Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung [1 ed.] 9783428437238, 9783428037230

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Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung [1 ed.]
 9783428437238, 9783428037230

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 308

Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung

Von

Wolfgang Loschelder

Duncker & Humblot · Berlin

WOLFGANG LOSCHELDER

Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 308

Recht

Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung

Von Dr. Wolfgang Loschelder

D U N C K E R

&

H U M B L O T / B E R L I N

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Loschelder, Wolfgang Kommunale Selbstverwaltungsgarantie u n d gemeindliche Gebietsgestaltung. — 1. A u f l . — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1976. (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 308) I S B N 3-428-03723-5

Alle Hechte vorbehalten © 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03723 5

Vorwort Die kommunale Selbstverwaltung ist ein tragendes Element des deutschen Gemeinwesens. Der Reformdruck der Gegenwart stellt sie, wie andere gewachsene Institutionen auch, i n die Ambivalenz von Fortentwicklung und Entleerung. Vor allem die territoriale Neuordnung greift tief i n ihre überkommene Gestalt ein. Ob sich dabei Förderung oder Abbau vollzieht, ist umstritten. Das liegt nicht zuletzt an der Formulierung des Art. 28 GG, der die geschützte Einrichtung lokaler Eigenverwaltung zwar benennt, Inhalt und Grenzen aber nicht abschließend bezeichnet. Daher hat sich die vorliegende Arbeit das Ziel gesetzt, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie auf ihre Aussagekraft für den gemeindlichen Gebietszuschnitt zu untersuchen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Jürgen Salzwedel, danke ich für die vielfältige Anregung und Förderung, die er m i r von meinen Studienjahren an hat zuteil werden lassen. Mein Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. Josef Isensee für seine tatkräftige Anteilnahme. Herrn Prof. Dr. Walter Leisner bin ich für eine Fülle von Hinweisen tief verpflichtet. Besonders verbunden fühle ich mich meinem Onkel und väterlichen Freund, Staatssekretär a. D. Prof. Dr. Wilhelm Loschelder, dessen erfahrenen Ratschlags und wohlwollender K r i t i k ich stets gewiß sein durfte. Herrn Ministerialrat a. D. Prof. Dr. Johannes Broermann danke ich für die ehrenvolle Aufnahme der Arbeit i n die „Schriften zum öffentlichen Recht". Ich widme diese Untersuchung meiner Vaterstadt Neuss am Rhein. I h r kräftiges kommunales Leben, ihre traditionsreiche, bürgernahe Selbstverwaltung haben m i r die unmittelbare Anschauung des Gegenstandes und den persönlichen Bezug zu i h m vermittelt. Bonn, den 10. J u l i 1976 Wolf gang Loschelder

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

23

Erster Teil Der Ausdeutungsrahmen der Verfassungsregelung

29

1. K a p i t e l Der begriffliche Gehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 G G A. Der Begriff „Gemeinde" I. Der grundgesetzliche Sprachgebrauch I I . Die Sprachgeschichte

29 29 29 31

I I I . Der gemeinderechtliche Sprachgebrauch

31

I V . Das gewachsene rechtsbegriffliche I n s t r u m e n t a r i u m

32

1. K o n t i n u i t ä t der Einrichtung und K o n t i n u i t ä t der Begriffe

32

2. Überkommener Elementarinhalt

33

V. Die Aussagekraft des Begriffs u n d ihre Grenzen B. Die Wendung „örtliche Gemeinschaft" I. Der Begriff „Gemeinschaft" 1. Wortbedeutung

37 38 40 40

2. Anhaltspunkte für den I n h a l t der Gemeinschaftsbildung

40

3. Grenzen des Aussagegehalts

45

I I . Der Begriff „örtlich"

45

1. Wortbedeutung

46

2. Rückschlüsse aus A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 u n d 3 GG

47

3. Grundgesetzlicher Sprachgebrauch

47

4. Mehrdeutigkeit des Begriffs „örtlich"

48

I I I . Die sprachliche Verknüpfung von „örtlich" u n d „Gemeinschaft" . .

48

8

Inhaltsverzeichnis 2. K a p i t e l Die geschichtliche Dimension der Formulierung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 G G

50

A. Die Entstehung des Verfassungswortlauts

50

I. Der E n t w u r f des Verfassungskonvents

50

I I . Die Erarbeitung i m Parlamentarischen Rat

50

1. Rückschlüsse aus der Nichterwähnung des gebietlichen Aspekts

51

2. Rückschlüsse aus den erörterten Fragen

52

B. Das vorgrundgesetzliche B i l d der Gemeinde I. Die vorgrundgesetzlichen Umschreibungen gemeindlicher Eigenart

54 55

1. Umschreibungen i m überkommenen Gemeinderecht

55

2. Umschreibungen i m älteren Schrifttum

56

I I . Die Hervorhebung örtlicher Verbundenheit

57

1. Bestimmung des Stellenwerts örtlicher Verbundenheit aus dem zeitbedingten Verständnis

58

2. Diskussionsstand u m A r t . 127 W R V

63

3. Diskussionsstand u m die Neugliederungen der zwanziger Jahre

64

C. Die Aufschlüsse aus dem geschichtlichen H i n t e r g r u n d u n d die offene Frage nach dem normativen Gehalt des Gemeindebildes

68

3. K a p i t e l Die gemeindliche Gebietsgestaltung und die Stellung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 G G in der grundgesetzlichen Regelung des staatlichen Gefiiges A. Die Integration als Richtwert f ü r die Gebietsgestaltung der Länder . . I. Die Verbindlichkeit der Richtbegriffe des A r t . 29 Abs. 1 GG

70 70 71

I I . Die integrationsbezogenen Richtbegriffe i n A r t . 29 Abs. 1 GG

71

B. Die Zulässigkeit von Rückschlüssen aus A r t . 29 Abs. 1 GG auf die Gestaltung der gemeindlichen Ebene

73

Inhaltsverzeichnis I. Die grundsätzliche Zuordnung der Gemeinden zu den Ländern I I . Die Grenzen der Mediatisierung der Gemeinden

9 73 75

1. Einwirkungsbefugnisse des Bundes auf die Gemeinden

75

2. Stellung der Gemeinden i n der grundgesetzlichen Finanzverfassung

76

3. Einbettung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG i n die organisationsrechtliche Grundordnung der Bundesverfassung

76

C. Die verfassungsrechtlichen Konsequenzen f ü r die gemeindliche Gebietsgestaltung

78

I. Das Gebot der Erhaltung effektiver Gewährleistungsträger I I . Das Gebot der Mindesthomogenität I I I . Das Gebot der Wahrung des Integrationsbestandes

78 79 80

1. Geschichtliche Substanz der Länder u n d gemeindliche G r u n d lage

81

2. „ ö r t l i c h e Gemeinschaft" der Gemeinden u n d Integration der Länder

82

Zweiter Teil Die Gewährleistungssubstanz der Verfassungsgarantie

85

1. K a p i t e l Die möglichen Gewährleistungszwecke und ihre Zuordnung A. Das staatliche Interesse

86 87

I. Die doppelte Begrifflichkeit

87

I I . Das staatliche Interesse i m engeren Sinn

89

I I I . Das staatliche Interesse i m umfassenden Sinn B. Das Individualinteresse I. Der Schwerpunkt der Gewährleistung: das Gruppeninteresse I I . Das Individualinteresse i m einzelnen

91 92 92 93

1. Staatsbezogenes Individualinteresse

93

2. Gemeindebezogenes Individualinteresse

95

10

Inhaltsverzeichnis

C. Das „gemeindliche" Interesse

97

I. Die Unscharfen bei der Bestimmung des Zuordnungssubjekts

97

1. Gemeinde u n d „örtliche Gemeinschaft" 2. Reichweite der Verfassungsgewährleistung Gemeindebestand

97 u n d vorhandener

I I . Der Ausgangspunkt für die weitere Konkretisierung des Zuordnungssubjekts

98 99

2. K a p i t e l Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

101

A. Die Ausgliederung des örtlichen Bereichs

101

B. Das Organisationsprinzip der Dezentralisation

102

C. Die Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses I. Die genossenschaftliche Deutung u n d ihre Grenzen

103 103

I I . Die Nutzbarmachung genossenschaftlicher Elemente für die gegenwärtige Gemeinde 105 1. Überindividueller Zusammenschluß

106

2. Verbundenheit i n gemeinsamer Sache a) Gemeindegebiet, Angelegenheiten

örtliche

Gemeinschaft

106 und

gemeinsame

b) Kreis der gemeindlichen Wahrnehmungsgegenstände

106 107

3. Selbstverantwortliche Gestaltung

109

a) Aussagewert der ausdrücklichen Verbürgung b) Organisatorischer Gehalt lokaler Eigen Verantwortung

109 . . . . 110

aa) Ortsnähe der Aufgabenwahrnehmung

110

bb) Einsatz der eigenen Sachkunde der Betroffenen

111

cc) Überantwortung zur eigenen Entscheidung an die Betroffenen D. Die Begrenztheit der Schlußfolgerungen aus der Grundentscheidung der Verfassungsgarantie

111 organisatorischen

I. Die Entscheidung f ü r die Priorität der örtlichen Daten I I . Die Offenheit der zugrundeliegenden Wertungen

113 113 114

Inhaltsverzeichnis

11

3. K a p i t e l Die Motivationsgrundlagen der verfassungsrechtlichen Organisationsentscheidung

115

A. Die gewaltenteilende F u n k t i o n gemeindlicher Selbstverwaltung

115

I. Die Unterscheidung von tragender M o t i v a t i o n und erwünschter Nebenwirkung 115 I I . Die Aussagelosigkeit der gewaltenteilenden M o t i v a t i o n für W a h l der konkreten Organisationsform

die

116

B. Die gemeindliche Selbstverwaltung als F o r m gegliederter Demokratie 117 I. Die Spannungslage zwischen Demokratie u n d Selbstverwaltung .. 118 I I . Die Aussagelosigkeit der demokratischen M o t i v a t i o n f ü r die W a h l der konkreten Organisationsform 120 C. Die Bewahrung der örtlichen Eigenart

121

I. Der Wert örtlicher Eigenart als mögliches Entscheidungsmotiv . . . . 121 I I . Die Aussagelosigkeit örtlicher Individualitätswahrung Reichweite der Verfassungsgewährleistung D. Der Schutz der geschichtlich bewährten Einrichtung

für

die

122 123

I. Die geschichtliche Substanz der Gemeindeebene als mögliches E n t scheidungsmotiv 124 I I . Die Aussagelosigkeit der Wahrung lokaler Geschichtlichkeit für die Reichweite der Verfassungsgewährleistung 125

4. K a p i t e l Das empirische Erscheinungsbild der Gemeinde und seine typologische Entfaltung A. Die Gemeinde als kleinste räumliche Einheit

128 129

B. Die Gemeinde als räumliche Verdichtung sozialer Verflechtung 130 I. Die Verflechtungsintensität i m Raum als Element gemeindlichen Daseins 131 I I . Die Unscharfe des Verflechtungskriteriums

133

12

Inhaltsverzeichnis I I I . Die Notwendigkeit der Konkretisierung des Verflechtungskriteriums 136

C. Die Gemeinde als Raum verdichteter Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre 137 I. Die Unsicherheit bei der Bestimmung des gegenwärtigen Gemeindebildes 137 1. Zweifel a m Fortbestand der gemeindlichen Lebensform 2. Wandlungen der gemeindlichen Lebensform

137 138

a) Grundzüge des überkommenen Gemeindebildes

139

b) Auflösungstendenzen des überkommenen Gemeindebildes . . 139 aa) Veränderungen der Siedlungsstruktur

140

bb) F l u k t u a t i o n des personellen Substrats

140

cc) Verlust der funktionalen Geschlossenheit

140

dd) Einbuße an Eigenständigkeit

141

3. Möglichkeit eines kontinuierlichen Grundsachverhalts I I . Das M e r k m a l der unmittelbaren Daseinssphäre

142 143

1. Unmittelbarkeit der gemeindlichen Daseinsweise i n der U m schreibung Stahls 143 2. U n m i t t e l b a r k e i t u n d „Überschaubarkeit"

144

a) Spannung zwischen der gemeindlichen Entwicklung u n d dem L e i t b i l d der „Überschaubarkeit" 144 b) Verengung des U n m i t t e l b a r k e i t s - K r i t e r i u m s schaubarkeit" c) Abgrenzungsvermögen Daseins I I I . Die empirische Bewährung Daseinssphäre

durch „ Ü b e r -

des K r i t e r i u m s

des unmittelbaren

des Merkmals

der

unmittelbaren

145 147 147

1. Ausweitung u n d Differenzierung der gemeindlichen Lebensform 148 2. B i l d u n g „örtlicher Gemeinschaft" über die Gemeindegrenzen hinweg 150 3. Problemfälle f ü r die Einordnung a) Hochdimensionierte gemeindliche Einheiten

151 151

aa) Relativität der Bemessung des Raumes körperlicher Beherrschbarkeit 152 bb) Individueller Lebenskreis u n d örtliche Raumgemeinschaft 153 α) Fragwürdigkeit einer n u r räumlichen Verknüpfung von individuellem Lebenskreis u n d örtlicher Gemeinschaft 154 ß) ö r t l i c h e Gemeinschaft als Verflechtung der täglichen Daseinssphären auf räumlicher Grundlage 155

13

Inhaltsverzeichnis

cc) ö r t l i c h e Gemeinschaft u n d großstädtische Lebensform 159 α) I n d i v i d u e l l e r Lebenskreis u n d großstädtische Gebietsgröße 160 ß) ö r t l i c h e Gemeinschaft u n d großstädtische Gebietsgröße 160 b) Differenzierung der gemeindlichen Strukturen

165

aa) Ausweitung des individuellen Lebensraumes

165

bb) Wohnsitz als fortdauerndes Lebenszentrum

167

cc) Gemeinsamkeit der Lebensbedingungen u n d gemeindliche Arbeitsteilung 171 c) Invarianz des empirischen K r i t e r i u m s

172

5. K a p i t e l Der empirische Typus der Gemeinde und sein normativer Gehalt

173

A. Die Eignung des empirischen K r i t e r i u m s als Grundlage der Verfassungsentscheidung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG 173 I. Das Argument der Allgemeingültigkeit des empirischen K r i t e r i u m s 173 I I . Die Einfügung des empirischen K r i t e r i u m s i n den Ausdeutungsrahmen der Verfassungsregelung 173 1. Empirisches K r i t e r i u m u n d begrifflicher Abs. 2 Satz 1 GG

Gehalt des A r t . 28

2. Empirisches K r i t e r i u m u n d geschichtlicher H i n t e r g r u n d A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 G G

des

3. Empirisches K r i t e r i u m u n d A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 G G

des

systematischer Stellenwert

173 174 174

B. Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung des empirischen Befundes 174 I. Die Vorgegebenheit des realen Befundes I I . Die zeitliche u n d sachliche Invarianz des realen Befundes I I I . Der kategoriale Charakter des realen Befundes

175 175 176

1. Sachlich umfassender Charakter der gemeindlichen Gliederung 176 2. Personell umfassender Charakter der gemeindlichen Gliederung 177 3. Kombination von sachlicher u n d personeller Universalität

180

a) Soziologische u n d politische Grundkategorie

180

b) Komplementärkategorie zur staatlichen Daseins weise

180

14

Inhaltsverzeichnis c) Abgrenzungsvermögen der kategorialen Kennzeichnung gemeindlicher Lebensform 181 aa) Gemeindliche u n d staatliche Angelegenheiten bb) Gemeindliche Gemeinschaft Gruppierungen

u n d sonstige

182 partikulare

I V . Die Grundaussagen aus dem realen Befund

184 187

C. Der Gewährleistungsgehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG und das empirische K r i t e r i u m 187 I. Der Gewährleistungsgehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG 1. Rechtssubjektsgarantie

188 188

2. Einrichtungsgarantie

189

a) Ausgliederung aus der Staatsverwaltung

189

b) Eigenverantwortlichkeit kreises

189

u n d Universalität des Wirkungs-

c) Subjektive Rechte

190

d) Einbettung i n das Gesamtgemeinwesen

190

3. Organisatorische Grundentscheidung

191

I I . Die Einordnung des empirischen Befundes i n die Verfassungsgewährleistung 192 1. Rechtssubjektivität, Organisationsentscheidung u n d Raumkörperschaft der unmittelbaren Daseinssphäre 192 2. Gemeindliche Selbstverwaltung und örtliche Kategorie a) Aufgabenzuweisung und Eigen Verantwortung

194 195

b) Verfassungsrechtliche Einzelausgestaltung u n d realer Befund 196 aa) AufgabenzuWeisung durch Generalklausel

196

bb) Gesetzliche Majorisierung der örtlichen Daten u n d ihre Grenzen 196 cc) Einräumung von Gestaltungsfreiheit an die Gemeinde . . 200 I I I . Die Korrespondenz des verfassungsrechtlichen gehalts m i t dem empirischen Befund

Gewährleistungs-

201

D. Die Überprüfung des Ergebnisses am Maßstab der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen 201 I. Das Rechtsstaatsprinzip

202

1. Effizienz u n d Eingliederungsfähigkeit der Gemeinde i m Rahmen vertikaler Gewaltenteilung 202 2. Formierende u n d freiheitssichernde Fähigkeit der Gemeinde .. 203 I I . Das Demokratieprinzip

204

Inhaltsverzeichnis

15

1. Harmonisierung von örtlicher u n d staatlicher Demokratie i n der Gemeinde 204 2. Gemeinde als Realisierungsort der Konkordanz von Rechtsstaat und Demokratie 205 I I I . Das Sozialstaatsprinzip

206

1. Sozialstaatliche Effektivität der Gemeinde

206

2. Gemeinde als Realisationsort der Konkordanz von Rechtsstaat, Demokratie u n d Sozialstaat 208 I V . Die Gemeinde als Ort der Realisierung u n d Vervielfältigung staatlicher Einheit 209

Dritter

Teil

D i e Aussagefähigkeit der Verfassungsgarantie für den gemeindlichen Gebietszuschnitt

213

1. K a p i t e l Das gebietsrelevante Element der verfassungsgewährleisteten gemeindlichen Daseinsweise

214

A. Die aussageunfähigen Elemente

214

B. Der Grundtatbestand gemeindlicher Integration

215

I. Der räumliche Zusammenhang der individuellen Daseinsphären .. 215 I I . Die Verflechtung der individuellen Daseinssphären

217

1. Objektive Durchdringung der individuellen Daseinssphären .. 217 2. Subjektive Durchdringung der individuellen Daseinssphären .. 218 I I I . Die gemeindliche Einheitsbildung auf der Grundlage der Durchdringung der individuellen Daseinssphären 219 C. Die gemeindliche Integration i n der lokalen Wirklichkeit I. Die Äußerungsweise gemeindlicher Integration

222 223

1. Darstellung gemeindlicher Einheit i m vorpolitischen Bereich . . 223 2. Darstellung gemeindlicher Einheit i m politischen Bereich

225

16

Inhaltsverzeichnis 3. Darstellung gemeindlicher Einheit i m Bereich der organschaftlichen Willensbildung 226 I I . Die gemeindliche Integration als Voraussetzung lokaler Selbstverwaltung 227 1. Rekrutierung der gemeindlichen Mandatsträger

227

2. A u s w a h l der gemeindlichen Mandatsträger

228

3. Lokale P o l i t i k auf dem Fundament örtlicher Einheitsbildung . . 228 I I I . Die gemeindliche Integration als Wesenselement des grundgesetzlichen Gemeindebildes 231 D. Die Integrationsfaktoren u n d Integrationsweisen I. Die Anknüpfungspunkte gemeindlicher Integration

232 232

1. Vielfalt, Bedeutung, Mindeststandard

233

2. Objektive Anknüpfungspunkte

234

3. Elemente der Dauer

237

4. Bedeutung der politischen Einheit „Gemeinde"

238

5. Effektivität örtlicher V e r w a l t u n g

239

6. I n d i v i d u a l i t ä t der Gemeinde u n d Einbettung i n die überörtliche kommunale S t r u k t u r 241 I I . Die Beeinflußbarkeit gemeindlicher Integration durch staatliche Eingriffe 246 1. Passive Integration als invariante Vorgegebenheit

246

2. Steigerungsfähige Integrationselemente

247

3. Integration als konkreter spontaner Prozeß u n d die Grenzen staatlicher Disposition 247

2. K a p i t e l Die gemeindliche Integration als Maßstab für die Gebietsgestaltung A . Die Integrationsrelevanz gemeindlicher Gebietsänderungen

250 250

I. Die Auswirkungen von Gebietsänderungen auf die Integrationslage 250 1. Umgestaltung der politischen Gleiderung als Bezugspunkt lokaler Integration 250 2. Veränderung der Integrationslage i m übrigen

252

Inhaltsverzeichnis I I . Die Grenze der Vorausberechenbarkeit der A u s w i r k u n g e n

17 255

1. Die Beurteilungsmöglichkeiten vorhandener u n d künftiger I n tegration 256 2. Einsetzbare Faktoren i n die Prognose der k ü n f t i g e n E n t w i c k lung ' 256 B. Die gemeindliche Integration als verfassungsrechtliches K r i t e r i u m f ü r Eingriffe i n die Gebietsstruktur 257 I. Der Verfassungswert gemeindlicher Integration als zwingendes Abwägungselement i m staatlichen Entscheidungsprozeß 257 1. Gebot der nachvollziehbaren Abwägung

259

2. Gebot der konkreten Prüfung u n d Bewertung

263

3. Gebot der Entscheidung nach Geeignetheit, Notwendigkeit u n d Verhältnismäßigkeit 264 4. Gebot der Neuschaffung integrationsfähiger Einheiten

266

a) Verfassungsgewährleistung der Einrichtung u n d Schutz der einzelnen Gemeinde 267 b) Subjektives Recht der Gemeinde auf Fortexistenz u n d seine Grenzen 269 I I . Die unmittelbare Aussagekraft des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG f ü r die gemeindliche Gebietsgestaltung 270 1. Recht der Gemeinde auf hinreichende A n h ö r u n g i m Gebietsänderungsverfahren 270 a) Meinungsstand

271

b) Schlußfolgerungen aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie 272 aa) Verfassungsrechtliches Anhörungsgebot

272

bb) Gemeinderechtliche Anhörungsgebote

273

cc) Folgen nicht hinreichender A n h ö r u n g

273

2. Gemeinwohldienlichkeit der Gebietsänderung

274

a) Meinungsstand

274

b) Aussagewert der Gemeinwohlklausel

275

3. Konzeptionsgerechtigkeit der Gebietsänderung a) Meinungsstand

276 277

b) Schlußfolgerungen aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie 278 aa) Rechtfertigende W i r k u n g von Konzepten

278

bb) Verpflichtende W i r k u n g von Konzepten

279

α) B i n d u n g durch faktischen Vollzug

279

ß) B i n d u n g durch Erhöhung der Argumentationsschwelle 280 γ) Mehrfachneugliederungen 2 Loschelder

281

18

Inhaltsverzeichnis I I I . Die gemeindliche Integration und die kommunale Gebietsreform .. 285 1. Überbetonung des Versorgungsgesichtspunkts

285

2. Verfassungsgebotener Stellenwert punkts i n der Gebietsreform

288

des

Integrationsgesichts-

Literaturverzeichnis

293

Sachregister

312

Abkürzungsverzeichnis

Abt. a. E. AfK AÖR ARSP AS AU Bay BayVBl. BayVerfGHE Bd. begr. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE B-W DGO dies. Diss. DJT DÖV Drucks. DVBl. DVO Erl. GBl. Gemeinde Gemeinde Schl-H Gemeindetag GG GO GR GS GVB1.

Abteilung am Ende A r c h i v f ü r Komunalwissenschaf ten Archiv des öffentlichen Rechts Das A r c h i v für Rechts- u n d Sozialphilosophie Amtliche Sammlung Amtlicher Umdruck Bayern Bayerische Verwaltungsblätter Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen V e r waltungsgerichtshofs m i t Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Band begründet Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Β aden-Württemberg Deutsche Gemeindeordnung dieselbe(n) Dissertation Deutscher Juristentag Die öffentliche V e r w a l t u n g Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Erläuterung Gesetzblatt Die Gemeinde, Zeitschrift für gemeindliche Selbstverwaltung Die Gemeinde, Zeitschrift f ü r die Schleswig-Holsteinische Selbstverwaltung Der Gemeindetag, Zeitschrift f ü r die gemeindliche S elbst Verwaltung Grundgesetz Gemeindeverordnung Die Grundrechte Gesetzessammlung Gesetz- u n d Verordnungsblatt

Abkürzungsverzeichnis

20 GVRG HDStR He HKWP h.Rspr. HWBKW i. e. S. insbes. i. V. m. Jh. JÖR JuS JZ KO Kommunalwirtschaft KWahlG Landkreis LKO LS LT-Drucks. LVerf. Mdl MinBl. m. w. N. Nds N. F. NJW Ν . N. NW Oldenb. OVGE PrGemVerfG PrGS PrOVGE PrStädtetag PrVBl. RdErl.d.Mindl Rdn. RGBl. RGZ Rh-Pf RMBliV ROG

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Gesetz zur Vorbereitung der kommunalen Gebietsu n d Verwaltungsreform i m Saarland Handbuch des Deutschen Staatsrechts Hessen Handbuch der kommunalen Wissenschaft u n d Praxis herrschende Rechtsprechung Handwörterbuch der Kommunalwissenschaften i m engeren Sinne insbesondere i n Verbindung m i t Jahrhundert Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Schulung Juristenzeitung Kreisordnung

Zeitschrift f ü r Kommunalwirtschaft Kommunalwahlgesetz = Der Landkreis, Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung Landkreisordnung = = Leitsatz = Landtags-Drucksache = Landesverfassung = Minister(ium) des I n n e r n = Ministerialblatt = m i t weiteren Nachweisen = Niedersachsen = Neue Folge = Neue Juristische Wochenschrift = nomen nescio = Nordrhein-Westfalen = Oldenburg = Entscheidungen des OVG Münster = Preußisches Gemeindeverfassungsgesetz = Gesetzessammlung f ü r die Kgl. Preußischen Staaten = Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts = Preußischer Städtetag = Preußisches Verwaltungsblatt = Runderlaß des Ministers des I n n e r n = Randnummer = Reichsgesetzblatt = Entscheidungen des Reichsgerichts i n Zivilsachen = Rheinland-Pfalz = Ministerialblatt des Reichs- u n d Preußischen Ministeriums des I n n e r n = Raumordnungsgesetz = =

Abkürzungsverzeichnis

21

rechte Spalte Rechtsprechung Reichsverwaltungsblatt u n d Preußisches Verwaltungsblatt Saarland scilicet Schleswig-Holstein Der Städtebund Der Gemeinderat, Zeitschrift für die kommunale Selbstverwaltung i n N W (ab 1971: Städte- u n d Gemeinderat) Der Städtetag, Zeitschrift für Praxis u n d Wissenschaft der kommunalen V e r w a l t u n g sowie ihrer wirtschaftlichen Einrichtungen u n d Betriebe Staatsgerichtshof ständige Rechtsprechung Textziffer Verfassungsgerichtshof Die Verwaltung, Zeitschrift für Verwaltungswissenschaft Verwaltungsarchiv Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) Zeitschrift der Akademie f ü r Deutsches Recht Zeitschrift f ü r Beamtenrecht Zeitschrift für Selbstverwaltung

Einleitung D i e B e f u g n i s des Staates, d u r c h gesetzlichen oder e x e k u t i v e n H o h e i t s a k t ü b e r E x i s t e n z u n d Gebietszuschnitt d e r k o m m u n a l e n S e l b s t v e r w a l t u n g s k ö r p e r s c h a f t e n z u v e r f ü g e n , g e h ö r t z u m gewachsenen B e s t a n d des deutschen G e m e i n d e r e c h t s 1 u n d ist l a n d e s r e c h t l i c h a u s d r ü c k l i c h gereg e l t 2 . A u c h eine s t a r k e z a h l e n m ä ß i g e M a s s i e r u n g u m f ä n g l i c h e r N e u g l i e d e r u n g e n i s t i n d e r deutschen Staats- u n d K o m m u n a l p r a x i s k e i n e i n m a l i g e r V o r g a n g 3 . Das einschneidend neue E l e m e n t i n d e r k o m m u n a l e n G e b i e t s r e f o r m d e r westdeutschen F l ä c h e n s t a a t e n 4 l i e g t v i e l m e h r 1

Vgl. etwa § 2 Städteordnung für die östlichen Provinzen v. 30. 5. 1853 (PrGS S. 261); §§ 53 ff. PrGemVerfG v. 15. 12. 1933 (PrGS S. 427); §§ 13 ff. DGO v. 30.1.1935 (RGBl. I S . 49). 2 Vgl. insbes. §§ 8 f. GO B - W , A r t . 11 ff. GO B a y ; §§ 16 ff. GO He; 17 GO Nds; 14 ff. GO N W ; 10 ff. GO R h - P f ; 14 f. GO Sa; 14 f. GO Schl-H; entsprechende Regelungen bestehen f ü r die Gemeindeverbände, vgl. z.B. §§ 12 ff. KreisO NW. Vgl. auch A r t . 74 L V e r f B - W . 3 Vgl. den historischen Überblick bei Scheuner, Verwaltungsreform, A f K 1969, 209, 218 ff., insbesondere zum Gesetz über Groß-Berlin v. 27. 4. 1920 (PrGS S. 123), zur Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets durch die Gesetze v. 26. 2. 1926 (PrGS S. 53), v. 22. 3. 1928 (PrGS S. 17) u n d v. 29. 7. 1929 (PrGS S. 91) u n d zur oldenburgischen Gemeindereform durch Gesetz v. 27. 4.1933 (Oldenb. GBl. S. 171) S. 232; zur Verwaltungsreform i n Oldenb u r g vgl. i m übrigen: Morgen, Großgemeinde, insbes. ebenda Scherbening, Rechtsgrundlagen, S. 30 ff. 4 Z u r E n t w i c k l u n g i n den einzelnen Bundesländern vgl. Mattenklodt, Gebiets· u n d Verwaltungsreform; ferner Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 12 ff.; Laux, Gebietsreform, A f K 1973, 232 f. Vgl. auch die einzelnen Beiträge i n A f K 1969/11,S . 205 passim. Die Grundlage der Neugliederung i n den Bundesländern bilden i. d. R. Denkschriften, die von Sachverständigenkommissionen aus Praxis u n d Wissenschaft i m A u f t r a g der Landesregierungen erarbeitet wurden. Vgl. zur gemeindlichen Ebene insbes. f ü r B-W: Teilgutachten A der Kommission f ü r F r a gen der kommunalen Verwaltungsreform: Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden, Okt. 1969, abgedruckt i n : Dokumentation B - W I, S. 532 ff. ; Teilgutachten Β der Kommission f ü r Fragen der kommunalen V e r w a l tungsreform: Die kommunale Neuordnung i m Stadt-Umland, Januar 1970, abgedruckt i n : Dokumentation B - W I, S. 555 ff.; Teilgutachten C der Kommission für Fragen der kommunalen Verwaltungsreform: Funktionalreform Landratsamt-Gemeinde, Sept. 1970, abgedruckt i n : Dokumentation B - W I, S. 588 ff. Bay: Gutachten der Sachverständigenkommission zur Untersuchung des StadtUmland-Problems i n Bayern v. 16. 12. 1974. He: Plan f ü r die Reform der hessischen Verwaltung, insbes. I I A (Kommunale Grundlage der Verwaltung, Territorialreform), i n : Die Verwaltungsreform i n Hessen, hrsg. v. d. Kabinettskommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform, 1947, Bd. I, S. 11 ff.; Veröffentlichung 2 der Sachverständigenkommission für Verwaltungsreform u n d Verwaltungsvereinfachung i n Hessen: Z u r Stärkung der Verwaltungs-

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Einleitung

d a r i n , daß i n i h r e m R a h m e n d i e i m geschichtlichen Prozeß h e r a u s g e b i l dete k o m m u n a l e T e r r i t o r i a l s t r u k t u r insgesamt z u r D i s p o s i t i o n gestellt u n d anhand v o r w i e g e n d q u a n t i t a t i v e r Maßstäbe der Verwaltungseffizienz 5 d u r c h g ä n g i g i n e i n gestuftes, i n sich a b g e s t i m m t e s S y s t e m z w e c k r a t i o n a l k o n z i p i e r t e r E i n h e i t e n ü b e r f ü h r t wird®. E i n e d e r a r t i g e , d e m G r u n d s a t z n a c h ahistorische, umfassende N e u o r d n u n g g r e i f t t i e f i n die politische, a d m i n i s t r a t i v e u n d gesellschaftliche k o m m u n a l e Substanz e i n ; sie s t e l l t d i e ü b e r k o m m e n e l o k a l e Daseinsweise schlechthin z u r D i s k u s s i o n 7 . D a A r t . 28 A b s . 2 G G — w i e auch das Landesverfassungsrecht 8 — die gemeindliche u n d gemeindeverbandl i c h e S e l b s t v e r w a l t u n g g e w ä h r l e i s t e t , s t e l l t sich die Frage, ob diese w e i t gehende R e f o r m verfassungsrechtlich zulässig ist, gegebenenfalls w e l c h e G r e n z e n u n d , i n n e r h a l b dieser Grenzen, w e l c h e M a ß s t ä b e sich f ü r die B e u r t e i l u n g d e r e i n z e l n e n G e b i e t s v e r ä n d e r u n g e n u n d ihres G e s a m t z u s a m m e n h a n g s v o n Verfassungs w e g e n ergeben. D i e B e a n t w o r t u n g d i e ser Frage, d i e d e n G r u n d a u f b a u des s t a a t l i c h e n Gemeinwesens u n d d i e i h n beherrschenden P r i n z i p i e n b e t r i f f t , erscheint angesichts des gegenw ä r t i g e n Erörterungsstandes v o r allem unter zwei Gesichtspunkten dringlich. k r a f t der Gemeinden, 1968. Nds: Jahresberichte 1966 u n d 1967 der Sachverständigenkommission f ü r die Verwaltungs- u n d Gebietsreform i n Niedersachsen; Verwaltungs- u n d Gebietsreform i n Niedersachsen, Gutachten der Sachverständigenkommission f ü r die Verwaltungs- u n d Gebietsreform, März 1969. NW: Die kommunale u n d staatliche Neugliederung des Landes NordrheinWestfalen, Gutachten der Sachverständigenkommission f ü r die kommunale u n d staatliche Neugliederung des Landes Nordrhein-Westfalen, Abschnitt A : Die Neugliederung der Gemeinden i n den ländlichen Zonen, 1966; Abschnitt Β : die Neugliederung der Städte u n d Gemeinden i n den Ballungszonen u n d die Reform der Kreise, 1968. Rh-Pf : Gutachten zur Prüfung von Maßnahmen, durch die die Verwaltungskraft kreisangehöriger Gemeinden gestärkt werden kann, Zwischenbericht der Kommission „Stärkung der Verwaltungskraft" nach dem Stande v. 16. 2. 1966, i n : Verwaltungsvereinfachung i n Rheinland-Pfalz, 2. Teil, S. 15 ff.; Schlußbericht nach dem Stande v. 22. 5. 1967 nebst Anlage (Verbandsgemeindeordnung), ebenda, S. 27 ff., 31 ff. Sa: Die kommunale Neugliederung i m Saarland, Schlußbericht der Arbeitsgruppe f ü r die kommunale Gebiets- u n d die Verwaltungsreform i m Saarland, März 1972. Schl-H: SachverständigenGutachten zur lokalen u n d regionalen Verwaltungsneuordnung i n SchleswigHolstein, 1968. Eine Kurzübersicht findet sich i n Landkreis, 1968, 327 ff. 1969, 221 ff.; 1971, 42 ff.; 1973, 174 f.; vgl. ferner die tabellarische Zusammenstellung bei Seele, Zwischenbilanz, Landkreis 1972,11,14 ff. 5 Grundlegend hierzu Wagener, Neubau; vgl. auch Becker, Beobachtungen, S. 63 ff. ; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 26 ff. ; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,17. β Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 473; Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV1969, 810, 814, 815. 7 Vgl. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 473; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814. 8 Vgl. A r t t . 69, 71 ff. L V e r f B - W ; 10 ff. L V e r f B a y ; 144 L V e r f Bre; 137 L V e r f He; 44 L V e r f Nds; 1 Abs. 1 Satz 2, 78 L V e r f N W ; 122 ff. L V e r f Sa; 39 f. Landessatzung Schl-H.

Einleitung

So ist zum einen unübersehbar, daß bei den vielfältigen Erwägungen, die i m Zuge der Vorbereitung und Durchführung der Neugliederung über die künftigen Formen kommunaler Verwaltung angestellt worden sind 9 , auch die Stimmen an Gewicht gewonnen haben, die die bisherige Gestaltung rundweg und von Grund auf für überholt erklären und durch Neues ersetzen wollen 1 0 . Insoweit stellt sich die Lage nicht anders dar, als sie sich i n der Reformdiskussion um die zweite gewachsene, zentrale Einrichtung grundgesetzlicher Staatlichkeit entwickelt hat, das ebenfalls verfassungsgewährleistete Berufsbeamtentum 11 . Wenn aber auch die „Krise der kommunalen Selbstverwaltung" kein neues Thema ist, sondern bereits am Ende der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre erhebliche Resonanz gefunden hat 1 2 , so fordert doch die heutige Situation eine kritische Bestandsaufnahme gegenüber derartigen Thesen aus mehreren Gründen. Gerade weil die örtliche Verwaltung und ihre Form seit langem nicht unangefochten sind, muß i m Verfassungsstaat dem Umstand besondere Rechnung getragen werden, daß A r t . 28 Abs. 2 GG ihr Eigenständigkeit i n präziserer und eindringlicherer Weise garantiert als etwa die Weimarer Reichsverfassung 13 . Es kann daher nicht ausreichen, die tradierten Vorstellungen und Wertungen als überlebt darzustellen. Es bedürfte darüber hinaus zumindest der Auseinandersetzung m i t den Konsequenzen, die sich aus einem solchen Urteil angesichts der unveränderten Fortgeltung der Verfassungsgewährleistung ergeben 14 . Auch müßte angemessen i n Rechnung gestellt werden, i n wel9 Vgl. insbes. den Überblick bei Laux, Gebietsreform, A f K 1973, 231 ff.; ferner umfassend Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform. 10 So etwa Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, insbes. S. 37 f., 40 f. ; vgl. auch von der Heide, H a t die kommunale Selbstverwaltung eine Z u kunft?, D Ö V 1968, 408, insbes. 409 f.; Schumann, Geht das Zeitalter der k o m munalen Selbstverwaltung zu Ende?, Kommunalwirtschaft 1970, 196 ff.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden A f K 1963,185,191 u n d passim. 11 Deutlich ablesbar ist die Spannbreite zwischen Reform u n d Totalrevision etwa i n dem Bericht der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, 1973, Rdn. 181 ff., 879 ff., insbes. 882 ff. („Gesetz-Modell" der Kommissionsmehrheit), 914 ff. („Gesetz-/Tarif-Modell" der Minderheit). Vgl. dazu Leisner, Reform der Mitte. Der Beamte zwischen Staatsdiener u n d Staatsarbeiter, Z B R 1973, 97 ff. ; grundlegend ders., Grundlagen des Berufsbeamtentums; vgl. auch Wolf gang Loschelder, Dienstrechtsreform auf dem Wege zur Realisierung?, Z B R 1973,189 ff. 12 Vgl. insbes. Röttgen, Die Krise der kommunalen Selbstverwaltung, 1931 ; Forsthoff, Die Krise der Gemeindeverwaltung, 1932. 13 Z u m Verhältnis dieser beiden Verfassungsgewährleistungen vgl. vor allem Seibert, Gewährleistung, insbes. S. 179 ff.; vgl. auch Werner Weber, V e r fassungsgarantie, S. 36 ff. 14 Vgl. insoweit etwa Wolff, Verwaltungsrecht I I , der zwar einerseits die Frage aufwirft, ob bei v ö l l i g defizitärer Leistungskraft überhaupt noch von „Gemeinden" i m Sinne der Verfassung gesprochen werden könne (§ 86 V I I 1, S. 192), der aber andererseits k l a r herausstellt, daß die von i h m für angemessen gehaltene Regelung — uneingeschränktes Recht der Selbstverwaltung n u r für die kreisfreien Städte u n d Landkreise — nicht die des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist (§ 89 I a, S. 241).

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Einleitung

chem Maße trotz der staatlichen und gesellschaftlichen Wandlungen und unbeschadet vorhandener Strukturschwächen sich die kommunale Selbstverwaltung i n ihren Leistungen während der vergangenen Jahrzehnte praktisch bewährt hat 1 5 . Vor allem aber fordert das Zusammentreffen eines so komplexen Experiments, wie es i n einer umfassenden Neuordnung der gesamten lokalen Gestaltung ohnehin liegt, m i t einer so strikten K r i t i k die Prüfung heraus, ob verfassungspolitisch tatsächlich Besseres an die Stelle der vorhandenen Formen treten soll, ob also insoweit mit der gebotenen Behutsamkeit, mit dem nötigen Respekt verfahren wird, ob ferner und insbesondere dadurch nicht ein über das sachgebotene Maß hinausgehender Bruch i n der Kontinuität der gewachsenen Verfassungseinrichtung bewirkt wird, der den zugrundeliegenden Wertungen der Verfassung zuwiderläuft 1 6 . Die Frage nach den grundgesetzlichen Maßstäben für den kommunalen Gebietszuschnitt und die staatliche Disposition über i h n aktualisiert und konkretisiert sich unter einem zweiten Gesichtspunkt. A u f eine knappe Formel gebracht kann von einem Argumentationsdefizit hinsichtlich der territorialen Aussagekraft der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gesprochen werden. Dabei spielt einmal der verfestigte Topos eine Rolle, daß Art. 28 Abs. 2 GG als institutionelle Garantie lediglich die Einrichtung kommunaler Selbstverwaltung i n seinen Schutz einbeziehe, nicht aber Existenz und gebietlichen Status ihrer individuellen Träger, der einzelnen Gemeinden und Gemeindeverbände 17 . Die Handhabung dieses Topos bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der konkreten Neugliederungsakte, wie sie insbesondere von der Verfassungsgerichtsbarkeit geübt wird, führt zu einer Reduzierung der Kontrolle 1 8 . Diese Zurückhaltung verstärkt sich dadurch, daß i n der weit überwiegenden Zahl der Fälle schwerwiegende Eingriffe i n die kommunale Gebietsstruktur dem Landesgesetzgeber vorbehalten sind. Die durch diese Kompetenzverteilung ins Spiel gebrachte gesetzgebe15 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 155; Brundert, Kommunale Selbstverwaltung als älteste F o r m bürgerschaftlicher Mitbestimmung, S. 89 f. ; Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 81 ff.; vgl. auch Gutachten Schl-H, Rdn. 98 ff. 16 Vgl. Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972,16,19, 21 f. 17 So grundlegend bereits der S t G H f ü r das Deutsche Reich, RGZ 126, 14*, 22* f.; ferner Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3, S. 583 f.; vgl. statt aller v. Mangoldt/Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 b, S. 706; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28, Rdn. 29; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 78,145, jeweils m. w. N. 18 Kritisch hierzu insbes. Görg, Rechtsschutz, DVB1. 1966, 329, 331 ff.; ders., Rechtsschutz, DVB1. 1969, 772, 775 f.; Hoppe, Kontrolldichte, Landkreis 1969, 228 f.; ders., Entwicklungslinien, insbes. S. 100 ff.; ders., Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 479 f.; Scholtissek, Verfassungsprobleme, DVB1. 1968, 825, 830 f.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 78 ff.; TJle, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60), 101,122 ff.; ders., Maßnahmen, S. 543 ff.

Einleitung

rische Gestaltungsfreiheit 19 w i r k t folgerichtig auf die gerichtliche „Kontrolldichte" 2 0 weiter mindernd ein. Dessenungeachtet w i r d allerdings, zumindest vom Ansatz her, zunehmend intensiv die bundes- und landesverfassungsrechtliche Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung als K r i t e r i u m der rechtlichen Nachprüfung herangezogen 21 . Gerade hier jedoch t r i t t ihre geringe Ausschöpfung besonders deutlich zutage. Es werden nämlich aus den verfassungsrechtlichen Regelungen selbst materielle Aussagen, die der konkreten Entscheidungsfindung zugrundegelegt werden könnten, unmittelbar nicht entwickelt. Da vielmehr das Verfassungsrecht sich ausdrücklich zur kommunalen Gebietsgestaltung nicht äußert 22 , weichen Rechtsprechung und Schrifttum i m wesentlichen auf einen historischen Rekurs aus 23 . Dabei werden die einfachgesetzlichen Anforderungen des Gemeinderechts, wonach die betroffenen Gebietskörperschaften vor Dispositionen über Existenz und Gebietsbestand zu hören sind 2 4 und wonach solche Dispositionen dem öffentlichen Interesse entsprechen müssen 25 , als Bestandteil der geschichtlich gewachsenen Verfassungsinstitution gedeutet und deswegen und insoweit als Überprüfungsmaßstab benutzt 2 6 . Es liegt auf der Hand, daß insbesondere die „Gemeinwohlklausel" angesichts ihrer Weite und Unbestimmtheit den betroffenen Selbstverwaltungsträgern nur eine relative Sicherheit zu gewähren vermag. Entsprechend gering ist, trotz der Menge der anhängig gewordenen Streitigkeiten, die Zahl der Fälle, i n denen aus materiellen Gründen ein Gebietsänderungsakt für u n w i r k sam, weil verfassungswidrig erklärt worden ist 2 7 . 19

Vgl. den Überblick bei Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 167 ff. So Hoppe, Landkreis 1969, 228 f.; vgl. insgesamt: Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 165 ff. 21 Hierzu insbes. Hoppe, Entwicklungslinien, S. 91 passim; vgl. auch Hoppe/ Rengeling, Rechtsschutz, S. 64 ff.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 26 ff., 78 ff. 22 Eine Ausnahme bildet insoweit A r t . 74 L V e r f B - W . 23 Vgl. die Darstellung bei Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 70 ff.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 26 ff., 41 ff., 58 ff. ; kritisch grundsätzlich zu dieser Methode des historischen Rückgriffs Friesenhahn, Garantie, S. 127 ff. u n d S. 128 Fn. 29; vgl. auch Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 807 f. 24 Vgl. § 8 Abs. 2 - 5 GO B - W ; A r t . 11 Abs. 1, 4 GO B a y ; §§ 16 Abs. 1 GO He; 18 Abs. 4 GO Nds; 16 Abs. 2 GO N W ; 11 Abs. 2 - 4 GO R h - P f ; 15 Abs. 3 GO Sa; 15 Abs. 2 GO Schl-H; vgl. auch A r t . 74 Abs. 1 L V e r f B - W . 25 Vgl. § 8 Abs. 1 GO B - W A r t . 11 Abs. 2 Nr. 2 GO B a y ; §§ 16 Abs. 1 GO He; 17 Abs. 1 GO Nds; 14 Abs. 1 GO N W ; 10 GO R h - P f ; 14 Abs. 1 GO Sa; 14 Abs. 1 GO Schl-H; vgl. auch A r t . 74 Abs. 1 L V e r f B - W . 26 H.Rspr. ; vgl. etwa S t G H BW, U r t . v. 14. 2. 1975 — GR 11/74 —, N J W 1975, 1205, 1205 ff., 1213; V e r f G H NW, U r t . v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 —, OVGE 26, 270, 272 f.; V e r f G H U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 9/71 —, OVGE 28, 291, 292 ff.; V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 78 ff., 101 f.; vgl. i m einzelnen Bischoff, Neugliederung, S. 15, 17 ff., 31; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 84 ff., 149; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 41 f., 62 ff. 27 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 78 f.; ferner Friesenhahn, Garantie, S. 124 f.; vgl. auch Hoppe, Gebietsreform, DVB1.1971,473,480. 20

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Einleitung

Bei diesem Stand der Dinge kann eine Klärung nur durch eine volle interpretative Ausfaltung des Gewährleistungsgehalts der kommunalen Selbstverwaltungsgarantien i n bezug auf die territorialen Konsequenzen herbeigeführt werden. Dabei beschränkt sich, eben wegen der Breite des Ansatzes, die vorliegende Untersuchung auf die bundesverfassungsrechtliche Regelung des A r t . 28 Abs. 2 GG, die als Minimalstandard und Determinante die landesverfassungsrechtlichen Einzelausgestaltungen bestimmt 2 8 . Sie stellt zudem den Gebietszuschnitt der Gemeinden i n den Mittelpunkt, sieht also i m wesentlichen von der Gemeindeverbandsebene ab, weil deren Erörterung erst auf der Grundlage gesicherter Ergebnisse zur gemeindlichen Ebene aussichtsreich wäre. Gegenstand der Untersuchung ist m i t h i n die Frage, ob die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes über die Gestaltung und Umgestaltung des gemeindlichen Gebietsbestandes tatsächlich keine weitergehende Aussage erlaubt, als daß die ausdrücklichen Regelungen der Gemeindeordnungen mitgeschützte gewachsene Elemente der gewährleisteten Einrichtung sind. Demgegenüber soll hier die These aufgestellt und erprobt werden, daß sich durch Auslegung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unmittelbar hinreichend scharfe Kriterien gewinnen lassen, die einen geeigneten Ausgangspunkt für verfassungsrechtlich verbindliche materielle Maßstäbe bilden.

28 Hierzu Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 64 f., 69; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810 passim; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 178 ff.; vgl. auch die eingehende Untersuchung bei Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 34 ff.,38 ff.

ERSTER T E I L

Der Ausdeutungsrahmen der Verfassungsregelung 1, Kapitel

Der begriffliche Gehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Grundlage und Rahmen der Auslegung eines Normtextes liefert die Ermittlung seines Wortsinns 1 . Nach A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG muß „den Gemeinden... das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i m Rahmen der Gesetze i n eigener Verantwortung zu regeln". Damit sind ausdrückliche Maßstäbe für den gemeindlichen Gebietszuschnitt nicht formuliert. Auch i m übrigen schweigt das Grundgesetz hierzu. Es fragt sich daher, inwieweit dem Wortlaut der Verfassungsgewährleistung mittelbar Aufschlüsse zu dieser Frage zu entnehmen sind, ob also und i n welchem Umfang die i n i h m verwendeten Begriffe gebietsrelevante Aussagen enthalten oder inhaltlich voraussetzen. Insbesondere die Wendung „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" nimmt auf die räumliche Komponente gemeindlicher Existenz Bezug 2 . Aber bereits der Begriff der „Gemeinden" selbst bezeichnet seit jeher i m öffentlichen Recht politische Einheiten auf territorialer Grundlage 3 . Inwieweit m i t seiner Rezeption i n den Text des Grundgesetzes zugleich normative Entscheidungen i n gebietlicher Hinsicht getroffen sind, gilt es daher als erstes zu klären. A . D e r Begriff „Gemeinde" I . Der grundgesetzliche Sprachgebrauch

Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind die „Gemeinden" Träger des Selbstverwaltungsrechts. Des Begriffs der „Gemeinde" bedient sich die Bun1

Vgl. statt aller: Larenz, Methodenlehre, S. 307, 332. Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 86. 3 Vgl. Preuß, H W B K W , 2. Bd., S. 186 u n d passim; zur Unterscheidung von politischer u n d Kirchengemeinde etwa Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 2 f. u n d die Nachweise daselbst. 2

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1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

desverfassung mehrfach; sie definiert ihn aber nicht, sondern setzt seinen Inhalt voraus 4 . Daneben finden sich i m Grundgesetz die Bezeichnungen „Selbstverwaltungskörperschaf ten" 5 und „Gebietskörperschaften" 6 , unter denen unbestrittenermaßen die „Gemeinden" (mit-)verstanden werden 7 . Auch insoweit fehlt es jedoch an einer näheren inhaltlichen Umschreibung. Dies gilt zum einen für den Bestandteil „Selbstverwaltung" 8 . Hinsichtlich des Wortelements „Körperschaft" darf davon ausgegangen werden, daß die Verfassung 9 dem geläufigen rechtlichen Sprachgebrauch folgt. Danach handelt es sich u m eine mitgliedschaftliche Organisation („Verband"), u m eine zur Einheit zusammengefaßte Personenvielheit, die i n ihrem Bestand unabhängig vom Wechsel der einzelnen Mitglieder ist („unbestimmte Mitgliedschaft") 1 0 . Eine „Gebietskörperschaft" liegt nach allgemeinem Verständnis dann vor, wenn diese Mitgliedschaft auf dem Wohnsitz der natürlichen Personen beruht 1 1 . Beide Elemente — K ö r perschaftlichkeit wie Gebietsbezogenheit — klingen i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 selbst deutlich an i n der Wendung „örtliche Gemeinschaft". Es liegt daher, wie auch wegen der grammatikalischen Stellung dieser Formulierung, nahe, sie als Umschreibung des Gemeindebegriffs aufzufassen 12 . Das heißt also: Der grundgesetzliche Sprachgebrauch deutet darauf hin, daß für das Phänomen „Gemeinde" zwei Faktoren von Bedeutung sind — ein personelles Substrat, das zu einer überindividuellen Einheit verbunden ist, und ein räumliches Element, das „Gebiet", also ein umgrenzter Ausschnitt des staatlichen Territoriums. Wie allerdings i m einzelnen, nach Größe und Bemessung, dieses „Gebiet" gestaltet sein muß, darüber gibt der begriffliche Gehalt des Wortes „Gebietskörperschaft" keine Auskunft. 4 Abgesehen von A r t . 28: A r t t . 7 Abs. 5; 75 Nr. 1; 93 Abs. 1 Nr. 4 b ; 104a Abs. 4 Satz 1; 105 Abs. 3; 106 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, 3, Abs. 6 Satz 1, 2, 3, 6, Abs. 7 Satz 1, 2, Abs. 8 Satz 1, 2, Abs. 9; 107 Abs. 2 Satz 1; 108 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, Abs. 7; 115 c Abs. 3; 120 Abs. 1 Satz 3; 134 Abs. 3; 135 a Nr. 3 ; 137 Abs. 1 ; 140 i. V. m. A r t . 137 Abs. 3 WRV. 5 A r t . 90 Abs. 2. 8 A r t . 109 Abs. 4 Nr. 1. 7 Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t t . 90, Rdn. 25; 109, Rdn. 34. 8 Vgl. hierzu aber A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 2; dazu Maunz i n Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 28, Rdn. 27. 9 Vgl. auch die Verwendung etwa i n A r t t . 34 Satz 1 ; 55 Abs. 1 ; 86 usw. 10 Forsthoff, Lehrbuch, § 25, S. 486, 491; vgl. auch die Übersicht über die L i t e r a t u r S. 485 f., Fn. 6; Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 71 I I I b 1, S. 6 f., insbes. S. 7 unter α. 11 Entsprechend bei juristischen Personen auf ihrem Sitz: Wolff, V e r w a l tungsrecht I I , § 84 I I I d, S. 167. 12 So Becker, Staatslexikon, 3. Bd., S. 687.

Α. Der Begriff „Gemeinde"

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I I . Die Sprachgeschichte

Auch die sprachgeschichtliche Aufschlüsselung des Wortes „Gemeinde" erweist sich i n dieser Beziehung als wenig fruchtbar. Die Verwandtschaft m i t dem Wort „Gemeinschaft" ist freilich unübersehbar 13 . Sie w i r d durch die Verwendung beider Begriffe i n der Formulierung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG zusätzlich hervorgehoben. Sieht man andrerseits von dieser Verknüpfung i m Verfassungstext selber ab und betrachtet die beiden Elemente zunächst getrennt, so ist ihre ursprüngliche inhaltliche Nähe angesichts ihrer unterschiedlichen Entwicklung erheblich relativiert. Denn anders als „Gemeinde" hat „Gemeinschaft" den Bezug auf „dinglich-objektive, soziale und rechtliche Ordnungen" weitgehend verloren zugunsten einer Akzentuierung „persönlich-geistiger Verbundenheit", wie sie i n dieser Weise etwa für die Kirchengemeinde, nicht aber die politische Gemeinde zentral geworden ist 1 4 . Für die verfassungsrechtliche Konkretisierung des Gemeindebegriffs läßt sich insoweit kaum etwas gewinnen. I I I . Der gemeinderechtliche Sprachgebraudi

Was den Sprachgebrauch des Gemeinderechts selbst angeht, so sind i n seiner Geschichte Versuche einer begrifflichen Umschreibung spärlich 1 5 . I m wesentlichen wurden die gewachsenen, sich i n der äußeren Wirklichkeit präsentierenden Erscheinungsformen stillschweigend vorausgesetzt 16 . Deren außerordentliche Vielfalt von der Weltstadt bis zur dörflichen Zwerggemeinde 17 wie ihre differenzierte Entwicklung bieten aber der analysierenden Anschauung nur wenige Strukturelemente, die zweifelsfrei als identitätsbegründend gewertet werden können, insbesondere soweit es u m die Frage der Gebietsgestaltung geht. Wo dagegen von Gesetzes wegen der Versuch näherer Bestimmung unternommen wird, geschieht dies entweder wiederum m i t Wendungen, die — wie A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG selbst („örtliche Gemeinschaft") — die überindividuelle Zusammenfassung einer Personenmehrheit auf räumlicher Grundlage betonen 18 ; oder aber die Formulierungen zielen auf 13 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 1, Fn. 1; vgl. auch Becker, Staatslexikon, 3. Bd., S. 687. 14 Vgl. König, H K W P I, S. 21 f., insbes. daselbst auch zum Bezug von „Gemeinde" u n d „ A l l m e n d e " . 15 So konnte Peters, Grenzen, S. 47, i m Jahre 1926 anmerken: „Das positive preußische Hecht gibt auf die Frage nach Begriff u n d Wesen der Gemeinde keine ausdrückliche A n t w o r t . " Vgl. auch die Nachweise daselbst Fn. 2. 16 Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 805. 17 Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127. 18 Vgl. § 1 D G O : „die i n der örtlichen Gemeinschaft lebendigen K r ä f t e des Volkes"; vgl. auch § 4: „örtliche Verbundenheit der E i n w o h n e r " ; ferner etwa § 2 Abs. 1 GO R h - P f : „örtliche Gemeinschaft"; vgl. auch A r t t . 1 Satz 1; 7 Abs. 1 GO B a y ; §§ 1 Abs. 2; 5 Abs. 1 Satz 1 GO He.

32

1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

die Aufgabenstellung der Gemeinde ab, ihren funktionalen Stellenwert i n der Verfassungsordnung 10 , sprengen also den Rahmen rein sprachlicher Begriffserklärung, auch bei Einschluß des geschichtlich gewachsenen Gehalts. I V . Das gewachsene rechtsbegriffliche Instrumentarium

Gerade der Umstand, daß das Verfassungsrecht wie auch das gewachsene Gemeinderecht den Begriff der „Gemeinde" m i t einer gewissen Selbstverständlichkeit voraussetzen, erlaubt es, die Klärung seiner sprachlichen Substanz noch von einer weiteren Seite her zu versuchen. Denn die grundgesetzliche Regelung verwendet damit einen Terminus, der nicht lediglich der allgemeinen Sprachgeschichte geläufig ist. Vielmehr bedient sie sich der Bezeichnung einer spezifischen Einrichtung des öffentlichen Lebens und des öffentlichen Rechts, zu deren Merkmalen ein hohes Maß von Kontinuität i n der Geschichte des deutschen Gemeinwesens gehört. Dieses Charakteristikum w i r d besonders dadurch hervorgehoben, daß die Verfassungsgewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG selbst ihrem Inhalt nach i n mehrfacher Hinsicht am Bestand gemeindlicher Existenz und Erscheinungsform anknüpft, wie sie sich historisch entwickelt haben 20 . 1. Dies gilt einmal für den Träger der Verfassungsgewährleistung selbst. M i t der Verwendung des Wortes „Gemeinde" bezieht sich A r t . 28 GG auf eine Institution, die — vorrangig i n der besonderen Gestalt des Städtewesens — i n der deutschen politischen, sozialen und rechtlichen Geschichte einen eigentümlichen, zentralen Platz einnimmt. Insbesondere die Stein'schen Reformen 21 lenkten die überkommenen Ausprägungen, Tendenzen und Ansätze gemeindlicher Eigenständigkeit auf eine allgemeine selbstverantwortliche bürgerschaftliche Gestaltung des lokalen Bereichs hin 2 2 . Damit wurde der kommunale Raum, wurden die „Gemeinden" bis i n die Gegenwart zu einem Hauptschauplatz der Teilhabe des Bürgers an den öffentlichen Belangen, von der Emanzipierung von der „Staatskuratel" 2 3 bis zur allgemeinen Partizipation am politischen 19 So etwa § 1 Abs. 1 GO R h - P f : „Die Gemeinde ist Grundlage u n d zugleich Glied des demokratischen Staates"; vgl. z.B. auch A r t . 1 Satz 2 GO B a y ; § 1 Abs. 1 Satz 1 GO He; § 1 Abs. 1 Satz 1 GO NW. 20 Die Bedeutung der geschichtlichen Entwicklung u n d der historischen E r scheinungsformen f ü r die Bestimmung des Gewährleistungsinhalts der k o m munalen Selbstverwaltungsgarantie betont das B V e r f G i n st. Rspr.: vgl. E 1, 167, 178; 7, 358, 364; 8, 332, 359; 11, 266, 274; 17, 172, 182; 22, 180, 205; 23, 353, 366; 26, 172, 181; 26, 228, 238; vgl. i m einzelnen insbes.: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 37 f. 21 Vgl. insbes. die Preußische Städteordnung v. 19. 11. 1808 (PrGS 1806 - 1810, S. 324). 22 Vgl. i m einzelnen: Becker, Entwicklung, H K W P I, S. 62 ff., insbes. S. 77 ff. 23 Becker, Entwicklung, H K W P I, S. 83 ff., insbes. S. 84 f.

Α. Der Begriff „Gemeinde"

33

Geschehen insgesamt 24 . Entsprechend verbürgen bereits vor dem Grundgesetz deutsche Verfassungen Selbstverwaltung der „Gemeinden" 2 5 . Damit ergibt sich zum zweiten, daß auch der Gegenstand der die „Gemeinden" betreffenden Gewährleistung, wie er i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 bezeichnet ist, auf rechtlich und politisch gewachsenem Fundament ruht. Zwar umschreibt diese Bestimmung ihn — anders als A r t . 127 der Weimarer Reichs Verfassung — nicht mit der Wendung „das Recht der Selbstverwaltung". Aber daß m i t dem „Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i n eigener Verantwortung zu regeln", sachlich nichts anderes gemeint ist, daß diese Formulierung vielmehr „gleichsam als Legaldefinition" hierfür verstanden werden w i l l 2 6 , ergibt sich aus A r t . 28 Abs. 2 Satz 2, wonach „auch" den Gemeindeverbänden „das Recht der Selbstverwaltung" zuerkannt w i r d 2 7 . Die Nachweise dafür, daß A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG — auch sprachlich, insbesondere hinsichtlich des Begriffs der „Gemeinde", — auf dem H i n tergrund einer langdauernden kontinuierlichen Entwicklung des Verfassungslebens zu sehen ist, ließen sich i n verschiedener Richtung vermehren. So könnte etwa darauf hingewiesen werden, daß die Wendung „örtliche Gemeinschaft" 28 ebenfalls auf Formulierungen zurückgreift, die bereits dem älteren deutschen Gemeinderecht für die Bestimmung dessen geläufig waren, was „Gemeinde" darstellt und leisten soll 2 9 . Auch der Gesetzesvorbehalt der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie — „ i m Rahmen der Gesetze" — leitet sich nach Wortlaut und Inhalt aus vorgrundgesetzlichem Bestand ab 3 0 . 2. Unbeschadet der Frage, i n welchem Maße die grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie i n ihrem materiellen Gewährleistungsgehalt den vorgefundenen rechtlichen und tatsächlichen Bestand der Institu24 Vgl. BVerfGE 11, 268, 274 f.; allgemein Becker, Entwicklung, H K W P I, S. 78; speziell zur „Etatisierung" der Gemeinden: Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 241 f., insbes. Fn. 77 m. w. N. 25 So § 184 der Reichsverfassung von 1849 (nicht i n K r a f t getreten) i n : Deutsche Staatsgrundgesetze I I , S. 38; ferner: A r t . 127 W R V v. 11. 8. 1919 (RGBl. S. 1383). 26 So Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 64. 27 Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 64; vgl. auch Maunz i n Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 22 u n d Fn. 1 dazu. 28 die von Becker als „Umschreibung" des Gemeindebegriffs bezeichnet w i r d : vgl. Staatslexikon, 3. Bd., S. 687. 29 Vgl. etwa § 1 Abs. 2 sowie § 7 PrGemVerfG; § 1 Abs. 1 DGO. 30 Vgl. A r t . 127 W R V : „Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der GesetzeZur Bedeutung des Gesetzesvorbehalts vgl. f ü r die Weimarer Epoche vor allem: Klein, Garantien, S. 130 f., 134 ff.; Carl Schmitt, Garantien, S. 4 ff.; zu A r t . 28 Abs. 2 GG ausführlich Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 120 ff.; allgemein: Abel, E i n richtungsgarantien, S. 61 ff.

3 Loschelder

34

1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

tion rezipiert oder modifiziert hat 3 1 , spricht daher die Kontinuität des sprachlichen Fundus dafür, i m Hinblick auf die verwendeten Begriffe, insbesondere den der „Gemeinde", von einem unveränderten Elementarinhalt auszugehen, von einer bruchlosen Entwicklung der Anschauung dessen, was grundsätzlich und jenseits aller Differenzierungen in Raum und Zeit unter einer „Gemeinde" zu verstehen ist 3 2 . Vor allem sind hierbei folgende Elemente hervorzuheben: Die Gemeinden sind die räumlich kleinsten und damit i n der gesamtstaatlichen Verwaltungsorganisation die „untersten" organisatorischen (Raum-)Einheiten. Sie beruhen auf einem typischerweise zusammenhängenden abgegrenzten Gebiet, das regelmäßig einen bloßen (und zwar geringen) Ausschnitt des staatlichen Territoriums darstellt. I m Regelfall gehört jedes Grundstück zum Gebiet einer Gemeinde 33 . Die Zugehörigkeit der Staatsbürger zur jeweiligen Raumeinheit „Gemeinde" gründet sich i n der modernen Entwicklung seit langem auf die bloße Tatsache des Wohnsitzes, wobei die Vollmitgliedschaft, die Stellung als „Bürger", insbesondere an eine mindeste Dauer der Ansässigkeit geknüpft ist 3 4 . Entscheidend erscheint i m vorliegenden Zusammenhang vor allem, daß es sich bei dem personelle und räumliche Elemente umfassenden Gebilde „Gemeinde" nicht u m einen beliebigen, willkürlichen Ausschnitt aus dem staatlichen Territorium handelt. Prägend für den Begriff der „Gemeinde" ist vielmehr sein Bezug zu den natürlichen menschlichen Siedlungseinheiten. So konnte noch zu Beginn der umfassenden kommunalen Gebietsreform i n den einzelnen Bundesländern die Feststellung getroffen werden: „Dabei besteht i m allgemeinen für jede räumlich und soziologisch bestimmbare menschliche Siedlungseinheit, gleich ob 31 Vgl. zur Problematik von K o n t i n u i t ä t u n d Diskontinuität der Verfassungen u n d ihrer Begrifflichkeit etwa Magiera, Regelungsgewalt, Staat 1974, S. 5 f. m. w. N.; speziell zu den Verfassungsgewährleistungen gemeindlicher Selbstverwaltung, insbes. zum I n h a l t u n d Umfang der Einbeziehung des gewachsenen Bestandes i n den Schutz des geltenden Verfassungsrechts: Friesenhahn, Garantie, S. 25 ff., insbes. S. 28 f. u n d S. 28 Fn. 29. 32 Vgl. zur Differenzierung der äußeren Erscheinungsformen einerseits, zur Einheitlichkeit des rechtlichen Gemeindebegriffs andrerseits: Becker, G r u n d lage, H K W P I, S. 127. 33 Vgl. §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 3 GO B - W ; A r t t . 1 Satz 2, 10 Abs. 1 Satz 1 GO B a y ; §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 2 GO He; 1 Abs. 1 Satz 1, 16 Abs. 3 GO Nds; 1 Abs. \ Satz 1, 12 Abs. 2 GO N W ; 1 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 2 GO R h - P f ; 1 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 2 GO Sa; 13 Abs. 2 GO Schl-H. So auch bereits §§ 1 Abs. 1, 12 Abs. 2 DGO sowie Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 1 Erl. 2, S. 7 ff.; Wagener, Neubau, S. 59. 34 So bereits §§ 5 Abs. 1, 19 Abs. 1 D G O ; zum geltenden Gemeinderecht vgl. §§ 10 Abs. 1, 12 GO B - W ; A r t . 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GO B a y ; §§ 8, 30, 31 GO He; 21, 34 GO Nds; 6 GO N W ; 13 GO R h - P f ; 18 GO Sa; 6 GO Schl-H; speziell f ü r Nordrhein-Westfalen: Salzwedel, Kommunalrecht, S. 239 f.

Α. Der Begriff „Gemeinde"

35

sie 100 oder 1 000 000 Einwohner umfaßt, eine »Gemeinde' i m Rechtssinne 35 ." Zwar kann von einer derartigen typischen Identität von politischer Gemeinde und Siedlungseinheit unter den gegenwärtigen Gegebenheiten, den Konsequenzen der Territorialreform, nicht mehr die Rede sein 36 . Jedoch hat — unbeschadet der Frage nach der Verfassungszulässigkeit einer durchgängigen Bildung großflächiger Gemeinden und den Grenzen solcher Möglichkeiten — auch nach dem heutigen Verständnis der Begriff der Gemeinde, die Anschauung ihrer politischen Realität, die Beziehung zur Siedlungseinheit nicht verloren. Denn nach wie vor geht das Gemeinderecht davon aus, daß wesentliches Element gemeindlicher Daseinsform die auf benachbartem Siedeln beruhende „örtliche Verbundenheit der Einwohner" ist, die ihre durch räumlich gemeinsame Ansässigkeit erzeugten eigenen „örtlichen" Angelegenheiten selbstverantwortlich wahrnehmen 3 7 . I m übrigen manifestiert sich die Bedeutung der Siedlungseinheiten gerade auch i n der Staatspraxis der Gebietsreform i n verschiedener Hinsicht. So stellt etwa das bauliche Zusammenwachsen von Gemeinden einen Hauptanlaß dar, solche Gemeinden zu einer neuen gemeindlichen Einheit zusammenzufügen 38 . A n drerseits bietet etwa die Oldenburgische Verwaltungsreform von 1933 Beispiele dafür, daß die Hintansetzung des Faktors der Siedlungsverbundenheit — i n krassen Fällen auch nach mehr als einem Jahrzehnt — sogar zur Rückgängigmachung von Gebietsänderungen zwang, weil sie von der betroffenen Bevölkerung nicht „angenommen" wurden 3 9 . Grundsätzlich steht daher die Bedeutung des Siedlungsverbundes für den Begriff der „Gemeinde" außer Zweifel. So verträgt sich mit i h m weder die Vorstellung, eine natürliche Siedlungseinheit i n mehrere Verwaltungseinheiten, „Gemeinden", zu zerschneiden, noch auch der Gedanke, mehrere entwickelte Gemeinden von hinreichender Größe und Verwaltungskraft und jenseits einer Entfernung zusammenzulegen, die ein mindestes Zusammenwachsen wenigstens i n Zukunft erwarten ließe 40 . 35

Wagener, Neubau, S. 59. Vgl. Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806 m. w. N. 37 Vgl. §§ 1, 2 D G O ; ausdrücklich ferner etwa A r t t . 1 Satz 1, 7 Abs. 1 GO B a y ; §§ 2, 5 GO He; ferner §§ 7 Abs. 2 GO B - W ; 7 GO He; 16 Abs. 1 GO Nds; 5 GO N W ; 13 Abs. 3 GO Sa; 5 GO Schl-H. Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,189 f.; ν . Unruh, Gemeinderecht, S. 93 f. 38 Vgl. die Darstellung der „Lösungsmodelle" der Gebietsreform i m U r t e i l des V e r f G H R h - P f v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 86 unter( 2); Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 815 f. hebt die Bedeutsamkeit siedlungsmäßiger Verflechtung f ü r die „Eingemeindungsreife" besonders hervor. 39 Vgl. die — w e n n auch einschränkende — Feststellung bei Scherl· ening, Rechtsgrundlagen, S. 42 f.; Gutachten Schl-H, Rdn. 222, S. 155 u n d Rdn. 279 f., S. 174. 40 Vgl. das bewußt extreme Beispiel eines Zusammenschlusses von K ö l n u n d Düsseldorf bei Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812. 36



36

1 . Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

Hier stößt man aber zugleich an die Grenze einer lediglich begrifflichen Ausdeutung als Mittels rechtlicher Sinnermittlung. Unterhalb der Schwelle derart krasser Fälle, bei denen die Überschreitung des äußersten Begriffsrahmens eindeutig ist, vermag sie lediglich Affinitäten, Tendenzen zutage zu fördern, nicht aber strikte Maßstäbe 41 . So w i r d man etwa die Geschlossenheit, den Zusammenhang des Gemeindegebiets als typisch ansehen, jedoch angesichts der praktischen Möglichkeit von Exklaven und Enklaven nicht als begriffsnotwendig 42 . Erst recht erlaubt die Vielfalt der Siedlungsformen wie der Entwicklung der gemeindlichen Organisation keine abschließenden Einzelaussagen über das Verhältnis dieser Komponenten, zumal auf beide zahlreiche weitere Faktoren Einfluß hatten und haben 43 . Der Fall der Streusiedlungen macht die Schwierigkeiten dieser Relation deutlich 4 4 . A l l dies zeigt aber auch: Die bislang genannten Begriffselemente — unterste administrative Raumeinheit, personales Substrat auf der Grundlage benachbarten Wohnsitzes, Siedlungszusammenhang — erschöpfen den komplexen Begriffsinhalt der „Gemeinde" nicht 4 5 . Insbesondere das immer wieder hervorgehobene Merkmal der „örtlichen Verbundenheit der Einwohner" 4 6 ist damit nur i n einigen seiner konstituierenden Faktoren angesprochen. Damit stimmt überein, wie sehr nach den Erfahrungen der Staatspraxis sich die Zusammenfassung mehrerer Siedlungseinheiten zu einer neuen Gemeinde je nach den Umständen als mehr oder weniger reibungslos durchführbar, manchmal aber auch als unmöglich erwiesen hat 4 7 . So gestaltet sie sich dort einfacher, wo sie an „traditionelle Gliederungen anderer A r t anknüpfen kann (ζ. B. Kirchspiele i n Oldenburg)" 4 8 , auch an vorhandene Samtgemeinden, Ämter, zwischengemeindliche Einrichtungen der Zusammenarbeit, insbesondere Mittelpunktschulen und ähnliches 49 . 41

Vgl. Latenz, Methodenlehre, S. 307 f. Peters, Grenzen, S. 50; zur Frage der Begriffsnotwendigkeit des personalen Elements, der Einwohner: ders., einerseits Grenzen, S. 50 f., andrerseits Lehrbuch, S. 292 Fn. 5. 43 Vgl. hierzu etwa die eingehende Untersuchung von Christaller, Siedlungsweise, insbes. S. 141 ff. 44 Vgl. Christaller, Siedlungsweise, S. 141 ff.; m i t Bezug auf die kommunale Gebietsreform ζ. B. Gutachten Schl-H, Rdn. 443, S. 230 f. 45 Z u r Schwierigkeit erschöpfender begrifflicher Umschreibung vgl. vor allem die umfängliche Auseinandersetzung bei Peters, Grenzen, S. 49 ff. 46 Vgl. oben bei Fn. 37; ferner: Peters, Lehrbuch, S. 292: „ B e i den Ortsgemeinden sind die i n der örtlichen Gemeinschaft lebendigen K r ä f t e des Volkes zur E r f ü l l u n g öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammengefaßt..." (unter Berufung auf §§ 1, 2 DGO) ; zustimmend Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127. 47 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 222, S. 155, Rdn. 279 f., S. 174. 48 Gutachten Schl-H, Rdn. 237, S. 160, ferner Rdn. 280, S. 174 u n d Rdn. 283, S.175. 49 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 169, S. 137. 42

Α. Der Begriff „Gemeinde"

37

Daher gehört als weiteres Merkmal schon zum Begriff der „Gemeinde" die zeitliche Dimension, die natürliche Dauer und kontinuierliche Entwicklung, die gewachsene Tradition 5 0 . Es ist infolgedessen auch nicht zufällig, daß der örtlichen Geschichte und der Verbreitung ihrer Kenntnis besondere Bedeutung für die Eingliederung von Neubürgern zugemessen w i r d 5 1 . Aber auch hier und gerade hier zeigt sich wiederum die Relativität von Aussagen, die durch das Herausgreifen einzelner Aspekte des vielschichtigen Begriffs der „Gemeinde" zu gewinnen sind — insbesondere wenn es um die Konsequenzen für die gemeindliche Gebietsgestaltung geht. Denn so hoch der Stellenwert der i n der Zeit entwickelten Strukturen — vor allem i m Hinblick auf die „örtliche Verbundenheit" — anzusetzen sein mag, so ist doch andrerseits praktisch unbestritten, daß die konkrete einzelne, historisch gewachsene Gemeinde dessen ungeachtet durch die Verfassungsgewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung nicht mitgeschützt ist, sondern grundsätzlich i n ihrer Existenz wie ihrem Gebietsbestand der staatlichen Disposition unterliegt 5 2 . Strikte Maßstäbe lassen sich also auch hieraus nicht gewinnen. V. Die Aussagekraft des Begriffs und ihre Grenzen

Zusammenfassend ist festzuhalten: M i t dem Begriff der „Gemeinde" werden angesichts der Vielfalt und Variabilität der Gestaltungsformen i n Raum und Zeit feste, insbesondere quantifizierbare Kriterien für Größe und Zuschnitt des Gemeindegebiets nicht mitgedacht. Tendenziell jedoch erscheinen, über die regelmäßige Geschlossenheit des Gebiets hinaus, solche Merkmale als prägend, die für die „örtliche Verbundenheit der Einwohner" konstitutiv sind: die Mitgliedschaft i m personalen Verband aufgrund des Wohnsitzes, typischerweise ein mindester Zusammenhang der Siedlungsform, allgemein die in der Zeit gewachsenen Strukturen des örtlichen Miteinanders. 50 So besonders deutlich Peters, Lehrbuch, S. 292, der die Gemeinde als realen Verband, als „örtliche Gemeinschaft", „naturgegeben" nennt; zustimmend Becker, Grundlage, S. 127. 51 Vgl. Croon , Stadtgeschichte, A f K 1966,125,125. 52 So bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich i n seiner E n t scheidung v o m 11./12. 1929 — S t G H 9. 11. 14. 15. 16. 18/29 — RGZ 126, 14*, 22* f.; vgl. zum heutigen Stand etwa v. MangoldtlKlein, Grundgesetz, A r t . 28 Erl. I V 1 b, S. 706; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28, Rdn. 29; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 78, 145, jeweils m i t weiteren Nachweisen. Soweit Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812 „das Prinzip der W a h r u n g des Bestandes an historisch gewachsenen deutschen Gemeinden" i n A r t . 28 Abs. 2 GG gewährleistet sieht, geht es nich u m die Frage der grundsätzlichen staatlichen Dispositionsbefugnis über die einzelne Gemeinde, sondern u m die Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Legitimierung jedes einzelnen Eingriffs i n die gewachsene Gesamtstruktur; mißverständlich daher die Formulierung der Gegenposition bei Hans Meyer, Neuordnung, DÖV 1971, 801, 804 Fn. 21.

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1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

Somit gibt die Hervorhebung einiger fundamentaler Elemente des komplexen sprachlichen Begriffs der „Gemeinde", wie die Verfassung ihn verwendet, lediglich eine Basis ab für die Frage, wo die präzisen normativen Grenzen der bezeichneten Erscheinung verlaufen. Die bloße Beschreibung des Begriffsinhalts ist insoweit weder von hinreichender Schärfe noch erschöpfend. Sie vermag aus sich heraus keine A n t w o r t darauf zu geben, von welchem Punkt einer gebietlichen Umgestaltung an ein durch staatliche Disposition geschaffenes Raumgebilde die Kriterien nicht mehr erfüllt, die von Verfassungs wegen eine „Gemeinde" kennzeichnen sollen. Selbst wenn man alle tatsächlichen und rechtlichen Elemente der Einrichtung „Gemeinde" lückenlos aufzählen wollte, soweit dies bei einem Gegenstand überhaupt möglich ist, der Teil der äußeren „Wirklichkeit", der „Lebens- und Gesellschaftszusammenhänge" ist 5 3 , bliebe das Ergebnis offen. Denn es fragt sich gerade, welche dieser realen Gegebenheiten als identitätsbegründend oder als darüber hinaus schutzwerter Kernbestand der Einrichtung durch die Verfassung gewährleistet werden 5 4 und „welche Bestandteile aus der gesetzlichen Ordnung . . . zum Verfassungsrecht erhoben worden sind" 5 5 . Diese Unterscheidung von essentiellem, verfassungsgeschütztem Kernbestand und dispositiven, akzidentiellen Elementen muß i m Hinblick auf den gemeindlichen Gebietszuschnitt m i t besonderer Schärfe i n einem Zeitpunkt getroffen werden, i n dem eine umfassende Territorialreform einen „Großangriff auf die geschichtliche Substanz" der kommunalen Struktur verwirklicht 5 8 .

B. D i e W e n d u n g „örtliche Gemeinschaft"

Durch die Wendung „örtliche Gemeinschaft" n i m m t A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich auf Merkmale Bezug, die die sprachliche Ausdeutung bereits als Bestandteil des Gemeindebegriffs dargetan hat. Es w i r d zum einen unmittelbar die territoriale Komponente hervorgehoben — „örtlich" —, zum anderen — „Gemeinschaft" — auf das personelle Substrat verwiesen. Durch die Verknüpfung beider Begriffe wie durch die spezifische Bedeutung von „Gemeinschaft" 57 zielt der Verfassungstext darüber hinaus i n die gleiche Richtung, wie sie sich i n der gemeinderechtlichen Formulierung der „örtlichen Verbundenheit der Einwohner" abzeichnet, die auch heute für die gemeindliche Existenz als zentral angesehen w i r d 5 8 . 53

Vgl. Abel, Einrichtungsgarantien, S. 47, 56 ff. m. w. N. Abel, Einrichtungsgarantien, S. 57, 60, 61 ff. 55 Friesenhahn, Garantie, S. 28; vgl. insgesamt: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 88,120 ff. m. w . N. 58 Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969,546,547. 57 Vgl. dazu oben unter Α . I I . 58 Vgl. oben Fn. 37 u n d 46. 54

Β . Die Wendung „örtliche Gemeinschaft"

39

Damit bestätigt die sprachliche Fassung des A r t 28 Abs. 2 Satz 1 GG, daß diese Verfassungsgewährleistung m i t der Verwendung des Begriffs „Gemeinde" die genannten wesentlichen Bestandteile der überkommenen Einrichtung nach wie vor i m Blick hat. Schon aus diesem Grunde wäre es nicht gerechtfertigt, die Wendung „örtliche Gemeinschaft" als „leerlaufend" von einer näheren Betrachtung auszuschließen. Denn wenn es eine wesentliche Aufgabe der Interpretation der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist, aus der Vielfalt der gewachsenen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte den verfassungsgeschützten Kernbestand herauszuschälen, dann muß gerade den Strukturmerkmalen besondere Bedeutung beigemessen werden, die der Verfassungswortlaut ausdrücklich nennt. Hinzu kommt, daß i n der Formulierung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG „örtliche Gemeinschaft" nicht beziehungslos steht, sondern i n einen Kontext eingebettet ist, aus dem sich weitere Präzisierungen ergeben können. Indem nämlich der „örtlichen Gemeinschaft" „Angelegenheiten" zugeschrieben und zur Wahrnehmung „ i n eigener Verantwortung" überwiesen werden, t r i t t zum räumlichen und personalen ein funktionaler Faktor hinzu, den es — zunächst sprachlich — zu entfalten gilt. Schließlich erhält die Wendung „örtliche Gemeinschaft" zusätzliches, besonderes Gewicht unter dem Gesichtspunkt der Diskontinuität des Verfassungsrechts. Wenn bei einer grundlegenden Änderung der Verfassungslage eine der entscheidenden Fragen der Auslegung der neuen Verfassungsbestimmungen und der i n ihnen verwendeten Begriffe lautet, ob sie als Ausdruck des Bruches m i t der Vergangenheit zu werten sind oder einen Teil des als bewährt übernommenen Ordnungsbestandes darstellen 59 , so spitzt sich diese Frage i m vorliegenden Zusammenhang eigentümlich zu. Einerseits werden verfassungsrechtliche Gewährleistungen vorgefundener Institutionen als Ausdruck bewußter Kontinuität gewertet 6 0 ; andrerseits fragt es sich gerade hier, welche Elemente der Einrichtung i n die verfassungsrechtliche Sicherung aufgenommen worden sind und welche nicht 6 1 . Einerseits stellt es gegenüber A r t . 127 WRV ein Novum dar, daß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich den Gehalt der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie näher zu umschreiben und zu präzisieren sucht 62 ; andrerseits geschieht dies — insbesondere auch hinsichtlich der Formulierung „örtliche Gemeinschaft" — mit einem 59 Vgl. insbes. Schick, Bonner Grundgesetz u n d Weimarer Verfassung — heute, AöR 94 (1969), 353 passim, insbes. S. 361 ff., 367 ff., 377 (unter f); ferner Magiera, Regelungsgewalt, Staat 1974, 1, 5; Peters, Grundfragen, S. 44 f., 82; Seibert, Gewährleistung, S. 6 f f . ; vgl. auch etwa v. Mangoldt/Klein, Grundgesetz, Einleitung V I 4, S. 17 f.; Werner Weber, Weimarer Verfassung u n d B o n ner Grundgesetz, S. 16 ff., 19 ff. 80 Vgl. Abel, Einrichtungsgarantien, S. 56 ff., 58 f. 81 Vgl. oben unter Α. V. 62 Vgl. hierzu u n d zu den Konsequenzen f ü r den Gewährleistungsgehalt: Seibert, Gewährleistung, S. 8 f. („Legaldefinition").

40

1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

Begriffsinstrumentarium, das eindeutig auf dem überkommenen terminologischen Bestand ruht. Daher ist es notwendig, die begriffliche Substanz der grundgesetzlichen Umschreibung i m einzelnen zu prüfen, einschließlich der Spezifikationen, die sich aus der Stellung i m Kontext der Verfassungsbestimmung ergeben. I . Der Begriff „Gemeinschaft"

Zwar interessiert i m vorliegenden Zusammenhang vordringlich der räumliche Gesichtspunkt. Dennoch kann nach den Gesetzen der Sprachlogik die Bedeutung der adjektivischen Präzisierung „örtlich" nicht erschlossen werden, wenn nicht zuvor das Subjekt solcher Präzisierung, „Gemeinschaft", i n seinem Gehalt aufgeschlüsselt ist. 1. Die Wortbedeutung des Begriffs „Gemeinschaft" enthält zwei Komponenten. Erstens, quantitativ, ist damit eine Mehrheit von Personen bezeichnet. Zweitens w i r d damit qualitativ eine Beziehung zwischen diesen Personen konstatiert, die über das bloß „Additive" hinausgeht. Die Mitglieder der Gemeinschaft stehen nicht als jeweils einzelne isoliert nebeneinander, sie sind durch ein jedem von ihnen gemeinsames Merkmal der Zusammengehörigkeit jeder auf jeden anderen bezogen, zu einer sozialen Einheit verknüpft 6 3 . Allerdings läßt sich aus dem Begriff „Gemeinschaft" allein lediglich die Tatsache der Verbundenheit der Glieder der Personenmehrheit entnehmen. Eine Aussage über ihren spezifischen Gehalt, darüber, worin das ihnen „Gemeinsame" 64 liegt, worauf sich der Sache nach ihr „Wir-Gefühl" gründet 6 5 , läßt sich daraus nicht gewinnen. 2. Abgesehen von der näheren Qualifizierung der „Gemeinschaft" als „örtlich" könnte sich ein Hinweis auf den Inhalt der Gemeinsamkeit aus dem Umstand ergeben, daß A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ohne jede Um63 Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 2. Bd., S. 1526, Stichwort „Gemeinschaft" unter 1.: „zahlenmäßig nicht festgelegte Gruppe von M e n schen . . . , die sich durch etwas Gemeinsames verbunden f ü h l t . . . " Gundlach, Staatslexikon, 3. Bd., S. 727, Stichwort „Gemeinschaft": „G. w i r d häufig i n der allgemeinen Bedeutung von Gesellschaft gebraucht, indem man grundlegend das soziale Gebilde v o m Einzelmenschen abheben w i l l . . . Wie man m i t G. die personale Verbundenheit einer Gesellung betonen w i l l , so auch schon m i t dem W o r t Genossenschaft'." Vgl. auch den Gebrauch des Begriffs „Gemeinschaft" i m Grundgesetz: A r t . 1 Abs. 2 („menschliche Gemeinschaft"); A r t . 6 Abs. 2 („staatliche Gemeinschaft"); A r t . 7 Abs. 3 Satz 2 („Religionsgemeinschaften"), Abs. 5 („Gemeinschaftsschule"); A r t . 17 („einzeln oder i n Gemeinschaft"); A r t . 17a Abs. 1 ( „ i n Gemeinschaft m i t anderen"); A r t . 91a Abs. 1, 2 Satz 1, 5 („Gemeinschaftsaufgaben"); A r t . 106 Abs. 1 Nr. 7 („Europäische Gemeinschaften"), Abs. 3 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 („Gemeinschaftssteuern"); A r t . 108 Abs. 1 Satz 1 („Europäische Gemeinschaften"). 64 Vgl. Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, wie zuvor Fn. 63. 65 Bückmann, Verfassungsfragen, S. 107 („Wir-Bewußtsein") ; Herzog, Staatslehre, S. 68.

Β . Die Wendung „örtliche Gemeinschaft"

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Schreibung oder weitere Hinzusetzung von den „Angelegenheiten" der „örtlichen Gemeinschaft" — und zwar von „allen (ihren) Angelegenheiten" — spricht und daß er ihr das Recht zuerkennt, diese Angelegenheiten eigenverantwortlich zu „regeln". Damit w i r d einerseits noch einmal, über die Verwendung des Begriffs „Gemeinschaft" hinaus, zum Ausdruck gebracht, daß Gegebenheiten, Interessen, Bedürfnisse oder Notwendigkeiten vorhanden sind, die den Gruppenmitgliedern i n ihrer Gesamtheit gerade insofern eigentümlich sind, als sie Mitglieder der Gruppe sind; daß sie ein Merkmal kennzeichnet, welches Nichtmitgliedern der Gruppe nicht zukommt und welches die Summe der Mitglieder zur sozialen Einheit zusammenfaßt. Darüber hinaus folgt aus der Existenz regelungsfähiger „Angelegenheiten", daß diese Gemeinsamkeit zumindest auch i n Umständen begründet liegt, die, anders als etwa bloße gemeinsame Uberzeugung, Gesinnung oder Empfindung, nicht lediglich ein inneres, subjektives „Gefühl der Verbundenheit" hervorbringen 6 6 . Vielmehr müssen zu den verbindenden Faktoren auch solche gehören, die — i m Zusammenhang mit äußeren Gegebenheiten — die Mitglieder auf ein Zusammenwirken zur Befriedigung realer Bedürfnisse und Interessen i n der Außenwelt h i n einigen 67 . Damit ist freilich nicht gesagt, daß die „inneren" Integrationsfaktoren und Integrationseffekte von vornherein ohne Bedeutung wären. Die Formulierung der Verfassungsbestimmung läßt vielmehr lediglich den Schluß zu, daß ihr unmittelbarer Gegenstand nicht i n der Bildung der „örtlichen Gemeinschaft" und den sie bewirkenden Agenden selbst liegt. Sie setzt die Existenz von „Gemeinschaft" vielmehr voraus, indem sie sich m i t der Konsequenz dieser speziellen Gemeinschaftsbildung befaßt: mit dem Vorhandensein regelungsfähiger und regelungsbedürftiger A n gelegenheiten des Verbandes i n der Außenwelt 6 8 . Somit bleibt zunächst festzuhalten, daß A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG die zum Begriff der „Gemeinschaft" notwendig gehörende subjektive Seite, das „Wir-Gefühl", durch den funktionalen Aspekt nur mittelbar präzisiert, indem er die Realisierung dieser personellen Verbundenheit i n der Außenwelt stillschweigend voraussetzt. Zugleich geht er aber, eben durch die A r t der Aufgabenzuweisung, einen Schritt weiter und deutet einen 66

Vgl. Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, w i e oben Fn. 63. Vgl. die Begriffsbestimmung der „Gemeinde" bei König, H K W P I, S. 20. 98 Vgl. die beiden Komponenten „außen"/„innen" i n der Formulierung Königs, H K W P I, S. 23: „Gemeinde ist zunächst eine globale Gesellschaft v o m Typus einer lokalen Einheit, die eine unbestimmte Mannigfaltigkeit von F u n k tionskreisen, sozialen Gruppen u n d anderen sozialen Erscheinungen i n sich einbegreift; außerdem hat sie neben zahlreichen Formen innerer Verbundenheit, die sich i n den erwähnten Teilen abspielen mögen, selbstverständlich auch ihre sehr handgreifliche organisatorische Außenseite (sozial, wirtschaftlich, rechtlich, verwaltungsmäßig, politisch usw.)." 67

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I. 1. Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

charakteristischen Gehalt der Gemeinschaftsbildung an. Weil nämlich der Gemeinde nicht irgendwelche, sondern ohne nähere Spezifizierung „alle" Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überantwortet werden, muß gefolgert werden, daß die Verfassungsformulierung von einer Form der Gesellung der Gruppenmitglieder ausgeht, die aus sich heraus nicht nur einzelne, aufzählbare regelungsfähige und regelungsbedürftige gemeinsame Fragen, Interessen, Notwendigkeiten erzeugt, sondern eine unbestimmte, umfassende Vielheit von Aufgaben, die der „Selbstverwaltung" zugänglich sind 6 9 . Daß hinter dem grundgesetzlichen Wortlaut, hinter der i m wesentlichen funktionalen ausdrücklichen Aussage solche konkreten Vorstellungen über den Inhalt gemeindlicher Gemeinschaftsbildung stehen, w i r d deutlich, wenn man die Formulierung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 m i t der des Satz 2 vergleicht. Danach haben die „Gemeindeverbände" das Recht der Selbstverwaltung lediglich „ i m Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches". Dies läßt freilich nicht zwingend die Deutung zu, daß diese Aufgaben sich nicht aus der Natur, der soziologischen Existenz der Landkreise zum Beispiel, ergeben, daß ihnen also ihre Wahrnehmungsgegenstände durch gesetzliche Zuweisung sozusagen „von außen", ohne Bezug zu ihrer inneren Struktur, übertragen werden müßten. M i t der verfassungsrechtlichen Formulierung steht auch die Möglichkeit i m Einklang, daß der „gesetzliche Aufgabenbereich" ganz oder teilweise Aufgaben umfaßt, die als „eigene" mit der Existenz der Gemeindeverbände mitgegeben sind und durch die gesetzliche Zuweisung lediglich „bestätigt" werden. Für eine derartige Auslegung spricht i m übrigen schon die Begriffsbildung des Wortes „Selbst"-Verwaltung selbst. Jedoch knüpft A r t . 28 Abs. 2 Satz 2 GG anders als Satz 1 das Recht der Selbstverwaltung hinsichtlich jeweils einer bestimmten Angelegenheit für die Gemeindeverbände an die ausdrückliche gesetzliche Übertragung, für die Gemeinden dagegen nicht 7 0 . Dabei sind nicht so sehr Anzahl und Umfang der „Angelegenheiten", der Aufgaben der Gemeinden einerseits, der Gemeindeverbände andrerseits entscheidend. Immerhin schließt A r t . 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht aus, daß der „gesetzliche Aufgabenbereich" auf generalklauselartiger Zuweisung beruht und quantitativ dem Aufgabenkreis der Gemeinden 89 Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdnr. 86, weist darauf hin, daß m i t dieser Wendung an die hergebrachte „Universalität", „ T o t a l i t ä t " , „ A l l z u s t ä n digkeit" der Gemeinden angeknüpft w i r d , u n d spricht i n diesem Zusammenhang von „universaler Verbandskompetenz". 70 Vgl. B V e r w G E 6, 19, 23 m. w. N.; i m Ergebnis abweichend — jedoch nicht unter Berufung auf die Textformulierung — Peters, Die Gemeinde i n der Rechtsprechung, S. 210; differenzierend: Röttgen, H K W P I, S. 190; w i e hier: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 168 m. w. N. ; vgl. auch Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,187.

Β . Die Wendung „örtliche Gemeinschaft"

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nicht nachsteht 71 , ja daß den Landkreisen landesrechtlich sogar ebenfalls Allzuständigkeit eingeräumt w i r d 7 2 . Aufschlußreich ist aber die unterschiedliche Anknüpfung, die der Verfassungsgesetzgeber bei Gemeinden und Gemeindeverbänden für die Verleihung des Rechts der Selbstverwaltung wählt, weil sie, jedenfalls vom Normtext her, eine grundsätzlich unterschiedliche Akzentuierung des „Bildes" beider Selbstverwaltungsträger, des Blickwinkels der rechtlichen Regelung dartut. Wenn nämlich das Grundgesetz für die von den Gemeinden i n eigener Verantwortung wahrzunehmenden Aufgaben eine ausdrückliche gesetzliche Zuweisung nicht vorsieht, wohl aber bei den Gemeindeverbänden, so betont dies die Fähigkeit der Gemeinden, aus ihrer Existenz als Gemeinschaftsgebilde, aus dem Miteinander der als „örtlich" bezeichneten „Gemeinschaft" heraus unmittelbar, das heißt ohne daß es insoweit rechtlicher Übertragung bedarf, eigene „Angelegenheiten", Wahrnehmungsgegenstände zu erzeugen, und zwar — „alle" — eine nicht näher begrenzte Vielheit. Da diese Regelungsgegenstände nicht ihrem Inhalt nach umschrieben werden, muß ferner davon ausgegangen werden, daß sie, jedenfalls prinzipiell, aus der Sache selbst, als „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" bestimmt, zumindest je i m konkreten Fall bestimmbar sind. Offen bleibt freilich, i n welchem Maße dabei neben solcher Eigengesetzlichkeit 7 3 die historische Erfahrung, das überkommenermaßen Übliche, herangezogen werden muß 7 4 . Doch ändert dies an der grundsätzlichen Konstellation nichts. Ganz anders ist dagegen der Blickwinkel bezüglich der Aufgaben der Gemeindeverbände. Hier ist Anknüpfungspunkt der Selbstverwaltung der „gesetzliche Aufgabenbereich". Das heißt aber;.Die Verfassungsformulierung geht von vornherein auf die Frage nicht ein, ob die gesetzliche Zuweisung die Aufgaben erst — „von außen" — schafft, oder ob sie sie, wenigstens teilweise, als real vorhandene „eigene" nur bestätigt. Für alle Aufgaben der Gemeindeverbände ist als Grundlage allein die gesetzliche Formung betont 7 5 , nicht eine etwaige tatsächliche soziologische Ver71

Vgl. i m einzelnen Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 168. Röttgen, H K W P I, S. 190; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 168. 73 Vgl. die eigentümliche Verschränkung von „begriffsnotwendigen Bestandteilen" gemeindlicher Selbstverwaltung u n d historischem B i l d insbesondere i n der Darstellung Klübers, Gemeinderecht, S. 19 ff. 74 Vgl. insoweit auch Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, der zunächst die Formulierung „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" aus dem Gehalt ihrer Begrifflichkeit deutet (Rdn. 86), dann darauf hinweist, daß nicht alles, was historisch dazu gezählt hat, darunter zu rechnen ist (Rdn. 88), endlich aber Begriff u n d E n t w i c k l u n g i n der Aussage verbindet, institutionell seien diejenigen Betätigungen garantiert, „die nach einem historisch nachzuweisenden E r fahrungssatz das B i l d der deutschen Gemeinde prägten, also nicht die zufällig akzidentiellen, sondern die typisch essentiellen" (Rdn. 88). 75 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 168: „ I h r e Kompetenz ist also gesetzesgeformt" m. w. N. 72

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1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

bundenheit i n ihren Auswirkungen nach außen 76 . Nach dem Verfassungswortlaut steht folglich die innere Struktur der Gemeindeverbände nicht i n dem Maße i m Blickpunkt, wie dies bei der ausdrücklich so bezeichneten „örtlichen Gemeinschaft" der Fall ist. Wenn Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG in dieser Weise das zur Einheit zusammengefaßte personelle Substrat der Gemeinde als vorgegeben herausstellt, wenn er voraussetzt, daß ihm aus sich heraus ein Inbegriff an Regelungsmaterien entspringt und wenn er diese der eigenverantwortlichen Wahrnehmung durch die Gemeinde unmittelbar zuweist, so betont dies — i m Gegensatz zu den Gemeindeverbänden — das natürliche Vorhandensein und die sachgesetzliche Eigenständigkeit dieser räumlich konstituierten Gruppierungen. Entsprechend läßt die Formulierung des Verfassungstextes bei den Gemeindeverbänden keine Unterscheidung der Aufgaben danach zu, ob die gesetzliche Zuweisung sich lediglich deklaratorisch auf Angelegenheiten bezieht, die aus der Struktur der A u f gabenträger selbst resultieren, oder ob ihnen konstitutiv „fremde" A u f gaben zur eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen werden 7 7 . Dagegen schließt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zwar die Möglichkeit nicht aus, auch den Gemeinden „fremde" Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung zuzuteilen. Er t r i f f t jedoch eine Regelung nur hinsichtlich der A n gelegenheiten, die solche der „örtlichen Gemeinschaft" sind, also solcher, die die örtliche Gemeinschaft aus sich erzeugt, und bezeichnet so den Schwerpunkt des Verfassungsinteresses. Daraus folgt andrerseits: Wenn eine Frage sich gerade auf den spezifischen Bereich der „örtlichen Gemeinschaft" zurückführen läßt, dann spricht der Sprachgehalt des A r t . 28 Abs. 2 GG für die Vermutung, daß diese Angelegenheit i n die Selbstverwaltungskompetenz der Gemeinde fällt. Der Vorbehalt der Selbstverwaltung „ i m Rahmen der Gesetze" läßt Einschränkungen, „Subtraktionen" durch den staatlichen Gesetzgeber zu; jedoch müssen diese jeweils i m Einzelfall ausgewiesen werden 7 8 . Unbeschadet etwaiger weitergehen78 BVerfGE 8, 122, 134: „Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises sind n u r solche Aufgaben, die i n der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben." 77 D a m i t ist über die materielle Frage nach den Grenzen freilich nichts gesagt, die dem Gesetzgeber bei Umfang u n d I n h a l t der Aufgabenzuweisung an die Gemeindeverbände gezogen sind. Vorliegend soll lediglich dargetan w e r den, daß der Wortlaut des A r t . 28 Abs. 2 Satz 2 GG insoweit unergiebiger ist als der des Satz 1. Insofern erscheint es symptomatisch, daß die Argumentation u m die Aufgaben der Landkreise eben nicht, wie bei den Gemeinden, bereits v o m N o r m t e x t her auf bestimmte materielle Gehalte eines notwendigen A u f gabenkreises schließen kann. Vgl. — besonders deutlich — Lerche, Verfassungsposition, D Ö V 1969, 46, 48 f.; vgl. auch Stern/Püttner, Landkreise, S. 18 ff. 78 Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 91, 114 f. m. w. N.; soweit Stern sich gegen die Formulierung „ V e r m u t u n g " wendet (Rdn. 91 m. w. N.), geschieht dies lediglich zur Hervorhebung des Umstandes, daß i m Kernbereich gemeindlicher Aufgaben eine „Subtraktion" schlechthin ausgeschlossen ist, hier also mehr als eine bloße V e r m u t u n g Platz greift; vgl. ferner Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 38; sehr weitgehend: Lüer sen/ Neuf fer, GO Nds, § 2 A n m . 1.

Β . Die Wendung „örtliche Gemeinschaft"

45

der landesrechtlicher Regelungen bedarf es dagegen bei den Gemeindeverbänden des positiven Nachweises der gesetzlichen Aufgabenzuweisung 79 . 3. Nach alledem ist die gemeindliche „Gemeinschaft" wie sie der Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG i n Bezug nimmt, eine auf natürlichen Vorgegebenheiten beruhende, zur sozialen Einheit verknüpfte Personenmehrheit, deren Gemeinschaftsbildung zumindest auch durch Faktoren bewirkt wird, die sich über die begriffsnotwendige innere Verbundenheit hinaus als Interessen, Bedürfnisse, regelungsfähige „Angelegenheiten" i n der Außenwelt niederschlagen. Gegenstand des Verfassungstextes ist unmittelbar nicht der Inhalt der Gemeinschaftsbildung selbst, sondern ihre Folge, das Vorhandensein gemeinsamer Regelungsgegenstände. Es charakterisiert insoweit aber die spezifisch gemeindliche Gemeindschaft, daß sie aus ihrem bloßen Bestehen heraus eine unbestimmte Vielfalt von „Angelegenheiten" erzeugt, deren Inhalt zumindest i m konkreten Fall aus der Sache selbst, dem realen Bestand der Gemeinschaft ermittelt werden kann. Die Überantwortung dieser „Angelegenheiten" an die Gemeinde zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ist entsprechend dieser Eigengesetzlichkeit so vorgenommen, daß es keiner weiteren ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung bedarf; vielmehr ist umgekehrt davon auszugehen, daß den Gemeinden, soweit keine positivrechtliche „Subtraktion" vorliegt, jede Aufgabe zufällt, soweit sie aus der Existenz der örtlichen „Gemeinschaft" als gemeinsame Angelegenheit resultiert. Der sprachliche Gehalt allein der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie läßt allerdings offen, wie weit dies alles von Verfassungs wegen lediglich als vorhanden vorausgesetzt w i r d oder ob insoweit das Grundgesetz positive, normative Anforderungen an Erhaltung und Gestaltung der politischen Wirklichkeit stellt. Vor allem gibt der Begriff der „Gemeinschaft", auch i m Rahmen seines funktionsbezogenen Kontextes, nichts über die gebietliche Grundlage der gemeindlichen Gemeinschaftsbildung i m einzelnen her. I I . Der Begriff „örtlich"

A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG kennzeichnet die gemeindliche „Gemeinschaft" jedoch dadurch näher, daß er sie als „örtlich" bezeichnet. Es fragt sich infolgedessen, ob sich nicht aus dieser raumbezogenen Charak79 Vgl. die plastische Gegenüberstellung B a y V f G H (n. F.) 2, 143, 163, wo h i n sichtlich der Gemeinden von einem „ihnen durch die N a t u r zugewachsenen Aufgabenkreis" die Rede ist, während bei den Gemeinde verbänden „der I n h a l t der Selbstverwaltung . . . ausschließlich durch die Gesetzgebung bestimmt" werde. Vgl. auch B V e r w G E 6, 19, 23, i n der grundsätzlichen Frage übereinstimmend, abweichend lediglich hinsichtlich der Grenzen der gesetzgeberischen Disposition; teilweise abweichend Peters, Die Gemeinde i n der Rechtsprechung, S. 210.

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1 . Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

terisierung nähere Anhaltspunkte für die territorialen Voraussetzungen der Gemeinschaftsbildung des personellen Substrats entwickeln lassen. 1. Die Wortbedeutung des Merkmals „örtlich" weist, legt man den allgemeinen Sprachgebrauch zugrunde, auf bestimmte Eigentümlichkeiten des räumlichen Bezuges der „Gemeinschaft" hin, die sich aus anderen Begriffen räumlicher Zuordnung nicht folgern lassen. Dies w i r d deutlich, wenn man inhaltlich verwandte Bezeichnungen wie „Gelände", „Gegend", „Bereich", „Gebiet", „Landschaft" oder gar den Gegenbegriff „überörtlich" zum Vergleich heranzieht. Anders als bei diesen ordnen sich den Wörtern „ O r t " , „örtlich" die Eigenschaften des Zusammenhängenden und Überschaubaren zu 8 0 . Insoweit stehen die Begriffe „Platz", „Stelle" nahe, die daher i n zahlreichen Zusammenhängen als Synonyme für „ O r t " dienen 81 . Entsprechend verbindet sich i m allgemeinen m i t der Benennung als „ O r t " , „Ortschaft" geographisch zunächst die Vorstellung einer begrenzten, zusammenhängenden baulichen Einheit, deckt also in dieser Bedeutung weder flächenhaft gestreute Einzelansiedlungen noch weitausgreifende großstädtische Ballungszonen noch eine Mehrzahl abgeschlossener, räumlich nicht verbundener Siedlungsgruppen. Andrerseits erheben sich Bedenken, mit der Formulierung „örtlich" — über die räumlichen Elemente des Zusammenhangs und einer mindesten Uberschaubarkeit hinaus — allzu präzise Aussagen flächenmäßiger Größenordnung zu verbinden. Mag auch für gewöhnlich unter einem „ O r t " i m geographischen Sinne allenfalls noch eine mittlere, nicht aber eine Großstadt zu verstehen sein, geschweige denn eine Weltstadt 8 2 , so erscheint doch ein Rückschluß hieraus auf das Verständnis des Verfassungswortlauts kaum zwingend — insbesondere was die adjektivische Form „örtlich" angeht. Gegen eine solche Einschränkung spricht, daß A r t . 28 Abs. 2 GG das Recht zur eigenverantwortlichen Regelung der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" den „Gemeinden" schlechthin zuweist, also Gebilden, die sich i n ihrer — auch flächenmäßigen — Gestaltung i n der äußeren Realität seit je i n den mannigfachsten Formen und Größen darbieten, als „Bauerndörfer, Industriegemeinden oder Mischungen zwischen beiden, Flecken, Marktorte, K u r - und Badeorte, Kleinstädte, Wohngemeinden, Mittelstädte, statistische Großstädte, 80

Vgl. Trübners Deutsches Wörterbuch, 5. Bd., S. 36, Stich w o r t : „ O r t " : „Schon mhd. gehen diese Bedeutungen über i n die eines festen Punktes, einer Stätte i m Gegensatz zum Raum . . . " . Ebenda S. 37: „ V o r allem aber ist Ort i m Nhd. ein bestimmter Platz des Erdbodens . . V g l . auch: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 34. Lieferung, S. 2718, Stichwort „ O r t " ; zur Etymologie: Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 525, Stich w o r t „ O r t " (ursprüngliche Bedeutung: „Spitze"). 81 Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 34. Lieferung, S. 2718 unter l . a . ; ferner: WehrleiEggers, Deutscher Wortschatz, S. 57 f., Nr. 182, Stichwort „ O r t " (beschränkter Raum): ,,a) Stelle, Platz, Stätte, Stadt, Fleck, P u n k t . . . " 82 Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 34. Lieferung, S. 2719 unter 2: „Verwaltungseinheit i n einem Staat, D o r f oder (kleine) Stadt."

Β . Die Wendung „örtliche Gemeinschaft"

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Großstädte, Weltstädte" 8 3 . Wenn sie alle unterschiedslos die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" wahrzunehmen haben, so kann „örtlich" i n diesem Zusammenhang nicht auf eine räumliche Ausdehnung beschränkt werden, die nur einen Teil dieser Erscheinungen von „Gemeinde" einbegreift. Die Kennzeichnung der gemeindlichen Gemeinschaft als „örtlich" muß darum i n einem Sinne verstanden werden, der es erlaubt der ganzen Breite gemeindlicher Existenzweise — etwa i m Hinblick auf Flächen- oder Einwohnerquantitäten — gerecht zu werden, zumindest, soweit es um die gewachsenen Formen geht, wie sie der Verfassungsgeber i m Zeitpunkt der Formulierung des Verfassungstextes vorgefunden hat 8 4 . 2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG. Zwar enthalten auch diese Vorschriften über die Verwirklichung des demokratischen Prinzips i n den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Aussage zum räumlichen Zuschnitt. Als Regeltatbestand w i r d i n Satz 2 ein Repräsentationsorgan vorgesehen, nämlich eine gewählte „Vertretung" des „Volkes". Nach Satz 3 ist daneben für die Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, an seine Stelle die „Gemeindeversammlung" treten zu lassen, also eine „Einrichtung unmittelbarer Demokratie" 8 5 . Aber daraus läßt sich lediglich entnehmen, daß der Verfassungsgesetzgeber Gemeinden unterschiedlicher Größenordnung i n Rechnung stellt, insbesondere auf die spezifischen Bedingungen kleinster Einheiten Rücksicht nimmt. Eine untere oder obere Größe für den räumlichen Zuschnitt folgt daraus nicht. 3. Erst recht läßt die sonstige Verwendung des Begriffs „örtlich" im Grundgesetz es als zweifelhaft erscheinen, ob überhaupt i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG gerade durch seine Verwendung ein wesentlicher Akzent auf die räumliche Bemessung des Gemeindegebiets gelegt werden soll, ob er nicht lediglich der Unterscheidung zwischen der „örtlichen" Gemeinschaft der Gemeinde und räumlich umfassenderen Gruppierungen dient, etwa der „staatlichen" Gemeinschaft 86 , ohne daß es insoweit auf die absolute territoriale Größe der Vergleichsobjekte ankäme. Wenn i n Art. 105 Abs. 2 a und A r t . 106 Abs. 6 Satz 1 und 3 GG von „örtlichen" Steuern die Rede ist, so werden diese Steuern als kommunal i n dem Sinne gekennzeichnet, daß sie an Gegebenheiten auf dem Gebiet der Gemeinden anknüpfen 8 7 . Insoweit w i r d also, m i t Bezug auf die Gemeinden, das i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG verwendete Merkmal wieder 83

Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127. Vgl. a u d i i m Ergebnis v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95, insbes. Fn. 27 m. w. N. 85 Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 52. 86 Vgl. A r t . 6 Abs. 2 GG. 87 Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 105, Rdn. 26; Schmidt-Bleibtreu/ Klein. A r t . 105, Rdn. 15; vgl. auch A r t . 106, Rdn. 13. 84

48

1.

Kap.: Der begriffliche Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

aufgenommen, jedoch so — wie der Zusammenhang der Verteilung der Gesetzgebungsbefugnis und der Ertragshoheit ergibt —, daß dadurch lediglich die räumlich auf das jeweilige Gemeindegebiet bezogenen Steuern von solchen unterschieden werden, die einen räumlich weiteren Bereich als den der einzelnen Gemeinde betreffen. Ein näherer Bezug zur konkreten räumlichen Gestaltung der Gemeinde folgt daraus nicht. A r t . 107 Abs. 1 Satz 1 bis 3 GG verwendet die Bezeichnung „örtlich" sogar i n Ansehung der Bundesländer und definiert i n Satz 1 die Steuern, die von den Finanzbehörden i m Gebiet je eines Landes vereinnahmt werden, als „örtliches Aufkommen" 8 8 . Hier ist also die sprachliche Komponente der „Überschaubarkeit" völlig vernachlässigt. Die Kennzeichnung als „örtlich" hat lediglich die Funktion der Abgrenzung eines Territoriums von den umliegenden Gebieten. 4. Zusammenfassend ergibt sich: Vom sprachlichen Gehalt her klingt i n dem Wort „örtlich" ein Element der Überschaubarkeit an. Welches Gewicht diesem Element aber i n bezug auf die Bezeichnung der gemeindlichen Gemeinschaft als „örtlich" zukommt, läßt die sprachliche Analyse nicht erkennen. Insbesondere zeigt der Sprachgebrauch des Grundgesetzes i m übrigen, daß „örtlich" auch lediglich als abgrenzende Charakterisierung eines beliebigen Gebiets von seinem Umland verstanden werden kann. Es bleibt infolgedessen offen, wie — sprachlich — i m Verständnis des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Akzent zu sehen ist: ob es dabei lediglich darum geht, den Gemeinden die eigenverantwortliche Regelung der „ A n gelegenheiten" der auf ihrem Gebiet ansässigen „Gemeinschaft" zuzuweisen — i m Gegensatz zu Angelegenheiten umfassenderer Gemeinschaften und ohne Rücksicht auf die Bemessung des territorialen Substrats der Gemeinde; oder ob mit der Beschreibung der gemeindlichen Gemeinschaft als „örtlich" zugleich ein Hinweis auf die Grundlage der Gemeinschaftsbildung mitgedacht werden soll, etwa i m Sinne von A n sässigkeit, gemeinsamem Siedeln in räumlicher Geschlossenheit und Nähe. Die Bezeichnung als „örtlich" fügt m i t h i n den Aussagen, die sich aus dem Begriff der „Gemeinschaft" und seinem funktionalen Kontext ergeben haben, aus dem bloßen Wortsinn kein eindeutiges, zwingendes näher konkretisierendes Merkmal hinzu. I I I . Die sprachliche Verknüpfung von „örtlich" und „Gemeinschaft"

Daher kann auch die sprachliche Verbindung der Begriffe „örtlich" und „Gemeinschaft" i n der Wendung „örtliche Gemeinschaft" keinen weiteren Hinweis ergeben, ob dabei i m Vordergrund der materielle räumliche Aspekt steht — „zusammenhängendes, umgrenztes, über88

Vogel/Kirchhof,

Bonner Kommentar, A r t . 107, Rdn. 84; vgl. auch Rdn. 95 f.

Β . Die Wendung „örtliche Gemeinschaft"

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schaubares Gebiet" — oder die bloße Distinktion — „beliebiger begrenzter Teil der Erdoberfläche i m Gegensatz zu dem über i h n hinausgehenden Raum". Denn auch i n dieser Verbindung ist nicht entschieden, ob dadurch die gemeindliche Gemeinschaft i n ihrer räumlichen Grundlage näher charakterisiert oder ob sie nur von anderen „Gemeinschaften" unterschieden werden soll. Dessenungeachtet bleibt die Formulierung „örtliche Gemeinschaft" und ihre Stellung i m Kontext der Verfassungsnorm für deren Ausdeutung, vor allem i m Hinblick auf den gemeindlichen Gebietszuschnitt, bedeutsam. Die bisherigen Überlegungen haben zwar einerseits gezeigt, daß daraus m i t den M i t t e l n ausschließlich am Sprachsinn orientierter Interpretation keine Aussagen zu gewinnen sind, die über den Gehalt des Begriffs der „Gemeinde", über die i n seinem gewachsenen Verständnis enthaltenen realen Elemente hinausgehen. Aber gerade dieser Umstand selbst besitzt Indizwert. Er findet nämlich seine schlüssige Erklärung unter zwei Voraussetzungen, streitet also insoweit dafür, daß diese Voraussetzungen zutreffen: Die Formulierungsweise des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG deutet darauf hin, daß die Wendung „örtliche Gemeinschaft" als ausdrückliche verfassungsrechtliche Umschreibung, als „Legaldefinition" von „Gemeinde" aufzufassen ist 8 9 , jedenfalls als Beschreibung ihres realen politischen Substrats 90 . Daß, zum zweiten, diese positive Umschreibung mit Hilfe gewachsener Begriffe vorgenommen wird, legt den Schluß auf den Willen des Verfassungsgebers nahe, bei der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung die wesentlichen Strukturelemente der vorgefundenen Einrichtung „Gemeinde" i n den Bestand der von i h m neu geformten staatlichen Ordnung aufzunehmen. Eben wenn diese beiden Prämissen aber richtig sind, kann „örtliche Gemeinschaft" keine Sinnelemente enthalten, die nicht bereits i m geschichtlich entwickelten Begriff der Gemeinde vorzufinden sind. Erst recht schließt dies inhaltliche Divergenzen zwischen beiden Bestandteilen des Normtextes aus. Damit gibt die Formulierungsweise des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG zugleich die Richtung für die weitere Untersuchung an. Es fragt sich nämlich, ob die auf seiner Grundlage entwickelte Hypothese grundsätzlicher rechtlicher Kontinuität bezüglich des Bildes der „Gemeinde" von der Entstehungsgeschichte der Verfassungsgewährleistung bestätigt wird. Ferner ist zu prüfen, ob sich aus den gewachsenen Strukturen des Gewährleistungsgegenstandes weitere Aufschlüsse für sek^pn strukturellen Gehalt ergeben, insbesondere was die Funktion des Gebiets der Gemeinde und seine Gestaltung betrifft. 89

Vgl. Seibert, Gewährleistung, S. 9; Becker, Staatslexikon, 3. Bd., S. 687. Vgl. die Unterscheidung zwischen „örtlicher Gemeinschaft" als einer natürlich vorgegebenen sozialen Erscheinung u n d „Gemeinde" als rechtlicher Überformung, Aufnahme dieser Erscheinung i n die staatliche Rechtsordnung, bei Peters, Lehrbuch, S. 292. 90

4 Loschelder

2. Kapitel

Die geschichtliche Dimension der Formulierung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Weil das Grundgesetz mit der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung nicht etwas völlig Neues schafft, sondern auf eine vorgefundene Rechtstradition Bezug nimmt, eine gewachsene rechtliche und politische Einrichtung zum Gegenstand seiner Regelung macht, stellt sich die Frage nach der geschichtlichen Dimension des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG und ihrer Aussagekraft für den normativen Gehalt dieser Bestimmung in doppelter Weise. Einerseits ist zu prüfen, ob und i n welcher Weise nach der Entstehung der Verfassung dem „historischen Gesetzgeber" 9 1 die i m geschichtlichen Prozeß herangebildete Institution gemeindlicher Selbstverwaltung vor Augen stand, wie, i n welchem Umfang, i n welchen Elementen er sie übernehmen, insbesondere inwieweit er an ihren gebietlich relevanten Strukturen festhalten, sie fortentwikkeln, modifizieren oder auch offenlassen wollte. Andrerseits — und i m Zusammenhang damit — ist zu untersuchen, wie die Entscheidung für den konkreten Verfassungstext, für die letztlich gewählte Formulierung auf dem Hintergrund der vorgängigen Entwicklung der Einrichtung selbst zu deuten ist, welche für den gemeindlichen Gebietszuschnitt erheblichen Elemente sich i n ihr herausgebildet haben und wie sich diese Elemente i m Bewußtsein der Zeitgenossen bis zur Entstehung des Grundgesetzes darstellten 92 . A . D i e Entstehung des Verfassungswortlauts I. Der Entwurf des Verfassungskonvents

Der Entwurf des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee enthielt keine Vorschrift über die kommunale Selbstverwaltung 9 3 . I I . Die Erarbeitung im Parlamentarischen Rat

I m Parlamentarischen Rat hat die gebietliche Gestaltung der Gemeinden ausdrückliche Erwähnung nur i m Hinblick auf Art. 28 Abs. 1 91

Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 315 u n d passim. Z u m „ A k t der Verfassungsgebung" als „dem entscheidenden Z e i t p u n k t " : Wiese, Gemeindeverbandsebene, S. 14, vgl. auch S. 4 f. 93 Vgl. Bericht Verfassungskonvent, insbes. A r t . 29 des Entwurfs, S. 64; v. Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., A r t . 28 Erl. 1, S. 174; vgl. auch JöR (NF) 1, S. 253. 92

Α. Die Entstehung des Verfassungswortlauts

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Satz 3 GG gefunden. M i t dieser Bestimmung sollte erklärtermaßen die Möglichkeit eröffnet werden, an der teilweise bestehenden Praxis unmittelbarer Demokratie i n Kleinstgemeinden festzuhalten 94 . 1. Freilich kann aus dem Schweigen der Entstehungsgeschichte i m übrigen zu diesem Punkt nicht bereits geschlossen werden, insoweit habe man bewußt ohne jede Änderung an der vorgefundenen Lage anknüpfen wollen. Denn die Formulierung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG, wie sie i m Parlamentarischen Rat i n einer Reihe von Schritten entwickelt w u r de 9 5 , deutet keineswegs auf eine bloße, unveränderte Rezeption der unter der Geltung des A r t . 127 WRV bestehenden rechtlichen Situation hin. Aus der unterschiedlichen Fassung von A r t . 127 WRV und A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist i m Gegenteil der Schluß gezogen worden: Indem den Gemeinden das Recht eingeräumt werde, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i m Rahmen der Gesetze i n eigener Verantwortung zu regeln", bediene sich das Grundgesetz nicht lediglich des „herkömmlichen Begriffs" gemeindlicher Selbstverwaltung. Vielmehr definiere es sie selbst i n den „wesentlichen Merkmalen" 9 6 . Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG übernehme daher nicht einen „vorhandenen, überlieferten Bestand . . . an gemeindlicher Selbstverwaltung" 9 7 , vielmehr lege er selbständig abschließend den Begriff der gemeindlichen Selbstverwaltung kraft Bundesverfassungsrechts fest 98 . Es erscheint fraglich, ob es eine derartige strikte Alternativität zwischen Kontinuität der Rechtsentwicklung und eigenständiger Umschreibung i n einer neuen Verfassung wirklich gibt. Insbesondere hinsichtlich der Formulierung „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" und der etwa daraus für den territorialen Bestand und Zuschnitt zu ziehenden Folgerungen muß ein solcher Gegensatz bezweifelt werden. Bereits i m Rahmen der sprachlichen Ausdeutung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist hervorgehoben worden, daß das Grundgesetz m i t dieser Wendung — wie allgemein m i t dem i n der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie gewählten Begriffsinstrumentarium — am gewachsenen, früheren Sprachgebrauch anknüpft. Gegen die Annahme einer bewußten, vollständigen Neugestaltung spricht daher — zumal angesichts der eingehenden Behandlung des Normtextes i m Parlamentarischen Rat — die sprachliche Kontinuität 9 9 . 94

Vgl. JöR (NF) 1, S. 252 f.; i m einzelnen: Hauptausschuß, 27. Sitzung, 15. 12. 1948, S. 323 f. 95 Vgl. die Ubersicht bei v. Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., A r t . 28 Erl. 1, S. 174 ff. u n d i n JöR (NF) 1, S. 254 ff. 96 Seibert, Gewährleistung, S. 13. 97 Seibert, Gewährleistung, S. 15. 98 Seibert, Gewährleistung, S. 14 ff.; vgl. auch S. 252 A n m . 1. 99 Vgl. ζ. B. A r t . 127 W R V : „Gemeinden u n d Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze." Ferner: § 1 Abs. 1 DGO: „Die Gemeinden fassen die i n der örtlichen Gemeinschaft 4*

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I. 2. Kap.: Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

Andrerseits kann aus der bloßen Verwendung traditioneller Begriffe i n einer neuen, anderen Werten verpflichteten oder andere Werte akzentuierenden Verfassung ebensowenig zwingend auf die Kontinuität des Begriffsinhalts geschlossen werden, wie umgekehrt das Argument des „revolutionären Charakters" jeder neuen Verfassungsgebung generell die Diskontinuität des Regelungsgehalts beweist. Vielmehr kann diese Frage nur von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen beantwortet werden 1 0 0 . 2. Zieht man zu diesem Zweck die Erörterungen heran, die bei der Formulierung des A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 GG i m Parlamentarischen Rat stattgefunden haben, so ist zunächst festzustellen, daß sie — abgesehen von dem Entschluß, überhaupt eine Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung i n das Grundgesetz aufzunehmen 101 , — i m Schwerpunkt den Inhalt des „Rechts der Selbstverwaltung" betrafen, nicht das Erscheinungsbild seiner Träger i m übrigen. Hierbei wiederum galt das Interesse weniger der — von keiner Seite angezweifelten — Eigenverantwortlichkeit, als der gegenständlichen Umschreibung des den Gemeinden zugewiesenen Aufgabenkreises 102 . Daneben wurde unter anderem darüber gestritten, ob i n die grundgesetzliche Gewährleistung die A u f gabenwahrnehmung durch eigene, verantwortliche Organe einzufügen sei 1 0 3 , ferner wie die Zuweisung hinreichender Finanzmittel bei der Übertragung neuer Aufgaben sichergestellt werden könne 1 0 4 . lebendigen K r ä f t e des Volkes zur E r f ü l l u n g öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammen." § 1 Abs. 2 Satz 2 D G O : „Sie verwalten sich selbst unter eigener Verantwortung." Ferner § 1 Abs. 1 PrGemVerfG: „ D i e Gemeinde ist die v o m Staat als solche anerkannte, geschichtlich gewordene und zur Einheit gewachsene Zelle räumlichen Zusammenlebens einer Vielheit von Familien u n d örtlichen Zusammenschlusses von Einrichtungen, Anlagen u n d Werken." Abs. 2: „Die Gemeinde ist berufen . . . unter eigener Verantwortung die i n der örtlichen Gemeinschaft w i r k s a m werdenden K r ä f t e des Volkes zu fördern u n d ihre geschichtliche, landschaftliche, kulturelle u n d wirtschaftliche Eigenart zu pflegen." § 7: „Die Gemeinde darf alle Aufgaben übernehmen, die der Förder u n g der örtlichen Gemeinschaft u n d der Pflege ihrer Eigenart dienen." I m Gegensatz hierzu sprechen die älteren kommunalverfassungsrechtlichen Gesetze wesentlich lapidarer von den „Stadtgemeinden" bzw. den „Landgemeinden", denen das „Recht der Selbstverwaltung" nach Maßgabe der Gesetze zustehe. Vgl. etwa § 9 der Städteordnung f ü r die östlichen Provinzen v o m 30. 5. 1853 (PrGS S. 261), § 5 der Landgemeindeordnung für die östlichen Provinzen v o m 3. 7.1891 (PrGS S. 233). 100 Vgl. Magiera, Regelungsgewalt, Staat 1974, 1, 5 m i t zahlreichen weiteren Nachweisen, insbes. S. 6 Fn. 28; vgl. ferner die Nachweise oben Fn. 59. 101 Vgl. v. Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., A r t . 28 Erl. 1, insbes. S. 175; ferner JöR (NF) 1, S. 213 u n d die Nachweise daselbst. 102 Vgl. v. Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., A r t . 28 Erl. 1 S. 175 f. sowie JöR (NF) 1, S. 254 ff., insbes. S. 254 m. w . N. 103 ν . Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., A r t . 28 Erl. 1, S. 177; JöR (NF) 1, 257 m. w. N. 104 v. Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., A r t . 28 Erl. 1, S. 177; JöR (NF) 1, 256 m. w. N.

Α . Die Entstehung des Verfassungswortlauts

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Nicht das bloße Schweigen, sondern diese Richtung der Diskussion ist es, die dafür spricht, daß die dem vorgefundenen kommunalrechtlichen Bestand entstammenden Formulierungen, deren man sich bei der Gestaltung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG bediente, i n der damaligem Verständnis entsprechenden Weise gebraucht werden sollten. Insoweit streitet diese Entstehungsgeschichte gegen die Annahme, man habe i m Rahmen eines grundsätzlichen Neubeginns die vorhandenen Elemente gemeindlicher Selbstverwaltung entscheidend umformen wollen 1 0 5 . Vor allem bei dem zur Spezifizierung der kommunalen Kompetenzen — „ A n gelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" — verwendeten räumlichen Terminus „örtlich" ist der Blickwinkel deutlich, unter dem sich seine Heranziehung ergab. Die über diese Formulierung i m Parlamentarischen Rat ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten bezogen sich allein darauf, ob durch die Formulierung „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" den Gemeinden — insbesondere aber den Gemeindeverbänden — die Universalität des Wirkungskreises verbürgt werden solle und i n welchen Grenzen dies geschehen könne 1 0 6 . Was dagegen unter „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" zu verstehen sei, welchen Stellenwert dabei insbesondere der Qualifizierung „örtlich" zukomme, w u r de nicht erörtert. Der begriffliche Gehalt wurde m i t h i n von den Beteiligten als bekannt und unbestritten vorausgesetzt. Daraus ergibt sich: Wenn i n der Hauptsache von den zentralen Fragen gemeindlicher Selbstverwaltung nur die nach dem den Gemeinden von Verfassungs wegen zuzuerkennenden Aufgabenkreis kontrovers diskutiert wurde, so zeigt dies an, daß nur dieser Punkt, nicht die anderen Elemente der Einrichtung als problematisch empfunden wurden. Wenn ferner zur Entscheidung dieses Streits die Formulierung „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" gewählt wurde — und zwar hinsichtlich der inhaltlichen Bedeutung „örtlicher Gemeinschaft" ohne Differenzen zwischen den Beteiligten —, so spricht dies dafür, daß sie als eindeutig aufgefaßt wurde. Da schließlich diese Wendung dem geläufigen, überkommenen kommunalrechtlichen Vokabular entnommen wurde, muß davon ausgegangen werden, daß der Konsens über den Begriffsinhalt dieser Formulierung und ihre Eindeutigkeit auf der den Beteiligten bekannten vorgrundgesetzlichen Entwicklung, auf dem ihrer 105 Insofern erscheint es symptomatisch, w e n n i n der 11. Sitzung des A u s schusses für Grundsatzfragen der Abgeordnete Dr. Suhr (SPD) vorschlug, das Recht der Selbstverwaltung nicht zu „gewähren", sondern zu „gewährleisten", damit nicht der Eindruck entstehe, als w e n n der Staat den Gemeinden dieses Recht erst verleihe. Es erscheint gleichermaßen symptomatisch f ü r das Bewußtsein, an real Vorhandenem anzuknüpfen, daß dieser Vorschlag angenommen wurde (vgl. K u r z p r o t o k o l l v. 14.10.1948, S. 7). ιοβ v g l die Nachweise oben Fn. 102. Vgl. auch zum vorgrundgesetzlichen V e r ständnis solcher Universalität u n d seiner Entwicklung: Wilhelm Loschelder, Städteordnung, § 9 Erl. H L S. 73 ff.

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I. 2. Kap. : Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

Gegenwart präsenten B i l d von „Gemeinde" beruhte 1 0 7 . Soweit es u m diesen Begriffsinhalt ging, sollte also an die vorgefundene gemeindliche Lage angeknüpft werden. Insoweit zumindest war an eine Umgestaltung von Verfassungs wegen nicht gedacht. M i t dieser Feststellung ist allerdings vorläufig nur negativ dargetan, daß bei der Formulierung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG eine Modifizierung des rechtlichen und organisatorischen Bestandes nicht beabsichtigt war, soweit es u m die Struktur der Einrichtung „Gemeinde" als Träger von Selbstverwaltung geht, u m die Elemente, die „Gemeinde" — insbesondere als „örtliche Gemeinschaft" — konstituieren. Wie dagegen diese vorgefundenen Strukturen beschaffen waren und i n welchem Umfang sie positiv i n die neue Verfassungsgarantie eingebracht werden sollten, darüber gibt die Entstehungsgeschichte selbst keinen Aufschluß. B. Das vorgrundgesetzliche B i l d der Gemeinde

Das „ B i l d " der Gemeinde, wie es den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates vor Augen stand und wie sie es i n seinen nicht ausdrücklich erörterten Elementen stillschweigend der neu formulierten Verfassungsgewährleistung zugrunde legten, entspricht dem Verständnis von Wesen und Daseinsform der Gemeinden i m Zeitpunkt der Verfassungsgebung, wie es sich i m Laufe der geschichtlichen Entwicklung bis zur damaligen Gegenwart herausgebildet hatte. Daher ist zu prüfen, welche Bestandteile dieses vielschichtigen und vielgestaltigen „Bildes" bereits i n der vorgrundrechtlichen Epoche als fundamental, identitätsbegründend angesehen wurden und welche nicht. Insbesondere fragt es sich, ob bestimmte Kriterien für die gemeindliche Gebietsgestaltung oder sonstige, diese Gestaltung ihrerseits beeinflussende Faktoren gemeindlicher Existenz bereits damals als rechtlich notwendig galten, als — i m Sinne rechtlicher Anforderung an die reale Handhabung i n der Staatspraxis — verbindliche Maßstäbe für die Grenzen staatlicher Dispositionsfreiheit. Gelänge es, das Vorhandensein derartiger normativer Gehalte des „Bildes" der Gemeinde nachzuweisen, so spräche dies für die Annahme, daß das Schweigen der Materialien zu A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG i m H i n blick auf sie als positive Einbeziehung i n die grundgesetzliche Gewährleistung gedeutet werden darf. Hierfür genügt somit — anders als bei der Entfaltung des historisch geprägten Sprachgehalts — nicht mehr allein, daß eine bestimmte Qualifikation tatsächlich mit der Vorstellung der Einrichtung „Gemeinde" i n der allgemeinen Anschauung verbunden war. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis, daß diese Qualifikation als rechtlich verbindlicher Bestandteil der Einrichtung „Gemeinde" gewertet wurde. 107 Vgl. die Formulierung i n Gutachten Schl-H, Rdn. 214, S. 153, betreffend die „Vorstellung von der soziologischen Daseinsform der Gemeinde", die A r t . 28 Abs. 2 GG „zugrunde liegt".

Β . Das vorgrundgesetzliche B i l d der Gemeinde

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I. Die vorgrundgesetzlichen Umschreibungen gemeindlicher Eigenart

1. Das überkommene Gemeinderecht erweist sich, wie bereits dargelegt 1 0 8 , als wenig ergiebig i n der Beschreibung dessen, was „Gemeinde" zur „Gemeinde" macht 1 0 9 . Soweit nicht der Begriff der „Gemeinde" insgesamt vorausgesetzt wird, findet sich lediglich die Hervorhebung einzelner Merkmale, kein Bemühen um definitorische Vollständigkeit. So wurden die Gemeinden etwa von Gesetzes wegen häufig als „Körperschaften des öffentlichen Rechts" bezeichnet 110 . Den territorialen Aspekt hebt die Benennung als „Gebietskörperschaft" hervor 1 1 1 . Allerdings ist damit lediglich ausgesagt, daß für die Existenz einer Gemeinde ein Gebiet vorhanden sein muß und daß es Objekt der gemeindlichen Herrschaft ist 1 1 2 . Soweit i m übrigen das positive Recht i m Zusammenhang mit den Gemeinden deren Gebiet ausdrücklich erwähnte, finden sich nur wenige Hinweise zur Frage seiner Bemessung 113 . I n unmittelbarem Zusammenhang m i t den umfangreichen Eingemeindungen der zwanziger Jahre und i n Konsequenz der daran geknüpften allgemeinen Erörterung 1 1 4 formulierte § 4 DGO als generelle Maßstäbe gemeindlicher Gebietsgestaltung: „Das Gebiet jeder Gemeinde soll so bemessen sein, daß die örtliche Verbundenheit der Einwohner gewahrt und die Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgabe gesichert ist 1 1 5 ." Beschränkt man sich zunächst auf den Gesetzeswortlaut, 108

Vgl. oben 1. Kap. unter A. I I I . Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 214 f., S. 152 f. 110 Vgl. f ü r das preußische Gemeinderecht: Peters, Grenzen, S. 47, insbes. die Einzelnachweise i n Fn. 3; zur DGO: Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 1 Erl. 3, S. 9 f. 111 Vgl. etwa — i m Gegensatz zum PrGemVerfG — § 1 Abs. 2 DGO; hierzu: Surén , wie oben Fn. 110; ferner etwa A r t . 144 L V e r f Bre v. 21. 10. 1947 (GBl. S. 251) ; ebenso § 1 GO Rh-Pf. 112 Peters, Grenzen, S. 55; ders., Lehrbuch, S. 292 f.; Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 1 Erl. 1, S. 6 u n d Erl. 3, S. 10; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 74 ff.; Kottenberg/Rehn, GO NW, § 1 Erl. V, insbes. V 2; Pagenkopf, K o m munalrecht, S. 1, 24 ff.; Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, § 14 I I , S. 68. 113 So insbes. § 2 Nr. 2 Landgemeindeordnung für die östlichen Provinzen v. 3. 7. 1891 (PrGS S. 233): „Landgemeinden u n d Gebietsbezirke, welche ihre öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu erfüllen außer Stande sind, können durch Königliche Anordnung aufgelöst werden" ; i n §§ 52 ff. PrGemVerfG findet sich eine entsprechende Bestimmung nicht; hier w i r d bereits i m wesentlichen darauf abgestellt, daß die Gebietsgestaltung dem „öffentlichen W o h l " entspricht (§ 52); vgl. dazu auch bereits § 2 Abs. 4 der Städte-Ordnung für die östlichen Provinzen v. 30. 5. 1853 (PrGS S. 261): bei Abtrennung einzelner Grundstücke Ersetzung der Zustimmung aller Beteiligten, „ w e n n dieselbe i m öffentlichen Interesse als notwendiges Bedürfnis sich ergibt"; ähnlich § 2 Nr. 3, 4 L a n d gemeindeordnung; zum Begriff des „öffentlichen Interesses" daselbst Nr. 5. 114 So ausdrücklich: Begründung zu § 4 DGO, wiedergegeben bei Surén/ Loschelder, DGO, § 4, Erl. 2, S. 134. 115 Diese Formulierung wurde i n der Folge zum Bestandteil des allgemeinen deutschen Gemeinderechts; vgl. die ausdrückliche, i m wesentlichen wörtliche Aufnahme i n §§ 7 Abs. 2 GO B - W ; 7 GO He; 16 Abs. 1 GO Nds; 5 GO N W ; 13 Abs. 3 GO Sa; 5 GO Schl-H. 109

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I. 2. Kap.: Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

so fällt seine Fassung als „Soll-Vorschrift" auf. Gleich, wie eng oder weit dadurch der Spielraum für die staatliche Disposition i m einzelnen gezogen sein mag 1 1 6 , so geht der Gesetzgeber der DGO ersichtlich nicht davon aus, daß es sich bei den Kriterien „Verbundenheit der Einwohner" und „Leistungsfähigkeit" u m normativ zwingende Elemente gemeindlichen Daseins oder gar des Begriffs der Gemeinde handelt. Denn andernfalls hätte immer dann, wenn sie nicht vorlagen oder durch die tatsächliche Entwicklung i n Wegfall gekommen waren, die entsprechende Gebietsneugestaltung als unabdingbare Folge angeordnet werden müssen. Gegen eine derartige Deutung spricht zudem § 13 DGO, wonach die zuständigen staatlichen Behörden bei Vorliegen von „Gründen des öffentlichen Wohles" zur Vornahme von Gebietsänderungen ermächtigt, nicht aber verpflichtet wurden 1 1 7 . Auch die grundsätzliche Anknüpfung am historischen Prinzip für die Gebietszuordnung zu den Gemeinden in § 12 Abs. 1 Satz 1 D G O 1 1 8 läßt erkennen, daß der vorgefundene Bestand an Gemeinden grundsätzlich als gegeben auch rechtlich hingenommen wurde, selbst wenn i m Einzelfall die Kriterien des § 4 DGO nicht erfüllt waren 1 1 9 . 2. Die i m Schrifttum entwickelten Begriffsbestimmungen weisen ebenfalls durchgängig das Merkmal „Gebiet" auf 1 2 0 . N u r teilweise werden dabei nähere Spezifizierungen hervorgehoben, die etwa i m „unmittelbaren räumlichen Zusammen wohnen der Mitglieder, b z w . . . . der unmittelbaren räumlichen Nachbarschaft des Grundbesitzes" gesehen werden 1 2 1 , oder i n der „örtlichen Zusammenordnung der Wohnstätten" 1 2 2 . 11β Vgl. zu dieser Frage allgemein: Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 31 I I b , S. 196. 117 „Gemeindegrenzen können aus Gründen des öffentlichen Wohles geändert werden." (Hervorhebung v. Verf.) 118 „Das Gebiet (die Gemarkung) der Gemeinde bilden die Grundstücke, die nach geltendem Recht zu i h r gehören." Auch diese Bestimmung gehört zum überkommenen Bestand des deutschen Gemeinderechts; vgl. etwa § 2 Abs. 1 Städteordnung f ü r die östlichen Provinzen; § 2 Abs. 1 Städteordnung f ü r die Provinz Westfalen v. 19. 3. 1856 (PrGS S. 237); § 2 Abs. 1 Städteordnung f ü r die Rheinprovinz v. 15. 5. 1856 (PrGS S. 406); § 2 Landgemeindeordnung für die östlichen Provinzen v. 3. 7.1891 (PrGS S. 233). Vgl. ferner Friedrich i n StierSomlo, Handbuch, 1. Bd., S. 421, 463; ferner zum historischen Prinzip: Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 12, Erl. 1 m. w . N.; zum geltenden Recht entsprechend etwa: Kottenberg/Rehn, GO N W , ; 12, Erl. 11. 119 Die „allgemeine Begründung zur D G O " erwähnt das Problem der „ Z w e r g gemeinden" ohne hinreichende Verwaltungskraft dementsprechend i m wesentlichen n u r unter dem Gesichtspunkt der administrativen P r a k t i k a b i l i t ä t ; andrerseits relativiert sie sogar den Grundsatz „örtlicher Verbundenheit" bei Neugliederungen, w e n n es „aus zwingenden Gründen der Leistungsfähigkeit" erforderlich sei; vgl. den Abdruck bei Surén/Loschelder, DGO, § 4, Erl. 3, S. 136, insbes. S. 137. 120 Vgl. vor allem die eingehende Darstellung und Auseinandersetzung bei Peters, Grenzen, S. 49 ff.; ferner die Beispiele bei Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 1 Erl. 1, S. 6. 121 Neuwiem, Zweckverbände, S. 2.

Β . Das vorgrundgesetzliche B i l d der Gemeinde

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I m ersten Fall wendet Peters 1 2 3 das Beispiel der Exklave ein. Für die zweite Umschreibung, die auch dies miteinbegreift 1 2 4 , gilt andrerseits wiederum, daß sie, weil den gesamten vielfältigen Bestand gewachsener Gemeinden abdeckend, unmittelbar i m Hinblick auf den Gebietszuschnitt wegen ihrer Allgemeinheit kaum näheren Aufschluß bietet. Beiden Begriffsbestimmungen ist allerdings gemeinsam, daß sie das Gemeindegebiet i n Bezug setzen zur räumlichen Nähe der auf i h m ansässigen Personen, also die realen Grundlagen — territoriales und personelles Substrat — dessen verknüpfen, was der Verfassungsgeber i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG als die gemeindliche „örtliche Gemeinschaft" bezeichnet. I I . Die Hervorhebung ortlicher Verbundenheit

Zwar bieten somit weder der gemeinderechtliche Sprachgebrauch noch die wissenschaftlichen Begriffsbestimmungen der vorgrundgesetzlichen Epoche genügenden Anhalt darfür, daß man bestimmte normative Anforderungen gerade für die Gebietsgestaltung zum rechtlich verbindlichen „ B i l d " der Gemeinde zählte. Sie weisen aber insofern i n die nämliche Richtung, als für die gemeindliche Daseinsweise nicht so sehr Quantität und Bemessung des Territoriums selbst, als vielmehr die dadurch bewirkte räumliche Nähe des Siedeins und das darauf beruhende soziale Miteinander der Gemeindeglieder als bedeutsam betont werden. Es ist infolgedessen zu fragen, ob und i n welcher Weise das Vorhandensein solchen nachbarschaftlichen sozialen Miteinanders als rechtlich notwendiges Element der Einrichtung „Gemeinde" verstanden wurde und ob sich daraus mittelbar normative Kriterien für das Gemeindegebiet ergeben. Es müßte also nachweisbar sein, daß der Gebietsbestand der Gemeinden nicht ausschließlich als eine kraft geschichtlicher Entwicklung oder gezielter Gestaltung vorgegebene Größe betrachtet wurde, auf der sich „örtliche Gemeinschaft" üblicherweise bildet 1 2 5 . Es müßte vielmehr das Gebiet i n Größe und Gestalt als Voraussetzung der — rechtlich notwendig vorhandenen — „örtlichen Gemeinschaft" aufgefaßt worden sein, die ihrerseits — u m der Rechtsnotwendigkeit der Bildung von „örtlicher Gemeinschaft" willen — rechtlichen Mindestanforderungen unterliegt 1 2 6 . 122

Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Bd., S. 352. Peters, Grenzen, S. 50. 124 Peters, Grenzen, S. 52. 125 Vgl. zum Verhältnis von „organisch gewachsen" u n d „künstlich organisiert": König, H K W P I, S. 23 f.; vgl. auch Bückmann, Verfassungsfragen, S. 99, insbes. auch S. 103, wo aus der grundgesetzlichen Umschreibung als „örtliche Gemeinschaft" die Notwendigkeit gefolgert w i r d , daß — auch i m Rahmen der Neugliederung — die Gemeinden so gestaltet sein müssen, daß sie „geeignet" sind, „ihre Bewohner zu örtlichen Gemeinschaften zu integrieren." 126 Vgl. zu diesem Denkmodell Bückmann, Verfassungsfragen, S. 99, 103, 104 ff. 128

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I. 2. Kap. : Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

1. Daß der damaligen Zeit die örtliche Verbundenheit als für die gemeindliche Daseinsform bedeutsam, ferner der Gebietszuschnitt als für .diese Verbundenheit (mit)bestimmend erschien, beweist gerade der Wortlaut des § 4 DGO. Andrerseits spricht die Formulierung dieser Bestimmung als Soll-Vorschrift dafür, daß damit lediglich eine rechtspolitische Konsequenz aus dem Gedanken gemeindlicher Selbstverwaltung gezogen werden sollte, die als (nur) wünschbare Voraussetzung für deren optimale Verwirklichung anzusehen sei. Dies u m so mehr, als für Ausnahmefälle die Möglichkeit ins Auge gefaßt wurde, „die soziologische Grundlage der Gemeinde, nämlich die örtliche Verbundenheit der Einwohner" zu verlassen, und zwar dort, „wo es aus zwingenden Gründen der Leistungsfähigkeit unbedingt geboten" sei 1 2 7 . Damit stimmt überein, daß § 4 DGO als bloße „Richtlinie" für die zuständigen Behörden gedeutet wurde, deren „Nichtbeachtung . . . die Rechtsungültigkeit 1 2 8 des Hoheitsakts nicht zur Folge" habe 1 2 9 . Insgesamt — das zeigt dieses Beispiel — kann die Beantwortung der Frage nach der Normativität des Elements „örtlicher Gemeinschaft" i m Verständnis der vorgrundgesetzlichen Entwicklung nicht auf eine einfache Alternativität zweier Möglichkeiten hinauslaufen: entweder das Vorhandensein wirkender Integration der Gemeindeglieder zur „örtlichen Gemeinschaft" als zum normativen Gehalt, zum bindenden Rechtsbestand des Gemeinde-Bildes gehörig nachzuweisen oder — i m anderen Falle — den Staat i n seiner Gestaltungsfreiheit über Existenz und Gebietsbestand der Gemeinden für rechtlich unbeschränkt zu halten. Daß ein derartiges einfaches Entweder-Oder der komplexen Problemlage nicht gerecht würde, ergibt sich aus zwei Überlegungen. Zum einen: Zwischen strikter, jede Wahl zwischen verschiedenen Entscheidungen ausschließender normativer Bindung staatlicher Tätigkeit und unbegrenzter Gestaltungsfreiheit liegt eine gleitende Skala möglicher Anforderungsintensitäten 130 . Wenn zum „ B i l d " der Gemeinde die Komponente der Verbundenheit zur „örtlichen Gemeinschaft" gehört, so können sich daraus, je nachdem was die Ausdeutung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie i m übrigen ergibt, unterschiedliche Schlüsse ziehen lassen. Es könnte daraus etwa gefolgert werden, „örtliche Gemeinschaft" gehöre bereits zum Begriff der Gemeinde; wo derartige „lebendige örtliche Gemeinschaft" nicht existiere, handle es sich nicht um eine „Gemeinde" 1 3 1 . Es könnte sich ferner ergeben, daß „örtliche 127 128

fehler. 129

130 V

Vgl. oben Fn. 119. I m Text „Rechtsgültigkeit", nach dem Zusammenhang w o h l ein DruckSurén i n Surén/Loschelder, DGO, § 4, Erl. 2, S. 135. Verwaltungsrecht I, § 31, S. 186. g L Wolff/Bachof,

131 Vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, § 1 I 2, S. 2 („Ein notwendiges Ingredienz ist die lebendige menschliche Gemeinschaft . . . " ) , einschränkend ebenda unter 14, S. 3.

Β . Das vorgrundgesetzliche B i l d der Gemeinde

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Gemeinschaft" zwar nicht Teil des Gemeindebegriffs ist, ihr Vorhandensein aber rechtlich zwingend gefordert wird, sei es, weil von Rechts wegen das „ B i l d " der Gemeinde i n seinem status quo umfassend festgeschrieben wird, sei es, daß gerade die örtliche Verbundenheit zum rechtlich strikt geschützten Kernbestand gezählt werden muß 1 3 2 . Es könnte aber auch lediglich damit ausgesagt sein, daß die Schaffung und Erhaltung „örtlicher Gemeinschaft" i m spezifischen Sinne lediglich i m Regelfall, also typischerweise geboten ist, daß aber i n Ausnahmefällen hiervon abgewichen werden kann 1 3 3 . Noch schwächer wäre die Verbindlichkeit, wenn man „örtliche Gemeinschaft" i n Bezug zu einem mehr oder weniger weitgehend determinierten Ermessen für staatliche Dispositionen setzte, wobei auch hier eine Fülle von Möglichkeiten besteht, gegebenenfalls kombiniert mit unterschiedlich bemessenen Beurteilungsspielräumen 134 . I n diesem Zusammenhang könnte die örtliche Verbundenheit etwa als nur tendenziell zu berücksichtigendes „Leitbild", als „Richtlinie" aufgefaßt werden 1 3 5 bis hin zum „bloßen" Programmsatz 136 . Das Beispiel des Beurteilungsspielraums zeigt darüber hinaus, daß zusätzlich zwischen dem Grad an materieller Bindung und dem Maß der Überprüfbarkeit der Einhaltung solcher Bindung, etwa durch die Gerichte, unterschieden werden muß 1 3 7 . Schließlich kann die Zugehörigkeit örtlicher Verbundenheit der Gemeindeglieder zum B i l d der Gemeinde auch lediglich deskriptiver Natur sein, einen gegebenen Zustand referieren, ohne daß damit — jedenfalls normative — Imperative mitgedacht würden. Gerade der letzgenannte Fall, aber auch die übrigen Beispiele möglicher Deutungsergebnisse machen einen zweiten Vorbehalt sichtbar, un132

Vgl. zu letzterer Möglichkeit — allerdings das Ergebnis ausdrücklich offenlassend — : Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806. 133 I n diese Richtung deuten die A r t . 28 Abs. 2 GG betreffenden Beispiele über Zusammenlegungen zur Durchführung übergemeindlicher Vorhaben i m staatlichen Interesse („Formung eines hauptstädtischen Siedlungsraumes, die Erschließung von Braunkohlengebieten u n d die Schaffung verkehrsgünstiger Bahnhöfe und Flughäfen") bei Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810, 812. 134 Vgl. etwa das Beispiel der Raumordnungsgrundsätze des § 2 ROG; hier zur Frage des Ineinandergreifens von unbestimmten Rechtsbegriffen — m i t u n d ohne Beurteilungsspielraum — u n d Ermessen bei Cholewa/von der Heide i n : ROG, Vor §§ 2, 3, Erl. I I 3 c, cc, S. 13 f. 135 Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 4, Erl. 2, S. 135; vgl. auch zu den „Richtbegriffen" des A r t . 29 Abs. 1 GG: Evers, Bonner Kommentar, Rdn. 25 ff. 136 So zu § 5 GO N W als „Programmsatz" für die künftige optimale Gestaltung gemeindlicher Selbstverwaltung: Kottenberg/Rehn, GO NW, § 5, Erl. I ; vgl. allgemein zur Unterscheidung von unmittelbarer Regelung u n d Programm i n der Weimarer Lehre den Überblick bei Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 2. Hauptteil, Einleitung S. 514 ff. u n d passim. 137 Vgl. zum „Auseinanderklaffen zwischen K o n t r o l l n o r m u n d Funktionsnorm", gerade i m Hinblick auf die kommunale Neugliederung, etwa Hoppe, Gebietsreform, DVB1.1971 473,479.

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I. 2. Kap. : Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

ter dem die Frage nach der Normativität gemeindlicher Integration i m vorgrundgesetzlichen B i l d der Gemeinde steht. Es handelt sich u m das Problem, die damalige Anschauung nicht unter Anwendung der gegenwärtig geltenden Maßstäbe zu erschließen, sondern aus den Prämissen und Kategorien, die das Denken dieser vergangenen Epoche beherrschten 1 3 8 . So muß ein rein deskriptives Verständnis von „örtlicher Gemeinschaft" keineswegs bedeuten, daß damit künftige, grundsätzliche Veränderungen bewußt ermöglicht oder doch offengehalten werden sollten. Es kann vielmehr auch lediglich Ausdruck dafür sein, daß man die Möglichkeit derartiger Veränderungen unter den früheren Bedingungen gar nicht ins Auge faßte, daß sie „undenkbar" waren — sei es, w e i l man davon ausging, daß sich örtliche Integration i n hinreichender Form ohnehin, ungeachtet des Gebietszuschnitts, bilden werde 1 3 9 , sei es, daß man, von Einzelausnahmen abgesehen, nicht damit rechnete, daß solche umstürzenden Neugestaltungen würden praktisch werden können 1 4 0 . Aber selbst soweit i m B i l d der Gemeinde „örtliche Gemeinschaft" als Imperativ gegenüber dem eingreifenden Staat mitgedacht worden wäre, hieße das nicht zwingend, daß dies i m Sinne eines rechtlichen Befehls geschah. Eine solche Forderung kann etwa — jenseits juristischer Kategorien — an die politische Vernunft gerichtet sein, einen Appell an die Staatspraxis darstellen, durch politische Entscheidung die Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung, insbesondere die Verbundenheit ihres personellen Substrats zu bewahren, zu schützen und zu fördern. Die Beschränkung auf einen rechtspolitischen Appell, das Absehen von einer materiell-rechtlichen Verfestigung, mag etwa i n der Uberzeugung begründet sein, daß es sich insoweit um eine Frage handelt — einen staatlichen Organisationsakt 141 —, die nicht so sehr für rechtliche Regulierung geeignet sei, als vielmehr durch sachgerechte politische Dezision gelöst werden müsse. Eine solche Betrachtungsweise wäre insbesondere auf dem Hintergrund des sich wandelnden Verständnisses von der Funktion 188 Hierzu ausdrücklich: Betti , Jurisprudenz u n d Rechtsgeschichte, ARSP 1952, 354 passim, insbes. S. 373 f.; ders., K o n t i n u i t ä t , S. 10; vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 319; ferner etwa das sinnfällige Beispiel des Bedeutungswandels des Wortes „ius" i m Hinblick auf den I n h a l t „subjektives Recht" i m römischen Recht u n d bei den Glossatoren: Coing , Z u r Geschichte des P r i v a t rechtssystems, S. 32 ff. 139 Vgl., unter starker Betonung des Zeitfaktors, für soziologische Gebilde allgemein: König, H K W P I, S. 24. 140 Eine solche Betrachtungsweise liegt insbes. deswegen nahe, w e i l ungeachtet der Z a h l u n d des Umfangs der i n den 20er u n d 30er Jahren durchgeführten Gebietsänderungen der Gedanke einer den historischen Bestand ablösenden, prinzipiell andersartigen, auf rational geplante Effizienz abzielenden Neustrukturierung der damaligen Vorstellung fremd war, die nach wie vor an der geschichtlich gewachsenen Gemeindestruktur ausgerichtet war. Vgl. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 473; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547 („Großangriff auf die geschichtliche Substanz des Landes"). 141 Vgl. Friesenhahn, Garantie, S. 126 u n d die Nachweise daselbst Fn. 26.

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des Rechts, insbesondere auch des Verfassungsrechts zu sehen, also als eingebettet i n den allmählichen, auch heute andauernden Prozeß der Akzentverschiebung von Verfassung und Gesetz als äußerster, sich zunehmend verengender Grenze staatlichen Handelns zu einer immer engmaschigeren inhaltlichen Determinierung bei gleichzeitiger Zurückdrängung des politischen Bereichs 142 . Die Frage, ob i n dem Element „örtlicher Gemeinschaft" des vorgrundgesetzlichen Bildes der Gemeinde eine imperative Komponente, insbesondere i m rechtlichen Sinne enthalten war, muß daher unter Berücksichtigung der zahlreichen möglichen Nuancen auf dem Hintergrund der historischen Lage bedacht werden. Dabei ist vor allem dem Umstand Rechnung zu tragen, daß kommunale Gebietsänderungen zwar zum überkommenen gemeinderechtlichen Instrumentarium gehörten 1 4 3 , daß sie aber weder nach Gewicht noch Zahl das B i l d der Gemeinde prägten. Dieses war vielmehr am „Normalfall" der gewachsenen Gemeinde orientiert, wie sie sich jeweils als Siedlungseinheit i m Laufe der Zeit entwickelt hatte 1 4 4 . Auch dort, wo vor allem i m Bereich der stark anwachsenden Städte schon i m 19. Jh., verstärkt i n den zwanziger Jahren des 20. Jh., eine ständige Anpassung des Gebietszuschnitts an die über die politischen Grenzen hinauswachsenden Siedlungseinheiten erforderlich wurde 1 4 5 , gilt nichts anderes. Denn gerade hier blieb grundsätzlich die Vorstellung herrschend, den rechtlichen Gebietszuschnitt der tatsächlichen Entwicklung eben der „gewachsenen", der sich faktisch ausweitenden „örtlichen Gemeinschaft" anzupassen, nicht diese qualitativ zu verändern oder gar zu vernachlässigen 146 . I n die gleiche Richtung weist i m übrigen die offenbar selbstverständ142

Vgl. Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 264 ff., 273 ff., insbes. S. 281 ff., 292 ff.; Forsthoff, Industriegesellschaft, S. 126 f., insbes. das Beispiel der Umdeutung des Gleichheitssatzes zur B i n d u n g des Gesetzgebers S. 134 ff. u n d passim; vgl. ferner — f ü r den Verständniswandel charakteristisch — die Ausführungen zur Untrennbarkeit von Rechts- u n d politischen Fragen i m Rahmen einer Verfassungsgerichtsbarkeit: Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 117 ff.; die Ausgangslage t r i t t k l a r hervor i n der Scheidung von Sphäre der Rechtspflege u n d Sphäre der V e r w a l t u n g bei Friedrich Julius Stahl, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 608 f.; i m Hinblick auf die vorliegende Problematik vgl. besonders die Umdeutung der Gemeinwohlklausel für kommunale Gebietsänderungen von einer Ermächtigung zu einer materiellen, nachprüfbaren Bindung, hierzu: Friesenhahn, Garantie, S. 126; vgl. i m H i n b l i c k auf die k o m munale Neugliederung die Unterscheidung von Verfassungsmaßstäben, die „finale Determinanten i n F o r m von Verfassungsgeboten" enthalten, u n d V e r fassungsnormen, die „lediglich . . . Verbotsgrenzen" bezeichnen, bei Hoppe, Kontrolldichte, Landkreis 1969, 228, 228. 143 Vgl. etwa die Synopse zum Eingemeindungsrecht i n Preußen bei Peters, Grenzen, S. 90 ff. 144 Vgl. ausdrücklich („Ausnahmecharakter der Maßnahme") Glum, Selbstverwaltung, AöR (NF) Bd. 17 (1929), 414. 145 Vgl. Scheuner, Verwaltungsreform, A f K 1969, 209,222. 146 Vgl. ausdrücklich: Runderlaß des R M d l v. 6. 1. 1939 ( R M i n B l i V S. 33), abgedruckt bei Surén/Loschelder, DGO, § 4 Erl. 3, S. 138 ff., 140 unter I , 2 b (1).

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I. 2. Kap. : Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

liehe Gleichsetzung von Gemeinde und „örtlicher Gemeinschaft" i n § 1 Abs. 1 und die Formulierung des § 4 DGO von 1935 147 . Auch als der Gesichtspunkt der Anhebung der gemeindlichen Verwaltungskraft i m H i n blick auf Gebietsänderungen verstärkt hervorgehoben wurde 1 4 8 , war man weit entfernt davon, zwischen i h m und der örtlichen Verbundenheit ein grundsätzliches, nicht aufhebbares Spannungsverhältnis zu sehen. Vielmehr wurde der grundsätzliche Vorrang der soziologischen Struktur betont, Ausnahmen um der Effektivität willen an engste Voraussetzungen gebunden 149 . Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß sich die kommunalrechtliche Gesetzgebung i n den zwanziger Jahren von der Auffassung löste, Gebietsänderungen seien regelmäßig nur bei Zustimmung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig 150 . Zwar kann der Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und den umfangreichen Gebietsänderungen der damaligen Zeit nicht von der Hand gewiesen werden 1 5 1 . Daß die damit verbundene Ausweitung der staatlichen Gestaltungsbefugnisse über den Gebietszuschnitt der gemeindlichen Ebene aber nicht mit einer grundsätzlichen Abkehr von der soziologischen Grundlage „örtlicher Gemeinschaft" verbunden war, machen die gemeinderechtlichen Regelungen selbst deutlich. So ist nach § 11 Abs. 5 des Gesetzes vom 27. 12. 1927 152 von der Auflösung eines Gutsbezirks Abstand zu nehmen, wenn — unter anderem — „seine Umwandlung i n eine selbständige Gemeinde nicht möglich ist, weil sich ein eigenes Gemeindeleben wegen geringer Einwohnerzahl oder räumlicher Trennung der Wohnstätten nicht entwickeln kann". Nach § 53 Satz 2 PrGemVerfG sollen Grenzänderungen „gegen den Willen der beteiligten Gemeinden... nur vorgenommen werden, wenn eine andere, dem öffentlichen Wohle entsprechende Regelung nicht möglich i s t " 1 5 3 . Das heißt, die i n solchem 147 „ . . . daß die örtliche Verbundenheit der Einwohner gewahrt ist." (Hervorhebung v o m Verf.) 148 Vgl. Schattenfroh, Großstadt, Z A k D R 1937, 69, 71; Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 4 Erl. 3, S. 135; vgl. auch die allgemeine Begründung zur DGO Ziff. 4, abgedruckt bei Surén/Loschelder, § 4 Erl. 3, S. 137. 149 Vgl. die allgemeine Begründung zur DGO Ziff. 4, bei Surén/Loschelder, DGO, § 4, Erl. 3, S. 137; vgl. auch Schattenfroh, Großstadt, Z A k D R 1937, 69, 69, der ausdrücklich § 4 DGO auch für den „Aufsaugungsprozeß" am Rande von Großstädten für einschlägig h ä l t ; vgl. auch ebenda S. 70 f. 150 Vgl. einerseits zur äußerst zersplitterten Rechtslage i n Preußen bis 1927 die Übersicht bei Peters, Grenzen, S. 90 ff.; andrerseits § 1 Abs. 1, 2 Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts v. 27. 12. 1927 (PrGS S. 211); § 53 PrGemVerfG; § 13 D G O ; hierzu insgesamt: Friesenhahn, Garantie, S. 126; vgl. auch Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 11. 151 Vgl. das Gesetz über Groß-Berlin v. 27. 4. 1920 (PrGS S. 123), die Neuordnung des Ruhrgebiets durch die Gesetze v. 26. 2. 1926 (PrGS S. 53), v. 22. 3. 1928 (PrGS S. 17) u n d v.29. 7. 1929 (PrGS S. 91); vgl. auch die V O über die Neugliederung von Landkreisen v. 1.8.1932 (PrGS S. 255). 152 Vgl. zuvor Fn. 150. 153 Vgl. zur Bedeutung der Gemeinwohlklausel: Friesenhahn, Garantie, 5. 125 f.

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Willen, i n solchem Festhalten am bisherigen gemeindlichen Zusammenleben sich manifestierende Verbundenheit soll nach Möglichkeit geschont, nicht ohne Not zerschlagen werden. Darüber hinaus ist es gerade § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes, der die Gemeinde als „die vom Staate als solche anerkannte, geschichtlich gewordene und zur Einheit gewachsene Zelle räumlichen Zusammenlebens einer Vielheit von Familien und örtlichen Zusammenschlusses von Einrichtungen, Anlagen und Werken" definiert. Und sowohl dieses Gesetz wie die Deutsche Gemeindeordnung von 1935 verwenden als zentralen Begriff den der „örtlichen Gemeinschaft" 154 . Insgesamt steht i m übrigen hinter der Frage, ob es für Gebietsänderungen der Zustimmung der Gemeinden bedarf, nicht ein Streit darüber, bis zu welcher inhaltlichen Grenze die kommunale Gebietsstrukt u r der Disposition des Staates unterliege. Vielmehr geht es hierbei darum, ob die Verfügung über Existenz und Gebietsbestand der Gemeinden eine kommunale und somit vom Willen der betroffenen K ö r perschaften abhängige Angelegenheit oder ob sie einen staatlichen Hoheitsakt darstellt 1 5 5 . Auch die Kontroverse, ob für den Erlaß derartiger Staatshoheitsakte Parlament oder Regierung zuständig sei, berührt die Einschätzung des Elements „örtliche Gemeinschaft" nicht 1 5 6 . 2. Der Diskussionsstand um die Selbstverwaltungsgarantie des A r t . 127 WRV bietet ebenfalls keine Hinweise darauf, daß der territoriale Zuschnitt der kommunalen Ebene — insbesondere soweit er von Bedeutung für die lokale Verbundenheit ist — als rechtliches Problem i m Bewußtsein der Zeit gegenwärtig gewesen wäre. Erst allmählich entwikkelte sich, über die Lehre von den institutionellen Garantien der Verfassung, überhaupt die Erkenntnis, daß A r t . 127 WRV nicht lediglich eine „leerlaufende" Wiederholung des allgemeinen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung darstellte 1 5 7 , daß er vielmehr einen auch den Gesetzgeber bindenden Gewährleistungsgehalt barg 1 5 8 . Abgesehen von dieser grundsätzlichen Frage nach der rechtlichen Substanz der Verfassungsbestimmung lag der deutliche Schwerpunkt der 154 Vgl. oben Fn. 99. iss y g L Peters, Grenzen, S. 100 ff.; Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 13 Erl. 3 m. w. N.; vgl. auch Friesenhahn, Garantie, S. 125 f.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 13 f. 156

Peters, Grenzen, S. 98 f. Thoma, Grundrechte, S. 196; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127 A n m . 1, S. 582 f.; andrerseits etwa Tatarin- Tarnheyden, K o m munalisierung, RuPrVBl. 1930, 763 f. iss y g i i m einzelnen die Darstellung bei Abel, S. 17 ff.; Becker, Entwicklung, H K W P I, S. 100 f.; Seibert, Gewährleistung, S. 100 ff.; insbes. zur allmählichen Erkenntnis des sachlich höheren Ranges der Verfassung gegenüber dem einfachen Gesetz S. 101 f. m. w. N. ; zu dieser Frage vgl. auch Friesenhahn, V e r fassungsgerichtsbarkeit S. 13. 157

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wissenschaftlichen Erörterung nicht i n der territorialen Struktur der Selbstverwaltungskörperschaften, sondern — wie schon der Wortlaut des A r t . 127 WRV nahelegt — bei der Abgrenzung des ihnen zugewiesenen Aufgabenkreises und der Einordnung seiner Rechtsnatur 159 . Aber auch die Diskussion der Entstehung, Auflösung und Gebietsveränderung von Gemeinden wurde nicht u m etwaige gebietsdeterminierende Elemente gemeindlicher Selbstverwaltung geführt. Soweit man nicht überhaupt auf dem Standpunkt stand, A r t . 127 WRV enthalte hierzu keine Regelung 160 , war Gegenstand der Kontroverse vielmehr, ob das geltende Verfassungsrecht grundsätzlich eine Auflösung von Gemeinden anders als auf freiwilliger Basis zulasse 161 . Dabei wurde die Möglichkeit nicht i n Erwägung gezogen, daß die gemeindliche örtliche Gemeinschaft als verfassungsgeschütztes Merkmal lokaler Selbstverwaltung rechtliche Konsequenzen für den Gebietszuschnitt und seine Umgestaltung durch staatlichen A k t äußern könnte. Eine solche Fragestellung lag außerhalb der Blickrichtung der damaligen, A r t . 127 WRV betreffenden Argumentation. 3. Die Auseinandersetzung u m Zulässigkeit oder Unzulässigkeit staatlicher Eingriffe i n die gemeindliche Gebietsstruktur mußte sich naturgemäß mit besonderer Heftigkeit an den umfangreichen Eingemeindungen i n den zwanziger Jahren entzünden 162 . Es müßte daher erwartet werden, daß gerade i n diesem Zusammenhang — vor allem von seiten der betroffenen Gebietskörperschaften und ihrer Interessenvertreter — die gemeindliche Integration als rechtliche Grenze ins Feld geführt worden wäre, hätte man sie zur damaligen Zeit als solche aufgefaßt. Eine solche Argumentation hätte vor allem angesichts der A r t der durchgeführten gebietsändernden Maßnahmen nahegelegen. Dabei ist nicht einmal deren erhebliche Zahl der entscheidende Umstand, als vielmehr der weit ausgreifende flächenmäßige Zuschnitt, die Größe der jeweils durch Eingemeindungen und Zusammenlegungen erfaßten Terri159

Sehr deutlich: Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127 Erl.2 u n d 3, S. 583 f.; Brauweiler, Grundrechte u n d Grundpflichten, 2. Bd., S. 193 ff., insbes. S. 202 ff.; Bühler, HDStR, 1. Bd., S. 697 f.; Glum, Selbstverwaltung, AöR (NF) 17 (1929), 400, 411; Stier-Somlo, Selbstverwaltung, AöR (NF) 17 (1929), 4, 14 f.; Tatarin-Tarnheyden, Flaggenfrage, AöR (NF) 13 (1927), 329 ff. 160 So etwa ausdrücklich Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3, S. 583 f. 161 So bejahend — u n d dies ausdrücklich als herrschende Meinung bezeichnend — Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3 S. 583 f. m. w . N . ; Glum, Selbstverwaltung, AöR (NF), 17 (1929), 400, 410 ff.; Mosheim, Zulässigkeit, R u P r V B l . 1929, 117 ff.; Rieß, Begriffsrezeption, RuPrVBl. 1930, 401; insbes.: StGH, Entscheidung v. 10./11. 12. 1929 i n RGZ 126, 14*, 22* ff.; a. Α.: Bühler, Unzulässigkeit von Zwangseingemeindungen, R u P r V B l . 1929, 279 ff.; Stier-Somlo, Zwangseingemeindung, RuPrVBl. 1929, 281 ff.; ders., Selbstverwaltung, AöR (NF) 17 (1929), 17 ff., 37 ff. u n d passim. 162 Vgl. die Nachweise oben Fn. 151.

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torien, insbesondere i m Z u g e d e r A r r o n d i e r u n g d e r G r o ß s t ä d t e 1 8 3 . G e rade d i e d a b e i g e ü b t e E i n b e z i e h u n g e i g e n s t ä n d i g e r u n d l e b e n s k r ä f t i g e r G e m e i n d e n 1 6 4 h ä t t e d e n E i n w a n d h e r a u s f o r d e r n müssen, d a b e i w e r d e rechtswidrigerweise die örtliche Verbundenheit nicht hinlänglich berücks i c h t i g t 1 6 5 — w e n n diese F r a g e i n s o w e i t p r i m ä r als Rechtsfrage angesehen worden wäre 166. D a b e i k a n n durchaus n i c h t d i e Rede d a v o n sein, daß m a n diese v i e l fach t i e f g r e i f e n d e n G e b i e t s ä n d e r u n g e n als u n p r o b l e m a t i s c h e m p f u n d e n h ä t t e . D i e l e b h a f t e E r ö r t e r u n g , d i e sie auslösten, zeigen i m G e g e n t e i l deutlich, welch schwerwiegenden Bedenken derart umfängliche U m s t r u k t u r i e r u n g e n d e r k o m m u n a l e n Ebene begegneten. A u c h beschränken sich die G e g e n s t i m m e n keineswegs a u f d i e b e t r o f f e n e n G e m e i n d e n u n d die ebenfalls b e e i n t r ä c h t i g t e n , w e i l z u g u n s t e n d e r g r o ß e n S t ä d t e i n z a h l reichen F ä l l e n e m p f i n d l i c h r e d u z i e r t e n L a n d k r e i s e 1 6 7 . N e b e n sonstigen sachlichen G e s i c h t s p u n k t e n , d i e m a n i n s o w e i t f ü r e r h e b l i c h h i e l t , w u r d e auch d e n die ö r t l i c h e G e m e i n s c h a f t s b i l d u n g beeinflussenden tatsächlichen G e g e b e n h e i t e n e i n entscheidendes G e w i c h t b e i g e m e s s e n 1 6 8 . M a n w a r sich 163 Vgl. bereits das Gesetz betreffend die Einverleibung der Landgemeinde Worringen i n die Stadtgemeinde K ö l n u n d die Regulierung der zukünftigen Grenze zwischen dem Stadtkreise K ö l n u n d dem Landkreise Neuß v. 22. 3. 1922 (PrGS S. 65) sowie die kritische A n m e r k u n g hierzu bei Peters, Grenzen, S. 98 f. 164 Vgl. das Beispiel oben Fn. 163. 165 Peters, Grenzen, S. 99, referiert die K r i t i k an den „allzusehr i n v e r w a l tungstechnischen vernunftmäßigen Gesichtspunkten befangenen" staatlichen Behörden, ohne daß aber dabei ein rechtliches Moment i n Erscheinung t r i t t . 160 Vgl. die kritische Bemerkung bei Köttgen, Verfassungsfragen, S. 67. 167 Vgl. insbes. die Denkschrift des Reichsstädtebundes, Kommunale V e r w a l tungsreform u n d örtliche Selbstverwaltung, insbes. S. 14 ff.; Entschließung des 4. Preußischen Landgemeindetages v. 11./12. 11. 1927, R u P r V B l . 1928, 143 f.; m i t erheblicher Schärfe: Entschließung des Vorstandes des Preußischen Landkreistages zur Regionalreform u n d Kreisverfassung, ZSelbstV 1929, 109 f.; ferner die Ubersicht i n ZSelbstV 1929, 314 ff.; dazu die „Presseveröffentlichungen zum Umgemeindungsgesetz", ZSelbstV 1929, 340 ff.; ferner v. Charnier, G r u n d sätze u n d Wege einer Verwaltungsreform, ZSelbstV 1928, 4 ff., insbes. S. 4 („Grenzen des Großstadtgedankens"), S. 5 („Kreisverband u n d Großstadterweiterung"); van Endert, Großkreis neben Großstadt, ZSelbstV 1928, 121 ff.; ders., Kommunale Neuorientierung u n d Kreisreform, ZSelbstV 1928, 153 ff., insbes. S. 155, 157 1. Sp.; Friedensburg, Die Forderungen der Landkreise f ü r die Preußische Verwaltungsreform, ZSelbstV 1929, 121 ff.; v. Stempel, Umgemeindungen u n d Kreisverfassung, ZSelbstV 1929, 313 f.; besonders deutlich zum Streit der Großstädte u n d der Landkreise: NN. ZSelbstV 1929, 289 ff.; Stier-Somlo, Regionalreform, ZSelbstV 1928, 349 ff., wo die i m wesentlichen staats- u n d k o m m u n a lpolitische F o r m der Argumentation besonders deutlich hervortritt. Auch die Gegenargumentation der großen Städte stellt sich als rein politisch dar: vgl. Denkschrift PrStädtetag, insbes. S. 5 ff., 10 ff. 168 Sehr k l a r insoweit der Runderlaß des M d l v. 6. 1. 1939 ( R M i n B l i V S. 33), abgedruckt bei Surén/Loschelder, DGO, § 4 Erl. 3, S. 138 ff., insbes. unter I. 1 (1) u n d (2), wo zur Neugliederung m i t dem Z i e l einer umfassenden Aufstockung der Verwaltungskraft zu kleiner Gemeinden ausgeführt w i r d — unter (2) — : „ I h r e V e r w i r k l i c h u n g findet jedoch eine natürliche Begrenzung i n dem Wesen

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I. 2. Kap. : Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

d e r A b h ä n g i g k e i t der E n t w i c k l u n g k o m m u n a l e r S e l b s t v e r w a l t u n g v o n sachgerechten E n t s c h e i d u n g e n ü b e r die g e b i e t l i c h e G e s t a l t u n g m i t h i n bew u ß t , u n d z w a r n i c h t n u r i m H i n b l i c k a u f ausreichende V e r w a l t u n g s k r a f t , s o n d e r n auch a u f das „ G e m e i n s c h a f t s b e w u ß t s e i n i h r e r G l i e d e r " 1 8 0 . Daß h i e r b e i m i t d e r gebotenen, a u f d e n k o n k r e t e n E i n z e l f a l l a b g e s t i m m t e n B e h u t s a m k e i t v o r g e g a n g e n w e r d e n müsse, daß insbesondere d e r gewachsene soziologische B e s t a n d d e r G e m e i n d e n schematische L ö s u n g e n ohne Rücksicht a u f die i n d i v i d u e l l e n G e g e b e n h e i t e n n i c h t zulasse, w a r gesicherte E r k e n n t n i s 1 7 0 . So p o i n t i e r t diese E i n s i c h t e n f o r m u l i e r t sind, so zeigen sie doch gerade die G r e n z e n des Versuchs, aus d e m h i s t o r i s c h e n B e f u n d a u f die n o r m a t i v e I n t e n s i t ä t e i n e r t r a d i e r t e n V e r f a s s u n g s f o r m u l i e r u n g des g e l t e n d e n Rechts zurückzuschließen. K e i n e d e r z i t i e r t e n Ä u ß e r u n g e n e r l a u b t e i n e n sicheren Schluß d a r a u f , daß diese A r g u m e n t e gegen eine ausufernde E i n g e m e i n d u n g s p r a x i s n i c h t bloß als p o l i t i s c h e r I m p e r a t i v , als A p p e l l der Gemeinden u n d i n den f ü r eine organische Gemeinschaftsbildung zwingend maßgeblichen landschaftlichen, wirtschaftlichen u n d siedlungsmäßigen Gegebenheiten." Vgl. ferner die s t r i k t auf die tatsächlichen Umstände u n d E n t wicklungen abstellenden, u. a. am Begriff der „Eingemeindungsreife" orientierten Ausführungen von Schattenfroh, Großstadt,, Z A k D R 1937, 69 ff. 169 Röttgen, Verfassungsfragen, S. 70; vgl. daselbst auch die Ausführungen zur Notwendigkeit der Ausrichtung des Verwaltungsaufbaus am „vorgefundenen soziologischen Bestand". 170 Vgl. insbes. Runderlaß des M d l v. 6. 1. 1939 ( R M i n B l i V S. 33), unter 1. 1 (2) b, 2 abgedruckt bei Surén/Loschelder, § 4 Erl. 3. S. 138 ff., 139: „ A b e r auch dem Ziel, größere u n d damit i n der Regel auch verwaltungskräftigere Gemeinden zu schaffen, sind natürliche Schranken gesetzt. Die Gemeinden sind Gemeinschaften auf der Grundlage der örtlichen Verbundenheit der Einwohner . . . dann k a n n m a n Gemeinden nicht nach gleichen Grundsätzen wie überörtliche Verwaltungsbezirke abgrenzen. W o h l hat eine Reihe von Grundsätzen für die Abgrenzung von Verwaltungsbezirken auch f ü r die B i l d u n g von Gemeinden Geltung; doch ist darüber hinaus für die Gemeinden als die sich selbst verwaltenden örtlichen Gemeinschaften noch unbedingt notwendig, daß die innere Zusammengehörigkeit der Einwohner i n möglichst starkem Maß gew a h r t bleibt, damit die gemeinsame E r f ü l l u n g der öffentlichen Aufgaben des örtlichen Gebiets als gemeinsame Pflicht der Einwohner gefühlt u n d getragen w i r d . Es ist daher daran festzuhalten, daß die innere Einheit der natürlichen örtlichen Gemeinschaft der Einwohner m i t der örtlichen V e r w a l t u n g möglichst zu stützen u n d zu vertiefen ist. 2. Abzulehnen ist daher vor allem jede schematische Lösung. Abzulehnen ist auch eine bindende zahlenmäßige Mindestu n d Höchstbegrenzung f ü r die Größe der Gemeinde. Ebenso unmöglich ist eine allgemeine Zusammenlegungsziffer i n dem Sinne, daß die jetzigen Gemeinden i n einer bestimmten Verhältniszahl zusammenzulegen sind." Vgl. ferner bereits Kottenberg, Wirtschaft u n d kommunale Verwaltungsreform, RuPrVBl. 1928, 519, 520: „Diese rein äußerliche, wirtschaftlich-mechanisch bestimmte Auffassung von Wesen u n d Z i e l der Gemeinden u n d Gemeindeverbände muß notwendig zu falschen Ergebnissen führen, w e i l sie das Wesen der Selbstverwaltung v ö l l i g v e r k e n n t . . . übersieht, daß die Gemeinden keine Maschinen sind, auch keine »geographische Flächen u n d Kartenelemente', die nach Neukonstruktion zusammensetzbar sind, sondern lebendige Organismen, deren W i r k e n u n d Sein bloßer Konstruktionen spottet . . . " ; i m gleichen Sinne auch Röttgen, Verfassungsfragen, S. 70 ff.

Β . Das vorgrundgesetzliche B i l d der Gemeinde

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an Sachverstand und Respekt vor gewachsenen Werten aufgefaßt worden wären, daß man ihnen vielmehr die Qualität rechtlich bindender Kriterien beigemessen hätte. I m Gegenteil: Gerade wenn der Akzent dabei i n so hohem Maße auf den staats- und kommunalpolitischen, nicht auf den rechtlichen Gesichtspunkten lag, und zwar insbesondere auch bei den Äußerungen der Betroffenen selbst, so spricht dies gerade gegen eine primär rechtliche — oder gar verfassungsrechtliche — Einordnung des Problems. Wäre es anders, so hätte dies zwingend wohl i n den Stellungnahmen der Vertreter der betroffenen Körperschaften, etwa der Landkreise, seinen Niederschlag gefunden haben müssen 171 , auf deren Kosten die Arrondierung der großen Städte i n erster Linie durchgeführt worden ist. Bestätigt w i r d dieses Ergebnis durch die Argumentationsweise der Beteiligten wie des Gerichts selbst i n dem Verfassungsrechtsstreit „betreffend Feststellung der Verfassungswidrigkeit des preußischen Gesetzes über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes vom 29. J u l i 1929" vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich 172 . Die Antragsteller — i n erster Linie eine Reihe betroffener Gebietskörperschaften — stellten sich dabei materiellrechtlich auf den Standpunkt, A r t . 127 WRV und A r t . 70 PrVerf. schlössen staatliche Eingriffe i n Existenz und Gebietsbestand der bei Verfassungsschöpfung vorhandenen Gemeinden und Gemeindeverbände gegen deren Willen aus 1 7 3 . M i t dem „Recht" der Selbstverwaltung müsse notwendig auch sein „Träger" von Verfassungs wegen mitgeschützt sein 1 7 4 . A u f schlußreich für die vorliegende Fragestellung ist der „hilfsweise" 1 7 5 formulierte Vortrag einiger Antragsteller 1 7 6 , der den Gedanken der gemeindlichen Integration aufnimmt, und zwar mit einer bezeichnenden Einschränkung. Danach müsse der Verfassungsschutz der Träger kommunaler Selbstverwaltung „wenn nicht allen, so doch zum mindesten den Gemeinden zustatten k o m m e n . . . , die durch reiche geschichtliche Vergangenheit, besondere kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung, lebhaft entwickeltes Heimatgefühl ihrer Bevölkerung sich auszeichneten" 177 . Gerade aus dieser, ausdrücklich auf bestimmte Gemeinden „ w e g e n . . . (deren) hervorragenden Bedeutung" 1 7 8 abgestellten Ausführungen läßt 171

Vgl. die Entschließung des Vorstandes des Preußischen Landkreistages, ZSelbstV 1929,109 f. sowie die weiteren Nachweise oben Fn. 167. 172 S t G H 9. 11. 14. 15. 16 u n d 18/29, Entscheidung v o m 10./11. 12. 1929 i n RGZ 126,14* ff. 173 RGZ 126,14*, 15* ff. unter I I . 174 RGZ 126, 14*, 17* f.; so etwa auch Stier-Somlo, Selbstverwaltung, AöR (NF) 17 (1929), 4,19. 175 RGZ 126,14*, 18*. 176 RGZ 126,14*, 17*. 177 RGZ 126,14*, 18*. 178 RGZ 126,14*, 18*. 5*

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I. 2. Kap.: Die geschichtliche Dimension der Verfassungsformulierung

sich ablesen, daß das Element „örtlicher Verbundenheit" nicht generell als rechtlich zwingendes K r i t e r i u m für das Verhalten des Staates gegenüber dem gemeindlichen Eigenleben begriffen wurde. Denn anderenfalls könnten die genannten integrationsbezogenen Faktoren nicht als unterscheidendes Merkmal für bestimmte Gemeinden ins Feld geführt werden, die insofern eine rechtliche Sonderstellung für sich i n Anspruch nehmen. Die Reaktion des Staatsgerichtshofs entspricht dieser Deutung. Er beschränkt sich auf die Feststellung, daß er nicht befugt sei, die Frage gesetzlicher Zwangsauflösung bei verschiedenen Gemeinden verschieden zu beantworten. Es müsse dem Gesetzgeber überlassen sein, solchen „auf tatsächlichem Gebiet liegende(n) Besonderheiten" Rechnung zu tragen 1 7 9 . I m übrigen hebt der Staatsgerichtshof auf den institutionellen Aspekt des Art. 127 WRV ab, wonach lediglich die Einrichtung kommunaler Selbstverwaltung geschützt sei, jedoch weder i h r gesamter konkreter Bestand zur Zeit der Verfassungsverkündung noch die Erhaltung jeder einzelnen Gemeinde 180 . Es leuchtet ein, daß dieser von der konkreten Gemeinde abstrahierende Blickwinkel — wie er grundsätzlich auch heute, bezüglich der Gewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 GG, allgemein für zutreffend erachtet w i r d 1 8 1 — von der gedanklichen Möglichkeit eher wegführt, i n der gemeindlichen lokalen Verbundenheit einen verfassungsgeschützten Rechtswert zu sehen. Denn solche Verbundenheit — auch wenn man sie als Element dem B i l d der Gemeinde schlechthin zurechnet — vollzieht sich i n der politischen Realität i m individuellen Fall und w i r d durch staatliche Gebietsänderungsakte je i m individuellen Fall tangiert 1 8 2 . C. Die Aufschlüsse aus dem geschichtlichen H i n t e r g r u n d u n d die offene Frage nach dem normativen Gehalt des Gemeindebildes

Nach alledem gehört zum „ B i l d " der Gemeinde, wie es zur Zeit der Schaffung des Grundgesetzes sich entwickelt hatte, das Element der „örtlichen Gemeinschaft", der örtlichen Verbundenheit der Gemeindeglieder, beruhend auf tatsächlichen Gegebenheiten — etwa der Siedlungsstruktur, Gebietsgestaltung, geschichtlichen Entwicklung. Es herrschte auch die Erkenntnis vor, daß Eingriffe i n die territoriale Ordnung der Gemeindeebene dieses Element beeinträchtigen könnten, vor allem wenn sie schematisch erfolgten, auf die konkrete Lage des zu regelnden Falles nicht hinreichend Bedacht nähmen. Andrerseits lassen die Quellen keinen hinreichend sicheren Schluß darauf zu, daß dieses 179

RGZ 126,14*, 24* f. (Hervorhebungen v o m Verf.). RGZ 126,14*, 22* f. 181 Vgl. die Nachweise oben Fn. 52. 182 Vgl. etwa Bückmann, Verfassungsfragen, insbes. S. 48, 90 f., 97 ff., 104 ff. m. w . N. 180

C. Geschichtlicher H i n t e r g r u n d u n d normativer Gehalt

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Integrationselement nicht nur als rechtspolitische, sondern als aktuelle rechtliche Grenze für staatliche Dispositionen verstanden wurde. Das schließt freilich nicht aus, daß i h m dessenungeachtet latent normative Qualität hätte zukommen können. Daß sie i m Bewußtsein der Zeitgenossen nicht präsent war, findet seine Erklärung i n dem Umstand, daß ihnen trotz der Zahl und des Ausmaßes der damaligen Eingemeindungen, der Gedanke an eine prinzipielle, den historischen Bestand insgesamt i n Frage stellende Gebietsreform der gemeindlichen Ebene fremd w a r 1 8 3 . Soweit i m Einzelfall Gebietsänderungen als zu weitgehend empfunden wurden 1 8 4 , mag insbesondere die institutionelle Auffassung — Schutz der Einrichtung, nicht ihrer konkreten Erscheinungsformen — dies als (nur) politisch untunlich, nicht aber als rechtlich faßbar haben erscheinen lassen. Damit kann mangels abweichender Hinweise i n der Entstehungsgeschichte des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht davon ausgegangen werden, daß der historische Gesetzgeber bei der Formulierung dieser Gewährleistung die Wendung „örtliche Gemeinschaft" über den seinerzeitigen Auffassungsstand hinaus bewußt .als normative Anforderung verstanden wissen wollte. Eine solche mag sich m i t Hilfe anderer Auslegungskriterien nachweisen lassen. Entstehungsgeschichte wie Institutionsgeschichte schließen dies nicht aus. Sie erlauben aber keine positive A n t wort auf diese Frage.

183 184

Vgl. Hoppe, Gebietsreform, DVB1.1971, 473, 473. Vgl. Peters, Grenzen, S. 98 f.

3. Kapitel

Die gemeindliche Gebietsgestaltung und die Stellung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG in der grundgesetzlichen Regelung des staatlichen Gefüges Bleibt der historische Hintergrund somit unergiebig, was den normativen Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG für die gemeindliche Gebietsgestaltung angeht, so sieht sich die weitere Untersuchung insoweit auf die Erschließung des Sinngehalts des geltenden Verfassungsrechts aus diesem selbst heraus verwiesen. Dabei soll zunächst versucht werden, einen Rahmen solcher Ausdeutung aus dem Zusammenhang zu gewinnen, i n dem die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie ihren Platz i n der Gesamtverfassung findet. Insbesondere ist zu fragen, ob das Grundgesetz überhaupt rechtliche Anforderungen an den Zuschnitt von Gebietskörperschaften kennt, vor allem solche m i t Bezug auf den sozialen Zusammenhalt ihrer Mitglieder. Darüber hinaus ist zu prüfen, welche Rückschlüsse sich daraus für die Bemessung des gemeindlichen Territoriums ziehen lassen. A . D i e Integration als Richtwert für die Gebietsgestaltung der Länder

Negativ ergibt sich zunächst, daß das Grundgesetz Vorschriften über die territoriale Bemessung und Veränderung allein i n Ansehung der Länder enthält, nicht der Gemeinden und Gemeindeverbände 185 . Positiv verbürgt es nicht nur die föderale Gliederung des Bundesgebiets schlechthin, und zwar i n stärkerem Maße als die Einrichtung der kommunalen Selbstverwaltung, nämlich auch gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber 186 . Es gibt darüber hinaus die gebietliche Umgestaltung der Länder nach i m einzelnen ausgeführten Kriterien auf 1 8 7 .

185 Die Bestimmungen zur Veränderung des Bundesgebiets selbst i m Sinne einer Ausweitung auf die übrigen Teile Deutschlands können i m vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben. Vgl. neben der Präambel etwa A r t . 23, insbes. Satz 2; A r t . 29 Abs. 6 Satz 3; ferner auch A r t . 146. 186 187

Vgl. A r t . 79 Abs. 3 GG. A r t . 29 Abs. 1 GG.

A . Integration als Richtwert i n A r t . 29 Abs. 1 GG

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I . Die Verbindlichkeit der Richtbegriffe des Art. 29 Abs. 1 GG

So schwierig es i m einzelnen sein mag, die i n A r t . 29 Abs. 1 GG aufgeführten „Richtbegriffe" 1 8 8 inhaltlich zu konkretisieren und zu harmonisieren 1 8 9 , so entspricht es jedenfalls der herrschenden Meinung, daß ihre Zusammenschau ein Leitbild für die Länderneugliederung ergibt, das für den Bundesgesetzgeber grundsätzlich rechtlich verbindlich ist 1 9 0 . I I . Die integrationsbezogenen Richtbegriffe in Art. 29 Abs. 1 G G

Die vorliegende Fragestellung erfordert es nicht, diese verfassungsrechtlichen Determinanten i m Detail nachzuzeichnen. Wesentlich ist allein, an Hand der Skizze des Modells, das Art. 29 Abs. 1 GG für die Gebietsgestaltung der Raumkörperschaften „Bundesländer" entwirft, den Gehalt des Kriteriums der sozialen Verbundenheit aufzuweisen. Dabei sind drei Gruppen von Richtwerten zu unterscheiden. Ausdrücklich sind die Begriffe „Größe" und „Leistungsfähigkeit" i n Satz 2 der Verfassungsbestimmung darauf ausgerichtet, die Funktionsfähigkeit, Effizienz der zu schaffenden Länder sicherzustellen 191 . Nach Satz 1 sind dagegen unter anderem die „landsmannschaftliche Verbundenheit" sowie die „geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge" zu berücksichtigen, Kriterien, die offenkundig so sehr einem anderen Wertungskomplex entstammen, daß sie m i t denen des Satz 2 i m Einzelfall i n einen Zielkonflikt geraten können, der nur durch konkretes Abwägen zu lösen ist 1 9 2 . Denn i m Gegensatz zu diesen zielen sie, jedenfalls unmittelbar, nicht auf effiziente Aufgabenerfüllung ab, sondern betonen die Notwendigkeit, die „Beziehungen der Menschen miteinander und zu dem R a u m " 1 9 3 zu respektieren. Sie setzen also einer abstrakten, rein zweckbezogenen „Planung am Reißbrett" Grenzen 194 . Damit gehört 188 Ever s, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 25; Luther-Gutachten, A V I I 2, S. 21 ; Ernst-Gutachten, Rdn. 2.2.2., Tz. 78. 189 v g l , i m einzelnen Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 26 ff. m. w. N. 190 v g l etwa Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 26 m. w. N.; SchmidtBleibtreu/Klein, A r t . 29, Rdn. 7; Luther-Gutachten, A V I I 3 ff., S. 21 ff., insbes. A V I I 14, S. 23 (Betonung des negativen Befehlsgehalts, des Verbots schematischer Lösungen); Ernst-Gutachten, Rdn. 2.2.2., Tz. 78. 191 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 27; besonders — unter Annahme eines Vorranges dieser Richtbegriffe vor denen des Satz 1 wegen der Imperativischen Formulierung — Ernst-Gutachten, Rdn. 2.2.2., Tz. 79, Tz. 88 ff., i m einzelnen: Rdn. 3.1, Tz. 93 ff.; Rdn. 3.1.9, Tz. 123 ff., insbes. Tz. 3.2, Rdn. 126 ff.; dagegen n i m m t das Luther-Gutachten Gleichrangigkeit an: A V I I 12, S 23. 192 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 26; vgl. auch Reschke, Neugliederung, DVB1.1973, 728, 730. 193 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 33. 194 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 33; Hamann/Lenz, A r t . 29, A n m . 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 29, Rdn. 7; Luther-Gutachten, A V I I 14, S. 23; Ernst-Gutachten, Rdn. 2.2.2., Tz. 78.

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I. 3. Kap. : Die systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

zum B i l d des Grundgesetzes von der Daseinsweise der Bundesländer neben Raum und staatlicher Funktionsfähigkeit das Merkmal der Integration der i n ihnen lebenden Bevölkerung 1 9 5 . Freilich lassen sich diese beiden Wertgruppen nur begrifflich rein voneinander scheiden. I m praktischen Zusammenspiel staatlicher Wirklichkeit bedingen sie einander i n vielfacher Hinsicht, durchdringen sich und beeinflussen sich wechselseitig. Einerseits muß etwa der „feste innere Zusammenhang der Bevölkerung" regelmäßig die Leistungsfähigkeit des Raumgebildes positiv beeinflussen 196 . A u f der anderen Seite w i r d umgekehrt die Steigerung der Leistungsfähigkeit eines politischen Raumgebildes ihrerseits zum integrierenden Faktor für dessen Bevölkerung werden können, ihr Absinken dagegen desintegrierende Wirkung äußern 197 . Deutlich zeigt sich diese Interdependenz bei der dritten Gruppe der in Art. 29 Abs. 1 GG genannten Neugliederungskriterien. Nach Satz 1 sind nämlich fernerhin die „wirtschaftliche Zweckmäßigkeit" und das „soziale Gefüge" zu berücksichtigen. Hierzu w i r d einerseits betont, daß diesen Richtbegriffen — da sie auf „rational bestimmte Zusammenhänge" hinwiesen — Affinität zu den Kriterien des Satz 2 eigen sei 1 9 8 . Sie diesen aber ausschließlich zuzuordnen, hieße die Kategorien „landsmannschaftliche Verbundenheit" und „geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge" i n ihrer Wirkung allzu eng auf ein immaterielles „Heimatempfinden" zu reduzieren 199 , also den umfassenden Integrationsvorgang der Gemeinschaftsbildung unzulässig auf einen einzigen Aspekt zu beschränken 200 . Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das Grundgesetz — bezogen auf die Gebietsgestaltung der Bundesländer — den soziologischen 195 So ausdrücklich Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 34 m. w. N.; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 29, Rdn. 25 unter aa) sowie Rdn. 26 ff. 196 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 32; Luther-Gutachten, Β I X 3, S. 43; Ernst-Gutachten, Rdn. 3.2.4.2., Tz. 170. 197 Vgl. die Beispiele Ernst-Gutachten, Rdn. 3.2.4.2., Tz. 179; vgl. auch Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 194, insbes. unter 3; einschränkend i m Hinblick auf einseitige Überbetonung: Leisner, Effizienz, S. 19. 198 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 36; Maunz i n Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 29, Rdn. 29 unter 4; Ernst-Gutachten, Rdn. 3.4, Tz. 208 (betr. den Begriff „Wirtschaftliche Zweckmäßigkeit"). lee Yg] Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 34 m. w . N.; v. Mangoldtf Klein, A r t . 29 Erl. I I 5 a, S. 727 f. 200 v g l . die plastische Beschreibung sozialer Integration am Beispiel des Ruhrgebiets bei Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 187 f.; vgl. auch die solcher Verengung widersprechende Formulierung bei Evers, Bonner K o m mentar, A r t . 29, Rdn. 34; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 29, Rdn. 29, 31; Luther-Gutachten, Β I V 2 ff., S. 34; vgl. daselbst (unter 5) insbes. die Zusammenschau von wirtschaftlicher S t r u k t u r u n d sozialer Integration: „Die Auseinandersetzung des Menschen m i t seinem Lebensraum — verstanden i m w e i testen Sinn: unter natürlichen, wirtschaftlichen, historischen, k u l t u r e l l e n und politischen Gesichtspunkten — geschieht vornehmlich i n der Arbeit."

Β . Die Zulässigkeit von Rückschlüssen aus A r t . 29 Abs. 1 GG

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Zusammenhalt der Bevölkerung als determinierenden Faktor ansieht, als ein Element, das nicht nur deskriptiv zum „ B i l d " der Länderstaatlichkeit zu zählen ist, sondern ein K r i t e r i u m darstellt, neben anderen und mit anderen verflochten, aus dem sich verfassungsrechtliche Anforderungen für den Territorialzuschnitt ergeben.

B. Die Zulässigkeit von Rückschlüssen aus A r t . 29 Abs. 1 G G auf die Gestaltung der gemeindlichen Ebene

Kennt somit die Verfassung grundsätzlich das Phänomen sozialer Integration als Rechtswert, so fragt es sich, welche Folgerungen sich daraus für das „ B i l d " der Gemeinde ziehen lassen, für deren Daseinsweise diese Komponente zwar als deskriptiv ebenfalls typisch dargetan wurde, ohne daß jedoch die normative Bedeutung bislang feststeht. I . Die grundsätzliche Zuordnung der Gemeinden zu den Ländern

Der Umstand, daß das Grundgesetz i n A r t . 29 Abs. 1 materielle Richtlinien für die territoriale Struktur lediglich der Bundesländer festgelegt, i n Art. 28 dagegen hinsichtlich der Gemeindeebene zu dieser Frage schweigt, könnte die Annahme nahelegen, für diesen Bereich werde von Bundesverfassungs wegen von normativen Anforderungen gerade abgesehen, dieser Komplex vielmehr bewußt der Gestaltung durch die einzelnen Bundesländer überlassen. Für eine derartige These könnte neben der materiellen Regelung des A r t . 29 Abs. 1 GG auch aus der verfahrensrechtlichen Seite der Länderneugliederung argumentiert werden. Abgesehen vom speziellen Fall des A r t . 118 Satz 1 GG legt die Verfassung nämlich die Befugnis zur Neugliederung der Bundesländer ausschließlich i n die Hände des Bundes. Zwar räumt sie i n allen diesen Fällen der betroffenen Bevölkerung Beteiligungsrechte ein 2 0 1 ; jedoch sind die allgemeine wie die „besondere" Neugliederung 2 0 2 ausschließlich dem Bund zugewiesen, nicht den Ländern. Nicht einmal über das Bundesorgan des Bundesrates ist ihnen eine qualifizierte Teilhabe an der Entscheidung eingeräumt, da es sich insoweit nicht u m Zustimmungsgesetze handelt 2 0 3 . Selbst bei sonstigen Gebietsänderungen der Länder nach A r t . 29 Abs. 7 GG ist dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis wenigstens zur Regelung des 201

Vgl. A r t . 29 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5; A r t . 118 Satz 2; vgl. zu den Einzelheiten, auch hinsichtlich der Sonderfälle des A r t . 29 Abs. 2 u n d Abs. 6 Satz 3, Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 39. 202 Vgl. A r t . 29 Abs. 2 - 4 GG; hierzu Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 18. 203 Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 18.

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I. 3. Kap.: Die systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

Verfahrens übertragen 2 0 4 . Bereits i n der grundgesetzlichen Formulierung erscheinen die Länder — abgesehen von den Gebietsänderungen nach Art. 29 Abs. 7 GG — als bloße Objekte der Regelung. Die Neuformung der Bundesländer ist i n der Sicht der Verfassung die Neugliederung des Bundesgebiets 205 . Wenn m i t h i n aus der Sicht des Bundes die territoriale Struktur des Bundesgebiets, auch was das Verfahren der Disposition über sie betrifft, nach den Regelungen des Grundgesetzes eindeutig als Bundesangelegenheit erscheint, wenn darüber hinaus diese Sicht i n den Formulierungen der Verfassungsvorschriften prägnanten Niederschlag findet, so könnte andererseits das Schweigen eben dieses Verfassungstextes i m Hinblick auf die kommunale Binnenstruktur der Länder als Ausdruck bewußter Abstinenz des Bundes gedeutet werden. I n die gleiche Richtung scheint die grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern für die Ausübung der staatlichen Funktionen allgemein zu weisen. So ergibt sich insbesondere aus den A r t t . 70 ff., vor allem A r t t . 73, 74, 74 a, 75, daß die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Gemeinderechts prinzipiell ausschließlich bei den Ländern liegt. Lediglich für die Besoldung und Versorgung auch der i m Dienst der kommunalen Selbstverwaltungsträger stehenden Beamten ist dem Bund nach Art. 74 a Satz 1 GG die konkurrierende Gesetzgebung, i m übrigen bezüglich der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Bediensteten allgemein — also auch derjenigen der Gemeinden und Gemeindeverbände — das Recht der Rahmengesetzgebung nach A r t . 75 Ziff. 1 GG zugewiesen. Daß, speziell i m Hinblick auf den Gesetzesvollzug, die Gemeinden ausschließlich dem Landesrecht unterliegen, soweit es u m die Ausführung von Landesgesetzen geht, folgt bereits aus Art. 30 GG 2 0 e . Dies gilt auch für die nicht „gesetzesakzessorische", die sogenannte „freie" Verwaltung 2 0 7 . Soweit es um die Ausführung von Bundesgesetzen geht, w i r d zwar darüber gestritten, wieweit i m einzelnen die Einwirkungsrechte des Bundes auf die kommunale Ebene gehen, sowohl dann, wenn die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit, wie wenn sie sie i m Auftrag des Bundes ausführen 208 . Unbestritten bleibt aber, daß auch insoweit die Gemeinden einem Zugriff des Bundes nicht unmittelbar, sondern gerade insoweit unterliegen, als sie, wenn 204

Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29, Rdn. 74. Vgl. insbes. die Formulierung i n A r t . 29 Abs. 1 Satz 1 GG. 2oe v g l . Bennewitz, Bonner Kommentar, A r t . 30, A n m . I I 2; Maunz i n Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 83, Rdn. 10 m. w . N.; A r t . 30, Rdn. 2. 205

207

Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 83, Rdn. 21. 208 v g l z u dieser Problematik der A r t t . 84 u n d 85 GG etwa Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 166 ff.; Röttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 68 ff., 74 ff.; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 84 Rdn. 16, 25; A r t . 85 Rdn. 17.

Β . Die Zulässigkeit von Rückschlüssen aus A r t . 29 Abs. 1 GG

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auch besonders geartete, Glieder der Landesverwaltung sind 2 0 9 . Entsprechend finden sie i n A r t t . 83 ff. auch keine ausdrückliche Erwähnung. Nach alledem folgt aus der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes, daß es i m wesentlichen Aufgabe der Landesgesetzgebung ist, den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung zu regeln. Hätte es m i t diesen Gesichtspunkten sein Bewenden, so müßte es i n der Tat zweifelhaft erscheinen, ob aus dem Normativcharakter des Integrationselements für den territorialen Zuschnitt der Länder i n A r t . 29 GG ein tragfähiger Rückschluß auf die Anforderungen an die Gebietsgestaltung der Gemeinden nach A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG gezogen werden könnte. I I . Die Grenzen der Mediatisierung der Gemeinden

Es fragt sich aber, ob eine solche Deduktion die aus der systematischen Stellung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie resultierenden Argumente voll ausschöpft. 1. Die Regelung der A r t t . 70 ff. GG hat gezeigt, daß die Zuständigkeit zur Gesetzgebung i m Bereich der Gemeinden nicht ohne Einschränkung bei den Ländern liegt 2 1 0 . Immerhin stehen dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse hinsichtlich der Gemeinden etwa i m Bereich des öffentlichen Dienstrechts zu 2 1 1 , also i n Ansehung einer Materie, des Personalbereichs, die i n der Komponente der Personalhoheit 212 zum Kernbestand gemeindlicher Hoheitsrechte zu zählen ist 2 1 3 . Darüber hinaus w i r k t der Bund i m Rahmen seiner legislativen Kompetenzen auf den kommunalen Raum insoweit ein, als die Selbstverwaltungskörperschaften i m Privatrechtsverkehr wie i m „Zentralverwaltungsrecht" 2 1 4 den Bundesgesetzen unterworfen sind, soweit sich dies aus deren Tatbestand ergibt 2 1 5 . Mehr noch zeigt sich unter dem Gesichtspunkt der A r t t . 83 ff. GG, daß von einer „Mediatisierung" der Gemeinden, i n praktischer Sicht jedenfalls, nur bedingt die Rede sein kann. Auch wenn organisationsrechtlich die Gemeinde von Bundesverfassungs wegen als Einrichtung der Länder, als „landesunmittelbare Körperschaft" garantiert ist 2 1 6 , wenn demzufolge 209 v g l Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 166, 167; Maunz i n Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 84 Rdn. 23, 24; A r t . 85 Rdn. 12,13. 210 Entsprechend formuliert Hesse, Grundzüge, § 12 V 2, S. 190: „ D e m B u n d kommen n u r begrenzte Befugnisse zu, auf die Organisation u n d Tätigkeit der Gemeinden Einfluß zu nehmen." (Hervorhebung v o m Verf) 211 Vgl. A r t t . 74 a Satz 1, 75 Ziff. 1 GG. 212 Z u m Verhältnis zwischen den Regelungen des Personalrechts u n d der Personalhoheit i. e. S. vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 147 m. w . N. 213 Vgl. BVerfGE 1,167,175; 9, 268, 289 f., st. Rspr. 214 Röttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 21. 215 Vgl. Röttgen, Einfluß, JöR (NF) 3 (1954), 67, 83; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 165 m. w. N.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 29 Rdn. 119. 216 Röttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 15.

76

I. 3. Kap.: Die systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

die Ebene der gemeindlichen wie überhaupt der kommunalen Selbstverwaltung bei der Ausführung der Bundesgesetze als Teil der Länderverwaltung angesprochen ist 2 1 7 , ändert dies nichts daran, ja es ergibt sich geradezu daraus, daß der Bund insoweit auf sie erhebliche — und stetig wachsende — Einwirkungsmöglichkeiten w a h r n i m m t 2 1 8 . 2. Auch die Rolle, die die Gemeinden und Gemeindeverbände i m X. Abschnitt des Grundgesetzes, i n seinem die Finanzverfassung betreffenden Teil spielen, läßt sich mit der These ihrer Mediatisierung und der darauf gestützten Annahme einer strikten Regelungsabstinenz des Bundes kaum i n Einklang bringen 2 1 9 . Dagegen kann nicht eingewendet werden, anders als i m Hinblick auf die finanzverfassungsrechtlichen Bezüge fehle es i m Grundgesetz für den Gebietszuschnitt der Gemeinden und seine Determinanten gerade an einer ausdrücklichen Regelung, die der der A r t t . 105 ff. GG vergleichbar wäre. Denn nicht erst diese letztgenannten Bestimmungen begründen die Gewährleistungen der finanzverfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden; diese ist vielmehr i n ihrem grundsätzlichen Gehalt bereits Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie des A r t . 28 2 2 0 . Wenn aber die spezielle Regelung der A r t t . 105 ff. GG die Finanzhoheit der Gemeinden nicht begründet, vielmehr ihre aus A r t . 28 GG fließende Substanz lediglich modifiziert, ja einschränkt 221 , dann läßt solche spezielle Ausgestaltung auch keinen Schluß auf den originären Gehalt der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie hinsichtlich der Gebietsstruktur der Gemeindeebene zu. Es kann aus dem Fehlen einer Sonderregelung zu dieser Frage dann allenfalls die systematische Konsequenz gezogen werden, daß etwaige gebietsrelevante Aussagen des A r t . 28 GG keine anderweitige verfassungsrechtliche Modifizierung erfahren haben. 3. Schließlich spricht insbesondere die genaue systematische Stellung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie i m einzelnen — i m II. 217

Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 84 Rdn. 23 f. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 166 ff.; Köttgen, Einfluß, JöR (NF) 3 (1954), 67, 86; JöR (NF) 11 (19Θ2), 173, 230 ff.; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 84 Rdn. 23 ff., insbes. Rdn. 25; A r t . 85 Rdn. 14; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 224 ff.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 117 f. m. w . N.; vgl. insbes. dort den Hinweis auf A r t . 106 Abs. 8, der bereits v o m Wortlaut her derartige organisatorische E i n w i r k u n g e n des Bundes auf die kommunale Ebene voraussetzt. 219 Vgl. Wilhelm Loschelder, Finanzverfassung, A f K 1966, 185, 197 f.; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 106 Rdn. 41 ff., insbes. Rdn. 41, 47; i m einzelnen Hans Meyer, Finanzverfassung, insbes. zur Entwicklung der Erkenntnis der eigenständigen Rolle der Gemeinden S. 75 f. m. w . N. ; vgl. ferner die Übersicht zur „Finanzverantwortung" des Bundes gegenüber den Gemeinden, S. 91. 220 v g l . die umfassende u n d grundsätzliche Behandlung bei Hans Meyer, Finanzverfassung, insbes. S. 60 f., 67; vgl. auch S. 181 These 4; vgl. auch Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 106 Rdn. 41. 218

221

Vgl. Hans Meyer, Finanzverfassung, insbes. S. 88 ff.

Β . Die Zulässigkeit von Rückschlüssen aus A r t . 29 Abs. 1 GG

77

Abschnitt des Grundgesetzes, innerhalb dieses Abschnitts wie i m Kontext des Art. 28 selbst — dafür, daß die Aussagen des A r t . 29 Abs. 1 GG über den Rechtswert länderstaatlicher Integration Auswirkungen auf die gemeindliche Ebene und ihre Gebietsgestaltung haben. Und zwar erlaubt der verfassungsrechtliche Kontext nicht allein den Schluß, daß gebietsrelevante Aussagen, die sich aus A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG unter anderen Auslegungskriterien ergeben, besonderes Gewicht haben, etwa wegen des ausdrücklichen Gewährleistungsauftrags i n A r t . 28 Abs. 3 2 2 2 . Vielmehr folgt aus der konkreten Einbettung i n den Verfassungstext auch ein gewisses Maß an inhaltlichem A u f schluß. Auszugehen ist dabei von der Feststellung, daß die Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung ihren Platz i m II. Abschnitt des Grundgesetzes gefunden hat, dem „Allgemeinen Teil" der staatsorganisationsrechtlichen Regelungen, der insoweit die prinzipalen Bestimmungen bezüglich des Bundes, bezüglich der Länder wie zum Verhältnis zwischen beiden enthält 2 2 3 . Dies bedeutet, daß die A r t t . 20 ff. GG die allgemeinen organisatorischen Strukturen zweier politischer Raumgebilde zum Gegenstand haben. I m Hinblick auf Art. 28 Abs. 1 und 2 ist hinzuzusetzen, daß dabei — indem auch die kommunale Binnenstruktur der Länder i n diese Grundsatzregelung des Bundes einbezogen w i r d — zugleich Bestimmungen bezüglich zweier weiterer räumlicher Einheiten getroffen werden, der Gemeinden und Gemeindeverbände 224 . Hinsichtlich dieser ineinandergeschobenen Raumkörperschaften t r i f f t das Grundgesetz i n seinem II. Abschnitt grundsätzliche Entscheidungen vor allem i n zwei Richtungen: Zum einen grenzt es die Funktions-, Aufgaben-, Kompetenzbereiche gegeneinander ab, für Bund und Länder i n A r t t . 30 ff., für die kommunale Ebene i n A r t . 28 Abs. 2. Zum zweiten statuiert es die fundamentalen Prinzipien ihrer Organisation und Verfassung, ihrer Willensbildung, -ausführung und -kontrolle, einerseits i n A r t t . 20 und 28 Abs. 1 Satz 1, andrerseits i n A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 und 3. Man mag hervorheben, daß für die kommunale Ebene, speziell für die Gemeinden, der Wirkungsbereich mit der Formel „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" nur lapidar umrissen ist, i m Gegensatz zur Bund/Länder-Abgrenzung in den Abschnitten V I I , V i l i , I X und X, und darin einen Ausdruck für die grundsätzliche Zuordnung der Kommunalverwaltung zum Regelungs222 Insoweit könnte ferner auf die verfassungsprozessuale Absicherung i n A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 b verwiesen werden. Vgl. etwa Berkenhoff, K o m m u n a l v e r fassungsrecht, S. 22 f.; ferner Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 27 ff.; ebenso, unter Hervorhebung des Subsidiaritätsgedankens, Maunz i n Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 28 Rdn. 1. 223 Vgl. Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 16 ff. 224 Z u der insoweit hier offenbleibenden Frage, ob damit der staatliche A u f bau als zwei- oder viergliederig anzusehen ist: einerseits etwa Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 247 Fn. 6 m. w. N.; andrerseits Stern, Bonner Kommentar, Art. 28 Rdn. 78 m. w. N.

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I. 3. Kap.: Die systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

bereich der Länder sehen 225 . Dennoch läßt sich aus der i n einem so grundsätzlichen Zusammenhang getroffenen bundesverfassungsrechtlichen Regelung des Organisations- 226 und Funktionsfundaments 2 2 7 der kommunalen Körperschaften mehr erschließen, als daß sie damit als zum Grundbestand bundesstaatlichen Interesses gehörend ausgewiesen sind 2 2 8 . Da vielmehr, wie der unmittelbare Zusammenhang m i t A r t . 28 Abs. 1 Satz 1 und die Verklammerung durch A r t . 28 Abs. 3 ergeben, hier insgesamt die Grundzüge der Verfassungsordnung der Länder festgelegt werden 2 2 9 , folgen aus dem materiellen Gehalt des A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie Abs. 2 materielle Grenzen für den Gestaltungsspielraum der Länderstaatsgewalt i n bezug auf die Gemeinden 230 . Weil für die gemeindliche Daseinsweise die — ausdrücklich i m Zusammenhang mit der Aufgabenzuweisung i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG angesprochene — gebietliche Komponente essentieller Bestandteil ist, muß dies auch für sie gelten, jedenfalls soweit die Grundsatzaussage des A r t . 28 GG reicht. C. D i e verfassungsrechtlichen Konsequenzen für die gemeindliche Gebietsgestaltung

I m einzelnen leiten sich aus diesen Erwägungen Konsequenzen i n dreierlei Richtung ab. I . Das Gebot der Erhaltung effektiver Gewährleistungsträger

Zum ersten muß aus der Stellung und dem Inhalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, insbesondere aber aus der Affirmation durch A r t . 28 Abs. 3 GG geschlossen werden, daß sich darin der grundgesetzliche Wille materiell effektiver Verbürgung des Gewährleistungsinhalts mit besonderem Nachdruck äußert 2 3 1 . Damit ist es den Ländern kraft Bundesverfassungsrechts — auch insbesondere i m Hinblick auf die Gemeinden, einschließlich ihrer territorialen Gestaltung, — versagt, i m Wege der von ihnen i m einzelnen getroffenen Regelungen diese Ge225 Vgl. zu dieser Zuordnung Köttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 17. 226 Vgl. A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 u n d 3 GG. 227 A r t . 28 Abs. 2 GG. 228 Vgl. Becker, GR I V 2, S. 712: „ . . . eine verfassungsgestaltende Grundentscheidung f ü r die verfassungsmäßige Ordnung der Länder." Hans Meyer, F i nanzverfassung, S. 19 (speziell m i t Bezug auf A r t . 28 Abs. 1 Satz 1 GG, aber — vgl. ebenda S. 38 ff. — i n der Konsequenz auch für die kommunale Selbstverwaltungsgarantie geltend): „ . . . i n der Bundesverfassung geregeltes materielles Landesverfassungsrecht. " 229 Vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 27. 230 So allgemein zu A r t . 28: Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 1 und passim. 231 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 182.

C. Konsequenzen f ü r die gemeindliche Gebietsgestaltung

79

währleistung „leerlaufen" zu lassen 232 . Es ist damit ausgeschlossen, daß die Länder hierbei den grundgesetzlichen Gewährleistungen für Binnenverfassung und Funktionskreis der kommunalen Selbstverwaltungsträger das Subjekt der Realisierung offen oder verdeckt entziehen, also etwa unter der Bezeichnung „Gemeinden" oder „Gemeindeverbände" Gebilde schaffen, bei denen die Selbstverwaltung „eigener Angelegenheiten" und darauf bezogene demokratische Willensbildung nicht mehr hinreichend praktisch werden können 2 3 3 . I I . Das Gebot der Mindesthomogenität

Darüber hinaus ergibt sich, daß der Länderstaatsgewalt inhaltlich bei der Verfügung über die Struktur der kommunalen Ebene ein Mindestmaß an Homogenität aufgegeben ist. Dem liegt folgende Überlegung zugrunde: Einerseits überläßt die Bundesverfassung die Einzelausgestaltung des kommunalen Raums den Ländern. Andrerseits aber verwendet sie i m Text ihrer grundsätzlichen Gewährleistung für die politischen Einheiten dieses Raumes mit Wirkung für alle Bundesländer unter anderem die Bezeichnung „Gemeinden", die einen i n den wesentlichen Elementen historisch gewachsenen, fest umrissenen Inhalt hat 2 3 4 . Sie umschreibt ihren Funktionskreis mit der einheitlichen, ebenfalls i n der Substanz gewachsenen Wendung 2 3 5 „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft". Schließlich enthält das Grundgesetz i n A r t t . 70 ff., 83 ff., 104 a ff. Regelungen, die sich auf die „Gemeinden" aller Länder gleichermaßen auswirken. Damit zeichnet das Bundesverfassungsrecht ein i n seinen identitätsbegründenden Elementen einheitliches B i l d der „Gemeinde" vor, das insoweit nicht zur Disposition der Länder steht. Die grundgesetzliche Regelung bezieht sich nämlich auf Gebilde, die i n allen Ländern insoweit die gleiche Grundstruktur aufweisen müssen, als sie nicht nur geeignete Träger der Gewährleistung des A r t . 28 GG sind, sondern auch eine mindeste Subsumierbarkeit unter das „ B i l d " der Gemeinde 236 zulassen wie auch den sonstigen, sie betreffenden grundgesetzlichen Regelungen ihrem Wesen nach gerecht werden müssen. Das Interesse des Bundes an einer derartigen Mindesteinheitlichkeit der bundesstaatlichen 232

Vgl. zu diesem Terminus u n d seiner Rolle i m Streit u m die Erfassung des Gewährleistungsgehalts des A r t . 127 W R V u n d seines Verhältnisses zum verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt: Seibert, Gewährleistung, S. 105 Fn. 15. 233 Vgl. etwa Köttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 43 ff. (insbes. bereits die T i t e l - F o r m u l i e r u n g S. 43: „Die Effektivität der institutionellen Garantie") ; ferner v. Unruh, Dezentralisation, DÖV1974, 649,652. 234 Vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 1. 235 Vgl. oben 1. Kap. unter Α. I V . 236 Vgl. die pointierte Formulierung BVerfGE 1,167,167 LS 8.

80

.3. Kap.: Die systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

Ordnung auch i n bezug auf die gemeindliche Gestaltung 2 3 7 könnte etwa m i t der zunehmenden Bedeutung der Gemeinden beim Vollzug von Bundesgesetzen belegt werden 2 3 8 , wobei auch die speziellen homogenitätsbezogenen Regelungen der A r t t . 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 GG aufschlußreich sind. Eine derartige Deutung erweist A r t . 28 GG nicht nur i n Abs. 1 Satz 1 für die Grundstruktur von Bund und Ländern sowie i n Abs. 1 Satz 1 bis 3 speziell für die demokratische Gestaltung von Bund, Ländern und Gemeinden als zentrale Sicherstellung gesamtstaatlicher Homogenität 2 3 9 , sondern auch für das Verhältnis der kommunalen Grundordnungen zwischen den i m übrigen eigengestaltenden einzelnen Bundesländern 240 . Sie kann sich damit darauf berufen, daß die Zusammenfassung der scheinbar teilweise heterogenen Regelungen des A r t . 28 GG unter diesem Gesichtspunkt der Homogenität — der zudem i n Abs. 3 dieses Artikels besonders hervorgehoben w i r d — als schlüssig und bruchlos erscheint 241 . Sie hat die systematische Stellung der kommunalrechtlichen Regelungen des A r t . 28 GG auf ihrer Seite. I I I . Das Gebot der Wahrung des Integrationsbestandes

Eine dritte Konkretisierung der grundgesetzlichen Determinierung landeshoheitlicher Gestaltung des gemeindlichen Bereichs leitet sich aus dem Verhältnis der A r t t . 28 und 29 GG ab. Bereits der Umstand, daß diese beiden Bestimmungen i n unmittelbarer textlicher Folge stehen, streitet für einen auch inhaltlichen Bezug. Er betrifft insbesondere die gebietliche Formung der Gemeinden und die sie bestimmenden Faktoren. Daß die ausdrückliche Regelung, die A r t . 29 GG für die territoriale Bemessung der Bundesländer trifft, keinen Gegenschluß auf eine Lücke i n Art. 28, auf eine Abstinenz der Bundesverfassung i m Hinblick auf die Gemeinden zuläßt, wurde i m einzelnen dargelegt 242 . Ferner ist nachgewiesen worden, daß zu den Kriterien einer Umformung der Länderebene die soziale Integration der Bürger gehört und daß es sich insoweit um rechtlich verbindliche Maßstäbe handelt 2 4 3 . Daher ist zu prüfen, wie 237 I n diesem Sinne offenbar auch Groß, Homogenität, DVB1. 1950, 5, 6 („substantielle Homogenität"). 238 v g l . Köttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, insbes. S. 68 ff. 239 Vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 19; zustimmend: Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, § 41, S. 25. 240 v g l . allgemein zur Homogenität zwischen den Bundesländern: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 7. 241 Vgl. zur inneren Konsequenz des A r t . 28 GG, insbes. bezüglich der k o m munalrechtlichen Bestandteile: Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 24 ff. gegen Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 1 („Fremdkörper i n diesem A r t i k e l " ) . 242 Vgl. oben 3. Kap. unter Β . I I . 243 Vgl. oben 3. Kap. unter A.

C. Konsequenzen für die gemeindliche Gebietsgestaltung

81

sich die Statuierung sozialer Integration als Rechts wert i n A r t . 29 GG und das Element „örtlicher Gemeinschafts"-Bildung i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG zueinander verhalten. 1. Indem A r t . 29 GG die Richtwerte der „landsmannschaftlichen Verbundenheit", der „geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge" wie auch des „sozialen Gefüges" formuliert, weist er soziale Integration als notwendige, rechtlich geforderte Grundlage der Länderstaatlichkeit aus, tut also dar, daß i n den Ländern und innerhalb jedes Landes die Bevölkerung mehr sein soll als eine radikal egalitäre Summierung als isoliert gedachter Einzelwesen 244 . Diese i n erster Linie an den neugliedernden Bundesgesetzgeber gerichtete Direktive kann sich i n dieser Adressierung aber nicht erschöpfen. Indem sie nämlich das bundesverfassungsrechtliche Leitbild der Ausgestaltung und Daseinsform der Bundesländer entwirft, muß sie es u m ihrer eigenen Effektivität willen zugleich den Ländern versagen, ihrerseits leitbildwidrig die bundesverfassungsrechtlich formulierten Rechtswerte zu demontieren und damit dem (Bundes-)Neugliederungsgesetzgeber das Objekt seines Auftrags aus der Hand zu schlagen. Insoweit bilden die Leitlinien des Art. 29 GG mittelbar zugleich Grenzen und Richtpunkte für die landesinterne Verwaltungsgestaltung 245 . Entsprechend ist, mangels einer Bundeskompetenz für die innere Strukturierung der Länder, aus A r t . 29 GG insbesondere der Schluß zu ziehen, daß die Bundesländer selbst kraft Bundesverfassung auf die „geschichtliche Eigenart ihres Bevölkerungskerns und ihres Territoriums" Bedacht zu nehmen haben, daß ihnen somit „die Rolle von Bewahrern der geschichtlichen Tradition" zugewiesen ist 2 4 0 . Es ist dies i m Grunde die natürliche Konsequenz ernstgenommener Länderstaatlichkeit, wie sie sich i n der Einbeziehung i n die fundamentalen Konstitutionsprinzipien der Bundesverfassung nach A r t . 20 Abs. 1 GG und der Perpetuierung der Gliederung des Gesamtstaats i n föderale Teilstaaten durch A r t . 79 Abs. 3 GG manifestiert. Denn die historisch gewachsenen Bezüge und ihr lebendiges Bewußtsein sind notwendiger Bestandteil staatlicher Existenz, insofern diese auf dem „Bewußtsein der Zusammengehörigkeit" der Staatsbürger wesentlich beruht 2 4 7 . Damit ist aber Entscheidendes für die kommunale Struktur gewonnen, wie sie in A r t . 28 GG vorausgesetzt und i m Grundsatz den Ländern zur Ausgestaltung anvertraut ist 2 4 8 . Einmal deswegen, weil das „Ge244

Vgl. Krüger, Staatslehre, S. 96. So i m Ergebnis auch — speziell am Beispiel des A r t . 29 Abs. 1 Satz 2 — Stern, Verwaltungsreform, D Ö V 1968, 853, 857 f.; zustimmend Evers, Bonner Kommentar, A r t . 29 Rdn. 27. 246 Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813. 247 Vgl. Krüger, Staatslehre, S. 209 u n d Fn. 19 ebenda. 248 Vgl. zur Zusammenschau von A r t . 28 Abs. 2 u n d A r t . 29 Abs. 1 Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813. 245

6 Loschelder

82

I. 3. Kap.: Die systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG

schichtsbewußtsein als Element der Staatsexistenz" 249 i m Länderrahmen vor allem i n der gewachsenen kommunalen Ebene seine Basis findet, i n der i m K e r n auf tradierter Dauer beruhenden Individualität ihrer Glieder 2 5 0 . Daraus ergibt sich aber, daß die Länderstaatsgewalt, wenn sie gestaltend i n Existenz und Gebietsbestand der Gemeinden eingreift, dies nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen, geschichtlich herangebildeten Strukturen t u n darf, daß sie sie als Rechtswert bei solchem Vorgehen zu beachten hat. Und zwar gilt dies einmal, wie sich aus Art. 29 GG ergibt, u m der Erhaltung integrationsbegründender Landesgeschichtlichkeit willen, die auf diesen kommunalen Strukturen r u h t 2 5 1 . Es gilt aber darüber hinaus, so ist zu schließen, auch um des dem Schutz der Länder i n A r t . 28 Abs. 2 GG aufgegebenen Eigenwerts der Gemeinden und ihrer Geschichtlichkeit willen. Denn wenn einerseits geschichtlich begründete Gemeinschaftsbildung i n A r t . 29 GG für die Länder als Rechtswert aufgestellt ist, wenn zum zweiten dieser Rechtswert, soweit es die Länder betrifft, auf den geschichtlich gewachsenen Strukturen der Gemeinden und Gemeindeverbände wesentlich mitberuht, insoweit ihr Schutz also bereits i n A r t . 29 GG angelegt ist, dann streitet der systematische Zusammenhang von A r t . 29 Abs. 1 und A r t . 28 Abs. 2 GG dafür, daß mit „örtlicher Gemeinschaft" i n A r t . 28 Abs. 2 GG auch die gewachsenen gemeinschaftsbildenden lokalen Elemente und Formen als Rechtswert mitbezeichnet sind 2 5 2 . 2. Darüber hinaus ist zum zweiten allgemein zu folgern: Nicht nur unter dem Gesichtspunkt der historischen Substanz, sondern generell 2 5 3 fordert und setzt A r t . 29 Abs. 1 GG eine mindeste soziale Integration auf Länderebene voraus. Es läßt sich aber — dies wurde bereits am Beispiel der gewachsenen Strukturen exemplifiziert — eine solche Integration auf Länderebene schwerlich denken, wenn nicht die Bürger i n 249

Krüger, Staatslehre, S. 209 und Fn. 19 ebenda. 250 V e r f G H N W , U r t . v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 — OVGE 26, 270, 273: „ . . . Eigenleben u n d T r a d i t i o n der Selbstverwaltungskörperschaften u n d die darin wurzelnde Bereitschaft der Bürger zur M i t a r b e i t nicht n u r i n der Selbstverwaltung, sondern i m gesamten Staatsverband"; vgl. Bückmann, Verfassungsfragen, S. 48; Püttner, Funktion, S. 18: „Nach wie vor spielt die Berücksichtigung örtlicher u n d regionaler Besonderheiten u n d die B i l d u n g des örtlichen Selbstbewußtseins eine Rolle." Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547, der die kommunale Neugliederung als „Großangriff auf die geschichtliche Substanz des Landes" bezeichnet. 251

Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813: „Es gibt keine Landestradition, die über die T r ü m m e r jahrhundertealter Gemeinschaftsstrukturen hinweg aufrechterhalten werden könnte." 252 Vgl. zur Verknüpfung der geschichtlichen S t r u k t u r e n der kommunalen Einheiten m i t denen des Staates auch Köttgen, Krise, S. 13, wo der kommunale Substanzverlust durch Zerstörung historisch gewachsener kommunaler E i n heiten zugleich als nationaler Substanzverlust „ a n gewachsenem politischem Boden" herausgestellt w i r d . 253 y g i etwa den Richtwert „soziales Gefüge".

C. Konsequenzen f ü r die gemeindliche Gebietsgestaltung

83

ihrem engeren, lokalen Lebensraum i n einer mindesten sozialen Verbundenheit stehen. Wenn es richtig ist, daß staatliche Motivation und staatliches Verhalten des einzelnen Bürgers auf der Erwartung analogen Verhaltens der Mitbürger gründet 2 5 4 , so muß diese Erwartung ihre Bestätigung oder Widerlegung i n erster Linie i n dem Kreis unmittelbaren Erlebens finden. Was nämlich i m Hinblick auf das „körperschaftsbildende (...) Element" „schicksalhafter Verbundenheit" 2 5 5 auf der staatlichen Ebene durch das Gewicht der auf ihr sich vollziehenden politischen Entscheidungen bewirkt wird, resultiert i m lokalen, gemeindlichen Bereich aus der Unmittelbarkeit der Auswirkungen, aus der unmittelbaren Anschauung des politischen Geschehens 256 . Deshalb muß, vorbehaltlich des Ergebnisses der weiteren Auslegung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie, davon ausgegangen werden, daß — wie A r t . 29 Abs. 1 GG Integration als Rechtswert auf Landesebene formuliert und auf Gemeindeebene impliziert — auch A r t . 28 Abs. 2 GG m i t der Wendung „örtliche Gemeinschaft" Integration bezeichnet, und zwar i m Sinne eines normativen Merkmals, dessen Beachtung auch i m Hinblick auf die Gebietsgestaltung des lokalen Bereichs der Länderstaatsgewalt bundesverfassungsrechtlich geboten ist.

254 255

S. 219.

Krüger, Staatslehre, S. 209. So, m i t Bezug auf Gemeinde u n d Staat, Salzwedel,

Kommunalrecht.

256 Vgl. etwa Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 53: „Bürgerschaft ist das i n verwaltungsmäßiger u n d gefühlsbedingter Beziehung auf seine örtliche Gemeinschaft, die »Gemeinde4 schauende Volk." Vgl. ferner Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30.

β»

ZWEITER T E I L

Die Gewährleistungssubstanz der Verfassungsgarantie Wortlaut, geschichtliche Dimension und systematische Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG haben der Ausdeutung dieser Verfassungsbestimmung einen konkreten Rahmen gezogen, der weiteren Untersuchung ihrer Aussagekraft für den gemeindlichen Gebietszuschnitt eine bestimmte Richtung gewiesen. Sie legen nahe, die i m Normtext verwendete Formulierung „örtliche Gemeinschaft" als die Umschreibung eines nicht nur deskriptiven, sondern normativen Wesensmerkmals gemeindlicher Daseinsweise zu verstehen, nämlich des Elements gemeindlicher Integration, der auf räumlich benachbarter Ansässigkeit beruhenden, also i n engem Bezug zum Gemeindegebiet und seiner Gestaltung stehenden Zusammenfassung der Gemeindemitglieder zu einer realen soziologischen und politischen Einheit. Es ist daher nunmehr i m einzelnen zu untersuchen, ob die sachliche Substanz der grundgesetzlichen Gewährleistung, die i n ihr berücksichtigten Interessen, der i n ihr rechtlich objektivierte verfassungspolitische Zweck diese Aussage zu bestätigen, zu begründen und näher zu verdeutlichen vermögen.

1. Kapitel

Die möglichen Gewährleistungszwecke und ihre Zuordnung Versucht man, die Interessenkomplexe zu umreißen, die von der Tätigkeit gemeindlicher Selbstverwaltung berührt werden, die daher bei der Gewährleistung solcher gemeindlicher Selbstverwaltung von Verfassungs wegen berücksichtigt sein können, so ergibt sich i m wesentlichen eine Zuordnung zu drei Ebenen. Indem den Gemeinden i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht gewährleistet wird, die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" eigenverantwortlich wahrzunehmen, werden einerseits die einzelnen Mitglieder jener „örtlichen Gemeinschaft" betroffen, also die Staatsbürger, die — angesichts der grundsätzlichen Gliederung des Bundesgebiets auf der untersten Stufe i n Gemeinden 1 — regelmäßig als Einwohner und Bürger einer Gemeinde ihre „örtlichen" Belange i n diesem Selbstverwaltungsrahmen wahrgenommen sehen2. A u f der anderen Seite berührt die selbstverantwortete und eigenbestimmte Wahrnehmung der „örtlichen" Angelegenheiten aller Staatsbürger und die verfassungsrechtliche Gewährleistung solcher Eigenständigkeit notwendig über den Kreis der je Betroffenen hinaus zugleich die Belange der Allgemeinheit, des i m Staat politisch verfaßten Gesamtvolks 3 . Dabei bedarf es i m vorliegenden Zusammenhang, für die Begründung staatlichen Interesses, weder der Entscheidung, inwieweit die Einräumung derartiger Selbstverwaltung, A u f gabenausgliederung aus der staatlichen Gemeinwohlfürsorge schlechthin und Übertragung auf gesellschaftliche Träger ist 4 , noch des Eingehens auf die damit verschränkte Kontroverse u m den rechtlichen und politischen Gehalt der Klassifizierung gemeindlicher Selbstverwaltung als 1 Vgl. § 12 Abs. 2 GO N W u n d die entsprechenden gemeinderechtlichen Bestimmungen i n den übrigen Bundesländern, oben 1. Teil, Fn. 33; Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 16; Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 86 I b, S. 185. 2 Vgl. dazu die noch jüngst von Lange wieder aufgeworfene Frage, „ob als Träger der Selbstverwaltungsgarantie n u r die Gemeinden oder nicht vielmehr auch die Gemeindeeinwohner i n ihrer Beziehung zur kommunalen V e r w a l t u n g anzusehen sind", Entwicklung, S. 871. 3 Hans H. Klein, Demokratie u n d Selbstverwaltung, S. 173; vgl. auch, am Beispiel des Schulbereichs, Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 43. 4 Vgl. Salzwedel, W d S t R L 22 (1965), 222 ff., 233; kritisch demgegenüber etwa Hans H. Klein, Demokratie u n d Selbstverwaltung S. 176 ff.

Α. Das staatliche Interesse

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„mittelbare Staatsverwaltung" 5 . Denn es genügt insoweit, daß — wie auch immer die Ausgestaltung i m einzelnen aussehen und wie man sie deuten mag — gemeindliche Selbstverwaltung, entsprechend ihrem Gegenstand und seiner Verknüpfung mit dem allgemeinen Interesse, öffentliche Verwaltung darstellt 6 , ausgeübt durch i n den Staatsaufbau eingegliederte juristische Personen, Körperschaften des öffentlichen Rechts, unter Einsatz staatlich verliehener öffentlicher Gewalt 7 . Schließlich und vor allem verweist bereits der Wortlaut des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Gemeinde selbst, den körperschaftlich zusammengefaßten Inbegriff aller Glieder der jeweiligen Gemeinde als Bezugspunkt verfassungsrechtlich angesprochener Interessen. Indem er den „Gemeinden" das „Recht" der Selbstverwaltung gewährleistet, geht er davon aus, daß die Interessen dieses Inbegriffs räumlich zugeordneter Einzelner qualitativ verschieden sind von der lediglich addierenden Summierung ihrer je individuellen Interessen, die i n vielfältigem W i derspruch untereinander stehen können 8 . Zugleich drückt sich i n solcher Gewährleistung andrerseits der analoge Umstand aus, daß, ungeachtet der per saldo bestehenden Personenidentität, die Interessen der je gemeindlichen Gruppen, auch ihrer additiven Gesamtheit, vom Interesse des Gesamtvolkes, vom staatlichen Interesse wesensmäßig verschieden sind 9 . A . Das staatliche Interesse I . Die doppelte Begrifflichkeit

Die Frage nach dem Stellenwert „staatlicher" Interessen i n bezug auf die gemeindliche Selbstverwaltung und i m Rahmen ihrer grundgesetzlichen Gewährleistung sieht sich einem doppelten Befund gegenüber. Auf der einen Seite kann — hierüber besteht kein Streit — von einem ab5 Vgl. grundlegend einerseits Forsthoff, Lehrbuch, § 25 I, S. 470 ff., insbes. S. 478 f. m. w. N.; andrerseits Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220; dazu auch Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 57 f. β Peters, Grenzen, S. 36, 41; ders., Lehrbuch, S. 287; Bethge, Aktualisierung, S. 421 f. 7 Bethge, Aktualisierung, S. 421 f.; Forsthoff, Lehrbuch, § 25 I I 2, insbes. S. 491; Gönnenwein, Gemeinderecht, insbes. S. 1 f., 45; Peters, Grenzen, S. 36, 41; ders., Lehrbuch, S. 287, 292; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 222 f.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 62; Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 84 I I a 3, S. 165. 8 Vgl. Bernsdorf i n : Wörterbuch der Soziologie, Stichwort „Gruppe", S. 388 f.: „Die G. muß einen ständigen Druck auf ihre Mitglieder ausüben, u m den persönlichen Egoismus einzuschränken u n d den G.-angelegenheiten genügend Raum zu verschaffen."; Zippelius, Staatslehre, § 6, S. 27: „Unbestreitbar ist die Gemeinschaft keine bloße Summe isoliert nebeneinander stehender Menschen." 9 Vgl. Peters, Zentralisation, S. 28 ff.; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 18 m. w. N.; ders., Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 652 f.

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I I . 1. Kap.: Die möglichen Gewährleistungszwecke und ihre Zuordnung

soluten Gegensatz zwischen Staat und kommunaler Selbstverwaltung, verstanden als Einrichtung einer dem staatlichen Bereich schroff gegenüberstehenden gesellschaftlichen Sphäre, keine Rede mehr sein. Diese, auf der liberalen Doktrin des 19. Jh. beruhende, bis i n die Anfänge dieses Jahrhunderts wirkende Auffassung hat unter den modernen staatlichen und gesellschaftlichen, rechtlichen, politischen und sozialen Entwicklungen seit langem ihre Grundlage verloren 1 0 . Insbesondere Peters hat i n der Weimarer Epoche das Wesen kommunaler Selbstverwaltung als öffentliche Verwaltung i n Unabhängigkeit von der unmittelbaren Staatsverwaltung entwickelt 1 1 . So entspricht es heutiger Uberzeugung, daß „Gemeinden und Gemeindeverbände Glieder des Staatsganzen und integrierende Bestandteile eines Gesamtverwaltungssystems" sind 1 2 . Auf der anderen Seite bedeutet dies nicht, daß damit staatliches und gemeindliches Interesse i n Identität zusammenfallen. Selbst die Kontroverse u m die Einordnung kommunaler Selbstverwaltung als „mittelbare Staatsverwaltung" spielt sich insoweit auf einem Boden grundsätzlichen Konsenses ab. Denn dabei geht es nicht u m die Frage, ob gemeindliche Selbstverwaltung zum staatlichen oder außerstaatlichen Bereich schlechthin zu zählen sei. Weder die Inkorporierung der kommunalen Sphäre i n den gesamtstaatlichen Organismus noch ihre Separierung von der unmittelbaren staatlichen Verwaltungsorganisation sind Gegenstand des Zweifels. Uneinigkeit besteht vielmehr i n der Gewichtung, ob nämlich der Schwerpunkt auf der modalen Seite — Verwaltung durch verselbständigte Träger — oder i n der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung „neben dem Staat" 1 3 zu sehen ist 1 4 . Gerade diese Kontroverse macht deutlich, daß bei der Betrachtung „staatlichen Interesses" differenziert, daß von einem doppelten Gebrauch des Begriffes „Staat" ausgegangen werden muß 1 5 . Einerseits 10 Z u m „liberalen Verständnis" i n diesem Sinne Lange, Entwicklung, S. 857 ff.; daselbst aber auch zu den das ganze 19. Jh. beherrschenden Gegenströmungen „staatsorientierten Verständnisses" S. 852 ff.; zur modernen E n t w i c k l u n g S. 860 ff.; vgl. ferner Becker, GR I V 2, S. 676 ff.; ders., Entwicklung, H K W P I, S. 81 ff.; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 6 f., 12 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 3 ff.; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 90 ff. 11 Peters, Grenzen, insbes. S. 43, vgl. auch S. 216 ff. 12 Werner Weber, Kommunalaufsicht, S. 124 m. w. N.; Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 805; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 222 f.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 83. 13 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 64. 14 Vgl. einerseits Forsthoff, Lehrbuch, § 25 a, S. 471, § 25 b, S. 478 f., insbes. S. 478 Fn. 2; Röttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 15; Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 19 Abs. 3 Rdn. 38; andrerseits Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 6; Hans Meyer, Finanzverfassung, insbes. S. 57 ff.; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220; zur Relativierung der Spannungslage zwischen Staatsu n d Selbstverwaltung unter dem Gesichtspunkt funktionaler Verflechtung: Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10 ff. 15 Darauf hat insbes. Hans Meyer hingewiesen: Finanzverfassung, S. 57 f.; zustimmend: Friesenhahn, Garantie, S. 117 Fn. 5.

Α. Das staatliche Interesse

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nämlich werden damit die Organisationseinheiten „Bund" und „Länder" bezeichnet, denen unbeschadet der Zuordnung zu letzteren, die Gemeinden und Gemeindeverbände als eigenständig gegenübergestellt sind 1 6 . Andrerseits kann Staat aber auch den i m Grundgesetz geordneten öffentlichen Gesamtorganismus bezeichnen, das „corpus politicum der Bundesrepublik Deutschland" 17 , dessen Glieder auch die Gemeinden sind 1 8 . I I . Das staatliche Interesse im engeren Sinn

Geht man von dieser Doppelbegrifflichkeit aus, so ist zunächst das Spannungsverhältnis zwischen gemeindlichem Interesse und staatlichem Interesse i m engeren Sinn, also dem der organisatorischen Einheiten Bund und Länder unübersehbar 10 . Es findet seinen Ausdruck bereits darin, daß die Gemeinde durch die Erhebung zur juristischen Person des öffentlichen Rechts dem Zugriff der unmittelbaren Staatsverwaltung entzogen und dem Vorbehalt des formellen Gesetzes unterstellt w i r d 2 0 . I n dem A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung ausdrücklich „ i m Rahmen der Gesetze" zuweist, macht er die Spannungslage auch oberhalb des Bereichs staatlicher Exekutive vollends deutlich. Denn wenn gemeindlicher Aufgabenkreis, Personalhoheit, F i nanzhoheit, Autonomie danach i n weitem Maße der Ausformung, das heißt aber auch der Einschränkbarkeit durch den einfachen Gesetzgeber unterliegen 21 , so ist damit die Möglichkeit des Interessenkonflikts von Verfassungs wegen vorgegeben. Insbesondere i m Instrumentarium der staatlichen Kommunalaufsicht, des „Korrelat(s) zur Selbstverwaltung" 2 2 , w i r d der Interessengegensatz evident 2 3 . Schließlich könnten auch A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, § 91 BVerfGG, herangezogen werden, wonach den Gemeinden die Verfassungsbeschwerde „wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach A r t . 28 GG durch ein Gesetz", nämlich durch Bundes- oder Landesgesetz, eingeräumt w i r d 2 4 . 18

Vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 173. v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 19. 18 Vgl. insbes. B V e r f G E 21, 362, 370; ferner etwa Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 83. 19 Vgl. etwa die Formulierung „Gleichgewichtslage gegenseitiger Machtfülle" bei Peters, Grenzen, S. 216. 20 Peters, Lehrbuch, S. 287 ; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220 f. 21 Vgl. i m einzelnen Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 114,142 f., 144 ff. 22 Peters, Lehrbuch, S. 317; Friesenhahn, Garantie, S. 119; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 132; differenzierend Salzwedel, V V d S t R L 22 (1965), 255 ff.; k r i tisch hierzu Hans H. Klein, Demokratie u n d Selbstverwaltung, S. 176 f. 23 Vgl. Peters, Grenzen, S. 216 ff., insbes. die Nachweise S. 218 Fn. 2; ferner S. 220: „ K a u m irgendwo anders . . . zeigt sich die Interessiertheit des Staates gleichsam als Partei-Vertreter der Gesamtinteressen gegenüber dem Sonderinteresse des einzelnen Verbandes so deutlich." 24 Vgl. Muntzke/Schlempp, GO He, S. 215: „ . . . eine durch individuelle Klagebefugnis (subjektiv-rechtlich) gesicherte K o l l e k t i v f r e i h e i t " ; zustimmend Becker, Grundlage, H K W P I, S. 140. 17

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I I . 1. Kap. : Die möglichen Gewährleistungszwecke u n d ihre Zuordnung

Aus dieser grundgesetzlich, insbesondere i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG vorgezeichneten Gegenläufigkeit gemeindlicher und staatlicher Interessen i m engeren Sinne ergibt sich: Wenn und soweit die „Gemeinde" dem „Staat", verstanden als die Einheiten Bund und Länder, gerade als eigenständiges Gebilde m i t besonderer Struktur, eigenen Aufgaben und Kompetenzen 25 gegenübergestellt wird, kann die Verfassung, die eben diese Sonderung festschreibt und gewährleistet 26 , nicht zugleich diese Gewährleistung eben i m Interesse jener „staatlichen" Gebilde und ihrer Belange getroffen haben, deren Funktionen und Befugnisse sie dadurch begrenzt. Insoweit ist kommunale Selbstverwaltung i n der Tat wesensmäßig etwas anderes als staatliche Administration, steht sie i n einem analogen status negativus zum staatlichen Gesetzgeber wie der „freie (...) Bürger" 2 7 . Insoweit scheidet aber auch das staatliche Interesse, sofern Staat als „Partei-Vertreter der Gesamtinteressen" gegenüber dem gemeindlichen „Sonderinteresse" verstanden w i r d 2 8 , aus dem Gewährleistungsbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus. Damit w i r d freilich nicht i n Abrede gestellt, daß auch „staatliche" Interessen i n diesem engeren Sinne mit Bezug auf den gemeindlichen Bereich bestehen, etwa an der administrativen Effizienz der Wahrnehmung des „örtlich radizierten Teil(s) der Verwaltungsgeschäfte" 20 , zunehmend insbesondere unter dem Gesichtspunkt ausreichender und gleichmäßiger Versorgung aller Staatsbürger 30 . Aber insoweit fördert der „Staat" das „allgemeine Wohl" und nimmt es als „Partei-Vertreter der Gesamtinteressen" gerade auch gegenüber den ihr partikulares Interesse eigenverantwortlich verwirklichenden Gemeinden wahr 3 1 . Dieses „staatliche" Interesse ist damit notwendig verschieden von dem i n seiner eigenständigen Selbstgestaltung garantierten gemeindlichen „Sonderinteresse" 32 , auf das A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG Bedacht nimmt. Soweit andrerseits etwa die Länderstaatsgewalt, zum Beispiel bei der Förderung der 25 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 173: „Träger von Freiheitsrechten besonderer A r t , die sich gegen die Legislative u n d Exekutive des Staates richten." 26 Insoweit ist etwa die Überführung i n nichtrechtsfähige, insbes. staatliche Verwaltungseinheiten ausgeschlossen: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 81, 84. 27 Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220 u n d 220 f. 28 Peters, Grenzen, S. 220. 29 Friesenhahn, Garantie, S. 116. 30 Vgl. zur „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" Lerche, Finanzausgleich, S. 299 ff., insbes. die zahlreichen Nachweise S. 299 Fn. 1 ; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547 (im Hinblick auf die gemeindliche Gebietsneugliederung das Recht des Bürgers auf Daseinsvorsorge u n d den Gleichheitssatz hervorhebend); Scheuner, Wandlungen, D Ö V 1966, 513, 517, 519; ders., Kooperation u n d Konflikt, D Ö V 1972, 586, 587, 590; ders., Neubestimmung, A f K 1973,1,16. 31 Vgl. Peters, Grenzen, S. 220. 32 Vgl. Peters. Grenzen. S. 220.

Α. Das staatliche Interesse

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Verwaltungskraft der örtlichen Stufe, zugleich auch m i t dem Ziel der Effektuierung gerade der gemeindlichen Selbstverwaltung tätig w i r d 3 3 , handelt sie insoweit eben nicht i m engeren staatlichen, sondern i m spezifisch gemeindlichen Interesse, dessen Beachtung ihr durch A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG von Bundesverfassungs wegen aufgetragen ist 3 4 . I I I . Das staatliche Interesse im umfassenden Sinn

Wenn dagegen „Staat" als das umfassende, auf Einheitlichkeit angelegte, auch die Gemeinden einbegreifende politische Gemeinwesen 35 , als das „corpus politicum der Bundesrepublik Deutschland" 36 verstanden wird, ist das Interesse dieses Staates i m weiten Sinne nicht als selbständig verfolgter Zweck neben den gemeindlichen Belangen i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG einsetzbar. Denn dieses umfassende staatliche Interesse ist nichts, was neben den allgemeinen Belangen — den Gemeinden gegenüber verkörpert i m Staat, Bund und Ländern, — und den besonderen Belangen — verkörpert i m Bund durch die Länder 3 7 , i n den Ländern etwa i n Gemeinden und Gemeindeverbänden 38 — als eigenständige dritte Größe existiert. Es stellt nichts anderes dar als die Abstraktion, den Inbegriff des allgemeinen wie aller besonderen Interessen, genauer: die Resultante aus ihrem Zusammen- und Gegeneinanderspiel 39 . Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht für das Verhältnis von Bund und Ländern i m Bundesstaat die Existenz eines davon abhebbaren Zentralstaats verneint und ausgeführt, kraft Bundesverfassung seien die staatlichen Funktionen, die i m Einheitsstaat die einheitliche staatliche Organisation ausübe, zwischen der zentralen Organisation des Bundes und den gliedstaatlichen Organisationen der Länder aufgeteilt 40 . Analog hierzu erschöpft sich ein gesamtstaatliches Interesse, das die staatlichen Belange i m engeren Sinne wie die gemeindlichen Belange der örtlichen Teilgruppen umgreift, i m Produkt ihres Miteinander- und Gegeneinan33 Vgl. speziell i m Hinblick auf die Gebietsneugliederung ζ. B. Gutachten A B - W , i n Dokumentation B - W I unter A I I I , 16.-18., S. 535; Stadt-UmlandGutachten Bay, Rdn. 6.3.1, S. 81; Gutachten Nds, Rdn. 52 ff., S. 29 f.; Gutachten NW, Abschnitt A , S. 36, Abschnitt B, S. 10 f.; Gutachten Schl-H, Rdn. 208 - 272, S. 26. 34 Vgl. Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 34 ff. I m Ergebnis liegt diese Scheidung der Interessen auch den Ausführungen Salzwedels zugrunde, wenn er die Selbstverwaltungsgarantie als Verfassungsargument zum Schutz des gemeindlichen status quo dem Recht auf Daseinsvorsorge u n d dem Gleichheitsgrundsatz als Verfassungsargumenten f ü r die Neuordnung gegenüberstellt: Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547. 35 Vgl. Hesse, Grundzüge, § 1 I I , S. 5 ff. 36 v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 19. 37 Vgl. Scheuner, Wandlungen, D Ö V 1966, 513, 514 u n d Fn. 8 ebenda. 38 Herzog, Staatslehre, S. 225 ff. 39 Vgl. f ü r den Bundesstaat, die Bund/Länder-Struktur, Zippelius, Staatslehre, § 34 I I 1, S. 255. 40 BVerfGE 13, 54, 77 f.

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I I . 1. Kap.: Die möglichen Gewährleistungszwecke und ihre Zuordnung

derwirkens, wie i n dem ständigen politischen Prozeß, der dieses Produkt stetig neu erzeugt 41 . Zutreffend ist daher die staatliche Ordnung in solchem umfassenden Sinn mit der Verfassungsordnung gleichgesetzt worden 4 2 , und es ist genau dieser Sachverhalt, der durch die Formulierungen gekennzeichnet wird, die Gemeindeverwaltung werde „aber nicht i m ,Interesse des Staates4 besorgt", sie dürfe vielmehr das „öffentliche Interesse des Staates nicht verletzen"; „ i m Mittelpunkt der Aufgabenerfüllung . . . (stehe) die Verwirklichung des Gemeinwohls nach dem Bedürfnis und der Leistungsfähigkeit auf der Grundlage und i m Rahmen des Rechts" 43 . Wenn also das Grundgesetz i n A r t . 28 Abs. 2 das örtliche Interesse i n einem trägerschaftlich wie funktional verselbständigten Entscheidungszentrum konstituiert 4 4 und so ein Element polyzentraler Staatsorganisation 4 5 schafft, so realisiert es damit nicht neben dem örtlichen ein „gesamtstaatliches" Interesse, es begründet vielmehr eine Wirkungseinheit, die durch Wahrnehmung des örtlichen Interesses gegenüber anderen Sonder-, wie gegenüber dem staatlichen Interesse i m engeren Sinne, durch Konflikt und Kompromiß am Prozeß der Verwirklichung des Gesamtinteresses i m Rahmen der Verfassung teilnimmt 4 6 . B. Das Individualinteresse

Auch soweit es um die Belange des Bürgers als des einzelnen, individuellen Mitglieds des politischen, staatlichen und gemeindlichen Verbandes geht, wie sie durch die Tätigkeit gemeindlicher Selbstverwaltung berührt und durch ihre verfassungsrechtliche Gewährleistung betroffen werden, scheiden diese Individualinteressen als eigenständiger, den Gewährleistungsgehalt prägender und i n der Richtung bestimmender Wert aus der Betrachtung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG aus. I. Der Schwerpunkt der Gewährleistung: das Gruppeninteresse

Bereits die Erarbeitung des Ausdeutungsrahmens der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie durch Untersuchung des Wortlauts, des ge41 Vgl. insoweit zur „politische(n) Einheit des Staates": Hesse, Grundzüge, § 1 I I , S. 5 ff. ; speziell i m Hinblick auf das „Wesen des Bundesstaates" : Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 116 ff., insbes. S. 118 f., 167 ff.; die — i m Lichte des A r t . 28 GG k a u m haltbare — Bezeichnung der K o m m u n e n als „technische Hilfseinrichtungen des Staates . . . , aber nicht Mitträger seines Daseins, das irgendwie von ihnen abhinge" (S. 171), ändert an der grundsätzlichen Aussage i m vorliegenden Zusammenhang nichts. 42 Hans Meyer, Finanz Verfassung, S. 57 u n d passim. 43 Becker, GR I V 2, S. 703. 44 Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810, 811; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 40. 45 Vgl. Herzog, Staatslehre, S. 225 ff. 48 Vgl. allgemein Hesse, Grundzüge, § 1 I I , S. 5 ff., insbes. S. 6.

Β . Das Individualinteresse

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schichtlichen Hintergrundes wie des systematischen Stellenwerts hat gezeigt, daß der Akzent der Gewährleistung auf der organisatorischen und funktionalen Verselbständigung nicht einzelner Individuen, sondern räumlich definierter Gruppen liegt. Soweit die Belange der Gruppenglieder vom Interesse der Gruppe selbst inhaltlich abgehoben sind 4 7 , stehen sie daher nach den bisherigen Ergebnissen nicht unmittelbar i n der Schutzrichtung der Verfassungsgewährleistung. Auch der Umstand, daß die Verbürgung gemeindlicher Eigenständigkeit i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG, also i m „Allgemeinen Teil" der organisationsrechtlichen Regelungen der Verfassung ihren Platz gefunden hat, nicht aber, wie noch i n der Weimarer Reichsverfassung, i n deren Grundrechtsteil 48 , streitet gegen die Annahme, diese Bestimmung diene unmittelbar (auch) der Verwirklichung individueller Belange, die sich von denen der „örtlichen Gemeinschaft" sondern ließen 49 . I I . Das Individualinteresse im einzelnen

Des näheren ergibt sich, daß die individuellen Interessen des einzelnen Bürgers, wo sie nach ihrem Inhalt außer Bezug zum Gewährleistungsgehalt der Verfassungsgarantie gemeindlicher Selbstverwaltung stehen, insofern für ihre Ausdeutung ohne Aussagefähigkeit sind. Wo sie aber gerade i n der Begründung eigenständiger Selbstgestaltung für die örtliche Gemeinschaft, der der Bürger jeweils angehört, ihre Erfüllung finden, können sie aus diesem Grund sachlich vom gemeindlichen Interesse selbst nicht abgelöst werden. Soweit sie schließlich zu den Belangen der „örtlichen Gemeinschaft" inhaltlich gegenläufig sind, können sie aus entsprechenden Gründen nicht zugleich Schutzgut der gerade deren Eigenständigkeit verkörpernden Grundgesetzbestimmung sein, aus denen auch das staatliche Interesse i m engeren Sinn aus der Betrachtung ausgeschieden worden ist. 1. Das Interesse des Bürgers an Schutz vor staatlichem Eingriff, an Teilhabe an staatlicher Leistung wie an aktiver Mitgestaltung i m staatlichen politischen Prozeß berührt unmittelbar den i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG objektivierten verfassungspolitischen Zweck nicht. 47

Vgl. die Nachweise oben 2. Teil, Fn. 8. Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 57: „Positionswechsel der Selbstverwaltungsgarantie aus dem Grundrechtsteil der Weimarer Verfassung i n den allgemeinen Organisationsteil des Grundgesetzes." Vgl. auch Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 28 f. ; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 67 ff. m. w. N. 49 Entsprechend hat sich das B V e r f G gegen die Herleitung subjektiver Rechte für den einzelnen Bürger ausgesprochen; vgl. BVerfGE 1, 208, 236; 6, 104, 111; vgl. auch Granderath, Praxis des Bundesverfassungsgerichts, D Ö V 1973, 332, 333 (r. Sp.); vgl. i m übrigen die Nachweise, auch zu den Gegenstimmen, bei Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 192 ff. 48

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I I . 1. Kap. : Die möglichen Gewährleistungszwecke u n d ihre Zuordnung

Soweit i n diesem Zusammenhang „Staat" i m umfassenden Sinn verstanden wird, als das Bund, Länder, Gemeinden und sonstige Träger öffentlicher Gewalt umgreifende Gemeinwesen, muß wiederum entgegengehalten werden, daß es sich dabei nicht u m ein gegenüber seinen Teilen verselbständigtes, ablösbares Zuordnungssubjekt handelt. So realisiert sich Freiheit vom „Staat" i n diesem Sinne eben — und nur — in der Freiheit vor Eingriffen i n die und Beschränkung der individuellen Sphären durch die einzelnen Träger öffentlicher Gewalt. Demgegenüber verfängt der Einwand nicht, gerade die Existenz mehrerer, zahlreicher Wirkungseinheiten innerhalb des staatlichen Gesamtorganismus realisiere bereits durch wechselseitige Begrenzung individuelle Freiheit 5 0 , intensiviere durch Vervielfältigung der Beteiligungsmöglichkeiten die aktive Teilnahme des einzelnen am politischen Prozeß 51 und stelle durch Institutionalisierung der realen Interessen der verschiedenen Ebenen und Gruppierungen sachgerechte, auf das konkrete jeweilige Bedürfnis zugeschnittene Vermittlung der öffentlichen Leistungen sicher 52 . Denn unter all diesen Gesichtspunkten bildet das Interesse des einzelnen B ü r gers keinen eigenständigen Bezugspunkt. Es richtet sich gerade auf die möglichst wirksame Ausgestaltung und Funktionsausübung der verschiedenen Träger öffentlicher Gewalt, zielt also, was die Gemeinden betrifft, eben auf das i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete effektive Eigenleben der „örtlichen Gemeinschaft" und deckt sich insofern nicht ablösbar mit dem gemeindlichen Interesse. Bezieht man andrerseits das Interesse des Bürgers an Abwehr und Teilhabe auf den Staat i m engeren Sinne, die staatlichen Einheiten Bund und Länder, so steht dieses Interesse außer Zusammenhang zum Regelungsgegenstand des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Denn insoweit korrespondiert es nicht m i t dem „örtlich" begrenzten Komplex öffentlicher Funktionswahrnehmung, der i n dieser Gewährleistung der eigenständigen gemeindlichen Disposition zugewiesen ist, sondern mit deren überörtlichen Komponente, bezüglich deren die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie allenfalls insoweit eine Aussage trifft, als sich aus ihr die grundsätzliche Nichtkompetenz der Gemeinden i n dieser Hinsicht ergibt 5 3 . Sieht man i m übrigen den Schutz des Bürgers vor staatlicher Ingerenz m Ansehung des örtlichen Bereichs gerade i n der Verfassungssicherung gemeindlicher Eigenständigkeit verankert, so gilt wiederum, daß solcher 50 Z u r Zuordnung kommunaler Selbstverwaltung zum Prinzip „vertikaler Gewaltenteilung" insbes. Peters, Gewaltentrennung, S. 26; ferner Herzog, Staatslehre, S. 225 ff., 226; Isensee, Subsidiarität, S. 252 u n d die zahlreichen Nachweise daselbst S. 95 Fn. 31; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 811; skeptisch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 31. 51 So nachdrücklich v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 654, 655. 52 Dazu Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,36 f. 53 Vgl. etwa BVerfGE 8,122,133 ff.

Β . Das Individualinteresse

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Schutz mit dem der „örtlichen Gemeinschaft" identisch ist, das Interesse an jenem daher neben dem an gemeindlicher Selbstgestaltung keinen eigenen Stellenwert hat 5 4 . 2. Das Interesse des Bürgers, insoweit er Mitglied seiner jeweiligen Gemeinde ist, muß danach differenziert werden, wie es sich gegenüber dem Interesse der Gesamtheit der Glieder der Gemeinde, also dem gemeindlichen Interesse, dem der „örtlichen Gemeinschaft", verhält. Dabei ist vor allem der Fall zu betrachten, daß das individuelle Interesse mit den Belangen der Gemeinde insgesamt i n Widerstreit tritt. Praktisch werden kann dies etwa i n der Frage nach den Abwehrbefugnissen des einzelnen Gemeindebürgers, seinem status negativus gegenüber der Gemeinde. Begreift man A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG lediglich als eine Bestimmung, die die Beziehung der Gemeinde zum Staat regelt, zwischen ihnen die öffentlichen Funktionen und Befugnisse aufteilt, nicht aber das Verhältnis Gemeinde/Bürger berührt, so folgt daraus, daß für den Bürger die allgemeinen Abwehrbefugnisse gelten; die Grenzen zwischen seiner Sphäre und dem Staat — i m weiten Sinne — „werden durch das Gemeinderecht nicht verschoben" 55 . Das heißt also, daß derartige Abwehrinteressen des Bürgers von der Selbstverwaltungsgarantie nicht betroffen werden. Begreift man sie dagegen als eine umfassende „Funktionsverteilungs- und Zuordnungsnorm", die auch m i t Wirkung gegenüber dem Bürger einen gemeindlichen „Dispositionsbereich" festlegt 56 , so kann, durch die Unterwerfung der Körperschaftsmitglieder unter die „gemeindliche (...) Herrschaft" für den Bereich der örtlichen Angelegenheiten 5 7 , insoweit die Grenze legitimer gemeindlicher Funktionswahrnehmung allenfalls zu Lasten des Bürgers verschoben, sein gegenläufiges negatorisches Interesse also nicht zugleich Schutzgut der dies bewirkenden Verfassungsnorm sein. Auch Teilhabeinteressen des Bürgers hinsichtlich der gemeindlichen Leistungen können m i t dem gemeindlichen Interesse an Inhalt und I n tensität ihrer Erbringung kollidieren, etwa wenn der einzelne idividuell andere oder mehr gemeindliche Leistungen wünscht als die „örtliche Gemeinschaft" bieten kann oder w i l l . Soweit es dabei u m den lebensnotwendigen Mindeststandard öffentlicher Leistungen, ferner u m eine mindeste Gleichmäßigkeit gemeindlichen Leistungsniveaus geht, korrespondiert dieses Bürgerinteresse mit dem staatlichen Interesse i m enge54 Zutreffend setzt daher Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 29, das „Hecht des Individuums, i n der örtlichen Gemeinschaft mit anderen Bürgern zusammen eine v o m Staat freie V e r w a l t u n g zu führen" m i t dem Schutz des „institutionell gesicherte(n) Selbstverwaltungsrecht(s)" gleich. (Hervorhebung v o m Verf.) 55 So Thieme, Berufsfreiheit, J Z 1961, 280, 283. 56 So Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 72 m. w. N. ; ders., Gemeindewirtschaft, A f K 1964, 81, 92 u n d passim. 57 Salzwedel, Kommunalrecht, S. 239.

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I I . 1. Kap. : Die möglichen Gewährleistungszwecke u n d ihre Zuordnung

ren Sinne an der sozialstaatlichen Grundversorgung aller Bürger und an der Mindesthomogenität solcher Versorgung über den Rahmen der einzelnen Gemeinde hinaus, m i t einem Interesse also, wie es dem Staat als „Partei-Vertreter der Gesamtinteressen" 58 etwa durch den Sozialstaatsauftrag und das Gleichbehandlungsgebot 59 zugewiesen ist und die individuelle Differenzierung und Eigengestaltung von Gemeinde zu Gemeinde gerade einschränkt 60 , die grundsätzlich durch A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet wird. Bei oberhalb dieser Extremfälle liegenden Konflikten zwischen dem Anspruch des einzelnen Gemeindebürgers auf größere oder andere Leistungen gemeindlicher Verwaltung und dem Willen der ihre Gesamtbelange selbstgestaltenden örtlichen Gemeinschaft beziehungsweise ihrer Organe greift dagegen wiederum die Überlegung durch, daß nach dem eindeutigen Wortlaut wie nach dem gewachsenen Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG i n seinem Mittelpunkt die Verselbständigung eben der „örtlichen Gemeinschaft" steht, „die ihr Schicksal i n eigener Verantwortung solidarisch gestaltet" 61 . Da aber das Interesse einer menschlichen Gruppe von der Summe der Einzelinteressen ihrer Mitglieder qualitativ verschieden ist 6 2 , kann nicht ein und dieselbe Verfassungsvorschrift die eigenständige Interessenverwirklichung der Gruppenbelange und zugleich die der — vielfach entgegengerichteten — Einzelbelange zum Gegenstand haben. Sie kann lediglich die Teilhabe der einzelnen Glieder der Gruppe an deren Willensbildungsprozeß sicherstellen 63 , ferner deren gleiche Teilhabe an den sonstigen Gruppenrechten und -leistungen wie an den Gruppenpflichten 64 , ein Element gemeindlichen Daseins, das zur gewachsenen Struktur gehört und allenthalben i m geltenden Gemeinderecht seinen Niederschlag gefunden hat 6 5 . Schließlich kann sie auf minde58

Vgl. Peters, Grenzen, S. 220. Vgl. auch die speziellen Verfassungsvorschriften des A r t . 72 Abs. 2 Nr. 3 („Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus") u n d des A r t . 104 a Abs. 4 GG („Ausgleich unterschiedlicher Wirtchaftskraft i m Bundesgebiet"). 60 Vgl. Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; zur A u s gleichsfunktion der Länder i m Kommunalbereich ferner Ernst-Gutachten, Rdn. 3.1.5., S. 51 ff. 61 Röttgen, Sicherung, S. 198; vgl. auch Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 29; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219. 62 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 8. 63 Vgl. A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 u n d 3 GG. 64 Z u m status activus u n d positivus, insbes., i m Hinblick auf die Gemeinde: Röttgen, Sicherung, S. 202; vgl. auch Salzwedel, Kommunalrecht, S. 240 ( „ V o r teils· u n d Lastenverband"). 65 Vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2, 3 GO B - W ; A r t . 15 Abs. 1 GO B a y ; §§ 20 Abs. 1 GO He; 22 Abs. 1 GO Nds; 18 Abs. 2 GO N W ; 14 Abs. 2 GO R h - P f ; 19 Abs. 1 GO Sa; 18 Abs. 1 GO Schl-H; ferner v. Unruh, Gemeinderecht, S. 113; f ü r das überkommene Gemeinderecht: § 17 Abs. 1 DGO sowie die Übersicht bei Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 17 Erl. 2, S. 280. 59

C. Das „gemeindliche" Interesse

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ste Leistungsfähigkeit auch i m Interesse gemeindlicher Selbstverwaltung selbst dringen, das heißt i m Interesse der „örtlichen Gemeinschaft" und ihrer Mitglieder — aber eben gerade und nur insofern sie deren Mitglieder sind. Insoweit die Gewährleistung eigenständiger Selbstgestaltung der örtlichen Gemeinschaft derartige Teilhabe der Gemeindebürger an den gemeindlichen Leistungen, ihre Präsenz i m gemeindlichen politischen Prozeß umfaßt, bezieht sie sich also gerade auf ihre Rolle als Mitglieder der örtlichen Gemeinschaft, die ihre eigenen, auch widerstreitenden Belange i n den Vorgang der Gruppenbildung, der Herausbildung der Gruppenbelange, einbringen, betrachtet sie also eben nicht als isolierte I n d i v i duen mit isolierten und isolierbaren Interessen 66 . Auch unter diesem Gesichtspunkt ist daher für ein eigenständiges Interesse des einzelnen B ü r gers i m Schutzbereich des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG kein Raum, weil diesem Interesse gerade durch die Wahrnehmung des gemeindlichen I n teresses als Gemeinschaftsinteresse Rechnung getragen ist. C. Das „gemeindliche" Interesse

Somit steht i m Zentrum der grundgesetzlichen Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung allein das „gemeindliche" Interesse, nicht der spezifisch staatliche noch der spezifisch individuelle Belang. Sie finden i n anderen Verfassungsnormen ihren Ort und ihre Berücksichtigung 67 ; aber sie prägen nicht den Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG. I . Die Unscharfen bei der Bestimmung des Zuordnungssubjekts

Dieses „gemeindliche" Interesse bedarf näherer Konkretisierung, damit es für die weitere Ausdeutung dieser Norm ergiebig werden kann. Fragt man zunächst nach seinem Zuordnungssubjekt, so liegt die Formulierung nahe, dies sei eben die i n den Gemeinden institutionalisierte örtliche Gemeinschaft. Eine solche Aussage erleidet jedoch i n zweierlei Richtung Einschränkungen. 1. Zum einen erscheint es zweifelhaft, inwieweit die schiere Ineinssetzung von „Gemeinde" und „örtlicher Gemeinschaft" die Trägerschaft gemeindlichen Interesses korrekt bezeichnet. Beide Elemente sind schon begrifflich nicht identisch: Während „örtliche Gemeinschaft" einen als ββ Diese Unterscheidung zwischen isoliertem individuellem Interesse des der gemeindlichen Gemeinschaft gegenüberstehenden Bürgers u n d der — zumindest auch — gemeinwohlbezogenen Einbeziehung solcher Interessen i n die gemeinsame Willens- u n d Entscheidungsbildung gemeindlicher Demokratie w i r d insbesondere nachdrücklich hervorgehoben bei Ossenbühl, Gutachten 50. DJT, S. Β 119 ff., insbes. S. Β 125 f., Β 128 f. 67 Vgl. etwa zur F u n k t i o n der Grundrechte, „die einzelnen Bürger m i t . . . Rollen" i n das staatlich-gesellschaftliche System einzuplanen, Krüger, V e r fassung als Programm, S. 247.

7 Loschelder

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I I . 1. Kap. : Die möglichen Gewährleistungszwecke u n d ihre Zuordnung

real vorausgesetzten, soziologisch vorgegebenen Sachverhalt bezeichnet, ist „Gemeinde" die rechtliche, politische und administrative Form, diesem Sachverhalt gerecht zu werden. Entsprechend kann „örtliche Gemeinschaft" i m Prinzip nur durch Beeinflussung ihrer realen Agenden — i m Extremfall durch Umsiedlung — gebildet, beseitigt, gestützt oder geschwächt werden. Dagegen beruht die „Gemeinde" als politischer Körper und rechtliches Zuordnungssubjekt, jedenfalls nach heutigem Verständnis, auf der Anerkennung oder Schaffung durch die Rechtsordnung des Staates und leitet von ihm ihre Hoheitsgewalt ab 6 8 . Auch praktisch ist die völlige Deckungsgleichheit von Gemeinde und „örtlicher Gemeinschaft" für viele Fälle seit je, und zunehmend bis i n die Gegenwart, eher ein idealtypisches Ziel denn konkrete Wirklichkeit. Dabei braucht hier nicht darauf eingegangen zu werden, ob unter den gegenwärtigen Bedingungen „örtliche Gemeinschaft" i n der gemeindlichen Realität noch eine nennenswerte Rolle spielt 6 9 . Es genügt vielmehr die Feststellung, daß bereits seit dem 19. Jh., insbesondere i m Zuge fortschreitender Industrialisierung, die Siedlungseinheit der Städte über die gemeindlichen Grenzen vielfach hinausgewachsen ist und Korrekturen, Ausweitungen des Gebietszuschnitts durch Eingemeindungen erforderlich machte 70 . Auch i m Rahmen der kommunalen Gebietsreform der heutigen Zeit gehört neben der Stärkung der Verwaltungskraft kleiner Gemeinden und der administrativen Erfassung der Stadt/Umland-Verflechtung die Fallgruppe zu den typischen und verbreiteten Problemlagen, i n der benachbarte Gemeinden baulich ineinander übergehen oder sich diesem Punkt nähern 7 1 . I n all diesen Fällen ist m i t h i n eine Klärung erforderlich, wie sich — unter dem Gesichtspunkt des i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten „gemeindlichen Interesses" und seines Zuordnungssubjekts — „Gemeinde" und „örtliche Gemeinschaft" des näheren zueinander verhalten. 2. Aus einem zweiten Punkt bedarf dies ebenfalls der Vertiefung. Bezeichnet man als Träger des verfassungsgeschützten gemeindlichen Interesses „die Gemeinden", so verdeckt diese Formulierung eher, was unter diesem Zuordnungssubjekt zu verstehen ist. Denn dabei kommt nicht zum Ausdruck, daß es sich insoweit nicht u m eine vorgegebene, feste und 88 Vgl. Peters, Lehrbuch, S. 292; sehr k l a r auch die Unterscheidung zwischen soziologischer S t r u k t u r u n d Rechtsbegriff der Gemeinde bei Becker, G r u n d lage, H K W P I, S. 127. 89 Vgl. etwa Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, insbes. S. 169 f. u n d die Nachweise S. 169 Fn. 3. 70 Vgl. Scheuner, Verwaltungsreform, A f K 1969, 209, 225 f.; vgl. auch Schattenfroh, Großstadt, Z A k D R 1937, 69, 71. 71 Vgl. etwa die Skizzierung der „Lösungsmodelle" der Gebietsreform, V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 86; ferner z.B. Gutachten Β B - W , i n Dokumentation B - W I, unter A I I , 12. a, S. 556; Gutachten Nds, Rdn. 132, S. 51 ; Gutachten NW, Abschnitt B, S. 15 ff.

C. Das „gemeindliche" Interesse

99

unveränderliche Summe konkreter, i m Zeitpunkt der Verfassungsgebung vorhandener Gebietskörperschaften handelt. Daß der Staat über den Gebietsbestand und damit gegebenenfalls auch über die Existenz der einzelnen Gemeinde zu disponieren befugt ist, und zwar auch gegen deren Willen, war bereits unter der Geltung des A r t . 127 WRV eine auf der gemeinderechtlichen Entwicklung beruhende 72 , von der herrschenden Auffassung i m Schrifttum getragene 73 sowie der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs entsprechende 74 Erkenntnis. Auch heute ist es allgemeine Meinung, daß die verfassungsrechtliche Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung nicht den Bestand der einzelnen Gemeinde garantiert, sondern lediglich sicherstellt, daß es auf der örtlichen Stufe Gemeinden m i t Selbstverwaltung gibt 7 5 . Die Garantie w i r k t also institutionell nicht individuell 7 6 . Das heißt aber, daß die Beseitigung oder Neubildung konkreter Gemeinden durch staatlichen Hoheitsakt i m Grundsatz die Gewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht berührt. Daraus folgt, daß das i n dieser Bestimmung abgesicherte „gemeindliche" Interesse nicht schlechthin den jeweils konkret zu einem gegebenen Zeitpunkt vorhandenen gemeindlichen Körperschaften zugerechnet und m i t ihrem I n teresse i n eins gesetzt werden kann. I I . Der Ausgangspunkt für die weitere Konkretisierung des Zuordnungssubjekts

Das bedeutet freilich auch nicht ohne weiteres, daß sich das gemeindliche Interesse i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG lediglich i n den jeweils kraft Entwicklung oder staatlicher Formung vorhandenen Gemeinden verkörpert und erschöpft, ohne Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf die A r t und Weise ihres Zustandekommens, daß es also i m Hinblick auf den gemeindlichen Gebietszuschnitt „leerliefe". Aus der grundsätzlichen Dispositionsbefugnis des Staates über die gemeindliche Gebietsstruktur folgt nicht, daß diese Befugnis von Verfassungs wegen unbeschränkt wäre, daß jeder beliebige territoriale Neuzuschnitt der gemeindlichen Ebene, auch wenn er wieder m i t Selbstverwaltung ausgestattete Gebietskörperschaften schafft, mit A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ver72 Vgl. die Nachweise oben 1. Teil, Fn. 113 u n d Peters, Grenzen, S. 90 ff.; ferner Friesenhahn, Garantie, S. 125 f. m. w. N. 73 So ausdrücklich Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3, S. 583 f. 74 Vgl. U r t . v. 10./11. 12. 1929 — S t G H 9. 11. 14. 15. 16.18/29 — RGZ 126, 14* ff.; ferner Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3, S. 583 f. m. w. N. 75 Vgl. die Nachweise oben 1. Teil, Fn. 52; ferner Becker, GR I V 2, S. 711; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 32 f.; Granderath, Praxis des Bundesverfassungsgerichts, D Ö V 1973, 332, 334; Röttgen, Wesen, H K W P I, S. 229; SchmidtBleibtreu/Rlein, A r t . 28 Rdn. 9; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 9. 76 Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 78 sowie die weiteren Nachweise zuvor Fn. 75.

7*

100 I I . 1. Kap.: Die möglichen Gewährleistungszwecke u n d ihre Zuordnung

einbar ist. Dementsprechend gehen Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig davon aus, daß neben dem Verfahrensgebot, die betroffenen Gemeinden vor Durchführung von Gebietsänderungen hinreichend anzuhören, auch materielle verfassungsrechtliche Grenzen für derartige staatliche Eingriffe bestehen, und zwar Grenzen, die sich aus der Verfassungsgewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung ableiten. Sie werden üblicherweise unter die „Gemeinwohl"-Formel subsumiert 77 . Die bisherigen Untersuchungsergebnisse sprechen dafür, daß diese Gemeinwohlklausel aus dem Gehalt der grundgesetzlichen Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung heraus gerade i m Hinblick auf das „gemeindliche Interesse" näherer Konkretisierung zugänglich ist. Wenn nämlich die Verwirklichung des „Gemeinwohls" oder „öffentlichen Wohls" sich auf drei Ebenen vollzieht, „der des Einzelnen, der i m Staat bestehenden Körperschaften sowie der des Staates" 78 , wenn andrerseits das spezifisch individuelle wie das spezifisch staatliche Interesse nicht Schutzgut des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind 7 9 , so ist daraus zu folgern, daß diese grundgesetzliche Garantie gerade das spezifisch gemeindliche Interesse i n den Abwägungsvorgang der Allgemeinwohldienlichkeit einer Gebietsänderung einzuführen gebietet 80 . Eine solche Betrachtungsweise steht einerseits mit der Feststellung i n Einklang, daß das verfassungsgeschützte gemeindliche Interesse etwas anderes ist, als die Summe der, typischerweise auf Fortbestand gerichteten, Interessen der konkret vorhandenen einzelnen Gemeinden. Denn sie schließt staatliche Dispositionen über ihre Gebietsstruktur nicht schlechthin aus. Andrerseits löst sie dieses Interesse nicht völlig von den vorhandenen Gemeinden ab. Sie setzt ihrer Umgestaltung materielle Grenzen, möglicherweise unter dem Gesichtspunkt „örtlicher Gemeinschaft". Zusammenfassend ergibt sich also, daß zwar negativ die dem Staat i m engeren Sinne wie die dem individuellen Bürger zuzuerkennenden Belange nicht Gegenstand der i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG getroffenen Verfassungsentscheidung sind. Darüber hinaus kann ebenfalls ausgeschlossen werden, daß sich deren Schutzgut mit den Belangen eines konkreten Bestandes existenter gemeindlicher Körperschaften deckt. Positiv bedarf es dagegen — angesichts der Schwierigkeit, einen festumrissenen „Träger" zu benennen — weiterer Prüfung, was genau den Inhalt des spezifischen, durch die Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung geschützten Interesses ausmacht. 77

Vgl. die Nachweise oben Einleitung, Fn. 26. V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4.1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 82. 79 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kap. unter A. u n d B. 80 Vgl. zur Tendenz der Selbstverwaltungsgarantie, gegenüber den Gesichtsp u n k t e n ausreichender u n d gleichmäßiger Daseinsvorsorge für die Bewahrung des kommunalen status quo zu streiten: Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969,546. 547. 78

2. Kapitel

Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung Wenn mit der nahezu einhelligen Auffassung i n Rechtsprechung und Schrifttum davon ausgegangen wird, daß A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG der staatlichen Dispositionsbefugnis über die gemeindliche Gebietsstruktur materielle Grenzen setzt 81 , dann bedeutet dies, daß m i t der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie mehr statuiert w i r d als ein abstraktes Organisations· und Funktionsprinzip, das i n jedem beliebig gefügten und bemessenen räumlichen Ausschnitt der untersten Stufe öffentlicher Verwaltung i n der von Verfassungs wegen geforderten A r t und Weise praktiziert werden könnte. Diese These, daß das Grundgesetz mehr gewährleistet als „Selbstverwaltung" irgendwelcher Verwaltungseinheiten, daß es vielmehr darüber hinaus bestimmte Qualitäten dieser Einheiten, der „Gemeinden", fordert 8 2 , korrespondiert m i t den bisherigen Erwägungen zu Wortlaut, geschichtlicher Substanz und systematischer Stellung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Denn diese sprechen dafür, i n der Integration der Gemeindeeinwohner und -bürger zur „örtlichen Gemeinschaft" ein normatives Element gemeindlichen Daseins zu sehen. Die Bestätigung und Konkretisierung der These verfassungsgeforderter lokaler Integration aus dem Schutzzweck, der ratio der Verfassungsbestimmung, sieht sich vor der Schwierigkeit, daß das geschützte Interesse nicht ohne weiteres eindeutig einem Träger zugeordnet werden kann 8 3 . Es fragt sich, ob eine nähere Betrachtung der organisatorischen Substanz gemeindlicher Selbstverwaltung, wie sie grundgesetzlich vorausgesetzt ist, Rückschlüsse auf den Inhalt dieses Interesses, allgemein auf die ratio legis gestattet. A . D i e Ausgliederung des örtlichen Bereichs

Inhalt der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie, so könnte formuliert werden, ist die Ausgliederung bestimmter öffentlicher Angele81

Vgl. die Nachweise oben Einleitung, Fn. 26. Vgl. die Zweigliedrigkeit der Aussage bei Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 29: „Es muß . . . stets Gemeinden m i t Selbstverwaltung geben." Vgl. auch Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 62 ff. 83 Vgl. oben 2. Teil. 1. Kap. unter C. 82

102 I I . 2.Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

genheiten aus dem Aufgabenbereich staatlicher Verwaltung und ihre eigenverantwortliche Wahrnehmung durch selbständige Verwaltungsträger, nämlich die in ihrem Gebiet von diesen Angelegenheiten betroffenen Gemeinden 84 . M i t einer solchen Formulierung w i r d aber offenkundig nicht der gesetzgeberische Zweck solcher Ausgliederung bezeichnet, sondern lediglich ein Mittel, das zur Verwirklichung eines dahinterstehenden Zwecks dienen kann 8 5 . Materiell deckt sie sich mit Begriffsbestimmungen, wie sie bereits unter der Geltung des A r t . 127 WRV für zutreffend gehalten wurden 8 6 , und entspricht der näheren Umschreibung i n Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG selbst 87 . Findet aber auch der gesetzgeberische Zweck einer Regelung i n dieser regelmäßig seinen Ausdruck, so ist doch die Regelung selbst, der Inhalt der gesetzgeberischen Entscheidung, m i t den dahinterstehenden Zwekken, den subjektiven Motivationen wie den objektiven Sachgesetzlichkeiten und Wertmaßstäben 88 , nicht identisch. Das Prinzip der Ausgliederung der gemeindlichen Angelegenheiten aus der i m engeren Sinn staatlichen Verwaltung enthält darüber hinaus für sich genommen keinen Anhaltspunkt, aus dem sich auf einen einzelnen, bestimmten, umrissenen Zweck schließen ließe, dem es zum M i t t e l diente. Insbesondere enthält es kein Element, das i n näherem Bezug zu den Qualitäten des Funktionsträgers derartiger Selbstverwaltungsangelegenheiten steht 89 .

B. Das Organisationsprinzip der Dezentralisation

Aus entsprechenden Gründen erweist sich erst recht die Erwägung als unergiebig, m i t der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung werde das Ziel einer Dezentralisation der öffentlichen Verwaltung verwirklicht. „Dezentralisation" bezeichnet das Bestreben, die Verwaltungsobliegenheiten auf verselbständigte Verwaltungsträger zur Wahrnehmung unter staatlicher Aufsicht zu übertragen 90 . 84 Vgl. Peters, Lehrbuch, S. 292; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 91. 85 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 322 ff. ; ferner ders., Methodenlehre, 2. Aufl., S. 31 I f f . , insbes. S. 312. 88 Vgl. etwa Brauweiler, A r t . 127, Selbstverwaltung, i n : Grundrechte u n d Grundpflichten, 2. Bd., S. 193 ff., 205 sowie den Überblick über den E n t w i c k lungs- u n d Meinungsstand, S. 199 ff. 87 BVerfGE 11, 266, 273 f. 88 Larenz, Methodenlehre, S. 322 ff. 89 Z u r vielseitigen Verwendung der Selbstverwaltung, auch jenseits körperschaftlicher Substrate: Forsthoff, Lehrbuch, § 25 I, S. 470 ff., insbes. S. 475 ff. 90 So Forsthoff, Lehrbuch, § 24, S. 459; vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 177 b, S. 95; ferner bereits Peters, Zentralisation, S. 17 f.

C. Die Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses

103

Auch insoweit handelt es sich um ein organisatorisches Prinzip, das der Verwirklichung bestimmter staatlicher Ziele dienen kann 9 1 . Es handelt sich zudem u m eine Gestaltungsform, deren eine, spezifische, qualifizierende Merkmale aufweisende Ausprägung Selbstverwaltung, insbesondere körperschaftliche Selbstverwaltung ist, nämlich „dezentralisierte Verwaltung eigener Angelegenheiten" 92 . Erschien jene wegen ihres instrumentalen Charakters und der Breite ihrer Verwendungsmöglichkeiten nicht geeignet, aus sich heraus über den Zweck, zu dem sie eingesetzt wird, Auskunft zu geben, so vermag dies erst recht die begrifflich weitere und abstraktere Organisationsform der Dezentralisation nicht. Sie erlaubt nicht den Rückschluß auf ein bestimmtes i n ihr realisiertes, objektivierbares Interesse 98 . C. D i e Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses

Konkreterer Aufschluß über den Gewährleistungszweck könnte sich ergeben, wenn man dem Prinzip der Ausgliederung eines Aufgabenkomplexes aus der staatlichen Wahrnehmung den Umstand hinzufügt, daß die Übertragung dieser Aufgaben auf Verwaltungseinheiten erfolgt, denen ein personelles Substrat zugrundeliegt, jeweils engere, örtliche Teilgruppen aus der Gesamtheit der Staatsbürger. I . Die genossenschaftliche Deutung und ihre Grenzen

Es entspräche den ursprünglichen soziologischen Gegebenheiten, aus denen sich gemeindliche Selbstverwaltung entwickelt hat, die Gemeinden als natürlich gewachsene genossenschaftliche Gebilde anzusehen, beruhend auf dem „räumlichen Zusammenleben einer Vielheit von Famil i e n " 9 4 und berufen, die diese Gemeinschaften betreffenden „örtlichen" Belange eigenverantwortlich wahrzunehmen. Die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie stellte sich dann als M i t t e l dar, dieser soziologischen Eigenständigkeit organisationsrechtlich Rechnung zu tragen. Allerdings wäre damit allein über den Endzweck solcher Gestaltung kein Urteil zu gewinnen. Sie wäre gleichermaßen vereinbar m i t dem Ziel, durch solche organisatorische Ausgliederung den bürgerschaftlichen „Gemeingeist" zu wecken — für den örtlichen, wie über diesen hinaus auch 91 Peters, Zentralisation, S. 52 f., zur Dezentralisation als M i t t e l der Förder u n g „individualistischer Ergebnisse". 92 Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 177 I b, S. 95 (Hervorhebung i m Original). 93 Z u den Formen der „Organisation als M i t t e l zum Zweck" : Peters, Zentralisation, S. 41 ; zu den vielfältigen Motivationen zentralistischer u n d dezentralisierender Organisation ebenda S. 53 ff. 94 So § 1 Abs. 1 PrGemVerfG; vgl. vor allem zum genossenschaftlichen V e r ständnis der Gemeinden: Otto v. Gierke, Genossenschaftsrecht, 1. Bd., S. 759 ff.; Hugo Preuß, Gemeinde, Staat, Reich, insbes. S. 145, 169, 226 f., 384 f., 418 f.; ders., Staat u n d S t a d t S. 21 ff., 36 f.

104 I I . 2.Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

den staatlichen Bereich 95 —, wie auch m i t der gegenläufigen Auffassung, wonach eine Separierung von Staat und Gemeinde letztere als Erscheinungsform der gesellschaftlichen Sphäre an der Freiheit von staatlichem Zwang teilhaben lassen müsse 96 . Eine solche Deutung freilich, die genossenschaftliche Struktur und gesellschaftlichen Bereich i n eins setzt 97 , dabei diesen als Gegensatz zur staatlichen Sphäre begreifend, kann unter den heutigen Bedingungen nicht mehr vertreten werden 9 8 . Insbesondere der schroffe Gegensatz von Staat und Gesellschaft ist nach Ablösung des Dualismus von „monarchischem Obrigkeitsstaat" und bürgerlicher Freiheit 9 9 durch die Homogenität der demokratischen politischen Gestaltungsmaximen i n Gemeinde und Staat entfallen 1 0 0 , dort basierend auf dem Willen des jeweiligen „Teilvolkes" 1 0 1 , hier auf dem des Gesamtvolks 1 0 2 . Allgemein findet eine allzu strikte Anknüpfung des Gemeindebegriffs an ein naturalistisch verstandenes, natürliches genossenschaftliches Element zunehmend ihre Grenzen i n der soziologischen und administrativen Wirklichkeit. Die immer umfassender ihr Umland einbeziehenden Großund Weltstädte, die industriellen Ballungszentren und Siedlungsbänder können mit der Vorstellung natürlicher Organismen aus räumlich verbundenen, i m geschichtlichen Prozeß zusammengewachsenen und i n sich geschlossenen Familienvielheiten nicht mehr hinreichend begriffen wer95

Lange, Entwicklung, S. 852 ff., zur Geschichte staatsorientierten Verständnisses gemeindlicher Selbstverwaltung; zur gegenwärtigen F u n k t i o n der „ E r ziehung zum Gemeinsinn" ebenda S. 869 f.; Scheuner, Neubestimmung, S. 3 ff.; vgl. auch BVerfGE 11, 266, 274. 96 Vgl. zum „liberalen" B i l d gemeindlicher Selbstverwaltung Lange, E n t wicklung, S. 857 ff.; ferner BVerfGE 11, 266, 274 f. Charakteristisch insofern die Formulierung des i n Abschnitt V I („Die Grundrechte des deutschen Volkes") enthaltenen A r t . X I § 184 der Verfassung des Deutschen Reiches v o m 28. 3.1849 (RGBl. S. 101): „Jede Gemeinde hat als Grundrechte ihrer Verfassung: a) die W a h l ihrer Vorsteher u n d Vertreter; b) die selbständige V e r w a l t u n g ihrer Gemeinschaftsangelegenheiten m i t E i n schluß der Ortspolizei, unter gesetzlich geordneter Oberaufsicht des Staates . . Vgl. insgesamt zur E n t w i c k l u n g des Verständnisses gemeindlicher Selbstverw a l t u n g auch Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 12 ff.; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 90 f. 97 Vgl. a u d i die Formulierung bei Röttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, S. 14: „ . . . Gemeindeverwaltung u n d Vereinswesen als . . . (die) beiden Erscheinungsformen »freier V e r w a l t u n g * . . . " 98 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kap. unter Α. I. u n d die Nachweise daselbst; insbes. Scheuner, Neubestimmung, S. 4 ff. 99 Vgl. BVerfGE 11, 268, 274. 100 z u r „Etatisierung" der Gemeinden vgl. ferner Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 241 f. u n d die Nachweise daselbst Fn. 77; ferner Rrüger, Staatslehre, S. 864. 101 Z u m Begriff: Herzog, Staatslehre, S. 220 f. 102 So bereits Hugo Preuß, Staat u n d Stadt, S. 36 f.

C. Die Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses

105

den 1 0 3 . I m übrigen sprengt die vielfache tatsächliche räumliche Nichtübereinstimmung von Siedlungseinheit und politischer Gemeinde wie die begriffliche und rechtliche Verschiedenheit von „örtlicher Gemeinschaft" und „Gemeinde" den Rahmen älterer genossenschaftlicher Vorstellungen auch bereits bei geringeren Dimensionierungen 104 . I I . Die Nutzbarmachung genossenschaftlicher Elemente für die gegenwärtige Gemeinde

Diese Überlegungen schließen das genossenschaftliche Grundelement gemeindlichen Daseins nicht schlechthin aus. Sie wenden sich lediglich gegen eine, jedenfalls heute, realitätsferne naturalistische Verengung und Überspitzung, wie sie i n der Überbetonung eines natürlichen, originären, insbesondere staatsfernen Wachsens gemeindlicher Gemeinschaft, i n der Unterbewertung der staatlichen Einbettung, Anerkennung und Gestaltung liegt, nicht selten verbunden m i t einer Abwertung hochdimensionierter, zum Beispiel großstädtischer Erscheinungsformen 105 . Eine solche einseitige Anschauungsweise folgt aber keineswegs zwingend aus dem genossenschaftlichen Prinzip selbst, aus seinen drei essentiellen Merkmalen: überindividueller personaler Zusammenschluß auf der Grundlage grundsätzlich gleichberechtigter Mitgliedschaft, „Verbundenheit i n gemeinsamer Sache und zu gemeinsamem Wirken auf ein allen gemeinsames Ziel hin", und zwar i n „Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung" 1 0 6 . Wendet man i m Gegenteil diese drei Elemente auf die Gemeinde an, wie sie sich rechtlich und tatsächlich entwikkelt hat und i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG vorausgesetzt ist, so zeigt sich, daß nicht die genossenschaftliche Grundlage, sondern lediglich ihre zeitbedingte Verengung und Überbetonung als überholt angesehen werden muß 1 0 7 . 103

So insbes. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1 ff., insbes. S. 2 f., 12, 15,19 f. 104 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 5 f.; Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 86 I b, S. 185. 105 Z u r „Ursprünglichkeit" vgl. A r t . 11 Abs. 2 Satz 1 LVerfBay, A r t . 1 GO Bay; hierzu kritisch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 5 m. w. N.; zur originären Autonomie — insbes. m i t Bezug auf den Verein — : Enneccerusi Nipperdey, 1. Halbband, S. 651 Fn. 4 sowie S. 652; allgemein zur naturalistischen Verengung des Genossenschaftsgedankens, auch u n d besonders i m H i n blick auf „Groß-Genossenschaften": v. Nell-Breuning, Staatslexikon, 3. Bd., S. 752, 753 f. ; zur Eingliederung der Genossenschaft als Körperschaft i n das staatliche Gemeinwesen: Huber, Verfassungsrecht, S. 462; zustimmend Peters, Lehrbuch, S. 111, insbes. Fn. 4 a. 106 So v. Nell-Breuning, wie zuvor Fn. 105, S. 752. 107 So sieht etwa Hugo Preuß offenbar keinerlei Gegensatz zwischen genossenschaftlicher S t r u k t u r u n d „urbaner Organisation", auch nicht i m Hinblick auf das „Anschwellen der städtischen u n d . . . der großstädtischen Agglomerationen": Staat u n d Stadt, S. 37; vgl. auch Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 39.

106 I I . 2. Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

1. Daß die Gemeinde, was ihr personelles Substrat betrifft 1 0 8 , einen überindividuellen Zusammenschluß von Teilgruppen des Staatsvolkes darstellt, dessen Interesse von der Summe der Belange seiner Mitglieder verschieden ist und der i n sich diese vielfältigen individuellen Belange harmonisiert und integriert, wurde bereits entwickelt 1 0 9 . Die mitgliedschaftliche Gleichheit der Rechte und Pflichten des zum gemeindlichen „Vorteils- und Lastenverband" 1 1 0 zusammengefaßten Teilvolks folgt aus dem Konstitutionsprinzip der Zugehörigkeit, das seit langem i m wesentlichen lediglich in der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes eines auf Dauer angelegten „Wohnens" auf dem Gemeindegebiet besteht 111 . Insbesondere die gleiche Teilhabe der Bürger am gemeindlichen politischen Prozeß hebt A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG ausdrücklich hervor. 2. Beruht dergestalt die durch Gleichberechtigung gekennzeichnete Mitgliedschaft der Gemeindeglieder zum gemeindlichen Verband i m Grundsatz auf dem einzigen Umstand des lokalen Bezugs, der räumlichen Zusammenordnung, so folgt daraus: Das zweite Element genossenschaftlichen Miteinanders, die „Verbundenheit i n gemeinsamer Sache und zu gemeinsamem Wirken auf ein allen gemeinsames Ziel h i n " 1 1 2 , die i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG genannten „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", hat Belange der Gruppe zum Gegenstand, die allein i n den örtlichen Gegebenheiten und i n der räumlichen Nähe der Gruppenmitglieder begründet sind. a) Unterzieht man den Gehalt dieser Gruppenbelange einer näheren Überprüfung, so ergibt sich, daß gerade das Konstitutionsprinzip der „örtlichen Gemeinschaft", die bloße räumliche Zuordnung, über das bisherige Ergebnis hinausführt. Es wurde insoweit bislang lediglich festgestellt, daß die verfassungsrechtliche Sicherung der gemeindlichen Eigenständigkeit von der Nicht108 Z u r Scheidung des „doppelten Substrats" der Gemeinde, „des Gemeindegebiets u n d der Gemeindebürgerschaft", vgl. bereits Otto von Gierke , Genossenschaftsrecht, 1. Bd., S. 717 u n d passim. 109 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kap. unter B. m. w. N.; insbes. auch Huber, Verfassungsrecht, S. 462; v. Nell-Breuning, Staatslexikon, 3. Bd., S. 752; Peters, L e h r buch, S. 111 u n d Fn. 2 ebenda; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 245. 110 Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219. 111 Vgl. bereits 1. D V O zur DGO (RGBl. 1935 I S. 393) § 5: „Einwohner der Gemeinde ist, w e r i n i h r eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen w i r d . " Z u m geschichtlichen Übergang von der Bürger- zur Einwohnergemeinde: Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 5 Erl. 1 S. 146 f.; Kottenberg/Rehn, GO NW, § 6, Erl. I I 1; vgl. insgesamt: Rauball, GO NW, § 6 Erl. 1 m. w. N.; zur Relativierung u n d Einebnung des Unterschiedes von Einwohner u n d Bürger auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,19 f. 112 v. Nell-Breuning, Staatslexikon, 3. Bd., S. 752.

C. Die Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses

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identität des lokalen Gruppeninteresses mit dem i m engeren Sinn staatlichen Interesse ausgeht, also auf der Institutionalisierung einer vorhandenen Spannungslage, nicht auf bloßer institutioneller Verdoppelung gleicher Interessen beruht 1 1 3 . Darüber hinaus aber, das deutet bereits der Verfassungswortlaut an, steht das territoriale Substrat der Gemeinde zwar zu beiden Elementen i n Bezug, zur örtlichen Gemeinschaft wie zu ihren „Angelegenheiten", jedoch nicht i n gleicher Weise. Einerseits begründet es nämlich unmittelbar das gemeindliche Teilvolk, indem es dieses als den Inbegriff der Bürger definiert, die auf dem Gemeindegebiet, also einem regelmäßig zusammenhängenden begrenzten Ausschnitt aus dem staatlichen Territorium, ansässig sind 1 1 4 . Andrerseits leitet sich aber der Kreis der den Gemeinden zur Wahrnehmung zugewiesenen Angelegenheiten nur mittelbar aus der räumlichen Kategorie ab, also nicht etwa aus den geographischen Gegebenheiten allein ohne Rücksicht auf die personelle Komponente 1 1 5 . Vielmehr geht es dabei u m die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", also die „Angelegenheiten", die den Gemeinde-Mitgliedern gerade dadurch gemeinsam und eigentümlich sind, als sie sich aus ihrem Zusammenleben i n räumlicher Verbundenheit ergeben 116 . b) Demzufolge weist A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG der gemeindlichen Regelung die Bedürfnisse und Notwendigkeiten, die gerade i n den geographischen Eigentümlichkeiten ihre Wurzel haben, nicht unmittelbar aus diesem Grunde, sondern deswegen und insoweit zu, als sie sich dadurch auf die das Gemeindegebiet bewohnenden Bürger auswirken, i n ihrer konkreten lokalen Gemeinschaft aktuell werden 1 1 7 . Und entsprechend umfaßt diese Zuweisung auch, darüber hinausgehend, alle „materiellen und ideellen Bedürfnisse" 1 1 8 , die nicht aus spezifisch geographischen Gegebenheiten entspringen, sondern ihren Entstehungsgrund unmittelbar in der Tatsache des räumlichen Miteinanders, i m nachbarlichen Zusam113

Vgl. oben 2. T e i l 1. Kap. unter Α. I I . Vgl. zu den weiteren Voraussetzungen gemeindlicher Vollrechtsinhaberschaft — Staatsangehörigkeit, Volljährigkeit, Mindestdauer der Ansässigkeit etc. — § 19 DGO, § 6 Abs. 2 GO N W i. V. m. §§ 7 f. K W a h l G N W u n d die entsprechenden gemeinderechtlichen Vorschriften der übrigen Bundesländer. 115 Mißverständlich insoweit Conrady, „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", DVB1. 1970, 408, 410, der von der Formulierung „örtliche Angelegenheiten" ausgeht; demgegenüber Partsch, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, insbes. S. 313, wo die Determinierung gemeindlicher Aufgaben aus dem personellen Substrat i n der Wendung deutlich hervortritt, den Gemeinden müsse „ein K e r n von Aufgaben gesichert" bleiben, „deren Wahrnehmung sie instandsetzt, aus einer Gesamtanschauung des örtlichen Lebens zu arbeiten." 116 Seibert, Gewährleistung, S. 18; i m Ergebnis auch Conrady, „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", DVB1.1970, 408, 410. 117 Vgl. die Formulierung bei Conrady, „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, DVB1.1970, 408, 410. 118 Seibert, Gewährleistung, S. 18. 114

108 I I . 2. Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

menleben des gemeindlichen Personenverbandes haben 1 1 9 . Das heißt aber auch, daß sich der Kreis der gemeindlichen Regelungsgegenstände nicht auf solche beschränken läßt, die i n ihrer Wirkung jeweils nur, und zwar ausschließlich die Bürger der tätig werdenden Gemeinde angehen. Vielmehr sind dazu alle diejenigen zu zählen, die besondere, über das allgemeine Betroffensein i m staatlichen Rahmen hinausgehende Auswirkungen auf die einzelne, örtliche Bevölkerungsgruppe haben, auch wenn sie sich daneben auf andere Gemeinden auswirken oder zwar ihren U r sprung gerade anderwärts haben, für den konkreten gemeindlichen Lebenskreis jedoch spezifische Konsequenzen zeitigen 1 2 0 . Diese umfassend und ausschließlich am personellen Substrat anknüpfende Bestimmung des gemeindlichen Regelungsbereichs bestätigt sich am Inhalt der beispielhaften Aufzählungen des herkömmlichen A u f gabenkreises 121 . Sie entspricht den seit je für die Umschreibung der gemeindlichen Angelegenheiten verwendeten Formulierungen 1 2 2 . Ist somit für die Begründung der örtlichen Gemeinschaft, des gemeindlichen Teilvolkes, das räumliche Element das konstitutive Kriterium, für den Bereich der gemeindlichen Angelegenheiten dagegen das personelle Substrat der Gemeinde, so bedeutet dies: I m Rahmen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung werden nicht einem Träger öffentlicher Gewalt sozusagen von außen und unabhängig von seiner Konstituierung Zuständigkeiten und Befugnisse übertragen. Vielmehr w i r d an eine auf natürlichen Gegebenheiten beruhende Gruppierung, nämlich räumlich definierte Teile des Staatsvolks, angeknüpft und es werden der diese Gruppierung aufnehmenden administrativen Einheit gerade diejenigen Angelegenheiten zur Entscheidung überlassen, die sie, weil aus Nachbarschaft, räumlich gemeinsamer A n 119 Vgl. υ. Mangoldt/Klein, A r t . 28 Erl. I V 1 c, S. 707: „aller örtlich anfallenden Verwaltungsaufgaben" (Hervorhebung v o m Verf.). 120 Vgl. BVerfGE 8, 122, 134; ferner bereits PrOVGE 14, 76, 87: „ K a l a m i t ä ten . . . , die — w e n n auch n u r mittelbar — auf weite Kreise u n d so mehr oder minder auch auf das wirtschaftliche Wohlergehen der einzelnen Stadt zurückw i r k e n . . . " Z u r Verknüpfung von örtlichem u n d überörtlichem Bezug i n jeder i n Frage kommenden Angelegenheit: Salzwedel, Kommunalrecht, S. 224. 121 Vgl. insbes. die Enumeration des A r t . 83 Abs. 1 L V e r f B a y ; ferner Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 89. 122 Vgl. PrOVGE 14, 76, 86: „Alles . . . , was irgend die Wohlfahrt der ganzen örtlichen Gemeinschaft w i e die sittlichen, die geistigen u n d die wirtschaftlichen Interessen ihrer Angehörigen zu fördern geeignet i s t " ; ebenda S. 87: „ W a h r u n g der Interessen der örtlichen Gemeinschaft"; „die Vertretung lokaler Interessen"; Tätigkeit, die „ v o n der Besonderheit der Verhältnisse der örtlichen Gemeinschaft ihren Ausgangspunkt u n d i n dem Schutze u n d der Förderung dieser Verhältnisse i h r Ziel h a t " ; PrOVGE 87, 194, 200: „alle Beziehungen des öffentlichen Lebens, soweit sie die örtliche Gemeinschaft betreffen . . . " Vgl. auch Jebens, Gemeindeanstalten, P r V B l . 1900/1901 (Bd. 22), 329, 330 1. Sp.; zur Notwendigkeit des Rückgriffs auf die geschichtliche Entwicklung bei der Bestimmung des gemeindlichen Aufgabenkreises etwa BVerfGE 17, 172, 181 f.

C. Die Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses

109

sässigkeit entspringend, als eigene angehen 123 . I m Mittelpunkt gemeindlichen Daseins steht also auch heute von Verfassungs wegen der mitgliedschaftliche Verband der Gemeindebürger, dem — i n Ubereinstimmung mit den Grundstrukturen genossenschaftlicher Gestaltung — die Wahrnehmung der i h n betreffenden eigenen (Gruppen-)Belange zugewiesen ist. 3. Das dritte Element genossenschaftlicher Form, „Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung" 1 2 4 , gewährleistet A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden ausdrücklich. Es fragt sich, ob diese Bestätigung der genossenschaftlichen Grundgestaltung der Gemeinde, solche von der Verfassung vorgenommene Zuerkennung korporativer Eigenständigkeit erkennen läßt, welche grundsätzliche Wertung hinter einer derartigen Entscheidung steht, welcher spezifische Rechtswert damit statuiert und verwirklicht wird. a) Eine derartige Fragestellung kann sich auf die Erwägung stützen, daß das Vorhandensein kommunaler Körperschaften keineswegs begriffsnotwendig die staatliche Einräumung des Selbstverwaltungsrechts voraussetzt 125 . Sieht etwa eine Rechtsordnung kommunale Körperschaften vor, ohne ihnen dieses Recht voller Handlungs- und Gestaltungsfreiheit jenseits fremderteilter Richtlinien einzuräumen 126 , so mag dies m i t dem Ziel bloßer Dekonzentration der staatlichen Verwaltung geschehen 1 2 7 . Es mag darüber hinaus von der Absicht getragen sein, tatsächlich vorhandene soziologische und politische „Verbände der irrationalen Gemeinschaftsordnung" 128 wenigstens organisatorisch zusammenzufassen. Aus einer solchen Organisationsregelung wäre jedoch kein Rückschluß möglich auf A r t und Maß real vorhandener Ansätze genossenschaftlicher Aktivitäten der Selbsthilfe und Mitwirkung. Das hieße andrerseits zwar nicht, daß i n einer solchen Rechtsordnung das Interesse der staatlichen Verwaltung und der örtlichen Einheit i n eins zusammenfielen. Aber es wäre von Staats wegen der generalisierenden Behandlung vor dem „ i n dividualistischen Ergebnis" der Vorzug gegeben 129 , es wäre dem örtlichen Partikularinteresse von Rechts wegen gegenüber dem Gesamtinteresse kein Stellenwert eingeräumt, es wäre ignoriert und damit als Rechtswert nicht greifbar. 123

Vgl. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 84 I V b 1, S. 171. v. Nell-Breuning, Staatslexikon, 3. Bd., S. 752; Otto von Gierke , Genossenschaftsrecht, S. 3: „ . . . nicht von oben belebte, sondern von innen heraus thätige Genossenschaften.. 125 v. Unruh, Gemeinderecht, S. 93. 126 Salzwedel, Kommunalrecht, S. 221; vgl. auch S. 228 f. 127 Z u m Begriff: Forsthoff, Lehrbuch, § 24 a, S. 458 f. 128 Peters, Lehrbuch, S. 112; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219. 129 Peters, Zentralisation. S. 52 f. 124

110 I I . 2.Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

Wenn dagegen die Verfassung gemeindliche Selbstverwaltung i n der Weise des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet, so läßt sich daraus nicht nur das Vorhandensein, die Vorausgesetztheit lokaler Sonderinteressen ablesen, sondern auch ein nicht geringer Stellenwert, der solchem örtlichen Gruppeninteresse i m Verhältnis zum staatlichen Gesamtinteresse eingeräumt wird. b) Diese Feststellung bedarf der Konkretisierung, der näheren Beschreibung des organisatorischen Gehalts, der i n der Einräumung von Selbstverwaltung gegenüber den lokalen Gruppierungen des Staatsvolks liegt. aa) Körperschaftliche Selbstverwaltung ist unter anderem — und neben anderen Gestaltungsformen — ein Ausdruck dezentralisierender Tendenz 130 , als deren einer wesentlicher Vorteil die gesteigerte Ortsnähe der Verwaltung hervorgehoben wird, die dadurch bewirkte sachliche und persönliche Näherung von Verwaltung und Bürger 1 3 1 . Solche Näherung zielt auf einen zweifachen Effekt. Sie setzt die m i t der Wahrnehmung der örtlichen Belange und Bedürfnisse betrauten Organe zu sachgerechter Tätigkeit instand, weil sie ihnen durch konkrete Anschauung der lokalen Besonderheiten optimale spezielle Sachkunde verleiht 1 3 2 . Zugleich sucht sie der „Bureaukratie" und ihren Mängeln, insbesondere der durch Ortsferne geförderten Reaktion, der „Opposition der Bevölkerung gegen das Gemeinwesen" entgegenzuwirken, indem sie es unternimmt, „das tätig werdende Organ des Gemeinwesens und den Bürger einander näherzubringen" 1 3 3 . Der Gesichtspunkt der Ortsnähe ist somit geeignet, Wirkungen lokaler Selbstverwaltung zu bezeichnen. Aber andrerseits reicht er nicht hin, ihre eigentümliche Substanz zu erfassen. So bedürfte eine durch Ortsnähe erzeugte Steigerung der Kenntnisse der lokalen Angelegenheiten nicht notwendig des Mittels der Dezentralisation. Sie könnte auch durch bloße Dekonzentration erreicht werden 1 3 4 . Gleichermaßen w i r d Abbau von Bürgerfremdheit durch Organnähe m i t Hilfe lokaler Ansiedlung staatlicher Verwaltung mit Entscheidungskompetenz, also durch Dekonzentration allein, ebenfalls gefördert. Können aber die gleichen organisa130 Vgl. oben 2. Teil, 2. Kap. unter B.; Peters, Zentralisation, S. 24; Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 77 I b, S. 95. 131 Vgl. ausführlich Peters, Zentralisation, S. 46 ff.; ferner auch Forsthoff, Lehrbuch, § 24 b 3, S. 469 f.; Lange, Entwicklung, S. 862 f. m. w. N. 132 Z u r Ortsnähe als Voraussetzung ausreichender Kenntnisse für die V e r w a l t u n g der örtlichen Angelegenheiten: Peters, Zentralisation, S. 48; vgl. auch Herzog, Staatslehre, S. 226; Zippelius, Staatslehre, S. ?β5. 133 Peters, Zentralisation, S. 48, u. a. unter Hinweis auf die Nassauer D e n k schrift des Freiherrn vom Stein; vgl. dazu: Briefe u n d amtliche Schriften, 2. Bd., 1. Teil, Nr. 354, S. 380 ff., insbes. S. 389 ff. 134 Also, i m Sprachgebrauch Peters', durch bloße „administrative Dezentralisation", vgl. Peters, Zentralisation, S. 17 f.

C. Die Verselbständigung des lokalen Gruppeninteresses

111

torischen Effekte nicht allein der örtlichen Selbstverwaltung, sondern auch ortsnah gestalteter staatlicher Verwaltung zugeordnet werden, so vermögen sie nicht wohl den Unterschied zwischen beiden, die Essenz körperschaftlicher Eigenverantwortung zu kennzeichnen 135 . bb) Der Mangel, der dem Aspekt „Ortsnähe" als Erklärung des organisatorischen Gehalts gemeindlicher Selbstverwaltung anhaftet, liegt darin begründet, daß dabei das personelle Substrat, das Verhältnis von Verwaltungssubjekt und Verwaltungsobjekt aus dem Blick bleibt. Denn die Verleihung von Selbstverwaltung an die lokalen Gruppierungen erzeugt mehr als die bloße Steigerung der speziellen Kenntnisse von außen an den örtlichen Bereich herantretender staatlicher Organe. Sie bewirkt den Einsatz des Wissens der örtlich ansässigen Bürger selbst u m die sie bestimmenden konkreten Gegebenheiten, u m ihre daraus wie aus den Eigentümlichkeiten der Bevölkerung und ihres Zusammenlebens resultierenden Bedürfnisse und Interessen 136 . Es geht m i t h i n nicht u m „örtliche" Sachkunde irgendwelcher administrativer Organe. Es geht vielmehr u m die eigene Sachkunde der jeweils betroffenen lokalen Bürgergruppen selbst. cc) Indem A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG die administrative Wahrnehmung der örtlichen Angelegenheiten durch die „örtliche Gemeinschaft" selbst gewährleistet, bleibt er i n seinen organisatorischen Auswirkungen aber auch nicht beim Einsatz „eigener Sachkunde" stehen. Zwar, für sich genommen, zielt diese zumindest auch auf die Gewinnung sachgerechter Lösungen und Entscheidungen ab, nämlich durch Einbringung der je individuellen örtlichen Verhältnisse i n den Entscheidungsprozeß, darauf, ihnen nicht durch zentralistisch egalisierende Behandlung „Gewalt anzut u n " 1 3 7 . Wäre dieses Ziel aber — i n gewissem Umfang jedenfalls — auch durch lediglich beratende oder partiell mitwirkende Tätigkeit des örtlichen Teilvolks zu erreichen, dann hat die Übertragung eigenverantwortlicher Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten einen über Sachgerechtigkeit" hinausgehenden Gehalt. So lassen sich bei gleicher Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten, inhaltlich verschiedene, jedoch gleichermaßen „sachgerechte" Entscheidungen denken, je nachdem, ob sie von — ortsnaher — staatlicher A d m i n i stration nach dem Maßstab des Gesamtinteresses, oder ob sie bei gleicher 135

Vgl. Lange, Entwicklung, S. 863. Z u r Aufhebung von „Entfremdung" durch „Nähe . . . zur öffentlichen Obliegenheit", insbes. durch Einbeziehung der „bürgerlichen Selbstbestimmung" : Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 123; zur Gemeinde als einem „engeren Subsystem m i t näherer K o m m u n i k a t i o n " : Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 36. 137 So Peters, Zentralisation, S. 46 f. unter I I I . ; vgl. auch Zippelius, Staatslehre, S. 265; zur F u n k t i o n genossenschaftlicher Struktur, i m „engeren Gemeinwesen" das Besondere gegenüber der „Allgemeinheit" zu realisieren: Otto von Gierke , Genossenschaftsrecht, 1. Bd., S. 3. 136

112 I I . 2. Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

Abwägung von der jeweiligen lokalen Gruppe i m Sinne des eigenen Sonderinteresses gefällt werden 1 3 8 . Die Entscheidung der Verfassung in dieser Alternative, der organisationsrechtliche K e r n der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung, besteht somit darin, prinzipiell hinsichtlich der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" dem örtlichen Sonderinteresse den Vorrang einzuräumen vor dem allgemeinen Interesse. Von Grundgesetz wegen w i r d damit der Verwirklichung des Allgemeinwohls am Maßstab der lokalen Determinanten die Priorität garantiert vor den Lösungen nach überörtlichen, insbesondere nach den übergreifenden staatlichen Maßstäben 139 . Diese Verfassungsentscheidung für die Priorität der lokalen Maßstäbe i n Ansehung der lokalen Gruppenbelange w i r d zugleich i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Vorbehalt der Selbstverwaltung „ i m Rahmen der Gesetze" i n ihren Grenzen klargestellt, wie sie sich aus der Eingebundenheit der gemeindlichen Einheiten i n den gesamtstaatlichen Verband ergeben 140 . Das Sonderinteresse der örtlichen Teilbürgerschaft w i r d nicht gegenüber dem der staatlichen Gesamtbürgerschaft verabsolutiert, von i h m losgebunden. Vielmehr eröffnet dieser „Gesetzesvorbehält" 141 die Möglichkeit, da, wo die „örtlichen" Angelegenheiten gegenüber den „überörtlichen" zurücktreten sollen und müssen, dort, „wo wichtige, den ganzen Staat berührende Prinzipienfragen i n Betracht kommen" 1 4 2 , den auf das örtliche Interesse ausgerichtete Willen des gemeindlichen Teilvolks durch den am Gesamtinteresse orientierten Willen des Gesamtvolks zu majorisieren 1 4 3 . Innerhalb dieser Grenzen aber bedeutet die grundgesetzliche Entscheidung für das Sonderinteresse, daß es bei der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung u m mehr geht als u m bloße Kenntnis örtlicher Gegebenheiten, u m mehr auch als u m „eigene" Kenntnis der Betroffenen. Vielmehr statuiert die Verfassungsgarantie die Freiheit von 138 v g L die Gegenüberstellung dieser Interessen bei Peters, Grenzen, S. 220; ferner Forsthoff, Lehrbuch, § 24 b 3, S. 469 f.; Salzwedel, V V d S t R L 22 (1965), 217; pointierter noch, auch i m Hinblick auf nicht „sachgerechte" Lösungen, ders., Kommunalrecht, S. 229. 139 Z u den verschiedenen Ebenen der Gemeinwohlvollziehung: V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 14. 4.1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 82. 140 Insbesondere Hugo Preuß hat die Fähigkeit genossenschaftlicher V e r bände dargestellt, „zugleich eigene Organismen u n d Glieder höherer Organismen sein zu können", vgl. Gemeinde, Staat, Reich, S. 384 f., ferner S. 418 f.; vgl. ders., Staat u n d Stadt, S. 36 f.; vgl. aber auch bereits Otto von Gierke, Genossenschaftsrecht, 1. Bd., S. 3. 141 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 125; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 113 ff. 142 Peters, Zentralisation, S. 44. 143 V g L Forsthoff, Lehrbuch, § 24 b 3, S. 469 f.; Herzog, Staatslehre, S. 225 ff., 226 f.

D. Folgerungen aus der Organisationsentscheidung u n d ihre Grenzen

113

Teilgruppen, ihre Belange gemäß ihrem Willen zu regeln 1 4 4 . Das heißt aber auch: Soweit unter dem Aspekt der „Ortsnähe" der Abbau von Fremdheit, von „Bürgerferne" der Verwaltung mitbezeichnet ist, bew i r k t die Organisationsform gemeindlicher Selbstverwaltung mehr als bloße quantitative Annäherung der Verwaltung als „Organ des Gemeinwesens" an die lokale Bürgerschaft 145 . Vielmehr hebt diese Gestaltungsform — jedenfalls idealtypisch 1 4 6 — die räumliche, sachliche, persönliche Entfernung zwischen „Bureaukratie" und Bürger als bloßem „Objekt der Herrschaftsgewalt" 1 4 7 dadurch auf, daß sie den Bürgern des jeweiligen örtlichen Teilraums die Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbst i n die Hand gibt. Das heißt: Das Problem bloßer Entfernung oder Nähe von Verwaltung und Bürger schlägt u m i n das Verhältnis voller — so i m Falle der Gemeindeversammlung kleiner Gemeinden (Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG) — oder doch approximativer Identität. Die Frage, wie die öffentliche Verwaltung zu gestalten sei, w i r d durch die Entscheidung beantwortet, wer sie determiniert. Für das grundgesetzliche B i l d der Gemeinde und seiner tragenden personellen und territorialen Elemente bedeutet dies: Es werden von Verfassungs wegen Teilgruppen des Staatsvolks vorausgesetzt, die kraft ihrer räumlichen Zuordnung geeignet und i n der Lage sind, als handelndes Subjekt m i t Bezug auf ihre eigenen Belange selbstbestimmend tätig zu werden. D. Die Begrenztheit der Schlußfolgerungen aus der organisatorischen Grundentscheidung der Verfassungsgarantie I . Die Entscheidung für die Priorität der örtlichen Daten

Zusammenfassend kann m i t h i n festgehalten werden: Der organisatorische Gehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG liegt i n der Gewährleistung von Verwaltungseinheiten, Gemeinden, als genossenschaftlich strukturierten Einrichtungen, Körperschaften m i t Selbstverwaltung. Dem jeweiligen, solchermaßen i n Gemeinden organisierten Teilvolk w i r d bei der Regelung seiner Angelegenheiten die grundsätzliche und regelmäßi144 U n d zwar keineswegs notwendig gemäß „besserer" Erkenntnis, sondern unter Einschluß der Freiheit, „ . . . auf eigene Kosten auch ,Dummheiten 4 machen zu können" : Salzwedel, Kommunalrecht, S. 229 m. w. N. 145 Vgl. Peters, Zentralisation, S. 48. 148 Vgl. etwa die skeptischen Ausführungen bei Peters, Zentralisation, S. 48 u n d Fn. 2 zu der Frage, i n w i e w e i t dieses Ziel real etwa i n der großstädtischen V e r w a l t u n g noch v e r w i r k l i c h t w i r d , ob sich nicht dort das Problem bürgerferner Zentralisation innerhalb der Selbstverwaltungseinheiten erneut stellt. I m vorliegenden Zusammenhang bleiben die Grenzen der Identität unter dem Gesichtspunkt der „Repräsentation" außer Betracht; vgl. insofern: Salzwedel, Kommunalrecht, S. 245; allgemein Herzog, Staatslehre, S. 204 ff.; Z i p pelius, Staatslehre, S. 84 ff. 147 Peters, Zentralisation, S. 48.

8 Loschelder

114 I I . 2.Kap. : Der organisatorische Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung

ge Entscheidungspriorität nach seinen Maßstäben eingeräumt, bis an die Grenze — notwendiger — ausdrücklicher Durchsetzung des Gesamtinteresses durch das prinzipale Organ des Gesamtvolks, den staatlichen Gesetzgeber 148 . Die Verfassungsentscheidung läßt i n dieser Prioritätensetzung eine Wertung erkennen: Sie stellt als die angemessene Lösung heraus, daß die lokalen Daten, der Wille des örtlichen Teilvolks, i m Gegeneinander freier Betätigung der weiteren staatlichen und der engeren gemeindlichen, genossenschaftlich organisierten Einheiten, die überörtlichen Daten, den Willen des Gesamtvolks typischerweise majorisieren. Die Verfassung hält also insoweit, bis an die Grenze des „GesetzesVorbehalts", das lokale Gruppeninteresse für vorrangig. I I . Die Offenheit der zugrundeliegenden Wertungen

Damit ist zugleich die Vorläufigkeit des so gewonnenen Ergebnisses ausgesprochen. Denn die grundgesetzliche Option für den Vorrang der örtlichen Daten, des örtlichen Willens i m Hinblick auf die örtlichen Verwaltungsangelegenheiten läßt aus sich selbst heraus nicht erkennen, auf welchen Sachgesetzlichkeiten und Wertmaßstäben sie ihrerseits beruht. Insbesondere bleibt unbeantwortet, aus welchen Qualitäten, spezifischen Eigenschaften des örtlichen Teilvolks dessen Eignung hergeleitet w i r d durch eigenverantwortliche Wahrnehmung seiner Angelegenheiten besser das eigene oder gar das Wohl des gesamtstaatlichen Verbandes zu fördern, als dies eine Regelung durch Organe staatlicher Verwaltung i m engeren Sinne vermöchte. Die Frage, welches genau das „gemeindliche" Interesse ist, dessen Gewährleistung A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG als ratio zugrundeliegt, bleibt deshalb insofern weiter offen, als sich Rückschlüsse auf die Struktur seiner Träger i m einzelnen aus der grundgesetzlichen Organisationsentscheidung nicht ziehen lassen. Fest steht lediglich, daß es sich dabei um das partikulare Interesse solcher Gruppen handelt, die auf vorgegebener räumlicher Grundlage beruhen, die ihre eigenen Angelegenheiten solidarisch zu gestalten vermögen und deren Eigenleben i n den Augen des Verfassungsgebers einen Wert darstellt, der dessen prinzipielle Prädominanz gegenüber dem überörtlichen Bezug rechtfertigt.

148 Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 251; zur komplementären Frage nach den Grenzen gesetzgeberischer Disposition über den eingegliederten genossenschaftlichen Verband, wie sie sich aus der institutionellen Garantie ergeben, vgl. z.B. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 113 ff.; Seibert> Gewährleistung, S. 51 ff.

3.

Kapitel

Die Motivationsgrundlagen der verfassungsrechtlichen Organisationsentscheidung Die Frage nach der ratio, nach Sinn und Zweck der i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG getroffenen Entscheidung zwischen der Maßgeblichkeit des allgemeinen, i m engeren Sinn staatlichen Interesses und der des gemeindlichen Teilvolk-Interesses w i r d i n verschiedener Weise beantwortet. Dabei werden die Akzente teilweise stärker auf die Rolle der Gemeinden i m gesamtstaatlichen Organismus, teils m i t größerem Gewicht auf die gemeindliche Existenzform selbst gelegt. Daß beide Aspekte keinen Gegensatz bilden, sich ergänzen und verschränken, folgt aus dem Verhältnis der Eingliederung der Gemeinde i n das umfassende staatliche Gemeinwesen 149 . A. Die gewaltenteilende Funktion gemeindlicher Selbstverwaltung So könnte der Grund für die „Auflösung" des staatlichen Gemeinwesens „ i n viele kleine Entscheidungseinheiten" i n der dadurch bewirkten „gruppenbezogenen Partikularisierung des Staatswillens" 1 5 0 gesucht werden, und zwar insbesondere unter dem Gesichtspunkt freiheitssichernder Aufgliederung staatlicher Gewalt. Peters vor allem hat darauf hingewiesen, daß kommunale Selbstverwaltung nicht zuletzt als eine Form der „Aufteilung der Staatsmacht" begriffen werden kann 1 5 1 , als M i t t e l „vertikale(r) Gewaltenteilung" 1 5 2 . Diese Verortung i m Gesamtsystem der Verfassungsordnung hat vielfache Zustimmung erfahren 1 5 3 . I . Die Unterscheidung von tragender Motivation und erwünschter Nebenwirkung

Die „gewaltenteilende" Wirkung der Bildung unterstaatlicher, zum Beispiel kommunaler „politischer Entscheidungszentren" 154 kann i m 149

Vgl. oben 2. Teil, 1. Kap. unter A . Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1.1973, 719, 721. 151 Peters, Gewaltentrennung, S. 26. 152 Salzwedel, W d S t R L 22 (1965), 206, 232. 153 Vgl. die Nachweise oben 2. Teil, Fn. 50; Hans H. Klein, Demokratie u n d Selbstverwaltung, S. 175; ferner Lange, Entwicklung, S. 864 f.; Salzwedel, W d S t R L 22 (1965), 206, 232; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972,16, 20. 150



116 I I . 3. Kap.: Die Motivationsgrundlagen der Organisationsentscheidung

Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung jedoch durchaus unterschiedlich gewertet werden. Sie kann die eigentliche Motivation, die „causa finalis" für diese grundgesetzliche Organisationsentscheidung darstellen. Sie kann aber auch lediglich ein diese — neben anderen Gesichtspunkten — rechtfertigender 1 5 5 erwünschter „Effekt" sein 1 5 6 , während i m übrigen die Funktionsund Kompetenzzuordnung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG unmittelbar auf anderen Kriterien beruht. I I . Die Aussagelosigkeit der gewaltenteilenden Motivation für die Wahl der konkreten Organisationsform

Selbst wenn man aber unterstellt, die Verfassungsgarantie kommunaler Selbstverwaltung verfolge zumindest auch gezielt die V e r w i r k lichung von Gewaltenteilung, so bleibt eine solche „ratio" i m Hinblick auf die vorliegende Fragestellung mehrdeutig, nicht erschöpfend. Es bedarf insoweit nicht der Auseinandersetzung m i t den zahlreichen Zwecken, die „Gewaltenunterscheidung", ,,-trennung", „-verschränkung" als politischem Strukturprinzip zugeschrieben werden. Man mag den Akzent auf „Machtbeschränkung" legen 1 5 7 ; man mag die „rationalisierende" und „stabilisierende" Wirkung der „Konstitution und Zuordnung der unterschiedlichen Gewalten" hervorheben 1 5 8 oder die „Einheitsfigur", die wechselseitige Steigerung zu „größerer Richtigkeit" und damit das „ Z u sammenwirken zu einem einigeren Sein" herausstellen 159 . Unter jeder dieser Deutungen erscheint es freilich schlüssig, daß die Formierung unterstaatlicher Willensbildungs- und Entscheidungszentren dem Zweck der „Gewaltenteilung" förderlich ist. Auch kann argumentiert werden, gerade die Wahrnehmung eigener Angelegenheiten durch ein Teilvolk erzeuge, durch Identifizierung, gesteigerte A k t i v i t ä t und Intensität der Betätigung solcher Zentren und sei infolgedessen der V e r w i r k l i chung dieses Zwecks i n besonderem Maße dienlich 1 6 0 . Schließlich darf davon ausgegangen werden, daß die von Verfassungs wegen vorgenommenen Funktionsaufteilungen und -Zuordnungen nicht willkürlich Teilung u m der Teilung willen erzeugen, sondern auf einer vernünftigen Berücksichtigung von Sachgesetzlichkeiten beruhen, auf der Erwartung 154 Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810,811. iss ygL isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 252: „ . . . u n d findet i n i h m eine Rechtfertigung" (Hervorhebung v o m Verf.); vgl. auch die ebenda S. 251 f. insgesamt aufgeführten „Leitgedanken" kommunaler Selbstverwaltung (örtliche Eigenart, demokratische Dezentralisation, Gewaltentrennung). 156 So wörtlich Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 252. 167 Vgl. etwa Imboden, Gewaltentrennung, S. 487. 158 Vgl. Hesse, Grundzüge, § 13, S. 194 ff., 202. 159 So Krüger, Staatslehre, S. 869 f. 160 Diese aktivierende F u n k t i o n gemeindlicher Selbstverwaltung w i r d i n der Formulierung des § 1 Abs. 1 DGO besonders deutlich. Vgl. auch BVerfGE 11, 266, 275 f.

Β . Die demokratische F u n k t i o n gemeindlicher Selbstverwaltung

117

etwa, daß die so geschaffenen rechtlichen und administrativen Gebilde eine mindeste Praktikabilität, Entfaltungsmöglichkeit und Funktionstauglichkeit besitzen 161 . Diese Erwägungen machen zwar deutlich, daß sich die grundgesetzliche Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung widerspruchsfrei i n das verfassungsrechtliche System der Gliederung des staatlichen Gemeinwesens einfügt, sogar als tragendes Element eines seiner zentralen Organisationsprinzipien gedacht werden kann. Sie beantworten jedoch die hier zu entscheidende Frage nicht, warum unter allen vorhandenen oder denkbaren Gruppierungen des Staatsvolks die Verfassung zur V e r w i r k lichung von „Gewaltenteilung" gerade auf die Institutionalisierung eigenbestimmter örtlicher Gemeinschaften i n Gemeinden zurückgreift. Es bleibt offen, warum zur Definierung einer unterstaatlichen Teilgemeinschaft als Grundlage eines selbständigen Entscheidungszentrums gerade auf den gebietlichen Anknüpfungspunkt abgestellt w i r d ; warum dabei gerade die „örtliche", die vorgefundene gemeindliche Ebene gewählt w i r d ; warum schließlich unter den zahlreichen möglichen Konstellationen gerade diesem Teilvolk die Regelung „seiner" Angelegenheiten prinzipiell, und zwar i m Grundsatz i n toto überlassen w i r d 1 6 2 . B . D i e gemeindliche Selbstverwaltung als F o r m gegliederter Demokratie

Nach A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 GG ist für alle Gemeinden — abgesehen vom fakultativen Ausnahmefall unmittelbarer Demokratie i n Zwerggemeinden nach Satz 3 — ein politisches Repräsentationsorgan der i n der „örtlichen Gemeinschaft" zusammengefaßten (Aktiv-)Bürgerschaft vorgeschrieben, das wie die staatlichen Parlamente nach den demokratischen Wahlrechtsgrundsätzen konstituiert sein muß. Daher fragt es sich, ob nicht die „gruppenbezogene Partikularisierung des Staatswillens" 1 6 3 durch Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG letztlich gerade dem Ziel dient, das demokratische Prinzip als das „Leitprinzip der Ordnung des politischen Prozesses" 164 auch unterhalb der (bundes- und länder-)staatlichen Ebene zu verwirklichen ja grundzulegen und durch Vervielfachung zu intensivieren 1 6 5 . 161 Z u r Notwendigkeit, gesetzlichen Normierungen das Ziel „sachgemäßer" Regelung zu unterstellen: Larenz, Methodenlehre, S. 322; insbes. zur Problem a t i k eines Effizienzschlusses: Leisner, Effizienz, passim, insbes. S. 12 f. einerseits, S. 27 ff., 44 ff. andrerseits. 162 Vgl. — unter dem Gesichtspunkt der „Beteiligung Betroffener" — zum Ausnahmecharakter der Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung: Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 40 ff., 43 f. m. w. N. 163 Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1.1973, 719, 721. 164 Hesse, Grundzüge, § 5 I, S. 54. les y g i die Betonung der Gemeinden als der „Grundlage des demokratischen Staates" i n den Verfassungen u n d Gemeindeordnungen der Länder: ζ. Β . § 1

118 I I . 3. Kap.: Die Motivationsgrundlagen der Organisationsentscheidung I . Die Spannungslage zwischen Demokratie und Selbstverwaltung

Einer derartigen Deutung könnte entgegengehalten werden, bereits die Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung, die Kontinuität ihrer Idee ungeachtet des Wandels der Staatsverfassungen zeige, daß eine zwingende Verknüpfung zwischen demokratischer Staatsform und gemeindlicher Eigenständigkeit nicht besteht 166 . Selbstverwaltung i m formalen, i m Rechtssinn, also die von der unmittelbaren staatlichen Verwaltung abgelöste Wahrnehmung der gemeindlichen Angelegenheiten durch die als selbständige Rechtsträger konstitutierten Gemeinden 167 , setzt bereits begrifflich demokratische Willensbildungsformen weder für den Staat noch innerhalb der Gemeinde voraus. Aber auch Selbstverwaltung i m „materialen" Sinne 1 6 8 , die darüber hinaus die „eigenverantwortliche Erfüllung gemeinschaftlicher öffentlicher Aufgaben" bedeutet 169 , fordert nicht die Bildung der Körperschaftsorgane nach den Wahlrechtsgrundsätzen des A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 GG, wie etwa das System der Zünfteordnung, aber auch noch die ältere Bürgergemeinde zeigen 170 . Selbst dort, wo das politische Prinzip demokratischer Willensbildung auf staatlicher und gemeindlicher Ebene verwirklicht ist, kann von einer prästabilierten Harmonie nicht die Rede sein. Insbesonderes Peters hat darauf hingewiesen, daß das Verhältnis von Demokratie und Selbstverwaltung sich nur dann als zwanglos darstellt, wenn man bei der Beschreibung von Demokratie das Ziel der Identität von „Regierer und Regierten" i n den Vordergrund stellt 1 7 1 . Stellt man dagegen die Volkssouveränität i n den Mittelpunkt, die möglichst allseitige Verantwortlichkeit des Gesamtvolks für alle öffentlichen Angelegenheiten und ihre Entscheidung durch das Repräsentativorgan des Gesamtvolks, so t r i t t Abs. 1 GO B - W ; A r t . 11 Abs. 4 LVerf. Bay, A r t . 1 Satz 2 GO Bay; §§ 1 Abs. 1 Satz 1 GO He; 1 Abs. 1 Satz 1 GO Nds; 1 Abs. 1 Satz 1 GO N W ; 1 Abs. 1 Satz 1 GO R h - P f ; vgl. auch § 1 Satz 1 GO Schl-H; vgl. insbes. Berkenhoff, K o m m u n a l verfassungsrecht, S. 17f.; Gönnenwein, Gemeinderecht, S.65; Kottenberg/Rehn, GO NW, § 1, Erl. 1; Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, § 12, S. 63 f.; differenzierend, i m Sinne einer Entscheidung f ü r eine spezifische, nämlich gegliederte Demokratie: Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 251 f. m. w. N. („demokratische Dezentralisation"); v. Unruh, Gemeinderedit, S. 94; ders., Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 19 f.; ders., Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 650 f.; vgl. auch Lange, Entwicklung, S. 866 ff. u n d die Nachweise daselbst. 1ββ Vgl. etwa zu dem i m Hinblick auf „Demokratie" i m modernen Sinn ganz abweichenden geistigen H i n t e r g r u n d der Stein'schen Reformen i m vorkonstitutionellen Preußen: Becker, GR I V 2, S. 682 f. 167 Becker, Grundlage, H K W P I, S. 120 f.; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220. 188 Becker, Grundlage, H K W P I, S. 121. 169 Becker, Grundlage, H K W P I, S. 121. 170 Z u r Verdrängung der Zünfteordnung durch die Bürgergemeinde u n d dieser durch die Einwohnergemeinde: Becker, GR I V 2, S. 682. 171 Peters, Zentralisation, S. 29 ff. m. w . N. ; vgl. auch Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1.1973, 719, 719 ff.

Β . Die demokratische F u n k t i o n gemeindlicher S e l b s t v e r w a l t u n g 1 1 9

die aus solcher Betrachtung resultierende zentralistische Tendenz i n Spannung zum dezentralisierenden, partikularisierenden Effekt kommnaler Selbstverwaltung 1 7 2 . Unter solcher Akzentuierung stellt sich die Institutionalisierung lokaler Eigenständigkeit, die das i m Zentrum des Grundgesetzes stehende „klassische Modell der repräsentativen parlamentarischen Demokratie" 1 7 3 verläßt, nicht als Konsequenz der i n A r t t . 20 Abs. 1, 2 und 79 Abs. 3 GG verankerten demokratischen Staatsform dar. Vielmehr folgt ihre Zulässigkeit überhaupt erst aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 GG als „spezieller Verfassungsnorm", die klarstellt, daß für den besonderen Fall der Gemeinden die Selbstbestimmung der örtlichen politischen Gemeinschaft i n Form einer „Demokratie en miniature" gegenüber den „Grundsätzen der gewaltenteilenden parlamentarischen Demokratie legitimiert" ist 1 7 4 . Infolgedessen können A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG nicht als Argument für einen vorgegebenen Sinnbezug zwischen Demokratie und Selbstverwaltung ins Feld geführt werden. Die ausdrückliche Einbeziehung auch der kommunalen Gebietskörperschaften i n die Geltung des demokratischen Verfahrensprinzips ist kein notwendiger Ausdruck dafür, daß kommunale Selbstverwaltung Folge und Ausformung dieses Prinzips darstellt. A r t . 28 Abs. 1 Satz 2, 3 GG läßt die gedankliche Priorität der beiden verknüpften Elemente offen. Betrachtet man die Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung primär als Verwirklichung politischer Eigengestaltung des gemeindlichen lokalen Bereichs, der i m speziellen Fall der Vorrang vor der zentralisierenden gesamtstaatlichen Demokratie eingeräumt wird, so stellt sich die Anforderung demokratischer Strukturierung dieses Bereichs als gedanklich sekundär dar. Sie dient dann lediglich dem Ziel, der vorgegebenen Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung eine eigenständige Legitimationsgrundlage zu gewährleisten, i n Homogenität zur Gesamtstruktur des staatlichen Gemeinwesens 175 . 172 So insbes. Peters, Zentralisation, S. 28 f.; vgl. ferner Forsthoff, Krise, S. 21; Becker, GR I V 2, S. 682 f.; Hans H. Klein, Demokratie u n d Selbstverwaltung, passim, insbes. S. 177; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 94; ders., Selbstverw a l t u n g als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 18; ders., Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 652 f. 173 Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1.1973, 719, 721. 174 Leisner, Vorgesetzten wähl, S. 28; vgl. auch S. 42 ff.; dort auch insbes. die kritische Auseinandersetzung m i t Versuchen einer Ausweitung durch Analogie f ü r weitere Bereiche, die Abgrenzung „politischer Demokratie", wie sie auch i n der Gemeinde v e r w i r k l i c h t ist, von bloßer „Betroffenendemokratie", S. 40 ff., 43 f. m. w. N. ; vgl. auch Krüger, Verfassungsvoraussetzungen u n d Verfassungserwartungen, S. 295; zur Problematik des Begriffs des „Betroffensein" Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1. 1973, 719, 720f.; insgesamt zum Verhältnis p o l i t i scher Gesamtentscheidung u n d Entscheidungsbefugnissen von Teilgemeinschaften etwa Herzog, Staatslehre, S. 225 ff. 175 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 9 ff., 29 ff.; ferner Becker, GR I V 2, S. 867 f.; Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 204 ff.

120 I I . 3. Kap.: Die Motivationsgrundlagen der Organisationsentscheidung

Zur primären ratio w i r d die demokratische Verfahrensform auch dann nicht, wenn man sie für den kommunalen Bereich damit begründet, A r t . 20 Abs. 2 GG weise das Volk nicht nur als „Träger der Staatsgewalt", sondern als „Träger aller öffentlichen Gewalt" aus, wie gerade A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG zeige 178 . Entsprechend beherrsche die demokratische Maxime das gesamte „vielfältig geordnete" Gemeinwesen. Die „öffentliche Gewalt der örtlichen Volksvertretung" stelle sich damit als „Ausschnitt aus der Hoheitsgewalt des Volkes" insgesamt dar 1 7 7 . Eine solche Argumentation, die m i t besonderer Deutlichkeit Staat i m engeren Sinne vom öffentlichen Gemeinwesen insgesamt absetzt 178 , geht wiederum von der gemeindlichen Selbstverwaltung „als einer gegebenen Größe" aus 179 . Deren logische Vorrangigkeit und sachliche Vorgegebenheit schließen es gerade aus, sie als Konsequenz des Demokratieprinzips zu bewerten. Vielmehr folgt aus einer solchen Betrachtungsweise lediglich, daß der vorgefundene eigenständige örtliche Bereich, wie der Staat i m engeren Sinne selbst, ebenfalls dem demokratischen Prinzip unterworfen wird, welches das Gesamtgemeinwesen durchgängig beherrscht 180 . I I . Die Aussagelosigkeit der demokratischen Motivation für die Wahl der konkreten Organisationsform

Die Zusammenschau von A r t . 28 Abs. 1 und Abs. 2 kann demnach als die bloße Bestätigung begriffen werden, das kraft positiven Verfassungsrechts die beiden Elemente „Selbstverwaltung" und „Demokratie" als miteinander „vereinbar" ausgewiesen werden 1 8 1 , etwa unter dem Gesichtspunkt der „gegliederten Demokratie" 1 8 2 . Uber die Feststellung derartiger Konkordanz hinaus läßt sich hieraus jedoch kein zwingender Schluß auf die verfassungsgesetzliche Motivation des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ableiten. Selbst wenn man die Aufgliederung der gesamtstaatlichen Ordnung i n eigenständige Zentren aber gerade als M i t t e l zu dem Zweck auffassen wollte, das Demokratieprinzip m i t besonderer Intensität zu verwirklichen, die Teilhabe des Staatsvolks an der öffentlichen Gewalt zu verbreitern 1 8 3 , so ergeben sich die gleichen Grenzen hinreichender Begründung des konkret gewählten Mittels aus 176

Becker, GR I V 2, S. 687 f. (Hevorhebung i m Original). Becker, GR I V 2, S. 688. 178 Vgl. die Feststellung, daß „nach deutscher Rechtsauffassung der Staat . . . k e i n Monopol der öffentlichen V e r w a l t u n g " beansprucht, Becker, GR I V 2, S. 688 unter Berufung auf Fleiner, Institutionen, S. 99. 179 Fleiner, Institutionen, S. 99. 180 v g l . Franz Mayer, Selbstverwaltung u n d demokratischer Staat, S. 335; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 19. 177

181

Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 46. Vgl. die Nachweise oben 2. Teil, Fn. 165. 188 Vgl. Lange, Entwicklung, S. 866 f.; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 19; ferner auch Dietze, Schulverfassung, S. 110,112, 307,308 f. 182

C. Die Bewahrung der örtlichen Eigenart

121

der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, wie unter dem Aspekt „vertikaler Gewaltenteilung". Denn es bleibt wiederum die Frage offen, weshalb, aus der Sicht des Verfassungsgebers, gerade die räumlich definierten lokalen Teilvölker, die i n „Gemeinden" verfaßten Gruppierungen besondere Eignung besitzen, Instrument der Vervielfältigung und Intensivierung des demokratischen Prozesses zu sein. Lassen sich jedoch aus einer so umschriebenen Verfassungsmotivation unterscheidende Merkmale nicht ableiten, die die Einheiten der gemeindlichen Ebene als Ort demokratischer Entfaltung gegenüber anderen vorhandenen oder möglichen Gruppierungen als prädestiniert kennzeichnen, so erklärt sie den Gehalt der Verfassungsentscheidung nicht hinreichend. Insbesondere gibt sie keine Auskunft darüber, welche Eigenschaften der Gemeinden, etwa i m Hinblick auf den Gebietszuschnitt, von Verfassungs wegen vorausgesetzt und gefordert werden, an welche normativen Kriterien sich also aus der Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung der gebietsgestaltende Landesgesetzgeber zu halten hat. C. Die Bewahrung der örtlichen Eigenart I . Der Wert örtlicher Eigenart als mögliches Entscheidungsmotiv

Wie die Verselbständigung der institutionalisierten lokalen Gruppen zu eigenständigen unterstaatlichen Wirkungseinheiten i n einem Verhältnis der Spannung steht zum egalisierenden staatlichen Entscheidungszentrum, zur zentralisierenden, auf Volkssouveränität beruhenden Gesamtdemokratie, so gehört zu den kennzeichnenden Merkmalen gemeindlichen Daseins die differenzierende Individualität, die konkrete örtliche Eigenart, beruhend auf „geschichtlichen, wirtschaftlichen, soziologischen Gründen" 1 8 4 . Dem entspricht es, daß der Pflege lebendiger örtlicher Eigenart seit je ein hoher Stellenwert i m gemeindlichen A u f gabenkomplex eingeräumt w i r d 1 8 5 . Es fragt sich, ob nicht gerade i n der Sicherstellung der Bewahrung und Entfaltung solcher Individualität als eines zentralen „Lebensimpuls(es) der Selbstverwaltung" 1 8 6 die entscheidende Legitimation der Verfassungsgewährleistung gesehen werden kann. Gerade eine derartige Akzentsetzung würde den Eigenwert gemeindlicher Existenz mit ihrem Funktionswert i n der gesamtstaatlichen Ordnung i n besonderem Maße zur Deckung bringen. Denn die 184

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 251. Vgl. § 2 Abs. 1 D G O : „Die Gemeinden sind berufen, das W o h l ihrer E i n wohner zu fördern u n d die geschichtliche u n d heimatliche Eigenart zu erhalten." Zustimmend BVerfGE 11, 266, 276; V e r f G H NW, U r t . v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 —, OVGE 26, 270, 273; Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 48; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 41; Peters, Lehrbuch, S. 292; Püttner, Funktion, S. 18. 186 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 251. 185

122 I I . 3. Kap.: Die Motivationsgrundlagen der Organisationsentscheidung

Motivation einer solchen Bewahrung örtlicher Eigenart brauchte nicht allein i n der Erhaltung eines vielfältigen Reichtums individueller Einrichtungen unterhalb der staatlichen Ebene an sich gesehen zu werden. Vielmehr könnte darin zugleich ein M i t t e l liegen, der „freien Entfaltung des Menschen i n der Gemeinschaft" nach den jeweiligen Besonderheiten der persönlichen Lage des einzelnen Bürgers i n seinem sozialen Kontext zu dienen 1 8 7 . I I . Die AussageJosigkeit örtlicher Individualitätswahrung für die Reichweite der Verfassungsgewährleistung

Jedoch erweist sich die Aussagekraft auch dieses Ansatzes als begrenzt. Entweder nämlich versteht man ihn so, daß kraft Verfassung die Bewahrung der örtlichen Individualität schlechthin, i n allen ihren jeweiligen Elementen strikt gewährleistet wird. Dann wäre die Folge, daß sie der Disposition des Staates, insbesondere was die gebietliche Gestaltung angeht, i m ganzen entzogen wäre. Gemeindliche Gebietsänderungen blieben also nur i n dem engen Rahmen zulässig, i n dem es um Korrekturen der Grenzziehung infolge vorgängiger tatsächlicher, grenzüberschreitender Weiterentwicklung des individuellen gemeindlichen Bestandes geht, also etwa beim Hinauswachsen einer Gemeinde über ihr bisheriges Gebiet oder um ein Zusammenwachsen benachbarter Gemeinden zu einer neuen individuellen Einheit. Eine solche Einengung der staatlichen Gestaltungsbefugnisse stände aber i m Widerspruch zur gewachsenen Staatspraxis — etwa was die Aufstockung leistungsschwacher Kleinstgemeinden angeht 1 8 8 — wie zu der praktisch kaum bestrittenen Bewertung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG als institutioneller Garantie, deren Schutzbereich i m Prinzip Existenz und Gebietsbestand der einzelnen Gemeinde nicht mitumfasse 189 . Sie befände sich vor allem nicht i n Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Prioritätensetzung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach zwar i m Regelfall Wille und Interesse der lokalen Gruppierung dem allgemeinen, staatlichen Interesse vorgehen, wonach oder dort der staatliche Gesetzgeber die örtlichen Belange hinter den übergreifenden staatlichen zurücktreten lassen kann, wo dies angesichts des Gewichts und der Dringlichkeit der letzteren unabweislich ist, etwa weil es u m eine mindeste und mindest gleichförmige Versorgung der Bevölkerung geht 1 9 0 . 187

Vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 5 f.; vgl. auch Lange, Entwicklung, S. 865 u n d die Nachweise daselbst Fn. 74. iss y g i bereits § 2 Nr. 2 Preußische Landgemeindeordnung f ü r die östlichen Provinzen (PrGS 1891 S. 233); ferner den RdErl.d.Mdl v. 6. 1. 1939 ( R M i n B l i V S. 33) unter I. 1 (2) b, 2; vgl. auch die Übersicht bei Mattenklodt, Gebiets- und Verwaltungsreform, S. 12 f., 72, 78, 107 ff., 184 f., 192, 198 f., 203, 205 ff., 215. lee y g i etwa die Nachweise oben 1. Teil, Fn. 52. 190 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 30; Herzog, Staatslehre, S. 226 f.; vgl. auch BVerfGE 1, 167, 178 ff., wo der Gesichtspunkt der zeitbedingten Notlage, der Dringlichkeit des überörtlichen Interesses besonders herausgestellt w i r d .

D. Der Schutz der geschichtlich bewährten Einrichtung

123

Wollte man andrerseits i m Hinblick auf die Elemente örtlicher Eigenart differenzieren, sei es, daß zwischen „essentiellen" und „adzidentiellen" unterschieden würde 1 9 1 , sei es, daß ihre bloße Berücksichtigung, nicht ihre uneingeschränkte Beachtung gefordert würde 1 9 2 , so ließe sich der Maßstab solcher Differenzierung aus der Motivation selbst, die lokale Individualität zu schützen, nicht herleiten. Auch dieser Zweck, unterstellt, er liege der Verfassungsentscheidung unmittelbar zugrunde, erschöpft den Gewährleistungsgehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht. Während die Gesichtspunkte einer „vertikalen Gewaltenteilung" wie einer „gegliederten Demokratie" i m Schwerpunkt die Frage offen ließen, warum gerade die Gemeinden, i n ihren vorgefundenen Grundstrukturen, zum „Werkzeug der zu realisierenden Idee" 1 9 3 erhoben werden, gibt das Ziel der Erhaltung der örtlichen Individualität keine A n t w o r t darauf, welche Bestandteile dieser Individualität i n welchem Maße an der Verfassungsgewährleistung teilhaben. Es sagt nicht aus, welchen präzisen Inhalt gemeindliche Selbstverwaltung, welche normativ vorausgesetzten Eigenschaften ihre Träger von Verfassungs wegen haben sollen. D. Der Schutz der geschichtlich bewährten Einrichtung I n doppelter Hinsicht gehört zu den wesentlichen Dimensionen gemeindlicher Selbstverwaltung das zeitliche Element. Zum einen beruht die Einrichtung selbst auf jahrhundertelanger Entwicklung, Formierung und, ungeachtet ihrer Wandlungen, Kontinuität 1 9 4 . Dementsprechend ist es auch gerade gemeindliche Selbstverwaltung, die als Beispiel dafür ins Feld geführt wird, daß zum Wesen institutioneller Garantien die Vorfindlichkeit des Garantieobjekts als „formierte(r) und organisierte(r) und daher umgrenzbare(r) und unterscheidbare(r) Einrichtung . . . " gehöre 195 . 191 Vgl. zu diesem Begriffspaar, bezüglich des Aufgabenbereichs der Gemeinden, Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 88; ders., Gemeindewirtschaft, A f K 1964, 81, 94. 192 y g i z u r Einbeziehung der Belange der gemeindlichen Ebene i n den A b wägungsprozeß der Gemeinwohldienlichkeit insbes. V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4.1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 82. 193 Vgl. diese prägnante Formulierung bei Carl Schmitt, Römischer K a t h o l i zismus, S. 8. 194 Z u m hohen Stellenwert, der i m Schrifttum der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindewesens u n d Gemeinderechts eingeräumt zu werden pflegt, vgl. beispielsweise Hugo Preuß, Entwicklung des deutschen Städtewesens; Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung i m 19. Jahrhundert; Steinbach/Becker, Geschichtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung i n Deutschland; ferner Becker, GR I V 2, S. 674 ff.; ders., H K W P I, S. 62 ff.; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 10 f.; Kliiber, Gemeinderecht, S. 5 ff.; Muntzke/Schlempp, GO He, § 1 Erl. V, S. 209 ff.; Rentrop, Evangelisches Soziallexikon, Stichwort „Gemeinde", S. 454. 195 So Carl Schmitt, Garantien, S. 149; vgl. i m übrigen Abel, Einrichtungsgarantien, S. 56 ff. m. w. N.; vgl. auch Krüger, Staatslehre, S. 173.

124 I I . 3. Kap.: Die Motivationsgrundlagen der Organisationsentscheidung

Zum zweiten aber ist nicht nur „die Gemeinde" als Typus ein „geschichtliches Phänomen" 1 9 6 , von organischem Wachstum geprägt 1 9 7 , auch die Gemeinden, als einzelne Erscheinungsformen und Ausprägungen dieses Typus, leben je aus ihren eigenen, lebendigen Traditionen 1 9 8 . Mehr noch: Die gewachsene Substanz der Institution w i r d i m wesentlichen präsente politische Gegenwart und Wirklichkeit, konkrete Erfahrbarkeit allein i n ihren einzelnen Ausformungen, den vorhandenen und sich betätigenden städtischen und ländlichen Gemeinden 199 . I . Die geschichtliche Substanz der Gemeindeebene als mögliches Entscheidungsmotiv

Infolgedessen bietet sich die geschichtliche Wertigkeit der Gemeinde als Zweck der Verfassungsgewährleistung einerseits insofern an, als die Einrichtung selbst, die Institution, „Ausdruck verfassungsrechtlicher Kontinuität" ist, die „ i n der Vergangenheit Wirksames für Gegenwart und Zukunft" bewahrt 2 0 0 . Ihre Übernahme in die Verfassung bedeutet unter diesem Gesichtspunkt zugleich die unausgesprochene Diagnose bisheriger, i n der staatlichen Praxis erfahrener Bewährung und, hierauf beruhend, die Prognose künftiger, gleicher Tauglichkeit. Bereits die Institution selbst bildet damit einen Gegenstand, an dem das „Geschichtsbewußtsein als Element der Staatsexistenz" 201 anzuknüpfen vermag. Dieser Eigenwert der gewachsenen, lebendig sich fortentwickelnden Einrichtung i m differenzierten gesamtstaatlichen Organismus wiegt besonders schwer auf dem konkreten politischen Hintergrund des staatlichen Zusammenbruchs i m Jahre 1945 und der Erfahrungen der nachfolgenden Zeit des Wiederaufbaus der Staatlichkeit, wo es zunächst allein die Ebene kommunaler Selbstverwaltung war, i n der sich die Kontinuität des deutschen öffentlichen Lebens erhielt 2 0 2 . 198

Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 8. Vgl. Fleiner, Institutionen, S. 99; Hugo Preuß, E n t w i c k l u n g des deutschen Städtewesens, Vorbemerkung, S. V ; Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 28; Wilhelm Loschelder, Gemeindeordnungen, S. 14. 198 Dies k o m m t bereits i m W o r t l a u t des § 1 Abs. 1 PrGemVerfG zum Ausdruck; vgl. auch § 2 Abs. 1 D G O ; vgl. ferner Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 39 f.; auch — unter dem Gesichtspunkt „Berücksichtigung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Bevölkerung" — die Stichworte „geschichtlich gewachsene Bindung" u n d „traditionsgebundene Zusammenhänge" bei Wagener, Neubau, S. 289; vgl. auch ebenda, S. 305; zur Intensivierung stadtgeschichtlicher Bemühungen m i t dem Ziel der Integrierung von Jung- u n d Neubürgern: Croon, Stadtgeschichte, A f K 1966, 125, 125; vgl. auch BVerfGE 11, 266, 276; V e r f G H NW, U r t . v. 24. 4.1970 — V G H 13/69 —, OVGE 26, 270, 273. 199 Besonders deutlich: Fleiner, Institutionen, S. 99; ferner die eindrucksvolle Zusammenstellung i n der Denkschrift „Preußens Städte", T e i l A, S. 1* ff.; zum Funktionieren der I n s t i t u t i o n „ i n der W i r k l i c h k e i t " : Abel, Einrichtungsgarantien, S. 47. 200 Abel, Einrichtungsgarantien, S. 58 f. 201 Krüger, Staatslehre, S. 209 sowie Fn. 19 daselbst. 197

D. Der Schutz der geschichtlich bewährten Einrichtung

125

Hier zeigt sich aber auch besonders deutlich, daß die Institution als Wert nur bedingt von den konkreten Erscheinungsformen abgelöst werden kann, i n denen sie sich realisiert und entfaltet 2 0 3 . Wie sehr auch die lebendige Idee gemeindlicher Selbstverwaltung, das geschichtlich begründete Bewußtsein ihrer Möglichkeiten, die Erneuerung der kommunalen Wirklichkeit getragen haben mag, so vollzog sich doch ihre Realisierung i n der „tatkräftigen und erfolgreichen Aufgabenerfüllung der Gemeinden, Ämter und Landkreise" 2 0 4 , i m Rahmen und auf der Grundlage der je eigenen gewachsenen Substanz der individuellen örtlichen Einheiten und ihrer Ordnung. I n ihrer vielfältigen Konkretheit bilden sie den Reichtum an „geschichtliche(r) Substanz des Landes" 2 0 5 an „gewachsenem politischen Boden" 2 0 6 . I n ihrer wesentlich historisch begründeten Individualität bieten sie den Raum der „freien Entfaltung des Menschen i n der Gemeinschaft" 207 . Daher muß, sieht man den Schutz der historisch bewährten Einrichtung als zentrales Motivationselement der Verfassungsgewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG an, auch die Frage gestellt werden, inwieweit die je gewachsenen gemeindlichen Einheiten an i h m teilhaben 2 0 8 . I I . Die Aussagelosigkeit der Wahrung lokaler Geschichtlichkeit für die Reichweite der Verfassungsgewährleistung

So bedeutsam allerdings die geschichtliche Dimension für die Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung und ihrer konkreten Träger ist, so läßt sie doch eine schlüssige Argumentation aus sich heraus bereits darüber nicht zu, i n welchem Maße gerade ihre Bewahrung p r i märes Ziel, inwieweit sie dagegen lediglich erwünschte, gegebenenfalls auch notwendige Konsequenz der primär auf anderen Kriterien beruhenden Verfassungsgewährleistung ist. Aber auch abgesehen davon erschöpft eine solchermaßen umschriebene Verfassungsmotivation die gestellten Fragen nicht. 202 v g l d a s Redezitat des Bundesinnenministers Dr. Schröder, abgedruckt bei Wilhelm Loschelder, Gemeindeordnungen, 2. Aufl., S. 23*; vgl. auch Becker, GR I V 2, S. 686. 203

Z u r Verkörperung der I n s t i t u t i o n : Krüger, Staatslehre, S. 176. Becker, Entwicklung, H K W P I, S. 1Q5. 205 vgi # Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; vgl. auch ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813. 204

208

Köttgen, Krise, S. 13. Vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 6. Es ist daher k e i n Zufall, w e n n „Eigenleben u n d Tradition" der kommunalen Einheiten vielfach zugleich, m i t einem A n k l a n g von Synonymität genannt werden: vgl. die Nachweise oben 2. Teil, Fn. 198. 208 Vgl. die Behandlung dieser Frage, m i t Bezug auf die landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantien, bei Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813 ff. 207

126 I I . 3. Kap.: Die Motivationsgrundlagen der Organisationsentscheidung

Schon was den historischen, vom Verfassungsgeber vorgefundenen Bestand der gewährleisteten Institution anbetrifft, ist zu berücksichtigen, daß er Elemente von durchaus unterschiedlicher Stabilität und Wertigkeit i m Zeitablauf aufweist. Daß eine Reihe dieser Elemente entschieden diskontinuierlich ist, daß ihre gegenwärtige Gestalt mit der Bezeichnung „gewachsen" nur unzulänglich oder gar nicht erklärt werden kann, zeigt sich etwa i n den Wandlungen des politischen Stellenwerts gemeindlicher Selbstverwaltung 2 0 9 . I n die gleiche Richtung deutet der ständig sich verändernde Inhalt der Aufgaben 2 1 0 , der Grundformen und K r i terien ihrer Wahrnehmung 2 1 1 wie insgesamt der Daseinsform und Funktion der Gemeinden 212 . Infolgedessen sieht sich ein allzu pauschaler Rekurs auf den Gesichtspunkt der Kontinuität stets i n der Gefahr, differenzierte Entwicklungsketten zusammenzuwerfen, i n der rückblickenden Verkürzung als gradlinige Fortentwicklung aufzufassen, was sich bei näherer Betrachtung als ein komplexes, verwobenes Knäuel unterschiedlicher, gelegentlich zufälliger, auch sprunghafter Geschehensabfolgen erweist 2 1 3 . Wollte man sich demgegenüber auf die ununterbrochene Geltungskraft des bloßen Prinzips gemeindlicher Selbstverwaltung zurückziehen, so ließen sich aus einem solchen lediglich organisatorischen Modus hinreichende Schlüsse nicht gewinnen, was die strukturellen Anforderungen an die Ausformung des Prinzips i n konkreten Einrichtungen angeht. Denn insoweit enthält das Prinzip keine Determinierung 2 1 4 . Geht man dagegen davon aus, daß der Gewährleistungsgehalt der Verfassungsgarantie unter der Zielsetzung, historische Substanz zu bewahren, mehr umfaßt, als das organisatorische Prinzip, dann sieht sich der Versuch zu weiterer Schlußfolgerung der gleichen Aporie gegenüber, die auch den Zweck der Bewahrung örtlicher Eigenart kennzeichnet. Einerseits nämlich scheidet die Möglichkeit aus, den gewachsenen Gehalt gemeindlicher Selbstverwaltung insgesamt, einschließlich ihrer konkreten Realisierung und Ausprägung i n der Wirklichkeit der einzelnen Gemeinden, als Gegenstand verfassungsrechtlichen Schutzes zu betrachten. Obwohl hier, i n den konkreten örtlichen Einheiten, die gewachsene Kontinuität am stärksten und unmittelbarsten i n Erscheinung 209 y g i . etwa oben 2. Teil, 1. Kap. unter Α. I. u n d die Nachweise daselbst Fn. 1 0 - 1 2 ; ferner die knappe Übersicht i n BVerfGE 11, 266, 274 ff. 210 Z u ihrer essentiellen K o n t i n u i t ä t u n d akzidentiellen Diskontinuität: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 86 ff. 211 Vgl. etwa Röttgen, Sicherung, S. 202 f.; ders., Krise, S. 21 ff. 212 Dazu grundlegend Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1 passim. 213 Vgl. die K r i t i k Friesenhahns an der historischen A b l e i t u n g gesetzgeberischer Grenzen f ü r kommunale Gebietsänderungen durch die Verfassungsrechtsprechung i n : Garantie, S. 125 ff., insbes. S. 128 und Fn. 29 daselbst. 214 Vgl. dazu bereits oben 2. Teil, 2. Kap. unter A . u n d B.

D. Der Schutz der geschichtlich bewährten Einrichtung

127

tritt, versagt i n bezug auf sie die legitimierende Wirkung der historischen Dimension. Denn die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes bezieht, wie bereits Art. 127 WRV, Existenz und Gebietszuschnitt der einzelnen Gemeinde i n ihren Schutzbereich gerade nicht ein. Die insoweit der staatlichen Dispositionsbefugnis gezogenen Grenzen resultieren daher nicht unmittelbar aus der je vorgefundenen Struktur der konkreten Gemeinde. Sie bestimmen sich vielmehr danach, i n welcher Weise und i n welchem Umfang sie teilhat an der Gewährleistung der Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung 2 1 5 . Entscheidet sich somit die Frage nach dem Schutz der einzelnen Gemeinde nicht an ihrer eigenen, konkreten Wirklichkeit, sondern nach den Maßstäben, die aus dem Inhalt der verfassungsgesicherten Institution resultieren, so ergibt sich wiederum die Notwendigkeit der Differenzierung, der Unterscheidung solcher überkommenen Elemente, die als identitätsbegründend zur Institution gehören, von solchen lediglich akzidentieller N a t u r 2 1 6 . Damit bleibt aber nach wie vor unbeantwortet und aus dem Gesichtspunkt der Wahrung geschichtlicher Substanz allein auch unbeantwortbar, nach welchen Kriterien diese Differenzierung der Elemente i n der komplexen Vielfalt der i n der Rechtswirklichkeit überkommenen präsenten Einrichtung vorzunehmen ist. Auch diese Motivation läßt m i t h i n aus sich selbst heraus nicht erkennen, wie Inhalt und Grenzen des verfassungsvorausgesetzten gemeindlichen Interesses, wie die essentiellen, normativen Qualitäten seiner Träger präzis zu bestimmen sind.

215

Vgl. Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 17, 26 ff. Vgl. allgemein zur I n s t i t u t i o n u n d ihrem Subsystem: Abel, Einrichtungsgarantien, S. 46 f. einerseits, S. 47 f. andrerseits; zur Frage, i n w i e w e i t das Subsystem als i n die Garantie der I n s t i t u t i o n einbezogen zu betrachten ist: Friesenhahn, Garantie, S. 128; ferner Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 218

808.

4. Kapitel

Das empirische Erscheinungsbild der Gemeinde und seine typologische Entfaltung Es ergibt sich nach alledem eine doppelte Feststellung: Wortlaut, geschichtlicher Hintergrund und systematischer Standort des A r t . 28 Abs. 2 GG lassen für die Frage des Gebietszuschnittes der Gemeinden lediglich einen Ausdeutungsrahmen erkennen. Sie erlauben über die normative Bedeutung beziehungsweise den konkreten Inhalt des Merkmals örtlicher Verbundenheit keine zwingende und abschließende Aussage. Die weiterhin herangezogenen Gesichtspunkte andrerseits, der Gewährleistungszweck des „gemeindlichen Interesses", der organisatorische Gehalt lokaler Selbstverwaltung, die möglichen Regelungsmotive gewaltenteilender Wirkung, demokratischer Vervielfältigung, örtlicher Individualitätswahrung und geschichtlicher Substanzerhaltung, reichen i n ihrer inhaltlichen Offenheit nicht aus, i m Wege fortschreitender Deduktion und Subsumtion ein Element gemeindlichen Daseins zu ermitteln, das eindeutig und hinreichend scharf begrenzt als Anknüpfungspunkt der ratio legis ausgewiesen werden könnte. Dieser Befund muß Zweifel wecken, ob überhaupt ein ausschließlich diskursives Vorgehen zu klären vermag, wie und i n welcher Weise, i n welchem Umfang, i n welchen Bestandteilen und Strukturen, die grundgesetzliche Verwendung des Terminus „Gemeinde" die so bezeichnete komplexe und variable empirische Erscheinung i n den Normgehalt einbezieht und rechtlich überformt. Wenn einerseits der i m Normtext vorgefundene Begriff, jedenfalls was seine räumliche Implikation angeht, nicht mit dem M i t t e l erschöpfend aufzählender Definition erschlossen werden kann, wenn andrerseits die begrifflich i n Bezug genommene vielfältige Wirklichkeit eben wegen ihrer Vielgestalt sich einer Subsumtion Merkmal für Merkmal unter deduktiv gewonnene Kriterien zu entziehen scheint, so spricht dies dafür, daß der Grund solcher methodischen Schwierigkeiten i m Gegenstand selbst zu suchen ist. Infolgedessen liegt es nahe, die Brücke von der Benennung i m Normtext zu ihrem Objekt auf andere Weise, nämlich induktiv zu schlagen. Gelänge es, bestimmte Kennzeichen oder bestimmte Qualitäten gemeindlichen Daseins zu konkretisieren, die insofern typusbestimmend erscheinen, als sie allen Gemeinden unabhängig von Ort und Zeit und nur den Gemeinden wesentlich eigentümlich sind, so würde dies die weitere Frage gestatten,

Α. Kleinste räumliche Einheit

129

ob der Zweck der Verfassungsgarantie gerade zu diesen invarianten empirischen Merkmalen i n Beziehung steht 2 1 7 , bejahendenfalls, welche Konsequenzen daraus für den Regelungsgehalt der Norm, insbesondere in gebietlicher Hinsicht zu ziehen sind 2 1 8 . Damit stellt sich zunächst die Aufgabe, aus der vergleichenden A n schauung der realen Gemeinden die „charakteristischen Züge" des empirischen Typus der Gemeinde zu entwickeln 2 1 9 . A. Die Gemeinde als kleinste räumliche Einheit Eine erste, allerdings formale Kennzeichnung besteht darin, daß die Gemeinden, ungeachtet ihrer Gestalt, Größe, Funktion i m übrigen, jeweils die kleinste räumliche Einheit unter den Trägern öffentlicher Verwaltung i m Rahmen des gesamtstaatlichen Gliederungsgefüges bilden 2 2 0 . Diese Einheit ist nicht mehr unterteilbar. Denn alle Formen einer noch engeren räumlichen Gliederung, etwa i n Gemeindebezirke, dienen lediglich einer Dekonzentrierung innerhalb der einheitlichen Gemeinde, konstituieren aber keine Ebene unterhalb ihrer 2 2 1 . Damit allein ist jedoch eine hinreichende Charakterisierung dessen, was „Gemeinde" darstellt, nicht geboten. Denn zum einen w i r d dabei lediglich der gemeindliche Teilraum i n einen relativen, vergleichenden Bezug zu den umfassenderen Raumgebilden des staatlichen Aufbaus gesetzt, ohne daß es dabei auf absolute Größe, Zuschnitt oder Beschaffenheit ankäme. Dem Merkmal kleinster eigenständiger Raumeinheit wäre sowohl durch eine schematische Aufteilung der untersten Ebene i n gleich 217 Vgl. zur D e n k f o r m des „ T y p u s " u n d ihrer methodischen Bedeutung etwa Engisch, Konkretisierung, S. 237 ff.; Jellinek, Staatslehre, S. 30 ff., 34 ff.; Larenz, Methodenlehre, insbes. S. 443 ff.; Radbruch, N a t u r der Sache, S. 162,172 f.; Wolff, Typen i m Recht, S t u d i u m Generale 1952, 195 ff.; Zippelius, Die V e r wendung von Typen, Festschrift Engisch, S. 224 ff.; ders., Staatslehre, S. 9 ff. 218 Das heißt: Der „ T y p u s " an sich, die Entfaltung seiner Elemente u n d Strukturen, besagt für die rechtlichen Konsequenzen, etwa für die Grenzen seiner Verwendbarkeit u n d Variierbarkeit nichts, vgl. Flume, Gesamthandsgesellschaft, S. 27, 46 m. w. N. I m vorliegenden Zusammenhang dient das typologische Vorgehen vielmehr als heuristisches M i t t e l zur Konkretisierung der v o m verfassungsrechtlichen Terminus i n Bezug genommenen Erscheinung, als Grundlage f ü r die weitere Untersuchung, ob u n d i n welchem Umfang deren empirischen Merkmalen normative K r i t e r i e n der Verfassungsgewährleistung korrespondieren, vgl. auch Radbruch, Natur der Sache, S. 162. 219 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 444 f.; vgl. auch die Formulierung bei Kretschmer, Typus, Studium Generale, 1951, 399, 400: „Der Typus ist ein k o m parativ anschauliches Allgemeinbild." 220 Vgl. etwa Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 1, Erl. 2, S. 7; Kottenberg/ Rehn, GO NW, § 1, Erl. 1. 221 Klüber, Gemeinderecht, S. 13 f.; Kottenberg/Rehn, GO N W , § 1 Erl. 3 a. E.; vgl. auch Wilhelm Loschelder, Gemeindeordnungen, S. 20 ff. (Die innere Gliederung der Gemeinde).

9 Loschelder

130 I I . . Kap.: Der empirische Typus d

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große und gleich geformte Elemente Genüge getan, wie auch durch beliebige, hochdimensionierte Mammut-Gebilde, solange nur diese ihrerseits nicht i m eigentlichen Sinne dezentralisiert sind und i m Verhältnis zu den höheren Verwaltungseinheiten die unterste Stufe bilden. Vor allem aber läßt dieses K r i t e r i u m die innere, i m Schwerpunkt auf der sozialen Verbundenheit beruhende Struktur der Gemeinde, insgesamt das personale Substrat außer Betracht, das nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung der zentrale Träger der gemeindlichen Existenz ist 2 2 2 . B. Die Gemeinde als räumliche Verdichtung sozialer Verflechtung Aus einem weiteren Gesichtspunkt bietet sich die Qualität der personalen Struktur der Gebietskörperschaft Gemeinde als vordringlich untersuchungsbedürftig an. Die Vielfalt der Erscheinungsformen gemeindlicher Bildungen 2 2 3 und die entsprechende Variabilitätsbreite der gegenständlichen Elemente — Gebietsgröße und -formung, Bevölkerungszahl, Siedlungsweise, Verkehrs-, Wirtschafts-, Sozialdaten und so fort — schließen es von vornherein aus, irgendein allein quantitatives K r i t e r i u m zu benennen, das einerseits allen Gemeinden eigentümlich ist, sie andrerseits von anderen Raumeinheiten abhebt. Bereits dadurch w i r d die Blickrichtung auf primär qualitative Merkmale gelenkt. Andrerseits zeigt aber die Staatspraxis, zeigen etwa die Neugliederungskonzepte der Länder wie die an sie anknüpfenden Erwägungen von Rechtsprechung und Schrifttum, daß dieses qualitative Merkmal nicht völlig losgelöst sein kann von den genannten gegenständlichen Daten. Denn diese werden bei der Bemühung u m verfassungsgemäße, institutionskonforme Bemessung des Gemeindegebiets ungeachtet ihrer Variabilität allgemein als bedeutsam i n Rechnung gestellt und i n die Abwägung einbezogen 224 . 222

Vgl. zur genossenschaftlichen S t r u k t u r oben 2. Teil, 2. Kap. unter C. I I . Vgl. etwa die Aufzählung bei Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127. 224 Vgl. etwa Gutachten A B - W , Dokumentation B - W I, S. 535 unter I I I . Rdn. 16: Fläche, Bevölkerungszahl, Leistungsfähigkeit; unter I V . Rdn. 19: F u n k t i o n u n d spezifische Eigenart des Siedlungsraums, räumliche Erreichbarkeit der V e r w a l t u n g ; Rdn. 24: sozio-ökonomische Verflechtungen; S. 536 Rdn. 29: bauliche Verflechtungen; Rdn. 32: Gebiete starker Entwicklung; vgl. auch S. 545: topographische Verhältnisse; ferner Gutachten Β B - W , Dokumentation B - W I, S. 555 f. unter I I Rdn. 5: Berufs- u n d Ausbildungspendler, soziale, k u l turelle u n d wirtschaftliche Verflechtung, Angleichung der Lebensverhältnisse. Ferner Gutachten NW, Abschnitt A , I 7 ff., S. 11 ff.: Einwohnerzahl, Gebietsgröße, Entfernungen, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Verwaltungsstruktur, Stand der Aufgabenerfüllung, finanzielle Lage; Abschnitt Β , I I 4, S. 14 ff.: Einwohnerzahl — Fläche — Bevölkerungsdichte, Wirtschaftsstruktur, Lage i m Raum u n d Siedlungsstruktur, Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft223

Β . Räumliche Verdichtung sozialer Verflechtung

131

Dagegen, daß es sich bei der i n Frage stehenden Qualifizierung unmittelbar u m eine solche des räumlichen Substrats handelt, spricht dabei nicht nur der Umstand, daß insoweit gerade die territoriale Gestaltung zur Disposition des Landesgesetzgebers steht. Entscheidend ist vielmehr, daß nur ein Teil der als relevant angesehenen Daten überhaupt i n direktem Zusammenhang zum Gemeindegebiet steht, so neben Flächengröße und -zuschnitt etwa die naturräumlichen Gegebenheiten. A n dere hingegen betreffen allein oder überwiegend die personelle Komponente, die Einwohnerschaft der Gemeinde: Bevölkerungszahl, -dichte, -entwicklung, -bewegung; gesellschaftliche, wirtschaftliche und Siedlungsstrukturen; Verflechtungen, Pendlerströme, Verkehrsbeziehungen. Geht man nun davon aus, daß das räumliche Substrat das personelle konstituiert 2 2 5 , so ergibt sich, daß auch die zuerst aufgeführten, räumlich erheblichen Gesichtspunkte und Gegebenheiten Bezug auf das personale Substrat haben, dieses beeinflussen, daß sich also umgekehrt aus diesen vorausgesetzten Eigenschaften Anforderungen auch an diese Daten, Maßstäbe auch für ihren Stellenwert ergeben können. I . Die Verfiechtungsintensität i m Raum als Element gemeindlichen Daseins

Versucht man, die spezielle Qualität des personellen Gemeindeelements näher zu erfassen, so w i r d der Zugang erleichtert, wenn man zunächst eindeutige, insbesondere extrem gelagerte Fälle betrachtet. Bereits bei der Untersuchung des Gemeindebegriffs war — m i t Bezug auf die Bedeutung eines mindesten Siedlungsverbundes — das Beispiel licher u n d gesellschaftlicher Strukturwandel, Pendlerströme u n d Verkehrsprobleme, kommunale Einrichtungen für das Umland, städtebauliche L e i t b i l der u n d die Zukunftsaufgaben der Städte. Ferner Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.1, S. 20: Landschaftliche Gegebenheiten, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Verkehrserschließung; Rdn. 2.2.5, S. 21: Entfernung zur Gemeindeverwaltung; Rdn. 2.2.6: verkehrsgünstige Lage des Verwaltungssitzes. Ferner als weiteres Beispiel: Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, „ S t r u k t u r d a t e n " (so Rdn. 1.4., S. 5 f.) unter Rdn. 2, S. 6 ff.: u. a. Einwohnerzahl, Fläche, Einzugsbereiche, Lage zu den Ballungsgebieten, n a t u r räumliche Gliederung, Verkehrserschließung, Wirtschaftsstruktur, Bevölkerungsentwicklung, Siedlungsstruktur, Stand der gemeindlichen Versorgung. I n V e r f G H NW, Urt. v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 — (Bonn-Gesetz), OVGE 26, 270, 281 sind u. a. genannt: geographische Lage, räumliche Beschaffenheit, w i r t schaftliche u n d soziale Struktur, kommunale Entwicklung u n d Gliederung, Leistungs- u n d Finanzkraft der Gemeinden, Lage i n der Verdichtungsstruktur, Kernraum/Randzone/ländliche Zone, Flächengröße, Bevölkerungsdichte u n d -entwicklung, Einwohnerzahl, Bebauung u n d Siedlungsmöglichkeiten, V e r flechtungen u n d Verkehrsbeziehungen. Vgl. auch Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 548: u . a . Pendlerbewegung, baulicher Zusammenhang; vgl. auch Thieme, Selbstverwaltungsgarantie u n d Gemeindegröße, DVB1.1966, 325 ff. ; ders., Die magische Zahl 200 000, D Ö V 1973,442 ff. 225 Vgl. dazu oben 2. Teil, 2. Kap. unter C. I I . 1. 9·

132 I I . . Kap.: Der empirische Typus d

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des Zusammenschlusses zweier nicht verflochtener Großstädte, Köln und Düsseldorf etwa, ferner der Fall der Zerschneidung einer geschlossenen, gewachsenen Gemeinde i n mehrere Einheiten, neue „Gemeinden", herangezogen worden 2 2 6 . Fragt man, worin i m einzelnen die Bedenken gegen derartige Eingriffe i n die kommunale Gebietsstruktur begründet liegen, so scheiden lediglich geographische Argumente, Ausdehnung oder Flächenformung, aus. Denn eine natürlich entwickelte weltstädtische Agglomeration von der Größe und dem Zuschnitt des von Köln, Düsseldorf und ihrer Zwischenzone bedeckten Territoriums würde derartige Bedenken nicht wecken; desgleichen nicht die Vorstellung zweier baulich zusammengewachsener, historisch gewordener Gemeinden m i t je eigenem Ortskern, die gemeinsam den gleichen Raum einnähmen, wie eine beliebige geteilte Solitärstadt 2 2 7 . Der Grund für diese unterschiedliche Bewertung w i r d deutlich, wenn man auf die personelle Struktur der beiden Vergleichspaare abstellt. Das Merkmal nämlich, i n dem sie sich jeweils unterscheiden, sind A r t und Weise wie Intensität der Verflechtung, die zwischen den i m jeweiligen Gesamtraum ansässigen Bürgern besteht 228 . I m Beispielsfall Köln/Düsseldorf etwa würde man argumentieren, daß der Verflechtungsgrad innerhalb jeder der beiden Städte sehr hoch, zwischen ihnen aber i n einer breiten Zone sehr gering sei und wohl auch bleiben werde, insbesondere deswegen, weil beide — sehr großen — Städte gleichermaßen und mit i m wesentlichen gleichem Gewicht innerhalb ihres Gebietes nahezu sämtliche Bedürfnisse ihrer Bewohner befriedigen, deren Interessen und soziale Beziehungen m i t h i n sehr stark auf ihrem Gebiet zentrieren 2 2 9 . Eine Weltstadt etwa gleicher Ausdehnung wiese demgegenüber derartige Unterschiede i n der Verflechtungsintensität, solche Selbständigkeit und Gewichtigkeit mehrerer Zentren und solche Abgrenzung durch Zonen minimaler Verflechtung nicht auf. Umgekehrt würde man i m Fall der Teilung einer einheitlichen, auf einen Ortskern hin ausgerichteten Gemeinde einwenden, daß die vorhandene Verflechtung der sozialen Bezüge und Interessen durch Verwaltungsgrenzen quer zu den Beziehungslinien der betroffenen Bürger zerschnitten würde 2 3 0 . 226

Vgl. oben 1. T e i l i m T e x t bei Fn. 40. Vgl. zum Begriff Schnur/Siedentopf, Z u r Neugliederung i n Ballungsräumen, S. 9 f. 228 Vgl. die Formulierung: „räumlich u n d soziologisch bestimmbare menschliche Siedlungseinheit" bei Wagener, Neubau, S. 59. 229 Vgl., m i t Bezug auf Düsseldorf, die Darstellung i m Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, Rdn. 6.9., S. 191 u n d S. 193 ff. 230 Vgl. zum Bestreben, einheitliche Verflechtungsbereiche auch administrat i v zusammenzufassen: Gutachten A B - W , Dokumentation B - W I, unter I V , Rdn. 24-26, S. 535; Gutachten Β B - W , Dokumentation B - W I, unter I I , Rdn. 5 ff., S. 556 f.; Gutachten Nds, Rdn. 206 ff., S. 67 f.; Gutachten NW, Abschnitt B, S. 22 f.; Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.2, S. 20; vgl. auch Vorschlag des M d l N W Ruhrgebiet, Rdn. 2.1.2., S. 31 f. 227

Β . Räumliche Verdichtung sozialer Verflechtung

133

Zieht man aus diesem gedanklichen Modell das Fazit, so lautet die These: Idealtypisch zumindest ist die Einheit Gemeinde dadurch gekennzeichnet, daß sich auf ihrem Gebiet die sozialen Bindungen ihrer Bürger i n einem Zustand mindester Verdichtung befinden, der an Intensität über die Verflechtung hinausgeht, der zwischen den Bürgern verschiedener, benachbarter Gemeinden besteht. Dem entspricht i n der Neugliederungsdiskussion die Forderung, die „Grenzziehung" so durch das gebietliche „Kräftefeld" zu führen, daß sie durch die „Kommunikationsverdünnungsstelle", durch „Verdünnungsräume" verläuft 2 3 1 . Eine Bestätigung des so gewonnenen Merkmals der „Kommunikationsverdichtung", der Intensivierung der sozialen Verflechtung innerhalb der Gemeinde, der „Verdünnung" i m Verhältnis zum Umland, läßt sich ableiten, indem man dazu die i n der Staatspraxis herangezogenen „Strukturdaten" i n Relation setzt. Denn es bereitet keine Schwierigkeit, etwa Bevölkerungszahl und -dichte, Siedlungsform und Grad der Verkehrsentwicklung, Wirtschafts- und Sozialstruktur, aber auch naturräumliche Gegebenheiten, Größe und Bemessung des Territoriums, ferner Pendlerströme, Bevölkerungsbewegung und ähnliches als Faktoren für A r t und Intensität der sozialen Verdichtung einer „örtlichen Gemeinschaft" auszuweisen 232 . Wenn daher die Bemessung des Gemeindegebiets auf Deckungsgleichheit mit der „räumlich und soziologisch bestimmbarein) menschliche(n) Siedlungseinheit" 2 3 3 abzielt, dann ist es die konkrete Gestaltung, A r t und Verhältnis der Kombination dieser Faktoren, die einerseits gewisse Gruppierungen ausschließt, andrerseits bestimmte Lösungen als sachgerechter erscheinen läßt, verglichen m i t anderen. Unter dem Gesichtspunkt der Verflechtungsintensität gewinnt m i t h i n die Einbeziehung dieser Daten i n den Abwägungsvorgang einen klaren und plausiblen Sinn. Π . Die Unscharfe des Verflechtungskriteriums

Ist solchermaßen als charakteristisches Merkmal des gemeindlichen örtlichen Bereichs die räumlich bedingte verdichtete Verflechtung der auf dem Gemeindegebiet ansässigen Bürger indiziert, so erweist sich dieser Befund doch i n mehrfacher Hinsicht als nicht genügend präzise. Keinen stichhaltigen Einwand stellt es allerdings i n diesem Zusammenhang dar, daß es sich hierbei lediglich u m die Beschreibung eines empirischen Ist-Befundes handelt, dessen normative Bedeutung i m Hin231 So, insbes. zur regionalen Grenzziehung Püttner, Diskussionsbeitrag i n : Grundfragen der Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 56. 232 y g i . das instruktive Beispiel der zusammengewachsenen Städte Mönchengladbach/Rheydt, Vorschlag des M d l Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, Rdn. 3.2., S. 43 ff.; Rdn. 5.1., 5.2., S. 52 ff. u n d die dort aufgeführten Gesichtspunkte. 238

Vgl. Wagener. Neubau S. 59.

134 I I . . Kap.: Der empirische Typus d

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blick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ungeklärt sei. Denn vorliegend geht es gerade darum, zunächst induktiv ein einheitliches K r i t e r i u m gemeindlichen Daseins zu entwickeln, bevor seine rechtliche Relevanz geprüft werden kann 2 8 4 . Schwerer wiegt hingegen das Bedenken, daß der Gesichtspunkt der Verdichtung sozialer Verflechtung, für sich genommen, i n keinem deutlichen Bezug steht zum funktionalen Kern gemeindlicher Selbstverwaltung, der Zuweisung der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten an die durch derartige verdichtete Teilräume konstituierten Teilvölker. Vor allem aber ist es offensichtlich, daß die beschriebene Verflechtungsstruktur lediglich einem idealtypischen B i l d entspricht, keineswegs i n allen Fällen zutrifft, insbesondere aber i n den Problemlagen der Gebietsneugliederung nur bedingt brauchbar ist. Selbst wenn man nur auf einen einzigen Faktor der Verflechtung, die Besiedlungsweise, abstellen wollte, lassen sich seit je zahlreiche Fälle nachweisen, i n denen das B i l d klar abgrenzbarer, geschlossener Gebilde kommunikativer Verdichtung, umgeben von ebenso eindeutig feststellbaren Verdünnungszonen, nicht zutrifft. Als Beispiel ist etwa zu nennen die ganze Landschaften prägende Siedlungsform der Einzel- und Gutshöfe 2 3 5 . Andrerseits kann eine i n den gemeindlichen Gebietszuschnitt eingreifende Staatspraxis — unter dem Gesichtspunkt mindester Effektivität, auch i m Interesse lebensfähiger gemeindlicher Selbstverwaltung selbst 236 —, nicht auf einer strikten Schematisierung und Absolutierung des Verflechtungs- und Verdichtungsaspekts aufbauen. Auch und gerade i m ländlichen Bereich mit geschlossenen dörflichen Formen kann sie sich nicht darauf beschränken, die gemeindlichen Grenzen der über sie hinausgewachsenen Besiedlung anzupassen und i m übrigen Aushilfe bei Gemeindeverbindungen, gemeinschaftlichen Verwaltungseinrichtungen und ähnlichem zu suchen 237 . Das Ziel der Hebung der Verwaltungs-, Finanz- und Veranstaltungskraft von „Zwerggemeinden" 2 3 8 kann äußer234

Vgl. oben 2. Teil, Fn. 218. Vgl. Christaller, Siedlungs weise, insbes. S. 7 u n d die kartographische D a r stellung ebenda, Beilage 1; vgl. zu den Streusiedlungen auch: Gutachten Nds, Rdn. 44, S. 27; Gutachten N W Abschnitt A , S. 13 unter 10.; Gutachten Schl-H, Rdn. 443, S. 230 f. 238 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 66, wo zu den Ursachen der Auflösung der „globalen Gesellschaft i n den Gemeinden" ausdrücklich auch die gemeindliche Leistungsschwäche gezählt w i r d . 237 Becker, Beobachtungen, S. 60 f., insbes. zum „Vorrang" der Einheitsgemeinde u n d seinen Grenzen. 238 Vgl. Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 4, 44; Halstenberg, Referat 45. DJT, S. 10; vgl. ζ. B. auch Gutachten B - W A , Dokumentation B - W I, unter I, Rdn. 1 ff., S. 534; unter I I I , Rdn. 16, S. 535; Gutachten Nds. Rdn. 47 ff., S. 28 ff., Rdn. 67 ff., S. 35 ff.; Gutachten NW, Abschnitt A, S. 15 f. unter 12., 13.; S. 17 f. unter 14.; Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.1, S. 19 f.; Gutachten Schl-H, Rdn. 63 ff., S. 98 ff.; Rdn. 284 f., S. 175 f.; vgl. ferner Rdn. 162 ff., S. 134 ff. 235

Β . Räumliche Verdichtung sozialer Verflechtung

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stenfalls eine Zusammenfassung mehrerer Gemeinden zu einer Einheitsgemeinde, „Großgemeinde", auch dort erforderlich machen, wo, ablesbar am Siedlungszusammenhang, die Verflechtung zwischen ihnen gering ist 2 3 9 . Andere reformpolitische Problembereiche sind dadurch gekennzeichnet, daß bei ihnen zwar die soziale Verdichtung innerhalb der vorhandenen Gemeinden sehr stark ist, daß sie aber ein abgrenzendes K r i t e r i u m deswegen nicht abgibt, weil die Gemeindegrenzen nicht durch Zonen der Verdünnung charakterisiert werden, vielmehr die Verdichtung m i t ungeminderter Intensität auch i n das Umland hinübergreift, zwischen den einzelnen Gemeinden besteht. Das Bestreben, Verdichtungs- und Gemeindegebiet zu synchronisieren, stößt hier deswegen auf Schwierigkeiten, weil durch die Bildung von Ballungszonen, durch Zersiedelung, durch bauliches Zusammenwachsen weitflächige, nicht selten überdimensionale Agglomerationen entstanden sind, innerhalb deren sich für Grenzziehungen geeignete Verdünnungslinien nicht m i t der nötigen Eindeutigkeit ausmachen lassen 240 . Gerade für die Frage, wie solche verdichteten Regionen sachgerecht zusammengefaßt oder aufgeteilt werden sollen, reicht m i t h i n der Aussagewert des Verflechtungskriteriums nicht aus. Es folgen aus i h m keine Anhaltspunkte, in welchen Fällen, i n welcher Weise und bis zu welcher Größenordnung hier Zusammenschlüsse und Grenzziehungen zulässig und geboten sind. Angesichts der Vielzahl der verdichtungsbegründenden Faktoren und der verdichtungsanzeigenden Indikatoren ist es eine Frage der jeweiligen Wertung und Gewichtung, welcher der zahlreichen denkbaren Lösungen man den Vorzug gibt 2 4 1 . Nach welchen Maßstäben eine solche Gewichtung und Wertung aber vorzunehmen ist, darüber gibt das K r i t e r i u m selbst keine Auskunft.

239 V g l Gutachten Schl-H, Rdn. 409 f., S. 219 ff., insbes. Rdn. 439 ff., S. 230 f. Daß andrerseits die — auch siedlungsmäßige — Kommunikationsverdünnung i m konkreten F a l l eine unübersteigbare Grenze f ü r die Zusammenschließung von Gemeinden darstellen kann, zeigt etwa das Beispiel Nideggen/Heimbach, V e r f G H NW, U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 13/71 — OVGE 28, 304, insbes. 306. 240 Vgl. sowohl zum Zusammenwachsen i n verstädterten Bereichen w i e zum Stadt/Umland-Problem Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 4 f., S. 44 ff.; ferner, zum Beispiel des Hamburger Randgebiets: Gutachten Schl-H, Rdn. 590, S. 294; vgl. auch Rothe, Das Großstadt-Umland-Problem, DVB1. 1969, 784, insbes. S. 784 - 786; ferner Gutachten NW, Abschnitt B, S. 25 ff., S. 38 ff.; Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, z.B. Rdn. 2.6., S. 14; Vorschlag des M d l N W Ruhrgebiet, u. a. Rdn. I I A , S. 1; 3.1., S. 40; 3.2., S. 42; 3.3., S. 45; 3.6., S. 48; 3.7., S. 49; zur Verflechtung des Ruhrgebiets auch Rönneberger, Integrationsfunktion, S. 195. 241 Vgl. ζ. B. die alternativen Modellvorstellungen zur Neuordnung des R u h r gebietes: Vorschlag des M d l N W Ruhrgebiet, S. 20 ff. („Städte- u n d Kreismodell"), S. 295 ff. („Städteverbandsmodell"), S. 322 ff. („Gesamtverband Ruhr"). Vgl. dort auch zur Wechselbeziehung zwischen der Gebietsreform auf der gemeindlichen Ebene u n d der Neugliederung der Landkreise, S. 257 ff.

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Ι Π . Die Notwendigkeit der Konkretisierung des Verflechtungskriteriums

Die dargestellten Grenzen der Aussagekraft des Merkmals „Verflechtung", „Kommunikationsverdichtung" tragen den Schluß nicht, damit sei dieses Merkmal für die Beschreibung des „Bildes" der Gemeinde schlechthin unbrauchbar. Zum einen stellen Fälle reiner Streu- und Einzelbesiedlung nicht den Regelfall dar; außerdem erfaßt der isolierte Faktor der Siedlungsweise nicht den vollen Tatbestand der Verflechtung, wie sich daraus ergibt, daß auch auf der Basis aufgelockerter Bebauung, insbesondere i n Einzelhofgebieten, gemeindliche Formen entstanden sind, wenn auch von niedrigerer kommunikativer Verdichtung 2 4 2 . A u f der anderen Seite weisen auch die verstädterten Agglomerationen das Merkmal „Verflechtung", und zwar i n hohem Maße auf. Es fehlt insoweit lediglich ein Maßstab für die Abgrenzung der Gemeinden untereinander. Schließlich ist auch die gegenwärtige gemeindliche Wirklichkeit nicht allein von problematischen Erscheinungsformen geprägt. Auch heute noch finden sich zahlreiche, unter dem hier untersuchten Aspekt eindeutige und lebensfähige Gestaltungen, etwa die „mittleren Städte und die größeren kreisangehörigen Gemeinden" außerhalb der Ballungsgebiete 243 . Infolgedessen kann es nicht darum gehen, das Verflechtungskriterium durch ein anderes zu ersetzen, obwohl es für die gemeindliche Daseinsweise zumindest typisch ist und obwohl sich allein zu i h m eine zwanglose Zuordnung aller in der Staatspraxis relevanten gemeindlichen Einzeldaten ergeben hat 2 4 4 . Zu suchen ist vielmehr ein hinter diesem K r i t e r i u m 242

Vgl. Christaller, Siedlungsweise, S. 141 ff. Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 219, S. 154; vgl. auch Gutachten NW, A b schnitt A, S. 13 unter 10. 244 Wie sehr, auch bei (noch) nicht eingetretener Geschlossenheit des baulichen Zusammenhangs die Verflechtung i n neugebildeten Gemeinden Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Argumentation ist, zeigt besonders k l a r der F a l l Nideggen/Heimbach, V e r f G H NW, U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 13/71 — OVGE 28, 304, 306 (aus geographischen Gründen nicht überwindbare T r e n n zone, schlechte Verkehrsverbindungen, Interessenkonkurrenz); andrerseits: V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4.1969 — V G H 2/69 —(Mainz/Finthen), AS 11, 73, 98 f. (geographische Lage, wirtschaftliche Verbundenheit, Verkehrsverbindungen, gemeinsame Benutzung k u l t u r e l l e r Einrichtungen) ; vgl. ferner V e r f G H N W , U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 9/71 —, OVGE 28, 291, 303 f. (Grünzonen, Besiedlungsentwicklung, Gemeinschaftsbewußtsein, Interessengegensätze, Ausricht u n g auf Ober- u n d Mittelzentren); V e r f G H N W , Urt. v. 2. 11. 1973 — V e r f G H 17/72 —, OVGE 28, 307, 311 f. (Siedlungsbewegung, H e r k u n f t der Neubürger, Arbeitsplatz- u n d Pendlerbeziehungen, Vereinsleben, Interessengegensätze, Verkehrsverhältnisse u n d ihre Entwicklung); V e r f G H N W , Urt. v. 7. 12. 1973 — V e r f G H 11/72 —, OVGE 28, 312, 314 ff. (Weiträumigkeit, Verkehrsverbindungen, Nahversorgungsbereiche, Trennzonen, E n t w i c k l u n g der Bebauung, V e r sorgungsnetz, Mehrpoligkeit, arbeitsteilige Funktionen der zusammengeschlossenen Gemeinden, künftige Industrieansiedlung, sonstige gewerbliche S t r u k tur, Schulsystem). 243

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

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stehender Aspekt der realen Einrichtung Gemeinde, dessen charakteristischer Ausdruck Verflechtung ist, der es aber erlaubt, auch Gemeindeformen von geringerer baulicher Geschlossenheit zu umgreifen sowie Unterscheidungs- und Abgrenzungskriterien i n solchen Fällen zu entwickeln, i n denen die Indikatoren der Verflechtung kein klares B i l d ergeben. Es ist ein Gesichtspunkt zu entwickeln, der die Variationsbreite gemeindlicher Formen, Gestaltungen und Dimensionen, die unterschiedlichen Verdichtungsarten und -Intensitäten, die Differenzierungen i n Raum und Zeit, als Ausdruck einer einheitlichen, spezifisch gemeindlichen Existenzweise auszuweisen vermag. C. Die Gemeinde als Raum verdichteter Verflechtung in der unmittelbaren Daseinssphäre I . Die Unsicherheit bei der Bestimmung des gegenwärtigen Gemeindebildes

Nicht allein die Vielgestaltigkeit gemeindlicher Bildungen läßt es als schwierig erscheinen, einen zugleich einheitlichen und eindeutigen Nenner zu finden, der die gemeindliche Ebene charakterisiert und von anderen, vorhandenen und möglichen soziologischen und administrativen Einheiten abhebt. 1. Wie bereits i n den letzten Jahren der Weimarer Epoche 245 , so werden auch i n der Gegenwart zunehmend Zweifel laut, ob das überkommene B i l d der Gemeinde, ihrer Struktur, Funktion und ihres Standorts, i m Zuge der staatlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Entwicklung überhaupt noch mit der gemeindlichen Wirklichkeit übereinstimmt; es w i r d die Frage gestellt, ob nicht „die Gemeinde eine Lebensform ist, die auf überholten soziologischen Vorstellungen beruht" 2 4 6 . Derartigen Bedenken gegenüber muß sich eine Untersuchung, die das verfassungsrechtlich vorausgesetzte B i l d der Gemeinde entwickeln will, bis zum schlüssigen Nachweis einer nicht mehr überbrückbaren Diskrepanz zwischen Verfassungsrecht und VerfassungsWirklichkeit zunächst auf den Umstand stützen, daß A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG von einem einheitlichen, in den identitätsbestimmenden Merkmalen vorausgesetzten kontinuierlichen Begriff der „Gemeinde" nach wie vor ausgeht 247 . Man w i r d hinzufügen, daß auch i n der politischen, administrativen und sozio245

Vgl. Röttgen, Krise, 1931; Forsthoff, Krise, 1932. Vgl. Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191 u n d passim, i m Anschluß insbes. an Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, insbes. S. 37 f., 40 f.; vgl. auch von der Heide, H a t die kommunale Selbstverwaltung eine Zukunft?, D Ö V 1968, 408, insbes. 409 f.; Schumann, Geht das Zeitalter der kommunalen Selbstverwaltung zu Ende?, Kommunalwirtschaft 1970,196 ff.; vgl. auch Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 13 ff. 247 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 78, 83, 123 f. 246

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logischen Realität die Gemeinden, ungeachtet aller Wandlungen ihrer Funktion und ihres Standorts, i m gesamtstaatlichen Gefüge einen unverändert gewichtigen, keineswegs nur von pathologischen Entwicklungen gekennzeichneten Platz einnehmen und i n ihren Leistungen und Veranstaltungen einen wesentlichen Teil der Aktivitäten öffentlicher Verwaltung und Daseinsgestaltung verkörpern 2 4 8 . Angesichts dieser Überlegungen fragt es sich, ob auf die „Unsicherheit über die Bestimmung des Ortes der kommunalen Verwaltung i m Rahmen des gesamten staatlichen Aufbaus" 2 4 9 nur die eine A n t w o r t gegeben werden kann, sie liege i n der Auflösung der überkommenen Stellung und Bedeutung, der bisherigen Rolle gemeindlicher Selbstverwaltung schlechthin begründet. Es fragt sich, ob die Schwierigkeiten, die modernen Entwicklungen und Wandlungen i n das gewachsene B i l d kommunaler Selbstverwaltung einzubringen, nicht eher damit zutreffend zu erklären sind, daß dieses B i l d zu eng gezeichnet wird. Es ist zu prüfen, ob es nicht von „restaurativen Zügen" geprägt ist, die durch die Gegebenheiten des Wiederaufbaus nach 1945 bedingt waren 2 5 0 . Das Auseinanderklaffen von B i l d und Realität könnte dann schlüssig auch dahin gedeutet werden, daß zeit- und situationsbedingte Erscheinungsformen der gemeindlichen Grundidee statt dieser selbst tradiert, m i t ihr unzutreffend i n eins gesetzt worden sind, so daß nunmehr als radikaler Bruch m i t der überkommenen Konzeption erscheint, was i m Licht der Grundidee selbst lediglich deren zeit- und umständegemäß modifizierte Verwirklichung i n der Gegenwart ist 2 5 1 . Damit stellt sich die Aufgabe, hinter den geschichtlich konkreten Erscheinungsformen und hinter der Vielfalt der vorhandenen Ausprägungen eine unveränderte Grundgegebenheit gemeindlichen Daseins, seiner Funktion und ihrer Wahrnehmung aufzufinden 252. 2. Stellt man die geschichtlich gewachsene Erscheinungsform der Gemeinde und die die Gegenwart beherrschenden Elemente ihrer Wandlung einander gegenüber, die nach der vorliegenden Fragestellung beide gleichermaßen als Verwirklichungsmodus der zu entwickelnden gemeindlichen Grundkategorie aufweisbar sein müssen, so ergibt sich als vorherrschender Eindruck der einer Auflösung i n sich ruhender Geschlossenheit und Abgrenzbarkeit. 248 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 124 f., 127 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,1, 9 ff. 249 Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, S. 1,1. 250 V g l . Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 810. 251 v g l . Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,1 ff., 14,15, 23 f. u n d passim. 252 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 23: „ . . . daß der Begriff . . . i n einer der geschichtlichen Veränderung entsprechenden beweglicheren Auslegung zu ermitteln sein w i r d . "

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

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a) D e m ü b e r k o m m e n e n , i n seinen G r u n d z ü g e n bis i n n a h e V e r g a n g e n h e i t k a u m v e r ä n d e r t e n B i l d d e r G e m e i n d e l a g i m w e s e n t l i c h e n die V o r s t e l l u n g z u g r u n d e , daß „ j e d e r ä u m l i c h u n d soziologisch b e s t i m m b a r e menschliche S i e d l u n g s e i n h e i t " 2 5 8 z u einer m i t S e l b s t v e r w a l t u n g ausges t a t t e t e n k ö r p e r s c h a f t l i c h e n V e r w a l t u n g s e i n h e i t zusammengefaßt u n d verselbständigt w a r , i n deren Rahmen i m Prinzip sämtliche örtlichen A n g e l e g e n h e i t e n nach d e n k o n k r e t e n ö r t l i c h e n B e d ü r f n i s s e n u n d nach M a ß g a b e der ö r t l i c h v e r f ü g b a r e n M i t t e l w a h r g e n o m m e n u n d geregelt w u r d e n , z w a r u n t e r s t a a t l i c h e r A u f s i c h t , i m ü b r i g e n aber ohne n ä h e r e n B e z u g z u d e n b e n a c h b a r t e n oder ü b e r g e o r d n e t e n V e r w a l t u n g s e i n h e i t e n 2 5 4 . K e n n z e i c h n e n d f ü r diese A r t d e r g e m e i n d l i c h e n A u f g a b e n w a h r n e h m u n g ä l t e r e r P r ä g u n g ist insbesondere der A s p e k t eines geschlossenen, das h e i ß t z u g l e i c h erschöpfenden, ü b e r s c h a u b a r e n u n d w e i t g e h e n d je isolierten lokalen Lebenskreises255. b) D i e G r ü n d e , aus denen dieses i m w e s e n t l i c h e n statische, i n sich r u h e n d e B i l d u n d die k o m m u n a l e W i r k l i c h k e i t sich a u s e i n a n d e r e n t w i k kelt haben u n d fortlaufend weiter u n d i n größerem U m f a n g voneinander e n t f e r n e n , s i n d m a n n i g f a l t i g e r A r t . Sie s i n d e i n g e b e t t e t i n d e n a l l g e m e i n e n sozialen, w i r t s c h a f t l i c h e n , psychologischen u n d p o l i t i s c h e n W a n d -

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Wagener, Neubau, S. 59. Dieses notwendig idealtypische B i l d realisiert sich gegenwärtig vor allem i n der Feststellung, „daß die herkömmliche kommunale Körperschaftsordnung zur Bewältigung der kommunalen Aufgaben an vielen Stellen nicht mehr ausreicht" (so Werner Weber, Gegenwartsprobleme, S. 9; Hervorhebung v o m Verf.); zustimmend Rothe, Recht der interkommunalen Zusamenarbeit, S. 17, der insbes. das „isolierte (...) Eigenleben" der älteren Gemeinden betont. 254

255 Vgl. Rothe, Recht der interkommunalen Zusammenarbeit, S. 17; auch der i n § 1 Abs. 1 PrGemVerfG verwendete Begriff der „zur Einheit gewachsenen Zelle räumlichen Zusammenlebens" assoziiert das Moment der Abgeschlossenheit; die älteren Begriffsbestimmungen spiegeln ebenfalls dieses Einzeldasein w i d e r ; vgl. etwa Löning, Bluntschli's Staatswörterbuch, 1. Bd., Stich w o r t „Gemeinde", S. 736: „ W i e der Staat auf der Ansiedlung des Volkes i n einem Lande ruht, so r u h t die Gemeinde auf der Ansiedlung von Menschen an einem bestimmten Orte. Sie ist der Organismus dieser örtlichen Gemeinschaft, w i e der Staat die organisierte Volksgemeinschaft ist" ; Schoen, i n Holtzendorff/Kohler, Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, 4. Bd., S. 238: „Jene (sc. die Gemeinden) umfassen die untersten, den nachbarlichen Gemeininteressen dienenden V e r bände . . . " ; auch die heutigen Analysen des überkommenen Gemeindebildes bestätigen diesen Aspekt: vgl. Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969, 1, 4 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 35: „Die Formel von der örtlichen Lebensgemeinschaft als eines i n sich geschlossenen Kreises . . . " ; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 189 f.: „Die Gemeinde als natürliche Lebensgemeinschaft der an einem Ort gemeinsam siedelnden M e n schen, die ihre gemeinsamen Probleme haben, deren sich dann auch eine gemeinsame öffentliche V e r w a l t u n g a n n i m m t . . . " ; vgl. auch Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 807: „ I n der Gemeinde isolierte Selbstverwaltung, die alle örtlichen Angelegenheiten selbst ordnet . . . " ; zu den Grenzen dieses idealtypischen Bildes auch bereits i n der Vergangenheit, m i t Bezug auf ältere großgemeindliche Bildungen aus mehreren Siedlungseinheiten, ebenda, S. 805 f.

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lungsprozeß des staatlichen und gesellschaftlichen Gesamtgemeinwesens 256 . Versucht man, die einschneidensten Auswirkungen dieses Prozesses auf die eigenständige und selbstgenügsame Geschlossenheit der Gemeinde und ihres örtlichen Lebenskreises zu formulieren, so ergeben sich vor allem vier Feststellungen: aa) Bereits die Siedlungsstruktur weist vielfach die charakteristische Abgegrenztheit nicht mehr auf. Insbesondere die sich verdichtenden und i n ihr Umland ausdehnenden städtischen und verstädternden Zonen überschreiten baulich die vorhandenen Gemeindegrenzen, lassen benachbarte Gemeinden zusammenwachsen bis zur Bildung hochdimensionierter Agglomerationen. Durch Zersiedlung von Freiflächen verwischen sich die Grenzen zwischen den gemeindlichen Einheiten wie, vor allem i m ländlichen Einzugsgebiet der Ballungszonen, zwischen städtischer und dörflicher Siedlungsweise 257 . bb) Auch die stabile Formiertheit des personellen Substrats w i r d durch die zunehmende Mobilität der Bevölkerung aufgebrochen. A u f der Grundlage einer allgemein gesteigerten Beweglichkeit durch Verkehrserschließung und Motorisierung weitet sich der Lebenskreis des einzelnen aus. Der ehemals einheitliche lokale Daseinsbereich differenziert sich über benachbarte Gemeinden hinweg, auf die sich Wohnsitz, A r beitsplatz, wirtschaftliche, kulturelle, persönliche Bedürfnisbefriedigung verteilen. Durch häufigeren Wohnsitzwechsel t r i t t überdies eine erhöhte Fluktuation der gemeindlichen Gemeinschaft ein 2 5 8 . cc) Eng verflochten m i t diesen beiden Beobachtungen und auf den gleichen grundsätzlichen ökonomischen, ökologischen, soziologischen Trends beruhend, ist der Verlust der funktionalen Geschlossenheit und Eigen256 Vgl. dazu ausführlich Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 23 ff.; ferner Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 1 ff.; Wagener, Neubau, insbes. S. 21 ff., ferner S. 505 ff., jeweils die Darstellung von Anforderung u n d I s t Zustand unter „Quantifizierung" u n d „Vergleich". 257 Vgl. bereits Schattenfroh, Großstadt, Z A k D R 1937, 69, 70 f.; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 29 ff., insbes. S. 32; Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 4 f.; vgl. auch Malz, Umweltplanung, Stichworte „Verdichtungsraum", S. 595, insbes. unter 4., 598; sowie „Zersiedlung", S. 651 f.; ferner Stern! Püttner, Grundfragen, S. 2 ff., 43 ff. (Hannover) ; Gutachten NW, Abschnitt B, S. 15 ff. (kreisfreie Städte NW), S. 33 f. (Ballungszonen N W ) ; Neugliederung Saarland, S. 35 f. (Saarbrücken); Gutachten Schl-H, Rdn. 590, S. 294 (Hamburger Umland). 258 Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, insbes. S. 32, 35, 41 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 19 f.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191, 193 f.; vgl. auch Müllenbach i n : Malz, Umweltplanung, Stichwort „Pendlerverkehr", S. 405; Malz, ebenda, Stichwort „Wanderungen", S. 621 ff., insbes. unter 3., S. 622; ferner Stern!Püttner, Grundfragen, S. 49 f. u n d K a r t e Nr. 2 (Hannover); Gutachten NW, Abschnitt B, S. 19 f., 27, 38; zu den Grenzen dieses Gesichtspunkts: König, H K W P I, S. 50.

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

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ständigkeit der Gemeinde. Anwachsen und Egalisierung der Bedürfnisse der Bürger, zugleich wachsende Abhängigkeit von den öffentlichen Leistungen bei Verknappung der natürlichen Ressourcen haben nicht nur eine Verschiebung des Aufgabeninhalts bewirkt. Vielmehr haben sich die Ansprüche an die ordnenden, gewährenden, planenden und gestaltenden Leistungen auch und besonders i m kommunalen Raum vervielfacht. Entsprechend blieben Verwaltungs-, Veranstaltungs- und Finanzkraft der kommunalen Körperschaften hinter den Anforderungen zurück, überproportional bei den kleinen und kleinsten Gemeinden. Hieraus — wie auch aus der steigenden Notwendigkeit großräumiger Wahrnehmung — resultiert einerseits eine Verlagerung der gemeindlichen A u f gabenerfüllung auf zwischen- und übergemeindliche Instanzen: auf Träger interkommunaler Zusammenarbeit, Ämter und Samtgemeinden, vor allem auf die Landkreise, aber auch auf staatliche Behörden. Andrerseits ergibt sich aus dieser Situation, i n Verbindung insbesondere mit der Mobilitätserhöhung, eine Differenzierung zwischen den Gemeinden eines größeren Raumes, eine Aufteilung der Funktionswahrnehmung. Zu nennen ist i n diesem Zusammenhang die Herausbildung von Zentren verschiedener Stufe, die für ein über ihre Grenzen hinausgehendes Umland Leistungen wirtschaftlicher, kultureller, gesundheitlicher und sonstiger A r t erbringen. Ferner realisiert sich solche funktionelle Differenzierung — und korrespondierend die Differenzierung der Struktur der einzelnen Gemeinden — i n der Aufteilung der Aufgabenschwerpunkte zwischen Industrie- und Dienstleistungszentren, Wohn- und „Schlafgemeinden", Gemeinden mit besonderem Freizeitwert, aber auch innerhalb von Versorgungs- und Verkehrsverbundsystemen 259 . dd) Daß die Auflösung des i n sich ruhenden gemeindlichen Daseins, die gesteigerten Ansprüche wie die verstärkte Abhängigkeit des Bürgers, das Absinken der kommunalen Leistungsfähigkeit wie die Erschöpfung der natürlichen M i t t e l auch zu einer Einbuße der Gemeinden an rechtlicher und wirtschaftlicher Eigenständigkeit geführt haben, erscheint als zwingende Konsequenz. Zunehmende Reglementierung, Übertragung vermehrter Pflichtaufgaben, Beschränktheit und Zweckgebundenheit der

259 Vgl. Bahr dt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 39 f., 45 f.; Becker, Grundlage, H K W P I, S. 125 ff., 127 f.; ders., Rechts- u n d Verwaltungsfragen, S. 17 f., 20; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 34 ff., 43; Rothe, Recht der interkommunalen Zusammenarbeit, S. 17 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 20 ff., 24 ff., 36 ff.; Stern/Püttner, Grundfragen, S. 48 f., 50 ff. (Beispiel Hannover) ; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 192, 194 f.; Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 6 ff.; ders., Gegenwartsprobleme, insbes. S. 9, 13 f., 16 ff.; vgl. auch Malz, Umweltplanung, Stichw o r t „Gemeindetypen", S. 231 ff.; ders.; ebenda, Stichwort „Zentrale Orte", S. 645 ff.; Wustlich, ebenda, Stichwort „Satellitenstadt", S. 487 f., u n d Stich w o r t „Schlafstädte", S. 479; ferner Gutachten N W , Abschnitt B, insbes. S. 18 f., 20 f., 35 f., 37 f.

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finanziellen Mittel, insgesamt Schrumpfen des Raumes freier, individueller Gestaltung sind Ausdruck dieser Tendenz 260 . M i t dieser Entwicklung ging zugleich ein entsprechender Verlust an politischer Eigenständigkeit einher, der teils Folge der beschriebenen Entwicklungen ist, teils unmittelbar auf den gleichen Veränderungen des Gesamtsystems beruht wie sie. Abgesehen von der Determinierung des gemeindlichen Bereichs durch den staatlichen, abgesehen von dem Einflußzuwachs von Interessenverbänden und gesellschaftlichen Gruppierungen zeigt sich die Auflösung der politischen Geschlossenheit und Eigenbestimmung insbesondere i n dreierlei Hinsicht: i n der gesteigerten Bedeutung sozialer Einbindung der Bürger jenseits des gemeindlichen Konstitutionsprinzips, etwa i n überörtliche berufliche und sonstige Vereinigungen; i n der Verdrängung des Elements bürgerschaftlicher M i t wirkung, spontaner, egalitärer lokaler Beteiligung durch eine — infolge Vermehrung und Komplizierung der Aufgaben — stark gewachsene bürokratisch organisierte und funktionierende Fachverwaltung; schließlich i n der Mediatisierung des Gemeindebürgers durch die Dominierung der primär auf die bundes- und länderstaatliche Ebene ausgerichteten politischen Parteien auch i n der örtlichen P o l i t i k 2 6 1 . 3. Der Vergleich zwischen dem älteren, quantitativ wie qualitativ von Geschlossenheit geprägten B i l d der Gemeinde mit ihrem gegenwärtigen Zustand, der durch das Aufgehen solcher Geschlossenheit i n großräumigen Dimensionen, i n Verflechtungen und Differenzierungen gekennzeichnet ist, zeigt die Grundlage der skeptischen Frage, ob nicht „unsere ganze kommunalrechtliche Konzeption fragwürdig geworden" sei 2 6 2 . Diese Frage müßte dann negativ beantwortet werden, wenn sich hinter dem überkommenen B i l d wie hinter der gewandelten und sich weiter wandelnden heutigen und absehbar künftigen Erscheinungsform ein unveränderter Grundsachverhalt, eine unveränderte Grundidee nachweisen ließe, denen gegenüber beide Formen gemeindlicher Wirklichkeit als i m 260 Becker, Grundlage, H K W P I, S. 129 f., 132, 134 f.; ders., Beobachtungen, S. 77 ; Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 33 ff. ; Heemeyer, Stadt-UmlandVerflechtungen, S. 51 ff.; Röttgen, Sicherung, S. 195, 207 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 22 ff.; Seele, Positionen, S. 876; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,193; Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 152 ff. 261 Becker, Grundlage, H K W P I, S. 154, 155 f.; Heemeyer, Stadt-UmlandVerflechtungen, S. 49; von der Heide, Grundfragen, Landkreis 1973, 54, 54; Röttgen, Sicherung, S. 204 f.; Seele, Positionen, S. 881; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 8 f., 30 f., 32; Schumann, Geht das Zeitalter der kommunalen Selbstverwaltung zu Ende?, Kommunalwirtschaft, S. 196, 198 f.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191; Werner Weber, Wandlungen der Kommunalverwaltung, S. 58 ff., 71; ders., Die Bundesrepublik u n d ihre Verfassung, S.353. 282 So Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191; vgl. auch Göb, Interkommunale Zusammenarbeit, D Ö V 1969, 838, 842, der die überlokale Orientierung des Bürgers stark herausstellt.

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

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Prinzip je zeit- und lageentsprechende konkrete Verwirklichungsweisen erscheinen. Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß die Daseinsweise der Gemeinden typischerweise von einer mindesten Verflechtung, kommunikativen Verdichtung ihres personellen Substrats, der örtlichen Gemeinschaft, gekennzeichnet ist — eindeutig, von geringen Ausnahmen abgesehen, i n der älteren, geschlossenen Gemeinde, modifiziert, differenzierter, schwieriger abgrenzbar i n der gegenwärtigen Struktur. Daher ist zu prüfen, ob beiden, der früheren wie der heutigen Erscheinungsweise, und zwar i n der ganzen Breite ihrer Variationen, ein gemeinsamer, spezifisch und kontinuierlich „gemeindlicher" Sachverhalt, ein elementares Merkmal eigentümlich ist. I I . Das Merkmal der unmittelbaren Daseinssphäre

1. Vergleicht man die Bezüge, die den Gemeindebürger i m örtlichen Bereich, innerhalb der Gemeinde mit seiner gemeindlichen Umgebung verknüpfen, und die A r t und Intensität seiner Kommunikation i m staatlichen Raum, so w i r d man den Unterschied zwischen beiden nach wie vor i n der Dichte und Häufigkeit, i n der Anschaulichkeit und alltäglichen Gegenwärtigkeit des lokalen Bezugssystems suchen dürfen 2 6 3 . Auch wenn man andrerseits die Verflechtung des einzelnen Bürgers innerhalb seiner Gemeinde m i t den Beziehungen vergleicht, die er über ihre Grenzen hinaus unterhält, erscheint die Hypothese, von pathologischen Fällen abgesehen, nicht von vornherein abwegig, daß, ungeachtet aller Wandlungen, Differenzierungen, Ausweitungen, auch Verdünnungen, die innergemeindlichen Kommunikationen nicht nur graduell, sondern grundsätzlich dichter, enger, intensiver sind. Den Kern dieser Feststellung hat, soweit ersichtlich, als erster, Friedrich Julius Stahl so formuliert: „Das eigentümliche Band der Gemeinde aber ist die Gemeinschaft i n dem engen Raum, den der Mensch mit seiner leiblichen Gegenwart zu beherrschen i m Stande i s t " 2 M . Dieser Formulierung, i n der Folgezeit zustimmend aufgegriffen 265 , w i r d auch i m heutigen Kommunalrecht „dauernde Gültigkeit" zugeschrieben 268 . 263

Vgl. König, H K W P I, S. 50: „ . . . so gewinnt doch i n i h r (sc. i n der Gemeinde) soziales Leben den höchsten Grad an Anschaulichkeit." 264 F. J. Stahl, Philosophie des Rechts, 1829 ff., 2. Bd., 2. Abteilung, 4. Buch, S. 21. 285 Vgl. Brater, Deutsches Staatswörterbuch, 4. Bd., 1859, Stichwort „Gemeinde", S. 109 f., unter ausdrücklichem Bezug auf Stahl: „ A u f der Gemeinschaft i n dem engen Räume, den der Mensch m i t seiner leiblichen Gegenwart zu beherrschen vermag, r u h t das Dasein u n d das Leben der Gemeinde." 268 υ. Unruh, Gemeinderecht, S. 107, der sich insoweit allein auf Brater beruft.

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2. Es fragt sich allerdings, welcher Gesichtspunkt i n der Stahl'schen Umschreibung der gemeindlichen Daseinsweise, welches Element genau, zu Recht den Anspruch solcher Allgemeingültigkeit erheben darf. a) Insbesondere erscheint es zweifelhaft, ob damit i m wesentlichen und lediglich das Merkmal der „Uberschaubarkeit eines Gebietes" angesprochen ist, die „ m i t der daraus folgenden Kenntnis der Eigenart für die darin lebenden Menschen die Voraussetzung zur Bildung »örtlicher Gemeinschaft'" schaffe 267 . Zumindest bedarf es näherer Erörterung, wie i n diesem Zusammenhang „Uberschaubarkeit" aufzufassen ist. Denn es liegt nahe, m i t diesem Begriff eine Beschränkung räumlicher Größenordnung zu assoziieren und an Hand einer solchen, am älteren B i l d der Gemeinde ausgerichteten Vorstellung die heutigen groß- und weltstädtischen Ballungsräume als leitbildwidrig zu bewerten 2 6 8 . Gerade eine solche Auffassung dürfte i n nicht wenigen Fällen der Grund dafür sein, daß die gemeindliche Gebietsreform von der Klage begleitet wird, die positivrechtlichen Leitbilder für den Gebietszuschnitt, „örtliche Verbundenheit der Einwohner" 2 6 9 und Sicherung der „Leistungsfähigkeit zur Erfüllung ihrer (sc. der Gemeinden) Aufgaben" 2 7 0 ließen sich chronischerweise nicht zur Deckung bringen, ja schlössen sich sogar wechselweise aus 2 7 1 . Müßte m i t h i n „Uberschaubarkeit", „örtliche Verbundenheit" tatsächlich i n diesem einengenden Sinn verstanden werden und würde hierin zutreffend die Essenz der These Stahls zu sehen sein, so könnte es freilich Bedenken erwecken, gerade i n ihr das i n Raum und Zeit unverändert geltende Charakteristikum der Gemeinde zu sehen. Denn dann stände ein Gutteil der modernen Entwicklungen, insbesondere i n den städtischen Verdichtungszonen, i n der Gefahr, als leitbildwidrige Entleerung der gemeindlichen Substanz beurteilt zu werden, ein Ergebnis, das m i t dem 267

So v. Unruh, Gemeinderecht, S. 107. Vgl. Kottenberg/Rehn, GO NW, § 5 A n m . I I 2 am Ende, der die Gemeinde „ m i t t l e r e r Größe" als die „echteste Ausprägung" örtlicher Selbstverwaltung bezeichnet; allgemein zur Bestimmung auch der heutigen Vorstellungen von gemeindlichem Dasein durch die „Agrargesellschaft des 19. Jahrhunderts": Thieme, Selbstverwaltungsgarantie u n d Gemeindegröße, DVB1. 1966, 325 ff., insbes. S. 328 am Ende; vgl. auch Elisabeth Pfeil, Z u r K r i t i k der Nachbarschaftsidee, A f K 1963, 39, insbes. 42, die i n dem Versuch, Großstädte durch überschaubare „Nachbarschaften" zu gliedern u n d zu integrieren, eine „Rückwärtswendung", eine restaurative Vorstellung sieht. 289 Die i m Ergebnis vielfach m i t „Uberschaubarkeit" i m oben beschriebenen Sinne i n eins gesetzt w i r d : vgl. Kottenberg/Rehn, GO N W , § 5 A n m . I I 1. 270 Vgl. § 4 D G O ; §§ 7 Abs. 2 GO B - W ; 7 GO He; 16 Abs. 1 GO Nds; 5 GO N W ; 12 Abs. 3 GO Sa; 5 GO Schl-H. 271 Vgl. insbes. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 51 f.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 12 f.; gegen eine prinzipielle Unvereinbarkeit haben sich etwa Leibholz, Selbstverwaltung, DVB1. 1973, 715 ff.; Wagener, Verwaltungsgemeinschaften oder Einheitsgemeinde, S. 106 f., ausgesprochen. 268

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

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anhaltenden Trend zunehmender Verstädterung großer Räume i n Widerspruch stände 272 . b) Eine solche Reduzierung der Stahl'schen Aussage, eine Gleichsetzung von „Gemeinschaft i n dem engen Raum, den der Mensch m i t seiner leiblichen Gegenwart zu beherrschen vermag", mit derart verstandener „Überschaubarkeit" erscheint jedoch keineswegs zwingend. Sie beruht auf einer den unmittelbaren Aussagegehalt überschreitenden Schlußfolgerung. Daß nämlich der durch körperliche Präzens beherrschbare Raum „überschaubar" i m Sinne einer relativen Begrenztheit, einer objektiven „mittleren Größe" sei 2 7 3 , mag für die tradierte Form gemeindlicher B i l dungen, ferner ihre auch heute noch vorhandenen Ausprägungen, „die mittleren Städte und die größeren kreisangehörigen Gemeinden" 2 7 4 , Geltung haben, kaum aber für die durch Mobilität gekennzeichnete differenzierte Kommunalstruktur der Gegenwart i m übrigen 2 7 5 . Darüber hinaus müßte zumindest vorab geklärt werden, ob der Begriff der „Überschaubarkeit" objektiv verstanden werden soll, i m Sinne einer durchschnittlichen Durchsichtigkeit der lokalen Verhältnisse, etwa für einen von außen kommenden unbeteiligten Beobachter. Da es nämlich bei der Gemeinde nicht um „Bürgernähe" i m Sinne einer Entfernungsbestimmung zwischen Gemeindevolk und fremder, etwa staatlicher Verwaltung geht, sondern um Identität i m Sinne der Entscheidung der örtlichen Angelegenheiten durch die örtliche Gemeinschaft selbst 276 , läge es näher, „Überschaubarkeit" subjektiv aufzufassen, zumal die Stahl'sche Formulierung die körperliche Präsenz der jeweils durch räumliche Gemeinsamkeit betroffenen konkreten Bürger i m Auge hat. Eine solche Subjektivierung müßte zu vielfach differenzierten, höchst unterschiedlichen Dimensionen führen, da die Transparenz eines körperschaftlichen Raumgebildes für die jeweiligen Körperschaftsmitglieder von zahlreichen wechselnden, situationsbedingten Faktoren abhängt — von den naturräumlichen Gegebenheiten, Siedlungs-, Verkehrs-, Wirtschafts-, Sozial- und Administrationsstrukturen 2 7 7 . 272

Vgl. zur Verstädterungstendenz Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 18 f.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 190 ff., insbes. 192 ff.; vgl. auch Malz, Umweltplanung, Stichwort „Verstädterung", S. 611 ff. 273 Vgl. Kottenberg/Rehn, GO NW, § 5 A n m . I I 2. 274 Gutachten Schl-H, Rdn. 219, S. 154. 275 Die Vergrößerung des Raumes körperlicher Beherrscbbarkeit betont auch v. Unruh, Gemeinderecht, S. 107 f ; vgl. auch Klotz, Zuständigkeit, D Ö V 1967, 184, 187 f.; ferner, insbes. m i t Hinweis auf das „Pendlerwesen": Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,193 f. 276 Vgl. oben 2. Teil, 2. Kap. unter C. I I . 3. b) cc); daher bleibt auch die Ersetzung des Begriffs „örtliche Verbundenheit" durch „Bürgernähe" unspezifisch: vgl. Knemeyer, Bayerisches Gemeinderecht, S. 52. 277 Vgl. insbes. zur „Einfachheit u n d Übersichtlichkeit des Verwaltungsaufbaus" als Voraussetzung der Identifizierung des Bürgers m i t der Verwaltung: Wagener, Neubau, S. 305 f. ; andrerseits zu den Grenzen völliger „Uberschaubarkeit" selbst i n kleinen Gemeinden König, H K W P I, S. 28 f., 50. 10 Loschelder

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Vor allem aber spielt der Aspekt der „Uberschaubarkeit" i n der Formulierung von der Beherrschbarkeit durch „leibliche Gegenwart" eine verhältnismäßig periphere Rolle, da er lediglich, je nach Akzentsetzung die A r t der Gestaltung des Raumes körperlicher Gegenwart oder die Folge der leiblichen Beherrschung des Raumes konkretisiert. Der zentrale Gesichtspunkt der körperlichen Beherrschbarkeit selbst bleibt dagegen außen vor, die damit geleistete präzise Beschreibung des Bezuges, der zwischen den Gemeindeangehörigen und dem sie umgebenden Raum, dem durch i h n definierten Inbegriff von Personen und Gegenständen besteht 278 . Die durch das Merkmal körperlicher Beherrschbarkeit hergestellte konkrete und spezifische Beziehung zwischen dem einzelnen (Gemeinde-) Bürger und dem ihn umgebenden gemeindlichen Territorium, zwischen i h m und den auf diesem Gebiet m i t i h m ansässigen Mitbürgern sowie den auf i h m befindlichen sächlichen Gegebenheiten, „Einrichtungen, A n lagen und Werken" 2 7 9 , ferner dem sich dort abspielenden Geschehen, bedarf daher der Präzisierung — und zwar aus dem Begriff des Beherrschens durch leibliche Gegenwart selbst. Dabei sind vor allem zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: Aus der Fülle der gegebenen und denkbaren Ausschnitte des staatlichen Territoriums und der dadurch jeweils definierten Personen- und Sachgesamtheiten w i r d der Bereich und damit der persönlich-sächliche Komplex ausgegrenzt, i n dem jeweils der Bürger körperlich präsent ist, mit dem er unmittelbaren physischen, anschaulichen Kontakt hat 2 8 0 . Zum zweiten liegt i n der Formel der „Beherrschbarkeit" durch leibliche Gegenwart eine nähere räumliche Eingrenzung insofern, als es sich dabei weder um den Raum handelt, der von einem einzigen, festen Punkt aus, dem Wohnsitz, ohne Fortbewegung rundum physisch einbeziehbar ist, noch erstreckt sich der Radius andrerseits auch auf solche Bereiche, i n denen körperliche Präsenz lediglich gelegentlich, auf Grund besonderer Umstände, auf einer Reise etwa, stattfindet. Denn zur „Beherrschung" eines Raumes durch physische Gegenwart gehört ein Element des Typischen, Stetigen, des Durchschnittlich-Häufigen. „Beherrscht" i n diesem Sinne w i r d der Raum, i n dem der Mensch üblicherweise gegenwärtig ist, den er potentiell, „normalerweise" erreichen kann, aktuell, „typischerweise" so oft durchmißt, daß sich dieser Vorgang als „alltägliches" Geschehen — i m wörtlichen wie i m übertragenen Sinn — darstellt 2 8 1 . Das heißt, der örtliche Bereich der Ge278 Diese beiden Komponenten werden besonders deutlich etwa i n § 1 Abs. 1 PrGemVerfG unterschieden: „Zelle räumlichen Zusammenlebens einer V i e l heit von Familien u n d örtlichen Zusammenschlusses von Einrichtungen, A n l a gen u n d Werken." 279 Vgl. § 1 Abs. 1 PrGemVerfG. 280 Vgl. zum M e r k m a l der Anschaulichkeit: König, H K W P I, S. 50. 281 Vgl. Conrady, „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", DVB1. 1970, 408, 411 (r. Sp.): „täglicher Lebensraum"; vgl. auch zur „regelmäßigen Wieder-

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

meinde ist, so umgrenzt, der Raum der unmittelbaren, „menschlichen Lebensführung" 2 8 2 .

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täglichen

c) Da gedanklich, unbeschadet gegebenenfalls auftretender Schwierigkeiten der empirischen Abgrenzung i m Einzelfall, die Sphäre des alltäglichen Daseins, der durch unmittelbare Anschauung gekennzeichneten regelmäßigen physischen Präsenz, und der jenseits dieses Kreises liegende weitere Bereich i m logischen Verhältnis der Alternativität stehen, ergibt sich darüber hinaus eine weitere Feststellung: Wenn die Gemeinde die unterste, kleinste soziologische und administrative Raumeinheit darstellt, dann grenzt das K r i t e r i u m des unmittelbaren, täglichen Lebenskreises sie begrifflich scharf und eindeutig von jeder, nach welchem Maßstab auch immer bemessenen, weiter gezogenen, also übergemeindlichen territorialen und personellen Einteilung ab. Damit w i r d die von Stahl formulierte Kennzeichnung qua definitione dem Anspruch gerecht, dem „örtlichen Bereich" der Gemeinde schlechthin und nur i h m eigentümlich zu sein. Π Ι . Die empirische Bewährung des Merkmals der unmittelbaren Daseinssphäre

Die Erhärtung der These, mit der Kennzeichnung als Raum des alltäglichen Daseins sei der reale Standort der Gemeinde i m Kern umschrieben, setzt den Nachweis voraus, daß dieses K r i t e r i u m für alle Formen gemeindlicher Bildungen, sowohl i n der geschichtlichen Entwicklung wie i n der differenzierten gegenwärtigen Ausprägung, empirische Gültigkeit besitzt. Keine Schwierigkeiten bieten insoweit das ältere gemeindliche Erscheinungsbild und die i h m heute noch nahestehenden Ausprägungen. Seine Merkmale — enge dörfliche Formen, überschaubare, siedlungsmäßig geschlossene Städte, Seßhaftigkeit der Bevölkerung, Prädominanz agrarischer Strukturen und weitgehende Autarkie jeder lokalen Einh e i t 2 8 3 — sind die eines geschlossenen räumlichen, sozialen und administrativen Gebildes, das i n sich die Sphäre täglicher Lebensführung seiner Einwohner nahezu ohne Rest einbegreift und umgekehrt von ihr vollständig durchdrungen wird. Hier gilt uneingeschränkt die Feststellung, daß „die Majorität der Menschen . . . den größten Teil des Lebens (wenn nicht das ganze) i n einer einzigen Gemeinde erlebt, . . . daß die Gemeinde nicht nur ihrer Ausdehnung nach eine Totalität des Lebens bedeutet, sondern daß sie für die vielen mit der Totalität des Lebens schlechthin identisch . . . . . . . zur ,Heimat' i m strengen Sinne" w i r d 2 8 4 . holung" als Faktor der Institutionalisierung eines Vorganges (Beispiel der Pendlerbewegung): Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969, 1, 8. 282 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 36. 288 y g i Rothe, Recht der interkommunalen Zusammenarbeit, S. 17. 284 So, i m Sinne einer auch heute noch w e i t h i n zutreffenden Gegenwartsanalyse: König, H K W P I, S. 50.

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Bedenken könnte dagegen die Subsumtion der neueren Entwicklung der gemeindlichen Struktur ergeben. Die gegenwärtigen und für die nähere Zukunft absehbaren Tendenzen scheinen das Verständnis des „örtlichen" Bereichs als des Raumes unmittelbarer, alltäglicher Lebensführung zu sprengen 285 . 1. Problematisch sind i n diesem Zusammenhang einmal die zunehmenden quantitativen Dimensionen, die Ausdehnung der großstädtischen Siedlungsgebiete, das Anwachsen großflächiger, hochverdichteter Ballungsräume 2 8 6 . Schwieriger noch zu fassen ist das Phänomen zunehmender Verflechtung und Differenzierung der gemeindlichen Ebene. Bereits die siedlungsmäßige Verwischung der politischen und soziologischen Grenzen nimmt der strukturellen Zuordnung der Zwischenzonen zu dieser oder jener Gemeinde und damit der Abmessung der Lebenssphäre auf der Grundlage der gemeindlichen Gliederung die hinreichende Eindeutigkeit 2 8 7 . Aber auch abgesehen davon ändern die gemeindlichen Einheiten ihren Charakter. Die moderne Mobilität bricht die Geschlossenheit des lokalen Lebenskreises von Grund her auf. Die Erleichterung der Kommunikation, die Verdichtung der Kommunikationsmittel wie die zunehmende allgemeine Bereitschaft, von ihnen Gebrauch zu machen, bewirken, daß eine Vielzahl von Bürgern immer häufiger und regelmäßiger die Grenzen der eigenen Wohngemeinde überschreitet und so den realen persönlichen Lebenskreis ausweitet 2 8 8 . Infolgedessen nehmen immer mehr Bürger die öffentlichen und privaten Leistungen nicht nur der eigenen, sondern auch einer oder mehrerer benachbarter Gemeinden regelmäßig i n Anspruch, etwa die Bewohner des städtischen Bereichs das Freizeitund Erholungsangebot benachbarter ländlicher Zonen, die Bewohner kleinerer Gemeinden die kulturellen und sonstigen Dienstleistungen, insbesondere auch die Einkaufsmöglichkeiten benachbarter Unter-, M i t tel» und Oberzentren 289 . Verstärkt w i r d solche Differenzierung des persönlichen Lebenskreises dort, wo in immer breiterer Front außerhalb der eigenen (Wohn-)Gemeinde weitere, spezielle Zentren physischer Gegenwart und verfestigter sozialer Beziehungen des Bürgers begründet werden, etwa wenn sich der Arbeitsplatz i n einer anderen Gemeinde befindet. Sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung sind die dichten Pendler285 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 2 f., 15 ff.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,190. 286 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. 1.2. b) aa). 287 Vgl. wie Fn. 286 zuvor. 288 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I. 2. b) bb); ferner etwa Klotz, Zuständigkeit, D Ö V 1967,184,187; Wagener, Neubau, S. 29 ff., 35 f., 38. 289 v g l . oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I. 2. b) cc) ; ferner Conrady, „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", DVB1. 1970, 408, 410 f.; Wagener, Neubau, S. 35 f., 37 f.

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ströme, die sich zu Beginn und Ende des Arbeitstages vor allem i n den Ballungsrandgebieten zwischen den Gemeinden bewegen 290 . M i t dieser aus der Sicht des Gemeindebürgers dargestellten räumlichen Ausweitung und Differenzierung korrespondiert die Verflechtung und Auseinanderentwicklung der Gemeinden untereinander i n ihrer soziologischen und wirtschaftlichen Struktur wie nach A r t und Umfang der erbrachten Verwaltungsleistungen. Allerdings geht m i t der steigenden Verflechtung eine Egalisierung der Lebensformen, Ansprüche, Bedürfnisse und Interessen Hand i n Hand, die die überkommenen Unterschiede zwischen ländlicher und städtischer Prägung zunehmend einebnet 291 . Andrerseits sind gerade diese gewandelten und gesteigerten Bedürfnisse die Hauptursache dafür, daß sich Leistungsstandard und Leistungsinhalt der gemeindlichen Verwaltungen so stark differenzieren. Insbesondere die Verwaltungskraft der kleinen Gemeinden fällt, absolut wie gemessen am administrativen Angebot der großen Einheiten, immer deutlicher zurück 2 9 2 . Das führt zu einer „Entörtlichung" der Aufgabenerfüllung durch Verlagerung auf zwischengemeindliche Träger wie auf die Gemeindeverbände, insbesondere die Landkreise 2 9 3 . Ganz allgemein findet i m übrigen unter benachbarten, insbesondere aber enger verflochtenen Gemeinden 2 9 4 , wie dargestellt 2 9 5 , eine vielfältige Funktionsteilung statt, etwa durch Wahrnehmung jeweils spezieller Aufgaben durch die verschiedenen Kommunen 2 9 6 , vor allem aber durch Herausbildung von Zentren unterschiedlicher Stufe, die für ein größeres Einzugsgebiet Verwaltungseinrichtungen darbieten 2 9 7 . 290 y g i . Riemann, Änderung der Wirtschafts- u n d Sozialstruktur, A f K 1964, 214, 225 ff.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,193 f. 291

Vgl. Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 f.; Röttgen, Strukturwandel, S. 245 ff., 248 f.; Rötter, Anforderungen, A f K 1964,199, insbes. 202, zur „ U r b a n i tät als D e n k - u n d Verhaltensweise"; Rosenbaum, Landgemeinden, A f K 1964, 274, 275 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 2, 15; Sterni Püttner, L a n d kreise, S. 3; Wagener, Neubau, S. 90 u n d passim. 292 Vgl. Röttgen, Strukturwandel, S. 245 ff., 248 ff.; Rötter, Anforderungen, A f K 1964, 199, 210 f.; Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 9 f.; Wagener, Neubau, S. 90 f.; ders., Gemeindeverwaltung u n d Kreisverwaltung, A f K 1964, 237, 237 f., 251. 293 Vgl. Becker, Rechts- u n d Verwaltungsfragen, S. 17 f.; Conrady, „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", DVB1. 1970, 408, 409; Rlotz, Zuständigkeit, D Ö V 1967, 184, 185, 187; Rothe, Recht der interkommunalen Zusammenarbeit, S. 18 ff.; Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 4 f., 6 ff. 294 Vgl. zum Begriff der Verflechtung: Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969,1, 4 ff. 295 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I. 2. b) cc). 296 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127; ders., Rechts- u n d Verwaltungsfragen, S. 17; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtung, S. 41, vgl. auch S. 69 f.; Rötter, Anforderungen, A f K 1964,199, insbes. zu den Funktionen des ländlichen Raumes S. 205; Riemann, Ä n d e r u n g der Wirtschafts- u n d Sozialstrukturen, A f K 1964, 214, 233. 297 Vgl. etwa Becker, Rechts- u n d Verwaltungsfragen, S. 18; ferner Bückmann.. Gebietsreform u n d Entwicklungsplanung, S. 7.

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2. Angesichts der von diesen Tendenzen geprägten Sachlage muß im einzelnen geprüft werden, ob die gemeindliche Realität und die Umschreibung als des durch tägliche, körperliche Präsenz beherrschten Raumes unmittelbarer Lebensführung noch hinreichend übereinstimmen. Zweifel hieran dürfen allerdings nicht auf solche Fälle gestützt werden, i n denen das persönlich-sächliche Raumgebilde „Gemeinde" durch bloßes Wachstum seine traditionellen Verwaltungsgrenzen überschritten hat oder i n denen früher eigenständige gemeindliche Einheiten sich siedlungsmäßig, strukturell und psychologisch so eng und unlösbar verflochten haben, daß für ihre Einwohner das dadurch entstandene Gesamtgebilde zum nicht mehr differenzierbaren, einheitlichen und als einheitlich empfundenen Lebensraum geworden ist 2 9 8 . Denn bei solchen Gegebenheiten hat die natürliche Entwicklung nicht zu einer Modifizierung dessen geführt, was unter dem unmittelbaren Lebenskreis zu verstehen ist. Vielmehr hat sich dieser nur über die alten, organisationsrechtlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Daher bedarf hier nicht die gemeindliche Idee, sondern lediglich die territoriale Bemessung der konkreten Gemeinden der Korrektur, gerade unter dem Gesichtspunkt der Kongruenz der unmittelbaren Daseinssphäre m i t der „Gemeinde" i m Rechtssinn 299 . Inwieweit für besonders kleinräumige Bildungen, „Zwerggemeinden" 3 0 0 , wenigstens teilweise entsprechendes gilt, ist eine tatsächliche Frage, die nur jeweils an Hand der Gegebenheiten des konkreten Falles beantwortet werden kann. Wenn die räumliche Dimensionierung so eng, die Verwaltungskraft und damit das Maß der gemeindlichen Leistungen so unzulänglich ist, daß sich faktisch, auch subjektiv, bereits ein größerer, zwischengemeindlicher Rahmen als einheitlicher Kreis der unmittelbaren Lebensführung der dort Ansässigen herausgebildet hat, dann ist ebenfalls die „natürliche" Gemeinde, die „örtliche Gemeinschaft", über die Grenzen der Verwaltungseinheiten „Gemeinde" hinausgewachsen 301 , etwa auf die Ebene des Amtes hinaufgezogen 302 . Auch i n einem solchen Fall kann infolgedessen nicht von einer Sprengung des gemeindlichen Lebenskreises i m hier beschriebenen Sinn gesprochen werden. Auch hier argumentiert die tatsächliche Entwicklung nicht gegen diese Charakterisierung der gemeindlichen Sphäre, sondern lediglich gegen die Ange298 Hierunter fallen die Modellvorstellungen zur Lösung des Stadt-UmlandProblems — jedenfalls zum T e i l — sowie die des Zusammenwachsens benachbarter Gemeinden: vgl. V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11,73, 86. 299 Vgl. Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,197. eoo V g l . V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 — AS 11, 73, 86; vgl. auch zum Problem der Zwerggemeinden die Nachweise oben 2. Teil, Fn. 238. 301

Vgl. die begriffliche Unterscheidung bei Peters, Lehrbuch, S. 292. Vgl. Mäding, A d m i n i s t r a t i v e Zusammenarbeit, A f K 1969, 1, 19 f. u n d das Schema S. 21. 302

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messenheit überholter Verwaltungsgrenzen. Freilich handelt es sich hierbei um eine gleitende Skala von Ubergängen. Es hängt von zahlreichen Faktoren, vom Maß der tatsächlichen Verflechtung, ab, ob räumlich benachbarte Kleinstgemeinden sich zwanglos zu einem einheitlichen Lebensraum ihrer Einwohner fügen 3 0 3 . 3. Es fragt sich, ob nicht auch i n den übrigen Schwerpunkten des gemeindlichen Wandlungsprozesses die These allzu pauschal ist, der „örtliche" Bereich der Gemeinde sei i n solchem Maße diffus und differenziert geworden, daß seine Konzipierung als Raum alltäglicher Präsenz der Gemeindebürgerschaft die soziologische Wirklichkeit nicht mehr treffe. Insbesondere muß geprüft werden, ob nicht einer derartigen Argumentation verdeckt die idealtypische Vorstellung des Bildes der älteren Gemeinde, also eines abgeschlossenen, i n sich ruhenden Lebenskreises, zugrundeliegt 3 0 4 . Denn wenn Stahl den durch physisches Dasein beherrschten Raum als „eng" bezeichnete 305 , hatte er zwar die geschlossene Gemeinde seiner Gegenwart vor Augen. Das Merkmal der durch alltägliche Gegenwart begründeten Beherrschbarkeit enthält aber, für sich genommen, weder eine geringe Dimensionierung noch das Element strikter Abgegrenztheit. Zumindest i n dem Maße, i n dem i n der jüngeren Entwicklung der natürliche Lebenskreis des Menschen selbst sich ausgeweitet und differenziert hat, kann eine entsprechende Aufstockung und Auflockerung der gemeindlichen Struktur nicht gegen dieses Merkmal und seinen Wirklichkeitsgehalt ins Feld geführt werden. Allerdings bliebe insoweit zu fragen, ob dieses Merkmal noch einen spezifischen Aussagewert hat. a) Als problematisch könnte insoweit die unverhältnismäßige Ausweitung der kommunalen Einheiten nach Fläche und Einwohnerzahl ins Feld geführt werden, wie sie insbesondere für die großstädtischen Verdichtungsräume typisch ist. I n derart hochdimensionierten Gebilden, so könnte argumentiert werden, sei der Begriff des spezifisch „örtlichen" nicht mehr anwendbar, weil der Bürger aus tatsächlichen Gründen derartige Räume nicht m i t seiner täglichen physischen Gegenwart auszufüllen, zu „beherrschen" i n der Lage sei 3 0 6 .

303 vgl. Mäding, w i e zuvor Fn. 302; aufschlußreich ist insoweit die Vielzahl der Lösungsversuche des Zwerggemeinden-Problems; vgl. hierzu den Ü b e r blick i n Gutachten Schl-H, Rdn. 159 ff., S. 133 ff., sowie die daselbst vorgeschlagene flexible Gestaltung, Rdn. 288 ff., S. 177 ff., insbes. Rdn. 439 ff., 445, S. 230 f. 304 Auch die Argumentation Heemeyers, Stadt-Umland-Verflechtungen, insbes. S. 131 ff., 164 f., wendet sich offenbar i n erster L i n i e gegen dieses geschlossene Bild. 305 Vgl. oben 2. T e i l bei Fn. 264. 308 Vgl. Kottenberg/Rehn, GO N W , § 5 A n m . I I , 1 u n d 2; vgl. auch Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,191.

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aa) Ein solcher Einwand hätte sich zunächst m i t dem Umstand auseinanderzusetzen, daß groß- und weltstädtisch zugeschnittene gemeindliche Bildungen zwar nach Zahl und Gewicht die neuere kommunale Struktur zunehmend prägen, daß sie als Phänomen aber auch bereits einer Zeit geläufig waren, i n der der Wirklichkeitsgehalt der Stahrschen Formulierung nicht i n Zweifel gezogen worden wäre 3 0 7 . Diese Beispiele gewinnen an Gewicht, wenn man sie zum Entwicklungsstand der Mobi lität der Bevölkerung, insbesondere zu deren technischen Voraussetzungen i n bezug setzt. Denn die Sphäre, die der einzelne Gemeindebürger mit seiner täglichen physischen Präsenz beherrscht, ist heute angesichts der Dichte und Perfektionierung des Individualverkehrs wie der öffentlichen Verkehrsmittel ungleich weiter zu ziehen. Entsprechend müßte die Relation zwischen persönlichem Daseinsbereich und Größe und Komplexität der Gemeinde unter dem Gesichtspunkt der Stahrschen Kennzeichnung etwa zu Beginn des Jahrhunderts als um ein Vielfaches ungünstiger bewertet werden 8 0 8 . Auch i m Vergleich der verschiedenen Größenordnungen der heutigen Gemeinden relativiert der Gesichtspunkt der Mobilität den Einwand übergroßer Dimensionierung. Wenn sich die Sphäre körperlicher Beherrschbarkeit m i t Geschwindigkeit, Dichte und allgemeiner Zugänglichkeit der Verkehrsmittel und Kommunikationsmöglichkeiten ausdehnt, dann müssen für ihre Bemessung gerade i n den großstädtischen Ballungsräumen andere, nämlich weiträumigere Maßstäbe gelten, als sie etwa an mittelstädtische und ländliche Strukturen gelegt werden können, i n denen Mobilitätsmittel, Mobilitätsbedürfnis wie Mobilitätsbereitschaft noch weniger intensiv sind. Das heißt, die Frage nach dem Radius des vom persönlichen Dasein ausgefüllten unmittelbaren Umkreises kann nur je konkret nach den örtlichen Verhältnissen, nicht i n absoluten Zahlen beantwortet werden. Insbesondere müssen die Werte mit dem Grad der Kommunikationsverdichtung, also gerade i n den Zonen großräumiger Agglomerationen steigen 309 . Das Argument der gestiegenen Mobilität erlaubt es u m so mehr, den Raum des täglichen Daseins verhältnismäßig weit zu ziehen, als — wie bereits die potentielle Formulierung Stahls deutlich macht 3 1 0 — der Be807 Vgl. die Übersicht i n : Preußens Städte, T e i l C, S. 2 ff., wonach von 1819 1867 zwar allein B e r l i n eine Einwohnerschaft von mehr als 200 000 hatte (1819: 201 138; 1840: 322 626; 1861: 547 571; 1867: 702 437), aber etwa 1905 bereits 11 Städte i n Preußen 200 000 u n d mehr Einwohner zählten (Berlin: 2 040 148; Breslau: 470 904; Charlottenburg 239 559; K ö l n (Cöln): 428 722; Düsseldorf: 213 274; Essen: 231 360; F r a n k f u r t a. M . : 334 978; Hannover: 250 024; Königsberg: 223 770; Magdeburg: 240 633; Stettin: 224 119). 308 v gl < wagener, Neubau, S. 35 f. 309 Vgl. Gutachten NW, Abschnitt B, S. 19 f., insbes. S. 20: „ . . . bleibt das A u t o das wesentliche Verkehrsmittel zur Verkehrserschließung großflächiger Wohnbereiche..."

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reich unmittelbarer Lebensführung geographisch nicht auf den Raum beschränkt werden kann, den der je konkrete einzelne Bürger tatsächlich üblicherweise täglich oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufzusuchen pflegt. Gegen eine derartige, individuelle und aktuelle Bemessung spricht einmal, daß sie schon bei mittelgroßen Einheiten zu einem Auseinanderfallen von gemeindlichem Raum und „örtlicher Daseinssphäre" führen würde. Denn selbst bei einer Mittelstadt besteht die individuelle Sphäre täglicher Gegenwart regelmäßig aus dem eigenen Wohnviertel und seiner näheren Umgebung, dem verkehrsmäßigen, wirtschaftlichen und kulturellen Ortszentrum und, je nach persönlicher Lebensführung, sozialem Kontakt, Arbeitsplatz, einzelnen, weiteren begrenzten Ausschnitten des gemeindlichen Territoriums 3 1 1 . Hinzu kommt, daß, stellt man auf den je individuellen Gemeindebürger ab, die persönliche Sphäre unmittelbaren Erlebens auch, von Bürger zu Bürger unterschiedlich umgrenzt, das Gebiet der gemeinsamen Gemeinde je unterschiedlich ausfüllen würde. Daß ein derartiges Verständnis zu eng wäre, macht zudem eine praktische Überlegung deutlich: Ein Bürger, der, aus welchem Anlaß auch immer, gelegentlich, erstmalig ein Viertel i n seiner Gemeinde aufsucht, das nicht zu seinem aktuellen Alltagsbereich gehört, w i r d typischerweise nicht das Empfinden haben, die Grenze zu einem fremden Lebenskreis überschritten zu haben 3 1 2 . Da somit für die Bemessung des Kreises körperlicher Beherrschbarkeit auch der Raum einbezogen werden muß, der potentiell, also ohne Mühe und ohne Uberschreiten der i m übrigen i m Durchschnitt alltäglich üblichen Entfernungen erreicht werden kann, dehnt sich dieser Kreis bei steigender Mobilität entsprechend verstärkt aus. bb) Grundsätzlich werfen die Überlegungen zum Verhältnis von individuellem Lebenskreis und gemeindlicher örtlichkeit die Frage auf, ob eine jeweils auf den einzelnen Bürger abstellende Betrachtung geeignet und ausreichend sein kann, dem Wesen der gemeindlichen Daseinsweise, ihrer „politischen Lebensform" 3 1 3 gerecht zu werden und als Grundlage für die Bewährung der Stahl'schen Kennzeichnung zu dienen. Die Schwierigkeiten, einen sachlich zwingenden Bezug unmittelbar zwischen dem je individuellen Daseinsbereich des Gemeindebürgers und dem jeweili310 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 264: „ . . . zu beherrschen i m Stande i s t " ; vgl. auch Brater, ebenda, Fn. 265: „ . . . zu beherrschen vermag". 311 Vgl., i n bezug auf die „Nachbarschaft", die Feststellung Königs, daß selbst kleinere Gemeinden eine Vielzahl von Nachbarschaften umgreifen: H K W P I, S. 28 f., 33. 312 Z u r „Anteilnahme an dem Geschehen in der Gemeinde", auch i m Falle der Großstadt: Gutachten Schl-H, Rdn. 218, S. 154 (Hervorhebung v o m Verf.). 313 Vgl. Scheuner Λ Neubestimmung, A f K 1973,1,10.

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gen gemeindlichen Raum herzustellen, korrespondieren mit der bereits früher getroffenen Feststellung zum gemeindlichen Konstitutionsprinzip. Danach nämlich ist die Gemeinde nicht i n erster Linie Raumausschnitt, sondern räumlich konstituiertes Sozialgebilde, „örtliche Gemeinschaft" 31*. Auch der Wortlaut der von Stahl vorgenommenen Umschreibung selbst verweist auf diesen überindividuellen, sozialen Ansatz. Denn i n ihr ist nicht von dem „engen Raum" täglicher Lebensführung des einzelnen Gemeindemitglieds die Rede, sondern sie bezeichnet als das „ e i g e n t ü m l i c h e Band der Gemeinde" eben „die Gemeinschaft in dem engen Raum, den der Mensch mit seiner leiblichen Gegenwart zu beherrschen i m Stande i s t " 3 1 5 . Gerade die intensive kommunikative Verdichtung hochdimensionierter Bildungen i n den städtischen Ballungszonen legt es nahe, den Bezug des individuellen Lebenskreises eher i n der Raumgemeinschaft, der sozialen Verflechtung, als unmittelbar i m Territorium selbst zu suchen. α) Geht es somit darum, den räumlichen Kreis täglicher physischer Präsenz des einzelnen m i t dem räumlich konstituierten, i n diese individuelle Sphäre des einzelnen Gliedes hineinragenden sozialen Verband zu verknüpfen, so bedarf es, besonders i m Hinblick auf städtische Großformen, der Präzisierung des Verhältnisses von Gebiet, Gemeinschaft und idividuellem Lebensbereich. Dabei kann einerseits die „Gemeinschaft i n dem engen Raum" nach den bisherigen Überlegungen nicht so aufgefaßt werden, daß die territorial umschriebene konkrete Sphäre alltäglicher Präsenz des jeweils einzelnen Bürgers ihn und die sonst auf dem so definierten Territorium ansässigen Mitbürger zu einer „Gemeinschaft" zusammenschließt. Denn dieser individuelle Raum umschließt, wie dargestellt, auch die nur potentiell i m Rahmen des Alltäglichen erreichbaren Bezirke der näheren Umgebung mit ein. Darüber hinaus hängt die Begrenzung des solchermaßen „Üblichen" zumindest auch i n einem gewissen Rahmen psychologisch von dem Identitätsbewußtsein m i t der als „eigene" empfundenen Gemeinde ab. So spricht also einerseits gegen die Beschränkung auf den je aktuell i m individuellen Fall alltäglich durchmessenen Raum, daß, wollte man auf ihn die „örtliche Gemeinschaft" gründen, sie den einheitlichen Gemeindebegriff i n eine Fülle von Teilgemeinschaften auflösen würde, jeweils zentriert u m jedes einzelne Gemeindemitglied. Die gemeindliche Gemeinschaft entfiele dann insbesondere als einheitlicher Verband gänzlich, wenn auf Grund etwa der geographischen Gegebenheiten oder der soziologischen Struktur die empirisch feststellbaren individuellen Lebensräume einzelner Bürger oder bestimmter Gruppen — zum Beispiel in weit entfernten Vorstädten — sich überhaupt nicht schneiden, 314 315

Vgl. oben 2. Teil, 2. Kap. unter C. I I . 2. Vgl. oben 2. Teil. Fn. 264 (Hervorhebung v o m Verf.).

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sondern, geographisch betrachtet, allein durch den Daseinsbereich dritter Gruppen i n den dazwischenliegenden Wohnvierteln verknüpft sind 3 1 6 . Andrerseits: Faßt man, wie erforderlich, den „engen Raum" körperlichen Daseins nicht statistisch-aktuell, sondern, darüber hinausgehend, psychologisch-potentiell auf, so zählt zu den konstitutiven Elementen dieses Raumes die Teilhabe an der örtlichen Gemeinschaft der Gemeinde insgesamt. I h r territorialer Bereich als ganzer läßt dem einzelnen Mitglied die gemeindliche Sphäre als eigene erscheinen, weil die Teilhabe an der Gemeinschaft die Teilhabe an ihren sämtlichen Gütern i m weitesten Sinne vermittelt 3 1 7 . Konstituiert aber i n solcher Weise die „örtliche Gemeinschaft" und ihr Raum die Bemessung der individuellen räumlichen Lebensphäre zumindest mit, so kann nicht andrerseits diese den Umfang jener begründen. Ins entgegengesetzte Extrem fiele es, die Bedeutung der unmittelbaren Daseinssphäre allein darin zu sehen, daß sich die Teilhabe des einzelnen Gemeindebürgers an der gemeindlichen Gemeinschaft für i h n innerhalb seines unmittelbaren Lebensraumes realisiert und aktualisiert. Damit verlöre dieses K r i t e r i u m die unterscheidende Schärfe. Gleich, welche Maßstäbe und Gestaltungen eine räumlich konstituierte administrative und soziologische Einheit hätte, für den einzelnen Bürger würde die durch sie beschriebene „Gemeinschaft" jeweils und nur i n seinem Lebenskreis erfahrbar. Damit sänke der Aussagewert auf den der „untersten Verwaltungseinheit" 3 1 8 . Zwar könnte die Frage gestellt werden, ob nicht bei einer solchen Betrachtung der Begriff der „Gemeinschaft" überdehnt würde. Gerade dies zeigt aber, wie unspezifisch damit der Gehalt des Elements „Raum der physischen Gegenwart" wird. ß) Kann somit die „örtliche Gemeinschaft" nicht durch den Personenverband definiert werden, der i m — aktuellen oder potentiellen — Raum körperlicher Präsenz des einzelnen, individuellen Gemeindebürgers ansässig ist, erschöpft es ihren Begriff auch nicht, daß es sich um einen, irgendeinen räumlich begründeten Personenverband handelt, der sich i m Lebensbereich des Einzelbürgers für ihn aktualisiert, so muß das Element des „engen Raumes" körperlicher Präsenz von der ausschließlichen Ausrichtung auf den einzelnen Gemeindebürger gänzlich gelöst werden. 816 Dazu, daß eine grundsätzliche Identifizierung des einzelnen Bürgers m i t „seiner" — auch großstädtischen — Gemeinde, u n d zwar m i t dieser als Einheit, keine bloße F i k t i o n ist, vgl. die aus praktischer Erfahrung resultierenden A u s führungen bei Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 35 ff. 317 Vgl. die Formulierung Stahls, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 21: „Gegenstand u n d Zweck (τέλος) des Gemeindeverbandes ist deshalb das, was durch solche unmittelbare Nähe zur gemeinsamen Angelegenheit w i r d , das örtliche Interesse." (Hervorhebung i m Original.) 318 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter A .

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Die bisherige Untersuchung des Sinngehalts der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie hat unter den verschiedenen, behandelten Aspekten stets die durch „örtliche Verbundenheit" der gemeinsam Ansässigen gebildete Gemeinschaft als elementare Substanz der „Gemeinde" ausgewiesen. Daher fragt es sich, ob i n der gemeindlichen Realität nicht eben das Element des „örtlichen", m i t Stahl verstanden als Raum der unmittelbaren physischen Präsenz, den gemeinschaftsbildenden Faktor und insofern das entscheidende Kennzeichen der Gemeinde darstellt. So verstanden wären i n den Gemeinden jeweils Bürgergruppen zusammengefaßt, denen die elementaren Bedingungen des täglichen Daseins gemeinsam sind 3 1 9 . Der natürlichen Vorgegebenheit dieser unmittelbaren Daseinssphäre und ihrer grundlegenden Bedürfnisse entspräche dabei insbesondere die Feststellung von der natürlichen Existenz, der Vorfindlichkeit örtlicher Gemeinschaft 320 . Daß die gemeinsame Bedingtheit des alltäglichen, unmittelbaren Lebensbereichs geeignet ist, das „eigentümliche Band der Gemeinde" 3 2 1 zu bilden, ergibt zum einen seine Bedeutung für den Menschen, für jedes Mitglied der örtlichen Gemeinschaft, zum anderen der Umstand, daß in diesem Bereich — wie allgemein — „der Mensch ein i n Gemeinschaft lebendes Wesen i s t " 3 2 2 . I n diesem örtlichen Bereich realisiert sich, vollzieht sich der große Teil des unmittelbar gelebten Lebens 323 . I n i h m zentrieren sich, bedingt durch den ständigen Wohnsitz, die dem einzelnen zugehörigen Güter, jedenfalls soweit sie zu i h m durch den persönlichen Gebrauch i n unmittelbarer Beziehung stehen. I n i h m aktualisieren sich entsprechend die Bedürfnisse des täglichen Lebens des einzelnen, Nahrung, Wohnung, Kleidung, Energie, Hygiene, Gesundheit, Kultur, Bildung, Kommunikation; i n i h m muß infolgedessen bei weitem der größte Teil der „Daseinsvorsorge" i m strengen Sinn des Wortes erbracht werden 3 2 4 . Damit konkretisiert sich der soziale Bezug nach A r t und Intensität, der sich zwischen dem einzelnen und den nachbarschaftlich siedelnden anderen auf der Grundlage gemeinsamer Bedingtheit des unmittelbaren all319 Vgl. zur Gemeinde, zur kommunalen Selbstverwaltung als dem adäquaten Ort zur Befriedigung der „Vitalsphäre": Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125. 320 y g i . Peters, Lehrbuch, S. 202; vgl. auch ebenda S. 112, wo die gemeindlichen örtlichen Gemeinschaften unter die „politischen Verbände der i r r a t i o nalen Gemeinschaftsordnung" gezählt werden; zustimmend Salzwedel, K o m munalrecht, S. 219; vgl. auch Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38. 321

Vgl. oben 2. Teil, Fn. 264. Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38. 323 König, H K W P I, S. 20 f., 50, ausdrücklich i m Hinblick auf die Gemeinde. 324 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, insbes. S. 124 ff.; vgl. auch Röttgen, Sicherung, S. 193, der die „leistungsfähige Ortsverwaltung" als „elementare L e bensnotwendigkeit des modernen Menschen" bezeichnet; ferner Scheuner,Neubestimmung, A f K 1973, 1, 35: „Die Gemeinde als Stätte der Gestaltung des menschlichen Lebensraumes", vgl. auch daselbst S. 35 ff. 322

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täglichen Lebens bildet. Schon die „stete Berührung der Personen, die unmittelbare Nachbarschaft der Sachen" 325 an sich sind geeignet, sozialen Bezug zu erzeugen. Aber weder erschöpfen sich die sozialen Bezüge des Menschen — auch nicht i n seinen „kategorialen Grunddaseinsfunktionen . . . — wohnen, in Gemeinschaft sein, sich versorgen, bilden, arbeiten, sich helfen und am Verkehr teilnehmen" 3 2 6 — i n diesem Bereich „steter Berührung"; sie greifen nicht selten weit darüber hinaus 3 2 7 . A n drerseits ist, wie oben gezeigt 328 , der gemeindliche Raum — auch überkommener Prägung — nicht mit dem jeweiligen Gebietsausschnitt konkreter und aktueller wechselseitiger physischer Präsenz und Kommunikation identisch. Jedoch bewirken die Gegebenheiten benachbarten Wohnsitzes und die daraus resultierenden Durchdringungen und Verknüpfungen der täglichen Lebenssphären der i n einem bestimmten geographischen Teilraum Siedelnden mehr als ein bloßes „stetes Berühren". I n ihnen liegt vielmehr die Unterwerfung unter die gleichen geographischen, naturräumlichen Bedingungen begründet, Berg- oder Tallage, Belegenheit an einem Fluß, i n landwirtschaftlich fruchtbarem oder armem Gebiet. Daraus resultiert etwa die Gemeinsamkeit der Verkehrssituation, untereinander wie zur Außenwelt. Hinzu kommt die gemeinsame A b hängigkeit von der räumlichen, örtlichen wie überörtlichen Wirtschaftsstruktur. Vor allem aber: Über diese Faktoren, die objektiven Umweltgegebenheiten insgesamt, hinaus — wenn auch i n Abhängigkeit von ihnen, je geprägt und modifiziert durch sie — setzt der räumlich benachbarte Wohnsitz gemeinsame Bedürfnisse und Interessen materieller und immaterieller A r t frei, und zwar gerade gemeinsame Bedürfnisse und Interessen der alltäglichen Lebensführung und -gestaltung 3 2 9 . Diese Gemeinsamkeit besteht i n mehrfacher Hinsicht: So folgt aus der benachbarten Ansässigkeit, dem benachbarten Lebensmittelpunkt unter gleichen Umweltgegebenheiten, eine vielfältige, bis ins einzelne gehende, die konkreten ortsbedingten Details betreffende Inhaltsgleichheit der täglichen Notwendigkeiten, zum Beispiel i n bezug auf die Sicherheit und Ordnung von Personen, Lebensführung und Besitztum, auf Versorgung und Entsorgung und anderes mehr. Eine gesteigerte Verknüpfung der Interessen besteht da, wo nicht nur ihr Inhalt sich deckt, sondern sie sich auf einen gemeinsamen Gegenstand richten oder wo doch die Hilfsmittel 325

Stahl, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 21. v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95. 327 M a n denke etwa an überlokale u n d überregionale Berufsverbände, V e r einigungen wechselseitiger H i l f e etc.; vgl. die Gegenüberstellung von „Gemeindebürger" u n d „Verbandsbürger" bei Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,191 f. 328 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I I . 3. a) aa). 329 Vgl. Seibert, Gewährleistung, S. 187; ferner auch Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 f.; Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 49, spricht von „ A n g e legenheiten, . . . , die ihrer sachlichen Beschaffenheit (nach) solche der örtlichen Gemeinschaft sind". 326

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zu ihrer Befriedigung eine einheitliche Veranstaltung darstellen, etwa bei Grundstückserschließungen, wirtschaftlicher Strukturierung, Verkehrsanlagen, Schulen und dergleichen. Die diesen sachlichen Gegebenheiten zugeordnete personenbezogene Kehrseite realisiert sich i n der stetigen Erfahrung wechselweiser Angewiesenheit auf die Leistungen der anderen wie auf ihre Solidarität bei der Durchsetzung der gemeinsamen, nicht selten nur gemeinsam erreichbaren Ziele 3 3 0 . Das Dasein jedes Beteiligten w i r d dabei geprägt von dem dauernden Prozeß alltäglichen M i t - und Gegeneinanders, des Ausgleichs der individuellen Wünsche zum „örtlichen" Interesse — wobei all dies nicht nur für das Verhältnis der einzelnen Gemeindemitglieder untereinander gilt, sondern auch für ihre zahlreichen, sich mannigfach überschneidenden und durchdringenden gesellschaftlichen, politischen, beruflichen und sonstigen Gruppierungen und Assoziierungen 331 . Zusammenfassend ergibt sich damit für die Verknüpfung von örtlichem Territorium, Raum persönlichen, unmittelbaren Daseins und örtlicher Gemeinschaft i n der Gemeinde: Der räumlich benachbarte Wohnsitz hat für die auf einem bestimmten Teilgebiet des staatlichen Territoriums gemeinsam Ansässigen zur Folge, daß sich ihr jeweiliger natürlicher Raum physischer Präsenz, ihre alltägliche Lebenssphäre wechselweise durchdringt und verknüpft. Sie sind durch diese natürliche Vorgegebenh e i t 3 8 2 zu einer natürlichen Gemeinschaft verbunden und entsprechend von Außenstehenden geschieden, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: alltäglicher Umgang miteinander wie m i t dritten Personen; das tägliche Erlebnis der gleichen Umwelt, des umgebenden natürlichen Raumes, seiner geographischen, siedlungs-, verkehrsmäßigen Gegebenheiten, der Umweltbedingungen allgemein; inhaltliche Übereinstimmung und Gemeinschaftlichkeit der konkreten vitalen Bedürfnisse und Interessen, der Versorgung und Entsorgung, der Verkehrserschließung, des sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Angebots; daraus resultierend stetige anschauliche Erfahrung gemeinsamer Bedingtheit, wechselweiser Angewiesenheit und notwendiger Solidarität — besonders deutlich in Krisenzeiten, etwa i n der Phase des Wiederaufbaus der Nachkriegsjahre; damit Eingebundenheit i n einen dauernden Prozeß des Ausgleichs der individuellen Belange zum Gruppeninteresse. 330 Z u r „solidarischen" Gestaltung der eigenen elementaren örtlichen Belange: Röttgen, Sicherung, S. 198; vgl. auch Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219. 331 Vgl. Rönig, H K W P I, S. 23, der die Gemeinde bezeichnet als eine „globale Gesellschaft v o m Typus einer lokalen Einheit, die eine unbestimmte M a n n i g faltigkeit von Funktionskreisen, sozialen Gruppen u n d anderen sozialen E r scheinungen i n sich einbegreift; außerdem hat sie neben zahlreichen Formen innerer Verbundenheiten, die sich i n den erwähnten Teilen abspielen mögen, selbstverständlich auch ihre sehr handgreifliche organisatorische Außenseite (sozial, wirtschaftlich, rechtlich, verwaltungsmäßig, politisch usw.)". 332 Vgl. Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38.

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Die StahTsche These konkretisiert sich somit dahin: Die auf benachbarter Ansässigkeit beruhende örtliche Gemeinschaft und die i n i h r realisierte Verflechtung der unmittelbaren Daseinsbereiche verwirklicht sich i m wesentlichen i n der gemeinsamen Erfahrung der gleichen konkreten Grundbedingungen des täglichen Lebens und i n der gemeinsamen Befriedigung der elementaren Bedürfnisse. Umgekehrt folgt daraus als Kennzeichen gemeindlichen Dasein: Zur „örtlichen Gemeinschaft" zählen diejenigen, denen durch den räumlich benachbarten Wohnsitz die Grundelemente des täglichen Lebens gemeinsam sind 8 3 3 . cc) Wendet man die solchermaßen verstandene Formulierung von der „Gemeinschaft i n dem engen Raum" unmittelbaren physischen Daseins auf großstädtische Verhältnisse und ihre heutige Realität an, so scheiden Einwände gegen den Wirklichkeitsgehalt dieses Kriteriums aus, die sich lediglich auf Bevölkerungszahlen oder die territoriale Ausdehnung derartiger Gemeindeformen stützen. Denn die Gemeinschaft, die auf der Gemeinsamkeit der elementaren Bedingungen des unmittelbaren Daseins beruht, ist i m Prinzip unabhängig von der territorialen oder personellen Bemessung. Sie ist insbesondere nicht an eine „Uberschaubarkeit" i m überkommenen Sinne gebunden. Es bedarf i m vorliegenden Zusammenhang nicht der Erörterung, inwieweit unterschiedliche gemeindliche Größenordnungen zu unterschiedlichen Formen der Betätigung der Gemeinsamkeit der unmittelbaren Lebensbedingungen führen 3 3 4 , ferner inwieweit darin ein größeres oder geringeres Maß an Verwirklichung der Idee gemeindlicher Selbstverwaltung liegt. Derartige Differenzierungen berühren die grundsätzlich Frage nicht, ob allen Gemeinden, unab833 Vgl. Stahl, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 21: „Gegenstand u n d Zweck (τέλος) des Gemeindeverbandes ist deshalb das, was durch solche unmittelbare Nähe zur gemeinsamen Angelegenheit w i r d , das örtliche Interesse". König, H K W P I, S. 20 f.: „ D a aber die Gemeinde als globale Gesellschaft gewissermaßen eine »Totalität' sozialer Beziehungen i n sich einbegreift, bleibt sie . . . ein entscheidender Kreis politischer Willensbildung, die ihre Entscheidung aus dem Reichtum des u n m i t t e l b a r gelebten Lebens der Gemeinde schöpft (...), während i n der Staatsordnung alles notwendigerweise abstrakt w i r d . " Peters, Lehrbuch, S. 112: „Das Band irrationalen Gemeinschaftsgeistes bildet . . . das räumliche Zusammenwohnen . . . " Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219, der die Gemeinde als „körperschaftlichen Vorteils- u n d Lastenverband" kennzeichnet u n d fortfährt: „ W e r i n der Gemeinde wohnt, w i r d von dem Gefühl des Zusammengehörens, des Aufeinander-Angewiesenseins u n d u. U. einer schicksalhaften Verbundenheit erfaßt. D a r i n liegt ein starker Integrationsfaktor, ein körperschaftsbildendes Element eigener A r t , welches sonst n u r noch beim Staat m i t vergleichbarer Intensität w i r k s a m w i r d . " v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95: „Trotzdem k a n n das Vorhandensein der Gemeinde als dauernder E i n richtung nachbarschaftlich verbundener Menschen nicht i n Frage gestellt w e r den, w e i l der Mensch nach w i e vor seßhaft geblieben ist u n d einen bestimmten Wohnsitz hat. Daraus ergeben sich f ü r i h n u n d seine Nachbarn Bedürfnisse, die eine kommunale Regelung erfordern. Daher ist die Gemeinde nach w i e vor bestimmt, die ,Gesamtinteressen der durch unmittelbares Nebeneinanderwohnen auf eine nähere Lebensgemeinschaft Angewiesenen i n sich aufzunehmen'." 334

Vgl. etwa Gutachten Schl-H, Rdn. 218 ff., S. 154 f.

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hängig von ihrer konkreten Gestaltung, überhaupt ein gemeinsames, essentielles Merkmal, eine Basis der Gemeinschaftsbildung eigentümlich ist. (χ) Damit ist des näheren einmal dem Argument die Grundlage entzogen, jenseits einer bestimmten Größenordnung, einer bestimmten territorialen Ausdehnung insbesondere, könne für den einzelnen Gemeindebürger, auch nicht potentiell, das Gemeindegebiet als Raum seiner unmittelbaren körperlichen Beherrschbarkeit angesehen werden. Denn das Charakteristikum der Gemeinde ist nicht die geographische Identität von Gemeindegebiet und konkreter Lebenssphäre des einzelnen. Es kommt allein auf die Identität der wesentlichen konkreten, objektiven und subjektiven Elemente des unmittelbaren Daseins und den dadurch erzeugten personalen Verbund der auf dem Gemeindegebiet ansässigen Bürger an. Diese Gemeinsamkeit der konkreten Lebensbedingungen und die durch sie definierte Gemeinschaft bestehen aber unabhängig davon, ob und mit welcher Häufigkeit das einzelne Mitglied des so gekennzeichneten sozialen Verbandes sich i n diesem oder jenem Teil der geographischen Fläche aufhält, auf der der Verband ansässig ist. ß) Aber auch ein zweites, die Gemeinsamkeit der Lebensbedingungen betreffendes Bedenken verfängt nicht. Es könnte nämlich die These aufgestellt werden, jenseits einer bestimmten Größenordnung städtischer Bildungen sei — etwa zwischen weitentfernten Stadtteilen — auch eine solche Gemeinsamkeit i n den Grundgegebenheiten des täglichen Daseins nicht mehr vorhanden. Bei einer derartigen Argumentation müssen von vornherein etwaige — über den gegenwärtigen Befund hinausgehende und seine Strukturen prinzipiell verlassende — Neubildungen der nahen oder ferneren Zukunft ausscheiden 335 . Denn bei Beantwortung der Frage, ob die Stahl'sche Charakterisierung auch die heutige gemeindliche Wirklichkeit noch trifft, kann legitimerweise nur die gewachsene kommunale Entwicklung i n Rechnung gestellt werden. Ein radikaler Bruch m i t ihren Maßstäben, etwa i m Rahmen einer Gebietsreform, könnte, wenn er praktisch werden sollte, an dem hier entwickelten K r i t e r i u m erst gemessen werden, nachdem dessen verfassungsrechtliche Relevanz i m übrigen nachgewiesen ist — und dann unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit derartiger neuer Bildungen. I m Hinblick auf die gegenwärtig bestehenden großstädtischen Gemeindeformen greift das Bedenken der Inkohärenz der elementaren Lebensbedingungen nicht durch. Das deutet sich bereits darin an, daß für die modernen Agglomerationen eher ihre Ausstrahlung, die Einbezie335

Vgl. etwa die Vorstellung eines „Zusammenwürfeins" funktionierender u n d eigenständiger Städte, w i e sie Thieme, Die magische Z a h l 200 000, D Ö V 1973, 442, 446, den Neugliederungsplänen f ü r das Ruhrgebiet v o r w i r f t .

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hung des Umlands i n ihre Lebensform i m Vordergrund steht, also i m Gegenteil sogar eine Angleichung der grundlegenden Daseinsbedingungen über ihre Grenzen hinaus 3 3 6 . Wesentliches Kennzeichen solcher städtischen Agglomerationen ist, jedenfalls für den größten Teil ihres bebauten Gebietes, die geschlossene, vielfach außerordentliche Verdichtung der Siedlungsweise 337 . Wenige Beispiele schon machen deutlich, i n welchem Maße gerade eine derartige Dichte der Besiedelung die betroffenen B ü r ger den gleichen elementaren Lebensbedingungen unterwirft, sie vor die gleichen alltäglichen Probleme stellt. Das gilt etwa für die Ordnung der baulichen Nutzung, die Ausschöpfung und Distribution der verschiedenen — knappen — Wohnungs- und Gewerbenutzungsflächen, die Gestaltung des individuellen und öffentlichen Verkehrs, Versorgung m i t Nahrungsmitteln und Konsumgütern, Aufrechterhaltung mindester klimatischer und sonstiger Umweltbedingungen, Kanalisation, Energiebeschaffung und anderes mehr 3 3 8 . Die Betrachtung der gemeindlichen, insbesondere der städtischen Daseinsform erweist sich gerade hier besonders augenfällig als ein Teilaspekt der übergreifenden Tendenzen und Strukturwandlungen i m gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Raum 3 3 9 . Dieser Prozeß ist gekennzeichnet durch die Stichworte: Industrialisierung, Technisierung, Bevölkerungsverdichtung, Knappheit der Ressourcen, Egalisierung und Steigerung der individuellen Bedürfnisse, Steigerung der Abhängigkeiten des einzelnen, Einengung der Entscheidungs- wie Entfaltungsspielräume durch gesteigerte Sachzwänge, wachsende Komplexität der Entscheidungsdaten, Dominanz der Leistungskomponente, zunehmend der Planungsfunktionen, allgemein Ausweitung des Aufgabenfeldes staatlicher Tätigkeit 3 4 0 . Diese Gesamtgegebenheiten schlagen sich i m gemeindlichen Bereich m i t besonderer Deutlichkeit nieder. Vor allem i n den städtischen Siedlungen, i n der konkreten Ansässigkeit der Bürger, w i r d die „Verdichtung" real erfahren, werden die Bedürfnisse i n der unmittelbaren Lebensführung handgreiflich akut und tatsächlich befriedigt, w i r d der Schwund der früheren Autarkie, die Abhängigkeit von den anderen, von den überindividuellen Einrichtungen und Veranstaltungen „erlebt". Entsprechend konstatiert die kritische Betrachtung den Wandel 338 Vgl. etwa Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 45 f. ; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 35 ff. ; Scheuner, Verwaltungsreform, A f K 1969, 209, 214 f.; Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 4 f. 337 Vgl. Gutachten Nds, Rdn. 200, S. 65; Rdn. 260, S. 79 f. (Hannover) ; Rdn. 289, S. 89 (Braunschweig); Rdn. 304, S. 93 (Osnabrück); Gutachten NW, Abschnitt B, S. 17; S. 29 (Ruhrgebiet); S. 31 f. (Ballungszonen N W ) ; Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.2., S. 20; Gutachten Schl-H, Rdn. 218, S. 154. 338 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 112 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 36 f. 339 ygi isbary, Der Standort der Städte i n der Raumordnung, S. 3. 340

Vgl. grundlegend: Forsthoff,

11 Losehelder

Industriegesellschaft, insbes. S. 75.

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der kommunalen Daseinsform zur „Versorgungsgemeinde" 341 . So orientiert sich die Konzipierung des künftigen gemeindlichen Gebietszuschnitts i m Rahmen der Gebietsneugliederung i n hohem Maße am Versorgungsgedanken, an „Versorgungsnahbereichen" 342 . Somit ist festzustellen: Unbeschadet der Frage, wie und i n welchem Maße sich die Faktoren gewandelt, auch reduziert haben, auf die sich i n früheren Zeiten die „örtliche Verbundenheit" der Gemeindebürger gründete — man denke an Heimatgedanken, Tradition, Brauchtum 3 4 3 —, besteht heute die wesentliche Gemeinsamkeit der i n der Gemeinde A n sässigen i n den elementaren Lebensbedürfnissen, i n der Angewiesenheit auf Versorgung und die gemeinsame Anstrengung zu ihrer Realisierung. Entsprechend der objektiven Unausweichlichkeit der gemeinsamen Bedürfnisse und ihrer Erfüllung erzeugen diese Agenden auch subjektiv die Erkenntnis dieser Gemeinsamkeit, also, daraus resultierend, ein mindestes Maß an „Gemeinschaft" 3 4 4 . Kennzeichnet es insonderheit die groß- und weltstädtischen Ballungsgebilde, daß i n ihnen die Siedlungsdichte gegenüber den ländlichen und mittelstädtischen Strukturen überproportional gesteigert ist, so hat dies, wie dargelegt, einen entsprechend reduzierten räumlichen und sachlichen Spielraum individueller Gestaltung und Eigenversorgung hinsichtlich der unmittelbaren Lebensbedürfnisse, auch ein verringertes Maß der Möglichkeit ihrer Verminderung, etwa durch Verzicht, zur Folge — etwa was Kanalisation, Hygiene, Energie betrifft 3 4 5 . Umfang und Intensität der Bindung an den „Nutzen- und Lastenverband" der gemeindlichen Bürgerschaft 346 , die objektiv reale und subjektiv erfahrene Abhängigkeit des Individuums i m örtlichen sozialen Verband sind entsprechend höher anzusetzen. Folglich liegt der Schluß nahe, daß i m großstädtischen Ver341 v g l . Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30; ders., Daseinsvorsorge, insbes. S. 124 f.; Isbary, Der Standort der Städte i n der Raumordnung, S. 10 ff., 20 ff.; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806 m. w . N. 342 Vgl. Laux, Kriterien, DVB1.1968, 374, 375 f.; ders., Verwaltungsgliederung u n d Versorgungsnahbereich, insbes. S. 9 ff. ; ders., Methoden u n d Technik, insbes. S. 5 f.; grundlegend zur Frage der Versorgungsnahbereiche: Isbary, Zentrale Orte u n d Versorgungsnahbereiche; zur praktischen Reformanwendung vgl. vor allem Gutachten N W , Abschnitt A , S. 21 ff. unter 18. ff. u n d die Schlußfolgerungen S. 26 ff. u n t e r 25. ff. 343 Vgl. Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 31 ; allgemein zur Auflösung „örtlicher Verbundenheit" i m überkommenen, „geschlossenen" Sinn: Heemeyer, StadtUmland-Verflechtungen, S. 131 ff. m. w. N. 344 Vgl. Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 32; Salzwedel, Gefährdung, S. 65; Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 35 f.; vgl. insbes. zur Großstadt: Gutachten Schl-H, Rdn. 218, S. 154. 345 Vgl. grundsätzlich zum Phänomen der Ausweitung des „effektiven" Lebensraumes physischer Präsenz bei gleichzeitiger Schrumpfung des „beherrschten" Lebensraumes i m strengen S i n n eigenständiger Gestaltung u n d Nutzung: Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 112 f.; ders., Industriegesellschaft, S. 75 f. 346 Vgl. SalzwedeL Kommunalrecht» S. 219.

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dichtungsbereich — nimmt man die bereits erwähnte, für i h n charakteristische, räumlich, verkehrstechnisch und psychologisch bedingte gesteigerte Mobilität und Kommunikation allgemein hinzu — eine ungleich größere Zahl von Menschen auf einem ungleich größeren Territorium objektiv und subjektiv zu einer Gemeinschaft von unter gleichen unmittelbaren Existenzbedingungen und Interessen Lebenden zusammengeschlossen wird, als dies i n weniger verdichteten Gebieten der Fall ist 3 4 7 . Dabei bedarf es hier keiner näheren Untersuchimg, ob und i n welcher Weise sich die Faktoren und ihr Stellenwert — Heimatgedanke einerseits, gemeinsame Bedürfnisse andrerseits etwa — unterscheiden, die i m ländlichen Bereich, bei mittelstädtischen Strukturen und i n Ballungszonen objektiv und subjektiv als gemeinsame Bedingungen des unmittelbaren täglichen Lebenskreises dominieren 3 4 8 . Allerdings w i r d man auch i m rein ländlichen Raum den Gesichtspunkt der Bedürfnisgemeinschaft nicht allzu niedrig ansetzen dürfen; denn die m i t dem Prozeß der Industrialisierung verbundene fortschreitende strukturelle Annäherung von Stadt und Land und die darin einbeschlossene Angleichung der Erfahrungen, Ansprüche und Lebensformen der Bevölkerung 3 4 9 haben von der ehemaligen weitgehenden Autarkie und Bedürfnisbescheidung dörflicher Daseinsweise wenig übriggelassen 350 , vielmehr auch hier den Versorgungsgesichtspunkt gemeindlicher Gemeinschaft i n den Vordergrund gerückt. Ungeachtet andrerseits der Lockerung überkommener nachbarschaftlicher Bindungen, ungeachtet steigender Anonymität der individuellen Existenz i m verdichteten städtischen Bereich 3 5 1 , besteht kaum Anlaß, hier die Bedeutung traditioneller gemeinschaftsbildender Elemente — Heimatbewußtsein, Brauchtum, gemeinsame Geschichte — schlechthin zu leugnen 3 5 2 . Dem widerspricht nicht nur das auch heute und bei der Mehrzahl der einzelnen Einwohner feststellbare Zugehörigkeitsgefühl auch und gerade bei Groß- und Weltstädten sowie deren nicht meßbare, aber erfahrbare unverwechselbare Atmosphäre, wie sie sich 347 Vgl. einerseits Preuß, Staat u n d Stadt, S. 37 f., der i n dem „ v i e l gepriesenen u n d v i e l gescholtenen Anschwellen der städtischen u n d großstädtischen Agglomerationen" nicht n u r keinen Widerspruch, sondern geradezu eine H e r ausforderung zu verstärkter „Urbanisierung", u n d zwar i m S i n n genossenschaftlicher, bürgerlicher Selbstverwaltung sah. Auch der These Bahrdts, daß die „Stadtregion" heute den w i r k l i c h e n Ort kommunalen Geschehens darstelle, liegt die großräumige Einheit gleicher Bedingungen u n d Bedürfnisse des v e r städterten Raumes zugrunde: vgl. Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 45 f. 348 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 218 - 220, S. 154 f. 34» V g l Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29. 350 Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 39 f. ; Röttgen, Strukturwandel, insbes. S. 245 ff., 248 ff.; Merk, Z u k u n f t , S. 14,17. 351 Vgl. Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,191. 352 Vgl. zur Bedeutung einer Erhaltung historischer Altstadtviertel etwa den Tagungsbericht von Hollatz i n : Städtetag, 1973, S. 666 f.

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etwa i n traditionellen Volksfesten, insbesondere auch i n der spezifischen Gestaltung der lokalen Presse deutlich objektiviert 3 5 3 . Dem widerspricht vor allem der häufig nicht hinreichend beachtete Umstand, daß die unzweifelhaft gestiegene übergemeindliche Mobilität der Bevölkerung nicht nur absolut wesentlich geringer ist als gemeinhin angenommen, daß sie i m Schwerpunkt nur bestimmte soziale Gruppen betrifft, sondern vor allem, daß sie gerade i m großstädtischen Bereich den allgemeinen Durchschnitt nicht übersteigt, ja kaum erreicht 3 5 4 . Für die Frage nach dem heutigen Realitätsgehalt der Stahl'schen Charakterisierung gemeindlicher Daseinsform kommt es indes auf Inhalt und Verteilung dieser Agenden i m einzelnen nicht an. Entscheidend ist, ob nach wie vor die Gemeinde als der soziale Verband derjenigen bezeichnet werden darf, die auf Grund gemeinsamer Ansässigkeit den gleichen unmittelbaren, konkreten grundsätzlichen Lebensbedingungen unterliegen. Dieses K r i t e r i u m ist aber auch dann erfüllt, wenn, wie i n den städtischen Ballungsgebieten, objektiv und subjektiv die gemeinsamen Versorgungsbedürfnisse als derartige Bedingungen verstärkt i m Vordergrund stehen. Daher besteht auch kein Anlaß, die unterschiedliche Intensität gemeindlicher Gemeinschaftsbildung, insbesondere den unterschiedlichen Grad des subjektiven Zusammengehörigkeitsbewußtseins und der daraus resultierenden solidarischen A k t i v i t ä t der Gemeindebürgerschaft bei den unterschiedlichen kommunalen Strukturen i m einzelnen zu untersuchen 355 . Für die Erfüllung der Stahl'schen Definition ist allein entscheidend, daß überhaupt objektiv eine grundsätzliche Gemeinsamkeit der wesentlichen Bedingungen der täglichen Lebenssphäre der Gemeindebürger konstatiert werden kann; subjektiv, daß diese Gemeinsamkeit jedenfalls ein mindestes Bewußtsein sozialer Verbundenheit, wechselseitiger Angewiesenheit, Zusammengehörigkeit erzeugt. Selbst die Tatsache, daß i m Hinblick auf die subjektive Seite, das auf dieser Grundlage be353 v g l . z u r Rolle der lokalen Presse: Bückmann, Verfassungsfragen, S. 21 f.; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974,649, 656. 854 Vgl. die Erhebung des Instituts f ü r angewandte Sozialwissenschaft, infasreport v. 7. 10. 1974, wonach sich für die Bevölkerungsmobilität folgende Werte ergeben: keinmal umgezogen: 4 2 % der erwachsenen Bundesbürger (Großstädte: 43 %>; Gemeinden m i t 20 - 100 000 Einwohnern: 33 % ; dörflicher Bereich: 5 2 % ) ; seit mindestens 1945 (vor Kriegsende) ansässig: 50°/o; seit mindestens 1961 ansässig: 7 6 % ; seit mindestens 1971 ansässig: 9 2 % ; von Bedeutung ist ferner die Beschränkung gesteigerter M o b i l i t ä t auf bestimmte Personenkreise (z.B. Ansässigkeit am Geburtsort bei leitenden Angestellten u n d Beamten: 30 %), die A l t e r s s t r u k t u r (im Schwerpunkt Wohnortwechsel zwischen 25. u n d 35. Lebensjahr i m Zusammenhang m i t Eheschließung u n d beruflicher V e r änderung) sowie die geringere M o b i l i t ä t der Männer ( 4 5 % am Geburtsort ansässig gegenüber 3 9 % der Frauen). Gegen eine meßbare Steigerung der M o b i l i t ä t spricht ferner der Umstand, daß die genannten Daten gegenüber einer entsprechenden Erhebung i m Jahre 1969 konstant geblieben sind. 355 Vgl. Kottenberg/Rehn, GO NW, § 5, A n m . I I . 1, 2; Gutachten Schl-H, Rdn. 218 - 220, S. 154 f.

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ruhende Zusammengehörigkeitsbewußtsein, gerade i n modernen städtischen Strukturen eine zunehmende „Entleerung des Bürgerbegriffs", schwindende Anteilnahme an der Entwicklung der Gemeinde beklagt worden ist 3 5 6 , kann insoweit nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Für die hier erörterte Frage wäre ein auf diese Beobachtung gestützter Einwand nur dann durchgreifend, wenn man zu dem Schluß käme, daß i n großstädtischen gemeindlichen Einheiten, jedenfalls jenseits einer bestimmten Größenordnung, ein Bewußtsein bürgerschaftlicher Zusammengehörigkeit überhaupt nicht mehr — zumindest praktisch nicht mehr — existiere. Davon kann indes keine Rede sein 3 5 7 . Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß auch die großstädtisch strukturierten gemeindlichen Einheiten der Verdichtungszonen keinen Anhalt dafür bieten, daß die tatsächliche kommunale Entwicklung über die Stahrsche Charakterisierung der Gemeinde als Gemeinschaft derjenigen hinweggegangen wäre, denen die elementaren Bedingungen der unmittelbaren, alltäglichen Lebenssphäre gemeinsam sind. b) Die Ausweitung der überkommenen kommunalen Größenordnungen begründet nicht den einzigen Einwand, der sich unter den heutigen Bedingungen gegen die Kennzeichnung der Gemeinde als des Raumes unmittelbarer alltäglicher Präsenz des Bürgers erheben läßt, vielleicht nicht einmal den schwerwiegendsten. Ein zweites Gegenargument kann aus dem Gesichtspunkt der fortschreitenden Differenzierung der kommunalen Strukturen gewonnen werden. aa) Damit ist eine Erscheinung angesprochen, die, anders als die wachsende Dimensionierung, nicht so sehr für den großstädtischen Bereich selbst kennzeichnend ist. Er umgreift typischerweise den alltäglichen individuellen Lebensraum seiner Bürger verhältnismäßig weitgehend; i n i h m findet der Bürger andrerseits nahezu alle Leistungen i n vollem U m fange vor, deren er für seine unmittelbare tägliche physische und ideelle Lebensführung bedarf. Gerade diese Koinzidenz der individuellen Lebenssphäre m i t einem einheitlichen gemeindlichen Raum umfassender Bedürfnisbefriedigung findet sich jedoch jenseits der Großstadt nicht, weder i n den zu ihrem Einzugsgebiet gehörenden kleineren gemeindlichen Einheiten, noch auch i n Regionen, i n denen klein- und mittelstädtische sowie dörfliche Bildungen vorherrschen. Hier führen vielmehr ins358 Vgl. etwa Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191 m. w. N. 357 y g i . Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 ff.; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 30; selbst die skeptische Diagnose Thiemes, Bund, L ä n der u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191 f., gipfelt nicht i n der Prognose, daß die gemeindliche Ebene schlechthin gegenstandslos werde, sondern i n der Forderung eines neuen — weiträumigeren! — kommunalen Zuschnitts; ähnliches g i l t für Bahrdt Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 39 f., 45 ff.

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besondere steigende Mobilität wie wachsende Ansprüche an die kommunalen Leistungen zu einer Auflösung solcher Ubereinstimmung. Die politische Gemeinde stellt i n vielen Fällen, insbesondere bei mittleren und kleinen Dimensionen, nicht mehr zugleich den Gesamtraum der täglichen Lebensführung des einzelnen dar 3 5 8 . Je nach den interkommunalen Strukturen des jeweiligen Gebiets können die Gründe sehr unterschiedlich sein, aus denen eine größere oder geringere Anzahl von Bürgern regelmäßig i n einem solchen Umfang benachbarte Gemeinden aufsucht, daß insoweit auch i n deren Bereich (Teil-)Zentren der unmittelbaren Lebensführung entstehen. So nehmen etwa die Angehörigen kleiner Gemeinden die öffentlichen und privaten Leistungen nahegelegener größerer Gemeinden i n Anspruch — die dort sich bietenden Einkaufsmöglichkeiten etwa, das kulturelle und schulische Angebot, sonstige Aus- und Fortbildungsveranstaltungen, Einrichtungen der Gesundheitspflege und ähnliches. Andrerseits können Bevölkerungsgruppen des städtischen Bereichs sich der Freizeit- und Erholungswerte benachbarter ländlicher Gebiete bedienen 359 . Vor allem ist i n diesem Zusammenhang das Pendlerwesen zu nennen 3 6 0 , das durch Auseinanderfallen von Gemeinde des Wohnsitzes und Gemeinde des Arbeitsplatzes bedingte tägliche H i n - und Herwechseln von der Wohn- zur Arbeitsplatzgemeinde und nach Ende der Arbeitszeit zurück zur Wohngemeinde 361 . Angesichts der existentiellen Bedeutung der beruflichen Sphäre für den einzelnen, seiner i n i h r gebündelten vitalen Interessen, der Dichte der i n ihr sich knüpfenden sozialen Beziehungen und des auf sie entfallenden täglichen Zeitbedarfs macht dieses Phänomen besonders deutlich, ein wie erheblicher Teil der täglichen Lebensführung sich bei einer solchen Differenzierung außerhalb des Gebietes der Wohngemeinde, also der Gemeinde, i n der die Bürgereigenschaft besteht, abspielen kann 3 0 2 . Diese Mehrpoligkeit des täglichen Lebens prägt i n vielen Fällen ganze Gemeinden, sogenannte Wohngemein858 Vgl. Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 37 ff., 45 f.; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 34 ff., 69 f., 134 f.; Klotz, Zuständigkeit, D Ö V 1967, 184, 1871; Mäding, A d m i n i s t r a t i v e Zusammenarbeit, A f K 1969,1, 5 f., 8; Pappermann, Verwaltungsverband, D Ö V 1975, 181,186 f.; Roters, Kommunale M i t w i r k u n g , S. 14; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 19 f.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,193 ff. 859 Vgl. Wagener, Neubau, S. 34 ff. 880 Hierzu insbes. Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 193 f.; vgl. auch Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969,1, 8. sei F ü r A p r i l 1974 weist das Statistische Jahrbuch f ü r die Bundesrepublik Deutschland 1975, S. 149, v o n insgesamt 27 234 000 Erwerbstätigen mehr als ein Viertel, nämlich 7 383 000 als Auspendler aus. Vgl. auch die signifikante, wenn auch inzwischen bereits veraltete graphische Darstellung des BerufsPendlerverkehrs aus Nürnberg, bei: Lehr, Verkehrsentwicklung, S. 36. 382

193 f.

So nachdrücklich Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185,

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den, deren Bevölkerung zum überwiegenden Teil in einer — regelmäßig erheblich größeren, städtisch strukturierten — Nachbargemeinde ihren Arbeitsplatz hat 3 6 3 . I m Hinblick auf derartige Befunde liegt die These nahe, hier könne die Gemeinde des Wohnsitzes nicht mehr als Verband der auf Grund gemeinsamer Ansässigkeit unter gleichen elementaren alltäglichen Bedingungen Lebenden gewertet werden. Denn hier bestehe zwischen den Bürgern der Gemeinde lediglich i m Hinblick auf einen Teil der elementaren Lebensbedingungen Gemeinschaftlichkeit, nämlich die zum Wohnsitz akzessorischen, während ihnen ein anderer Teil, insbesondere die auf den Arbeitsplatz bezogenen, m i t den Bürgern einer anderen Gemeinde gemeinsam sei 3fl 4 . bb) Es fragt sich aber, ob diese Argumentation tatsächlich geeignet ist, die hier versuchte Kennzeichnung der gemeindlichen Daseinsform zu widerlegen. Es fragt sich insbesondere, ob mit dem solcher Argumentation zugrundeliegenden Postulat einer möglichst weitgehenden Identität von gemeindlichem Raum und Lebenssphäre des Gemeindebürgers nicht wiederum verdeckt ältere Vorstellungen von der Gemeinde als „geschlossene^) Lebensgemeinschaft" 365 , ein „kommunales Inseldenken" 3 6 6 ins Feld geführt werden, die i n dem StahPschen K r i t e r i u m selbst, i m hier vertretenen Verständnis, nicht enthalten sind. Der Umstand, daß i n der älteren Gemeinde die „örtliche Gemeinschaft" und das von ihr beherrschte Territorium die konkrete Lebenssphäre des einzelnen Gemeindebürgers voll umfing 3 6 7 , besagt für sich alleine nicht mehr, als daß diese vergangene Form gemeindlicher Wirklichkeit i n einer spezifischen Weise die Anforderung der auf gemeinsame Lebensbedingungen gegründeten Gemeinschaft erfüllte. Die Bedingungen, die Formen des unmittelbaren Daseins selbst, haben sich aber inzwischen gewandelt. Es ist eine Ausweitung und Differenzierung der individuelllen Lebenssphäre eingetre383 y g i . Wustlich i n : Malz, Umweltplanung, Stich w o r t „Satellitenstadt", S. 478 f.; ders., ebenda, Stichwort „Schlafstädte", S. 479; vgl. ferner das besonders ausgeprägte Beispiel der Gemeinde Hochdahl i m Einzugsbereich Düsseldorfs (Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, S. 202 ff., 217 f.), deren ca. 5 500 Erwerbspersonen ca. 1 600 Arbeitsplätzen i n der Gemeinde selbst gegenüberstehen, während 78 %> auspendeln, davon allein 54 °/o nach Düsseldorf (ebenda S. 203 f.). 364 Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 193, bezeichnet den Pendler als soziologisch zu zwei Gemeinden gehörend; vgl. auch Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 45; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 20. 385

Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 2. Klotz, Zuständigkeit, D Ö V 1967,184,187. 387 Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 40 f.; Klotz, Z u ständigkeit, DÖV 1967, 184, 187; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,193. 388

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ten, eine zunehmende Verflechtung i n die Bezüge eines größeren, vielfach über den örtlichen Bereich hinausgehenden Raumes, die Entfaltung des täglichen Lebens um mehrere, räumlich getrennte Pole 3 6 8 . Diese Pole fallen i m großstädtischen Verdichtungsgebiet regelmäßig weitgehend i n den Raum einer einzigen Gemeinde 369 , jenseits solcher Zonen i n großem Umfang i n mehrere verschiedene Gemeinden. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, unter den heutigen Gegegebenheiten erfülle lediglich die hochdimensionierte Großgemeinde noch voll das StahTsche Kriterium. Infolgedessen müsse die kommunale Selbstverwaltung, jedenfalls i m Bereich kleiner Gemeinden, auf eine höhere, mehrere lokale Einheiten umfassende Ebene angehoben werden 3 7 0 . Letztlich liefe dies aber darauf hinaus, wiederum eine einzige, spezielle Form gemeindlicher Gestaltung zu verabsolutieren und für die anderen zum Maßstab zu erheben 371 . Eine solche Bewertung stände vor allem i m Widerspruch zur fortdauernden Bedeutung des Wohnsitzes als Lebensmittelpunkt individueller Lebensgestaltung. Nach wie vor nämlich ändert die gesteigerte Mobilität nichts daran, daß sie auf einer Basis grundsätzlicher Seßhaftigkeit ruht, sich nämlich um den jeweils festen Wohnsitz entfaltet. Dieser mag zwar mehr oder minder häufig gewechselt werden 3 7 2 , er w i r d aber nicht aufgegeben, sondern stellt für eine regelmäßig nicht unerhebliche Zeit das Zentrum des persönlichen räumlichen Daseins dar 3 7 3 . I n i h m bündelt sich die Summe der dem einzelnen zugeordneten Güter, jedenfalls soweit sie dem unmittelbaren Gebrauch dienen, und das heißt auch heute i n der Uberzahl der Fälle, der Habe schlechthin. I n ihm schneiden sich elementare soziale Beziehungen; insbesondere ist er der wesentliche Schauplatz des familiären Lebens 374 . Zwar ist er nicht mehr der Ort, wo der einzelne, seine Familie und seine Nachbarschaft autark 368 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 19 f.; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 193 f.; vgl. auch v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 653, insbes. zur gestiegenen Bedeutung der Kreise i m Zuge solcher „ E n t w i c k l u n g " ; vgl. auch Becker, Grundlage, H K W P I, S. 128; dazu auch Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 7 f., zur Wandlung der Landkreise i n „Kreisgemeinden". 369 Durchaus nicht zwingend, wie das Beispiel eines Zweithauses i n einer Gegend m i t höherem Freizeitwert zeigt: vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 20. 370 Vgl. Bahrdt, Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 40; ausdrücklich de lege ferenda Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 89 I, S. 241 f.; vgl. zu dieser Frage auch Göb/Laux/Salzwedel/Breuer, Kreisentwicklungsplanung, S. 55 f. 371 Vgl. zum analogen Vorgang einer Uberbewertung kleiner und mittlerer Formen bei gleichzeitiger A b w e r t u n g von Großgebilden oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I . 2. a) u n d die Nachweise daselbst. 372 Z u r tatsächlichen numerischen u n d personellen Begrenztheit der „ M o b i l i t ä t " vgl. die oben 2. Teil, Fn. 354 wiedergegebene Statistik. 373 Vgl. v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95. 374 I m m e r h i n weist das Statistische Jahrbuch 1975, S. 63, für A p r i l 1974 von 23 651 000 Privathaushalten 17 220 000 als Mehrpersonenhaushalte aus.

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über eigene Mittel der Existenz und Lebensführung, der „Daseinsstabilisierung" 3 7 5 verfügen. Entsprechend jedoch der statt dessen eingetretenen Abhängigkeit, Angewiesenheit des Menschen auf die Erbringung der lebensnotwendigen Leistungen durch die Allgemeinheit, ist der Wohnsitz nunmehr der Platz, an dem der einzelne — mehr als irgendwo sonst, auch als am Arbeitsplatz — dieser Leistungen bedürftig ist und an dem sie i h m erbracht werden 3 7 6 . Daher ist nach wie vor die durch räumlich benachbarten Wohnsitz unter diesen gemeinsamen elementaren Bedürfnissen stehende Gemeinschaft der natürliche und umfassende personale Verband, i n dem die konkrete Gestaltung der menschlichen Lebenszusammenhänge auch insoweit ihren sachgegebenen Schwerpunkt hat 3 7 7 . Zu Recht knüpft damit unverändert die „gemeindliche und rechtliche Verortung des einzelnen" an seinem Hauptwohnsitz an 3 7 8 . Schließlich ist i n Rechnung zu stellen: Auch insoweit, als die Wohngemeinde gerade Bedürfnisse des täglichen Lebens nicht zu befriedigen vermag, zum Beispiel nicht hinreichende Arbeitsplätze bietet, für höhere Ansprüche an schulische, kulturelle, gesundheitliche Veranstaltungen oder spezielle Anforderungen an Einkaufsmöglichkeiten oder Freizeitangebot nicht gerüstet ist, t r i t t nicht lediglich ein Defizit an bürgerlicher Gemeinschaft ein. Hieraus ergeben sich vielmehr spezifische, wiederum den i n der Gemeinde ansässigen Bürgern gemeinsame Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens: etwa der Verkehrserschließung zu benachbarten gemeindlichen Zentren, i n denen ein entsprechendes Angebot vorhanden ist und i n Anspruch genommen werden kann; vor allem aber das Zusammenwirken mit umliegenden Gemeinden oder übergeordneten Gemeindeverbänden, u m durch gemeinsame, übergemeindliche Einrichtungen oder i m Wege der Funktions- und Arbeitsteilung die erforderlichen M i t t e l umfassender Daseinssicherung zu schaffen 379 . Das bedeutet: Der bloße Umstand, daß eine mittlere oder kleine Gemeinde nicht, wie etwa eine Großstadt, alle Einrichtungen selbst bereitstellt, die einem gehobenen Standard entsprechen, hat i m vorliegenden Zusammenhang nur eine geringe Aussagekraft. Vorgängig wäre i m konkreten Fall zu fragen, welche spezifischen Bedürfnisse sich in der jeweiligen Bürger375

Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113. Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113, 124 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,11, 35 ff. 377 So insbes. m i t Nachdruck, Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 11; zur Gemeinde als Ort der i n d i v i duellen Sphäre des einzelnen u n d der lokalen Gruppe auch Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, S. 48. 378 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 19 f.; vgl. auch v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95 f. 379 Vgl. zu solcher „Kooperation": Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969, 1 ff.; vgl. auch Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, insbes. das Schema S. 69 f., ferner S. 71 ff. 376

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schaft ergeben. Denn oberhalb eines — sicherlich in den letzten Jahrzehnten i m Zuge einer allgemeinen Egalisierung, „Verstädterung" gestiegenen — Mindeststandards 380 bestehen nach wie vor erhebliche Gradund Inhaltsunterschiede der Ansprüche der Bevölkerung an die gemeindliche Verwaltung, je nach der Intensität der städtischen Strukturierung, nach den soziologischen, wirtschaftlichen, psychologischen Gegebenheiten i m konkreten Fall. Dem würde ein strikt schematisierender Katalog notwendiger Leistungen nicht gerecht 381 . Darüber hinaus können nicht nur i n bezug auf Inhalt und Dringlichkeit der Anforderungen an die zur täglichen Daseinsgestaltung dienenden gemeindlichen Einrichtungen erhebliche Unterschiede bestehen, sondern auch i n der A r t und Weise, i n der die Gemeinde auf die Erfüllung dieser Anforderungen hinwirkt. Insbesondere muß dies nicht durch die eigenständige Erbringung dieser Leistungen geschehen, was vielfach weder praktisch möglich, noch, etwa bei gehobenem Bedarf, ökonomisch zweckmäßig wäre 3 8 2 . Wenn also Gemeinden sich etwa darauf beschränken, benachbarte Veranstaltungen zugänglich zu machen, oder sich an ihnen finanziell zu beteiligen, unterscheiden sie sich zwar i n bezug auf den Inhalt der ihren Bürgern gemeinsamen Grundgegebenheiten des täglichen Lebens und der A r t und Weise ihrer administrativen Bewältigung, nicht jedoch i n Hinsicht auf diese grundsätzliche Gemeinsamkeit selbst 383 . Selbst in solchen Fällen, i n denen, insbesondere bei Zwerggemeinden, die Veranstaltungskraft pathologisch defizitär ist, also auch ein mindester Standard an Leistungen nicht erbracht werden kann 3 8 4 , ändert dies für sich betrachtet an der Gemeinsamkeit der elementaren Lebensbedingungen nichts. Liegt nämlich einerseits eine solche Gemeinde räumlich extrem isoliert 3 8 5 , so besteht die Gemeinschaft der wohnsitzakzessorisehen Lebenssphäre, abgesehen von den natürlichen Umweltbedingun380 ygi. Forsthoff, probleme, S. 9.

Stadt u n d Bürger, S. 29 f.; Werner Weber, Gegenwarts-

381 Vgl. Becker, Beobachtungen, S, 73; Röttgen, Strukturwandel, S. 252; ferner Gutachten Schl-H, Rdn. 265, S. 170; vgl. auch Gutachten Nds, einerseits Rdn. 58, S. 31, andrerseits Rdn. 69, S. 35. 382 Ygi. das klassische Beispiel der überörtlichen Verkehrsbedürfnisse auf dem flachen L a n d einerseits, der „Schulstädte" als gewachsener „zentraler Orte" andrerseits bei Röttgen, Strukturwandel, S. 250 f. 383 Ygi. z u r Notwendigkeit solcher Differenzierung u n d dazu, daß es sich insoweit keineswegs u m schlechthin neue Formen interkommunaler Verflechtung handelt: Gutachten Schl-H, Rdn. 266 ff., insbes. 268, S. 170 ff. 384 Y g i die Kataloge bei Wagener, Neubau, S. 470 („ländliche GemeindenMindestgrößenordnung"), sowie Gutachten Nds, Rdn. 58, S. 31 ; Gutachten NW, Abschnitt A, S. 26 (unter 25.: Grundtyp A) u n d S. 27 (unter 26.: Grundtyp B); vgl. auch S. 22 unter 19.; Gutachten Schl-H, Rdn. 46, S. 90 f.; grundlegend hierzu auch Isbary, Zentrale Orte u n d Versorgungsnahbereiche, S. 36 f. u n d passim; hierzu auch Laux, Methoden u n d Technik, S. 8 u n d passim. 385 Vgl. das Beispiel des „Heidedorfs" bei Röttgen, Strukturwandel, S. 252 u n d das des „Moordorfs" Gutachten Schl-H, Rdn. 265, S. 170.

C. Soziale Verflechtung i n der unmittelbaren Daseinssphäre

171

gen, i n den gemeinsamen elementaren Bedürfnissen sowie i n der gemeinschaftlichen Not, die aus ihrer Nichterfüllbarkeit resultiert. Befinden sich i n einem solchen Fall weitere Gemeinden i n einem Umkreis, der bei geeigneter Verkehrsstrukturierung eine tatsächlichere Gemeinschaftlichkeit der wohnsitzbedingten Lebenssphäre zuläßt, so mag die Zusammenlegung der Gemeinden zu einer leistungsfähigeren Einheit erwogen werden, also die Bildung einer großräumigeren „örtlichen Gemeinschaft" m i t einem anderen, positiveren Inhalt der gemeinsamen unmittelbaren Daseinsbedingungen. Liegt andrerseits eine solche defizitäre Gemeinde dergestalt i m nächsten Einzugsbereich einer leistungsfähigeren Kommune, daß deren Veranstaltungen, auch soweit sie zum Mindeststandard gehören, regelmäßig und alltäglich von der Nachbarbürgerschaft allgemein i n Anspruch genommen werden, so bedeutet auch dies keine Sprengung der „örtlichen Gemeinschaft" durch Mehrpoligkeit der unmittelbaren Lebenssphäre. Vielmehr hat sich i n einem solchen Falle die unmittelbare, wohnsitzakzessorische Lebenssphäre der notleidenden gemeindlichen Gemeinschaft unlösbar m i t der der Bürger der Nachbargemeinde verflochten; an die Stelle zweier „örtlicher Gemeinschaften" ist tatsächlich, empirisch feststellbar, eine einzige größere getreten — ein Argument lediglich gegen die überkommene kommunale Grenzziehung 386 . cc) Nach alledem kann auch der zweite Einwand nicht verfangen, der sich auf die Differenzierung der gemeindlichen Struktur, auf die Unterschiedlichkeit der von den Gemeinden erbrachten Leistungen, auf die Abstufung ihres Veranstaltungsangebots, auf ihre Arbeitsteiligkeit und ihren diesen Gegebenheiten entsprechend vielfältig modifizierten „Einzugsbereich" stützt. Auch hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: Wo — etwa i n den Ballungsrandgebieten, allgemein i m Stadtumland 3 8 7 — nicht nur die Einrichtungen einer Nachbargemeinde i n Anspruch genommen werden, sondern darüber hinaus insbesondere der Siedlungsbereich, aber auch sonst die wohnsitzakzessorischen Lebensbedingungen zu einer umfassenden Einheit zusammengewachsen sind, da hat sich aus mehreren eine einzige größere örtliche Gemeinschaft gebildet. Die rechtliche Gebietsgliederung ist i n einem solchen Fall hinter den natürlichen Grenzen der Kommunikationsverdichtung des unmittelbaren Lebenskreises zurückgeblieben, was für ihre Korrekturbedürftigkeit streitet, nicht aber gegen das StahTsche Kriterium. 386 Gerade — u n d n u r — derartige Fälle sind es, die die Analyse Bahrdts uneingeschränkt t r i f f t , wonach der kommunale Raum über das „ D o r f " hinausgehend heute mehrere dörfliche Einheiten einbegreift: Die Gemeinde i n der Industriegesellschaft, S. 40. 387 Vgl. das Beispiel Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/ Wuppertal, Rdn. 5.2.1., S. 73: „Die Gemeinde Holzheim hat i m Laufe i h r e r E n t w i c k l u n g nahezu die Züge eines Neusser Stadtteils angenommen . . . " (und passim; ähnlich S. 73 f., Rdn. 5.2.2. betr. die Gemeinde Norf).

172 I I . . Kap.: Der empirische Typus d

Gemeinde u

sein

ntalt

Wo dagegen mehrere Gemeinden, insbesondere i n der Siedlungsstruktur, noch klar abgegrenzt sind und entsprechend die wohnsitzakzessorisehe Lebenssphäre jeweils der Bürger einer Gemeinde eine eigenständige verdichtete Verflechtung bilden, da können unterschiedliche Verwaltungs-, Veranstaltungs- und Finanzkraft und deren konkrete unterschiedliche Nutzung jeweils Lebensbedingungen verschiedenen Inhalts i n den einzelnen „örtlichen Gemeinschaften" hervorbringen; sie stellen aber die je gesonderte Gemeinsamkeit gleicher elementarer Verhältnisse selbst i n der einzelnen Gemeinde nicht i n Frage. c) Für den Versuch, die StahTsche Umschreibung gemeindlichen Daseins, insbesondere unter den heutigen Determinanten gemeindlicher Wirklichkeit, empirisch zu erhärten, ergibt sich daher als Ergebnis: Trotz der gesteigerten Dimensionen großstädtischer Bildungen wie der Differenzierung der unmittelbaren menschlichen Lebenssphäre und der gemeindlichen Strukturen stellen auch unter den gegenwärtigen Bedingungen die Gemeinden politische Einheiten dar, deren Mitglieder auf der Grundlage räumlich gemeinsamen Wohnsitzes durch die Gleichheit der elementaren Daseinsgegebenheiten zu einem natürlichen Verband, einer umfassenden Bedürfnis- und Interessen-, Vorteils- und Lastengemeinschaft verbunden sind. Die einschneidenden Wandlungen von einer vorwiegend agrarischen zur industriellen Gesellschaft und die entsprechenden Veränderungen der individuellen wie kollektiven Daseinsformen haben zwar den Inhalt der die alltägliche Lebenssphäre prägenden und die gemeindliche örtliche Gemeinschaft begründenden Faktoren grundsätzlich umgestaltet, die Existenz dieser Gemeinschaft und ihr spezifisches K r i t e r i u m aber nicht berührt.

5. Kapitel

Der empirische Typus der Gemeinde und sein normativer Gehalt Die Feststellung der räumlichen und zeitlichen Invarianz des grundlegenden, von Stahl formulierten Kriteriums gemeindlicher Lebensform kann lediglich die Basis bilden für die weitere Erschließung der verfassungsrechtlichen Substanz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, der i n ihr objektivierten verfassungspolitischen Zielsetzung. Denn die empirische Bewährung dieses Kriteriums vermag für sich allein über seinen normativen Gehalt nichts auszusagen. A. Die Eignung des empirischen Kriteriums als Grundlage der Verfassungsentscheidung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG I. Das Argument der Allgemeingültigkeit des empirischen Kriteriums

Allerdings stellt die empirische Bestätigung — und damit zugleich: inhaltliche Konkretisierung — die notwendige Voraussetzung für die weitere Untersuchung dar. Weil diese Kennzeichnung der Gemeinde gleichermaßen für i h r überkommenes Erscheinungsbild wie für ihre gegenwärtigen, unterschiedlichen Ausprägungen Gültigkeit hat, ist sie überhaupt geeignet, als Grundlage der i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GGr sich ausdrückenden grundgesetzlichen Wertung in näheren Betracht gezogen zu werden. I I . Die Einfügung des empirischen Kriteriums in den Ausdeutungsrahmen der Verfassungsregelung

Die Eignung dieses Ansatzes w i r d darüber hinaus dadurch erhärtet, daß sich dieses K r i t e r i u m widerspruchslos zu den Ergebnissen fügt, die die Ermittlung des Ausdeutungsrahmens des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erbracht hat. 1. So konkretisiert die Kennzeichnung der Gemeinde als sozialer Verband, an dem der Bürger i m Bereich seiner unmittelbaren Lebensführung und in bezug auf dessen — allen gemeinsame — Grundbedingungen Anteil hat, die bereits vom Wortlaut der Verfassungsgewährleistung nahgelegte Charakterisierung der Gemeinde. Wenn sie sich nämlich auf ein personales Substrat gründet, eine „zur sozialen Einheit verknüpfte

174 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

Personenmehrheit, deren Gemeinschaftbildung zumindest auch durch Faktoren bewirkt wird, die sich über die begriffsnotwendige innere Verbundenheit hinaus als Interessen, Bedürfnisse, regelungsfähige A n gelegenheiten' i n der Außenwelt niederschlagen" 388 , so bezeichnet das von Stahl umrissene Merkmal Entstehungsgrund und Inhalt dieser Verflechtung und der aus ihr resultierenden „Angelegenheiten". 2. Da die vom Wortlaut indizierte örtliche, nachbarliche Verbundenheit der Gemeindemitglieder als tatsächliches Wesenselement gemeindlichen Daseins auch i m gewachsenen B i l d der Gemeinde und insbesondere i n der Anschauung des Verfassungsgebers präsent war, fügt sich entsprechend das empirische K r i t e r i u m der Gemeinschaft der unmittelbaren Lebenssphäre bruchlos i n das Ergebnis der Entstehungs- und Institutionsgeschichte des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein 3 8 9 . Darüber hinaus vermag es zu erklären, warum die Frage nach dem normativen Gehalt dieses Bildes seinerzeit nicht aufgeworfen wurde. Solange unter dem „älteren B i l d " der Gemeinde die grundsätzliche räumliche, siedlungsmäßige, funktionale und soziale Geschlossenheit des je konkreten örtlichen Bereichs außer Diskussion stand und auch von Gebietsänderungsmaßnahmen, unbeschadet ihrer Zahl und ihres Umfangs, i m Bewußtsein der Zeitgenossen i m Grundsatz nicht berührt wurde, bestand kein Anlaß, eine rechtliche Verbindlichkeit dieser vorgegebenen Struktur ins Auge zu fassen. 3. Endlich kann die hier entwickelte Kennzeichnung der Gemeinde die aus dem systematischen Stellenwert der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie gewonnenen Anhaltspunkte vertiefen. Die Ausrichtung der örtlichen Ebene auf effektive, eigenverantwortliche Wahrnehmung der lokalen Angelegenheiten nach dem Prinzip örtlicher Demokratie und unter Wahrung mindester Einheitlichkeit der S t r u k t u r 3 9 0 , die Wahrung der geschichtlichen Substanz und des soziologischen Zusammenhalts als Grundlage staatlicher Mindestintegration 3 9 1 gewinnen Plausibilität und Gewicht, wenn sie auf die Bewältigung der elementaren Probleme des unmittelbaren Daseins der Bürger bezogen werden. B. Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung des empirischen Befundes Versucht man, die Hypothese zu bestätigen, die grundgesetzliche Entscheidung für die Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung beruhe gerade auf einem Werturteil, einer Zielsetzung, die an der empirisch 388 389 390 391

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

oben oben oben oben

1. Teil, 1. Teil, 1. Teil, 1. Teil,

1. Kap. 2. Kap. 3. Kap. 3. Kap.

unter unter unter unter

Β . I. 3. C. C. I., II. C. I I I .

Β. Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung

175

erhärteten Qualifizierung der „örtlichen Gemeinschaft" als des lokalen Verbandes gleicher elementarer Daseinsbedingungen anknüpft, so bedarf es der Klärung, unter welchen Gesichtspunkten diese Qualifizierung geeignet ist, die verfassungsrechtliche Entscheidung zu tragen. I. Die Vorgegebenheit des realen Befundes

I n diesem Zusammenhang erscheint es zum einen bedeutsam, daß der Bereich der alltäglichen physischen Präsenz des einzelnen und der durch die Verflochtenheit der individuellen Sphären erzeugte soziale Verband, die „örtliche Gemeinschaft", nicht durch die staatliche Rechtsordnung geschaffen, sondern von ihr als faktische Gegebenheit natürlicherweise vorgefunden werden 3 9 2 . Das bedeutet freilich nicht eine Vorgegebenheit der Gemeinden i m Sinne der je konkret vorhandenen administrativen Einheiten. Gegenstand der Aussage ist lediglich der tatsächliche, politische und soziologische Befund, der Umstand nämlich, daß jedem Individuum seine Sphäre alltäglichen Daseins eigentümlich ist, der Raum seiner unmittelbaren Entfaltung; ferner daß jenseits des engsten privaten und familiären Bereichs diese Entfaltung sich i n einem Raum sozialen und politischen Miteinanders vollzieht, mit den i n größerer und geringerer Entfernung ringsum benachbart Ansässigen, sich realisiert und institutionalisiert i n der Gemeinsamkeit der gleichen Lebensbedingungen, i n der gemeinsamen Sorge und der Besorgung der daraus resultierenden Angelegenheiten 393 . Entsprechend besagt die Feststellung solcher Vorgegebenheit nichts über die staatlichen Dispositionsbefugnisse hinsichtlich des administrativen Bestands der gemeindlichen Ebene. Denn die natürliche Existenz der örtlichen Gemeinschaft, der realen „Lebens- und Gesellschaftszusammenhänge" 394 für sich genommen läßt keinen Schluß darauf zu, ob und i n welcher Weise die staatliche Ordnung sie in Bezug nimmt, berücksichtigt, nutzbar macht und gestaltet. Als Bestandteil der öffentlichen Verwaltung bedarf sie der Anerkennung durch den Staat, der Übertragung von Herrschaftsgewalt durch ihn395. I I . Die zeitliche und sachliche Invarianz des realen Befundes

Zweites wesentliches Ergebnis der tatsächlichen Bewährung des Merkmals der Gemeinschaft unmittelbarer Daseinsbewältigung ist seine I n varianz gegenüber dem historischen Wandlungsprozeß der Gemeinden 392 Vgl. Peters, Lehrbuch, S. 282, 292; zustimmend Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127; vgl. auch Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinde, S. 38; Friesenhahn, Garantie, S. 116 f.; V e r f G H N W , OVGE 9, 74, 81: „Die Gemeinde ist nach der Familie die erste soziale Gemeinschaft." 393 Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219. 394 Abel, Einrichtungsgarantien, S. 47. 395 Peters, Lehrbuch, S. 292.

176 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

wie gegenüber der Vielfalt ihrer gegenwärtigen Gestaltungsformen. Da unverändert der Raum täglicher physischer Präsenz i m Schwerpunkt um den Wohnsitz zentriert ist und i n absehbarer Zukunft bleiben w i r d 3 9 6 , stellt die Gemeinschaft der benachbart Ansässigen eine konstante Gegebenheit menschlicher Existenz dar. I I I . Der kategoriale Charakter des realen Befundes

Daraus leitet sich eine weitere, doppelte Schlußfolgerung ab, eine Eigenschaft, die die i n den Gemeinden durch gemeinsame Ansässigkeit konstituierten sozialen Verbände von der Vielzahl der sonstigen partikularen Gruppierungen innerhalb des Staatsvolks grundlegend unterscheidet 3 9 7 . 1. Knüpft nämlich die Gemeinsamkeit der örtlichen Gemeinschaft allein am Wohnsitz an, an der um i h n sich entfaltenden unmittelbaren Lebenssphäre, so ist der Gegenstand der Gemeinschaftsbildung, innerhalb dieses Rahmens, ein sachlich umfassender, jedes seiner Mitglieder i n seiner Existenz insgesamt einbegreifender, in allen Bedürfnissen und Belangen seines tatsächlichen Lebens 398 . Während die partikulären Interessen i m übrigen und die auf sie bezogenen öffentlichen und privaten Assoziierungen — Berufsverbände, Gewerkschaften, Vereine 3 9 9 — jeweils nur Teilaspekte, einzelne Sektoren der Existenz ihrer Mitglieder institutionell auffangen, betrifft die Gemeinde als „örtliche Gemeinschaft" ihre Bürger i n ihrem — öffentlichen — Dasein insgesamt, i n jeglicher Hinsicht, soweit es um dessen „örtliche" Komponente, u m die Sphäre des unmittelbaren Daseins geht 4 0 0 . Eben auf diesen umfassenden, 398

v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95. Vgl. einerseits Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191 f., der die Bindungsintensität sonstiger, überlokaler Gruppierungen gegenüber den Gemeinden als zunehmend höher einschätzt; zustimmend Roters, Kommunale M i t w i r k u n g , S. 13; andrerseits beispielsweise Forsthoff, Industriegesellschaft, S. 119, 121, der gegenüber den organisierten pluralen, p a r t i kularen Interessen die Bündelungsfunktion des Staates f ü r die nichtorganisierten Interessen, h i n zum allgemeinen Interesse, betont; dafür, daß für die Gemeinden, gleichermaßen beruhend auf dem Prinzip territorialer Zusammenfassung, gleiches gelten muß: Krüger, Staatslehre, S. 162; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655. 398 Vgl. schon Stahl, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 21 f.; zur umfassenden u n d globalen, allein an der vorgegebenen, räumlich konstituierten Gemeinschaft anknüpfenden Zuständigkeit der Gemeinden etwa Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 243 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 36 f.; Seele, Positionen, S. 885; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972,16, 21. 39β v g l die Gegenüberstellung von Verbänden u n d Vereinen einerseits, der Gemeinden andrerseits bei Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185,191 f. 400 Z u r „Gemeinde" als „Oberbegriff zu Familie, Nachbarschaft, Beruf u. ä.", nämlich als „globale Gesellschaft v o m Typus einer lokalen Einheit" vgl. König, H K W P I, S. 23; vgl. auch S. 50, wonach i n der Gemeinde die „Gesellschaft i m 397

Β . Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung

177

letztlich nicht enumerierbaren Charakter des empirischen Befundes „örtliche Gemeinschaft" reagiert die Verfassungsgewährleistung durch die Aufgabenzuweisung mit Hilfe einer Generalklausel, durch die Ubertragung „aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" 401 . Gerade diese Totalität, verbunden m i t den je fließenden Ubergängen zum ebenso umfassend strukturierten staatlichen Bereich, dürfte den Ursprung der Schwierigkeiten bilden, i m Einzelfall und i n einem bestimmten Zeitpunkt den Aufgabenkreis der Gemeinden exakt zu fixieren 402. 2. Aber nicht nur sachlich, i m Hinblick auf den Gegenstand der sozialen Assoziierung des Teil Volkes „örtliche Gemeinschaft", unterscheidet sich diese von sonstigen partikularen Gruppierungen innerhalb des staatlichen und gesellschaftlichen Gesamtvolkes. Die gemeindliche Ebene weist darüber hinaus auch i n Ansehung ihres personellen Substrats eine Universalität auf, die jene nicht besitzen. Dabei dürfen die „gemeindefreien" oder „ausmärkischen Gebiete" wegen ihres eindeutigen Ausnahmecharakters außer Betracht bleiben 4 0 3 . Von ihnen abgesehen gilt, daß auf der gemeindlichen Ebene, wenn auch räumlich gegliedert, das gesamte Staatsvolk i n „örtlichen Gemeinschaften" zusammengefaßt und institutionalisiert ist. Während Verbände, Vereine und sonstige spezifische Gruppierungen — auch wenn man sie nicht als einzelne, sondern je insgesamt betrachtet, als „die" Berufsverbände, „die" Gewerkschaften — jeweils nur den Teil der Bevölkerung organisieren, für den der ihrer Assoziierung zugrundeliegende Teilaspekt objektiv und subjektiv erfüllt ist oder dominiert, erfaßt die gemeindliche Daseinsform die gesamte Bürgerschaft des staatlichen Gemeinwesens i n bezug auf die real vorgegebene örtliche Individual- und Gruppensphäre 404 . Ganzen unmittelbar anschaulich w i r d " ; vgl. auch die Gegenüberstellung der Vereine als „ P r o d u k t der sozialen Differenzierung" u n d der auf spontaner, unorganisiert-persönlicher „Nachbarschaft" beruhenden Gemeinde: Renate Pflaum, i n : Das Dorf, S. 151 ff.; zur Gemeinde als Ort der Daseinsvorsorge i n der Vitalssphäre schlechthin: Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 1241; zur Gemeinde als „politische(r) Lebensform", eben auf der Grundlage allein t e r r i torialer Zuordnung u n d m i t umfassendem Wirkungskreis: Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 401 Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 243 ff. ; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 86 u n d passim; Werner Weber, Verfassungsgarantie, insbes. S. 47 ff. 402 YgL z u r immanenten Verwobenheit von örtlicher u n d überörtlicher Komponente jeder Regelungsmaterie: Salzwedel Kommunalrecht, S. 224; vgl. ferner Partsch, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, S. 301 passim; Göb/Laux/Salzwedel/ Br euer, Kreisentwicklungsplanung, S. 52 ff.; Seibert, Gewährleistung, S. 16 ff. u n d die Nachweise S. 18 Fn. 24; Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 47 ff. 403 Vgl. A r t . 10 a GO B a y ; §§ 7 Abs. 3 GO B - W ; 15 Abs. 1 GO He; 16 Abs. 3 GO Nds; 131 GO R h - P f ; zum Ausnahmecharakter vgl. insbes. die Zusammenfassung bei Gronemeyer, Die gemeindefreien Gebiete, S. 201 f. 404 Vgl. Seele, Positionen, S. 885: „Sie (sc. die kommunale Selbstverwaltung) ist aber darüber hinaus insofern organisch i n der Gesellschaft verankert, als

12 Loschelder

178 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

Demgegenüber verfängt der Hinweis nicht, auch die Gliederungen der unmittelbaren Staatsverwaltung einerseits, die Gesamtheit der Landkreise andrerseits bildeten ebenfalls entsprechende, personell umfassende Gruppierungsebenen des Staatsvolks. Eine solche Argumentation würde rein quantitativ verfahren, die personelle Universalität lösen von der i n ihr i m Falle der Gemeinden verwirklichten Anknüpfung an einem eigenständigen, umfassenden und real vorgegebenen gesellschaftlichen Elementartatbestand, an der organisatorischen Einheit der politischen Daseinsgestaltung des unmittelbaren Lebenskreises. So fehlt es den Gliederungen der Staatsverwaltung an solcher eigenständigen soziologischen und politischen Anknüpfung insofern, als sie ihrem Wesen nach — regelmäßig organisatorisch-rational konzipierte — Derivate der politischen Daseinsform „Staat" sind 4 0 5 . Aber auch die Kreise stellen keine Ebene dar, die soziologisch und funktional von den politischen Grundformen der Gemeinde einerseits, des Staates andrerseits als dritte abgelöst gesehen werden könnte. Es bedarf i n diesem grundsätzlichen Zusammenhang weder der Erörterung, inwieweit sich i n den Landkreisen ein regionaler, „landschaftlicher" Ansatz eigenständiger, vorgegebener A r t realisiert 4 0 6 , noch i n welcher Weise und i n welchem Umfang sie infolge der Insuffizienz vieler, insbesondere kleinerer kreisangehöriger Gemeinden i m Begriff sind, sich zunehmend zu „Kreisgemeinden" zu entwickeln, also an sich gemeindliche Aufgaben auf Grund ihrer größeren Verwaltungskraft wahrzunehmen 407 . Wie stark auch i m Einzelfall diese Elemente und Faktoren i n Erscheinung treten mögen, so ändern sie nichts daran, daß der Landkreis nach Struktur und Aufgabenstellung als Komplement zur gemeindlichen Ebene konzipiert ist. I m Rahmen seiner gesetzesgeformten, nicht, wie i m Fall der Gemeinde, vorgegebenen, gesetzesanerkannten Zuständigkeiten nimmt er die nicht örtlichen, „überörtlichen" Aufgaben der kommunalen Sphäre wahr; insbesondere ergänzt er die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der von i h m umfaßten Gemeinden und bringt sie zum Ausgleich 408 . Soweit daher der Landkreis staatliche Aufgaben wahrsie deren elementaren verwaltungspolitisch relevanten Gliederungsansatz aufn i m m t " ; vgl. auch insbes. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 405 Das Moment der Eigenständigkeit, Unabgeleitetheit gemeindlicher Selbstverwaltung betonen etwa Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220; vgl. auch Seele, Positionen, S. 885. 406 Vgl. ν . Unruh, Der Kreis, S. 216, 297; andrerseits Werner Weber, G u t achten 45. DJT, S. 6 f. 407 Vgl. Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 7 f. 408 Vgl. B V e r w G E 10, 224, 227 f.; BayVerfGHE 2, 143, 163; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 388 ff.; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 295; Stern, Bonner K o m mentar, A r t . 28 Rdn. 168, 169; v. Unruh, Der Kreis, S. 246 ff.; ders., Gemeinderecht, S. 120, der, ungeachtet der Hervorhebung der „ E i n h e i t " des Kreises, des Status als „Kreisgemeinde", die Förderungs- u n d Ergänzungsfunktdon hervorhebt.

Β . Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung

179

n i m m t 4 0 9 , ist er seiner Natur nach staatsakzessorisch, soweit er dagegen kommunale Aufgaben erfüllt 4 1 0 , w i r d sein Status von Gemeindeakzessorietät gekennzeichnet. Das gilt auch i m Hinblick auf die eigenen, nicht abgeleiteten überörtlichen Aufgaben 4 1 1 ; denn auch diese bestimmen sich nicht aus sich heraus, sondern, sozusagen subtraktiv, nach Maßgabe dessen, was der örtliche Bereich und die i n i h m wirksame Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht zu bewältigen vermag 4 1 2 . Gerade der Umstand, daß die Gemeinden heute weniger denn je eine geschlossene Einheit darstellen, daß insbesondere am Rande und außerhalb der städtischen Ballungsgebiete die überörtliche Verflechtung der örtlichen Bereiche durch Arbeitsteilung der Gemeinden und Mobilität der Bürger ständig zunimmt, steigert die Bedeutung der Kreisebene, die wesentliche Teile dieser institutionellen Verflechtung administrativ auffängt, insbesondere durch den Einsatz ihrer auf größerer Verwaltungskraft beruhenden sachkundigen Fachverwaltung 4 1 3 . Auch und eben i n dieser Hinsicht bietet sich die Kreisebene als die Mitwirkungs- und Ergänzungsebene der gemeindlichen Basis dar, die deren Verwaltungs-, Leistungs- und Partizipationsstand — i m Sinne der Teilhabe an Leistungen wie an eigenständiger Gestaltung des eigenen Lebensraumes durch den Bürger — ergänzt und auf das Niveau hebt, das die große Stadt innerhalb der einheitlichen örtlichen Gemeinschaft aufweist. Eben weil dergestalt der Kreis der sachgegebene Raum des Kompromisses ist zwischen der unangetasteten Individualität. des gemeindlichen Daseins und der notwendigen mindesten Egalität der dargebotenen Leistungen, macht seine Existenz es möglich, auch i m Bereich der kleineren Gemeinden am Prinzip des „örtlichen" festzuhalten, also von der Schaffimg rein zweckrationaler, die gewachsenen, gemein409 y g i . Salzwedel, Kommunalrecht, S. 295 f.; υ. Unruh, Gemeinderecht, S. 123 ff. 410 Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 295 f.; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 122 f. 411 Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 295. 412 Vgl. besonders deutlich: § 2 Abs. 1 L K O He: „Die Kreise nehmen i n ihrem Gebiet, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, diejenigen öffentlichen Aufgaben wahr, die über die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen. Sie fördern die kreisangehörigen Gemeinden i n der E r f ü l l u n g ihrer Aufgaben, ergänzen durch i h r W i r k e n die Selbstverwaltung der Gemeinden u n d tragen zu einem gerechten Ausgleich der unterschiedlichen Belastung der Gemeinden bei. Sie sollen sich auf diejenigen Aufgaben beschränken, die der einheitlichen Versorgung u n d Betreuung der Bevölkerung des ganzen K r e i ses oder eines größeren Teils des Kreises dienen." Vgl. auch § 2 Abs. 1 K O Schl-H; soweit Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 89 I, S. 240 ff., die Auffassung v e r t r i t t , nicht jede Gemeinde, sondern die kreisfreien Städte u n d die L a n d kreise seien angesichts der nachgrundgesetzlichen E n t w i c k l u n g die geeigneten Träger universaler Selbstverwaltung, plädiert er ausdrücklich de lege ferenda, betont aber die andersartige Konzeption des A r t . 28 Abs. 2 GG. 413 Vgl., auch f ü r die künftige Kreisfunktion: Gutachten Nds, Rdn. 412 ff., S. 123 ff.; Gutachten N W , Abschnitt B, insbes. S. 58 ff.; Gutachten Schl-H, Rdn. 527, S. 264; allgemein zu den Kreisfunktionen etwa Wagener, Neubau, S. 59 f. 12*

180 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

schaftsbegründenden Strukturen ignorierender Großgebilde abzusehen 4 1 4 . Eben darin aber manifestiert sich i n besonderer Klarheit seine dienende Funktion. 3. Bereits jeweils für sich genommen geben die sachliche Totalität und die personelle Universalität der gemeindlichen Gliederungsebene ihr gegenüber anderen Formen der Institutionalisierung öffentlicher Aufgaben wie der Assoziierung von Staatsbürger-Gruppen besonderes Gewicht. Erst die Zusammenschau aber dieser primär quantitativen Aussagen bringt die qualitative Besonderheit der gemeindlichen Daseinsweise i n den Blick. a) Nur i n der Gemeinde nämlich, durch die Gliederung des gesamtstaatlichen Gemeinwesens, des Staatsgebiets wie des Staatsvolks, i n bürgerschaftliche Einheiten auf der einzigen Grundlage der durch den Wohnsitz konstituierten „örtlichkeit", w i r d jeder Staatsbürger, und zwar sachlich umfassend, i n seiner politischen Existenz betroffen, i n allen ihn angehenden öffentlichen Belangen, solange sie nur i m Schwerpunkt „örtliche" sind, zu einem gegebenen Zeitpunkt als „örtlich" verstanden werden. Oder umgekehrt, auf den Staatsbürger gewendet: Indem i m Prinzip jeder Bürger des staatlichen corpus politicum 4 1 5 zugleich Bürger einer, „seiner" Gemeinde ist, und indem m i t solchem Eingegliedertsein i n die „örtliche Gemeinschaft" sein überprivates Dasein insgesamt angesprochen ist, solange es sich nur i n der Dimension des alltäglichen, physischen, elementaren und anschaulichen Erlebens realisiert und entfaltet, erweist sich der Tatbestand „Gemeinde" als eine grundsätzliche Form der Teilhabe am öffentlichen, politischen Prozeß, als „allgemeine", i m strikten Wortsinn „allgemein-gültige" Form gleich der Teilhabe am Staat selbst 416 . b) Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich mithin, daß die gemeindliche Existenzform nicht nur eine soziologische und politische Grundkategorie darstellt, sondern darüber hinaus und zugleich die komplementäre Kategorie zur staatlichen Daseinsweise. Der Raum der alltäglichen physischen Präsenz bildet für den einzelnen wie für die lokale Gruppe die fundamentale Dimension der individuellen Entfaltung i m erlebten sozialen Umfeld, wie der Raum politischer, geschichtlicher, sprachlicher, kultureller Gemeinsamkeit des Gesamtvolkes die Dimension ist, i n der er sich in das staatliche und gesellschaftliche Gesamtdasein, i n die Gesetzlichkeit der grundsätzlichen Entscheidungen über seine Lebensbedingungen ein414 415

Vgl. Peters, Lehrbuch, S. 284; ferner Seibert, Gewährleistung, S. 22 ff. Vgl. v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972,

16,19. 418 Vgl. zur quantitativen u n d qualitativen „Allgemeinheit" des Staates auf der Grundlage des Territorialitätsprinzips: Krüger, Staatslehre, S. 861; vgl. zur Gemeinde: ebenda, S. 162.

Β. Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung

181

geordnet s i e h t 4 1 7 . W i e die T e i l h a b e an d e r a u f d e m „ e l e m e n t a r s t e n v e r w a l t u n g s p o l i t i s c h r e l e v a n t e n G l i e d e r u n g s a n s a t z " d e r Gesellschaft ber u h e n d e n 4 1 8 u n t e r s t a a t l i c h e n I n s t i t u t i o n „ G e m e i n d e " 4 1 9 , die v o n u n m i t t e l b a r e r A n s c h a u u n g , v o n k o n k r e t e m E r - l e b e n gekennzeichnete p o l i t i sche G r u n d k a t e g o r i e menschlichen Daseins b i l d e t , so a u f der a n d e r e n Seite die T e i l h a b e a m S t a a t die K a t e g o r i e des umfassenden p o l i t i s c h e n Schicksals 4 2 0 . c) D e r k a t e g o r i a l e C h a r a k t e r g e m e i n d l i c h e r Daseinsweise w i e seine k o m p l e m e n t ä r e N a t u r z u r s t a a t l i c h e n K a t e g o r i e b e s t ä t i g e n sich u n d e r w e i s e n sich als f r u c h t b a r i n der A b g r e n z u n g zwischen b e i d e n w i e i n d e r Scheidung der g e m e i n d l i c h e n v o n sonstigen p a r t i k u l a r i s i e r e n d e n G l i e d e r u n g e n des Staatsvolks. 417 Vgl. die Zusammenschau der „schicksalhaften Verbundenheit" i n der Gemeinde wie i m Staat bei Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219; vgl. auch die Gegenüberstellung lokaler Eigengesetzlichkeit u n d der staatlichen Entscheidungsebene über die „bedrängendsten Fragen der Gestaltung von Gegenwart u n d Z u k u n f t " bei Herzog, Staatslehre, S. 226; auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 36, stellt die gemeindliche Sphäre der „Gestaltung der menschlichen U m w e l t " i m „engeren Subsystem" der staatlichen Gesamtordnung gegenüber. Die politische Substanz dieser Betrachtungsweise w i r d allerdings einseitig ins Technisch-Formale verkürzt, w e n n man m i t Roters, Kommunale M i t w i r k u n g , S. 44, den Akzent zu stark auf „Systemdifferenzierung" legt, auf Reduktion des „Mehranfall(s) an K o m p l e x i t ä t " durch das gemeindliche „ U n tersystem". Denn dabei gerät der eigenständige kategoriale Ansatz des ö r t lichen Gliederungsprinzips aus dem Blick. Entsprechend w i r d es dem lokalen politischen Körper zur Selbstgestaltung des unmittelbaren Daseins nicht gerecht, w e n n i m folgenden die „ F u n k t i o n e n " der politischen u n d administrativen Einheit Gemeinde als „Legitimationsbeschaffung für gemeindliche Planungsentscheidungen" (a.a.O. S. 49) sowie „Kontrolle, I n i t i a t i v e u n d Innovat i o n von unten" (a.a.O. S. 51) i m Rahmen eines örtlich-überörtlichen „Gegenstromverfahrens" (a.a.O. S. 52 f.) beschrieben werden (vgl. auch die Zusammenfassung S. 53 f., ferner S. 106 ff.; sowie neuestens ders., Spitzenverbände, DVB1. 1976, 359 ff., insbes. 362 ff.). 418 Seele, Positionen, S. 885. 419 Vgl. Peters, Lehrbuch, S. 112, der die Gemeinden zu den „politische(n) Verbände(n) der irrationalen Gemeinschaftsordnung" zählt; zustimmend Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219; vgl. auch Friesenhahn, Garantie, S. 116. 420 Vgl. zur „Anschaulichkeit" u n d Unmittelbarkeit des gemeindlichen Raumes: König, H K W P I, S. 50; Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 53; ferner Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30 f.; zur Gegenüberstellung beider K a tegorien, der staatlichen u n d gemeindlichen, vgl. Stahl, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 21: „Die allgemeine Bestimmung zum gemeinsamen Gehorsam unter einem Höheren u n t e r w i r f t Jeden auch ohne seinen W i l l e n dem Boden, das ist: sie u n t e r w i r f t i h n der gegliederten Gemeinschaft der Anderen, die sich m i t i h m auf demselben Boden befinden. A u f diesem Grundsatz beruht die Gemeinde, auf demselben der Staat, beide dulden keinen i n ihrer Mitte, der ihnen nicht huldigt, u n d wer ihren räumlichen Kreis betritt, der t r i t t auch i n den Kreis ihrer Herrschaft." Vgl. auch S. 21 ff., zur Abgrenzung und Durchdringung des „örtlichen" u n d des „nationalen Interesses" (S. 22) ; ferner Brater, Deutsches Staats-Wörterbuch, 4. Bd., S. 110, Stichwort „Gemeinde": „Sie (sc. die Gemeinde) ist der Organismus dieser örtlichen Gemeinschaft, wie der Staat die organisierte Volksgemeinschaft ist." Vgl. auch Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219; hinsichtlich großstädtischer Bildungen eher skeptisch Püttner, U b e r legungen, S. 30.

182 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

aa) So sind einerseits die Schwierigkeiten bekannt, die die Aussonderung des gemeindlichen Aufgabenkreises, der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" aus dem Gesamtbestand der öffentlichen A u f gaben i m staatlichen Gemeinwesen bereitet 4 2 1 . Kann sie sich, entsprechend den vorgegebenen Differenzierungen i n Zeit und Raum, nicht auf einen abgeschlossenen, verbindlichen und unveränderlichen Kanon stützen 4 2 2 , so erweist sich auch die Umschreibung lediglich eines Kernbestandes von „typisch essentiellen" Betätigungen als problematisch 423 . Diese Konstellation findet aber gerade dann eine einleuchtende Begründung, wenn man davon ausgeht, daß der gemeindliche Bereich nicht ein gegenständlich begrenztes Segment aus dem gesamtstaatlichen Organismus ausschneidet, sondern eine Kategorie der politischen Existenzweise des Staatsvolks bezeichnet. Denn bei solcher Betrachtung kann eine gegenständliche oder gar räumlich und zeitlich invariante Enumeration nicht erwartet werden. Wenn „Gemeinde" die Dimension benennt, i n der der Bürger i n die engere Raumgemeinschaft alltäglicher physischer Präsenz integriert ist, wenn demgegenüber „Staat" die komplementäre D i mension der diese lokalen Bezüge übergreifenden umfassenden Raumgemeinschaft gemeinsamen politischen Gesamtschicksals ist, so bedeutet dies: „örtliche" und „überörtliche" Angelegenheiten können nicht als grundsätzlich unterschiedene und unterscheidbare Regelungsmaterien verstanden werden 4 2 4 . Vielmehr handelt es sich dabei u m unterschiedliche Gewichtungen, Akzentuierungen des Bezugs, was Entstehungsgrund, Intensität der Betroffenheit, Auswirkungen i m Hinblick auf die eine — engere, „nähere" — oder die andere — weitere, „entferntere" — politische Daseinsform angeht 4 2 5 . Es geht darum, i m jeweiligen Zeitpunkt und i m konkreten Fall zu unterscheiden zwischen solchen Angelegenheiten, bei denen, als „örtlichen", der Bezug zu den Daten des indivi-

421 Vgl. die, insgesamt f ü r die Umschreibung kommunaler Selbstverwaltung, die geschichtliche E n t w i c k l u n g heranziehende Rspr. des B V e r f G : E 1, 167, 178; 7, 358, 364; 8, 332, 359 f. (zu A r t . 28 Abs. 2 Satz 2 GG); 11, 266, 274 ff.; 17, 172, 182; 22, 180, 205; 23, 353, 365 ff.; 26, 172, 180 ff.; vgl. ferner Partsch, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, S. 301 ff.; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 224; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 23 ff.; Seibert, Gewährleistung, S. 16ff., 32 ff.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 86 ff.; Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 31 ff., insbes. S. 47 ff., 51. 422 v g l . Partsch, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, S. 312 f.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 87; vgl. auch Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29. 423 Vgl. insbes. Stern, Gemeindewirtschaft, A f K 1964, 81, 94; vgl. auch Becker, GR I V 2, S. 714. 424 Vgl. Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 f. 425 v g l . zu den Strukturprinzipien der „Nähe" u n d „Ferne": Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 123 f. u n d passim; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 37 f.

Β . Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung

183

duellen Raumes überwiegt, und den „überörtlichen", staatlichen 426 , bei denen dieser Bezug hinter dem zu den allgemeinen, den staatlichen Gesamtverband betreffenden Daten zurücktritt 4 2 7 . Unbeschadet der Notwendigkeit, daß, gemäß der realen Vorgegebenheit der örtlichen Kategorie, unter der verfassungsrechtlichen Gewährleistung lokaler Selbstverwaltung ein essentieller Bestand an Aufgaben und Befugnissen der örtlichen Institution jeweils verfügbar bleiben muß 4 2 8 , w i r d deutlich, auf welch breiter Front dabei Wandlungen und Differenzierungen auftreten können. Denn die inhaltliche Konkretisierung des „örtlichen" hängt jeweils von den tatsächlichen Gegebenheiten, der Entwicklung der unmittelbaren Lebenssphäre des Bürgers und ihrer Einbindung i n die überörtlichen, staatlichen Strukturen ab. M i t der zeit- und lagebedingten Veränderung dieser Determinanten muß sich auch die Abgrenzung beider Bereiche wandeln, etwa was den Umfang und die allgemeine Bedeutung notwendiger Verwaltungsleistungen angeht, gemessen an den lokalen Mitteln und partikulären Interessen, allgemein i m Hinblick auf die Steuerbarkeit oder doch Mit-Steuerbarkeit eines Regelungskomplexes aus dem örtlichen Bereich heraus 429 . Deswegen eben w i r d das Verhältnis von kommunalem und staatlichem Bereich von „Wanderungsprozessen" i m Zeitablauf bestimmt 4 3 0 . Eben weil die Entstehung neuer öffentlicher Aufgaben, weil ihr Hineinwachsen und Hinauswachsen von einer räumlichen und politischen Kategorie i n die andere i n einem evolutionären Prozeß geschieht, w e i l dieser Prozeß ferner nicht restlos quantifizierbar ist, psychologische, aber auch dezisionistische Elemente enthält, erscheint der Rückgriff auf die historische Entwicklung bei der Zuordnung von 426 Vgl. zur zweiten, hier nicht i n Rede stehenden Gegenüberstellung von „örtlichen" u n d „überörtlichen" Angelegenheiten innerhalb des kommunalen Bereichs, bei der Abgrenzung der Regelungsmaterien zwischen kreisangehörigen Gemeinden u n d Landkreisen: Seibert, Gewährleistung, S. 16 ff. 427 Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 224, der den „jeder örtlichen Angelegenheit innewohnenden überörtlichen Bezug" hervorhebt; vgl. auch Seibert, Gewährleistung, S. 32 f. 428 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 87 ff., insbes. Rdn. 88 m. w. N. 429 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125 f., insbes. die Beispiele der Energiewirtschaft, des Verkehrswesens, des Wasserrechts; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 22 f.; so auch bereits Neuhoff, Kommunale Selbstv e r w a l t u n g u n d Bonner Grundgesetz, D Ö V 1952, 259, 263. D a m i t fehlt andrerseits die Grundlage, von den — nicht zu leugnenden — Wandlungen u n d V e r flechtungen des gemeindlichen Aufgabenkreises her die grundgesetzliche Selbstgestaltung des örtlichen Bereichs nach den eigenen lokalen Daten schlechthin i n Frage zu stellen. Die hierauf abzielende Argumentation Roters 1, Kommunale M i t w i r k u n g , S. 7 ff., 11 f., 15 ff., 31 ff., spielt Sekundäres gegen das Primäre aus, die variablen Konsequenzen lokaler Daseinsgestaltung gegen die invariante Kategorie u n d ihre politische Verkörperung i n der Gemeinde. 430 Vgl. Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 33, unter Berufung auf Neuhoff, Kommunale Selbstverwaltung u n d Bonner Grundgesetz, D Ö V 1952, 259, 263 u n d Keßler, Der B u n d u n d die K o m m u n a l p o l i t i k , DVB1. 1953, 1, 3; zustimmend Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 87 f.

184 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

Aufgaben „ i n einem gewissen Umfange" 4 3 1 als sachgerecht und notwendig 4 3 2 . Schließlich kann von diesem Ausgangspunkt her auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß die differenzierten Gegebenheiten i m staatlichen Gesamtraum zu einer von Gemeinde zu Gemeinde i m Einzelfall unterschiedlichen Aufgabenzurechnung führen können, nicht nur i m Verhältnis von kreisangehöriger Gemeinde und Landkreis, sondern auch zwischen gemeindlicher und staatlicher Sphäre 433 . bb) Nicht nur i n der Abgrenzung von „örtlichem" und staatlichem Bereich, auch i n der Gegenüberstellung der gemeindlichen lokalen Gemeinschaften zu sonstigen partikularisierenden Gruppierungen des Staatsvolks leistet die Charakterisierung als fundamentale, staatskomplementäre Kategorie klärenden Dienst. Denn sie vermag die mangelnde Analogiefähigkeit des Verfassungsmodells „gemeindlicher Selbstverwaltung" darzutun. Daß zwischen zentralisierender, repräsentativer, gesamtstaatlicher Demokratie und dezentralisierender, lokaler demokratischer Eigenbestimmung keine von vornherein sachgegebene Harmonie, sondern die Spannung zwischen Gesamt- und Lokalinteresse herrscht 4 3 4 , wurde bereits dargelegt 435 . Für die „Demokratisierungs"-Diskussion der vergangenen Jahre, die gegenüber dem i m Grundgesetz „ m i t Entschiedenheit" aufgerichteten „rein repräsentative(n) . . . System" 4 3 6 , das Konzept einer möglichst „basisnahen", einer „Betroffenendemokratie" dezentraler A r t propagiert 4 3 7 , mußte es naheliegen, die gemeindliche, allgemein die kommunale Selbstverwaltung als verfassungsverankertes Modell gruppendemokratischer Beteiligung von „Betroffenen", als Ausdruck eines all431

So B V e r w G E 18,135,142. Vgl. insbes. die ständige Rspr. des B V e r f G zum I n h a l t der kommunalen Selbstverwaltung: oben 2. Teil, Fn. 421. 433 Vgl. etwa Seibert, Gewährleistung, S. 19 Fn. 25 u n d die Beispiele ebendort. 434 Vgl. insbes. Peters, Zentralisation, S. 28 ff.; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 18; ders., Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 652 f. 435 Vgl. oben 2. Teil, 3. Kap. unter Β . I. u n d die Nachweise daselbst. 436 So Scheuner, Das repräsentative Prinzip, S. 225; zustimmend Ossenbühl, Gutachten 50. DJT, S. 124; vgl. auch Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1. 1973, 719, 719. 437 Vgl. die Beschreibung bei Zeidler, Demokratieprinzip, DVB1. 1973, 719, 720 f.; vgl. zur Gesamtproblematik Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 41, sowie die zahlreichen Nachweise bei Blümel, „Demokratisierung der Planung" oder rechtsstaatliche Planung, insbes. S. 10 ff.; zum Verhältnis von „Demokratisier u n g " u n d „Partizipation" ebenda S. 19 ff.; charakteristisch ist insoweit die Substituierung des grundgesetzlichen Demokratiebegriffs durch ein Prinzip allgemeiner „Teilhabe" bei Friederun Karsch, Demokratie u n d Gewaltenteilung, S. 110 ff.; vgl. auch S. 45 ff.; vgl. zur „Tragweite" einer „leichte(n) V e r schiebung von Begriffen, die es m i t der Herrschafts weise zu t u n haben" : Hennis, Demokratisierung, insbes. S. 32 u n d passim. 432

Β. Der Ansatz für die verfassungsrechtliche Einordnung

185

gemeinen Prinzips, einer alternativen Form von Demokratie ins Feld zu führen 4 3 8 . Gerade eine solche Verallgemeinerungsfähigkeit, eine derartige Eignung zur analogen Heranziehung besitzt jedoch die kommunale Eigenbestimmung als Selbstentfaltung der lokalen Gemeinschaft gleicher unmittelbarer Daseinsbedingungen nicht. Denn die grundgesetzliche Entscheidungsdelegation an die örtliche „politische Gemeinschaft" unterscheidet sich grundlegend von der Interessendurchsetzung durch eine partikulare „Betroffenengruppe" 4 3 0 . Eben weil die „Gemeinde" nicht einen personell oder sachlich sektoralen Ausschnitt aus dem pluralen Gefüge des corpus politicum bezeichnet, weil sie eine Entfaltungskategorie, einen Daseinsmodus des „politisch verfaßten Volkes" 4 4 0 , „eine echte politische Lebensform" bildet 4 4 1 , ist die lokale Ebene keine bloße Addition von lokalen Betroffenengruppen, die partikuläre Interessen auf Kosten des allgemeinen Wohls wie minderheitlicher individueller Rechtspositionen durchzusetzen suchen 442 . Vielmehr stellt sie die zweite allgemeine politische Kategorie neben und komplementär zum Staat dar, i n der — auf der gleichen, nämlich rein territorialen — Grundlage wie bei diesem 443 das individuell je Besondere verallgemeinert, zum allgemeinen Interesse i n einem umfassenden politischen Prozeß integriert w i r d 4 4 4 . Zu Recht ist daher die, lediglich sektoralen Zusammenfassungen von „Betroffenen" nicht zukommende, Bündelungsfunktion, die integrierende Wirkung der allein auf räumliche Nachbarschaft abstellenden Gliederung des Staatsvolkes i n lokale, gemeindliche Einheiten hervorgehoben worden, die, absehend von allen sonstigen Differenzierungen und Gruppierungen, „ein Mindestmaß von Gemeinsamkeit i m Bewußtsein aller Mitglieder" erzeugt und dadurch die Darstellung des Volkes „als Einheit" auch i n seinen Teilen ermöglicht. Gerade dadurch w i r k t sie der Pluralisierung, dem Auflösungsprozeß der „mobilen" Gesellschaft i n eine 438 y g i . a m Beispiel einer „Demokratisierung" des Schulbereichs die Nachweise bei Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 28 f., 40 ff., insbes. S. 43; vgl. auch das Aneinanderrücken von „ M i t b e s t i m m u n g " u n d kommunaler Selbstverwaltung bei Brundert, Kommunale Selbstverwaltung als älteste F o r m bürgerschaftlicher Mitbestimmung, S. 77 passim. 439

So m i t Nachdruck Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 43. Forsthoff, Industriegesellschaft, S. 121, zum Verhältnis von Staat u n d Verbänden. 441 Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 10, i n Gegenüberstellung von Gemeinde u n d beruflich-sozialer Selbstverwaltung, schärfer noch von Gemeinde u n d Unterrichtsanstalten oder Wirtschaftsbetrieben. 442 Vgl. Blümel, „Demokratisierung der Planung" oder rechtsstaatliche Planung, S. 23 ff.; Ossenbühl, Gutachten 50. DJT, S. 125 ff. 443 Vgl. Krüger, Staatslehre, S. 162, 861. 444 Vgl. Krüger, Staatslehre, S. 162,181; Ossenbühl, Gutachten 50. DJT, S. 125; insbes. auch Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 43; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 440

186 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

steigende Vielzahl von „Interessengruppen" entgegen 445 . Hier besonders verdeutlicht sich, inwiefern die gemeindliche Daseinsweise als allgemeine Kategorie und darüber hinaus als komplementäre Kategorie zur staatlichen politischen Form zu charakterisieren ist. Beiden ist die allein territoriale Zuordnung der Bürger gemeinsam, die die verallgemeinernde Gemeinschaftlichkeit aller durch Absehen von den trennenden, partikularen Besonderheiten zu bewirken i n der Lage ist 4 4 6 . Und wie die Bündelung der auseinanderstrebenden sektoralen, partikularen Tendenzen auf der lokalen Ebene durch die auf solcher Grundlage ruhende Gemeinde erreicht wird, so w i r d entsprechend die Aufgabe des Staates darin gesehen, gegenüber den organisierten Teil-Belangen i m Gesamtraum, i n der Assoziationsform des „politisch verfaßten Volkes" das Interesse zu vertreten, „das allen Staatsbürgern gemeinsam i s t " 4 4 7 . Wenn darüber hinaus die Einheit stiftende Wirkung lokaler Assoziierung nicht auf den örtlichen Bereich beschränkt, sondern der gemeindlichen Daseinsweise das Vermögen zugeschrieben wird, die Formierung der Bürger zum Staatsvolk insgesamt, über alle partikularen Tendenzen hinweg, zu steigern 4 4 8 , so zeigt sich darin erst der prinzipielle Unterschied gegenüber jeder Form sektoraler Interessen- oder Betroffenengruppierungen. Denn die „Vervielfältigung" der integrierenden Wirkung territorial begründeter Staatlichkeit 4 4 9 setzt voraus, daß die — ebenfalls auf allein räumliche Zuordnung gegründete — „örtliche Gemeinschaft" nicht i n der Weise partikularisierend w i r k t , wie sektorale, etwa berufliche Verbindungen, daß sie i m Gegenteil bestehende individuelle, personelle Differenzierungen durch ihre Verallgemeinerungsfähigkeit ausgleicht 450 . Und nur wenn man auf der anderen Seite diese grundsätzliche Gleichförmigkeit gemeindlicher und staatlicher Daseinsweise i n Rechnung stellt — i n der Grundlage wie i n der Wirkung, wenn auch auf verschiedenen Ebenen alle personalen Unterschiede einzubeziehen und auf die Verwirklichung des gemeinsamen Interesses zu richten —, erweist sich die Folgerung als schlüssig, daß ein auf solche Einheit gerichtetes Miteinander i n der unmittelbar erlebten Sphäre alltäglicher physischer Präsenz die Fähigkeit zu entsprechendem Miteinander auf der umfassenden, staatlichen Ebene zu fördern, „vervielfältigen" vermag 4 5 1 . 445

So v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655; vgl. auch ders., Gemeinderecht, S. 95 f. 446 Vgl. Krüger, Staatslehre, S. 162, 861; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655. 447 Forsthoff, Industriegesellschaft, S. 121; vgl. auch v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655. 448 Vgl. v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974,649, 655. 449 Vgl. v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655; allgemein Krüger, Staatslehre, S. 162, 861. 450 Z u r „Allgemeinheit" i m quantitativen u n d qualitativen Sinn: Krüger, Staatslehre, S. 156 ff., 160 f. 451 Vgl. v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655.

C. Empirischer Typus u n d Gehalt der Verfassungsgewährleistung

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I V . Die Grundaussagen aus dem realen Befund

Zusammenfassend ergeben sich damit drei Grundaussagen über die gemeindliche Ebene, verstanden als die administrative Gliederung auf der Basis des sozialen Verbandes, der durch gemeinsame Ansässigkeit unter gemeinsamen Bedingungen des unmittelbaren, täglichen Daseins steht: Die gemeindliche Gliederung knüpft an, ein natürlich vorgegebenes gesellschaftliches Strukturprinzip an, das i n seinen essentialia gegenüber räumlichen und zeitlichen Differenzierungen Invarianz aufweist. Es handelt sich u m einen Gliederungsansatz, der personell das ganze Staatsvolk durch räumliche Zuordnung zu Gruppen zusammenfaßt und sachlich die politische Existenz der Gruppenmitglieder insgesamt einbezieht, soweit sie örtlich bezogen ist. Die gemeindliche Daseinsweise bildet damit keinen sektoralen personellen oder sachlichen Ausschnitt aus dem politischen Gesamtdasein des staatlichen corpus politicum, sondern eine fundamentale politische Kategorie. Darüber hinaus handelt es sich u m die komplementäre Kategorie zur staatlichen Daseinsweise, die wie diese auf ausschließlich räumlicher Zuordnung beruht, damit wie diese vom Prinzip einheitsstiftender quantitativer und qualitativer Allgemeinheit beherrscht wird. Eben deswegen w i r k t die i n der Gemeinde institutionalisierte „örtliche Kategorie" nicht nur auf der lokalen Ebene den sektoralen Differenzierungen entgegen, sondern vervielfältigt und fördert zugleich den Einheitsprozeß i n der komplementären, umfassenden Kategorie „Staat". Diese drei Aussagen weisen das sachliche, real vorfindliche Gewicht des örtlichen Gliederungsprinzips auf. Aus ihnen ergibt sich darüber hinaus die Bedeutung des gebietlichen Zuordnungsmodus für die politische Substanz der davon erfaßten Personengruppierungen. Gelingt es daher, diesen tatsächlichen Ansatz widerspruchsfrei und schlüssig mit dem Gewährleistungsgehalt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu verknüpfen, so darf umgekehrt erwartet werden, daß daraus normative Konsequenzen für die gemeindliche Gebietsgestaltung abgeleitet werden können.

C. Der Gewährleistungsgehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und das empirische Kriterium Die solchermaßen näher i n ihrer Wertigkeit umschriebene empirische Qualifizierung der gemeindlichen Lebensform vermag am normativen Gehalt der grundgesetzlichen Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung nur dann und insoweit teilzuhaben, wie sich nachweisen läßt, daß die Elemente der Verfassungsgarantie dieser Sachstruktur Rechnung

188 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

tragen, wie sie widerspruchslos als Ergebnis einer Wertung des Verfassungsgebers gedacht werden können, die gerade — auch — auf die Berücksichtigung, gegebenenfalls Förderung und Entfaltung dieser Sachgesetzlichkeiten abzielt. Dazu bedarf es einer Gegenüberstellung des Regelungsgehalts des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG einerseits, der essentialia gemeindlicher Daseinsweise andrerseits. I. Der Gewährleistungsgehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 G G

Die Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG w i r d gemeinhin i n mehrere Verfassungsentscheidungen differenziert 4 5 2 . 1. So enthält sie zunächst — wie auch bereits i n Abs. 1 Satz 2 und 3 angesprochen 453 — eine Garantie des Rechtssubjekts „Gemeinde" 4 5 4 . Damit nimmt der Verfassungstext, ohne selbst eine abschließende begriffliche Umschreibung zu bieten, auf einen vorgefundenen Bestand tatsächlicher und rechtlicher A r t Bezug, eine „formierte und organisierte und daher umgrenzbare und unterscheidbare Einrichtung(..) öffentlich-rechtlichen Charakters" 4 5 5 . Nicht nur dieser vorgefundene Komplex, auch der verfassungsrechtliche Kontext — neben Abs. 1 Satz 2 und 3 vor allem die Formulierung „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" 456 — erlauben es, weitere Aussagen über die verfassungsvorausgesetzte A r t des Rechtssubjekts zu machen: Es werden damit körperschaftliche Gebilde auf räumlicher Grundlage angesprochen, denen als M i t t e l der Verselbständigung Rechtsfähigkeit zukommt 4 5 7 . Neben Rechtsfähigkeit und Körperschaftlichkeit ist mit dem Rechtssubjekt „Gemeinde" auch die Gebietshoheit wesentlich mitgegeben 458 . Die grundgesetzliche Gewährleistung setzt aber die Existenz von Gemeinden nicht lediglich voraus, indem sie ihnen Kompetenzen und Rechte 452 Vgl. etwa Becker, GR I V 2, S. 713, ferner auch S. 711; Stern, Bonner K o m mentar, A r t . 28 Rdn. 62. 453 Becker, GR I V 2, S. 712 f., ferner ders., Grundlage, H K W P I, S. 141 f., bezieht insoweit, w i e auch i m Hinblick auf die organisatorische Entscheidung über den Staatsaufbau, A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 i n die Verfassungsgarantie m i t ein; ähnlich ζ. B. auch v. Unruh, Gemeinderecht, S. 92 ff. 454 Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 62, 78 ff. 455 Carl Schmitt, Garantien, S. 149; zustimmend Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 63. 45β v g l . insbes. Becker, Staatslexikon, 3. Bd., S. 687. 457 Salzwedel, Kommunalrecht, S. 218, zählt zu den das „Wesen der Gemeinden" bestimmenden Merkmalen: vom Staat verschiedene Körperschaften des öffentlichen Rechts, Gebietshoheit, Selbstverwaltungsstatus, Trägerschaft öffentlicher Verwaltung, Universalität des Wirkungskreises; zur Rechtsfähigkeit insbes. vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 81. 458 v g l . Salzwedel, Kommunalrecht, S. 218; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 81 ; offenbar auch v. Unruh, Gemeinderecht, S. 92 f.

C. Empirischer Typus u n d Gehalt der Verfassungsgewährleistung

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zuweist. Vielmehr fordert sie, indem sie gemeindliche Selbstverwaltung garantiert, zugleich als deren Element und Träger, daß es Gemeinden i m beschriebenen Sinne gibt 4 5 9 . 2. Diese Rechtssubjektsgarantie ist Bestandteil einer umfassenderen Einrichtungsgarantie, der Verfassungsinstitution „gemeindliche Selbstverwaltung" 4 6 0 . a) Durch diese Einrichtung w i r d negativ die Wahrnehmung der öffentlichen Belange der örtlichen Ebene aus dem Kompetenzbereich der ministerialnachgeordneten 461 staatlichen Verwaltung ausgegliedert, also der unmittelbaren Lenkung durch die staatliche Zentrale entzogen. Durch den Verfassungsrang der Verbürgung w i r d dieser Aufgaben- und Zuständigkeitskreis zudem von der Regelung durch den Staat i m engeren Sinne schlechthin abgelöst 462 und der i n dem Rechtssubjekt „Gemeinde" verfaßten „örtlichen Gemeinschaft" zugewiesen 463 . b) Positiv korrespondieren damit eine bestimmte Verwaltungsform — Eigenverantwortlichkeit der Wahrnehmung der eigenen, lokalen Angelegenheiten — und ein Inbegriff zugewiesener Regelungsgegenstände — „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" —, also die Zuerkennung der Universalität des Wirkungskreises i m örtlichen Bereich 464 . I m einzelnen werden insoweit bestimmte instrumentale und sachliche Elemente als essentiell, ohne Verfassungsänderung unentziehbar hervorgehoben, so etwa die Befugnis, die Auswahl der Bewerber für die kommunalen Entscheidungsgremien i m Rahmen des kommunalen Wahlrechts unter Berücksichtigung lokaler Gesichtspunkte vorzunehmen, etwa unter Einbezug sogenannter Rathausparteien 465 , ferner etwa die Per459 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 32; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 29 m. w. N.; Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810, 811; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 62, 64, 66. 460 Becker, GR I V 2, S. 713 f.; Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 16 ff.; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 28 ff.; v. Mangoldt/Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 b, S. 706 u n d passim; Maunz, Staatsrecht, § 26 V 1, S. 230 f.; ders., i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 24f.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 62, 64, 66, 78 ff.; Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, S. 49 ff. 461 Vgl. Leisner, Mitbestimmung i m öffentlichen Dienst, S. 46 f. ; ders., Vorgesetztenwahl, S. 28; vgl. auch Hans H. Klein, Demokratie u n d Selbstverwaltung, S. 179 f. 462 So insbes. Salzwedel, V V d S t R L 22 (1965), 206, 223 ff. 463 Vgl. Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 811; Seibert, Gewährleistung, S. 45 ff.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 94 ff. 464 Hesse, Grundzüge, § 12 V 2, S. 190; Maunz, Staatsrecht, § 26 V 1, S. 231; ders., i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 27, 30, allerdings die „Allzuständigk e i t " von der Garantie der I n s t i t u t i o n ablösend; Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810, 811; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdn. 86 ff., 94 ff.; Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, S. 52 f., 54. 485 Vgl. BVerfGE 11, 266, 276; 12,10, 25.

190 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt s o n a l h o h e i t 4 6 6 , die F i n a n z h o h e i t 4 6 7 , die Rechtsetzungsbefugnis m i e ) 4 6 8 u n d die Organisationshoheit 460.

(Autono-

c) K o n t r o v e r s i s t d i e Frage, ob aus d e r G e w ä h r l e i s t u n g d e r I n s t i t u t i o n „gemeindlicher Selbstverwaltung" korrespondierende subjektive Rechte d e r „ d u r c h d i e I n s t i t u t i o n z u s a m m e n g e f a ß t e n u n d geschützten R e c h t s t r ä g e r " 4 7 0 a b z u l e i t e n s i n d 4 7 1 . E n t s p r e c h e n d w i r d d i e d u r c h A r t . 93 A b s . 1 Z i f f . 4 b G G , § 91 B V e r f G G vorgesehene B e f u g n i s d e r G e m e i n d e n u n d G e m e i n d e v e r b ä n d e , d i e „ V e r l e t z u n g des Rechts a u f S e l b s t v e r w a l t u n g " m i t e i n e r „ V e r f a s s u n g s b e s c h w e r d e " z u r Ü b e r p r ü f u n g z u stellen, e n t w e d e r als prozessuale B e w e h r u n g eines s u b j e k t i v - ö f f e n t l i c h e n R e c h t s 4 7 2 oder als eine i n d i e G e s t a l t e i n e r Verfassungsbeschwerde gekleidete abstrakte Normenkontrolle eingeordnet 473. d) B e r e i t s d i e verfassungsrechtliche B e z u g n a h m e a u f eine „ f o r m i e r t e u n d o r g a n i s i e r t e . . . E i n r i c h t u n g " 4 7 4 spricht ihre immanente Umgrenzth e i t m i t aus, w e i s t sie als g r u n d s ä t z l i c h a n d e r s a r t i g s t r u k t u r i e r t aus, v e r g l i c h e n m i t d e r A n e r k e n n u n g i n d i v i d u e l l e r F r e i h e i t s r ä u m e 4 7 5 . Diese B e g r e n z t h e i t w i r d zusätzlich k l a r g e s t e l l t d u r c h d e n a u s d r ü c k l i c h e n Gesetzesvorbehalt — „ i m R a h m e n d e r Gesetze" — i m V e r f a s s u n g s w o r t l a u t 4 7 6 . 4ββ

Vgl. BVerfGE 1,167,175; 8, 332, 359; 9,268, 289; 17,172,181 f. Vgl. dazu insbes. Hans Meyer, Finanzverfassung, S. 47 f. ; ferner Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 99. «β vgl. Becker, GR I V 2, S. 723; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 105 ff. 489 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 102; insgesamt vgl. ebenda Rdn. 97 ff. 470 So Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 176. 471 Vgl. einerseits, bejahend, etwa Becker, Grundlage, H K W P I, S. 140 f.; Peters, Die Gemeinde i n der Rechtsprechung, S. 207 f.; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 174 ff.; andrerseits etwa Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 28 f.; v. Mangoldt/Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 a, S. 7041; Maunz, Staatsrecht, § 26 V 2, S. 232; ders., i n Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 28; Ronellenfitsch, Landkredsreform, D Ö V 1972, 191,193 f. 472 So etwa Becker, Grundlage, H K W P I, S. 140 f. 473 So Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 56 f.; ders., Garantie, S. 123; vgl. zu den Konsequenzen beider Auffassungen, materiellrechtlich und verfahrensrechtlich, i m einzelnen: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 176. 474 Vgl. Carl Schmitt, Garantien, S. 149,155. 475 Vgl. Carl Schmitt, Garantien, S. 167; ders., Verfassungslehre, S. 1701; w e n n demgegenüber Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 29, ausführt, „praktisch" laufe die institutionelle Garantie „doch wieder . . . (auf die) Einräumung einer grundrechtlichen Freiheitssphäre", u n d zwar f ü r den einzelnen, hinaus, so ist damit lediglich angesprochen, daß die Verfassungsgewährleistung der Einrichtung dem Bürger die eigenständige Entfaltung i n der unmittelbaren Daseinssphäre, die Reduzierung der „Entfremdung" durch größere „Nähe" i n der „ V i talsphäre" ermöglicht (vgl. hierzu Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 124 f.) ; gegen die grundsätzliche Begrenztheit der Einrichtung — u n d korrespondierend der örtlichen, staatseingebetteten Kategorie — ist damit nichts eingewendet. 47β v g l . z u r Frage, i n w i e w e i t die Grenzen der Gewährleistung aus ihrem Gegenstand, der Einrichtung selbst, oder aus dem ausdrücklichen Gesetzes467

C. Empirischer Typus und Gehalt der Verfassungsgewährleistung

191

Einerseits also entzieht die Verfassungsgarantie die Institution grundsätzlich der Disposition staatlicher Verwaltung wie darüber hinaus des Gesetzgebers 477 . Andrerseits w i r d damit aber nicht die Gesamtsumme, der vorgefundene Bestand an Organisation, Aufgaben, Instrumentarium und Gestaltungsspielraum geschützt, sondern nur die identitätsbegründende, essentielle Grundstruktur, der „Kernbereich" gemeindlicher Selbstverwaltung. Es bleibt also Raum für flexible Fortgestaltung entsprechend den sich wandelnden Anforderungen des Gemeinwesens 478 . Insbesondere w i r d aus der Gewährleistung lediglich der Einrichtung der Schluß gezogen, daß Existenz und Gebietsbestand der einzelnen Gemeinde dadurch vor Eingriffen des Staates nicht gesichert sind 4 7 9 . Somit setzt die grundgesetzliche Regelung den staatlichen Gesetzgeber i n die Lage, dem örtlichen Bereich und seinen Belangen gegenüber das „allgemeine Interesse" durchzusetzen. Sie setzt aber seinem Gestaltungsspielraum dort eine Grenze, wo der Wesensgehalt der gewährleisteten Institution, ihre gewachsene typusbestimmende Struktur und Funktion, tangiert würde 4 8 0 . 3. M i t der Gewährleistung des Rechtssubjekts „Gemeinde" und der Einrichtung „gemeindliche Selbstverwaltung" ist schließlich von Verfassungs wegen durch A r t . 28 Abs. 2 GG — i. V. m. Abs. 1 Satz 2 und 3 — eine organisatorische Grundentscheidung über den (gesamt-)staatlichen Aufbau getroffen. Er muß so beschaffen sein, daß er eine gemeindliche und (mindestens) eine gemeindeverbandliche Ebene aufweist 4 8 1 . Die Gemeinde und (mindestens) ein Gemeindeverband sind i n diesem Sinne Wortlaut folgen: Hesse, Grundzüge, § 12 V 2, S. 190; Maunz i n Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 28 Rdn. 25, 39 f.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 113 ff., insbes. — zur Grenze wiederum für gesetzliche Einschränkungen — Rdn. 120. 477 So insbes. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 221 f. 478 Becker, Grundlage, H K W P I , S. 142 f.; ders., GR I V 2, S. 714 u n d passim; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 29 ff.; Hesse, Grundzüge, § 12 V 2, S. 190; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 222; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 88, 120 ff. m. w . N. 479 So schon der S t G H für das Deutsche Reich, RGZ 126, 14*, 22* f.; vgl. auch Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3, S. 583 f.; heute allgemeine Meinung; vgl. statt aller Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 9, sowie die Nachweise bei v. Mangoldt/Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 b, S. 706; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 29; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 78,145. 480 Vgl. statt aller Becker, GR I V 2, S. 720 ff.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 120 ff.; jeweils m. w. N.; zur Heranziehung der historischen E n t wicklung zur E r m i t t l u n g dieses tatsächlichen u n d rechtlichen Grundbestandes vgl. die ständige Rspr. des BVerfG, oben 2. Teil, Fn. 421; O V G Münster, E 9, 74, 83; 10, 282, 284; 11, 149, 150; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 27 ff.; zur unterschiedlichen Intensität des historischen Rückgriffs: Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 87; kritisch, i m H i n b l i c k auf die methodische Schwierigkeit, i n der geschichtlichen E n t w i c k l u n g die accidentalia von den essentialia zu scheiden: Friesenhahn, Garantie, S. 118 f., 127 f. u n d passim. 481 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 62, 66, 78, 83 f. m. w. N.

192 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

„notwendige" Verbände 4 8 2 . A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt darüber hinaus, daß diese dem Staat inkorporierten Ebenen gleich diesem selbst — abgesehen vom Ausnahmefall unmittelbarer Demokratie i n Zwerggemeinden (Abs. 1 Satz 3) 4 8 3 — nach den Prinzipien der repräsentativen Demokratie verfaßt sein müssen 484 . I I . Die Einordnung des empirischen Befundes in die Verfassungsgewährleistung

Die Frage ist nun, ob diese Elemente der verfassungsrechtlichen Gewährleistung als Konsequenz aus der ratio gedacht werden können, die für das reale B i l d der Gemeinde herausgearbeitete charakteristische Grundstruktur normativ aufzunehmen. Das setzt nicht nur voraus, daß die grundgesetzliche Regelung i m einzelnen die empirisch erhärtete Daseinsweise der Gemeinde nicht ignoriert, i n ihrem tatsächlichen Bestand nicht tangiert. Vielmehr muß sie sich widerspruchsfrei als Folge der Entscheidung deuten lassen, diesem Bestand von Verfassungs wegen Rechnung zu tragen, i h m rechtlichen Raum und rechtliche Form zu schaffen und zu erhalten. Die verfassungsrechtliche Garantie muß als M i t t e l aufgefaßt werden können, den empirischen Befund als Rechtswert zu sichern, zu verwirklichen und zu entfalten. 1. Daß die Gemeinde von Verfassungs wegen als körperschaftliche Einrichtung auf räumlicher Grundlage konzipiert ist, kann widerspruchsfrei als Rezeption der vorgefundenen soziologischen Gegebenheiten gewertet werden, der tatsächlichen Assoziierung der durch gemeinsame Ansässigkeit i n ihrer unmittelbaren Daseinssphäre lokal verbundenen Bürger 4 8 5 . Dabei korrespondiert die Aufnahme dieses Befundes i n die Verfassung, also i n die auf Dauer, Stabilität angelegte grundsätzliche Ordnung des Gemeinwesens 486 , einerseits mit der Feststellung, daß dieser Gegenstand einen elementaren Ansatz der gesellschaftlichen Gliederung betrifft 4 8 7 , andrerseits mit dem empirischen Ergebnis seiner wesent482

Thieme, Bund, L ä n d e r u n d Gemeinden, A f K 1963,185,187. 483 v g l . Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 17, der von einem „behaglich-urtümlichen Sachverhalt" spricht; vgl. auch Ossenbiihl, Gutachten 50. DJT, S. 125, der darauf hinweist, daß diese Form m i t der fortschreitenden Gebietsreform zunehmend der Vergangenheit angehört. 484

Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 83, i m einzelnen: Rdn. 46 ff. 485 Y g i z u r Naturgegebenheit der örtlichen Gemeinschaft einerseits, zur — an sie anknüpfenden — Anerkennung bzw. Schaffung der Gemeinde durch den Staat andrerseits: Peters, Lehrbuch, S. 292; vgl. auch Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38. 486

Vgl. zum materiell verfassungsrechtlichen Charakter der grundsätzlichen Vorschriften über die Staatsorganisation w i e zur Anlage dieser Grundentscheidungen auf zeitliche Dauer: Zippelius, Staatslehre, S. 36; vgl. auch Hesse, Grundzüge, § 1 I I I 2, S. 11 ff., insbes. S. 13. 487 Vgl. Seele, Positionen, S. 885.

C. Empirischer Typus u n d Gehalt der Verfassungsgewährleistung

193

liehen Invarianz gegenüber Wandlungen i m Zeitablauf wie Differenzierungen i n der Erscheinungsweise. Die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit, der Rechtssubjektivität an diese raumkörperschaftlichen Einrichtungen stimmt m i t der Erkenntnis überein, daß die örtliche Raumgemeinschaft i n der politisch-sozialen Wirklichkeit eine natürliche, überpersönliche, kollektive Einheit bildet. Die rechtliche Verselbständigung steht i m Einklang damit, daß tatsächlich die gemeindliche Gemeinschaft durch gleiche Interessen, Notwendigkeiten und Bedürfnisse ihrer Glieder gekennzeichnet und von den benachbarten Einheiten abgesetzt ist, daß ferner das körperschaftliche Gesamtinteresse seinem Inhalt nach über die Summe der umfaßten Einzelinteressen hinausreicht, das Produkt des täglichen kollektiven Prozesses ihres M i t - und Gegeneinanders darstellt 4 8 8 . Dadurch, daß den „örtlichen Gemeinschaften" der Status rechtsfähiger Körperschaften eingeräumt wird, werden die realen Verbände der unmittelbaren Daseinssphäre überhaupt erst rechtlich und administrativ erfaßt, i n die Lage versetzt, durch die damit verbundene innere Formierung und äußere Verselbständigung als eigenständige „politische K ö r p e r " 4 8 9 rechtlich zu existieren und zu wirken. Insbesondere fügt sich die den lokalen Körperschaften verliehene Gebietshoheit i n die empirische gemeindliche Daseinsform. Sie erstreckt, über den körperschaftlichen Mitgliederbestand hinaus, die Regelungsbefugnis der Gemeinde auf alle Personen, die sich auf dem Gemeindegebiet aufhalten, Grundeigentum erwerben, ein Gewerbe betreiben oder sonst Vermögen besitzen 490 . Dies erscheint gerade dann folgerichtig, wenn man die rechtliche Ausgestaltung der Gemeinde als Entscheidung für die juristische Formierung vorgegebener Sachstrukturen, nämlich der Verbände der unmittelbaren Vitalsphäre auffaßt. Wenn die „örtliche Gemeinschaft" auf dem räumlich bedingten Miteinander und den daraus erwachsenden gemeinsamen täglichen Lebensbedingungen, Bedürfnissen und Interessen ihrer Mitglieder beruht, dann w i r d deren Daseinskreis nicht nur von den naturräumlichen Gegebenheiten, sonstigen dauernden, objektiven Faktoren, dem Verhalten der Mitglieder selbst und den ihnen zugeordneten, auf dem Gemeindegebiet belegenen Sachwerten bestimmt. Gegenstand dieser Sphäre sind dann vielmehr auch alle persönlichen und sächlichen Einwirkungen, die von außen kommend i n den gemeinschaftlichen Raum eindringen, sich i n i h m aktualisieren. Auch sie werden Elemente des erlebten Daseins der Gemeindebürger, begründen regelungsbedürftige Lagen und regelungsre488

Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. u n t e r C. I I I . 3. a) bb) ß). Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 490 Vgl. Kottenberg/Rehn, GO N W , § 1, Erl. V 2; Peters, Lehrbuch, S. 292 f.; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219 f.; zu eng — n u r auf den Aufenthalt von Personen abstellend — Zuhorn/Hoppe, Gemeinde-Verfassung, ;S. 68. 489

13 Loschelder

194 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

levante Daten der Gemeinde. Das heißt: Die Gebietshoheit bringt inhaltlich die gemeindliche Kompetenz m i t dem natürlichen Regelungsbereich der örtlichen Gemeinschaft zur Deckung 491 . Allerdings müßte, gemessen am empirischen Befund, eine verfassungsrechtliche Regelung als unzulänglich erscheinen, die sich i n der Verleihung derartig ausgestalteter Rechtssubjektivität i n dem Sinne erschöpfte, daß sie sie lediglich als zulässig, möglich auswiese, ohne sie positiv zu fordern. Eben weil sich i m gemeindlichen Raum, i n der „örtlichen Gemeinschaft" ein elementarer und i m Kern invarianter Sachverhalt entfaltet, weil sie eine fundamentale, allgemeingültige, staatskomplementäre Kategorie politischer Existenz des Bürgers darstellt, würde eine solche Gestaltung sachlich nicht hinreichend sein. Die grundgesetzliche Garantie kann daher nur deswegen auf die ratio zurückgeführt werden, der gemeindlichen Realität Rechnung zu tragen, weil sie, wie dargelegt 4 9 2 , nicht bei der Gewährung einer bloßen Möglichkeit stehen bleibt. Sie gewährleistet, fordert vielmehr die Existenz der Rechtssubjekte „Gemeinden". Mehr noch: Sie fordert ihr Dasein nicht allein insofern, als es überhaupt „Gemeinden" geben muß; sie erhebt die Gliederung des gesamten Staatsvolkes und Staatsgebiets i n Gemeinden zu einem zwingenden Organisationsgebot für den Staatsaufbau 493 . 2. Hätte sich die Verfassung auf die Rechtssubjektsgarantie — Gewährleistung der Gemeinden als rechtsfähiger, räumlich konstituierter, mit Gebietshoheit ausgestatteter Körperschaften — und die organisatorische Grundentscheidung für die Gliederung des staatlichen Gemeinwesens insgesamt in Gemeinden beschränkt, so würde dies allein den Rückschluß nicht erlauben, ratio der grundgesetzlichen Gewährleistung sei es, der grundlegenden und umfassenden politischen und sozialen Kategorie der „örtlichen" Daseinssphäre, ihrer sachgerechten und sachgegebenen Entfaltung Rechnung zu tragen. M i t diesem kategorialen Charakter vertrüge sich eine uneingeschränkte staatliche Dispositionsbefugnis über die Kompetenzen der örtlichen Raumkörperschaften nach Gegenstand und Ausmaß nicht. Sollen i n diesen wirklich die sozialen Verbände des unmittelbaren Lebenskreises angemessen administrativ formiert werden, so erschiene es widersprüchlich, könnte, wenn auch gegebenenfalls durch Gesetz 494 , ihr Aufgabenbereich durch beliebige, 491 Insoweit werden zutreffend Allseitigkeit des Wirkungskreises u n d Gebietskörperschafttlichkeit als zusammengehörig genannt — jedenfalls, soweit es u m die Gemeinde geht — : vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 46; Kottenberg/Rehn, GO NW, § 1, Erl. 2. 492 Vgl. oben 2. Teil, 5. Kap. unter C. I. 1., 3. u n d die Nachweise daselbst. 493 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 63, 83. 4β4 v g l z u m Verhältnis von Selbstverwaltung durch v o m Staat verschiedene juristische Personen des öffentlichen Rechts u n d Vorbehalt des formellen Gesetzes: Salzwedel, Kommunalrecht, S.220f.; zum Verhältnis von Gewäh-

C. Empirischer Typus u n d Gehalt der Verfassungsgewährleistung

195

beispielsweise enumerative Zuweisung und Entziehung von Aufgaben und Entscheidungsbefugnissen nach Maßgabe des staatlichen Interesses wechselnd umschrieben werden. Es entspräche dem umfassenden empirischen Substrat nicht, könnten beliebige Angelegenheiten des örtlichen Bereichs staatlichen Behörden zugewiesen oder die Gemeinden i n A n sehung solcher Aufgaben unbeschränkter staatlicher Zweckmäßigkeitsaufsicht unterworfen werden. Der raumkörperschaftliche Verband der unmittelbaren Daseinssphäre des Bürgers erschöpft sich nicht i n seiner bloßen Existenz. Er stellt eine „politische Lebensform" dar 4 9 5 , den Ort der Gestaltung der täglichen menschlichen Lebensführung. Entsprechend gehen seine Existenz, geht der Inhalt der i n i h m stattfindenden sozialen Beziehungen über das gemeinsame Erlebnis der als gemeinsam erfahrenen Daseinsbedingungen, Bedürfnisse und Interessen hinaus. Sie verwirklichen sich gerade i n dem daraus resultierenden Zusammenwirken zur Gestaltung dieser Daseinsbedingungen, i n der umfassenden Befriedigung dieser „Bedürfnisse i n der Vitalsphäre" 4 9 6 . a) Demzufolge kann von einem umfassenden normativen Aufnehmen dieser realen Struktur durch die Verfassung nur gesprochen werden, wenn für dieses örtliche Zusammenwirken i n der grundgesetzlichen Gewährleistung ein entsprechender Raum geschaffen wird. Es muß, was den Gegenstand angeht, der Komplex dieser „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", der ihr i n concreto je eigenen Bedürfnisse und Interessen, dem gemeindlichen Verband als Aufgabe zugewiesen werden. Darüber hinaus — wenn insoweit die volle Konsequenz aus der Eigenständigkeit der staatskomplementären örtlichen Kategorie gezogen werden soll — muß, über solche Aufgabenzuweisung hinaus, sichergestellt werden, daß i m lokalen Bereich grundsätzlich die objektiven und subjektiven Daten des „engeren Subsystem(s)" 497 , Bedürfnisse, Interessen, Wille des gemeindlichen Teilvolkes, die Entscheidungen bestimmen, sich gegenüber den Daten der übergreifenden, an den „Gesamtinteressen" orientierten 4 9 8 und damit von solchen Sonderinteressen abstrahierenden staatlichen Kategorie durchsetzen. Eben dies geschieht durch die institutionelle Garantie des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Sie weist die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" den Gemeinden zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zu, konstituiert also auf der Grundlage der realen, umfassenden örtlichen Gemeinschaftsbildungen r u n g eigener Rechtspersönlichkeit u n d Vorbehalt des formellen Gesetzes für die Beseitigung der einzelnen Gemeinde: Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 804. 495 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 49β y g i Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 24 ff., 35 ff. 497 498

13*

Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 36. Peters, Grenzen, S. 220.

196 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

unabhängige „politische Entscheidungszentren" 499 , „politische K ö r p e r " 5 0 0 mit grundsätzlicher und umfassender Handlungs- und Gestaltungsfreiheit 5 0 1 . b) Nicht nur i n dieser grundsätzlichen Entscheidung, auch i n der Einzelausgestaltung korrespondiert die Verfassungsgewährleistung mit den realen Strukturen der örtlichen Kategorie. aa) Das gilt zum ersten für die A r t und Weise, wie Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die den Gemeinden zugewiesenen Aufgaben der örtlichen Kategorie umschreibt. Da die gemeindliche Ebene das gesamte lokale soziale und politische Dasein des Bürgers, seine unmittelbare Lebenssphäre einbegreift, würde eine Zuweisung der diesen Kreis betreffenden Regelungsgegenstände sachadäquat nicht enumerativ erfolgen. Eine Enumeration würde dem umfassenden, komplexen Charakter der Kategorie des täglichen Lebens nicht gerecht, die sich einer erschöpfenden Addition ihrer Natur nach entzieht 5 0 2 . Sie würde insbesondere die ständigen tatsächlichen Veränderungen der Lebensbedingungen, den Prozeß der Entstehung neuer, der Auswanderung überkommener Aufgaben nicht i n sich aufnehmen können 5 0 3 . Sie wäre auch nicht i n der Lage, den unterschiedlichen objektiven und subjektiven Gegebenheiten der je konkreten örtlichen Situation hinreichend Raum zu geben 504 . A l l dies aber leistet i n sachgerechter Weise eine Aufgabenzuweisung, die, wie dies i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschieht, i n der Form der Generalklausel umfassend die reale Vorgegebenheit, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", i n Bezug nimmt. bb) Nicht nur für sich betrachtet, nach Inhalt und Umfang der i n i h m wurzelnden Regelungsmaterien, w i r d der gemeindliche Bereich von Verfassungs wegen i n seiner Sachgesetzlichkeit von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie rezipiert. Diese trägt auch seinem komplementären Charakter zur staatlichen Kategorie präzise Rechnung. 499 Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 811; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 9. 500 Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 501 Vgl. zur Unterscheidung von Gestaltungsfreiheit u n d bloßem Ermessen: Salzwedel, Kommunalrecht, S. 221. 502 Y g i ( j i e Bedenken Werner Webers, Verfassungsgarantie, S. 47 f., sogar gegenüber lediglich beispielhaft verstandenen Aufzählungen. 503 Vgl. grundsätzlich Hesse, Grundzüge, § 1 I I I 4, S. 16 f.; zum Gestalt- u n d Aufgabenwandel der Gemeinde vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125 ff.; Laux, Kriterien, DVB1.1968, 374, insbes. S. 375, 377; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 20 ff., 36 f. 504 Vgl. zu derartigen Differenzierungen, ihrem historischen H i n t e r g r u n d u n d den entsprechend unterschiedlichen Anforderungen an eine anpassende Reform: Laux, Kriterien, DVB1.1968, 374, 374 f.

C. Empirischer Typus u n d Gehalt der Verfassungsgewährleistung

197

Die unmittelbare Daseinssphäre ist kein isolierter Bereich. Sie ist eingebettet i n die übergreifende staatliche Struktur. Die Verflechtungen zwischen beiden Sphären nehmen i n der gegenwärtigen Entwicklung ständig zu 5 0 5 . Die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" beschränken sich i n ihrer Bedeutung, i n ihren Auswirkungen — ob und wie sie am Ort erledigt werden — nicht auf den gemeindlichen Bereich. Sie wirken auf den umliegenden Kaum und auf die staatliche Ebene zurück, wie umgekehrt die staatlichen Entscheidungen — und Nichtentscheidungen — vielfältig i n die Ortsebene durchschlagen. Eben diese, durchaus flexible Beziehung zwischen den komplementären Ebenen „Staat" und „Gemeinde" ist der Grund, daß nicht per definitionem ein für allemal auszumachen ist, welche Angelegenheiten i n einem gegebenen Zeitpunkt ihrer Natur nach „örtlich", welche „überörtlich" sind 5 0 8 , daß sich i n nahezu jeder örtlichen Relegungsmaterie ein überörtlicher Bezug findet, der je nach den zeitlichen Umständen, den räumlichen Gegebenheiten dominieren oder zurücktreten kann 5 0 7 . Auch bringt diese tatsächliche Verflechtung zunehmend Konstellationen hervor, die zu einer gemeinschaftlichen Wahrnehmung durch beide Entscheidungsebenen zwingen 5 0 8 . Ungeachtet solcher Durchdringung ergibt sich aber aus dem kategorischen Charakter beider Bereiche andrerseits, daß, was die tatsächlichen Vorgegebenheiten angeht, von einer Auflösung der einen durch die andere Sphäre, insbesondere von einem Aufsaugen des gemeindlichen Lebens« und Regelungskreises durch den staatlichen nicht die Rede sein kann 5 0 9 . Zwar sind das unmittelbare Dasein des Bürgers und die darauf beruhende örtliche Gemeinschaft bedingt, abhängig vom Geschehen i n der staatlichen Gesamtgemeinschaft. Aber sie werden, selbst i n existentiellen Fragen, als Bezugssystem, als natürlicher Raum der Lebensgestaltung nicht verdrängt. Dem widerspricht auch die zunehmende funktionale Verflechtung der lokalen Ebene i m Rahmen eines vielstufigen staatlich-kommunalen Entscheidungsverbundes grundsätzlich nicht. Dari n liegt freilich eine Tendenz der Determinierung und Verengung des örtlichen Gestaltungsspielraumes. Wenn aber auch zahlreiche Regelungs505 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 11 ff., 35 ff.; Seele, Positionen, S. 886 ff.; Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 32 ff., speziell zur „ K o n t r a k t i o n des Verhältnisses B u n d - G e meinde". eoe y g i . 0 b e n 2. Teil, 5. Kap. unter B. I I I . 3. c) aa). 507 Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 224; zur grundsätzlichen Notwendigkeit, die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" i n einer „der geschichtlichen Veränderung entsprechenden beweglicheren Auslegung zu e r m i t t e l n " : Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,23 f. 508 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 37 f.; Seele, Positionen, S. 886 ff.; Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 52. 509 Vgl. v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95; vgl. auch zur Wandlung des gemeindlichen Gehalts — „Versorgungsgemeinde" — bei gleichzeitiger Stabilität des Eigenwerts: Laux, Kriterien, DVB1.1968,374,377.

198 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt m a t e r i e n aus d e r ausschließlich g e m e i n d l i c h e n Z u o r d n u n g h e r a u s w a c h sen i n eine Zone g e m e i n s a m e n ö r t l i c h e n und ü b e r ö r t l i c h e n Interesses, so b e d e u t e t dies a n sich l e d i g l i c h eine i n h a l t l i c h e W a n d l u n g d e r „ A n g e l e g e n h e i t e n der ö r t l i c h e n G e m e i n s c h a f t " , d e r Gegenstände, a u f d i e die D a t e n der u n m i t t e l b a r e n Daseinssphäre e i n w i r k e n u n d d e r A r t u n d Weise dieser E i n w i r k u n g . E n t s p r e c h e n d s t e l l t es d i e e i g e n v e r a n t w o r t l i che G e l t e n d m a c h u n g dieser D a t e n m i t W i r k u n g f ü r die l o k a l e K a t e g o r i e p r i n z i p i e l l n i c h t i n Frage, w e n n sie i n e i n e n Ausgleichsprozeß e i n fließt, i n d e m h i n s i c h t l i c h d e r „ s t a a t s z u g e w a n d t e n " Seite d e r M a t e r i e die i n s o w e i t r e l e v a n t e n Interessen v o n E n t s c h e i d u n g s t r ä g e r n h ö h e r e r S t u f e a r t i k u l i e r t w e r d e n . Solche i n h a l t l i c h e u n d i n s t r u m e n t a l e F o r t e n t w i c k l u n g des g e m e i n d l i c h e n p o l i t i s c h e n K ö r p e r s u n d seiner E i n b e t t u n g i n das Gesamtgefüge des Gemeinwesens ä n d e r t a n d e r G r u n d k o n s t e l l a t i o n n i c h t s 5 1 0 . So sehr auch das gesamtstaatliche corpus p o l i t i c u m ohne eine m i n d e s t e H o m o g e n i t ä t , Z e n t r a l i t ä t , E i n f ü g u n g d e r engeren R ä u m e u n d G r u p p i e r u n g e n n i c h t z u e x i s t i e r e n v e r m a g 5 1 1 , so h e b t doch selbst u n 510

Vgl. Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 130 ff., insbesonders S. 131 f. So k a n n etwa Laux, Autonomie als politisches Prinzip, einerseits die Forderung nach M i t w i r k u n g der kommunalen Spitzenverbände an der Gesetzgebung i n B u n d u n d Ländern (S. 17 f.), allgemein der Beteiligung der gemeindlichen Ebene an „höherstufigen Entscheidungsprozessen" schildern (S. 19), die i n diesem Zusammenhang getroffene Feststellung eines „Substanzverlust(es) an Autonomie" (S. 20) hindert i h n jedoch nicht, zugleich die Bedeutung „weitgehende(r) Autonomie der Selbstverwaltung" auch für die Z u k u n f t zu betonen. Z u m Verhältnis von gemeindlicher Selbstverwaltung u n d Landesplanung vgl. Löwer, Selbstverwaltungsrecht u n d Landesplanung, JuS 1975, 779, 782; vgl. speziell zur Vereinbarkeit einer Kreisentwicklungsplanung m i t eigenverantwortlicher gemeindlicher Selbstverwaltung Göb/Laux/Salzwedel/ Breuer, Kreisentwicklungsplanung, S. 51 ff., insbes. S. 55 ff. Da gemeindliche Eigenverantwortung i m eigenen Aufgabenkreis u n d staatlich-kommunale E n t scheidungsverflechtung einander nicht ausschließen, k a n n Roters, Kommunale M i t w i r k u n g , nicht gefolgt werden, wenn er statt inhaltlicher u n d instrumentaler Wandlungen konstatiert, A r t . 28 Abs. 2 GG sei unter den heutigen Gegebenheiten „ i n sich widersprüchlich" (S. 33), die „Inkonsistenz der Verfassung" mache daher eine Verfassungsänderung notwendig (S. 33 u n d passim). Eine derartige allzu sehr auf dem älteren Gemeindebild, seinem geschlossenen Aufgabenkreis u n d seiner autarken Autonomie fußende Diagnose (vgl. a.a.O. 7 f., 10 ff., 15 ff.) stellt einen — an sich zutreffenden — (Teil-)Befund allzu ausschließlich, losgelöst von seinem Kontext, i n den Vordergrund. Dies f ü h r t i n der Konsequenz zu einer Verflüchtigung des politischen u n d sozialen K ö r pers der Gemeinde, der örtlichen Kategorie, i n ein bloßes Bündel von F u n k tionen innerhalb eines komplexen Planungs- u n d Entscheidungssystems. E n t sprechend findet sich i n Roters' Formulierungsvorschlag für eine A r t . 28 Abs. 2 GG u n d die entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Garantien ersetzende Regelung kein Hinweis mehr auf eine „örtliche Gemeinschaft" und ihre „ A n gelegenheiten". D a m i t droht aber die Gefahr, daß die Substanz der k o m m u nalen Selbstverwaltung grundgesetzlicher Prägung preisgegeben w i r d . Vgl. allgemein zum Diskussionsstand u m ein „funktionales" Verständnis gemeindlicher Selbstverwaltung: Pappermann, Funktionalreform, Staats- u n d K o m m u n a l v e r w a l t u n g 1976, 2 ff., insbes. 4. 511 Vgl. für das Bund/Länder-Verhältnis Hesse, Grundzüge, § 7 I I 2, S. 106 ff.; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 1, 2; vgl. auch Herzog, Staatslehre, S. 123 ff.

C. Empirischer Typus u n d Gehalt der Verfassungsgewährleistung

199

begrenzte rechtliche Zentralisierung und Majorisierung das tatsächliche Vorhandensein natürlicher Gruppierungen, insbesondere der Assoziierungen der unmittelbaren Daseinssphäre nicht auf 5 1 2 . Eine Verfassungsregel, die diese tatsächliche Wechselwirkung, Eigenständigkeit und Bezogenheit berücksichtigen w i l l , muß m i t h i n beides, Entfaltung wie Verflechtung der komplementären Bereiche, gewichten und i n ein System ausgewogener Prioritäten bringen. Solches Abwägen objektiviert sich i n der Gewährleistung des A r t . 28 GG. Sie verfaßt die Gemeinden nicht als Gegenbereich zum Staat, der außerhalb seines Organismus stünde, auf grundsätzlich abweichenden Konstitutionsprinzipien beruhte. Das schließen die Entsprechung des territorialen Ansatzes wie des demokratischen politischen Grundprinzips 5 1 3 aus. Sie gliedert die gemeindliche Ebene als unterste Stufe i n das staatliche Gemeinwesen, und zwar i n die Länder, ein 5 1 4 . Sie gewährleistet ihren kategorialen Bestand unbedingt, untersagt also, diesen Bereich seiner Eigenständigkeit zu entkleiden und ihn, mit welchen Mitteln auch immer, i n die staatsunmittelbare Verwaltung einzugliedern 515 . A u f dieser unveränderbaren Grundlage t r i f f t die Verfassung ihre flexible A u f gabenabgrenzung, die sowohl dem grundsätzlichen Freiraum der Entfaltung der lokalen Ebene wie seiner Einbettung i n die staatliche Gesamtordnung Rechnung trägt. Sie stellt damit sowohl einen essentiellen Mindestbestand gemeindlicher Regelungsgegenstände 516 wie insbesondere die Befugnis spontaner Übernahme neuer, örtlicher Aufgaben sicher 517 . Sie schließt aber andrerseits nicht aus, daß der Staat den überörtlichen Bezug einer Angelegenheit aktualisiert, auf den Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, die Verschiebung der Gewichte zwischen örtlicher und überörtlicher Komponente in einer bestimmten Frage reagiert und ihre Wahrnehmung an sich zieht 5 1 8 , solange dadurch nur nicht das gewachsene, identitätsbestimmende, typusbegründende B i l d gemeindlichen Daseins aufgelöst w i r d 5 1 0 . Besonders prägnant manifestiert sich die prinzipielle Deckungsgleichheit von empirischem Substrat und verfassungsrechtlicher Ausgestaltung i n dem Vorbehalt, wonach den Gemeinden die Wahrnehmung „aller A n gelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" ausdrücklich „ i m Rahmen 512

Vgl. Peters, Lehrbuch, S. 292; Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38. Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 6 ff., insbes. S. 8. 514 Vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 23. 515 Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969,810, 811. 516 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 86 ff., 91,114,120 ff. 517 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 24; Stern, Bonner K o m m e n tar, A r t . 28 Rdn. 87. 518 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125 f.; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 87; Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 51. 519 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 87 ff. m. w. N. 513

200 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

der Gesetze" eingeräumt ist 5 2 0 . Damit w i r d keineswegs nur verdeutlicht, daß der gemeindliche Aufgabenkreis bis an die Grenze seines kategorialen Eigengewichts, seiner gewachsenen Identität i n das staatliche Gemeinwesen eingegliedert ist, daß er Modifizierungen der Datenpriorität durch staatliche Dispositionen offensteht, wo es der Harmonisierung mit der Gesamtordnung, der Majorisierung der örtlichen Daten u m des „allgemeinen Interesses" willen bedarf 5 2 1 . Vielmehr w i r d auf diese Weise zugleich sichergestellt, daß eine derartige Disposition über die örtliche Kategorie allein durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgt, durch die unmittelbare Repräsentanz der gesamtstaatlichen Gemeinschaft selbst, nicht aber durch den Zugriff staatlicher Administration 5 2 2 . Darüber hinaus ist auch der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht unbegrenzt. Er endet dort, wo die Ingerenz i n den gemeindlichen Ordnungskreis den Wesensgehalt seiner gewachsenen Strukturen berühren w ü r de 5 2 3 . Auch dies kann schlüssig als Ausdruck des Bestrebens gedeutet werden, der realen Eigengesetzlichkeit der örtlichen Sphäre wie ihrer Verflochtenheit m i t der übergreifenden staatlichen Ordnung Rechnung zu tragen. cc) Die solchermaßen als sachentsprechend sich darstellende Aufnahme der empirischen gemeindlichen Daseinsweise i n die verfassungsrechtliche Regelung bliebe schließlich unvollständig, bezöge sie sich nur auf die Gegenstände lokaler Regelungsbefugnis, nicht auch auf A r t und Maß der Gestaltung dieser Gegenstände nach der Priorität der örtlichen Daten 5 2 4 . Denn die eigenständige Kategorie des unmittelbaren Lebenskreises umfaßt nicht lediglich einen umfassenden Komplex regelungsfähiger und regelungsbedürftiger „Angelegenheiten"; i n ihr wurzelt auch das Bedürfnis, diese Angelegenheiten nach den Koordinaten des näheren, persönlich wie sachlich engeren Verbandes selbständig wahrzunehmen 5 2 5 . Damit verträgt sich überörtliche, staatliche Bevormundung nicht, auch nicht Betätigungsfreiheit lediglich i m Rahmen fremdgesetzter Leitlinien, nach „pflichtgemäßem Ermessen". Dazu bedarf es der auch i m Grundsätzlichen eigendeterminierten Gestaltungsfreiheit 526 . Andrerseits 520 v g l dazu, daß sich diese Wendung nicht allein auf den nachfolgenden Passus „ i n eigener Verantwortung", sondern auch auf die vorangehende A u f gabenzuweisung bezieht: Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 31 m. w . N. 521

Vgl. besonders deutlich: BVerfGE 1,167,178. Vgl. v. Mangoldt/Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 d, S. 707 f.; Stern, Bonner K o m mentar, A r t . 28 Rdn. 115. 523 Vgl. v. Mangoldt/Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 d, S. 708; Maunz i n Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 32; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 120 ff. 524 Vgl. zur notwendigen Korrespondenz von Aufgabenzuweisung und Eigenverantwortlichkeit: Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 28 Rdn. 31. 525 ygL Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 30 f., 36 f. 522

528

Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 221.

D. Uberprüfung am Maßstab der Verfassungsgrundentscheidungen

201

schließt die komplementäre Zuordnung und Einordnung die Grenzenlosigkeit solcher Gestaltungsfreiheit aus. Es muß die Möglichkeit verbleiben, aus der staatlichen Ebene i n dem Maße, wie dies nach Lage der Dinge und der Entwicklung der tatsächlichen Notwendigkeiten jeweils i m allgemeinen Interesse erforderlich ist, die örtlichen Daten m i t den überörtlichen zu harmonisieren, sie notfalls i m Sinne der Prädominanz der letzteren zu majorisieren — auch dies aber wiederum nur bis an die Grenze des Kernbestandes örtlicher Selbstverwaltung 5 2 7 . Auch i m Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit gemeindlicher A u f gabenerfüllung w i r d A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG der tatsächlichen gemeindlichen Daseinsweise gerecht. Er spricht die Eigenbestimmtheit der lokalen Gestaltung ausdrücklich aus, begrenzt andrerseits durch den Gesetzesvorbehalt auch dieses Element gewachsener gemeindlicher Selbstverwaltung 5 2 8 , und zwar i n der gleichen Form und i m gleichen Umfang wie die Zuweisung der Regelungsmaterien. Entsprechend w i r d der instrumentale Kernbestand der „Gemeindehoheit" für grundsätzlich i n der Essenz unentziehbar erachtet, also insbesondere Personalhoheit, Gebietshoheit, Finanzhoheit, Planungshoheit, Rechtsetzungshoheit, Organisationshoheit 529 . I I I . Die Korrespondenz des verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalts mit dem empirischen Befund

Zusammenfassend darf somit festgestellt werden: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung korrespondiert i n ihren Regelungselementen dergestalt mit den empirischen Strukturen lokaler Daseinsweise, daß sie widerspruchsfrei als Konsequenz einer Wertentscheidung gedeutet werden kann, diesen Strukturen positivrechtlichen Raum zu gewähren, ihren Bestand und ihre Entfaltung sicherzustellen. D. Die Überprüfung des Ergebnisses am Maßstab der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen Die exakte Abgestimmtheit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung auf die realen Gesetzlichkeiten der örtlichen Kategorie legt die Folgerung nahe, i n der Sicherung und Entfaltung dieser Gesetzlichkeiten müsse nicht nur eine mögliche, schlüssig begründbare ratio der grundgesetzlichen Regelung gesehen werden, sondern darüber hinaus deren zentrales Schutzgut überhaupt. Dieser Schluß darf mit u m so größerer Gewißheit dann gezogen werden, wenn eine solche Deutung nicht nur mit den Verfassungsgrundentscheidungen 527

Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 114,120. Vgl. bereits zu A r t . 127 W R V Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Erl. 1, S. 582. 529 Vgl. hierzu i m einzelnen Stern, Bonner Kommentar. A r t . 28 Rdn. 96 ff. 528

202 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

harmoniert, sondern wenn gerade auf ihrem Boden die lokale Gestaltungsform als wirksame und gewichtige Realisierung des demokratischen und sozialen Rechtsstaats grundgesetzlicher Prägung ausgewiesen werden kann 5 3 0 . I . Das Rechtsstaatsprinzip

Bei der Erörterung der Frage nach der möglichen Motivation der Verfassungsentscheidung für die Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung ist dargetan worden, daß — unter dem Gesichtspunkt vertikaler Unterscheidung, Trennung und Zuordnung der „Gewalten" — das Prinzip des Rechtsstaats i n den Gemeinden als selbständigen Entscheidungszentren ein geeignetes Instrument effektiver Verwirklichung vorfindet 5 3 1 . Offen blieb in diesem Zusammenhang lediglich, warum insoweit die Verfassung gerade auf die gemeindliche Ebene zurückgreift, inwiefern gerade die gewachsene Einrichtung „Gemeinde" ein vor anderen vorhandenen oder möglichen Gliederungsansätzen bevorzugtes Mittel zur Realisierung dieses Zwecks darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob hierauf nunmehr, auf der Grundlage des entwickelten Ergebnisses, eine A n t wort gegeben werden kann. 1. So unterschiedlich der verfassungspolitische Grundgedanke formuliert werden mag, der der Bildung und Zuordnung begrenzter Funktions- und Entscheidungseinheiten zugrundeliegt — Machtbeschränk u n g 5 3 2 durch Trennung und Kontrolle, Rationalisierung und Stabilisierung 5 3 3 , wechselweise Steigerung zu „größerer Richtigkeit" 5 3 4 —, in jedem Falle bedeutet „Gewaltentrennung" mehr als bloße Demontage der öffentlichen Gewalt durch Zerlegung i n beliebige Teileinheiten. Diese Zwecke setzen vielmehr sämtlich ein Doppeltes voraus: Sie können nur durch Gliederungselemente verwirklicht werden, die auf der Basis eines sachgerechten Konstitutionsprinzips nach innen eine mindeste Kohärenz aufweisen, und denen, darauf fußend, nach außen ein hinreichendes Gewicht, hinreichende funktionale Effizienz zukommt. Darüber hinaus aber muß jede Form solcher Gliederung existenzbedrohend für das staatliche Gemeinwesen insgesamt werden, wenn die staatsinkorporierten Zentren zu einem Zustand allseitigen Gegeneinanders, zum Abbau einer mindesten Einheit entarten 5 3 5 , wenn es nicht gelingt, sie i n den Bahnen geordneten Zusammenwirkens, verbindlicher Wechselbeziehungen zu erhalten. 530 v g l z u m Argumentationswert der Gesichtspunkte „Einheit der Verfassung" und „praktische Konkordanz": Hesse, Grundzüge, § 2 I I I 2 c, bb, cc, S. 28 f. 531 Vgl. oben 2. Teil, 3. Kap. unter A. 532 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 157. 533 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 158. 534 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 159. 535 Vgl. Herzog, Staatslehre, S. 226 f.

D.

berprüfung am Maßstab der Verfassungsgrundentscheidungen

203

Daß gerade die in den Gemeinden verfaßte soziale Verflechtung der unmittelbaren Daseinssphäre geeignet ist, diese Anforderungen zu erfüllen, folgt aus den Aussagen, die über deren reale Struktur und den Gehalt der sie aufnehmenden Verfassungsgewährleistung entwickelt worden sind. So resultiert aus der natürlichen, in der inneren Sachgesetzlichkeit invarianten räumlich-sozialen Kategorie, die in der Gemeinde institutionalisiert ist, der feste innere Zusammenhang, die äußere Effizienz der Gliederungseinheiten. Der elementare und umfassende Charakter der örtlichen Dimension begründet ihr politisches Gewicht gegenüber der staatlichen Sphäre. Die einigende Verallgemeinerungsfähigkeit des territorialen Ansatzes und die funktionale Eingebundenheit des örtlichen i n den komplementären überörtlichen, staatlichen Datenkomplex stellen die notwendige Bezogenheit und Harmonisierung sicher. 2. Auch über den Aspekt der Gewaltentrennung hinaus läßt sich die Verfassungsgarantie der gemeindlichen Selbstverwaltung, verstanden als Entfaltungsgarantie der sozialen Verflechtung der Vitalsphäre, als Verwirklichungsinstrument rechtsstaatlicher Gehalte darstellen. Wenn es zum Wesen des Rechtsstaats gehört, dem staatlichen Gemeinwesen „Maß und F o r m " 5 3 6 , damit — unbeschadet des steten Veränderungsprozesses i m demokratischen Wechselspiel — Kontinuität zu verleihen 5 3 7 , wenn es fernerhin sein Gehalt ist, das Gemeinwesen unter dem K r i t e r i u m privater und öffentlicher Freiheit des Bürgers zu formieren 5 3 8 , dann folgt daraus: Die Verselbständigung der lokalen Gliederungen entzieht den kategorialen und kontinuierlichen Bereich unmittelbaren Daseins des Bürgers institutionell der Majorisierung von außen und w i r k t damit auf seine individuelle Entfaltung h i n 5 3 9 . Sie zielt auf „Überwindung" der „Entfremdung in bezug auf die schlichtesten Bedürfnisse i n der Vitalsphäre und ihre Befriedigung" 5 4 0 , indem sie i m gewachsenen Rahmen des gemeindlichen Verbandes dem unmittelbaren Lebensbereich einen näheren, anschaulichen Raum 5 4 1 der „spontanen Selbstentfaltung und Selbstgestaltung individuellen und sozialen Lebens" 5 4 2 bereitet. 536 Hesse, Rechtsstaat, S. 560, 560 ff.; vgl. auch Maunz, Staatsrecht, § 10 I, S. 72, der das „ F o r m p r i n z i p " m i t dem Aspekt des „Unpolitischen" v e r k n ü p f t ; vgl. auch ebenda S. 73 f. 537 Vgl. Hesse, Rechtsstaat, S. 571 f.; ders., Grundzüge, § 6 I, S. 78; zum V e r hältnis von Gesetzförmigkeit u n d Stetigkeit vgl. auch Krüger, Staatslehre, S. 131; vgl. auch zur „Rechtsbeständigkeit": Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 20 Rdn. 12. 538 So insbes. pointiert: Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 126 f., 131; Hesse, Rechtsstaat, S. 574 iL; Maunz, Staatsrecht, § 10 I b, S. 73. 539 Vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 29, 41. 640 Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125. 541 Z u m Prinzip der „Nähe" : Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 123 ff. 542 Hesse, Rechtsstaat, S. 578.

204 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt I I . Das Demokratieprinzip

Daß Demokratie schlechthin m i t der Institutionalisierung gemeindlicher Selbstverwaltung nicht a priori i n Konkordanz stehen muß, wurde bereits früher festgestellt 543 . Andrerseits folgt aus der Notwendigkeit mindester Harmonisierung, daß von Verfassungs wegen konstituierte unabhängige politische Entscheidungszentren i m demokratisch strukturierten Staat ihrerseits demokratisch verfaßt sein müssen 544 . Darin liegt freilich zugleich die Anerkennung, daß in der konkreten Verfassungsordnung, i n der konkret geregelten A r t und Weise, die spezifische demokratische Struktur mit der spezifischen Verselbständigung bestimmter Sachbereiche vereinbar ist 5 4 5 . 1. Gerade und nur eine solche konkrete Verfassungsentscheidung erlaubt es, i m Hinblick auf die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung vom Prinzip einer „gegliederten Demokratie" zu sprechen 54 *. Dabei allerdings ist es die — von A r t . 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 GG aufgenommene — Sachgesetzlichkeit der lokalen Strukturen, die einer solchen Betrachtungsweise, über die formale Harmonisierung hinaus, materielle Substanz gibt. So ist die Gemeinde deswegen der Ort, durch aktive demokratische Gestaltung der Umwelt durch den Bürger selbst der „Entfremdung" entgegenzuwirken, die i n jeder „Unterwerfung unter einen fremden Willen" liegt, weil der Verband der unmittelbaren Daseinssphäre die besondere, Selbstbestimmung steigernde administrative „Nähe" aufweist, die der Dringlichkeit der Eigengestaltung der hier angesiedelten elementaren Bedürfnisse entspricht 5 4 7 . Darüber hinaus: Eben die Unmittelbarkeit und erlebte Anschauung des täglichen Daseins 548 und der elementare Charakter seiner Bedürfnisse 549 rechtfertigen die Annahme, daß die i n dieser politischen Kategorie angestrebte „Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die i n der örtlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte des Volkes zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammenschließt" 550 , über den örtlichen Gegenstand 543

Vgl. oben 2. Teil, 3. Kap. unter Β. I. Vgl. ebenda. 545 Vgl. insbes. Leisner, Vorgesetztenwahl, S. 28. 548 Vgl. v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16,19; ders., Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 650 f., vgl. auchS. 654. 547 Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 121, 124 f.; vgl. auch Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 36 f.; ferner Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 5 f.; Zuhornl Hoppe, Gemeinde-Verfassung, S. 48. 548 Vgl. Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 53; Forsthoff, Stadt und Bürger, S. 32; König, H K W P I, S. 50. 549 Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 124 f. 544

D.

berprüfung am Maßstab der Verfassungsgrundentscheidungen

205

solcher Betätigung hinaus auch i n bezug auf die komplementäre staatliche Kategorie die Bereitschaft zur demokratischen Mitgestaltung fördert 5 5 1 . Die prozedurale Homogenität von örtlicher und staatlicher Eben e 5 5 2 kann zum Postulat einer „Vervielfältigung" der demokratischen Struktur durch „gegliederte Demokratie" 5 5 3 nur vorangetrieben werden, wenn man die sachgesetzliche Gleichförmigkeit von Staat und Gemeinde, die i n beiden Fällen allein durch räumliche Zuordnung bewirkte, einheitsstiftende quantitative und qualitative Allgemeinheit der politischen Form i n Rechnung stellt. 2. Sind solchermaßen die gleichen Strukturelemente der gemeindlichen Daseinsweise sowohl für ihren Stellenwert bei der Verwirklichung der rechtsstaatlichen Zwecke wie der demokratischen Formen der Verfassung entscheidend, so objektiviert sich i n der grundgesetzlich gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltung die systematische und praktische Konkordanz, die wechselweise Bezogenheit, Verschränkung und Ergänzung beider Gestaltungsprinzipien der Ordnung des Gemeinwesens 554 . So richtet die durch gemeindliche Selbstverwaltung gegliederte Demokratie zugleich eine Schranke auf gegen totale Majorisierung des örtlichen Bereichs durch die überörtlichen Daten einer strikt zentralistischen Demokratie 5 5 5 . Sie schafft einen Freiraum sozialer Selbstgestaltung, intensiviert zugleich den demokratischen Prozeß und schränkt die radikaldemokratische Allgemeinheit, isolierte Egalität aller Staatsbürger ein zugunsten differenzierender Formierung nach rationalen Prinzipien 5 5 6 . Diese wechselseitige, mäßigende und ergänzende Beeinflussung demokratischer Elemente, der auch die Gliederung des staatlichen Gemeinwesens i n Gemeinden dient, w i r d besonders augenfällig i n der politischen Rolle der Parteien auf der lokalen Ebene. Unbestreitbar ist den politischen Parteien eine dominierende Rolle auch bei der Formung der Gemeindepolitik zugefallen 557 . Andrerseits erschöpft sich ihre Tätigkeit 550

Vgl. § 1 Abs. 1 D G O ; zustimmend Peters, Lehrbuch, S. 292; BVerfGE 11, 266, 275 f.; Hesse, Grundzüge, § 12 V 2, S. 190; vgl. auch Röttgen, Sicherung, S. 198. 551 Vgl. etwa Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 ff.; Seele, Entwicklung, S, 869 f. 552 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,30. 553 υ. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, DÖV 1972, 16, 19 f.; ders., Dezentralisation, D Ö V 1974, 649,650 f. 554 Vgl. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1529, 1538 u n d die Nachweise daselbst Fn. 100; Hesse, Grundzüge, § 8, S. 110 ff. 555 Vgl. Peters, Zentralisation, S. 27 ff.; Leibholz, Selbstverwaltung, DVB1. 1973, 715, 715. 556 Vgl. Rrüger, Staatslehre, S. 96 f.; Hesse, Grundzüge, § 6 I, S. 78; Stern, Gemeinden u n d Gemeindeverbände, D Ö V 1975, 515, 516.

206 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

aber nicht i n einer bloßen Umsetzung ihrer auf Bundes- und Landesebene verfolgten Zwecke auf die örtliche Ebene, auf eine innerparteiliche Majorisierung oder sogar Absorbierung der örtlichen durch die — parteibezogenen — überörtlichen Daten. Vielmehr w i r d unter den Sachgesetzlichkeiten des örtlichen Bereichs auch von den i m Schwerpunkt staatlichen Parteien eine eigenständige, lokal orientierte, gemeindliche Polit i k betrieben 5 5 8 . Kategoriales Eigengewicht wie Komplementarität der gemeindlichen Lebensform spiegeln sich wider i n den Wirkungen, die die Eigenarten dieses engeren politisch-sozialen Kreises auf die übergreifenden Parteiorganisationen ausüben, i n der rechtsstaatlichen Versachlichung parteipolitischer A k t i v i t ä t auf der örtlichen Ebene, i n der Ausrichtung auf die lokalen Notwendigkeiten und ihre Priorität i n der lokalen P o l i t i k 5 5 9 . Neben der funktionalen Determiniertheit der örtlichen Entscheidungen liegt solche Versachlichung nicht zuletzt i n der unmittelbaren Anschaulichkeit der Verhältnisse, der anfallenden Bedürfnisse, des Gelingens und Mißlingens ihrer Befriedigung begründet 5 6 0 . I I I . Das Sozialstaatsprinzip

Auch i m Hinblick auf die Kennzeichnung des grundgesetzlichen Staates als eines „sozialen" Gemeinwesens (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG), im Hinblick also auf die sozialstaatliche Grundentscheidung, erweist sich die von Verfassungs wegen gewährleistete eigenständige gemeindliche Ebene in ihrer Sachgesetzlichkeit als zentraler Ort der Realisation. 1. Charakteristisch ist insoweit der Umstand, daß ein wesentlicher Teil sozialstaatlicher Daseinsvorsorge sich i m gemeindlichen Raum entwickelt hat und dort nach wie vor geleistet w i r d 5 6 1 . Da die gemeindliche „örtlichkeit" den Raum des sozialen Verbandes des unmittelbaren täglichen Daseins des Bürgers bildet, ist sie eben der Raum, i n dem seine elementaren Bedürfnisse sich vorwiegend aktualisieren und befriedigt werden müssen 562 . Dementsprechend stellt sich die Zuweisung der „ A n 557 Vgl. Köttgen, Sicherung, S. 202 ff., insbes. S. 204 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 31 f.; Thieme, Bund, Länder und Gemeinden, A f K 1963, 185, 191. 558 Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 122; Peters, Kommunalwissenschaften u. K o m m u n a l p o l i t i k , S. 12 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 31; skeptisch Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 58 ff. 559 Vgl. Peters, Kommunalwissenschaften u. K o m m u n a l p o l i t i k , S. 12, w o nach die konkreten örtlichen Daten vielfach inhaltlich unterschiedliche E n t scheidungen, Stellungnahmen der lokalen Gliederungen der gleichen Partei von Gemeinde zu Gemeinde erzwingen; vgl. auch zur Versachlichung, Unparteilichkeit, Neutralität gemeindlicher P o l i t i k Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 31 f., 35. 5βο v g l Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30. 581

Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125; Köttgen, Sicherung, S. 208; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 36 f.

D.

berprüfung am Maßstab der Verfassungsgrundentscheidungen

207

gelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", die darin enthaltene Überlassung eines wesentlichen Teils der Daseinsvorsorge i m staatlichen Gemeinwesen, als sachgerechte, weil strukturadäquate Form der Erfüllung der „ Sozialpflichtigkeit* des Gemeinwesens gegenüber seinen Glied e r n " 5 6 3 dar. Wenn daher auch i m Zuge der Entwicklung zahlreiche Veranstaltungsgegenstände aus der unabhängigen, eigenständigen Wahrnehmung der einzelnen Gemeinde abwandern 5 6 4 , die verbleibenden zunehmend gesetzlich reglementiert werden 5 6 5 , darüber hinaus die Einengung der finanziellen M i t t e l der freien Gestaltung engere Grenzen setzt 566 , so legitimiert sich die Forderung, auch in Zukunft eine grundsätzliche, mindeste sachliche und finanzielle Eigenständigkeit der Gemeinden zu wahren 5 6 7 , insbesondere ihre an den lokalen Daten orientierte M i t w i r k u n g i m gesamtstaatlichen Regelungsverbund zu stärken 5 6 8 , i n eben dieser sachgegebenen Eignung, sozialstaatliche Daseinsvorsorge i m unmittelbaren Lebensbereich effektiv und bürgergerecht zu bewältigen 5 6 9 . Derartige spezifisch sozialstaatliche Effektivität gemeindlicher Leistungserbringung äußert sich insbesondere i n zweierlei Hinsicht. Zum einen verkürzt die Zuweisung der sozialen Gestaltung der menschlichen Vitalsphäre an den i n ihr präsenten engeren Verband den politischen und administrativen Informations-, Entscheidungs- und Realisationsfluß durch die damit begründete größere „Nähe" 5 7 0 . Die konkreten Bedürfnisse werden präziser erkennbar, die M i t t e l exakter abstimmbar, die erforderlichen Leistungen rascher und wirksamer erbracht. I m Rahmen des sozialstaatlichen Leistungsinstrumentariums bildet infolgedessen die Gemeinde ein „engere(s) Subsystem mit näherer Kommunikation und Reaktion", i n dem „die Gestaltung der menschlichen Umwelt w i r k samer begonnen werden (kann) als i m größeren Rahmen des Staates" 571 . 562

Forsthoff, Daseins Vorsorge, S. 124 f. Hesse, Grundzüge, § 6 I I 3 b, S. 86. 564 Vgl. die Beispiele bei Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 125 ff.; Röttgen, Sicherung, S. 208; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 22 f.; Werner Weber, Wandlungen der K o m m u n a l ver waltung, S. 69. 565 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 129 f.; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 807. 566 Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 807; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 26 ff.; Werner Weber, Wandlungen der K o m m u n a l v e r waltung, S. 69 f. 587 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 151; Werner Weber, Wandlungen der Kommunalverwaltung, S. 70 ff. 588 Pappermann, Verwaltungsverband, D Ö V 1975, 181, 187 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 23 f., 37 f.; Seele, Positionen, S. 886 ff. 589 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 36 f. sto y g i . Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 123 ff. 563

571 So Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 36, unter Berufung auf Pod lech, Diskussionsbeitrag i n V V d S t R L 28 (1970), 263.

208 I I . 5. Kap. : Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

Über Präzision, rationellen Mitteleinsatz und Geschwindigkeit hinaus, also jenseits lediglich technischer Vorzüge, bewirkt das gemeindliche Subsystem durch seine spezifische „Nähe" i n einer zweiten, materiellen Hinsicht sozialstaatliche Effektivität. Ungeachtet nämlich der nicht zu leugnenden Affinität von sozialstaatlichem und egalitärem Prinzip 5 7 2 erweist sich die Vorstellung totaler quantitativer Gleichheit — jedenfalls jenseits eines sozialen Mindeststandards — i m Hinblick auf die öffentlichen Leistungen als unzulänglich. Auch wenn die Forderung nach qualitativer Gleichheit der Lebensverhältnisse nach dem Maßstab egalitärer Sozialstaatlichkeit vor den daseinsvorsorgenden Veranstaltungen der Gemeinden nicht halt macht 5 7 3 , dürfen dabei die individuellen Unterschiede nicht aus dem Blick verloren werden. Sozialstaatliche Leistung ist die Befriedigung konkreter Bedürfnisse. Der unterschiedlichen Dringlichkeit wie den von Ort zu Ort verschiedenen objektiven und subjektiven Prioritäten ist daher ebenso Rechnung zu tragen, wie den differierenden Wünschen i m Hinblick auf Verfahren, Mittel, Aufwendigkeit, Perfektionsgrad der verfügbaren Lösungsalternativen. Die Individualität der einzelnen Gemeinde steht infolgedessen nicht notwendig i n einem Spannungsverhältnis zu sozialstaatlichen Zielen, wenn von pathologisch defizitären Entwicklungen abgesehen wird. Sie sichert gerade vor wohlfahrtsstaatlichen Tendenzen, die den einzelnen und die engere Gruppe der Vitalsphäre zum Objekt der Versorgung herabstufen 574 , dient also durch Bewahrung des je Besonderen 575 dem sozialstaatlichen Ziel, durch Überwindung der Entfremdung 5 7 6 , „die Urbanität, die Wohnlichkeit und Humanität" der menschlichen Umwelt zu steigern 577 . 2. Damit ist über den sozialstaatlichen Aspekt hinaus zugleich die rechtsstaatliche und (orts-)demokratische Komponente angesprochen, wiederum also die Gemeinde, jenseits der Realisierung einzelner Strukturprinzipien der Verfassung, als Ebene ihrer Ergänzung und Wechselwirkung, der Objektivierung ihrer Konkordanz dargestellt 5 7 8 . Die Unmittelbarkeit, der elementare Gehalt der Bedürfnisse i n der Vitalsphäre machen die übermäßige Majorisierung ihrer Daten durch die entferntere, staatliche Kategorie unerträglich, weil auch die Sachleistungen des Sozialstaats letztlich auf „Entfaltung der Persönlichkeit" 572 Vgl. BVerfGE 12, 354, 367; 26, 41, 62; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 815. 573 Vgl. Becker, GR I V 2, S. 693; Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 4; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 815; v. Unruh, Gemeinderecht, S. 101. 674 Vgl. Hesse, Grundzüge, § 6 I I 3 c, S. 87; vgl. auch Becker, GR I V 2, S. 693 f. 575 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 73. 57 8 Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 124 f. 57 7 Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 36. 578 Vgl. grundsätzlich: Hesse, Grundzüge, § 6 I I 3 c, S. 87, § 8, S. 110 ff.

D. Überprüfung am Maßstab der Verfassungsgrundentscheidungen

209

gerichtet sind 5 7 9 . Weil es insoweit immer nur um die Entfaltung individueller Persönlichkeit nach Maßgabe der konkreten Bedingungen ihrer jeweiligen Daseinssphäre gehen kann, verlangt rechtsstaatliche Sozialstaatlichkeit Raum für das Besondere, das Konkrete 5 8 0 . Sie kann nicht beliebig von den individuellen Eigentümlichkeiten und Bedingtheiten abstrahieren 581 . Die politische Form aber, die aus der Feststellung folgt, der Bürger müsse Subjekt auch seiner individuellen Daseinsgestaltung i m unmittelbaren Lebensbereich sein, ist die Selbstbestimmung i n diesem „engen Raum", die örtliche Demokratie 5 8 2 . I V . Die Gemeinde als Ort der Realisierung und Vervielfältigung staatlicher Einheit

N i m m t derart die grundgesetzliche Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung die vorgefundene Sachstruktur des Verbandes der unmittelbaren Daseinssphäre i n ihrer Eigengesetzlichkeit voll i n sich auf, erweist sich darüber hinaus die derart rechtlich formierte lokale Ebene als prädestinierter Realisationsort der Verfassungsgrundentscheidungen und ihrer Konkordanz, so w i r d das Ergebnis der Ausdeutung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG durch eine letzte Erwägung bestätigt. Die empirische Feststellung der realen Struktur eines sozialen Bereichs ist, für sich betrachtet, ohne Aussagekraft darüber, ob und i n welcher Weise sie von Gesetzes oder Verfassungs wegen Berücksichtigung findet, ihr also ein normativer Gehalt zukommt. Für die „örtliche Gemeinschaft" könnte insoweit auf die andersartige und geringere Rolle verwiesen werden, die sie i n außerdeutschen Verfassungsordnungen spielt 5 8 3 ; ferner auf den Umstand, daß der Entwurf des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee eine Vorschrift über die kommunale Selbstverwaltung nicht vorsah 5 8 4 . Andrerseits: Je elementarer und gewichtiger sich ein sozialer Bereich i n seiner Sachgesetzlichkeit praktisch 579

Vgl. Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 815. Vgl. zum Ziel individueller Freiheit auch des „sozialen Lebensraums": Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1529, 1535; vgl. auch v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, DÖV 1972,16, 20. 581 Vgl. zur „radikalen" Allgemeinheit der Bürger i n einer „streng deduktiv vorgehenden D o k t r i n " der Staatlichkeit u n d ihrer historischen Konsequenz der Abstrahierung von Sonderbezügen i n Familie und Gemeinde: Krüger, Staatslehre, S. 96 f. 582 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 66, 73; Röttgen, Sicherung, S. 198 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 30 f.; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 650. 583 Vgl. die Darstellung der belgischen u n d französischen Verfassungslage bei v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 651. 584 Vgl. oben, 1. Teil, 2. Kap. unter Α . I. 580

14 Loschelder

210 I I . 5. Kap.: Der empirische Typus d. Gemeinde u. sein normativer Gehalt

darstellt, je genauer er demgegenüber i n einer Verfassungsregelung Berücksichtigung findet, je klarer eine solche normative Reaktion sich in die Grundlagen der Ordnung des Gemeinwesens einfügt, desto eindeutiger muß daraus die ratio abgeleitet werden, diese Sachgesetzlichkeit constitutione ipsa zu sichern und zu bewahren. Dies muß, i m Hinblick auf die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie i n besonderem Maße deswegen gelten, weil durch sie i n der grundgesetzlichen Ordnung diese Einrichtung gegenüber der Regelung des A r t . 127 WRV eine präzisere und inhaltlich weitergehende Verankerung erfahren hat 5 8 5 , obwohl ihre Gefährdung und krisenhafte Entwicklung ein bereits gegen Ende der zwanziger Jahre diskutiertes und anerkanntes Problem w a r 5 8 6 . Ergibt sich aus einer solchen verfassungsrechtlichen Gewichtung das Urteil, gemessen an den realen Gegebenheiten sachgerecht zu sein, schon aus dem elementaren und kategorialen Charakter der sozialen Sphäre des unmittelbaren Daseins, so erscheint diese Bewertung u m so berechtigter, wenn man den komplementären Gehalt des gemeindlichen zum staatlichen Raum i n Rechnung stellt. Die auf der gleichen Grundlage allein räumlicher Zuordnung durch quantitative und qualitative Verallgemeinerung einheitsstiftende Wirkung des gemeindlichen Gliederungsprinzips 5 8 7 entwickelt ihre volle Bedeutung erst i n der Rückwirkung auf den Zustand des Gesamtgemeinwesens. Es geht dabei um die Fähigkeit, durch die Einbeziehung des Bürgers i n den m i t Eigenverantwortung ausgestatteten lokalen Verband, durch seine Einbeziehung i n den politischen Gestaltungsprozeß der täglichen Anschauung und unmittelbaren Erfahrung, zugleich und darüber hinaus die Bündelung partikularisierender Tendenzen schlechthin zu fördern, das heißt, das Bewußtsein und die Darstellung der Einheit des Staatsvolks insgesamt durch Vervielfältigung zu steigern 5 8 8 . Da die staatliche Einheitsbildung selbst, anders als die Kohärenz jeder unterstaatlichen, also von Staats wegen sicherbaren Gruppierung, im Verfassungsstaat nicht unmittelbar erzeugt, erzwungen werden kann, da sie letztlich auf der stetigen, freiwilligen Zustimmung der Staatsbürger beruht 5 8 9 , muß für sie gerade eine solche staatsinkorporierte Einrichtung von zentraler Wichtigkeit sein, deren innerer Zusammenhalt auf diese freiwillige Zustimmung unmittelbar hinwirkt. Denn indem der Staat 585

Vgl. hierzu insbes. Seibert, Gewährleistung, S. 170 ff., 184 f.; vgl. auch Becker, GR I V 2, S. 715; Werner Weber, Verfassungsgarantie, S. 36. see v g l . insbes. Köttgen, Krise; Forsthoff, Krise. 587

Vgl. oben 2. Teil, 5. Kap. unter B. I I I . 3. c) bb). 688 v g l . insbes. Püttner, Bedeutung, Städte- u n d Gemeinderat 1973,198,199 f.; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 655. 589 Vgl. Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 84 f. ; ders., Integrationslehre, S. 477; ders., Integration, S. 484f.; vgl. auch Hesse, Grundzüge, § 1 I I , S. 10, § 1 I I I 5 a, S. 17 f.

D.

berprüfung am Maßstab der Verfassungsgrundentscheidungen

211

diesen vorfindlichen Zusammenhalt heteronom 5 9 0 gewährleistet und fördert, macht er ihn zugleich seiner eigenen Integration, der Stabilisierung seines Daseins nutzbar. Auch insoweit w i r d m i t h i n die politische und soziale Substanz der Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung erschöpfend erst dadurch i n den Blick gerückt, daß sie als verfassungsrechtliche Aufnahme und Sicherung der realen Struktur des lokalen Verbandes gedeutet wird. Verknüpfen sich solchermaßen die Existenz des auf grundsätzlicher Zustimmung beruhenden Staates mit der sachgerechten Eigenständigkeit und Einordnung der „örtlichen Gemeinschaft", so reicht die Feststellung über die Frage nach der konkreten Staatsform weit hinaus, „daß i m demokratischen Staat eine demokratische Gemeindeverwaltung unerläßlich sei" 5 9 1 .

590 ygi Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 84 f. So unter Berufung auf Peters, Gemeindeverfassungsrecht, S. 37: Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 810. 591

u*

DRITTER T E I L

Die Aussagefähigkeit der Verfassungsgarantie für den gemeindlichen Gebietszuschnitt Ausgangspunkt der Untersuchung war die Frage, ob sich aus der grundgesetzlichen Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung K r i terien herleiten lassen, die als normativer Maßstab für den Zuschnitt und die Gestaltung des Gemeindegebiets Aussagekraft besitzen. Daher ist zu prüfen, welche Folgerungen sich i n dieser Hinsicht aus der ratio des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben, die sachgerechte Eigengestaltung des lokalen Raumverbandes der unmittelbaren Daseinssphäre i m Rahmen des Gesamtgemeinwesens wegen ihres elementaren, kategorialen und staatskomplementären Charakters sicherzustellen.

1. Kapitel

Das gebietsrelevante Element der verfassungsgewährleisteten gemeindlichen Daseinsweise Weil Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gemeindliche Selbstverwaltung nicht lediglich i n dem Sinne garantiert, daß er von Grundgesetz wegen die Entfaltung der realen Strukturen der örtlichen Kategorie als zulässig, möglich ausweist, weil er vielmehr solche Entfaltung positiv fordert, müssen die tatsächlichen Elemente gemeindlichen Daseins an der verfassungsrechtlichen Sicherung jedenfalls insoweit und i n dem Maße teilhaben, als ihre Nichtberücksichtigung oder Beseitigung den intendierten Erfolg, die Verwirklichung des Rechtswerts „gemeindliche Selbstverwaltung" i m oben entwickelten Verständnis, beeinträchtigen oder vereiteln würden. Infolgedessen präzisiert sich die Frage nach den gebietsrelevanten Aussagen der Verfassungsgewährleistung dahin, welche für den territorialen Zuschnitt und seine Gestaltung erheblichen Sachgegebenheiten der Einrichtung „Gemeinde" für die Erreichung dieses Ziels notwendige Voraussetzung sind. A . D i e aussageunfähigen Elemente

Der auf gemeinsamer Ansässigkeit beruhende örtliche Verband weist, was das territoriale Substrat angeht, außerordentlich unterschiedliche Bemessungen und Formen auf. Der Realitätsgehalt der lokalen politischen Kategorie ist, übereinstimmend mit dieser Feststellung, als invariant gegenüber derartigen räumlichen Differenzierungen nachgewiesen worden. Entsprechend können quantitative gebietliche Befunde, Flächengröße, Ausdehnung, Entfernungen, unmittelbar zum verfassungspolitischen Zweck des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG, der Entfaltung dieser Kategorie nicht i n Bezug gesetzt werden. Sie scheiden als normative Maßstäbe für die Gestaltung des Gemeindegebiets aus. Damit ist allerdings nicht ihre Irrelevanz schlechthin ausgesagt. Denn da die „örtliche Gemeinschaft" räumlich konstituiert ist 1 , werden ihr Inhalt und ihre Intensität i m konkreten Fall von der räumlichen Bemessung wesentlich mitdeterminiert. Insoweit w i r d jedoch die Frage nach den von Verfassungs wegen aussagefähigen tatsächlichen Elementen gemeindlichen Da1

Vgl. oben 2. Teil, 2. Kap. unter C. I I . 1.

Β. Der Grundtatbestand gemeindlicher Integration

215

seins zurückverwiesen auf Eigenschaften des primären Schutzguts der grundgesetzlichen Garantie, des sozialen Verbandes der Vitalsphäre, also des personellen Substrats. Nichts anderes gilt für die das Gemeindegebiet kennzeichnenden Umweltgegebenheiten, etwa für geographische Merkmale, Bodenformen, Wasserläufe und ähnliches 2 . Auch hier weist der vorhandene Bestand der Gemeinden — bis an die Grenze menschlicher Existenzmöglichkeiten — eine nahezu unbegrenzte Vielfalt auf 3 . Auch hier läßt infolgedessen, für sich genommen, die Kategorie unmittelbaren Daseins Beschränkungen der Variationsbreite nicht erkennen. Aber auch insoweit begründet das Konstitutionsprinzip räumlich benachbarter Ansässigkeit die Erheblichkeit dieser Faktoren für die Kohärenz des durch sie gebildeten Verbandes 4 , lenkt also auf dessen Qualifizierungen zurück. Entsprechendes gilt für die sonstigen sächlichen Gegebenheiten, Verkehrslage, wirtschaftliche Struktur, natürliche Ressourcen. Hinsichtlich des personellen Substrats bleiben lediglich quantitative Merkmale allerdings ebenfalls aussageleer, weil der verfassungsgeschützte lokale Verband insoweit, nach Einwohnerzahl, Bevölkerungsdichte etwa, empirisch wie gemäß seinem Wesen keine konstanten Werte oder Grenzen aufweist. Auch sie erhalten nur insofern Bedeutung, als sie A r t und Grad der Kohärenz des Verbandes mitbestimmen 5 . B. D e r Grundtatbestand gemeindlicher Integration

Die zentralen gebietsrelevanten Kriterien des verfassungsgesicherten gemeindlichen Daseins müssen somit i n den für Identität und Funktion erheblichen Eigenschaften der raumkörperschaftlichen Verbände der lokalen Ebene selbst gesucht werden. I . Der räumliche Zusammenhang der individuellen Daseinssphären

Der elementare Tatbestand der von A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG rezipierten örtlichen Kategorie besteht i n den Personenmehrheiten, deren M i t glieder auf Grund räumlich benachbarter Ansässigkeit sich i n ihrem un2 Vgl. Allgemeine Begründung zur DGO, Ziff. 4, abgedruckt bei Surén/Loschelder, DGO, § 4 Erl. 3, S. 137. 3 Vgl. RdErl. v. 6. 1. 1939 ( R M B l i V S. 33), abgedruckt bei Surén/Loschelder, DGO, § 4 Erl. 3, S. 138 ff., 139, unter I 2 a (2): „Inseln, Gebirgslage, ungewöhnlich weit abgelegene Siedlungen . . . " . 4 Vgl. den besonders deutlichen F a l l unüberwindbarer geographischer H i n dernisse f ü r das Zusammenwachsen der Gemeinden Nideggen u n d Heimbach: V e r f G H NW, U r t . v. 4. 8.1972 — V e r f G H 13/71 —, OVGE 28, 304 ff. 5 Vgl. den Hinweis bei Becker, Beobachtungen, S. 73, daß die B i l d u n g einer Großstadt die „ B e r e i t s c h a f t . . . zu großstädtischen Lebensformen" voraussetzt, hohe Einwohnerzahlen ohne die entsprechende soziologische Disposition m i t h i n die Kohärenz negativ beeinflussen.

216 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

mittelbaren Dasein, i n ihrer alltäglichen physischen Existenz ständig berühren, aufeinander verwiesen und miteinander verflochten sind 8 . Dieser räumliche Zusammenhang der Daseinssphären ist für die gemeinsame Bedingtheit des Vitalbereichs, die daraus resultierende Gemeinsamkeit von Bedürfnissen, Interessen, „Angelegenheiten", die erste, notwendige Voraussetzung. Ohne sie kann die „Gemeinschaft" täglichen physischen Miteinanders sich nicht entwickeln, die von Grundgesetz wegen zu einer politischen und administrativen Einheit verfaßt w i r d und die aus sich heraus „eigene" Angelegenheiten hervorbringt und zur Wahrnehmung zugewiesen erhält. Es erweist sich jedoch als problematisch, aus dieser Feststellung bereits Folgerungen für die Gestaltung des Gemeindegebiets zu ziehen, von der qua definitione die Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft und damit deren konkreter Bestand abhängt. Denn derartige Konsequenzen bleiben in ihrem Gehalt übermäßig allgemein: Eine solche Raumgemeinschaft kann nur auf einem Territorium bestehen, das einen mindesten, Berührung der Daseinssphären erlaubenden Zusammenhang aufweist. Das Gebiet darf nicht über extreme naturräumliche oder sonstige sachlich trennende Gegebenheiten hinweggehen — Gebirge, nicht überbrückte Wasserflächen, verkehrsunerschlossene Naturzonen —, die die Vitalbereiche innerhalb der Gruppe strikt scheiden. Auch ohne solche Grenzen muß die Siedlungsdichte, muß der Zusammenhang der einzelnen Siedlungseinheiten wenigstens so groß sein, daß rein tatsächlich die Lebenskreise aneinanderstoßen. Schließlich dürfen Gebietsbestand und Bevölkerungszahl ein äußerstes Maß nicht überschreiten — unbeschadet der Breite der Möglichkeiten —, jenseits dessen „örtlichkeit" auch i m vorliegend entwickelten Sinne nicht mehr gegeben ist, wie niedrig man den Standard auch i m einzelnen ansetzen mag. Eine derartige Deduktion würde es wohl gestatten, extrem gelagerte Fälle als dem verfassungsrechtlichen B i l d der Gemeinde widersprechend darzutun, etwa das fiktive Beispiel einer Zusammenlegung zweier klar geschiedener und räumlich entfernter Großstädte 7 oder des Zusammenschlusses zweier durch geographische Hindernisse auf Dauer getrennter, eigenständiger und lebensfähiger Gemeinden 8 . Ohne nähere Spezifizierung wäre es aber auf der Grundlage einer derartigen Ableitung bereits kaum möglich, die Unzulässigkeit einer gemeindlichen Grenzziehung mitten durch ein einheitliches Verdichtungsgebiet hindurch aufzuweisen, etwa der Separierung von Teilen einer gewachsenen und geschlossenen Stadt. Wieweit nämlich die örtliche Kategorie nicht nur 6

Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I I . 3. a) bb) ß). Vgl. das Beispiel Köln/Düsseldorf bei Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810, 812. 8 Vgl. den F a l l Nideggen/Heimbach oben 3. Teil, Fn. 4. 7

Β . Der Grundtatbestand gemeindlicher Integration

217

den mitgliedschaftlichen Verband der örtlichen Gemeinschaft voraussetzt, sondern darüber hinaus fordert, daß jeweils diese Gemeinschaft alle derart verbundenen Teilräume umfaßt, kann ohne genauere Beschreibung der verfassungsvorausgesetzten Gemeinschaftsstruktur nicht hinlänglich beantwortet werden. Erst recht fehlt es an Kriterien, wo bei fließenden Übergängen, etwa i n weiträumigen Ballungs- und Verdichtungszonen, die Grenze zwischen den einzelnen Raumgemeinschaften zulässigerweise gezogen werden kann. Ganz allgemein vermag das bisherige Ergebnis die Vielzahl der konkreten Umstände und ihrer Variationen, was ihre Bedeutung für die Gemeinschaftsbildung angeht, innerhalb der genannten äußersten Fälle nicht einzuordnen 9 . I I . Die Verflechtung der individuellen Daseinssphären

Eine bloße mindeste territoriale Nähe, ein darauf beruhendes bloßes Berühren der individuellen Daseinssphären schöpft jedoch den Gehalt gemeindlicher Gemeinschaftsbildung nicht aus, ist insbesondere als Grundlage eigenständiger und eigenverantwortlicher solidarischer Gestaltung der elementaren Gegenstände täglichen Lebens durch den lokalen Verband i m Sinne der grundgesetzlichen Gewährleistung unzulänglich 1 0 . 1. Bereits objektiv ist empirisch das lokale Miteinander der Gemeindebürger mehr — und muß es rechtlich, zur Erreichung des Verfassungszwecks eigenständiger Daseinsgestaltung der örtlichen Gemeinschaft mehr sein —, als bloße räumliche Überschneidung der individuellen V i talsphären. „Eigene Angelegenheiten" erwachsen dem gemeindlichen Verband und können i h m rechtlich nur zugewiesen werden auf der Grundlage einer inhaltlichen Durchdringung und Verflechtung der I n dividualbereiche der Gemeindebürger. Der räumliche Bezug der gemeinsamen Ansässigkeit erzeugt notwendig eine solche objektive inhaltliche Beziehung zwischen den beteiligten Personen 11 . Der Umkreis ihrer alltäglichen physischen Präsenz deckt sich wechselweise zum erheblichen Teil, so daß der gleiche Raum, die i h n charakterisierenden sächlichen Gegebenheiten, die auf i h m belegenen Gegenstände Bestandteil des unmittelbaren Daseins aller sind, die dort jeweils ihren benachbarten Wohnsitz haben. Objekt der täglichen Begegnung sind sich darüber hinaus wechselweise die solchermaßen räumlich zugeordneten Personen und ihre Beziehungen untereinander selbst. Ihre physische Gegenwart und ihre Lebensäußerungen gehören jeweils zugleich zur unmittelbaren Entfaltungssphäre des anderen. Diese 9 Vgl. i m einzelnen die i n der Rechtsprechung herangezogenen örtlichen F a k toren oben 2. Teil, Fn. 244. 10 Vgl. Röttgen, Sicherung, S. 198. 11 Vgl. bereits Stahl, Philosophie des Rechts, 2. Bd., S. 21 f.

218 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

tatsächliche, sächliche und personelle, räumlich-physische Verflechtung beinhaltet, wie dargestellt 12 , insbesondere die Gemeinsamkeit der elementaren Lebensbedingungen und -bedürfnisse. Aus ihnen resultieren gemeinsame Interessen, Aufgaben 13 , sei es durch Summierung, Bündelung inhaltlich gleichlaufender Belange der einzelnen Mitglieder des Verbandes 14 , sei es in Gestalt der „auf das einheitliche Gebiet . . . und der wesenhaft gemeinsamen Bedürfnisse der in diesem Gebiet als einheitliche soziale Gruppe lebenden Menschen bezogene(n) öffentliche(n) A n gelegenheiten" 15 . Sie ergeben sich aus den Notwendigkeiten unmittelbarer Daseinsbehauptung, Nahrung, Wohnung, Bedarfsgüter etwa 1 6 , wie gerade aus dem räumlichen Miteinander der Personen und Sachen, der Abgrenzung, Ordnung, Verteilung, Streitschlichtung 17 . Sie modifizieren sich also durch die wechselweise Bezogenheit, werden von ihr mitdeterminiert. Sie intensivieren sich insbesondere überall da, wo zunehmend der einzelne auf die M i t w i r k u n g des anderen angewiesen ist, da er aus eigenem Vermögen über die M i t t e l zu seiner „Daseinsstabilisierung" nicht mehr verfügt 1 8 . Der Inhalt dieser ineinander verflochtenen Lebensbereiche und -beziehungen mag sich i m Laufe der Zeit verändern, mag i n der agrarisch bestimmten dörflichen Gemeinschaft außerhalb der Industriegebiete ein anderer sein als i n der Klein- und Mittelstadt oder i n der groß- und weltstädtischen Agglomeration 1 9 . Der Grundtatbestand der Durchdringung der Daseinsbereiche der benachbart Ansässigen selbst bleibt invariant, nimmt lediglich an Intensität mit steigender Verdichtung der Bevölkerung und wachsenden Bedürfnissen, insbesondere i n den Ballungszonen, zu 2 0 . 2. M i t der objektiven Verflechtung korrespondiert ihr subjektives Bewußtsein. Da es u m den Bezug von Menschen geht, schlägt er sich mit unterschiedlicher Deutlichkeit, Aktualität, von Person zu Person, von Situation zu Situation, als Erfahrung, Erlebnis, Erkenntnis nieder 2 1 . Der 12

Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I I . 3. a) bb) ß). Vgl. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 86 V I I a 1, S. 192; ferner ν. Unruh , Gemeinderecht, S. 95. 14 „ ö r t l i d i - s u m m a t i v e Aufgaben" : vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 85 I I a 2, S. 178 u n d die Beispiele daselbst; zustimmend Becker, Beobachtungen, S. 73. 15 „ ö r t l i c h - i n t e g r a l e Aufgaben": Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 85 I I a 1, S. 177 f. u n d die Beispiele ebenda; vgl. Becker, Beobachtungen, S. 73. 16 Vgl. Stahl, Philosophie des Hechts, 2. Bd., S. 21 f. 17 Vgl. zur Organisation von Konflikten i n der Gruppe: Bernsdorf, Wörterbuch der Soziologie, Stich w o r t „Integration", S. 469, 470. 18 Vgl. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113. 19 Vgl. Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 187; Heemeyer, Stadt-UmlandVerflechtungen, S. 34 ff.; vgl. auch Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 f.; Wagener, Neubau, S. 34 ff. 20 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I I . 3. a) cc) ß). 13

Β . Der Grundtatbestand gemeindlicher Integration

219

geographische Raum und seine Gegebenheiten, die personelle und sächliche Umwelt, die vitalen Bedürfnisse und Interessen i n ihrer Gemeinsamkeit sind nicht nur Teil des individuellen Daseins, sie werden auch als solcher erlebt und empfunden. Sie werden angenommen, i m täglichen Handeln i n Rechnung gestellt, gegebenenfalls, unter dem Druck der Notwendigkeit oder i m bewußten, sozialen A k t , gewollt i n Aktion umgesetzt 22 . Auch die subjektive Seite der Verflechtung stellt sich, i n den Differenzierungen von Raum und Zeit, nach Grad, Form und Inhalt vielfältig und unterschiedlich dar. Auch insoweit aber kommt es nicht auf die Modifikation i m einzelnen, sondern auf den sozialen Grundtatbestand an 2 3 . I I I . Die gemeindliche Einheitsbildung auf der Grundlage der Durchdringung der individuellen Daseinssphären

Es erscheint jedoch fraglich, ob der Inhalt der Verflechtung, der sich aus dem dauernden lokalen räumlichen Bezug ergibt, damit hinreichend beschrieben ist. Schon die empirische Beobachtung zeigt, daß die Bezüge zwischen den Bürgern einer Gemeinde sich nicht i n der noch so umfänglichen Addition objektiver Gemeinsamkeiten und ihres subjektiven Erlebens in der unmittelbaren Daseinssphäre erschöpfen. Die gemeindliche Wirklichkeit beschränkt sich nicht auf ein System von Beziehungen und Aktionen zwischen den je als einzelne gedachten Bürgern. Insbesondere w i r d sie nicht vollständig erfaßt, wenn man allein auf punktuelle, zweckrationale Aktivitäten zur Förderung je isolierter Problemlösungen durch gerade den betroffenen Teil der Gemeindemitglieder abstellt. A u f einer derartigen Grundlage ließe sich etwa die Beteiligung der Bevölkerung an den kommunalen Wahlen nicht erklären, die die Besetzung der gemeindlichen Organe bestimmen, sich also auf den Gang der Gemeindepolitik schlechthin, ohne Rücksicht auf konkrete, aktuelle, spezielle Betroffenheit des einzelnen Wählers, beziehen 24 . Es könnte ferner der Umstand nicht eingeordnet werden, daß lokale Probleme, die an sich lediglich einen Teil der Einwohnerschaft unmittelbar angehen, insbesondere auch wenn dabei materielle Interessen gar nicht i m Spiel sind, dessenungeachtet eine breite Ressonanz und sichtbares Engagement i n der Gesamt21 Vgl. zur einigenden W i r k u n g gemeinsamer „Modellerlebnisse": Rönneberger, Integrationsfunktion. S. 188. 22 Vgl. zur Bewältigung von Notlagen, auch u n d gerade i m großstädtischen Bereich: Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 66. 28 Vgl. zur elementaren subjektiven Seite gemeindlicher Gemeinschaft: Salzwedel, Kommunalrecht, S. 219. 24 Vgl. Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 165 u n d passim; vgl. zur über ein bloßes Wählerkollektiv hinausgehenden „Aktionsgemeinschaft" Gemeinde: Becker f Beobachtungen, S. 67.

220 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseins weise

bürgerschaft auszulösen vermögen 25 . Schließlich beruht der nicht selten stark emotionalisierte Widerstand, den nicht nur gemeindliche Amtsund Mandatsinhaber, sondern große Teile der Bevölkerung Neugliederungsmaßnahmen entgegensetzen, keineswegs allein oder auch nur i n erster Linie auf dem Abwägen rationaler Vor- und Nachteile, sondern auf gefühlsmäßiger Bindung, auf Identifikation mit der „eigenen" Gemeinde 26 . Diese tatsächlichen Feststellungen korrespondieren m i t dem Befund, den die Untersuchung der gemeindlichen Daseinsweise wie ihrer verfassungsrechtlichen Aufnahme und Gewährleistung erbracht hat. Eben wenn sich i n ihr die Kategorie unmittelbarer, alltäglicher Präsenz entfaltet, und zwar als soziale, politische Kategorie 2 7 , setzt dies — über die bloße Addition von Personen, Sachen, Bezügen und Funktionen hinaus — eine, von solcher Summierung qualitativ verschiedene, umfassende und komplexe Formierung all dieser Einzelelemente zu einer höheren Einheit voraus, der „Gemeinde", die dies alles i n sich begreift, aber sich nicht darin erschöpft 28 . Eine solche Ganzheit, als Bezugspunkt, macht ein reales Verhalten der Gemeindebürger einsichtig, das sich, über ihre konkreten und aktuellen Interessen hinaus, auf den „politischen Körper", die „Gemeinde" bezieht 29 . Eine solche Ganzheit bildet das adäquate Beschreibungsmodell für den umfassenden Raum, der die Vitalsphäre, genauer: ihre soziale Verflechtung in sich aufnimmt. Sie ist Voraussetzung für die Nichtidentität der Interessen der je einzelnen Gemeindemitglieder und des Interesses der Gemeinde selbst, wie sie bereits m i t dem Begriff der Gemeinschaft mitgegeben ist. A u f ihr ruht die körperschaftliche Verfaßtheit, also insbesondere die Unabhängigkeit vom Wechsel des Mitgliederbestandes, die reale Kontinuität 8 0 . Indem sie als raumkörperschaftliche Einheit den durch Ansässigkeit begründeten, um den 25 Vgl. Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 20 f. u n d die Beispiele ebenda ; ferner Klüber, Die Gemeinden, S. 52 ff.; vgl. auch Turczak, Bürgerinitiativen, Gemeindetag 1975, 120 ff., 120, wo — allerdings offenbar kritisch — festgestellt w i r d , daß 25 %> der Mitglieder aktiver Bürgergruppen selbst von der auslösenden Problematik nicht oder n u r am Rande betroffen sind. 26 Vgl. zum F a l l der Oldenburgischen Verwaltungsreform oben 1. Teil, Fn. 39; zur Bürgerinitiative „ A k t i o n Fulda kreisfreie Stadt e. V." vgl. Städtetag 1972, S. 312; vgl. auch Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 37; zur „reservierten" H a l t u n g der Bürger einer neugebildeten Großgemeinde, verglichen m i t den früheren Beziehungen zur jeweiligen „Altgemeinde": Wrage, Erfolg der Territorialreform, S. 242. 27 Vgl. Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 28 Vgl. § 1 Abs. 1 PrGemVerfG: „Die Gemeinde ist die v o m Staat als solche anerkannte, geschichtlich gewordene u n d zur Einheit gewachsene Zelle r ä u m lichen Zusammenlebens einer Vielheit von Familien u n d örtlichen Zusammenschlusses von Einrichtungen, Anlagen u n d Werken." 29 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. 80 Vgl. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 84 I I b 1, S. 163.

Β . Der Grundtatbestand gemeindlicher Integration

221

Wohnsitz zentrierten Bereich des tägliche Daseins ihrer Mitglieder i n sich aufnimmt, bietet sie ihnen den Ort ihrer unmittelbaren sozialen, politischen und administrativen Entfaltung. Aus dieser ihrer Sachgesetzlichkeit rechtfertigt sich ihr umfassender Wirkungskreis 3 1 und die A r t seiner Zuweisung, der von Verfassungs wegen begründete Vorrang der Daten des lokalen Interessenausgleichs vor den überörtlichen Daten, die eigenverantwortliche Selbstgestaltung i m Rahmen der Gesetze, also mindester Harmonisierung. Ihre Fähigkeit, die lokale Gruppe zur Einheit zusammenzufassen, erlaubt es, i n ihr ein geeignetes Instrument zu sehen, das Gemeinwesen i n kohärente und eigengewichtige Elemente zu gliedern, rechtsstaatliche Freiheit des vitalen Bereichs m i t rechtsstaatlicher Form zu verbinden, gesamtstaatliche und örtliche Demokratie zu harmonisieren ohne Gefahr der Auflösung i n partikularen Egoismus, sozialen Mindeststandard und das je individuell Besondere der einzelnen „örtlichen Gemeinschaften" zur Deckung zu bringen. Schließlich besteht ihr Vermögen, über den eigenen begrenzten Raum hinaus durch ihre Verallgemeinerungsfähigkeit den Zusammenhalt des Gemeinwesens insgesamt zu steigern, vervielfältigt darzustellen, gerade i n dieser Wirkung überindividueller Zusammenfassung ihres personellen Substrats 32 . Versucht man näher zu fassen, inwiefern solche tatsächliche, verfassungsgewährleistete lokale Einheitsbildung über je konkrete nachbarliche Verflechtung hinausgeht, mehr enthält als je spezielles, wechselndes M i t - und Gegeneinander der einzelnen Gemeindebürger und ihrer innergemeindlichen Gruppierungen, so ergibt sich: Grundlage und Voraussetzung des gemeindlichen, grundgesetzlich gewährleisteten Daseins ist es, daß die Mitglieder des örtlichen Verbandes i n der räumlichen Verflechtung der täglichen Lebenssphäre zu einem Ganzen zusammengefaßt werden, sozial, politisch, administrativ. Dieses Ganze nimmt alle individuellen Besonderheiten, alle konkreten Bezüge, alle einzelnen Elemente dieser Sphäre i n sich auf. Infolgedessen werden alle diese Bestandteile über ihre Eigenexistenz hinaus von dieser Zugehörigkeit zum Ganzen geprägt; sie bewirken — aus dieser Zuordnung heraus — keine Trennung, sondern erscheinen aufeinander hingeordnet, fügen sich i n einem ständigen Prozeß zu einer kontinuierlichen konkreten Ordnung zusammen. Weil insbesondere alle diese Besonderheiten i n den Prozeß und in die Ordnung der lokalen Einheit einbezogen sind, weil andrerseits diese Einheit die darin liegenden zentrifugalen Tendenzen i n sich aufhebt, kann das einzelne Mitglied i n seiner Individualität seinen Platz i n ihrer geregelten und strukturierten Komplexität finden, zugleich aber — wie alle anderen auch — als „Bürger der Gemeinde" sich als ihr Teil sehen und m i t ihr identifizieren. Das heißt: Zur gemeindlichen Wirklichkeit 31 32

Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,10. Vgl. dazu oben 2. Teil, 5. Kap. unter D.

222 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

wie zum verfassungsrechtlichen B i l d der Gemeinde gehört essentiell die Integration ihrer Glieder zu einem umfassenden Ganzen 33 . A u f den einzelnen Gemeindebürger gewendet bedeutet dies: Ungeachtet seiner individuellen Disposition, seiner persönlichen Interessenlage, seiner spezifischen Bezüge erfährt, fühlt, weiß er sich der, „seiner" Gemeinde zugehörig. Diese Zugehörigkeit stellt ihn i n ein erlebtes Verhältnis zu den übrigen Gemeindebürgern, ohne Rücksicht auf unmittelbare Benachbarung. Die bloße Zugehörigkeit läßt i h n die sächlichen Komponenten des gemeindlichen Raumes als auch ihm zugeordnet erscheinen, ohne Rücksicht auf ihre Belegenheit. Kraft seiner Zugehörigkeit vermag er sich betroffen zu sehen, wenn die Belange der Gemeinde berührt werden, gleich, ob seine individuellen Interessen damit zugleich angesprochen sind oder nicht. Er erfährt danach sich und seine Mitbürger, das sächliche Substrat wie das Geschehen i n der Gemeinde als Teile eines konkreten Gesamtzusammenhangs. C. D i e gemeindliche Integration i n der lokalen Wirklichkeit

Begreift man solchermaßen Integration als den Prozeß und sein Ergebnis, „durch den sich die einzelnen aus einer atomisierten Masse zur Gemeinschaft" zusammenschließen 34 , so könnte i m Hinblick auf die Gemeinden argumentiert werden, i n ihnen finde ein derartiger Prozeß unter den gegenwärtigen Gegebenheiten nicht mehr, jedenfalls i n nicht nennenswertem Maße mehr statt. Zumindest die Lage i n den großstädtischen Verdichtungsräumen sei i m Gegenteil zunehmend von der Atomisierung und Isolierung der Bürger gekennzeichnet. Beispiele für die Identifizierung des einzelnen mit seiner Gemeinde könnten nicht mehr als typisch gewertet werden. Das Fortschreiten der Verstädterung, insbesondere der damit einhergehenden steigenden Mobilität der Bevölkerung, baue auch i m mittel-, kleinstädtischen und ländlichen Bereich die Verbundenheit mit der Gemeinde mehr und mehr ab 3 5 . 33 Vgl. Ronneberger, Integrationsfunktion, insbes. S. 192 ff.; ders., V e r w a l tung i m Ruhrgebiet, S. 7 ff., insbes. S. 12 f.; vgl. auch Heemeyer, Stadt-UmlandVerflechtungen, S. 164 ff., 171 ff., 175 ff.; Wagener, Neubau, S. 6 ff., 305 f.; ferner Bernsdorf, Wörterbuch der Soziologie, Stichwort „Integration", S. 469 ff.; insbes. zur gemeindlichen Integration: Becker, Beobachtungen, S. 66 f., vgl. auch S. 73; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 97 ff., 103 f.; Rupert Scholz, Einrichtungen, S. 50 ff., insbes. S. 51 ; vgl. zum Verhältnis des auf das staatliche Dasein angewendeten Bildes der „Integration" bei Smend (Verfassung u n d Verfassungsrecht, insbes. S. 18 ff., 25 - 5 6 ) : Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 193 f.; vgl. auch Smend, Integrationslehre, S. 475 ff., ders., Integration, S. 482 ff. 34 Vgl. Ekkehart Stein, Staatsrecht, S. 124. 35 Vgl. bereits Denkschrift des Reichsstädtebundes, 1928, S, 14 f.; Heemeyer, Stadt-Umlauf-Verflechtungen, S. 131 f.; Laux, Kommunale Selbstverwaltung, A f K 1970, 217, 225 ff.; Schumann, Geht das Zeitalter der kommunalen Selbstverwaltung zu Ende?, Kommunalwirtschaft 1970, 196, 198 f.; Thieme, Bund, Länder und Gemeinden. A f K 1963,185,190 ff.

C. Die gemeindliche Integration i n der lokalen W i r k l i c h k e i t

223

Es fragt sich aber, ob ein derartiges Urteil nicht unzulässig die m i t den Wandlungen der kommunalen Struktur natürlicherweise verbundene Ablösung bestimmter zeit- und sachgebundener Äußerungsweisen bürgerschaftlicher Integration durch neue Formen mit deren Demontage schlechthin gleichsetzt. Zwar w i r d schon seit langem die gemeindliche Wirklichkeit nicht mehr von „bürgerschaftlicher Selbstverwaltung" i m traditionellen Sinn geprägt, also von der ständigen, aktuellen, bestimmenden Beteiligung eines nicht unerheblichen Teiles des gemeindlichen Mitgliederbestandes oder doch seiner führenden Schicht an der Regelung der örtlichen Angelegenheiten. Allenfalls unter beschränkteren städtischen Dimensionen und i m ländlichen Bereich kann von solcher herkömmlichen, breiten Anteilnahme auf der Grundlage täglich erlebter Verbundenheit und Interessenverflechtung noch die Rede sein 36 . Damit ist aber die ersatzlose Auflösung gemeindlicher Integration nicht nachgewiesen. Es bleibt zu prüfen, ob die unmittelbare bürgerliche Beteiligung früherer Zeit und geringerer Dimension nicht nur eine Möglichkeit neben anderen ist, i n der sich die Einheit der lokalen Gemeinschaft zu äußern vermag, ob sie nicht auch unter den veränderten Bedingungen i n anderer Form fortbesteht und sich manifestiert 37 . I. Die Äußerungsweise gemeindlicher Integration

Auch die heutige kommunale Lage — von der weltstädtischen Siedlungsagglomeration bis zur dörflichen Kleingemeinde — weist eine Vielfalt von Erscheinungen auf, i n denen das Bewußtsein der Gemeindebürger zutage tritt, Teil eines Ganzen, Mitglied der Einheit „Gemeinde" zu sein. 1. Was zunächst den Bereich unterhalb der i m engeren Sinne kommunalpolitischen Ebene angeht, so handelt es sich dabei häufig u m spontane, nicht institutionalisierte Reaktionsweisen der Bevölkerung auf das Geschehen in der Gemeinde. I m vorliegenden Zusammenhang sind dabei vor allem solche Aktivitäten von Interesse, bei denen die Anteilnahme des einzelnen allein an seine Zugehörigkeit zu einer konkreten Gemeinde anknüpft, also eine unmittelbare, persönliche partikulare Betroffenheit nicht gegeben ist 3 8 . Die landschaftliche oder bauliche Gestal36 Vgl. Lange, Entwicklung, S. 867 f. m. w. N. ; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 807; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 8 f., 30; vgl. auch Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30 f. 37 Vgl. zur „Aktionseinheit" der Gemeinde heute, insbes. unter dem Gesichtspunkt lokaler Daseinsvorsorge: Becker, Beobachtungen, S. 66 ff., 73 f.; Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 ff.; vgl. auch Bückmann, Verfassungsfragen, S. 19 ff., 97 ff. ; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 30 f., 32 ff. 38 Vgl. die Beispiele allgemeiner Bürgerbeteiligung beim A u f b a u Hannovers (Hillebrecht, Hannover als Beispiel des Aufbaus, S. 143 ff.), bei der Instandsetzung des Münsters i n Neuss (Joseph Lange, Neuss i n M i t t e l a l t e r u n d Neu-

224 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseins weise

tung, die Erhaltung eines überkommenen Bildes und Bestandes, insbesondere die Bewahrung oder Wiederherstellung der städtebaulichen Substanz stehen so vielfach i m Mittelpunkt einer nicht nur fachlichen, sondern allgemeinen, engagierten Diskussion 39 . Auch das gesellige und gesellschaftliche Leben ist i n vielfältiger Hinsicht auf die gemeindliche Einheit ausgerichtet. Das Vereinsleben weist nicht selten einen derartigen Bezug auf, i n der Organisation auf gemeindlicher Ebene, i n der Benennung, i n der Beteiligung an gemeindlichen Anlässen, an Festen und Feiern, an der Förderung gemeindlicher Zwecke, auch etwa i n der Sorge u m sozial benachteiligte oder isolierte Gruppen 4 0 . Besonders deutlich ist der gemeindliche Bezug bei solchen Vereinigungen, die unmittelbar gemeinnützige Betätigung auf gemeindlicher Ebene zum Gegenstand haben 41 , die auf M i t w i r k u n g i m gemeindlichen Leben, beispielsweise i m kulturellen Bereich ausgerichtet sind 4 2 , aber auch lokale Zusammenschlüsse i n der beruflichen und allgemein gesellschaftlichen Sphäre 43 . Insbesondere Sportvereine stellen sich als Äußerung gemeindlicher Integration nicht allein i n bezug auf ihre aktiven und inaktiven Mitglieder dar. Vor allem bei populären Sportarten bilden sie das Vehikel emotionaler lokaler Identifizierung, darüber hinaus einen wesentlichen Bestandteil des geselligen und gesellschaftlichen Lebens „der" Gemeinde 44 . Beides t r i f f t schließlich auf solche Zusammenschlüsse zu, die sich vor allem der Brauchtums- und Traditionspflege widmen und häufig die Basis für altüberkommene Volksfeste und Bräuche bilden, eine Erscheinung, die keineswegs auf die dörfliche und kleinstädtische Gemeinde beschränkt ist. Gerade auch i n den großen Städten sind derartige Veranstaltungen und Einrichtungen ein Indikator für die K r a f t gewachsener Gemeinden, i n verhältnismäßig kurzer zeit, S. 344), des Wiederaufbaus von Ludwigshafen (Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 35); allgemein zu den Formen breiter Bürgerbeteiligung: Kluber, Gemeinden, S. 52 ff.; Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 20 f. u n d 124 ff. (Beispiel des „Nürnbergplan"). 39 Vgl. zur Bedeutung der „ E r h a l t u n g historischer Bausubstanz u n d gewachsener S t r u k t u r e n " f ü r die I n d i v i d u a l i t ä t der Gemeinde u n d die Bindung des Bürgers an sie: Wegener, Europäisches Denkmalschutz j ä h r 1975, Gemeindetag 1975,117,117 f. 40 Vgl. hierzu allgemein: Renate Pflaum i n : Das Dorf, S. 151 ff., insbes. S. 167 ff. („Die Ortsbezogenheit der Vereine u n d ihre integrierende Funktion") ; vgl. ferner Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 23 f. ; vgl. auch Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 108. 41 Vgl. das Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr bei Renate Pflaum i n : Das Dorf, S. 151 ff. 42 Ζ. B. musikalische Vereinigungen, Chorgemeinschaften, Theatergemeinden. 43 Etwa i n kaufmännischen, handwerklichen, akademischen Vereinigungen, „Bürgergesellschaften". 44 Vgl. Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 67 f.; Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 19, 97 f.; Renate Pflaum i n : Das Dorf, S. 151 ff., 167 ff.

C. Die gemeindliche Integration i n der lokalen W i r k l i c h k e i t

225

Zeit sich einen ungewöhnlich großen Strom von Neubürgern anzueignen und einzubinden, wie er durch Krieg und Nachkriegszeit, Verstädterung und Landflucht, allgemein durch die gesteigerte Mobilität i n das vorhandene Gefüge eingedrungen ist 4 5 . 2. Nicht nur i m vorpolitischen, geselligen und gesellschaftlichen Raum i m engeren Sinne, auch i m politischen Bereich des gemeindebürgerlichen Daseins sind die Äußerungen gemeindlicher Integration, ungeachtet vielfacher bundespolitischer, landespolitischer und überlokaler regionaler Orientierungen, klar und i n zahlreichen Formen festzustellen 46 . Auch und gerade unterhalb der Stufe endgültiger politischer Willensbildung i m Rahmen der Gemeindeorgane zeigt sich eine verstärkte spontane, informelle bürgerschaftliche A k t i v i t ä t , die i n vielen Fällen unmittelbare Impulse für die gemeindliche Selbstverwaltung institutioneller A r t zu geben vermag 4 7 . Insbesondere sind i n diesem Zusammenhang die Bürgerinitiativen zu nennen, i n denen sich i n bezug auf die verschiedenartigsten kommunalen Probleme die Bereitschaft größerer oder kleinerer Gruppen äußert, die örtlichen Angelegenheiten mitzugestalten und breiteres Interesse für sie zu mobilisieren. Wie einerseits derartige M i t w i r k u n g vom vorpolitischen gemeindlichen Leben kaum eindeutig geschieden werden kann, so bestehen auch fließende Übergänge zur gemeindlichen Selbstverwaltung i m Rechtssinne. So kann sich daraus nicht nur die Heranziehung von Beteiligten als „sachkundige Einwohner", „sachkundige Bürger" zu den Beratungen organschaftlicher Gremien ergeben 48 . Ganz allgemein ist das Bestreben erkennbar, zwischen den Amts- und Mandatsträgern der Gemeinde und derartigen Gruppierungen i n einen Dialog zu treten, ihre Argumente i n die gemeindliche W i l lensbildung einzuführen, darüber hinaus solche Beteiligung zu institutionalisieren 49 . 45 Vgl. allgemein zur Integration von A l t - u n d Neubürgern i m Rahmen des Vereinslebens: Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 188; vgl. auch Renate Pflaum i n : Das Dorf, S. 161 f.; zu lokalen Volksfesten — Karneval, Fastnacht, Wäldchestag (Frankfurt), Weihnachtsmarkt, Schützenfest, Kirmes etc., aber auch zu neuen Festformen — vgl.: Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 108 f.; Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 62 ff. ; insbes. zur Eingliederung von Heimatvertriebenen i n traditionelle Brauchtumsvereine etwa Dienst, Neuss, S. 200 (zur Eingliederung i n das Neusser Schützenfest). 48 Vgl. zur politischen Orientierung der Gemeindebürger zu den verschiedenen politischen Ebenen die Untersuchung von Oel, Die Gemeinde i m B l i c k feld ihrer Bürger, insbes. die positive Aussage zur „Zuwendung der Bevölkerung zum kommunalen Bereich", ungeachtet der gegenläufigen Tendenzen, i n der Zusammenfassung S. 175. 47 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 218, S. 154; Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 35 ff.; vgl. auch allgemein bei König, H K W P I, S. 41 ff. (VII. Strukturelle Betrachtung der Gemeinde). 48 Vgl. etwa §§ 33 Abs. 3, 40 Abs. 1 Satz 4, 41 Abs. 1 Satz 3 GO B - W ; 72 Abs. 2 GO He; 51 Abs. 3 GO Nds; 42 Abs. 1, 3 GO N W ; 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GO R h - P f ; 46 Abs. 2, GO Schl-H.

15 Loschelder

226 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

K a u m unterschätzt werden kann für die gemeindliche Integration wie als i h r Ausdruck i n diesem politischen Vorfeld die Rolle der lokalen Presse. Schon ihre Existenz, der Umstand etwa, daß auch überregionale Zeitungen ihre unterschiedlichen örtlichen Ausgaben beibehalten und pflegen, zeigt, daß m i t dem Interesse der Bürger am Geschehen „ihrer" Gemeinde gerechnet werden kann und muß, indiziert m i t h i n reale gemeindliche Einheit. Ihre Wirksamkeit beschränkt sich i n dieser Hinsicht auch nicht auf die Leserbrief-Rubriken, die anschaulich engagierte A n teilnahme an der lokalen Politik, lebhafte Dialoge zwischen Bürgern und Bürgergruppen wie m i t der gemeindlichen Verwaltung, den politischen und administrativen Organen sichtbar machen. Vielmehr geben die Berichte über das gemeindliche, insbesondere das kommunalpolitische Geschehen, abgesehen von ihrem Indizwert für das Interesse der Bürgerschaft hieran, eine entscheidende Grundlage für die Bildung gemeindlicher Öffentlichkeit 5 0 , machen sie bewußt, initiieren, publizieren, verstärken bürgerschaftliches Einheitsbewußtsein und seine Realisierung i n Aktivitäten 5 1 . 3. Für die Darstellung gemeindlicher Integration i m Bereich der unmittelbaren, organschaftlichen Willensbildung erscheint die Formierung und Durchsetzung örtlicher Wählergruppen, „Rathausparteien", nicht einmal als der aussagekräftigste Gesichtspunkt 52 . Denn auch ihr Rückgang 5 3 läßt so lange keinen Schluß auf eine Reduzierung der kommunalen Substanz zu, als die auf Bundes- oder Landesebene organisierten Parteien ihre örtlichen Gruppierungen nicht lediglich als dekonzentrierte Filialen der Zentrale betreiben, sondern sich genötigt sehen, der lokalen Ebene ein eigenständiges Gewicht beizumessen und ihre Tätigkeit auf dieser Ebene, getragen von den i n der Gemeinde ansässigen Mitgliedern, auf die örtlichen Gegebenheiten, Daten einzustellen. Daraus, daß dies i n der politischen Praxis geschieht 54 , daß sich das örtliche Interesse 49 Vgl. insbes. § 17 GO R h - P f aber auch §§ 20, 20 a, 20 b, 21, 33 Abs. 4 GO B - W ; A r t . 18 GO B a y ; § 62 Abs. 6 GO He; §§ 16, 35 Abs. 2 GO R h - P f ; § 50 Abs. 3 GO Sa; vgl. allgemein: Klüber, Gemeinden, S. 52 ff.; Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 189 ff.; Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 20 f.; Turczak, Bürgerinitiativen, Gemeindetag, 1975,120 ff. 50 Z u r herausragenden, nahezu monopolartigen Rolle der Lokalpresse als der allgemeinen gemeindlichen Informationsvermittlung, vor wie nach einer Neugliederung, vgl. Wrage, Erfolg der Territorialreform, S. 251. 51 Vgl. Beer, H K W P I, S. 50 ff.; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 21 f.; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 808; Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 100 f.; Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 41 ff.; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 656; Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 36. 52 Vgl. zum Verhältnis lokaler politischer Gruppierungen u n d „örtlicher Gemeinschaf t " : Röttgen, Sicherung, S. 204 ff. 53 Vgl. die skeptischen Ausführungen bei Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963,185,191. 54 Vgl. die Nachweise oben 2. Teil, Fn. 558, 559.

C. Die gemeindliche Integration i n der lokalen W i r k l i c h k e i t

227

i m Rahmen überörtlicher, zentral organisierter Parteistrukturen durchzusetzen vermag, muß i m Gegenteil die Gewichtigkeit und Stoßkraft des spezifisch örtlichen Bewußtseins abgelesen werden. I I . Die gemeindliche Integration als Voraussetzung lokaler Selbstverwaltung

Sprechen derartige tatsächliche Beobachtungen dagegen, den Rückgang unmittelbarer, aktueller Bürgerbeteilung m i t schwindender gemeindlicher Integrationsfähigkeit gleichzusetzen, so läßt sich andrerseits das Vorhandensein lokaler Einheitsbildung auch unter den gegenwärtigen Gegebenheiten als notwendige Voraussetzung eigenständiger Selbstverwaltung der elementaren, staatskomplementären örtlichen Kategorie i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG nachweisen. Die fundamentale Bedeutung gemeindlicher Integration w i r d nicht dadurch gemindert, daß die eigentliche politische Willensbildung und -durchsetzung, also die Regelung der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" selbst und unmittelbar, von den lokalen Repräsentationsgremien und der lokalen Verwaltung geleistet werden, insoweit also der fachlich-administrative Sachverstand, insbesondere aber die politischen Parteien, daneben auch Verbände und Interessengruppen, dominieren 5 5 . Daß die lebendige Einheitsbildung i n der Gemeinde die unabdingbare Grundlage des sichtbaren politischen Prozesses darstellt, w i r d offenbar, wenn man versucht, die Folgen ihres Wegfalls zu beschreiben. 1. So t r i f f t es zwar zu, daß nur ein Bruchteil der Bürgerschaft i n den gemeindlichen Beschlußgremien Sitz und Stimme hat, und zwar nach dem kommunalen Wahlrecht aus praktischen Gründen ein um so geringerer Bruchteil, je größer die Bevölkerung der Gemeinde ist 5 6 . Jedoch ist zu berücksichtigen, daß diese Mandatsträger sich aus der Gemeindebürgerschaft rekrutieren 5 7 und daß es ihre Aufgabe ist, als Repräsentanten der Gemeindebürgerschaft das Interesse und den Willen der gemeindlichen Einheit, des lokalen Verbandes zu formulieren und seine Realisierung zu überwachen 58 . Diese Aufgabenstellung bringt es mit sich, daß nur bei lebendigem Bewußtsein gemeindlicher Zugehörigkeit, der Ein55 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 152 ff., 155 f.; Köttgen, Sicherung, S. 202 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 8 ff., 30 ff.; Werner Weber, Wandlungen der Kommunalverwaltung, S. 63 ff., 71. 56 Dehe, Zukunft, Landkreis 1973, 477, 479; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 807; Wagener, Maßstäbe, Städte- u n d Gemeinderat 1973, 237, 240; vgl. auch Gutachten B - W A , Dokumentation B - W I, S. 547; ferner G u t achten Schl-H, Rdn. 218, S. 154. 57 58

15·

Vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 254; Kluber, Gemeinderecht, S. 86. Vgl. etwa §§ 27, 28, 40 GO N W ; vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 276 ff.

228 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

gliederung i n den lokalen Gesamtbezug, i n den örtlichen Interessenkreis, die Aussicht besteht, Kandidaten i n hinreichender Zahl zu gewinnen, die i n den gemeindlichen Gremien aus der örtlichen Kategorie denken und handeln 5 9 . Nur solche Mandatsträger aber bieten Gewähr dafür, daß sie den konkreten Interessen ihrer Gemeinde, der Gemeindebürgerschaft, mit dem gebotenen Nachdruck Raum verschaffen gegenüber dem Druck überörtlicher Parteizentralen wie gegenüber unangemessenem Übergewicht abstrakt-technischer Fachlichkeit, aber auch gegenüber einseitiger Betonung innergemeindlicher Partikularbelange 6 0 . 2. Nicht nur i m Hinblick auf das Reservoir geeigneter Mandatsträger stellt sich das Eigenbewußtsein der „örtlichen Gemeinschaft" als Voraussetzung dar. Daß nämlich unter den möglichen Bewerbern gerade die unter dem Aspekt örtlicher Interessenvertretung loyalsten und engagiertesten tatsächlich bei den kommunalen Wahlen die erforderliche Mehrheit erlangen, hängt davon ab, daß das Bewußtsein dieser Interessen als gemeinsamer und somit eigener bei den Wählern, also der Stimmbürgerschaft insgesamt, lebendig ist 6 1 . 3. Der Wahlakt ist allerdings lediglich ein besonders augenfälliger Aktualisierungsfall des elementaren Bezuges zwischen lokaler Integration und örtlicher Politik. Unter der grundgesetzlichen Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung ist die Bürgerschaft mehr als ein „Wählerkollektiv"; sie stellt i m demokratischen Staatsaufbau eine „Aktionsgemeinschaft" dar 6 2 . Ohne ein Mindestmaß stetiger beobachtender und beurteilender Anteilnahme können sich die Maßstäbe für das Verfahren optimaler Repräsentantenauswahl i m gemeindlichen Wahlakt bei der Bevölkerung nicht herausbilden: Maßstäbe dafür, welche politischen Entscheidungen der kommunalen Gremien um welcher örtlichen Bedürfnisse willen nützlich und wünschenswert erscheinen; welche politischen Kräfte i n der Gemeinde — Parteien, Fraktionen, Gemeindevertreter — m i t dem besten Sachverstand und stärksten Engagement auf die Durchsetzung dieser Interessen hinwirken; welche Kandidaten folglich Gewähr dafür bieten, daß sie bestmöglich die konkreten Belange der örtlichen Kategorie geltend machen. 59 Vgl. zur Schwierigkeit der Rekrutierung der gemeindlichen Mandatsträger: Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 807. 60 Vgl. zur rechtlichen w i e praktischen Prädominanz örtlich legitimierter demokratischer Repräsentation sowohl gegenüber bürokratischer Fachvertretung wie gegenüber zentralisierenden Einflüssen der Parteien: Scheuner, A u f gabenstellung, A f K 1962,149,163 ff. 81 Vgl. zu den auch heute noch realen Folgen einer Vernachlässigung der lokalen Gesichtspunkte durch örtliche Mandatsträger bei der Wiederwahl: Scheuner, Aufgabenstellung, A f K 1962, 149, 165; vgl. zur kritischen Reaktion der Gemeindebürgerschaft auf Gelingen u n d Mißlingen i n der gemeindlichen P o l i t i k Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30. 62 So Becker, Beobachtungen, S. 67 ff.

C. Die gemeindliche Integration i n der lokalen W i r k l i c h k e i t

229

Vor allem aber müßte die laufende kommunale Politik zwischen den Wahlen bei Ausklammerung der politischen Entscheidungsebene aus der gemeindlichen Integration, bei Fortfall solcher auf Einheitsbewußtsein beruhenden stetigen Anteilnahme, entscheidende Einbuße erleiden. Es käme zu einer empfindlichen Lockerung der „konkrete(n) Verbindung mit den Gemeindebürgern, mit dem Gemeindegebiet und seinen besonderen Gegebenheiten" 63 . Denn es ist zwar einzuräumen, daß die zunehmende Komplizierung und fachliche Spezialisierung gemeindlicher Verwaltung, auch eine allgemeine Passivität und Resistenz gegenüber politischem Geschehen, eine intensive laufende, alltägliche Beteiligung „des Bürgers" mehr und mehr hat zurücktreten lassen 64 . Demgegenüber genügt nicht der Hinweis, daß gemeindebürgerliches, einheitsbewußtes Engagement von Verfassungs wegen vorausgesetzt und gefordert ist 6 5 . Jedoch ergibt ein näheres Zusehen, daß auch für die gegenwärtige Entfaltung der örtlichen Kategorie ein zwar weniger offenbarer, i n anderen Formen ablaufender Kommunikationsfluß zwischen gemeindlichen Gremien, gemeindlicher Verwaltung einerseits, örtlicher Bürgerschaft andrerseits kennzeichnend ist. Gerade weil das Schwergewicht gemeindlicher Betätigung wie der Erwartung der Bürger sich auf die Versorgung in der elementaren Daseinssphäre verschoben haben 66 , w i r d die Anteilnahme des Bürgers am lokalen Geschehen nicht offenbar, bleibt unbewußt, latent, solange der Ablauf „normal", ungestört, i n Übereinstimmung mit seinen Interessen vonstatten geht 6 7 . U m solche „Normalität" aber sicherzustellen, bedarf es der Offenheit der Gemeindebürgerschaft gegenüber den Akteuren der politischen Ebene, der Fähigkeit und Bereitschaft zur Artikulation eigener Belange auf die Umsetzung i n politische Entscheidungen hin, der wechselseitigen Information und Argumentation 6 8 . A u f diese Weise werden die ört63

Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30 u n d 30 ff. Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 30 f.; Köttgen, Sicherung, S. 201; Laux, Selbstverwaltung, A f K 1970, 217, 225 ff.; Scheuner, Aufgabenstellung, A f K 1962, 149, 166; ders., Neubestimmung, A f K 1973, 1, 30; Thieme, Bund, Länder u n d Gemeinden, A f K 1963, 185, 191; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 654; allgemein: Luhmann, Verfahren, S. 191; Zippelius, Verfahren, S. 304. 65 Z u r ausdrücklichen u n d nachdrücklichen grundgesetzlichen Forderung eigenverantwortlicher, solidarischer Selbstgestaltung, bürgerlichen Gemeinsinns i n A r t . 28 GG: Köttgen, Sicherung, S. 198 f.; vgl. auch Becker, Beobachtungen, S. 67 f. 66 Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 29 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 30. 67 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 30; insofern erscheint die Aussagekraft der Feststellung zweifelhaft, das „durchschnittliche Interesse der Bürger am kommunalen Geschehen" sei von der „territorialen Neuordnung u n berührt geblieben": Wrage, Erfolg der Territorialreform, S. 255, vgl. auch S. 242 f., 251. 68 Vgl. v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 656; vgl. auch Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 100 f.; Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 20 f., 36, 41 ff., 49 - 57. 64

230 I I I . 1. Kap. Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

liehen Interessen zum Motor und Korrektiv für das Handeln der Amtsund Mandatsträger. Entsprechend können und müssen diese auch heute mit der Aufnahmebereitschaft und K r i t i k der lokalen Öffentlichkeit rechnen, finden sie i n der politischen Realität die Motivation für ihr Verhalten i n den konkreten, aktuellen Fragen der örtlichen Gemeinschaft, verwirklicht sich solchermaßen die eigenständige örtliche Kategorie 8 9 . Die unbestrittene Entferntheit der meisten Details des komplexen politischen Geschehens der Gemeinde vom täglichen Gesichtskreis des Gemeindebürgers stellt kein Argument gegen die grundsätzliche Bedeutung örtlicher Integration für die lokale Politik dar. Denn diese Entferntheit kann nicht mit einer Ausklammerung dieses Geschehens aus dem Bewußtsein des Bürgers schlechthin gleichgesetzt werden. Die notwendige Orientierung der aktiv politisch Handelnden an der konkreten gemeindlichen Situation setzt sachlich nicht voraus, daß sie jeder Tagesregung der gemeindlichen Öffentlichkeit Rechnung tragen, daß jede Einzelentscheidung unmittelbare Umsetzung spezieller gemeindlicher Einzelbelange ist. Es spricht nichts dafür, daß eine derartige minutiöse „Rückkoppelung" 7 0 dem — unterhalb solcher Tagesbewegung kontinuierlichen — örtlichen Interesse auf längere Sicht eher gerecht wird, als eine sich an größeren Maßstäben, am Grundkonsens der örtlichen Gemeinschaft orientierende, die Einzelentscheidungen dem unterordnende Politik weiteren Atems 7 1 . Es spricht auch nichts dafür, daß eine derartige, auf längere Sicht erfolgreiche Politik von der Wahlbürgerschaft nicht angemessen honoriert wird, der von Wahl zu Wahl ein mehrjähriger Zeitraum zur Beurteilung zur Verfügung steht 72 . Das Vorhandensein der „normalerweise" latenten Integration auf lokaler Ebene auch bei modernen, insbesondere großstädtischen Bedingungen, aber auch die Notwendigkeit solcher Integration für effektive, eigenständige, örtlich ausgerichtete Gemeindepolitik zeigt gerade der Konfliktfall, der Fall nämlich, i n dem die Entscheidung von Gemeindevertretung und -Verwaltung i n grundsätzlichen Dissens zum „örtlichen Interesse" gerät. Ergeben sich etwa schwerwiegende „Störungen i n den 89 A l l e i n auf dieser Grundlage ist die Neigung der A m t s - u n d Mandatsträger einzuordnen, problematische Fragen der Öffentlichkeit vorzuenthalten u n d „Fensterreden" zu halten: Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 36. Auch die Tatsache, daß nach w i e vor die Vernachlässigung der spezifisch örtlichen Daten Konsequenzen für die Wiederwahl hat, k a n n n u r aus solcher K o m m u n i k a t i o n erk l ä r t werden: Scheuner, Aufgabenstellung, A f K 1962,149,165. 70 Zippelius, Verfahren, S. 304. 71 Vgl. grundlegend: Herzog, Staatslehre, S. 206 f., 219 f.; Krüger, Staatslehre, S. 238 ff.; Zippelius, Staatslehre, S. 88, 149; zur Orientierung der Gewählten „ a n der großen L i n i e der öffentlichen M e i n u n g " : ders., Verfahren, S. 304; vgl. auch Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 207. 72 Z u r Bedeutung zeitlichen Ablaufs f ü r die zutreffende Beurteilung p o l i t i schen Handelns: Herzog, Staatslehre, S. 220.

C. Die gemeindliche Integration i n der lokalen W i r k l i c h k e i t

231

Funktionen und Leistungen" der Gemeinde, werden „bekannte(..) Stadtbilder oder Einrichtungen tiefgreifend umgestaltet, so t r i t t die Anteilnahme der Bevölkerung i n deutlich artikuliertem Widerstand zutage" 78 . Mag solange, als lokale Politik und Interesse der Bürgerschaft i m wesentlichen i m Einklang stehen, der Grundkonsens, die Einheit der örtlichen Gemeinschaft, nicht augenfällig, nicht einmal bewußt sein 74 , mag i n solchen Zeiten die kritische Kontrolle weitgehend allein bei der (gemeinde)parlamentarischen Opposition und der lokalen Presse liegen, i m Streitfall w i r d die Divergenz, von diesen beiden Kontrolleinrichtungen kritisch formuliert, ins allgemeine Bewußtsein gerückt und allgemeinen Widerspruch auslösen 75 . Dies ist ein notwendiger Vorgang auch auf der örtlichen Ebene. N u r er stellt sicher, daß das politische Geschehen i n seinen wesentlichen Koordinaten auf die lokalen Gegebenheiten auf Dauer ausgerichtet bleibt, daß die spezifisch lokalen Daten die lokalen Entscheidungen bestimmen, daß sich also die Kategorie des unmittelbaren Daseins politisch nach ihren eigenen Gesetzlichkeiten und m i t hinreichendem Eigengewicht entfaltet. Voraussetzung dafür, daß die Formulierung des Konflikts durch Opposition und Presse das allgemeine Bewußtsein zu erreichen, das allgemeine Interesse zu wecken vermag, Voraussetzung für die ständige Möglichkeit und Bereitschaft solcher Aktualisierung gemeindlicher Einheit ist, daß ein Grundstock an Übereinstimmung, an Einheitsbewußtsein, an gemeinschaftlichen Interessen ständig, wenigstens latent, vorhanden ist. Damit stellt sich aber die vorhandene gemeindliche Integration nach wie vor als grundsätzliche Voraussetzung des verfassungsgewollt örtlich ausgerichteten politischen Prozesses dar. m . Die gemeindliche Integration als Wesenselement des grundgesetzlichen Gemeindebildes

Zusammenfassend ist daher festzustellen: Auch unter den gewandelten Bedingungen gegenwärtigen kommunalen Lebens ist die politische Entscheidungsebene i n vielfältiger Weise i n den gemeindlichen Integrationsprozeß einbezogen. Ungeachtet der quantitativen Minderung aktueller und detaillierter Beteiligung der Bürger wie der steigenden qualitativen Entfernung des politischen Entscheidungsvorgangs und seines Inhalts ruht das politische Geschehen i n der Gemeinde auf dem Vorhandensein solcher realen Integration. Diese real stattfindende Integration ist notwendiger Bestandteil gemeindlicher Selbstverwaltung i m verfas73

Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1, 30. Z u r Unbewußtheit der Integration unter „normalen" Gegebenheiten allgemein: Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 24 f.; ders., Integrationslehre, S. 476; ders., Integration, S. 485. 75 Vgl. für den Bereich staatlicher Hechtsetzung: Zippelius, Verfahren, S. 304. 74

232 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseins weise

sungsvorausgesetzten Sinn. Sie gehört damit zu den essentialia des grundgesetzlichen Bildes der Gemeinde und nimmt, weil für ihre ratio unabdingbar, am Gewährleistungsgehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG teil 7 6 . D. Die Integrationsfaktoren und Integrationsweisen Der Inhalt des grundgesetzlichen Schutzes gemeindlicher Integration bedarf der Konkretisierung. Es fragt sich daher, worauf i n der gemeindlichen Wirklichkeit solche Integration beruht, an welche Faktoren und Elemente sie anknüpft, ob und wie sie durch deren Beeinflussung, etwa i m Rahmen gebietlicher Veränderungen, gesteigert oder gemindert wird. Denn nur insoweit kann das Verfassungsgebot der Nichtbeeinträchtigung und Förderung gemeindlicher Selbstverwaltung praktisch Bedeutung gewinnen. I . Die Anknüpfungspunkte gemeindlicher Integration

Grundlage der gemeindlichen Integration ist, wie dargestellt, die dauernde benachbarte Ansässigkeit der auf einem Ausschnitt des Staatsgebiets jeweils siedelnden Bürger 7 7 . Damit allein ist allerdings über den spezifischen Gehalt konkreter gemeindlicher Integration unter dem Grundgesetz wenig ausgesagt. Denn einerseits ist die Einbeziehung der lokalen politischen Ebene i n die gemeindliche Einheitsbildung keine zwingende Folge solcher benachbarten Ansässigkeit, sondern beruht auf der historisch gewachsenen, verfassungsrechtlich verbürgten politischen Verselbständigung des Verbandes der unmittelbaren Daseinssphäre. I n einem System unmittelbar ministerialnachgeordneter, staatlicher Gemeindeverwaltung müßte sie sich i n einem weit geringeren Maße verwirklichen. Andrerseits beschreibt die Gemeinsamkeit des Wohnsitzes auch insofern gemeindliche Integration nicht hinreichend, als damit etwa solche Fälle keine Einordnung finden, i n denen — ungeachtet einer großflächigen Besiedlungsverdichtung, eines Zusammenwachsens der Bebauung mehrerer Gemeinden, — die einzelnen gemeindlichen Einheiten deutlich engere Integrationsstrukturen aufweisen. Obwohl auch über ihre Grenzen hinweg nachbarschaftliche Ansässigkeit vorliegt 7 8 , bleiben sie, objektiv wie i m Bewußtsein ihrer Bürger, als eigenständige, deutlich geschiedene Einheiten bestehen. 76 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 66ff.; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 97 ff.; υ. Unruh, Gebiet u n d Gebietskörperschaften, DVB1.1975,1, 3. 77 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter Β . I. 78 Vgl. das Beispiel Düsseldorf/Neuss i n : Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, S. 59, 71 (unter 4.1), 72 (5.1) ; vgl. auch das B e i spiel Ludwigshafen/Mannheim bei Ziebill, Bürger, Städte, Staat, S. 35.

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integra tionsweisen

233

Es ist also die Frage, wie i m wesentlichen die — über gemeinsame A n sässigkeit hinausgehenden — Faktoren beschaffen sind, die gemeindliche Integration bewirken und perpetuieren. 1. Die vielfältigen Äußerungsformen gemeindlicher Integration, i m vorpolitischen wie i m politischen Bereich, einschließlich der organschaftlichen Willensbildung selbst, zeigen, ein welch breites Instrumentarium sich soziale Einheitsbildung nutzbar macht. Sie sind zugleich Ausdruck der Variabilität und Komplexität, die den Prozeß stetiger Formierung einer Summe von Individuen zur politischen Gemeinschaft kennzeichnen. Infolgedessen kann ein solcher Prozeß nicht abschließend, sondern lediglich beispielhaft, i n typischen Abläufen beschrieben werden 7 9 . So bedarf Integration zwar eines mindesten Bestandes an Formen, in denen sie sich realisiert und äußert. Denn als sozialer, zwischenmenschlicher Vorgang setzt sie voraus, daß die beteiligten Individuen aus dem Kreis der je eigenen, abgeschlossenen Subjektivität heraustreten, daß sich zwischen ihnen Kommunikation vollzieht, daß ihre Gemeinsamkeit i m Handeln und Verhalten i n Erscheinung t r i t t und sich verfestigt. Das heißt aber nicht, daß jedes einzelne M i t t e l der Objektivierung von Integration für sich genommen unverzichtbar wäre. So w i r d man aus dem Absterben bestimmter Feste und Bräuche, dem Mitgliederschwund einzelner lokaler Vereine noch nicht schließen dürfen, daß damit die gemeindliche Einheitsbildung schlechthin sich reduziert hätte. Wohl aber dürfte die Folgerung zu ziehen sein, daß der ersatzlose Fortfall solcher Integrationsformen i n größerem Umfang eine Minderung der Integration insgesamt indiziert. Darüber hinaus w i r d man die These aufstellen dürfen, daß, wie auch immer i m einzelnen die Formen und Einrichtungen der Einheitsbildung und -betätigung beschaffen sein mögen, jedenfalls ein objektiver und subjektiver Mindestbestand vorhanden sein muß, damit sich gemeindliche Integration vollziehen kann 8 0 . Schließlich w i r d man der Bedeutung nach zwischen den zahlreichen denkbaren und vorhandenen Ansätzen und Artikulationsmöglichkeiten unterscheiden müssen. Man w i r d einige für schwer oder gar nicht verzichtbar halten — so etwa, abgesehen von kleinsten, überschaubaren Siedlungseinheiten, die örtliche Presse — 8 1 , andere dagegen nicht — etwa bestimmte traditionelle Bräuche und Feste 82 . 79 Vgl. die Formulierung bei Peters, Lehrbuch, S. 112, wonach die Selbstverwaltungskörperschaften „politische Verbände der irrationalen Gemeinschaftsordnung" sind (Hervorhebung v o m Verf.). 80 Vgl. zu solchem Absinken unter ein M i n i m u m von Gemeinsamkeit u n d Ansatzpunkten von Gemeinsamkeit: Becker, Beobachtungen, S. 67, 73. 81 Vgl. dazu oben 3. Teil, Fn. 50, 51. 82 Vgl. andrerseits zur B i l d u n g neuer Formen insoweit aus dem „Hunger nach realen u n d direkten Erlebnissen u n d dem Zusammensein m i t anderen Menschen, die daran teilhaben" : Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 108 f.

234 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseins weise

Aus der Natur des Integrationsprozesses als Bewußtmachung, Bewußterhaltung und, daraus erwachsend, Betätigung überpersoneller Gruppeneinheit folgt fernerhin, daß jede Form der Verwirklichung und Äußerung lokalen Einheitsbewußtseins zugleich selbst wieder — als erlebte, angeschaute Einheit — auf Einheitsbildung, Gemeinschaft hinw i r k t , also ihrerseits wieder Integrationsfaktor ist. Indem die Einheit der Gruppe durch Betätigung, Artikulation sichtbar, erfahrbar wird, erwächst aus der Anschauung ihrer Äußerungen für den Anschauenden das Bewußtsein ihrer Existenz und damit der Antrieb eigener Einfügung und Betätigung 8 3 . Demzufolge müssen alle Formen der gemeindlichen Integrationsäußerung, wie sie oben beschrieben worden sind 8 4 , zugleich als Anstoß, Faktor für die lokale Einheitsbildung bewertet werden. Weiterhin folgt daraus, daß, je vielfältiger, häufiger, dichter und intensiver das Bewußtsein der Einheit sich i m gemeindlichen Leben zu äußern vermag, desto kräftiger und lebendiger der Einheitsprozeß sich fortentwickelt. 2. Die besondere Bedeutung bestimmter, „objektiver" Integrationsfaktoren ergibt sich aus einer doppelten Überlegung. Wenn örtliche Gemeinschaft der auf räumlicher Grundlage ruhende Verband des unmittelbaren täglichen Lebens ist, dann müssen für die i n der unmittelbaren Daseinssphäre sich abspielende soziale Einheitsbildung die gegenständlichen Elemente, der Raum und die i n i h m befindlichen natürlichen und zivilisatorischen Gegenstände, Güter, Gegebenheiten und Einrichtungen, eine wesentliche Rolle spielen. Denn sie werden — wie die personale Umwelt, das personelle Substrat der örtlichen Gemeinschaft —, als Bestandteil des täglichen Daseins, als Bestandteil des einheitlichen Gesamtzusammenhangs „Gemeinde" erfahren 86 . Darüber hinaus: Wenn Mitglied der gemeindlichen Gemeinschaft jeder ist, der auf dem Gemeindegebiet ansässig ist, wenn also die gemeindliche Gemeinschaft unabhängig ist i n ihrer Identität von der durch Generationswechsel und Mobilität bewirkten Personenfluktuation, dann müssen für die Eingliederung der einzelnen Gemeindeangehörigen die Faktoren besonderes Gewicht haben, die, unabhängig vom personellen Wechsel auf dem Gemeindegebiet, als Teile des Ganzen vorhanden und als solche erfahrbar sind. Damit ist zugleich festgestellt, daß diese Gruppe der Integrationsfaktoren sich nicht auf gegenständliche Objekte beschränkt, daß zu i h r vielmehr alle Einrichtungen, Veranstaltungen, soziologischen Gegebenheiten zu rechnen sind, die i n der Gemeinde und 83 Vgl. zur Integrationswirkung erlebter Integration auf den „Zuschauer": Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 41. 84 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter C. I. 85 Vgl. auch die Formulierung des § 1 PrGemVerfG.

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integra tionsweisen

235

als Teil ihrer Wirklichkeit Bestand ohne Rücksicht auf personellen Wechsel besitzen 86 . Freilich spielt für die Eingliederung von Neubürgern i n eine gemeindliche Einheit der informelle, sich ausweitende und verfestigende Kontakt zu den eingesessenen, integrierten Mitgliedern eine entscheidende Rolle. Aber auch für sie liegt ein wesentliches Moment i n der beruflichen Einfügung i n die vorhandenen, kontinuierlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Strukturen 8 7 . Besonders zeigt sich i m Hinblick auf die nachgeborenen Neubürger, die i n die Gemeinde nachwachsende Generation, die Bedeutung kontinuitätsvermittelnder Einrichtungen und Gegebenheiten. Eine zentrale Funktion kommt dabei der Familie als überpersonaler, nicht selten m i t der Gemeinde über mehrere Generationen verbundener Institution zu. Mag auch die Versippung und Verschwägerung i m eingesessenen Familienverband, die spezielle Affinität zu einer Vielfalt von Integrationsfaktoren, Kirchengemeinde, Vereinen, Festen, Bräuchen, i n kleineren Gemeinden ausgeprägter sein, ein stärkeres Gewicht haben 88 , so darf doch auch i m städtischen Bereich die Bedeutung der Familie für die Sozialisation der nachwachsenden Jugend, auch i n bezug auf die Gemeinde, nicht unterschätzt werden. Dabei ist die Familie zum einen der Ort, wo die „Weitergabe eines oft Generationen umfassenden Wissens voneinander", die „Pflege der Bereitschaft zu freiwilliger orts- und gemeindetragender und -prägender A k t i v i t ä t " i n erster Linie stattfindet 89 , wo das verbindende gemeinsame Erleben der Gemeinde als Familien- und Lokalgeschichte vermittelt w i r d 9 0 . Zum zweiten macht Familie Kontinuität des sozialen Verbandes der unmittelbaren Daseinssphäre, der „örtlichen Gemeinschaft", dadurch anschaulich, daß sich i n ihr dauernde sächliche Güter von vitaler Erheblichkeit, eingebettet in den lokalen Kontext, zentrieren, auch vererben, wie Haus, Grundbesitz, Hof bis hin zum Familiengrab 9 1 . Aus der Vielzahl sonstiger institutioneller und institutionsähnlicher Faktoren, i n denen sich gemeindliche Integration — insbesondere hin86 Vgl. zur Problematik der Sicherung der Stetigkeit trotz personellen Wechsels — i m Falle des Staats — : Krüger, Verfassungslehre, S. 128 f.; charakteristisch i n diesem Zusammenhang die E r w ä h n u n g des Grundbesitzes, des u n beweglichen Eigentums (S. 128). 87 Vgl. Dienst, Neuss, S. 197 ff.; Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 187 f. 88 Vgl. zur Eingliederung der Familie i n die Gemeinde u n d ihre Integrationsfunktion für die Gemeinde: Wurzbacher i n : Das Dorf, S. 74 ff., insbes. S. 80 ff., 111, speziell f ü r den ländlichen Bereich; für den städtischen Bereich vgl. etwa Dienst, Neuss, S. 122 ff., betr. das Verhältnis der Stadt zu den „großen F a m i lien". 89 Vgl. Wurzbacher i n : Das Dorf, S. 111. 90 Vgl. zur Integrationsfunktion derartiger gemeinsam erlebter Geschichte: Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 188. 91 Vgl. zur zentralen Bedeutung des Wohnsitzes v. Unruh, Gemeinderecht, S. 95; vgl. auch Wurzbacher i n : Das Dorf, S. 111.

236 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

sichtlich der jüngeren Generation, aber auch darüber hinaus —, realisiert, seien etwa genannt: Kirche und Schule, Jugendverbände, traditionelle gesellschaftliche, politische, berufliche Vereinigungen, aber auch die gewachsene Eigenart einzelner Stadtteile, „Viertel", ja Straßen 92 . Vor allem aber wirken diejenigen sächlichen Faktoren auf das Bewußtsein gemeindlicher Einheit, die sich den Einwohnern i n ihrem täglichen Dasein als Bestandteil der gemeindlichen Wirklichkeit und zugleich des eigenen Lebenskreises darbieten. Hierher gehören die charakteristischen landschaftlichen Gegebenheiten, Berg, Tal, Ebene, Wasser, Wald, Heide i n ihrer konkreten Gestaltung. Die herausragenden, Individualität begründenden historischen, kulturellen, technischen Sehenswürigkeiten bilden insbesondere Objekte der Identifikation: Baudenkmäler, historische Gebäude, gewachsene Altstadtkerne 9 3 , allgemein die Gegenstände und Anstalten des kulturellen Bereichs: Kirchen, Theater, Museen, Konzertgebäude, sonstige alte und neue Repräsentationsbauten. Insgesamt sind hierher alle konkreten Besonderheiten zu zählen, die als solche für die jeweilige Gemeinde charakteristisch sind, für ihre Individualität als prägend empfunden werden: der Hafen etwa, ein großes Industriewerk, Erholungsanlagen, Fernsehturm, Sportstätten, das Geburtshaus einer geschichtlichen Persönlichkeit, Denkmäler, Zeugnisse der gemeindlichen Geschichte, Rathaus, Marktplatz, Universität. Wie sehr die individuelle Gestaltung der Gemeinde, ihr bauliches Bild, Straßenzüge und Straßennamen, Verkehrsstrukturen, Plätze, Geschäftszentren als Bestandteil des persönlichen Daseins wie als Objektivierung der Einheit „Gemeinde" erlebt werden, deuten die Bürgerinitiativen an, die gerade bei Eingreifen in diese Substanz spontan entstehen und Aktivitäten entfalten 9 4 . Die desintegrierende Wirkung uniformer Neubauviertel wie einer Verödung ausschließlich gewerblich genutzter, also von der Wohnbürgerschaft nicht mehr insgesamt i n ihren Lebenskreis einbezogener Innenstädte belegt augenfällig die Notwendigkeit, die Substanz gemeindlicher Individualiät sorgsam zu bewahren und fortzuentwickeln 9 5 . 92 Vgl. zur Rolle der Kirchen i n den Gemeinden Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 24 ff.; Renate Pflaum i n : Das Dorf, S. 183 ff., insbes. S. 195, 209, 209 ff., 229 ff.; vgl. auch Dienst, Neuss, S. 162 ff.; zur Eigenart der „ V i e r t e l - u n d Nachbarschaftsbildung" vgl. die soziographische Beschreibung bei Dienst, Neuss, S. 133 ff.; vgl. auch Beer, Struktur, Landkreis 1971, 39, 41. 93 Z u r Bedeutung der historischen Innenstädte für eine „menschliche U m w e l t " vgl. Bock, Situation, Städtetag 1975, 287. 94 Vgl. Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 30; vgl. auch Peter, Planungskonflikte u n d kommunale Öffentlichkeitsarbeit, Städtetag 1975, 296, 297; vgl. allgemein zur Identitätsbegründung durch das Erscheinungsbild der Stadt: Pfizer, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 58 ff. („Die Vergangenheit", S. 58; „Stadt- u n d Straßennamen", S. 59; „ N a t u r u n d K u n s t " , S. 60). 95 Vgl. zum „freiheitsbeeinträchtigenden Städtebau" der „ n u r physisch-funktionalen, monotonen u n d frustrierenden Siedlungen" : Neuf fer, Entscheidungsfeld Stadt, S. 125; zur Entleerung der Innenstädte: Heemeyer, Stadt-UmlandVerflechtungen, S. 32.

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integra tionsweisen

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3. Die Beschreibimg der einheitsstiftenden Wirkung überpersoneller Einrichtungen und sächlicher Gestaltungselemente hat sich ständig darauf verwiesen gesehen, das zeitliche Element, Kontinuität, Dauer, geschichtliches Wachstum miteinzubeziehen. Dies korrespondiert mit dem Umstand, daß die konkrete, gewachsene Tradition vielfach als Grundelement gemeindlichen Lebens hervorgehoben w i r d 9 6 . Unter dem Gesichtspunkt lokaler Integration stellt sich die Bedeutung des Zeitfaktors schlüssig dar. Die Dauer der individuellen Ansässigkeit i n einer Gemeinde steigert notwendig das Zugehörigkeitsgefühl typischerweise i n gleichem Maße, wie sich zunehmend das Bewußtsein der Identität des eigenen alltäglichen Daseins m i t dem Dasein der räumlichpersönlich-sächlichen Einheit Gemeinde intensiviert, als selbstverständlich, endgültig, zumindest langgültig erfahren w i r d 9 7 . Entsprechend w i r d die Einheit „Gemeinde" gerade durch die Darstellung ihrer Dauer i n der Zeit, ihrer ungeschmälerten konkreten Existenz ungeachtet aller zeitbedingten Wandlungen, nachdrücklich faßbar als der grundsätzlich feste und einheitliche Bezugsrahmen des individuellen Daseins 98 . Das gilt ebenso für die sächlichen Zeugen einer gewachsenen Vergangenheit wie für die kontinuitätserzeugende Wirkung institutionalisierter Formen des sozialen Miteinanders i n Vereinen und Verbänden, bei Festen und Bräuchen. Nur das lebendige Bewußtsein der i n der Gegenwart präsenten, in die Zukunft und ihre Entwicklung einzubringenden gemeindlichen Vergangenheit erlaubt es, die gemeindlichen Strukturen als Basis und Baustein gesamtstaatlicher Geschichtlichkeit zu bewerten 99 . Gerade weil die Gemeinde der Raum des alltäglichen Daseins ist, das einer mindesten Regelmäßigkeit des täglichen Ablaufs bedarf, gliedert sie den einzelnen i n ihre Ordnung und Einheit u m so stärker ein, je mehr sie i h m ruhende Bezugspunkte, Kontinuität, Institutionalisierung zur Verfügung stellt. I n welchem Maße solche „ritenbildende" Tradition das gemeindliche Leben beherrscht, zeigt einerseits der Widerstand, der — sogar über Jahrzehnte — von der Bevölkerung gegenüber unsachgemäßen Eingemeindungen geleistet w i r d 1 0 0 , andrerseits die grö98

Vgl. oben 2. Teil, 3. Kap. unter D. Vgl. König, H K W P I, S. 50. 98 Gerade unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Erhaltung historischer Städtebilder als kommunalpolitische Aufgabe ersten Ranges; vgl. hierzu etwa Hollatz, Tagungsbericht i n : Städtetag 1973, 666 f.; Bock, Situation, Städtetag 1973, 287; vgl. ferner das Beispiel lebendigen bürgerlichen Bewußtseins, wie es bei der breiten Anteilnahme a n den Feiern historischer gemeindlicher Ereignisse offenbar w i r d , etwa bei der 500-Jahr-Feier der erfolglosen Belagerung der Stadt Neuss durch K a r l den K ü h n e n : Kölnische Rundschau 1975, Nr. 158 v. 12. 7. 1975, S. 3 (Klaus Simson, K a r l der K ü h n e hatte kein Erobererglück). 99 Vgl. Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813. 100 y g i das Beispiel der oldenburgischen Verwaltungsreform: Scherbening, Rechtsgrundlagen, S. 42 f.; Gutachten Schl-H, Rdn. 222, S. 155; Rdn. 279 f., S. 174; vgl. auch den breiten Widerstand der Bevölkerung gegen die E i n k r e i 97

238 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

ßere Zwanglosigkeit, m i t der Gebietsneugliederungen von der Bevölkerung angenommen werden, wenn sie an vorhandene traditionelle Gliederungen anzuknüpfen vermögen 1 0 1 . 4. Je wesentlicher die Tätigkeit öffentlicher Verwaltung für den Bürger und seine Daseinsbedingungen wird, je mehr insbesondere seine Vitalsphäre durch die Leistungen der Verwaltung bestimmt wird, desto nachdrücklicher muß die Gemeinde als politisches Gebilde, als administrative Einheit, i n ihrem territorialen, sächlichen Bestand wie i n ihrem Wirken, für die lokale Einheitsbildung eine zentrale Rolle spielen 102 . Insbesondere i n einer staatlichen Ordnung, die von Verfassungs wegen die örtlichen Gemeinschaften zur eigenständigen, politischen und administrativen Bewältigung der eigenen, lokalen, das unmittelbare Dasein betreffenden Angelegenheiten zu „Gemeinden" zusammenfaßt, hängt nicht nur die verfassungsgewollte politische Entfaltung der örtlichen Kategorie von der lebendigen Einheitsbildung der i n ihr präsenten Verbände ab; vielmehr ist auch umgekehrt die Gestaltung und Tätigkeit der gebietlichen, politischen Verwaltungseinheit „Gemeinde" für den Zusammenhalt der Gemeindebürgerschaft von fundamentaler Bedeutung. Eben weil die gemeindliche Integration i n so vielfältiger und gewichtiger Weise auf die örtliche Politik e i n w i r k t 1 0 3 , w e i l jede Äußerung von Integration zugleich Faktor der Einheitsbildung ist, ergibt sich die Schlußfolgerung: Je genauer sich die politische Einrichtung „Gemeinde" räumlich und sachlich mit der Integrationseinheit „örtliche Gemeinschaft" deckt, desto intensiver w i r d sich diese Integration i n eigenständige, spezifisch gemeindliche Politik umsetzen, desto stärker w i r d umgekehrt die integrierende Wirkung solcher Politik sein 1 0 4 . Je engagierter, tatkräftiger und individueller 1 0 5 spezifisch örtliche Politik betrieben und i n der Öffentlichkeit dargestellt wird, desto mehr w i r d die Integrationswirkung solcher Politik steigen und auf die örtliche Qualität solcher Politik zurückwirken. A k t i v i t ä t und Anschaulichkeit der politischen, raumkörperschaftlichen Einheit Gemeinde und Intensität gemeindlicher Einheitsbildung stehen damit i n einem Wechselbezug, erzeugen und steigern sich — oder mindern und entleeren sich — gegenseitig. Daraus ergibt sich aber, daß unter dem Gesichtspunkt verfassungsgewollter Entfaltung der örtlichen Kategorie nicht allein Integration als Voraussetzimg für sung der Stadt Neuss durch das „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden u n d Kreise des Neugliederungsraumes Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppert a l " v. 10. 9. 1974 (GVB1. N W S. 890); dazu Kölnische Rundschau w i e oben 3. Teil, Fn. 98. 101 Vgl. Gutachten Schl-H, S. 137, Rdn, 237; S. 174, Rdn. 280; S. 175, Rdn. 283. 102 Vgl. allgemein hierzu: Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 185 ff. 103 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter C. I I . 104 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 67 f. 105 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 73; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 48.

D. Die Integrationsfaktoren u n d I n t egra tionsweisen

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kraftvolle politische Selbstgestaltung geschützt und gefördert werden muß. Auch umgekehrt sind — weil zugleich Voraussetzung und Folge — die örtliche Politik, i h r Stil, ihr Inhalt, ihre Aktivität, aber auch alle staatlichen Maßnahmen i n Ansehung örtlicher Politik — Zuschnitt der Mittel, Handhabung der Aufsicht, gesetzliche Regelung, Aufgabenzuweisung — daran zu messen, ob sie sich integrationsfördernd oder desintegrierend auswirken, ob sie die reale Grundlage solcher Politik festigen oder demontieren. 5. Diese wechselweise Bedingtheit von gemeindlicher Integration und kraftvoller gemeindlicher Politik macht einsichtig, daß die „Effektivität" lokaler Verwaltung keineswegs notwendig und i n jeder Hinsicht i n einem Spannungsverhältnis zur örtlichen Verbundenheit des personellen Substrats steht. Die Forderung, die Verwaltungs-, Veranstaltungs- und Finanzkraft der Gemeinden entsprechend den gestiegenen, vervielfältigten Aufgaben öffentlicher Verwaltung durch die Bildung größerer Einheiten, Bemessung nach günstigeren Einwohnerbereichen anzuheben, gehört zu den zentralen Motivationen der kommunalen Gebietsreform 106 . Sie t r i t t hier bereits deswegen vielfach i n einen Konflikt m i t dem Gesichtspunkt gemeindlicher Integration, weil ihr Mittel, die Umgestaltung des gemeindlichen Gebietszuschnitts, aus der Natur der Sache i n die vorhandenen Verflechtungen, Einheitsbildungen eingreift 1 0 7 . Darüber hinaus ist zumindest tendenziell eine Überbetonung technischer Effektivitätsmaßstäbe, die Neigung, Kriterien egalisierender Sozialstaatlichkeit der Berücksichtigung gewachsener gemeindlicher Individualität voranzustellen, bei der Schaffung möglichst gleichförmiger Versorgungseinheiten großzügig m i t dem vorhandenen Bestand zu verfahren, kaum zu verkenιοβ y g L bereits Surén/Loschelder , DGO, § 4, Erl. 2 u n d 3 sowie die dort (S. 136 ff.) abgedruckte „Allgemeine Begründung zur DGO (Ziff. 4)" u n d den, ebenfalls dort abgedruckten (S. 138 ff.) RdErl. v. 6. 1. 1939 ( R M B l i V S. 33); ferner Becker, Beobachtungen, S. 63 ff.; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 22 ff., 110 ff., 137 ff., 186; Hahn, Kommunalreform, Kommunalwirtschaft 1970, 56 ff., 105 ff., insbes. S. 56; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 142 ff., 157 ff., 160 ff.; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 473, 474 f.; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 51 f.; Klüber, Verwaltungsreform, K o m m u n a l w i r t schaft 1970, 58, 60; Koch, Großgemeinde, S. 28 ff., 34 ff.; Krämer, Bürgerschaftliche Selbstverwaltung, S. 59 ff., 132 ff.; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814 f.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 16 f.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 12 f., 61, 65, 66 f.; Thieme, Selbstverwaltungsgarantie u n d Gemeindegröße, DVB1. 1966, 325, 326, 327 f.; ders., Die magische Z a h l 200 000, D Ö V 1972, 442 ff.; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerschaftliches Recht, D Ö V 1972, 16, 24; Wagener, Gemeindeverwaltung u n d Kreisverwaltung, A f K 1964, 237, 245 ff.; ders., Neubau, insbes. S. 87 ff., 328 ff., 537 f., 552 f., 554 ff.; Werner Weber, G u t achten 45 DJT, S. 4, 44; vgl. auch die Ubersicht bei Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 9 f. m. w. N. 107 wipfelder, Die Verwaltungskraft der Gemeinden, B a y V B l . 1975, 93, 99.

240 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

nen 1 0 8 . Insbesondere i n solchen Fällen, i n denen an sich hinreichend lebensfähige und eigenständige Gemeinden zur Erreichung überörtlich erforderlicher Leistungskraft durch Gebietsänderungen ihre Existenz verlieren 1 0 0 , ist die Friktion zwischen Effektivitätszielen und gemeindlicher Integration offenkundig. Dennoch würde es, nach den vorangegangenen Überlegungen, die Problematik verkürzen, wollte man den Gesichtspunkt gemeindlicher Leistungskraft bei der Abwägung der für und gegen eine Gebietsänderung sprechenden Argumente ausschließlich auf der Seite der überörtlichen, insbesondere i m engeren Sinne staatlichen Interessen ansiedeln. Da ratio der grundgesetzlichen Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung die eigenständige und eigenverantwortliche Entfaltung der örtlichen Kategorie, da Voraussetzung hierfür die — infolgedessen mitgeschützte — gemeindliche Integration ist, stellt auch die Leistungsfähigkeit gemeindlicher Selbstverwaltung einen Wert dieses Verfassungsgutes dar. Denn aus ihrem Vorhandensein oder ihrem Mangel resultieren integrierende beziehungsweise desintegrierende Konsequenzen. Wenn gemeindliche Politik wesentliches Ziel, aber auch wesentliche Ursache gemeindlicher Integration darstellt, dann ist ihre einheitsstiftende Wirkung u m so größer, je effektiver sie die spezifischen gemeindlichen Belange realisiert; entsprechend prägnanter w i r k t andrerseits die örtliche Einheit auf sie zurück. Umgekehrt: Je weniger es mangels Verwaltungs-, Veranstaltungs- und Finanzkraft der Gemeinde gelingt, die spezifischen Bedürfnisse und Interessen ihrer Bürger politisch und administrativ zu verwirklichen, je weniger also der Bürger die Einheit Gemeinde i n ihren Leistungen als zulänglich erfährt, je deutlicher i h m ihre Schwäche i n seinen unmittelbaren, elementaren Daseinsnotwendigkeiten ins Bewußtsein tritt, desto weniger w i r d er sich m i t i h r identifizieren, desto desintegrierender ist die W i r k u n g 1 1 0 . Diese Konsequenzen treten u m so einschneidender auf, je stärker sich die Funktion der Gemeinde auf Ver108 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 63 ff., 66 ff., 75, 78; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 90 f.; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 473; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,17. 109 Vgl. die Beispiele bei Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812 (Ausgleich ungleichgewichtiger Kapazität benachbarter Gemeinden, Durchführung besonderer Vorhaben — Formierung eines hauptstädtischen Siedlungsraumes — etc.) ; vgl. auch zur Eingliederung der „lebenskräftigen Mittelstädte Bad Godesberg u n d Beuel" nach Bonn: Urt. V e r f G H N W v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 —, OVGE 26, 270, 284. 110 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 66; Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 163, 178 ff.; Knemeyer, Bürgerschaftliche M i t w i r k u n g , Der Bayerische Bürgermeister 1975, 37, 37; Koch, Großgemeinde, S. 89 ff.; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812; v. Unruh, Selbstverwaltung als staatsbürgerliches Recht, D Ö V 1972, 16, 21, 23; vgl. auch Wipfeider, Die Verwaltungsk r a f t der Gemeinden, BayVBl. 1975, 93, 99 f.

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integrationsweisen

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sorgung h i n verschiebt, je deutlicher die Rolle ihrer Bürger demgegenüber sich als die der Fordernden, und zwar i n bezug auf notwendige Leistungen der Daseinsstabilisierung, ausprägt 111 . Soweit es also bei den Möglichkeiten und Grenzen gemeindlicher Verwaltungskraft u m die Befriedigung der speziellen, konkreten Bedürfnisse der Bürger der jeweiligen Gemeinde selbst i n der unmittelbaren, individuellen Vitalsphäre geht, laufen staatliches Interesse an der Effektivität lokaler Verwaltung — etwa aus dem Sozialstaatsprinzip, aus dem Gesichtspunkt mindester Gleichförmigkeit der Lebensbedingungen 1 1 2 — und Selbstverwaltungsinteresse an wirkungsvoller örtlicher Pol i t i k auf der Grundlage realer Integration i n die gleiche Richtung. Erst jenseits dieser Grenze kann das Ziel effektiver Verwaltung ausschließlich auf der Seite des überörtlichen, staatlichen Interesses erscheinen. 6. Maßstab für den erforderlichen Grad gemeindlicher Verwaltungskraft — und damit, soweit sich daraus positive oder negative Auswirkungen auf solche Effektivität ergeben, des Gebietszuschnitts, — sind aus dem Blickwinkel des örtlichen Interesses der Inhalt und die A r t der konkreten örtlichen Bedürfnisse. Über sie sind, oberhalb einer elementaren Grundversorgungs- und Grunderwartungsschwelle, generelle Aussagen nur i n engen Grenzen möglich. Gerade i n ihnen nämlich entfaltet sich die Individualität der einzelnen gemeindlichen Einheit als des je konkreten Produkts der örtlichen Daten, der personellen und sächlichen Elemente, die i n dieser Einheit zusammengefaßt sind 1 1 3 . Diese von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedliche Situation, die entsprechend unterschiedlichen Gehalte und Formen örtlicher Integration folgen nicht allein aus den je differenzierten objektiven und subjektiven Bedingungen der jeweiligen Bürgerschaft, die durch eine noch so große Zahl typisierender Kategorien allenfalls i n einem groben Raster, nicht erschöpfend erfaßt werden können 1 1 4 . Denn dabei bleibt eine Fülle weiterer Faktoren unberücksichtigt, die das jeweilige konkrete B i l d entsprechend prägen: landsmannschaftliche Verschiedenheit des Temperaments, regionale und örtliche kulturelle und zivilisatorische Entwicklung und 111 v g l . Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113, 124 f.; ders., Stadt u n d Bürger, S. 29 f.; Köttgen, Sicherung, S. 202; Salzwedel i n : Gefährdung, S. 65; Scheuner, Neu'bestimmung, A f K 1973,1, 21, 30, 36 f. 112 Hoppe, Maßstäbe, Städte- u n d Gemeinderat 1973, 228, 232; Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 804; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547. 113 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 73; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 48; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 476; so auch bereits pointiert Denkschrift PrStädtetag, S. 9, vgl. auch S. 41. 114 Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 127: „Bauerndörfer, Industriegemeinden oder Mischungen zwischen beiden, Flecken, Marktorte, K u r - u n d Badeorte, Kleinstädte, Wohngemeinden, Mittelstädte, statistische Großstädte, Großstädte, Weltstädte".

16 Loschelder

242 I I I . 1. Kap. Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

Überlieferung, konfessionelle Unterschiede, geographische, wirtschaftliche, Verkehrsstrukturen, Siedlungsweise und anderes mehr 1 1 5 . Die Differenzierungen vervielfältigen sich dadurch, daß sich auch gleiche Bedürfnisse von Gemeinde zu Gemeinde nicht i n gleicher Weise auf die Ebene politischer Interessenwahrnehmung umsetzen. Die Zahl der A l ternativen, wie ein bestimmtes Bedürfnis befriedigt werden kann, ist dazu bei weitem zu groß. Entsprechend konkretisiert sich der gemeindliche Gestaltungsspielraum 116 je nach der örtlichen Situation i n zahlreichen möglichen Richtungen. Die volle Breite der individuellen Integrationsgehalte und ihrer Umsetzung i n individuelle Gemeindepolitik, andrerseits der Rückwirkung der politischen Lage auf die lokale Einheitsbildung, w i r d jedoch erst gewonnen, wenn die einzelne Gemeinde nicht isoliert betrachtet wird, sondern i n ihrem Gesamtzusammenhang i m Rahmen der überörtlichen kommunalen Struktur. I h r Stellenwert innerhalb der arbeitsteiligen Differenzierung zwischen den Gemeinden und Gemeindeverbänden des größeren Raumes, ihre Funktion i n der Verflechtung mit den umliegenden lokalen Einheiten, insbesondere mit den zentralen Orten unterschiedlicher Stufe, wirken sich notwendig auf die örtliche Situation und damit auf den Inhalt der konkreten Einheitsbildung und der aus i h r resultierenden Politik, damit aber auch auf die Bewertung der Angemessenheit von Verwaltungs-, Veranstaltungs-, Finanzkraft wie auch des gebietlichen Zuschnitts aus. Wie sich aus solch unterschiedlicher Stellung und Funktion bei gleichen Bedürfnissen abweichende M i t t e l ihrer Befriedigung ergeben, w u r de bereits dargestellt 1 1 7 . Während etwa die große Stadt zur Erfüllung der kulturellen Interessen ihrer Bürger Theater, Volkshochschulen, Museen errichtet, besteht die Aufgabe kleinerer Nachbargemeinden insoweit etwa darin, durch die Förderung von Theatergemeinschaften und Bereitstellung von Verkehrsmitteln ihren Bürgern den Zugang hierzu zu ermöglichen. Umgekehrt schafft die Umlandgemeinde etwa Erholungsgebiete, fördert den Obst- und Gemüseanbau, allgemein die auf die benachbarte Stadt ausgerichtete landwirtschaftliche Produktion, während sich diese darauf beschränkt, ihren Bürgern den Zugang hierzu zu erleichtern. Ähnliche Arbeitsteiligkeit ließe sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen einerseits, die Gestaltung wohngerechter Bedingungen und Erholungsbereiche andrerseits und die Verkehrserschließung zwischen beiden darstellen 1 1 8 . 115

Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 265, S. 169 f.; Rdn. 277 ff., S. 173 f. Vgl. dazu, daß den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften i m eigenen Wirkungskreis kein bloßes Ermessen, sondern „volle Handlungs- u n d Gestaltungsfreiheit" eingeräumt ist: Salzwedel, Kommunalrecht, S. 221. 117 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I I . 3. b) bb). 118

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integrationsweisen

243

Derartige Differenzierung und Ergänzung kann sich formlos, ungeplant, wie institutionalisiert, i n den vielfältigen instrumentalen Möglichkeiten gemeindeverbandlicher A r t wie interkommunaler Zusammenarbeit abspielen 119 . Doch kommt es i m vorliegenden Zusammenhang lediglich auf das grundsätzliche Verhältnis innergemeindlicher Integration und interkommunaler Verflechtung an. So w i r d man zunächst generell sagen dürfen, daß das Übergreifen der individuellen Daseinssphäre auf der Wohngemeinde benachbarte Gemeinden wie die Auflockerung des einzelnen gemeindlichen Verbandes allgemein die Geschlossenheit, Striktheit lokalen Einheitsbewußtseins gemindert haben. Denn der einzelne Bürger ist nicht mehr mit seinen gesamten Interessen und sozialen Beziehungen i n „seine" Gemeinde eingebunden, sondern i n nicht selten erheblichem Maße auch auf andere Gemeinden als Pole seines Daseins hinorientiert. Andrerseits ändert diese Entwicklung nicht nur nichts an dem grundsätzlich zentralen Gewicht des Wohnsitzes und des durch i h n definierten sozialen Verbandes der unmittelbaren Daseinssphäre 120 . Die stärkere Verflechtung und Differenzierung ist vielmehr darüber hinaus geeignet, dem Bürger i n der vergleichenden Anschauung die spezifische Individualität seiner Wohnsitzgemeinde wie ihren Stellenwert i m interkommunalen Kontext vor Augen zu führen. Die mit steigender Komplexität wachsende Fähigkeit, „ i n mehreren und voneinander verschiedenen Funktionen zu existieren, mehrere und verschiedene soziale Rollen zugleich zu spielen" 1 2 1 , erlaubt es ihm, die konkrete Bedingtheit der Gemeinde seines Lebensmittelpunktes, seines Wohnsitzes 122 , zu sehen und sich als Mitträger ihrer besonderen Interessen und Bedürfnisse zu erleben 1 2 3 . Solche Integration i n die „offene" Gemeinde innerhalb einer differenzierten kommunalen Ordnung eines regionalen Raumes hängt allerdings, dies folgt aus den bisherigen Überlegungen, von den örtlichen und überörtlichen Voraussetzungen und ihrem Zusammenspiel unmittelbar ab. Nur dann w i r d sie hinreichend Ansatzpunkte finden, wenn der „eigenen" Gemeinde effektive, flexible, auf den konkreten Fall hingestaltete Mittel zur Verfügung stehen, das individuelle örtliche Interesse i n 118 Vgl. Heemeyer, Stadt-Umland-Verflechtungen, S. 69 f. („Die Funktionsergänzung i m städtischen Raum") ; vgl. auch Becker, Rechts- u n d Verwaltungsfragen, S. 17 ff. 119 Vgl. hierzu etwa Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969, S. 1 ff. u n d das Schema S. 21. 120 Vgl. oben 2. Teil, 4. Kap. unter C. I I I . 3. b) bb). 121 Ronneberger, Integrationsfunktion, S. 189. 122 v g l wipfelder, Die Verwaltungskraft der Gemeinden, BayVBl. 1975, 93, 100. 123

16*

Vgl. Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969,1, 9.

244 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseins weise

Zusammenarbeit m i t den Nachbargemeinden und den übergreifenden Gemeindeverbänden zu realisieren, ohne daß ihre grundsätzliche Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit i n Frage gestellt werden. Wenn sich dagegen aus mangelnder Leistungsfähigkeit einzelner Gemeinden oder durch eine übergroße Verdichtung der Beziehungen das Netz der zwischengemeindlichen Verflechtung allzu eng und verwirrend entwikkelt hat, wenn die wesentlichen politischen und administrativen Funktionen auf Nachbargemeinden, Gemeindeverbände oder zwischengemeindliche Aufgabenträger ausgewandert sind, so kann die Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit solcher Strukturen die Eigenständigkeit der einzelnen Gemeinde schwinden lassen, die Anschaulichkeit ihrer Einheit unter das notwendige M i n i m u m drücken, sie i m Extremfall in einer über die Grenzen greifenden größeren, neuen „örtlichen Gemeinschaft" aufgehen lassen 124 . Jedoch erschöpfen sich die Auswirkungen einer zunehmend dichteren kommunalen Verflechtung nicht i n solcher integrationsfördernden Ergänzung oder desintegrierenden Entleerung der einzelnen örtlichen Gemeinschaften durch die jeweilige zwischen- und übergemeindliche Struktur. Zumindest rückt eine Beschreibung, die sich hierauf beschränkt, den eigentlichen Konfliktfall nicht hinreichend scharf i n den Blick. I m Umkreis hochdimensionierter städtischer Ballungen vor allem zeigt sich, daß die Wechselwirkung, die aus dem räumlichen und sachlichen Zusammenrücken resultiert, nicht auf die glatte Alternative von gegenseitiger Kräftigung benachbarter Gemeinden oder Schwächung bis zum Aufsaugen der einen durch die andere gebracht werden kann. Die charakteristische Problematik und die wesentliche Schwierigkeit der Stadt-UmlandBeziehungen liegt vielmehr gerade i n den Konstellationen, i n denen die notwendige Fortentwicklung und Entfaltung der großen Stadt und eine gesunde, ungebrochene Eigenständigkeit der Randgemeinden kollidieren, j a einander auf längere Sicht ausschließen. Es streitet also i n solchen Fällen gemeindliches Interesse gegen konkurrierendes gemeindliches Interesse, die Zukunft der einen örtlichen Gemeinschaft gegen die der anderen 1 2 5 . 124 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 66 f.; Mäding, A d m i n i s t r a t i v e Zusammenarbeit, A f K 1969, 1, 19; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 815; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,18. 125 Vgl. — am Beispiel monozentrischer Ballungsräume — Schnur/Siedentopf, Z u r Neugliederung i n Ballungsräumen, S. 12 ff., insbesondere die v e r schiedenen Konstellationen, S. 18 f., 21 ff.; vgl. ferner die anschauliche Darstell u n g des Konflikts zwischen der künftigen Entwicklung des großstädtischen Raums u n d der kommunalen Eigenständigkeit der Umlandgemeinden i m U r t e i l des V e r f G H N W v. 6. 12. 1975 — V e r f G H 39/74 — (Monheim), A U S. 23 f., 26; zur Abwägung zwischen den Gesichtspunkten ebenda S. 32 ff. (vgl. auch den auszugsweisen Abdruck der Entscheidung i n : Eildienst Landkreistag N W 1976, 4 ff.).

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integra tionsweisen

245

Daher vermag — unter dem Gesichtspunkt lokaler Integration — weder eine Betrachtung allein aus dem Blickwinkel der kleineren Umlandgemeinden noch eine Argumentation lediglich aus der Sicht des städtischen Zentrums noch auch die bloße isolierende Aneinanderreihung beider Aspekte die kommunale Gesamtlage angemessen zu erfassen. So bliebe einerseits die Feststellung, für sich genommen, ohne Aussagewert, das intakte, kräftige Eigenleben einer Gemeinde des Einzugsbereiches habe nicht gelitten, obwohl wesentliche Leistungen des gehobenen Bedarfs nicht mehr dort erbracht, sondern i n der finanz- und veranstaltungskräftigeren Nachbarstadt i n Anspruch genommen würden 1 2 6 . Ebensowenig wäre demgegenüber der Befund genügend, die Existenz unabhängiger Nachbarorte schnüre die zentrale Stadt territorial ab, hindere sie an einer organischen baulichen Konzeption und Verkehrserschließung, an der Verbesserung der Infrastruktur oder den erforderlichen Entlastungen einer übermäßig verdichteten C i t y 1 2 7 . Da die Entscheidung zwischen den widerstreitenden Belangen unter derartigen Gegebenheiten nur auf Kosten der einen oder der anderen gemeindlichen Einheit getroffen werden kann, muß eine Analyse der kommunalen Integrationslage den Gesamtraum zum Gegenstand haben. Nur eine vergleichende und gewichtende Betrachtung der möglichen Entwicklungen für alle beteiligten örtlichen Gemeinschaften kann etwa die Frage beantworten, ob die Erhaltung der Umlandgemeinden die desintegrierenden Rückwirkungen auf die zentrale Stadt aufwiegt oder das fortbestehende Eigenleben i m kleinen Rahmen i n solchem Maße zu deren Lasten geht, daß insgesamt die Beeinträchtigung der kommunalen Substanz größer ist als der partielle Gewinn 1 2 8 . ΐ2β W e n i g aussagekräftig die Inanspruchnahme von Einrichtungen größerer Nachbargemeinden für sich genommen ist, zeigt die detaillierte Schilder u n g der Lage i m U m l a n d von Hannover bei Stern!Püttner, Grundfragen, S. 51 ff. 127 Z u den j e nach den örtlichen Gegebenheiten durchaus unterschiedlichen Konsequenzen einer derartigen Konstellation vgl. Stern!Püttner, Landkreise, S. 114 („Ablehnung einer sog. städtischen A u t a r k i e " ) ; vgl. auch Bückmann, Gebietsreform u n d Entwicklungsplanung, S. 24. 128 Z u r Notwendigkeit solcher A b w ä g u n g vgl. bereits OVG Münster, Urt. v. 23. 5. 1951 — I I I A 537/50 —, OVGE 5, 46, 58 f.; sehr deutlich die Bewertung aus der Sicht n u r einer der betroffenen Gemeinden relativierend u n d auf die E n t wicklung des Gesamtraums abstellend: V e r f G H NW, U r t . v. 2. 11. 1973 — V e r f G H 17/72 — (Sennestadt), A U S. 27 (nicht abgedruckt i n OVGE 28, 307, 310); vgl. auch die Erörterungen zur „Interessenvertretung u n d Interessenabstimm u n g " der Gemeinden u n d Kreise wie des Gesamtraums am Beispiel des Großraums Hannover bei Stern!Püttner, Grundfragen, S. 62 ff. ; zur Herstell u n g des „administrative(n) u n d politische(n) Gleichgewicht(s)" zwischen Stadt u n d U m l a n d vgl. dies., Landkreise, S. 115, u n d die Beispiele S. 115 f.; vgl. ferner auch etwa — f ü r B - W — die verschiedenen Lösungsalternativen i n : G r u n d sätze der Landesregierung zur Lösung des Stadt-Umland-Problems, D o k u mentation B - W I I , S. 80 Tz. 3.

246 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

Somit ist festzustellen: Gemeindliche Integration hängt i m Rahmen der gegenwärtigen offenen und großräumigen Strukturen nicht mehr allein von den die einzelne Gemeinde selbst prägenden Faktoren ab, sie ist vielmehr auch eine Resultante des Stellenwerts der einzelnen Gemeinde i n der interkommunalen Ordnung des umgebenden Raumes. Dabei w i r k t sich ein abgewogenes Verhältnis von eigenverantwortlicher Selbständigkeit und sachgerechter, eindeutiger Eingliederung und Kooperation einheitsfördernd aus, weil es überschaubar, effektiv, auf die spezifischen realen Gegebenheiten abgestimmt ist. Dagegen äußern sich der Verlust an mindestem Eigengewicht und Gestaltungsspielraum, mangelnde Transparenz der Verflechtungen wie nicht mehr differenzierbare, gleichförmige und intensive Verdichtung über die Grenzen hinweg ebenso desintegrierend wie eine übermäßige Gegenläufigkeit der Entwicklungstendenzen einer Gemeinde auf Kosten einer benachbarten anderen. Sachgerechte Gliederung eines Gesamtraumes, das Vorhandensein leistungsfähiger, gestufter, aufeinander abgestimmter Zentren, ist somit auch unter dem Gesichtspunkt verfassungsgeforderter gemeindlicher Entfaltung ein Faktor, der nicht vernachlässigt werden darf 1 2 9 . I I . Die Beeinflußbarkeit gemeindlicher Integration durch staatliche Eingriffe

Die von Verfassungs wegen für die politische Entfaltung der örtlichen Kategorie vorausgesetzte gemeindliche Integration, die nach dem Ergebnis der bisherigen Untersuchung auch i n der gegenwärtigen kommunalen Wirklichkeit vorhanden ist, von einer Vielfalt von Faktoren abhängt und sich i n unterschiedlichen Formen äußert, kann für staatliche Dispositionen über die gemeindliche Substanz — etwa i n Hinblick auf den Gebietszuschnitt — rechtliche Bedeutung nur insoweit haben, als staatliche Maßnahmen sie überhaupt zu beeinflussen vermögen. Würde sich gemeindliche Einheitsbildung demgegenüber entweder schlechthin als unempfindlich erweisen oder wäre sie beliebig nicht nur zu beeinträchtigen, sondern durch geeignetes Vorgehen, insbesondere nach Gebietsänderungen, auch wieder neu erzeugbar, so ließen sich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung und Förderung gemeindlicher Selbstverwaltung aus ihr Grenzen für die Dispositionsbefugnis des Staates nicht ableiten. 1. Gewisse Grundelemente der örtlichen Kategorie sind aus der Natur der Sache vor jedem und unabhängig von jedem staatlichen A k t vorhanden. Das gilt einmal für die individuelle Daseinssphäre des täglich gelebten Lebens selbst. Aber auch eine mindeste objektive und subjektive soziale Verflechtung benachbart ansässiger Bürger stellt eine derartige 129

Auch u n d gerade insoweit „rechtfertigen sich die Eingriffe i n den historischen Bestand entweder gegenseitig oder sie sind unzulässig", Salzwedel, K o n zeptionsgerechtigkeit, DÖV 1969, 546, 547.

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integra tionsweisen

247

Vorgegebenheit dar. Angesichts eines natürlichen Mindestmaßes an Sozialisationsbedürfnis 130 wie insbesondere der Angewiesenheit des individuellen Daseins auf die örtliche Leistung der „unentbehrlichen Lebensg ü t e r " 1 3 1 beschränkt sie sich auch nicht auf ein bloßes Miteinander der Beteiligten, sondern intensiviert sich zu einer mindesten „passiven" Integration i n dem Sinne, daß sie eine Bedürfnisgemeinschaft gleicher Erwartungen und Forderungen i m Hinblick auf Daseinsstabilisierung 132 herausbildet. I n solcher „passiven" Integration erschöpft sich jedoch die verfassungsgeforderte, politisch auf eigenständige Entfaltung angelegte „örtliche Gemeinschaft" nicht 1 3 3 . Daß andrerseits alle über dieses minimale Niveau hinausgehende Einheitsbildung — jedenfalls negativ — der Beeinflussung durch die staatliche Ordnung zugänglich ist, ergibt das gedankliche Modell einer rein staatlichen, lediglich dekonzentrierten Gemeindeverwaltung, die eine Beteiligung der Gemeindebürger und damit eine weitergehende Integration nicht fordert und — jenseits der rein gesellschaftlichen, nicht politischen Sphäre — auch nicht zuläßt. 2. Umgekehrt ist eine Vielzahl von Faktoren und Formen gemeindlicher Einheitsbildung staatlicher Einwirkung i m Sinne der Steigerung und Förderung zugänglich: etwa durch Erhaltung der lokalen Presse, Bewahrung individueller städtebaulicher Gestaltung, funktionsgerechte inner- und überörtliche Verkehrserschließung, Hinwirken auf sachgerechte interkommunale Zusammenarbeit und Darbietung eines geeigneten Instrumentariums hierzu, Gewährleistung hinreichender finanzieller M i t t e l 1 3 4 , Zurückhaltung i n der Aufgabenzuweisung und Reglementierung 1 3 5 , bei der Ausübung der Kommunalaufsicht 1 3 6 , allgemein durch Unterstützung, Beratung, Strukturverbesserung unter Respektierung der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des örtlichen Bereichs, nicht zuletzt durch Förderung aktiver individueller bürgerlicher Beteiligung. Eine Fülle von Maßnahmen bietet sich m i t h i n dar, die zur Herausführung gemeindlicher Integration über bloße Passivität zu dem verfassungsrechtlich erforderlichen ständigen latenten und sich hinreichend aktualisierenden Einheitsbewußtsein beitragen können. 3. Daraus folgt allerdings nicht, daß gemeindliche Integration selbst beliebig durch derartiges Vorgehen erzeugbar, „machbar" wäre. 130

Vgl. Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113. 132 y g i Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113. 131

133

Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter C. Vgl. Becker, Grundlage, H K W P I, S. 130 f.; ders., Rechts- u n d V e r w a l tungsfragen, S. 6 ff.; Wilhelm Loschelder, Grundfragen der Finanzverfassung, A f K 1966,185, 207 ff. 135 Becker, Beobachtungen, S. 72 ff.; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 25 f. 136 V g l > Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 809 f. 134

248 I I I . 1. Kap.: Das gebietsrelevante Element gemeindlicher Daseinsweise

Gegen eine derartige Möglichkeit spricht zum einen, daß der Schritt von der bloß passiven zur latenten oder aktuellen Integration einen subjektiven, psychologischen, seiner Natur nach freien A k t darstellt. Solches Einheitsbewußtsein setzt Anteilnahme, Bereitschaft zur Kommunikation, Beteiligung an einem als überindividuelle Einheit erfahrenen und bejahten Ganzen voraus 1 3 7 . Zum zweiten: Da es sich um die Einheitsbildung des unmittelbar angeschauten Daseins handelt, kann die Einfügung der Glieder zu einem Ganzen nur an den je konkreten äußeren Gegebenheiten und inneren Dispositionen der Beteiligten anknüpfen. Gerade letztere aber gründen sich weitgehend auf Faktoren, die von Staats wegen nicht „gemacht", lediglich, i n einem nicht umkehrbaren Prozeß, abgebaut werden können. Dies gilt vor allem für die zeitliche Dimension und ihre Objektivierungen. Gemeinsam erfahrene Geschichte, Tradition und Brauchtum, k u l turelle örtliche Überlieferung, gewachsene Einrichtungen und Veranstaltungen, überkommene Formen gesellschaftlichen Lebens, das i n der Zeit entwickelte landschaftliche und bauliche Bild, die auf Dauer gegründete, durch lange Gewöhnung gefestigte, vom Personenwechsel jenseits eines eingesessenen Bevölkerungskerns nicht tangierbare Gemeinsamkeit des politischen Miteinanders, seine Stile und Inhalte, insgesamt der allmähliche Prozeß der Verdichtung und Intensivierung sozialen Zusammenwirkens bis zur Selbstverständlichkeit, die daraus resultierende Bereitschaft zur Beteiligung an den gemeinsamen Angelegenheiten: dies alles stellt einen Fundus dar, der i n der endlichen Zahl existierender „örtlicher Gemeinschaften" vorhanden, damit begrenzt ist, der i n der Ordnung des Gemeinwesens genutzt und geschützt, aber — nach mindernden Eingriffen — nicht beliebig wiederhergestellt, aufgebaut werden kann 1 3 8 . Insgesamt ergibt sich daraus: Da jede gemeindliche Integration auf den konkreten personellen und sächlichen Gegebenheiten des jeweiligen lokalen Bereichs beruht, sich auf die konkrete und individuelle Einheit der jeweiligen örtlichen Gemeinschaft richtet, bleiben allgemeinen Aussagen über integrationsrelevante Maßnahmen enge Grenzen gezogen. Die Vielzahl der Determinanten entzieht gemeindliche Integration strik187 Vgl. Forsthoff, Stadt u n d Bürger, S. 31, der bezeichnenderweise i n diesem Zusammenhang von einer „nationalpädagogischen Aufgabe" spricht (Hervorhebung v o m Verf.); vgl. auch Röttgen, Sicherung, S. 199, der i n A r t . 28 GG einen „Verhaltensmaßstab" sieht, der dem Bürger „ m i t . . . Nachdruck angeboten" werde, also ebenfalls das Moment des freien Akts, des Ausschlusses direkter Steuerbarkeit betont; vgl. ferner Becker, Beobachtungen, S. 73: „Auch setzt eine gesetzlich geformte neue Großstadt die Bereitschaft der Bevölkerung zu großstädtischen Lebensformen voraus, die i m Vergleich zu gewachsenen Großstädten weder selbstverständlich noch i n Kürze erreichbar ist". Vgl. ferner Wagener, Gemeindeverwaltung u n d Kreisverwaltung, A f K 1964, 237, 256. 138 Vgl. Röttgen, Krise, S. 13; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813.

D. Die Integrationsfaktoren u n d Integrationsweisen

249

ter genereller und abstrakter Berechenbarkeit 139 . Selbst auf den konkreten Fall hin sind der Prognose Schranken gezogen. Die Zahl der Determinanten, ihre vielfältigen individual- und gruppenpsychologischen Konsequenzen, der letztlich irrationale Prozeß ihres Zusammenwirkens 1 4 0 erlauben eine restlose Ausschöpfung nicht 1 4 1 . Umgekehrt freilich ergibt sich: Nur solche Maßnahmen können der individuellen gemeindlichen Integration gerecht werden, die an den objektiven und subjektiven Gegebenheiten und Tendenzen des je konkreten Falles möglichst präzise anknüpfen 1 4 2 .

139 Vgl. zur Verfassungswidrigkeit genereller u n d abstrakter Verfügung über die gemeindliche Substanz insbes.: Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1Θ71, 473, 476 u n d die Nachweise ebenda Fn. 34; Püttner, Unterschiedlicher Hang der Gesetze, D Ö V 1969, 322, 323 Fn. 7; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, DÖV 1969, 546, 547; vgl. ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814. ho V g l i Peters, Lehrbuch, S. 112. 141 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 63 ff. zur Schwierigkeit der Anwendung sogar lediglich technischer Maßstäbe auf den konkreten F a l l ; vgl. auch S. 75 ff., insbes. S. 76 zur Möglichkeit, daß sich nach durchgeführter Gebietsänderung erweist, daß „die Einwohner nicht integrierbar sind". 142 Vgl. auch die Nachweise oben 3. Teil, Fn. 139; ferner Becker, Beobachtungen, S. 63 ff., 68 ff.; Mallmann, Verfassungsrechtliche Fragen, i n : Sachverständigenkommission He, 2, S. 30.

2. Kapitel

Die gemeindliche Integration als MaÊstab für die Gebietsgestaltung Weil gemeindliche Integration auf den je konkreten örtlichen Gegebenheiten ruht, weil sie zum zweiten durch staatlichen Eingriff verändert, aber nicht beliebig erzeugt werden kann, weil sie schließlich i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG als Grundlage eigenständiger Entfaltung der örtlichen Kategorie vorausgesetzt und insofern i n seine Gewährleistung einbezogen ist, stellt sie ein K r i t e r i u m dar, das staatliche Gebietsänderungsakte i n Bedacht nehmen und an dem sie sich rechtlich messen lassen müssen. A. Die Integrationsrelevanz gemeindlicher Gebietsänderungen Staatliche Eingriffe i n die gemeindliche Gebietsgestaltung haben aus der Natur der Sache Konsequenzen für das Verfassungsgut der lokalen Einheitsbildung. Entsprechend haben sie diese Auswirkungen i n Rechnung zu stellen. I . Die Auswirkungen von Gebietsänderungen auf die Integrationslage

Da das Gemeindegebiet die personelle Zugehörigkeit zur Gemeinde und den Gestaltungsbereich des Verbandes der unmittelbaren Daseinssphäre definiert, verändert seine Umgestaltung unmittelbar den M i t gliederbestand, der nach dem verfassungsrechtlichen B i l d der Gemeinde zur „örtlichen Gemeinschaft" verbunden sein soll, und den Raum, i n dem und durch den solche Einheitsbildung stattfindet. 1. Beschränkt man die Betrachtung zunächst auf die politisch-administrative Einheit „Gemeinde" als Bezugspunkt und Faktor der Integration 1 4 3 , so folgt insoweit aus jeder territorialen Umgestaltung ein desintegrierender Effekt. Selbst da, wo ein staatlicher Gebietsänderungsakt lediglich die tatsächliche Überschreitung der politischen Grenzen durch die örtliche Gemeinschaft nachvollzieht, ist die Wirkung, mag sie aufs Ganze gesehen auch einheitsfördernd sein, i m Hinblick auf den isolierten Integrationsfaktor der Verwaltungseinheit zunächst negativer Art. Denn da die betroffenen Gemeinden die örtlichen Gemeinschaften 143

Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter D. I. 4.

Α. Die Integrationsrelevanz gemeindlicher Gebietsänderungen

251

formieren, bedeuten derartige Veränderungen, daß sich der personelle und sächliche Bestand modifiziert, an dem i m verwaltungsmäßigen und politischen Miteinander das Einheitsbewußtsein anknüpft und i n dessen Rahmen es sich betätigt 1 4 4 . Bei der aufnehmenden Gemeinde müssen hinzukommende Elemente, die ihren bisherigen politischen Raum und administrativen Rahmen verloren haben, i n einem Gewöhnungsprozeß eingefügt werden; i n der abgebenden Gemeinde ist der verbleibende Rest neu zu formieren, eine aufgelöste Gemeinde hat ihre bisherigen internen Verflechtungen abzubauen und sich i n die erst zu bildenden des neuen politischen Körpers zu finden. Die besonderen Schwierigkeiten, die sich für ein derartiges organisches Zusammenwachsen bislang selbständiger Gemeinden oder Gemeindeteile aus unterschiedlichen lokalen Prägungen, insbesondere der parteipolitischen Strukturen, ergeben können, sind bislang kaum i n den Blick genommen worden. So läßt sich der Fall denken, daß zwei benachbarte, i n mancherlei Hinsicht verflochtene Gemeinden stark abweichende soziale, wirtschaftliche, kulturelle, konfessionelle oder historische Determinanten aufweisen und entsprechend, durch kontinuierliche Entwicklung verfestigt und tendenziell langfristig, i n der parteipolitischen Zusammensetzung der Entscheidungsgremien und Wählerstämme tiefgreifend differieren. Solche aus verschiedenartigen Vorgegebenheiten resultierenden Gegensätze brauchen sich darüber hinaus nicht auf die Majoritätsverhältnisse zu beschränken. Da die bundes- oder landesweit vertretenen Parteien in ihrer kommunalen Basis und A k t i v i t ä t wesentlich von den individuellen örtlichen Gegebenheiten bestimmt und geformt werden, w i r d sich die jeweilige, spezifische gemeindliche Ausgangslage auch deutlich i n Haltung und Ausrichtung der einzelnen Ortsparteien niederschlagen. Je weniger Gemeinsamkeit solchermaßen die parteipolitische Situation von Gemeinde zu Gemeinde erkennen läßt, desto höher ist für die Prognose künftiger Integration die Hemmungsschwelle zu schätzen, die eine hinreichende Einheitsbildung nach einem Zusammenschluß zu überwinden hat. Daraus folgt aber, daß die Prüfung der Integrationsrelevanz gemeindlicher Gebietsänderungen parteipolitische Gesichtspunkte nicht pauschal als sachfremd ausscheiden darf. Soweit es vielmehr dabei um die konkreten objektiven Daten der betroffenen kommunalen Einheiten geht, ist eine Berücksichtigung nicht nur legitim, sondern sachnotwendig 1 4 5 . 144

Vgl. Wipf eider, Die Verwaltungskraft der Gemeinden, BayVBl. 1975,93,99. Insoweit weist das U r t e i l des V e r f G H N W v o m 6. 12. 1975 — V e r f G H 39/74 —, betreffend die Eingliederung der Stadt Monheim nach Düsseldorf, ein deutliches Argumentationsdefizit auf. Z w a r läßt die Entscheidung bei der Würdigung der durchgeführten Eingemeindung ausdrücklich die Frage offen, „unter welchen Voraussetzungen beim Erlaß von Neugliederungsgesetzen die Rücksichtnahme auf eine größtmögliche Erhaltung der bisherigen parteipoliti145

252 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

2. Zu der Gemeinde als rechtlicher Form der örtlichen Gemeinschaft 146 t r i t t eine komplexe Vielfalt weiterer Integrationsfaktoren und Äußerungsformen, die durch eine Gebietsänderung beeinflußt werden und die entsprechend zu berücksichtigen sind. So läßt sich einerseits der extreme Fall denken, daß die einheitsbildenden sozialen und politischen Verflechtungen der betroffenen Gemeinden ausnahmslos und eindeutig auf die vor der Umgestaltung bestehenden gemeindlichen Einheiten hin verlaufen und sich i n ihnen erschöpfen, während zwischen den Gemeinden keinerlei Kohärenz und Affinität besteht. Unter solchen Umständen muß die Gebietsänderung weitgehend auf ihre desintegrierende Wirkung beschränkt bleiben, da sich, abgesehen von der administrativen Zusammenfassung, keine Ansätze zur Umorientierung der betroffenen Gruppen auf eine neue „örtliche Gemeinschaft" h i n anbieten. Unter derartigen Umständen besteht die Gefahr, daß sich das neue Verwaltungsgebilde auf Dauer nicht zu einer Gemeinde nach deren verfassungsrechtlichem B i l d entwickelt 1 4 7 . Hierher wäre etwa das Beispiel der Zusammenlegung zweier weiträumig getrennter Großstädte zu rechnen 148 , der Zusammenschluß einer Berg- und einer Talgemeinde, zwischen denen keinerlei nähere Bezüge, nicht einmal günstige Verkehrsverbindungen bestehen noch zu schaffen sind 1 4 9 , aber auch die allzu großräumige Vereinigung allzu zahlreicher kleiner ländlicher Gemeinden, deren Siedlungseinheiten weit auseinanderliegen und zwischen denen auch eine Mittelpunktsgemeinde als Ansatz gemeinsamer Beziehungen nicht vorhanden ist 1 5 0 . sehen Kräfteverhältnisse i n den neu zu bildenden Gemeinden u n d Kreisen als sachfremd oder — wie etwa beim Hinzukommen tragfähiger Sachgründe — noch als l e g i t i m anzusehen ist" (vgl. A U S. 30 f.; vgl. ferner S. 13 f., 25 f., 29 ff.). Jedoch w i r d dieser gedankliche Ansatz i n den weiteren Ausführungen nicht wieder aufgenommen, i n denen das Gericht als Alternative zur Entscheidung des Gesetzgebers einen Zusammenschluß der Städte Monheim und Langenfeld entwickelt (S. 37 ff., 48 ff.). Die Ausklammerung eines derart wesentlichen Gesichtspunktes wiegt u m so schwerer, als die f ü r u n d gegen einen solchen Z u sammenschluß sprechenden Argumente i m übrigen detailliert gegenübergestellt u n d so abschließend gewertet werden, daß dem Gesetzgeber k a u m ein Gestaltungsspielraum f ü r eine dritte Lösung verbleibt (vgl. auch den auszugsweisen Abdruck der Entscheidung i n : Eildienst Landkreistag N W 1976,4 ff.). ^ΐ4β V g l > Peters, Lehrbuch, S. 292. 147 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 73: „ W e n n aber die örtliche Gemeinschaft i n Auflösung gerät, w e i l die örtliche Verbundenheit der Einwohner nach der Neugliederung nicht mehr herstellbar ist oder w e i l an ihre Stelle lediglich ein technisch kompletter Versorgungsbereich t r i t t , der weder nachbarliche Beziehungen noch Selbstverantwortung f ü r die neue Gemeinde voraussetzt..." 148 Vgl. Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812. 149 Vgl. den F a l l Nideggen/Heimbach, oben 3. Teil, Fn. 4. 150 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 61, 67; vgl. auch die nordrhein-westfälischen Beispielsfälle Wachtberg, Windeck, Netphen, Welver, Zülpich, Brakel, Monschau, sowie i n Hessen die B i l d u n g der Gemeinde Eiterfeld u n d die K r i t i k an der Vernachlässigung des Integrationsgesichtspunkts bei Bückmann, V e r fassungsfragen, S. 82 ff., 89, 90 f.

Α. Die Integrationsrelevanz gemeindlicher Gebietsänderungen

253

Die entgegengesetzte Konstellation liegt dann vor, wenn sich, abgesehen von der ursprünglichen administrativen Zuordnung, sämtliche objektiven und subjektiven Integrationselemente i m wesentlichen über die bisherigen Verwaltungsgrenzen hinaus auf eine faktisch bereits vorhandene neue „örtliche Gemeinschaft" hinorientiert haben, die die Gebietsneuordnung lediglich rechtlich nachvollzieht 1 5 1 . Derartige Befunde ergeben sich etwa da, wo benachbarte Gemeinden baulich, wirtschaftlich, verkehrsmäßig völlig zusammengewachsen sind 1 5 2 , insbesondere i m Verhältnis der größeren Stadt zu kleineren Gemeinden des näheren Umlands, dessen Bevölkerung angesichts der Siedlungseinheit, der Verkehrserschließung und des Gefälles der Veranstaltungskraft sich völlig auf den städtischen Gesamtzusammenhang hin eingelebt hat 1 5 3 . Hat i m ersteren Fall der staatliche Eingriff i m wesentlichen nur desintegrierende Wirkung, beseitigt er letztlich i m zweiten Fall durch Ausgleich der administrativen Ordnung vorhandene Desintegration, so liegt der Regelfall angesichts der komplexen Natur gemeindlicher Einheitsbildung weit weniger eindeutig. Zumeist t r i f f t die staatliche Disposition auf eine Lage, die von unterschiedlichen und widerstreitenden Tendenzen, sächlichen und personellen, aktuellen und latenten, gekennzeichnet ist, so daß sich zwischen den dargestellten extremen Möglichkeiten eine gleitende Skala von Alternativen ergibt. Entsprechend variabel sind die Auswirkungen der Gebietsänderung auf die verschiedenen Faktoren, ist die integrierende oder desintegrierende Konsequenz insgesamt. Entsprechend problematisch ist aber auch — insbesondere wegen der Unbegrenztheit der erheblichen Gesichtspunkte und ihrer möglichen Kombinationen — die Prognose solcher Konsequenzen. Vor allem die Aussagekraft generell- abstrakter Modellvorstellungen findet hier ihre enge Grenze 154 . Sie vermögen lediglich typische Konstellationen aufzuzei151

Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 66 f. Vgl. die Darstellung der Verflechtung von Mönchengladbach und Rheydt, Vorschlag des M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, S. 43 ff., Rdn. 3.2. 153 Vgl. Salzwedel, Gebietsänderung, DÖV 1969, 810, 815 f.; Werner Weber, Gutachten 45. DJT, S. 4 f. 154 Vgl. den Überblick bei Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 12 ff. (NW), 72 ff. (B-W), 205 f. (Nds), 215 (Sa); vgl. auch die „Lösungsmodelle", die der rheinland-pfälzischen Neuordnung zugrundegelegt wurden, u n d ihre Behandlung i n der Rechtsprechung: V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 86. Entsprechend ist i n den Reformdenkschriften durchgängig betont, daß die jeweils entwickelten quantitativen Richtwerte — Einwohnerzahlen, Flächen, Entfernungen — nicht starr, schematisch angewendet werden können, vielmehr der Modifizierung nach den individuellen örtlichen Gegebenheiten unterliegen: vgl. Stadt-Umland-Gutachten, Bay, Rdn. 6.1.4, S. 67; vgl. auch Rdn. 7.1.2.4, S. 101; Gutachten B - W A, Dokumentation B - W I, S. 543 ff. (zu den Leitsätzen 19 - 23); B, Dokumentation B - W I, S. 564 f. (zu Leitsatz 17); Gutachten Nds, Rdn. 69 f., S. 35; Gutachten N W Abschnitt A , S. 26 ff. unter IV, 25 (insbes. S. 27), 28 (S. 28 f.); vgl. auch daselbst die Nachweise Fn. 53. S. 46; 152

254 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d.Gebietsgestaltung

gen und typischerweise erwartbare Entwicklungen zu prognostizieren. Die sachgerechte Einschätzung und Entscheidung kann sich nur aus der minutiösen Verwertung und Abwägung der Daten des Einzelfalls ergeben 1 5 5 . Besonders deutlich zeigt dies der Fall der Kleinstgemeinden des ländlichen Raumes. Einerseits indiziert die Unterschreitung eines minimalen Niveaus der Verwaltungs-, Veranstaltungs- und Finanzkraft pathologische Ineffektivität der lokalen Selbstverwaltung und damit Desintegration 1 5 6 . Andrerseits kann die i n weiten Bereichen ländlichen Charakters anzutreffende weiträumige Abgesetztheit der Siedlungseinheiten und der Mangel mindester Verflechtung eine Zusammenlegung zu umfänglichen Nahversorgungsbereichen, insbesondere unter Zugrundelegung von hohen Einwohnerrichtwerten, ausschließen. Dies deshalb, weil das Ergebnis wegen der fehlenden und auch nicht erwartbaren künftigen Integration i n Verwaltungseinheiten besteht, die nicht „Gemeinden" i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind und für die auch keine Chance für eine Entwicklung i n die verfassungsgewollte Richtung besteht 157 . Eine Fülle weiterer Gesichtspunkte variiert das Ergebnis von Fall zu Fall. So ist auf die unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerung, die vielfach modifizierten Ansprüche an die Leistungen lokaler Verwaltung abzustellen. Insbesondere verbietet es sich, an den ausgeprägt ländlichen Raum fern der Ballungszonen deren Maßstäbe insoweit ungeprüft und schematisch anzulegen 158 . Es ist ferner jeweils zu fragen, ob und i n welchem Umfang zentrale Orte Aufgaben mitübernehmen, die das Vermögen der einzelnen Gemeinde übersteigen 159 . Das konkrete kommunalrechtliche Instrumentarium eines Landes ist i n Betracht zu ziehen, einmal unter dem Gesichtspunkt, ob mit seiner Hilfe, durch interkommunale oder gemeindeverbandliche Mittel, vorhandene Leistungsschwäche ausgeglichen werden kann, ohne daß es der Radikalk u r überproportionierter Zusammenlegungen bedarf 1 6 0 . Darüber hinaus Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.1, S. 20; Rdn. 2.2.5, S. 21; vgl. auch das Gesetz zur Vorbereitung der kommunalen Gebiets- u n d Verwaltungsreform i m Saarland v. 17.12.1970 (Amtsblatt S. 949), insbes. § 2 Abs. 3. iss y g i insbes. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 476; Salzwedel, K o n zeptionsgerechtigkeit, DÖV 1969, 546, 547. 156

Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter D. I. 5. Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 67, 73; vgl. bereits — zur Oldenburgischen Verwaltungsreform — Röttgen, Verfassungsfragen, S. 57, 62 ff.; skeptisch auch Wilhelm Loschelder, Bewährung, DÖV 1969, 801, 805 f. 158 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 265 ff., S. 169 f. 159 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 268 ff., S. 171 f. 160 Vgl. Gutachten Schl-H, Rdn. 289 ff., S. 177 ff., Rdn. 389 ff., S. 211 ff., Rdn. 409 ff., S. 219 ff., insbes. Rdn. 439 ff., S. 230 f.; vgl. auch Wilhelm Loschelder, Bewährung, DÖV 1969, 801, 804 f., 806; Thieme, V o m Nutzen kleiner Gemeinden, A f K 1972, 358, insbes. 363; für die regelmäßige B i l d u n g von Großgemeinden u n d kritisch gegenüber i n t e r - u n d übergemeindlichen Lösungen: Roch, Groß157

Α. Die Integrationsrelevanz gemeindlicher Gebietsänderungen

255

erweisen sich derartige Formen, wie überhaupt vorhandene Verflechtungen zwischen den kleineren Gemeinden als wichtiges Indiz dafür, daß an ihnen anknüpfende Zusammenlegungen die Chance weitergehender Integration innerhalb vertretbarer zeitlicher Margen haben. Ähnliches gilt für die Wirkung vorhandener leistungsstärkerer Mittelpunktsgemeinden, auf die die umliegenden Kleingemeinden bereits ausgerichtet sind 1 6 1 . Schließlich ist auch die Verhaltensweise, das Temperament der betroffenen Bevölkerung i n Rechnung zu stellen, ihre größere oder geringere Bereitschaft, neue Formen anzunehmen, ihr mehr oder minder zähes Festhalten an der hergebrachten Struktur, ihre Aufgeschlossenheit oder ihr Mißtrauen gegenüber Reformmaßnahmen 1612 . A l l dies schließt schematische Lösungen von vornherein aus. I I . Die Grenze der Vorausberechenbarkeit der Auswirkungen

Somit ist festzuhalten, daß, abgesehen vom Fall bloßen Nachvollzugs einer über die bisherigen Verwaltungsgrenzen hinaus faktisch entstandenen neuen „örtlichen Gemeinschaft", staatliche Eingriffe i n die gemeindliche Gebietsstruktur zunächst und unmittelbar desintegrierend wirken, indem sie eine Bevölkerungs- und Gebietseinheit aus den vorhandenen Verflechtungen herauslösen und i n einen neuen Bezug überführen 1 6 3 . Das bedeutet, daß das verfassungsvorgeschriebene Ziel jeder Neugliederung, wieder „Gemeinden" zu schaffen, also politische und rechtliche Einheiten auf der Basis lokaler integrierter Raumverbände, dazu zwingt, die konkret vorhandenen Elemente, Faktoren und Tendenzen örtlicher Einheitsbildung nicht nur zu der augenblicklich erwartbaren Minderung durch den staatlichen Eingriff, sondern insbesondere auch zu den möglichen künftigen Entwicklungen i n den neuzubildenden Gemeinden in Bezug zu setzen. Muß bereits die Diagnose der vorhandenen Integrationslage angesichts der vielfältigen Faktoren und Äußerungsformen und des vorwiegend psychologischen Charakters des Einigungsprozesses mit einer gewissen Unschärfe, möglichen Irrtümern rechnen, so gilt dies erst recht von der Abschätzung der künftigen Entwicklung, der wertenden Prognose. Eben deswegen sieht sich das staatliche Vorgehen auf vorsichtige und kritische Anwendung genereller und typigemeinde, S. 69 f.; Wipf elder. Die Verwaltungskraft der Gemeinden, BayVBl. 1975, 93, 99; zu den praktischen Möglichkeiten vgl. Mäding, Administrative Zusammenarbeit, A f K 1969,1 ff. 161 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 67; Knemeyer, Gesamtreform, A f K 1969, 306, 315. 182 Vgl. etwa Gutachten B - W B, Dokumentation B - W I, S. 543 (zu den L e i t sätzen 14-15), S. 547 (zu den Leitsätzen 2 9 - 3 1 ) ; Gutachten Rh-Pf, Rdn. 4.0, S. 22 f.; Gutachten Schl-H, Rdn. 277 ff., S. 173 f. 163 Vgl. Wipfelder, Die Verwaltungskraft der Gemeinden, BayVBl. 1975, 93, 99.

256 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

sierender Erfahrungswerte, „Modelle", auf die möglichst konkrete und minutiöse Berücksichtigung der Lage i n jedem Einzelfall verwiesen. 1. Einerseits folgt hieraus ein besonderes Gewicht vorhandener gegenüber künftiger, möglicher Integration. I n dem Maße, i n dem die Feststellung gegenwärtigen, tätigen Einheitsbewußtseins geringere Unschärfen und Fehlerquellen aufweist als die Prognose der künftigen Entwicklung, muß die Planung gebietlicher Veränderungen hinreichend kritisch das Urteil über die erwartbaren integrationsfördernden oder integrationsmindernden Gesamtwirkungen der Maßnahme fällen 1 6 4 , bevor sie diesen Gesichtspunkt i n die Gesamtabwägung der für und wider den Eingriff sprechenden Kriterien einführt. Je intensiver insbesondere die vorhandene Integration, je intakter unter dem Aspekt lebendiger Einheit die vorhandenen Bildungen sich darstellen, desto größer ist die Diskrepanz zwischen dem vorhandenen Wert und der prognostizierten künftigen Möglichkeit einzuschätzen, desto schwerwiegender müssen die Gründe i m übrigen sein, die den Eingriff rechtfertigen sollen 1 6 5 . 2. Andrerseits ergibt sich aus dem Prognosecharakter der anzustellenden Erwägungen, daß sich die Wertungen der integrationsrelevanten Auswirkungen einer Gebietsänderung nicht auf die „natürliche Entwicklung" gemäß den aktuellen und latenten vorhandenen Tendenzen beschränken muß. Soweit vielmehr Faktoren der Einheitsbildung unmittelbar oder mittelbar positiv beeinflußt werden können, sind Gegenstand der Beurteilung pro futuro auch alle Gegebenheiten — Planungen etwa der betroffenen Gemeinde selbst, der umliegenden und übergreifenden Gebietskörperschaften, des Staates —, die für die künftige Integration mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erheblich erscheinen. Dies gilt sowohl für gezielte flankierende Maßnahmen i m Hinblick auf die Neugliederung wie für davon unabhängig bestehende Projekte 1 6 6 . 164

Vgl. bereits grundlegend Röttgen, Krise, S. 13 ff. zur „Zerstörung einer historisch gewachsenen Einheit zugunsten eines nach rationalen Erwägungen verwaltungsmäßiger Opportunität konstruierten Gebildes". les y g i z u r Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen Beeinträchtigung der „örtlichen Verbundenheit" u n d den für eine Neugliederung sprechenden Gesichtspunkten: V e r f G H N W , U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 9/71 —, OVGE 28, 291, 294, 303 f. (Aachen-Gesetz); vgl. auch V e r f G H NW, U r t . v. 2. 11. 1973 — V e r f G H 17/72 —, OVGE 28, 307, 310 ff.; ferner zur bloßen prognostizierten Möglichkeiten einer unerwünschten E n t w i c k l u n g als nicht zureichendem G r u n d für die Zusammenlegung zweier lebenskräftiger Gemeinden S t G H B - W , Urt. v. 15. 2. 1975 — GR 17, 29, 61/74 —, D Ö V 1975, 530, 532 (Ravensburg/Weingarten). ιββ V g l i V e r f G H NW, U r t . v. 24. 4. 1Ô70 — V G H 14/69 —, OVGE 26, 286, 295 (Bonn-Gesetz): wahrscheinliche Entwicklung des Bonner Regierungszentrums; V e r f G H NW, U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 9/71 —, OVGE 28, 291, 297 (Aachen): wahrscheinliche Entwicklung der mittelzentralen Versorgung gemäß der Planung u n d Investitionskraft der aufnehmenden Stadt, auch ohne Vorlage eines detaillierten Finanzierungsplans; ebenda, S. 301: Landesentwicklungspro-

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

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B. Die gemeindliche Integration als verfassungsrechtliches Kriterium für Eingriffe in die Gebietsstruktur Ob ein A k t staatlicher Disposition über die lokale Gebietsgestaltung rechtlich zulässig ist, hängt nach alledem unter dem Gesichtspunkt des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG davon ab, ob er den Anforderungen hinreichender Respektierung des Verfassungswerts gemeindlicher Integration gerecht wird. I . Der Verfassungswert gemeindlicher Integration als zwingendes Abwägungselement im staatlichen Entscheidungsprozeß

Die Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung, die von Grundgesetz wegen gewährleistet und staatlicher Respektierung und Förderung zugewiesen ist, realisiert sich i n einer endlichen Zahl konkreter Gemeinden i n der staatlichen Wirklichkeit. Da fernerhin die verfassungsgewollte eigenständige politische Entfaltung der örtlichen Kategorie stets, i n jedem einzelnen Fall, auf der lebendigen lokalen Einheitsbildung als notwendiger Voraussetzung ruht, unterliegt ausnahmslos jeglicher staatliche Eingriff i n die gemeindliche Gebietsstruktur dem Gebot, die normativen, verfassungsgezogenen Grenzen einzuhalten, die sich aus der aufgegebenen Bewahrung und Steigerung der Integration der örtlichen Gemeinschaft ergeben. Es läßt sich, wie dargestellt, keine Konstellation denken, i n der staatliche Gebietsänderungsakte ohne Rückwirkung auf die örtliche Integrationslage bleiben, sei es, daß i m Ergebnis die neugeformten Bildungen eine Kräftigung tätigen Einheitsbewußtseins gegenüber dem früheren Zustand erfahren, sei es, daß ihre Bemessung ein Zusammenwachsen der Verflechtungen auch i n absehbarer Zeit nicht erwarten läßt, sei es schließlich, daß die Konsequenzen zwischen diesen beiden Extremen liegen, i n der breiten Zone komplexen Ineinanderwirkens integrationsfördernder und -mindernder Effekte. Entsprechend argumentiert das K r i t e r i u m lokaler Einheitsbildung entweder für die vorgesehene Neugliederung oder es schließt sie als unzulässig aus oder es determiniert A r t und Weise, Ausmaß und Inhalt des staatlichen Vorgehens. I n keinem Fall kann es als entscheidungserheblicher rechtlicher Maßstab unberücksichtigt bleiben. Dieser Stellenwert des Integrationsgesichtspunkts, der unterschiedliche Inhalt seiner möglichen Aussagen über einen Gebietsänderungsakt, macht zugleich deutlich, daß seine Funktion nicht darin besteht, territogramm, Landesentwicklungspläne; V e r f G H NW, Urt. v. 2. 11. 1973 — V e r f G H 17/72 —, OVGE 28, 307, 311 (Bielefeld-Gesetz): erwartbare weitere Verbesser u n g der Verkehrsverhältnisse; V e r f G H NW, Urt. v. 7. 12. 1973 — V e r f G H 10/72 —, OVGE 28, 312, 315 (Bielefeld-Gesetz) : Steuerung der Industrieansiedlung. 17 Loschelder

258 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

riale Umgestaltungen verfassungsrechtlich nur dann zuzulassen, wenn i m konkreten Fall die Verwaltungsgrenzen einer tatsächlichen vorgängigen Ausweitung der örtlichen Gemeinschaft über sie hinaus angepaßt werden sollen. Auch wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist, ist ein staatlicher Eingriff nicht schlechthin ausgeschlossen. Damit fügt sich das normative K r i t e r i u m gemeindlicher Einheitsbildung widerspruchsfrei zu der, ungeachtet aller Modifizierungen i m einzelnen, einhelligen A u f fassung, daß der Staat prinzipiell befugt ist, über Bestand und Zuschnitt der Gemeinden zu verfügen, und zwar auch dann, wenn das Interesse betroffener Gemeinden dabei zurücktreten muß, insbesondere ohne Rücksicht auf deren oder ihrer Bürger Zustimmung 1 6 7 . Daß der normative Aussagegehalt des Integrationsmaßstabs sich nicht auf ein starres Festschreiben des gemeindlichen status quo reduzieren läßt, folgt unmittelbar aus dem Umstand, daß die Gewährleistung lokaler Selbstverwaltung in der grundgesetzlichen Ordnung nicht isoliert steht, sondern eingebettet ist i n einen Gesamtzusammenhang von Wertsetzungen und Regelungselementen, die aufeinander bezogen sind, ihren Stellenwert i m Gesamtsystem haben, entsprechend miteinander harmonisiert, i n praktische Konkordanz gebracht werden müssen 168 . Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, die die Grundzüge der rechtlichen und politischen Ordnung der örtlichen Kategorie, der sozialen Sphäre des unmittelbaren Daseins festlegt, spiegelt diesen notwendigen Wechselbezug zur übergreifenden, komplementären staatlichen Kategorie und ihren Strukturen selbst w i d e r 1 6 9 , zeigt, daß sie i n eben diesem Verhältnis ihren Ort und ihre Grenzen i m Gesamtgemeinwesen findet. Sie trägt dam i t den realen Vorgegebenheiten Rechnung. Insoweit nämlich auf der gemeindlichen Ebene das Gemeinwesen insgesamt nicht nur seine natür187 Vgl. schon Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 127, Erl. 3, S. 583 f.; ferner etwa Becker, GR I V 2, S. 721; ders., Grundlage, H K W P I, S. 144; Berkenhoff, Kommunalverfassungsrecht, S. 17; Bischoff, Neugliederung, S. 13 ff.; Forsthoff, Lehrbuch, § 27 A , S. 539; Friesenhahn, Garantie, S. 121, 131; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 31; Granderath, Praxis des Bundesverfassungsgerichts, D Ö V 1973, 332, 334; Hamann/Lenz, Grundgesetz, A r t . 28, Erl. 5 b. S. 401; Klüber, Gemeinderecht, S. 67; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 52 ff.; Röttgen, H K W P I, S. 229 f.; KottenberglRehn, GO NW, § 1, Erl. I V , 4; Mallmann, Verfassungsrechtliche Fragen, i n : Sachverständigenkommission He, 2, S. 26 f.; v. Mangoldt!Klein, A r t . 28, Erl. I V 1 b, S. 706; Maunz i n Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 28 Rdn. 29; Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 803 f.; Pagenkopf, Kommunalrecht, S. 60; Rauball, GO NW, § 1, Erl. 3, S. 6 (Stichwort: „Gemeindeauflösung"); § 14, Erl. 3, S. 105 f.; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 811 ff.; Scheuner, Verwaltungsreform, A f K 1969, 209, 217; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 28, Rdn. 9; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 9; Stern!Püttner, Grundfragen, S. 23; Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdn. 78, 145; Ule, Zwangseingemeindung, V e r w A r c h 1969, 101, 115; Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 86 V I I I b, S. 205; Zuhorn!Hoppe, Gemeinde-Verfassung, S. 51 unter 3. 168 Vgl. insbes. Hesse, Grundzüge, § 2 I I I 2, S. 28 f.; vgl. auch § 8, S. 110 ff. 169 Vgl. oben 2. Teil, 5. Kap. unter C. I I . 2. b) bb).

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liehe, engere räumlich-soziale Gliederung i n der Basis hat 1 7 0 , sondern diese Gliederung von Verfassungs wegen als unterste Stufe der öffentlichen Verwaltung ihre politische Form empfängt, bedarf die Spannungslage zwischen dem Staat als „Partei-Vertreter der Gesamtinteressen" und dem lokalen „Sonderinteresse" 171 auch i n Ansehung des territorialen Zuschnitts des angemessenen Ausgleichs. Als Teilgruppe des Gesamtvolks wie als das dieser Teilgruppe zugeordnete Element der Gesamtverwaltung ist die Gemeinde zugleich Gegenstand des lokalen wie staatlichen Interesses, der örtlichen wie der überörtlichen Verantwortung. Die Grundentscheidung der Verfassung i m Hinblick auf diesen Widerstreit, A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG, stellt einerseits die eigenständige Entfaltung der örtlichen Kategorie uneingeschränkt sicher, trägt aber zugleich ihrer Einbettung i n das umfassende staatliche Ganze Rechnung, indem sie dem staatlichen Gesetzgeber die Befugnis einräumt, i m Rahmen des Notwendigen die örtlichen Daten i m allgemeinen Interesse zu harmonisieren, gegebenenfalls zu majorisieren, bis an die Grenze der gewachsenen Grundstrukturen, des Wesensgehaltes eigenständiger lokaler Entfaltung 1 7 2 . Gemessen hieran weist gerade der zentrale raumrelevante Aspekt grundgesetzlich verbürgter gemeindlicher Eigenständigkeit, die lokale Integration, die notwendige Flexibilität auf. Gegenüber der Vielfalt der Faktoren und Realisierungsformen gemeindlicher Einheitsbildung stellt dieses K r i t e r i u m keine starren Grenzen auf, die den vorhandenen administrativen Bestand strikt „petrifizieren" 1 7 3 , sondern ist der Abwägung und dem Kompromiß gegenüber den überörtlichen Interessen bis an die Grenze eines unabdingbaren Mindeststandards zugänglich. Insoweit korrespondiert es mit der Deutung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG als institutioneller Garantie, die einerseits zwar individuell Existenz und Gebietsbestand der einzelnen Gemeinde nicht schlechthin mitgewährleistet, andrerseits aber willkürliche staatliche Dispositionen ohne Rücksicht auf die Sachgesetzlichkeiten der lokalen Ordnung ausschließt 174 . Für die Frage, ob eine von Staats wegen vorgenommene gemeindliche Gebietsänderung unter dem Blickwinkel der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie rechtlich unbedenklich erscheint, ergeben sich auf dieser Grundlage mehrere Folgerungen. 1. Jeder staatliche Eingriff i n die gemeindliche Gebietsgestaltung muß auf einer sorgfältigen Abwägung der für und gegen ihn sprechenden Ge170

Vgl. Seele, Positionen, S. 885. Vgl. Peters, Grenzen, S. 220. 172 Vgl. oben 2. Teil, 5. Kap. unter C. I I . 2. b) bb). 173 Bethge, Der Umfang des Prüfungsmaßstabes, D Ö V 1972,155,159. 174 Allgemeine Meinung, unbeschadet der unterschiedlichen Auffassungen über Inhalt, Intensität u n d Sicherung der Grenzen: vgl. die Nachweise oben 3. Teil, Fn. 167. 171

1

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sichtspunkte beruhen, die die Auswirkungen auf die lokale Einheitsbildung des betroffenen Raumes voll und unter Beachtung ihres verfassungsrechtlichen Stellenwertes einbezieht. Weil gemeindliche Integration als Verfassungswert statuiert ist, der Berücksichtigung und Förderung verlangt, kann ein integrationsrelevanter Eingriff rechtlich keinen Bestand haben, der diesen Wert nicht i n Bedacht nimmt. Erforderlich ist daher, daß i m Entscheidungsprozeß festgestellt wird, ob und i n welchem Maße, gemessen an der vorhandenen Situation und i m Vergleich m i t den prognostizierten Konsequenzen der geplanten Maßnahme, der Aspekt gemeindlicher Einheitsbildung sie als förderlich oder mindernd ausweist. Das so gewonnene Ergebnis ist dann weiterhin erschöpfend i n Bezug zu setzen zu allen übrigen, verfassungsrechtlich legitimen Gesichtspunkten, die für und gegen die Entscheidungen sprechen 175 . Es würde diesen Wertungsvorgang freilich unzulässig verkürzen, seiner sachgegebenen Komplexität nicht gerecht werden, wollte man gegenüber dem überörtlichen, staatlichen Motivbündel das gemeindliche Gut lokaler Integration grundsätzlich als einheitliches, i n seiner Argumentationsrichtung eindeutiges Interesse i n Ansatz bringen. Die w i derstreitenden Belange benachbarter Gemeinden, insbesondere i n den Ballungsgebieten wie i m Stadtumland, schließen eine solch einschichtige Betrachtungsweise aus. Die Auflockerung der früheren gemeindlichen Geschlossenheit i m Rahmen verflochtener überörtlicher Bezugssysteme, die daraus resultierenden Konfliktmöglichkeiten zwischen den Entfaltungstendenzen und Entwicklungsnotwendigkeiten der kommunalen Körperschaften eines Raumes zwingen vielmehr dazu, auch den Wert gemeindlicher Einheitsbildung differenzierter zu begreifen, i h n nach seinen verschiedenen, unter Umständen gegenläufigen Faktoren aufzuschlüsseln. Vielfach w i r d etwa die Analyse der Integrationsrelevanz einer geplanten Gebietsänderung für die verschiedenen betroffenen Gemeinden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, für die eine einen Gewinn, für die andere Verluste an kommunaler Substanz ausweisen. Entsprechend kann das gemeindliche Interesse i m Abwägungsprozeß teils für, teils gegen die Neugliederungsmaßnahmen sprechen. Ja es mag i m Einzelfall die Entscheidung für die Durchführung des Eingriffs überwiegend oder ausschließlich auf der Erwägung beruhen, daß nur durch die Eingliederung einer an sich lebensfähigen örtlichen Gemeinschaft die kommunale Entwicklung des Gesamtraumes, eines städtischen Verflechtungsgebietes etwa, sichergestellt werden kann 1 7 6 .

175

Vgl. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 479; vgl. auch Hoppe/Rengeling, Rechtschutz, insbes. S. 103 f., 130 f.; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814. 176 Vgl. die Nachweise oben 3. Teil, Fn. 125 - 128.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

261

Solche Einbettung i n die Umlandstruktur setzt aber nicht nur jede Aussage über Eigenleben und politisch-adiministratives Potential der einzelnen lokalen Einheit i n Relation zu den entsprechenden Daten benachbarter Gemeinden und vervielfacht so die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte aus der örtlichen Sphäre. Die räumliche und funktionale Verflechtung zwingt darüber hinaus zu weiteren Differenzierungen, wenn es darum geht, die integrationserheblichen Konsequenzen eines staatlichen Neugliederungsakts auszuwerten. Je dichter nämlich i m Einzelfall die Bezüge sind, desto unabweisbarer äußern sich auch die wechselseitigen Abhängigkeiten, die zwischen dem Zuschnitt der gemeindlichen Ebene und der Gestaltung der Kreise bestehen. Diese nehmen einerseits, als Instrument des Ausgleichs und der Ergänzung, unmittelbaren Einfluß auf Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der eingegliederten örtlichen Gemeinschaften, ihr Verhältnis untereinander wie zu den angrenzenden kreisfreien Städten. Andrerseits hängt umgekehrt eine sinnvolle, das heißt funktionsgerechte Gliederung der Kreisebene weitgehend davon ab, ob die Bemessung der städtischen Zentren wie der kreisangehörigen Gemeinden die Bildung ausgewogener überörtlicher Verwaltungsräume gestattet. Diese Interdependenz schließt, jedenfalls jenseits großflächiger ländlicher Gebiete, eine isolierte Betrachtung der Gemeindeund Kreisreform i n der Praxis aus und determiniert damit ebenfalls Gewicht und Stellenwert lokaler Integration i n diesem Prozeß 177 . So kann es etwa i m Für und Wider der Interessen geboten erscheinen, eine Gemeinde i n den Kreis einzubeziehen, um diesem eine hinreichende Gestaltungsgrundlage zu sichern 178 . Andrerseits läßt sich der Fall denken, daß Eigenständigkeit und Zukunftsperspektive einer Umlandgemeinde dem Argument weichen müssen, nur durch ihre Eingliederung i n die be177 Die Erkenntnis des engen sachlichen Zusammenhangs von Gemeindeu n d Kreisreform hat sich beispielsweise i n N W gegenüber der ersten Neuordnungsphase i m Rahmen des „ Z w e i t e n Neugliederungsprogramms", d . h . seit etwa 1971, deutlich durchgesetzt. Vgl. Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 107, ferner auch S. 111 ff. Charakteristisch f ü r die früheren V e r suche, zunächst die Gemeindeebene unabhängig von einer späteren Kreisneuordnung fortzugestalten, ist etwa die Begründung des Gesetzentwurfs zur Neugliederung des Landkreises Kempen-Krefeld u n d der kreisfreien Stadt Viersen, LT-Drucks. N W 6/1341, S. 123, zu § 9 Tz. 7 (Eingliederung der neugeschaffenen Gemeinde Meerbusch i n den Landkreis Grevenbroich). I m Gegensatz dazu w i r d die Abhängigkeit beider Ebenen stark betont ζ. B. i n den Vorschlägen M d l N W Ruhrgebiet S. 7 Rdn. 1.2 u n d Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal S. 5 Rdn. 1.2; vgl. auch daselbst S. 357 Rdn. 3.2. Der Wandel i n der Auffassung t r i t t auch deutlich hervor i n der Gegenüberstellung des Nordrhein-Westfalen-Programms 1975, S, 143 unter 9.11 (Erstes Neugliederungsprogramm) u n d S. 144 unter 9.12 (Zweites Neugliederungsprogramm). 178 Z u r Rolle dieses Gesichtspunkts bei der Einkreisung der Stadt Neuss: V e r f G H NW, Urt. v. 7. 11. 1975 — V e r f G H 64/74 —, A U S. 16 ff., 19 ff.; zu den Bestrebungen, städtische Einzugsbereiche nicht durch Kreisgrenzen zu durchschneiden vgl. ebendort S. 16, 19 (ein teilweiser Abdruck findet sich i n Eildienst Landkreistag N W 1975.251 ff.).

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nachbarte kreisfreie Stadt werde deren und des angrenzenden Landkreises organische Entwicklung gewährleistet 1 7 0 . Daß derartige Abwägungen aber stattfinden, und zwar daß sie erkennbar stattfinden, ist für die verfassungsgebotene Erhaltung der gemeindlichen Substanz von ausschlaggebender Bedeutung. Weil die Diagnose vorhandener Integration sachgegebene Unschärfen enthält, weil die Prognose ihrer künftigen Entwicklung und Beeinflussung notwendig erhebliche Unsicherheiten aufweist, weil i n vielen Fällen das Urteil von der Aussicht auf beabsichtigte flankierende Maßnahmen abhängt, weil schließlich die Abwägung zwischen dem Integrationsgesichtspunkt und den übrigen entscheidungserheblichen Kriterien typischerweise offen, von einer Vielfalt von Wertungen und den ihnen zugrundeliegenden Inhalten und Motivationen bestimmt ist, w i r d das Entscheidungsergebnis für sich genommen um so weniger aussagekräftig sein, je mehr derartige „offene" Elemente den Entscheidungsprozeß beherrscht haben 1 8 0 . Dies mag i n Fällen punktueller Gebietsveränderung eine geringe Rolle spielen, insbesondere dann, wenn die organisationsrechtliche Regelung der tatsächlichen, soziologischen Entwicklung lediglich nachfolgt; denn hier läßt sich die hinreichende Berücksichtigung des Verfassungswertes gewachsener gemeindlicher Selbstverwaltung aus den punktuellen Gegebenheiten ablesen und schlägt sich unmittelbar i n dem Gebietsänderungsakt selbst nieder, ja prägt ihn. Wo diese Voraussetzungen aber nicht vorliegen, i m Rahmen umfassender zweckrationaler Neugliederung eines weiten Bereichs oder eines ganzen Landes insbesondere 181 , können nur der Gesamtzusammenhang, die zugrundeliegenden Konzepte, Richtwerte, Modelle und Motivationen sowie die Rolle, die sie für die konkrete Entscheidung gespielt haben, Auskunft darüber geben, ob der gemeindliche Eigenwert die verfassungsgebotene Beachtung gefunden hat und ob er gegebenenfalls hinreichend gewichtigen Gegenwerten hat weichen müssen 182 . I n dem Maße mithin, i n dem das Ergebnis einer vorgenomme179 So etwa i m F a l l Sennestadt, vgl. V e r f G H NW, Urt. v. 2.11.1973 — V e r f G H 17/72 —, OVGE 28, 307, 309; vgl. auch A U S. 26 ff. (insoweit i n OVGE 28, 307 ff. nicht abgedruckt). wo v g l z u r Bedeutung des Entscheidungsverfahrens u n d seiner Transparenz, insbes. i m Bereich offener, nicht erschöpfend objektivierbarer Alternativen, Ryffel, öffentliches Interesse u n d Gemeinwohl, S. 27 ff.; Häberle, öffentliches Interesse, S. 87, 503 f.; vgl. auch Häberle, „ G e m e i n w o h l j u d i k a t u r " u n d Bundesverfassungsgericht, AöR 1970 (95), 86 ff., 260 ff., insbes. 279 ff.; Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 203 f.; zur Gemeindeneugliederung insbes. Bischoff, Neugliederung, S. 23 ff.; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 479; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 130 ff.; Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814. 181 Vgl. zur Vielfalt der insoweit zu berücksichtigenden örtlichen u n d überörtlichen Belange: Bischoff, Neugliederung, S. 28. 182 v g l . z u r Begründungsfunktion von Konzepten u n d Modellen: Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 475; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 134 ff.; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, DÖV 1969.810 814.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m f ü r Gebietsänderungen

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nen Gebietsänderung aus sich heraus keine zulängliche Beurteilung zuläßt, t r i f f t den disponierenden Staat, den Landesgesetzgeber etwa, eine Argumentationslast i n dem Sinne, daß die Bejahung der Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme nach den Kriterien des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG davon abhängt, ob das Entscheidungsverfahren seine Berücksichtigung mit der nötigen Deutlichkeit erkennen läßt 1 8 3 . 2. Das Gebot, die gemeindliche Integration i m Rahmen gemeindlicher Gebietsveränderungen gemäß ihrer grundgesetzlichen Gewährleistung zu berücksichtigen, konkretisiert, aus dem Wesen, der A r t solcher Integration, auch die Weise, in der sie i n den staatlichen Entscheidungsprozeß eingeführt werden muß. Gemeindliche Einheitsbildung entwickelt sich, wie dargestellt, aus den je konkreten personellen und sächlichen, räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten i m Einzelfall. Sie zielt i n ihren Äußerungen wie i n ihrem Sinn auf Individualität, ist enumerativ nicht ausschöpfbar noch quantifizierbar und kann infolgedessen mit generalisierenden Maßstäben sachgerecht nicht erfaßt werden. Da weiterhin solche Einheitsbildung der „örtlichen Gemeinschaft" wesentlich auf geschichtlicher Entwicklung, gewachsenen Strukturen beruht 1 8 4 , i n ihrem endlichen Bestand nur i n engen Grenzen erzeugbar ist 1 8 5 , folgt aus dem Verfassungsgebot, diesen Bestand als Eigenwert, als „Wert an sich" 1 8 6 , sachangemessen zu berücksichtigen, die Notwendigkeit der je konkreten Prüfung und Bewertung i m einzelnen Fall. Insofern jede Gemeinde für sich eine konkrete Ordnung darstellt, nicht die Verwirklichung eines abstrakten Prinzips, einer normativen Regel, eine Ordnung, deren Vorhandensein und Gehalt allein in der konkreten Ausrichtung aller einzelnen Elemente auf das Ganze, deren Fehlen i m Mangel solchen Zusammenhangs der je einzelnen Elemente feststellbar und ablesbar ist, entzieht sie sich aus der Natur der Sache der Abstraktion und damit der Subsumtion unter Aussagen, die durch Abstraktion gewonnen sind 1 8 7 . 183 Vgl. Bischoff y Neugliederung, S. 29 („Gebot der lückenlosen Abwägung" als „Grenze . . . des Bestimmungs- u n d damit des Entscheidungsraumes des Gesetzgebers"); vgl. ebenda, S. 25 f.; vgl. ferner Hoppe!Rengeling, Rechtsschutz, S. 130 ff.; Stern!Püttner, Landkreise, S. 17 f.; insbes. pointiert zum Erfordernis substantiierter staatlicher Begründung von Prognosen, die der Rechtfertigung gemeindlicher Gebietsänderungen dienen sollen, S t G H B - W , U r t . v. 15.2.1975 — GR 17, 29, 61/74 —, D Ö V 1975, 530, 531. 184 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter D. I. 3. 185 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter D. I I . 2., 3. 186 So ausdrücklich Bischoff, Neugliederung, S. 27; vgl. auch S. 11 ff. 187 Vgl. zum Abstrahierungsverbot i m Rahmen gemeindlicher Gebietsneugliederung: RdErl. des Reichsinnenministers v. 6. 1. 1939 ( R M B l i V S. 33), abgedruckt bei Surén/Loschelder, DGO, § 4 Erl. 3, S. 138 ff., insbes. S. 139 f. unter 2, 2 a; ferner: Brill-Gutachten He, S. 11 ff.; Bischoff, Neugliederung, S. 14, 24 f.; Görg, Eingemeindungsverfahren, DVB1. 1971, 772, 775; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 476 m. w. N.; Hoppe!Rengeling, Rechtsschutz, insbes. S. 100 f.,

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Damit sind allerdings Abstrahierungen und Typisierungen i m Rahmen der Planung einer umfassenden Reform nicht schlechthin unzulässig, also Überlegungen, die auf Grund empirisch-statistischen oder wertenden Vorgehens die Fülle der relevanten Gesichtspunkte i n eine Rangfolge und einen systematischen Zusammenhang unter Absehen von Abweichungen und Besonderheiten i m konkreten Fall bringen 1 8 8 . Sie sind i m Gegenteil vielfach erforderlich, damit der Argumentionslast des eingreifenden Staates Genüge getan wird, als erkennbarer und nachprüfbarer Beleg dafür, daß die Gebietsänderung i m konkreten Fall durch einen zureichenden Grund — nämlich die Schaffung einer insgesamt leistungsfähigen Gemeindestruktur — gerechtfertigt ist und daß sie tatsächlich auf dieser Erwägung beruht 1 8 9 . Ausgeschlossen ist dagegen eine strikte Anwendung solcher Modelle i m konkreten Fall, ihr sozusagen normativer Gebrauch. Mag ohne ein zulängliches Gesamtkonzept ein einzelner Eingriff keine hinreichende Rechtfertigung besitzen, so reicht doch andrerseits die Feststellung für die Bejahung seiner verfassungsrechtlichen Zulässigkeit nicht aus, daß i m jeweiligen Fall die „Tatbestandsmerkmale" des Konzepts, Modells erfüllt seien. Der Zwang zur Respektierung der gemeindlichen Individualität, das aus der Konkretheit gemeindlicher Integration fließende Abstrahierungsverbot machen es vielmehr notwendig, an Hand aller entscheidungserheblichen Gegebenheiten jeweils i n concreto zu prüfen, ob das Konzept die einzelne Maßnahme rechtfertigt, ob die in ihm enthaltenen Wertungen den jeweils besonderen Gegebenheiten gerecht werden oder ob ihre tatsächliche individuelle Gestaltung abweichende Lösungen notwendig macht 1 9 0 . 3. Die jeden staatlichen Eingriff und jede Abwägung zwischen verfassungsgeschützten Rechtsgütern beherrschenden Grundsätze der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit 1 9 1 gewinnen damit 103 f.; Mallmann, Verfassungsrechtliche Fragen, i n : Sachverständigenkommission He, 2, S. 30; Püttner, Unterschiedlicher Rani? der Gesetze. D Ö V 1970, 322, 3?3 Fn. 7; Salzv>eJel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gefr'etsänderung, D Ö V 1969, 810, 814; vgl. auch S. 811 ff.; Vie, Maßnahmen, S. 551 f. tee v g l . zu den „Modellen", Konzepten, K r i t e r i e n etwa Bischoff, Neugliederung, S. 25 f.; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 474 ff.; Hoppe/Rena eling, Rechtsschutz, S. 58; Salzviedeh Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814 ff.; XJle, Maßnahmen, S. 547 ff. 189 Vgl. insbes. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 474ff.; Salzwedel, Konzentionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814. 190 Vgl. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 476, 478 f., 479 f.; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547. 191 Vgl. allgemein Hesse, Grundzüge, § 2 I I I 2 c bb, S. 29; zur Geltung für gemeindliche Gebietsänderung vgl. den Überblick bei Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 124 ff.; vgl. ferner Bischof f, Neugliederung, S. 28 f.; Gör g, Rechtsschutz, DVB1. 1966, 330, 332; Menger, Höchstrichterliche Rechtsprechung, V e r w A r c h 1959 (50), 271, 285; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969,

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

265

ihren festen Bezugspunkt i m Hinblick auf das Schutzgut gemeindlicher Selbstverwaltung. Danach können Dispositionen i n die gemeindliche Gebietsgestaltung und damit i n die lokale Integrationslage rechtlichen Bestand nur haben, wenn ihnen verfassungsrechtliche Zwecke zugrundeliegen, deren Verwirklichung das Interesse an der Erhaltung der gewachsenen Gemeinden eindeutig überwiegt. Ferner muß die konkrete Maßnahme zur Verwirklichung dieser Zwecke i m jeweiligen Fall überhaupt ein geeignetes M i t t e l darstellen. Vor allem aber darf es keinen weniger einschneidenden, weniger desintegrierenden Eingriff geben, der i n vertretbarem Maße zum gleichen Ergebnis führt. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, bleibt der Gebietsänderungsakt unzulässig, wenn seine desintegrierende Wirkung i n bezug auf die lokale Einheitsbildung nicht i n einem vernünftigen Verhältnis zu dem dadurch erzielten Erfolg steht 1 9 2 . Insbesondere muß, entsprechend dem Gebot der konkreten Betrachtungsweise, bei dieser Wertung stets die Integrationsgrundlage i m einzelnen Fall, einschließlich der erwartbaren Konsequenzen für ihre Entwicklung, i n allen Einzelheiten als Maßstab herangezogen werden 1 9 3 . A u f dieser Grundlage kann allerdings weder ein genereller Vorrang freiwilliger Zusammenschlüsse vor Zwangseingemeindungen, noch eine grundsätzliche Subsidiarität gebietlicher Veränderungen hinter Gemeindeverbandslösungen oder Formen interkommunaler Zusammenarbeit postuliert werden 1 9 4 . Gerade angesichts der Einmaligkeit jedes einzelnen 546, 547; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 67 f.; Stern/Püttner, Landkreise, S. 39; Vie, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60), 101, 118 ff. 192 Vßl. i m einzelnen etwa Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 67 f., sowie die Nachweise zuvor Fn. 191. 193 „ ö r t l i c h e Verbundenheit", „gewachsene Bindungen", „ Gemeinschaf tsbewuß+sein", unter diesen u n d ähnlichen Formulierungen t r i t t der Gesichtspunkt lokaler Integration zunehmend präzis i n der Rechtsprechung als Maßstab kommunaler Gebietsänderungen i n den Vordergrund, insbesondere i m Rahmen der Verhältnismäßigkeits- u n d Erforderlichkeitsprüfung: vgl. bereits etwa V e r f G H NW, Urt. v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 13/71 — (Nideggen/Heimbach), OVGE 28, 304, 306; V e r f G H N W Urt. v. 2. 11. 1973 — V e r f G H 17/72 — (Sennestadt), OVGE 28, 307, 310 ff.; sehr deutlich V e r f G H NW, Urt. v. 6. 12. 1975 — V e r f G H 13/74 — (Bottrop), Eildienst Landkreistag N W 1976, 13, 14 f.; V e r f G H NW, U r t . v. 6. 12. 1975 — V e r f G H 39/74 — (Monheim), A U S. 48 (vgl. auch S. 39, 41, 47); V e r f G H N W U r t . v. 6. 12. 1975 — V e r f G H 45/74 — (Kempen), A U S. 34; V e r f G H NW, Urt. v. 6. 12. 1975 — V e r f G H 62/74 — (Wesseling), Eildienst Landkreistag N W 1976, 1. 3, vgl. inzwischen auch DVB1. 1976, 393 ff.; V e r f G H N W , Urt. v. 9. 4. 1976 — V e r f G H 14/74 — (Kettwig), A U S. 34 ff. Demgegenüber fällt auf, daß i n der Entscheidung des V e r f G H N W , U r t . v. 7. 11. 1975 — V e r f G H 64/74 — (Einkreisung der Stadt Neuss), bei der Erörterung der Auswirkungen des Verlustes der Kreisfreiheit die Konsequenzen für das kommunale Eigenbewußtsein u n d Engagement der Bevölkerung k a u m gestreift werden, vgl. A U S. 13 (vgl. auch Eildienst Landkreistag N W 1975, 251, 252). 194 So aber etwa Scholtissek, Verfassungsprobleme, DVB1. 1968, 825, 829 ; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 67 f.; Vie, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60). 101. 120 f.

266 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

Falles erscheint eine derartige generelle Aussage nicht sachangemessen. Insbesondere berücksichtigt sie — auch und gerade unter dem Aspekt gemeindlicher Integration — nicht hinreichend die Bedeutung, die die überörtliche Struktur, das Verhältnis der Gemeinden eines größeren Raumes untereinander, nicht nur für das staatliche Interesse an der Ausgestaltung der unteren Verwaltungsstufe, sondern auch für die Integrationslage sämtlicher gemeindlicher Einheiten innerhalb eines solchen räumlich-sachlichen Verbandes hat. Ein derartiger genereller Vorrang schlösse es aus, die Belange der an einem freiwilligen Zusammenschluß nicht beteiligten umliegenden Gemeinden und ihrer Einheitsbildung wie auch die jenseits der lokalen Sphäre liegenden überörtlichen Gesichtspunkte mit ihrem sachlichen Gewicht i n Ansatz zu bringen. Er würde es ferner nicht erlauben, die effektivitäts-, und insoweit und darüber hinaus integrationsmindernden Auswirkungen übermäßiger interkommunaler Verflechtungen i n die Entscheidung einzubeziehen. Zwar fragt es sich, ob andrerseits beispielsweise die strikte landesweite Durchführung des Prinzips der Einheitsgemeinde das Maß der Erforderlichkeit nicht überschreitet, insbesondere wenn, wie i m Falle Nordrhein-Westfalens und des Saarlandes etwa, die bewährte Einrichtung einer funktionierenden Amtsverfassung zur Verfügung steht 1 9 5 . Aber auch insoweit kann eine A n t w o r t nicht generell, sondern nur i m jeweils konkreten Einzelfall Anspruch auf Sachgerechtigkeit erheben 196 . 4. Schließlich ergibt sich aus dem Verfassungswert gemeindlicher Integration eine äußerste Grenze für jede staatliche Verfügung über Existenz und Gebietsbestand der Gemeinden. Da zum verfassungsrechtlichen B i l d der Gemeinde lokale Einheitsbildung als essentielles Element gehört, stellen solche Gebilde keine „Gemeinden" i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG dar, i n denen die Gebietsgestaltung und die innere — bauliche, soziologische, wirtschaftliche, geographische, verkehrstechnische — Struktur das erforderliche Mindestmaß an Integration weder gegenwärtig noch i m Rahmen eines absehbaren Entwicklungsprozesses zulassen 197 . Die Überführung gewachsener Gemeinden i n derartige admi195 Vgl. Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806; zur unterschiedlichen Einbeziehung vorhandener Formen i n die Neugliederungsplanung vgl. etwa einerseits Gutachten N W Abschnitt A. unter V 29., S. 29 ff. (Abschaffung der Ä m t e r ) ; vgl. auch unter 30., S. 31 ff. (Ablehnung von Föderalgemeinden); unter 31., S. 35 f. (Leitbild der Einheitsgemeinde, möglichst i n Deckung m i t einem Nahversorgungsbereich) ; vgl. auch Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.1, S. 20; demgegenüber sieht z.B. das Gutachten Schl-H eine behutsame, abgestufte Lösung vor, vgl. Rdn. 439 ff., S. 230 f.; vgl. auch insgesamt Rdn. 288 ff., S. 177 ff.; ähnlich etwa Gutachten B - W A, Dokumentation B - W I, Rdn. 27 ff., S. 535 ff.; Gutachten Nds, Rdn. 73 ff., S. 37 ff. 196 Vgl. wie hier etwa Bischoff, Neugliederung, S. 28 f.; Hoppe!Rengeling, Rechtsschutz. S. 126 f.; Stern!Püttner Grundfragen, S. 24. 197 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 67 f., 73; ders., Reformen nach der V e r w a l tungsreform, Gemeindetag 1971, 306, 308; Bückmann, Verfassungsfragen, S. 91,

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

267

nistrative Formierungen ist von Grundgesetz wegen schlechthin unzulässig 198 . a) Dieses Ergebnis hängt nicht davon ab, ob man i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG „lediglich" eine institutionelle Garantie sieht oder ob man darüber hinaus aus dieser Verfassungsbestimmung subjektive Rechte der einzelnen Gemeinden auf ungeschmälerten Bestand ihrer Selbstverwaltungsbefugnis ableitet, gegebenenfalls unter Einschluß eines — relativen — Rechts auf Fortexistenz i n dem Sinne, daß Eingriffe i n dieses Recht nur i n den beschriebenen Grenzen und unter Einhaltung mindester Verfahrensregeln zulässig sind 1 9 9 . I m Gegenteil erweist sich der Gesichtspunkt gemeindlicher Integration als geeignet, unabhängig von dem insoweit herrschenden Meinungsstreit den grundgesetzlichen Schutz der Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung und die — begrenzte — Sicherung der einzelnen Gemeinde, insbesondere das Verbot der Umgestaltung i n nicht integrierbare Verwaltungseinheiten, widerspruchsfrei zusammenzufügen. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Feststellung, daß A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG jedenfalls verbietet, die Gemeinden und die gemeindliche Selbstverwaltung als Einrichtung zu beseitigen 200 . Diese Einrichtung existiert aber nicht abstrakt, sie ist kein dem normativen „Sollen" angehörendes Prinzip, das ohne Rücksicht auf das „Sein" der rechtlichen, 98 f.; Köttgen, Krise, S. 13 f. u n d Fn. 33 ebenda; Stern/Püttner, Grundfragen, S. 24. 108 Aus diesem G r u n d mußte die Zusammenlegung von Nideggen u n d H e i m bach nicht erst an einem Verstoß gegen das Ubermaßverbot scheitern; sie w a r vielmehr deswegen unzulässig, w e i l das dadurch entstehende administrative Gebilde keine Gemeinde i m Verfassungssinn darstellte u n d nach den örtlichen Gegebenheiten auch keinerlei Chance erkennbar war, daß sich eine hinreichende Einheitsbildung vollziehen werde; vgl. V e r f G H NW, U r t . v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 13/71 —, OVGE 28, 304 ff. Unter dem gleichen Gesichtspunkt dürfte zumindest ein T e i l der von Bückmann, Verfassungsfragen, S. 82 ff., behandelten Fälle kritisch zu überprüfen sein (etwa Wachtberg, S. 82 f., Netphen, S. 84; Welver, S. 84 f.; Zülpich, S. 85 f.; Eiterfeld, S. 89) ; vgl. insgesamt die skeptische Beurteilung ebenda S. 90 f. Auch beispielsweise die Zusammenlegung von Neheim-Hüsten u n d Arnsberg (§ 5 des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden u n d Kreise des Neugliederungsraumes Sauerland/Paderborn — Sauerland/Paderborn-Gesetz — v. 5. 11. 1974, GVB1. N W S. 1224) muß w o h l daraufhin befragt werden, ob die Eigenständigkeit u n d räumliche Abgesetztheit beider Gemeinden hinreichende i n tegrative Ansätze zulassen, auf G r u n d derer ein Zusammenwachsen zu einer Gemeinde i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG erwartet werden darf; vgl. die Einzeldaten des — die Zusammenlegung befürwortenden — Vorschlags O K D Arnsberg, insbes. Rdn. 3.2, S. 4 ff.; Rdn. 5.1.1.1, S. 13; Rdn. 5.1.1-3, S· 14 f·; Rdn. 5.1.1.4, S. 15, sowie die beigefügte Kartenskizze. 199 Y g i ^ie Nachweise oben 2. Teil, Fn. 471; zum Recht auf Fortexistenz i m oben beschriebenen Sinne vgl. insbes. Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812; dagegen Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 804 Fn. 21. 200

Vgl. oben 2. Teil, 5. Kap. unter C. I.

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staatlichen, politischen Wirklichkeit schlechthin „ g i l t " 2 0 1 . Die Einrichtung existiert vielmehr nur insofern, als sie sich i n der endlichen Zahl ihrer real vorhandenen Erscheinungsformen, der konkreten Gemeinden, objektiviert 2 0 2 . Selbst wenn man sich nicht auf den Standpunkt stellen wollte, daß das Staatsgebiet insgesamt und ohne jegliche Ausnahme durch Gemeinden gebietlich abgedeckt sein müsse 203 , könnte doch, angesichts des Gewichts der Verfassungsentscheidung für die institutionelle Ausgestaltung der örtlichen Kategorie, nur i n eng begrenzten Ausnahmefällen ein Abweichen von der durchgängigen räumlichen Präsenz der Einrichtung zulässig sein. Insoweit ist etwa gegen die Erhaltung und Neuschaffung gemeindefreier Gebiete i n insgesamt geringen, historisch gewachsenen Sonderfällen 2 0 4 nichts einzuwenden, soweit es sich um „Gelände" handelt, „das sich auf Grund seiner Lage und Bodenbeschaffenheit oder der A r t seiner Benutzung aus verwaltungstechnischen Gründen für eine Zugehörigkeit zum Gemeindegebiet nicht eignet" 2 0 5 . Wo aber der Eigenwert vorhandener, gewachsener Gemeinden 206 ohne zureichenden Grund i n seinem begrenzten Bestand geschmälert wird, wo insbesondere die politische Lebensform der Gemeinde nach dem B i l d der Verfassung durch Verwaltungseinheiten verdrängt wird, die diesem B i l d nicht mehr entsprechen, da w i r d i n der einzelnen Erscheinungsform, in der einzelnen Gemeinde die Einrichtung selbst beeinträchtigt, deren auch schrittweise Beseitigung die grundgesetzliche Gewährleistung ausschließt 207 . Denn dann w i r d für einen Teil des Staatsgebiets der grundsätzlich endliche und nicht beliebig reproduzierbare Bestand an lokalen Integrationsmöglichkeiten, -formen, an Integrationsbereitschaft gemindert oder ganz abgebaut, jedenfalls nicht mehr als Grundlage der örtlichen Kategorie und ihrer Eigenständigkeit nutzbar gemacht. Damit aber ist das verfassungsrechtliche Prinzip verlassen, wonach zwar Existenz und Gebiet der einzelnen Gemeinde nicht schlechthin am Schutz der Gewährleistung teilhaben, wonach aber jede Disposition insoweit „an die Stelle der ausgelöschten bürgerschaftlichen Selbstverwaltung eine andere" treten lassen muß 2 0 8 . 201 Vgl. Carl Schmitt, Über die drei A r t e n des rechtswissenschaftlichen Denkens, S. 17 ff. 202 Vgl. Carl Schmitt, Garantien, S. 149, 155; ders., Grundrechte u n d Grundpflichten, S. 215; vgl. auch Abel, Einrichtungsgarantien, S. 47, 58, 71; vgl. ferner Berkenhoff, B u n d u n d Gemeinden, S. 38. 203 So etwa Hoppe, Gebietskörperschaft, S. 43 ff.; Wimmer, Neuordnung, N J W 1964,1654,1657. 204 Vgl. Gronemeyer, Die gemeindefreien Gebiete, S. 203 ff. 205 Vgl. Gronemeyer, Die gemeindefreien Gebiete, S. 211,190. 206 Vgl. auch Röttgen, Krise, S. 13. 207 Vgl. Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 804. 208 Vgl. Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 196-9, 810, 811; vgl. auch Koch, Großgemeinde, S. 78.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

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b) Stellt sich insoweit die Formierung leitbildwidriger, weil integrationsunfähiger Verwaltungseinheiten auf der lokalen Ebene als Verletzung der Einrichtungsgewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG dar, auch wenn man dieser insoweit korrespondierende Rechte der einzelnen Gemeinden nicht entnimmt, so argumentieren doch darüber hinaus das sachliche Gewicht und der verfassungsrechtliche Rang gemeindlicher Eigenständigkeit für die Annahme derartiger individueller Rechtspositionen ihrer konkreten Träger. Institutionelle Gewährleistung und flankierende, aus der Gewährleistung fließende subjektive Rechte der einzelnen Präsentationen der Einrichtung schließen sich weder begrifflich noch sachlich aus, i m Gegenteil können solche der Institutionen dienenden subjektiven Rechte ihre Absicherung verstärken, aktualisieren 2 0 9 . Ein subjektives Recht der einzelnen Gemeinde auf Fortexistenz i n den oben aufgezeigten Grenzen sprengt i m übrigen, da über den Gewährleistungsbereich der Einrichtung selbst nicht hinausgehend 210 , weder die Struktur der Einrichtung selbst noch ihre Einbettung i n den verfassungsrechtlichen Zusammenhang durch die Bewehrung des „individualistisch-egoistische(n) Interesse(s)" der konkreten Gemeinden 211 . Es ist vielmehr geeignet, dem schrittweisen Abbau der Institution i m jeweils einzelnen Fall i n einer eindeutigen und wirksamen rechtlichen Form entgegenzuwirken 212 . Auch erscheint die Annahme solcher subjektiven Rechte nicht nur deswegen systemgerecht, weil die Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung Gewährleistung der jeweiligen Eigenständigkeit der konkreten Einheiten der örtlichen Kategorie ist, der grundsätzlichen Prädominanz ihrer lokalen Daten vor den generalisierenden, überörtlichen. Vor allem streitet für ein Verständnis der rechtlichen Grenzen staatlicher Dispositionen über die gemeindliche Gebietsgestaltung als subjektiv-öffentliches Recht der je konkreten Gemeinde, daß der entscheidende Maßstab insofern gerade i n der nicht abstrahierbaren Individualität ihrer Integrationslage i m Einzelfall liegt 2 1 3 , daß also die Substanz der Einrichtung gerade i n der nicht auswechselbaren Konkretheit ihrer Erscheinungsformen ruht. Solch konkreter Individualität, verfaßt und verselbständigt als juristische Person des öffentlichen Rechts, und ihrer negatorischen Geltendmachung entspricht aber vom Inhalt her, daß der Schutz gerade der Individualität des Rechtsträgers i h m selbst, i m Rahmen der Gesamtordnung der Ein-

209 Vgl. Carl Schmitt, Garantien, S. 149; ders., Grundrechte u n d Grundpflichten, S. 215; vgl. auch Abel, Einrichtungsgarantien, S. 67 ff. 210 Vgl. Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 804. 211 Vgl. Carl Schmitt, Garantien, S. 149. 212 Vgl. zur Gefahr des schrittweisen Abbaus: Abel, Einrichtungsgarantien, S. 59 f. 213 Vgl. oben 3. Teil, 2. Kap. unter Β . I. 2.

270 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d.Gebietsgestaltung

richtung und ihrer Grenzen, als eigene Befugnis, als eigenes rechtliches Vermögen zugeordnet w i r d 2 1 4 . I I . Die unmittelbare Aussagekraft des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 G G für die gemeindliche Gebietsgestaltung

Indem sich so der Gesichtspunkt gemeindlicher Integration als konkreter Maßstab und eindeutige Grenze für staatliche Dispositionen über Existenz und territorialen Bestand der Gemeinden darstellt, ist zugleich die Aussagekraft der Verfassungsgewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG für den gemeindlichen Gebietszuschnitt nachgewiesen. Damit ist ein Ansatz gewonnen, von dem her die m i t gemeindlichen Gebietsänderungen verknüpften formell- und materiell-rechtlichen Fragen unmittelbar aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie heraus diskutiert werden können, also insbesondere ohne Rekurs auf außerhalb ihrer liegende Verfassungsregelungen und -prinzipien, aber auch über eine vorwiegend historische Herleitung und Argumentation hinaus 2 1 5 . Die Ergebnisse zu Inhalt und verfassungsrechtlichem Stellenwert lokaler Einheitsbildung lassen erkennen, daß ihre Einführung i n diese Probleme fruchtbar ist, etwa was die Erörterung des Anhörungsrechts der Gemeinden i m Zuge geplanter Gebietsänderungen angeht, ferner i m Hinblick auf das Postulat des Gemeinwohldienlichkeits-Erfordernisses, aber auch i n bezug auf das Gebot der Konzeptionsgerechtigkeit einzelner Gebietsänderungsakte i m Rahmen umfassender Neugliederungen. 1. Die Gemeindeordnungen der Länder sehen vor, daß i m Zuge von Änderungen des Gemeindegebiets der Wille der betroffenen Gemeinden beziehungsweise ihrer Bevölkerung zu ermitteln ist, etwa i n der Weise, daß den Vertretungskörperschaften Gelegenheit zur Stellungnahme geboten w i r d 2 1 6 . 214 So sprechen sich insgesamt f ü r ein aus der Einrichtungsgewährleistung fließendes subjektiv-öffentliches Recht der Gemeinden auf unangetasteten Fortbestand des Selbstverwaltungsrechts i n seinem essentiellen K e r n aus: Becker, Grundlage, H K W P I, S. 140 f.; Geller/Kleinrahm/Fleck, Verfassung N W , A r t . 78, Erl. 2, S. 524 ff., uneingeschränkt i m H i n b l i c k auf A r t . 78 L V e r f NW, offen i n bezug auf A r t . 28 Abs. 2 GG; Koch, Großgemeinde, S. 78 f.; Peters, Gemeinde i n der Rechtsprechung, S. 207 f.; Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220; w o h l auch Scheuner, Garantien, i n : Recht, Staat, Wirtschaft, 4. Bd., S. 100; Scholtissek, Verfassungsprobleme, DVB1. 1968, 825, 827 f.; Stern, Bonner K o m mentar, A r t . 28 Rdn. 65, 174 ff.; ders., Gemeindewirtschaft, A f K 1964, 81, 92; Vie, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60), 101,114; sehr weitgehend — i m Sinne eines auf Naturrecht beruhenden Grundrechts — Süsterhenn/Schäfer, Verfassung Rh-Pf, A r t . 49 Erl. 2, S. 218 ff.; BVerfGE 1, 167, 173 f., läßt die Frage nach der subjektiven Rechtsstellung („Grundrecht") ausdrücklich offen; f ü r ein subjektiv-öffentliches Recht insbes. i m Hinblick auf Existenz u n d Gebietsbestand: Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812; Stern/Püttner, Landkreise, S. 17. 215 Z u r K r i t i k solcher historischer Argumentation vgl. insbes. Seibert, Gewährleistung, S. 168 ff.: ders., Selbstverwaltungsgarantie, S. 26 ff.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m f ü r Gebietsänderungen

271

a) Die Verbindlichkeit des Anhörungsrechts, auch für den gebietsändernden Landesgesetzgeber, w i r d — soweit sie nicht überhaupt verneint w i r d 2 1 7 — überwiegend damit begründet, daß es sich hierbei um ein zum Grundbestand des geschichtlichen Bildes gemeindlicher Selbstverwaltung gehörendes und deswegen i n der komunalen Selbstverwaltungsgarantie mitgewährleistetes Element handle, dessen einfachgesetzliche Ausformung lediglich deklaratorischen Charakter trage 2 1 8 . Daneben w i r d die unmittelbare Bindewirkung der einfachgesetzlichen Regelungen vertreten, sei es unter Hinweis auf den unterschiedlichen Rang der generellabstrakten gemeinderechtlichen Vorschriften und des gebietsändernden Einzelfallgesetzes 219 , sei es i m Hinblick auf ihren Charakter als Verfahrensbestimmungen 220 . Zum Teil w i r d unmittelbar das Rechtsstaatsprinzip als Geltungsgrund herangezogen 221 , ferner das allgemeine, verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs 222 . Auch die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Anhörungspflicht sind nicht unbestritten. Während überwiegend einer Verletzung die Wirkung zugeschrieben wird, das Gebietsänderungsgesetz schlechthin unwirksam zu machen 223 , soll dies nach anderer Auffassung nur dann der Fall sein, wenn i m konkreten Fall nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei ordnungsgemäßer Anhörung die Entscheidung über die Gebietsänderung 216 Vgl. § 8 Abs. 2 - 5 GO B - W ; A r t . 11 Abs. 1, 4 GO B a y ; §§ 16 Abs. 1 GO He; 18 Abs. 4 GO Nds; 16 Abs. 2 GO N W ; 11 Abs. 2 - 4 GO R h - P f ; 15 Abs. 3 GO Sa; 15 Abs. 2 GO Schl-H; vgl. auch A r t . 74 Abs. 2 Satz 3 Verf. B - W . 217 So tendenziell die frühere Rspr. des V e r f G H NW, vgl. Urt. v. 21. 2. 1959 — V G H 4/58 —, OVGE 14, 377, 383; Urt. v. 5. 11. 1966 — V G H 3/66 —, OVGE 22, 316, 318; vgl. auch Friesenhahn, Garantie, S. 136 f. 218 Vgl. etwa S t G H B W , Urt. v. 14. 2. 1975 — GR 11/74 —, N J W 1975, 1205, 1213; V e r f G H NW, U r t . v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 —, OVGE 26, 270, 272 ff.; V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, A S 11, 73, 101 ff.; vgl. ferner Bischoff, Neugliederung, S. 31; Görg! Seibert, Anmerkung, DVB1. 1968, 851, 853; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 149; Knemeyer, Anhörungsverfahren, BayVBl. 1971, 371, 371; Löwer, Anhörungs- u n d Abstimmungsrechte, S. 29; Ossenbühl, Rechtliches Gehör, D Ö V 1969, 548, 550, insbes. Fn. 14; Püttner, U n terschiedlicher Rang der Gesetze, D Ö V 1970, 322, 324; Rauball, GO NW, § 16 Erl. 3, S. 121; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 41 f.; Scholtissek, Eingemeindung, DVB1. 1968, 825, 830; Stern/Püttner, Grundfragen, S. 24; XJle, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60), 101, 120; VielLaubinger, Rechtliches Gehör, DVB1.1970, 760, 760. 219 Vgl. etwa Breuer, Selbstbindung, DVB1. 1970,101, 105; Görg, Rechtsschutz, DVB1. 1969, 772, 773; Ossenbühl, Rechtliches Gehör, DÖV 1969, 548, 550; Vie, Zwangseingemeindung, V e r w A r c h 1969 (60), 101, 113; dagegen insbes. Püttner, Unterschiedlicher Rang der Gesetze, D Ö V 1970, 322 ff. 220 So etwa Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 807. 221 Vgl. V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 102 f.; Viel Laubinger, Rechtliches Gehör, DVB1.1970, 760, 760. 222 So Görg/Seibert, Anmerkung, DVB1. 1968, 851, 853; Ossenbühl, Rechtliches Gehör, D Ö V 1969, 548, 549 f. 223 V g L V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 5. 5. 1969 — V G H 3/69 —, AS 11, 201, 203 f.; st.Rspr.; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 151.

272 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d.Gebietsgestaltung

anders ausgefallen wäre, und wenn überdies die von der Gemeinde i m Rahmen der Anhörung vorzubringenden Gründe unmittelbar Bezug zu ihrer Existenz oder ihrem Gebietsbestand gehabt hätten 2 2 4 . b) Unbeschadet der Frage, ob außer der Verfassungsgewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung noch andere rechtliche Gesichtspunkte herangezogen werden können, unbeschadet auch der weiteren Frage, ob der historische Hintergrund des Anhörungsrechts 225 als eigenständiger Anknüpfungspunkt tragfähig ist oder ob er lediglich die geschichtliche Invarianz der grundlegenden Struktur der örtlichen Kategorie und ihrer Einheitsbildung sichtbar macht, ergeben sich aus Inhalt und verfassungsrechtlichem Stellenwert gemeindlicher Integration bezüglich des Anhörungsrechts der Gemeinden mehrere Schlußfolgerungen. aa) So spricht zum ersten das kategoriale Eigengewicht der örtlichen, unmittelbaren Daseinssphäre und des i n ihr präsenten sozialen Verbandes dagegen, i h n zum bloßen Objekt staatlicher Verfügungsbefugnis herabzustufen 226 . Dies stände insbesondere i m Widerspruch zu der i n A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG getroffenen Entscheidung, die Gemeinde, eben wegen dieses Eigengewichts, als eigenständiges, sich selbst bestimmendes Rechtssubjekt zu gewährleisten und ihr i n ihrem Bereich entsprechend ihrer Eigengesetzlichkeit grundsätzliche Datenpriorität einzuräumen. Ein weiterer Gesichtspunkt fordert es, die Gemeinde als eigenständiges Subjekt ihre Belange i m Zuge sie betreffender Gebietsänderungen artikulieren zu lassen. Wenn i n Ansehung der verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltung der Rechtswert lokaler Integration i m Abwägungs- und Entscheidungsprozeß für und gegen eine Umgliederung das zentrale K r i t e r i u m darstellt, wenn ferner diese Integration als komplexes, enumerativ und quantitativ nicht ausschöpfbares Phänomen sich allein i n der je konkreten gemeindlichen Situation vollzieht, sich äußert und feststellbar ist, dann muß der individuellen Gemeinde selbst, die auf solcher konkreten Einheitsbildung ruht, Stimme verliehen werden, ihre eigene — nächste — Sicht von ihrer Befindlichkeit i n den Entscheidungsprozeß einzubringen, ihren politischen Willen, der aus dieser Einheitsbildung erwächst, ihre Beurteilung der konkreten lokalen Daten zu formulieren. Auch wenn dabei das partikulare Interesse einseitig betont werden mag, so macht doch die Bedeutung, die der örtlichen Eigengesetzlichkeit von Verfassungs wegen zugeschrieben w i r d und die je individuelle Natur dieser Eigengesetzlichkeit die Stellungnahme der betroffenen Gemeinden selbst zum wesentlichen Element i m staatlichen Abwägungsvorgang. 224

So Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 807 f. Vgl. dazu Low er, Anhörungs- u n d Abstimmungsrechte, S. 6 ff. 226 Vgl. Ossenbühl, Rechtliches Gehör, D Ö V 1969, 548, 553; vgl. auch V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 5. 5.1969 — V G H 3/69 —, A S 11, 201, 203 f. 225

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

273

bb) Besteht somit von Grundgesetz wegen, als unmittelbare Konsequenz der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung, ein Recht der Gemeinde, als politische Einheit dergestalt gehört zu werden, daß ihre Stellungnahme zum konkreten geplanten Eingriff i n die staatliche Entscheidung voll, das heißt rechtzeitig und vollständig, einfließt 227 , so ergibt sich für die einfachgesetzlichen, gemeinderechtlichen Konkretisierungen dieses Grundsatzes: Da — anders als i m Bereich der materiellen Entscheidungskriterien — i m Hinblick auf das Entscheidungen erfahren die Rechtssubjekte „Gemeinden", wie die Staatsbürger selbst 228 , als Betroffene gleichwertig und gleichberechtigt nebeneinanderstehen 229 , folgt das Verbot einer sachlich nicht begründeten abweichenden Behandlung, einer Durchbrechung der einfachgesetzlichen Verfahrensregeln 230 , jenseits des durch A r t . 28 Abs. 2 GG festgelegten Grundbestandes hinreichender Anhörung aus dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot 231 . Eine willkürliche Verfahrenshandhabung müßte darüber hinaus als durch legitime rechtliche Gründe nicht gedeckte Mißachtung des eigenständigen, Eigenwert verkörpernden Subjekts Gemeinde gewertet werden, wobei insbesondere die desintegrierende Wirkung solcher staatlichen Nichtachtung auf die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden für eine Verletzung des aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Förderungsgebotes gemeindlicher Daseinsweise streitet. cc) Auch für die Folgen einer Verletzung des Anhörungsrechts gibt der Verfassungswert gemeindlicher Integration Aufschluß. Sie müssen i n jedem Falle — also ohne die jeweilige Überprüfung einer Kausalität zum Entscheidungsergebnis und ohne Rücksicht auf den Inhalt der vorzubringenden Argumente — zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung und damit zur Nichtigkeit des Gebietsänderungsgesetzes führen 2 3 2 . Wenn nämlich der wesentliche Schutz gemeindlicher Substanz aus der Natur der Sache i n dem vollständigen, korrekten, transparenten Verfahren der Abwägung ihrer Belange gegenüber denen des weiteren Raumes und denen des Staates liegt, während die materiellen Kriterien wegen ihrer vielfältigen Offenheit nur i n Grenzen Sicherheit gewähren 2 3 3 , dann muß dem Teil des Verfahrens, der die sachgerechte Einführung des zentralen Arguments aus dem örtlichen Interesse durch dessen verfassungsgeschützten Träger selbst betrifft, entscheidende Bedeutung zukommen. Weil diesem Argument hinreichende Geltung überhaupt nur verschafft 227

Vgl. auch Bethge, Effektivität des Anhörungsrechts, Städte- u n d Gemeinderat 1974, 387, 388 f. 228 Vgl. Salzwedel, Kommunalrecht, S. 220 f. 229 Vgl. Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28 Rdnr. 71, S. 165 m. w. N. 230 Vgl. Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 807. 231 Vgl. Püttner, Unterschiedlicher Rang der Gesetze, DÖV 1970, 322, 323 Fn. 7. 232 Vgl. die Nachweise oben 3. Teil, Fn. 223. 233 Vgl. oben 3. Teil, 2. Kap. unter Β . 1.1. 1 Loschelder

274 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

werden kann, wenn es rechtzeitig, vollständig und angemessen an die entscheidenden Instanzen herangetragen w i r d 2 3 4 , weil andrerseits die nachträgliche Feststellung hypothetischer Kausalität und Sachbezogenheit wegen der materiellen Offenheit des Entscheidungsprozesses weitgehend ineffektiv ist 2 8 5 , kann die praktische Wirksamkeit der gemeindlichen Argumentation nur sichergestellt sein, wenn die Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens uneingeschränkt und strikt geboten und entsprechend sanktioniert ist. 2. Nicht nur i m Hinblick auf die rechtlichen Anforderungen an das Verfahren gemeindlicher Gebietsänderungen, auch für die materiellen Grenzen, die der Zulässigkeit solcher staatlichen Eingriffe von Verfassungs wegen gezogen sind, erweist sich das Integrationskriterium als aussagekräftiger Maßstab. Entsprechend den, i m einzelnen variierenden, Formulierungen der Gemeindeordnungen 23 * w i r d als materielle Voraussetzung gemeindlicher Gebietsänderungen angesehen, daß sie aus Gründen des „öffentlichen Wohls" erfolgen 237 . a) Insoweit w i r d die Bindung des gebietsändernden Landesgesetzgebers ebenfalls teils aus den gemeinderechtlichen Vorschriften selbst entnommen 2 3 8 , teils wiederum mit dem Argument begründet, sie seien essentieller Bestandteil der gewachsene Institution gemeindlicher Selbstverwaltung 2 3 9 . Daneben finden sich Hinweise auf die, ausdrücklich oder stillschweigend, allgemein kraft Verfassung geltende Unterwerfung je234

Vgl. Ossenbühl, Rechtliches Gehör, D Ö V 1969, 548, 549. Vgl. Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 151; i m gleichen Sinne w o h l auch S t G H B - W , U r t . v. 25. 4.1975 — GR 6/74 — (Böblingen/Sindelfingen), D Ö V 1975, 500, 502. 236 Vgl. § 8 Abs. 1 GO B - W ; A r t . 11 Abs. 2 Nr. 2 GO B a y ; §§ 16 Abs. 1 GO He; 17 Abs. 1 GO Nds; 14 Abs. 1 GO N W ; 10 GO R h - P f ; 14 Abs. 1 GO Sa; 14 Abs. 1 GO Schl-H; vgl. auch A r t . 74 Abs. 1 Verf B - W . 237 H. Rspr. ; vgl. etwa S t G H B - W , Urt. v. 14. 2. 1975 — GR 11/74 —, N J W 1975, 1205, 1205 ff.; S t G H Nds, Urt. v. 23. 1. 1974 — S t G H 2/72 —, OVGE 29, 504, 505, 507 ff.; V e r f G H NW, Urt. v. 4. 8. 1972 — V e r f G H 9/71 —, OVGE 28, 291, 292ff.; grundlegend V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 78 ff.; auch i m Schrifttum nahezu einhellige Meinung; vgl. etwa Bethge, Aktualisierung, V e r w a l t u n g 1973 (6), 403, 430; Bischoff, Neugliederung, S. 15, 17 ff.; Görg, Rechtsschutz, DVB1. 1966, 329, 332; ders., Rechtsschutz, DVB1. 1969, 772, 774; Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 476; ders., Entwicklungslinien, S. 93; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 100 ff.; Menger, Rechtsprechung, V e r w A r c h 1959 (50), 271, 283 ff.; Püttner, Unterschiedlicher Rang der Gesetze, D Ö V 1970, 322, 324; Scholtissek, Eingemeindung, DVB1.1968, 825, 830 f.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 58 ff.; Stern/Püttner, Grundfragen, S. 37; Vie, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60), 101,112 ff. 235

238 So insbes. Görg, Rechtsschutz, DVB1. 1966, 329, 332; ders., Rechtsschutz, DVB1. 1969, 772, 773; Menger, Rechtsprechung, V e r w A r c h 1959 (50), 271, 284 f. 239 So insbes. die Rspr.; vgl. zuvor Fn. 237; vgl. dazu die Einzelanalyse bei Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 84 ff.; ausführlich auch Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 62 ff.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

275

der staatlichen Tätigkeit unter das Allgemeinwohlerfordernis 2 4 0 . Demgegenüber hat Friesenhahn aufgezeigt, daß historisch der Maßstab des öffentlichen Wohles i n das Gemeinderecht nicht als Begrenzung staatlicher Dispositionsbefugnis Eingang gefunden hat, sondern als Erweiterung, als Klarstellung nämlich, daß Gebietsänderungen auch gegen den Willen der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig seien 241 . Entsprechend streitig ist auch der Aussagewert der Gemeinwohlklausel. Während teilweise i n ihr lediglich ein Hinweis auf die notwendige Einhaltung der Verfassungsanforderungen i m übrigen, darüber hinaus das allgemeine Willkürverbot gesehen w i r d 2 4 2 , faßt die herrschende Auffassung dieses K r i t e r i u m mehr oder weniger als den Inbegriff aller gegeneinander abzuwägenden Einzelgesichtspunkte und das Ergebnis einer solchen erschöpfenden, konkreten Abwägung auf 2 4 3 . b) Vergleicht man damit die Schlußfolgerungen, die sich aus dem Maßstab örtlicher Integration, also aus der Auslegung der Gewährleistung des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG für die Zulässigkeit gemeindlicher Gebietsänderungen ergeben haben, so fragt es sich, ob es zur Beschreibung der Rechtslage des Rekurses auf den Allgemeinwohl-Begriff bedarf. Denn wenn das „Gemeinwohl" sich auf den drei Ebenen „des Einzelmenschen, der innerstaatlichen Gemeinschaften und . . . (des) Wohl(s) des Staates selbst" vollzieht 2 4 4 und wenn seine Ermittlung i m Einzelfall durch die Abwägung dieser drei Interessenlagen zu gewinnen ist 2 4 5 , dann kann die Einführung dieses Begriffs als materielle, aus A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG resultierende Schranke für die staatliche Gebietsverfügungshoheit keine weitergehende Aussagekraft besitzen, als sich aus A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ohnehin aus Inhalt und Stellenwert gemeindlicher I n tegration für die Grenze staatlicher Disposition bei Spannungen zwischen diesen Interessenkreisen ableiten läßt. I m Gegenteil w i r d durch die Verwendung dieses Inbegriffs der staatlichen, gemeindlichen und individuellen Belange nicht hinreichend deutlich, daß die Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung selbst allein das spezifisch örtliche Interesse verfassungsrechtlich aufnimmt, es allerdings auch begrenzt, i n den 240 So insbes. V e r f G H Rh-Pf, U r t . v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 80 i m Hinblick auf A r t . 1 Abs. 2, 3 u n d 4 L V e r f R h - P f ; vgl. auch Ule, Zwangseingemeindungen, V e r w A r c h 1969 (60), 101,113. 241 Friesenhahn, Garantie, S. 125 f.; vgl. auch Surén i n Surén/Loschelder, DGO, § 13, Erl. 3, S. 218 f. 242 V g l Friesenhahn, Garantie, S. 131 ff.; Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 808 ff. 243 Vgl. insbes. die Analysen bei Bischoff, Neugliederung, S. 17 ff., insbes. S. 18; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 99 ff., 103 f., 130 ff.; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 58 ff. 244 Süsterhenn/Schäfer, Verf Rh-Pf, A r t . 1 Erl. 3 b; m i t Berufung darauf V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4.1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 82. 245 So ausdrücklich V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 82.

1

276 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

Gesamtzusammenhang der Werte des Gemeinwesens einfügt, nicht aber das individuelle wie das spezifisch staatliche Interesse gleichgewichtig danebenstellt. Das heißt: Die Eigengesetzlichkeit, der konkrete Gehalt der gemeindlichen Kategorie wie ihr Verhältnis zu den sonstigen, legitimen gebietsrelevanten Belangen folgen unmittelbar als Ableitung aus der gemeindlichen Selbstverwaltungsgewährleistung 246 . Diese erweist sich nicht nur prinzipiell als aussagekräftig, was das für den Gebietszuschnitt entscheidende Kriterium, die lokale Integration angeht, sie bietet auch, wie dargelegt, Maßstäbe für die A r t seiner Bestimmung i m konkreten Fall wie für die Weise seiner Berücksichtigung i n einer situationsbezogenen, umfassenden, detaillierten und nachprüfbaren Abwägung. Entsprechend kann sie als Determinante des Gebietsänderungsverfahrens wie als Maßstab für die Zulässigkeit seines Ergebnisses aus sich heraus, aus dem eigenen substantiellen Gehalt dienen, und zwar mit größerer begrifflicher Schärfe, als sie sich aus der Einbeziehung i n eine umfassende Gemeinwohlklausel ergäbe 247 . 3. Die gemeindliche Einheitsbildung kann unter den gegenwärtigen kommunalen Bedingungen nicht mehr angemessen als Phänomen begriffen werden, das aus der einzelnen, isolierten Gemeinde entspringt. Vielmehr müssen zu seiner Beschreibung die Differenzierungen und die Verflochtenheit des jeweiligen zwischen- und übergemeindlichen Gesamtraumes i n die Betrachtung der je individuellen Integrationslage benachbarter örtlicher Gemeinschaften miteinbezogen werden. Daher hat sich gerade für umfassende Neugliederungen, die diese Struktur insgesamt umgestalten, die Brauchbarkeit, Aussagefähigkeit des Integrationskriteriums zu bewähren 2 4 8 . Ein für derartige, weiträumige Gebietsreformen charakteristisches Problem, das sich i n dieser Weise bei punktuellen, gelegentlichen Einzeleingriffen nicht stellt, bildet das Postulat der „Systemgerechtigkeit" oder „Konzeptionsgerechtigkeit". Es geht dabei um die Frage, ob und gegebenenfalls i n welchem Umfang der Landesgesetzgeber i m Zuge großräumiger oder sogar landesweiter Neugliederungen an die Planungen, Leitlinien, Systeme, Modelle und Konzeptionen gebunden ist, die er den einzelnen Verwirklichungsakten der Reform zugrundelegt. Eine wesentliche Schwierigkeit besteht insoweit darin, daß derartige Planungen und Programme regelmäßig rechtlich informell existieren, als Gut246

Vgl. oben 3. Teil, 2. Kap. unter Β . I. Vgl. insoweit etwa die sachlich parallelen, ebenfalls den Begriff des A l l gemeinwohls ausklammernden konkreten Abwägungsgesichtspunkte bei Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, DÖV 1969, 546, 547 f.; ders., Selbstverwaltungsgarantien, D Ö V 1969, 810, 812, 814 ff.; zur Schwierigkeit, „der Schranke der ,Gründe des öffentlichen Wohls' einen konkret meß- u n d faßbaren I n h a l t zu geben": Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 62. 248 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. unter D. I. 6., 2. Kap. unter Β . 1.1. 247

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

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achten, Berichte, Vorschläge und Analysen 2 4 9 . Aber auch da, wo die Neugliederungskonzeption ausnahmsweise i n Gesetzesform niedergelegt wird, als Vorschaltgesetz zu den konkreten Vollzugsmaßnahmen 250 , ändert sich die Fragestellung i n ihrem Kern nicht, wie sich schon aus den flexiblen, lediglich Regeltatbestände aufstellenden Formulierungen ergibt 2 5 1 . a) Ist schon die Geltung eines verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Systemtreue nicht unbestritten 2 5 2 , so sind, wo er i m Hinblick auf die kommunale Neugliederung bejaht wird, die Ansatzpunkte zu seiner Begründung zahlreich und teilweise von hohem Abstraktionsgrad. So hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die zugrundeliegenden L e i t l i nien und Modelle als Bestandteil des jeweiligen konkreten Vollzugsgesetzes interpretiert und dieses dann an ihnen gemessen 253 . Insbesondere ist die grundsätzliche Bindung an das gewählte System wie die sachgebotene Abweichung bei besonderen Umständen i m Einzelfall mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz und dem Willkürverbot begründet worden 2 5 4 . I n engem Zusammenhang damit stehen die Vorschläge, die Rechtsfigur der Selbstbindung der Verwaltung durch Verwaltungsvorschriften oder ständige Verwaltungsübung für diesen Bereich fruchtbar zu machen 255 . Auch der Grundsatz der Erforderlichkeit ist für ähnliche Bindewirkungen abgestufter A r t ins Feld geführt worden 2 5 8 . Demgegenüber 257 fällt auf, daß die Eigengesetzlichkeit gemeindlicher Selbstverwaltung nur i n geringem Umfang i n die Erörterung einbezogen worden ist. Insbesondere w i r d insoweit die Selbstverantwortung der 249

Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 846, 847. Vgl. das „Gesetz Nr. 928 zur Vorbereitung der kommunalen Gebiets- u n d Verwaltungsreform i m Saarland (GVRG)" v o m 17. 12. 1970 (Amtsblatt S. 949). 251 Vgl. etwa zur regelmäßigen Mindesteinwohnerzahl der Gemeinden: § 2 Abs. 2 GVRG Saar. 252 Ablehnend insbes. Friesenhahn, Garantie, S. 131, Fn. 36; vgl. auch Hans Meyer, Neuordnung, D Ö V 1971, 801, 809; apodiktischer w o h l i n der F o r m u lierung als i n der Sache: V e r f G H NW, Urt. v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 — (BonnGesetz), OVGE 26, 270, 282 f. 253 V g l > V e r f G H Rh-Pf, Urt. v. 17. 4. 1969 — V G H 2/69 —, AS 11, 73, 86 f.; Urt. v. 12. 5.1969 — V G H 36/69 — AS 11, 206, 207 f.; kritisch zu diesem Vorgehen außer den zuvor Fn. 252 genannten Stellungnahmen auch ζ. B. Salzwedel, K o n zeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547. 250

254 Vgl. etwa S t G H B - W , U r t . v. 14. 2. 1975 — GR 11/74 —, N J W 1975, 1205, 1212 f.; vgl. auch Bieler, Verwaltungs- und Gebietsreform, D Ö V 1976, 37, 39 ff.; Evers, Systemtreue bei Gebietsreformen, Städtebund 1970, 230, 234. 255 Vgl. Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 476 f.; Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 117; vgl. auch Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547. 258 Vgl. Lange, V e r w a l t u n g 1971 (4), 259, insbes. 270 ff. 257 Vgl. zum Diskussionsstand insgesamt: Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 114 ff.; vgl. auch Bethge, Aktualisierung, V e r w a l t u n g 1973 (6), 403, 433; Bischoff, Neugliederung, S. 29; Seewald, Maßstäbe, V e r w a l t u n g 1973 (6), 389, 394 f.

278 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

kommunalen Gebietskörperschaften hervorgehoben, die zeitlich („Verbot dauernden Experimentierens"), technisch („Verbot unklarer Verwaltungsabgrenzung") und grundsätzlich („Verbot eines Systems der Systemlosigkeit") der Dispositionsbefugnis des Staates Grenzen setze, weil solche Eigenverantwortung die Möglichkeit voraussetze, sich langfristig auf ein bestimmtes System einzustellen 258 . b) Vergleicht man die unterschiedlichen Argumentationen, so zeigt sich, daß sie durchgängig eine strikte Bindung des gebietsneugliedernden Gesetzgebers an die zugrundeliegenden Konzeptionen und Modelle nicht ins Auge fassen. Unbeschadet der variierenden Auffassungen zum Verhältnis von Regel und Ausnahme bei der Einhaltung und Nichteinhaltung der vorgefaßten Leitlinien stimmt dies mit der Feststellung überein, daß die sachimmanente Konkretheit gemeindlicher Integration eine strikt abstrahierende Behandlung der Gemeinden, das Absehen von den Daten des Einzelfalles schlechthin ausschließt 259 . Aber auch darüber hinaus erweist sich das K r i t e r i u m lokaler Einheitsbildung, also die unmittelbare Heranziehung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, als geeignet, das Phänomen der Neugliederungskonzepte, seine Bedeutung und seine Konsequenzen näher zu umreißen. Insbesondere lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse dazu folgende Aussagen formulieren: aa) Es würde die Sicht verengen, wollte man die einer Gebietsreform vorangehenden Planungen lediglich unter dem Aspekt ihrer verpflichtenden Wirkung betrachten. Angesichts des grundsätzlichen, verfassungsgeschützten Eigenwerts der gewachsenen gemeindlichen Strukturen liegt ihre primäre Funktion vielmehr darin, den Staat zu Eingriffen i n ihren Bestand zu berechtigen. Weil es für derartige Dispositionen i n jedem konkreten Fall eines verfassungsrechtlich legitimierten zureichenden Grundes bedarf, der sich entweder aus der Entscheidung selbst oder aus dem sie erzeugenden Entscheidungsprozeß hinreichend deutlich ablesen lassen muß, hängt dieser Nachweis gerade bei weiträumigen Umstrukturierungen von der Erkennbarkeit einer „vernünftigen Neugliederungsstrategie" ab 2 6 0 . Je einschneidender i m konkreten Fall der Eingriff i n den lebendigen und lebensfähigen Bestand ist, desto höhere Anforderungen ergeben sich an das Gewicht der rechtfertigenden Gründe, desto eindeutiger muß etwa erkennbar sein, daß die bundes- und landesweiten staatlichen Interessen, die Belange des umliegenden Raumes, die 258

Vgl. Stern!Püttner, Grundfragen, S. 25 f. ; dies., Landkreise, S. 24. Vgl. oben 3. Teil, 2. Kap. unter Β . I. 2.; zu weitgehend daher, w e i l die Lage i m konkreten Einzelfall u n d ihre Bedeutung nicht hinreichend berücksichtigend, Ronellenfitsch, Landkreisreform, D Ö V 1972,191,195. 260 Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814; vgl. auch Hoppe, Gebietsreform, DVB1. 1971, 473, 475. 259

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

279

künftige Entwicklung der Infrastruktur i h n zwingend gebieten, ferner daß die angestrebten Gliederung der lokalen Ebene eine Form schafft, die die verfassungsgewollte Entfaltung der örtlichen Kategorie auf Dauer sicherstellt. Ob diese Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Gebietsänderung gegeben sind, w i r d sich i n vielen Fällen, insbesondere bei den ersten Schritten einer stufenweisen Reform, ohne Kenntnis der Reformziele nicht beurteilen lassen 261 . Insoweit erweitert die Erarbeitung überzeugender und geschlossener Programme den Gestaltungsspielraum der staatlichen Gebietsverfügungshoheit; i n der überwiegenden Zahl der Neugliederungsmaßnahmen, etwa zur Schaffung eines durchgängigen zentralörtlichen Gliederungsprinzips, w i r d sie ihn vielfach erst eröffnen. bb) Eine Einschränkung des staatlichen Dispositionsspielraums tritt, wie dargelegt, niemals strikt ein. Da i n der konkreten Einheitsbildung jede Gemeinde sich von der anderen unterscheidet 262 , entsprechend eine egalisierende Handhabung aus der Natur der Sache ausscheidet, können abstrahierende Modelle und Pläne insoweit auch keine bindende W i r kung entfalten. Eine Limitierung der staatlichen Gestaltungsalternativen folgt aus dem Maßstab gemeindlicher Integration jedoch i n zweierlei Richtung. a) W i r d i m Rahmen einer großräumigen Reform eine schlüssige und fundierte Konzeption abschnittsweise i n die Tat umgesetzt, so tritt, je weiter die Verwirklichung fortschreitet, eine zunehmende Einengung i n der Bandbreite der weiteren Möglichkeiten ein. Durch die Summierung der punktuellen Vollzugsakte entstehen zum einen auf der lokalen Ebene neue Einheiten, das heißt aber — angesichts der Verflechtung der kommunalen Struktur eines Raumes, der integrierenden und desintegrierenden Wechselwirkung —, es werden neue Daten gesetzt, die bei der Entscheidung über die weiteren Neugliederungen dieses Raumes zu berücksichtigen sind. Je stärker sich die neue Ordnung der Region verdichtet, desto intensiver drängt der Gesichtspunkt der Integration der betroffenen Gemeinden, der bereits neugestalteten wie der noch ausstehenden, zu bestimmten, folgerichtigen Lösungen. Das hat einerseits zur Folge, daß die weiteren Neugliederungsschritte, wenn sie sich i m Rahmen des gewählten Konzepts halten, in zunehmendem Maße sich aus den bereits vollzogenen Maßnahmen rechtfertigen, weil sie sich zwanglos i n die bereits vorgeprägte Struktur einfügen. A u f der anderen Seite aber bedürfen Abweichungen von der einmal eingeschlagenen Linie einer besonderen Rechtfertigung, weil das argumentative Gewicht der bereits geschaffenen Strukturdaten gegen sie streitet, durch überwiegende Gründe aufgewogen werden muß. Anders wäre die Lage nur dann zu 261

Vgl. die Nachweise zuvor Fn. 260. 2β2 V g L V e r f G H N W , U r t . v. 21. 1. 1959 — V G H 4/58 —, OVGE 14, 377, 381; Bischoff, Neugliederung, S. 29.

280 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d.Gebietsgestaltung

beurteilen, wenn überzeugend dargetan würde, daß der zunächst gewählte Weg nach den bisherigen Erfahrungen nicht optimal war und daß das geänderte Reformprogramm i h m gegenüber ein Maß an Vorteilen aufweist, die den zusätzlichen desintegrierenden Effekt des Umschwenkens ausgleichen 263 . Kein Grad an überörtlichem Nutzen kann dabei allerdings das Uberschreiten der Grenze rechtfertigen, die zu völliger und langfristiger Desintegration gemeindlicher Einheiten f ü h r t 2 6 4 . Auch über den einzelnen regionalen Nachbarschaftsbezug hinaus vermag ein sich entwickelndes Reformwerk Wirkungen zu äußern, die auf eine Minderung der dem Staat verfügbaren Alternativen hinauslaufen. Es w i r d nämlich, bei Anwendung eines sachgerechten, örtliche und überörtliche Belange angemessen ausgleichenden Gesamtkonzepts, der Punkt erreicht werden, an dem sich insgesamt, landesweit eine neue Form gemeindlicher Daseinsweise abzeichnet. I n den noch nicht erfaßten Regionen muß dies, je konsequenter die Neuordnung bislang durchgeführt wurde, Erwartungshaltungen der örtlichen Gemeinschaften wecken, deren Enttäuschung negative Rückwirkung auf die politische Kontinuität der lokalen Kategorie und den Integrationsstandard insgesamt hat 2 6 5 . Während dies die Schwelle der notwendigen Begründungslast des Staates erhöht, t r i t t andrerseits für das Gewicht staatlicher Beweisführung eine Minderung ein. Denn wenn nicht durchschlagende, überzeugende Argumente für die Kursänderung verfügbar sind, w i r d die Diskontinuität des Vorgehens die Glaubwürdigkeit der Rechtfertigung weiterer Eingriffe entscheidend beeinträchtigen 266 . ß) Damit ist zugleich der zweite Gesichtspunkt mitgenannt, unter dem der Entschluß, eine bestimmte Zielprojektion zur Grundlage einer Gebietsreform zu machen, praktische und rechtliche Konsequenzen i m Sinne einer Verkleinerung des staatlichen Aktionsfeldes bewirkt. Nicht nur die Summierung neuer, das Grundmuster der Reform objektivierender Daten durch die einzelnen Durchführungsakte engt die weiteren Entscheidungsmöglichkeiten ein, weil sie diese Daten i n ihrer Auswirkung auf die lokale Einheitsbildung i n Rechnung stellen müssen. Auch die Gegenposition bei der Abwägung der für und wider eine Gebietsänderung streitenden Argumente, das Gewicht der den Eingriff rechtfertigenden Gründe, w i r d durch die Wahl und zunehmend bei der A n wendung der Konzeption beeinflußt. Muß ein Wechsel des einmal akzep263

Vgl. Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547. Vgl. oben 3. Teil, 2. Kap. unter Β . I. 4. 265 Vel. Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 139 f.; Stern/Püttner, Grundfragen, S. 26. 266 Vgl. Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 139 f.; vgl. auch Salzwedel, K o n zeptionsgerechtigkeit, D Ö V 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 814; vgl. allgemein zur Erscheinung des entscheidungsdeterminierenden Faktorensetzens i m Rahmen freier Gestaltung, speziell durch die V e r w a l t u n g : Ossenbühl, Ermessen, D Ö V 1970, 84, 88. 204

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

281

t i e r t e n Systems schon an sich m i t g u t e n G r ü n d e n belegt w e r d e n , soll das V e r t r a u e n i n seinen z w i n g e n d e n , l e g i t i m i e r e n d e n G e h a l t n i c h t s i n k e n , so g i l t dies u m so m e h r , j e w e i t e r die D u r c h f ü h r u n g des u r s p r ü n g l i c h e n Systems f o r t g e s c h r i t t e n i s t 2 6 7 . γ) B e i d e Grenzen, die d u r c h die S e t z u n g neuer, sich v e r f e s t i g e n d e r D a t e n b e w i r k t e w i e die d u r c h d e n G e w i c h t s v e r l u s t b e i Ä n d e r u n g des K o n zepts gezogene, w e r d e n a k t u e l l , w e n n i m k o n k r e t e n F a l l eine e i n m a l d u r c h g e f ü h r t e G e b i e t s ä n d e r u n g r ü c k g ä n g i g gemacht u n d d u r c h eine a n dere L ö s u n g ersetzt w e r d e n s o l l 2 6 8 . 267

Vgl. Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 137 f., 139; vgl. auch Lange, Systemgerechtigkeit, V e r w a l t u n g 1971 (4), 259, 270 ff.; insbes. zum Vertrauensverlust bei Fehlentwicklungen i n der Reform Becker, Reformen nach der V e r waltungsreform, Gemeindetag 1971, 306, 306, 307. 268 Vgl. die Beispielsfälle bei Stüer, Gebietsreform, Städte- u n d Gemeinerat 1975, 109 Fn. 1. Vgl. ferner den F a l l der Stadt Meerbusch, die, 1970 gegründet (§ 9 G zur Neugliederung des Kreises Kempen-Krefeld u n d der kreisfreien Stadt Viersen v. 18. 12. 1969, GVB1. N W 966), durch das G zur Neugliederung der Gemeinden u n d Kreise des Neugliederungsraumes Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal v. 10. 9. 1974 (GVB1. N W 890, vgl. §§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 9 Nr. 1, 10 Abs. 1) wieder aufgelöst u n d dem Gebiet der Städte Düsseldorf, Krefeld und Neuss zugeschlagen wurde. Z u m Verfahrensgang u n d zum geringen Gewicht der erreichten innerörtlichen Integration i n der Argumentation f ü r u n d gegen die Erhaltung von Meerbusch vgl. insbes. Vorschlag M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, S. 211, 356 ff.; Gesetzentwurf LReg N W v. 19. 3. 1974, LT-Drucks. 7/3700, Bd. 1 S. 18; Bericht des Ausschusses für V e r waltungsreform zur 2. Lesung, LT-Drucks. 7/3900 S. 9 ff., 49, 54, 61 ff. (insbes. § 9 S. 66 r. Sp.); Bericht des Ausschusses zur 3. Lesung, LT-Drucks. 7/3980 (insbes. zu § 10 S. 3 ff.); vgl. auch die Änderungen der §§ 9 u n d 10 durch Beschluß des Ausschusses, a.a.O. S. 14 f. Der V e r f G H NW, der die gesetzgeberische Entscheidung für die Auflösung von Meerbusch für nichtig erklärt hat (Urt. v. 13. 9. 1975 — V e r f G H 43/74 —), stützt sich i n seiner Begründung unmittelbar allein auf eine Verletzung des Gebots hinreichender Anhörung ( A U S. 20, 22 ff.). Dabei mag die Erwägung eine Rolle gespielt haben, daß angesichts der unsicheren Zukunftsperspektive der künstlichen Neuschöpfung Meerbusch die materiellrechtliche Beurteilung des gesetzgeberischen Eingriffes problematisch sei (vgl. S. 25). Andrerseits bezieht der V e r f G H unter dem Gesichtspunkt h i n r e i chender Informationsgrundlagen des Gesetzgebers bei der Abwägung des Für u n d Wider das „Vertrauen u n d Engagement der Bevölkerung" allgemein (S. 31), den „beim Aufbau . . . bewiesene(n) Elan u n d die großen Planungs- und A r beitsleistungen" (S. 32) sowie das „Gewicht" ein, das „dem Bestand einer k o n kreten kommunalen Selbstverwaltungseinheit" zukomme (ebenda). Vgl. zur „erweiterten Begründungspflicht" S. 30 f., allgemein zum Verhältnis verfahrensrechtlicher zu materieller Argumentation : Hoppe/Stüer, Analyse des Meerbuschurteils, Städte- u n d Gemeinderat 1975, 371 ff., insbes. 372 f., 377 (daselbst S. 367 ff. auch ein auszugsweiser Abdruck des Urteils; vgl. nunmehr auch DVB1. 1976, 391 ff.). Auch i m Neugliederungsraum Bonn finden sich Stimmen, die auf eine Revision der m i t G zur kommunalen Neugliederung des Raumes Bonn v. 10. 6. 1969 (GVB1. N W 236) getroffenen Lösung abzielen. Die erheblich vergrößerte Stadt Bonn (vgl. § 1, Zusammenschluß u. a. m i t Beuel u n d Bad Godesberg) äußert expandierende Wünsche i n bezug auf die umliegenden neugebildeten Gemeinden, so Bornheim (§ 2), Meckenheim (§ 6), Sankt Augustin (§ 10), vgl. dazu Bericht „ B o n n h a t , H u n g e r ' auf drei Gemeinden aus dem Kreis", GeneralAnzeiger/Rhein-Sieg-Zeitung, Nr. 26019 v. 17. 7.1975, S. 5.

282 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

Mehrfachneugliederungen können etwa darauf beruhen, daß sich, unbeschadet der Fortgeltung der ursprünglich gewählten Reformstrategie, eine einzelne Neuordnungsmaßnahme in der Folgezeit als inpraktikabel erweist, sei es i m Hinblick auf die lokale Entwicklung, sei es i n der Rückwirkung auf den Gesamtraum 269 . Vor allem aber kommt es zu derartigen Korrekturen, wenn die staatlichen Entscheidungsträger ihre Zielvorstellungen für die künftige Gebietsgestaltung insgesamt ändern, beispielsweise weil eine bestimmte Modellkonzeption sich i n der Anwendung nicht bewährt hat, durch neue planerische Erkenntnisse als unzureichend dargetan ist. So hat unter anderem die wesentlich von verkehrspolitischen Erwägungen geprägte Idee, hoch verdichtete Ballungskerne durch Satellitenstädte zu entlasten, der Einsicht Platz gemacht, daß dadurch nachteilige Konkurrenzsituationen geschaffen werden, die die einheitliche Planung beeinträchtigen, die weitere Entleerung der Großstädte fördernd und deren Veranstaltungskraft zusätzlich i n Anspruch nehmen 2 7 0 . Daß ein derartiger Wechsel der Konzeption grundsätzlich legitim ist, folgt aus deren spezifischer, niemals strikter Bindewirkung 2 7 1 . Da andrerseits bei jeder Disposition über den territorialen Bestand die Konsequenzen für die gemeindliche Integrationslage in Rechnung zu stellen sind, müssen die Besonderheiten geprüft werden, die sich aus der Kumulierung solcher Eingriffe, aus der wiederholten Umorientierung der Bevölkerung insoweit ergeben. Dabei erscheinen solche Fälle als unproblematisch, i n denen eine neugeschaffene Raumkörperschaft sich als schlechthin nicht integrierbar erweist 2 7 2 . Denn insoweit hat der staatliche Eingriff an die Stelle vorhandener Gemeinden ein administratives Gebilde gesetzt, das seinerseits 269

Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 75 f. Vgl. ζ. B. einerseits Landesentwicklungsprogramm N W v. 7. 8. 1964 (MinBl. N W S. 1205) unter I I Β 2 b, andrerseits Nordrhein-Westfalen-Programm 1975, S. 82 ff., ferner G zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm) v. 19. 3. 1974 (GVB1. N W 96), § 19 Abs. 3 b. Deutlich ablesbar ist dieser Wandel etwa i m F a l l Meerbusch: vgl. Begründung des Entwurfs des G zur Neugliederung des Landkreises Kempen-Krefeld u n d der kreisfreien Stadt Viersen, LT-Drucks. N W 6/1341, S. 58 f. Rdn. 6.6.2 u n d S. 121 f. Rdn. 5.5/5.6; Vorschlag M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, S. 347 ff., insbes. S. 359 Rdn. 4; V e r f G H NW, Urt. v. 13. 9. 1975 — V e r f G H 43/74 —, A U S. 23 f., 30 f.; vgl. auch V e r f G H NW, Urt. v. 2. 11. 1973 — V e r f G H 17/72 — (Sennestadt), A U S. 6, 15 f., 21 f., 26 (insoweit nicht abgedruckt i n OVGE 28, 307 ff.); V e r f G H NW, Urt. v. 6. 12. 1975 — V e r f G H 45/74 — (Kempen), A U S. 28, 33; V e r f G H NW, Urt. v. 9. 4. 1976 — V e r f G H 14/74 — (Kettwig), A U S. 22, 26, 38 f. Vgl. auch Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 109. 271 So etwa ausdrücklich V e r f G H NW, Urt. v. 13. 9. 1975 — V e r f G H 43/74 — (Meerbusch), A U S. 20 f. (vgl. Städte- u n d Gemeinderat 1975, 367, 367 f.); dazu auch Hoppe/Stüer i n der Analyse dieser Entscheidung, Städte- und Gemeinderat 1975, 371, 379 f. 272 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 76. 270

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

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keine „Gemeinde" i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG darstellt. Der dadurch entstandene Zustand bildet eine dauernde Einbuße i m Bestand der verfassungsgewährleisteten Einrichtung, so daß die Bereinigung dieser Mangellage i n Richtung auf einheitsfähige Formationen unter dem Aspekt lokaler Integration nicht nur nicht gehindert wird, sondern seiner Verwirklichung dient. Der entgegengesetzte Befund ergibt sich da, wo die neugeformte gemeindliche Einheit den jeder Umgliederung eigentümlichen Effekt der Minderung des Zusammenhalts überwunden und sich zu einem uneingeschränkten, lebendigen Zustand integralen gemeindlichen Eigenlebens entwickelt hat. Faktoren für einen derartigen Prozeß bilden insbesondere der Zeitablauf, der die Verfestigung neuer innergemeindlicher Bezüge mit sich bringt 2 7 3 , ferner die konkrete A r t und Weise, mit der die Neugliederungsmaßnahme bereits vorhandene zwischen- und überörtliche Verflechtungen mit ihrer Lösung nutzbar gemacht hat. Zieht man insoweit i n Betracht, daß die empfindliche, nicht beliebig reproduzierbare lokale Integrationsbereitschaft durch mehrfache Eingriffe, mehrfache Umorientierungen, ein „ H i n und Her", wesentlich stärker beeinträchtigt werden muß, als durch eine einmalige Umgestaltung 2 7 4 , stellt man fernerhin den Gewichtsverlust der staatlichen Argumentation — insbesondere bei einem Umschwenken der Beurteilung in ein und demselben Fall — i n Rechnung, so folgt daraus zwingend eine entsprechende, starke Anhebung der Anforderungen, die an einen zureichenden Grund für die erneute Änderung zu stellen sind 2 7 5 . Keinesfalls kann insoweit der Hinweis genügen, die i n die erste Reformmaßnahme gesetzten staatlichen Erwartungen seien unerfüllt geblieben 2 7 6 . Vielmehr bedarf es wiederum einer umfassenden konkreten Überprüfung und Abwägung, und zwar an Hand verschärfter Maßstäbe i m Vergleich zum vorgängigen, erstmaligen Eingriff. Erforderlich ist eine präzise Bestandsaufnahme der vorhandenen Integrationslage, also insbesondere der Wirkungen der ursprünglichen Neugliederung auf das gemeindliche Einheitsbewußtsein, der gegenwärtigen Ansätze neuer Verflechtung und der erwartbaren Entwicklung bei ungestörtem Fortgang. Dem Ergebnis solcher Diagnose muß die Prognose gegenübergestellt werden, welche Konsequenzen eine neuerliche Umgestaltung für den lebendigen Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaften des geplanten abweichenden Zuschnitts äußern wird. Ergibt der kritische Ver273 Vgl. zur Anerkennung derartiger neugebildeter Verflechtungen: Stüer, Gebietsreform, Städte- u n d Gemeinderat 1975,109,114 m. w. N. 274 Vgl. Stüer, Gebietsreform, Städte- und Gemeinderat 1975, 109, 110 f., insbes. auch zum F a l l Meerbusch. 275 Vgl. Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 136 f., vgl. auch S. 139 f.; Stüer, Gebietsreform, Städte- und Gemeinderat 1975, 109, 113 f., 120; Stern/Püttner, Grundfragen, S. 25 f. 27β y g i z u m F a i i Meerbusch die Argumentation des Verwaltungsreformausschusses, LT-Drucks. N W 7/3980. S. 3 ff.

284 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

gleich ein Integrationsdefizit, das praktisch auf längere Sicht kein Wiedererstarken gemeindebürgerlicher Anteilnahme erwarten läßt, so ist der nochmalige Eingriff unzulässig, weil er nicht zur Bildung von Gemeinden nach dem verfassungsrechtlichen B i l d führt. Oberhalb dieser Schwelle ist die Integrationsdifferenz ins Verhältnis zu den örtlichen und überörtlichen, kommunalen und staatlichen Gesichtspunkten zu setzen, die für die wiederholte Änderung sprechen. Nur wenn sich für letztere ein eindeutiges, überzeugendes, überprüfbares Ubergewicht ergibt, darf die abermalige Neugliederung vorgenommen werden 2 7 7 . Mag die Lage i n manchen Fällen wenig eindeutig, das Verhältnis der für und gegen einen erneuten Eingriff sprechenden Daten komplex sein, sowohl aus dem Blickwinkel gemeindlicher Einheitsbildung wie aus dem des regionalen und staatlichen Interesses, so folgt doch aus dem Verfassungswert gemeindlicher Integration insgesamt: Eine Mehrfachneugliederung bewirkt typischerweise einen besonders tiefgreifenden Eingriff i n dieses Schutzgut. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an das Gewicht der Gründe zu stellen, die eine solche Entscheidung rechtfertigen sollen. Entsprechend sorgfältig, konkret und korrekt muß erkennbar das Verfahren gestaltet sein, das zu einer derartigen Entscheidung f ü h r t 2 7 8 . Mögen i n einem umfassenden Reformwerk nachträgliche Korrekturen, i m Interesse aller berührten, verfassungsrechtlich legitimen Belange, nicht völlig auszuschließen sein 2 7 9 , so muß doch, nicht allein aus praktisch-politischen, sondern aus verfassungsrechtlichen Gründen, sichergestellt werden, daß sie auf unabweisbare Ausnahmen beschränkt bleiben, daß sie insbesondere nicht allein an technisch-rationaler Maximierung gemessen werden. Denn diese ist angesichts der grundgesetzlichen Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung von dem Gesichtspunkt nicht ablösbar, daß jede Reformmaßnahme vor dem Kriter i u m hinreichender lokaler Integration bestehen können muß 2 8 0 . So ausgeprägt der Zielkonflikt i m Einzelfall sein mag, so schwierig sich die aufgegebene praktische Konkordanz zwischen dem Verfassungsmaßstab gemeindlicher Einheitsbildung und den widerstreitenden Verfassungswerten gestaltet, so wenig kann doch, aufs Ganze gesehen, von einer Unvereinbarkeit der Determinanten gesprochen werden. Die lebendige, geschichtlich gewachsene Substanz, i n die auch i n der gegenwärtigen Lage die Entwicklung und die wechselweise Bezogenheit der 277 Vgl. zur staatlichen Argumentationslast bei Mehrfachneugliederungen V e r f G H NW, Urt. v. 13. 9. 1975 — V e r f G H 43/74 — (Meerbusch), A U S. 21, 25, insbes. S. 30f.; dazu Hoppe/Stüer, Analyse dieser Entscheidung, Städte- und Gemeinderat 1975, 371, 378. 278 Vgl. Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz, S. 136 f.; Stüer, Gebietsreform, Städte- und Gemeinderat 1975, 109 ff.; vgl. auch Vorschlag M d l N W Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal, S. 357 ff. 279 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 75 f. 280 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 67 f., 75.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

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staatlichen und kommunalen Kategorie i n Deutschland eingebettet sind, rechtfertigt vielmehr die Schlußfolgerung: „Die Steigerung der Leistungsfähigkeit und die Hebung der Verwaltungskraft werden i m größeren Gemeinwesen nur wirksam, wenn die soziale Gerechtigkeit i n einer örtlich verbundenen und verantwortungsbewußten Einwohnerschaft gefestigt ist 2 8 1 ." I I I . Die gemeindliche Integration und die kommunale Gebietsreform

Eben die Forderung nach ausgewogenen Gestaltungskriterien für den territorialen Zuschnitt bezeichnet den Punkt, von dem her die kommunale Gebietsreform i n den Bundesländern, wenn auch i n unterschiedlichem Grade, i m Licht verfassungsrechtlicher Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung die stärksten Bedenken erwecken muß: i n der einseitigen Uberbetonung quantitativer, effektivitätsbezogener, technischrationaler Maßstäbe 282 , i n der Vernachlässigung des rechtlichen und politischen Werts gewachsener lokaler Einheitsbildung, der an natürlichen Gegebenheiten anknüpfenden Selbstentfaltung der örtlichen Kategorie. Können die Kriterien der Verwaltungs-, Veranstaltungs- und Finanzkraft nur eine dienende Rolle haben, Mittel zum Zweck sein für die Verwirklichung staatlicher und kommunaler Ziele, so stellt die auf kräftiger gemeindlicher Integration ruhende Selbstverwaltung der Verbände der unmittelbaren Daseinssphäre ein von Grundgesetz wegen zu förderndes Gut an sich dar 2 8 3 , ein wesentliches Element politischer Substanz des staatlichen Gesamtgemeinwesens 284 . Dieses durchaus unterschiedliche Gewicht, die verfassungsrechtlich vorgezeichnete Priorität kommunaler Substanz erscheint i m Zuge der landesweiten Neugliederungen bisweilen nahezu ins Gegenteil verkehrt. 1. Besonders deutlich t r i t t dieses Mißverhältnis i n solchen Fällen zutage, i n denen der künftige territoriale Zuschnitt der gemeindlichen Ebene allzu vorrangig, wenn nicht ausschließlich am Maßstab sogenann281

Becker, Beobachtungen, S. 75. Becker, Beobachtungen, S. 66, 80; ders., Reformen nach der Verwaltungsreform, Gemeindetag 1971, 306, 306, 307; Conrady, Interesse des Bürgers, L a n d kreis 1973, 76, 77 f.; Hoppe, Aspekte, Städte- u n d Gemeinderat 1973, 14, 21 f.; Knemeyer, Gebietsreform i n Bayern, DÖV 1972, 346, 347; Hinkel, Gebietsreform He, DVB1. 1974, 496, 498; Seibert, Selbstverwaltungsgarantie, S. 62 f.; Siedentopf, Grenzen, V e r w a l t u n g 1971, 279, 280 ff. 283 Vgl. Becker, Reformen nach der Verwaltungsreform, Gemeindetag 1971, 306, 307; Berkenhoff, Selbstverwaltung, Städte- u n d Gemeinderat 1973, 23, 23; Bischoff, Neugliederung S. 27. 284 Vgl. Bischoff, Neugliederung, S. 13 ff.; Röttgen, Krise, S. 13; Ossenbühl, Rahmengesetzgebung, D Ö V 1972, 479, 480; Rengeling, Überprüfung, Landkreis 1974, 52, 55; Salzwedel, Konzeptionsgerechtigkeit, DÖV 1969, 546, 547; ders., Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 813; Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973, 1, 10 f., 30, 36 ff. 282

286 I I I . 2 . K a p . : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

ter „Versorgungsnahbereiche" ausgerichtet w i r d 2 8 5 , an der „Gliederung des Raumes i n ein System zentraler Orte und deren Versorgungsbereiche" 2 8 6 . Die Uberbetonung dieses Aspekts führt etwa dazu, daß i n dünn besiedelten ländlichen Zonen zahlreiche räumlich klar voneinander abgesetzte Gemeinden zu einheitlichen Gebilden zusammengesetzt werden, deren organisches Zusammenwachsen über breite Trennzonen hinweg zu einer Gemeinde i m Verfassungssinn bis auf weiteres nicht erwartet werden kann 2 8 7 . Da aber eine mindeste Integration nach dem Ergebnis der vorliegenden Untersuchung essentieller und unverzichtbarer Bestandteil des grundgesetzlichen Gemeindebildes ist, überschreiten solche Maßnahmen die rechtlichen Grenzen, die die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Disposition des Staates über die Gebietsstruktur der gemeindlichen Ebene zieht. Es ist freilich nicht zu verkennen, daß die gewandelte Funktion und Bedeutung öffentlicher, also auch lokaler Verwaltung, die Verschiebung des Schwergewichts auf den leistenden, planenden und güterverteilenden Sektor, die Komponente der Daseinsvorsorge i n den Vordergrund gerückt haben 2 8 8 . Dennoch liegt bereits i m Begriff der „Versorgungsgemeinde" eine sachwidrige Verkürzung der komplexen gemeindlichen Realität. Auch unter den heutigen Bedingungen bildet die Versorgung der örtlichen Gemeinschaft mit den notwendigen Leistungen der Daseinsstabilisierung nur einen, wenn auch erheblichen Ausschnitt aus der umfassenden politischen Lebensform der Gemeinde 280 . Vor allem kann sie 285 So vor allem Gutachten N W Abschnitt A , insbes. unter I I I 19. ff., S. 22 ff.; vgl. auch die i n Konsequenz dieses Maßstabes entwickelten Gemeindetypen A u n d B, ebenda unter I V 25. ff., S. 26 ff.; ferner auch Neugliederung Saarland, Rdn. 2.2.7, S. 22; demgegenüber wesentlich weniger s t r i k t Gutachten B - W A , Dokumentation, B - W I, S. 547 u n d passim (zu den Leitsätzen 29 - 31) ; Gutachten Nds, Rdn. 140 ff., S. 52 f.; Rdn. 195, S. 63; vgl. auch Gutachten Schl-H, Rdn. 289 ff., S. 177 ff., insbes. auch die abgestufte Lösung Rdn. 439 ff., S. 230 f.; zur verwaltungswissenschaftlichen Entwicklung des „Versorgungsnahbereichs" insbes. Isbary, Zentrale Orte u n d Versorgungsnahbereiche; ferner Laux, K r i terien, DVB1. 1968, 374 ff.; ders., Methoden u n d Technik; ders., Verwaltungsgliederung u n d Versorgungsnahbereich; skeptisch etwa Wilhelm Loschelder, Bewährung, D Ö V 1969, 801, 806; Thieme, V o m Nutzen kleiner Gemeinden, A f K 1972, 358, 360; v. Unruh, Dezentralisation, D Ö V 1974, 649, 654; insbes. Becker, Beobachtungen, S. 63 ff., 66 ff. 286 So Laux, Kriterien, DVB1.1968, 374, 376. 287 Vgl. die Darstellung bei Bückmann, Verfassungsfragen, S. 82 ff. ; kritisch insbes. Becker, Beobachtungen, S. 67; vgl. auch Galette, Wege u n d Irrwege, Kommunalwirtschaft 1967, 479, 482, der solchen großflächigen Bildungen i m ländlichen Raum die Qualifizierung als „örtliche Gemeinschaft" i m Sinne des A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG „zumindest zur Zeit" abspricht; vgl. auch Schnur/ Siedentopf, Z u r Neugliederung i n Ballungsräumen, S. 11,17. 288 Vgl. eingehend Stadt-Umland-Gutachten Bay, Rdn. 6.2.1.3, S. 70 ff.; grundlegend Hesse, Grundzüge, § 6 I I 3 a, S. 85 f.; vgl. auch Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 113 ff.; ders., Stadt u n d Bürger, S. 29 f. 289 Vgl. Stadt-Umland-Gutachten Bay, Rdn. 6.1.4, S. 67 f.; Rdn. 6.2.1.7, S. 75 f.; vgl. auch Rdn. 6.2.1.8, S. 77 f.; ferner Wagener, Maßstäbe, Städte- u n d Gemein-

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

287

m i t der Essenz ihres tätigen Wirkens nicht i n eins gesetzt werden, ist lediglich deren Funktion, ein Ausfluß ihres Handels neben anderen. Der Motor solcher Betätigung selbst dagegen muß nach wie vor, von Verfassungs wegen wie i m Interesse politischer Substanzwahrung, i m latenten und sich von Fall zu Fall aktualisierenden Einheitsbewußtsein der Gemeindebürgerschaft gefunden werden, i n der örtlichen Integration 2 9 0 . Prüft man unter diesem K r i t e r i u m den Stellenwert der „Versorgungsnahbereiche", so ergibt sich, daß ihre Erhebung zum vorrangigen Maßstab das verfassungsrechtlich determinierte Ziel einer kommunalen Gebietsreform verfehlen muß. Ein solches Vorgehen erfüllt nicht das Gebot umfassenden, konkreten, sorgfältigen Abwägens aller integrationsrelevanten Faktoren gegenüber den für eine Neugestaltung sprechenden Erwägungen. Wie wenig dabei der Gehalt und der rechtliche Stellenwert gemeindlicher Einheitsbildung i n den Blick genommen wird, zeigt sich vor allem dann, wenn undifferenziert die unterschiedlichen Versorgungsleistungen, administrativen Veranstaltungen zur Grundlage quantitativer Berechnung günstiger Einzugsbereiche und Mindestbevölkerungszahlen gemacht werden 2 9 1 . Dabei bleibt die unterschiedliche Bedeutung, die der einzelne Sachkomplex lokaler Daseinsvorsorge für die örtliche Integration besitzt, gänzlich unberücksichtigt. Geht etwa einerseits von dem gemeindlichen Angebot des Bildungs- und K u l t u r sektors eine starke einheitsfördernde Wirkung aus, sind beispielsweise Schulbezirke ein intensiver Förderungsfaktor für das Hineinwachsen i n eine neue, erlebte „örtliche Gemeinschaft" 292 , so kommt anderen Leistungen lokaler Administration demgegenüber wesentlich geringere Verderat 1973, 237, 240; vgl. auch bereits i m Hinblick auf die administrative F u n k tion der Gemeinde Scheuner, Neubestimmung, A f K 1973,1,36 f. 290 Vgl. oben 3. Teil, 1. Kap. u n t e r C. II., I I I . 291 So insbes. dezidiert Gutachten N W Abschnitt A , S. 22 ff. unter 20.; vgl. auch S. 24 (21. Vertretbare Größe von Versorgungsnahbereichen — zumutbare Entfernungen), S. 24 f. (22. Versorgungsnachbereich u n d Siedlungsstruktur), S. 25 (23. Räumliche Anordnung der Versorgungsnahbereiche u n d die F u n k t i o n der zentralen Orte), S. 25 f. (24. Versorgungsnahbereich u n d kommunale V e r waltungsstruktur), sowie die i n Konsequenz dieser Erwägungen entwickelten „gemeindlichen Grundtypen" A u n d B, S. 26 ff. (unter IV.). Grundlegend für die quantifizierende Methode: Isbary, Zentrale Orte und Versorgungsnahbereiche, insbes. S. 32 ff.; Wagener, Neubau, insbes. S. 328 ff.; ders., Gemeindeverw a l t u n g u n d Kreisverwaltung, A f K 1964, 237, 245 ff. ; vgl. auch Laux, V e r w a l tungsgliederung u n d Versorgungsnahbereich, S. 9 ff.; ders., Methoden u n d Technik, S. 7 ff. vgl. zu den verwaltungswissenschaftlichen Grundlagen allgemein die inzwischen erschienene Abhandlung von Rengeling, DVB1. 1976, 353 ff.; jedoch ist i m verwaltungswissenschaftlichen Schrifttum, insbes. bei den genannten Autoren, von einer Verabsolutierung quantitativer Maßstäbe nicht die Rede, vgl. etwa die „Integrationsmaßstäbe" bei Wagener, Neubau, insbes. S. 311 ff.; ders., Maßstäbe, Städte- u n d Gemeinderat 1973, 237, 240; vgl. auch Laux, Kriterien, DVB1.1968, 374, 376. 292 y g i Qaiette, Wege u n d Irrwege, Kommunalwirtschaft 1(967, 479, 483 ; ders., Dörfergemeinschaftsschule, Gemeinde Schl-H 1966,148,150 (r. Sp.), 153.

288 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

flechtungskraft zu. Mag ein entwickeltes innergemeindliches Verkehrssystem die Möglichkeit der Anschauung der Einheit „Gemeinde" ausweiten und vervielfältigen, mögen selbst Kanalisation und Müllabfuhr die Tätigkeit der „eigenen" lokalen Einheit sichtbar machen, so berührt es doch andrerseits den Ortsbürger unverhältnismäßig weniger, ob etwa Müllverbrennungs- und Wasseraufbereitungsanlage i n der Trägerschaft der eigenen Gemeinde stehen oder i n interkommunaler Zusammenarbeit betrieben werden, ob sie auf dem eigenen Territorium oder auf benachbartem Gebiet belegen sind 2 9 3 . 2. Gerade das Beispiel der „Versorgungsgemeinde" läßt auf der anderen Seite erkennen, worin i m wesentlichen die Konsequenz des verfassungsrechtlichen Kriteriums gemeindlicher Integration besteht. B i l det die „Gemeinde" i n der Tat eine fundamentale politische Kategorie, die die Sphäre des unmittelbaren, täglichen Daseins i n der „örtlichen Gemeinschaft" umfassend i n sich einbegreift, so kann die damit verbundene Komplexität des Gegenstandes von vornherein nicht die Erwartung wecken, es könne sich aus i h m ein Maßstab gewinnen lassen, der für jeden einzelnen Fall i m Wege eindeutiger Subsumtion zu einem einzigen Ergebnis für die Frage des Gebietszuschnitts führt. Die Vielfalt der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte, die Notwendigkeit des Wägens und Wertens i n der je konkreten Situation, erweisen i m Gegenteil ein solches einschichtiges Entweder-Oder als nicht sachgerecht 294 . Eben sie machen es insbesondere unmöglich, jenseits extremer Sachlagen, an Hand beliebig herausgegriffener Beispiele und ohne detaillierte Untersuchung der jeweiligen lokalen Gesamtsituation, abschließende Urteile über einzelne Neugliederungsmaßnahmen zu fällen. Derartige Urteile, die nicht aus der unmittelbaren Anschauung und Prüfung aller das örtliche B i l d bestimmenden Elemente erwachsen, setzen sich notwendig i n Gegensatz zu der grundgesetzlich geforderten konkreten und umfassenden Entscheidungsbildung. Das schließt allerdings nicht aus, tendenziell aufzuzeigen, wo Maßnahmen der Gebietsreform dem verfassungsrechtlichen Gemeindebild nicht gerecht werden. Die schematische Zusammenlegung kleinerer Gemeinden zu Versorgungsnahbereichen, aber auch die überproportionale Zusammenfassung gewachsener Städte zu Mammutmetropolen i n den industriellen Ballungsgebieten würde den Rahmen dieses Bildes spren293 Vgl. zur Notwendigkeit differenzierender Bewertung der gemeindlichen Leistungen, etwa i m Hinblick auf die „Herstellung und Sicherung einer ansprechenden, individuelles Erleben u n d persönliche Identifikation ermöglichenden U m w e l t " : Stadt-Umland-Gutachten Bay, Rdn. 6.2.1.3, S. 71 f., insbes. S. 72; zur Differenzierung der Ansprüche u n d damit des Stellenwerts gemeindlicher V e r sorgungsleistungen ebenda, Rdn. 7.1.3.1, S. 106. 294 Vgl. zur Unzulänglichkeit eines „Subsumtionsdenken(s)" i n diesem Bereich: Stüer, Gestaltungsraum, DVB1.1974, 314, 317.

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m f ü r Gebietsänderungen

289

gen 2 9 5 . Gleiches gilt für die Konstruktion artifizieller Großstädte aus benachbarten Gemeinden, deren Bevölkerung die Bereitschaft zu großstädtischer Lebensform fehlt 2 9 6 . Insbesondere da, wo an sich eigenwertige, integrierte lokale Einheiten i n größere neue Formierungen einbezogen werden, muß die kritische Prüfung einsetzen, ob dem Verlust an kommunaler Selbständigkeit klar überwiegende, zwingende Interessen gegenüberstehen 297 . Der Wunsch, neue, unter quantitativen Gesichtspunkten perfektionierte Gebilde zu schaffen, stellt kein solches Interesse dar — ob es nun u m optimale Einwohner- oder Flächenrichtwerte geht, u m die möglichst effiziente Ausnutzung von Verwaltungskapazitäten, u m vollständige A b deckung der administrativen Bedürfnisse eines Raumes oder u m seine planerische Durchgestaltung durch eine Hand. Die „Gemeinde" des Grundgesetzes ist nicht i n erster Linie eine technisch perfekte Organisationseinheit, sondern ein kohärenter politischer Körper. Zwar dient dessen Dasein wesentlich auch ein von Fall zu Fall unterschiedlicher organisatorischer Standard. Daß dieser aber nicht primärer Zweck ist, daß seiner Steigerung die örtliche Substanz nicht geopfert werden darf, erfährt seine Bestätigung durch die grundgesetzliche Gewährleistung einer Gemeindeverbandsebene, zu deren wesentlichen kommunalen Funktionen überkommenermaßen Ergänzung und Ausgleich der kreisangehörigen Gemeinden gehört 2 9 8 . Infolgedessen entspricht es einer leitbildorientierten Gebietsreform nicht, über einer nach „imperialen Maßstäben" 2 9 9 zugeschnittenen Basis gemeindlicher Einheiten hochdimensionierte Kreise zu errichten, deren kommunaler Bezug sich i n regionalen Ausmaßen verliert 3 0 0 . Umgekehrt 295 Vgl., i m H i n b l i c k auf die Neugliederung des Ruhrgebiets, Thieme, Die magische Z a h l 200 000, D Ö V 1973,442,446. 298 Vgl. Becker, Beobachtungen, S. 73. 297 Vgl. den Beispielsfall Bielefeld/Brackwede: Schnur!Siedentopf, Z u r Neugliederung i n Ballungsräumen, insbes. S. 17 u n d passim; zum F a l l Arnsberg/ Neheim-Hüsten vgl. oben 3. Teil, Fn. 198; auch etwa die Eingliederung der Städte B a d Godesberg u n d Beuel i n die neue Großgemeinde Bonn (§ 1 Abs. 1 des G zur Neugliederung des Raumes Bonn v. 10. 6. 1969, GVB1. N W S. 236) legt eine kritische Untersuchung der für u n d gegen diese Maßnahme sprechenden Gesichtspunkte nahe (vgl. dazu — deutlich zurückhaltend — V e r f G H NW, Urt. v. 24. 4. 1970 — V G H 13/69 —, OVGE 26, 270, 277 ff., 282 ff.; V e r f G H NW, Urt. v. 24. 4. 1970 — V G H 14/69 —, OVGE 26, 286, 292 ff., 296 ff.); allgemein zum rechtfertigenden G r u n d der „ F o r m u n g eines hauptstädtischen Siedlungsraumes" : Salzwedel, Gebietsänderung, D Ö V 1969, 810, 812. 298 Vgl. oben 2. Teil, Fn. 408, 412, 413. 299 Vgl. Berkenhoff, Imperiale Maßstäbe, Städte- u n d Gemeinderat 1971, 57 ff. 800 Vgl. Schnur, Regionalkreise, S. 17 ff., 22 f., 26 f.; Stern!Püttner, L a n d kreise, S. 38 f.; Wiese, Gemeindeverbandsebene, S. 44 ff.; vgl. auch die Beispiele bei Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform, S. 144.

19 Loschelder

290 I I I . 2. Kap. : Gemeindliche Integration als Maßstab d. Gebietsgestaltung

bietet vielmehr das Vorhandensein hinreichend örtlich präsenter Landkreise ein gewichtiges Argument, i m Zielkonflikt zwischen Veranstaltungs-, Verwaltungs- und Finanzkraft einerseits, lebendiger gemeindlicher Eigenständigkeit andrerseits dem Verfassungsgut bürgerschaftlicher Integration und seiner organischen Entfaltung den zentralen Stellenwert zu belassen. Insgesamt ist entscheidend, daß dem Maßstab lokaler Einheitsbildung i m Zuge staatlicher Disposition über den kommunalen Gebietszuschnitt wie bei ihrer verfassungsgerichtlichen Uberprüfung der hohe Rang eingeräumt wird, der sich aus A r t . 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt. Das vermag Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Wertungen und Gewichtungen i n jedem einzelnen Fall nicht zu beseitigen. Dadurch w i r d jedoch sichergestellt, daß die Verfügung über den gemeindlichen Bestand durchgängig m i t größerer Behutsamkeit, frei von Schematismus, mit dem gebührenden Respekt vor der gewachsenen, reichen Individualität der gemeindlichen Ebene verfährt. Es w i r d sichergestellt, daß deren Umformung genauer und wirkungsvoller an vorhandenen Ansätzen anknüpft. Auch da, wo die bisherige Staatspraxis allzu unbekümmert über die vorgefundenen Strukturen hinweggegangen ist 3 0 1 , w i r d solche Beachtung der verfassungsrechtlichen Prioritäten zumindest bewirken, daß die Ergebnisse nicht stets aufs neue i n Frage gestellt, daß die sich anbahnenden Verflechtungen nach Kräften gefördert, gezielt unterstützt werden. Wo andrerseits die Entwicklung i n deutlicherer Einsicht i n die lokalen Eigengesetzlichkeiten i n weiterem Umfang offengehalten ist 3 0 2 , 301 Deutlich ablesbar sind die Unterschiede i m Maß der Behutsamkeit bzw. i n der Entfernung von der gewachsenen Gemeindestruktur bei den einzelnen Länderreformen i n der Übersicht bei Leidinger, Grundsätze u n d Ergebnisse, Landkreis 1974, 392, 393 f., insbes. i m H i n b l i c k auf die gewählten Mindesteinwohnerzahlen u n d die S t r i k t h e i t der E i n f ü h r u n g der Einheitsgemeinde; zum rigorosen Vorgehen des Saarlandes vgl. ebenda S. 394, speziell zum Raum Saarbrücken S. 395 f.; vgl. auch den referierenden Überblick über die Reformtendenzen i n : Landkreis 1971, 42 ff.; zur K r i t i k an den übermäßig großflächigen Eingemeindungen i m Aachener Raum (G zur Neugliederung der Gemeinden u n d Kreise des Neugliederungsraumes Aachen — Aachen-Gesetz — v. 14. 12. 1971, GVB1. N W S. 414) vgl. Berkenhoff, Imperiale Maßstäbe, Städteu n d Gemeinderat 1971, 57, 58 f.; Hoppe, Grenzen, Städte- u n d Gemeinderat 1971, 278, 283 f., auch zur Neuordnung des Raumes Bielefeld (G zur Neuglieder u n g der Gemeinden u n d Kreise des Neugliederungsraumes Bielefeld — Bielefeld-Gesetz — v. 24. 10. 1972, GVB1. N W S. 284); insgesamt zur E n t w i c k l u n g i n N W : Köstering, Abschluß der kommunalen Gebietsreform i n NW, Staats- u n d K o m m u n a l v e r w a l t u n g 1974, 354 ff.; 1975, 1 ff., der die S t r i k t h e i t des nordrheinwestfälischen Vorgehens als Positivum hervorkehrt; vgl. insbes. a.a.O. 1975, 1. 302 Vgl. die Gegenüberstellung von einseitiger Entscheidung u n d Offenhalten von Alternativen: Becker, Reformen nach der Verwaltungsreform, Gemeindetag 1971, 306, 307 f.; sehr deutlich das Bekenntnis zum bewußten „ K o m p r o m i ß charakter", die Ablehnung von „Radikallösungen" i m Interesse einer „organischen Weiterentwicklung des vorhandenen institutionellen Gefüges der k o m munalen Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der vorgegebenen örtlichen Besonderheiten" : Gutachten B - W A , Dokumentation B - W I, S. 541 (zu Leitsatz

Β . Integration als normatives K r i t e r i u m für Gebietsänderungen

291

w i r d der Wert örtlicher Einheitsbildung den Fortgang näher an die i n der gemeindlichen Realität sich äußernden Tendenzen heranführen und gewaltsame Lösungen auch i n Zukunft verhindern. Daß solche Verfahrensweise nicht nur politisch wünschbar, sondern verfassungsrechtlich geboten, am Maßstab gemeindlicher Integration normativ meßbar ist, stellt das Ergebnis der Untersuchung dar.

10 u n d Leitsätzen 12 - 1 3 ) ; vgl. auch das langfristige, auf Kooperation gerichtete Vorgehen i n B a y : Neugliederung, Allgemeine Begründung, Rdn. 3.4, S. 77; dazu auch v. Koch, Gebiets- u n d Verwaltungsreform i n Bay, Landkreis 1972, 75, 78; vgl. f ü r Hessen: Hinkel, Gebietsreform He, DVB1. 1974, 496, 497 f., 499; vgl. auch das behutsame Vorgehen i n Gutachten Schl-H, Rdn. 273 - 445, S. 28 ff., insbes. Rdn. 439 - 444, 445, S. 40 f. (Zusammenfassung der Vorschläge). 19·

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Sachregister Abstrahierungsverbot s. Abstraktion Abstraktion 253 f., 255 f., 263 f., 278 Abwägung, Abwägungsgebot 257/263, 275 f., 280 f., 283 f., 287, 288 Agglomeration s. Ballungsgebiet Allgemeinheit 180, 186 f., 203, 205, 210, 221 Allgemeines Wohl, Allgemeininteresse s. Gemeinwohlklausel, I n t e r esse, Interessenkonflikt Allmende 31 Fn. 14 Allzuständigkeit s. Universalität des Wirkungskreises Amtsverfassung 266 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft 39, 41/45, 52 f., 106/109, 182/184, 189,193/200, 206 f. Anhörungsrecht 27, 270/274 Ansässigkeit, benachbarte s. Daseinssphäre, Siedlungseinheit, Verflechtung, soziale Anschaulichkeit s. Daseinssphäre Arbeitsplatz s. Wohnsitz Argumentationslast 262 f., 264, 279/ 281, 283 A u t a r k i e s. Differenzierung, Eigenständigkeit, Krise Autonomie 89,109, 190, 200 f. Ballungsgebiet 135 f., 140, 144 f., 148 f., 151/165,260, 288 Bauliche Gestaltung 223 f., 231, 236, 237 Fn. 98, 247 f. Bedürfnisse, örtliche s. Daseinsvorsorge, I n d i v i d u a l i t ä t , Integration B i l d der Gemeinde 33/37, 54/69, 79, 139/142, 147, 151, 167, 174, 198 Fn. 510, 223 s. auch Typus Brauchtum 162/164, 224 f., 233, 235, 237, 248 Bündelungsfunktion s. Allgemeinheit, Einheit Bürger 34,106 f., 118,142,165, 223 — sachkundiger 225 Bürgergemeinde s. Bürger Bürgeraktivitäten, - i n i t i a t i v e n 219 f., 225, 236, 247 Bundesstaat 91

City, 236, 245 corpus p o l i t i c u m s. Einheit, Interesse, Kategorie Daseinssicherung, Daseinsstabilisier u n g s. Daseinsphäre, Daseinsvorsorge, Nähe Daseinssphäre, unmittelbare 143/172, 175 f., 180/183, 193/200, 203, 204, 206/ 208, 210, 215/222, 234 f., 237, 238, 243, 246, 288 Daseinsvorsorge 156, 161 f., 206/208, 247, 286 f. Daten, örtliche 111/114, 182 f., 195, 198/ 200, 206/208, 226, 231 s. auch I n d i v i d u a l i t ä t Datenpriorität s. Daten, Interessenkonflikt Dauer 37, 237 /., 283 Deduktion 128,134 Dekonzentration 109 f., 129, 247 Demokratie, unmittelbare 47, 50 f., 113,117, 192 Demokratisches Prinzip 104, 117/121, 184 f., 192, 204/206, 208 f., 221, 228 Demokratisierung s. Demokratisches Prinzip, Partizipation Desintegration s. Integration Dezentralisation 102 f., 110,184, 205 Diagnose 255, 262, 283 Dienstrechtsreform 25 Differenzierung — der Daseinssphäre 140/143, 148 f., 151, 165/170, 243 — der kommunalen S t r u k t u r 140 f., 148 f., 165/172, 242/246 Diskontinuität 39, 51/54 Dorf s. Ländliche Gebiete Effektivität, Effizienz s. Leistungsfähigkeit Eigenart s. I n d i v i d u a l i t ä t Eigenständigkeit 141 f., 207, 2441, 269, 290 s. auch Eigenverantwortlichkeit, Eigenwert Eigenverantwortlichkeit 96, 101 f., 111/113, 189, 200 f., 277 f.

Sachregister Eigenwert 124, 262 f., 268, 273, 278 Fn. 268, 285 Einheit 185/187, 202, 209/211, 263 Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse 90, 95 f., 170, 179, 208, 239/241 Einheitsgemeinde 135, 179 f., 254 f.,

313

Substrat, territoriales, Überschaubarkeit Geeignetheit 264/266 Gemeinde — Begriff 29/38, 56 f., 79, 137 — Erscheinungsformen 31, 32, 46 f., 266, 286 130 Einrichtungsgarantie s. I n s t i t u t i o — Legaldefinition 49 nelle Garantie — natürliche/politische Einheit 34 f., Einwohner s. Bürger 37 Fn. 50, 44, 97 f., 150, 171, 175, 178, Entfremdung s. Nähe 258 f. Entscheidungsergebnis s. Entschei— Raumeinheit 129 f., 259 — Verwaltungseinheit 238 f., 250 dungsprozeß s. auch B i l d der Gemeinde, GeEntscheidungsprozeß 259/266, 267, 270/ meinschaft, örtliche, Integration, 274, 278, 284 Typus Entscheidungszentrum 92, 115/117,120, Gemeindefreie Gebiete 177, 268 196, 202, 204 Gemeindeverbände 28, 42/45, 53, Entstehungsgeschichte (Art. 28 GG) 191 f., 242/244, 289 f. 50/54, 174 s. auòh Landkreise Erforderlichkeit s. Notwendigkeit Ermessen 59, 200, 242 Fn. 116 Gemeindeversammlung 47 Erwartungshaltung 280 f. Gemeinschaft 31, 40/45, 87, 92 f., 96 f., E x k l a v e n 36, 57 106 f., 162, 173 f., 233 f. s. auch ö r t l i c h e Gemeinschaft Gemeinwohlklausel 27, 55 Fn. 113, Fachverwaltung 142, 179, 227 f. 61 f., 100, 274/276 Familie 209 Fn. 581, 235 Generalklausel 177,196/199, 270 Feste s. Brauchtum Genossenschaftliche Deutung 103/114, Finanzhoheit 76, 89,190, 201 163 Fn. 347 Finanzkraft s. Leistungsfähigkeit Geschichte, örtliche 37, 67 f., 81 f., Finanzverfassung 76 124 f., 235/237 Föderalgemeinde 266 Fn. 195 Gesellschaftlicher Bereich 86, 88, 104, F r e i w i l l i g k e i t (der Gebietsänderung) 192 f. 62 f., 64, 67, 258, 265 f., 275 s. auch Genossenschaftliche DeuFunktionales Selbstverwaltungsvertung ständnis 181 Fn. 417, 183, 197/199, 207 Gesellschaftliches Leben 224 f. Gesetzesvollzug s. Verwaltung, gesetzesakzessorische Gebiet s. Gebietszuschnitt, Substrat, Gesetzesvorbehalt 33, 89, 112, 190 f., territoriales 199/201 Gebietsänderungen s. GebietszuGesetzgeber, historischer s. Entsteschnitt hungsgeschichte Gebietshoheit 188,193 f., 201, 250 Gesetzgebungskompetenz 74/76 Gebietskörperschaft 30, 55, 188, 193 f. Gestaltungsfreiheit s. Autonomie, E r Gebietsreform 23/27, 55, 61 f., 64/69, messen, Selbstverwaltung 134 f., 261/263, 264, 266, 276/285, Gewährleistungszweck 86/100, 102, 285/291 103, 115/127, 201, 210 Gebietsstruktur s. Gebietszuschnitt Gewalt, öffentliche 120, 202 Gebietsverfügungshoheit, staatliche 58 f., 62 f., 82 f., 99, 100, 127, 246, Gewaltenteilung, vertikale 94 US 1117, 202 257/259, 266 f., 274/281 s. auch Gemeinwohlklausel, instiGleichbehandlungsgebot s. Gleichheit tutionelle Garantie, subjektives Gleichheit, Gleichheitssatz 81, 96, 106, Recht 208, 273, 277 Gebietszuschnitt 29, 34/36, 49, 55/57, Großgemeinde s. Einheitsgemeinde 58, 61, 65/68, 78, 81 f., 129/137, 216 f., Großstadt 113 Fn. 146, 151/153,159/165, 238, 239, 241, 242, 250/256, 257/269, 219 F n .22, 289 274/276,285/291 s. auch Ballungsgebiet s. auch Exklave, Gebietsreform, Grundbesitz 235 Integration, Siedlungseinheit, Grundrecht 93, 270 Fn. 214

314 Gruppe s. Gemeinschaft, personelles

Sachregister Substrat,

Heimatbewußtsein 67, 72,147,162 f. Historische Betrachtungsweise 59/61 Historische Substanz s. Geschichte, örtliche Homogenität 79 f., 119, 198, 205 Identifikation 220/222, 224, 237, 243 I n d i v i d u a l i t ä t der Gemeinde 82, 111, 121/123, 179 f., 208 f., 224 Fn. 39, 236, 239, 241/243, 248 f., 263 f., 269 f., 272, 278, 288 Individualrecht — des Bürgers 86 Fn. 2, 93, 95 Fn. 54 — der Gemeinde 89 Fn. 24,190 s. auch Interesse, individuelles, Recht, subjektives Induktives Vergehen s. Deduktion Informationsfluß 229 f. s. auch Presse I n f r a s t r u k t u r s. Strukturdaten I n s t i t u t i o n 32, 39, 123/127, 235 f., 267/ 270 s. auch Institutionalisierung, I n stitutionelle Garantie Institutionalisierung 94,107,146 f. Fn. 281, 175, 225, 237 f. Institutionelle Garantie 26, 63, 68, 99, 122 f., 189/191, 267/270 s. auch I n s t i t u t i o n Integration 174, 185, 210 f., 219/222, 222/249 — aktive/passive 247 f. — aktuelle/latente 229/231, 287 — u n d Gebietsgestaltung 250/270, 274/276, 282/284 — u n d Gebietsreform 285/291 — u n d Länderstaatlichkeit 71/73, 80/ 83 Integrationsfaktoren 82, 159 Fn. 333, 232/246, 250/255, 283, 287 f. Interdependenz s. Kreisreform, Verflechtung, interkommunale Interesse — gemeindliches 87, 92 f., 97/100, 103/ 114, 230 f., 240 f., 260/262, 269, 273, 275 f. — individuelles 86, 92/97, 275 f. — staatliches (i.e.S.) 86 f., 89/91, 191, 240 f., 259, 275 f. — staatliches (i.w.S.) 86 f., 91f. Interesse, öffentliches s. Gemeinwohlklausel Interessenkonflikt 89 f., 91 f., 95/97, 111/114, 195, 197/201, 272, 275 f. Interkommunale Zusammenarbeit s. Verflechtung, interkommunale

Juristische Person s. Rechtssubjektivität Kategorie — örtliche 176/187, 194 f., 220, 231, 288 — örtliche/staatliche 180/187, 196/201, 203, 205 f., 208, 210 f., 258 f. Kausalität 273 f. Kirchengemeinde 29 Fn. 3, 31, 235 f. Körperschaft 30,188,192/194 Kommunalaufsicht 89,195, 239, 247 Kommunikationsverdichtung, »Verdünnung 132/137, 143, 216 f., 252 s. auch Integration, Verflechtung, soziale Komplementarität s. Kategorie Kompromiß s. Interessenkonflikt Konkordanz 120, 202 Fn. 530, 204, 205 f., 208 f. Konkurrenzsituation s. Interessenkonflikt Konsequenz s. Konzeptionsgerechtigkeit K o n t i n u i t ä t 32 f., 34, 49, 51/54, 123/127, 203, 220, 234 f., 237 f. Konzepte s. Lösungsmodelle, Plan Konzeptionsgerechtigkeit 270, 276/281, 282 Kreisentwicklungsplanung 198 Fn. 510 Kreisreform 261 f. Krise 25,137 f., 142, 222 Kulturpflege 224, 236, 242, 287 Länderneugliederung 71/74 Ländliche Gebiete 163, 165 f., 222 f.,

261, 286

Landkreise 178/180, 261 f., 289 f. s. auch Gemeindeverbände Landsmannschaftliche Verbundenheit 71 f., 81 Legitimation s. Abwägung, Zureichender G r u n d Leistungsfähigkeit 55 f., 62, 141, 144, 149, 170/172, 178/180, 207 f., 239/241, 242/245, 254 f., 285, 289 f. Lösungsmodelle 253 f., 256, 262, 276/ 281, 282 Mandat, Mandatsträger 225, 227/230 Mediatisierung 75 f. Mehrfachneugliederungen 281/285 Mentalität 241, 255 Milderes M i t t e l s. Notwendigkeit Mitgliedschaft 30, 106 f., 250 Mittelbare Staatsverwaltung 86 f., 88, 90 Mittelstadt 144 f., 153, 165, 218, 222 f. M o b i l i t ä t 140, 148, 152 f., 164, 168,185 f. Modelle s. Lösungsmodelle

Sachregister Motorisierung s. M o b i l i t ä t Nachbarschaft 144 Fn. 268,153, 222 s. auch Integration, Verflechtung, soziale, Siedlungseinheit Nähe/Ferne 111 Fn. 136, 113, 182, 190 Fn. 475, 203, 204, 207 f., 230 f., 272 Neubürger 225, 235 f. Neutralität 206 Fn. 559 Notwendigkeit 264/266, 277 Örtlich/überörtlich 45/49, 182/184, 197/ 199, 218, 243 s. auch Angelegenheiten ö r t l i c h e Gemeinschaft 38/49, 57/68, 97 f., 106/109, 154/160, 162/172, 175/ 187, 192/195, 204 f., 215/222 s. auch Integration, Verflechtung, soziale Opposition 231 Organisationsakt 60 Ort, Örtlichkeit 45/48, 151, 206 f., 216 s. auch Daseinssphäre, Nähe Ortsnähe der V e r w a l t u n g 110/113

315

Rechtsstaatsprinzip 202 f., 205 f., 208 f., 271 s. auch Gewaltenteilung Rechtssubjektivität 89, 188, 193 f., 269 f., 272 Reformziele s. Einheitlichkeit der L e bensverhältnisse, Leistungsfähigkeit, Lösungsmodelle, Plan Rekurs, historischer 27, 126, 182/184, 191 Fn. 480, 271 f., 274 f. Richtbegriffe (der Länderneugliederung) 71/73, 81 Richtwerte 253 f., 262, 287, 289 s. auch Abstraktion, Konzeptionsgerechtigkeit Ritenbildung 237 f. Rolle, soziale 243

Sachgerechtigkeit 111 f. Satellitenstadt 282 Schematismus 66, 71 Fn. 190, 170, 254 f., 288, 290 Schule 36, 236, 287 Selbstbindung 277, 279/284 Selbstgestaltung s. Autonomie, EigenParlamentarischer Rat 50/54 verantwortlichkeit, SelbstverwalParteien, politische 205 f., 226/228, 251 tung Partikularinteresse 176/187, 210 f., 228, Selbstverwaltung, Recht der 33, 42, 52, 272 101/114, 189/191, 194/201, 227/231 Partizipation 96 f., 120,184/186 Selbstverwaltungsgarantie 24/27, 29/ Pendler 148 f., 166 f. 49, 76/78, 188/192 Perfektionismus 289 Selbstverwaltungskörperschaft 30 Persönlichkeitsentfaltung 208 f. Siedlungseinheit 34/36, 131/135, 139 f., Personalhoheit 75, 189 f., 201 215/217 Plan, Planung 256, 276/281, 282 Solidarität 105/109, 158, 217/219, 229 s. auch Lösungsmodelle Fn. 65 Politik, gemeindliche 219, 225/231, Sollvorschrift 56, 58 238 f., 240 f., 248 Sonderinteresse s. P a r t i k u l a r i n t e r Politischer Bereich 61 esse Polyzentrale Staatsorganisation 92 Sozialstaatsprinzip 96, 206/209, 239/241 s. auch Entscheidungszentrum, Spontaneität 248 Gewaltenteilung Staatlichkeit (der Länder) 81/83 Presse 226, 231, 233, 247 Staatsverwaltung, s. Mittelbare Prinzip, historisches 56 Staatsverwaltung, V e r w a l t u n g Prognose 253 f., 260, 262, 283 f. Stadt-Umland 160 f., 165/171, 242/245, Programm s. Lösungsmodelle, Plan 260/262 Programmsatz 59 Stadtviertel 153, 236 status activus 96 f. Quantifizierung 285/288 s. auch Demokratie, Demokratis. auch Abstraktion, Lösungsmosches Prinzip delle, Planung, Zentrale Orte status negativus 95 Rang, unterschiedlicher, von Gesetzen status positivus 95 f. 271 s. auch Partizipation, SozialstaatsRathausparteien 189, 226 prinzip ratio s. Gewährleistungszweck Stein'sche Reformen 32, 118 Fn. 166 Recht auf Fortbestand s. Subjektives Steuern, örtliche 47 f. Recht Streusiedlung 36, 134, 136 Rechtliches Gehör 271 Strukturdaten 130/133, 145, 157 f., 215, Rechtsbegriff, unbestimmter 59 236, 266

316

Sachregister

Verfassungskonvent 50, 209 Verfassungs w e r t s. Eigenwert Verflechtung — interkommunale 141, 149, 169 f., 178/180, 242/246, 254 f., 260/262, 276, 279 f. — soziale 130/137, 217/222, 246 f. Verhältnismäßigkeit 266 Versorgungsgemeinde 162, 239/241, 286/288 Versorgungsnahbereich 162, 254, 286/ 288 s. auch Zentrale Orte Verstädterung 140, 145, 170, 222, 225 Verwaltung, öffentliche 87, 88, 238 f. — „freie" 74 Teilhabe s. Partizipation — „gesetzesakzessorische" 74 Teilvolk 104, 107 f., 134 Verwaltungskraft s. LeistungsfähigTradition 37, 81, 123/127, 224, 237 f., keit 248 s. auch Geschichte, örtliche, K o n t i Verwaltungsreform, oldenburgische nuität 35, 220 Fn. 26, 237 Fn. 100, 254 Fn. Transparenz 244, 246, 262 f., 273 157 Typisierung s. Abstraktion Verwaltungsübung s. Selbstbindung Typus (der Gemeinde) Verwaltungsvorschriften s. Selbstbindung — empirischer 33/37, 124, 128/172, 233 Vollzugsgesetz 276 f. — N o r m a t i v i t ä t 37 f., 57/68, 173/211, Vorbehalt des Gesetzes 89, 194 214, 231 f., 266 f., 286, 288/291 Vorschaltgesetz 277 — typologische Verfassungsauslegung Vorteils- u n d Lastenverband 106, 128 f., 173, 201 f. 158 f. s. auch B i l d der Gemeinde Subjektives Recht (auf Fortbestand) 26, 37, 68, 99 f., 122, 127, 191, 257/ 259, 267/270 s. auch Institutionelle Garantie Substrat personelles 30, 57, 106/109, 111, 130/137, 158, 177, 214 f., 221 — territoriales 30, 34, 57, 106, 131, 158, 199, 214 f., 250 Subsumtion 128 f., 263 f., 288 Subsystem 111 Fn. 136, 127 Fn. 216, 181 Fn. 417, 195, 207 f. Systemgerechtigkeit, Systemtreue s. Konzeptionsgerechtigkeit

Überschaubarkeit 46/48, 144/146,159 s. auch Ort Universalität des Wirkungskreises 42/ 45, 53, 182/184, 189,196/200 Unmittelbarkeit 83 s. auch Daseinssphäre Ursprünglichkeit 105 s. auch Gemeinde (natürliche/politische Einheit) Veranstaltungskraft s. Leistungsfähigkeit Verbandsbürger s. Wohnsitz Verbundenheit, V., örtliche 31, 35, 40/45, 55 f., 57/68, 81/83, 106, 144, 156/158, 163/165, 218 f., 239, 285 s. auch Gemeinschaft, Integration, Verflechtung, soziale Vereine 224 f., 233, 235/237 s. auch Kategorie, Wohnsitz Verfahrensbestimmung 271 Verfahrensregeln s. Entscheidungsverfahren Verfassungsbeschwerde 77 Fn. 222, 89, 190 Verfassungsgrundentscheidung s. Demokratisches Prinzip, Rechtsstaatsprinzip, Sozialstaatsprinzip

Wahlen, kommunale 219, 227/231 Weimarer Reichsverfassung (Art. 127) 25, 33, 39, 51, 63 f., 67 f., 79 Fn. 232, 93, 210 Wesensgehalt s. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, Gesetzesvorbehalt, Institution, I n s t i t u t i o nelle Garantie Willensbildung, organschaftliche 226 f., 227/231 W i l l k ü r 273, 275, 277 W i r - G e f ü h l 40 s. auch Gemeinschaft, Verbundenheit Wohl, öffentliches s. Gemeinwohlklausel, Interesse, Interessenkonflikt Wohlfahrtsstaat 208 Wohnsitz 140, 146, 148 f., 156/159, 166/ 169, 176, 243 Zentrale Orte, Zentralörtliches Gliederungsprinzip 141, 149, 170 Fn. 302, 242, 246, 254 f., 279 Zentralisation s. Dezentralisation Zentralverwaltungsrecht 75 Zersiedlung 135, 140

Sachregister Zielkonflikt 71, 284, 286, 290 Zünfteordnung 118 Zuordnungssubjekt 97/100 Zureichender G r u n d 256, 264, 268, 278/281, 283 f.

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Zusammenwachsen s. Siedlungseinheit, Stadt-Umland Zwerggemeinden 56 Fn. 119, 65 Fn. 168, 122, 134 f., 149/151, 170 f., 192, 252, 254, 288