Kompendium der Frauenkrankheiten [Reprint 2020 ed.] 9783112363089, 9783112363072

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Kompendium der Frauenkrankheiten [Reprint 2020 ed.]
 9783112363089, 9783112363072

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KOMPENDIUM DER

FRAUENKRANKHEITEN VON

DE. MED. HANS MEYER-RÜEGG PRIVATDOZENTEN DER GEBURTSHILFE UND GYNÄKOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT ZÜRICH

MIT 143 FIGUREN

LEIPZIG VERLAG VON VEIT & COMP. 1905

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

Vorwort Ein Kompendium sollte übersichtliche Kürze mit möglichster Vollständigkeit verbinden, damit der P r a k t i k e r in allen Fällen rasch Aufklärung und Rat sich holen und der S t u d i e r e n d e es als Leitfaden beim klinischen Unterricht, sowie zur Vorbereitung auf die Prüfung brauchen kann. Wenn der Verfasser richtige anatomische Anschauungen voraussetzen darf und gute Illustrationen zu Gebote stehen, ist es ihm leichter, diesem Ziele nahezukommen. Deshalb beginnt jedes Kapitel dieses Buches mit einer kurzen anatomischen Einleitung und war bei der Auswahl der zahlreichen Abbildungen ihre Anschaulichkeit maßgebend. Besonders ausgiebig sind die prachtvollen Illustrationen von H. K e l l y benutzt worden. Um dem Anfänger und Ungeübten in möglichst sinnfälliger Weise klar zu machen, wie man zu einem bimanuellen Tastbefunde kommt, ist mehrfach eine von der gewöhnlichen etwas abweichende Darstellungsart gynäkologischer Befunde in Anwendung gezogen worden. Die Absicht dabei ist, den Untersuchungsakt selbst samt dem Befunde, so wie der Untersuchende sich ihn gerade vorstellt, zur Darstellung zu bringen. Als Standpunkt gilt deq'enige eines mit der rechten Hand explorierenden Untersuchers. Der Horizont liegt auf der Höhe der Schamfuge. Dadurch, daß an der mit gespreizten Beinen daliegenden Frau die Unterschenkel, namentlich der rechte, weggelassen sind, erhält man in der rechten Hüftgegend, welche dem Beschauer zugekehrt ist und am nächsten liegt, ein leeres

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Vorwort

Feld für die Einzeichnung des inneren Befundes. Die perspektivische Vertiefung kommt einerseits durch die entsprechende Verkürzung der innerlich explorierenden Finger, anderseits durch starke Modellierung der äußerlich sichtbaren Teile, dagegen bloße Konturierung oder leichte Tonierung der nur sichtbar ged a c h t e n inneren Organe zum Ausdruck. Gewiß läßt die Ausführung noch zu wünschen übrig; die Methode selbst jedoch, wenn sie auch an alte primitive Holzschnitte erinnern mag, ist imstande, für den angedeuteten Zweck brauchbare Dienste zu leisten. Die kleineren gynäkologischen Eingriffe sind ausführlich, die größeren Operationen nur in breiten Zügen geschildert. Zürich, Dezember 1904.

Hans Meyer-Rüegg

Inhalt Allgemeiner Teil Seite

I. Die gynäkologische Untersuchung Die Untersuchung mit dem Mutterspiegel Die Untersuchung mit der Sonde II. Die Menstruation und ihre Störungen III. Das Klimakterium IV. Amenorrhöe V. Menorrhagie VI. Dysmenorrhöe VII. Sterilität VIII. Konzeptionsverhütung

1 11 18 20 25 27 28 30 33 35

Spezieller Teil I. Die Erkrankungen der Süßeren Geschlechtsteile I. II. III. IV. V. VI.

Anatomische Vorbemerkungen Abnorme Gestaltung der äußeren Geschlechtsteile Entzündung der äußeren Geschlechtsteile Neubildungen und Geschwülste an den äußeren Geschlechtsteilen Hauterkrankungen an den äußeren Geschlechtsteilen . . . Verletzungen der äußeren Geschlechtsteile Dammdefekte

38 42 45 49 56 63 64

II. Die Erkrankungren der unteren Harnwege I. Die Erkrankungen der Harnröhre II. Die Erkrankungen der Blase Anatomische und diagnostische Vorbemerkungen 1. Blasenkatarrh 2. Reizbare Blase 3. Blasenschwäche 4. Geschwülste und Fremdkörper der Blase

71 73 73 76 78 79 80

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Inhalt

H L Die Erkrankungen der Scheide Seite

I. II. III. IV.

Anatomische Vorbemerkungen Vaginitis Vaginismus Verletzungen der Scheide Scheidenfisteln 1. Die Harn-Scheidenfisteln

.

2. Die Kot-Scheidenfisteln V. Geschwülste der Scheide

81 82 87 89 89 89 96 . 9 7

IT. Die Erkrankungen des Uterus Anatomische Vorbemerkungen I. D i e L a g e v e r ä n d e r u n g e n d e s U t e r u s 1. Anteflexio uteri 2. Betroversio-flexio uteri Betroflexio fixata 3. Prolapsus vaginae et uteri 4. Inversio uteri

.

.

II. D i e G e b ä r m u t t e r e n t z ü n d u n g , M e t r o - E n d o m e t r i t i s . 1. Entzündung des Gebärmutterhalses 2. Entzündung des Gebärmutterkörpers . . . 3. Endometritis exfoliativa . . . . . . . III. D i e N e u b i l d u n g e n d e s U t e r u s 1. Fibro-Myome 2. Carcinom a) Carcinoma cervicis b) Carcinoma corporis 3. Sarcom a) Sarcoma cervicis b) Sarcoma corporis 4. Syncytioma

. . . . .

101 108 109 112 128 129 140 143 145 156 166 168 168 182 182 195 197 197 197 199

Y. Die Erkrankungen der Eileiter Anatomische Vorbemerkungen I. Entzündung der Eileiter II. Neubildungen der Eileiter Anhang. Krankheiten der Ligamenta rotunda

. . . . . . .

202 206 219 220

Inhalt

VII

YI. Die Erkrankungen der Eierstöcke Seite

I. Entzündung der Eierstöcke II. Bluterguß in die Eierstöcke III. Geschwülste der Eierstöcke . . . 1. Cystische Tumoren a) Follikelcysten und Cysten des Corpus luteum . b) Cystome c) Dermoidcysten . . . . . . . . . . d) Parovarialcysten 2. Solide Geschwülste der Eierstöcke a) Fibromyoma b) Sarcoma c) Carcinoma d) Teratoma IV. Lageveränderungen der Eierstöcke . . . . . . . 1. Hernien 2. Senkung der Eierstöcke — Descensus ovariorum . .

221 224 224 224 225 227 230 231 244 244 245 245 246 246 246 247

TIL Die Entzündung' des Beckenbindegewebes — Pelveocellulitis — Parametritis Anatomische Vorbemerkungen a) Parametritis acuta b) Parametritis chronica atrophicans Anhang. Die Neubildungen im Beckenbindegewebe

.

Till. Die Entzündung des Beckenbauchfells — Pelreoperitonitis — Perimetritis . . . .

.

249 251 258 259

261

IX. Die Blutergüsse im Becken 1. Hämatocele retrouterina 2. Hämatoma pelvis s. periuterinum

265 271

X. Die Tuberkulose der weiblichen Geschlechtsteile. 273 Anhang. Peritonitis tuberculosa

277

XI. Die Gonorrhöe der weiblichen Geschlechtsteile . 280

VIII

Inhalt

XII. Die Mißbildungen der Geschlechtsteile I. Mißbildungen der äußeren Geschlechtsteile . II. Mißbildungen der Scheide III. Mißbildungen des Uterus

Seite

290 291 293

XIII. Der Verschluß des Geschlechtskanals (Gynatresia) und seine Folgren 297 Hämatokolpos und Hämatometra lateralis Register

300 302

Allgemeiner Teil i Die gynäkologische Untersuchung Die Kranke bringt ihre Klagen vor. Man komme ihr dabei mit Freundlichkeit und Interesse entgegen; zu große Weitläufigkeit wird am besten durch bestimmte Fragenstellung eingedämmt. Man erkundigt sich über den Verlauf der Menstruation, Häufigkeit, Dauer, Stärke derselben, ob sie von Schmerzen begleitet sei; man fragt über Ausfluß, Beschaffenheit desselben, Beschwerden in der Zeit zwischen den Perioden, über Stuhl- und Urinentleerung, allfällig durchgemachte Krankheiten und Geburten, forscht nach nervösen Symptomen usw. Diese oder jene Seite der Anamnese kann genauer erörtert oder nach der Untersuchung ergänzt werden. Da auch der Spezialist stets das A l l g e m e i n b e f i n d e n ins Auge zu fassen hat, so muß mit der Untersuchung des Unterleibes häufig eine solche des ganzen übrigen Körpers verbunden werden. Die g y n ä k o l o g i s c h e Untersuchung wird im Sprechzimmer auf einem eigens dazu konstruierten U n t e r s u c h u n g s s t u h l e vorgenommen. Der Steiß der Kranken liegt am unteren Bande, während die Beine, in Hüft- und Kniegelenken gekrümmt und stark gespreizt, auf besonderen Haltern ruhen oder mit den Füßen auf Tritten aufstehen. Dadurch ist dem Untersucher, welcher zwischen den Beinen der Kranken sitzt oder steht, eine freie Besichtigung der äußeren Genitalien und ein unbehindertes Einführen des untersuchenden Fingers sowie von Instrumenten in die Scheide ermöglicht. — Die verschiedensten Modelle erfüllen diesen Zweck. Das umstehend in Figur 1 abgebildete ist ein leicht und doch solide gebauter Stuhl, welcher durch Aufklappen eines beweglichen Teiles zur Untersuchung in gestreckter Lage verlängert werden kann. Die für manche Frauen unangenehmen Beinhalter können leicht durch einen vorgestellten zweistufigen Tritt, den die Kranken zum Erklimmen des Lagers benützen, ersetzt werden. M e y e r , Frauenkrankheiten.

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Gynäkologische Untersuchung

Einen recht praktischen Stuhl zeigt auch Figur 2. Der in gewöhnlicher Stuhlhöhe angebrachte Sitz kann durch einfache Vorrichtung samt der Patientin in beliebige Höhe gehoben und die Lehne nach hinten gelegt werden. Dieser Stuhl hat vor den sonst üblichen Untersuchungsstühlen nach Sims oder nach VeitS c h r ö d e r und ihren Modiiikationen den Vorteil, daß den Frauen das lästige Aufsteigen erspart bleibt. Im Privathause eignet sich auch ein gewöhnliches Bett oder Sopha oder ein langer Stuhl zur Digitaluntersuchung. Man

Fig. 1. Unterauchungsstuhl „Simplex"

(vom Sanitätsgeschäft H a u s m a n n in Zürich). Wenn die vordere Klappe ganz herabgelassen ist, kann eine mittelgroße Frau bequem auf dem Stuhl sitzen, sich zurücklegen und die Knie auf die beiden beweglichen Stützen auflegen. Die Kniesttttzen können auch durch einen zweistufigen Tritt ersetzt werden. Mittels der Klappen kann im Nu ein langer Tisch hergestellt werden.

setzt sich bei Benützung der rechten Hand an den rechten Rand des Lagers (bei sehr hohem Lager muß man stehen), dem Antlitz der Frau zugekehrt, läßt die Knie so stark beugen und auswärts legen, daß der Oberkörper des Untersuchers dazwischen ungehindert Platz findet. Sinkt der Steiß auf der Unterlage ein, so

Gynäkologische Untersuchung

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muß er durch ein hartes Kissen erhöht werden. Falls diese Erhöhung zur Einführung von Instrumenten nicht genügt, so ist die Frau auf das Querbett zu lagern. — Die K l e i d u n g , wenn sie nicht gar zu eng ist, bildet für die gynäkologische Untersuchung nicht ein absolutes Hindernis.

Pig. 2. U n t e r s u c h u n g s s t u h l n a c h F l e u r e n t (Colmar). Der Silz wird erst, nachdem die Kranke darauf Platz genommen hat, in die passende Höhe gehoben; die Lehne ist auch beweglich.

überall aber, wo bestimmte Angaben der Anamnese aufs Abdomen als Sitz der Krankheit hinweisen oder Tastung deutliche Schmerzhaftigkeit oder Tumorbildung im Leib erkennen läßt, darf eine gänzliche Entblößung des Abdomen nicht umgangen werden. — Während der Menstruation wird gewöhnlich nicht untersucht. Ausnahmsweise gewährt diese Zeit einen Vorteil dadurch, 1*

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Gynäkologische Untersuchung

daß sich der Muttermund etwas öffnet und man z. B. manche submucöse Myome dann eher zu tasten bekommt. A t y p i s c h e B l u t u n g e n f o r d e r n im Gregenteil e n e r g i s c h zur Unters u c h u n g auf. — In nüchternem Zustande der Kranken ist die Untersuchung ceteris paribus gründlicher auszuführen als während der Yerdauungszeit. Viel Gas und Stuhl in den Därmen, besonders Anfüllung des Mastdarms sowie der Blase sind hinderlich. — Die I n s p e k t i o n gibt Aufschluß über Ausdehnung und Gestaltung des Leibes, lokale Vorwölbungen oder Einziehungen, erweiterte Venen, Pigmentierungen, Spannungszustand der Haut usw. D i e P a l p a t i o n klärt am bestimmtesten über den Inhalt der Leibeshöhle auf. Sie muß mit weicher Hand ausgeführt werden, damit die Frau alle Angst verliert, in gänzliche Sorglosigkeit gerät und die Bauchmuskeln entspannt. Besonders soll sehr sanft begonnen und nur allmählich tiefer eingedrückt werden; jeder plötzliche Druck, welcher die Frau schmerzt oder auch nur erschreckt, hat zur Folge, daß sie im nächsten Augenblick wieder gedrückt zu werden fürchtet und dem wirklichen oder nur eingebildeten Schmerz durch Kontraktion der Bauchmuskeln zuvorzukommen sucht. — Manche nervöse Frau ist auch beim schonendsten Vorgehen nicht imstande, ihre Bauchmuskeln zu entspannen. Man läßt die Beine noch mehr anziehen, redet ganz unbefangen mit ihr, sucht ihre Aufmerksamkeit abzulenken, empfiehlt ihr ruhig und tief zu atmen, besonders auch vollständig zu exspirieren, läßt den Mund öffnen, Schultern, Kopf und Kreuz zurücklegen. Manchmal kommt man so zum Ziele. In hartnäckigen Fällen bleibt die Narkose übrig. Bei der Ausführung der Palpation werden beide Hände flach aufgelegt, die ganze Fingerlänge muß zur Tastung benützt werden. Vom Epigastrium ausgehend rücken die Hände nach und nach über das ganze Abdomen vor. P e r k u s s i o n und A u s k u l t a t i o n vervollständigen nach Bedürfnis die äußere Untersuchung. — Der inneren Exploration schicke man, wenn immer es angeht, eine B e s i c h t i g u n g der äußeren G e n i t a l i e n voraus. Sie orientiert über allfälligen Ausfluß (nur wenn er vermehrt und pathologisch beschaffen ist, verklebt er die Schamhaare, auch bei sonst reinlichen Frauen), über Farbe der Schleimhaut, allfällige Effloreszenzen, Geschwüre, Geschwülste, Ödeme, über Affektionen der Harnröhre, Entzündung der Bartholinischen Drüsen-

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ausführungsgänge usw., dann über den Zustand des Hymen, des Dammes, sowie die Schlußfähigkeit des Introitus oder allfälliges Heraustreten der Scheidenwände. Zur inneren U n t e r s u c h u n g wird der Zeigefinger und, wenn die Weite des Introitus vaginae es gestattet, auch der Mittelfinger der einen Hand in die Scheide eingeführt. Beim Einfuhren muß die andere Hand die kleinen Schamlippen auseinander halten, damit nicht Schamhaare oder allenfalls sehr lange und schlaffe Nymphen in die Scheide hineingestülpt werden. Die Hände müssen durchaus rein, mit warmem Wasser und Seife frisch gewaschen sein. Zum eigenen Schutz gegen Infektion, sowie zum Schutze der Schleimhaut werden die eingeführten Finger mit einer antiseptischen Salbe eingefettet. Um nicht Schmerz oder Kitzel zu verursachen, muß die Berührung der Teile unter dem Schambogen vermieden und deshalb gegen den Damm gedrückt und derselbe nach hinten zu gedrängt werden. Die Einführung der Finger geschehe langsam, schonend; die einmal eingeführten Finger werden möglichst ruhig gehalten. Der Daumen wird aufgestellt, die übrigen Finger eingeschlagen, oder nach dem Steißbein zu gestreckt. Wohl ist es ein Vorzug, wenn der Arzt gleich gewandt ist mit der einen wie mit der andern Hand zu untersuchen. Derjenige jedoch, welcher sich nur auf eine und zwar die geschicktere Hand einübt, gerät gewiß nur sehr selten in wirkliche Verlegenheit; wegen der Lagerung der Kranken kann man sich wohl in jedem Falle helfen und die Abtastung beider Seiten mit der gleichen Hand wird auch bald keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Man orientiert sich über Weite, Dehnbarkeit der Scheide und Beschaffenheit ihrer Schleimhaut; dann über Form, Größe, Richtung der Portio vaginalis, Weite des Muttermundes usw.; hierauf folgt die Abtastung der Gebärmutter und Adnexe. Der eingeführte Finger drängt die Portio nach hinten, der Kreuzbeinaushöhlung zu; dadurch wird der Uterus um seine Hauptbefestigungspunkte, am inneren Muttermunde in dem Sinne gedreht, daß der Fundus der Schamfuge sich nähert. Jetzt greift die andere Hand mit sanft gebogener Fingerhaltung ungefähr handbreit über der Symphyse von den Bauchdecken aus hinter den Fundus uteri herunter und drängt ihn möglichst stark aufs Scheidengewölbe nieder. Wenn nun der innere Finger mit seiner Spitze an der Portio sich befindet und seine Palmarfläche in voller Länge dem vorderen Scheidengewölbe aufliegt,

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so ist das Corpus uteri zwischen ihm und den Fingern der äußern Hand gefaßt und kann deutlich getastet werden. Zwei Finger in der Scheide können noch genaueren Aufschluß verschaffen, wenn sie den Uterus zwischen sich nehmen und seine Seitenkanten befühlen; auf diese Weise entwischt er auch weniger leicht der bimanuellen Tastung (Fig. 3). Zudem gelingt es derart leicht mit beiden gespreizten, hakenartig in die vorderen seitlichen Scheidengewölbe eingesetzten Fingern die Cervix zu

Fig. 3. Bimanuelle Tastung des normalen Uterus. heben, den ganzen Uterus dadurch der vorderen Bauchwand zu nähern und der Tastung zwischen beiden Händen noch zugänglicher zu machen (Fig. 4). — Die Tastung der hinteren Uterusfläche hat die äußere Hand zu besorgen. Ein großer Uterus ist natürlich leichter zu tasten als ein kleiner. Dicke, gespannte Bauchdecken, ebenso enge, wenig dehnbare Scheidengewölbe erschweren die Untersuchung oftmals in höchstem Grade. Häufig liegt die Schwierigkeit darin, daß das Corpus uteri trotz leerer Blase etwas aufgerichtet, d. h. annähernd in der Körperachse der Frau liegt oder mit seinem Fundus gegen das Promontorium gerichtet oder weit nach hinten

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in die Kreuzbeinhöhlang gesunken ist. Unter solchen Umständen greift die äußere Hand gern vor dem Fundus ein und drängt ihn vön dem vorderen Scheidengewölbe und dem inneren Finger weg (Fig. 5). Gerade jetzt ist es wichtig, einerseits zuerst durch Einwirkung auf die Portio vaginalis den Fundus nach vorn zu hebeln, anderseits mit der äußeren Hand recht weit oben und tief nach dem Promontorium zu einzugreifen. D a b e i i s t n i c h t zu v e r g e s s e n , daß d u r c h die m a s s i e r e n d e n B e w e g u n g e n der

Fig. 4. Tastung des normalen Uterus bei dickeren Bauchdecken. Die inneren Finger sind hakenartig gekrümmt; sie greifen in die seitlichen Scheidengewölbe ein, um sie samt dem Uterus zu heben und der äußeren Hand zu nähern.

H ä n d e a l l e k o n t r a k t i l e n G e w e b e a l l m ä h l i c h sich zus a m m e n z i e h e n u n d m e h r T u r g o r g e w i n n e n ; die Bänder des Beckenbodens (Ligg. lateralia und sacro-uterina) heben die Oerrix etwas, die Ligg. rotunda ziehen den Fundus nach vorn. Dies muß man sich zu Nutze machen und in schwierigen Fällen mit dem Drucke zeitweise nachlassen oder nach kurzer Unterbrechung nochmals untersuchen. Dies ist auch der Hauptgrund,

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weshalb ceteris paribus ein zweiter Untersucher in der Regel den Uterus leichter in die Hände bekommt als der erste. Gelingt es durchaus nicht, den Uterus aufs vordere Scheidengewölbe niederzudrücken und dort zu tasten, so kommt man meist auch zu genügendem Aufschluß, wenn der eingeführte Finger unter die Portio greift, den Uterus in toto nach Möglichkeit hebt, während die äußere Hand auf dem Fundus aufliegt,

Fig. 5. Nulliparer anteflektierter, aber leicht retrovertierter Uterus. Im hinteren, wenig dehnbaren Scheidengewölbe fühlt man die ausgebuchtete hintere Cervikalwand, soweit der Finger hinaufzureichen vermag; die äußere Hand greift vor dem Fundus ein und drängt ihn noch mehr nach hinten; so wird häufig Retroflexio uteri diagnostiziert. Vor diesem Irrtum bewahrt einerseits das Vorhebeln des Corpus durch Druck auf die Portio; dann das Einlegen der Fingerspitze in den vorderen Knickungswinkel zwischen Corpus und Cervix.

so daß der Uterus der Länge nach zwischen den Händen liegt, so wie es Figur 6 zeigt. — Bei der kombinierten Untersuchung noch mehr als bei bloß äußerer Palpation ist zu betonen, daß brüskes, unruhiges,

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stoßweises Eindrücken nur Mißerfolge zeitigt. Allmähliche, dem Widerstand der Bauchdecken und dem Schmerzgefühl der Kranken angepaßte Steigerung des Druckes, ruhiges taktvolles Vorgehen führen am ehesten zum Ziele. N i c h t d e r j e n i g e , w e l c h e r ü b e r die g r ö ß t e K r a f t v e r f ü g t , s o n d e r n der, w e l c h e r s c h m e r z l o s zu u n t e r s u c h e n v e r s t e h t , w i r d c e t e r i s p a r i b u s di© b e s t e A u s k u n f t ü b e r L a g e , G r ö ß e , F o r m , K o n s i s t e n z , B e w e g l i c h k e i t , E m p f i n d l i c h k e i t des U t e r u s bekommen.

Fig. 6. Uterus aufgerichtet. Bauchdecken lassen sich nicht tief eindrücken; man muß sich begnügen, den Uterus in der Längsachse zwischen die Hände zu bekommen.

Es folgt die T a s t u n g d e r s e i t l i c h e n S c h e i d e n g e w ö l b e . Man findet dort die Ovarien, indem die äußeren Finger sowohl wie die inneren von den Uterusecken aus längs der meist als dünner Strang fühlbaren Tube und des Lig. ovarii nach außen gleitet; näher der seitlichen Beckenwand, unterhalb der Linea innominata liegt es als längsovaler, derber, beweglicher, meist empfindlicher Körper, welcher leicht entgleitet. Gelingt es nicht auf

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diese Art seiner habhaft zu werden, so muß der ganze seitliche Beckenraum von hinten nach vorn durchtastet werden. Liegt es tief und ist es sehr beweglich, so hat man oft Schwierigkeit, es zwischen beide Hände zu bekommen, jedoch gelingt es dann häufig dasselbe mit den inneren Fingern gegen die hintere oder die seitliche Beckenwand anzudrücken und auf diese Weise sich ein Urteil darüber zu verschaffen — Kleinheit des Ovarium und weiter Beckenraum erschweren das Auffinden. Gelingt die Tastung trotz sorgfältigen Suchens nicht, so kann man sich doch sagen, daß es nicht vergrößert und deshalb wohl, wenn Tumorbildung auszuschließen ist, wahrscheinlich auch nicht krank sei. Die T u b e n , von den Uterushörnern aus bimanuell zu tasten, gleiten als weiche, nicht empfindliche, dünnen Samensträngen vergleichbare Stränge zwischen den Fingern durch. Wo die Untersuchung sonst auch erschwert ist, kann ihre Palpation unmöglich werden. Auch die U r e t e r e n sind bei einiger Übung fast immer zu fühlen. Beide zusammen bilden mit dem Lig. interuretericum, welches ihre Mündungsstellen in der Blase miteinander verbindet, einen die Vaginalportion umfassenden Halbkreis, dessen Enden nach den Hüft-Kreuzbein-Fugen zu auslaufen. Schwellung, Verhärtung, Empfindlichkeit sind mit Bestimmtheit zu konstatieren. Eine genaue Tastung verlangt noch das h i n t e r e S c h e i d e n g e w ö l b e , wo häufig Tumoren, Strangbildung, Verdickung und Verkürzung der Douglas'schen Falten, resp. der in ihnen verlaufenden Ligg. sacro-uterina gefunden werden können. — Deutlicheren Aufschluß über letztere Verhältnisse bringt die Mastdarmuntersuchung. Sie findet zudem Anwendung bei unverletztem Hymen, starker Verengerung oder Verschluß des Scheideneinganges oder der Scheide, ebenso bei hochgradigem Vaginismus. Der Mastdarm muß entleert sein. Zum Schutze des Fingers wird ein dünner Condom übergestreift. Die Frau liegt wie zur gynäkologischen Untersuchung, mit erhöhtem Steiß; sie muß vorher durch wenige Worte verständigt worden sein. Einfettung des Fingers ist unerläßlich. Die Einführung von zwei Fingern ist schmerzhaft, verursacht starken Tenesmus und oft kleine Fissuren. Drängen von Seiten der Frau erleichtert die Einführung. — Vom Mastdarm aus kann bimanuell untersucht werden in ähnlicher Weise, wie von der Scheide aus. Die Portio fühlt sich dabei in der Regel so umfangreich an, daß sie

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der Unkundige für den ganzen Uterus oder einen Tumor hält. Am sichersten entgeht man solchem Irrtum, wenn man den Muttermund durch Mastdarm-Scheidenwand hindurch fühlt oder zu gleicher Zeit den Daumen per vaginam an die Portio legt. Besonders wertvolle Resultate liefert die Rektaluntersuchung, wenn der Uterus dabei an der Portio angehakt und von einem Assistenten tief herabgezogen wird (Fig. 120). Jetzt fühlt man die Ligg. sacro-uterina als gespannte Stränge von der Cervix zur hinteren Beckenwand ziehen. Die hintere Uteruswand kann genau abgetastet, j a oft bis über den Fundus weg umfaßt werden. Die Untersuchung per rectum auszuführen, ist durchaus angezeigt bei Virginität und intaktem Hymen. Nur wo die Art der Erkrankung es durchaus erfordert oder eine vaginale bzw. uterine Behandlung unumgänglich erscheint, darf der Hymen geopfert werden. Ein dehnbarer Hymen erleidet zwar bei sorgfältiger Einführung eines nicht zu dicken Fingers keine Einrisse, dagegen bleibt seine Öffnung dadurch dauernd erweitert. — Wo sehr dicke Bauchdecken, die Unmöglichkeit den Leib zu entspannen, große Empfindlichkeit der Untersuchung hinderlich sind, wo es sich auch bei schwierigerer Diagnose darum handelt, genau und ausgiebig zu explorieren, wendet man die Narkose an. Dabei hüte man sich aber zu derb zu drücken, weil sonst bestehende Entzündung frisch angefacht werden und Eiterherde durchbrechen könnten.

Die U n t e r s u c h u n g m i t dem M u t t e r s p i e g e l Die Scheide zu öffnen und zu entfalten und die Portio vaginalis sichtbar zu machen, gibt es röhrenförmige und rinnenförmige Mutterspiegel (Specula). Die r ö h r e n f ö r m i g e n S p e c u l a werden aus Holz, Glas, Porzellan, Zelluloid, Metall hergestellt. Das gewöhnlich gebrauchte Fergusson'sche Speculum ist ein vorn schräg abgeschnittenes, hinten trompetenartig erweitertes Glasrohr (Fig. 7), welches mit einer Spiegelmasse belegt und darüber mit einer Lack- oder Zelluloidschicht überzogen ist. — In ihm erscheinen die Scheidenwände und die Portio am besten beleuchtet. Dagegen wird der Mantel durch Chemikalien leicht angegriffen, so daß er abbröckelt;

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auch verträgt er das Auskochen nicht. Milchglas- und Metallspiegel zeigen diese Nachteile nicht; jedoch beleuchten sie nur sehr matt. — Beim Einführen faßt man den am vorderen Drittel mit einer antiseptischen Salbe bestrichenen Spiegel voll in die rechte Hand, so daß der Zeigefinger auf der kürzeren Wand der Länge nach ausgestreckt und mit seiner Spitze etwa 3 cm weit vom Bande entfernt liegt; dann setzt man den vorspringenden Band, während die linke Hand den Introitus vaginae spreizt, tief auf die hintere Scheidenwand auf (Fig. 8), drängt sie samt dem Damm durch kräftigen Druck so stark nach hinten,

Fig. 7. Röhrenförmige Specula nach Fergusaon. 15 cm und 12 cm lang.

daß der vordere Umfang der Spiegelöffnung leicht und ohne Verletzung unter der Harnröhrenmündung in die Scheide hineingleitet. Es ist nötig, daß man dabei die Harnröhre genau sieht und deshalb das hintere Ende des Spiegels stark senkt; erst wenn der vordere Band unter ihr durch ist, wird der Spiegel in die Scheidenachse gebracht Leicht rotierende Bewegung während des Einschiebens erleichtert die Sache. Auch beim weiteren Vorschieben und zur Einstellung der Portio ist das Drehen von Vorteil. Gelingt die Einstellung im ersten Moment nicht, so glaube man ja nicht durch noch tieferes Einschieben des Spiegels zum Ziele zu gelangen; im Gegenteil; wahrscheinlich ist man — besonders mit dünnen Spiegeln — schon an der Portio vorbei in ein seitliches Scheidengewölbe geraten und muß

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den Spiegel wieder eine Strecke weit zurückziehen, um sie ansichtig zu machen. Geht die Richtung der Portio sehr stark nach hinten, so stellt sie sich öfters erst dann richtig ins Speculum ein, wenn man sie mit einem Haken hineinzieht. Die Scheidenschleimhaut übersieht man am besten bei langsamem Zurückziehen des Speculum.

Fig. 8 zaigt, wie das Fergusson'sche Speculum in den Introitus vaginae ehgesetzt und unter der Harnröhre durch eingeführt wird.

Mm benützt stets ein möglichst weites Speculum, um möglichst gut und viel zu sehen. Dabei gibt natürlich die Weite and Empfindlichkeit des Introitus den Ausschlag. Drei Größen sind stets vorrätig zu halten. — Die gewöhnliche Länge der Spicula beträgt 15 cm; f ü r zahlreiche Gelegenheiten

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i s t ein u m 2 — 3 cm k ü r z e r e r S p i e g e l v o r z u z i e h e n und bei kleineren, nicht zu fetten Frauen vollständig ausreichend. Kontraindiziert ist die Einführung des Speculum bei stark ulcerierenden, weit ausgebreiteten Garcinomen der Cervix wegen Verletzungen und Blutungen, bei akuten Entzündungen in der Nähe der Scheidengewölbe, bei frischen Blutergüssen in der Umgebung des Uterus. Bei Verengerung der Scheide durch Narben oder im Klimakterium muß wegen der Gefahr von Zerreißungen mit größter Sorgfalt vorgegangen werden. E i n n e n s p e c u l a sind in verschiedensten Modifikationen hergestellt worden. Das einfache e n t e n s c h n a b e l f ö r m i g e S p e c u l u m nachSims (Fig. 9) dient ausschließlich dazu, den Damm zurückzuhalten. In Rückenlage wird es allerdings nur dann seinen Zweck erfüllen, d. h. einen Einblick in die Scheide gewähren, wenn zugleich die vordere Scheidenwand durch eine besondere Platte abgehalten wird. Es ist eigentlich nur für die Anwendung in „Sims'scher" Seitenlage oder in Knieellenbogenlage bestimmt. — Die S i m s ' s c h e S e i t e n l a g e ist in Figur 10 dargestellt. Die Frau liegt auf ihrer linken Seite, Wange auf dem Kissen, linker Arm hinten am Rücken, so daß die linke Brustseite auf dem Lager aufruht. Die Beine sind in den Knien Fig. 9. Entenschnabel- gebogen und stark an den Leib angezogen, förmiges Speoulum und zwar das rechte etwas mehr als das (nach Sims). linke, so daß das rechte Knie über dem Zum Zurückhalten des Damms in Seiten- oder

Knieellenbogenlage.

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seinem Inhalte fällt jetzt nach links oben, auch die Beckeneingeweide folgen, so daß die Beckenhöhle entleert wird. Sobald nun mit dem Speculum der Damm zurückgezogen und die Scheide geöffnet wird, dringt Luft ein und bläht den Scheidenschlauch auf. Allfällig noch gebliebene Falten werden mit einem spatelartigen Instrument, dem Depressor, zurückgehalten. In noch stärkerem Grade fällt der Eingeweidesack nach dem Zwerchfell und den oberen Bauchgegenden zu bei K n i e e l l e n b o g e n l a g e (Fig. 11). Das Gesicht liegt dabei dem Kissen auf,

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die obere Brustgegend ebenfalls. Unten ruht der Körper auf den Knien, welche aufgestellt sind, so daß der Steiß möglichst hoch zu liegen kommt. Öffnet man jetzt mit dem Spiegel die Scheide, so wird sie sofort durch die aspirierte Luft aufgebläht und

Fig. 10.

Sims'sohe Seitenlage.

Linke Wange auf Kissen, linker Arm am Rücken, Beine stark gebogen, das rechte über das linke hinaufgezogen, so daß das rechte Knie über dem linken der Unterlage aufliegt.

kann vortrefflich übersehen werden. Die eingesaugte Luft entweicht jeweilen bei der Umlagerung mit flatusartigem Geräusch. —

Fig. 11.

Knieellenbogenlage.

Gesicht und Brust auf Unterlage; Oberschenkel senkrecht.

Auch Rectum und Blase können auf ähnliche Weise in Knieellenbogenlage mit Luft aufgebläht werden, wenn man den After bzw. die Harnröhre öffnet. —

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Gynäkologische Untersuchung

Das S i m o n ' s c h e S p e c u l u m (Fig. 12) besteht aus einer Rinne und einer Platte mit Griffen. In Steißrückenlage oder auf dem Querbette wird zuerst die Rinne in die Scheide eingeführt und damit Damm und hintere Scheidenwand nach abwärts

Fig. 12.

Modifizierte Simon'sche Rinnen-Specula mit ZapfenverBchluß. Rationellste Verbindungsweise der Rinne mit dem Halter a) für die hintere Scheiden wand und den Damm; i) für die vordere Scheidenwand.

gezogen; die Platte dient zum Abheben der vorderen Wand; zwischen beiden Instrumenten erscheint dann die Portio. — Verschiedene Größen der Rinnen und Platten können nach zweckmäßigster Herstellungsart in rascher Weise auf je einem Halter befestigt werden (Fig. 12). —

Gynäkologische Untersuchung

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Eine praktische Modifikation stellt das Neugebauer'sche Speculum dar, welches aus zwei Rinnen besteht, von denen die eine in der anderen läuft (Fig. 13).

Fig. 13. Z w e i t e i l i g e s S p e c u l u m (nach N e u g e b a u e r ) a) Die eine Rinne wird in die andere hineingeschoben. 4) Ein ganzer Satz Rinnen, Größe 1—5.

Die zwei-, drei-, vierklappigen Specula (Fig. 14, 15) werden mit geschlossenen Klappen eingeführt; nach der Öffnung,

Fig. 14 a. Z w e i k l a p p i g e s S p e c u l u m g e ö f f n e t (nach Cusco). Die Rinnen divergieren gegen die Scheidengewölbe und halten sich selbst.

Fig. 14 b. Z w e i k l a p p i g e s S p e c u l u m (nach T r e l a t ) . Die Rinnen bleiben beim Öffnen parallel.

die gewöhnlich durch Schrauben bewerkstelligt wird, spreizen sie die Scheidengewölbe auseinander. Sie halten sich von selbst; M e y e r , Frauenkrankheiten.

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Gynäkologische Untersuchung

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aber die Einsicht ist eine beschränktere und die Einstellung der Portio meist schwieriger; sie muß fast stets mittels Haken vorgezogen werden.

Fig. 16. Dreiklappiges Speculum (nach Keismann-Balz) leicht zerlegbar.

Die U n t e r s u c h u n g mit der Sonde Die Uterussonde (Fig. 16) ist ein etwa 20 cm langer, dünner, am Ende geknöpfter Metallstab; biegsam, um ihre Krümmung ungefähr der des vorher getasteten Uterus anpassen zu können.

Fig. 16.

U t e r u s s o n d e , biegsam, ohne Centimetereinteiluug.

7 cm vom Ende entfernt bezeichnet gewöhnlich eine kleine An Schwellung die Normallänge des Cavum uteri; weiter nach rückwärts trägt sie eine Centimetereinteilung. — Man kann mit der Sonde in zweifelhaften Fällen die Lage des Uterus bestimmen, ferner seine Länge messen, die Beschaffenheit der Innenfläche des Uterus ergründen. — Schwangerschaft und akute entzündliche Erkrankungen des Uterus und seiner Umgebung müssen dabei stets ausgeschlossen sein. —• Da bei der Sondierung kleine Schleimhautverletzungen nie mit Sicherheit zu vermeiden sind, müssen

Gynäkologische Untersuchung

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stets Sonde, Hände, Scheide desinfiziert sein. Um Infektion von der Scheide aus noch sicherer auszuschalten, empfiehlt es sich durchs Speculum die Sonde wenigstens bis an den inneren Muttermund hinaufzuschieben, und hierauf den Spiegel über der Sonde zurückzuziehen. — Ohne irgend welche Kraftanwendung, spielend leicht sie zwischen den Fingerspitzen haltend, muß man sie durch Senken des Griffes über das Orificium uteri internum hinaufzuschieben suchen. Erleichtert wird das Eingleiten dadurch, daß man die Sondenkrümmung zuerst nach hinten richtet, dann den Griff, in einem Kreisbogen drehend, senkt. A l l e S c h w i e r i g k e i t w i r d g e w ö h n l i c h j j e s e i t i g t , w e n n m a n d u r c h Anhaken und Herabziehen der vorderen M u t t e r m u n d s l i p p e das C a v u m u t e r i s t r e c k t u n d s e i n e A c h s e n a c h h i n t e n r i c h t e t . — Hat man den Sondenknopf bis an den Fundus vorgeschoben, so kann man die Länge des Cavum direkt ablesen oder falls die Portio nicht sichtbar ist, oder eine Einteilung fehlt, mit der Spitze des Zeigefingers an der Sonde markieren. Die auf den Bauchdecken aufliegende Hand muß den Uterus und die ihm durch die Sonde mitgeteilten Bewegungen fühlen; sie kann auch die Dicke der Uteruswand taxieren. Bei einiger Übung ist. man imstande durch Tastung mit dem Sondenknopfe ein Urteil über den Zustand der Innenfläche des Uterus zu bekommen. — Die Sondierung ist bei schonender Ausführung wenig empfindlich; doch bekommen sehr viele Frauen mit gesteigerter Erregbarkeit (Nervosität) auch bei ganz gesunder Gebärmutter kolikartige Schmerzen, oft verbunden mit Übelkeit, ja Ohnmachtsanfällen danach. Der Gebrauch der Sonde kann durch die verbesserten Untersuchungsmethoden auf ein Minimum eingeschränkt werden. Sie ist in unkundigen Händen ein gefährliches Instrument. Viele Fälle von Endometritis und Salpingitis haben nach Sondierung ihren Anfang genommen, zahlreiche Aborten sind in unbeabsichtigter Weise durch sie hervorgerufen worden. Ferner ist schon öfters Durchbohrung des Uterus vorgekommen; sie hat zwar bei Beobachtung strenger Antisepsis keine Gefahren im Gefolge; doch sind auch schon böse Komplikationen dadurch entstanden. Endlich kann die Sonde durch das Ostium tubae in die Tube und bis in die Bauchhöhle vordringen, ein Ereignis, das gewöhnlich ebenfalls ohne Folgen abläuft.

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Menstruation und ihre Störungen

n Die Menstruation und ihre Störungen Mit der Pubertät treten die Genitalien aus ihrer kindlichen Form heraus; sie holen den übrigen Körper, dem sie bisher im Wachstum nicht gefolgt waren, in kurzer Zeit ein und beginnen ihre physiologischen Funktionen. Im Klimakterium erlöschen diese wieder und die Genitalien gehen früher und rascher als der übrige Körper eine Schrumpfung ein. — Ausnahmsweise setzen regelmäßig wiederkehrende Genitalblutungen schon bei Mädchen im frühen Kindesalter ein. Diese M e n s t r u a t i o p r a e c o x ist ein Zeichen von Frühreife und als krankhaft aufzufassen. Die Genitalien und Brüste sind in der Eegel entsprechend entwickelt, Schamhaare vorhanden; meist besteht Fettsucht und frühzeitige Dentition. Sehr häufig sind andere pathologische Zustände, wie Hydrocephalus, hochgradige Ehachitis, Cystom- und Sarkombildung der Eierstöcke damit verbunden. — Die P u b e r t ä t beginnt in unseren Gegenden durchschnittlich im 13.—15. Altersjahre; in südlichen Ländern schon früher (im 10.—12.), in nördlichen erst später (Lappländerinnen im 18.). Üppige, beschauliche Lebensweise beschleunigt den Eintritt; strenge Arbeit, knappe Kost verspätet ihn eher. Erblichkeit spielt oft eine deutliche Rolle. — D a s K l i m a k t e r i u m beginnt meist um das 45. Altersjahr herum. Eine Abhängigkeit ihres Eintrittes von demjenigen der Pubertät besteht nicht; frühreife Frauen können erst spät ins Klimakterium eintreten und umgekehrt. Die Zeit der Geschlechtsreife dauert nur im Durchschnitte ca. 30 Jahre; sie ist kurz im Vergleiche zu derjenigen des Mannes, welche bis ins höhere Greisenalter andauern kann. Mit der Pubertät beginnt der H a a r w u c h s an den äußeren Genitalien und in den Achselhöhlen; die B r ü s t e entwickeln sich, die H ü f t e n werden breiter und voller. Der U t e r u s , bisher ein unscheinbares Organ, dessen Cervix doppelt so massig war wie das Corpus (Fig. 46), wächst beträchtlich und nimmt die jungfräuliche Gestalt an. Das Epithel im Corpus und den Tuben bekommt eine von innen nach außen i. e. von den Ovarien gegen den Muttermund gerichtete Flimmerung. Es beginnt die M e n s t r u a t i o n (Menses, Periode, Regel), die monatliche Blutung aus der Mucosa uteri. Nicht immer erscheint sie von Anfang

Menstruation und ihre Störungen

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an regelmäßig; recht häufig macht sie, besonders bei anämischen Mädchen, in der ersten Zeit Pausen von 2 oder mehr Monaten, um erst nach längerer Frist, manchmal erst nach Jahren den regelmäßigen 4 wöchigen Typus anzunehmen. Bei vielen Frauen tritt sie pünktlich auf die Stunde nach 28 Tagen ein; bei anderen jeweilen 1 — 2 — 3 Tage früher oder später. Manche Frauen menstruieren auch ganz regelmäßig in 3 wöchigem, wieder andere in 4 1 / 2 oder 5 wöchigem Turnus. Die normale D a u e r d e r M e n s t r u a t i o n beträgt 4—6 Tage, doch kommt eine Dauer von bloß 1—2 Tagen, anderseits von 8 Tagen vor, ohne daß man deswegen von einem krankhaften Zustande reden muß. Sie beginnt allmählich, ist am 2. u. 3. Tage gewöhnlich am stärksten und hört nach und nach auf. Das M e n s t r u a t i o n s b l u t ist flüssig und zeigt bräunliche Farbe. Wenn es spärlich fließt, meist auch im Beginn und am Schluß, ist es durch Beimengung von Schleim- und Scheidensekret heller und klebrig. Der fade Geruch desselben rührt von lebhafteren Zersetzungsvorgängen her. Bei starker Menstruation ist das Blut arterieller; dann enthält es oft auch fetzige Gerinnsel. Über die Menge des ausgeschiedenen Blutes läßt sich eine für die Praxis brauchbare Maßangabe nicht machen. Anhaltspunkte dafür, daß das physiologische Maß nicht überschritten ist, haben wir einmal an der Gleichmäßigkeit seit Beginn der Pubertät, am Fehlen von Gerinnseln, am Ausbleiben anämischer Erscheinungen jeweilen nach der Menstruation, sicher auch daran, daß das Blut in einer vorgelegten Kompresse vorweg eintrocknet, sie nicht förmlich durchtränkt. Während der Menstruation und schon einige Tage vorher findet v e r m e h r t e r B l u t z u f l u ß zu den inneren Genitalien statt. Der Uterus erscheint dadurch weicher, oft ein wenig vergrößert, die Scheide succulenter. Der Muttermund klafft etwas stärker infolge der Auflockerung der Portio. Die Mucosa u t e r i hat sich auf die Menstruation hin bedeutend verdickt und ist sehr blutreich geworden; auf der Höhe der Hyperämie fängt sie an zu bluten. Dt s Blut tritt durch die unverletzten Wandungen der enorm diktierten Kapillaren aus, oder es entfließt einzelnen geborstenen kleinsten Gefäßchen. Es ergießt sich ins oberflächliche (subepitheliale) Gewebe der Schleimhaut und durchbricht an einzelnen Stellen die Epitheldecke (Fig. 17). Psychische Erregungen, körperliche Überanstrengung, heftiger Schmerz, plötzliche Erkrankungen, besonders Erkältungen können

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Menstruation und ihre Störungen

die eingetretene Menstruation hemmen (Suppressio mensium). Ebenso häufig tritt jedoch dadurch eine Verstärkung der Blutung ein. Chinin, Salicylsäure, Kali hypermang. verstärken meist die menstruale Blutung. — Als sogenannte v i k a r i i e r e n d e Menses bezeichnet man regelmäßige Blutungen aus anderen Organen, welche an Stelle der völlig fehlenden oder stark verminderten uterinen Menstruation auftreten. Sie sind selten. Am häufigsten hat man Blutungen aus Nasen-, Lungen- und Darmschleimhaut, seltener aus dem Zahnfleisch, Brustdrüsen, Ohren, Blase, Nieren bei sonst ganz gesunden Frauen beobachtet. — Der Umstand, daß nach Entfernung der Ovarien die Menstruation aufhört, spricht dafür, daß der AnWM. stoß dazu von diesen Organen ausgehe. Die bisher bekannt gewordenen anatomischen Befunde an den Eierstöcken gestatten aber keinen sicheren Schluß über das Verhältnis zwischen der Menstruation und der Punktion der Ovarien, namentlich ist nicht erwiesen, daß das Heranreifen und Platzen von Eifollikeln das Primum movens ist. Wenn auch „ „ ^ . , „ ., . die Mehrzahl der Follikel Fig. 17. Menstruierende Schleimhaut nr . n -, , u m dle Zeit der des Uterus. MenstruDas ausgetretene Blut befindet sich in der ation berstet, so ist ebenso subepithelialen Zone, bricht da und dort sicher Berstung zu jeder durch die Epitheldecke durch. anderen Zeit nachgewiesen worden. Das durch Platzen des Follikels freigewordene E i c h e n wird vom Flimmerstrom in der Umgebung des Tubentrichters in die Tube geleitet und nach dem Uterus befördert. Trifft es auf dieser Wanderung nicht mit einem befruchtungsfähigen Samenfaden zusammen, so geht es zugrunde und wird mit den Sekreten ausgestoßen. Der geplatzte Follikel verwandelt sich in ein C o r p u s l u t e u m s p u r i u m . — In neuerer Zeit wird gerade der Entwicke-

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Menstruation und ihre Störungen

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lung des Corpus luteum eine wesentliche Rolle für die Regulierung der Menstruation zugeschrieben. — Findet dagegen Befruchtung statt, so siedelt sich das Eichen in der zur Decidua ausgewachsenen Uterusschleimhaut an und die Frau ist schwanger. — Die Menstruation ist bei der Mehrzahl der Frauen von stärkeren oder geringeren S t ö r u n g e n im A l l g e m e i n b e f i n d e n oder von u n b e h a g l i c h e n G e f ü h l e n im U n t e r l e i b und K r e u z verbunden (s. auch das Kapitel „Dysmenorrhöe"). Die volkstümliche Bezeichnung „ U n w o h l s e i n " hat deshalb ihre volle Berechtigung. Die Frauen sind häufig reizbar und verstimmt, zeigen weniger Arbeitslust und Lebensfreude und empfinden eine allgemeine Mattigkeit; Kopfweh, Migräne, Appetitlosigkeit, Diarrhöe, Brechreiz, andere Male Heißhunger sind recht oft Begleiterscheinungen der Menstruation. Viele Frauen bekommen H a u t e r u p t i o n e n , namentlich gerne einen bläschenförmigen Ausschlag im Gesicht, besonders um den Mund herum (Herpes m e n s t r u a l i s ) oder es entstehen blau-rote, oft sehr große Flecken an den Beinen oder am Rumpf, die Augen werden cemiert, die Conjunctivae gerötet. Nicht selten schwellen die Mammae an und schmerzen ein wenig. Oft wird auch die Stimme etwas rauher und zeigt die Nasenschleimhaut deutliche Anschwellung. — Die lokalen Beschwerden bestehen in einem Gefühl von Schwere und Ziehen im Leib und im Kreuz, in Drang nach unten, oft in förmlich wehenartigen Schmerzen. Beruhen diese Erscheinungen auf vasomotorischen Einflüssen, soll man sie als Reflexneurosen bezeichnen, oder sind sie auf Bildung und Aufspeicherung gewisser Stoffe im Blute durch die sogenannte „innere Sekretion" der Ovarien zurückzuführen? Jedenfalls bilden sie einen Beweis, daß die Menstruation nicht bloß ein lokaler Vorgang ist. Fortgesetzte Untersuchungen haben denn auch gezeigt, daß sie in Zusammenhang steht mit wellenartiger (periodischer) Anschwellung der Körperwärme, des Pulses, des Blutdruckes, der Lungenkapacität, der Muskelkraft, der Erregbarkeit der Nerven, daß also die wichtigsten Lebensvorgänge durch die Tätigkeit der Genitalien in Mitleidenschaft gezogen werden. — Die Behandlung der einzelnen Symptomen ist gerade so wohl gestattet wie in der Zwischenzeit. Man hüte sich nur vor Medikamenten, welche leicht Verdauungsstörungen machen und bei starker Menstruation vor solchen, welche den Blutzufluß zum Unterleib noch erhöhen. Allgemeine Kräftigung und Abhärtung des Körpers, Vermeidung geistiger Überanstrengung, Schonung

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Menstruation und ihre Störungen

während der Menstruationszeit sind am ehesten geeignet die Beschwerden zu mildern und die Frauen gegen sie zu feien. — Die Menstruation ist ein physiologischer Vorgang. Eine gesunde Frau darf sie ungestraft ignorieren und, ohne böse Folgen befürchten zu müssen, über diese Zeit ihre gewohnte Beschäftigung fortsetzen. — Trotzdem ist es Pflicht des Arztes vor Exzessen j e d e r A r t während der P e r i o d e zu warnen. Nicht bloß die Genitalien, sondern der ganze Organismus befindet sich über die Zeit der Menstruation in einem Zustand erhöhter Tätigkeit; gerade deshalb treten plötzliche Störungen um so leichter ein. Bäder, sportliche Anstrengungen jeder Art, größere Touren, längeres Fahren, andauerndes Stehen, anstrengendes Singen, außergewöhnliche Anlässe, namentlich jene Lustbarkeiten, bei welchen es ohne Abbruch am Schlaf, zu langes Zurückhalten des Urins, Schädigung der Verdauungsorgane, Erkältung, nervenreizende Getränke, gar geschlechtliche Erregungen usw. fast nie abgeht, sind zu meiden. — Anderseits ist ü b e r t r i e b e n e S c h o n u n g während der Menstruation durchaus zu verurteilen. Wer die Regel aufstellt, daß jede menstruierende Tochter oder Frau als krank zu betrachten und danach zu behandeln sei; wer sie deshalb für einen oder mehrere Tage ins Bett beordert, macht sich geradezu einer Vernachlässigung der Hygiene des Weibes, deren oberster Grundsatz es sein soll gesunde und kräftige Mütter zu erziehen, schuldig. So viel Widerstandskraft soll das gesunde Weib besitzen, daß es sein Unwohlsein vor den Mitmenschen verbergen kann. — Freilich Krankheit, namentlich Unterleibsleiden, heftige Dysmenorrhöe, große Blutverluste erfordern besondere Maßregeln, außergewöhnliche Pflege. — Es gibt Frauen, welche während der Menstruation auf gewisse Speisen stark reagieren, Verdauungsbeschwerden, Kopfweh, Hautausschläge bekommen. Sie mögen diese, falls nicht bloß suggestive Wirkung im Spiel ist, vermeiden. Ein Gebot der Reinlichkeit ist es, daß menstruierende Frauen die äußeren Geschlechtsteile durch Waschungen mittels Watte oder Tuch (nicht mit Schwamm) sauber halten. Das Vorurteil, daß frische Wäsche das Blut nachziehe, soll endlich fallen. Die Verunreinigung wird bedeutend eingeschränkt durch das Tragen von sogenannten M e n s t r u a t i o n s b i n d e n , d. h. Gazeoder Holzwolle- oder nur Tuchkissen, welche vorn und hinten an einem leichten Gurte befestigt und vor den Geschlechtsteilen getragen '.-/erden. N u r soll die Binde n i c h t zu fest an-

Klimakterium

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s c h l i e ß e n , damit sie nicht als Tampon wirkt und Stauung des Blutes in der Scheide und zu starke Zersetzung bedingt. in Das Klimakterium (die Wechselzeit) Nachdem schon von Ende der 30 er Jahre an die Konzeptionsfähigkeit allmählich abgenommen hatte, beginnt mit durchschnittlich dem 46. Altersjahre das Geschlechtsleben zu erlöschen ( K l i m a k t e r i u m , W e c h s e l j a h r e , Abänderung). Die Periode fängt an in 6—8 wöchigen und noch längeren Intervallen aufzutreten; oft sind diese selteneren Menstruationen um so stärker und länger dauernd. Nach und nach werden auch diese weit voneinander abliegenden Blutungen schwächer, bis durchschnittlich gegen das 48. Jahr M e n o p a u s e eintritt. In einer Minderzahl von Fällen bleibt die Periode regelmäßig 4 wöchentlich, bis sie plötzlich sistiert, oder allmählich immer schwächer werdend ganz aufhört. Andere Male stellen sich länger dauernde leichte Blutabgänge ein, die an Carcinom denken lassen und eine Untersuchung daraufhin verlangen. — Die Klimax tritt in heißen Zonen früher ein als in kalten. In unseren Gegenden läßt ein frühes Auftreten der Menstruation eher ein spätes Aufhören erwarten. Mit dem Klimax beginnt eine R ü c k b i l d u n g der Genit a l i e n , die nach dem Aufhören der Menstruation langsam, aber stetig fortschreitet. Die B r ü s t e werden schlaff und welk und verlieren fast alle Drüsensubstanz. D i e ä u ß e r e n G e n i t a l i e n schrumpfen zusammen, die S c h a m h a a r e ergrauen; die S c h e i d e verengt und verkürzt sich, ihre Wandungen werden sehr dünn, die Schleimhaut ganz atrophisch, glatt, blaß, trocken. Die P o r t i o v a g i n a l i s verkümmert und schwindet oft völlig, so daß der kleine Muttermund im Grunde der trichterförmig zulaufenden Scheide sitzt; häufig ist er nach einer Seite verzerrt. — Der U t e r u s schrumpft zu einem oft kaum zwetschgengroßen Gebilde zusammen und retroflektiert sich gewöhnlich, weil sein Collum durch Verkürzung der Scheide nach vorn gezogen wird. Seine Wandungen sind dünn und enthalten mehr Bindegewebe als Muscularis. Allerdings entwickeln sich recht häufig gegen das klimakterische Alter zu Myome im Uterus und vereiteln auf viele Jahre hinaus eine Involution. — Auch die A d n e x e

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Klimakterium

schrumpfen; die Tuben werden äußerst dünn; die Eierstöcke haben die Follikel verloren und bekommen kleinhöckerige Oberfläche. — Hand in Hand mit diesen Veränderungen an den Geschlechtsteilen erlischt der Geschlechtstrieb. Das Fettpolster nimmt meist zu, bleibt aber schlaff. Selten ist es, daß eine Frau vollständig ohne B e s c h w e r d e n über die Wechseljahre hinwegkommt; jedoch herrscht darin große individuelle Verschiedenheit. Zwischen leichten Belästigungen und fast unerträglichen Erscheinungen kommen alle Abstufungen vor. Im allgemeinen leiden kräftige und vollblütige Individuen mehr; auch sind die Belästigungen der klimakterischen Zeit stärker ausgesprochen in den besseren Ständen und bei nervösen Frauen; während schlecht genährte und schwächlich konstituierte meist leicht darüber hinwegkommen. Die gewöhnlichsten Klagen betreffen B l u t w a l l u n g e n , namentlich K o n g e s t i o n e n gegen den Kopf, allgemeine S c h w e i ß a u s b r ü c h e , Herzklopfen, S c h w i n d e l a n f ä l l e ; auch an S c h l a f l o s i g k e i t , g e m ü t l i c h e r V e r s t i m m u n g , G e d ä c h t n i s s c h w ä c h e , A n g s t g e f ü h l e n leidet manche Frau in der Abänderangszeit. In der Begel dauert die Wechselzeit nicht über zwei Jahre hinaus. Sehr kurze und viel längere Übergänge sind ziemlich selten. Die klimakterischen Erscheinungen können jedoch lange Zeit vor der Menopause beginnen und dieselbe mehrere Jahre lang überdauern. Kräftigung des Allgemeinbefindens durch Wechsel von angemessener Beschäftigung mit Ruhe, Aufenthalt im Freien, Luftwechsel, Bäder und Wasserbehandlung, nahrhafte, reizlose, einfache Kost, Vermeidung von Alkohol, von viel Tee und Kaffee, Sorge für regelmäßige Stuhlentleerung haben am ehesten Erfolg gegen die klimakterischen Beschwerden. Die Ovarin- oder Oophorinpräparate (i. e. Ovarialsubstanz von Schweinen oder Kühen in Pillenform), welche wohl den Ausfall der Produkte der sogenannten inneren Sekretion der Ovarien decken sollten, lassen meist im Stiche. Von Medikamenten wirken leichte, n i c h t v e r s t o p f e n d e Eisenpräparate am besten. Bei stark nervösen Erscheinungen muß man versuchen vor allem durch p s y c h i s c h e B e e i n f l u s s u n g Erleichterung zu bringen; Brompräparate, Baldrian usw. können nur unterstützend wirken. Man denke aber auch daran, daß gerade diese Jahre eine gewisse V o r l i e b e f ü r G e i s t e s k r a n k heit zeigen. Überhaupt gehe man nicht leichtfertig über die Klagen weg. B e i h e f t i g e r e n B l u t u n g e n d a r f n i e m a l s eine genaue Untersuchung auf Carcinoma uteri versäumt

Amenorrhoe

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w e r d e n . Gegen heftige, längerdauernde Blutungen selbst läßt man Spülungen machen und reicht Stypticin oder Hydrastis1. Im Notfalle darf man wiederholt tamponieren oder eine Ausschabung vornehmen. IV Amenorrhoe Unter Amenorrhoe versteht man das F e h l e n d e r Mens t r u a t i o n in d e r Z e i t d e r G e s c h l e c h t s r e i f e ; Schwangerschaft muß ausgeschlossen sein; es darf sich auch nicht um Verschluß des Genitalkanals mit Eetention des Menstrualblutes oder um verfrühte Menopause handeln. Die Ursache kann eine A n o m a l i e d e r G e n i t a l i e n sein, wie primäre Atrophie oder Superinvolution des Uterus nach einem Wochenbette, wie sie bei zu lange fortgesetzter Laktation, oft auch nach tiefen Cervikalrissen, nach schwerem septischem Puerperalfieber, lange dauernden Blutungen manchmal eintritt. Auch Sklerose der Mucosa nach zu starker Kauterisation (z. B. mit Chlorzink) oder zu gründlicher Abrasio oder Atmokausis; ferner völlige Entartung oder Schrumpfung der Eierstöcke können zu Amenorrhoe führen. — Zu f u n k t i o n e l l e r A m e n o r r h o e bei normalen Genitalien geben mitunter psychische Erschütterungen, heftige Erkältungen, gründliche Änderung der Ernährungsweise und der Lebensgewohnheiten, Klimawechsel Anlaß; auch Hysterie, Epilepsie und manche Geisteskrankheiten sind hier und- da von Amenorrhoe begleitet; bei eingebildeter Schwangerschaft tritt sie ebenfalls ein. — Endlich kommt es häufig zu Amenorrhoe bei A l l g e m e i n e r k r a n k u n g e n , wie Chlorose und Anämie, Tuberkulose (besonders früh bei Genitaltuberkulose), Albuminurie, Diabetes, Alkoholismus, Morphinismus, Saturnismus, Morbus Adissonii, Leukämie und vielen Kachexien; auch bei Fettsucht, femer nach starken Blutverlusten, erschöpfenden Krankheiten, sogar nach geistigen und körperlichen Überanstrengungen wird Amenorrhoe beobachtet. — Die Menstruation kann je nach der Ursache dauernd oder nur vorübergehend ausbleiben. Es kommt vor, daß sogenannte v i k a r i i e r e n d e M e n s t r u a t i o n (s. oben) sie ersetzt. Mitunter zeigt sich zu der Zeit, da die Regel eintreten sollte, ein vermehrter Ausfluß; dazu gesellen sich oft auch Schmerzen im Leib und Kreuz, Kongestionen, Herzklopfen, Kopfschmerz und andere Molimina menstrualia. —

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Menorrhagie

Liegt der Amenorrhoe, wie in der Mehrzahl der Fälle, Anämie oder Chlorose zugrunde, so sind diese Blutanomalien mit Nachdruck zu behandeln, jede lokale Therapie und alle sogenannten Emenagoga zu vermeiden. Das souveräne Mittel in solchen Fällen sind F e r i e n , d. h. Ausspannen aus der gewohnten Tätigkeit, Ruhe und Luftwechsel. Rationelle Ernährungsweise, Eisenmittel, w e l c h e n i c h t v e r s t o p f e n , H y d r o t h e r a p i e (feuchte Abreibungen, Bäder von 28 — 24° R.) unterstützen den Erfolg. Findet sich eine G e n i t a l e r k r a n k u n g , so trachte man sie zu beseitigen. Man bedenke aber immer, daß die Amenorrhoe an und für sich das Wohlbefinden nicht beeinflußt und deshalb nicht unter allen Umständen beseitigt werden muß. Bei j u n g e n Mädchen u n d U n v e r h e i r a t e t e n sei m a n d e s h a l b r e c h t z u r ü c k h a l t e n d und lasse sich nur bei wirklich strenger Indikation auf eine lokale Behandlung ein. Katarrhe, Atrophie des Uterus oder der Ovarien heilen bei ihnen in der Regel viel eher durch Hebung des Ernährungszustandes und Kräftigung des Allgemeinbefindens, als durch lokale Vielgeschäftigkeit, die obendrein noch irritiert und das Nervensystem ungünstig beeinflußt. Liegt eine bestimmte Ursache für die Amenorrhöe nicht vor und ist sie auf andere Weise nicht zu heben, so kann man versuchen, durch R e i z u n g der U t e r u s s c h l e i m h a u t mittels der Sonde oder einer Elektrode (nach A p o s t o l i der Kathode), durch h e i ß e S c h e i d e n s p ü l u n g e n , warme Sitz- und F u ß b ä d e r , durch Massage den Blutafflux zum Unterleibe zu vermehren; dem nämlichen Zwecke dienen auch die sogenannten E m e n a g o g a (Sabina, Safran, übermangansaures Kali, Alo8, Oxalsäure, Natr. salicylic.). V Menorrhagie M e n o r r h a g i e nennt man die zu s t a r k e M e n s t r u a t i o n , zum Unterschied von M e t r o r r h a g i e , d.h. unregelmäßige Blutung zwischen den einzelnen Perioden. — Die Blutverluste bei der Menstruation sind individuell so ungleich, ebenso auch die Begriffe der Frauen über die Menge des abgehenden Blutes, daß es manchmal schwer fällt, aus den Angaben der Kranken eine wahrheitsgetreue Anschauung über die Stärke der Menstruation zu be-

Menorrhagie

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kommen. Die Zahl der in einem Tage verbrauchten Vorlagen gibt nur sehr ungenauen Anhaltspunkt; denn die eine Frau wird die Vorlagen sehr bald, die andere erst, wenn sie ganz durchtränkt sind, wechseln, abgesehen von ungleicher Größe der Vorlagen. Die große Mehrzahl der Frauen trägt überhaupt keine Binden. Angaben, daß das Blut nur so herausriesele, hellrot sei, Gerinnsel enthalte, entspringen oft ängstlich aufgeregter Phantasie. Den richtigsten Aufschluß gibt uns der eigene Augenschein: man l ä ß t sich die V o r l a g e n oder die Wäsche w ä h r e n d 24 S t u n d e n z u s a m m e n l e g e n und p r ü f t sie selbst. Nach kurzer Erfahrung hat man das richtige Augenmaß für die normale Größe des Blutverlustes. Natürlich muß man auch wissen, wie lange der starke Blutverlust dauert. Manche Frau menstruiert während 8 — 1 0 Tagen, verliert dabei aber nur 1 — 2 Tage ordentlich viel Blut; sie hat es seit dem Eintritt der Pubertät so gehabt, ohne daß ihre Gesundheit darunter gelitten hätte. — Deutliche Zeichen von A n ä m i e , subjektiver, besonders aber objektiver Art, jeweilen nach der Menstruation lassen keinen Zweifel mehr über die Diagnose Menorrhagie. Natürlich werden die Folgen des Blutverlustes bei der einen Frau früher, bei der anderen später zutage treten. Den Menorrhagien können a l l g e m e i n e U r s a c h e n zugrunde liegen wie Dyskrasien des Blutes (Hämophilie, Skorbut, Purpura, Werlhoff, Bright) oder gewisse Vergiftungen. Chronische Herz-, Leber-, Nierenkrankheiten verursachen sie durch venöse Stauung im Unterleib. Bei fieberhaften Affektionen wie Typhus, akuten Infektionskrankheiten (Pocken, Scharlach, Masern, Cholera) kommen Menorrhagien häufig vor. Anämie und Chlorose hat bald Amenorrhoe, bald verstärkte Menstruation im Gefolge. — Unter den l o k a l e n E r k r a n k u n g e n des Uterus und der Adnexe werden wir häufig Menorrhagien begegnen; namentlich begleiten sie Endometritis, Myome, Retroflexion. Recht oft gelingt es nicht, eine bestimmte Ursache für die Menorrhagie zu finden. — Habituelle Menorrhagien schwächen die Frauen, geben ihnen ein blutleeres Aussehen; besonders zu fürchten sind aber dabei auch degenerative Prozesse am Herzmuskel. Die Behandlung hat womöglich die Ursache der zu starken Menstruation zu beseitigen, wenn sie gefunden werden kann. Am häufigsten kommt die A b r a s i o m u c o s a e u t e r i wegen Endometritis in Frage (s. S. 161) und hier feiert sie auch Triumphe. Nicht selten dauert der Erfolg aber nur eine Zeitlang, und der

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Dysmenorrhöe

Eingriff muß wiederholt werden. Hier und da wird sich in solchen Fällen ein langsam wachsendes interstitielles Myom mit der Zeit als der Sünder entpuppen. — Mit der Abrasio mucosae konkurriert in neuerer Zeit die A t m o k a u s i s (s. S. 162). — Gegen die heftige Blutung selbst verhalte man sich folgendermaßen. Man lasse die Frau, wenn immer es angeht, über die Tage des stärksten Blutflusses im B e t t e l i e g e n , verordne leichte, reizlose K o s t und sorge für r e g e l m ä ß i g e S t u h l e n t l e e r u n g . Nicht selten vermag diese Maßregel, falls nicht grobe anatomische Veränderungen die Menorrhagie bedingen, nach einigen Monaten eine Abnahme des Blutverlustes herbeizuführen. H e i ß e S p ü l u n g e n mit Wasser von 50° 0. 3—4 mal im Tag helfen oftmals die Blutung in Schranken zu halten. (Um das Brennen an der äußeren Haut zu mildern, kann sie mit Öl oder Salbe geschützt oder ein großer Sehwamm mit kaltem Wasser vor den Introitus gelegt werden.) Häufig wirkt kaltes Wasser besser als heißes. •— Die üblichsten Styptica gegen Gebärmutterblutungen sind: Ergotin (Ergotin. dialysat. 0,5 subkutan); Tct. hämostatica (3 mal tägl. 1 Teelöffel); ferner Extr. hydrast. canad. (3—4 mal tägl. 25 bis 30 Tropfen); Stypticin oder Styptol (4 mal tägl. 0,05 in Pulvern oder Tabletten); Extr. fluid. Gossypii (3 mal tägl. 1 Teelöffel); Salipyrin (2—3 mal tägl. 1 g). — Bei wirklich heftigen und hartnäckigen Menorrhagien ist es am zweckmäßigsten, gleich von vornherein zur Tamponade der Scheide mit Jodoformgaze zu schreiten und sie bis zum Sistieren der Blutung täglich zu wiederholen. Ausnahmsweise wird in Fällen, wo der Blutung auf keine andere Weise Herr zu werden ist, die U t e r u s e x s t i r p a t i o n in Frage kommen. VI Dysmenorrhöe Von Dysmenorrhöe spricht man, wenn die m i t d e r M e n s t r u a t i o n v e r b u n d e n e n B e s c h w e r d e n sieh zu w i r k lichen Schmerzen steigern. Es handelt sich dabei um Schmerzen im Kreuz, über der Schamfuge, in den Leisten, oft ausstrahlend in die Beine, mit wehen- oder krampfartigem Charakter. Sie setzen meist stunden- oder tagelang vor dem Blutflusse ein, häufig beginnen sie aber auch erst mit der Blutung, seltener am 2. oder 3. Tage der Menses oder noch

Dysmenorrhöe

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später. Durchschnittlich halten sie einen Tag über an; mitunter dauern sie aber auch nur wenige Stunden; in anderen Fällen dagegen die ganze Menstruation über. Ihre Heftigkeit kann sich derart steigern, daß die Betroffene laut stöhnt und vor Schmerz sich windet. Frauen mit entzündlichen Affektionen des Uterus und der Adnexe, ferner mit mangelhaft entwickeltem Uterus, endlich anämische Mädchen bilden das Hauptkontingent der an Dysmenorrhöe Leidenden; doch kommt sie auch recht häufig bei ganz gesunden kräftigen Individuen vor. Nicht selten gibt Erkältung oder Überanstrengung während der Menstruation den Anlaß zu Beschwerden bei den nächstfolgenden Perioden. Es sind vorzüglich N u l l i p a r a e , welche an Dysmenorrhöe leiden; in der Regel verschwindet sie mit der ersten Geburt. Aus diesem Grunde und gestützt auf die Tatsache, daß die krampfartigen Schmerzen sehr oft bei starker Anteflexion des Uterus vorkommen und meist mit dem stärkeren Abflüsse des Menstrualblutes aufhören, führt ein Teil der Gynäkologen diese Art der Dysmenorrhöe auf eine Behinderung des Blutabflusses am inneren Muttermund zurück und nennt sie . . m e c h a n i s c h e D y s m e n o r r h ö e " . Die Kranke selbst äußert oft, daß das Blut nicht durchkomme, den Ausweg nicht finde, und daß die Schmerzen daher rühren. — Dennoch steht diese Theorie auf schwachen Füßen. Man war noch nie imstande, trotz darauf hinzielender Untersuchungen, während der heftigsten Schmerzen eine Blutretention im Uterus nachzuweisen. Anderseits fehlen oft bei wirklicher Verengerung des Muttermundes mit nachweisbarer Erschwerung des Blutabflusses, sowie bei hochgradiger Anteflexion alle und jede Menstruationsschmerzen, während sie andere Male bei notorisch weitem inneren Muttermund im höchsten Grade vorhanden sind, auch wenn das Menstrualblut durchaus flüssig ist. — Darin stimmt die Mehrzahl der Autoren überein, daß die Schmerzen zweifellos a u f ' k r a m p f a r t i g e K o n t r a k t i o n e n des U t e r u s zurückzuführen sind. Immer mehr bricht sich auch die Ansicht Bahn, daß sie a u f n e r v ö s e r B a s i s entstehen und zwar in der Art, daß bei den betreffenden Frauen die Erregbarkeit des Uterus, vielleicht daneben auch der Empfindungsnerven gesteigert sei. Der direkte Nachweis davon gelingt in der Regel dadurch, daß eine Sondierung des Uterus cavum außerhalb der Menstruation die gleichen Schmerzen hervorruft wie die während der Regel gefühlten sind. Vielleicht

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Dysmenorrhöe

wird die Erregbarkeit während der Menstruation noch erhöht, wie ja zu jener Zeit auch andere Funktionen des Nervensystems in ihrer Intensität gesteigert sind, so dafi dann schon die menstruelle Kongestion gegen die Genitalien oder doch der Kontakt der Uterusinnenfläche mit dem ergossenen Menstrualblut genügt, um die Krämpfe auszulösen. . Die meist nur kurze Dauer der Schmerzen kann man sich aus einer gewissen Angewöhnung und Abhärtung der Uterusschleimhaut gegen den Reiz erklären; der günstige Einfluß einer Schwangerschaft und Geburt wäre in diesem Sinne wohl auch verständlich. — Daß entzündliche Zustände des Uterus und der Adnexe die Erregbarkeit des Myometrium ebenfalls erhöhen, und besonders bei an und für sich nervösen Individuen infolge davon Schmerzen unter der Periode entstehen (entzündliche D y s m e n o r r h ö e ) , ist wohl verständlich. Die B e h a n d l u n g hat zunächst nach einer anatomischen Ursache der Dysmenorrhöe zu fahnden und diese zu beseitigen; oftmals kann dadurch abgeholfen werden. Bei U n v e r h e i r a t e t e n darf wegen D y s m e n o r r h ö e , wenn sie n i c h t sehr h e f t i g ist, der Hymen n i c h t g e o p f e r t , paöglicherweise dadurch e i n e s c h o n v o r h a n d e n e Anlage zu N e r v o s i t ä t und H y s t e r i e zur E n t w i c k e l u n g g e b r a c h t und der Weg zur M a s t u r b a t i o n gewiesen werden. Glaubt man eine Untersuchung, schon zur Beruhigung der Kranken, nicht umgehen zu können, so führe man sie jedenfalls d u r c h den Mastdarm aus. Wenn die Dysmenorrhöe nicht auf entzündliche Affektionen zurückzuführen ist, zeitigt eine auf Kräftigung des Körpers und Geistes abzielende A l l g e m e i n b e h a n d l u n g in Verbindung mit richtiger, individuell angepaßter p s y c h i s c h e r B e e i n f l u s s u n g die schönsten Resultate. Heilung der Chlorose, der schwächlichen Konstitution und Hand in Hand damit der nervösen Anlage bringt auch Erlösung von der Dysmenorrhöe. Recht häufig ist es aber erst die Ehe und die Geburt, welche das eine und das andere zustande bringt. Die Schmerzanfälle selbst zu mildern genügen meist B e t t r u h e , heiße U m s c h l ä g e auf den Leib, R e g u l i e r u n g des Stuhlganges. In schwereren Fällen greife man zunächst zu P h e n a c e t i n , A n t i p y r i n , S a l i p y r i n ; von manchen wird Tct. sem. S t r y c h n i mit Tct. castor. ää, einige Tage vor und während der Menstruation 4 mal tägl. 20 gtt. genommen, gerühmt.

Sterilität

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K o k a i n i s i e r u n g der N a s e n m u s c h e l n soll nach F l i e s wegen Mitbeteiligung der Nasenschleimhaut an der menstruellen Hyperämie auf reflektorischem Wege günstig wirken. Im Notfall nur und nicht regelmäßig bediene man sich des Opium oder Morp h i u m in Form von Suppositorien. Kräftige E r w e i t e r u n g des M u t t e r m u n d e s auf unblutigem Wege, z. B. durch Hegarstifte, bringt oftmals eine länger dauernde Erlösung von der Dysmenorrhöe. Wir stellen uns vor, daß dadurch eine Abstumpfung der Nerven am inneren Muttermunde erzeugt wird und die Wirkung mit derjenigen bei forcierter Dilatation des Introitus wegen Vaginismus verglichen werden kann. M i t t e l s c h m e r z nennt man einen regelmäßig ungefähr in der Mitte zwischen zwei Menstruationen auftretenden Schmerz, der im Charakter mit dem dysmenorrhoischen Schmerz übereinstimmt. Er ist fast immer von vermehrtem Ausfluß begleitet und ein Symptom der chronischen Endometritis (s. diese). Dysmenorrhoea foliativa.

membranacea

s. Endometritis

ex-

VII Sterilität Fast immer ist es die Frau, welche wegen Kinderlosigkeit sich zuerst untersuchen läßt, und doch liegt wohl bei einem Drittel der sterilen Ehen die Schuld auf Seiten des Mannes. Ergibt deshalb die Untersuchung der Frau nicht eine bestimmte Ursache der Sterilität, wie Atresie, verkümmerte Gebärmutter, starken Cervikalkatarrh bei Stenose des äußeren Muttermundes, Adnexitis usw., so tut man am besten, den Ehemann in möglichst taktvoller Weise zu citieren. Er erteilt Aufschluß über die Potentia coneundi, über allfällig durchgemachte Lues und Gonorrhöe und besonders Orchitis. Dann ersucht man ihn, sein in einem Condom aufgefangenes S p e r m a möglichst bald nach dem Coitus zur Untersuchung einzuliefern. Daraus wird sich ergeben, einmal ob überhaupt Ejakulation von Sperma erfolgt oder A s p e r m a s i e vorhanden ist. Bekommt man eine gewisse Menge Samenflüssigkeit, so wird sie dann sofort tale quäle unters Mikroskop gebracht. Meyer, Frauenkrankheiten.

3

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Sterilität

Zeigen sich einige Stunden nach der Ejakulation zahlreiche Spermatozoen in lebhafter Bewegung, so ist das Sperma gesund, die Ursache der Sterilität nicht auf Seiten des Mannes. Fehlen dagegen die Samenfäden, oder sind nur sehr wenige zu sehen, so steht die Sache schon schlimm für ihn. Am besten ist es. nach ca. 8 Tagen nochmals zu untersuchen. Ergibt sich das gleiche Resultat, so ist die Sterilität dieser Ehe besiegelt, eine Behandlung der Frau, soweit es die Kinderlosigkeit betrifft, überflüssig. Erweist sich das Sperma als normal, so muß auf die Untersuchung der Frau das nachdrücklichste Gewicht gelegt und das Ergebnis aufs genaueste registriert werden. — Am allerhäufigsten führt g o n o r r h o i s c h e I n f e k t i o n durch Verlagerung und Verwachsung der Tubenenden, auch durch bloße Veränderungen des Tuben- und Uterusepithel, sowie durch pathologische Absonderungen zu Sterilität. Da der Übergang der Gonokokken auf die oberen Abschnitte des Genitalschlauches sehr oft erst gelegentlich einer Geburt oder eines Abortus stattfindet, so beruht E i n k i n d e r s t e r i l i t ä t in der Regel auf Gonorrhöe. Die konzeptionshinderlichen Folgen der gonorrhoischen Infektion können nach vielen Jahren völlig ausheilen; deshalb spielt auch in jenen Fällen, wo eine s e h r l a n g e d a u e r n d e S t e r i l i t ä t d u r c h K i n d e r s e g e n u n t e r b r o c h e n w i r d , die Gonorrhöe eine. Hauptrolle. Viel seltener ist Entzündung des Bauchfelles, der Tuben, der Ovarien Folge von s e p t i s c h e r o d e r t u b e r k u l ö s e r I n f e k t i o n . Recht oft verhindert E n d o m e t r i t i s dieser oder jener Art das Zusammentreffen von Samen und Ei oder die Ansiedelung des befruchteten Eichens; deshalb hat Abrasio mucosae uteri mitunter Erfolg.bei Unfruchtbarkeit. K a t a r r h d e r C e r v i x in Verbindung mit engem ä u ß e r e m M u t t e r m u n d ist ebenfalls ein Hindernis für die Befruchtung; deshalb macht man unter solchen Umständen die Discision; selten, vielleicht nie bildet Stenose für sich allein eine Konzeptionerschwerung; denn solange das Epithel gesund ist, vermögen die Spermatozoen das engste Orificium zu passieren. Mitunter mag eine m a n g e l h a f t e B i l d u n g der T u b e n , wiesie bei angeborner Anteflexio uteri (s. S. 109) oft vorkommt. Sterilität verursachen. Als weitere Ursachen sind zu nennen: S u b m u c ö s e u n d i n t e r s t i t i e l l e M y o m e u n d a n d e r e N e u b i l d u n g e n des U t e r u s , auch O v a r i a l t u m o r e n ; ferner F e t t s u c h t , s t a r k e Chlorose, Morphinismus. Während Atresien in den oberen Abschnitten des Genitalkanals, gänzliche Verkümmerung des Uterus und krankhafte oder

Kouzeptionsverhiitung

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fehlende Eibildung Ursachen absoluter Sterilität sind, bilden alle übrigen angeführten Momente bloß eine Erschwerung für die Konzeption; sie sind sämtlich mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit heilbar; sie können auch häufig durch andere sehr günstige Verhältnisse, wie reichliche Eibildung, gesunde Flimmerung des Epithels, kräftige Spermatozoon so weit a u f g e w o g e n w e r d e n , daß Befruchtung doch ermöglicht ist. Die Fruchtbarkeit der Frau und die Zeugungsfähigkeit des Mannes sind, auch bei ganz normal beschaffenen Genitalien, r e l a t i v e B e g r i f f e : sie werden stark durch das Allgemeinbefinden beeinflußt und können einander bis zu einem gewissen Grade ergänzen. Auf letzteren Umstand ist wohl die Beobachtung zurückzuführen, daß nach vieljähriger steriler Ehe eines Paares sowohl der Mann wie die Frau in anderer Verbindung Kinder bekommen können. D e s h a l b ist es auch unter allen Umständen und besonders dort, wo deutliche Veränderungen der Genitalien fehlen, geraten, gegen Sterilität das A l l g e m e i n b e f i n d e n beider Ehegatten ins Auge zu fassen. Oftmals sieht man dann nach gründlicher Änderung der Lebensweise oder nach bloßem Ausruhen von der beruflichen Tätigkeit, Beachtung hygienischer Vorschriften, Enthaltung von nervenschädigenden Genußmitteln wie z. B. von Alkohol, Anwendung von Luft- und Badekuren usw. Konzeption eintreten. Nach mehrfachen Beobachtungen möchte ich besonders empfehlen, einer Frau, welche bisher während der Menstruation ängstlich sich geschont und gehegt hatte, das Gegenteil zu verordnen, cl. h. die M e n s t r u a t i o n s z e i t m ö g l i c h s t zu i g n o r i e r e n , ja sich gerade über jene Zeit recht viel körperliche Bewegung zu verschaffen, eine Fahrt oder längere Reise zu unternehmen. Versuche mit k ü n s t l i c h e r B e f r u c h t u n g haben meist fehlgeschlagen; sie schließen auch gewisse Gefahren in sich und sind stets widerlich sowohl für den Arzt wie die Eheleute.

VIII Konzeptionsverhütung R e i n m e d i z i n i s c h e G r ü n d e , die Sorge um Gesundheit und Leben seiner Schutzbefohlenen, können es dem Arzte zur Pflicht machen, Schwangerschaft zu verbieten und den Leuten in ihrem Bestreben das Verbot durchzuführen, mit Rat und 3*

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Konzeptionsverhütung

Tat beizustehen. A b s o l u t e Beckenenge, sowie K r a n k h e i t e n , welche d u r c h S c h w a n g e r s c h a f t und G e b u r t b e d e n k l i c h e V e r s c h l i m m e r u n g erleiden, besonders wenn dabei auch das Kind wenig Aussicht auf normale Entwickelung hat, sind Anlässe, Konzeption zu verhüten. Unter den bezüglichen Krankheiten sind zu nennen: Tuberkulose, Herzfehler, welche nicht kompensiert sind oder bei vorausgegangener Schwangerschaft und Geburt die Frau an den Rand des Grabes brachten, ferner Nephritis mit Herzveränderungen, jedesmalige lebensgefährliche atonische Blutungen in der Nachgeburtszeit, dann Osteomalacie, Carcinom, Anaemia perniciosa, Lepra, Lues. Aber auch Ü b e r l e g u n g e n n a t i o n a l ö k o n o m i s c h e r A r t dürfen m i t s p r e c h e n ; ja selbst verständigen Gründen für Beschränkung reichlichen Kindersegens rein p r i v a t e r N a t u r darf sich der Arzt nicht verschließen. Die Frage spielt in manchen Familien eine zu ernste Rolle und beschäftigt schon längst ein weiteres Publikum. Zahlreiche Pfuscherinnen und zweifelhafte Heilkünstlerinnen sind schon zu sehr bereit, sich dieser Sache, welche doch ausschließlich ins Sprechzimmer des Arztes gehört, zu bemächtigen und Mißbrauch damit zu treiben. Mit würdigem Ernste und in kurzer Rede behandle der Arzt den delikaten Gegenstand. Er erwäge wohl die Verhältnisse, bevor er sich mit der bloßen Empfehlung von E n t h a l t s a m k e i t begnügt. — Nie versäume er es aber, seine gedrängte Auseinandersetzung mit der Betonung zweier Punkte zu beginnen: 1. daß kein einziges der b e k a n n t e n k o n z e p t i o n s v e r h i n d e r n d e n Mittel u n b e d i n g t e n Schutz gegen E m p f ä n g n i s biete, 2. daß sie s ä m t l i c h , auf die L ä n g e a n g e w e n d e t , schädlich wirken. — Das unschädlichste, am sichersten die Konzeption verhindernde Mittel, der Condom, wird von den meisten Ehemännern nur ungerne gebraucht. — S c h e i d e n s p ü l u n g e n n a c h d e m C o i t u s mit Wasser, dem etwas Essig oder ein leichtes Desinficiens zugesetzt ist, können, in richtiger Weise ausgeführt, nicht schaden; jedoch werden sie häufig den bereits in den Cervikalkanal eingedrungenen Spermatozoon nichts mehr anzuhaben vermögen. — Ein in der Größe gut gewähltes P e s s a r i u m o c c l u s i v u m (Fig. 18) gewährt, w e n n der A r z t es r i c h t i g e i n g e l e g t h a t , fast absolut sicheren Schutz vor Empfängnis. Es wird nach der Menstruation appliziert und vor der nächsten Periode von der Frau selbst

Konzeptionsverhütung

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entfernt. Von Laienhänden eingelegt, gleichviel ob mit oder ohne sogenannten Einführer, liegt es sehr oft falsch. Ihm haftet die unangenehme und häufig gefährliche Eigenschaft an. daß es die Sekrete des Uterus im Scheidengewölbe 'zurückhält, dadurch Infektion des Endometrium, also die Entstehung von Metro-Endometritis, begünstigt. Frauen mit Scheiden- oder Uteruskatarrhen dürfen es von vornherein nicht tragen; andere sollten es j e w e i l e n n a c h e i n e r W o c h e e n t f e r n e n oder nur mit längeren Unterbrechungen sich einFig. 18. Pessarium occlusivum, d. Ii. ein leichter federnder Ring, well e g e n l a s s e n , so daß sie chem eine Kappe aus papierdiinnem es z. B. in einer ZwischenKautschuk aufsitzt. Der Ring legt sicli Menstruationszeit tragen, in in die Scheidengewölbe, die Kappe der anderen nicht. — Das nimmt die Portio vaginalis auf. Einlegen von k o m p r i m i e r ten S c h w ä m m c h e n , die jedesmal an einem Faden wieder herausgezogen werden, gewährt nicht mehr Sicherheit als von Laienhänden eingeführte Pessarien, zudem ist ein solcher Gegenstand stets voller Bakterien. — Noch weniger Schutz gegen Konzeption bieten die mit verschiedenen Medikamenten beladenen V a g i n a l k u g e l n . — Gänzlich abraten soll man vom C o i t u s r e s e r v a t u s . Er kommt fast der Masturbation gleich und übt unbedingt einen schädlichen Einfluß auf das Nervensystem von Mann und Frau aus. — Als wirkliche Seltenheit mag einmal der Fall eintreten, daß o p e r a t i v e S t e r i l i s a t i o n durch Resektion der Tuben von der Scheide aus angezeigt ist. Wenige vernünftige Frauen werden sich zu diesem Eingriffe hergeben, nachdem ihnen der Arzt in klarer und wahrheitsgetreuer Weise die Sachlage auseinandergesetzt hat.

Spezieller Teil I

Die Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile Anatomische

Vorbemerkungen

Die g r o ß e n S c h a m l i p p e n (Labia majora) (Fig. 19), zwei mehr oder weniger stark vorspringende, mit Fettgewebe voller oder schlaffer gefüllte Hautfalten, gehen vorn aus dem Möns v e n e r i s , i. e. dem Fettpolster über der Schamfuge, hervor und verlaufen nach hinten zum Teil in den Damm aus, zum Teil vereinigen sich beide zur hinteren Kommissur der Vulva. Diese spannt sich beim Spreizen der Schamlippen als dünne, quer verlaufende Falte an und w i r d F r e n u l u m v u l v a e s. l a b i o r u m ( F o u r c h e t t e bei den Franzosen) genannt. Die Einsenkung hinter ihr heißt F o s s a n a v i c u l a r i s . Bei der Geburt reißt das Frenulum regelmäßig ein, die Fossa navicularis wird dadurch seichter oder ganz aufgehoben. — Die Labien zeigen an der Außenseite den Charakter der äußeren Haut und tragen Schamhaare; die innere Fläche bildet einen Ubergang zur Schleimhaut und enthält zahlreiche Talgdrüsen. Die k l e i n e n S c h a m l i p p e n ( N y m p h e n , „weil zwischen ihnen der Wasserstrahl hervorsprudelt") bilden zwei dünne, rötliche oder bräunliche, oft stark pigmentierte, wenig Fett enthaltende Hautfalten an der Innenseite der großen Labien; ihre Kämme sind gekräuselt oder gekerbt. Hinten laufen sie in die großen Schamlippen aus; manchmal nehmen sie auch teil an der Bildung des Frenulum vulvae. Ihre vordere Kommissur ist längsgespalten; in der Spalte guckt das Köpfchen der Clitoris hervor. Die Falte über demselben heißt P r ä p u t i u m , diejenige, welche mit der Unterfläche der Clitoris sich verbindet, F r e n u l u m c l i t o r i d i s . — Die Nymphen sind haarlos, dagegen reich an Talgdrüsen, welche das S m e g m a produzieren.

Krkrciiikmigen der äußeren Geschlechtsteile

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Bei Neugeborenen ragen die Nymphen zwischen den Labia majora hervor. Mit herannahender Pubertät werden sie meist, von den Schamlippen zugedeckt; dieses Verhältnis geht um so mehr verloren, je mehr durch den Beischlaf, besonders aber durch (ieburteu die Vulva zum Klaffen gebracht wird, oder die Hons

Veneris Sima pudendi

¿ìfitérior

J'mepß&im

clitoridiir

(Hatte s- capiluüim rrcnuJum J' ; L kleine

ditoridis

eiitoridis Sctiamiippeftfymp/uy

Fig. 19. Äußere Genitalien einer Nullipara. Schamli|i|>mi gespreizt. Bartholinische Drüsen mit den Ausfiihrungsgängen präpariert.

Nymphen durch Hypertrophie heraushängen. Im Alter schrumpft die Vulva oft so stark, daß von den kleinen Schamlippen n u r noch Andeutungen vorhanden sind. — Der von den Nymphen eingeschlossene Raum heißt V o r h o f (Vestibulum vaginae). Er ist vorn von der vorderen Kommissur der Nymphen mit dem Köpfchen der Clitoris, hinten vom Frenulum labiorum begrenzt. In denselben münden Harnröhre und Scheide; er ist deshalb als Sinus urogenitalis aufzufassen.

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Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

Die H a r n r ö h r e n m ü n d u n g (Orificium urethrae, meatus urinarius) wechselt in Lage, Aussehen, Weite. Bei älteren Frauen oder nach vielen Geburten rückt sie oft tief herab oder sie zieht sich in die Scheide zurück. Neben ihr liegen beiderseits mehr oder weniger deutliche Vertiefungen, die sogenannten p a r a u r e t h r a l e n G r u b e n oder Gänge, welche mitunter das Aussehen der Harnröhrenmündung selbst besitzen. Durch Geburtsverletzungen, Operationen, anderweitige Läsionen oder ödematöse Schwellungen wird manchmal die Orientierung erschwert. Man wird trotzdem in jedem Falle die Harnröhrenmündung finden, wenn man sich das eine merkt: daß sie s t e t s 1 J / g —2 cm s e n k r e c h t u n t e r h a l b dem Köpfchen der Clitoris l i e g t , und dieses in der g e s p a l t e n e n v o r d e r e n K o m m i s s u r der Nymphen zu suchen ist. — Der Scheideneingang(Introitus vaginae) wird von dem H y m e n (Jungfernhäutchen, Valvula vaginae), einer Membran mit Fig. 20. Schleimhautcharakter, umsäumt und dadurch Vulva neonatae. Vagina von Yestibulum abgegrenzt und abUnterhalb der Harngeschlossen. Beim Neugeborenen sieht er röhrenmiindung füllt der trompetenartig aus, als ob eine kurze Schleimhautröhre heraustretende Hyaus dem Introitus vaginae hervorrage men den ganzen In(Fig. 20). Mit der Ausweitung der Scheide troitus vaginae aus. beim Wachstum, wird daraus mehr ein Schamlippen stark gespreizt. wandartiger Abschluß, ein Diaphragma der Scheide. Die Öffnung des Hymen kann zentral liegen (Hymen annularis), gewöhnlich ist sie aber bei dem erwachsenen Weibe nach vorn gerückt, so daß der Hymen hinten breiter ist als vorn (Hymen semilunaris). In Ausnahmefällen hat der Hymen von Geburt an gefehlt oder eine Randlücke gezeigt; selten wird er durch Verletzungen, Noma, Diphtherie, venerische Geschwüre teilweise oder ganz zerstört. Die Erkennung der D e f l o r a t i o n durch Ooitus ist nicht immer leicht. Die Hymenalöffnung kann ursprünglich so weit und so dehnbar sein, daß sich ein Finger leicht einführen läßt; mitunter können zwei Finger oder sogar der Penis passieren, ohne daß eine sichtbare Verletzung entsteht. Bei solcher Überdehnung büßt jedoch der Hymen seine Elastizität vollständig ein, so daß ein sonst bei der Einführung des Fingers sich anspannender Saum nicht mehr gefühlt wird. Man darf deshalb behaupten: wo der

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H y m e n m i t der F i n g e r k u p p e als f e i n e r S a u m zu t a s t e n i s t , h a t eine I m m i s s i o p e n i s n i c h t s t a t t g e f u n d e n . Natürlich kann aber der Saum durch eine andere mechanische Einwirkung als Coitus (z. B. Masturbation) verloren gegangen sein. — Die Regel ist es, daß durch die Kohabitation Einrisse in den Hymen entstehen. Sie liegen meist zu 2—3 am hinteren Umfang, mehr seitlich und verändern nach der Vernarbung das

Caput Glans Crus dit. Nymphe Bulhusvest Hymen Barlholuiische Druse mitAusführum/sgang

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Fig. 21. Wollustorgan des Weibes. Clitoris mit den beiden Crura und dein Caput; der den Introitus vaginae hufeisenförmig umschließende Bulbus vestibuli.

Aussehendes Hymen nur unbedeutend (Fig. 21), so daß man sie erst hei genauer Besichtigung entdeckt. Häufige Wiederholung des Beischlafes erst bringt die Öffnung zum Klaffen. Bei der Geburt werden die Einrisse zahlreicher und tiefer; häufig fallen einzelne Abschnitte der Drucknekrose anheim; es entstehen wirkliche Lücken; die zwischen ihnen stehengebliebenen Reste schrumpfen zu warzenartigen Gebilden zusammen und heißen dann C a r u n c u l a e m y r t i f o r i n e s . — In seltenen Fällen ist die Dehnbarkeit des

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Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

Hymen so überaus groß, daß er selbst nach der Geburt noch einen ununterbrochenen, aber schlaffen Saum darstellt; häufiger jedoch kommt es vor, daß nach einer Entbindung kaum noch eine Andeutung an den Hymen bestehen bleibt. — Nach Abtragung der Schamlippen treten die W o l l u s t organe zutage: B u l b u s v e s t i b u l i und C l i t o r i s (Fig, 21). Ersterer ist ein hufeisenförmiger, aus einem Konvoi ut von Venen bestehender Schwellkörper, welcher Vestibulum und Scheideneingang mit Ausnahme des hinteren Drittels umfaßt. Die Clitoris besteht aus den beiden spindelförmigen, kavernös gebauten Crura clitoridis, welche mit ihren äußeren Ausläufern durch Fascien an das Periost der absteigenden Schambeinäste befestigt sind, während die inneren Enden zu dem unter dem Schambogen liegenden Corpus Clitoridis zusammenlaufen, dessen kleines Köpfchen (Glans oder Capitulum clitoridis) an der vorderen Kommissur der Nymphen hervorguckt. — Unmittelbar hinter den kolbig verdickten Enden der Bulbi vestibuli liegen die bohnengroßen B a r t h o l i n i s c h e n Drüsen, deren 2 cm lange Ausführungsgänge in dem Winkel zwischen Nymphen und Hymenresten, an der Grenze des hinteren Drittels des Introitus vaginae ausmünden. Sie sondern ein graulich-weißes Sekret ab. Über die Crura clitoridis legen sich beiderseits die Musculi ischio-cavernosi; über die Bulbi vestibuli die Musculi bulbocavernosi. Durch Kontraktion dieser Muskeln werden die unter dem Schambogen abführenden Venen komprimiert; die dadurch entstehende strotzende Füllung des Schwellnetzes bildet dann einen automatischen Verschluß der Venen, so daß die Schwellkörper in Erektion geraten. 1 Abnorme Gestaltung der äußeren Geschlechtsteile Größe, Völle, Behaarung der großen Schamlippen, Enge oder Weite der Rima pudendi, Entwickelung des Paniculus adiposus in der Umgebung verleihen der Vulva die „ P h y s i o gnomie". Vulva infantilis. Die Pubertätsentwickelung ist ausgeblieben; die Schamlippen sind klein, die Schamhaare fehlen

Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

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fast ganz. Oft bestehen daneben Entwickelungsstörungen an den inneren Genitalien.

Abnorm starke Entwickelung einzelner Abschnitte der Vulva. Hypertrophie der Nymphen und des Praeputium clitoridis ist unter der Bezeichnung H o t t e n t o t t e n s c h ü r z e bekannt. Sie wird in seltenen Fällen beim Gehen und beim Beischlaf hinderlich und kann dann ohne Gefahr durch Amputation

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Fig. 22. V e r k l e b u n g d e s P r ä putium clitoridis (nach H. K e l l y ) .

Fig. 23. Nach der Lösung sieht man unter dem Präputium kleine Sinegmasteine.

mit folgender Vernähung beseitigt werden. — P e n i s a r t i g e H y p e r t r o p h i e d e r C l i t o r i s ist selten und kann Anlaß zu Amor lesbicus geben, oder auch Folge davon sein. Ist sie nachgewiesenermaßen in Zusammenhang mit anderen Krankheitserscheinungen, so darf die Clitorektomie ausgeführt werden. Mittels Schere oder Messer wird der vorragende Teil amputiert und die lebhafte Blutung durch Unterbindung und Umstechung gestillt. — Entfernung der normalen Clitoris in der Absicht,

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Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

abnorme psychische Zustände oder Epilepsie usw. zu beseitigen, ist verwerflich und nutzlos.

Verklebung des Präputium clitoridis (Fig. 22) ist Folge häufiger Entzündung wegen Smegmazersetzung. Bei gewohnheitsmäßigem Kratzen an den Genitalien muß stets darauf untersucht werden. In hochgradigen Fällen ist das Köpfchen der Clitoris ganz vom Präputium überwachsen. Die Adhäsionen können meist

Fig. 24. Verklebung der Bima pudendi bzw. der Nymphen; Verwachsungsrhaphe ist sichtbar (nach H. Kelly).

Fig. 25. Dasselbe nach der Discisión der Nymphen.

leicht stumpf gelöst werden. Oft trifft man kleine Smegmasteinchen unter dem Präputium (Fig. 23). Gegen die wiederholte Entzündung hilft am besten Reinlichkeit, eventuell desinfizierende Waschung.

Verklebung der Rima pudendi (Fig. 24) ist nicht mit angeborener Atresie, die fast nur bei lebensunfähigen Neugeborenen getroffen wird, zu verwechseln. Die Verklebung betrifft die Nymphen, nur oben ist eine Öffnung f ü r den Urinabfluß geblieben. Sie ist meist Folge von heftigen, häufig wiederholten Entzündungen und wird gewöhnlich in den Kindeljahren erworben. Die Trennung läßt sich in der Regel stumpf vornehmen; nur ausnahmsweise braucht man Messer und Naht (Fig. 2.Vi

Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

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Ödem entsteht sehr leicht an der Vulva. Es beschlägt besonders gerne die großen, aber auch die kleinen Schamlippen und die Umgebung der Harnröhrenmündung. Es bildet sich bei akuter Entzündung infolge kleiner Verletzungen und Infektion an einer Stelle der äußeren Geschlechtsteile. Da das lockere Zellgewebe der Vulva mit demjenigen der Vagina und der Parametrien in direktem Zusammenhang steht, so begleitet Odem regelmäßig infektiöse Vorgänge in der Scheide und ihrer Umgebung. Auch bei Druck auf die Beckenvenen durch Tumoren, mitunter selbst durch den schwangeren Uteras, dann bei allgemeinem Anasarka infolge von Herz- oder Nierenleiden entsteht Vulvaödem. — Bei exzessiven Anschwellungen können Skaritikationen Erleichterung bringen; in der Gravidität sind sie jedoch wegen der Gefahr der Infektion und der Schwangerschaftsunterbrechung zu unterlassen. Varicen an den Schamlippen sind in der Regel aus der Schwangerschaft geblieben; meist ist die eine Seite vorwiegend befallen. — Vergrößern sie sich beständig und fallen sie lästig, so ist vor allem anhaltendes Stehenbleiben und heftige Anstrengung der Bauchpresse zu verbieten. Durch eine etwas massige zwischen den Beinen durchgeführte und an einem Gurte oder am Korsett befestigte T-Binde kann ein Druck auf die Varicen ausgeübt werden. Nur im Notfalle wird man zur operativen Entfernung der dilatierten Venen schreiten.

II Entzündung der äußeren Geschlechtsteile

Vulvitis

Die Sekrete bei Katarrh der Scheide und des Uterus, ebenso diejenigen bei zerfallenden Neubildungen der Genitalien, ferner durch Fisteln abfließender Urin erzeugen Entzündung der Vulva; mechanische Insulte, wie rücksichtslos oder ungeschickt ausgeführter Beischlaf, Notzuchtsversuche usw. führen auch dazu. Sehr häufig ist die Vulvitis Folge gonorrhoischer Infektion; aber auch saprophytische Keime, Bacterium coli und

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Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

Oxyuren können bei unreinlichen Personen Entzündung der äußeren Geschlechtsteile erzeugen. Fettleibigkeit beanlagt dazu. Besonderer Hervorhebung bedarf die V u l v i t i s i n f a n t u m (s. S. 284). Sie beruht sehr oft auf gonorrhoischer Infektion; gewiß ist sie aber auch häufig durch saprophytische Pilze, welche das Smegma zur Zersetzung bringen, oder durch Darmparasiten verursacht; sie zeigt sich gerne bei skrophulöser Diathese. Die S y m p t o m e sind Brennen und Jucken in den äußeren Genitalien; besonders stark wird dies nach angestrengtem Gehen; das Urinlassen verursacht ebenfalls Brennen. Die Vulva und die Innenfläche der Schenkel sind gerötet; die Schamlippen oft ödematös geschwellt und manchmal durch schleimig-eitriges Sekret verklebt; manchmal bilden sich kleine Pusteln oder oberflächliche Exkoriationen; die Inguinaldrüsen sind geschwollen. Bei der B e h a n d l u n g hat man auf Beseitigung der ursächlichen Momente, also irritierender Ausflüsse, mangelhafter Reinlichkeit, das Hauptgewicht zu legen. In erster Linie ist auch das so beliebte Abwaschen der Geschlechtsteile mit einem Schwamm zu verurteilen, weil dadurch stets von neuem infiziert wird. Gegen die Entzündung selbst genügen oftmals regelmäßige Waschungen mit leicht antiseptischen Lösungen und häufiger Wechsel der Wäsche. Bei hartnäckiger Vulvitis verordne man 1 °/ (l0 Sublimat- oder 3 °/ 0 Karbol- oder 1 / 2 % Lysollösung zum Waschen und lasse nachher jeweilen mit Zinksalbe einfetten, oder mit antiseptischem Puder bestäuben. Trotzt die Entzündung dieser Behandlung, so rasiert man die Haare, seift gründlich und lange ein, wäscht ab mit Alkohol oder desinfizierender Lösung und appliziert antiseptische Salbe oder Puder. Immer denke man auch daran, den Urin zu untersuchen, weil Diabetes sehr gerne zu Jucken an den Genitalien und infolge des Kratzens zu Vulvitis führt. — Bei Kindern halte man die Genitalien besonders nach der Defäkation sorgfältig rein, mache Waschungen mit leicht desinfizierenden Lösungen (ohne dabei die Vulva zu irritieren), pudere oder streiche Salbe an. Erysipel der Vulva wird seit Anbruch der antiseptischen Zeitepoche nur selten mehr beobachtet. Bisweilen tritt es bei Neugeborenen auf und führt rasch zum Tode. Es gibt Frauen, welche habituell, namentlich während der Menstruation, erysipelatöse Schwellung der Schamlippen bekommen. Diese müssen durch

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große Reinlichkeit und regelmäßige desinfizierende Waschungen solchen Ausbrüchen zu steuern suchen.

Furunkel und kleine Abszesse kommen an der Vulva und ihrer Umgebung häufiger vor. Sie sind Folge von Talgdrüseninfektion und können durch Reinlichkeit und Desinfektion vermieden werden. Gangrän kann Folge von Quetschung, auch von exzessiver Spannung bei Hämatom oder sehr starkem Odem sein; Erysipel führt mitunter dazu; sodann beobachtet man sie als Komplikation von Pocken, Scharlach, Masern, Typhus, Diphtherie: bei kleinen Kindern kennen wir sie unter der Form von Noma. Therapeutisch werden desinfizierende Waschungen und Umschläge bis zur Abstoßung der gangränösen Fetzen, bei Noma tüchtige Kauterisation mit dem Ferrum candens angewendet. Bartholinitis ist fast immer eine Äußerung gonorrhoischer Infektion. Die Gonokokken dringen mit Vorliebe in die Ausführungsgänge der Bartholinischen Drüsen (s. S. 284). regelmäßig beider, ein und erzeugen Katarrh in ihnen, welcher dann eine außerordentliche Hartnäckigkeit zeigt. Jahrelang kann er, ganz unabhängig von anderen Äußerungen der Gonorrhöe, bestehen bleiben und eine stete Quelle erneuter Infektion anderer Gegenden bilden. Man erkennt ihn an den M a c u l a e g o n o r r h o i c a e , komatenschweif- oder flohstichartige rote Flecken nach außen von den Mündungen der Bartholinischen Ausführungsgänge; sie sind bei näherem Zusehen granuliert, in seltenen Fällen sogar mit eigentlichen Granulomen besetzt. Bei sorgfältiger Bemühung gelingt es etwas trübes Sekret aus den Gängen auszupressen. Auf dem Boden eines solchen Katarrhs kommt es nun häufig zu a k u t e r E n t z ü n d u n g u n d E i t e r u n g ; es entsteht ein Abszeß in der Bartholinischen Drüse selbst oder in einer Ausstülpung ihres Ausführungsganges. Unter heftigem Brennen, oft unter Fieber, schwillt die Schamlippe der betroffenen Seite innerhalb 2 — 3 Tagen stark an und rötet sich. Die Schwellung sitzt namentlich am hinteren Drittel der Labie (Fig. 26); dort hatte man im Beginne der Erkrankung den Entzündungsherd als walnußgroßen empfindlichen Tumor durchgefühlt; jetzt ist jene Gegend so geschwollen, gespannt und schmerzhaft, daß ein genaues Tasten nicht mehr angeht. Nach 1—2 Tagen tritt

4.8

Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

auf der inneren Seite der Schamlippe Fluktuation und nach abermals 1 — 2 Tagen Durchbrach des Abszesses, etwas unterhalb der Mündung des Bartholinischen Ausführungsganges, seltener am Damm oder gar ins Rectum ein. Der ausfließende Eiter ist mißfarben und meist stinkend. Die Fistel schließt sich in wenigen Tagen. War die ganze Drüse vereitert, so erfolgt damit definitive Heilung. Häufig jedoch betraf die Eiterung nur einen Teil der Drüse oder der Abszeß lag in einer Ausbuchtung

Fig. 26.

Bartholinitis mit Abszeßbildung im hinteren Drittel der linken Schamlippe. Präputium clitoridis und Nymphe stark ödematös geschwollen.

des Ausführungsganges; dann kann über kurz oder lang die gleiche Geschichte sich wiederholen. In seltenen Fällen bleibt die Abszeßöffnung als Fistel bestehen und es dauert ein chronisches Stadium von Bartholinitis mit zeitweiser Eiterverhaltung längere Zeit fort. Mitunter ist der Verlauf auch von Anfang an ein chronischer, indem die Drüse nur mäßig anschwillt, wenig empfindlich ist und manchmal bei Druck eine grünliche oder grauliche, schleimig-eitrige Flüssigkeit entleert — Verwechselung eines im hinteren Drittel einer großen Schamlippe sitzenden

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Abszesses mit einem anderen Leiden ist, wenn vereitertes Hämatom ausgeschlossen werden kann, nicht wohl möglich. T h e r a p i e . Bei akutem Verlaufe ist unter symptomatischer Behandlung der Schmerzen abzuwarten, bis deutliche Fluktuation eingetreten ist. DanD incidiert man ausgiebig auf der Innenfläche der Schamlippe, wo die Fluktuation am oberflächlichsten ist, entleert gründlich, stopft die Abszeßhöhle mit Jodoformgaze aus und läßt den Tampon 2—3 Tage lang liegen, bis die Höhle auf ein Minimum sich verkleinert hat. Sitzbäder begünstigen dann die völlige Ausheilung. Vor Rezidiv schützt jedoch nur sicher die E x s t i r p a t i o n der D r ü s e . Man nimmt sie am besten von der Außenseite der Schamlippe aus vor. Die Operation ist nicht so ganz leicht und einfach, denn die Drüse sitzt fest in der Fascia perinaei eingebettet und muß mit Schere oder Messer herauspräpariert werden.

Neubildungen u. Geschwülste an den äußeren Geschlechtsteilen Lipome der Vulva sind sehr selten. Sitzen sie im vorderen Drittel einer Schamlippe, so können sie gelegentlich zur Verwechselung mit Netzbruch Anlaß geben. Fibrome in den großen Labien sind als Raritäten beschrieben worden; sie erreichten beträchtliche Größe und gingen vom Periost des Schambeines oder vom Lig. rotundum aus. E n c h o n d r o m e und Verk n ö c h e r u n g e n der C l i t o r i s , Tel e a n g i e k t a s i e n , A n g i o m e sind ebenso selten beobachtet worden. Molluscum pendulum (Cutis pendula) (Fig. 27) ist etwas häuM e y e r , Frauenkrankheiten.

Fig. 27. Cutis pendula. An Stielen hängende Geschwülste, die sich wie leere Hautbeutel anfühlen und auch so aussehen. 4

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figer. Es stellt an Stielen hängende, längliche, häutig mehrfache Geschwülste von sehr verschiedener Größe dar, die sich weich, fast wie leere Hautbeutel anfühlen und ihrer gefalteten Oberfläche wegen auch so aussehen. Ihr Stiel geht an der Basis in ganz normale, nicht infiltrierte Haut über; häufig sitzen an anderen Körpergegenden ähnliche Gebilde. Bei Unreinlichkeit und durch Reibung beim Gehen können sie gerötet, entzündet, ulceriert werden. Sie wachsen sehr langsam. — Am besten trägt man sie mit Schere oder Messer ab und vernäht oder verschorft den Stiel.

Elephantiasis vulvae (Fig. 28) (Hypertrophie der Epidermis, Infiltration der Cutis und des subku|M| tanen Bindegewebes mit Rundzellen, «j starke Erweiterung der Lymphgefäße) kommt in den Tropen ziemlich häufig vor und ist durch l||fe. Verstopfung und Zerstörung der «EBtev if Lymphgefäße oder -drüsen infolge K^^^M^ sJjS'jF/ff Einwanderung der Filaria hervorgerufen, Bei uns entsteht sie mitunter nach wiederholtem Erysipel, hie und da auf luetischer Basis; ... ' „ doch auch ohne bekannte Ätiologie. "xl^Ä? Vorwiegend beteiligen sich die i >' ¿ f L großen Schamlippen, seltener die j» T ^ r' Nymphen und die Clitoris. Die ¿^^J. Neubildung, anfänglich breit aufK sitzend und undeutlich begrenzt. SpIli® entwickelt sich langsam zu einem ^SSMf^^^WWywt^^^ keulenförmig, selbst bis zum Knie Fig. 28. herunterhängenden Tumor. — Im Elephantiasis nympharum Beginn kann man glauben, es (nach v. Win ekel). mit chronischem Ödem oder chronischer Lymphangitis zu tun zu haben. Hat sich ein hängender Tumor gebildet, so ist die Diagnose leichter. Die Härte der Geschwulst und die Infiltration der Haut an der Basis unterscheiden sie vom Molluscum; das tumorartige Wachstum und das Fehlen des Zerfalls vom Ulcus rodens, Lupus und anderen Geschwüren, Die Geschwulst ist nicht empfindlich. Die Beschwerden entsprechen im allgemeinen der

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Grötie des Tumors; doch können auch schon kleinere durch ihre Lage unangenehm werden bei der Urin- oder Stuhlentleerung. — Der Entfernung mit Messer und Schere stehen meist keine Schwierigkeiten entgegen.

Das Lymphangioma cysticum vulvae (Fig. 29) ist mit der vorigen Affektion verwandt. Es handelt sieh dabei um eine Erweiterung und Umbildung von Lymphgefäßen, welche sämtliche Hautschichten befällt. Die großen Schamlippen sind geschwellt und mit dichtstehenden Stecknadelkopf- bis erbsengroßen Bläschen

Fig. 29. Lymphangioma cysticum vulvae. Labien geschwollen und mit dicht stehenden Bläschen und Knötchen besetzt, welche dilatierte Lymphgefäße darstellen (nach H e u s s ) .

und warzenartigen Hervorragungen besetzt, welche eben die dilatierten Lymphgefäße darstellen. Auch dieses Leiden kann nach Erysipel auftreten. Heilung bringt wohl nur die Exstirpation der erkrankten Gegend. Ulcus rodens (franz. Esthiomöne) wird vorzüglich nur bei Dirnen der niedersten Sorte beobachtet. Es stellt ein chronisches, langsam in der Fläche weiter fressendes Geschwür mit starkem 4*

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Erkrankungen der äußeren Geschlechtsteile

Ödem der Umgebung dar (Fig. 30). Beginnend in der Umgebung der Harnröhre oder in der Fossa navicularis greift es, der Rinne zwischen großen und kleinen Schamlippen folgend, langsam in die Umgebung hinein. Seine Ränder sind unregelmäßig ausgefressen, da und dort etwas unterminiert, a b e r n i c h t i n f i l t r i e r t o d e r i n d u r i e r t . Ränder und Grund des Geschwürs unterscheiden sich überhaupt nur insofern von der ödematösen Umgebung, als an einzelnen Stellen etwas graulicher, zarter Belag und ein dünn flüssiges, oft rötlich gefärbtes Sekret liegt. Das Ganze sieht glänzend, etwas durchscheinend, anämisch aus.

OcdcmräösyeschruoUene Nymphe Ulcus

Fig. 30. Ulcus rodens s. Esthiomene. Auf der Innenfläche der stark geschwollenen linken Nymphe liegt ein talergroßes Geschwür mit unregelmäßig begrenzten Rändern und zernagtem Grande, ohne starke Reizerscheinungen, insbesondere keine Rötung und geringe Sekretion.

Hat das Geschwür beträchtlichere Ausdehnung erreicht, so schwillt die ganze Vulva stark an, wird hart und höckerig und bläulich; jetzt wird auch das Allgemeinbefinden schwer angegriffen; schließlich kann die Patientin an Kachexie zugrunde gehen. — Die Natur des Leidens ist dunkel; der mikroskopische Befund ergibt nichts Charakteristisches; er ähnelt dem Bilde der Elephantiasis: Verdickung der Epidermis, Vermehrung des fibrillären Bindegewebes, stellenweise kleinzellige Infiltration; starke Erweiterung der Blut- und Lymphgefäße. — Aussehen und Ver-

Erkrankungen b o t h i (Schleimretention jr in den Drüsen) erscheinen, f besonders, wenn durch alte / JrW' 'flv Narben (Fig. 96) oder über / *v die Oberfläche vorragende \ Ovula Nabothi die Portio eine unebene, knollige und sehr derbe Beschaffenheit f aufweist. Aber sie ist dabei mit glatter SchleimV ^ll^pi^jjgjpffi haut bedeckt, durchweiche v oft die Follikel durch• scheinen; sie bietet elastische Konsistenz und läßt Fig. 97. die Sonde nicht einbohren Hypertrophie der Portio vaginalis. noch mittels des FingerPortio dick, Muttermund stark eingerissen, nagels Bröckel von der seine Händer wulstig, verhärtet, höckerig; Oberfläche abkratzen. — von Ungeübten mit carcinomatöser InfilBei p a p i l l ä r e n oder tration zu verwechseln. f o l l i k u l ä r e n Erosionen fehlen indurierte Ränder; sie umgeben meist gleichmäßig den Muttermund, besitzen eine glänzende und hochrote Oberfläche, die allerdings oft auch leicht blutet, aber nicht abbröckelt beim Kratzen. — D e c u b i t u s g e s c h w ü r e bei Prolaps lassen den Muttermund meist frei; sie zeigen am Rande einen Narbensaum, ihr Grund ist fein granuliert, aber nicht induriert. — Drucku s u r e n , durch Pessarien verursacht, sind länglich, fast immer sitzen sie in den seitlichen Scheidengewölben und heilen rasch nach Entfernung des Pessars. — D i p h t h e r i t i s c h oder

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k r o u p ö s b e l e g t e oder nach Ätzungen zurückbleibende Geschwüre sind fetzig und zeigen keinen infiltrierten Gvund. — T u b e r k u l ö s e U l c e r a liegen cirkulär um den Muttermund, besitzen scharfe, aber oft unterminierte Ränder; ihr Grund ist gelblich, feingekrönt, höckerig. Fast ausnahmslos werden tuberkulöse Erkrankungen anderer Organe oder miliare Knötchen in der Umgebung oder Tuberkulose an Uterus, Tuben, Ovarien, Peritoneum die Zweifel lösen helfen. — S p i t z e K o n d y l o m e können zur Seltenheit papillomatöse Tumoren auch an der Portio bilden; doch fehlt dabei die infiltrierte, leicht zerstörbare Basis; zudem wird man ihresgleichen an der Vulva und in der Vagina finden. — U l c e r a s y p h i l i t i c a kommen zur Seltenheit an der Portio vor und können sich in den Cervikalkanal hinein erstrecken. Wenn sie nicht multipel und wenn neben dem Geschwür nicht ulcerierte Papeln oder Gummata zu sehen sind, so kann die Differentialdiagnose sehr schwierig sein und erst die mikroskopische Untersuchung oder die Behandlung sichere Entscheidung bringen. — C e r v i x m y o m e zeigen beim Zerfall nie die spröde, b r ö c k l i g e Konsistenz wie CarFig. 98. Plattenepithelkrebs der cinome und sind rundlicher, Portio vaginalis (Runge). regelmäßiger und schärfer beAlveolärer Bau. grenzt. — Eitrige Vaginitis vetularum mit Verengerung der Scheide und buchtiger, rigider Beschaffenheit der Gewölbe sieht manchmal verdächtig aus; doch spricht der geringe Zerfall bei so diffuser Ausbreitung der Affektion gegen Krebs. — Überall da, wo die Diagnose nicht mit genügender Sicherheit zu stellen ist, muß das M i k r o s k o p zu Hilfe genommen werden; d e n n s i c h a u f d e n w e i t e r e n V e r l a u f v e r l a s s e n z u w o l l e n , i s t e i n e b ö s e P f l i c h t v e r g e s s e n h e i t . Zu dem Zwecke wird aus der verdächtigen Stelle ein Stückchen excidiert. Man

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Neubildungen des Uterus

stellt die Portio im Rinnenspeculum ein, setzt in der Nähe der betreffenden Stelle eine Kugelzange ins gesunde Gewebe ein, zieht sie in den Introitus herab und schneidet mit Schere oder Messer einen Keil heraus, dessen Basis zur Hälfte Neubildung, zur anderen Hälfte gesundes Gewebe enthält. Die Blutung wird durch Umstechung oder feste Tamponade mit Jodoformgaze gestillt. — Das m i k r o s k o p i s c h e Bild (Fig. 98) zeigt Maschenräume (Alveolen), die mit epithelialen Zellen angefüllt sind. Die Alveolen sind eng oder weit, rundlich oder länglich oder unregelmäßig gestaltet, durch dünnere oder dickere mehr oder weniger kleinzellig

Fig. 99. Krebsknoten der Portio vaginalis, aus normalem vielschichtigem Epithelbelag zapfenförmig einwuchernd (nach Kichelot).

infiltrierte Bindegewebeschichten voneinander geschieden. Die Epithelien können größer oder kleiner sein, lockerer oder dichter gedrängt liegen; da und dort sind sie konzentrisch zu Perlen geordnet. Nur selten wird man eine Einwucherung eines Carcinomknotens vom Epithel der Vaginalportion aus so schön im Beginn antreffen, wie Figur 99 es zeigt. Ist die karzinomatöse Struktur nicht durch zapfenförmige Einwucherung von Oberflächenepithel ins Gewebe, sondern durch Wucherung von Drüsenepithel zustande gekommen, so können die Alveolen von bloß einer einzigen Schichte Epithel ausgekleidet sein; es handelt sich dann um sehr starke Vermehrung der Drüsenräume, um sogenanntes D r ü s e n -

Neubildungen des Uterus

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carcinom oder malignes Adenom. Andere Male findet sich das Epithel in den Drüsen zwei-, dreischichtig, doch bleibt das Centrum frei (drüsige, adenoide, glanduläre Form). Mitunter zeigt in ganz ausgefüllten Alveolen das Centrum der Epithelmasse Entartung. Ist die Diagnose auf Carcinom gestellt, so kommt es darauf an zu entscheiden, ob die N e u b i l d u n g auf die Cervix bes c h r ä n k t oder b e r e i t s auf die N a c h b a r s c h a f t ü b e r gegangen sei. Über den Zustand der Scheide gibt Untersuchung mit Finger und durch Speculum bestimmten Aufschluß; schwieriger ist die Ausbreitung auf Parametrium und Drüsen festzustellen. Eine b e s c h r ä n k t e B e w e g l i c h k e i t des U t e r u s bei der bimanuellen Palpation, noch mehr beim Herabziehen der Cervix mittels Hakenzange weist auf Elastizitätsverlust der Bänder wegen carcinomatöser oder doch entzündlicher Infiltration. Freilich kann es sich dabei um alte Entzündungen, aber ebensowohl um Ausläufer der die Neubildung umgebenden entzündlichen Zone handeln. Knollige Verdickungen im Verlaufe der Bänder bei der Untersuchung per rectum sprechen für schon erfolgte bösartigo Infiltration; bei erst entzündlicher Infiltration fühlen sie sich gleichmäßig verdickt, derb, schmerzhaft an. — Nur selten wird man an der hinteren Beckenwand mit Sicherheit ergriffene D r ü s e n tasten können. — Auch der Zustand des Uterus und der Adnexe muß festgestellt werden. Ob sie von der Neubildung bereits ergriffen sind, ist meist schwierig zu entscheiden; besitzt aber auch nicht die große Wichtigkeit wie der Übergang auf Scheide und Parametrium. Prognose. Weil die Drüsen bei Cervix carcinom relativ spät ergriffen werden und Metastasen ziemlich selten vorkommen, so sind die Aussichten auf R a d i k a l h e i l u n g besser als bei vielen anderen Carcinomen. Vorbedingung für gute Prognose ist aber auch hier f r ü h z e i t i g e Operation. Leider eignet sich bei weitem die Mehrzahl der Krebsfälle, welche wir zur Untersuchung bekommen, schon nicht mehr für eine Radikaloperation. Die Hauptschuld liegt eben daran, daß die Cervixkrebse im A n f a n g s y m p t o m l o s verlaufen, hierauf lange Zeit bloß atypische Blutungen machen, denen die Frauen, weil sie meist in der auch sonst so häufig mit unregelmäßiger Menstruation verbundenen Abänderungszeit auftreten, nicht genügende Wichtigkeit beimessen. Um so s t r e n g e r ist es P f l i c h t des

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Neubildungen des Uterus

A r z t e s , bei a t y p i s c h e n B l u t u n g e n ö r t l i c h zu untersuchen und zwar s o g l e i c h , t r o t z der B l u t u n g und auch d o r t , wo a l l e n f a l l s a n d e r e v e r d ä c h t i g e E r s c h e i n u n g e n wieder a u f g e h ö r t haben. P f l i c h t des A r z t e s i s t es a b e r auch, s o f o r t ein s i c h e r e s U n t e r s u c h u n g s r e s u l t a t zu gewinnen, und wo ihm dies n i c h t g e l i n g t , ohne Z ö g e r n einen K o l l e g e n beizuziehen oder die P a t i e n t i n ihm zuzuschicken. Bei richtigem Vorgehen wird nur sehr selten eine Frau die Untersuchung verweigern; im Notfall darf ihr der Verdacht auf Krebs eröffnet werden. T h e r a p i e . Von einer f r ü h z e i t i g e n T o t a l e x s t i r p a t i o n des U t e r u s i s t d a u e r n d e H e i l u n g zu erhoffen. Die Ausführung der Operation per vaginam ist leicht und gibt nur 6—8 °/ 0 Todesfälle, insofern die Neubildung auf den Uterus beschränkt ist, d. h. die Scheidengewölbe frei, normal dehnbar sind, der Uterus volle Beweglichkeit zeigt, namentlich bis in den Introitus vaginae herabgezogen werden kann. — Nierenaffektionen, Diabetes, Herz-, Lungen-, Leberleiden bilden Kontraindikationen. A u s f ü h r u n g . Excochleation (s. unten) und Desinfektion. Hervorziehen des Bestes der Portio und Umschneidung letzterer behufs Abtrennung der Scheidengewölbe. Stumpfes Zurückschieben der Blase und Eröffnung des vesico-uterinen Baumes. Spaltung des Douglas. Umstechung und Abtrennung der seitlichen Verbindungen der Cervix im Beckenboden. Hervorholen des Fundus uteri vorn oder hinten. Abbinden und Absetzen der Tuben und des Bestes der Ligg. lata (gesunde Eierstöcke können zurückgelassen werden). Nach definitiver Blutstillung werden die Stümpfe beiderseits in die Scheidengewölbe eingenäht und Peritonealsack samt Scheidenwunde geschlossen. Die Ligaturen stoßen sich im Verlaufe einiger Wochen ab. In der Überzeugung, daß stets auch die Parametrien, sowie die Beckendrüsen mitentfernt werden müssen, um sich vor Rezidiv möglichst zu schützen, wird von vielen Gynäkologen der abdom i n a l e Weg eingeschlagen. Manche von ihnen lassen sich auch durch den Übergang der Neubildung auf die Umgebung nicht abschrecken und exstirpieren Scheide, Parametrien und übriges Beckengewebe, wenn sie ergriffen sind, präparieren die Ureteren aus carcinomatösem Gewebe frei, suchen alle Drüsen des Beckens ab und schneiden sie heraus. Diese Methode hat ihre

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Probe noch nicht einwandfrei bestanden; es bleibt der Zukunft und genauerer Erfahrung vorbehalten, ob ihre viel größere Gefährlichkeit durch bessere Dauererfolge und namentlich auch durch einen größeren Prozentsatz überhaupt geheilter Krebsfälle aufgewogen werde. — Frauen, bei welchen die Neubildung schon auf die Nachbarschaft übergegangen ist und bei welchen deshalb eine Totalexstirpation per vaginam als zwecklos betrachtet wird, können bei entsprechender Palliativbehandlung oft noch recht lange ein annehmbares Leben fristen. Weshalb sollte man bei ihnen einen großen Eingriff machen, der die Entfernung alles Krankhaften vom Abdomen aus bezweckt, sie jedoch kaum länger rezidivfrei ließe als der erträgliche Zustand ohne Operation gedauert hätte? Gedenkt man zudem noch der großen Schmerzen, des langen Krankenlagers, der vielen Sorgen und Aufregungen, welche eine solche Operation mit sich bringt, so ist es wahrlich den Leuten nicht zu verargen, wenn sie sich nicht zu dem Eingriffe entschließen können. Die p a l l i a t i v e B e h a n d l u n g hat gegen Blutungen, Ausfluß, Jauchung und gegen die Schmerzen sich zu wehren. Da die ersteren durch Zerfall der Krebswucherung verursacht und unterhalten werden, so löffelt man diese am besten möglichst vollständig aus (Excochleatio) und appliziert darauf das Glüheisen. Dies hat selbstverständlich nur dann Sinn und Erfolg, wenn leicht bröckelnde, zerdrückbare Krebswucherungen in größeren Massen vorhanden sind. Es wäre ein Fehler, in einem harten, wenig blutenden Knoten oder in einer starrwandigen Jauchehöhle ohne fungöse Wucherungen herumzukratzen oder -zubrennen. Auch Fistelbildung, sowie zu großer Kräftezerfall kontraindizieren den Eingriff. Die A u s f ü h r u n g geht so: In Narkose macht man die Neubildung, über deren Ausbreitung man sich vorher durch bimanuelle Tastung genau orientiert hat, im Rinnenspiegel gut ansichtig; ein allfälliger derberer Rest der Portio wird angehakt und angezogen. Dann räumt man mit Finger und großem, flachem Löffel oder Curette sämtliche bröcklige Wucherungen möglichst vollständig, d. h. bis man auf festes, knisterndes Gewebe gelangt, aus; vor Blase, Mastdarm, Bauchfell hat man sich beständig in acht zu nehmen. Einzelne anhängende Gewebsfetzen oder Brücken schneidet man mit der Schere ab. Die ziemlich stark blutende Wundfläche wird kalt abgespült, abgetupft und nun mit dem Kugelbrenner des Paquelin oder mit glühenden Meyer, Frauenkrankheiten.

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Neubildungen des Uteros

Eisen energisch und wiederholt bearbeitet. Gegen das Heißwerden der Specula schützt der kalte Wasserstrahl; noch besser ist es, nasse Wattebäusche oder Kompressen unter sie zu legen oder hölzerne Spiegel zu benutzen. Zum Schluß wird die ausgebrannte Höhle mit Jodoformgaze fest ausgestopft. Nach einigen Tagen entfernt man den Tampon und verordnet antiseptische Spülungen. Am 8.—10. Tage kann die Kranke das Bett verlassen. Ähnlich wie das Ferrum candens wirkt ein auf die Wundfläche während 3—5 Minuten aufgedrückter, in 50 °/0 Chlorz i n k l ö s u n g getränkter, aber ausgedrückter Wattebausch. Die Ätzung geht dabei etwas tiefer als beim Glühen; Liegenlassen eines solchen T a m p o n s h ä t t e u n k o n t r o l l i e r b a r e Zers t ö r u n g e n ins gesunde Gewebe hinein zur Folge. Einige Tage nach der Excochleatio mit Yerschorfang des Grundes beginnt Eiterung und Granulation; nach einigen Wochen ist die Höhle zusammengeschrumpft und vernarbt, so daß Blutung und Absonderung aufhören; die Patientin erholt sich prächtig. Doch nach Wochen oder Monaten beginnt das alte Leid wieder; jetzt treten häufig die Schmerzen des nach innen wuchernden Krebses in den Vordergrund, während Blutung und Jauchung noch längere Zeit ausbleiben können. — Ausnahmsweise folgt nach dem Eingriffe Allgemeininfektion und die Kranke geht an Sepsis zugrunde; oder eine sich vorbereitende Fistel bricht durch. — Gegen die Schmerzen wirken im Anfang heiße Umschläge in Form von Kataplasmen oder Prießnitz recht wohltätig. Auch Antipyrin, Phenacetin, Analgesin usw. vermögen jetzt die Schmerzen noch zu mildern. Bald aber muß man zu Opiaten greifen. Dabei ist wohl zu bedenken, daß der Tod oft lange auf sich warten läßt und nur stets steigende Dosen den Schmerz zu dämmen vermögen; man sei deshalb anfänglich möglichst zurückhaltend damit. Nun gilt es, durch taktvolle psychische Beeinflussung der armen Frau ihren Zustand erträglich zu machen, sie durch Hoffnungen darüber hinwegzutäuschen, bis Umnachtung des Bewußtseins das Übrige tut. Wo gegen Blutung oder Jauchung eine Excochleatio nicht in Frage kommt (s. oben), haben Spülungen oft guten Erfolg, wenn man dem Wasser Kalium hypermanganicum (eine kleine Messerspitze auf 1 Liter Wasser), Lysol (1/2 °/0), Alsol, Alkohol, Liquor ferri sesquichl. usw. beifügt. Noch wirksamer ist die austrocknende Behandlung durch wiederholtes Einlegen von Jodoformgaze, oder Tampons, die mit Jodoformtannin, Bor:

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Neubildungen des Uterus

tannin, Mirmol, Dermatol, Airol usw. bestreut, oder in Alcohol. absol. getränkt, oder von Gazesäckchen, welche mit den angegebenen Pulvern gefüllt sind. —• Parenchymatöse Injektionen von Methylenblau oder Alcohol. absol. ins Krebsgewebe sind schmerzhaft und leisten nicht mehr als eine Excochleatio.

b) Carcinoma corporis uteri Carcinoma corporis ist mindestens 10 mal seltener als Collumkrebs. Es ist das Alter zwischen 50 und 60 Jahren bevorzugt; vor dem 35. Jahre kommt es fast nicht vor; relativ häufig findet man es bei Nulliparen.

Fig. 100. C&reinoma corporis uteri

in vorgeschrittenem Stadium. Metastasen im 1. Lig. rotund. und latum. Fast das ganze Corpus uteri ist von einer hirnähnlichen höckerigen, weichen Masse ausgefüllt, welche tief in die Wandung eingewuchert ist; die Cervix ist ganz frei davon.

P a t h o l o g i s c h e Anatomie (Fig. 100). Das Carcinoma corporis geht immer von der S c h l e i m h a u t aus und kann entweder d i f f u s die ganze Mucosa ergreifen oder auf eine u m s c h r i e b e n e Stelle beschränkt bleiben; im letzteren Falle wächst es gewöhnlich zum P o l y p e n aus, seltener dringt es in die Muscularis ein und wölbt sich auf der Außenfläche des Uterus buckelig vor. Bei Annäherung ans Peritoneum entsteht adhäsive Peritonitis. Hie und da setzt sich die Neubildung auf die Cervix fort. Die Beckendrüsen werden relativ spät ergriffen; leichter erkranken die Tuben und Ovarien; weiter entfernte Metastasen sind selten. — 13*

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Neubildungen des Uterus

Mikroskopisches Bild. Schläuche, mehr oder weniger angefüllt mit cylindrischen, oft auch polyedrischen Epithelzellen, sind durch bald recht ansehnliche, bald verschwindend dünne, kaum wahrnehmbare bindegewebige Septa voneinander geschieden. Manchmal hat man es mehr mit adenomartigen Formen zu tun: enorme Wucherung und Vermehrung von Drüsenschläuchen mit einschichtigem Epithel, ganz wie bei der fungösen Endometritis (Adenoma benignum). Bei der Durchmusterung zahlreicher Präparate findet man aber doch schließlich einzelne Drüsen, in welchen die E p i t h e l i e n zwei- oder m e h r s c h i c h t i g liegen, woraus der Carcinomcharakter hervorgeht. Als Seltenheiten sind Plattenepithelkrebse des Corpus uteri beschrieben worden. Symptome. A u s f l u ß , B l u t u n g , später J a u c h u n g , Schmerzen. Ein heller, wässeriger, fad riechender Ausfluß bildet oft das Initialsymptom, dann zeigen sich mehr oder weniger profuse Blutungen, mitunter in regelmäßigen Abständen, so daß man an Wiedereintritt der Menstruation denkt. Zwischen den Blutungen dauert ein rötlicher Ausfluß an, der nun bald übelriechend wird. —- Die Schmerzen treten selten im Beginn, meist erst im späteren Verlaufe auf und steigern sich nach und nach zu unerträglicher Höhe. Häufig zeigen sie sich in Anfällen, manchmal periodisch zu bestimmten Tageszeiten; hie und da setzen sie längere Zeit aus. Diagnose. Findet man bei einer Trau, die zwischen den Menses oder jenseits der Menopause blutet, die Cervix unversehrt, so kann es sich um Endometritis, intrauterinen Polyp, submucöses Myom, aber aüch um bösartige Neubildung des Corpus uteri handeln. In all diesen Fällen fühlt man den Uterus vergrößert, meist von regelmäßiger Gestalt, oft an einzelnen Stellen etwas weicher und empfindlich, auch tastet man bei der Sondierung Unebenheiten auf der Innenfläche. K l a r h e i t b r i n g t erst eine P r o b e a u s s c h a b u n g . — In vorgerückteren Stadien kann man gewöhnlich durch den klaffenden Cervikalkanal in den vergrößerten, weichen Uterus eindringen und mit dem Finger einzelne Bröckel der Neubildung abkratzen. Mitunter werden solche auch spontan ausgestoßen. Prognose. Wird rechtzeitig der Uterus entfernt, so sind die Aussichten auf dauernde Heilung besser als bei Carcinoma colli. Dementsprechend ist auch der Verlauf durchschnittlich langsamer als bei letzterem, wenn nicht operiert wird; die Frauen sterben dann an Kachexie oder Peritonitis infolge Durchbruchs;

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sie können auch einer heftigen Blutung direkt erliegen oder an Embolie oder Darmverschluß durch peritonitische Verwachsungen zugrunde gehen.

3. Sarcoma uteri

a) Sarcoma cervicis Das Sarkom der Cervix ist sehr selten. Es geht von der Cervikalschleimhaut aus und beginnt in der Nähe des Muttermundes als polypöse W u c h e r u n g , die weicher und morscher ist als ein gewöhnlicher Schleimpolyp. Rasch wächst es zu einem t r a u b e n f ö r m i g e n Tumor heran, welcher gestielt aus dem Orificium heraushängt, aus leicht abgeplatteten, erbsengroßen Exkreszenzen besteht und bald die ganze Scheide ausfüllt. Hie und da findet sich Knorpel- oder Muskelgewebe in der Neubildung. Metastasen in Lunge, Beckendrüsen, Parametrium sind häufig.

b) Sarcoma corporis Man unterscheidet das Sarkom der Uteruswand und das Sarkom der Schleimhaut. Beide sind selten. Sie kommen in jedem Alter vor; Schleimhautsarkome sind schon mehrmals bei Kindern beobachtet worden. 1. Das Sarkom der U t e r u s w a n d ist die häufigere Form und darf als Myosarkom bezeichnet werden, weil es meist eine sarkomatöse Entartung eines Myom darstellt. Nur selten entsteht es primär in der Uteruswand. Oft beginnt die Entartung eines Myom herdweise im Innern und ist am Präparat makroskopisch an der weißen Farbe und der weichen, markigen Konsistenz zu erkennen. Cystische oder myxomatöse Degeneration solcher Sarkome kommt selten vor. Metastasen in Lunge, Leber, Peritoneum, Vagina, Wirbelsäule sind beobachtet worden. Mikroskopisch sieht man Haufen größerer oder kleinerer, runder oder spindelförmiger Zellen mit neugebildeten Gefäßchen durch dünne Züge Bindegewebe voneinander geschieden. — Symptome. Anfänglich bestehen die gleichen Symptome wie bei Myom. Mit der sarkomatösen Entartung fängt der

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Tumor rascher zu wachsen an; zugleich wird er weiöh«r und bietet nach und nach F s e u d o f l u k t u a t i o n . Blutungen, welche nach der Klimax vielleicht aufgehört hatten, treten wieder auf, werden stärker. Der Zerfall der Neubildung geht mit starkem, bald ü b e l r i e c h e n d e m A u s f l u ß von leicht r ö t l i c h e r Färb u n g einher; öfters sind ihm größere Bröckel abgestoßener Geschwulstmassen von markigem Aussehen beigemengt. Bald stellen sich Schmerzen und Kachexie ein und steigern sich rasch, erstere zeigen oft periodische Paroxysmen. Mitunter tritt der Tumor im Muttermund zum Vorschein. — Diagnose. Easches W a c h s t u m , W i e d e r e i n t r i t t von B l u t u n g und A u s f l u ß , A u f t r e t e n von Schmerz u n d J a u c h u n g bei einem myomatösen T u m o r j e n s e i t s der Menopause in V e r b i n d u n g m i t f o r t s c h r e i t e n d e m Zerf a l l der K r ä f t e und A b m a g e r u n g deuten auf sarkomatöse E n t a r t u n g . Gesichert kann die Diagnose nur werden durch mikroskopische Untersuchung abgegangener oder abgekratzter Bröckel oder Polypen. — Die P r o g n o s e ist schlecht; auch nach Entfernung des Uterus folgt in der Regel bald Rezidiv. Nur bei beschränkter und genau lokalisierter Entartung eines Myom ist Aussicht auf dauernde Heilung vorhanden. Das Wachstum eines Sarkom kann sehr rasch gehen; es sind sarkomatöse Tumoren des Uterus aber auch schon lange Jahre herumgetragen worden. Freilich ist es jeweilen schwierig, zu sagen, wann die bösartige Degeneration eines Myom eingetreten sei. 2. Das S c h l e i m h a u t s a r k o m kommt in P o l y p e n f o r m vor oder ergreift die Schleimhaut d i f f u s . Die Polypen widerstehen dem Zerfalle oft sehr lang und unterscheiden sich im Aussehen und den Symptomen wenig von unschuldigen Schleimpolypen: Grund genug, jeden entfernten Uteruspolypen auf Malignität zu untersuchen. — Bei der diffusen Form ist der Uterus um das 3—4 fache vergrößert, weich, oft elastisch, seine Oberfläche glatt, seine Gestalt erhalten. Auf dem Wanddurchschnitte sieht man außen die Muscularis stark hypertrophiert, da und dort ist die Neubildung in sie eingewuchert. Die sarkomatös gewucherte Schleimhaut erreicht stellenweise eine Dicke von 4—5 cm, zeigt graue Färbung, ist markig, hirnähnlich; ihre Oberfläche ist unregelmäßig höckerig. Die Uterushöhle ist erweitert und enthält zerfallende Bröckel der Neubildung; die Tubenmündungen sind überwuchert, oft wird auch der innere

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Muttermund verschlossen; dann bildet sich eine Hämatometra, deren Inhalt fungöse Massen der Neubildung beigemischt sind. Andere Male klafft im Gegenteil der Muttermund weit und läßt die Massen in die Scheide herabhängen. — S y m p t o m e und Diagnose. Blutung, Ausfluß, Schmerz, Kachexie. Der Ausfluß ist wässerig, meist rötlich gefärbt, bald jauchig. Blutungen bleiben oft längere Zeit aus; bildet sich Hämatometra, so hören beide auf. Schmerzen treten meist erst spät auf, anfangs in Paroxysmen, dann fortdauernd. — Der Uterus ist um das 3—4fache v e r g r ö ß e r t , von normaler Gestalt, ohne Formunregelmäßigkeiten, dabei weich wie in der Schwangerschaft oder elastisch. Bei weitem Muttermund fühlt der eingeführte Finger die f u n g ö s e n Massen. Die Entscheidung bringt die mikroskopische U n t e r s u c h u n g eines mit dem Finger oder der Curette herausgeholten Bröckels; doch bietet die Unterscheidung von interstitieller Endometritis oft Schwierigkeiten. Annähernd gleiche Größe und Färbbarkeit der Zellen spricht für einen gutartigen Prozeß; starke Größenunterschiede, zahlreiche Kernteilungsfiguren, mangelnde Färbbarkeit einzelner Gewebspartien für Sarkom. — Prognose. Die Kachexie schreitet langsam vor; denn die Krankheit dauert durchschnittlich 8—4 Jahre. Metastasen sind nicht häufig und treten meist in der Lunge auf. Tod erfolgt an Marasmus, Sepsis, selten an Metastasen, an Darmverschluß, wenn das Peritoneum und die Därme ergriffen werden. — Durch frühzeitige Operation kann ungefähr das nämliche erreicht werden, wie bei Carcinoma corporis uteri.

4 . Syncytioma malignum Das Syncytiom entwickelt sich nach A b o r t u s , besonders wenn Blasenmole bestanden hatte, mitunter auch nach n o r m a l v e r l a u f e n e r S c h w a n g e r s c h a f t , sehr selten in der Tube nach Tubarschwangerschaft. Es entsteht aus zurückgebliebenen Resten des Chorionepithels und zwar sowohl der Langhans'schen Schichte wie namentlich des Syncytium. Histologisch besteht es deshalb zum Teil aus rundlichen oder ovoiden Zellen mit deutlicher Zellenmembran und schönem Kern; zum größeren Teil aber aus Protoplasmahaufen, welche unregelmäßig zerstreute Kerne, aber keine Zellgrenzen wahrnehmen lassen und da und dort Vacuolen

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oder rothe und. weiße Blutkörperchen in sich schließen. Wir haben hier die m e r k w ü r d i g e Tatsache, daß fötales Gewebe auf m ü t t e r l i c h e m Boden sich i m p l a n t i e r t und zu einer das m ü t t e r l i c h e Gewebe d e s t r u i e r e n d e n , metastasierenden N e u b i l d u n g h e r a n w u c h e r t . Makroskopisch (Fig. 101) stellt das Syncytiom einfache oder multiple erbsen- bis nußgroße Knollen dar, welche der Schleimhaut aufsitzen, sich langsam in die Fläche ausbreiten, sehr rasch aber auch zerstörend in die Muskelwand eindringen, bis unter das

Fig. 101. Syncytiom» uteri. U — normale UteruBwand. 8 = Wucherungen der Neubildung.

Peritoneum treten, ja es durchlöchern. Die Neubildung besitzt grauliche Farbe, erscheint aber durch Blutergüsse oft bräunlich oder gelblich und ist weich, zerdrückbar. Sie bildet Metastasen in der Uteruswand, der Vagina, den Ligg. lata, den Eierstöcken und besonders in den L u n g e n , seltener in der Leber, dem Diaphragma, den Nieren, dem Darm. — S y m p t o m e . Das Hauptsymptom bilden B l u t u n g e n , welche ein bis mehrere Monate, in seltenen Fällen erst 1 bis

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2 Jahre nach Abortus oder Geburt bald plötzlich und profus, bald zunächst nur als blutig gefärbter Ausfluß auftreten. Ausschabung hilft nur vorübergehend. Bald kommt es zu j a u c h i g e m A u s f l u ß und Kachexie. In ca. 90 °/0 treten Metastasen, besonders in die Lunge auf. Die Neubildung wächst sehr rasch und führt durchschnittlich in 6—8 Monaten zum Tode an Kachexie, Sepsis, Metastasen. — Diagnose. Stets muß man bei h a r t n ä c k i g e n Blut u n g e n nach A b o r t u s oder G e b u r t , besonders wenn eine Blasenmole ausgestoßen worden war, nicht bloß an Eireste, sondern auch an S y n c y t i o m denken. Wächst der Uterus, zeigt er an einzelnen Stellen weichere Konsistenz, so ist die Sache verdächtig. Oft bleibt der Muttermund so weit klaffend, daß man mit einem Pinger eindringen und die Uterushöhle austasten kann. Eine Abrasio mit genauer mikroskopischer Untersuchung des Ausgeschabten wird Klarheit bringen. Nicht selten unterstützen Metastasen in der Scheide die Diagnose. — P r o g n o s e und Therapie. Das Syncytiom ist als sehr b ö s a r t i g e N e u b i l d u n g zu betrachten und sofort die E x s t i r patio u t e r i auszuführen. Ausnahmsweise blieb nach bloßer Ausschabung eine Weiterentwickelung der Neubildung aus; doch darf man sich nicht darauf verlassen; man tut besser, durch schleunige Ausschaltung des Syncytiom einer Metastase zuvorzukommen.

V Die Erkrankungen der Eileiter Anatomische Vorbemerkungen Unter Adnexe (Anhänge) des Uterus verstehen wir Eileiter und Eierstöcke mit Ligg. lata. Od

Fig. 102. L i n k s s e i t i g e U t e r u B a n h ä n g e v o n h i n t e n (nach Henle). XJt = Uterus. — LI — Lig. latum. — Od = Isthmus tubae. — O d'= Ampulla tubae. — Oa = Ostium abdom. tubae. — i = Infundibulum tubae. — F o = Fimbria ovarica. — i o = Lig. infundibulo-ovaricum. — o = Ovarium. — L o — Lig ovaricum. — E o = Epoophoron, durch Abpräparierung des hinteren Blattes des Lig. latum freigelegt. — ip = Lig. infundibulo-pelvicum. — * = Gefaßzweig der Art. ovarica.

Die E i l e i t e r ( T u b a e F a l l o p i a e , O v i d u c t e ) zeigen beim Fötus 6 — 7 korkzieherartige Windungen; beim Neugeborenen sind nur noch ihrer 4 erhalten und diese verstreichen gegen die Pubertät zu mit dem Wachstum des Beckenraumes immer mehr. Die Tube der geschlechtsreifen Frau (Fig. 102) besitzt an ihrem

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Endstücke eine deutliche Abbiegung nach hinten und unten, so daß sie den Eierstock in einem Bogen umfaßt. Sie stellt eine dünnwandige muskulöse Röhre dar, welche in der oberen Umschlagsfalte des Lig. latum verläuft. Das Lig. latum ist also das Mesenterium der Tube und wird nicht mit Unrecht Mesosalpinx genannt. Der uterinwärts von der Abbiegung liegende Teil heißt P a r s i s t h m i c a ; der nach außen liegende P a r s a b d o m i n a l i s oder A m p u l l a tubae. Ihre Gesamtlänge beträgt 10—12 cm;

Fig. 103. Querschnitt durch die Ampulla s. Pars abdom. tubae. Die Schleimhaut zeigt eine das weite Lumen völlig ausfüllende, baumförmig verzweigte Längsfaltung.

sie kann aber bedeutend gedehnt werden, wie z. B. beim Wachstum einer Cyste im Lig. latum (Fig. 115). Auch erweiterungsfähig ist sie in hohem Grade bei Ansammlung von Flüssigkeit in ihrem Innern (Fig. 106). Ihre Lichtung ist am engsten, solange sie in der Uteruswand verläuft, d. h. in der P a r s i n t e r s t i t i a l i s ; hier dringt nur eine feine Sonde durch. Gegen das Abdominalende zu wird sie immer weiter, so daß sie in der Ampulle 7—9 mm im Durchmesser beträgt; unmittelbar vor der Ausmündung verengt sie sich wieder auf ca. 2 mm. I n f u n d i b u l u m (Trichter) oder Morsus Diaboli oder P a v i l l o n nennt man die von den Fransen oder Fimbrien um-

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kränzte Mündung der Tube. Die F i m b r i e n sind meist an den Bändern gezackt, tragen an der Innenfläche Schleimhaut, auf der Außenfläche Peritonealüberzug. Eine derselben ist besonders stark entwickelt und verläuft nach dem Ovarium zu; sie wird F i m b r i a ovarica genannt. Sehr häufig hängen am Infundibulum kleine, mit klarer Flüssigkeit gefüllte Cystchen, sog. Endhydatiden. Die S c h l e i m h a u t dei T u b e zeigt in der Ampulle eine sehr reiche, auf dem Querschnitt baumförmig verzweigte Längsfaltung, welche das weite Lumen völlig ausfüllt (Fig. 103) und auch auf die Fimbrien übergeht. In der Pars isthmica ist die

Fig. 104. Querschnitt durch die Pars isthmica tubae. Die Wandung ist dicker, das Lumen kleiner, die Längsfaltung der Schleimhaut viel weniger stark ausgebildet als in der Pars abdom.

Längsfaltung viel weniger stark ausgesprochen; die einzelnen Falten niedrig (Fig. 104). — Flimmerndes Cylinderepithel bedeckt in der Geschlechtsreife die Schleimhaut. Die E i e r s t ö c k e sind beim Neugeborenen länglich, derart abgeplattet, daß sie auf dem Querschnitt 3kantig erscheinen. Mit der Pubertät werden sie mehr ovoid, zeigen jedoch einen leichten Grad der Abplattung. Form, Größe und Oberfläche wechseln stark. Im Durchschnitt messen sie 3,5 : 2,5 :1,2 cm. Im Alter schrumpfen sie; werden hart und walzenförmig. Das normale Ovarium ist durchaus beweglich, oft zeigt es bei Druck etwas

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Empfindlichkeit. Vor der Ovulationszeit ist seine Oberfläche glatt; die geborstenen und vernarbten Follikel verleihen ihm ein unregelmäßiges oft ganz zerklüftetes Aussehen. Das Ovarium liegt gleich unterhalb der L. innominata, am inneren Rande des M. psoas (Fig. 47). Das linke findet man gewöhnlich ein wenig weiter vorn als das rechte. In dieser Lage wird es erhalten einerseits durch das aus dem Tubenwinkel kommende Lig. ovarii; anderseits durch das Lig. inf u n d i b u l o - p e l v i c u m . Letzteres ist eine Tube Bauchfellfalte, welche die Yasa spermatica von der Nierengegend her zwischen die beiden Blätter des Lig. latum, gerade dort, wo es zwischen Tubenende und Eierstock frei endet, geleitet und dadurch mit Tube und Eierstock in Verbindung tritt (Fig. 47, 102, 118). Der Eierstock ragt frei in die Bauchhöhle hinein, als ob er durch ein Loch des hinteren Blattes des Lig. latum aus dem Parametriüm hineingeschlüpft wäre; die nächste Umgebung des Hilns hat noch einen kurzen Überzug dieses Blattes mitbekommen (Fig. 105); die Grenze dieser Peritoneal- Fig. 105. Durchschnitt des Lig. labedeckung ist makroskopisch an jedem Eier- tum in der Gegend stocke als weiße, leicht zackige Linie zu des Ovarium. sehen. In der oberen UmDer Teil des Lig. latum, welcher schlagfalte liegt die Das Ovarium zwischen Eierstock und Tube liegt, heißt Tube. ragt frei in die BauchAla v e s p e r t i l i o n i s . In ihm findet sich höhle hinein, als ob das P a r o v a r i u m ( E p o o p h o r o n , Rosen- es aus einem Loche m ü l l e r ' s c h e s Organ, Nebeneierstock) des hinteren Blattes herausgewachsen (Fig. 102). Es besteht aus einem zum Ei- wäre; es bekommt von leiter parallelen Gange, in welchen vom letzterem noch eine Hilus ovarii aus 12—15 feinere Kanälchen kurze Peritonealmanchette. einmünden: der Rest des Wo 1 ff'sehen Körpers. Der Hauptgang war der Wolff'sche Gang; er ist oft noch auf der Höhe des inneren Muttermundes neben der Cervix zu finden; Überbleibsel desselben trifft man auch häufig noch submucös in der Scheide bis zum Introitus; aus ihnen entstehen meist die Seheidencysten. — Wenn auch die enge anatomische Verbindung der Uterusanhänge, Tube, Ovarium und Ligamentum latum es mit sich

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bringt, daß sie von Entzündung sehr häufig zusammen ergriffen werden und es deshalb begründet erscheint, den Begriff „Adnexitis" aufrecht zu erhalten, so rechtfertigt anderseits die gänzlich verschiedene physiologische Punktion, sowie auch das Vorkommen isolierter Salpingitis und Oophoritis eine gesonderte Besprechung.

I Die Entzündung der Eileiter

Salpingitis

Ätiologie. Noch weniger als bei der Metro-Endometritis geht es an bei der Salpingitis die Entzündung der Schleimhaut von derjenigen der Wandung scharf trennen und gesondert besprechen zu wollen. Auch hier nimmt die Entzündung meist ihren Anfang in der Schleimhaut und kann vorwiegend auf sie beschränkt bleiben; aber fast immer wird wiederum sehr bald die Muscularis und selbst das Peritoneum mehr oder weniger stark ergriffen. — I n f e k t i o n bildet die Hauptursache derselben; es ist überhaupt fraglich, ob nichtinfektiöse Formen angenommen werden dürfen. Die Keime haben ihren Zugang in der Regel vom Uterus aus längs der Schleimhaut gefunden; nur die Tuberkelbazillen nehmen meist den umgekehrten Weg, indem sie vom tuberkulös erkrankten Peritoneum durch das Ostium abdominale in die Tube eindringen. In seltenen Fällen breitet sich die Infektion durch die Lymphbahnen (septische Infektion), bei anderen Allgemeinerkrankungen (z. B. akuten Exanthemen) auch durch die Blutbahnen fort, endlich kann eine Keimeinwanderung aus Nachbarorganen, besonders Därmen, durch Vermittelung von Adhäsionen stattfinden. Wohl in 9 / I 0 aller Fälle ist der Gonococcus als Krankheitserreger anzuschuldigen. Bei septischen Infektionen nach Geburt oder Abort, dann nach chirurgischen Eingriffen oder kleinen Manipulationen (Sondierung, Dilatation) oder bei Abszeß bildung anderwärts, ferner bei Carcinoma corporis, auch bei Myomen können Streptokokken oder Staphylokokken den Weg zur Tube finden. Von verklebten Därmen oder Darmabszessen (Perityphlitis) aus wandert das Bacterium coli ein. Ausnahms-

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weise hat man auch Pneumokokken (ohne Pneumonie) in entzündeten Tuben entdeckt; ebenso den Strahlenpilz (Actinomyces) und Saprophyten. — Im Tubeneiter findet man in wohl der Hälfte der Fälle keine Keime mehr — P a t h o l o g i s c h e A n a t o m i e . Meist ist Salpingitis d o p p e l s e i t i g , so zwar, daß kurz nach der Erkrankung der einen Seite auch diejenige der anderen folgt. — Als Regel wird die Schleimhaut zuerst ergriffen ( E n d o s a l p i n g i t i s , S a l p i n g i t i s c a t a r r h a l i s ) . Die Mitbeteiligung der Tubenwand zeigt sich an der V e r d i c k u n g , s t ä r k e r e n S c h l ä n g e l u n g u n d I n j e k t i o n und häufig an p e r i t o n e a l e n V e r k l e b u n g e n mit der Umgebung. Manchmal finden sich und zwar besonders am uterinen Ende der Tube

Oüahum.

Fig. 106. Salpingitis isthmica nodosa. Am uterinen Ende der Tube finden sich knotenförmige, harte Verdickungen aus Bindegewebe in der Wandung. Über die Pars abdominalis zieht ein Adhäsionsstrang.

knotenförmige, harte, bis haselnußgroße, aus Bindegewebe bestehende Verdickungen in der Tubenwand ( S a l p i n g i t i s i s t h mica nodosa) (Fig. 106). Bei längerer Dauer der Entzündung verlieren die Epithelien der Schleimhaut ihre Flimmerhaare und gehen nach und nach zugrunde. Die Schleimhaut erscheint gerötet und sondert ein dickliches Sekret, aus abgestoßenen Zellen und Eiterkörperchen bestehend, ab. Ihre vorher hypertrophischen, d. h. durch kleinzellige Infiltration verdickten Falten beginnen einzuschmelzen; viele derselben verkleben miteinander und bilden zwischen sich abgeschlossene Hohlräume, welche sich mit Flüssigkeit füllen und wie Retentionscysten von Drüsen oder wie Follikel aussehen ( S a l p i n g i t i s p s e u d o f o l l i c u l a r i s ) . — Die Wandung der Tube wird stärker verdickt ( S a l p i n g i t i s i n t e r -

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stitialis), anfänglich hypertrophiert die Muscularis, doch tritt nach und nach an die Stelle der Muskelzellen Bindegewebe. Kann die Schleimhaut aus den ersten Stadien der katarrhalischen Entzündung sich wieder regenerieren, so kommt nach so tiefgreifenden Zerstörungen eine Ausheilung nur durch eine Art von S k l e r o s i e r u n g zustande: die Muscularis schwindet, an ihre Stelle tritt faseriges Bindegewebe; die Tube stellt schließlich

Fig. 107. D o p p e l s e i t i g e r P y o a a l p i n x von hinten gesehen. Die Tubensäcke sind nach hinten gesunken und mit dem Uterus verwachsen. Beiderseits sind die Ovarien zu „Adnextumoren" mit ihnen vereinigt. Die Tubenöffnung ist links von Adhäsionen Überwachsen ; rechts haben sich die Fimbrien eingekrempelt und sind in einer strahligen Narbe zusammengeschweißt. Zwischen den Kolben beider Säcke besteht eine breite Furche. Die uterinen Enden der Tuben sind stark verdickt und durch Infiltration der Wand sehr derb.

nur noch einen dünnen, harten Strang, ihre Schleimhaut eine dünne Schichte mit glatter Oberfläche dar; in seltenen Fällen obliteriert sogar das Lumen. Viel häufiger jedoch kommt es am abdominalen Ende, wo die Entzündung mit Vorliebe sitzt, zu a b k a p s e l n d e n Verwachsungen. Die fransen verkleben mit der Umgebung, d. h.

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mit Ovarium oder Beckenwand, Uterus, Lig. latum, Darm. Oder es stülpen sich die Fimbrien ringsherum gegen die Tubenöffnung ein und verkleben unter sich mit ihrer äußeren, d. h. peritonealen Seite (Fig. 107). In dem einen, wie im anderen Falle ist dadurch ein schützender Abschluß gegen die Bauchhöhle geschaffen. Die Folge ist aber anderseits auch eine Stauung der ins Innere der Tube abgesonderten Flüssigkeit; und da regelmäßig durch Schwellung der Schleimhaut oder Obliteration auch ein Verschluß des engen Ostium uterinum zustande kommt, entsteht ein abgeschlossener Sack, in welchem das Sekret sich ansammelt (Sactosalpinx). Ist der retinierte Inhalt Eiter, so spricht maa von Pyosalpinx; ist er mehr seröser Natur von Hydrosalpinx; ist er blutig von iHämatosalpinx. 1. Die P y o s a l p i n x s ä c k e (Fig. 107) sind oft nur klein; selten werden sie faustgroß; ausnahmsweise hat man kindskopfgroße beobachtet. Meist zeigen sie K e u l e n g e s t a l t mit dem dickeren Teil am Abdominalende und erstreckt sich die Erweiterung nur auf die Ampulle; doch wird mitunter die ganze Tube in einen unregelmäßig gewundenen wurstförmigen Sack umgewandelt. Die Säcke sind gewöhnlich d o p p e l s e i t i g ; ist nur eine Seite ergriffen, so ist es häufiger die linke und bei Doppelseitigkeit übertrifft der linke Pyosalpinx meist den rechten an Größe. Der I n h a l t ist bei gonorrhoischem Ursprung dünnflüssiger bis rahmartiger, gelblich-grüner Eiter. Gonokokken sind nur in etwa l j i der Fälle noch auffindbar. Bei tuberkulösem Pyosalpinx trifft man zähen, käsigen, atheromartigen, gelblichen Eiter. Die Tuberkelbazillen sind in den Knötchen der Wand nachweisbar. — Die Wandungen verdünnen sich mit zunehmendem Wachstum des Sackes in unregelmäßiger Weise; dagegen bedecken sie sich bald mit P s e u d o m e m b r a n e n und gehen mit der Umgebung reichlich Verwachsungen ein. Oft wird es dadurch ungemein schwierig, aus einem „Adnextumor" nach Ablösung der Därme und Ausschälung des Ovarium den Pyosalpinx zu isolieren. Nicht so selten hat der Eiter die Wandung der Tube an einer oder mehreren Stellen durchbrochen und sitzt nun zwischen den S c h w a r t e n u n d v e r l ö t e t e n Organen. Findet R u p t u r in die freie Bauchhöhle statt — ein glücklicherweise seltenes Ereignis — so folgt, falls der Inhalt nicht steril war, tödliche Peritonitis. Andere Male kommt D u r c h b r u c h in ein verwachsenes Organ: Dünndarm, Mastdarm, Blase Meyer, Frauenkrankheiten.

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oder auch durch die Bauchdecken zustande. Ausnahmsweise tritt Stieldrehung ein. Ob ein Pyosalpinx ein oder mehrere Male in den Uterus durchbrechen resp. sich d u r c h das O s t i u m u t e r i n u m e n t l e e r e n k a n n , ist fraglich. Die Beobachtungen, welche dies dartun sollten, sind nicht einwandfrei. 2. H y d r o s a l p i n x (Fig. 108) ist seltener als Pyosalpinx. Er entsteht entweder aus einem alten Pyosalpinx nach Aufhören der entzündlichen Erscheinungen, oder er bildet sich, wenn eine Tube mit nur leicht katarrhalisch entzündeter Schleimhaut verschlossen

Fig. 108.

Hydrosalpinx.

Der Sack zeigt geringe Windung^ nur der Einschnitt zwischen Ampulle und Pars isthmica ist deutlicher, so daß das Ganze Retortenform bekommt. Verwachsungen mit Ovarium. Partielle Inversion der Fimbrien, nur Stummel derselben sitzen noch, der Fliege am Apfel ähnlich, am äußeren Pole des Sackes. Der Stiel gegen den Uterus ist dünn geblieben. (Nach Fournier.)

worden ist. — Der I n h a l t ist serös, oft nur wenig getrübt, stark eiweißhaltig, mit Leukocyten und Epithel mehr oder weniger versetzt. — Die Geschwulst kann sogar kindskopfgroß werden und zeigt öfters Verwachsungen mit der Umgebung. Durch die starke D e h n u n g ohne bedeutende entzündliche Infiltration werden Mucosa und Muscularis verdünnt und atrophisch; das Epithel verliert die Flimmern und geht mit 'der Zeit zugrunde.. Die Falten der Schleimhaut, auch die Windungen der Tube verstreichen; das Organ wird darmähnlich; nur der Einschnitt, welcher die Grenze zwischen Ampulle und dam dünneren mar

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dianen Teil der Tube bildet, bleibt noch bemerkbar, so daß das Ganze R e t o r t e n f o r m bekommt. — Hie und da bleibt das Ostium uterinum offen und von Zeit zu Zeit entleert sich der Inhalt durch den Uterus nach außen ( H y d r o p s t u b a e p r o f l u e n s ) ; manchmal gelingt es, die Entleerung durch bimanuellen Druck zu bewerkstelligen. wird wegen der Sterilität des einem dünnen soliden Strang

Katarrh, wie er bei Cholera, im Genitalrohr führen nicht selten auch zu Blutansamm- Fig. 109. Tubarabort (nach H.Kelly). lung in der Tube (s. S. 294). Das in der Ampulle der Tube angeAm allerhäufigsten gibt aber siedelte Eichen ist frühzeitig zugrunde gegangen; Blutgerinnsel samt der deciT u b a r s c h wanger schaft dualen Schleimhaut haben unter TubarAnlaß dazu (Fig. 109). Die wehen das Orfic. abdom. eröffnet und Ausdehnung der Tube ist hängen nun ans derselben heraus; die selten über kinderfaustgroß. Ausstoßung des Eies ist eine unvollDas Blut liegt entweder ge- ständige; es besteht Abortus incompletus. Dabei kann die Blutung zum ronnen der Wandung an, Stehen kommen, meist dauert sie aber oder es ist flüssig, sieht fort und bildet sich eine größere Hämatocele retrouterina. schokoladeähnlich aus. Die Sackwandung ist verdünnt und häufig mit der Umgebung verwachsen. 4. T u b o - O v a r i a l c y s t e n (Fig. 110) entstehen dann, wenn ein Sactosalpinx mit einer Ovarialcyste verwächst und die Zwischenwand durchbrochen wird, oder wenn an einer Stelle des Ovarium, welche die Fimbrien überwachsen hatten, aus einem geborstenen 14*

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Follikel eine Cyste sich bildet. Die Cyste kann bis kindskopfgroß werden; ihr Inhalt ist meist hell, serös. Eine Einschnürung markiert die Grenze zwischen Tube und Ovarium. Adhäsionen umhüllen gewöhnlich die Geschwulst. Bei Vereiterung entsteht ein Tubo-Ovarialabszeß. — Die Sactosalpinxtumoren fallen ö f t e r s nach h i n t e n hinab, legen sich ans Lig. latum an und verwachsen mit diesem und mit den Douglas'schen Falten. Noch häufiger sinken sie tief in den Douglas'schen Baum hinein, legen sich der hinteren seitlichen Fläche des Uterus an und verkleben mit ihr (Fig. 107). Sehr selten gleiten sie über das Lig. latum hinüber auf die vordere Seite oder verwachsen mit dem Fundus uteri oder in der Fossa iliaca mit der Beckenwand. Selten auch drängt sich der Tumor zwischen beide Blätter des Lig. latum hinein nach dem Beckenboden Zu. — Tuienampulle

Ovarialcyste

Liqam.

ovar

Ovarium

Fig. 110. Tubo-Ovarialcyste. Die erweiterte Tubenampulle ist mit einer kleineren Ovarialcyste verwachsen und die Zwischenwand eingeschmolzen; eine Furche zeigt noch deutlich die Grenze zwischen beiden.

Symptome. In a k u t einsetzenden schweren Fällen oder bei heftigen Exacerbationen werden die Erscheinungen der Salpingitis durch die begleitende Metro-Endometritis oder Pelveoperitonitis verdeckt; eine genaue Untersuchung ist dann wegen der Schmerzhaftigkeit nicht möglich. Aber auch nach Ablauf des akuten Stadium und bei mehr chronisch verlaufenden Fällen bieten die Symptome nichts Charakteristisches. Die Haupterscheinungen sind Schmerz, S t ö r u n g e n der M e n s t r u a t i o n , Sterilität.

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In der Regel treten die Beschwerden allmählich zunehmend ein. Die Frauen klagen über einen stechenden, bohrenden Schmerz in einer oder beiden Seiten des Leibes mit Ausstrahlung nach allen Seiten; er steigert sich bei Anstrengung, geschlechtlichen Aufregungen, oft beim Stuhlgang. Er tritt meist in Anfällen mit krampfartigem Charakter auf; wahrscheinlich handelt es sich dabei um T u b e n w e h e n . Häufig bedeutet solch ein Anfall eine Verschlimmerung des Leidens; oder er leitet ein Rezidiv nach längerer Ruhe ein. In anderen Fällen tritt er fast regelmäßig zu bestimmten Tageszeiten, besonders nachts, auf ( C o l i c a scort a r u m ) . Es darf der Grad der anatomischen Veränderungen nicht nach der Intensität des Schmerzes beurteilt werden. Einfache Salpingitis catarrhalis ohne palpable Veränderungen kann die heftigsten Schmerzanfälle machen, während mitunter große Pyosalpinxsäcke außerordentlich wenig Beschwerden verursachen; dies letztere gilt namentlich für die tuberkulöse Gattung. Die M e n s t r u a t i o n ist meist verstärkt, oft unregelmäßig anteponierend, und von Schmerzen begleitet, die vorher einsetzen und selten mit dem Eintritt der Blutung sistieren, sondern über die ganze Dauor der Menstruation anhalten. Mitunter bringt indes die Periode einen Nachlaß der Beschwerden. Dyspeptische Erscheinungen, Auftreibung des Leibes, Verstopfung, Appetitlosigkeit, ferner Harnbeschwerden gesellen sich häufig hinzu. Das A l l g e m e i n b e f i n d e n wird a n g e g r i f f e n ; die Frauen werden mager und blaß, verlieren den Lebensmut und die Arbeitslust. Nur sehr akutes Einsetzen oder heftige Rezidive machen Fieber. S t e r i l i t ä t muß bei Salpingitis als Regel betrachtet werden. Auch in leichten Fällen erleiden die Epithelien Veränderungen, welche der Wanderung des Eichens hinderlich sind. Da häufig ein Wochenbett nach Abort oder Geburt der Anlaß zur Infektion der Tube gibt, so begegnet man bei Salpingitis oft E i n k i n d e r s t e r i l i t ä t oder S t e r i l i t ä t nach A b o r t . Umgekehrt erlebt man es, daß eine Frau, welche wegen Salpingitis steril war, nach vielen Jahren endlich konzipiert, weil unterdessen die Salpingitis ausgeheilt ist. — D i a g n o s e . Die Anamnese ist für die Stellung der Diagnose von entschiedenem Werte. H ä u f i g schlössen sich die B e s c h w e r d e n an eine G e b u r t oder einen A b o r t an, in deren G e f o l g e l e i c h t e s F i e b e r a u f g e t r e t e n war. Oder sie be-

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gannen bald nach der H e i r a t , nachdem Brennen in den äußeren Genitalien, Ausfluß, Blasenbeschwerden vorausgegangen waren. Von Wichtigkeit ist auch die Angabe, daß das Leiden in m e h r e r e n , a l l m ä h l i c h sich s t e i g e r n d e n Schüben auftrat und erst mit der Zeit dauernde Beschwerden sich ausbildeten. Die bimanuelle Untersuchung kann nur zu einer Zeit relativer Ruhe deutlichere Resultate geben. Während akuter Stadien hindert die begleitende Pelveoperitonitis eine genauere Palpation. Man sei unter solchen Umständen auch mit einer Narkosenuntersuchung zurückhaltend, um derbes Zupacken und stärkere Zerrungen zu vermeiden; denn sonst könnte ein Abszeß zum Bersten gebracht, oder doch Eiter aus der offenen Tube in die Bauchhöhle gestrichen werden. Im chronischen S t a d i u m fühlt man die verdickte Tube als federkiel- bis fingerdicken Strang von ungleicher Konsistenz; häufig ist das uterine Ende besonders hart und zeigt verschiedene Knötchen ( S a l p i n g i t i s nodosa, Fig. 106). Recht oft verläuft die verdickte Tube gegen den Douglas zu und ist dort oder an der Hinterwand des Uterus adhärent. Deutliche Anschwellung gegen das Abdominalende zu deutet auf Sactosalpinx. Pyosalpinxsäcke sind fast nie frei beweglich; sie bieten h a r t e Konsistenz, solange sie klein sind; aber auch Säcke von Birngröße f l u k t u i e r e n n i c h t d e u t l i c h wegen i h r e r dicken W a n d u n g und der a u f g e l a g e r t e n S c h w a r t e n ; nur große Tumoren bieten, wenigstens an einzelnen Stellen, Fluktuation. — Kleinere Tumoren besitzen K e u l e n f o r m , sind wenig geschlängelt, größere sind mehr kugelig. In einzelnen Fällen kann das Ovarium an seiner vermehrten Konsistenz erkannt werden, in der Regel ist es aber so innig mit dem Pyosalpinx zusammengebacken, daß eine gesonderte Palpation nicht angeht. Durch einen größeren einseitigen Tumor kann der Uterus nach der entgegengesetzten Seite verdrängt sein; doppelseitige elevieren ihn etwas. Haben sich beiderseits Säcke auf die Rückseite des Uterus gelagert und sind sie dort verlötet, so fühlt man zwischen beiden Tumoren eine mehr oder weniger breite Furche (Fig. 107). — Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Diagnose gibt uns die P a l p a t i o n des Stiels, d. h. des uterinen Endes der Tube: es beteiligt sich fast nie an der Sackbildung, hingegen zeigt es immer eine derbe Verdickung. Allerdings ist es sehr oft wegen der Verwachsungen und Auflagerungen nicht mit Bestimmtheit zu tasten (Fig. 111). Es gibt nicht so selten

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Adnextumoren, welche selbst an der Leiche kaum aus ihren Verwachsungen mit Netz, Darm, Uterus, parietalem Peritoneum herauszupräparieren sind; diese soll man nicht an der Lebenden genau deuten wollen. Doppelseitigkeit spricht im Zweifel für Pyosalpinx. Jedes p e r i t o n i t i s c h e E x s u d a t , welches beiderseits um U t e r u s sitzt, sehr h a r t n ä c k i g ist oder rezid i v i e r t , e n t h ä l t w a h r s c h e i n l i c h als Kern einen e i t r i g e n A d n e x t u m o r , der dann erst nach Abnahme des Exsudates als solcher sich entpuppt.

Fig. 111. Doppelseitige Adnextumoren (Pyosalpinx)

in peritonitische Exsudate eingehüllt; dem Uterus innig anliegend und mit ihm verwachsen, doch von ihm abgrenzbar; Stiel wegen der Exsudatmassen nicht zu tasten.

Gleichzeitige Tuberkulose des Peritoneum, des Darmes, der Lungen usw. Spricht für t u b e r k u l ö s e N a t u r des Pyosalpinx, mit einiger Wahrscheinlichkeit auch Amenorrhoe und geringe Schmerzhaftigkeit der Tumoren. Bestehen keine solchen Anhaltspunkte, so darf man G o n o r r h ö e als Ursache annehmen. Auf septischen U r s p r u n g deutet das Auftreten- nach Geburt oder

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Abort mit leichtem Fieber im Wochenbett, wenn schon auch hier der Gonococcus sehr häufig der eigentliche Sünder ist. Die Unterscheidung zwischen Pyosalpinx und P e r i t y p h l i t i s kann unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen. Gewöhnlich werden zwar entzündliche Tumoren, welche man bimanuell tasten kann, von den Genitalien ausgehen; doch langt ausnahmsweise ein entzündeter Processus vermiformis auch bis tief in den Douglas herab, kann dort adhärent und in Exsudatmassen eingehüllt sein. Gar nicht selten geht ja auch die Entzündung vom Appendix auf die Tube oder umgekehrt über und besteht Appendicitis neben Salpingitis. Zur Unterscheidung eines Hydrosalpinx von einem Pyosalpinx kann man beiziehen: geringere Schmerzhaftigkeit, im allgemeinen größere Beweglichkeit, bedeutendere Größe, längere Form, eventuell die Ausdrückbarkeit des Inhaltes nach dem Uterus zu, langes Bestehen ohne fieberhafte Exacerbationen, schleichende Entwickelung. — Prognose. Leichtere Formen der Salpingitis können nach langer Zeit ausheilen. Jede stärkere Tubenentzündung bedingt Sterilität und gefährdet durch heftigere Exacerbationen, sowie durch Bildung von Sactosalpinx die Gesundheit in hohem Grade. Kleinere Pyosalpinxsäcke können wahrscheinlich durch Eindicknng und Resorption ihres Inhaltes nach Jahren verschwinden. Anderseits gefährdet ihre Anwesenheit durch Stieltorsion und Ruptur das Leben. Größere Säcke können nach spontanem Durchbruch zusammenschrumpfen. Therapie. Bei f r i s c h e r E r k r a n k u n g oder Rezidiv mit a k u t e m C h a r a k t e r ist absolute B e t t r u h e erforderlich; auf den Leib kommt bei Fieber eine Eisblase, sonst ein Heißw a s s e r u m s c h l a g ; daneben sorgt man für regelmäßige Stulentleerung, verordnet eine reizlose Diät und verbietet jede g e s c h l e c h t l i c h e A u f r e g u n g . Gegen sehr heftige Schmerzen gestattet man O p i u m s u p p o s i t o r i e n ä 3—5 cg. Die Untersuchung wird aufs allernotwendigste beschränkt; denn selbst geringer Druck hat oft Verschlimmerung mit Anstieg der Temperatur und Vermehrung der Schmerzen zur Folge. Nach 2—8 Wochen wird das akute Stadium vorbei sein. Auch im c h r o n i s c h e n S t a d i u m führen längere Bettr u h e in Verbindung mit h y d r o p a t h i s c h e n Umschlägen, R e g u l i e r u n g des S t u h l g a n g s , S c h e i d e n s p ü l u n g e n , wenn

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Sactosalpinx nicht besteht, am ehesten zu Besserung. Da die Patientinnen während der langen Heilungsdauer nicht beständig an die strengen Vorschriften sich halten können, erneute Schädlichkeiten, namentlich gonorrhoische Reinfektion fast unvermeidlich sind, so dauert der halb invalide Zustand solcher Frauen in der Regel viele Jahre. Durch eine gewisse A n g e w ö h n u n g an die Einwirkung der Gonokokken und anderer Keime, durch Abschwächung und allmähliche Ausrottung der Organismen kommt es schließlich doch zur fast völligen Ausheilung; es bleiben nur Verwachsungen zurück. — Vor jeder vielgeschäftigen lokalen Behandlung ist zu warnen; Tampons in der Scheide z. B., Skarifikationen, Massage sind von zweifelhaftem Werte und wirken oft direkt schädlich. Noch z u r ü c k h a l t e n d e r muß man m i t j e d e m i n t r a u t e r i n e n E i n g r i f f e sein; an intrauterine Ätzungen, Spülungen, Einspritzungen usw. schließen sich häufig akute Verschlimmerungen an. Nur wo zugleich eine hypertrophierende Endometritis besteht und diese als Quelle der Tubeninfektion betrachtet werden muß, wirkt bei Abwesenheit von Reizerscheinungen und von Sactosalpinx eine A u s s c h a b u n g nach vorausgeschickter Dilatation oft ausgezeichnet günstig auf die Salpingitis.— Kommt man mit dieser palliativen Behandlung an kein Ziel, so darf man der Frau die E x s t i r p a t i o n der e n t z ü n d e t e n T u b e n vorschlagen. Eine genaue Bestimmung, unter welchen Umständen und nach wie langer Zeit eine Operation indiziert sei, ist nicht leicht zu geben. Soziale Verhältnisse dürfen hier mitsprechen. Eine Frau, welche gezwungen ist, durch ihrer Hände Arbeit die Familie durchzubringen, wird uns früher zur Operation drängen und geneigt machen als eine reiche Dame, welcher alle Mittel zu Gebote stehen, auch ohne Operation schließlich geheilt zu werden. Wo Sactosalpinx vorhanden ist, bleibt der einzige Weg zur Heilung die Operation. Auf die in seltenen Fällen eintretende spontane Schrumpfung kleiner Säcke darf man nicht bauen. Freilich gilt auch hier das vorhin über die Salpingitis ohne Sackbildung und über die soziale Stellung der Kranken Gesagte. Wo möglich, soll ä f r o i d , d. h. nach Ablauf akuter Schübe und Ausschaltung der die Eiterung bewirkenden Keime operiert werden; nur wenn ein Eiterherd durchzubrechen droht oder bereits durchgebrochen ist, muß, um eine allgemeine Peritonitis zu verhüten, sofort eingegriffen werden.

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Die typische Operation ist die S a l p i n g o t o m i e , d. h. die Entfernung der einen oder beider erkrankten Tuben. Wenn auch die Ovarien wegen starker Verwachsungen oder Veränderungen mit entfernt werden müssen, so spricht man von SalpingoOvarektomie. — Die Operation kann auf vaginalem oder auf abdominellem Wege ausgeführt werden; bei stark gegen die Scheide sich vordrängenden Tumoren wird man den ersteren, bei höher liegenden den zweiten wählen. Wenn man von unten durch die Kolpotomia anterior, event. posterior operiert, so kann die Lösung der Verwachsungen Schwierigkeiten bereiten, namentlich läuft man Gefahr, bei Darmadhäsionen den Darm oder doch seine Serosa zu verletzen; auch die Blutstillung kann Verlegenheiten bringen. Jedoch entleeren sich allfällig eröffnete Eitersäcke viel leichter nach der Scheide zu und kann besser drainiert werden. Bei der abdominellen Operation handelt es sich zuerst um die Auslösung der Tube und meist auch des Eierstockes aus den zahlreichen Verwachsungen. Häufig wird dabei der Tubensack oder ein in Adhäsionen sitzender Eiterherd eröffnet. Man hat also von vornherein das umgebende Peritoneum vor dem ausfließenden Eiter durch Kompressen zu schützen. Glücklicherweise ist der Eiter in der Hälfte der Fälle steril und ungefährlich. Ist der Tumor frei, so wird er abgebunden und das Adhäsionsbett mit Peritoneum übernäht oder drainiert. Da hiebei der Uterus, also der ursprüngliche Infektionsherd, zurückbleibt und in fast der Hälfte der Fälle die Beschwerden durch Fortdauer der Entzündung weiter bestehen, bevorzugen viele Operateure eine radikalere Operation, indem sie den Uterus mit entfernen. Dies kann von der Bauchhöhle aus gemacht werden; es ist aber namentlich die von der Scheide aus bevorzugte Operation. Ü b e r a l l , wo es ohne den Zweck der O p e r a t i o n zu b e i n t r ä c h t i g e n a n g e h t , soll eine V e r s t ü m m e l u n g der Geschlechtsorgane v e r m i e d e n , n a m e n t l i c h aber die Mögl i c h k e i t der F o r t p f l a n z u n g e r h a l t e n werden. In diesem Sinn kann ein deutlich gegen die Scheide sich vordrängender Eitersack an der prominentesten Stelle punktiert oder incidiert werden; darauf folgt Erweiterung der gemachten Öffnung und gute Drainage. Sind nicht noch andere Entzündungsherde weiter oben vorhanden, so kann das Leiden durch völlige Schrumpfang des Sackes zur radikalen Ausheilung kommen. — Bei abdomi-

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nellen Operationen kann man sich auf bloß teilweise Amputation der Ovarien oder Resektion der Tube beschränken; es kann, wenn der übrige Teil der Tube gesund ist, das aus Verwachsungen gelöste oder das amputierte Tubenende über das Ovarium genäht werden (Salpingorrhaphie); man kann eine künstliche Öffnung der Tube anlegen und sie in der Nähe des Ovarium fixieren (Salpingostomie) oder einen Sactosalpinx breit incidieren, desinfizieren und das Ovarium in die Incisionsöffnung einnähen.

II

Die Neubildungen der Eileiter Neoplasmen an den Tuben sind selten. Knollige Verdickungen der Schleimhaut oder Verklebung einzelner Palten derselben, auch deciduale Wucherungen nach Tubarabort können als P o l y p e n imponieren. F i b r o m y o m e und A d e n o m y o m e wurden wenig über 10 Fälle von Ei- bis Kindskopfgröße beschrieben. K l e i n e C y s t c h e n verschiedener Herkunft sieht man hie und da an der Oberfläche der Tube. Sehr häufig sind die aus der embryonalen Entwickelung stammenden M o r g a g n i ' s c h e n E n d h y d a t i d e n . Bei sehr fetten Frauen hat man schon kleine lipomatöse Geschwülste unter dem Peritoneum beobachtet. All diese Bildungen sind ohne praktische Bedeutung. G u t a r t i g e P a p i l l o m e entwickeln sich als große Rarität bei chronischer Endosalpingitis bis zu apfelgroßen weichen Tumoren; sie sondern eine klebrige Flüssigkeit ab, welche meist durch das uterine Ostium abfließt; gelangt sie in die Bauchhöhle, so bildet sich Ascites; sie können auch zur Bildung von Sactosalpinx Anlaß geben. Von S a r k o m sind ca. 6, von primärem C a r c i n o m ca. 30 Fälle bekannt geworden. In neuerer Zeit ist man auch auf vereinzelte Fälle von S y n c y t i o m gestoßen. Tubengeschwülste entdeckt man durch die Untersuchung; in der Regel wird es aber sehr schwierig sein, sie als solche zu deuten. Endgültigen Aufschluß bringt fast immer erst die Operation.

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Anhang Die Krankheiten der Ligamenta rotunda Die Ligg. rotunda sind bei Atrophie des Uterus ebenfalls a t r o p h i s c h ; nach Geburten findet man sie oft in bleibender Hypertrophie. F i b r o m y o m e oder F i b r o m y x o m e sind selten; sie sitzen häufiger rechts, entweder im abdominalen Teile des Ligamentos oder im Leistenkanal und den großen Schamlippen und erreichen nur selten beträchtliche Größe. Cystische T u m o r e n , entweder Flüssigkeitsansammlungen im Innern des Bandes (Hydrocele oder Hydrops lig. rotundi) oder im verschlossenen Processus vaginalis peritonei (Hydrocele muliebris (s. S. 56) sind auch seltene Vorkommnisse. Bei allen Tumoren am vorderen Ende der großen Schamlippen muß an Entstehung aus den Ligg rotunda gedacht werden.

VI

Die Erkrankungen der Eierstöcke (Anatomische Vorbemerkungen S. 202.) I Die Entzündung der Eierstöcke (Oophoritis) Ätiologie. An eine Entzündung der Tube schließt sich in der Regel eine solche des Ovarium, deshalb bildet die Salp i n g i t i s das wichtigste ätiologische Moment für Oophoritis. Sie kann auch, wie die Salpingitis, Folge septischer I n f e k t i o n nach Geburt oder Abort (besonders kriminellem) oder unreinen operativen Eingriffen an den Genitalien sein. — Akute Infekt i o n s k r a n k h e i t e n , besonders die akuten Exantheme gehen hie und da mit Oophoritis einher. In der Kindheit überstandene Fälle dieser Art, die vielleicht übersehen worden waren, können wahrscheinlich zu dauernden Schädigungen der Eierstöcke und konsökutiv zu Entwickelungshemmung der Genitalien in den Pubertätsjahren führen. — Excesse in Venere, geschlechtliche Überreizung, M a s t u r b a t i o n haben manchmal auch Oophoritis im Gefolge. — Vergiftungen mit Phosphor, Arsen, Quecksilber usw. können ebenfalls zu Oophoritis führen. — P a t h o l o g i s c h e Anatomie. Unsere anatomischen Kenntnisse der Oophoritis sind noch etwas lückenhaft. Häufig beginnt die Entzündung als Perioophoritis und schreitet von der Oberfläche in die Tiefe; bei septischer Infektion durch die Lymphoder Blutwege kann jedoch die Noxe im Innern deponiert werden und der Prozeß dort beginnen. Je nachdem mehr der Follikelapparat oder das interstitielle Gewebe befallen ist, unterscheidet man eine p a r e n c h y m a t ö s e oder f o l l i k u l ä r e und eine i n t e r s t i t i e l l e Form. — Bei der parenchymatösen Oophoritis trübt sich der Liquor folliculi, die

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Erkrankungen der Eierstöcke

Follikelepithelien degenerieren körnig und verfetten; auch das Ei zerfällt, der ganze Follikel schrumpft zusammen und an seine Stelle tritt narbiges Bindegewebe; auf diese Weise können eine mehr oder weniger große Zahl Follikel oder sämtliche zugrunde gehen. Das Ovarium ist dabei nur wenig vergrößert. Bei der interstitiellen Oophoritis besteht im Beginn kleinzellige Infiltration des Stroma ovarii; später tritt durch Vermehrung des faserigen Bindegewebes Sklerosierung ein. Hierbei können die Follikel durch Kompression zugrunde gehen und das ganze Organ zu einem kleinen harten Körper zusammenschrumpfen. In anderen Fällen wandeln sich die Follikel in kleine Cystchen um, so daß das Ovarium von einer großen Zahl Stecknadelkopfe s haselnußgroßer mit klarem Inhalt gefüllter Cystchen durchsetzt ist: k l e i n c y s t i s c h e D e g e n e r a t i o n . Mitunter verschmelzen mehrere der kleinen Säckchen zu einer größeren Cyste oder eines derselben entwickelt sich auf Kosten der übrigen zu Faustgröße und darüber. Wir sprechen dann von H y d r o p s f o l l i c u l i . — Kleinere derartige Cysten findet man nicht selten schon bei Kindern und Neugebornen ohne eine bestimmte Ätiologie für sie zu kennen. Sind bei der einen oder anderen Form eitererregende Keime beteiligt, so kommt es zu A b s z e ß b i l d u n g . Die Eiteransammlungen können nur ganz klein bleiben oder aber Faustgröße und darüber erreichen. Diese O v a r i a l a b s z e s s e verhalten sich im großen und ganzen so wie Pyosalpinxsäcke. S y m p t o m e . Das klinische Bild der Oophoritis ist ein recht unbestimmtes. Bei a k u t e m E i n s e t z e n s i n d die S y m p t o m e m e i s t v e r d e c k t durch die begleitende Sepsis oder Salpingitis oder Peritonitis. Die vaginale Untersuchung ergibt nur eine hochgradige E m p f i n d l i c h k e i t der s e i t l i c h e n S c h e i d e n g e w ö l b e ; erst wenn das akute Stadium vorbei ist, kann es gelingen, die Vergrößerung und besondere Druckempfindlichkeit des Ovarium festzustellen. Auch bei der c h r o n i s c h e n O o p h o r i t i s ist das Hauptsymptom e i n S c h m e r z in der Seite, oder meist beiderseits, der vermehrt wird durch lebhafte Bewegung, Anstrengung, mechanische Insulte, harten Stuhlgang, geschlechtlichen Verkehr; er steigert sich bei der Menstruation und zwar hauptsächlich vor dem Bluteintritt. Die Periode ist verstärkt, oft unregelmäßig

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anteponierend. Nervöse und neurasthenische Beschwerden gesellen sich in der Regel hinzu. B e f u n d . Das vergrößerte Ovarium kann leichter als sonst als rundlicher, praller, empfindlicher Tumor mit glatter Oberfläche durchgefühlt und erkannt werden; besonders, wenn es der allein ergriffene Teil ist; selten erreicht es mehr als das Vierfache seiner normalen Größe; außer es habe sich ein Abszeß in ihm gebildet. Sehr oft besteht aber nicht isolierte Oophoritis, sondern Ovarium, Tube, Lig. latum sind zu einem Knäuel verlötet, so daß man die Affektion als „ A d n e x i t i s " zu bezeichnen hat. — P r o g n o s e . Akute Oophoritis kann ganz ausheilen und, falls nicht Abszeßbildung auftrat, das Ovarium auch wieder zu voller Funktionsfähigkeit zurückkehren. Häufiger jedoch geht sie in die chronische Form über; dann ist meist erst von der Menopause völlige Ausheilung zu erhoffen. T h e r a p i e . Die Behandlung ist ähnlich wie bei der Salpingitis. Am besten ist es, gleich im Beginn die Kranke f ü r e i n i g e Wochen i n s B e t t zu b a n n e n u n d b e s t ä n d i g f o r t h y d r o p a t h i s c h e W i c k e l u m die B e c k e n g e g e n d m a c h e n zu lassen. Daneben muß b e i r e i z l o s e r K o s t für r e g e l m ä ß i g e S t u h l e n t l e e r u n g gesorgt und täglich die Scheide 1—2mal a u s g e s p ü l t w e r d e n ; noch besser wirken in der Regel heiße Spülungen mit Wasser von 50° C. — Lokalbehandlung, wie Ichthyoltampons, Skarifikationen, Ätzungen sind von Manchen sehr beliebt. Im allgemeinen dürfen sie nicht zu lange Zeit fortgesetzt werden, weil sie in der Regel nicht den erwarteten Erfolg haben und die ohnehin zu funktionellen Nervenstörungen geneigten Personen durch die häufig wiederholten Eingriffe hochgradig neurasthenisch werden könnten. — Besondere körperliche Schonung, am besten Bettruhe, ist über die Menstruation anzuordnen. — B a d e k u r e n unterstützen die Heilung. Frauen, welche jahraus jahrein sich pflegen können, bringen sich über die Beschwerden leicht hinweg; schlechtere Zeiten wechseln mit besseren ab; doch im ganzen ist der Zustand erträglich. Übler daran sind solche, welche sich mit ihrer Hände Arbeit durchzubringen haben; bei diesen wird man sich eher zur o p e r a t i v e n E n t f e r n u n g d e r O v a r i e n entschließen. — Ovar i a l a b s z e s s e müssen vom Scheidengewölbe aus e r ö f f n e t u n d d r a i n i e r t oder vom Abdomen aus a u s g e s c h ä l t werden.

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II Bluterguß in die Eierstöcke (Hämatoma ovarii) Blutergüsse können stattfinden in die Follikel (circumscripte) oder ins Stroma (diffuse); sie erreichen selten über Nußgröße. Ihre Entstehung ist auf G e f ä ß e n t a r t u n g , vielleicht zusammen mit Kongestion, zurückzuführen. Geschlechtliche Überreizung, Überanstrengungen, besonders Ausschreitungen oder Erkältung während der Menstruation können den Anstoß geben, oder entzündliche Kongestion, wie man sie bei akuten Infektionserkrankungen, dann bei Phosphor-, Arsen-, Quecksilber-Vergiftungen beobachtet, ferner Skorbut, Verbrennungen oder venöse Stase bei Herz-, Leber-, Lungenleiden, selbst bei Neugeborenen (durch Asphyxie verursacht), führen dazu. Charakteristische Symptome treten dabei nicht auf. Die Frauen klagen über p l ö t z l i c h e n Schmerz in der Seite. Nur wenn man Gelegenheit hatte, kurz vorher das Ovarium zu tasten und jetzt die plötzliche Zunahme seiner Größe ohne heftige entzündliche Erscheinungen feststellt, kann eine Ovarialapoplexie vermutet werden. Bettruhe, Eisblase oder Wickel bringen bald Erleichterung. Die völlige Resorption kann aber Wochen in Anspruch nehmen.

III Die Geschwülste der Eierstöcke (Ovarialtumoren)

I. Cystische Tumoren Man unterscheidet: a) F o l l i k u l a r c y s t e n (Hydrops folliculi) und Cysten des Corpus luteum. Sie sind aus schon bestehenden Hohlräumen hervorgegangen und stets einkammerig. b) G l a n d u l ä r e Cysten (Cystadenome) verdanken ihre Entstehung Epithelwucherung und stellen wirkliche Neubildungen dar. c) Dermoidcysten. Sie haben sich (wie die soliden Teratome, s. unten) aus dem Ei gebildet. d) P a r o v a r i a l c y s t e n . Sie verdanken ihre Entstehung den Besten des Wolff'sehen Körpers i. e. dein Parovarium.

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a) F o l l i k e l c y s t e n oder H y d r o p s f o l l i c u l i So bezeichnet man die aus Graafschen Follikeln hervorgegangenen Cysten, wenn sie die Größe des normalen Ovarium übertreffen » flS® •s 53 a