kaplan, dass die von Männern bestimmte soziale Stellung der Frauen kein Ausgleich für ihre legale und kulturelle Minderwertigkeit sein könne und auch für einen Ausgleich durch soziale Sanktionen nicht ausreichend Beweise vorlägen. Auch sei der gleiche Zugang zu legalen Prozessen eine Fiktion, wo Gesetze ungerecht seien. Und die Ansuchen von Frauen seien kein Beweis für einen gleichen Zugang, sondern zeigten, dass Frauen so mutig oder verzweifelt gewesen seien, Ungerechtigkeit infrage zu stellen. Die unterschiedlichen Einschätzungen der einzelnen Aspekte führen zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Herrschaftsverhältnisse zwi68 schen den Geschlechtern. Während Carlebach in der ökonomischen Produktivität der Frauen, ihrer starken sozialen Stellung und der Akzeptanz weiblicher Sexualität eine partnerschaftliche Beziehung begründet sieht, die nur nominell patriarchal gewesen sei, weist Kaplan darauf hin, dass in Geschäft wie Gemeinde die Frauen nur untergeordnete Funktionen einnahmen und dass diese auch keine Kompensation für die legale und kulturelle Minderwertigkeit darstellen könnten. Darüber hinaus fordert Kaplan meiner Meinung nach zu Recht differenziertere regionale Studien, um ein umfassendes Bild auch der Verschiedenheit der Realitäten von Frauen im traditionellen Judentum zu erhalten. Bezüglich der religiösen Bildung der Mädchen gab es von der Tradition 69 her unterschiedliche Meinungen. So wird im Talmud das Thorastudium als das Fundament traditionell jüdischer Bildung von einigen als obligatorisch für Frauen angesehen, von anderen wird es ihnen verboten. Maimonides bezieht die Pflicht zum Unterricht der Mädchen auf die schriftlich überlieferte Lehre und das Verbot auf die mündlich überlieferte Lehre, den Talmud. Trotzdem hat es im traditionellen Judentum wahrschein68

Zur Kontroverse zwischen Carlebach und Kaplan vgl. auch Maurer 1992, 145f. Zum Folgenden vgl. Eliav 1993, 97f., und Eliav 2001, 349ff.

69

26

lich immer auch Frauen gegeben, die grundlegende Kenntnisse über die jüdische Religion und den Talmud besaßen, wie beispielsweise die im 2. 70 Jahrhundert lebende Berurja, Frau des Rabbi Meir. Laut Eliav bezog sich das Studierverbot nicht auf das Studium der Lehren aus eigener Initiative oder auf allgemeine Bildung. Gemäß dem pragmatischen Konzept jüdischer Bildung war die Mädchenbildung auf die spätere Rolle der Frauen als Mutter und Erzieherin zugeschnitten. Sie beschränkte sich auf die Lektüre des hebräischen Gebetbuches sowie eines Teils der (meist jüdisch-deutschen) Bibel und die Kenntnis der wichtigsten Religionsgesetze des täglichen Lebens. So konnten viele Frauen lesen, aber nur wenige (jüdisch-deutsch) schreiben. Großen Einfluss auf Erziehung und Charakterbildung der Frauen hatte eine auf religiöse und ethische Werte ausgerichtete Erbauungsliteratur, insbesondere Zena Urena, eine seit 1648 häufig neu aufgelegte deutschjüdische Bibel mit Erklärungen aus Talmud, Midrasch und späteren 71 Kommentatoren. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gab es fast keinen formalen Mäd72 chenunterricht. Die Erziehung blieb dem Elternhaus überlassen, in dem der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Religion und Moral sowie häuslichen Tugenden und Fertigkeiten lag. Töchter wohlhabender Familien wurden seit dem 17. Jahrhundert häufig durch Privatlehrer auch in weltlichen Fächern wie Deutsch, Französisch, Literatur und Musik unterrichtet.

70

Vgl. Biale 1984, 35ff. Vgl. auch Navè 1975, 28; Carlebach 1977, 90f. Zu Berurja vgl. auch Goodblatt 1994; Adler 1994; Navè Levinson 1990, 93ff. 71 Vgl. Eliav 1993, 108 Anmerkung 8, und Eliav 2001, 351 Anmerkung 13. 72 Die ersten Schulen entstanden in den deutsch-portugiesischen Gemeinden. Vgl. Eliav 1993, 109 Anmerkung 13. Laut Green besuchten im russischen Stetl die Mädchen gelegentlich auch das Cheder und wurden dort in einem gesonderten Raum von der Frau des Lehrers unterrichtet. Vgl. Green 1994, 243.

27

Richarz hat die These aufgestellt, dass die großen geschlechtsspezifischen Bildungsunterschiede die Voraussetzung für die schnellere Akkul73 turation der Frauen an die deutsche Umweltkultur bildeten. Die Frauen hätten weniger Hemmungen als die Männer gehabt, an der deutschen Profankultur teilzunehmen. So habe schon Ende des 18. Jahrhunderts das Romanlesen als eine spezifische Tätigkeit der Frauen der jüdischen Mittel- und Oberschicht in Berlin gegolten. Auf dem Land hätten sich die jüdischen Frauen schon Anfang des 19. Jahrhunderts auffallend stark an der städtischen Kultur orientiert, da nicht wenige vor ihrer Heirat in der Stadt gelebt hätten. Sie hätten sich städtisch gekleidet und einer städtischen Lesekultur angehangen und seien ihren Ehemännern an Lebensart und Bildung überlegen gewesen. So scheint gerade der Ausschluss der Frauen von höherer (religiöser) Bildung ein wesentlicher Anstoß für ihre Anteilnahme an der säkularen Bildung ihrer Umwelt gewesen zu sein. Im Gegensatz dazu sieht Carlebach die Zuneigung der jüdischen Frauen zur europäischen Bildung und Kultur als Ausdruck einer Lernbegierigkeit, die darauf hinweise, dass es auch innerhalb der traditionellen jüdischen Strukturen ein informelles Erziehungssystem für Mädchen ge74 geben haben müsse. Carlebach stellt die These auf, dass die Frauen auf der Grundlage der vielfältigen, für sie verfassten deutsch-jüdischen Literatur „für sich selbst ein umfassendes und weitreichendes Erziehungssys75 tem“ entwickelt hätten. Dieses habe dazu geführt, dass die breite Masse der jüdischen Frauen gebildet gewesen sei, in dem Sinn, dass diese neben Lesen und Schreiben mit allen Elementen der jüdischen Überlieferung voll vertraut gewesen seien.

73

Vgl. Richarz 1992, 59f; Richarz 1976, 53. Vgl. Carlebach 1977, 87. 75 Carlebach 1977, 58. Vgl. auch Carlebach 1977, 90ff. 74

28

Carlebach macht sicherlich zu Recht darauf aufmerksam, dass aus aufklärerischer (und anderer) Kritik über das mangelnde religiöse Wissen von Frauen Anfang des 19. Jahrhunderts wie auch aus ihrem Ausschluss aus der formellen Erziehung nicht ohne weiteres der Schluss ihrer faktischen religiösen Unwissenheit gezogen werden kann. Dies beweist nicht zuletzt die Existenz einiger religiös gebildeter Frauen. Seine Schlussfolgerung vom Bildungsinteresse der Frauen auf ein dieses verursachendes, die breite Masse der Frauen umfassendes, informelles Erziehungssystem bleibt jedoch hypothetisch.

3.2 Die Salonjüdinnen In den 80er und 90er Jahren des 18. Jahrhunderts fing eine kleine Gruppe von Frauen der wohlhabenden jüdischen Familien Berlins an, eine Lebensweise zu praktizieren, die sich in vieler Hinsicht von den traditionellen Vorstellungen unterschied. Auch wenn diese kleine Minderheit in keiner Weise als repräsentativ für die jüdische Gemeinde angesehen wer76 den darf, übte sie doch weitreichenden Einfluss aus, nicht zuletzt auch auf das Frauenbild ihrer Zeit. Die Lebensweise dieser Minderheit wurde 77 zum Symbol für die Existenz moderner jüdischer Frauen. Doch was waren die Salons? Und wie sah die Realität der Frauen aus, die sie leiteten und besuchten? Die Salons, die in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts von jungen jüdischen Frauen in erster Linie in Berlin gegründet wurden, waren Orte einer unkonventionellen Geselligkeit, zu der Frauen und Männer unter78 schiedlicher Herkunft, Stände und Religion zusammenkamen. Man traf 76

Vgl. Hertz 1991, 229. Vgl. Feiner 1993, 454. 78 Die Institution des Salons hatte ihre Wurzeln im literarischen Salon der französischen Aristokratie des 17. Jahrhunderts. Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 122f. 77

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sich in den Häusern der Frauen, in einer Sphäre zwischen privatem und öffentlichem Leben, in der Regel zum literarischen Gespräch. Im Unterschied zu den ihnen vorausgehenden Zusammenkünften christlicher und jüdischer Gelehrter im Hause Mendelssohns und anderer jüdischer Familien wie auch zu den verschiedenen Lesezirkeln, stellten die Salons einen informelleren Rahmen dar, in den man durch einen Freund eingeführt 79 wurde und in dem diese „Hausfreunde“ keine Einladung benötigten. Laut der Untersuchung von Deborah Hertz leiteten insgesamt neun jüdische Frauen zwischen 1780 und 1806 einen eigenen Salon. Drei weitere 80 Jüdinnen gehörten zu den Salonbesucherinnen. Petra WilhelmyDollinger nennt als die sechs bedeutendsten Salons die von Henriette Herz, Sara von Grotthuß, Rahel Levin Varnhagen, Lea und Fanny Men81 delssohn-Bartholdy, Amalie Beer und Sara Levy. Auch Männer und nichtjüdische Frauen leiteten Salons, aber die Jüdinnen waren die ersten 82 Salonièren. Unter den Salonbesuchern waren die jüdischen Frauen jedoch in der Minderheit. Diese waren in erster Linie nichtjüdische bürger-

79

Zur Schwierigkeit einer genauen Definition der Salons und ihren fließenden Übergängen zu traditionellen geselligen Zusammenkünften und intellektuellen Vereinen vgl. Hertz 1991, 132f.149f. 80 Hertz bezieht des Weiteren das Leben von acht Freundinnen und Schwestern dieser Frauen in ihre Untersuchung mit ein. Den somit insgesamt 20 Frauen gegenüber bewegte sich die Zahl der erwachsenen jüdischen Frauen in Berlin bei ungefähr 700. Vgl. Hertz 1991, 228f. 329f. 81 Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 127. Hertz nennt darüber hinaus Philippine Cohen, Dorothea Veit, Marianne Meyer und Rebecca Friedländer als Salonièren. Die Geselligkeiten der Mendelssohn-Bartholdys werden von ihr nicht als Salon eingeordnet. Vgl. Hertz 1991, 139ff.245. 82 Zur Frage, warum gerade jüdische Frauen am Anfang der Berliner Salons standen, vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 124f.

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liche und adlige Männer. Daneben gab es auch einige adlige Frauen und 83 wenige bürgerliche Frauen und jüdische Männer. Die einzelnen Salons unterschieden sich jedoch voneinander im Blick auf Themen und Gäste. Wilhelmy-Dollinger unterscheidet drei verschiedene Salontypen: den literarischen und künstlerischen, den eleganten diplomatischen und den musikalischen Salon. Während der Salon der Henriette Herz ein Beispiel des bildungsbürgerlichen literarischen Salons mit Querverbindungen zur Künstler- und Gelehrtenwelt darstellte, verkehrten im literarischen Salon der Sara von Grotthuß viele Vertreter der in- und ausländischen Diplomatie. Im berühmten Salon der Rahel Varnhagen trafen sich Gelehrte, Literaten, Schauspieler, Diplomaten, Adlige und Prinzen, unter anderen Friedrich Schlegel, Wilhelm und Alexander von 84 Humboldt und Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Die zwölf jüdischen Salonfrauen kamen fast alle aus Familien der jüdischen ökonomischen Elite, so dass die Eltern nicht auf ihre Hilfe in Haushalt oder Geschäft angewiesen waren und ihnen eine hohe säkulare 85 Bildung ermöglichen konnten, die die Frauen autodidaktisch vertieften. Sie erhielten durch Privatlehrer Sprach- und Anstandsunterricht und verbrachten viel Zeit mit der Lektüre von Romanen. Rahel Varnhagen beklagte zwar ihre mangelhafte intellektuelle Erziehung als Kind, nahm aber später privaten Mathematikunterricht und las Voltaire, Kant, Rousseau und Fichte. Jedoch erhielten die Frauen keine fundierte jüdische 86 Ausbildung. Im Rahmen der offenen Geselligkeit im Hause Mendels-

83

Unter den 69 männlichen Salonbesuchern waren acht Juden. Von den 31 Salonfrauen leiteten zehn einen Salon. Neun Salonièren waren Jüdinnen, aber nur drei Besucherinnen. Vgl. Hertz 1991, 196ff.227f. 84 Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 127ff. 85 Vgl. Hertz 1991, 229.222ff. 86 Vgl. Herz 1991, 224.

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sohns und anderer hatten einige der Salonfrauen in ihrer Jugend die Ge87 legenheit, an Diskussionen über Literatur und Kunst teilzunehmen. Die Frauen repräsentierten ein Ideal weiblicher Gelehrsamkeit, das im Gegensatz zum entstehenden bürgerlichen Frauenbild stand. Ein anschauliches Zeugnis davon bildet eine Streitschrift, die Esther Gad, eine regelmäßige Besucherin des Salons von Henriette Herz, 1798 gegen Joachim Heinrich Campes Väterlichen Rath an meine Tochter (1789) ver88 fasste. In dieser wendet sich Gad gegen die Beschränkung der weiblichen Bildung auf Ehestand, Mutterschaft und Haushaltsführung und den Ausschluss der Frauen von Gelehrsamkeit und Schriftstellerei. Stattdessen müssten hausmütterliche Tugenden Wissenschaften und Künste einschließen. Zur Zeit ihrer Salonführung lebten die Salonièren meist in von ihren El89 tern gestifteten Ehen mit wohlhabenden jüdischen Männern. Teilweise 90 waren sie als Schriftstellerinnen tätig. Andererseits bot gerade die Salongeselligkeit eine Möglichkeit, sich durch Briefe, Charakterskizzen und literarische Konversationen am literarischen Leben zu beteiligen, ohne 91 schriftstellerisch tätig zu werden. Die meisten Salonfrauen lebten in Distanz zur traditionellen jüdischen 92 Religion. Sie trugen schon früh den für verheiratete Frauen vorgeschriebenen Kopfputz nicht mehr. Viele lösten später die traditionell ge-

87

Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 125; Hertz 1991, 131f. Vgl. Gad 1798, 578.584ff. Vgl. auch Lohmann 1996b, 198f; Lohmann 1996c; Rudert 1988, 232ff. 89 Vgl. Hertz 1991, 230ff. 90 Vgl. Hertz 1991, 207ff. 91 Vgl. Hertz 1991, 213f.222f. 92 Vgl. Meyer 1994, 107.122f.125. 88

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stifteten Ehen, konvertierten zum Christentum und gingen Ehen mit 93 christlichen Männern ein. Bestimmend für ihre Lebensweise waren die Ideale der Romantik, über 94 die in den Salons diskutiert wurde. So war ein wesentliches Motiv für die Scheidung vom jüdischen Ehemann, Konversion und Mischehe wahrscheinlich das romantische Liebesideal bzw. die Beziehung zu einem 95 nichtjüdischen Liebhaber und der Wunsch nach einer Liebesheirat. Daneben beinhaltete eine mögliche Heirat mit einem christlichen Adligen 96 die Aussicht auf eine Statusverbesserung. Andererseits bedeuteten Scheidung, Konversion und Mischehe unter Umständen ökonomische und gesellschaftliche Nachteile, so zum Beispiel für Dorothea Veit den Ausschluss aus der jüdischen Gemeinde und ihrem Freundeskreis und 97 finanzielle Schwierigkeiten. Eine Konversion war für die Eheschließung mit einem christlichen Lieb98 haber unumgänglich. Darüber hinaus fühlten sich die Frauen von der gefühlsbetonten, persönlichen Religiosität des romantischen Protestan99 tismus angesprochen. Manche Salonfrauen konvertierten auch gemein100 sam mit ihren jüdischen Ehemännern. Angesichts der Tatsache, dass nur zwei der zwölf Salonjüdinnen jüdisch blieben, stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang von Salonteil93

Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 125f; Hertz 1991, 329f. Meyer weist auf die Beeinflussung durch Gedanken von Schlegel, Schleiermacher und Fichte hin. Vgl. Meyer 1994, 119.127. 95 Vgl. Hertz 1991, 254; Wilhelmy-Dollinger 1992, 126; Meyer 1994, 108. 96 Vgl. Hertz 1991, 248. 97 Vgl. Hertz 1991, 238.144f. 98 Vgl. Hertz 1991, 246. 99 Vgl. Meyer 1994, 122.125.130. 100 Vgl. Hertz 1991, 248. 94

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101

nahme und Mischehe oder Konversion. Hertz betont, dass weniger die mangelnde religiöse Erziehung Ursache der Konversionen war als die gesellschaftlichen Konstellationen und der aus ihnen erwachsende Erfolg 102 der Frauen in den Salons. Sie spricht von einer unterstützenden Funktion der Salons, weist aber auch darauf hin, dass schon zu Beginn der Salons das geistige Klima angepasster jüdischer Kreise Mischehen und 103 Konversionen nicht mehr grundsätzlich ablehnend gegenüberstand. Auch andere Institutionen neben dem Salon boten Gelegenheiten zu Freundschaften mit Nichtjuden, wie nicht zuletzt die Konversionen und 104 Mischehen außerhalb der Salongesellschaft zeigen. Andererseits zeigen die Salons der orthodoxen Sara Levy und der reformorientierten Amalie Beer, dass das Selbstverständnis einer Salonière nicht notwendigerweise 105 eine Konversion mit sich bringen musste. Die erfolgreiche Leitung eines Salons war bei den meisten Salonièren auf die Zeit vor ihrer Schei106 dung begrenzt. Im Blick auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern lässt sich feststellen, dass die Frauen in der halböffentlichen Sphäre der Salons die traditionell jüdische Trennung zwischen den Geschlechtern (wie auch die zwischen Juden und Nichtjuden) durchbrochen haben. Doch wie stand es 107 um die Hierarchie zwischen den Geschlechtern?

101

Zur Forschungsdiskussion vgl. Hertz 1991, 18ff. Vgl. Hertz 1991, 227. Anders z. B. Meyer 1994, 107. 103 Vgl. Hertz 1991, 246.277. 104 Vgl. Hertz 1991, 275f.290. 105 Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 135ff. 106 Vgl. Hertz 1991, 232. 107 Zur Heterogenität der von den Salonièren vertretenen Geschlechterbilder vgl. Hannah Lotte Lund 2006. 102

34

Die Frauen selbst, so Hertz, scheinen Salon und Mischehe als Errungen108 schaften im Kampf um die persönliche Freiheit angesehen zu haben. Ohne Zweifel übten sie öffentlichen Einfluss aus. Als Salonièren bestimmten sie Stil und Diskussionen ihres Salons. Als Schriftstellerinnen oder „Dilettantinnen“ lieferten sie einen Beitrag zur inhaltlichen und 109 formalen Entwicklung der deutschen Literatur. Durch die von ihnen 110 geschaffenen „Inseln der Toleranz“ prägten sie den Prozess der Über111 windung der ständischen Gesellschaftsordnung mit. Andererseits waren die Frauen in den Salons in der Minderheit und eine zu geringe Zahl, um einen eigenständigen, von den Männern getrennten intellektuellen Kreis 112 zu bilden. Darüber hinaus war es nach wie vor schwer für publizierende Frauen in Deutschland, durch das gedruckte Wort Anerkennung zu 113 erlangen und in männlichen Kreisen eine Rolle zu spielen. Auch standen scheinbar, zumindest aus Sicht der gegenwärtigen Rekonstruktionen des Salongeschehens, die Werke von Männern im Mittelpunkt der Salondiskussionen. Die Werke der Frauen selbst werden in diesem Zusam114 menhang nicht erwähnt. In einigen persönlichen Beziehungen lässt sich eine ähnliche Tendenz 115 feststellen. So unterstützten die Frauen häufig die schriftstellerische 116 Tätigkeit der Männer. Henriette Herz beispielsweise las und kommen117 tierte die Manuskripte von Friedrich Schleiermacher. Zwar entschieden 108

Vgl. Hertz 1991, 259f. Vgl. Hertz 1991, 213f. 110 Wilhelmy-Dollinger 1992, 126. 111 Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 124. 112 Vgl. Hertz 1991, 196. 113 Vgl. Hertz 1991, 195. 114 Vgl. Weigel 1994, 2; Wilhelmy-Dollinger 1992, 127ff. 115 Zum Folgenden vgl. auch Lüthi 1985, 78ff. 116 Vgl. Rudert 1988, 249f. 117 Vgl. Meyer 1994, 121. 109

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sich die Frauen eigenständig und oft gegen den Willen von Eltern und Ehemann für Scheidung, Konversion und Mischehe, aber dies schloss ein Plädoyer für die Unterordnung der Frau unter den Mann in der Ehe oder 118 eine Ausrichtung ihres Lebens auf den zweiten Ehemann nicht aus. Dorothea Veit beispielsweise schrieb und veröffentlichte nach der Scheidung (anonym) vor allem deswegen, weil Schlegel mit seinen Vorlesungen und Veröffentlichungen die Familie nicht ausreichend versorgen konnte. Später schrieb sie die Artikel ihres Mannes ins Reine, überarbeitete Artikel für von ihm herausgegebene Zeitschriften und sah sich vor 119 allem auf den Haushalt verwiesen. Rahel Varnhagen dagegen scheint die erzwungene Ausrichtung auf das 120 männliche Geschlecht kritisch gesehen und sich eine gewisse Freiheit 121 bewahrt zu haben. Auch die Situation von Esther Gad ist wahrscheinlich anders einzuschätzen. Sie schrieb, übersetzte und veröffentlichte vor 122 und während ihrer zweiten Ehe. Ein anderer wichtiger Aspekt ist jedoch, dass die Frauen nicht für die politische und rechtliche Gleichstel123 lung von Frauen eintraten. Diese Verhaltensweisen entsprechen in vieler Hinsicht dem romantischen Frauenideal. Dieses sah die Frau nicht als professionell gebildete Gelehr124 te, sondern als belesene und den Mann geistig inspirierende Partnerin. Es gewährte ihnen Anteil an der männlichen Gelehrsamkeit, jedoch als

118

Vgl. Frevert 1988, 39. Vgl. Hertz 1991, 208f. 120 Vgl. Frevert 1988, 38. 121 Vgl. Meyer 1994, 129. 122 Vgl. Hertz 1991, 210f. 123 Vgl. Hertz 1991, 260. 124 Vgl. Hertz 1991, 253f. Anders Meyer 1994, 106. 119

36

125

Musen der Männer, und schloss sie gleichzeitig von Bürgerrechten aus. Schleiermacher und Humboldt sahen die Funktion der Frau in erster Linie darin, dem Mann zur Vervollkommnung zu verhelfen. Dazu sei jene aufgrund ihres Geschlechtscharakters und ihrer Ferne zum bürgerlichen Leben in der Lage. Eine umgekehrte Aufgabe des Mannes gibt es bei 126 ihnen nicht. Bei Schlegel findet sich zwar das Ideal einer gegenseitigen Unterstützung von Mann und Frau zur Vermenschlichung und die Aufforderung an die Frauen, die Schranken der Häuslichkeit zu überwinden und an der (männlichen) Gelehrsamkeit teilzuhaben, aber um eine bür127 gerliche Verbesserung der Frauen ging es auch ihm nicht. Carlebach spricht in diesem Zusammenhang von der Paradoxie, dass die Frauen in ihren Salons gerade der Ideologie zur Anerkennung verhalfen, die ihnen 128 ihre Rechte als Frauen bestritt. 129

Das Ende der Blüte der jüdischen Salonkultur war 1806 erreicht, auch 130 wenn Frauen jüdischer Herkunft bis 1914 Salonièren waren. Im 19. Jahrhundert sollten sich jedoch nicht die (wenn auch begrenzt) freiheitlichen Bestrebungen dieser kleinen Minderheit durchsetzen, sondern ein bürgerliches Frauenideal, wie es die männlichen Autoren der Zeitschrift Sulamith propagierten.

125

Vgl. Frevert 1988, 41. Zu den antiemanzipatorischen Elementen der Romantik und der „Ausbürgerung der Frau aus der Realität“ (Bovenschen 1979, 264) vgl. Lüthi 1985, 39ff.19ff. 126 Vgl. Frevert 1988, 28f. 127 Vgl. Frevert 1988, 26f.31.40f. 128 Vgl. Carlebach 1979, 130f; Crampe-Casnabet 1994, 336. 129 Vgl. Hertz 1991, 284. 130 Vgl. Wilhelmy-Dollinger 1992, 137.

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4 Frauenbilder in Sulamith Die Sulamith-Autoren beziehen sich für ihre Frauenbilder auf Aspekte der jüdischen Tradition ebenso wie auf zeitgenössische nichtjüdische Konstruktionen von Weiblichkeit. Da ich auf jene schon im Rahmen der Beschreibung der Realitäten jüdischer Frauen eingegangen bin, soll im Folgenden nur noch ein kurzer Einblick in nichtjüdische Vorstellungen gegeben werde, bevor ich auf die Sulamith-Texte selbst eingehen werde.

4.1 Zeitgenössische nichtjüdische Konstruktionen von Weiblichkeit Ende des 18. Jahrhunderts konkurrierten in Deutschland verschiedene 131 Konzeptionen von Weiblichkeit miteinander. Forderungen nach Menschen- und Bürgerrechten für Frauen standen neben Forderungen nach Häuslichkeit ebenderselben, der Anspruch einer geistigen Verschmelzung der Geschlechter zu einem Ideal von Menschlichkeit neben der Unterordnung des weiblichen Geschlechts unter das männliche. 1792 verfasste Theodor Gottlieb von Hippel die Schrift Über die bürger132 liche Verbesserung der Weiber, in der er dafür eintrat, auch Frauen die 133 Menschen- und Bürgerrechte zu gewähren. Der Königsberger Jurist begründete seine Forderung damit, dass auch Frauen Menschen seien und sie als Hälfte der Menschheit das Recht hätten, ihr wahres Selbst zu ent134 falten. Schon 1791 hatte Olympe Marie de Gouges der Pariser Nationalversammlung die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin vorgelegt, in der sie die Aufnahme von Frauen in die Nationalversammlung und die Gleichheit der Frauen in allen Rechten forderte. In den 17 Arti131

Vgl. Frevert 1986, 61f. Vgl. Hippel 1977. 133 Zum Folgenden vgl. Frevert 1986, 15ff; Carlebach 1979, 124ff. 134 Vgl. Hippel 1977, 121.131. 132

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keln der Erklärung wurden die natürlichen und unveräußerlichen Rechte von Frau und Mann auf Freiheit, Sicherheit, Eigentum und Widerstand 135 gegen Unterdrückung ausgeführt. Dieser Erklärung voraus ging die Schrift Über die Zulassung der Frauen zum Bürgerrecht des Mathematikers und Enzyklopädisten Jean Antoine de Condorcet, der 1790 schon für 136 Frauen dasselbe Naturrecht wie für Männer gefordert hatte. Condorcet begründete seine Forderung damit, dass Frauen als Hälfte des Menschengeschlechts die gleichen Fähigkeiten wie Männer aufwiesen und somit 137 auch notwendigerweise die gleichen Rechte hätten. Mit der Forderung nach Menschen- und Bürgerrechten für die Frauen ging die Forderung nach gleicher Erziehung von Mädchen und Jungen einher. So forderte Condorcet die völlige Gleichberechtigung der Mädchen in der Erziehung inklusive ihres Zugangs auch zu den höchsten Bil138 dungsstufen und die gemeinsame Erziehung von Mädchen und Jungen. In England hatte 1792 Mary Wollstonecraft in ihrer Schrift A Vindication of the Rights of Women die Forderung nach voller und gleicher Erziehung von Frauen gestellt. Diese würde die Fähigkeit von Frauen zur Ausübung 139 der Bürgerrechte beweisen. Auch Hippel forderte eine Erziehung der „Bürger für den Staat, ohne Rücksicht auf den Geschlechtsunterschied“. Das für Mütter und Hausfrauen notwendige Wissen solle „dem beson140 dern Unterricht“ überlassen werden. Amalie Holst trat 1802 in ihrer Schrift Über die Bestimmung des Weibes zur höhern Geistesbildung für den uneingeschränkten Zugang von Frauen zu allen Wissenschaften ein, 135

Vgl. Gouges 1979, 36f. Vgl. Crampe-Casnabet 1994, 360ff. Dass Condorcet auch in Deutschland bekannt war, zeigt seine Rezeption durch Gad. Vgl. Gad 1798, 586. 137 Vgl. Condorcet 1979, 55f. 138 Vgl. Barth 1925, 411.464ff. 139 In Deutschland erschien 1873 eine Übersetzung der Schrift durch Christian Gotthilf Salzmann. 140 Hippel 1977, 133. 136

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beschränkte jedoch ihre Forderung nach höherer Bildung auf die höheren Stände und den Mittelstand. Im Gegensatz dazu sprachen sich die großen Philosophen der Aufklärung wie Jean Jacques Rousseau und Immanuel Kant gegen derartige Forde141 rungen aus. Die Frauen sollten von der Sphäre der bürgerlichen Öffentlichkeit ebenso ausgeschlossen bleiben wie von der Welt außerhäusli142 chen Erwerbs und politischen Einflusses. Während das Rousseausche Konzept des Weiblichen noch listige und erotische Komponenten enthielt, durch die Frauen eine heimliche Macht über Männer erlangen konnten, legten seine deutschen Nachfolger, die Philanthropen, die Frauen auf den begrenzten Tätigkeitsbereich der Gattin, Hausfrau und Mutter fest, wie beispielsweise Joachim Heinrich Campe in seiner 1789 verfass143 ten Schrift Väterlicher Rath für meine Tochter. Neu gegenüber der Rolle der Hausmutter in der Großfamilie war bei Campe die Betonung emotional-psychischer Aufgaben, die die Frauen als Gattinnen und Mütter gegenüber ihren Ehemännern und Kindern erfüllen sollten. Die Organisation des Haushalts und die ökonomischen Talente der Frauen rückten dagegen in den Hintergrund. Der Zugang zu Öffentlichkeit, Politik und Beruf wie auch Gelehrsamkeit blieb allein den Männern vorbehalten. In pädagogischen und populärwissenschaftlichen Aufklärungsschriften wurde ein ausgefeilter Regelkatalog männlich-weiblicher Pflichten und Zuständigkeiten entworfen. Diese geschlechtliche Arbeitsteilung wurde mit der naturgegebenen Verschiedenheit der Geschlechtscharaktere begründet. Schon Rousseau betonte 1764 in Emile Oder über die Erziehung die Verschiedenheit der Geschlechter und beschrieb die Frauen als von ihrer Natur her passiv, 141

Vgl. Frevert 1988, 30f.20ff. Zum Folgenden vgl. Frevert 1986, 16ff; Crampe-Casnabet 19, 336ff. 143 Vgl. Rouseau 1965, 723f; Campe 1789. Vgl. auch Felden 1996, 43. 142

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schwach, geschaffen, dem Mann zu gefallen und sich ihm zu unterwer144 fen. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts setzte sich ein derartiges Konzept bipolarer Geschlechtscharaktere in den Lexika und Zeitschriften durch, während vorher Frauen nicht von ihrer Natur her, sondern nach 145 ihren Ständen unterschiedlich beschrieben worden waren. Karin Hausen hat in einer Analyse verschiedener Lexika und Zeitschriften folgende Charakteristika für Männer und Frauen herausgearbeitet: Während Männern die Eigenschaftsbereiche der Aktivität und Rationalität zugeordnet 146 wurden, wurden Frauen mit Passivität und Emotionalität identifiziert. Das Konzept beinhaltete zwar theoretisch die Hochschätzung dieser neuen Art von Weiblichkeit und die Ergänzung von Mann und Frau zu einer harmonischen Einheit, praktisch schrieb es jedoch die Unterordnung und 147 Abhängigkeit der Frauen unter ihren Ehemann fest. Das Konzept geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung war der entstehenden bürgerlichen Trennung von Erwerbs- und Familiensphäre und dem 148 Übergang zur Kleinfamilie adäquat und setzte sich im entstehenden Bürgertum wie auch als Norm für andere Gesellschaftsschichten längerfristig durch. Das im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Modell der Romantiker, das zumindest für den geistig-ideellen Bereich eine Vermischung der Geschlechter vorsah und den Frauen Zugang zu Gelehrsamkeit und Öffentlichkeit gewährte, war hingegen nur für eine kurze Zeit in 149 einem kleinen Kreis von Intellektuellen maßgeblich.

144

Vgl. Rousseau 1965, 721. Vgl. Hausen 1976. 146 Vgl. Hausen 1976, 368. 147 Vgl. Frevert 1986, 22; Hausen 1976, 375,377. 148 Zum nicht linearen Übergang von der Großfamilie zur Kleinfamilie vgl. Kaplan 1981a, 191. 149 Vgl. Frevert 1986, 18f.24.63. 145

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4.2 Die Sulamith-Quellen In Sulamith kommt das Frauenbild in verschiedenen Zusammenhängen zur Sprache. Es wird in Reflexionen über die für Frauen erstrebenswerte Bildung, insbesondere die religiöse Bildung, als Bildungsziel ausführlicher dargelegt. Ebenfalls als Ziel, aber nur kurz angerissen, wird es in Artikeln, in denen die von den Aufklärern neu gegründeten Mädchenschulen vorgestellt und angepriesen werden, sowie in späteren (werbenden) Tätigkeitsberichten. Andere Texte thematisieren die Aufgaben elterlicher Erziehung. Alle diese Texte sind an Eltern gerichtet mit der Absicht, sie für das entworfene Bildungsideal und zur Entsendung ihrer Kinder an eine der neuen Schulen zu gewinnen. Daneben gibt es Texte, die neben den Eltern direkt an „die jungen Frauenzimmer“ adressiert sind. In diesen werden einzelne Missstände im Verhalten der Frauen angeprangert, und es wird versucht, die jungen Frauen für das entworfene Frauenideal zu gewinnen. Außerdem gibt es Stellungnahmen und Berichte zu religiösen Reformen, in denen die Stellung der Frauen in der Religion thematisiert wird. Darüber hinaus wird das zugrundeliegende Frauenbild sichtbar in abgedruckten Reden zu verschiedenen Anlässen, in der Vorstellung erschienener Bücher, in den Berichten über Aktivitäten von Frauen und in Texten aus Bibel, Talmud und anderer Literatur. Die Autoren dieser Aufsätze sind zu einem großen Teil Schulleiter und Lehrer der neu gegründeten Mädchenschulen, einige auch Prediger der 150 entstehenden liberalen und reformierten Gemeinden. Daneben gibt es Texte christlicher Pädagogen. Manche Berichte und theoretischen Reflexionen sind anonym, aber es weist nichts darauf hin, dass es sich bei den Autoren um Frauen handelt. Die in diesen Texten propagierten oder still vorausgesetzten Frauenbilder weisen viele Gemeinsamkeiten auf, unter-

150

Zu einigen der Autoren finden sich Kurzbiographien bei Dietrich 2005.

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scheiden sich aber in einzelnen Aspekten. Ich möchte im Folgenden verschiedene Facetten des Frauenbildes genauer betrachten.

4.3 Die Bestimmung der Frau zur häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau Die weibliche Bestimmung zur Gattin, Mutter und Hausfrau ist ein Motiv, das sich durch nahezu alle Texte zieht, die die Bestimmung bzw. den 151 Beruf von Frauen thematisieren. Zum ersten Mal in Sulamith taucht die Trias bei Fränkel auf, interessanterweise in einem von ihm zitierten Aus152 schnitt aus einer Schrift Ewalds. Ewald kritisiert, dass „irreligiöse“ Frauen ihren Beruf als „Gattinnen ihrer Männer, Mütter ihrer Kinder und Vorsteherinnen ihrer Haushaltung“ nicht erfüllten, sondern stattdessen „schöne Geister, Politikerinnen, Philosophinnen, Tonkünstlerinnen“ würden oder ihre „Berufspflichten“ nicht wie Frauen, sondern wie Männer bzw. Despoten, das heißt ohne Nachsicht, ausübten. Somit hören für 153 Ewald „irreligiöse Frauen“ auf, Frauen zu sein. Auch Fränkel meint, dass Religion die Frau schmücke und ihre zarte Natur veredele, 154 „Irreligion“ hingegen sie vernichten könne. Im Blick auf die Religiosität und die Erfüllung der weiblichen Pflichten von Seiten der Frauen hebt Fränkel die traditionell jüdische Mädchener151

Manche Autoren übernehmen nicht die gesamte Trias. So spricht Stern (1809, 347) lediglich von der Bestimmung der Frauen als Mütter und Erzieherinnen ihrer Kinder, die Direktion des Philanthropins in Frankfurt am Main (Miscellen 1810a, 60) von der weiblichen Bestimmung als Mütter und Hauswirtinnen. Bourton (1811, 308) redet allgemeiner von den weiblichen Pflichten, die die Gottheit, die Verhältnisse zu anderen und die eigene Ausbildung betreffen. 152 Wahrscheinlich bezog Fränkel sich auf die Schrift Kunst: ein gutes Mädchen zu werden. Vgl. Fränkel in einer Anmerkung zu: Bourton 1811, 300. 153 Vgl. Fränkel 1806c, 482f. 154 Vgl. Fränkel 1806c, 482; Fränkel 1806a, 38.

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ziehung positiv hervor. Zu Recht hätten „die Talmudisten“ die Pflichten der Frauen stärker auf Häuslichkeit reduziert, indem sie die Frauen von allen zeitlich gebundenen „Zeremonialgesetzen“ befreiten. Die Vorschriften der häuslichen Pflichten seien lediglich „etwas nach dem Geschmack des Orients abgefaßt“ und müssten den veränderten Umständen angepasst werden. Bezüglich der traditionellen Lebensweise kritisiert er zwar die „blinde Religiosität“ der Frauen und die Erfüllung „sinnloser Gesetze“, behauptet aber auch, dass die Frauen glückliche und treue Gattinnen, Mütter und Hausfrauen gewesen seien. Wenn von ehemals hier die Rede ist, so verstehe ich hier bloß die Zeit, wo viele Jüdinnen alles glaubten, woran so Manche aus dieser oder jener Ursache jetzt zweifelt: mit einem Worte, wo sie blindlings religiös waren. [...] Da that das liebe Töchterchen alles, was die Mutter nur verlangte, im Namen Gottes. Es beobachtete das kleinste religiöse Gesetz [...]. Es las die biblische Geschichte mit Vergnügen, heurathete in Gottes Namen, lebte und liebte in Gottes Namen, ward treue Gattin, Mutter und Hausfrau in Gottes Namen und – war höchst glücklich in seinem Glauben an Gott und Tugend.156

Im Gegensatz dazu kritisiert Fränkel die fehlende Erziehung mancher Töchter seiner Zeit zu Religiosität, „wahrer häuslicher Glückseligkeit“ und zu ihrem Schöpfungszweck als Gattinnen, Hausfrauen und Mütter. Wenn ehemals die Mütter das religiöse Gefühl der Töchter erweckten und belebten, so geschieht jetzt nicht selten gerade das Gegentheil. Manche Mütter üben ihre Töchter sogar in einer unverzeihlichen Gleichgültigkeit gegen alles, was nur das Gepräge der Religiosität an sich trägt. [...] Auch ist es solchen Töchterchen einst um wahre häusliche Glückseligkeit nicht zu thun, und der schöne Zweck der Schöpfung, sie zu treuen Gehülfinnen ihrer Gatten, thätigen Hausfrauen; zartfühlenden Müttern157 und sie selbst dadurch wahrhaft glücklich zu machen, wird hier ganz verfehlt.

155

Vgl. Fränkel 1806c, 478. Fränkel 1806c, 480. 157 Fränkel 1806c, 485f. 156

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Es scheint fast so, als bildeten für Fränkel die Natur, der Schöpfungszweck, das talmudische Denken, die traditionelle Lebensweise und das Denken von Ewald bezüglich der weiblichen Pflichten als Gattin, Hausfrau und Mutter eine Einheit gegen die „irreligiösen Frauen“ seiner Zeit. Die von Fränkel in Sulamith eingeführte Trias des weiblichen Berufs wird von verschiedenen Autoren in unterschiedlichen Zusammenhängen aufgegriffen. Gemeinsam ist ihnen die unhinterfragte Annahme, dass es spezifisch weibliche Pflichten gebe; unterschiedlich ist ihre Begründung, Gewichtung und genauere Beschreibung dieser Pflichten. Ähnlich wie 158 Fränkel sieht M. H. Bock die Bestimmung der Frauen zur Gattin, Mutter und Hausfrau in der Natur angelegt und vom Schöpfer angewiesen, ohne jedoch Fränkels Bezugnahme auf Ewald und den Talmud aufzugrei159 160 fen. S. Wolff und E. Strasburger führen eine biblische Begründung an, indem sie das von ihnen verfolgte Erziehungsziel der „zärtlichen Gattinnen“ und „kinderpflegenden, wohlthätigen Hausmütter“ als Entspre161 chung zu dem Frauenideal aus Proverbien 31 verstehen. Ein anderer Autor spricht von „von der Religion geheiligten Pflichten als Gattin, 162 Hausfrau und Mutter“. Oft wird die Trias auch ganz ohne Begründung 163 aufgeführt. Die meisten Autoren stellen die drei Pflichten gleichwertig nebeneinander. Bock unterscheidet noch zwischen den beiden höchsten und erhabensten Bestimmungen als Gattin und Mutter, von denen die der Gattin 158

Bock war Gründer und Leiter einer Knaben- und einer Mädchenschule in Berlin. Vgl. Nachrichten 1811, 37f. Zur Biographie s. Dietrich 2005, 532f. 159 Vgl. Bock 1811, 40f. 160 Wolff und Strasburger waren die Gründer und Leiter der Mannheimer Israelitischen Schule. Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 96. Wolff war Dr. Philos. und Strasburger Cand. Philolog. 161 Vgl. Wolff/Strasburger 1819, 114. 162 Gedanken 1816, 400. 163 Vgl. Heß 1811, 178; Jacobson 1811, 14.

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der Hauptzweck des „weiblichen Daseins“ sei, und der Aufgabe der 164 Hausmutter als einer wichtigen Bestimmung. Einige der Autoren fügen zu der Trias der weiblichen Pflichten noch die Pflichten als Tochter hin165 zu. 4.3.1 Die Bestimmung zur Gattin Die Bestimmung als Gattin wird in der Trias der weiblichen Pflichten stets zuerst genannt. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Autoren bei der Beschreibung der Aufgaben der Gattin und der dafür notwendigen Eigenschaften unterschiedliche Akzente setzen. Fränkel beispielsweise betont die Treue der Frauen als entscheidende Eigenschaft 166 einer guten Gattin, aber auch ihre Religiosität, aufgrund der sie den Mann zu „treffen“ und an sich zu binden vermag. Denn allein das religiöse Gefühl gebe dem Gesicht der Frau „jenes sanft-Anziehende, geistigSchöne, den Charakter jener Liebe“, die „Innigkeit, Andacht, Frömmig167 keit“, die den Mann, auch den „irreligiösen“, anziehe. Die Religiosität solle jedoch keine Bigotterie, sondern mit feiner Bildung, Grazie, edlem Anstand und richtigem Geschmack verbunden sein. So sind für Fränkel Treue und anziehende, jedoch nicht engstirnige Religiosität die weiblichen Tugenden, die die Glückseligkeit der Ehen garan168 tieren. Hintergrund für dieses Plädoyer gegen eheliche Untreue, Zwietracht und weibliche „Irreligiosität“, deren Vergrößerung besonders in 169 großen Residenzen Fränkel fürchtet, ist sicherlich die zunehmende 164

Vgl. Bock 1811, 42.45. Vgl. Bock 1811, 41; Gedanken 1816, 400; Strasburger/Wolff 1819, 114. 166 Vgl. Fränkel 1806c, 480.486. 167 Fränkel 1806c, 483f. 168 Vgl. Fränkel 1806c, 487. 169 Vgl. Fränkel 1806c, 482.484. 165

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Scheidungsrate und sexuelle Freizügigkeit in den städtischen Gemeinden. Auffallend ist dabei, dass Fränkel allein die Frauen zu Treue und Religiosität aufruft und ihnen vorwirft, die Männer nicht festhalten zu können, den Männern jedoch „Irreligiosität“ eher zugesteht und sie auch zur 170 Treue nicht direkt auffordert. Bock formuliert allgemeiner, dass die Bestimmung der Frauen zur Gattin darin bestehe, die „Erdenseligkeit eines braven, wackern Mannes, eines thätigen nützlichen Staatsbürgers zu schaffen, zu erhalten, zu erhöhen, mit ihm das Leben so heiter, so froh, so ganz, wie es guten Menschen werden soll, zu genießen, es zwiefach zu genießen“. Grundlage der „ehelichen Glückseligkeit“ sind für ihn „reine herzliche Liebe“ und „innige Anhänglichkeit“ der Frau an den Mann. Grundstütze ist ihre Treue. „Weibliche Tugend, Verstand, Herz und Geist“ sind die Mittel, eine liebenswürdige edle und glückliche Gattin zu werden. Eine gute Bildung 171 müsse die Fähigkeiten und Triebe der Mädchen hierzu erwecken. 172

Israel Jacobson betont in der Rede zur Trauung seiner Tochter stärker 173 die „Ergebenheit“ der Gattin ihrem Mann gegenüber. Sie solle das Wohl und Glück wie auch den Willen ihres Mannes als die ihren ansehen und ihm treu und ergeben sein. Angesichts seiner Missmutigkeit wegen beruflicher Unannehmlichkeiten solle sie ihn trösten und aufmuntern. Ihre Sanftmut und Zuvorkommenheit und ihr Bemühen um das Beilegen von Streit würden ihr Liebe und Achtung einbringen.

170

Vgl. Fränkel 1806c, 484. Vgl. Bock 1811, 43. 172 Jacobson war Konsistorialpräsident des Königlich Westfälischen Konsistoriums. Vgl. Jacobson 1811, 10. 173 Vgl. Jacobson 1811, 14f. 171

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In Entsprechung zu den weiblichen Pflichten formuliert Jacobson auch 174 Erwartungen an seinen Schwiegersohn. Dieser solle seine Liebe durch Treue bewahren, die geistige und sittliche Bildung seiner Frau anleiten, ihre Übereilungen durch Sanftmut und Liebe zurechtweisen und seinem Willen nicht den Anstrich von Befehlen, sondern von Wünschen geben, so dass die Ehe seiner Frau nicht zur „Fessel“ werde, „welche die Freiheit eines ohnehin schon gedrückten Geschlechts noch mehr drückt“, 175 sondern zu einer „Rosenkette“. 176

Michael Heß weist dagegen in seinen Darstellungen der Mädchenerziehung des Frankfurter Philantropins auf die Rolle der Frau als Gesell177 schafterin und vertrauteste Freundin ihres Mannes hin. Diese müsse „zu den Ideen und Empfindungen ihres Gatten sich erheben und seine 178 geistigen Genüsse theilen“ können. Voraussetzung einer glücklichen Ehe sei somit eine angemessene Bildung des Geistes der Frau, aber auch ihre Zufriedenheit bei der Ausübung ihrer Pflichten. Dann werde sie auch nicht genötigt sein, in „leeren Zerstreuungen“ außer Haus ein Mittel zum Ausfüllen ihrer Mußestunden zu suchen. So unterschiedlich die Autoren die Akzente setzen, gemeinsam ist ihren Ausführungen die Forderung der einseitigen Ausrichtung der Frauen auf ihre Ehemänner, sei es auf deren Zuneigung, Wohlbefinden oder Bildung, die nicht in derselben Weise auch vom Mann erwartet wird. Gemeinsam ist den Beschreibungen auch die Forderung nach Bildung der Frauen und gewissen weiblichen Eigenschaften, besonders Treue und Sanftmut. 174

Vgl. Jacobson 1811, 16f. Jacobson 1811. 17. 176 Heß war Direktor der Töchterschule des Frankfurter Philanthropins. Vgl. Heß 1811, 189.192. Vgl. auch Rudolph 1978, 149ff. Zur Biographie s. Dietrich 2005, 535. 177 Vgl. Heß 1811, 178. 178 Vgl. Heß 1823, 161. 175

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4.3.2 Die Bestimmung zur Mutter Die Erwartungen an die Frauen als Mütter, die von den Autoren formuliert werden, sind weitgehend einheitlich. Von ihnen hänge Wohl und Tugend künftiger Generationen, Charakter und Schicksal ihrer Kinder 179 ab. Die Frauen sollten die Kinder pflegen und für sie sorgen und ihre 180 Geisteskräfte wecken und zum Guten lenken. Sie werden nicht nur als „Verpflegerinnen“ gesehen, die für die „physische Kost“ der Kinder verantwortlich sind, sondern auch als erste Erzieherinnen, in deren Händen 181 die moralische Bildung ihrer Kinder liegt. Diese sollen sie durch „Beispiel und Leitung [...] auf den Weg der Unschuld und Unverdorbenheit, 182 der Tugend und Frömmigkeit“ führen. Darüber hinaus sollen sie ihren Kindern, insbesondere den diesbezüglich vernachlässigten Mädchen, eine 183 schulische Ausbildung ermöglichen und die erzieherischen Maßnah184 men der Schule unterstützen. Insbesondere für die religiöse Erziehung wird die Vorbildfunktion der Mütter, die Notwendigkeit ihrer „wahrhaf185 tigen religiösen Praxis“, des mütterlichen Gebets, hervorgehoben. Einige Autoren wenden sich auch an die Väter, um diese von der Notwendigkeit der Bildung und des Schulbesuchs ihrer Töchter zu überzeu186 gen. Auch die Bedeutung der Väter als Vorbilder für die moralische 187 und religiöse Bildung ihrer Kinder wird angesprochen. Im Zentrum 179

Vgl. Fränkel 1806c, 487; Bock 1811, 44; Heß 1811, 178. Vgl. Jacobson 1811, 15f; Heß 1823, 160. 181 Vgl. Salomon 1810, 188; M. Fränkel 1810b, 337 Anmerkung*. Maimon Fränkel war Lehrer an den Dessauer jüdischen Schulen. Vgl. Miscellen 1819, 141. 182 Jacobson 1811, 16. 183 Vgl. Fränkel 1806c, 487. 184 Vgl. Salomon 1810, 188f. 185 Vgl. Büdinger 1828, 27. Dr. Moses Büdinger war Schriftsteller und Oberlehrer an der Israelitischen Schule in Kassel. Vgl. Miscellen 1831, 209; Literatur 1838, 384. 186 Vgl. Fränkel 1806c, 486; Bock 1811, 46f. 187 Vgl. Salomon 1810, 190.195; Büdinger 1828, 17. 180

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188

steht jedoch die Verantwortung der Mütter. Diese müssten, um ihre mütterlichen Pflichten angemessen erfüllen zu können, selbst gebildet und tugendhaft sein. Von der Mutter hängt zuerst das künftige Wohl und Wehe der Kinder ab. Die Mutter ist es, die den ersten Keim der Tugend und Untugend ausspähen, entdecken, jenen sorgsam pflegen, und diesen sogleich im Entstehen ersticken muß. Sie selbst muß tugendhaft seyn, die Tugend und Lasterkeime zu entdecken, zu erkennen, zu unterscheiden wissen. Wie kann, wie soll sie beides, wenn sie diese Erkenntnis nicht in früher Jugend [...] geschöpft hat! Auch in Hinsicht dieser, in der That höchsten Bestimmung des Weibes, muß die Kunst der Natur die Hand bieten, was die Natur gab, für den hohen Zweck benutzen, ausbilden, - kurz die wahrhaft ehrwürdige Mutter wird nicht geboren, sondern von frühes189 ter Jugend an erzogen.

Als Lohn wird den Frauen die Anhänglichkeit der Kinder an sie ange190 priesen. Ausgesprochen interessant ist, dass als vorbildliche Mütter auf 191 die von Johann Heinrich Pestalozzi bekannt gemachte Gertrud und die 192 römische Cornelia verwiesen wird, nirgends jedoch auf eine jüdische Frau. Auch wenn die Autoren nicht auf die jüdischen Wurzeln ihres Mutterbildes hinweisen, erinnert ihr Konzept doch an die Verantwortung, die der Mutter im traditionellen Judentum für die religiöse Erziehung ihrer Kinder zugesprochen wurde. Neu ist jedoch die Betonung der Notwendigkeit schulischer Bildung zur Erfüllung dieser Aufgabe. An den Frauen ihrer Zeit üben einige Autoren harte Kritik. So bemerkt Salomon, dass viele Mütter die geistige Erziehung ihrer Kinder vernachlässigten und die „bösen Anlagen“ ihrer Kinder förderten, anstatt sie zu 188

Am ehesten fordert noch Büdinger beide Elternteile zur Verantwortung für die Kindererziehung auf. Vgl. Büdinger 1828, 17ff.23ff. 189 Bock 1811, 44. 190 Vgl. Jacobson 1811, 16. 191 Vgl. Fränkel 1806c, 486; M. Fränkel 1810, 337 Anmerkung*. Vgl. Pestalozzi 1961. 192 Vgl. Salomon 1810, 188. Vgl. auch Brockhaus 1883, Bd. 4, 602f.

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unterdrücken. Viele vergäßen die „mütterlichen Pflichten“ und widmeten ihnen nicht genügend Zeit. Vergessen nicht viele über das Weib die Mutter, über das G e s e l l s c h a f t s z i m m e r die Stube der Kinder, bei denen die sogenannte K i n d e r m u h m e, die Stelle als Oberhofmeisterin übernimmt? und wenden 193 sie nicht alles an ihre Lieblinge, nur keine Z e i t ?

Anstelle gesellschaftlicher Aktivitäten sollten sie „den geräuschlosen Wirkungskreis der Häuslichkeit, als ein stilles Heiligthum verehren“ und 194 dieses nicht nur einmal im Jahr besuchen. Fränkel beklagt, dass manche jüdischen Mütter, „durch mißverstandene 195 Aufklärung irregeleitet“, die Bildung ihrer Töchter vernachlässigten. Sie übten ihre Töchter in einer unverzeihlichen Gleichgültigkeit gegen alles Religiöse, so dass diese nichts über die jüdische Religion wüssten 196 und außer der Selbstliebe keine Pflichten kennen würden. Den Müttern werden auch falsche Vorstellungen über die Inhalte von Bildung vorgeworfen. Zudem hätten sie überhöhte Erwartungen an die Möglichkeiten schulischen Einflusses, unterstützten diesen nicht angemessen und setzten ihre Kinder mit falschen Erwartungen über ihre altersgemäßen Fähig197 keiten unter Druck. Diese Kritikpunkte lassen eine Diskrepanz zwischen Realität und Selbstverständnis vieler Frauen, die scheinbar anderen Beschäftigungen als der Kindererziehung nachgingen, und Vorstellungen bzw. Ansprüchen der Autoren und Lehrer erkennen, die mütterliches Engagement in der Erzie193

Salomon 1810, 196f. Der gesperrte Druck von Wörtern wurde, wie auch in allen folgenden Zitaten, aus dem Original übernommen. 194 Salomon 1810, 200. 195 Fränkel 1806c, 486. 196 Vgl. Fränkel 1806c, 286f. 197 Vgl. Salomon 1810, 188f; Heß 1812, 49ff.

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hung ihrer Kinder forderten. Des Weiteren scheint es so, als stimmten die Erwartungen der Mütter an die schulische Erziehung ihrer Kinder nicht mit Zielen und Praxis der Aufklärer überein. 4.3.3 Die Bestimmung zur Hausfrau Die Pflichten der Frauen als Hausfrauen oder Hausmütter werden nur von drei Autoren ausführlicher dargelegt. Bock bezeichnet die Bestimmung der Frau zur Hausmutter als ein Verhältnis, in das das erwachsene 198 Mädchen durch die eheliche Verbindung mit einem Mann trete. Dieses Verhältnis beinhalte die Aufgabe der Haushaltung, des Vorstehens der Wirtschaft. Die Haushaltung sei ganz die Obliegenheit der Gattin, während der Mann für den Erwerb zur Unterhaltung der Wirtschaft verantwortlich sei. Diese Bestimmung als Hausmutter setze, so Bock, die junge Frau in neue Verhältnisse zu untergeordneten, für die Haushaltung notwendigen Personen. Diese Verhältnisse seien mit Schwierigkeiten verbunden und setzten Verstand, Klugheit, Erfahrung, feste Grundsätze und Humanität von Seiten der Hausmutter voraus. Auf der guten Erfüllung dieser Pflichten beruhe die Ruhe und Zufriedenheit der Frau sowie der Wohlstand des Hauses. Grundlage dafür sei eine sittliche und wissenschaftliche Bildung. In der Vorstellung seiner Töchterschule beschreibt Bock die für die Haushaltung erforderlichen handarbeitlichen Fähigkei199 ten und wissenschaftlichen Kenntnisse genauer. In Abgrenzung zu den Pflichten der Hausmutter „innerhalb unserer Wohnung“ beschreibt Bock im Anschluss die Pflichten der Frauen gegenüber Menschen in nahen oder entfernteren Verhältnissen bzw. „i m U m g a n g e m i t d e r 200 W e l t“.

198

Vgl. Bock 1811, 45f. Vgl. Bock 1811, 49ff. 200 Bock 46. 199

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Auch Jacobson geht auf die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern 201 ein. Gemäß den Eigenschaften und der Bestimmung der Geschlechter sei der Mann für den Erwerb und die Geschäfte außer Haus zuständig, die Frau für die Anwendung des Erwerbs im Haus. Anstelle der von Bock hervorgehobenen Leitungsfunktionen der Hausmutter betont er jedoch die Wichtigkeit der Tugend der „Häuslichkeit“, der Liebe zu den Geschäften des Hauses. Die Frau solle ihre Hauptvergnügungen nicht außer Haus suchen, Geselligkeit, nicht aber Gesellschaften lieben. Durch Ordnung und Pünktlichkeit in den häuslichen Geschäften, Reinlichkeit und zweckmäßige Sparsamkeit erwerbe sie sich die Achtung ihres Gatten und ihrer Mitmenschen, nicht durch „äußere Auszeichnung und Ehre“, ewigen „Genuß von festlichen, rauschenden Lustbarkeiten“ und „Teil202 nahme an allen Erzeugnissen der Mode“. Eine ähnliche Verbindung von Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und Häuslichkeit der Frau findet sich auch in einer Traurede von Heß, in der er folgende Worte an die Braut richtet: Und verwalten Sie das Hauswesen, welches Gott Ihren Händen übergiebt, mit steter Sorgfalt und Treue. Erhalten Sie durch Ordnung und Häuslichkeit, was des Mannes Fleiß erwirbt, und kommen Sie ihm stets mit der Liebe entgegen, 203 die er für Sie empfindet.

Den Stellungnahmen ist gemeinsam, dass sie die Aufgaben der Hausmutter bzw. Hausfrau im Gegensatz zur außerhäuslichen Erwerbstätigkeit des Mannes beschreiben. Die Beschreibung der häuslichen Tätigkeiten ist auffallend kurz, insbesondere im Verhältnis zu dem großen Raum, den weibliche Handarbeiten und für die Haushaltung wichtige wissenschaftliche Kenntnisse in den Lehrplänen der von Bock und anderen vorgestellten Töchterschulen einnehmen. Interessant ist darüber hinaus, wie bei 201

Vgl. Jacobson 1811, 15. Jacobson 1811, 15. 203 Heß 1832, 254. 202

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Jacobson die Darstellung der hausfraulichen Pflichten zu einem Plädoyer für die Tugend der Häuslichkeit gegen außerhäusliche Pflichten wird. Auch Bock verhandelt die außerhäuslichen Pflichten der Frau getrennt von den Pflichten der Hausmutter. 4.3.4 Das Ideal der Häuslichkeit von Frauen Ein Thema, das sich durch fast alle Beiträge zum Frauenbild zieht, ist die negative Beurteilung des öffentlichen Auftretens von Frauen bzw. der Ruf nach ihrer Häuslichkeit. Besonderen Raum nimmt dieses Thema in einigen Auszügen aus F. Bourtons Vorlesungen über weibliche Erzie204 hung ein, die Fränkel 1811 in Sulamith veröffentlichte. Bourton wendet sich an „junge Frauenzimmer“ und weist sie auf die Gefahren hin, die mit Besuchen und dem Aufenthalt an öffentlichen Plätzen, 205 wo beide Geschlechter sich versammeln, verbunden sind. Sie dürften nie ohne die Aufsicht und Leitung erfahrener Freunde und Verwandter an öffentlichen Orten erscheinen, denn an diesen hielten sich meist „Wollüstlinge“ auf, die beabsichtigten, den jungen Mädchen zu gefallen, und sie seien noch nicht in der Lage, die ehrenvollen von den unwürdigen Männern zu unterscheiden. Im Umgang mit diesen würden sie ihre „natürliche Schüchternheit“ verlieren, einen lebhaften Ton in ihrem Betragen annehmen und so eine Aufforderung für diese sein, sich immer mehr Freiheiten gegen sie zu erlauben. Die Nähe und Zudringlichkeit solch 206 „lüderlicher Männer“ würde ihrem Ansehen schaden. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass die Männer sie ausnutzten und die Frauen die

204

Vgl. Bourton 1811, 317ff; 373ff. Vgl. Bourton 1811, 318f.321. 206 Bourton 1811, 320. 205

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„Reinigkeit“ ihrer „unwiederbringlichen weiblichen Ehre“ verlören und 207 so das elterliche Haus entehrten. Diesem ausschweifenden Leben stellt Bourton das Ideal einer Tochter gegenüber, deren weibliche Tugend der Bescheidenheit, „inneren Reinigkeit“, „Keuschheit der Seele“ und „Feinheit der Empfindung“ in der 208 häuslichen Einsamkeit erhalten bleibe. Aber wo sollen wir die erröthende Schöne aufsuchen? Gewiß nicht in dem großen Haufen und auf den öffentlichen Versammlungsplätzen, sondern in den schattigen Gängen der häuslichen Einsamkeit. Das Gesicht, das immer das öffentliche Auge auf sich zu ziehen sucht, kann sicher darauf rechnen, daß es nach und nach seine bescheidene Süßigkeit und liebliche Neuheit verliert, Und diejenige, die sich anfänglich nicht ohne die Ergießung einer sanften Röthe über ihre Wangen konnte anstarren lassen, wird durch die beständige Schaustellung ihrer Person sich um alle diese einnehmende Simplicität bringen und 209 vielleicht dem breitesten Angaffer keck die Stirne bieten.

Bourton kommt zu dem Ergebnis, „daß die ö f t e r e Erscheinung an öffentlichen Versammlungsplätzen, wo sie sich ohne Unterschied mit der Gesellschaft vermischen und mit einer uneingeschränkten Freiheit unter210 halten, dem weiblichen Charakter nicht anständig sey.“ Bourton verweist in seiner Argumentation auf die Zurückgezogenheit der Damen im 211 alten Griechenland und führt ein Zitat aus Moores Fabeln an. Ähnlich thematisiert Heß den negativen Einfluss, den das frühe Einfüh212 ren in Gesellschaften auf die Entwicklung des jungen Mädchens habe. Dieses verliere dadurch seine kindliche Unbefangenheit und Naivität, 207

Vgl. Bourton 1811, 379f. Vgl. Bourton 1811, 380f. Vgl. Lohmann 1996c, 200. 209 Bourton 1811, 381. 210 Bourton 1811, 383. 211 Vgl. Bourton 1811, 382.322. 212 Vgl. Heß 1811, 182f. 208

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seine Munterkeit, lerne Empfindungen zu „erkünsteln“ und werde ein „affektiertes Geschöpf“. Eine Beschränkung des öffentlichen Auftretens, wie sie die genannten Autoren für junge Frauen wünschen, wird von vielen Autoren für die Frauen im Allgemeinen gefordert. Fränkel schreibt schon 1806 als Verteidigung des von ihm behaupteten talmudischen Ideals weiblicher Häuslichkeit, dass die Frau dort an ihrem schönsten Orte sei, wo sie ihre häus213 lichen Pflichten erfüllen könne. Ähnlich wie Bourton meinte Fränkel, dass die wahrhaft gebildeten, das heißt religiösen Frauen „in ihrem häus214 lichen Leben“ zu finden seien, wo ein seliger Friede sie umschwebe. Heß beschreibt die ideale Gattin als eine, die ihre freien Stunden nicht „in 215 leeren Zerstreuungen a u ß e r dem Hause“ verbringe. Auch Jacobson legt seiner Tochter nahe, ihre Hauptvergnügungen nicht außer Haus zu suchen und Gesellschaft, nicht Gesellschaften zu lieben. Auch wenn er diese nicht ganz ausschließt, betont er doch, dass die Frau ihre Achtung nicht durch „äußere Auszeichnung und Ehren“ und ewigen Genuss von „festlichen, rauschenden Lustbarkeiten“ erwerbe, sondern durch Erfül216 lung ihrer häuslichen Pflichten. Bock spricht als einziger Autor von weiblichen Pflichten außerhalb des Hauses, aber auch er warnt die Frauen, ihre und die Ehre des Hauses zu wahren und sich den Beifall wahrhaft gebildeter Gesellschaften zu erwerben, statt „eitel prunken“ zu wol217 len. So werden den Frauen in den verschiedenen Beiträgen außerhäusliche Vergnügungen zwar nicht gänzlich untersagt, aber ihr Aktionsraum wird 213

Vgl. Fränkel 1806c, 478. Fränkel 1806c, 484. 215 Vgl. Heß 1823, 161. 216 Jacobson 1811, 15. 217 Vgl. Bock 1811, 46. 214

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stark eingeschränkt. Auch wird den Frauen die Art ihres Verhaltens bei außerhäuslichem Auftreten vorgeschrieben. Schließlich wird das Ideal einer Frau entworfen, die von sich aus von derartigen Veranstaltungen Abstand nimmt und zufrieden und glücklich ihre Aktivitäten auf die innerhäusliche Sphäre begrenzt. Das im Folgenden zitierte Gedicht, in dem eine Maiblume einem Mädchen gegen seine Einladung zu den Schwestern auf die Wiese die Vorzüge des Daseins im Schattenhain anpreist, bringt diese Ideal noch einmal prägnant zum Ausdruck. Das Mädchen und die Maiblume 1. D a s M ä d c h e n Maienglöckchen, schön willkommen Hier in Haines Schattengrün! Warum aber so verborgen Und so ungesehn verblühn? Will dich hin zur Wiese tragen Wohl recht sorgsam und bedacht, Wo schon seit viel schönen Tagen Stralt der Schwestern bunte Pracht. Schau doch nur die holde Menge Und den glänzend farb’gen Kreis! Purpurn stralt der Erven Blüthe, Azur schmückt den Ehrenpreis; Golden glänzen die Ranunkeln, Und der Maaslieb heller Schein Blinkt wie nächtlich Sternenfunkeln Rund umher in dichten Reih’n. O wie herrlich wirst du prangen! Mit den Glöckchen silberweiß! Darum säume nur nicht länger, Folge mir zum Schwesternkreis! Sanft will ich die Wurzel heben Aus dem dumpf’gen Moosgeflecht. Dort, wo Sylphen dich umschweben, Ist dein Platz mit vollem Recht.

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2. D i e M a i b l u m e Gutes Mädchen, wohl erkenne Dankbar deine Güt’ ich an, Aber freundlich mir verzeihe, Wenn ich dir nicht folgen kann. Laß mich in den engen Gränzen, Wo ich froh und glücklich bin, Nicht nach eit’lem leeren Glänzen Strebt mein einfach frommer Sinn. Draußen auf der üpp’gen Wiese Sengt der Sonne heißer Brand, Leichsinn dort manch Blümchen pflücket Mit des Muthwill’s frecher Hand. Aber gern verweilt die Treue Hier in meinem Schattenhain Und schlürft immerdar auf’s Neue Meine süßen Düfte ein. Glaube, holde Freundin! glaube Meinem schlichten wahren Wort: Reine, ungetrübte Wonne Weilt nicht bei der Menge dort; Leichtsinn nur lacht dir entgegen: U n s c h u l d und B e s c h e i d e n h e i t Gern sich zu verbergen pflegen, 218 P r u n k e n will nur E i t e l k e i t.

Die Eigenschaften, die die Autoren dem von ihnen entworfenen Frauenideal zuschreiben, stimmen mit den von Hausen herausgearbeiteten weit219 gehend überein. Lediglich in Ansätzen werden den Frauen Charakteristika wie Rationalität, außerhäusliches Engagement und Erwerbstätigkeit 220 zugestanden.

218

Vgl. W. Blankenburg 1825, 43f. Vgl. auch Die Jüdischen Frauen 1837, 275ff. Vgl. Hausen 1976, 368. 220 Dies widerspricht zumindest für die theoretische Ebene der von Hyman aufgestellten These, dass es eine Geschlechtertrennung in Bezug auf Charaktereigenschaften im Judentum nicht gegeben habe. Vgl. Hyman 1995, 24f. 219

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4.4 Erwerbstätigkeit und soziale Aktivitäten von Frauen In den dargestellten Entwürfen des Frauenideals der häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau werden Erwerbstätigkeit und soziale Aktivitäten von Frauen nicht erwähnt. Demgegenüber finden sich in verschiedenen Berichten in Sulamith Hinweise auf die Erwerbstätigkeit von Frauen und Mädchen. So beschreibt der christliche Autor Heinrich Würtzer, dass die Schülerinnen der 1799 gegründeten jüdischen Hamburger Schul- und Arbeitsanstalt für Töchter armer Familien mit weiblichen Handarbeiten Geld verdienten, das „theils zum Besten der Anstalt verwandt, und theils den Ar221 beiterinnen zu gute geschrieben“ werde. Mädchen aus dieser Anstalt hätten Fleiß und Ordnungsliebe in arme Familien gebracht. Sie verdienten ihren Unterhalt durch zu Hause verfertigte Arbeiten, Nähen oder Unterricht in fremden Häusern. Eines dieser Mädchen ernähre seinen verarmten Vater fast allein durch die Arbeit seiner Hände. Auch konnte die Fähigkeit von Mädchen zur Erwerbstätigkeit ein Krite222 rium für ihre Unterstützung sein. So empfahl Gotthold Salomon in einer Rede in Dessau vor den Mitgliedern einer wohltätigen Gesellschaft zur Unterstützung redlicher, unbemittelter Mädchen mit einer Mitgiftsumme als Voraussetzung für eine gehörige Wahl, „daß das Mädchen gut, tugendhaft, häuslich ist, dann die Geschicklichkeit besitzt, dem künftigen Gatten an die Hand zu gehen, um mit vereinter Kraft den Lebensun223 terhalt zu erwerben“.

221

Würtzer 1811, 244. Vgl. auch 244f. Salomon war bis 1819 Lehrer an den jüdischen Schulen in Dessau und danach Prediger des Tempelvereins in Hamburg. Vgl. Miscellen 1819, 282; Miscellen 1820, 72. Zur Biographie s. Dietrich 2005, 539f. 223 Salomon 1811, 340. 222

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Darüber hinaus werden in Sulamith im Rahmen der Vorstellung von Schulen Frauen als Lehrerinnen und Schulleiterinnen genannt. In der von Bock 1809 in Berlin gegründeten Mädchenschule erteilte seine Gattin 224 den Unterricht in weiblichen Handarbeiten, in der seit 1819 bestehenden Schule für Jungen und Mädchen in Frankfurt an der Oder war 225 Demoiselle Henop für diesen Unterricht zuständig. In der 1810 gegründeten Töchterschule des jüdischen Philanthropins in Frankfurt am Main wurde der Unterricht in Lesen, Rechnen und Sprach- und Verstandesübungen in der untersten Klasse von Demoiselle Fläsch gegeben, in der zweituntersten Klasse der Unterricht im Lesen und Rechnen von Demoiselle Flörsheim. Außerdem gab es Lehrerinnen für weibliche 226 Handarbeiten. Im 1809 veröffentlichten Unterrichtplan von Jakob Stern für die Karlschule in Frankfurt am Main war für die Unterrichtsgegenstände der weiblichen Jugend eine schulmäßig unterrichtete Gouvernante 227 vorgesehen. In der 1799 gegründeten Schul- und Arbeitsanstalt in Hamburg fand der Unterricht unter Aufsicht eines jüdischen Ehepaares 228 statt. Auch die 1803 erfolgte Gründung einer Mädchenschule in Frankfurt am Main durch Demoiselle Henriette Herz wird erwähnt, wie auch 229 deren Schließung nach einem Jahr. Diese wird auf „Mangel an Consequenz und Beharrlichkeit bei der Unternehmerin und verdrießliche Zufälle“ zurückgeführt.

224

Vgl. Bock 1811, 50. Bock bemerkt, dass die Verbindung mit seiner Gattin ihm die Eröffnung der Töchterschule ermöglichte. Vgl. Bock 1811, 48. 225 Vgl. Spieker 1821, 236. Spieker war Königlicher Superintendent, Professor und Oberpfarrer in Frankfurt an der Oder. Vgl. Nachrichten 1821, 235, sowie Oppermann 2011. 226 Vgl. Heß 1811, 188f.193. 227 Aus dem Plan geht leider nicht eindeutig hervor, ob sich der Unterricht der Gouvernante auf alle Fächer bezog oder auf die weiblichen Arbeiten beschränkte. Vgl. Stern 1809, 347.351. 228 Vgl. Würtzer 1811, 244. 229 Vgl. Heß 1823, 154.

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In den meisten Fällen gaben die Frauen nur den Unterricht in Elementarkenntnissen und weiblichen Handarbeiten, während Männer für den wis230 senschaftlichen Unterricht zuständig waren. In manchen Texten wird auf die Frage der Arbeitsteilung zwischen männlichen und weiblichen Lehrkräften nicht eingegangen. Im vorletzten Jahrgang von Sulamith werden auch die „rühmlich bekannte, beliebte Dichterin“ Henriette Ottenheimer aus Regensburg und die 1818 verstorbene Wiener Salonière Fanny Baronin von Arnstein er231 wähnt. Diese, so in dem Auszug aus der Wiener Allgemeinen Tageszeitung, sei „lange ein Vorbild für weibliche Geistes- und Herzensvered232 lung geblieben“. Beide kurzen Nachrichten sind auf der Grundlage von Ausschnitten aus anderen Zeitungen verfasst. Fränkel fügt dem Zeitungsausschnitt über Fanny von Arnstein noch einige Sätze hinzu, in denen er auch das Haus der (Salonière) Sara Levy einen „Versammlungsort für ausgezeichnete Geister“ nennt. Zum Tod von Fanny von Arnstein, war bereits eine kurze Notiz in Sulamith erschienen, in der sie als „merkwürdige Frau“ bezeichnet wird, deren Haus sich durch Gastfreiheit, Bildung und Eleganz ausgezeichnet habe und Sammelplatz der schönen, zum Teil 233 auch gelehrten Welt gewesen sei. Diese Nachrichten sind insofern überraschend, als die ersten Jahrgänge von Sulamith keine einzige Nachricht über die Salonièren oder Dichterinnen enthielten. Vielmehr beinhaltete das propagierte Frauenbild der häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau ja geradezu einen Gegenentwurf zur Salonkultur. In dem von Fränkel zitierten Ausschnitt aus Ewalds Schrift wird Frauen sogar vorgeworfen, ihren weiblichen Beruf nicht zu 230

Dies war eine allgemeine Tendenz auch in nichtjüdischen Schulen. Vgl. Bäumer 1902, 67. 231 Zu Henriette Ottenheimer vgl. Feuilleton 1842, 257f. 232 Zu Sara Levy vgl. Feuilleton 1845, 99f. 233 Vgl. Miscellen 1818, 63f.

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erfüllen, indem sie „schöne Geister, Politikerinnen, Philosophinnen, 234 Tonkünstlerinnen“ seien. Die wenn auch vereinzelte positive Erwähnung der Salonièren in den späteren Jahrgängen der Sulamith weist darauf hin, dass die Auseinandersetzung um die Salonièren im Laufe der Zeit an Schärfe verloren hat. Die Krise der Berliner jüdischen Gemeinde 235 beispielsweise wird um 1830 als überwunden angesehen. Dennoch scheint in der Zeitschrift nach wie vor ein gespaltenes Verhältnis zu diesen Frauen vorgelegen zu haben. Denn es wird kaum Zufall sein, dass dem Bericht über Fanny von Arnstein eine Prager Legende über den Tod einer Ehebrecherin, die durch ihr Verhalten Unheil über die jüdische 236 Gemeinde bringt, vorausgestellt wurde. In den mittleren Jahrgängen von Sulamith ist erstmals die Rede von den sozialen Aktivitäten von Frauen in Frauenvereinen. Es wird ein Hamburger Verein jüdischer Frauen gelobt, der sich 1819/20 gebildet habe, um für die Bekleidung der Zöglinge der Hamburger Freischule wie auch der 237 aus ihr erwachsenden Handwerker zu sorgen. Seine Vorsteherinnen hätten an der Aufrechterhaltung der Ordnung und äußeren Anständigkeit der Anstalt mitgewirkt. Auch ein „Mädchenverein“ aus Altona wird 1821 238 erwähnt, der für die Mittel zur Handarbeit der Töchterschule sorge. Ausführlicher wird in einem in Sulamith veröffentlichten Brief über den 1829 in Breslau gegründeten Frauenverein berichtet, welcher die Sorge der Verpflegung und Erziehung von Waisenmädchen übernommen ha239 be. Auf Aufforderung der Vorsteher der israelitischen Waisen-Ver234

Fränkel 1806c, 482. Vgl. Lohmann 1996c, 209; Lowenstein 1992. 236 Vgl. Feuilleton 1842, 254ff. 237 Vgl. Kley 1821, 398; Miscellen (1821), 355f. 238 Beiträge 1828, 421. 239 Vgl. Miro 1830, 197.199. G. Miro war Lehrer bei der Königlichen Wilhelmsschule in Breslau und Vorsteher einer Privat-Lehranstalt. Vgl. Literatur 1835, 90. 235

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pflegungsanstalt zu Breslau hätten neun namentlich genannte Frauen 240 diesen Verein gegründet. In wenigen Tagen hätten sie 313 Frauen für monatliche Beiträge gewonnen, einen Fond von 2000 Talern aufgebracht und sechs verwaiste Mädchen einer Familie anvertraut. In Prag hatte schon 1812 eine „kleine Gesellschaft edler Frauen“ angefangen, sich für 241 die Verbesserung des Schicksals von Waisen einzusetzen. Auch die mütterlichen Pflichten führten die Frauen in die Öffentlichkeit, wie die Anwesenheit von Frauen zum Beispiel bei den Öffentlichen Prü242 fungen ihrer Kinder zeigt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in Sulamith über Frauen in bestimmten außerhäuslichen Tätigkeiten berichtet wird, obwohl dies dem propagierten Ideal der Häuslichkeit von Frauen widerspricht. Frauen werden als Lehrerinnen mit unterschiedlicher Qualifikation, als Schulleiterinnen und als aktive Mitglieder und Gründerinnen sozialer Vereine genannt. In den späteren Jahrgängen von Sulamith werden auch zwei Salonièren und eine Dichterin erwähnt. Während die Aktivitäten dieser Frauen dem Frauenideal der Romantiker entsprechen, erstreckt sich das Engagement der Lehrerinnen und Vereinsfrauen auf typisch „weibliche“ Tätigkeitsfelder, nämlich die Verpflegung und Erziehung von Kindern. In den Reihen letztgenannter entstand dann Mitte des 19. Jahrhunderts die Frauenbewegung, deren Forderungen nach Erwerbstätigkeit und Stu-

240

Genannt werden L. Freihan, Friederike Frank, Zipora Schnitzler, Caroline Friedeberg, Babette Silberstein, Louise Dyrenfurth, Henriette Heymann, Johanna Dyhrenfurth und Sophie Prager. Vgl. Miro 1830, 199. 241 Vgl. Beer 1812, 166. Peter Beer war Lehrer an der Israelitischen Hauptschule in Prag. Vgl. Hock 1812, 150. Zur Biographie s. Dietrich 2005, 532. 242 Vgl. Beiträge 1828, 421; Beer 1812, 166. Allan hat darauf aufmerksam gemacht, dass auch bei der zunehmenden Trennung von privater Späre und Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert die mütterlichen Pflichten mit der öffentlichen Sphäre verbunden blieben. Vgl. Allan 1991, 18.30.

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dium von Frauen auch zunächst in Bezug auf die typischen Frauenberufe 243 der Sozialarbeit und Lehrtätigkeit formuliert wurden.

4.5 Die Stellung von Frauen in der Religion Den Frauen wird von verschiedenen Autoren eine große Bedeutung für die Vermittlung von Religiosität an die nächste Generation zugespro244 chen. Darüber hinaus wird Religiosität als ein wesentlicher Bestandteil ihrer „Weiblichkeit“ verstanden. Im Hinblick auf diese beiden Aspekte wird von den Autoren die Unwissenheit vieler Frauen bezüglich der jüdischen Religion beklagt und ihre religiöse Bildung gefordert. Einige Autoren versuchen auch, durch ihre an die jungen Frauen gerichteten Artikel 245 einen Beitrag zu deren religiöser Bildung zu leisten. Darüber hinaus werden in Sulamith drei religiöse Reformen thematisiert, die die Stellung der Frauen betreffen: die Konfirmation von Mädchen, die Veränderung der Hochzeitszeremonie und die Reform des Gottesdienstes. 4.5.1 Die Konfirmation von Mädchen Eine der von den Aufklärern eingeführten Reformen war die Konfirmati246 on, die aus dem Christentum übernommen und verändert wurde. Die Konfirmation ersetzte die traditionelle Bar-Mizwa der 13-jährigen Jungen, bei der die Jungen zeigen sollten, dass sie in der Lage waren, aus der Thora zu lesen und einen rabbinischen Vortrag zu halten. Da die BarMizwa aus Sicht vieler Aufklärer zu einer „leeren Hülse“ geworden war, 243

Vgl. Kaplan 1981, 65ff.29; Fassmann 1993, 147f. Vgl. Fränkel 1806c, 485.482. 245 Vgl. insbesondere Salomon 1806, 215ff.374ff.473ff; Salomon 1807, 86ff.169ff; Salomon 1809, 199ff. 246 Zum Folgenden vgl. Meyer 1988, 39f. 244

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sollten die Jungen nun stattdessen bei ihrer Konfirmation zeigen, dass sie 247 die Prinzipien und Pflichten des Judentums gelernt hatten. Der Konfirmation ging ein Religionsunterricht voraus, in dem anhand von neu er248 scheinenden jüdischen Katechismen oder Lehrbüchern gelehrt wurde. Die Einführung der Konfirmation war auch in aufklärerischen Kreisen 249 selbst nicht unumstritten. Uneins war man darüber, inwieweit überhaupt von jüdischen Katechismen, Glaubensartikeln oder Glaubensbekenntnissen gesprochen werden könne. Der Unterschied zur christlichen 250 Katechese und Konfirmation wurde betont. Meyer führt als einen Grund für die Einführung der Konfirmation an, dass die Bar-Mizwa von vielen als mangelhaft empfunden wurde, da sie 251 sich nicht auf Mädchen erstreckte. In Sulamith findet sich eine derartige Argumentation nicht. Die Frage der Einführung der Konfirmation von Mädchen wird in Sulamith kaum diskutiert. Lediglich 1847 wird ein Zeitungsbericht der Deutschen Allgemeinen Zeitung wiedergegeben, in dem eine „Korrektur“ der Annahme vorgenommen wird, dass die Einführung der Konfirmation für Mädchen eine größere Neuerung im Judentum beinhalte als die Abschaffung der Beschneidung. In diesem Artikel wird behauptet, dass der Konfirmation für Mädchen im Judentum nichts widerspreche, dieselbe von den Rabbinern nicht als eine derartige Neuerung 247

Vgl. Fränkel, Maimon 1810a, 112ff. Maimon Fränkel benutzt allerdings für die alte wie die neue Zeremonie den Begriff „Konfirmation“. 248 In Sulamith werden verschiedene Bücher angekündigt oder rezensiert: u.a. Lehrbücher für den Religionsunterricht von Juda Löw Bensef (ders. 1810; Der Weg des Unterrichts 1807), Herz Homberg (Recension 1811), J. Johlson (Miscellen 1820, 71), Büdinger (Miscellen 1831, 209), ein Katechismus von Salomon Kohn (Wolf 1814) und ein Lehrbuch zur Geschichte der Juden von Peter Beer (Sp. 1809). 249 Vgl. Beiträge 1819, 397. 250 Vgl. Wolf 1814, 47ff; Weil 1817, 316; Fränkel in einer Anmerkung in: Nachrichten 1807, 51f. Dr. Weil war Leiter einer Lehr- und Erziehungsanstalt in Frankfurt am Main. Vgl. Weil 1827, 316. 251 Vgl. Meyer 1988, 40.

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angesehen werde und es auch an keinem Ort Widerstand gegen ihre Ein252 führung gebe. Eliav weist demgegenüber darauf hin, dass es in ver253 schiedenen Gemeinden Widerstand gegeben habe. Schon ab 1803 fanden in Dessau Konfirmationen von Jungen im Fami254 lienkreise und in der neu gegründeten Schule statt. 1809 wurde die Konfirmation erstmals offiziell vom Westfälischen Konsistorium als 255 Aufgabe der Rabbiner genannt. Das Westfälische Konsistorium sah auch die Konfirmation für Mädchen vor, jedoch gibt es keine Belege dafür, dass sie tatsächlich stattgefunden hat. Anscheinend wurde die erste Mädchenkonfirmation 1814 durch Bock in seiner privaten Schule in Ber256 lin durchgeführt. Auch wenn das Für und Wider der Mädchenkonfirmation in Sulamith nicht diskutiert wird, finden sich doch viele Notizen über Konfirmationen von Mädchen an verschiedensten Orten. In Sulamith wird die Konfirma257 tion zweier Mädchen 1817 durch Eduard Kley im Beerschen Tempel in 258 Berlin als die erste bezeichnet. Schon 1816 hatte Sulamith über die Einführung der Konfirmation für Mädchen und Jungen in Kopenhagen

252

Vgl. Feuilleton 1845, 50f. Lässig weist darauf hin, dass in einigen Gemeinden zunächst die aus traditioneller Sicht nicht problematische Konfirmation von Mädchen eingeführt wurde, um eine spätere Einführung der umstrittenen Konfirmation für Jungen vorzubereiten. Vgl. Lässig 2004, 329ff. 253 Vgl. Eliav 1993, 105 und Eliav 2001, 322ff. 254 Vgl. Meyer 1988, 39. Laut Fränkel (Beiträge 1819, 398) fanden seit 17 Jahren Konfirmationen im Familienkreise statt. 255 Vgl. Meyer 1988, 39; Beiträge 1819, 398ff, Anmerkung **. 256 So Meyer (1988, 39, Anm. 112) mit Verweis auf Eliav (1960, 268). 257 Dr. Eduard Kley war Prediger am Berliner Beer-Tempel und ab 1817 Direktor der jüdischen Freischule in Hamburg und Prediger beim neu gegründeten Hamburger Tempelverein. Vgl. Miscellen 1817, 279: Vgl. auch Meyer 1988, 54f. 258 Vgl. Miscellen 1817, 279; vgl. Meyer 1988, 50.

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259

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berichtet. Weitere Konfirmationen von Mädchen 1819 in Hamburg , 261 1828 in Frankfurt am Main , 1828/9 in Dessau und 1931/2 Braun262 263 264 schweig , 1834 in Stockholm , 1835 in Hildburghausen , 1844 in 265 Breslau und in Wien, Bernberg und Dresden werden erwähnt. Die Konfirmation der Mädchen wie der Jungen ist im Zusammenhang mit dem neu eingeführten Religionsunterricht zu verstehen. Sie stellte 266 Abschluss und Höhepunkt dieses Unterrichts dar. In ihr deutet sich eine Gleichstellung von Mädchen und Jungen an. Sie ist jedoch für die Mädchen im Vergleich zu den Jungen nicht mit dem Eintritt in die gleichen Rechte und Pflichten als erwachsene Gemeindemitglieder verbunden. Hierin ist eine Einschränkung der tatsächlichen Gleichstellung von Jungen und Mädchen in der Konfirmation zu sehen. Vielleicht lag hierin jedoch auch der Ansatzpunkt für spätere weiterreichendere Forderungen 267 nach einer Gleichstellung der Frauen in der Religion. 4.5.2 Zur religiösen Trauung Ein anderer Bereich der religiösen Reformen, der in Sulamith schon früh thematisiert wurde und für die Stellung von Frauen von Bedeutung ist, betrifft die Heiratsstiftung und die Hochzeitszeremonie. Fränkel veröffentlichte hierzu schon 1806 eine ausführliche Stellungnahme unter der 259

Vgl. Miscellen 1816, 356. Vgl. Miscellen 1820, 72. 261 Vgl. Weil 1827, 319; Miscellen 1829, 138. 262 Vgl. Miscellen 1831, 210f; Feuilleton 1845, 50. 263 Vgl. Miscellen 1835, 127f. 264 Vgl. Literatur 1837, 158f. 265 Vgl. Feuilleton 1845, 50. 266 Vgl. Weil 1828, 318; Einige Blicke 1810, 11; Kaplan 1991, 67. 267 Vgl. Fassmann 1993, 149. 260

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Rubrik „Gallerie schädlicher Mißbräuche, unanständiger Convenienzen 268 und absurder Zeremonien unter den Juden“. In dieser kritisiert er zum einen die Art der Heiratsstiftung: Das Brautpaar heirate durch die Vermittlung eines Heiratsstifters, ohne einander zu kennen, so dass das Eheglück dem Zufall überlassen sei. Des Weiteren sei Geld, nicht Zuneigung, das Kriterium für das Zustandekommen einer Heirat. So sind die meisten jüdischen Ehestiftungen geschaffen und bloß dem Zufall überlassen. Wie mancher verlierende Spieler mußte schon auf diese Art seine Niete als Gewinn ausposaunen; denn war gleich seine Frau in gewissem Betrachte eine Niete, so brachte sie doch Geld, also einen ordentlichen Gewinn mit. Ja Geld! Hierin liegt das ganze Mangelhafte. Dem Juden m u ß das G e l d alles seyn, weil er ohne Geld keinen Handel treiben, und ohne Handel, der ihm als Mittel zur Nahrung einzig und allein angewiesen ist, nicht leben kann. Selten einmal heurathet daher der Jude ein Mädchen aus bloßer herzlicher Neigung. Wie viel Geld hat das Mädchen? ist gewöhnlich seine erste Frage. Kann man darüber einig werden; wohlan! Beide Väter, der des Sohnes, so wie der des Mädchens bestimmen eine gewisse Summe der Mitgift; die Geldbeutel werden zusammengestellt, heurathen sich einander, und – e i n Ehepaar 269 ist mehr in der Welt.

Auch wenn die jüdischen Ehen im Allgemeinen sehr glücklich seien, 270 bleibe die Art der Ehestiftungen „sehr lächerlich und abgeschmackt“. Zum anderen kritisiert Fränkel die Zeremonien von Verlobung und Hochzeit. Das in chaldäischer Sprache abgefasste Eheformular wie auch 271 die bei der Verlobung „aus rabbinischen Brocken“ angefertigten Akten seien weder für die Brautleute noch für deren Eltern verständlich, so dass man außer der Höhe der Mitgift die vereinbarten Pflichten nicht kenne 272 und später so manche Kollision entstehe. Darüber hinaus kritisiert 268

Vgl. Fränkel 1806b, 165ff.222ff. Fränkel 1806b, 182. 270 Fränkel 1806b, 183. 271 Fränkel 1806b, 229. 272 Vgl. Fränkel 1806b, 227ff.237; Fränkel in Anmerkung ** zu: Gedanken: 1816, 400. 269

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Fränkel die Art der Heiratszeremonie mit ihren „volkstümlichen Elemen273 ten“ wie auch das Stattfinden der Trauhandlung im Freien. Die Zeremonie provoziere die „Lästerung“ von aufgeklärten Juden und Nichtju274 den und werfe Schatten auf die jüdische Religion selbst. Stattdessen solle die Zeremonie nach dem Vorbild der Praxis einzelner Hausväter in 275 großen Städten ruhig, „gesittet“ und „anständig“ zugehen. Die meisten von Fränkel geforderten Änderungen wurden 1810 für die Gemeinden im Königreich Westfalen durch das Königlich Westfälische 276 Konsistorium vorgeschrieben. Dieses ordnete an, dass die Trauungen künftig in der Synagoge vor der Lade stattzufinden hätten. Die Zeremonie sei mit einer deutschen Rede zu eröffnen, auf die der Segen, das Überreichen des Trauringes durch den Bräutigam, das Vorlesen des beigefügten deutschen Trauungsbriefes und die weiteren Segenssprüche zu folgen hätten. Die sonst üblichen, eher volkstümlichen Elemente wurden verboten. Diese Reformen wurden in verschiedenen Gemeinden tatsächlich durchgeführt, so laut Sulamith in Paderborn, Braunschweig und 277 Magdeburg. In Sulamith wurden verschiedene Beispiele der neu einge278 führten Traurede in deutscher Sprache abgedruckt. Im Blick auf die Bedeutung der Reformen für die Stellung der Frauen ist festzuhalten, dass es bei ihnen offensichtlich nicht um eine Veränderung zugunsten der Gleichstellung von Frauen ging, sondern um die Verständ273

Vgl. Fränkel 1806b, 231ff, besonders 235. Vgl. Fränkel 1806b, 236.241. 275 Vgl. Fränkel 1806b, 240. 276 Vgl. Königlich Westfälisches Konsistorium 1810, 294ff; Einige Blicke 1810, 12. Vgl. auch Meyer 1988, 35. 277 Vgl. Fränkel in Anmerkung * zu: Gedanken 1816, 400f. Auch in Wien wurde eine Traurede in deutscher Sprache eingeführt und das Zerbrechen von Glas abgeschafft. Vgl. Rituell (1828), 396ff; Meyer 1988, 156. 278 Vgl. Jacobson 1811, 10ff; Heß (1832), 252ff; Rosenfeld (1833), 385ff. Rosenfeld war Stadt- und Distrikts-Rabbiner in Bamberg. Vgl. Rosenfeld 1833, 385. 274

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lichkeit der traditionellen Struktur für alle Beteiligten und die Abschaffung sogenannter „lächerlicher, unanständiger Nebensachen“. Daneben bot die neu eingeführte Traurede eine Möglichkeit, aufklärerisches Gedankengut zu vermitteln, unter anderem auch das Frauenideal der häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau. Fränkel äußert sich zur Bedeutung der jüdischen Ehegesetze für die Stel279 lung der Frauen in einer Fußnote zu einer Traurede. Dort wendet er sich gegen den Vorwurf von Seiten christlicher Geistlicher, die Juden verachteten das weibliche Geschlecht und müssten die Geltung der „polygamischen und klimatischen Ehegesetze“ erklären, bevor sie emanzipiert werden könnten. Fränkel gibt zwar zu, dass manche „Talmudisten“ nach den im „Morgenland“ herrschenden Ansichten über Frauen geurteilt hätten, fügt aber hinzu, dass es andere „Talmudisten“ gegeben habe, die das weibliche Geschlecht hochschätzten. Die größtenteils zufriedenen und glücklichen Ehen unter den Juden in Deutschland wie auch die nebenstehende Traurede zeigten, dass die Ansichten jener „frauenverachtenden Talmudisten“ längst ihren Wert verloren hätten und im Volk nicht einmal mehr bekannt seien. So betont Fränkel zwar gegen christliche Kritik an den jüdischen Ehegesetzen die Hochschätzung und Achtung der Frauen bei den Juden in Deutschland, die Einseitigkeit des ehelichen Rechtsverhältnisses zum 280 Nachteil der Frauen, wie sie 1845 dann von Samuel Holdheim ange281 griffen wird, wird jedoch nicht in Frage gestellt. Fragen wie die Abschaffung von Polygamie und Leviratsehe oder die Forderung nach gleichem Recht für Frauen und Männer bezüglich Scheidung und Ehebruch bleiben unthematisiert. Nicht einmal ein gegenseitiger Ringwechsel, wie 279

Vgl. Fränkel in Anmerkung* zu: Gedanken 1816, 401 Vgl. Holdheim 1845. Vgl. auch Hamburger 1975, 14. 281 Zur Zurückhaltung der Autoren in Sulamith in Bezug auf Reformen gegen das jüdische Gesetz über das Lächerlichmachen peripherer Bräuche hinaus vgl. Meyer 1988, 29. 280

70

er 1871 von Frauen gegen ihre Passivität in der Heiratszeremonie gefor282 dert wurde, oder eine gegenseitige Heiligkeitserklärung wurde im Rahmen dieser Reformdiskussionen angedacht. Unabhängig davon mögen die von Fränkel geforderte Abschaffung der Ehestiftung durch Heiratsvermittler zugunsten der Berücksichtigung gegenseitiger Zuneigung wie auch die Verständlichkeit des Zeremoniells Veränderungen gewesen sein, die im Sinne der Frauen waren. 4.5.3 Gottesdienstreformen und Frauen In Sulamith finden sich nur wenige Hinweise für die Bedeutung der Gottesdienstreformen für Frauen. Vereinzelt wird beklagt, dass die unverhei283 rateten Frauen vom Synagogenbesuch ausgeschlossen seien. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Notiz über die Einführung einer wöchentlichen Andachtstunde für Mädchen und Jungen im Frankfurter 284 Philanthropin. Dort wird berichtet, dass sich sonntags bei Eröffnung der Schule alle Schüler und Schülerinnen in einem Saal versammelten, um einer Andacht mit Orgel, Gesang und einem Gespräch über einen moralischen Gegenstand beizuwohnen. Die Schulen bildeten anscheinend 285 einen Schonraum, in dem ein gemeinsamer Gottesdienst von Jungen und Mädchen möglich war, über den auch in Sulamith berichtet werden konnte. Auffallend ist dem gegenüber, dass zwar über die Einführung von Glocken, Chor, Orgel und deutscher Predigt im neu eröffneten Tempel in

282

Vgl. Kaplan 1991, 67. Vgl. Salomon 1807, 94; Heß 1811, 185. 284 Vgl. Miscellen 1812, 203. Zu dem Wunsch nach finanziellen Mitteln für die Einrichtung einer derartigen Andachtstunde vgl. Heß 1811, 185. 285 Vgl. Eliav 1960a, 210f; Meyer 1988, 109; Graetz 1996, 349f. 283

71

286

Seesen berichtet wird, nicht jedoch über die für Frauen einschneidenden Reformen im 1818 eröffneten Hamburger Tempel. Dort gab es keine Trennungswand zwischen Männer- und Frauensektion, und es waren deutlich mehr Plätze für Frauen (43%) vorgesehen als in traditionellen 287 Synagogen. Auch ein zweisprachiges reformiertes Gebetbuch wurde eingeführt. In Sulamith wird zwar das Beten „in einer todten, ihr [der Tochter] ganz 288 unverständlichen Sprache“ kritisiert. Die Einführung deutscher Gebete 289 im Hamburger Tempel wird jedoch kontrovers diskutiert. Die Ausei290 nandersetzung um den Beerschen Tempel (1817-1823) in Berlin wird nicht angesprochen. In Bezug auf das Problem der mangelnden Hebräischkenntnisse vieler Frauen empfiehlt Fränkel den Gebrauch der neu erschienenen deutschen Übersetzungen der hebräischen Gebete von Isaak Euchel und David 291 Friedländer. Darüber hinaus werden verschiedene Gebetbücher zum 292 Gebrauch beim öffentlichen und häuslichen Gebet vorgestellt. Kaplan weist darauf hin, dass Frauen angesichts ihres Ausschlusses vom öffentlichen Gottesdienst seit dem Ende des 16. Jahrhunderts eine eigene 293 Form „nicht elitärer, popularer Religion“ praktizierten. Hilfsmittel dafür waren Andachtsbücher, die Techinot, und Zena Urena, die sogenann286

Vgl. Feyerliche Einweihung 1810, 298ff. Vgl. Meyer 1988, 55f. 408, Anmerkung 168. 288 Gedanken 1816, 401. 289 Vgl. Der neuerrichtete Tempel 1819; Nachrichten 1821, 231; Etwas über den Gottesdienst 1822. Vgl. auch Meyer 1988, 46ff. 290 Vgl. Meyer 1979, 142. 291 Vgl. Anmerkung * von Fränkel in: Gedanken 1816, 401. 292 Vgl. Literatur 1815, 142; Literatur 1835, 90. 293 Vgl. Kaplan 1991, 65. 287

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te Frauenbibel. Die Aufklärer wollten diese aus ihrer Sicht „unanständi294 ge“ jiddische Literatur abschaffen. Auch in Sulamith wurde der Ge295 brauch der „alten oft albernen“ Techinot abgelehnt. Stattdessen wurden 296 neue deutsche Frauengebetbücher im Geiste der Aufklärer angepriesen. 297

Die Einführung der an beide Geschlechter gerichteten Predigt wie auch von deutschen Übersetzungen der Gebete, bzw. eines zweisprachigen Gebetbuches, war für viele Frauen von großer Bedeutung. Sie ermöglichte den vielen, die fast kein Hebräisch verstanden, den Gottesdienst auf intensivere Weise mit zu vollziehen als vorher. Aber auch die Abschaffung der Trennwand war nicht unbedeutend. Kaplan berichtet von den Gefühlen von Frauen, die als „Bürger Gottes zweiter Klasse“ in der 298 Frauengalerie saßen und am Gottesdienst kaum teilnehmen konnten. Meyer hat darauf hingewiesen, dass Frauen wahrscheinlich den Anstoß zu den Reformen in Hamburg gaben und auch in Berlin möglicherweise Amalie Beer wichtigen Einfluss bei der Einrichtung des Tempels in ih299 rem Haus hatte. Die aus feministischer Perspektive entscheidenden Reformen für eine aktive Teilnahme von Frauen am Gottesdienst wurden jedoch auch in Hamburg und Berlin nicht durchgeführt. So waren Frauen nach wie vor von der Teilhabe am Minjan, der Leitung des Gottesdienstes und dem Lesen aus der Thora ausgeschlossen und blieben somit weiterhin „Bürge-

294

Zur Verdrängung der jiddischen Literatur durch die deutsch-jüdischen Frauengebetbücher vgl. Kratz-Ritter 1996, 157. 295 Vgl. Fränkel in Anmerkung * zu: Literatur 1815, 143. 296 Vgl. Salomon 1815, 8ff; Literatur 1815, 142f. 297 Vgl. Meyer 1988, 140. 298 Vgl. Kaplan 1991, 66. 299 Vgl. Meyer 1988, 55.47.

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rinnen zweiter Klasse“. nicht erst diskutiert.

300

In Sulamith wurden derartige Änderungen gar

Im Gegensatz dazu forderte Abraham Geiger schon 1837, dass es diesbezüglich keine Trennung zwischen den Pflichten beider Geschlechter 301 mehr geben solle. 1846 stellten die Leiter der Reformbewegung die Stellung der Frauen auf die Tagesordnung ihrer Synode und bezeichneten die Segregation von Frauen, das Fehlen der Konfirmation von Mädchen, ihren Ausschluss vom Chor und das männliche Dankgebet, nicht als Frau 302 geboren zu sein, als Verletzung der freien Persönlichkeit der Frauen. Eine von der Synode eingesetzte Kommission verlangte die Verbindlichkeit der zeitgebundenen Gesetze auch für Frauen und ihre Zählung zum Minjan. Die Diskussion dieser Forderungen wurde jedoch aus Zeitmangel aufgeschoben. Die Durchsetzung dieser Forderungen wie auch die Ordination von Frauen als Rabbinerinnen sollte noch längere Zeit auf 303 sich warten lassen.

300

Vgl. Kaplan 1991, 65. Lässig (2004, 326ff und 360f) spricht in diesem Zusammenhang von einer „partiellen Feminisierung“ religiöser Praxis, die mit der Übernahme bürgerlicher Vorstellungen von (gefühlsbetonter) Religion einherging, jedoch nicht zu einer Gleichberechtigung in den weiterhin halachisch bestimmten religiösen Bereichen führte. 301 Vgl. Geiger 1837, 6.13f; Kaplan 1991, 67. 302 Vgl. Kaplan 1991, 67. 303 Vgl. Hamburger 1975; Navè Levinson 1986.

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5 Konzepte der Mädchenerziehung in Sulamith Die Bildung der Juden war die erklärte Absicht der Zeitschrift Sulamith, Bildung und Erziehung der Jugend ein zentrales, von vielen Seiten diskutiertes Thema. Die Texte darüber setzen sich aus Konzepten einzelner Schulen, Berichten über verschiedene Schulen, Reden, die zum Anlass der öffentlichen Prüfungen der Schüler und Schülerinnen gehalten wurden, und einigen für Sulamith verfassten thematischen Abhandlungen zusammen. 304

Im Blick auf die Konzepte der Mädchenerziehung stellt sich jedoch ein methodisches Problem: Es gibt verschiedene Hinweise darauf, dass sich die Texte und Textabschnitte, in denen allgemein über Bildung und Erziehung der Jugend gesprochen wird, nur auf die männliche Jugend beziehen. So wird in vielen Texten zunächst allgemein über Bildung und Erziehung gesprochen und dann hinzugefügt, wie die Mädchenerziehung 305 vorgesehen sei oder dass die allgemeinen Ausführungen auch (oder nur 306 eingeschränkt) auf die Mädchenerziehung angewandt würden. In den Texten und Textabschnitten, in denen allgemein über Bildung und Erziehung reflektiert wird, werden die Begriffe „Kind“, „Jugend“ und „Mensch“ synonym mit den Begriffen „Knabe“, „Jüngling“ und „Mann“ 307 benutzt. Beispiele beziehen sich ausschließlich auf die männliche Ju308 gend. Häufig werden auch Bildungsinhalte dargestellt, von denen anzunehmen ist, dass sie sich ausschließlich auf die männliche Jugend be304

Zur Ambivalenz in den Mädchenerziehungskonzepten der Zeitschrift Sulamith vgl. Will 2002. 305 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 107ff.114f. 306 Vgl. Stern 1809, 350f. 307 Vgl. Salomon 1810, 192.195f; Heß 1812, 84. 308 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 107f.111f; Kley 1821, 392.394; M. Fränkel 1810, 335.340. Demgegenüber weist Beer (1812, 162) explizit darauf hin, dass es zu weitläufig wäre, auch von der Mädchenschule zu sprechen.

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ziehen, so beispielweise vertiefender Unterricht in der hebräischen Spra309 che und den religiösen Schriften. Dieser Quellenbefund passt zu der von Pia Schmid aufgestellten These, dass sich das in der bürgerlichen Gesellschaft entstehende Ideal der Allgemeinbildung ausschließlich auf die Bildung des männlichen Ge310 schlechts bezog. Ich werde im Folgenden die allgemeinen Überlegungen zu Bildung und Erziehung und die Ausführungen, die sich explizit auf Mädchenbildung beziehen, gegenüberstellen, um zu untersuchen, wie sie sich zueinander verhalten. Zunächst soll jedoch kurz auf die geistesgeschichtlichen Grundlagen der in Sulamith entworfenen Bildungskonzepte eingegangen werden.

5.1 Geistesgeschichtliche Grundlagen der Bildungskonzepte in Sulamith Die Autoren von Sulamith konnten für ihre Bildungskonzepte an die pä311 dagogischen Grundgedanken Mendelssohns anknüpfen. Diese bestanden in der Verknüpfung jüdisch-traditioneller mit säkularer Bildung zum einen und der Anpassung des Bildungsprogramms an die seelische und geistige Entwicklung des Kindes zum anderen. Naphtali Hartwig Wessely hatte diese 1782 in seiner Schrift Worte des Friedens und der Wahrheit zu einem systematischen Reformprogramm ausformuliert. In den Sulamith-Texten wird verschiedentlich auf das Wirken von Mendelssohn und Wessely Bezug genommen. Es wird als eine große Veränderung in der jüdischen Bildungsgeschichte und als Beginn der jüdischen Aufklä309

Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 109ff; Kley 1821, 393; Heß 1812, 84. Vgl. Schmid 1986, 202f.212f. 311 Vgl. zum Folgenden Lohmann 1996c, 189ff; Graetz 1996, 336ff. 310

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312

rung bezeichnet. Bei traditionsgebundenden Rabbinern stieß Wesselys Schrift demgegenüber auf heftigen Widerspruch, da er die weltlichen 313 Kenntnisse den göttlichen Wissenschaften vorordnete. Im Blick auf die Mädchen hatte David Friedländer bereits 1788 ihre feh314 lende schulische und religiöse Erziehung beklagt. Da „das weibliche Geschlecht fast alle Verbindlichkeiten, Pflichten und Rechte mit dem männlichen gemein“ habe, müsse auch an seine Herzens- und Geistesbildung gedacht werden und es in den Gesetzen der Religion und Moral unterrichtet werden. Praktische Konsequenzen hatten diese Überlegungen jedoch erst einige Jahre später: 1798 wurde die erste aufklärerische Mädchenschule in Hamburg gegründet, die zweite 1806 in Dessau durch Da315 vid Fränkel. 5.1.1 Einflüsse der europäischen und deutschen Aufklärung Die Ideen von Mendelssohn, Wessely und anderen Maskilim waren von 316 der europäischen und deutschen Aufklärung beeinflusst. Von John Locke und Rousseau kamen Impulse zur Entdeckung des Kindes und zur Anerkennung der Kindheit als einer besonderen Lebensphase. Ihre Forderungen gingen dahin, das Kind als ein eigenständiges Geschöpf anzuerkennen, dessen Eigenschaften und Neigungen im Erziehungsprozess respektiert werden müssten, und im Kindesalter mehr Freiheit zu gewähren und weniger autoritär zu erziehen. In Deutschland wurden ihre Ideen von Johannnes Bernhard Basedow und seinem Nachfolger Joachim Heinrich Campe rezipiert. In einer 1774 in Dessau gegründeten Musterschule, 312

Vgl. zum Beispiel Heß 1823, 151f; Fränkel 1806a, 25. Vgl Lohmann 1996c, 190f; Graetz 1996, 337f. 314 Vgl. Friedländer 1788, 45f. Vgl. dazu Lohmann 1996c, 201f, sowie Lohmann 2013. 315 Vgl. Eliav 1993, 101f und Eliav 2001, 353ff. 316 Vgl. Graetz 1996, 333f. 313

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dem Philanthropin, sollten die Kinder anstelle von „unverstandener Autorität“ durch Spiel, Wettbewerb, Selbsttätigkeit und Naturnähe zum Lernen motiviert werden. Campe vertrat auch die Gründung von Industrieschulen, in denen neben den Elementarfächern eine berufliche Ausbildung ermöglicht werden sollte. Auch die Autoren in Sulamith nehmen in die Ausarbeitung ihres Bildungskonzepts Denkansätze der nichtjüdischen Aufklärung auf. Häufig finden sich Verweise auf Rousseau, Johann Heinrich Pestalozzi, Jean 317 Paul und August Hermann Niemeyer. Daneben werden Locke, Johann Jakob Wagner, Friedrich Heinrich Christian Schwarz, A. Steffensen, Ch. 318 G. Rebs, Tillich und Weist genannt. Verweise auf Campe oder Base319 dow finden sich jedoch bei den Autoren nicht. Ledigkeit J. J. du Toit weist 1806 in einem Beitrag auf den Einfluss philanthropischer Pädago320 gen auf die Lehrer der Dessauer jüdischen Schule hin. Diese wackern Männer leben ganz wie in ihrem Elemente in den glücklichen Reformen, die B a s e d o w angeregt hat, und die nun tiefer und höher und weiter gebracht werden durch O l i v i e r , P e s t a l o z z i , T i l l i c h , und andere Männer der Menschheit. Hr. Neumann hat mit seinem stillen tiefen Gemüthe die Bereitwilligkeit unsers guten unermüdet nach seinem Ziele strebenden Hrn. Prof. O l i v i e r ‘ s benutzt, dessen eignen Unterricht eine Zeit lang genossen – und wendet nun seit einigen Monaten mit überraschendem Erfolge die Lautmethode an auch auf die hebräische Sprache [...] So hat Hr. Pro317

Vgl. Salomon 1810, 193, Anmerkung*.198f; Büdinger 1828, Anmerkungen; M. Fränkel 1810b, Anmerkungen. Vgl. auch den Aufsatz von Niemeyer (1820, 89ff) über Schulen in England. Vgl. Niemeyer 1970. 318 Vgl. Büdinger 1828 Anmerkungen; M. Fränkel 1810b, 341 Anmerkung*.348. Im ersten Jahrgang veröffentlichten die Herausgeber einen längeren Beitrag über Bildung von J. A. L. Richter, Konrektor der Herzoglichen hohen Schule in Dessau. Vgl. Richter 1806. Richter war auch Lehrer an den jüdischen Schulen in Dessau. Vgl. Du Toit 1806, 64. 319 Prof. J. J. du Toit war ehemaliger Mitarbeiter am philanthropischen Institut in Dessau. Vgl. Du Toit 1806, 52. 320 Vgl. Du Toit 1806, 61ff.

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fessor T i l l i c h , der von innerm Leben glühende, geistvolle, kernvolle Mann, den braven Lehrern dieser Schule Anleitung gegeben, [...] und die Kinder von allen Classen [...] bestätigen die Wahrheit von Allem, was sachkundige 321 Augenzeugen in P e s t a l o z z i ‘ s Anstalten in Erstaunen setzet [...].

Auch im Blick auf die Mädchenerziehung waren die Ideen der Maskilim von den Philanthropisten beeinflusst, die die Schulpflicht für Mädchen empfahlen und 1786 die erste Grundschule für Mädchen in Dessau gründeten. In Sulamith erinnert insbesondere die Ausrichtung der Mädchenerziehung auf die Bestimmung der Gattin, Hausfrau und Mutter an Campes Väterlichen Rath an meine Tochter. Des Weiteren ähneln viele Gedanken der in Rousseaus Emile oder Über die Erziehung für Sophie, die Gefährtin Emiles, vorgesehenen Erziehung. Auch auf Pestalozzis Plädoyer für eine elementare Erziehung der armen Mädchen zwecks guter Ausübung der mütterlichen Pflichten wird Bezug genommen. 5.1.2 Einflüsse aus dem traditionellen Judentum Die Maskilim konnten für ihr Erziehungsprogramm auch an jüdische Vorbilder anknüpfen. So hat Lohmann darauf hingewiesen, dass Wesselys Auffassungen zum Verhältnis von Religion und säkularen Wissenschaften in mancher Hinsicht denen des Elija ben Salomon, Gaon von Wilna (1720-1797), dem bedeutendsten Repräsentanten des traditionel322 len, talmudtreuen Judentums der Moderne, entsprachen. Wessely hatte auch die Erziehungseinrichtungen der sephardischen Gemeinde in Amsterdam kennengelernt. Die methodische und inhaltliche Kritik am Unterricht im Cheder lässt sich bereits bei bedeutenden rabbinischen Autoritäten im 17. Jahrhundert

321

Du Toit 1806, 61f. Vgl. Lohmann 1996c, 189ff.

322

79

323

finden, deren Wurzeln vermutlich noch weiter zurückreichen. Rabbi Wetzlar aus Celle verweist in seinem 1748/9 verfassten Libs-Brif auf Erziehungsmethoden der Sepharden, die den religiösen Unterricht mit der hebräischen Sprache begännen, um dann von einfachen Teilen der Bibel über die schwereren zum Unterricht in der Mischna und Gemara fortzu324 schreiten. Die Kinder sollten früh die hebräische Grammatik studieren. Carlebach hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Berücksichtigung 325 der Individualität des Kindes eine im Talmud verankerte Tradition ist. Im Libs-Brif findet sich auch bereits Kritik an der mangelnden religiösen 326 Erziehung der Mädchen. Dort beklagt Rabbi Wetzlar, dass viele Frauen die Bedeutung der Gebete, die sie sprächen, und die Thoralesung nicht verstünden, und fordert, dass sie in (schriftlicher) Thora und Hebräisch, auch hebräischer Grammatik, unterrichtet werden sollten. Denn der Mangel an jüdischer Erziehung führe dazu, dass die jungen Frauen jegliche Verbindung zum Jüdischsein verlören. Durch das Erlernen fremder Sprachen wie Französisch und Italienisch würden sie dem Jüdischsein entfremdet. Auch wendet sich Wetzlar polemisch gegen den Gebrauch der „Frauenbibel“ Zena Urena, da die in ihr enthaltenen Midraschtexte für Frauen unverständlich seien und einige Texte die Frauen sogar „irreführen“ könnten. Im Blick auf die Unterrichtsinhalte konnten (und mussten) die Aufklärer an die säkulare Unterweisung von Töchtern wohlha327 bender Familien durch Privatlehrer anknüpfen. 323

Diese Information geht auf einen Vortrag von Uta Lohmann im DFG-Projekt Jüdische Dialogkultur und das Problem der Interkulturalität. Historische Rekonstruktion am Beispiel der jüdischen Freischule in Berlin, 1778-1825, geleitet von Prof. Dr. Ingrid Lohmann, zurück. Vgl. U. Lohmann 1996, 1. Vgl. auch Zinberg 1975, 357. 324 Vgl. Zinberg 1975, 356. 325 Vgl. Carlebach 1977, 63. 326 Vgl. Zinberg 1975, 358; Faierstein 1982, 236. 327 Vgl. Lohmann 1996c, 201. Heß betont, dass der Unterricht in fremden Sprachen entbehrlich sei und nur aufgrund der Mode und der politischen Verhältnisse aufgenommen werde. Vgl. Heß 1811, 186. Vgl. Lohmann 1996c, 201.

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In Sulamith finden sich verschiedene inhaltliche Parallelen zu diesen Ansätzen traditionell jüdischer Kritik, aber keine direkten Verweise. Jedoch verstehen die Autoren ihr Erziehungsideal als in der frühen jüdischen Tradition verankert, wie die Verweise auf Bibelstellen, Talmud 328 und Gelehrte wie Maimonides zeigen. So wird zum Beispiel, wie schon bei Wessely, die kindgemäße Erziehung auf eine Bibelstelle (Sprüche 329 Salomos 22,6) zurückgeführt und auch die Konzepte der Mädchenerziehung werden mit Bibel und Talmud begründet. Somit sehen die Sulamith-Autoren keinen Widerspruch zwischen aufklärerischem und biblisch-talmudischem Gedankengut, sondern verbinden es zu einem 330 jüdisch-aufklärerischen Bildungskonzept.

5.2 Zum Ideal von Bildung und Erziehung im Allgemeinen in Sulamith 5.2.1 Bildung als Veredlung von Herz und Geist Im ersten Jahrgang geben die beiden Herausgeber Fränkel und Wolf einen Eindruck davon, was sie unter Bildung verstehen. Für sie bedeutet Bildung die „Veredlung“ von Herz und Geist durch die Verbindung von 331 säkularer und religiöser Bildung. Beide Autoren betonen die zentrale Rolle der Religion für die Bildung. Nach Fränkel bedarf der Mensch der Bildung von Geist und Herz, um nach gewissen Prinzipien handeln zu können und ein nützliches Glied der

328

Vgl. Wolf 1806a, 3f.9, Anmerkungen; Strasburger/Wolff 1819, 104.107.113; Büdinger 1828, 18; Kley 1821, 390; Beer 1811, 366. 329 Vgl. Wessely 1882, 1; Büdinger 1828, 17f Anmerkung**. Vgl. Graetz 1996, 336f. 330 Zum traditionellen jüdischen Lernen vgl. Wilke 2003, 191ff. 331 Zu dem pädagogischen Neuerungen durch die Maskilim im Allgemeinen vgl. Eliav 1960a, 208f.

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332

Gesellschaft zu sein. Diese Veredlung von Geist und Herz eines Menschen sei nicht durch Gewalt zu erreichen, sondern durch die Religion 333 seiner Väter. Diese sei „die segensreiche Lehrerinn der ächten Moral“. Sie müsse zwar von „Aberglauben“ und „falschen Zeremonien“ befreit werden, aber letztlich müsse das Gute für den Juden aus ihm selbst, das 334 heißt aus seiner Religion hervorgehen. Ähnlich betont Wolf, dass jedes Volk seine eigenen Anlagen, Bedürfnis335 se, Begriffe und Fähigkeiten habe. Aufgrund seiner Menschlichkeit sei es einer Bildung nicht unfähig, diese müsse jedoch aus ihm selbst hervorgehen. Um das wahre Glück, das auf Gerechtigkeit beruhe, zu erreichen, müsse der Mensch seinen Verstand und seinen Willen möglichst 336 weitgehend entwickeln und bilden. Die Kräfte des Verstandes müssten erweitert und verfeinert und der Wille gebessert und befestigt werden. Nur so könne der Mensch sich in seiner Individualität vervollkommnen und in seiner Moralität veredeln. Diese Wahrheiten seien alle in der Reli337 gion enthalten. Sie zeige den Menschen, wie sie sich durch „reinen Lebenswandel“ und „strenge Sitten“ zu der „moralischen Höhe“ emporschwingen könnten, die die Grundlage für echte Kultur und Aufklärung sei. Salomon spricht von der Bildung zur reinen Sittlichkeit, einer Bildung, die den Menschen menschlich mache und ihn von Menschheit durchdrin338 ge. Diese Bildung umfasst für Salomon das Gefallen an allem Heiligen, Unvergänglichen und Göttlichen, die Liebe zu allem von der Vernunft 332

Vgl. Fränkel 1806a, 12ff. Fränkel 1806a, 15. 334 Vgl. Fränkel 1806a, 17.27. 335 Vgl. Wolf 1806a, 1f. 336 Vgl. Wolf 1806a, 7f. 337 Vgl. Wolf 1806a, 8f. 338 Vgl. Salomon 1810, 190f. Salomon verweist hierzu auf Novalis. 333

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für gut und edel Erklärten, ein unschuldiges, nachsichtiges Gemüt und ein warmschlagendes, auf Gott hörendes Herz. Mittel zu diesem Zweck seien die intellektuelle und die ästhetische Erziehung. Jene gebe dem Geist seine wahre Gestalt und diese dem Gemüt den reichsten Gehalt. Beide, Geist und Herz, erhielten ihre wahre Richtung durch die moralische Bildung. Die Religion als Zwillingsschwester der Moral setze der 339 Bildung die „Strahlenkrone der Unsterblichkeit“ auf. Auch bei Wolff und Strasburger findet sich (neben der körperlichen Bildung) die Dreiheit von moralisch-religiöser, intellektueller und ästheti340 scher Bildung. Das religiöse Element wird an die Spitze gestellt. Die moralisch-religiöse Bildung umfasst die Lehre von der sogenannten reinen Religion und Moral, die das Wesentliche der Religion darstelle (Dasein und Eigenschaften Gottes, Unsterblichkeit der Seele, Tugend und Recht, ethische und soziale Pflichten), die Lehre von der positiven Religion (Dogmen, Gebote und Verbote des Gesetzes) und den Unterricht in der hebräischen Sprache. Die intellektuelle Bildung beinhaltet den Unterricht in der deutschen und französischen Sprache wie auch in den verschiedenen Wissenschaften (Rechenkunde, Geometrie, Algebra, Geschichte, Erdbeschreibung und Zeichnen), die ästhetische Bildung den künstlerischen Unterricht. Kley bezeichnet wahre Bildung als sittliche und religiöse Veredlung des 341 inneren Lebens. Den Grad der Bildung bestimme nicht der Umfang an erworbenen Kenntnissen, sondern die richtige Anwendung derselben auf das Leben. Die Jugend müsse deshalb nicht für einen bestimmten Beruf oder Stand vorbereitet, sondern vor allen Dingen zuerst zu Menschen

339

Salomon 1810, 194. Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 106ff. 341 Vgl. Kley 1821, 385. 340

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erzogen und veredelt werden. Nachdenken geführt werden.

342

Dafür müsse zum einen der Geist zum

Der erste Vorzug des Menschen vor den Thieren, das Denkvermögen, werde geltend gemacht; der Schüler lerne selbst denken, richtig denken, über die ihm zunächst liegenden, oder ihm am vorzüglichsten scheinenden Gegenstände mit Sicherheit und Festigkeit urtheilen, und besonders sich selbst, so wie die Welt mit ihren Verhältnissen343in dem rechten Lichte sehen, aus dem richtigen Gesichtspunkt betrachten.

Ein wichtiges Vehikel des richtigen Denkens sei die Fähigkeit, sich in 344 der Muttersprache rein, leicht und verständlich ausdrücken zu können. Zum anderen müsse das Herz veredelt und auf das Gute gerichtet werden, denn in ihm sei der Wille, der die gute oder schlechte Tat bestimme. Der Jugend müsse nicht nur die Erkenntnis der Pflichten, sondern auch die Neigung, diesen Pflichten willig zu folgen, das heißt das Wohlgefallen an Tugend und Sittlichkeit, eingeflößt werden. Ziel dieser Bildung von Geist und Herz sei die Hinwendung zum Menschen und zur Mensch345 lichkeit. Dies kann nur die Religion aus der innersten Tiefe des Herzens hervorbringen. Diese müsse jedoch „Religion des Herzens, Gefühl des Heiligsten und Höchsten, Andacht und Liebe“ sein, „keine Religion 346 des Kopfes, kein todtes Formel- und Buchstabenwerk“. Sie solle sich als Leben alles Wissens und höchstes Wissen durch alle Unterrichtsstunden ziehen und nur für wenige als Wissenschaft einen eigenen Lehrge347 genstand bilden. Andere Autoren stellen den Begriff der „Erziehung“ 348 in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Unabhängig davon betonen 342

Vgl. Kley 1821, 386. Kley 1821, 388. 344 Vgl. Kley 1821, 389. 345 Vgl. Kley 1821, 390f. 346 Kley 1821, 392. 347 Vgl. Kley 1821, 393. 348 Vgl. M. Fränkel 1810b, 334f; Beer 1811, 363f.371; Büdinger 1828, 12f.20. 343

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auch sie die große Bedeutung der Religion für die Veredlung von Geist und Herz. Wolff und Strasburger äußern sich auch ausführlich zur Methode des Unterrichts. Die Unterrichtsmethode [...] ist einerseits s o k r a t i s c h - d i d a k t i s c h – indem sie die Erkenntnisse des Lernenden, durch dessen Selbstthätigkeit a u s dem Geiste zeugt – und gründet sich andrerseits sowohl auf die natürliche Entwicklung der jugendlichen Geisteskräfte in den verschiedenen Perioden des K i n d e s, K n a b e n und J ü n g l i n g s, als auf die Hauptrichtungen349 der menschlichen Intelligenz selbst, S i n n, V e r s t a n d und V e r n u n f t.

Dem Kind solle der Unterrichtsgegenstand gemütlich mit Beispielen vorgetragen werden, so dass sein Sinn geweckt werde. Beim Knaben sollten Verstand und Urteilskraft angesprochen werden, damit er ordnen und begreifen lerne. Dem Jüngling solle durch die Vernunft die wissenschaft350 liche Erkenntnis des Gegenstandes zuteilwerden. Stern nennt als methodische Gesichtspunkte, dass nicht zu viel auf einmal gelehrt werde, ein einzelner Gegenstand nicht zu kurz behandelt werde und die Gegenstände so angeordnet seien, dass die Kenntnis des einen als Mittel zum Erlernen eines verwandten Gegenstandes diene. So bewirke das Erlernen eines Gegenstandes das Wiederholen eines vorigen, und Art und Dauer des Unterrichts werde dem Alter angepasst. Außerdem solle das Erlernen theoretischer Kenntnisse mit ihrer praktischen 351 Anwendung verbunden werden.

349

Strasburger/Wolff 1819, 107f. Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 107f.112. 351 Vgl. Stern 1809, 350f. 350

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5.2.2 Kritik an der traditionellen Erziehung Das neue Bildungsideal wurde in Abgrenzung zur traditionellen Bildung im Cheder formuliert. In verschiedenen Beiträgen in Sulamith wird die Erziehung im Cheder in Bezug auf ihre Inhalte, Methoden und Lehrer oder auch ganz allgemein der Mangel an Bildung unter den Juden kritisiert. Fränkel erklärt in seinem einleitenden Artikel die mangelnde Ausbildung der Juden als Ergebnis einer durch Verfolgungen geprägten Vergangenheit und weist darauf hin, dass eine Veränderung dieser Situation einiger 352 Zeit bedürfe. In einem späteren Artikel wendet er sich insbesondere 353 gegen die traditionellen Lehrer. Diese besäßen oft nur „erbärmliche“ Kenntnisse und „keine Fähigkeit zum Lehren“. Zudem übten sie häufig noch andere Ämter aus, so dass sie der Jugend nicht genügend Zeit widmeten und diese sich selbst überließen. Demgegenüber empfiehlt Fränkel die Prüfung der Lehrer durch die staatliche Schuldirektion. Der Unterricht in ländlichen Gemeinden solle elementare Kenntnisse im Lesen, Schreiben, Rechnen, einige Gebete und nützliche Lebensregeln sowie weiterführenden wissenschaftlichen Unterricht und Religionsunterricht 354 umfassen. Das „Unzweckmäßige der alten Lehrmethode“ müsse abgeschafft werden, um die Kinder vor „Irreligiosität“ und „Frivolität“ zu schützen. Salomon beklagt bei der traditionell erzogenen Jugend die fehlende Bildung von Verstand und Herz und die mangelnde Kenntnis der Bibel. Dies sieht er darin begründet, dass die meisten Lehrer weder hebräisch noch deutsch richtig verstanden und den Kindern den Unterrichtsgegen352

Vgl. Fränkel 1806a, 23.25; Fränkel 1807, 42f. Zum Cheder vgl. Rabinowitz 2007. Vgl. Fränkel 1807, 46ff. Vgl. auch Strasburger/Wolff 1819, 97f Anmerkung*. 354 Vgl. Fränkel 1807, 45. 353

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stand nicht erklärt und analysiert hätten, sondern nur mit Gewalt auf die Kinder eingewirkt hätten. Ja, liebe Freundin, allein unter einem Gegenstand unterrichten, verstehe ich: ihn e r k l ä r e n, ihn recht deutlich a n a l y s i e r e n, und dieses wurde eben verfehlt, weil – die meisten der Lehrer, die ihre ganz eigene Pädagogik hatten, weder die Ursprache, noch diejenige Sprache richtig verstanden, in welche sie ihre Schüler übersetzen ließen. [...] Daher ist das Meiste den M e i s t e n dunkel, unentwickelt blieben die Begriffe, unkultiviert blieb der Verstand, und – was das Allerschrecklichste ist – das H e r z blieb kalt gegen das Schöne und Große, das H e r z, d a s n i c h t f r ü h e g e n u g gebildet werden kann, blieb – u n g e b i l d e t. Und wahrlich! wenn man das Lehren und Schreyen, das Bewegen und Schlagen – letzteres war die Grundmaxime ihres Lehr- und Erziehungssystem – mit ansah, so schien es, als hätten sie es recht eigentlich darauf angelegt, die edle kostbare Zeit zu tödten, und mit ihr den Geist und das 355 zarte Gemüth des empfänglichen Kindes zum Grabe zu befördern.

Auch Heß kritisiert „unmethodisches“ Vorgehen in der traditionellen 356 Erziehung. Man habe ohne Grammatik mit den schwersten hebräischen Schriften angefangen und so nur ein oberflächliches Verstehen bewirkt. 357

Neben der Methode kritisiert Salomon auch die Erziehungsinhalte. Den Schülern sei der geschichtliche Zusammenhang der religiösen Schriften nicht vermittelt worden, so dass sie den „unbedeutenden Gebrauch“ eines Gesetzes für das strengste Religionsgesetz hielten. Wolff und Strasburger werfen der traditionellen Erziehung vor, sie habe zugunsten der Bildung des Gemüts, bzw. der Vermittlung von Religiosi358 tät, die Bildung von Geist und Sinn vernachlässigt. Dieser Mangel an intellektueller, ästhetischer und pädagogischer Bildung habe nachteilig auf die Jugend gewirkt, da die Religion der Erleuchtung des Geistes be355

Salomon 1806, 217f. Vgl. Heß 1812, 82. 357 Vgl. Salomon 1806, 218. 358 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 105f. 356

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dürfe. Auch die Benutzung der polnisch-deutschen Bibelübersetzung habe „verderblichen Einfluss“ gehabt. Daneben sei auch die körperliche Bildung durch Gymnastik nicht gewürdigt worden. In den späteren Artikeln werden einzelne Aspekte der traditionellen Erziehung positiv hervorgehoben. Wolff und Strasburger loben gegen die mangelnde Berücksichtigung des religiösen Momentes bei „neuern Pädagogen“ das „Einimpfen“ von Religiosität als gute Seite der älteren Pädagogen und möchten mit ihrem Erziehungskonzept daran anknüpfen. Heß weist darauf hin, dass in Zeiten der Verfolgung das Studium der rabbinischen Literatur den Geist in anhaltender Tätigkeit erhalten und die Emp359 fänglichkeit und das Bedürfnis nach geistiger Nahrung bewahrt habe. Diese bedürfte nur einer anderen Richtung, um gemeinnützlicher zu wirken. Den Autoren ist gemeinsam, dass sie die Einführung säkularer Wissen360 schaften nicht ausdrücklich erwähnen. Stattdessen äußern sich die Autoren kritisch über Methoden und Inhalte des (religiösen) Unterrichts im Cheder. Möglicherweise betonen sie die Unterschiede zum traditionellen Unterricht, weil sie dem religiösen Unterricht in ihrem eigenen Konzept eine entscheidende Bedeutung einräumen. Diese bestehen methodisch in der Einführung der deutschen Sprache und einem aufbauenden, kindgemäßen Lehrplan und inhaltlich in einem anderem Verständnis von Religion, in dem die universellen Grundlagen der jüdischen Religion und ihre 361 moralischen Vorschriften im Mittelpunkt stehen. Dieses ist jedoch unter den Autoren auch nicht einheitlich.

359

Vgl. Heß 1823, 150f. Lediglich Strasburger/Wolff (1819, 105) sprechen von der Vernachlässigung der Geistesbildung in der traditionellen Erziehung. 361 Vgl. Eliav 1960a, 208f. 360

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Insgesamt bleibt die Abgrenzung der Autoren gegenüber der traditionellen Erziehung widersprüchlich. Während diese in den frühen Aufsätzen nahezu ausschließlich als Negativfolie für den Entwurf der eigenen Kon362 zepte dient, wird sie in späteren Aufsätzen einmal im Blick auf die Herzensbildung, ein anderes Mal bezüglich ihrer Geistesbildung auch positiv beurteilt. Unabhängig davon berufen sich die Autoren für ihre Bildungskonzepte auf die ältere jüdische Tradition, bzw. auf Bibel, Talmud und Gelehrte wie Maimonides. 5.2.3 Kritik an den Bildungsvorstellungen der Eltern Eine andere Abgrenzung ziehen einige Autoren in den späteren Jahrgängen der Sulamith gegenüber den Bildungsvorstellungen der Eltern. Salomon bemerkt recht bissig, dass er unter dem Begriff der „Bildung“ nicht die Kenntnis einer fremden Sprache, der neuesten Romane oder bestimmter in feinen Gesellschaften angesehener Fähigkeiten verstünde, sondern die Bildung zur reinen Sittlichkeit. Wenn ich hier das Wort B i l d u n g nenne, so verstehe ich keinesweges jene Karrikatur darunter, jene Afterbildung, die man auch einem solchen Subjekte als Prädikat zuschreibt, das etwa eine fremde Sprache spricht, die neuesten Romane kennt, die Mode blind zu seyn mitmacht, und doch alles sehen will, S c h i l l e r und G ö t h e rezitirt, und in seinen Billeten und Briefen die Götter vom hohen Olimpus citirt, wo schwache Menschenkinder recht gut hinreichend wären. Eben so wenig verstehe ich diejenige Bildung darunter, die sich viele auf dem großen Felde der Ehre, in feinen und elegantgepuzten Gesellschaften erwerben, deren Attributen in einer graziösen Verbeugung, in einem 363 artigen Komplimente, und einigen gesammelten witzigen Bonmots bestehen.

362

Carlebach hat darauf hingewiesen, dass die Kritik der Maskilim an der Erziehung im Cheder nicht mit der tatsächlich praktizierten traditionellen Erziehung gleichgesetzt werden dürfe. Vgl. Carlebach 1977 sowie Liberles 2003, 68ff. 363 Salomon 1810, 190.

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Auch sollten die Eltern den Maßstab für die Notwendigkeit einer bestimmten Lektion nicht von ihrem späteren Nutzen und Vorteil her beurteilen, denn jede Lektion trage zur Entwicklung und Entfaltung des Kin364 des bei. Sie dürften nicht Unterricht und perfekte Kenntnis eines beliebigen Gegenstandes unabhängig vom Entwicklungsstand des Kindes verlangen. Ausführlicher setzt sich Heß mit den Bildungserwartungen der Eltern auseinander. Er kritisiert, dass diese unter Bildung nicht die naturgemäße Entwicklung aller Seelenkräfte, sondern „ein Magazin [möglichst] vieler Kenntnisse und Fertigkeiten, die der Schüler in dem kürzesten Zeitraume 365 einkaufen und zu seinem Gebrauche benutzen müsse“ verstünden. Heß kritisiert auch die Art der erwarteten Kenntnisse. Die Eltern erwarteten möglichst frühes Lesen und danach die französische Sprache, Schönschreiben und, je nach eigenen Ansichten, zuweilen auch Hebräisch. Wichtig seien demgegenüber die Kenntnisse, „die am kräftigsten auf die innere Bildung wirken, den kindlichen Geist am meisten ansprechen und beschäftigen, sein Anschauungsvermögen entwickeln, seine Einbildungskraft anregen und seine dunkeln Vorstellungen zu deutlichen Be366 griffen erheben“. Auch käme es nicht auf die Schnelligkeit der Fortschritte in einer bestimmten Fähigkeit an, sondern Bildung beruhe auf „der merkbaren Entwickelung des äußern und innern Sinnes, auf der Klarheit der Begriffe, Bestimmtheit des Ausdrucks, Lust zu jedem geisterweckenden Unterrich367 te und Anlage zum Selbstdenken“. Das Ziel der schulischen Erziehung solle folglich die „Bildung des Verstandes, Gewöhnung zum 364

Vgl. Salomon 1810, 188f. Heß 1812, 49. 366 Heß 1812, 50 367 Heß 1812, 51. 365

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selbstthätigen Denken und Erweckung edler Gefühle“ und nicht ein be368 stimmtes Wissen sein. Für eine solche Entwicklung des Kindes sei es wichtig, die Kinder außerhalb der Schule nicht mit Lektionen und Privatunterricht zu belasten, sondern sie „ihrem, von der Natur in sie gelegten 369 Hang zu kindlichem Spielen und Arbeiten“ zu überlassen. Diese regten Selbsttätigkeit, Erfindungsgeist und mögliches Kunstgefühl an, indem sie ihren Körper stärkten und ihrem Geiste Nahrung gäben. Neben der Betonung der Wichtigkeit der naturgemäßen Entwicklung von Herz und Geist weisen viele Autoren auf die Wichtigkeit der häuslichen Erziehung als Grundlage und Unterstützung der schulischen Erziehung 370 insbesondere für die sittliche Bildung hin. 5.2.4 Bildung als Teil der Emanzipation Das Bildungskonzept der Autoren ist als Teil ihrer Bemühungen um 371 Emanzipation zu verstehen. Angesichts der ihnen von Seiten der Regierungen zugestandenen (oder von ihnen erwarteten) Verbesserung ihres politischen Status sollte die Bildung, die „Verbesserung ihres Innern“, 372 zeigen, dass sie der bürgerlichen Rechte würdig seien. Die Autoren betonen folglich in ihren Konzepten die Erziehung zum Menschen, die der Erziehung zum Israeliten und zu einem bestimmten Beruf vorausge373 hen solle. Auch heben sie hervor, dass die Kinder zu nützlichen Bür368

Heß 1812, 77. Heß 1812, 74. Vgl. auch Heß 1812, 91f. 370 Vgl. Salomon 1810, 191f; Heß 1812, 80f; Büdinger 1828, 17ff; Über den Religionsunterricht 1821, 305f. 371 Vgl. Sorkin 1987a, 19.22ff; Graetz 1996, 350. 372 Vgl. Fränkel 1807a, 43; Kley 1821, 384f; Strasburger/Wolff 1819, 100f. Vgl. auch Würtzer 1811, 247. 373 Vgl. Kley 1821, 386f; Stern 1809, 348; Strasburger/Wolff 1819, 104. Vgl. auch Würtzer 1811, 242. 369

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374

gern erzogen werden sollten. Dies bedeutete gemäß den Vorstellungen ihrer Zeit eine Abwendung von dem als verwerflich eingeschätzten Geschäft des Kleinhandels durch die Ausbildung der Jugend zu Hand375 376 377 werk , Landwirtschaft oder auch dem Lehrerberuf . An vielen Orten war die Ausübung von Handwerk und Landwirtschaft für Juden jedoch 378 noch (oder erneut) verboten.

5.3 Vorstellungen zur Bildung und Erziehung von Mädchen 5.3.1 Gründe für die schulische Bildung und Erziehung von Mädchen Die Autoren von Sulamith waren Gründer und Lehrer der ersten jüdi379 schen Mädchenschulen. Die schulische Erziehung und Bildung von Mädchen war für viele Eltern eine nicht selbstverständliche Neuerung. In den Mädchenbildungskonzepten der Autoren findet sich daher zunächst einmal eine Erklärung, warum die schulische Erziehung auch der Mädchen wichtig sei, um die Eltern für den Schulbesuch der Mädchen zu gewinnen. Die von ihnen vertretenen Gründe für die Mädchenbildung werfen schon ein Licht auf ihre Vorstellungen zur Mädchenbildung. Als wichtigsten Grund für die Bildung und Erziehung der Mädchen führen die meisten Autoren die Harmonie der jüdischen Ehen und die Wich380 tigkeit der Bildung der Mutter für eine gute Kindererziehung an. Nur eine gebildete Frau könne ihrem Mann eine „angemessene“ Gattin sein. 374

Vgl. Graetz 1996, 340. Vgl. Stern 1809, 347f; Heß 1823, 159f.232.234; Kley 1821, 396. 376 Vgl. Stern 1809, 347f. 377 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 113f. 378 Vgl. Heß 1823, 234; Kley 1821, 396. 379 Vgl. Graetz 1996, 349f. 380 Vgl. Heß 1811, 177f; Fränkel 1806c, 487; Bock 1811, 46ff. 375

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Ihre religiöse Bildung sei die Grundlage für ihre Treue. Die Autoren stellen damit die Bildung der Mädchen als ein „Schutzwehr“ gegen die in vielen Ehen bestehende und sie gefährdende „Zwietracht“ und Untreue dar. Darüber hinaus müssten Mädchen gebildet werden, um als zukünftige Mütter die Erziehung ihrer Kinder gemäß den Vorstellungen der Autoren zu gewährleisten. Thätig wirke man zum Wohl der Mädchen, wenn man anders nicht will, daß es um die gepriesene Glückseligkeit der jüdischen Ehen, die man sogar in Polen antrifft, nicht geschehen sey, wenn man in der Folge das Verderben künftiger Generationen nicht will. Mütter sind es, die der Welt gute oder böse Menschen geben können; von ihrer Bildung hängt das Wohl und Wehe künftiger Generationen ab, darum ist es um so mehr nöthig, sich die Herzensbildung unserer Glaubensgenossinnen angelegen seyn zu lassen, sowohl ihrer, unserer als der 381 Nachkommenschaft wegen.

Bock weist des Weiteren darauf hin, dass die Mädchenerziehung Gebot 382 der jüdischen Religion sei. Nur wenige Autoren fassen darüber hinaus den Gedanken der Bildung um der Mädchen selbst willen ins Auge. Wolff und Strasburger weisen darauf hin, dass die Verbesserung der Mädchenerziehung eine Forderung der Religion und Vernunft sei, die die Veredlung und Vervollkommnung 383 des Menschen überhaupt verlange. Auch bei Salomon findet sich eine ähnliche Begründung: Die Notwendigkeit einer zweckhaften Erziehung und einer „geläuterten“ Religionsanweisung für Frauen und Männer sind für ihn eine Konsequenz der Aufklärung, der Erkenntnis, dass Verstand, 384 Vernunft und Augen geschaffen seien, um sie zu benutzen. Er betont, dass der Grund für die religiöse Bildung der Frauen nicht im Nutzen für ihre häusliche Lage gesucht werden dürfe, sondern darin, dass die Reli381

Fränkel 1806c, 487. Vgl. Bock 1811, 47. 383 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 114. 384 Vgl. Salomon 1806, 215f. 382

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gion den Menschen zum Menschen mache und der Schlüssel zum Glück 385 sei. 5.3.2 Zum Bildungsbegriff für Mädchen Auch die Bildungskonzepte der Autoren weisen Unterschiede auf. Bock betont in seinem Verständnis von Mädchenerziehung die Ausrichtung auf die weibliche Bestimmung. Die Bestimmung des weiblichen Geschlechts 386 sei das Schöne. Schönheit bedeutet für Bock in diesem Zusammenhang nicht die äußere Schönheit, sondern „die mannigfaltigen Vorzüge, die aus innern Vollkommenheiten, aus angeborner Herzensgüte, Milde, Sanftheit, aus dem regen Sinne für alles Edle und Schöne, aus natürlichen 387 Geistesgaben entspringen“. Die Aufgabe der Erziehung bestehe nun darin, diese „herrlichen Vorzüge“ des weiblichen Geschlechts auszubilden, bzw. zu vollenden, wozu die Natur Fähigkeiten und Kräfte in den 388 Menschen gelegt habe. Des Weiteren bestehen für Bock die höchsten von der Natur angewiesenen Bestimmungen der Frauen darin, Gattin und Mutter zu sein. Die Erziehung soll die Frauen zur Ausübung und zum Genuss dieser Bestimmungen befähigen. Verstand, Herz, alles, was das sittliche Leben des Menschen in Bewegung, in Thätigkeit setzt, müssen vereint dahinstreben, dahinwirken, das Weib geschickt zu machen, der hohen Bestimmung zu genügen, es des edelsten und vollsten Genusses, der in beiden Verhältnissen von der Natur ihr zugedacht ist, fähig, empfänglich zu machen, es zur Ausübung der aus diesen Verhältnissen entspringenden389Pflichten zu erwecken, zu stärken und in unermüdeter Thätigkeit zu erhalten.

385

Vgl. Salomon 1806, 219f. Vgl. Bock 1811, 39. 387 Bock 1811, 40. 388 Vgl. Bock 1811, 40f. 389 Bock 1811, 42. 386

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Entsprechendes gelte für die wichtige Bestimmung der Frauen zur Hausmutter. Im Unterrichtskonzept für seine Töchterschule gibt Bock eine eigenwillige Interpretation der von ihm angestrebten Erziehung und Menschenbildung. Aller Unterricht in der Töchterschule geht dahin, nothwendige und nützliche, angenehme, empfehlende Kenntnisse den Zöglingen mitzutheilen, den Verstand und das Herz zu bilden. Doch ist mit diesem Unterricht Erziehung, Menschenbildung unzertrennlich verbunden. Wir wollen sie nicht bloß mit wissenschaftlicher Bildung versehen, sondern auch vor allen Dingen anständige, und in allen Verhältnissen 390 ihres Geschlechtes sich recht und gut zu nehmen wissende Zöglinge bilden.

Es ist bemerkenswert, wie Bock Erziehung bzw. Menschenbildung auf die Ausbildung für sogenannte weibliche Lebensverhältnisse oder Bestimmungen reduziert und die Vermittlung von Kenntnissen wie auch die Bildung von Herz und Verstand dem unterordnet. Gegenüber dieser auf weibliche Bestimmungen ausgerichteten Vorstellung von Bildung von Bock erscheint das Bildungskonzept von Heß zunächst als offener. So formuliert Heß als Kriterien für wahre Bildung von Mädchen, dass ihr Verstand aufgeklärter, ihre Urteilskraft schärfer und richtiger werde und sich ihr Inneres dem nähere, was wahre und dauer391 hafte Glückseligkeit begründe. Auch spricht er von gerechten Ansprüchen der Töchter auf freiere Geistesbildung und gleiche Rechte wie die Söhne. Als Ziele der Töchterschule des Frankfurter Philanthropins nennt er ebenfalls aufklärerische Ideale. Diese sollen jedoch mit der richtigen Einstellung zum „weiblichen Beruf“ verbunden sein, so dass die Mädchen zu guten Hausfrauen und Müttern erzogen werden. Bildung des gesunden Menschenverstandes, Erweckung des sittlichen Gefühls, Veredlung des Geschmackes, verbunden mit richtigen Ansichten von dem 390

Bock 1811, 52. Vgl. Heß 1811, 180.

391

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weiblichen Beruf und klarem Bewußtseyn seiner Würde sind die Endpunkte, wohin sie [die Anstalt] ihre Zöglinge leiten möchte. Zu Hausfrauen im ganzen Sinne des Wortes möchte sie die ihr anvertraute Jugend fähig und würdig machen; [...] zu solchen, die einst die heiligen Mutterpflichten gegen ihre Kinder, dem Geiste so wie dem Körper die erste und heilsamste Nahrung zu geben, er392 füllen können und möchten.

In den weiteren Ausführungen von Heß wird deutlich, dass die Ausrichtung auf den „weiblichen Beruf“ eine Einschränkung der aufklärerischen Bildungsansprüche beinhaltet. Er bezeichnet als das wichtigste Element der Mädchenbildung „die Erweckung, Veredlung und Belebung des moralischen, religiösen und ästhetischen Gefühls“. Die „weibliche Natur“ solle dafür wegweisend sein. Das Weib hat einen feinern Takt, einen zartern Nervenschwung; das Gute und Schöne wirkt schneller auf sein reges Gefühl, aber es ist gar nicht geneigt seine Gefühle zu zergliedern und in ihre Elemente aufzulösen. Es hat einen gewissen Widerwillen gegen diese Zergliederung, so wie überhaupt gegen alles abstrakte Wissen. Diese Anlage seiner Natur sey unser Leiterin bei seiner Bildung; sie suche die Gefühle zu veredlen und zu berichtigen, aber nicht zu anatomiren, damit durch diese Auflösung die innere Wärme nicht verfliege und mit derselben aller Einfluß auf Leben und Charakter; denn das Weib ist weit weniger als 393 der Mann fähig nach bloßen Vernunftprinzipien zu handeln [...].

Heß spricht den Frauen aufgrund „ihrer Natur“ den Willen zur Abstraktion wie auch eine dem Mann ebenbürtige Fähigkeit, nach Vernunftprinzipien zu handeln, ab und zieht daraus Schlussfolgerungen für ihre Bil394 dung. Diese soll lediglich die Gefühle veredeln, nicht jedoch sie reflektieren. Insgesamt bedürfe die Frau keiner ausgebreiteten Kenntnisse und 395 sei „nicht zum angestrengten Nachdenken gestimmt“. Am wichtigsten

392

Heß 1811, 181. Heß 1811, 183f. 394 Vgl. Rousseau 1965, 775f. 395 Heß 1811. 186. 393

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seien für ihre Bestimmung als Mensch und Weib nach der Sitten- und Religionslehre die weiblichen Arbeiten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Heß das Ideal der Aufklärung des Verstandes und der Schärfung der Urteilskraft formal auch auf die Bildung von Mädchen bezieht. In seiner Interpretation bedeutet Aufklärung für Mädchen jedoch in erster Linie die Veredlung ihrer Gefühle und die Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie für ihren weiblichen Beruf als Gattin, Mutter und Hausfrau benötigen. Die Schulkonzepte von Stern und Wolff/Strasburger gehen leider nicht ausführlicher auf die Mädchenbildung ein. Beide Konzepte nennen lediglich als Ziel die Bildung der Mädchen zu ihrem zukünftigen Beruf als 396 397 Mütter , bzw. Gattinnen und Hausmütter . Für Stern umfasst diese Bildung sittliche, moralische und religiöse Aspekte, einige wenige allgemeine Kenntnisse und Fähigkeiten zu weiblichen Handarbeiten. Auch Wolff und Strasburger erwähnen die Geistes- und Herzensbildung der Mädchen sowie weibliche Handarbeiten. Die Gewichtung der allgemein menschlichen Bildungsaspekte wird jedoch nicht weiter ausgeführt. Einen interessanten Beitrag zum Thema bietet noch ein Aufsatz Fränkels über die religiöse Bildung von Frauen. Religiöse Bildung bedeutet für Fränkel die Erweckung des religiösen Gefühls, „freilich mit Beseitigung aller Faseleien“, nicht jedoch das ihm „verhaßte“ „Vernünfteln“ von 398 Frauen über wichtige religiöse Gegenstände. Aus seinen Ausführungen geht hervor, dass für ihn wahre Bildung von Frauen Religiosität bedeu399 tet. Es ist aufschlussreich, wie Fränkel das Bild solch wahrhaft gebildeter Mädchen zeichnet: Sie seien, vom „Feuer der Religion“ und von „in396

Vgl. Stern 1809, 348. Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 144f. 398 Vgl. Fränkel 1806c, 487.482. Vgl. Rousseau 1965, 765. 399 Vgl. Fränkel 1806c, 484. 397

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nigster Andacht“ durchdrungen, im häuslichen Leben zu finden, wo ein „seliger Friede“ sie umschwebe. Sie lebten anspruchslos, bescheiden und nachsichtsvoll „im edelsten Bewußtsein dem Guten und Edlen“, übten die Tugend in hohem Grade und dächten in Rücksicht geselliger Pflichten oft weit richtiger und billiger als „manche arrogante, selbstsüchtige 400 und neidische christliche Schwester“. Auch verscheuche der Gedanke an Gott jede „Aufwallung zerstörender Leidenschaften“. Die nahezu vollkommene Identifikation von Mädchenbildung mit religiöser Bildung ist von Fränkels Vorstellung von Weiblichkeit her zu ver401 stehen, für deren Erklärung er ein Zitat Ewalds heranzieht. „Irreligion“ vernichte die „weibliche Natur“, da ihr sittliches Gefühl bzw. ihre Humanität (anders als beim Mann) nur auf dem Boden echter Religiosität gedeihen könne. Während Religiosität die „weibliche Natur“ veredle, beinhalte „Irreligiosität“ den „Verlust von Weiblichkeit“ und sittlichem Gefühl, bzw. Humanität. Darüber hinaus sieht Fränkel einen engen Zusammenhang zwischen „Irreligiosität“ und der Vernachlässigung des „weiblichen Schöpfungszwecks“, gute Gattinnen, Hausfrauen und Mütter 402 zu sein. Denn für das nicht religiöse Mädchen gebe es außer der Selbstliebe keine Pflichten. Somit wird für Fränkel religiöse Bildung zur unerlässlichen Voraussetzung für die Weiblichkeit und die Menschlichkeit der Frauen wie auch für die Erfüllung ihrer „weiblichen Pflichten“. Als Ziel zweckmäßiger Töchterschulen nennt Fränkel folglich die Erweckung und Belebung des religiösen Gefühls, verbunden mit der Bildung zur künftigen Mutter und Hausfrau.

400

Vgl. Fränkel 1806c, 484. Vgl. Fränkel 1806c, 482f. 402 Vgl. Fränkel 1806c, 486. 401

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Auch Salomon weist darauf hin, dass Religion den Menschen zum Men403 schen mache. Dieses Argument dient ihm jedoch als Grundlage dafür, für Frauen gleichermaßen wie für Männer das Recht auf religiöse Bildung einzufordern. Frauen müssten „n a c h u n d n a c h an das große 404 hellglänzende Sonnenlicht der göttlichen Vernunft“ gewöhnt werden. Die von ihm in Briefform gefasste religiöse Unterweisung ist an ein fiktives „achtungswürdiges Frauenzimmer jüdischer Religion“ gerichtet und 405 damit in erster Linie an die Leserinnen. Daneben sollen auch die männlichen Leser angesprochen werden. Diese explizite Hinwendung zur weiblichen Leserschaft lässt vermuten, dass die in den Briefen praktizierte tiefgehende religiöse Unterweisung, die auch Bezüge auf den Talmud 406 enthält, sich auch auf die Frauen bezieht. Somit vertritt Salomon ein Konzept von Mädchenbildung, in dem es um die Schulung von Verstand und Vernunft geht, ohne dass diese intellektuelle Bildung einer Ausrichtung auf weibliche Bestimmungen untergeordnet wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es den meisten Autoren bei der Mädchenbildung in erster Linie um die Veredlung der Gefühle, also um die Herzensbildung, und um die Erziehung zu den weiblichen Bestim407 mungen geht. Dem werden die intellektuelle Bildung und tiefere wis408 senschaftliche Kenntnisse untergeordnet. Dies ist eine deutliche Akzentverschiebung gegenüber den Ausführungen der Autoren über Bildung im Allgemeinen, in denen der Bildung von Herz und Geist gleiches 403

Vgl. Salomon 1806, 219f. Salomon 1806, 216. 405 Vgl. Salomon 1806, 215.218. 406 Vgl. Salomon 1806, 221f. 407 Vgl. Kant 1960, 851ff. „Ihre [der Frauen] Weltweisheit ist nicht Vernünfteln sondern Empfinden. Bei der Gelegenheit, die man ihnen geben will, ihre schöne Natur auszubilden, muß man dieses Verhältnis jederzeit vor Augen haben.“(Kant 1960, 853) 408 Vgl. die These von Schmid (1989, 203), dass im Prozess der Entstehung des Allgemeinbildungskonzepts Frauen nur die Herzensbildung und nicht die Geistesbildung zugestanden wurde. 404

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Gewicht zugesprochen wird. Dies bestätigt die Annahme, dass sich die allgemeinen Überlegungen in erster Linie auf die Jungenerziehung beziehen. Ziel der Jungenerziehung wäre dann der selbsttätig denkende und moralisch gut handelnde Mensch (=Mann), Ziel der Mädchenerziehung die Frau, die ihre weiblichen Pflichten kennt und erfüllt. So führt das Bildungskonzept der Mehrheit der Autoren zu einer Erziehung der Jungen zur Menschlichkeit im Gegensatz zu einer Erziehung der Mädchen zur Weiblichkeit. Als wichtigstes Mittel der Bildung bezeichnen die Autoren in beider Hinsicht die Religion. Doch ist die moralisch-religiöse Erziehung der Jungen stärker rational ausgerichtet als bei den Mädchen. 5.3.3 Kritik am Zeitgeist bezüglich Bildung und Verhalten der Frauen Die Sulamith-Autoren formulieren ihr Bildungskonzept für Mädchen in Abgrenzung zu zeitgenössischen Vorstellungen. Zunächst einmal beklagen viele Autoren die mangelnde Einsicht vieler Eltern in die Notwendigkeit der (schulischen) Bildung von Mädchen, bzw. einer Bildung, die über die notwendigsten Kenntnisse im Lesen, Schreiben und in weibli409 chen Handarbeiten hinausgeht. Insbesondere wird auch der Mangel an 410 religiöser Bildung beklagt. Darüber hinaus kritisieren sie Vorstellungen und Praxis bestehender Mädchenbildung sowie ihre Auswirkungen auf das Verhalten von Mädchen und Frauen. Ein Thema ist die Kritik an der („ungeleiteten“) Lektüre von schöner Literatur, Schauspielen und Romanen, deren verderblichen Einfluss auf 411 Herz und Sittlichkeit insbesondere Heß genauer ausführt. In dieser Literatur trügen Gefühle und Leidenschaften oft den Sieg über die „trocke409

Vgl. Heß 1811, 177f; Strasburger/Wolff 1819, 102; Fränkel 1806c, 485f. Vgl. Gedanken 1816, 400; Fränkel Anmerkung *, in: Gedanken 1816, 401; Bock 1811, 52. 411 Vgl. Heß 1811, 179f. Vgl. auch Schottlaender 1808. 410

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nen Weltverhältnisse und Konvenienzen“ davon. Die jugendliche Phantasie bilde sich aufgrund ihrer Lektüre eine schöne Welt, bis die raue Wirklichkeit das schöne Gebäude zerstöre. So seien die Mädchen einer Täuschung erlegen und hätten Schwierigkeiten, sich der wirklichen Lage der Dinge anzupassen. Mit „einer solchen Allbelesenen“ lasse sich oft 412 kein vernünftiges Wort sprechen. Der Gewinn, der mit soviel Gefahr erkauft werde, bestehe lediglich in einer größeren Geläufigkeit im Briefeschreiben und der Fähigkeit, einige „Alltagsmenschen“ besser unterhalten und Komplimente und schöne Worte feiner erwidern zu können. Zu einer Aufklärung des Verstandes und einer Schärfung der Urteilskraft trage solche Lektüre jedoch nichts bei. Auch Ignatz Jeitteles hebt die Schädlichkeit der alltäglichen „Romanlese413 rei“ hervor und bezeichnet diese sogar als „moralisches Gift“. Das Sehnen nach hohlen Idealen werde dadurch genährt und der Sinn für das Praktische gelähmt. Die verderblichen Grundsätze in diesen Werken und die üppigen Bilder, die die Phantasie so unrein entzündeten, hätten eine sehr nachteilige Wirkung auf das empfängliche „weibliche Herz“. Gar nicht zu lesen sei jedoch genauso schlecht. Ein anderer Angriffspunkt ist die Gelehrsamkeit, bzw. die „Raisonier414 415 sucht“ und das „Vernünfteln“ von Frauen. Am deutlichsten äußert sich hierzu Jeitteles. Die „sogenannten gelehrten Weiber“ seien widerna416 türlich. Es widerspräche dem Charakter und der „Bestimmung der Weiblichkeit“ und klinge lächerlich, „wenn ein Frauenzimmer über abs412

Heß 1811, 180. Vgl. Jeitteles 1808, 69. 414 Heß 1811, 185. 415 Fränkel 1806c, 482. 416 Jeitteles 1808, 70. Dieser Topos findet sich auch in den 1803 verfassten antisemitischen Schriften des Berliners Carl Wilhelm Friedrich Grattenauer. Vgl. Jakubowsky 1995, 200. 413

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trakte Gegenstände spricht, über Raum und Zeit, Idealismus und Realismus disputirt, über F i c h t e und S c h e l l i n g entscheidende 417 Urtheile fällt“. Eine Frau ganz ohne wissenschaftliche Bildung sei jedoch ebenso „verächtlich“. Der Autor fasst seine Meinung prägnant zusammen: Die Philosophie im Weiberrocke wird kein Vernünftiger achten, aber auch das platte Gänschen niemand lieben können. Die erste ist widrig und lästig, die 418 zweite abgeschmackt und langweilig.

Sicherlich können besonders die letztgenannten Aussagen nicht als repräsentativ für alle Autoren gesehen werden. Andererseits lagen sie anscheinend nicht so entfernt von der Meinung des Herausgebers, als dass sie gar nicht gedruckt worden wären, ein gegenteiliger Kommentar hinzugesetzt oder eine gegensätzliche Position an anderer Stelle vertreten worden wäre. Die meisten Autoren in Sulamith vertraten ein Bildungsideal, das sich von dem weiblicher Gelehrsamkeit unterschied und romantische, gesellschaftskritische Ideale nicht stärken wollte. Daneben nennen die Autoren bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen von Mädchen und Frauen, denen sie mit ihrer Erziehung entgegensteuern wollen. So nennt Heß als eine der Hauptsorgen der Mädchenerziehung, Eitelkeit und die dieser verwandte Oberflächlichkeit 419 der Mädchen einzudämmen. Eitelkeit sei eine Schwäche des Geistes, ein Überschätzen äußerer und unbedeutender Vorzüge, das auf falschen Ansichten vom Wert der Dinge beruhe. Die besten Gegenmittel seien daher klare Begriffe und die Ausrichtung des Verstandes auf das Bessere und Edlere.

417

Jeitteles 1808, 70. Jeitteles 1808, 70. 419 Vgl. Heß 1811, 182. Vgl. auch Salomon 1815, 8f. 418

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Ein anderes Problem sei der zu große Wert, der auf die sogenannte konventionelle Höflichkeit gelegt werde. So werde häufig ein Mädchen als gebildet bezeichnet, das „sich nur gut produzieren, Schmeicheleien und Artigkeiten artig erwiedern, graziöse Verbeugungen machen und was 420 dergleichen Dinge mehr sind“, könne. Deshalb glaube man, das Kind nicht früh genug in Gesellschaften einführen zu können. Dies führe dazu, dass das Mädchen seine „natürliche Art“ verliere. [...] das an Vernunft und Jahren noch kindische Mädchen tritt aus seinem Kreise heraus und setzt sich den Erwachsenen gleich, macht dieselben Ansprüche, verliert seine kindliche Unbefangenheit und Naivität, ja oft seine Munterkeit, lernt Empfindungen erkünsteln, die es noch gar nicht kennen sollte, und wird 421 ein affektirtes Geschöpf.

Demgegenüber solle der Lehrer das Mädchen „in den Schranken der Na422 tur erhalten“, ihm das Unschickliche dieses künstlichen Verhaltens zeigen und ihm wahre Höflichkeit schätzenswert machen. Bourton kritisiert sehr anschaulich die große Aufmerksamkeit, die junge Frauen der 423 Pflege von Schönheit und Putz zuwendeten. Demgegenüber vernachlässigten sie die Schönheit der Seele, den Wert von Verstand, Tugend und einem denkenden Geist. Ein anderer Kritikpunkt am Verhalten der Mädchen ist die Selbstliebe bzw. die Selbstsucht. Besonders eindrücklich wird diese Kritik in einem Auszug aus einem Andachtsbuch für Frauen und Mädchen von Salo424 mon. Im Ich-Stil wird hier die Erkenntnis eines Mädchens geschildert, dass die wahren Freuden nicht die sinnlichen Genüsse, sondern die geistigen Freuden seien. Dem folgt die Einsicht, dass die noch höhere Be420

Heß 1811, 182f. Heß 1811, 183. 422 Heß 1811, 183. 423 Vgl. Bourton 1811, 300ff, besonders 306.316. 424 Vgl. Salomon 1815, 13.15f. 421

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stimmung ihres Wesen nicht in der Befriedigung ihrer eigenen edlen geistigen Bedürfnisse liege, sondern darin, zum Wohle anderer zu wirken. Selbstsucht, so das fiktive weibliche Ich, wäre demnach der hässlichste Schandfleck in seinem Wesen. Fränkel fasst unter dem Begriff der Selbstliebe verschiedene bereits genannte Kritikpunkte zusammen und fügt ihnen noch das mangelnde Interesse am weiblichen Berufe hinzu. Außer der Selbstliebe giebt es für dasselbe [das irreligiöse Töchterchen] keine Pflichten; was dieser entgegen ist, heißt inconsequent. Nur an dem findet es Geschmack, was der Eitelkeit schmeichelt. Das Spiel seiner Phantasie beschäftigen Schmetterlinge. Auch ist es solchen Töchterchen einst um wahre häusliche Glückseligkeit nicht zu thun, und der schöne Zweck der Schöpfung, sie zu treuen Gehülfinnen ihrer Gatten, thätigen Hausfrauen; zartfühlenden Müttern 425 und sie selbst dadurch glücklich zu machen, wird hier ganz verfehlt.

Die Beschränkung des Pflichtgefühls der Mädchen auf die Selbstliebe liegt für Fränkel, wie ich bereits erläutert habe, in ihrer Gleichgültigkeit gegen die Religion begründet. Als Ursache für diese klagt Fränkel den „Zeitgeist“ an. Er betont zwar, dass die Zahl der „irreligiösen“ jüdischen Frauen noch verhältnismäßig gering sei, fürchtet aber deren Vergrößerung. Ähnlich beschreibt Heß die Frivolität als eine kommende Gefahr: „ Der frivole Witz, dem nichts heilig ist, der das Edle wie das Gemeine zu seinem Spiele braucht, fängt schon an sich in weibliche Zirkel einzu426 schleichen“. So werden „Irreligiosität“ und „Frivolität“ von den beiden Autoren als die Eigenschaften einer Minderheit jüdischer Frauen und als drohende Gefährdung für die jüdischen Mädchen und Frauen insgesamt beschrieben, die durch Erziehung verhindert werden soll. Darüber hinaus nennen 425

Fränkel 1806c, 486. Heß 1811, 184f.

426

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die Autoren einige Verhaltensweisen von Frauen, die sie durch ihre Bildungskonzepte zu bekämpfen beabsichtigen: so den „Müßiggang“ von 427 428 Frauen , ihre „leeren Zerstreuungen a u ß e r dem Hause“ , bzw. „un429 schickliches öffentliches Auftreten“ , aber auch „Untreue“ und „Zwie430 tracht“ in den Ehen , bzw. die durch die Frau bedingte „Zerrüttung“ der 431 Familie . Entsprechende Erziehungsziele finden sich in den allgemeinen Ausführungen der Autoren, die die Jungenerziehung (auch oder ausschließlich) betreffen, nicht. Vielmehr scheinen die Autoren die Krise in den jüdischen Ehen und der jüdischen Gemeinde nur als eine Aufgabe der Mädchenerziehung zu sehen. 5.3.4 Kritik an der traditionellen Mädchenbildung Kritik an der traditionellen Mädchenbildung ist in Sulamith nur ein marginales Thema, zu dem sich lediglich Fränkel und Salomon ausführlicher äußern. Sicherlich richtete sich die Klage über den Mangel an Mädchenbildung auch gegen die traditionelle Erziehung, die in der Regel nur in 432 der häuslichen Erziehung durch die Mutter bestand. In erster Linie scheint sich diese Kritik jedoch an die Kreise zu wenden, die für eine aufgeklärte Jungenbildung eintraten, die Mädchen jedoch nicht einbezo433 gen. Fränkel vertritt eine durchaus zwiespältige Einschätzung der traditionellen Mädchenbildung. Er kritisiert an der „alten übrigens elenden Erzie427

Würtzer 1811, 245. Heß 1823, 161. 429 Vgl. Bourton 1811, 317f. 430 Vgl. Fränkel 1806c, 481.487. 431 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 114. 432 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 101f. 433 Vgl. Heß 1811, 177f; Fränkel 1806c, 485ff. 428

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434

hung unserer Schwestern“, dass den Mädchen „blinde Religiosität“ vermittelt worden sei und gesellschaftliche Fähigkeiten vernachlässigt 435 worden seien. Die religiösen Bücher, die sie lasen, seien „fade und übel“ gewesen. Dennoch seien manche Stellen in diesen Büchern geeignet gewesen, das Herz zu veredeln und die Mädchen für das Göttliche zu stimmen. Auch spreche das Verhalten der Frauen als treue Gattinnen, Hausfrauen und Mütter „für ihre, wo nicht gute, doch wenigstens 436 unverderbte Bildung“. Möglicherweise seien selbst das „blinde Erfüllen“ der Gesetze Mittel zur Erfüllung anderer moralischer Pflichten gewesen, indem „das Weib gleichsam durch Gottes Hand an Pflichterfül437 lungen gewöhnt war“. So fasst Fränkel seine zwiespältige Haltung folgendermaßen zusammen: Jedem heutigen gebildeten Juden würde freilich ein Mädchen nach d i e s e r ehemaligen Bildung als Gattin nicht zu empfehlen seyn; denn es herrschte ehemals wirklich eine fast allgemeine Bigotterie unter diesen Mädchen, es fehlte ihnen nicht selten an feiner Bildung, an Grazie, an edlem Anstande und richtigem Geschmacke; allein wird mir, im Vertrauen gesagt, nicht auch mancher heutige junge Ehemann hingegen gerne eingestehen, daß es doch sehr gut wäre, wenn sich ein Theil, und zwar der bessere des ehemaligen religiösen 438 Sinnes auf manche unserer heutigen Mädchen vererbt hätte?

Einen anderen positiven Anknüpfungspunkt an die traditionelle Mädchenbildung beleuchtet Fränkel in seiner Verteidigung der talmudischen Einschränkung religiöser Bildung von Frauen: Hier werden die Talmudisten wie sonst sehr oft, ganz unrecht beschuldigt, denn sie verehrten wahrlich die Mädchen in einem hohen Grade und erkannten 434

Fränkel 1806c, 481. Die Kritik an der „blinden Befolgung“ der Zeremonialgesetze, verbunden mit der Forderung nach neuen religiösen Lehrbüchern, findet sich schon bei Friedländer. Vgl. Friedländer 1788, 45. Vgl. auch Lohmann 1996c, 202. 436 Fränkel 1806c, 481. 437 Fränkel 1806c, 481. 438 Fränkel 1806c, 481f. 435

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ihren Werth. [...] Sagten denn aber die Talmudisten als bestimmende Regel nicht ausdrücklich: [...] wer seine Tochter T o r a (Gesetz, Wissenschaften) lehrt, der lehrt sie etwas Unwürdiges? Allerdings sagten sie dieß; aber was verstanden sie darunter wohl anders als, wer seine Tochter mit der weitläufigen Erklärung des mosaischen oder Ceremonialgesetzes den Kopf anfüllt, sie etwas dem weiblichen Berufe Unwürdiges lehrt; oder auch, wer sie abstrakte Wissenschaften lehrt, macht sie zur Vernünftlerin, die am Ende ihren Beruf als Hausfrau nicht erfüllt, alle positiven Religionsgesetze verspottet, indem tiefes gründliches Nachdenken über dergleichen subtile Gegenstände die Sache des Weibes nicht ist und seiner Natur nach auch nicht seyn soll, und weil ferner nach der Meinung439der Talmudisten, das Weib in solchen Fällen leichtsinniger als der Mann sey.

Somit verteidigt Fränkel die Beschneidung der Bildung von Frauen bezüglich eines vertiefenden Studiums des Gesetzes, bzw. der Lehre abstrakter Wissenschaften mit dem Hinweis auf ihre weibliche Natur und ihren weiblichen Beruf. Die Art der Argumentation Fränkels weist darauf hin, dass er dieser Meinung durchaus auch selbst zustimmt. Auch diskre440 ditiert er das „Vernünfteln“ von Frauen noch an späterer Stelle. Salomon scheint in dieser Frage einen anderen Standpunkt zu vertreten. Wie schon erwähnt, spricht er sich für den Einsatz von Vernunft und 441 Verstand in der religiösen Unterweisung auch der Mädchen aus. Auch sollen sie wie die Jungen eine Unterweisung über die Fortschritte des menschlichen Geistes (bezüglich Moral und Religion und der Begriffe 442 von Gott und seinen Eigenschaften) und die Gottesverehrung erhalten. Dabei sollen neben dem Leben der Urväter und Moses auch der Talmud und die Gesetzbücher berücksichtigt werden. Seine sechs „Briefe an ein achtungswürdiges Frauenzimmer jüdischer Religion“ bieten die prakti-

439

Fränkel 1806c, 477f. Vgl. Fränkel 1806c, 482. 441 Vgl. Salomon 1806, 215ff. 442 Vgl. Salomon 1806, 221f. 440

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sche Umsetzung dieses anspruchsvollen Konzepts religiöser Mädchen443 bildung. Die Teilhabe von Mädchen an talmudischer Bildung bei Salomon ist jedoch im Blick darauf zu relativierten, dass das von Salomon für Mädchen und Jungen geforderte religiöse Wissen bei weitem nicht dem traditionellen, intensiven Talmudstudium entspricht. Wenn sich bei Salomon eine Angleichung der religiösen Bildung von Mädchen und Jungen feststellen lässt, so beruht diese zunächst einmal auf der Reduzierung des Anteils an religiösem Unterricht in der Jungenbildung zugunsten des säkularen Un444 terrichts. Des Weiteren hat es im traditionellen Judentum wahrscheinlich immer auch Frauen gegeben, die grundlegende Kenntnisse über die jüdische 445 Religion und den Talmud besaßen. Wie schon erwähnt, wurde bereits Mitte des 18. Jahrhunderts die mangelhafte religiöse Bildung von Mädchen von traditioneller Seite her kritisiert, so von Rabbi Wetzlar aus Cel446 le. Die Veränderung der Mädchenbildung der Autoren gegenüber der traditionellen Erziehung bestand also in erster Linie darin, dass sie eine elementare schulische Bildung mit säkularen und religiösen Inhalten für alle Mädchen anstrebten. Grundlage für das Konzept religiöser Bildung war ein unterschiedlich stark verändertes, aufklärerisches Verständnis 447 ihrer Religion.

443

Vgl. Salomon 1806, besonders 378; Salomon 1807, besonders 92.173.180f; Salomon 1809, besonders 206. 444 Vgl. Lohmann 1996c, 202f; Eliav 1960a, 100. 445 Vgl. Navè Levinson 1990, 93ff. Vgl. auch Carlebach 1977, 90f. 446 Vgl. Zinsberg 1975, 358; Faierstein 1982, 236. 447 Lässig (2004, 346) sieht die grundlegende Veränderung darin, dass die Frauen als Hüterinnen von Familie und Judentum ins Zentrum rücken und zu Leitfiguren der Verbürgerlichung werden.

108

5.4 Schul- und Unterrichtskonzepte für Mädchen in Sulamith 5.4.1 Zu den verschiedenen Schulen In Sulamith wird über viele der von den Aufklärern gegründeten Mädchenschulen, bzw. Mädchenklassen berichtet, wenn auch unterschiedlich ausführlich. Genauer werden die 1809 von Bock in Berlin gegründete 448 Töchterschule sowie die 1809/10 eröffnete Töchterschule des jüdischen Philanthropins in Frankfurt am Main (ab 1813 Bürger- und Realschule 449 der Israelitischen Gemeinde) beschrieben. Auch der 1808/9 genehmig450 te, aber nicht ausgeführte Plan der Karlsschule von Stern wurde abgedruckt. Kurz wird berichtet über die von Fränkel 1805/6 errichtete Töch451 terschule in Dessau , die seit 1799 in Hamburg bestehende Schul- und 452 Arbeitsanstalt für Mädchen , die Mädchenklassen der 1818 gegründeten 453 Erziehungs- und Lehranstalt für die Israelitische Jugend in Mannheim , die 1820 eröffnete Schule für Kinder mosaischen Glaubens in Frankfurt 454 455 an der Oder und die 1827 in Altstrelitz errichtete Israelitische Schule . Kurz erwähnt werden die 1803 von Henriette Herz aus Fürth in Frankfurt

448

Vgl. Bock 1811, 38.48ff. Vgl. auch Fehrs 1993, 55ff. Vgl. Miscellen 1810a, 60f; Heß 1811, 177ff, besonders 188ff; Heß 1823, 160f.232ff; Miscellen 1812, 203f; Ueber den Religionsunterricht 1821, 302.313; Nachrichten 1808, 258f. Vgl. auch Rudolph 1978, 147ff und 1979, 137ff; Schlotzhauer 1990. 450 Vgl. Stern 1809; Miscellen 1808, 427f; Heß 1823, 154; Nachrichten 1808, 258f; Wolf 1811, 63f. 451 Vgl. Fränkel 1806c, 488; Fränkel 1816, 359f; Gedanken 1816, 401f Anmerkung *; Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 343ff; Miscellen 1826, 70. Vgl. Graetz 1996, 346ff. 452 Vgl. Würtzer 1811, 244f. Vgl. auch Randt 1995, 6ff; Pritzlaff 1994, 78. 453 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 114f; Berliner 1819, 149ff. 454 Vgl. Spieker 1821, 235ff; Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 347f; Mittheilungen 1823, 167ff. 455 Vgl. Beiträge 1828, 414ff. 449

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456

am Main gegründete Mädchenschule , die 1810 (oder früher) gegründe457 te israelitische Töchterschule in Kopenhagen (die Carolinaschule) , die 1811 (oder früher) auch für Mädchen geöffnete Schule für Israeliten in 458 Prag , die 1821 (oder früher) errichtete Schule für die Israelitische Ju459 gend in Friedland und die 1826 eröffnete Armen-Töchterschule der 460 Altonaer jüdischen Gemeinde . Die Schulen waren teils private Unternehmen, so die Schulen in Dessau, Berlin, Frankfurt am Main (bis 1813), Mannheim und Frankfurt an der Oder, und teils Einrichtungen der jüdischen Gemeinden, so die Schulen in Hamburg, Prag, Frankfurt am Main (ab 1813), Friedland, Altona und Altstrelitz. Die Finanzierung der Schulen war unterschiedlich, oft eine 461 462 Zusammensetzung aus dem Schuldgeld der Zöglinge , Stiftungen , 463 464 Spenden , staatlicher Unterstützung und Mitteln der jeweiligen jüdi465 schen Gemeinde . Die Schulen waren von der wechselhaften politischen Situation (und der jeweiligen Schulpolitik) wie auch von der Gewährung und Rücknahme der Bürgerrechte in verschiedener Hinsicht betroffen. So wurde bei456

Die Schule wurde nach einem Jahr wieder geschlossen. Vgl. Heß 1823, 154; Herz 1804. Vgl. auch Lohmann 1996a. 457 Vgl. Miscellen 1810b, 412; Miscellen 1816, 356. 458 Die Schule wurde 1782 für Jungen gegründet. (Vgl. Eliav 1996, 343f.) In Sulamith vgl. Hock 1812; Die neue Lehranstalt 1819; Beer 1811, 372; Beer 1812. 459 Vgl. Nachrichten 1821, 256. 460 Vgl. Beiträge 1828, 421f. 461 Vgl. Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 344 Anmerkung*; Heß 1823, 162; Miscellen 1810a, 60; Stern 1809, 352. 462 Vgl. Stern 1809, 252. 463 Vgl. Heß 1823, 155.162. 464 Vgl. Nachrichten 1808, 258; Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 344f Anmerkung*; Heß 1823, 158f.163.235f; Stern 1809, 254. 465 Vgl. Stern 1809, 252.

110

spielsweise in Frankfurt am Main eine unter Napoleonischer Besetzung genehmigte staatliche Unterstützung nach den Befreiungskriegen wieder zurückgenommen, später dann ein jährlicher Zuschuss wieder bewil466 ligt. Darüber hinaus fallen die in Sulamith dokumentierten Schulprojekte in eine Phase der staatlichen Schulpolitik, in der sich die Unterstellung auch jüdischer privater und gemeindlicher Schulen unter staatliche Aufsicht und Kontrolle nach und nach durchsetzte und der Schulzwang auch für 467 jüdische Jungen und Mädchen eingeführt wurde. Lehrer und Schulpläne der jüdischen Schulen mussten von Regierungsseite bestätigt werden. Bei der Festlegung eines verpflichtenden Lehrplans bestand die Tendenz, die deutsche Sprache und Kultur zu betonen und den jüdischen Lehrstoff zu beschränken. Gleichzeitig wurde die Aufrechterhaltung der Cheder verboten. Diese Entwicklungen vollzogen sich zeitlich und von der Art 468 her unterschiedlich in den einzelnen Staaten. So überschnitten sich die Interessen von Aufklärern und Regierungen in verschiedener Hinsicht. In Sulamith weisen mehrere Autoren auf die Unterstützung ihrer Schul469 projekte durch die jeweilige Regierung hin. Diese konnte sich auch gegen traditionelle Familien richten, die ihre Kinder nicht auf die moder470 nen jüdischen Schulen schicken wollten. In Dessau beispielsweise wurden 1820 alle jüdischen Eltern durch eine staatliche Anordnung ver-

466

Vgl. Heß 1823, 233.235. Vgl. Eliav 1960a, 212f; Jeismann 1987. 468 Vgl. Heß 1823, 232; Spieker 1821; Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 342; Mittheilungen 1823; Beiträge 1828, 415; Nachrichten 1821, 256. 469 Vgl. Nachrichten 1808, 258f; Hock 1812, 151f.159; Berliner 1819, 150; Ueber den Religionsunterricht 1821, 300f. 470 Zum Widerstand vieler Gemeinden aus Angst um die Erhaltung ihrer Religion vgl. Straßburger 1885, 201. 467

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471

pflichtet, ihre Töchter auf die Fränkelsche Töchterschule zu schicken. Die Möglichkeit zum Besuch der nichtjüdischen Schule in Dessau wurde von der Einhaltung dieser Verordnung abhängig gemacht, die durch Zeugnisse kontrolliert wurde. Das Interesse der preußischen Regierung am Unterricht auch der Mädchen spiegelt sich beispielsweise in einer in Sulamith abgedruckten, wiederholten Anfrage an die Gemeinde in Frankfurt an der Oder, ob auch für die Bildung der weiblichen Jugend gesorgt 472 sei. Andererseits finden sich in den Texten häufig Hinweise auf Schwierigkeiten, die die Gründung und Erhaltung der modernen Schulen erschwerten oder verhinderten. Einige Autoren sprechen vage von „Hindernis473 474 sen“ , „ungünstigen Zeitverhältnisse[n]“ oder der „Schlaffheit oder 475 Widerspenstigkeit der Organe“ . Hierbei mag es sich teilweise um Kritik an den politischen Veränderungen der Restauration handeln. Andere Autoren wenden sich recht deutlich gegen innerjüdischen Widerstand. So bemerkt Wolf, dass ein von Stern schon um 1800 entworfener Schulplan „durch den Eifer einiger nicht sowohl übel-intentionirten, als übel-berichteten Männer, welche Religion und Aufklärung als heterogene 476 Gegenstände zu betrachten gewohnt waren, hintertrieben“ worden sei. Heß beschreibt denselben Vorgang allgemeiner als ein Scheitern „an der

471

Vgl. Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 343f. Die 1816 in Dessau geborene und dort aufgewachsene Emma Isler berichtet in ihren Lebenserinnerungen jedoch nichts über einen Schulbesuch in der Fränkelschen Töchterschule. Vgl. Randt 1986. 472 Vgl. Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 348; Mittheilungen 1823, 168. Vgl. auch Bäumer 1902, 43f.63f. 473 Berliner 1819, 151. 474 Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 342. 475 Heß 1823, 236. 476 Wolf 1811, 61.

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477

Gewalt der Vorurteile“ . Die religiösen Ansichten und Begriffe hätten jedoch bei Mädchen weniger Schwierigkeiten in den Weg gelegt. In den 20er Jahren musste sich die Frankfurter Real- und Volksschule dann gegen die Vorwürfe ihrer Gegner verteidigen, in der Schule werde keine Religion gelehrt, bzw. das, was unter diesem Namen gelehrt werde, sei 478 keine Religion. Auch Vorurteile von Mitgliedern der Gemeinde in Prag 479 gegen die dortige Schule werden berichtet. Das Vorurteil, die Einführung der Schule beinhalte Eingriffe in die Religion und eine Verführung zum Abfall sei zwar gänzlich verscheucht worden, aber man spreche der Schule aufgrund falscher Erwartungen alle Nützlichkeit ab. Die Autoren in Sulamith sahen in der Gründung der Schulen den wegweisenden Anfang einer neuen Epoche. Demgegenüber wird in den älteren Forschungen betont, dass in den von jenen gegründeten modernen jüdischen Schulen nur eine geringe Zahl aller jüdischen Mädchen (und Jungen) unterrichtet worden sei und die meisten Schulen nur eine vorübergehende Erscheinung gewesen seien, da die Eltern es vorzogen, ihre 480 Kinder in christliche Schulen zu schicken. Im Unterschied dazu gehen neuere Forschungen davon aus, dass die neuen Schulen von 20 bis 25 Prozent der jüdischen Kinder besucht wurden und die Schulen u.a. durch Absolvent:innen auch über die Zeit ihrer Existenz hinaus Auswirkungen 481 zeitigten, auch auf neue Schulgründungen.

477

Heß 1823, 154. Über den Religionsunterricht 1821, 301.303. 479 Vgl. Beer 1812, 159ff. Die Schulgründer in Prag erlangten die Unterstützung des traditionellen Oberrabbiners Jecheskel Landau, indem sie den Unterricht auf säkulare Inhalte begrenzten. Vgl. Graetz 1996, 334f. 480 1812 besuchten circa 900 Schülerinnen und Schüler diese Schulen. Zu dieser Zeit umfasste das deutsche Judentum knapp 200.000 Menschen. Vgl. Eliav 1960a, 211; Richarz 1976, 51. 481 Vgl. Lässig 2001, 284, und Lässig 2004, 155ff, insbesondere 178ff. 478

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5.4.2 Zur sozialen Situation der Schülerinnen Die Kreise, die die Schulgründer ansprechen wollten, waren durchaus unterschiedlich. Während die in Hamburg und Altona eröffneten Schulen für arme Mädchen gedacht waren, war das Konzept der Töchterschule des Frankfurter Philanthropins auf Mädchen aus den mittleren Ständen 482 ausgerichtet. Mit der Umwandlung zur Bürger- und Realschule wurde dieser dann eine Klasse für unbemittelte Mädchen beigefügt, die später mit einer Abteilung für die handwerkliche Ausbildung von Jungen zu 483 einer Volks- und Freischule zusammengelegt wurde. Die Berliner 484 Schule von Bock zog laut Eliav erstmals auch wohlhabende Kreise an. In Dessau waren seit 1820 alle Mädchen zum Schulbesuch an der Fränkelschen Töchterschule verpflichtet. 20 bis 25 Prozent der Zöglinge 485 waren Freischülerinnen. Auf die soziale Situation der Schülerinnen in den anderen Schulen wird nicht eingegangen. Die insgesamt spärlichen Informationen weisen darauf hin, dass zumindest in den großen Städten die Trennung der Schülerinnen nach ihrer sozialen Herkunft von den Schulgründern weitgehend beibehalten wur486 de. Diese engagierten sich teils für die Bildung armer Mädchen, teils für die Bildung von Mädchen aus mittleren Ständen oder wohlhabenden Kreisen.

482

Vgl Würtzer 1811, 244f; Beiträge 1828, 421; Heß 1811, 181. Vgl. Heß 1823, 232ff. 484 Vgl. Eliav 1991, 103. 485 Vgl. Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 343f; Miscellen 1825, 69. 486 Zu den Hamburger Gemeindeschulen vgl. Randt 1995, 8. Anders Eliav 1991, 101. 483

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5.4.3 Zu den Unterrichtsinhalten In Sulamith werden zu insgesamt sieben der genannten Schulen sowie in einem Schulplan genauere Angaben über die Unterrichtsinhalte ge487 macht. Bei den Angaben zu den Schulen in Frankfurt an der Oder, Mannheim und Altstrelitz ist jedoch unsicher, ob der Mädchenunterricht tatsächlich alle genannten Fächer umfasste, da in den Berichten nicht zwischen Jungen und Mädchen differenziert wird. Ich werde diese daher nur am Rande berücksichtigen. Den Schulen gemeinsam ist der Unterricht in weiblichen Handarbeiten, der deutschen Sprache, Rechnen und Religion. Darüber hinaus werden im Frankfurter Philanthropin und der Berliner Schule von Bock Französisch, Geographie, Geschichte, Naturkenntnis (bzw. Naturgeschichte), Zeichnen und häusliche Ökonomie (bzw. Haushaltungskunst) unterrichtet 488 sowie (nur in Frankfurt) Tanzen und Singen. Diese Fächer werden größtenteils auch für die Schulen in Frankfurt an der Oder, Mannheim 489 und Altstrelitz genannt, nicht jedoch für die Schulen in Dessau und 490 Hamburg. Auch für den Unterricht in weiblichen Handarbeiten findet sich in den Schulen in Frankfurt am Main und Berlin eine größere Vielfalt verschiedener, auch ausgefallender Arbeiten, während in Hamburg wenige, für die Erwerbstätigkeit nützliche Arbeiten gelehrt werden. In allen Schulen außer der Schule von Bock in Berlin steht auch Hebräisch auf dem Lehrplan. In den Schulen in Hamburg und Dessau beschränkt sich dieser jedoch auf das Verständnis einiger Gebete.

487

Siehe Tabelle im Anhang. Vgl. Bock 1811, 49ff; Miscellen 1810a, 60f. 489 Vgl. Spieker 1821, 236f; Strasburger/Wolff 1819, 107ff; Beiträge 1828, 417 Annmerkung*. 490 Vgl. Etwas über die Israelitischen Schulen 1821, 345; Würtzer 1811, 244. 488

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Interessant ist insbesondere, dass in den Schulen in Frankfurt am Main und Berlin Religion im Rahmen eines moralisch-religiösen Unterrichts gelehrt wird, in dessen Mittelpunkt die Vermittlung weiblicher Tu491 gend(en) und Pflichten steht. Während Bock neben dieser weiblichen Tugendlehre noch einige Stunden für den Unterricht in den Hauptgrundsätzen und Wahrheiten der jüdischen Religion vorsieht, ist Heß (in Frankfurt) mit der Lehre der positiven Religion zurückhaltend und thematisiert stärker Aspekte sogenannter „reiner Religion“ wie Existenz und Eigenschaften Gottes oder die Unsterblichkeit der Seele. Bemerkenswert ist auch, dass an einigen Schulen der Unterricht in Biblischer Geschichte 492 getrennt vom Religionsunterricht aufgeführt wird. Ein anderer bemerkenswerter Aspekt der Unterrichtskonzepte der Schulen in Berlin und Frankfurt am Main besteht darin, dass die einzelnen Fächer auf die sogenannte weibliche Bestimmung hin ausgerichtet und teilweise begrenzt werden. So beschreibt Bock die Inhalte des Rechenunterrichts folgendermaßen: Mit Rücksicht auf Gegenstände der H a u s h a l t u n g auf nothwendigen Gebrauch dieser Kunst, vorzüglich des K o p f r e c h n e n s in der Wissenschaft, um beim Einkauf der Wirthschafts-bedürfnisse nicht übervortheilt zu werden, und auch deren ökonomischen Verbrauch leicht und mit Sicherheit berechnen zu können.493 Mit diesem wird das allgemeine für jeden Stand nöthige Rechnen verbunden.

Auch im Deutschunterricht geht es neben der Fähigkeit, sich mündlich und schriftlich gut ausdrücken zu können, um die Anfertigung von Aufsätzen, die in den verschiedenen weiblichen Lebenslagen „als Gespielin, Freundin, Gattin, Mutter, Hausmutter“ erforderlich sind: „Briefe aller Art, Rechnungen, Scheine, Quittungen, Anweisungen, Zeugnisse an ent491

Vgl. Bock 1811, 52; Heß 1811, 192. Vgl. Eliav 1960a, 209. 493 Bock 1811, 53. 492

116

494

lassene Dienstboten“. Der Unterricht in Geographie wird auf das für Frauen Wissenswürdigste und Notwendigste begrenzt, ebenso der Unterricht in Naturgeschichte, der lediglich als Vorbereitung für den Unterricht in weiblicher Technologie, bzw. der „Encyclopädie der Haushal495 tungskunst“ dienen soll. Dieser umfasst „die vorzüglichsten Gegenstände der Haushaltung, die Erfordernisse für Küche, Speisekammer, 496 Keller, deren Erwerbung oder Gewinnung, Preise, Gebrauch“. Der Geschichtsunterricht beinhaltet Weltgeschichte, besonders biblische Geschichte, und brandenburgische Geschichte „besonders mit Aushebung der Lebensbeschreibungen von den würdigsten F r a u e n aus allen 497 Ständen“. In ähnlicher Weise betont Heß die Notwendigkeit von Schreiben und Rechnen für die Führung eines Haushalts und die Nützlichkeit des Zei498 chenunterrichts für manche Putzarbeiten. Auch an seiner Schule soll nur das Wissenswürdigste der Geographie, Naturgeschichte und Naturlehre unterrichtet werden, daneben der modische Gesang als eine der schönsten Zierden der Frau. In den Schulen für Jungen und Mädchen werden über die bisher genannten Fächer hinaus Latein, Arithmetik, Geometrie, Algebra, Mathematik und Deklamation gelehrt sowie deutsche und französische Klassiker und 499 Poesie. Es ist durchaus möglich und aufgrund des Vergleichs mit den reinen Mädchenschulen wahrscheinlich, dass die Mädchen an diesem

494

Bock 1811, 53f. Bock 1811, 55. 496 Bock 1811, 55. 497 Bock 1811, 55. 498 Vgl. Heß 1811, 186f. Vgl. auch Rudolph 1978, 150f. 499 Vgl. Strasburger/Wolff 1819, 107ff; Spieker 1821, 236; Beiträge 1828, 417 Anmerkung*. 495

117

500

Unterricht nicht teilnahmen. Der Ausschluss der Jungen aus dem Unterricht weiblicher Handarbeiten wird auch nicht ausdrücklich erwähnt. Darüber hinaus werden im Schulplan von Stern Englisch, Italienisch, Buchhalten, Technisches Zeichnen und Chemie als Unterrichtsfächer für 501 Jungen genannt, für die Knabenschule von Bock Englisch und Physik. Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Schulen in Hamburg und Dessau den Charakter von Elementarschulen haben, die Schulen in Ber502 lin und Frankfurt am Main den höherer Töchterschulen. Gleichzeitig sind diese in den einzelnen Fächern differenziert auf die sogenannten weiblichen Bestimmungen hin ausgerichtet. 5.4.4 Zu den Methoden Bezüglich der Methoden für die Mädchenerziehung gibt es viele Überschneidungen mit den allgemeinen Überlegungen der Autoren. Stern beispielsweise gibt an, dass der Unterricht in der Mädchenschule auf dieselbe Art angeordnet sein solle wie der Unterricht für die Jungen: mit aufeinander aufbauenden, in der Menge gut dosierten, altersgemäßen Inhalten 503 und einer Verbindung von Theorie und Praxis. Auch die von Salomon in Abgrenzung zum traditionellen Unterricht für die religiöse Unterweisung vorgeschlagenen Methoden (Deutsch als Unterrichtssprache, Erklärung und Analyse der Unterrichtsgegenstände, unterhaltendes und ab500

Dies entspricht nahezu den Auflistungen der Unterrichtfächer an höheren Töchterschulen nach Küpper (1987, 182f.185). Von den von mir ausgeschlossenen Fächern werden von ihr lediglich deutsche Literatur und Deklamation als Unterrichtsfächer für Mädchen genannt. Lohmann (1996, 201) führt noch Arithmetik als Unterrichtsfach für Mädchen auf. 501 Vgl. Stern 1809, 348; Bock 1811, 57. 502 Vgl. Lohmann 1996c, 201. Zur Elementarschule vgl. Friedrich 1987, 133. Zur höheren Töchterschule vgl. Küpper 1987, 182f. 503 Siehe oben Seite 61.

118

wechslungsreiches Erzählen) beziehen sich auf Jungen und Mädchen 504 gleichermaßen. Unklar bleibt, ob die sokratisch-didaktische, naturgemäße Erziehungsmethode von Wolff und Strasburger auch auf die Mäd505 chenerziehung angewandt wurde. Einige detaillierte methodische Überlegungen für die Mädchenbildung finden sich bei Bock und Heß. Bock betont für den Handarbeitsunterricht die Wichtigkeit seiner genauen und vorsichtigen Einteilung in Bezug auf 506 Zeit und Gegenstände, um Fortschritte zu erreichen. So solle die Abfolge der Arbeiten „in stufenweisen Fortschritten, von den gewohnlichen zu den feinern, von den nothwendigern zu den angenehmen, von den 507 leichtern zu den schweren“ erfolgen. Auch sollten an einem Nachmittag alle dieselbe Arbeit verrichten und sich auf diesen einen Gegenstand konzentrieren, anstatt zwischen mehreren zu wechseln und keinen richtig zu erlernen. Für den Unterricht im Zeichnen solle die Methode von Pes508 talozzi angewandt werden. Einer Ausstellung einiger fertiger Handarbeiten für Außenstehende wie auch den Prüfungen misst Bock motivie509 rende Wirkung bei. Auch wird jedes vollendete Arbeitsstück in ein Buch eingetragen, das „B e f ö r d e r u n g d e r T ä t i g k e i t“ genannt 510 werde. Ebenfalls für vorteilhaft hält Bock die Einrichtung einer vereinigten Elementarklasse für Jungen und Mädchen, da diese sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften gegenseitig positiv beeinflussten.

504

Siehe oben Seite 62. Siehe oben Seite 60f. 506 Vgl. Bock 1811, 55f. 507 Bock 1811, 50. 508 Vgl. Bock 1811, 53. 509 Vgl. Bock 1811, 50f.58. 510 Bock 1811, 51. 505

119

Der Knabe ist wißbegieriger und mehr zum Anstrengen der Denkkraft geneigt, das Mädchen sanfter, gesitteter, und so geht bei der Vereinigung derselben etwas vom Ernste des Knaben auf das Mädchen, und von der Sanftheit dessen etwas auf den Knaben über, und trägt für511beide Theile zu einer vortheilhaften Verschmelzung beider Eigenschaften bei.

Heß beschreibt ausführlich den Aufbau des Stoffs in den einzelnen Fächern (Rechnen, Deutsch, Französisch und Zeichnen) sowie einige fä512 cherübergreifende Aspekte. Als grundlegend betont er die Notwendigkeit einer an der weiblichen Natur orientierten, nicht abstrahierenden 513 oder zergliedernden, sondern die Gefühle veredelnden Methode. Für die Entfaltung religiöser Gefühle bedeutet ein solches Vorgehen, dass die Idee eines „allmächtigen, allgütigen Vaters“ und einer „allwaltenden Vorsehung“ dem Religionsunterricht zugrunde liegen soll. Denn das Wesen der Mädchen schmiege sich so gerne an etwas Höheres an, 514 und es wäre mühsam, diese Idee „weg zu vernünfteln“. Statt philosophischer Definitionen, die den meisten langweilig oder unverständlich sein würden, sollten schöne Geschichten und Beispiele religiöser Menschen erzählt werden. Die Bildung des Geschmacks am Schönen in der Natur und Kunst sei besonders deswegen wichtig, weil sie das Mädchen auch für das moralisch Schöne empfänglicher mache und es Achtung gewinne, die „eine treffliche Schutzwehr gegen die Angriffe des Laster515 haften“ sei.

511

Bock 1811, 76. Vgl. Heß 1811, 188ff. 513 Siehe oben Seite 69f. Vgl. Rudolph 1978, 151. 514 Heß 1811, 184. 515 Heß 1811, 185. 512

120

6 Konstruktionen von Weiblichkeit in Sulamith als Teil der Entstehung deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit Die Sulamith-Autoren entwerfen ein weitgehend einheitliches Frauenbild, in dem den Frauen die natürliche Bestimmung zur treuen Gattin, Mutter und Hausfrau zugeschrieben wird. Im Gegensatz zur außerhäuslichen Erwerbstätigkeit der Ehemänner soll ihr Wirkungsraum in erster Linie auf die häusliche Sphäre beschränkt sein. In Übereinstimmung mit dieser geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung werden den Frauen bestimmte von der Natur gegebene „weibliche“ Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschrieben, die den Bereichen der Emotionalität, Passivität und Unterordnung zuzuordnen sind und die im Gegensatz zu den Männern zugeschriebenen Bereichen der Rationalität und Aktivität stehen. Trotz der Forderung der Autoren nach Häuslichkeit der Frauen heißen sie soziale Aktivitäten und Erwerbstätigkeit (armer) Frauen gut. Durch ihre Forderung nach schulischer Bildung der Mädchen eröffnen sie ihnen einen 516 Zugang zur Öffentlichkeit. Darüber hinaus nennen die Autoren die Religiosität der Frauen als einen grundlegenden Zug der von ihnen konstruierten Weiblichkeit. Das in der frühen Jugend zu erweckende religiöse Gefühl ist für die Autoren ein Garant für die Tugendhaftigkeit der Frauen, für ihr Bewusstsein um die weiblichen Pflichten und den Wunsch, diese zu erfüllen. Die Autoren erwarten von den Frauen ein elementares Wissen um die jüdische Religion und die Vermittlung von Religiosität an ihre Kinder durch eine (aufgeklärte) religiöse Praxis innerhalb der Familie. Die Frauen sollen als Stütze ihrer Tugend die Gottesdienste besuchen und die Gebete verstehen, eine gleichberechtigte, aktive Teilhabe an Gottesdienst und Ge517 meindevertretung ist jedoch nicht vorgesehen. 516

Vgl. Fassmann 1993, 148ff. Vgl. auch Jacobi 1994, 268. Zur Kritik am Ausschluss der Frauen von den religiösen Verpflichtungen und Rechten aus gegenwärtiger jüdisch-feministischer Perspektive vgl. Heschel 1995, 4. 517

121

Gemäß dem so konstruierten Ideal von Weiblichkeit wird von den Autoren ein Bildungskonzept entworfen, das in deutlicher Abgrenzung zu dem Ideal der Gelehrsamkeit von Frauen steht. Die Mädchen sollen anhand von Erziehungsmethoden und -inhalten, die ihren weiblichen Eigenschaften und Fähigkeiten entsprechen, auf ihre Bestimmung als Gattin, Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. Für eine derartige Erziehung soll durch die Gründung von Töchterschulen gesorgt werden, die die Erweckung des religiösen Gefühls in den Mittelpunkt des Bildungsprozesses stellen. Die weitgehende Beschränkung der Mädchenbildung auf „weibliche“ Inhalte steht im Widerspruch zu der geforderten Aufklä518 rung des Verstandes aller Menschen. Das von den Autoren konstruierte Frauenideal steht in einer gewissen Spannung zu den von ihnen vorausgesetzten Realitäten von Frauen. So werden in ihren Ausführungen Frauen in außerhäuslichen Aktivitäten, als Lehrerinnen, Schulleiterinnen, Näherinnen und sozial Engagierte, beschrieben. Ihr Auftreten auf öffentlichen Plätzen wird erwähnt, wenn auch in negativem Sinne. Entgegen der behaupteten weiblichen Abneigung gegen Abstraktion und Vernunft werden Frauen als Dichterinnen und Salonièren erwähnt und ihre Gelehrsamkeit, wenn auch abqualifizierend, konstatiert. Es wird kritisiert, dass Mütter ihre Kinder vernachlässigten und Gattinnen Untreue, Zwietracht und Zerrüttung in die Ehen brächten. Der Widerspruch zwischen der behaupteten natürlichen Bestimmung der Frauen zur häuslichen Gattin, Mutter und Hausfrau wie auch ihrer Abneigung gegenüber Abstraktion und Vernunft einerseits und der Existenz anders handelnder Frauen andererseits wird mit dem Hinweis auf deren „Unweiblichkeit“ und die Notwendigkeit einer die natürlichen Anlagen vollendenden Erziehung entschärft.

518

Vgl. Grenz 1983, 82.

122

Das von den Autoren propagierte Frauenideal liest sich in erster Linie als Gegenentwurf zu der relativ eigenständigen Lebensweise der Salonjüdinnen, obwohl diese nirgends offen angegriffen werden. Jedoch erscheint die von den Autoren vollzogene Abqualifizierung der Gelehrsamkeit von Frauen als Affront gegen die hohe literarische und philosophische Bildung der Frauen. Die Warnung vor dem Besuch außerhäuslicher Geselligkeiten scheint gegen die in den Salons geschaffene halböffentliche Sphäre interkultureller Zusammenkünfte gerichtet zu sein. Die Anspielungen auf Untreue, Zwietracht und Zerrüttung der Ehen von Seiten der Frauen beziehen sich wahrscheinlich auf die von den Salonjüdinnen (und anderen) praktizierten außerehelichen Liebesbeziehungen und Scheidungen. Gegenüber der von vielen Salonjüdinnen vollzogenen Abwendung von der jüdischen Religion entwerfen die Autoren das Bild einer von der jüdischen Religion durchdrungenen weiblichen Existenz. Das von den Autoren propagierte Frauenideal und die Lebensweise der Salonjüdinnen schließen sich geradezu gegenseitig aus. Es ist daher bemerkenswert, dass eine der Salonièren zu den Abonnent:innen der Zeitschrift gehörte. Aber das von den Autoren vertretene Frauenideal beinhaltet auch eine deutliche Abgrenzung gegenüber der Lebensweise traditioneller Jüdinnen. Die von vielen Jüdinnen praktizierte Frömmigkeit wird als „blinde Religiosität“ abqualifiziert und die unter ihnen verbreitete jiddische religiöse Literatur wird verworfen. Dem werden ein neues Ideal aufgeklärter jüdischer Religion „ohne Faseleien“ und die Praxis der deutschen Sprache gegenübergestellt. Aus Mangel an feiner Bildung seien die traditionell lebenden Jüdinnen ihren Ehemännern keine guten Gesellschafterinnen und ihren Kindern keine guten Mütter und Erzieherinnen. Die von einigen Frauen aus wohlhabenden Familien erworbene fremdsprachliche und gesellschaftliche Bildung wird als oberflächlich abgetan. Die für viele Frauen bzw. Familien lebensnotwendige Erwerbstätigkeit der Frauen wird nicht direkt kritisiert, aber sie hat in dem neuen Entwurf weiblicher Existenz keinen Platz mehr. 123

Das von den Autoren konstruierte Frauenbild steht im Widerspruch zu den verschiedenen Realitäten der Frauen ihrer Zeit. Was beabsichtigten die Autoren mit diesem Entwurf, was waren die Hintergründe des neuen Frauenideals und inwieweit sollte es sich durchsetzen? Die tiefgehenden gesellschaftlichen Veränderungen der sich industrialisierenden Gesellschaft stellten die jüdische Gemeinde vor große Probleme. Diese bestanden in der Akkulturation eines immer größer werdenden Teils der Juden in den großen Städten an die Umweltkultur, die einherging mit einer Entfremdung von der jüdischen Tradition. Ihren sichtbarsten Ausdruck fand diese neben der Nichtbeachtung der Mizwot, der jüdischen Gesetze, in Scheidungen, Konversionen und Mischehen durch viele überwiegend wohlhabende Juden. Die Salons als ein herausragender Ort des Kontaktes zu Nichtjuden wurden als eine Bedrohung für die Existenz der jüdischen Gemeinde empfunden, obwohl Säkularisierung und „Taufkrise“ viel weitere Kreise umfassten. Die dort aktiven Frauen wurden als Wurzel des Übels gesehen, obwohl jüdische Männer in gleicher Weise oder sogar häufiger an Konversionen und Mischehen beteiligt 519 waren, ohne jedoch die Salons zu besuchen. Angesichts der weitgehenden Entfremdung vieler Familien vom Judentum sahen die SulamithAutoren eine Handlungsmöglichkeit in einer religiösen Erziehung der Mädchen, die zugleich deren eigene Religiosität und die ihrer Kinder garantieren sollte. Doch auch die Sulamith-Autoren selbst waren Teil des Akkulturationsprozesses der Juden an ihre Umwelt. Sie verstanden sich als Teil der bürgerlichen Gesellschaft und versuchten, eine Konzeption der jüdischen Religion zu entwerfen, die ihren aufklärerischen Ansprüchen standhalten könnte. Deshalb war ein Frauenideal im Rahmen der traditionellen jüdischen Religion, trotz aller idealisierenden „Vorzüge“ im Blick auf eheli519

Vgl. Lowenstein 1992, 89; Kaplan 1991, 66.81. Anders Hertz 1991, 246ff.

124

che Treue, Unterordnung und Religiosität der Frauen, weder ihrem gesellschaftlichen Umgang noch ihrem aufgeklärten Religionsverständnis angemessen. Vielmehr ging es darum, ein jüdisch-bürgerliches Frauenideal zu entwerfen. Die Autoren bezogen sich mit ihrem Entwurf eines bürgerlich-jüdischen Frauenideals auf Konzepte ihrer nichtjüdischen Umwelt und verbanden 520 diese mit ihrem aufgeklärt-jüdischen Religionsverständnis. Im Gegensatz zu ihrer Zeitgenossin Gad beriefen sie sich jedoch nicht auf Konzepte bürgerlicher Gleichberechtigung von Frauen, sondern auf das sich seit dem 17. Jahrhundert mehr und mehr durchsetzende Konzept bipolarer Geschlechtscharaktere, das den Ausschluss von Frauen aus der bürgerlichen Öffentlichkeit vorsah. Die Autoren sahen dieses Konzept durch in Bibel und Talmud überlieferte Traditionen bestätigt. Die Autoren konnten mit der Konstruktion ihres Frauenideals in verschiedener Hinsicht an traditionell jüdische Vorstellungen anknüpfen. So wurden der hohe Wert der religiösen Bildung und die Verantwortung der Mutter für die Bildung ihrer Kinder auf eine weitgehend säkulare Bil521 dung übertragen und auch auf Mädchen bezogen. Dabei konnte an die Praxis wohlhabender traditioneller Familien, ihren Töchtern eine anspruchsvolle säkulare Bildung zu ermöglichen, angeknüpft werden. Für die entstehende bürgerliche Existenz wurde dieses Bildungsideal zentral, insbesondere auch der Anteil der Mütter an seiner familiären Konstituti522 on. Die Ausrichtung der Mädchenbildung auf die „weiblichen“ Bestimmungen und ihr Ausschluss von abstrakten Wissenschaften und höherer Bildung erinnert an den weitgehenden Ausschluss von Frauen aus der traditionellen religiösen Bildung, konnte sich aber längerfristig nicht durchsetzen. Die Trennung und die Hierarchie zwischen den Geschlech520

Vgl. Lohmann 1996c, 204ff. Vgl. Carlebach 1977? 522 Vgl. Kaplan 1991, 8ff. 521

125

tern konnte, wenn auch mit veränderten Aufgaben, aus der traditionellen Lebensweise übernommen werden wie auch die von Frauen bestimmten Räume sozialer Aktivitäten. Das von den Sulamith-Autoren konstruierte Frauenbild wurde in vieler Hinsicht bestimmend für die Realität der Mehrheit der jüdischen Frauen 523 im Kaiserreich. Die Mehrheit der jüdischen Familien in Deutschland hatte seit Mitte des 19. Jahrhunderts den Aufstieg in den bürgerlichen Mittelstand erreicht. Der Anteil der Frauen an der Erwerbstätigkeit ging 524 zurück, auch wenn eine bedeutende Minderheit erwerbstätig blieb. Die bürgerliche Familie grenzte sich gerade dadurch gegenüber der Arbeiterfamilie ab, dass die Frauen nicht erwerbstätig waren und sich ausschließlich ihren häuslichen Pflichten widmen konnten. Mit zunehmender Modernisierung nahm der Anteil der Hausarbeit zugunsten der „emotionalen 525 Hausarbeit“ ab. Im Mittelpunkt dieser stand die Sorge um die Erholung des außerhäuslich erwerbstätigen Ehemannes und die Erziehung der Kinder bzw. ihre Vorbereitung auf das gesellschaftliche Leben und (bei den Jungen) auf die Berufstätigkeit. Zu diesen Aufgaben hinzu kam die Verantwortlichkeit der Frauen für die Repräsentation der Familie durch ein bürgerliches Haus und die Pflege der sozialen Kontakte. Es lässt sich also durchaus festhalten, dass die Sulamith-Autoren mit ihrem Entwurf der weiblichen Pflichten der Gattin, Hausfrau und Mutter die zukünftige 526 Realität der meisten jüdischen Frauen getroffen haben. Die von ihnen geforderte Häuslichkeit setzte sich als Ideal, nur begrenzt jedoch in der Realität der Frauen durch. Vielmehr organisierten die Frauen eine Vielfalt unterschiedlicher Freizeitaktivitäten wie auch sozialer 523

Vgl. Lohmann 1996c. Vgl. Kaplan 1991, 153ff. 525 Vgl. Kaplan 1991, 16.25ff. 526 Zum Ausbruch christlicher und jüdischer Frauen aus dieser Rolle vgl. Jacobi-Dittrich 1983. 524

126

527

Wohlfahrtsaktivitäten. Die Abwertung der Lebensweise der Salonjü528 dinnen wurde insbesondere von antisemitischer Seite fortgeführt, so dass die Frauen bei der Repräsentation der Familie wie auch der Gestaltung der Freizeit häufig vorsichtig darauf bedacht sein mussten, nicht den Vorwurf der „Frivolität“ auf sich zu ziehen. Die von den Sulamith-Autoren geforderte und begonnene schulische Erziehung der Mädchen setzte sich unter dem Druck des Schulzwanges mehr und mehr durch. Sie wurde zum Ausgangspunkt für höhere akade529 mische Bildung der Frauen. Ende des 19. Jahrhunderts besuchten im Vergleich zur nichtjüdischen Bevölkerung überdurchschnittlich viele 530 jüdische Mädchen höhere Töchterschulen und später Universitäten. Der Lehrerinnenberuf war einer der wenigen für bürgerliche Frauen akzeptablen Berufe. Im Gegensatz zu der von den Sulamith-Autoren gewünschten religiösen Erziehung beschränkte sich die schulische Erziehung jedoch in erster 531 Linie auf säkulare Inhalte. Denn die Mädchen besuchten in der Regel staatliche Schulen, und nur wenige nahmen zusätzlich am Unterricht der jüdischen Religionsschulen teil. Dennoch erwiesen sich die Frauen als 532 Bewahrerinnen jüdischer Tradition. Im Vergleich zu den stärker im Kontakt mit der säkularen Umwelt stehenden Männern bewahrten sie in ihrer häuslichen Sphäre länger die traditionelle Praxis. Dies führte zu einer Verlagerung der religiösen Praxis von der Synagoge in die Familie, in der die Frauen religiöse Traditionen weiterhin praktizierten und an ihre Kinder weitervermittelten. Dabei behielten sie gerade auch Elemente der 527

Vgl. Kaplan 1991, 117ff. Vgl. auch Jakubowsky 1995, 202. 529 Vgl. Kaplan 1991, 137ff. 530 Vgl. Kaplan 1991. Zu Hamburg vgl. Kleinau 1990b. 531 Vgl. Eliav 1991, 104f. 532 Vgl. Kaplan 1991, 68.192ff. Kritisch zu dieser These äußert sich Hyman (1995, 21f). 528

127

Tradition bei, die die Sulamith-Autoren als „überflüssige Schale“ abgetan hatten, wie beispielsweise die Kaschrut, die koschere Haushaltsführung. Diese bedeutende Rolle der Frauen für Praxis und Weitervermittlung der jüdischen Religion änderte jedoch kaum etwas an ihrer benachteiligten Stellung in Gottesdienst und Gemeindeleitung. Entsprechend den in Sulamith vertretenen Positionen wurde (abgesehen von der Praxis einiger weniger Reform-Gemeinden) über die Einführung von Religionsunterricht und Konfirmation der Mädchen hinaus ihre Partizipation nicht erhöht. Kaplan hat die These aufgestellt, dass das jüdische Gesetz und die jüdische Tradition, verstärkt durch den Sexismus der nichtjüdischen Umwelt, resistent gegen das Eindringen von Frauen blieben. Die jüdischen Männer hätten nach „Verwestlichung“ gestrebt, und dies habe eine 533 Anpassung an das deutsche System der Geschlechter beinhaltet. Aus jüdisch-feministischer Perspektive geschah der (eingeschränkte) Zugang der männlichen Juden zur bürgerlichen Gesellschaft, wie es Lohmann 534 pointiert ausdrückt, auf Kosten der jüdischen Frauen. Die Frauen schufen sich jedoch ihre eigenen Strukturen innerhalb der Gemeinde, indem sie ein Netz von Wohlfahrtsvereinen aufbauten. In ihrem Rahmen entstanden dann auch die Anfänge der jüdischen Frauenbewegung sowie bezahlte Arbeitsmöglichkeiten für Frauen des Mittel535 standes. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Sulamith-Autoren mit dem von ihnen konstruierten Frauenideal der Mutter, Gattin und Hausfrau die für die Mehrheit der jüdischen Frauen maßgebliche Realität der näheren Zukunft weitgehend vorweggenommen haben. Auch mit ihrer 533

Vgl. Kaplan 1991, 68. Vgl. Lohmann 1996c, 210. 535 Vgl. auch Kleinau 1990a. 534

128

Forderung nach entsprechender schulischer Mädchenbildung waren sie wegweisend, nicht jedoch im Blick auf deren religiöse Inhalte. Die Frauen suchten und fanden ihre eigenen Wege, jüdische Tradition und bürgerliche Gesellschaft miteinander zu verbinden und waren so eigenständige Gestalterinnen deutsch-jüdischer Akkulturation und ihrer Vermittlung an die nächste Generation. Mit der Zeit führten diese Wege auch dazu, die Begrenztheit des Mädchenbildungskonzepts der Sulamith-Autoren im Blick auf die intellektuelle Bildung zu überwinden und die außerhäuslichen Handlungsmöglichkeiten der Frauen in Gesellschaft und Synagoge zu erweitern. Auch wenn jüdische Männer die bürgerliche Emanzipation 536 zunächst auf Kosten der Frauen erlangten, legten sie doch gemeinsam mit einigen Frauen durch ihre Forderung nach institutioneller Mädchenbildung eine der Grundlagen dafür, dass die Frauen ihre eigenen Wege der Emanzipation und Akkulturation gehen konnten. Deren überdurchschnittliches Engagement in Studium und Frauenbewegung, das vor dem Hintergrund ihrer jüdischen Tradition zu verstehen ist, ist als ein wichtiger Beitrag zur deutschen Bildungsgeschichte zu sehen.

536

Vgl. Lohmann 1996c.

129

7 Anhang: Unterrichtsfächer der neuen Schulen Schulplan 537 Herz (Mädchen) 1803 Stricken, Nähen, Stopfen, Spitzenstopfen, Sticken (im Tambour und in Seide), Nadelzeichnungen

Führung des Haushaltsbuchs, Technologie Rechenkunst

Geographie

537

Schulplan 538 Stern (Mädchen) 1809 Stricken, Nähen, Sticken, Nadel- und Kunstzeichnen, Spitzenpflicken, Spinnen, Waschen, Bügeln, Kochen

Rechnen

Töchterschule des Frankfurter 539 Philanthropins 1810/11 Stricken, Nähen, Stoppen, Sticken, Kunststicken, Nadelzeichnen, Spitzenflicken

Töchterschule von Bock 540 in Berlin 1811 Stricken, Nähen, Stopfen, Sticken, Zeichenmodelle, Kantenarbeiten, TapizerieArbeiten

Häusliche Ökonomie

Haushaltungskunst

Rechnen

Rechenkunst

Geographie

Geographie

Vgl. Herz 1804, 412f. Vgl. Stern, Jakob (1809), 347ff. 539 Vgl. Miscellen (1810), 184ff. 540 Vgl. Bock, M. H. (1811), 49ff. 541 Vgl. Würtzer, Heinrich (1811), 244. 542 Vgl. Fränkel, David (1806c):, 345. 538

130

Schul- und Arbeitsanstalt 541 in Hamburg 1799 Strümpfstricke n, Stopfen (auch feiner Zeuge), Sticken, Weißnähen, Schneidern

Töchterschule in 542 Dessau

Rechnen

Wissenschaftlicher Unterricht (nur bis 1820)

1806/1820 Weiblicher Unterricht (nur bis 1820)

543

Mannheim (Jungen und Mädchen) 1818 nur das Nützlichste weiblicher Handarbeiten

Frankfurt / Oder (Jungen und Mädchen) 1820 Weibliche Handarbeiten

Rechnen

Geometrie Algebra Erdbeschreibung

544

545

Altstrelitz (Jungen und Mädchen) 1827 Handarbeiten

Mathematik

Arithmetik Geographie

Geographie

Schulplan von Stern 546 (Jungen) 1809

Hamburger 547 Freischule (Jungen) 1815

Maschinenlehre, Buchhaltung

Technologie

Rechnen

Mathematik

Geometrie

Arithmetik

Geographie

Geographie

543

Vgl. Wolf/Strasburger 1819, 107ff. Vgl. Spieker 1821, 236. 545 Vgl. Beiträge 1828, 417 Anmerkung*. 546 Vgl. Stern 1809, 347ff. 547 Vgl. Kley 1821, 396f. 544

131

Schulplan Herz (Mädchen)

Schulplan Stern (Mädchen)

Töchterschule des Frankfurter Philanthropins

Töchterschule von Bock in Berlin

Geschichte

Geschichte

Geschichte

Naturgeschichte

Naturkenntnis

Naturgeschichte

Zeichnen

Zeichnen

Zeichenkunst

Schul- und Arbeitsanstalt in Hamburg

Töchterschule in Dessau Biblische Geschichte

Tanzen Singen Deutsch Französisch

Deutsch Französisch

Hebräisch, Hebräischdeutsch

Sittensprüche, Gebete

3 Klassen

132

Religion

Deutsch Französisch

Deutsch Französisch

Schreiben

Lesen

Hebräisch

Jüdische Schrift

wenig Hebräisch (für Gebete)

Moralischreligöser Unterricht

Moral: Pflichtenlehre, Tugend, Jüdische Religion

Gebete

Jüdische Schrift, wenig Hebräisch (für Gebete) Religion

4 Klassen

2 Klassen, 45 Kinder

Mannheim (Jungen und Mädchen)

Frankfurt / Oder (Jungen und Mädchen)

Altstrelitz (Jungen und Mädchen)

Schulplan von Stern (Jungen)

Hamburger Freischule (Jungen)

Geschichte

Geschichte

Geschichte

Geschichte

Geschichte

Naturgeschichte

Naturlehre, Naturgeschichte, Chemie, Physik Schönschreiben, Zeichnen, Technisches Zeichnen

Naturgeschichte, Naturlehre Schönschreiben, Zeichnen

Schönschreiben

Tanzen Deklamation, Vokalmusik Deutsch Französisch

Zeichnen

Gesang Deutsch Französisch Latein

Deutsch Französisch Latein

Deutsch Französisch Englisch

Hebräisch

Deutsch Französisch Englisch, Italienisch Hebräisch

Hebräisch

Hebräisch

Moralischreligiöser Unterricht

Religion

Religion

Religion

Religion

52 Kinder

3 Klassen, 33 Mädchen, 31 Jungen

Hebräisch

3 Klassen, 65 Schüler

133

8 Literaturverzeichnis 8.1 Quellen aus Sulamith

548

Die Zeitschrift findet sich online unter http://www.compactmemory.de [25.07.2021]. Beer, Peter (1811): [Über Unterricht und Erziehung zur Moral]. In: Sulamith 3/2/6, 362-372. Beer, Peter (1812): [Auszug aus einer Rede zum Jubiläum der Gründung der Schule für Israeliten in Prag]. In: Sulamith 4/1/3, 157166. Beiträge zum Israelitischen Schulwesen in Deutschland (1828*). In: Sulamith 7/1/6, 414-423. [429] Beiträge, die Einführung der Konfirmation in den Irsaelitischen Gemeinden betreffend. (1819). In: Sulamith 5/2/6, 397-413. [432] Bensef, Juda Löw (1810): Ankündigung eines Religions=Lehrbuchs für die jüdische Jugend beiderlei Geschlechts, hebräisch und deutsch verfaßt von Juda Löw Bensef. In: Sulamith 3/1/5, 354-356. Berliner, Markus (1819*): Neue Erziehungs= und Lehranstalt für die Israelitische Jugend in Mannheim. In: Sulamith 5/2/3, 149-159. [Beschluß von Strasburger/Wolf]. [141] Blankenburg, W. (1825*): Das Mädchen und die Maiblume. In: Sulamith 7/1/1, 43-44. [72] 548

Die Datierung der mit * gekennzeichneten Texte wurde anhand der letztgenannten Jahreszahl im jeweiligen Heft vorgenommen. Die Hefte sind folglich im genannten Jahr oder in einem der folgenden, wahrscheinlich meist im genannten oder im Folgenden, erschienen. Dieses Vorgehen erwies sich als notwendig, da die meisten Hefte nicht datiert sind und die Angaben in den einschlägigen Nachschlagewerken ungenau und zum Teil falsch sind. Für die ungekennzeichneten Texte konnte auf das auf dem Titelblatt des jeweiligen Heftes genannte Erscheinungsjahr zurückgegriffen werden. In den Anmerkungen werden die Jahreszahlen jedoch alle ohne Markierung aufgeführt.

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Bock, M. H. (1811): Einige Gedanken über den Werth und die Bestimmung des Weibes, und die Nothwendigkeit, es für solche zu erziehen, zu bilden. - Zugleich auch einige Nachrichten von meinen Schulanstalten. In: Sulamith 3/2/1, 39-58. Bourton, F. (1811): Einige Worte an junge Frauenzimmer. In: Sulamith 3/2/5, 300-322 und 3/2/6, 373-396 (Beschluß). Büdinger, Moses (1828*): Über die moralische Erziehung. In: Sulamith 7/2/1, 11-32. [68] Der neuerrichtete Tempel in Hamburg. (1819*). In Sulamith 5/2/4, 257275. [141] Der Weg des Unterrichts, den Kindern das Lesen der hebräischen Sprache (Schrift) und die Grundsätze der (jüdischen) Religion beizubringen, nebst Sittenlehren und Fabeln für Kinder, von Jehuda Löb Bensef. [anonyme Rezension]. (1807). In: Sulamith 1/2/4, 236-242. Die Jüdischen Frauen in Ägypten (1837*). In: Sulamith 8/1/5, 275-178. [335] Die neue Lehranstalt zur religiösen, moralischen Bildung der erwachsenen Israelitischen Jugend in Prag. (1819*). In: Sulamith 5/2/4, 226-237. [141] Du Toit, J. J. (1806): Aus Briefen an H. N.., ehemals Mitarbeiter am philanthropischen Institut. In: Sulamith 1/1/1, 52-71 und 1/1/2, 103117 (Beschluß). Einige Blicke auf die Bemühungen der deutschen Israeliten in Hinsicht ihrer Kulturbeförderung. (1810). In: Sulamith 3/1/1, 1-14. Etwas über den Gottesdienst in der Muttersprache. (1822*). In. Sulamith 6/2/2, 101-109. [141]

135

Etwas über die Israelitischen Schulen in Deßau, und ein Nachtrag, das Israelitische Schulwesen in Frankfurt an der Oder betreffend. (1821*). In: Sulamith 6/1/5, 338-348. [357] Feierlichkeiten bei dem Einzuge des neuvermählten hohen Fürstenpaars in Deßau. (1818*). In: Sulamith 2/1/1, 51-54. [55] Feuilleton (1842*). In: Sulamith 8/2/3, 193-206. [159] Feuilleton (1842*). In: Sulamith 8/2/4, 247-262.[247] Feuilleton (1845*). In: Sulamith 9/1/1, 46-112. [104] Feyerliche Einweihung des Jacobs=Tempels in Seesen. (1810). In: Sulamith 3/1/5, 298-317. Fränkel, David (1806a): Vorläufige Bemerkungen über die zweckmäßigsten Mittel zur Beförderung der Kultur und Humanität unter der jüdischen Nation. In: Sulamith 1/1/1, 12-40. Fränkel, David (1806b): Gallerie schädlicher Mißbräuche, unanständiger Convenienzen und absurder Ceremonien unter den Juden. In: Sulamith 1/1/2, 165-183 und Sulamith 1/1/3, 222-244 (Beschluß). Fränkel, David (1806c): Ueber die religiöse Bildung der Frauenzimmer jüdischen Glaubens. In: Sulamith 1/1/6, 473-488. Fränkel, David (1807a): Nachrichten von den jüdischen Schulen in Wolfenbüttel, Frankfurt am Main, Berlin und Dessau. In: Sulamith 1/2/1, 41-49. Fränkel, David (1807b): Nachrichten. In: Sulamith 1/2/6, [Anhang ohne Seitenzahl]. Fränkel, David (1808): N a c h r i c h t die Redaction dieser Zeitschrift betreffend. In: Sulamith 2/1/1, 72. Fränkel, David (1816*): Nachricht, die Herzogliche Franzschule und die Fränkelsche Töchterschule in Deßau betreffend. In: Sulamith 4/2/5, 359/60. [328] 136

Fränkel, David (1843*): Einige Worte, diese Zeitschrift betreffend. In: Sulamith 8/2/6 [Anhang ohne Seitenzahl]. [385] Fränkel, Maimon (1810a): Ueber die Konfirmation bei den Israeliten. In: Sulamith 3/1/2, 110-124. Fränkel, Maimon (1810b): Über die Erziehung des Menschen zur Religion. In: Sulamith 3/1/5, 334-350. Gedanken und Ansichten, die Israeliten betreffend (1816). In: Sulamith 4/2/6, 392-411. [424] Heß, Michael (1811): Darstellung der Töchterschule des jüdischen Philanthropins in Frankfurt am Main. In: Sulamith 3/2/3, 177194. Heß, Michael (1812): Einige Bemerkungen über die gewöhnlichen Ansichten bei der Beurtheilung öffenlicher Schulen. In: Sulamith 4/1/1, 47-53 und 4/1/2, 73-94 (Beschluß). Heß, Michael (1823*): Kurze geschichtliche Darstellung der Real= und Volksschule der Israelitischen Gemeinde zu Frankfurt am Main. In: Sulamith 6/2/3, 148-163 und 6/2/4, 232-237 (Beschluß). [213] Heß, Michael (1832*): Traurede, gehalten bei der Trauung eines Israelitischen Ackermannes. In: Sulamith 7/2/4, 252-255. [283] Hock, Simon (1812): Beschreibung des Jubiläums der Gründung der Schule für Israeliten in Prag. In: Sulamith 4/1/3, 150-157 Jacobson, Israel (1811): [Rede zur Trauung der Tochter]. In: Sulamith 3/2/1, 10-19. Jeitteles, Ignatz (1808): Funken. In: Sulamith 2/1/1 (Miscellen), 69/70. Kley, Eduard (1821*): Der Geist in Israelitischen Volksschulen. In: Sulamith 6/1/6, 383-398. [426]

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Königlich westphälisches Konsistorium der Israeliten (1810): [Bekanntmachung, die Israelitische religiöse Trauung betreffend]. In: Sulamith 3/1/5, 294-296. Literatur (1815*). In: Sulamith 4/2/2, 142/3. [114] Literatur (1823*). In: Sulamith 6/2/4, 273-275. [270] Literatur (1835*). In: Sulamith 8/1/2, 76-100. [140] Literatur (1837*). In: Sulamith 8/1/3, 139-184. [173] Literatur (1838*). In: Sulamith 8/1/6, 382-400. [371] Literatur (1841*). In: Sulamith 8/2/2, 87-130. [123] Miro, G. (1831*): Etwas über die Israelitische Waisen= und Verpflegungsanstalt zu Breslau. In: Sulamith 7/2/3, 196-201. [162] Miscellen (1808). In: Sulamith 2/1/6, 427-429. Miscellen (1810). In: Sulamith 3/1/1, 58-65 und 3/1/6, 407-428. Miscellen (1812). In: Sulamith 4/1/3, 202-216. Miscellen (1815). In: Sulamith 4/2/1, 66-72. [71f] Miscellen (1816*). In: Sulamith 4/2/5, 352-360. [328] Miscellen (1817*). In: Sulamith 5/1/4, 277-280. [276] Miscellen (1818*). In: Sulamith 5/2/1, 61-72. [55] Miscellen (1819*). In: Sulamith 5/2/4, 282-288. [141] Miscellen (1820*). In: Sulamith 6/1/1, 58-72. [37] Miscellen (1821*). In: Sulamith 6/1/5, 346-360. [357] Miscellen (1822*). In: Sulamith 6/2/1, 70-72. [70] Miscellen (1825*). In: Sulamith 7/1/1, 69-72 [72] Miscellen (1826*). In: Sulamith 7/1/3, 210-216. [216]

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Miscellen (1829*). In: Sulamith 7/2/2, 137-140. [138] Miscellen (1831*). In: Sulamith 7/2/3, 204-212. [162] Miscellen (1835*). In: Sulamith 8/1/2,122-128. [113] Miscellen (1838*). In: Sulamith 8/1/6, 401-414. [371] Miscellen (1841*). In: Sulamith 8/2/2, 131-150. [123] Mittheilungen, die Israelitische Schule in Frankfurt an der Oder betreffend. (1823*). In: Sulamith 6/2/3, 167-171. [213] Nachrichten aus verschiedenen Ländern (1811). In: Sulamith 3/2/5, 323341. Nachrichten und Berichtigungen, die bürgerliche Verbesserung der Israeliten in verschiedenen Ländern betreffend (1808). In: Sulamith 2/1/4, 255-259. Nachrichten von den jüdischen Schulen in Wolfenbüttel, Frankfurt am Main, Berlin und Dessau (1807). In: Sulamith 1/2/1, 41-61 Nachrichten von den neuen Israelitischen Schulen zu Frankfurt an der Oder, Hamburg, Warschau, Brody in Galizien und MärkischFriedland in Preußen (1821*). In: Sulamith 6/1/4, 235- 256. [286] Nachrichten, die neuen Kultus=Einrichtungen der Israeliten in Deutschland betreffend. (1821*). In: Sulamith 6/1/4, 225-232. [286] Neue Erziehungs= und Lehranstalt für die Israelitische Jugend in Mannheim. (1819*). In: Sulamith 5/2/2, 96-118. [141] Niemeyer, August Hermann (1820*): Die Volksschulen in England. In: Sulamith 6/1/2, 89-105. [131] Philippson, Gustav (1842*): Der Golem und die Ehebrecherin. In: Sulamith 8/2/4, 254-257. [247] Pränummeranten=Verzeichnis (Fortsetzung). (1837*). In: Sulamith 8/1/5, 273-75 und 8/1/4, 209f. 139

Recension: Imrei Schafer [...], d. i. zweckmäßige Reden oder Worte [...] Ein religiöses und moralisches Lehr= und Lesebuch für Knaben und Mädchen. (1811). In: Sulamith 3/2/2, 117-135 und 3/2/3, 194-210 (Fortsetzung) und 3/2/4, 256-274 (Beschluß). Richter, J. A. L. (1806): Einige Ideen über Erziehung und öffentlichen Unterricht. In: Sulamith 1/1/1, 40-51 und 1/1/2, 93-102 (Fortsetzung) und 1/1/3, 207-214 (Beschluß). Rituell bei Trauungen der Israeliten, in der Synagoge zu Wien. (1828*). In: Sulamith 7/1/6, 396-398. [429] Rosenfeld (1833*): Über die Heiligkeit der Ehe. Eine Trauungsrede. In: Sulamith 7/2/6, 385-392. [424] Salomon, Gotthold (1806): Briefe an ein achtungswürdiges Frauenzimmer. Erster Brief. In: Sulamith 1/1/3, 215-222. Zweiter Brief. In: Sulamith 1/1/5, 374-386. Salomon, Gotthold (1807): Briefe an ein achtungswürdiges Frauenzimmer. Dritter Brief. In: Sulamith 1/2/2, 86-94. Vierter Brief. In: Sulamith 1/2/3, 169-181. Fünfter Brief. In: Sulamith 1/2/5, 338358. Salomon, Gotthold (1809): Briefe an ein achtungswürdiges Frauenzimmer. Sechster Brief. In: Sulamith 2/2/3, 199-220. Salomon, Gotthold (1810): Ueber die Wichtigkeit der häuslichen Erziehung und deren Einfluß auf den Schulunterricht. In: Sulamith 3/1/3, 183-201. Salomon, Gotthold (1811): In wiefern auch die sinnlichen Freuden von der Religion gebilligt, ja anempfohlen werden, von welchem wirksamen Nutzen sie auf das menschliche Gemüth seyn können, und auf welche Weise sie genossen werden müssen. In: Sulamith 3/2/5, 327-341.

140

Salomon, Gotthold (1815): Selima`s Stunden der Andacht und der Weihe für gebildete Israelitische Frauen und Mädchen [Bruchstück aus dem noch ungedruckten Werke]. In: Sulamith 4/2/1, 8-31. [71f] Schriften von und für Israeliten. (1815). [Darin Ankündigung: Unterricht in der Mosaischen Religion, für die Israelitische Jugend beiderlei Geschlechts [...]. Von J. Johlson]. In: Sulamith 4/2/1, 33-44. [71f] Schriften von und für Israeliten. (1812). [Katechismus der Mosaischen Religion zum ersten Unterricht für Israelitische Knaben und Mädchen]. In: Sulamith 4/1/2, 94-108. Sp., C. W. (1809): Geschichte der Juden (,) von ihrer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft bis zur Zerstörung des zweiten Tempels [...] von Peter Beer. In: Sulamith 2/2/2, 124-132. Spieker (1821*): Ueber die Schule für Kinder mosaischen Glaubens zu Frankfurt an der Oder. In: Sulamith 6/1/4, 235-237. [286] Stern, Jakob (1809): Unterrichtsplan zu der für die hiesige jüdische Gemeinde zu errichtenden Karlschule [...] [durch ungen. Bearbeiter gekürzt]. In: Sulamith 2/2/5, 346-354. 549

Strasburger, Elias und Wolf[f], Simon (1819*): Einige Worte über die Erziehung der Israelitischen Jugend,nebst Skizze der errichteten Schule [durch ungen. Bearbeiter gekürzt]. In: Neue Erziehungs= und Lehranstalt für die Israelitische Jugend in Mannheim, 97-117. Ueber den Religionsunterricht in den Schulen der Israelitischen Gemeinde. (1821*) In: Sulamith 6/1/5, 299-315. [357]

549

Die Schreibweise des Nachnamens ist in Sulamith nicht einheitlich. So heißt es im redaktionellen Vorsatz des hier nachgewiesenen Artikels „Wolff“, in Berliner (1918, 150) dagegen „Wolf“. In der vorliegenden Arbeit wird die erste Schreibweise verwendet.

141

Weil (1827*): Öffentliche Konfirmation an der Lehr= und Erziehungsanstalt des Dr. Weil in Frankfurt am Main. In: Sulamith 7/1/5, 316319. [335] Wolf, Joseph (1806a): Inhalt, Zweck und Titel dieser Zeitschrift. In: Sulamith 1/1/1, 1-11. Wolf, Joseph (1806b): Erklärung der Titelvignette. In: Sulamith 1/1/2, 160-165. Wolf, Joseph (1811): Eine Blume auf das Grab des Herrn J a k o b S t e r n , Mitglied des Israelitischen Vorstandes zu Frankfurt am Main.. In: Sulamith 3/2/1, 59-66. Wolf, Joseph (1814*): Katechismus der Mosaischen Religion zum ersten Unterricht für Israelitische Knaben und Mädchen. [Rezension des Buches von Salomon Kohn] In: Sulamith 4/1/4, 246-254. [288] Würtzer, Heinrich (1811): Ueber die Fortschritte der Hamburgischen Israeliten in der wissenschaftlichen und sittlichen Bildung, besonders in der Erziehung. V o n e i n e m N i c h t i s r a e l i t e n . In: Sulamith 3/2/4, 239-247.

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Jerusalemer Texte Schriften aus der Arbeit der Jerusalem-Akademie herausgegeben von Hans-Christoph Goßmann Band 1:

Peter Maser, Facetten des Judentums. Aufsätze zur Begegnung von Christen und Juden sowie zur jüdischen Geschichte und Kunst, 2009, 667 S.

Band 2:

Hans-Christoph Goßmann; Reinhold Liebers (Hrsg.), Hebräische Sprache und Altes Testament. Festschrift für Georg Warmuth zum 65. Geburtstag, 2010, 233 S.

Band 3:

Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Reformatio viva. Festschrift für Bischof em. Dr. Hans Christian Knuth zum 70. Geburtstag, 2010, 300 S.

Band 4:

Ephraim Meir, Identity Dialogically Constructed, 2011, 157 S.

Band 5:

Wilhelm Kaltenstadler, Antijudaismus, Antisemitismus, Antizionismus, Philosemitismus – wie steht es um die Toleranz der Religionen und Kulturen?, 2011, 109 S.

Band 6:

Hans-Christoph Goßmann; Joachim Liß-Walther (Hrsg.), Gestalten und Geschichten der Hebräischen Bibel in der Literatur des 20. Jahrhunderts, 2011, 294 S.

Band 7:

Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Geschichte des Christentums, 2011, 123 S.

Band 8:

Jonathan Magonet, Schabbat Schalom. Jüdische Theologie – in Predigten entfaltet, 2011, 185 S.

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Band 9:

Clemens Groth; Sophie Höffer; Laura Sophie Plath (Hrsg.), „... das habe ich nie vergessen, bis heute ...“. Jugendliche befragen Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus erlebt haben, 2011, 200 S.

Band 10:

Hans-Christoph Goßmann, Altes Testament und christliche Gemeinde. Christliche Zugänge zum ersten Testament der Bibel, 2012, 198 S.

Band 11:

Bernd Gaertner; Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Der Glaube an den Gott Israels. Festschrift für Joachim LißWalther, 2012, 254 S.

Band 12:

Wilhelm Kaltenstadler, Maqāla fī al-rabw. Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, 2013, 171 S.

Band 13:

Hans-Christoph Goßmann; Joachim Liß-Walther (Hrsg.), Gestalten und Geschichten der Hebräischen Bibel im Spiegel der Literatur des 20. Jahrhunderts, 2015, 434 S.

Band 14:

Wilhelm Kaltenstadler, Ernährung im medizinischen Werk des Moses Maimonides, 2015, 132 S.

Band 15:

Yee Wan SO, „And Jesus Replied...” – But what issues did Jesus address in his replies?! The Reception of the Conflict Narratives in the Gospel of Matthew, 2015, 377 S.

Band 16:

Salomon Almekias-Siegl; Sabine Münch, Gehen wohl zwei miteinander. Jüdisch – christliche Lernwege durch die Bibel, 2016, 288 S.

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Band 17:

Michaela Will, Rabbinat bei Franz Rosenzweig, 2017, 102 S.

Band 18:

Hans-Christoph Goßmann; Michaela Will (Hrsg.), „Siehe, wie gut und schön es ist, wenn Geschwister beieinander wohnen“. Festschrift für Wolfgang Seibert, 2017, 202 S.

Band 19:

Joanne Schmahl, Von der „Vergegnung“ zur Begegnung. Die besondere Beziehung zwischen Christentum und Judentum und die Bedeutung des christlich-jüdischen Dialogs für den Frieden, 2018, 139 S.

Band 20:

Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“. Predigten zum 10. Sonntag nach Trinitatis, 2018, 243 S.

Band 21:

Wilhelm Kaltenstadler, Altes Testament, jüdische Kultur und deutsches Judentum. Aufsätze zur jüdisch-christlichislamischen Kultur Europas, 2018, 243 S.

Band 22:

Moshe Navon, Dwar Tora. Kommentare zum wöchentlichen Toraabschnitt. Mit Gemälden von Lynne Feldman, 2018, 202 S.

Band 23:

Hans-Christoph Goßmann; Halima Krausen; Michaela Will (Hrsg.), Dialog in Transdifferenz – Transdifferenz im Dialog. Festschrift für Ephraim Meir, 2019, 306 S.

Band 24:

Michaela Will, Konstruktionen von Weiblichkeit in der Zeitschrift Sulamith, 2021, 162 S.

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