Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche: Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme externer Akteure 9783964567192

Das Buch behandelt sowohl Kolumbien als Schauplatz des ältesten internen Kriegs Lateinamerikas als auch das Engagement r

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Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche: Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme externer Akteure
 9783964567192

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Teil I: Dimensionen der Gewalt
Das kolumbianische Labyrinth: Annäherung an die Dynamik von Krieg und Frieden
Aktionsräume von Guerilla- und paramilitärischen Organisationen: regionale und bevölkerungsgeographische Auswirkungen
Destabilisierung der Regionen und gesellschaftliche Gegenstrategien
Teil II: Friedenssuche
Friedensgespräche und Gewalteindämmung
Kann Kolumbien aus seiner eigenen Geschichte lernen? Die aktuelle Bedeutung des Friedensprozesses der Regierung Betancur
Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit als Mittel der Befriedung – das Beispiel der Guerillaorganisation M-19
Der Friedensprozess: „Verhandlungen im Kriege"
Bewaffneter Konflikt, Neutralität und Gewaltlosigkeit. Erfahrungen an der Basis
Kolumbien und die Intellektuellen
Teil III: Externe Akteure
Prioritäten der deutschen Außenpolitik und der Konflikt in Kolumbien
Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme durch Entwicklungszusammenarbeit
Durch mehr Krieg zum Frieden? Die USA und der Plan Colombia
Das Kolumbienbüro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte. Eine kritische Bilanz (1997-2000)
Contadora für Kolumbien?
Autorinnen und Autoren

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Sabine Kurtenbach (Hrsg.) Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme externer Akteure

Schriftenreihe des Instituts für Iberoamerika-Kunde • Hamburg Band 54

Sabine Kurtenbach (Hrsg.)

Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme externer Akteure

Vervuert Verlag - Frankfurt am Main 2001

Verbund Stiftung Deutsches Übersee-Institut

Das Institut für Iberoamerika-Kunde bildet zusammen mit dem Institut für Allgemeine Überseeforschung, dem Institut für Asienkunde, dem Institut für Afrika-Kunde und dem Deutschen Ortient-Institut den Verbund der Stiftung Deutsches Übersee-Institut in Hamburg. Aufgabe des Instituts für Iberoamerika-Kunde ist die gegenwartsbezogene Beobachtung und wissenschaftliche Untersuchung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Lateinamerika. Das Institut für Iberoamerika-Kunde ist bemüht, in seinen Publikationen verschiedene Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die jedoch grundsätzlich die Auffassung des jeweiligen Autors und nicht unbedingt die des Instituts darstellen.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche. Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme externer Akteure [Institut für Iberoamerika-Kunde, Hamburg ; Verbund Stiftung Deutsches Übersee-Institut] Sabine Kurtenbach (Hrsg.) - Frankfurt am Main : Vervuert, 2001 (Schriftenreihe des Instituts für Iberoamerika-Kunde. Hamburg; Band 54) ISBN 3-69354-254-X

Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 2001 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Konstantin Buchholz gedruckt auf säure- und chlorfrei gebleichtem, alterungsbeständigen Papier Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Teil I: Dimensionen der Gewalt

13

Jaime Zuluaga Nieto Das kolumbianische Labyrinth: Annäherung an die Dynamik von Krieg und Frieden

15

Günter Mertins Aktionsräume von Guerilla und paramilitärischen Organisationen: regionale und bevölkerungsgeographische Auswirkungen

36

Ciarita Müller-Plantenberg Destabilisierung der Regionen und gesellschaftliche Gegenstrategien

52

Teil II: Friedenssuche

75

Peter Waldmann Friedensgespräche und Gewalteindämmung

77

Sabine Kurtenbach Kann Kolumbien aus seiner eigenen Geschichte lernen? Die aktuelle Bedeutung des Friedensprozesses der Regierung Betancur

93

Linda Helfrich-Bernal Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit als Mittel der Befriedung das Beispiel der Guerillaorganisation M-19

110

Hans R. Blumenthal Der Friedensprozess: „Verhandlungen im Kriege"

144

Pedro E. Valenzuela Bewaffneter Konflikt, Neutralität und Gewaltlosigkeit Erfahrungen an der Basis Klaus Meschkat Kolumbien und die Intellektuellen

163

175

Teil III: Externe Akteure

181

Georg Boomgarden Prioritäten der deutschen Außenpolitik und der Konflikt in Kolumbien 183 Christian von Haldenwang Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme durch Entwicklungszusammenarbeit

189

Thomas Fischer Durch mehr Krieg zum Frieden? Die USA und der Plan Colombia

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Rainer Huhle Das Kolumbienbüro des UN-Hochkommissars für Menschrechte Eine kritische Bilanz Gerhard Drekonja-Komat Contadora für Kolumbien?

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Zu den Autoren

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Vorwort Der Krieg in Kolumbien ist zwar der älteste in Lateinamerika, er wurde jedoch lange Zeit international nur am Rande wahrgenommen. Erst mit der Beendigung der bewaffneten Konflikte in Zentralamerika in der ersten Hälfte der 90er Jahre und der wachsenden Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzung hat sich Kolumbien in den vergangenen Jahren zum sicherheitspolitischen Brennpunkt Lateinamerikas entwickelt. Die Zahl der direkten Opfer der Gewalt hat mittlerweile ein dramatisches Ausmaß erreicht. 250.000 Menschen wurden ermordet. Seit Mitte der 80er Jahre mussten fast zwei Millionen Kolumbianerinnen und Kolumbianer (das sind etwa 5 Prozent der Bevölkerung) vor der Gewalt flüchten und gelten als „interne Vertriebene". Darüber hinaus verlassen immer mehr Kolumbianer das Land. Auch wenn gemeinhin die These vertreten wird, dass „nur" etwa 5 bis 20 Prozent der Gewaltakte in direktem Zusammenhang mit den bewaffneten Auseinandersetzungen stehen, gibt es doch bei einem wesentlich höheren Prozentsatz einen indirekten Zusammenhang mit dem Krieg: sei es, weil die Begleitumstände der Tat als „ungeklärt" gelten, sei es, dass auch andere Konflikte in diesem Umfeld gewaltvoll „gelöst" werden. In den vergangenen Jahren lässt sich außerdem eine wachsende Ausweitung des Konfliktes über die Grenzen Kolumbiens hinaus beobachten, wofür mehrere Faktoren verantwortlich sind: Zum einen agieren die verschiedenen Gewaltakteure in den Grenzregionen des Landes, in denen der kolumbianische Staat traditionell nur schwach vertreten ist. Zum anderen flüchten immer mehr Menschen über die Grenze in Nachbarländer, um Schutz zu suchen. Auch die US-Politik der Drogenbekämpfung verfolgt einen regionalen Ansatz, der neben Kolumbien als zentraler Drehscheibe des regionalen Handels, auch andere Anbau- und Transitländer des Kontinents einbezieht. Vor diesem Hintergrund hat sich seit Mitte der 90er Jahre das Engagement regionaler und internationaler Akteure in Kolumbien verstärkt, und während vor zehn Jahren internationale Vermittlungsaktivitäten im Land selbst noch von allen Konfliktparteien abgelehnt wurden, befürworten diese heute zumindest ver7

bal die Bemühungen externer Akteure. Ansatzpunkt für das internationale Engagement war zunächst das Thema Menschenrechte, bei dem die kolumbianische Regierung seit den 90er Jahren in wachsendem Maß unter Druck geriet. Als Reaktion auf diese Kritik stimmte die kolumbianische Regierung der Einrichtung eines lokalen Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte zu, das die kolumbianische Regierung beraten soll und im April 1997 eröffnet wurde. Verschiedene lateinamerikanische Regierungen und Politiker und sogar Papst Johannes Paul II. haben in den vergangenen Jahren und Monaten ihre Dienste als Vermittler angeboten. Der argentinische Sozialwissenschaftler Gabriel Tokatlián, der bis vor kurzem an der Universidad Nacional in Bogotá lehrte, hat die lateinamerikanischen Staaten dazu aufgerufen, eine Art Contadora-Initiative für Kolumbien zu gründen. Die Contadora-Gruppe hatte Mitte der 80er Jahre unter Beteiligung Kolumbiens und mit politischer Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft einen wesentlichen Beitrag zur Deeskalation der Konflikte in Zentralamerika geleistet. Bisher haben sich diese Überlegungen noch nicht konkretisiert, aber ihre Dringlichkeit wird aller Orten immer deutlicher wahrgenommen. Seit der Wahl und dem Amtsantritt von Andrés Pastrana Mitte 1998 sind auch die USA gegenüber Kolumbien sehr aktiv geworden. Die US-Politik schwankt allerdings zwischen der verbalen Unterstützung des von Präsident Pastrana initiierten Friedensprozesses und einer Militarisierung vor allem der Drogenbekämpfungspolitik. Der US-amerikanische Antidrogenbeauftragte, Barry McCafrey, erklärte Kolumbien im März 1999 zur Hauptgefährdung für die nationale Sicherheit der USA und äußerte Befürchtungen, der Andenstaat könne aufgrund der internen Probleme seine Demokratie verlieren. Kolumbien ist in den vergangenen Jahren - hinter Israel und Ägypten - zum drittgrößten Empfänger US-amerikanischer Militärhilfe geworden. Ein Großteil dieser Mittel soll zwar der Drogenbekämpfung dienen, eine genaue Abgrenzung ist allerdings nur schwer möglich, was nicht zuletzt die Rede von der „Narcoguerilla" zeigt. Kritiker in den USA, wie der ehemalige US-Botschafter in El Salvador Robert White, warnen deshalb vor der „Salvadorianisierung" der US-amerikanischen Kolumbienpolitik. Dort hatten die USA zwar nicht direkt in die Auseinandersetzung zwischen Guerilla und Regierung eingegriffen, durch die massive Militär- und Wirtschaftshilfe aber das interne Kräfteverhältnis und damit auch den Konfliktausgang maßgeblich beeinflusst. Mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten George W. Bush im Januar 2001 gab es innerhalb der USA zahlreiche Aufrufe, die Kolumbienpolitik zu überdenken. Während die einen eine Demilitarisierung der Kolumbienpolitik fordern, diskutieren andere die offene Unterstützung des Anti-Guerillakampfes der Regierung. Der neue Außenminister Colin Powell trat bei seiner Senatsanhörung dagegen für eine Kontinuität zur Kolumbienpolitik der Clinton-Regierung ein, verwies aber gleichzeitig darauf, dass die USA im eigenen Land den Drogenkonsum und damit die Nachfrage stärker bekämpfen müssten. Außerdem beton8

te er, dass die Nachbarstaaten Kolumbiens stärker mit einbezogen werden müssten, weil es sich beim Drogenanbau und -handel um ein regionales Problem handle. Am 16. Mai 2001 gab die Regierung Bush offiziell ihre neue Strategie bekannt. Unter dem Namen Andean Regional Initiative (ARI) soll die Andenregion künftig mit 1,1 Mrd. US-$ unterstützt werden. 46 Prozent der Gelder erhält Kolumbien, um nach Auslaufen des Plan Colombia im Jahr 2002 die Reform von Justiz und Regierung, Armutsbekämpfung und Kokasubstitutionsprogramme durchzuführen. Der restliche Teil fließt in die Nachbarländer, unter anderem auch in Programme, die zur Militarisierung der Grenzregionen beitragen, wie Beobachter kritisieren. Die EU hat lange Zeit lediglich durch ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Plan Colombia Stellung bezogen und Initiativen zur Beilegung des Konfliktes in Kolumbien begrüßt. So haben die Außenminister der Europäischen Union am 9. Oktober 2000 ihre aktive Unterstützung des Verhandlungsprozesses erklärt. Die Zusage von 105 Mio. €, die die EU Kolumbien zusätzlich zur bereits bestehenden humanitären Hilfe im Oktober 2000 machte, wurde explizit nicht in den Zusammenhang mit dem Plan Colombia gestellt. Mit den Geldern sollen Projekte zur Bekämpfung der zentralen Konfliktursachen finanziert werden, wie Förderung und Schutz der Menschenrechte, die Verringerung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit sowie zur Stärkung der Institutionen. Auch das Europäische Parlament lehnte Mitte Februar 2001 eine Unterstützung des Plan Colombia mit überwältigender Mehrheit (474 zu 1 zu 33) ab. In der verabschiedeten Resolution fordert das Parlament „eine eigene, nicht militaristische Strategie ..., die Neutralität, Transparenz, Beteiligung der Zivilgesellschaft und Verpflichtung der am Verhandlungstisch beteiligten Akteure vereinigt". Anlässlich des Treffens der Unterstützergruppe für den Friedensprozess in Kolumbien Ende April 2001 hat die EU sowohl die diplomatische Unterstützung des Friedensprozesses zugesagt, als auch ein Hilfspaket in Höhe von 330 Mio. € angekündigt. In diesem Rahmen sollen vier Projektlinien unterstützt werden: die sog. Friedenslaboratorien, Pilotprojekte zur Justiz- und Agrarreform, Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und Bewältigung sozialer Kriegsfolgen. Die hier angesprochenen Themen wurden am Institut für IberoamerikaKunde im Rahmen einer wissenschaftlichen Fachtagung am 27. und 28. Juli 2000 mit Vertretern unterschiedlicher Disziplinen (Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaft, Geschichte und Soziologie) sowie mit zahlreichen Repräsentanten deutscher Nicht-Regierungsorganisationen aus der Kolumbien-Solidaritätsarbeit diskutiert. Für die Finanzierung dieser Tagung sei der Fritz Thyssen Stiftung an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt. Der vorliegende Sammelband ist in drei Abschnitte gegliedert und dokumentiert - meist überarbeitet und aktualisiert - wesentliche Beiträge der Hamburger Tagung. Bei allen Differenzen in der Bewertung einzelner Aspekte waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung doch in einigen Punkten einig: 9

1. in ihrer skeptischen Bewertung der aktuellen Friedensbemühungen, zu denen es allerdings keine vertretbare Alternative gibt; 2. in der Einschätzung, dass die wesentlichen Impulse für eine Beendigung der Gewalt von den Konfliktparteien kommen müssen und dass externe Akteure nur eine unterstützende Rolle spielen können. Im ersten Teil des vorliegenden Bandes stehen die Struktur des Konfliktes sowie die verschiedenen Akteure im Mittelpunkt. Zunächst gibt der kolumbianische Soziologe Jaime Zuluaga einen eindrucksvollen Überblick über die Komplexität des Konfliktes. Er identifiziert verschiedene Problemfelder, die das „Labyrinth" des Konfliktes deutlich machen, wie die Heterogenität der bewaffneten Akteure, die vielfältigen lokalen und regionalen Besonderheiten, die Dynamik des Drogenhandels und die Probleme der Friedenssuche. Günther Mertins analysiert in seinem Beitrag - unter anderem mit umfangreichen Kartenmaterial die regionale Präsenz von Guerilla und Paramilitärs sowie deren verschiedene Interaktionsgebiete. Der zentrale Fokus von Ciarita Müller-Plantenberg ist dagegen die Lage der Zivilgesellschaft, vor allem die Auswirkungen von Megaprojekten im Infrastrukturbereich und zur Ressourcenkontrolle auf die Gewalteskalation in einigen Regionen des Landes. Im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen verschiedene Aspekte der Gewalteindämmung und Friedenssuche. Peter Waldmann analysiert verschiedene Möglichkeiten, das Gewaltniveau in Kolumbien zu senken, wozu er zunächst verschiedene Strategien vorstellt, diese im Hinblick auf ihre Umsetzungsmöglichkeiten diskutiert und nach dem möglichen Beitrag externer Akteure fragt. Die Frage der Bedeutung des Friedensprozesses der Regierung von Belisario Betancur (1982-86) für die aktuellen Friedensbemühungen stellt Sabine Kurtenbach in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Linda Helfrich-Bernal analysiert anschließend die Erfahrungen des Movimiento 19 de abril mit der Beendigung des bewaffneten Kampfes, der Demobilisierung und der Transformation von der Guerillabewegung zur politischen Partei. Hans Blumenthal beschäftigt sich dann mit den aktuellen Friedensbemühungen der Regierung von Andrés Pastrana, wobei er die Zukunft des Friedensprozesses sehr skeptisch beurteilt. Der kolumbianische Politikwissenschaftler Pedro Valenzuela stellt erste Ergebnisse seiner Untersuchung zu Friedensbemühungen an der lokalen Basis der kolumbianischen Gesellschaft vor. Er analysiert dazu die Erfahrungen von Gemeinschaften, die sich im Konflikt explizit für neutral erklärt haben und jedwede Kooperation mit den bewaffneten Akteuren unterlassen. Klaus Meschkat stellt einige kritische Überlegungen zur Haltung der Intellektuellen zum heutigen Konflikt in Kolumbien an. Der dritte Teil des Buches ist dann den Möglichkeiten und Grenzen des Eingreifens externer Akteure gewidmet. Georg Boomgaarden, LateinamerikaBeauftragter des Auswärtigen Amtes, analysiert die Haltung der Bundesregierung zur aktuellen Lage in Kolumbien. Christian von Haldenwang fragt nach einem möglichen Beitrag der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bei der 10

Befriedung Kolumbiens. Thomas Fischer beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen den USA und Kolumbien, insbesondere mit dem Plan Colombia. Eine kritische Bilanz der Arbeit des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (UNHCHR) in Bogotá zieht Rainer Huhle. Die Aussichten auf ein verstärktes Engagement lateinamerikanischer Staaten im kolumbianischen Friedensprozess, etwa im Rahmen einer Art Contadora-Initiative untersucht Gerhard Drekonja-Kornat. Die sehr lebhafte, kontroverse und fruchtbare Diskussion der Hamburger Tagung ließ sich für den vorliegenden Sammelband leider nicht dokumentieren. Dennoch soll zumindest auf einige Aspekte verwiesen werden, die für die künftige Beschäftigung von entscheidender Bedeutung sind. Ein immer wieder kehrendes Thema war die unterschiedliche Einschätzung der verschiedenen Akteure. Insbesondere am Fall der paramilitärischen Gruppen wurde deren Rolle, ihr gesellschaftlicher Hintergrund und die Frage, welche Interessen sie vertreten, sehr kontrovers diskutiert. Da dieses Thema in Kolumbien heute aufgrund der Bedrohung all derer, die dazu forschen, nicht mehr öffentlich bearbeitet und diskutiert werden kann, sind hier auch und gerade die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerhalb des Landes gefragt. Da sich die Privatisierung von Gewalt außerdem auch in anderen Teilen der Welt beobachten lässt, ist dies ein Thema, das weit über das Beispiel Kolumbien hinaus wissenschaftliche und politische Relevanz besitzt. Ein zweites Thema war das der Bedeutung der Regionen sowohl im Konflikt als auch für die Suche nach Frieden. Da die Dynamik des Konfliktes maßgeblich von regionalen Entwicklungen beeinflusst wird, müssen die Regionen ein zentraler Ansatzpunkt für die Befriedung sein. Hier findet die Forschung noch ein weites Betätigungsfeld zur Analyse verschiedener Einflussfaktoren auf Krieg und Frieden. Die Bedeutung regionaler Zusammenhänge ist ebenfalls kein Spezifikum Kolumbiens, auch wenn sie dort eine lange historische Tradition und eine sehr starke Ausprägung hat. Im Zuge der Globalisierung nehmen auch in anderen Ländern Lateinamerikas (z.B. in Mexiko oder Brasilien) wie anderen Weltregionen des Südens die regionalen Unterschiede eher zu als ab. Solange die Welt aber in Nationalstaaten organisiert ist, birgt diese Heterogenität ein hohes Maß an politischem Sprengstoff, wie nicht zuletzt außerhalb Lateinamerikas zahlreiche Sezessionsbestrebungen zeigen. Der vorliegende Sammelband will einen Beitrag zur Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen der Friedenssuche in Kolumbien leisten. Auch wenn die Einschätzungen zum Beitrag externer Akteure bei Friedensprozessen allgemein und speziell im Fall Kolumbiens eher sehr skeptisch zu beurteilen sind, müssen bestehende Spielräume dennoch konsequent und bewusst genutzt werden. Passivität kommt schließlich nur denjenigen zugute, die weiter morden und brandschatzen wollen. Der vorliegende Sammelband will einen Beitrag zur Diskussion über Wege, Bedingungen und Möglichkeiten zur Beendigung oder zumindest Verringerung 11

der Gewalt in Kolumbien leisten. Auch wenn die Einschätzungen zum Beitrag externer Akteure bei Friedensprozessen allgemein und speziell im Fall Kolumbiens eher sehr skeptisch zu beurteilen sind, müssen bestehende Spielräume dennoch konsequent und bewusst genutzt werden. Gerade jetzt, wo in Kolumbien selbst der Wahlkampf beginnt und der Friedensprozess an Rückhalt verliert, ist eine Unterstützung der Bemühungen zur Eindämmung und Verringerung der Gewalt von außen um so wichtiger. Nur wenn die Beiträge verschiedener Akteure, wie der UNO, internationaler NROs und der Regierungen verschiedener Länder, ineinander greifen und nicht miteinander konkurrieren, können sie auf die Verhandlungs- und Friedensbereitschaft der kolumbianischen Konfliktparteien einwirken. Zur Verhinderung einer weiteren Eskalation der Gewalt, wie sie in Vorwahlzeiten regelmäßig geschieht, wären vor allem zwei Maßnahmen notwendig. Guerilla und Regierung müssten erstens ein Abkommen über die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Einhaltung der Menschenrechte unterzeichnen. Dessen Einhaltung müsste von einer internationalen Kommission überwacht werden. Zweitens müssten auf regionaler Ebene Gespräche über die zentralen Konfliktursachen und Strategien zu ihrer Überwindung begonnen werden, an denen nicht nur Regierung und Guerilla, sondern auch Vertreter der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen beteiligt sind. Beide Maßnahmen werden die Gewalt zwar nicht von heute auf morgen beenden, sie können aber maßgeblich dazu beitragen, sie zumindest zu verringern und vertrauensbildend wirken. Nur wenn (auf den verschiedenen Seiten) Vertrauen wächst, dass vereinbarte Abkommen auch eingehalten und umgesetzt werden, kann die Logik der Waffen außer Kraft gesetzt werden. In Kolumbien ist dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte eine Jahrhundertaufgabe. Sabine Kurtenbach Hamburg - München im September 2001

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Teil I Dimensionen der Gewalt

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Jaime Zuluaga Nieto

Das kolumbianische Labyrinth: Annäherung an die Dynamik von Krieg und Frieden Kolumbien befindet sich an einem Punkt seiner Entwicklung, an dem ein bedeutsamer Wechsel seiner Geschichte geschehen könnte. Die kritische Situation, in der sich das Land befindet, kann entweder zu einem Prozess der Beendigung des Krieges am Verhandlungstisch und damit zur Annahme eines neuen Sozialvertrags führen, der die demokratischen Reformen bestätigt, oder sie führt zur Etablierung eines Regimes mit stark autoritären Zügen, das mit der Begründung gerechtfertigt wird, nur so könnten die Aufständischen militärisch besiegt und die organisierte Kriminalität beendet werden. Eine Reihe von gleichzeitigen Prozessen gestalten die komplexe Situation: die Ausdehnung, Intensivierung und Degenerierung des inneren Krieges, an dem die Streitkräfte und die paramilitärischen Gruppen auf der einen und die Guerillaorganisationen auf der anderen Seite beteiligt sind. Eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, die Ausdehnung der Drogenwirtschaft und das Vorhandensein eines Klimas allgemeiner Gewalttätigkeit, in dem verschiedene Gewaltformen von einer diffusen sozialen Gewalt bis zu der Gewalt des organisierten Verbrechens und des Drogenhandels - nebeneinander bestehen. Vor diesem Hintergrund findet der Friedensprozess mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens - Heer des Volkes (FARC-EP) statt, allerdings inmitten von schweren Auseinandersetzungen über seine Handhabung durch die Regierung und einer wachsenden Skepsis bezüglich seiner Erfolgsaussichten. Außerdem gibt es Bestrebungen, Verhandlungen mit dem Nationalen Befreiungsheer (ELN) aufzunehmen. Darüber hinaus hat es in Kolumbien in den vergangenen Jahren Veränderungen am Entwicklungsmodell und am politischen System gegeben, die die Beziehungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen 15

Gruppen der wirtschaftlichen und politischen Elite verändert und neue Spielräume für die Partizipation und die politische Aktion geschaffen haben. Zu all diesen genannten Faktoren kommt hinzu, dass sich das Land in der schwersten Wirtschaftskrise der letzten 60 Jahre befindet.

Ein Krieg suigeneris Der innere Krieg in Kolumbien ist einer der komplexesten, den eine amerikanische Nation in den letzten 50 Jahren erlebt hat. Der entfernte Ursprung dieses Krieges ist der bewaffnete Kampf der Guerillagruppen, die in den 60er Jahren entstanden sind und den bestehenden Staat seither durch eine neue soziopolitische Ordnung ersetzen wollen. Ähnlich wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern bildeten sich die Guerillagruppen unter dem Eindruck des Erfolgs der Aufständischen in Kuba 1959, der nationalen Befreiungskämpfe in Asien und Afrika sowie der Spaltung der internationalen kommunistischen Bewegung. 1 Während diese Gruppen in der Mehrheit der Länder ein kurzlebiges Phänomen waren, überlebten sie in Kolumbien die Jahre der politischen Marginalisierung und der militärischen Rückschläge. Einige erlebten seit den 80er Jahren einen Prozess der Konsolidierung und des Erstarkens. Die Präsenz der politischen Gewalt seit Mitte des 20. Jahrhunderts und das Überleben der Guerilla bedeutet aber nicht, dass es eine Kontinuität zwischen dem Konflikt der 70er Jahre und dem heutigen gibt. In den 80er Jahren gab es einen historischen Bruch in der bewaffneten Auseinandersetzung, der die aktuellen Charakteristika des inneren Krieges bestimmt. Die entscheidenden Faktoren dieses Bruchs waren die Friedensprozesse seit 1982, die Konsolidierung der

Die Guerillagruppen der Zeit nach der sogenannten Violencia (1948-57, d. Üb.) sind: die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Heer des Volkes (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - Ejército de! Pueblo FARC-EP), die 1964 im Süden des Landes entstanden; das Nationale Befreiungsheer (Ejército de Liberación Nacional ELN) trat erstmals 1965 im Nordosten in Erscheinung; das Volksbefreiungsheer (Ejército Popular de Liberación EPL) agiert seil 1967 im Süden der Atlantikküste. Alle diese Gruppen sind Teil der marxistischen Linken und lehnen sich an die Politik der Regierungen der Sowjetunion, Kubas bzw. Chinas an. In den 70er Jahren gab es mit der Entstehung der städtischen Guerilla Bewegung 19. April (Movimiento 19 de Abril M-19), die eine Demokratisierung forderte, sowie der kurzlebigen Bewegung der Arbeiterselbstverteidigung (Autodefensa Obrera ADO) einen Diversifizierungsprozess. In den 80er Jahren erweiterten die regional und bei der indigenen Bevölkerung verankerte Bewaffnete Bewegung Quintín Lame (Movimiento Armado Quintín Lame MAQL) das Spektrum der Guerillagnippen. Als Ergebnis von Spaltungen der FARC-EP, des ELN und des EPL entstanden zur selben Zeit darüber hinaus weitere Guerillagruppen: die Gruppe Ricardo Franco, die sozialistische Revolutionspartei (Partido Revolucionario Socialista PRS) sowie die Strömung zur sozialistischen Erneuerung (Corriente de Renovación Socialista CRS). Der M-19, der EPL, der MAQL, der PRS und der CRS unterzeichneten zwischen 1990 und 1994 Friedensabkommen, gaben den bewaffneten Kampf auf und integrierten sich in die legale politische Auseinandersetzung.

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Drogenwirtschaft, der katastrophale Zusammenbruch des Ostblocks, der den Kalten Krieg beendete, und die Ausdehnung der paramilitärischen Gruppen. 2

Der Krieg: Symptom der Schwäche demokratischer Institutionen Auch auf die Gefahr hin, auf dem Offensichtlichen zu bestehen, muss man daran erinnern, dass die Guerillagruppen sich konsolidieren und stärker werden konnten, weil sie in Kolumbien ein dafür geeignetes Umfeld vorfanden. 3 Einen Krieg gibt es nicht einfach wegen des politischen Willens einiger Akteure, die trotz des Zusammenbruchs des sozialistischen Modells darauf bestehen, den existierenden Staat mit Waffengewalt durch eine neue Ordnung zu ersetzen. In ihrem Ursprung haben die Guerillagruppen soziale Wurzeln, die vor allem mit dem im Verlauf der Geschichte Kolumbiens ungelösten Agrarproblem in Zusammenhang stehen. 4 Es ist hier nicht der Ort, diesen Aspekt tiefgehend zu analysieren, weshalb der Hinweis genügen soll, dass der Krieg in Kolumbien, so wie es Marco Palacio (1999) scharfsinnig formuliert, „ein Symptom der Schwäche demokratischer Institutionen" ist. Auch das Fehlen reformorientierter Prozesse, die es den Volksbewegungen erlaubt hätten, am wirtschaftlichen Wachstum und den Bürgerrechten teilzuhaben, sowie die bestehende Ungleichheit und Marginalisierung, die Unfähigkeit des Staates, soziale Konflikte zu regulieren, ein politisches

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Ich benutze das Konzept des Krieges für die aktuelle bewaffnete Auseinandersetzung. Wenn der Unterschied zwischen bewaffnetem Konflikt und Krieg in dessen Ausmaß und Intensität besteht, dann gab es in den 60er und 70er Jahren einen bewaffneten Konflikt, heute dagegen einen Krieg. Der Übergang vom Konflikt zum Krieg fand im vergangenen Jahrzehnt statt. Wie alle Kriege hat auch dieser seine Besonderheiten und teilt gleichzeitig einige Charakteristika mit anderen Kriegen, die es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab. Die analytische Unterscheidung zwischen Konflikt und Krieg findet sich bei David (2000). Eine vergleichende Analyse von Bürgerkriegen findet sich bei Waldmann/Reinares (1999).

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Eine Analyse der Faktoren, die die Konsolidierung und Ausdehnung der Guerilla in Kolumbien möglich machten, liefert Pizarro (1996).

4

Der Ursprung der FARC-EP geht auf den militärischen Angriff zurück, den die Regierung auf die Zonen der „bäuerlichen Selbstverteidigung" unternahm, die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden waren, um das Land zu verteidigen, das sich die Kleinbauern im Zuge ihrer Kämpfe angeeignet hatten. Der ELN war das Ergebnis der politischen Entscheidung einer Gruppe, die mehrheitlich aus Studenten bestand, die die Erfahrungen des „aufständischen Fokus" der kubanischen Revolution wiederholen wollten. In der Zweiten Erklärung von Havanna wurde die Position vertreten, es sei unnötig auf die Existenz objektiver Bedingungen für eine Revolution zu warten, sondern es reiche ein „Fokus" aus um diese zu schaffen. Eine These, die den Voluntarismus der Guerilla jener Zeit hervorbrachte. Das EPL ist ebenfalls Produkt einer Entscheidung, durch die die Kommunistische-Marxistische-Leninistische Partei einen Guerillakern auf dem Land schaffen wollte, um den Volkskrieg voranzubringen. Im Unterschied zum ELN, das die Bauernbewegung nicht in den Guerillakampf einzubeziehen suchte, versuchte der EPL die Tagelöhner im Departement Córdoba zu organisieren und für den bewaffneten Kampf zu mobilisieren. Aber weder der ELN noch der EPL entstanden aus einer sozialen Bewegung heraus. Die Erzählungen von Broderick (2000) und ViIlarraga/Plazas (1994) zeigen dies. Zur Entstehung der F A R C siehe Pizarro (1991).

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System, das die Entwicklung einer modernen Demokratie blockiert, und das Fehlen von Bezugspunkten zur Bildung einer symbolischen nationalen Einheit trugen zu diesem Umfeld bei. 5 Es handelt sich nicht darum, wie Präsident Betancur die „objektiven Ursachen" für die Existenz der Guerilla zu formulieren, 6 sondern die Bedingungen zu benennen, die es ermöglichten den Krieg fortzuführen und zu reproduzieren. Vor allem, wenn die Ungleichheit 7 nicht als historisches Schicksal, sondern als Ausdruck der Ungerechtigkeit empfunden wird, belebt das den Geist der Rebellion, worauf Hannah Arendt (1973) hingewiesen hat. So gesehen, besteht das Hauptproblem darin, die Wurzeln des zugrundeliegenden sozialen Krieges zwischen Guerilla und Staat durch die Konstruktion einer demokratischen Gesellschaft zu beseitigen. 8 Der Krieg behindert dies, weil er die Möglichkeiten des friedlichen Zusammenlebens zerstört, die notwendig sind, um die Blockaden der Demokratie aufzuheben sowie Eigentum, Reichtum und öffentliche Güter gerecht zu verteilen. Nur so kann die herrschende Ungleichheit ebenso überwunden werden wie die kulturelle, soziale und politische Marginalisierung der Kleinbauern und der Armen, die in den Städten leben. Dies ist auch die Basis für die Legitimierung und Institutionalisierung des Staates in seiner Funktion als Vertreter des Allgemeinwohls. Der Krieg trägt zur Schwächung der sozialen und politischen Akteure bei, indem er deren Organisation erschwert und in vielen Fällen deren Aktionen überlagert. Wenn es außerdem, wie im Fall Kolumbiens eine nur schwache Identifikation der Bevölkerung mit den bewaffneten Akteuren gibt, setzten diese ihr Diktat auf dem Weg der Einschüchterung und des Terrors durch. 9 Die Frage ist also weniger, wie man den Krieg beendet, als vielmehr, wie man die Bedingungen, die diesen am Leben erhalten, beseitigt. Dazu ist ein Friedensabkommen notwendig, das das friedliche Zusammenleben und einen

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Marco Palacios (1999) meint, dass das „politische Hauptproblem Kolumbiens nicht in der Friedenssuche besieht, sondern in der Konstruktion der Demokratie", weshalb es notwendig sei, im Rahmen eines nationalen Abkommens politische, soziale und wirtschaftliche Reformen durchzuführen, die die Konsolidierung eines „positiven Friedens" ermöglichen.

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Präsident Belisario Betancur (1982-1986) schlug eine kühne Friedenspolitik vor. die auf der Anerkennung „objektiver Ursachen" beruhte, den bewaffneten Aufstand rechtfertigte und die Guerilla als Repräsentanten bei der Formulierung von Reformen anerkannte, deren Umsetzung zur Beendigung des Krieges notwendig sei.

'

Alfredo Sarmiento (1999: 61) fand eine positive Korrelation zwischen Ungleichheit und Gewalt. „Angesichts der Gewalt war der wichtigste Faktor für ihre Ausbreitung in den 90er Jahren die Ungleichheit".

8

Bei einem Vortrag des Verfassers vor Offizieren der Streitkräfte im Jahr 1999 stellte einer von ihnen fest: „ Auch wenn wir die Guerilla besiegen würden, hätten wir damit noch nichts erreicht. Innerhalb von zehn Jahren gäbe es eine andere, stärkere Guerilla wie diese, wenn wir nicht die Lebensbedingungen auf dem Lande verändern."

'

Für eine Analyse des Terrors als Mittel der Auseinandersetzung in Kolumbien vgl. die Arbeit von Lair (1999).

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neuen Sozialvertrag für die Demokratisierung der Gesellschaft ermöglicht. Dies ist der Weg zu einem „positiven Frieden", in dem die verschiedenen Gesellschaftsprojekte und Konflikte politisch aufeinandertreffen und auf friedliche Art ausgetragen und transformiert werden.

Autonomie der Guerilla Im Gegensatz zu anderen Guerillabewegungen des Kontinents, die wie der FMLN (Frente Martí para la Liberación Nacional) in El Salvador oder die URNG (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca) in Guatemala stark von internationalen Entwicklungen und der externen Unterstützungen abhängig waren, verfügt die kolumbianische Guerilla über ein hohes Maß an Autonomie, was unter anderem an ihrem Erstarken nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Wirtschaftskrise in Kuba sichtbar wird. Auch wenn es stimmt, dass der ELN und der EPL in ihrer Anfangszeit politische und finanzielle Unterstützung aus Kuba und der VR China erhielten, war diese doch nie von entscheidender Bedeutung und hat bereits vor einiger Zeit aufgehört. Diese Autonomie führt dazu, dass die Guerilla nur in geringem Maß auf internationalen Druck reagiert, ein Faktor, der die Mitarbeit der internationalen Gemeinschaft bei der Friedenssuche erschwert. Seit den 80er Jahren fand die Guerilla neue Mechanismen der Finanzierung, die ihr eine beträchtliche Erhöhung ihrer Einkünfte und der Zahl ihrer Kämpfer sowie die Modernisierung ihres Waffenarsenals ermöglichte. Diese Einkünfte stammen - in der Reihenfolge ihrer Bedeutung - aus der Aneignung von Gewinnen aus dem Drogenhandel, der Entführung von Zivilisten, der Aneignung von Geldern der Kommunen und den Gewinnen aus eigenen Investitionen.10 Es ist sehr schwierig, die Einnahmen der Guerilla zu quantifizieren, aber ihre Höhe ist beträchtlich, so dass sie weniger auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen ist. Im Gegenteil: Das Geld hat der Guerilla ein militärisches Wachstum weit über ihren politischen Rückhalt hinaus ermöglicht. Insofern ist ihre militärische Stärke gleichzeitig ihre größte Schwäche. Die Notwendigkeit, den eigenen Militärapparat zu unterhalten, zwingt sie dazu, Entführungen in einem Ausmaß vorzunehmen, das für andere Guerillagruppen 11 unnötig war. Die Er-

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Eine Studie des Nationalen Planungsamtes (Deparlamenlo Nacional de Planeaciön DNP) schätzt die Einnahmen der Guerilla im Zeitraum 1991-1996 auf US$ 3,6 Mrd. oder 5,3% des BIP. Davon stammen 45% aus dem Drogenhandel, gefolgt von 27% aus Erpressung von Schutzgeldern und 22% aus Entführungen. Die übrigen 7,3% (sie) wurden durch die Abzweigung von Geldern, Gewinnen aus Investitionen und andere Mechanismen erzielt" (DNP 1998: 76).

"

Von den jährlich etwa 3.000 Entführungen sind die Guerillagruppen schätzungsweise für 40% verantwortlich.

19

Pressungen in großem Stil untergraben ihre ohnehin geringe Legitimität und verringern ihre Fähigkeit bei breiten Bevölkerungsgruppen Rückhalt zu gewinnen. 12 Auch wenn die geographische Verbreitung der Guerilla, der der Kolonisierungszonen entspricht, ist es doch auch die des Schmuggels, die des Anbaus illegaler Produkte und die der Paramilitärs. Das Wachsen der Guerilla hängt nicht direkt mit sozialen Auseinandersetzungen zusammen, und es bestehen keine engen Verbindungen zwischen Guerillaaktionen und Konflikten oder Kämpfen sozialer Gruppen oder gar den Forderungen der Bevölkerung in den Regionen, in denen die Guerilla operiert. 13 Die Landkarte der sozialen Kämpfe Kolumbiens ist nicht identisch mit der Präsenz der Guerilla. In den Regionen mit besonders hoher Bevölkerungsdichte ist sie das Ergebnis des Krieges und nicht dessen Voraussetzung. Im Gegensatz zu anderen inneren Kriegen artikuliert sich der unsere weder durch gegensätzliche ethnische, regionale oder kulturelle Identitäten noch durch den Wandel sozialer Kämpfe zu Aufstandsbewegungen, wie dies zu Anfang bei den FARC-EP der Fall war. Die militärische Stärke der Guerilla hängt in weit höherem Maß mit der Aneignung wirtschaftlicher Überschüsse aus der Drogenökonomie und aus Aktivitäten wie Erpressung und Entführung zusammen als mit einer wachsenden politischen Unterstützung der Guerilla. Ohne Zweifel profitiert die Guerilla auch von der Schwäche des Staates, der sozialen Desorganisation, vor allem in den Regionen der Agrargrenze.

Regionale Kriege Die Guerilla wollte stets die Herrschaft im Zentralstaat übernehmen, und in diesem Sinn ist der Krieg gegen den Staat national, auch wenn er in der Praxis immer sehr stark regional geprägte Konturen M hatte. Diese waren geprägt durch die Vielfältigkeit der der bewaffneten Auseinandersetzung zugrunde liegenden

12

Bei einem Gespräch des Verfassers mit Carlos Pizarro in einem Camp in Santo Domingo, erklärte der damalige Anführer der M-19, dass einer der Gründe, warum er den bewaffneten Kampf aufgebe, sein „Widerstand gegen die Finanzierung durch Entführung und Erpressung" sei. Interview mit Carlos Pizarro, Santo Domingo/Cauca, 1989.

13

In diesem wie in anderen Aspekten des Krieges in Kolumbien muss man allerdings vor Verallgemeinerungen warnen. Auch wenn es die Tendenz der Distanz zwischen Guerilla und sozialen Kämpfen gibt, so heißt das nicht, dass überhaupt keine Verbindung zwischen beiden existiert. Erinnert sei nur an die Rolle, die der ELN bei den Zivilstreiks im Nordosten des Landes während der 80er Jahre spielte oder die FARC-EP bei den Märschen der Koka-Bauern 1996.

14

In seinen sehr interessanten Überlegungen über die Dezentralisierungsprozesse vertritt Dario I. Restrepo (2000) die Ansicht, dass „der Krieg in Kolumbien niemals national, sondern immer territorial war" und sich an der Kontrolle derjenigen Territorien orientiert habe, die es erlaubten, das Kräfteverhältnis auf nationaler Ebene zu verhandeln.

20

Konflikte, 13 durch die Beziehung zwischen regionalen Machtzentren und Zentralregierung sowie zwischen regionalen und nationalen Eliten. Es handelt sich weniger um einen Krieg als um eine Gruppe regionaler Kriege. Der Krieg im Südosten des Landes ist nicht derselbe wie der im Urabä, im Magdalena Medio oder in Arauca. Im Südosten gibt es Großgrundbesitz von Viehzüchtern und eine Kolonisierung der Grenzregion, eine große Menge illegaler Produkte und traditionelle Präsenz der FARC-EP. Die „politische Ökonomie" des Krieges basiert auf der Aneignung eines Teils des Mehrwertes aus dem Drogenhandel und der Regulierung des Rohstoffmarktes seitens der Guerilla, was zur De-facto-Kooperation zwischen Guerilla und Drogenhändlern führt und das Funktionieren der Drogenwirtschaft ermöglicht. Diese Zusammenarbeit erklärt die Abwesenheit der Paramilitärs in einigen Regionen. Im Gegensatz dazu sind die Paramilitärs im Urabä sehr stark verbunden mit dem Drogenhandel und dem Großgrundbesitz der Drogenhändler. 16 Die Paramilitärs haben diese Region in ein „Labor für die Praxis des Terrors" umgewandelt, um die soziale Basis der Guerilla zu schwächen. Massaker, gewaltsame Vertreibungen, für die sie auf aktive und passive Unterstützung durch die Streitkräfte zählen konnten, erlaubten ihnen die Kontrolle des Gebiets, das vorher von den FARC-EP beherrscht wurde. 17 Der Kampf um die Kontrolle dieser Region hängt eng mit der strategischen Bedeutung des Golfes zusammen, der das Tor zum Waffenschwarzmarkt der Karibik und des Drogenexports sowie Eingangstor für den Schmuggel ist. Der regionale Charakter des Krieges hat wichtige Konsequenzen für eine politische Verhandlungslösung. Auch wenn die Verhandlung auf nationaler Ebene geführt werden muss und die beteiligten Akteure national sind, so dürfen doch die regionalen Spezifika nicht außer Acht gelassen werden, wenn die Logik des Krieges durchbrochen werden soll. Dies bedeutet, dass die politische Verhandlung auf nationaler Ebene die regionale Ebene miteinbeziehen muss.

15

Im Verlauf des Krieges waren in einigen Regionen auch die Konflikte zwischen lokalen Gemeinschaften und Makroprojekten der nationalen Entwicklung bedeutsam. Dies ist unter anderem beim Staudamm von Urrà im Nordwesten und der Ölförderung im Nordosten der Fall. Eine Annäherung an diese Dimension des Krieges findet sich im Mandato Ciudadanoporla Paz, la Viday la Libertad (2000).

16

Etwa vier Millionen ha befinden sich im Besitz von Drogenhändlern. Die Folgen dieser Entwicklung sind vielfältig, unter anderem der Austausch von Eliten und Verschiebungen bei den lokalen und regionalen Herrschaftsstrukturen. Die Narkolatifundisten finanzieren die Paramilitärs und beschleunigen den Prozess der Privatisierung von Sicherheit und der Deinstitutionalisierung des Staates. Zum Wachstum des Narkolalifundismus s. Reyes (1997).

"

Eine detaillierte Analyse der regionalen Dimensionen des Konfliktes findet sich bei Vargas (1999), eine Fallstudie zu den Beziehungen zwischen lokalen Eliten und dem Drogenhandel bei Romero (1989).

21

Ein Krieg geprägt durch die Interessen des Drogenhandels Die Ausdehnung und Konsolidierung der Drogenwirtschaft veränderte den nationalen Kontext. Die korrumpierende Macht des Drogenhandels drang in die staatlichen Institutionen ein, in die politischen Parteien und grub sich in die Organisationen der Gesellschaft ein. Dadurch nahm das traditionelle Misstrauen der Gesellschaft gegenüber dem Staat zu, die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität wurden fließend, die ohnehin schon komplexe Gewalt angeheizt.18 Der vielleicht nachhaltigste und perverseste Effekt der Drogenökonomie ist der Wertewandel, den sie herbeigeführt hat zugunsten von schneller Bereicherung, dem sozialen Aufstieg durch illegale Aktivitäten, der Duldung der Illegalität und der Entwertung des Lebens. Die Interessen der Drogenwirtschaft greifen in das Wesen und die Dynamik des Krieges ein. Durch die Präsenz der Drogenwirtschaft erhält der Krieg unweigerlich eine internationale Dimension, die zu einer größeren Präsenz der USA geführt hat (Thoumi 1999). Der Plan Colombia, der sich als Strategie der Drogenbekämpfung präsentiert, ist das ambitionierteste Programm für Militär"hilfe", das die USA seit ihrer Intervention in den zentralamerikanischen Konflikt für Lateinamerika aufgelegt haben. Aber jenseits der Drogenwirtschaft hat er die Verschärfung des Krieges in zweierlei Hinsicht gefördert: Erstens durch die Schwächung staatlicher Institutionen als Ergebnis der Korrumpierung derselben oder der Bedrohungspotentiale der bewaffneten Organisationen, die im Dienst des Drogenhandels stehen, eine Schwächung, die den Spielraum der bewaffneten Akteure erhöht sowie illegale oder paralegale Transaktionen zwischen Einzelpersonen begünstigt, was zur Eskalation der Gewalt auch in der Politik beiträgt. Zweitens spielen die Interessen des Drogenhandels auf beiden Seiten der bewaffneten Auseinandersetzung mit. Auf Seiten des Staates durch die Unterstützung seiner Organisationen und der Paramilitärs bei der Aufstandsbekämpfung in einigen Regionen des Landes. Urabä und Magdalena Medio sind hierfür die bekanntesten, aber nicht die einzigen Beispiele. Eine Unterstützung, die sich durch den Schutz der unmittelbaren Interessen der Drogenhändler erklärt, aber auch aus einer langfristigen Perspektive, in deren Rahmen sie wie jede aufstrebende Wirtschaftselite, die ihr Kapital konsolidieren will, die Guerilla als Gegner betrachtet. Auf Seiten der Aufständischen spielt der Drogenhandel eine Rolle durch seinen Anteil an den Finanzen der Guerilla über „Steuern" 19 in

18

Zu den Auswirkungen der Drogenwirtschaft auf die kolumbianische Gesellschaft siehe Pecaut (1999).

19

Die Guerilla, vor allem die FARC-EP, kassieren von den Drogenhändlern in den von ihnen kontrollierten Zonen Geld für den Zugang zum Rohstoffmarkt, die Erlaubnis des Betriebs von Laboren, den Zugang mit Flugzeugen etc. Dieses komplexe „Steuersystem" wurde in den 90er Jahren zur Haupteinnahmequelle.

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den von ihnen kontrollierten Zonen, wo sie das Funktionieren des Handels gewährleisten. Diese komplexe Beziehung von Konflikt und Kooperation zwischen Drogenhandel, Teilen des Staates und der Guerilla ist einer der wesentlichen Faktoren bei der Entstehung und Stärkung des Paramilitarismus, der Deinstitutionalisierung des Landes und des Krieges.

Der Paramilitarismus: zwei Pole, drei bewaffnete Akteure Der Paramilitarismus ist eines der Spezifika des kolumbianischen Krieges. Es stimmt zwar, dass es ihn auch in anderen Kriegen - beispielsweise in Guatemala - gab, aber er hatte dort weder die Charakteristika noch das Ausmaß, das er in Kolumbien aufweist. Seine Wurzeln sind vielfältig: Gruppen, die vom Drogenhandel organisiert wurden, um seinen Besitz zu verteidigen; Gruppen, die aus aktiven Mitgliedern der Streitkräfte bestehen oder von diesen ins Leben gerufen wurden, um „verdeckte Aktionen" der Aufstandsbekämpfung durchzuführen; Gruppen, die Viehzüchter, Grundbesitzer oder Händler organisiert haben, um sich vor Angriffen der Guerilla oder der gewöhnlichen Kriminalität zu schützen.20 Ein gemeinsames Element all dieser Gruppen ist ihre Berufung zur Aufstandsbekämpfung. Ihr beschleunigtes Wachstum in den vergangenen Jahren, das das der Guerilla übertrifft, erklärt sich vor allem durch eine aktive und passive Komplizenschaft der Streitkräfte, durch die bis vor kurzem ihnen gegenüber geltende Straflosigkeit, die Einkünfte, die sie aus dem Drogenhandel und von regionalen Eliten erhalten, durch die Ausbreitung des „Narkolatifundiums" und durch die Übergriffe der Guerilla auf die Bevölkerung.21 Ein Sektor der Paramilitärs, der durch die Bäuerliche Selbstverteidigung von Córdoba und Urabá (Autodefensas Campesinas de Córdoba y Urabá ACCU) angeführt wird, hat sich in der nationalen Koordination der Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens {Autodefensas Unidas de Colombia AUC) zusammengeschlossen, eine Aufstandsbekämpfungsstrategie definiert und in ihren Dokumenten einen politischen Diskurs angenommen, in dem sie sich in

20

1981 gründeten die Drogenhändler die Todesschwadron „Tod den Entführern" (Muerte a Secuestradores MAS), um Entführungen durch die Guerilla zu bekämpfen. Vor dem Hintergrund der von der Regierung Betancur (1982-1986) verkündeten Amnestie und den Waffenstillstandsabkommen mit FARC. M-19 und EPL unterstützten Teile des Militärs die Gründung paramilitärischer Gruppen, um einem Anwachsen der Guerilla entgegenzuwirken. In Puerto Boyacá war der Paramilitarismus seit 1983 die Methode einer de facto Koalition aus Militärs, Viehzüchtern und Drogenhändlern, um den Übergriffen der FARC auf die Bevölkerung entgegenzutreten (s. dazu Pardo 1996).

21

Zum Wachstum der Paramilitärs und der Kooperation mit Teilen der regionalen Eliten und der Streitkräfte vgl. Cubides (1999).

23

Anbetracht der Unfähigkeit des Staates und seiner Streitkräfte und der wachsenden Bedrohung durch die Guerilla als Verteidiger des sozialen Rechtsstaats bezeichnen (vgl. Cubides 1999). Sie suchen ihre politische Anerkennung und fordern, bei den Friedensverhandlungen ebenso behandelt zu werden wie die Guerilla. Ihre Aktionsform ist der Terror durch wahllose Massaker an der Zivilbevölkerung - ihrer Ansicht nach „Guerilleros in Zivil" - und selektiven Morden an sozialen und politischen Führungspersonen. Es handelt sich nicht um rebellierende Gruppen mit einem alternativen Gesellschaftsprojekt, sondern um eine Kraft, die sich als Ergänzung zum Staat versteht. Tatsächlich scheint die Aufstandsbekämpfung in einigen Konfliktgebieten an diese Gruppen delegiert zu werden. Die Beispiele aus den vergangenen Jahren sind Urabä und der Magdalena Medio, wo die Passivität der Streitkräfte in scharfem Gegensatz zur Aggressivität dieser Gruppen steht. 2 2 Die Paramilitärs sind die Hauptverantwortlichen für die Massaker 23 und die gewaltsame Vertreibung der Bevölkerung. Wie schon gesagt sind sie ein regionales, sehr heterogenes Phänomen, im Dienste privater Interessen. Die Guerilla bezeichnet sie als Instrument der staatlichen Aufstandsbekämpfung, aber das Phänomen ist weitaus komplexer. Der Krieg in Kolumbien ist zwar bipolar zwischen Staat und Guerilla, es gibt zwei Seiten, aber drei bewaffnete Akteure, 24 auf der einen Seite die Streitkräfte und die Paramilitärs, auf der anderen Seite die Guerilla. Ohne den ursprünglichen Entstehungszusammenhang und die aktuellen Verbindungen mit den Streitkräften zu leugnen, gibt es aber Indizien dafür, dass das Erstarken der Paramilitärs der AUC, ihre Erfolge bei der Aufstandsbekämpfung und ihre Unterstützung durch Teile der politischen und wirtschaftlichen Elite diesen einen Zugewinn an Autonomie ermöglicht hat. Das Verstehen dieser Autonomie ist entscheidend, um die Aktionslogik der Paramilitärs zu begreifen und angemessene Formen des politischen Kampfes gegen sie zu entwickeln.

22

Während die von den Sireitkräften gegen die Guerilla initiierten Aktionen zunahmen, gab es in den gesamten 90er Jahren kaum Zusammenstöße mit den Paramilitärs. In den vergangenen Jahren begann sich diese Situation zu verändern. Jetzt gibt es Konfrontationen mit diesen Gruppen, allerdings sind sie zweifelsohne unzureichend. Nach Angaben des Verleidigungsminisleriums wurden zwischen 1997 und Oktober 2000 150 Paramilitärs festgenommen. Vgl. Ministerio de Defensa Nacional (2000: 24).

23

Nach Daten der Defensorio lich.

24

Im erwähnten Bericht des Verteidigungsministeriums wird die Stärke der Paramilitärs auf über 8.000 Mann geschätzt. Es wird von einem Wachstum „in den letzten beiden Jahren um 81%" ausgegangen und dass sie „aufgrund ihrer direkten und kontinuierlichen Beteiligung an den Feindseligkeiten als Konfliktpartei" angesehen werden sollten. Es wird auch behauptet, die „illegalen Selbstverteidigungsgnjppen werden durch den Staat verfolgt" (Ministerio de Defensa 2000: 10 und 11).

24

del Pueblo waren sie im Jahr 2000 für 77% der Massaker verantwort-

Der Krieg im Kontext allgemeiner Gewalt Der Krieg findet in Kolumbien in einem Kontext allgemeiner Gewalt 25 statt, in dem die politische Gewalt mit anderen Gewaltformen interagiert. Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen: Die Gewalt hat sich banalisiert, in den Alltag eingegliedert und die Fähigkeit, auf sie zu reagieren und sie sozial zu ächten, hat sich verringert. Es entstanden Freiräume für die Ausübung von „Privatjustiz" und das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, Konflikte friedlich zu bearbeiten, ist geringer geworden, wodurch der „Gewaltmarkt" 26 gestärkt wurde. Die Interaktion zwischen politischer Gewalt und gewöhnlicher Gewalt hat die Grenzen zwischen politischem und gewöhnlichem Verbrechen bis zu einem Punkt verschwimmen lassen, an dem es schwierig wird, die Verantwortung für eine Entführung oder ein Attentat festzustellen: Sie kann ebenso gut bei Organen der öffentlichen Sicherheit liegen wie bei Paramilitärs, Guerilleros oder gewöhnlichen Verbrechern. Schließlich haben die Banalisierung der Gewalt und die Vermischung von politischen Formen der Gewalt und anderen Formen den Prozess der Deinstitutionalisierung der Gesellschaft verschärft und die Glaubwürdigkeit des ethisch-politischen Projektes der Aufständischen eingeschränkt. Im Prinzip hat jede Form der Gewalt insofern eine politische Dimension, als sie den Staat als öffentlichen Raum der Konfliktregulierung zurückweist oder nicht anerkennt (vgl. dazu González 1993). Deswegen kann man zwar nicht von kausalen Beziehungszusammenhängen zwischen politischer und gewöhnlicher Gewalt sprechen, sicher ist aber, dass beide Formen sich gegenseitig verstärken, indem sie die Regulierungsfähigkeiten des Staates schwächen und individuelle wie kollektive Verhaltensformen jenseits der vorhandenen Normen hervorrufen. Die politische Gewalt ist mithin der Kontext, in dem sich die anderen Gewaltformen 27 reproduzieren, weshalb ein Friedensabkommen, das die bewaffnete Auseinandersetzung beendet, ein entscheidendes Element dafür ist, auch die anderen Formen der Gewalt zu verringern.

25

Ein Beispiel für das Ausmaß der Gewalt ist die Zahl der Morde. Im Jahr 2000 gab es 38.320 gewaltsame Tode. 7% mehr als 1999. In den letzten Jahren lag die Zahl der Morde pro 100.000 Einwohner zwischen 67 und 70. Der regionale Durchschnitt für Lateinamerika und die Karibik lag zwischen 1985 und 1995 bei 14. An zweiter Stelle stehen Verbrechen gegen das wirtschaftliche Eigentum, die 80% der gesamten Kriminalität ausmachen. Die Gesamtkriminalität lag 1995 mit 4.800 Delikten pro 100.000 Einwohner ebenfalls über internationalen Maßstäben (vgl. Rubio 1999).

26

Die hohen Quoten an Straflosigkeit hängen mit der Ineffizienz des Justizwesens und dem MissIrauen der Bevölkerung zusammen, die Verbrechen erst gar nicht anzeigt.

"

Vgl. dazu Pecaut 1997 und Sänchez 1998.

25

Das kolumbianische Labyrinth Wir befinden uns in einem Prozess der kontinuierlichen Eskalation. Trotz der Friedensverhandlungen deutet nichts darauf hin, dass die bewaffneten Akteure es aufgegeben hätten, Strategien zu ihrer Stärkung zu verfolgen. Im Gegenteil: Die Guerilla fährt fort, Jugendliche zu rekrutieren, und erweitert ihren Aktionsradius. Die Paramilitärs haben es nicht aufgegeben, die Hochburgen der Guerilla zu durchdringen und greifen dabei auf ein unvorstellbares Maß an Terror zurück. Die Streitkräfte befinden sich in einem Prozess der Restrukturierung, das Heer wird professionalisiert und hat die Initiative bei der Aufstandsbekämpfung zurückgewonnen. Es ist außerdem Hauptempfänger von Geldern aus dem Plan Colombia, durch den Kolumbien weltweit zum drittgrößten Empfänger nordamerikanischer Militärhilfe geworden ist. In den zwei Jahren der Verhandlungen inmitten des Krieges sind die Fortschritte auf dem Feld des Kriegs deutlicher sichtbar geworden als die beim Frieden. Währenddessen hat die Drogenwirtschaft mit ihrer paradoxen Logik von Kooperation und Kampf nicht aufgehört zu wachsen. Ihre Gewinne, die ihr eine Omnipräsenz bei allen bewaffneten Akteuren ermöglichen, finanzieren die Guerilla, die Paramilitärs und korrumpieren die staatlichen Institutionen. Wo die Drogenhändler zu Großgrundbesitzern wurden, greifen sie auf die Paramilitärs zur Vertreibung der Guerilla zurück. Wo es illegalen Anbau und Guerillagruppen gibt, „verbünden" sie sich mit diesen durch die Entrichtung von Steuern zur Absicherung der Drogenproduktion. Die Grenze zwischen Freund und Feind ist nicht eindeutig, sondern variiert je nach den regionalen Bedingungen. Die Ausdehnung der Drogenwirtschaft hat auch die Straflosigkeit befördert und zum Anwachsen der gewöhnlichen Gewalt, besonders der Morde, beigetragen. Die Überlagerung der verschiedenen Gewaltlogiken und Gewalträume hat zu einer Potenzierung der verschiedenen Gewaltmärkte geführt. Jugendbanden und gedungene Mörder bieten in einer deutlichen Vermarktung der Gewalt ihre Dienste zur Durchführung von Attentaten, Entführungen, Bedrohungen des einen oder anderen Akteurs an.28 Diese kritische Situation geschieht in einem Land, in dem der Staat niemals die Kontrolle der Gesellschaft und des Territoriums durchsetzen konnte und wo die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen nicht zum Aufbau einer modernen Demokratie geführt haben. Zwei Parteien, die Liberale und die Konservative kontrollieren seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Regierung und die wirtschaftlichen und politischen Eliten sahen sich nicht gezwungen, Teile der Macht für die Beteiligung anderer sozialer Gruppen zu öffnen. In Kolumbien gab es weder Reformismus, noch Populismus, wie es sie in anderen Ländern des

a

26

Zur Logik dieser Privatisierung der Gewalt im Kontext innerer Kriege s. Waldmann 1999.

Subkontinents gab (vgl. Pecaut 2000). Der Ausschluss und die Ungleichheit waren Konstanten des politischen und wirtschaftlichen Systems. In den 90er Jahren fand ein Wechsel des Entwicklungsmodells und des politischen Systems statt. Die Globalisierung führte zu einer internationalen Öffnung und ließ das alte Modell der importsubstituierenden Entwicklung mit staatlichem Schutz hinter sich. Die Ergebnisse dieser Öffnung waren bisher in stärkerem Maß negativ als positiv. 29 Andererseits wurde 1991 eine neue Verfassung verabschiedet, die den sozialen Rechtsstaat und die partizipative Demokratie verankerte. Der institutionelle Wandel schuf zwar neue Spielräume für die Beteiligung, reichte aber nicht aus, um den internen Krieg zu beenden und die Blockaden der Demokratie aufzuheben. Die beiden Reformen schufen aber einen strukturellen Konflikt zwischen einem Entwicklungsmodell, das weniger Staat, und einem politischen System, das mehr Staat fordert. Eine Folge dieser Veränderungen war der Bruch zwischen wirtschaftlicher und politischer Elite des Landes, die seit der Nationalen Front 30 bezüglich des Entwicklungsmodells und des politischen Systems einig waren. Diese Einigkeit existiert nicht mehr, was den ohnehin schwierigen Bedingungen für die Regierbarkeit des Landes ein weiteres Element der Komplexität hinzufügt. In Transformationsgesellschaften sind die Institutionen sehr angreifbar, alte Praktiken bestehen fort, neue haben sich noch nicht konsolidiert. In Kolumbien potenziert sich die traditionelle Schwäche der Institutionen durch den Wandlungsprozess. Die Korruption, verbunden mit der Hegemonie des Zweiparteiensystems, dem Fehlen einer soliden demokratischen Opposition, dem Wachstum der Drogenwirtschaft und dem Prozess der Privatisierung führt dazu, dass Kolumbien zu den korruptesten Ländern der Welt gehört. Als wäre dies noch nicht schlimm genug, erlebt das Land eine seiner schlimmsten Wirtschaftskrisen seit 1930, die offene Arbeitslosigkeit beträgt in den Städten 20% und verschärft die sozialen Konflikte. Diese Umstände erklären, warum sich in den ländlichen Gebieten Hunderte von Jugendlichen der einen oder anderen bewaffneten Gruppe anschließen. Die politischen und ideologischen Positionen zählen immer weniger, die Paramilitärs zahlen ihren Mitgliedern tatsächlich ein Gehalt. Und die Guerilla hat es schon vor einiger Zeit aufgegeben, ihre Kämpfer erst nach einer politischen Ausbildung aufzunehmen. Es ist also nicht erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit von einer zur anderen Gruppe gewechselt wird, vor allem von der Guerilla zum

2

'

30

Gemäß der Misión Rural „hat sich die Klufl zwischen Stadt und Land vergrößert, und die Ungleichheit ist überwältigend, die 10% Reichsten auf dem Land verfügen über ein 30 mal höheres Einkommen als die 10% Ärmsten" (siehe Echeverri 1998: 5). 72% der Bevölkerung ist arm, und 1,3% der Grundbesitzer besitzen 48% des Landes. Im System der Nationalen Front (1958-1974) teilten liberale und konservative Partei alle Ämter in Staat und Verwaltung im Proporzverfahren auf (Anm. d. Übers.).

27

Paramilitarismus. 31 In Armeen verwandelt, die sich gegenseitig die Kontrolle des Territoriums streitig machen, etablieren sie Beziehungen zur Bevölkerung, die nur die Alternative hat, sich entweder zu unterwerfen oder ihr Land und ihre Häuser zu verlassen. Nach und nach wurde die Bevölkerung in den Konfliktzonen dadurch sprachlos. Im Kreuzfeuer sind das Schweigen und die Unterwerfung die einzigen Überlebensmöglichkeiten. Dies gilt, solange die Gruppe, die heute die Hegemonie ausübt, nicht durch eine andere Gruppe ersetzt wird. Der Schauplatz des Krieges sind die ländlichen Gebiete, aber nicht mehr nur diejenigen, die von geringer Bedeutung sind. Der Krieg hat sich den Städten angenähert, wo vielfach Milizen operieren. Seit Jahren präsentieren die Guerillagruppen den multinationalen Konzernen und den Eliten durch Schutzgelderpressungen und Entführungen die Rechnung. In den vergangenen Jahren haben sie ihre „Steuerbasis" ausgedehnt, indem sie Mitglieder der Mittelschicht entführen und von diesen in der Stadt wie auf dem Land Schutzgelder erpressen. Die sogenannten „wunderbaren Fischzüge" 32 haben die Praxis der Entführungen „demokratisiert": Jeder kann ein Opfer werden. Die Paramilitärs treffen mit ihren selektiven Verbrechen in den Städten vor allem Gewerkschaftsführer, Anführer sozialer Bewegungen, Akademiker und Intellektuelle. Das Gefühl der Unsicherheit und die Unfähigkeit des Staates, diese Situation zu kontrollieren, nähren die gefährliche Tendenz zur Polarisierung der Bevölkerung und haben die Position derjenigen gefestigt, die für eine militärische Lösung eintreten. Die Ausweitung des Krieges und die zunehmende Betroffenheit der Zivilbevölkerung haben eine Bürgerbewegung für den Frieden hervorgebracht, die eine Verhandlungslösung, einen Waffenstillstand und die Respektierung des humanitären Völkerrechts befürwortet. In dieser Bewegung kooperieren die Kirchen und verschiedenste Organisationen der Unternehmer und der Gewerkschaften sowie solche aus dem akademischen und sozialen Bereich. Neben den Punkten der Übereinstimmung handelt es sich um einen offenen Raum, in dem die Art des anzustrebenden Friedens ebenso diskutiert wird wie die Rolle der gesellschaftlichen Organisationen bei seinem Aufbau und den Verhandlungen mit den Aufständischen: im wahrsten Sinne des Wortes ein heterogener Ort, gleichzeitig ein Laboratorium des Zusammenlebens und der Diskussion zwischen Sektoren und Positionen, von denen bis vor kurzem niemand geglaubt hätte, dass sie ein gemeinsames Ziel haben könnten.

31

Es sind viele Fälle von deserlierlen Guerilleros bekannt, die auf die andere Seile gewechseil haben. Der auffälligste Fall war der einer Front des EPL. die kollektiv in die Reihen der ACCU eingetreten ist.

32

Die „wunderbaren Fischzüge" wurden von den FARC-EP erfunden und werden heute von allen aufständischen Gruppen angewandt. Durch Straßensperren werden wahllos Menschen entführt und anschließend abhängig von den Einkommensverhältnissen der Entführten Lösegelder kassiert. Diese Praxis hat in einigen Städten das Phänomen der „kollektiven Selbst-Entführung" hervorgebracht, weil die Bewohner fürchten, die Stadt auf dem Landweg zu verlassen.

28

Zwischen Verhandlung und Krieg: Perspektiven des Friedensprozesses Präsident Pastrana begann 1998 eine neue Etappe in dem bereits langen Weg des Friedensprozesses,33 als er im Südosten des Landes eine Entspannungszone einrichtete, um die Verhandlungen mit den FARC-EP voranzutreiben. Zwei Jahre später geben die Ergebnisse Anlass zur Sorge: Jenseits einer „Gemeinsamen Agenda für ein neues Kolumbien", die die Verhandlungen mit der Perspektive für politische, wirtschaftliche und soziale Reformen eröffnete, und dem Fortbestehen der Verhandlungen trotz zahlreicher Hindemisse, gab es kaum Fortschritte. Die Skepsis der Bürger gegenüber dem Prozess ist ebenso groß wie die Kritik am Verhalten der FARC-EP in der Entspannungszone und an der Regierung wegen der Umsetzung ihrer Friedenspolitik. Die Perspektiven der Verhandlungen mit dem ELN sind unsicher. Erst Ende des Jahres 2000 war es mit Unterstützung der „ Comisión Facilitadora Civil" sowie der Gruppe der Freunde34 möglich, zu einer vorläufigen Übereinkunft zwischen Regierung und ELN über eine Begegnungszone zu gelangen. Dort sollen die „Nationale Versammlung für den Frieden" und die Verhandlungen mit der Regierung stattfinden, die Zone unterliegt einem minutiösen Reglement und nationaler wie internationaler Überwachung. Dennoch hat der Widerstand durch Teile der in den betroffenen Kommunen lebenden Bevölkerung, der von den Paramilitärs geschürt und unterstützt wurde, bisher eine Umsetzung in die Praxis verhindert. Es stellt sich mithin die Frage nach den Perspektiven des Friedensprozesses. Die Antwort ist nicht einfach und hängt nicht allein von nationalen Akteuren und Variablen ab.

Internationalisierung des Krieges oder des Friedens? Die Präsenz der USA im inneren Krieg ist keine Neuigkeit. In den vergangenen Jahren unterstützte die US-Militärhilfe den Kampf gegen den Drogenhandel, was der Polizei und nicht der Armee, die für Menschenrechtsverletzungen und Verbindungen zu den Paramilitärs verantwortlich gemacht wird zugute kam. Mit "

Der erste Friedensprozess fand unter der Regierung Betancur (1982-1986) statt und führte zu einem prekären Waffenstillstand mit den FARC-EP, dem M-19 und dem EPL. Präsident Barco (1986-1990) nahm die Verhandlungen mit dem M-19 1989 wieder auf und erreichte deren Demobilisierung. 1991 demobilisierten sich EPL, MAQL und PRT, 1994 während der Regierung Gaviria die Strömung sozialistischer Erneuerung (CRS). Seither hatte es keine Friedensverhandlungen mehr gegeben. Zur Analyse dieser Prozesse vgl. Zuluaga (1996).

34

Die Comisión Facilitadora Civil war eine Initiative von verschiedenen Sektoren der Gesellschaft, die Etablierung einer Gruppe der Freunde wurde von Regierung und ELN vereinbart, ihr gehören Vertreter aus Frankreich, der Schweiz, Schweden, Spanien und Kuba an.

29

der Verabschiedung des Plan Colombia in Höhe von US$ 1,3 Mrd. hat sich die Situation verändert. Ein Großteil des Geldes wird zur Organisation von Drogenbekämpfungseinheiten verwendet, ein Weg, durch den sich Drogen- und Aufstandsbekämpfung verbinden und eine Armee unterstützt wird, der Verbindungen zu den Paramilitärs 35 vorgeworfen werden. Der Plan wird von der Guerilla und Gruppen, die mit der Friedensbewegung in Verbindung stehen, abgelehnt, weil sie in ihm ein Instrument der Eskalation des Krieges sehen.36 Der Plan Colombia vermischt den Kampf gegen die Drogen mit der Aufstandsbekämpfung und der sozialen Entwicklung. Er propagiert eine militärische Herangehensweise an sozio-ökonomische Probleme und stützt sich auf ein Instrument, das in den vergangenen zehn Jahren bereits gescheitert ist, die Besprühung. 37 Seine Umsetzung hat zur Verhärtung der Position der FARC-EP geführt. Schlimmer noch, sie kann der Guerilla die Möglichkeit bieten, durch die Berufung auf die Verteidigung der nationalen Souveränität eine bisher nicht vorhandene Legitimität zu gewinnen. Der bewaffnete Streik, den die FARC-EP Ende des Jahres 2000 für fast zwei Monate im Putumayo durchführten, ist ein Vorgeschmack darauf, wie der Krieg im Zuge der Umsetzung des Plans eskalieren wird. Das größte Risiko besteht in der Verschärfung der Polarisierung, die zu einer Verallgemeinerung des Krieges führen könnte. In letzter Zeit wird der innere Krieg in den USA als Bedrohung für die Stabilität der Andenländer wahrgenommen, von denen einige schwere Regierbarkeitskrisen durchleben. Diese Perzeption und die Schwere der humanitären Krise,38 die die Vereinten Nationen schon vor vier Jahren dazu veranlasste, ein Menschenrechtsbüro zu eröffnen, führte zum Ausufern der Gewalt 39 und der

35

Der stellvertretende Staatssekretär für Menschenrechte. Harold Koh. hat darauf bestanden, dass die Streitkräfte die Menschenrechte respektieren müssen und die Armee ihre Verbindungen zu den Paramilitärs beendet. Das Büro der UN-Hochkomissarin für Menschenrechte hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der Staat durch Aktionen oder Unterlassung für die humanitäre Krise verantwortlich ist.

34

Die Opposition zum Plan trag dazu bei, Paz Colombia ins Leben zu rufen, ein Zusammenschluss von politischen, sozialen und Friendensorganisationen, die eine Verhandlungslösung unterstützen. Paz Colombia hält den Plan Colombia für einen Kriegsplan, der für die Bekämpfung des Drogenhandels ungeeignet ist und dem Krieg eine neue Dynamik der Eskalation geben kann. Die Organisation schlägt stattdessen einen neuen Plan vor, dessen Schwerpunkt soziale Lösungen der wirtschaftlichen und sozialen Probleme und des Anbaus illegaler Produkte sein soll und der in Absprache mit den betroffenen Gemeinden erarbeitet wird.

37

Die Besprühungen sind als Mittel der Bekämpfung der Drogenproduktion gescheitert: Sie verlagern die Produktion, verschärfen deren Atomisierung, begünstigen die Entwaldung und führen nicht zuletzt zur Vertreibung der betroffenen Bevölkerung. Zehn Jahre Besprühung haben in Kolumbien nicht verhindert, dass sich die Anbaufläche verdreifacht hat. 1992 gab es ungefähr 42.000 ha, heute sollen es schätzungsweise 120.000 ha sein (s. Vargas 1999: 99-123).

M

Kolumbien gehört weltweit zur Gruppe der Länder mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen.

39

Im Jahr 2000 gab es 28.000 Morde, über 500 Massaker, 350.000 Vertriebene, täglich 14 Morde aufgrund der sozio-politischen Gewalt, mehr als 3.000 Entführungen, neben Verschwundenen und

30

Stärkung der Drogenwirtschaft. Zusammen mit der Unfähigkeit des Staates, dieser Lage Herr zu werden, die immer stärker an einige afrikanische Nationen erinnert, die in Konflikten ohne Sinn und Ende ausbluten, erhöht sich das Risiko einer „humanitären Intervention", die sich mittelfristig nicht ausschließen lässt. Kolumbien befindet sich zweifelsohne im Auge des Hurrikans der internationalen Gemeinschaft, wo es bei allen wichtigen Themen der internationalen Agenda - Drogenhandel, Menschenrechte, Umwelt, Korruption etc. - einen herausragenden Platz einnimmt. Eine weitere Form der Intemationalisierung nimmt Gestalt an. Die Vereinten Nationen haben die Präsenz ihrer Agenturen - UNDP, UNHCR - verstärkt und haben spezielle Beauftragte für Menschenrechte und den Friedensprozess ernannt. Die Europäische Union hat sich vom Plan Colombia distanziert und Alternativen für die Zusammenarbeit zur Stärkung von Demokratie und sozialer Entwicklung vorgeschlagen. Sie hat außerdem auf das Prinzip der geteilten Verantwortung verwiesen, um das Problem der Drogenwirtschaft mit einer anderen Politik anzugehen als die Vereinigten Staaten. Erstmals in der langen Geschichte der Friedensprozesse übernimmt eine Kommission der Gruppe der Freunde Funktionen, die im Falle des ELN die Gespräche zwischen Regierung und Guerilla erleichtern sollen. Forschungszentren, Universitäten und internationale Nichtregierungsorganisationen unterstützen die Friedenssuche durch politische Verhandlungen und erforschen die komplexe Situation Kolumbiens. Es gibt eine positive Intemationalisierung der Friedenssuche, die sich aus der Überzeugung speist, dass Kolumbien die politische Unterstützung stärker braucht als die militärische Kooperation: ein notwendiges Gegengewicht angesichts der unvermeidbaren und benötigten Präsenz der USA im Friedensprozess.

Zwischen Krieg und Verhandlungen Wie in allen Kriegen am Ende des 20. Jahrhunderts degeneriert auch der in Kolumbien immer weiter,40 und ein Großteil der Opfer sind Zivilisten.'" Diese Tatsache hat eine wachsende Polarisierung zwischen den Befürwortern einer Verhandlungslösung und einer militärischen Lösung hervorgerufen. Unter letzteren gibt es Fraktionen, die angesichts der Unfähigkeit des Staates, das Erstarken der Guerilla zu verhindern sogar in den Paramilitärs eine Alternative sehen. Aber-

extralegalen Hinrichtungen. Hunderte politischer Führer. Menschenrechtsverteidiger, Akademiker und Friedenskämpfer wurden ermordet oder sehen sich gezwungen, das Land zu verlassen. 40

Waldmann (1999: 39) meint: „Die heute dominierende Tendenz ist die des Zerfalls und der Zerstörung ohne Grenzen, das Prinzip des anything goes als Methode des Krieges".

"

Gemäß David (2000:137) besteht eines der Charakteristika von Bürgerkriegen darin, dass die Zivilbevölkerung die meisten Opfer stellt. „90% der Opfer in den Kriegen der 90er Jahre waren Zivilisten." 31

mals gibt es Aufrufe, die Bevölkerung zu bewaffnen. Auf der anderen Seite organisieren sich die verschiedenen Gesellschaftssektoren in vielfältigen Formen zur Aufrechterhaltung der Verhandlungslösung. Aber die Verhandlungen mitten im Krieg verursachen viele Schwierigkeiten: Aktionen der Guerilla, wie die Zerstörung von Dörfern, der Einsatz nicht-konventioneller Waffen und die Entführungen schwächen diese Option. Bisher ist es gelungen, die Verhandlungspolitik aufrecht zu erhalten, wobei sich die Haltung des Präsidenten als entscheidend erwiesen hat. Trotzdem machen die extreme Rechte und Gruppen, die von der Gewalt betroffen sind, Druck für eine schnelle militärische Lösung.

Die Verhandlungslösung ist die kostengünstigste für die Gesellschaft Eine Verhandlungslösung ist in diesem Klima der Unsicherheit und der Eskalation des Krieges immer noch ungewiss. Insgesamt ist sie aber nicht nur möglich, sondern auch für die Gesellschaft die kostengünstigste. Die Guerilla versteht, dass das sozialistische Projekt in einer globalisierten Welt nicht realisierbar ist, das bedeutet aber nicht, dass sie ihren Anspruch aufgegeben hat, an die Macht zu gelangen. Sie ist bereit zu verhandeln, solange die Verhandlungen dazu beitragen ihre Teilhabe an der Macht42 voranzutreiben und solange wirtschaftliche, soziale und politische Reformen vereinbart werden. Das Wichtige ist, dass sie erstmals akzeptiert haben, diese Reformen in einen demokratischen Rahmen 43 zu integrieren. Sie haben darauf hingewiesen, dass sie weder dem Verhandlungsmodell der „Wiedereingliederung" der M-19 und anderer Gruppen 44 folgen, noch dem Zentralamerikas, wo Reformen vereinbart wurden, die aber erst nach der Abgabe der Waffen umgesetzt werden. Sollen hier Vereinbarungen getroffen werden, so muss auch das Establishment bereit sein, in derartige Verhandlungen einzutreten. Es ist der Weg des langen Atems, komplex aber möglich, der sich allerdings nicht auf die Spitzen von Regierung und Guerilla beschränken darf. Verhandlungen, deren Ziel die Veränderung der Gesellschaft hin zu einer stärkeren Demokratisierung ist, verfügen nur dann über Legitimität, wenn es eine Beteiligung der Bürger gibt. Die größte Herausforderung und die beste Garantie, um auf dem Weg der Verhand-

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Um Friedensverhandlungen zu einem gangbaren Weg zu machen, müssen die Beteiligten davon überzeugt sein, dass sie mit der Verhandlung etwas gewinnen, oder zumindest nichts verlieren. Es müssen die relevanten Akteure beteiligt sein und deren fundamentale Interessen respektiert werden. Darum ging es in Kolumbien in den vergangenen Jahren. Bezüglich der Bedingungen für die Verhandlungen in Bürgerkriegen vgl. Krumwiede (1999).

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Ähnlich wie in anderen zeitgenössischen Bürgerkriegen, in denen die politische Lösung über die Demokratisierung der Gesellschaften ging (s. Krumwiede 1999).

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Eine Analyse zu den Konsequenzen dieses Prozesses findet sich bei Zuluaga (1999).

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lungslösung voranzukommen, ist die aktive Beteiligung der Gesellschaft mit ihrer Vielfalt an Interessen und Zielvorstcllungen.

Die Konjunktur: Eine Chance zum Aufbau der Demokratie Die Alternativen sind klar, der Weg ist schwierig. Die heutige Situation und die Gefahr, dass sie in einer Entwurzelung der Gesellschaft mündet, bei der alle verlieren, zwingt uns, darüber nachzudenken, wie die Schwächen der Institutionen überwunden werden können, Raum für mehr Beteiligung geschaffen werden kann und welche Bedingungen die Beteiligung aller an den Vorteilen von Entwicklung und Bürgerrechten ermöglichen. Es geht darum, zu den entfernten, aber weiter existierenden Ursprüngen der Gewalt zurückzukehren, um die Situation zu überwinden, die seit 30 Jahren das soziale und politische Fundament der Guerilla darstellt und ihren Griff zur Waffe rechtfertigt, sowie andererseits den Interessen Rechnung zu tragen, die zum Jahrtausendwechsel auf dem Spiel stehen. Man muss sich der Tagesordnung des Kalten Krieges und der Zeit nach dem Kalten Krieg stellen, um den Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert zu versuchen und so eine moderne Demokratie aufzubauen. Diese muss auf einer Entwicklung beruhen, die zur Ausweitung der wahren Freiheitsrechte des Individuums (Sen 2000: 13), von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit führt. Bei dieser Aufgabe ist Kolumbien auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Ohne deren Beteiligung wird es schwierig sein, einen Waffenstillstand zu erreichen, der notwendig ist, um die Bedingungen zu schaffen, die für das Vorantreiben der Debatten und für die Erreichung der Abkommen zur Errichtung einer Gesellschaft nötig sind, wie wir sie wollen. Ubersetzung aus dem Spanischen: Sabine Kurtenbach

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Günter Mertins

Aktionsräume von Guerilla- und paramilitärischen Organisationen: regionale und bevölkerungsgeographische Auswirkungen 1. Einleitung Zur Entwicklung, zum Einfluss, zu den (meistens verbrecherischen) Aktivitäten der verschiedenen Guerilla- und paramilitärischen Gruppen, zu ihren Konflikten sowohl mit dem kolumbianischen Staat (= Heer) als auch untereinander (Guerilla-Paramilitärs), über Zahl und Intensität der kriminellen Delikte (Anschläge, Überfälle, Massaker, Morde, Entführungen, Straßenblockaden etc.), die Verbindungen zur Drogen-Mafia sowie die insgesamt daraus für Kolumbien bzw. die gerade betroffene Region resultierenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme gibt es eine nicht mehr überschaubare Zahl von (seriösen?) Publikationen, Berichten und mehr oder weniger vertraulichen Dossiers (vgl. dazu auch einige Beiträge in diesem Band, vor allem aber Kurtenbach 1997). Seit 20 Jahren haben sechs Präsidenten in Kolumbien - mit unterschiedlichem Erfolg - Anstrengungen unternommen, den bewaffneten Konflikt zu beenden. Höhepunkt ist die Friedensdiplomatie des jetzigen Präsidenten Andrés Pastrana Arango (1998-2002), deren entscheidende Punkte im vielkritisierten Plan Colombia zusammengefasst sind. Aber trotz danach einsetzender, mehrfach abgebrochener Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Führungsspitze der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC), der ältesten und größten Guerilla-Organisation des Landes, ver-

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Abb i : Aktionsräume der beiden größten Guerilla-Organisationen in Kolumbien

VENEZUELA

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schärfen sich die Konflikte. Die Guerilla-Gruppen lehnen den Plan weitgehend ab, haben doch die USA im Januar 2000 zur Mitfinanzierung desselben 1,274 Mrd. US-Dollar für 2000/2001 bewilligt, wovon über 70% Militärhilfe darstellen (die drittgrößte diesbezügliche US-Zuwendung nach Israel und Ägypten), die die in 1999 bereitgestellten 295 Mio. US-Dollar erheblich übersteigen (Blumenthal 2000:17; Kurtenbach 2000: 225; vgl. auch Arias Calderón 2001). Aufgrund der stark verbesserten Ausrüstung mit modernen Aufklärungsgeräten und Waffen hat das kolumbianische Heer seit 1999 erhebliche Erfolge im Kampf gegen die Guerilla zu verzeichnen, was zu einer „zunehmenden Regionalisierung des Krieges in Kolumbien" geführt hat (Kurtenbach 2000: 226), d.h. zu einer Verlagerung der Konflikte in die Grenzregionen des Landes, in denen der kolumbianische Staat nur schwach präsent ist. Diese Aussage ist sicherlich zu relativieren (vgl. Abb. 1); besser ist es, von abgelegenen, schwieriger zu erreichenden (auch andinen!) Regionen zu sprechen.

2. Regionale Aktionsräume der Guerilla- und paramilitärischen Gruppen In Kolumbien operieren derzeit drei Guerilla-Organisationen, von denen die kleinste, der Ejército Popular de Liberación (EPL), mit ca. 500-700 Kämpfern von untergeordneter Bedeutung ist. Ungleich wichtiger sind die beiden großen Guerilla-Organisationen: • die ursprünglich maoistisch orientierten, vor über 30 Jahren gegründeten FARC mit ca. 26.000 militanten Angehörigen, die in fast der Hälfte der ca. 1.000 municipios (Großgemeinden) Kolumbiens präsent sind (vgl. Abb. 1) und die über 63 frentes (Kampfgruppen, oft Bataillonsstärke erreichend) im ländlichen sowie über vier im städtischen Raum verfügt; und • der eher fokistisch ausgerichtete, sich auf Konzepte von Che Guevara beziehende Ejército de Liberación Nacional (ELN; ca. 4.500-5.000 Kämpfer umfassend), mit deutlichen Präsenzschwerpunkten im Süden und Norden Kolumbiens, ferner im pazifischen Küstentiefland, im Magdalena Medio und an der Grenze zu Venezuela (Abb. 1). Der ELN hat in den letzten Jahren, vor allem in Auseinandersetzungen mit den Paramilitärs, in Nordkolumbien (Departements Córdoba, Sucre) und im nördlichen Magdalena Medio (Departements Bolívar, Cesar, Santander) empfindliche Schwächungen hinnehmen müssen, gerade auch durch gezielte Aktionen des kolumbianischen Heeres (Laute 2001: 23). Die in letzter Zeit mehrfach angesprochene zunehmende Verlagerung („Regionalisierung") der kriegerischen Auseinandersetzungen in die Grenzregionen Kolumbiens (vgl. Kap. 1) kann umfassend nicht bestätigt werden (Abb. 1, 2). Allerdings trifft das für die Grenzregionen mit Ekuador und den Westen Venezuelas 38

Abb.2: Angriffe auf Polizeistationen bzw.Polizisten in Kolumbien durch Guerilla- und paramilitärische Organisationen, 01.01.-31.07.2000

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