Kleine Schriften: Band 1. Sprachgeschichte. Verskunst [Reprint 2012 ed.] 9783110817348, 9783110002447

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Kleine Schriften: Band 1. Sprachgeschichte. Verskunst [Reprint 2012 ed.]
 9783110817348, 9783110002447

Table of contents :
I. Sprachgeschichte
Besprechung von Harald Spehr, Der Ursprung der isländischen Schrift und ihre Weiterbildung bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (1930)
Spaltung und Ausgleich in der Entwicklung der deutschen Mundarten (1933)
Zur Wortstellung und -betonung im Altgermanischen (1933)
Besprechung von Hans Gruber, Das adverbale uz-Präfix im Gotischen und Althochdeutschen (1934)
Die sprachliche Einheit Islands (1935)
Die Negation des Verbs in der altnordischen Dichtung (1936)
Die altnordischen Infinitive praeteriti (1939)
Besprechung von Karl Schneider, Die Stellungstypen des finiten Verbs im urgermanischen Haupt- und Nebensatz (1939)
Besprechung von Friedrich Maurer, Nordgermanen und Alemannen (1944)
Besprechung von Theodor Frings, Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache (1951)
Besprechung von Ernst Schwarz, Goten, Nordgermanen, Angelsachsen (1952)
Die norwegischen Spuren in der Liederedda (1952)
Ablaut, a und Altertumskunde (1954)
Zur Gliederung der germanischen Sprachen (1955)
Besprechung von Heinrich Matthias Heinrichs, Studien zum bestimmten Artikel in den germanischen Sprachen (1955)
Das Problem der Ingwäonen (1956)
Nochmals zu der Grundlegung, die keinen Grund legt (1956/1957)
Besprechung von Eduard Kolb, Alemannisch-nordgermanisches Wortgut (1957/1958)
Scharf (1960)
Zur Grammatik und Textgestaltung der älteren Edda (1960/1961)
Anlautend p- im Germanischen (1961)
Angelsächsisch cōp „Kappe“ und seinesgleichen (1962)
Besprechung von Ludwig Rösel, Die Gliederung der germanischen Sprachen nach dem Zeugnis ihrer Flexionsformen (1963)
Die Sprachen im deutsch-dänischen Grenzraum (1963)
II. Verskunst
Besprechung von Konstantin Reichardt, Studien zu den Skalden des neunten und zehnten Jahrhunderts (1929)
Die altgermanische Verskunst (1934)
Die Skaldendichtung (1934)
Zu Ernst Albin Kocks Notationes norrœnæ. Kritik der §§ 2501–10 (1936)
Zum Vers- und Satzbau der Skalden (1937)
Westgermanisches in der altnordischen Verskunst (1939)

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Hans K u h n

Hans Kuhn

Kleine Schriften Aufsätze und Rezensionen aus den Gebieten der germanischen und nordischen Sprach-, Literatur- und Kulturgeschichte

Erster Band

Sprachgeschichte Verskunst

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Gösdien'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit Sc Comp.

Berlin 1969

Kleinere Sdiriften zur Literatur- und Geistesgesdiidite

Herausgegeben von Dietrich Hofmann in Zusammenarbeit mit Wolfgang Lange und Klaus von See

© Archiv-Nr. 43 38 69/2 Copyright 1969 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & Comp. Printed in Germany - Alle Redite des Nachdrucks, der photomedianischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Hildebrandt & Stephan, Berlin

Sehr verehrter, lieber Herr Kuhn! Zum 13. Juli 1969, Ihrem 70. Geburtstag, möchten wir Ihnen diese Ausgabe Ihrer ,Kleinen Schriften' überreichen, zunächst deren ersten Band, dem aber die beiden anderen bald folgen werden. Die Ausgabe ist nicht eigentlich ein Geschenk zu nennen, denn wir geben Ihnen ja nur das gesammelt zurück, was Sie selbst im Laufe von vier Jahrzehnten geschaffen und in die Welt hinausgesandt haben; und wir können Sie nicht einmal mit der Sammlung überraschen, denn Sie haben ihr Werden von Anfang an verfolgt und haben uns bei der Auswahl und Anordnung der aufzunehmenden Schriften beraten. Wir glauben aber, Sie und Ihr wissenschaftliches Werk nicht besser ehren zu können als durch die Herausgabe dieser von Ihnen selbst autorisierten Sammlung Ihrer Schriften, zum Nutzen unserer Wissenschaft. In den verschiedenen Bereichen der germanischen und nordischen Philologie, in denen Sie nun schon so lange erfolgreich tätig sind, haben Sie stets in vorderster Linie der Forschung gestanden. Aus gründlicher Kenntnis der Materie, mit sicherem, kritisch-nüchternem Blick für das Wesentliche und mit feinem Gespür für noch nicht erkannte Zusammenhänge haben Sie den Quellen zahlreiche neue Erkenntnisse abgewonnen. Im Vertrauen auf das inhaltliche Gewicht Ihrer in verschiedenen Zeitschriften und Sammelwerken verstreuten und nicht immer leicht zugänglichen Untersuchungen haben Sie auf die Wirkung breiter angelegter selbständiger Publikationen verzichtet. Ihre Arbeiten haben in der Tat auch ohne sie gewirkt und Sie zu dem anerkannten führenden Vertreter Ihres Faches werden lassen, der Sie seit langem sind. Für diejenigen aber, die sich mit den von Ihnen bearbeiteten Gebieten befassen wollen, war der Zugang zu Ihren Untersuchungen bisher oft schwierig und unbequem, und mancher hat ihn wohl gar nicht gefunden. Deshalb war eine Sammlung Ihrer Schriften, die da Abhilfe schaffen kann, seit langem ein Desideratum. Wir hoffen, sie wird darüber hinaus mancher Ihrer Schriften zu neuer oder überhaupt erst zu der verdienten Wirkung verhelfen können. Das letzte gilt ganz besonders für einige bisher nur in isländischer Sprache vorliegende Aufsätze, die Sie nun selbst übersetzt und bearbeitet haben. Da sich alle Ihre Arbeiten durch Konzentration auf das Wichtige und

VI durch Komprimierung der Darstellung auszeichnen — andere hätten aus manchen Aufsätzen vermutlich ganze Bücher gemacht! —, war es möglich, in drei allerdings nicht gerade schmalen Bänden fast alle wesentlichen Arbeiten zu vereinen und damit den Kern Ihres bisherigen wissenschaftlichen Werkes so gut wie geschlossen darzubieten. Es fehlen zwar viele mehr periphere Stücke, von den wichtigen Schriften aber, außer dem kleinen Buch „Island. Das Heimatland der Sagas" eigentlich nur die Arbeit über das Füllwort of-um im Altwestnordischen (1929), die jedoch als selbständige Veröffentlichung leichter zugänglich ist, als die anderen Schriften es bisher waren. Dem Verlag ist sehr dafür zu danken, daß er sich ohne Zögern bereit gefunden hat, die Sammlung in dem vollen, Ihnen und uns notwendig erscheinenden Umfang herauszubringen. Die Texte Ihrer Schriften brauchten nicht verändert zu werden, abgesehen von der Übersetzung der ursprünglich isländisch geschriebenen Aufsätze und von kurzen Zusätzen am Schluß einiger weniger Abhandlungen. Obwohl sich die Zeiten und die Forschungssituation — diese nicht zum wenigsten eben durch Ihr Wirken — geändert haben, enthalten auch Ihre weiter zurückliegenden Arbeiten bemerkenswert wenig, was man heute als überholt oder nur noch unter forschungsgeschichtlichen Aspekten interessant bezeichnen könnte. Zwar sind viele von Ihnen gewonnene Ergebnisse inzwischen weithin bekannt und anerkannt, aber es ist doch immer wieder notwendig, auf Ihre Untersuchungen zurückzugreifen, damit die oft komplexen Tatbestände, die Sie so sorgfältig herausgearbeitet haben, in vollem Umfang gegenwärtig bleiben. So sind in der vorliegenden Ausgabe, Ihren Wünschen entsprechend, nur einige Äußerlichkeiten geändert: vereinzelte Druckfehler und Versehen, gewisse orthographische Besonderheiten einzelner Veröffentlichungen, einige Abkürzungen (ohne daß das Ziel einer vollständigen Normierung erreicht werden sollte), auch die Zählung von Anmerkungen, die nicht auf die Seitenbegrenzung der Erstveröffentlichung ausgerichtet bleiben konnte. Die ursprünglichen Seitenzahlen und -grenzen sind aber im übrigen mit angegeben, so daß man leicht von der einen zur anderen Ausgabe hinfinden und nach der einen oder der anderen zitieren kann. Auch bei Verweisen konnten deshalb die alten Seitenzahlen bleiben, nur dann ergänzt durch die neuen, in eckigen Klammern nachgestellten Zahlen, wenn die Verweise anderen in die Sammlung aufgenommenen Aufsätzen gelten. Als der Plan einer Sammlung Ihrer Schriften anläßlich Ihres 65. Geburtstags schon einmal an Sie herangetragen wurde, lehnten Sie ihn — ebenso wie eine Festschrift — mit der Begründung ab, Sie hofften noch allerlei ,νοη sich zu geben', stellten aber Ihr Nachgeben zum 70. Geburtstag in Aussicht. In der T a t haben Sie Ihr Werk in den seitdem vergangenen Jahren um eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten bereichert. Nun ist es so weit, daß die Aus-

VII gäbe erscheint. Sie haben jedoch nicht die Absicht, damit Ihre Forschungsarbeit einzustellen und nichts mehr zu schreiben, und das erwartet natürlich auch niemand von Ihnen. Im Gegenteil wünschen wir Ihnen ein möglichst langes und fruchtbares weiteres Wirken. Die jenseits dieser Ausgabe liegende Periode Ihres Schaffens hat in der Tat schon begonnen, und so hoffen wir sehr, daß eines Tages noch ein fülliger Nachtragsband Ihrer Schriften wird erscheinen können! Dietrich Hofmann

Wolfgang Lange

Klaus von See

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INHALT I. Sprachgeschichte Besprechung von Harald Spehr, Der Ursprung der isländischen Schrift und ihre Weiterbildung bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (1930) Spaltung und Ausgleich in der Entwicklung der deutschen Mundarten (1933) Zur Wortstellung und -betonung im Altgermanischen (1933) Besprechung von Hans Gruber, Das adverbale uz-Präfix im Gotischen und Althochdeutschen (1934) Die sprachliche Einheit Islands (1935) Die Negation des Verbs in der altnordischen Dichtung (1936) Die altnordischen Infinitive praeteriti (1939) Besprechung von Karl Schneider, Die Stellungstypen des finiten Verbs im urgermanischen Haupt- und Nebensatz (1939) Besprechung von Friedrich Maurer, Nordgermanen und Alemannen (1944) Besprechung von Theodor Frings, Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache (1951) Besprechung von Ernst Schwarz, Goten, Nordgermanen, Angelsachsen (1952) Die norwegischen Spuren in der Liederedda (1952) Ablaut, α und Altertumskunde (1954) Zur Gliederung der germanischen Sprachen (1955) Besprechung von Heinrich Matthias Heinrichs, Studien zum bestimmten Artikel in den germanischen Sprachen (1955) Das Problem der Ingwäonen (1956) Nochmals zu der Grundlegung, die keinen Grund legt (1956/1957) . . Besprechung von Eduard Kolb, Alemannisch-nordgermanisdies Wortgut (1957/1958) Scharf (1960)

1 5 18 104 107 124 135 165 171 182 196 205 219 246 291 300 307 319 324

χ

INHALT

Zur Grammatik und Textgestaltunig der älteren Edda (1960/1961) . .

330

Anlautend p- im Germanischen (1961)

361

Angelsächsisch cöp „Kappe" und seinesgleichen (1962)

390

Besprechung von Ludwig Rösel, Die Gliederung der germanischen Sprachen nach dem Zeugnis ihrer Flexionsformen (1963)

400

Die Sprachen im deutsch-dänischen Grenzraum (1963)

409

II. Verskunst Besprechung von Konstantin Reichardt, Studien zu den Skalden des neunten und zehnten Jahrhunderts (1929)

421

Die altgermanische Verskunst (1934)

430

Die Skaldendichtung (1934)

439

Zu Ernst Albin Kocks Notationes norrcenje. Kritik der §§ 2501—10 (1936)

447

Zum Vers- und Satzbau der Skalden (1937)

468

Westgermanisches in der altnordischen Verskunst (1939)

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I. Sprachgeschichte

BESPRECHUNG von

HARALD SPEHR DER URSPRUNG DER ISLÄNDISCHEN SCHRIFT UND IHRE WEITERBILDUNG BIS ZUR MITTE DES 13. JAHRHUNDERTS (Halle a. S. 1929) [Deutsche Literaturzeitung 51, 1930, Sp. 1843—1846] „Die vorliegende Arbeit versudit aus den Formen der Buchstaben der ältesten isländischen Hss. bis etwa 1250 die Frage nach der Herkunft der isländischen Schrift zu beantworten" (S. 7). Die Entstehung und älteste Geschichte der lateinischen Schrift in Island ist bisher kaum untersucht, nur M. Hsegstad und George T. Flom haben sie in Arbeiten über die norwegische Schriftgeschichte einbezogen, und manche Einzelfragen sind in Einleitungen zu kritischen Ausgaben behandelt. Eine gründliche Untersuchung fehlte noch. Es herrschte die Auffassung, daß die isländische Schrift aus England entlehnt sei. Sie nachzuprüfen war eine wichtige Aufgabe Spehrs, aber er versagt in ihr fast ganz. Aus seiner Arbeit geht hervor, daß wir — nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse — die isländische Schrift aus der englischen ableiten k ö n n e n , aber nicht, wie Sp. meint, daß wir es m ü s s e n . Die Frage, ob sie etwa auch aus der d e u t s c h e n Schrift entstanden sein kann, wird kaum gestellt, obwohl das erste Jahrhundert der Kirchengeschichte Islands (das 11. Jahrh.) diese Herkunft seiner Schrift wahrscheinlich macht. Deutsche hatten an der Bekehrung Islands großen Anteil; die Insel fiel, ebenso wie die anderen nordischen Länder, an das deutsche Erzbistum Bremen, das um die Jahrtausendwende England im Norden den Rang ablief, obwohl dies an der Bekehrung Norwegens viel stärker beteiligt war. 1056 wurde der in Herford in Westfalen ausgebildete Isländer isleifr Gizurarson von Adalbert von Bremen zum ersten Bischof von Island geweiht. Er gründete in Skälaholt, das er zu seinem Bischofssitz | machte, eine Schule zur Ausbildung isländischer Geistlicher. Gewiß ist schon vorher hier und da in Island geschrieben worden, besonders von den fremden Missionaren, die ins Land kamen; aber zur Aufnahme einer Schrift, die sich festsetzen und weiterwirken, aus der eine i s l ä n d i s c h e Schrift entstehen konnte, ist es nach allgemeiner, auch von Sp. übernommener Auffassung erst gekommen, als Isleifr diese Schule gründete. Da darf man doch annehmen, daß er, Kuhn, Kleine Schriften

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BESPRECHUNG VON HARALD SPEHR

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in Deutschland ausgebildet und geweiht, auch die Schrift, die er lehrte, aus Deutschland mitbrachte. Sp. macht es sich sehr leicht, an dieser wichtigen Frage vorbeizukommen: p kommt aus der angelsächsischen Schrift, also kommt die isländische Sdirift aus England. Die Herkunft des p beweist dies aber ebensowenig, wie die Übernahme des angelsächsischen 0 in die dänische, schwedische und selbst niederdeutsche Schrift Entlehnung dieser Schriften aus England beweist. Auf 25 Seiten ( 8 — 3 2 ) versucht Sp. nachzuweisen, daß das älteste erhaltene isländische p spätestens um 1050 aus der angelsächsischen Schrift übernommen ist, und steht am Ende vor dem Zeugnis der 1. grammatischen Abhandlung, daß p in der Schrift jünger als einige Abkürzungen ist, daß es also in der ältesten isländischen Schrift gefehlt haben muß (S. 3 1 — 3 2 ) . D a muß denn, wie in manchem anderen, die Annahme verschiedener Schriftschulen in Island helfen. Nun ist die lateinische Sdirift wahrscheinlich vor Ende des 11. Jahrh.s nicht zum Schreiben in isländischer Sprache gebraucht; vorher aber war in der Schrift kein Platz für p. Wir müßten darum annehmen, daß die älteste isländische Schrift kein p gehabt hat, selbst wenn das Zeugnis der genannten Abhandlung fehlte. Dem widerspricht nun die von Sp. angesetzte Zeit der Entlehnung des p. Aber seine Kriterien halten nicht Stich. Mehrmals muß er isländische Buchstabenformen zu angelsächsischen des 10. Jahrh.s stellen (s. besonders S. 168 die „Anklänge an die Schrift des 10. Jahrh.s" in A M 237 a fol.), aber er folgert daraus nicht, daß sie d a m a l s entlehnt sind. Ebenso kann p um 1100 aus älteren Handschriften aufgenommen sein, wahrscheinlicher ist jedoch der Weg über Norwegen (was aber weder bewiesen noch widerlegt werden kann, da die ältesten erhaltenen westnorwegischen Handschriften erst von etwa 1250 stammen). Von allen sicher aus England eingeführten Buchstaben der isländischen Schrift: p, y, 0 und der Bezeichnung der Vokallänge durch Akut (d, F und einige andere Zeichen sind erst nach 1200 über Norwegen eingedrungen), wissen wir, daß sie ursprünglich n i c h t zu den festen Bestandteilen dieser Schrift gehört haben. Über p ist gesprochen; y und 0 setzen sich in den ältesten erhaltenen Handschriften (um 1150—1200) erst langsam gegen u, ν und | eo, ο u. a. durch. Für den Gebrauch von y statt u (für den «-Laut) sehen wir den Verfasser der 1. grammatischen Abhandlung kämpfen; den Gebrauch der Akute über langen Vokalen hat vielleicht erst er eingeführt; er weist darauf hin, daß das lateinische Alphabet der isländischen Sprache nicht genügt, und ergänzt es durch Neubildungen und durch angelsächsische Zeichen, die hier deutlich als jüngere Schicht zu erkennen sind. Zu seiner Zeit muß isländisch noch oft in reiner lateinischer Minuskel geschrieben sein, nur durch das auch in der nordischen Runenschrift gebrauchte p ergänzt. Diese Schrift hat schwerlich sichere Kennzeichen der Herkunft aus England oder Deutschland getragen. Die Annahme, daß in Island von Anfang an mehrere Schrift-

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BESPRECHUNG VON HARALD SPEHR

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schulen mit starken Verschiedenheiten nebeneinander bestanden haben, scheint mir nicht nötig und kaum berechtigt, da die ältesten erkennbaren Verschiedenheiten fast ganz auf die Bezeichnung der dem Lateinischen fehlenden Laute beschränkt sind, sich also erst beim Übergang zum Schreiben in isländischer Sprache gebildet haben können. D a nun in Niederdeutschland damals nicht in der Volkssprache geschrieben wurde, war es natürlich, daß die Isländer die ihnen fehlenden Zeichen aus der angelsächsischen Schrift übernahmen. Über die Herkunft ihrer lateinischen Minuskel ist dadurch nicht entschieden. Sp. aber hält dies für so sicher, daß er die deutschen Buchstabenformen der Zeit nicht einmal hinzuzieht, um zu zeigen, daß die Ableitung der isländischen Schrift aus ihnen unmöglich ist (es werden nur hier und da einige von ihnen flüchtig erwähnt). Auch sonst ist in seinen Nachweisen der Art und Zeit der Entlehnung der einzelnen Buchstaben manches anfechtbar. So sagt er S. 56, das älteste y (= y') sei „also" um die Mitte des 11. Jahrh.s aus England übernommen, obwohl dies y dort vom 8. bis zum 12. Jahrh. gebraucht ist (s. S. 5 0 — 5 1 ) . E r glaubt hier die Unbedingtheit zu beweisen, obgleich er nur die Möglichkeit beweist. Auch sonst gebraucht er mehrmals seine Grundanschauung, daß die Schrift um die Mitte des 11. Jahrh.s übernommen sein muß, zur Bestimmung der Zeit der Entlehnung einzelner Buchstabenformen, braucht also das, was er beweisen soll, zur Führung des Beweises. Jedoch gibt er zu, daß die Herkunft einiger Buchstaben (/, s, t, m, n, x, z) nicht bestimmt werden kann; bei einigen anderen (/, q, i, r) übergeht er diese Frage ganz. Die schon erwähnte 1. grammatische Abhandlung, die wertvollste Quelle zur Kenntnis der ältesten isländischen Schriftgeschichte und selbst ein wichtiges Glied in ihr, ist von Sp. arg vernachlässigt. Ihre Behandlung hätte den Kern der ganzen Untersuchung bilden müssen; sie wird jedoch nur hier und da angeführt, wie es gerade die Behandlung einer Einzelfrage ergibt, an etwa 25 Stellen, meist ganz beiläufig. | Dies ist eine sehr schwere Lüdce in der Arbeit. Die sehr wichtige Streitfrage, wann die Abhandlung geschrieben ist (F. J0nsson: um 1140; M. Hiegstad: um 1170, usw.), wird mit keinem Wort erwähnt. D a eine sorgfältige Zusammenstellung der Beweisstücke für die Entlehnung der isländischen Schrift aus England im 11. Jahrh. fehlt, bleibt die Dürftigkeit dieser Kriterien verschleiert. In einer klaren tabellarischen Gegenüberstellung der deutschen, englischen und isländischen Buchstabenformen des 11. und 12. Jahrh.s wäre sie wohl zutage getreten. Aber die Arbeit reiht Buchstaben an Buchstaben, zu einer geordneten Zusammenfassung werden nur schwache Ansätze gemacht. Der freie Blick über den Stoff, den HiEgstads Arbeiten zeigen, fehlt ganz; nur mit großer Mühe kann man sich zu einem Überblick, einem Gesamtbild hindurcharbeiten. Die Arbeit Sp.s könnte als fleißige Stoffsammlung wertvoll werden, wären nicht auch da große Lücken. Die Initialen und die Majuskeln (außer 1·

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BESPRECHUNG VON HARALD SPEHR

[1846]

als Zeichen langer Konsonanten), sowie die Interpunktionen und die Worttrennung sind nicht behandelt, obwohl über sie alle manches zum Thema Gehörende zu sagen ist. Selbst die Bezeichnung der langen Vokale durdi Akute wird nicht erwähnt! Eine noch empfindlichere Lücke ist die Beschränkung auf die im Palxografisk Atlas und hier und da sonst reproduzierten Handschriften und Handschriftenteile, auf die Angaben in den Einleitungen zu kritischen Ausgaben, Wörterbüchern u. a., und auf die älteren schriftgeschichtlichen Arbeiten. Diese Beschränkung hemmt die Untersuchung an vielen Stellen und mindert ihren Wert sehr. Sp. scheint keine altisländische Handschrift gesehen zu haben.

SPALTUNG UND AUSGLEICH IN DER ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN MUNDARTEN in den 6 ersten Lieferungen des Deutschen Sprachatlasses1 [Von Wenker zu Wrede, Marburg 1933, S. 38—54]

Die folgende kurze Betrachtung stützt sich auf die bis jetzt erschienenen Lieferungen des Deutschen Sprachatlasses, weil sie jedem zugänglich sind, so daß die Beigabe von Karten erspart werden kann, ferner, weil sie nicht als Stütze für die hier vorgetragenen Ansichten zusammengestellt sind, was man jeder eigenen Kartenauswahl würde vorwerfen können, schließlich aber audi mit der Nebenabsicht, dem mit dem Stoff weniger Vertrauten das Verständnis des Linien- und Zeichengewirrs dieser Karten ein wenig zu erleichtern. Die Lieferungen enthalten genug Beispiele für das, was hier gesagt werden soll, sogar mehr als nötig, so daß idi gar nicht auf Vollständigkeit ausgegangen bin. Sie wäre auch nicht zu erreichen gewesen, da meine Kenntnisse zu gering sind und in der Entwicklung der deutschen Mundarten noch vieles dunkel ist und in großen Landesteilen die nötigen genaueren Untersuchungen fehlen. Vom ersten Tage meiner Beschäftigung mit dem gestellten Thema an bin ich mir bewußt gewesen, daß ich das meiste, was ich zu ihm zu sagen weiß, F e r d i n a n d W r e d e verdanke, zum Teil unmittelbar, zum Teil auf dem Wege über die anderen Mitarbeiter am Sprachatlas, zum Teil durch die mannigfach unter seinem Einfluß stehende Fachliteratur2. Darum darf ich ihm | wohl diesen kleinen Beitrag zu den Fragen der Mundartenforschung widmen, wenn ich es auch nur zögernd tue, da ich mir seiner Zustimmung nicht gewiß bin. Alle sprachlichen Neuerungen, die sich irgendwo in einer Sprachgemeinschaft festsetzen, brechen Lücken in deren Einheit, wenn es ihnen nicht gelingt, sich in allen ihren Teilen durchzusetzen. Auf diese Weise spalten sich die Sprachen in Dialekte. Trennt sich von einer Sprachgemeinschaft ein Teil ab, so daß den Neuerungen, die sich auf der einen Seite bilden, der Weg zur ' D e u t s c h e r S p r a c h a t l a s auf Grund des von Georg Wenker begründeten Sprachatlas des Deutschen Reichs hrsg. von F e r d i n a n d Wrede (und B e r n h a r d M a r t i n ) , Lieferung 1 bis 6, Marburg 1926—32. — Die Karten des Atlasses werden im allgemeinen nur mit ihrer Nummer zitiert. 2 Da es für mich schwer ist, das Fremde und Eigene richtig zu scheiden, verzichte ich auf alle Literaturangaben.

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ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN MUNDARTEN

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anderen versperrt wird, dann spaltet sich eine Sprache früher oder später in zwei. So sind die indogermanischen Sprachen entstanden und ebenso durdi neue Spaltungen aus einer von ihnen die germanischen. Tritt aber ein Volksteil, der aus seiner früheren Sprachgemeinschaft gelöst ist, in engere Verbindung mit einem anderen Volke mit verwandter Sprache, so können jetzt die Sprachen der neuen Nachbarn ihre Neuerungen und auch ihre alten Besonderheiten austauschen, so daß eine neue Sprachgemeinschaft entsteht, wenn es dabei auch selten oder nie zur vollständigen Ausgleichung kommt. So muß in vorgeschichtlicher Zeit die Gruppierung der indogermanischen Sprachen gewechselt haben, und so sind die Niedersachsen, als sich ihre Sprachgemeinschaft mit den Angelsachsen gelöst hatte, in eine engere mit den oberdeutschen Stämmen eingetreten, so daß sich die Gliederung der westgermanischen Sprachen verschoben hat. Besonders große Umgruppierungen haben die germanischen Sprachgemeinschaften in den Wirren der Völkerwanderung erfahren. Die Mundartenmischung, die damals durch die Mischung von Angehörigen verschiedener Stämme auf dem größten Teil des westgermanischen Bodens stattgefunden haben muß, ist aber längst überall ausgeglichen und durch gemeinsame Neuerungen überdeckt und hat nirgends sichere Spuren hinterlassen. Eine wohl noch stärkere Bevölkerungs- und Sprachmischung brachte die große Ostlandsiedlung des Mittelalters, aber auch sie ist fast vollständig wieder ausgeglichen und zwar so sehr, daß der Osten heute abgesehen von den erst in der jüngsten Zeit deutsch gewordenen Landstrichen sprachlich viel einheitlicher ist als die größten Teile des Westens, was auf fast allen Sprachatlaskarten deutlich zu er- | kennen ist. N u r hier und da sind Spuren der Mischung geblieben. So haben sich in der Propstei östlich Kiel Reste ostoder auch westfälischer Formen gehalten, sind aber auf wenige Orte an oder nahe der Küste zurückgedrängt und sterben aus (s. 5 und 25 dik statt di, 14 hart statt laut, 21 juck juk statt ;'#). In der Gegend von Bublitz in Hinterpommern bis nahe an Bromberg heran gibt es noch hier und da in kleinen Strichen westfälische Diphthonge, aber auch sie scheinen sich nicht halten zu können (s. 5 und 25 dei dai dei dui statt di, 6 ei ai ei u. a. statt ϊ in beißen, 12 äu eu oi statt au δ in Bruder, 24 iu statt ü in Hause). Auffallend wenig ausgeglichen sind die Siedlungsmundarten in der alten Schönhengster Sprachinsel an der böhmisch-mährischen Grenze (s. 31,3. 4. 37,12. 13. 16. 38,19 f.) und in den deutschen Orten bei Iglau (s. 31,4. 32,11. 37,12—16. 38,17). Sie zeigen, wie wirr das Bild der ostdeutschen Mundarten ohne große und weitgehende Ausgleichungen geworden wäre. Die niederdeutschen Mundarten haben nach und nach viele alte Besonderheiten aufgegeben und dafür hochdeutsche übernommen, am meisten in Wortschatz und Satzbau, weniger im Flexions- und Lautsystem. Doch sind einige der auffälligsten lautlichen Eigentümlichkeiten des Altsächsischen, wie öpar statt anpar „ander", üs statt uns »uns", vollständig verschwunden oder sehr zurückgegangen. Im Wortschatz zeigt sich die Angleichung des Nieder-

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ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN MUNDARTEN

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deutschen ans Hochdeutsche am deutlichsten. So ist Barn ganz von Kind verdrängt und hat sich nur im Friesischen gehalten (Karte 17). Ebenso hat sich ihm (ihn) im reflexiven Gebrauch vor sich auf Nordfriesland zurückgezogen (Karte 36). Diese Umwandlung der niedersächsischen Mundarten von Süden her gibt uns erst das Recht, sie im Gegensatz zu den englischen in mehr als örtlichem Sinne deutsche Mundarten zu nennen. Das Friesische hat sich selbständiger erhalten, wird aber vom Niederdeutschen verdrängt, so daß auch das friesische Sprachgebiet in diese „Verdeutschung" einbezogen ist. Die Spaltungen und ausgleichenden Bewegungen in den deutschen Mundarten, die sich aus den veröffentlichten Karten des Sprachatlasses nur durch den Vergleich mit bekannten früheren Zuständen und Vorgängen erkennen und verfolgen lassen, lasse ich beiseite und beschränke mich auf diejenigen, die aus den Karten- | bildern allein ohne andere Hilfe abzulesen sind. Doch habe ich dabei nach Möglichkeit die vorhandenen genaueren Untersuchungen einzelner Gebiete verglichen. Sprachformen, die im Vordringen sind, setzen sich im allgemeinen zuerst dort fest, wo der Verkehr am stärksten ist, in Städten und an großen Verkehrslinien. Deshalb sind solche Bewegungen und ihre Richtung auf den Sprachatlaskarten meist daran zu erkennen, daß das Gebiet der vordringenden Form eine wichtigere Stadt umschließt oder an einer größeren Verkehrsstraße in das Gebiet der zurückgedrängten Form einschneidet. Meist laufen die Grenzen der Formen in solchen Fällen unregelmäßig und lassen auf beiden Seiten einzelne Formen, die auf die andre gehören. In einem solchen Striche werden gewöhnlich beide Formen nebeneinander gebraucht. Die letzten vereinzelten Fälle der zurückweichenden Form finden sich meist in abgelegenen Orten, die ersten der vordringenden aber da, wo der Verkehr am größten ist, so daß o f t auch aus diesen Fällen die Richtung der Bewegung zu erkennen ist. Jedoch steckt längst nicht hinter allen derart zerrissenen Grenzlinien im Sprachatlas eine solche Bewegung. Viele von ihnen, wie z. B. die zwischen reacht und recht „recht" in Schwaben (34), sind nur eine Folge der Schwierigkeiten f ü r die Wiedergabe von Lauten oder Lautverbindungen, besonders in Zonen mit allmählichem Übergang von einer Lautform zur anderen. Was zugrunde liegt, kann hier manchmal nur die örtliche Untersuchung entscheiden. Die mundartlichen Spaltungen können in Deutschland vor 600 oder 800 Jahren nicht annähernd so groß gewesen sein wie heute, denn die jetzige sprachliche Zersplitterung ist zum großen Teil eine Folge der staatlichen, die Deutschland vom 14. bis 19. Jahrhundert mit einem dichten Netz scharfgehüteter Zufallsgrenzen überzog, die das Aufkommen örtlicher sprachlicher Neuerungen erleichterten, alle größeren ausgleichenden Bewegungen aber sehr erschwerten. Dieser Zusammenhang ist auf den Sprachatlaskarten gut zu erkennen. Im Westen, in dem die staatliche Zersplitterung am weitesten ging, ist auch das Gewirr kleiner Sprachgebiete am dichtesten, während in den Gebieten der großen Territorien, Bayern-Österreich und Ostelbien, auch

ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN MUNDARTEN

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die mundartliche Zersplitterung am geringsten ist. Nicht nur die Kleinstaaterei hat im Mittelalter die Welt des deutschen Bauern verengt, sondern | ebensosehr sein Hinabsinken in die Hörigkeit und seine Befreiung von den wichtigsten öffentlichen Pflichten, Heeresdienst und Teilnahme an den Volksversammlungen, und audi dies wird die Aufspaltung der Mundarten gefördert haben. Erst die Zeit Napoleons räumte mit den meisten Zwergstaaten auf, und im 19. Jahrhundert verschwanden fast alle unnatürlichen Grenzen im Innern Deutschlands. Die Landbevölkerung wurde wieder frei und durch Heeresdienst und Selbstverwaltung stärker in das öffentlidie Leben hineingezogen, der Verkehr wurde immer größer und drang bis in die entlegensten Bauernschaften. So wurde es möglich, daß sich die weit auseinandergewachsenen Mundarten wieder annähern. Heute überwiegt in ihrer Entwicklung die Ausgleichung stark über die Spaltung. Aber dieser Vorgang ist sehr verwickelt und erscheint es auf den Kartenbildern nodi mehr, weil die Ausgleichsströmungen von der überlandschaftlichen, an allen Orten vorhandenen und einwirkenden Schriftsprache beherrscht werden und darum keinen rechten Mittelpunkt haben. Auf den Sprachatlaskarten tritt diese Entwicklung am deutlichsten zutage in dem Vordringen vieler schriftsprachlicher Wörter, wenn auch meist in mundartlichen Lautformen 3 . Am stärksten ist das Vordringen von laut (14 und 37). Seine Synonyme halten sich in einem großen geschlossenen Gebiet nur in Westfalen und am Niederrhein, doch dringt laut audi hier ein, besonders von Mainz her das Rheintal abwärts. Sonst leben die Synonyme nur noch in weit verstreuten kleinen und schon sehr zersetzten Gebieten oder als versprengte Reste. Ähnlich ist es mit sei (22). Das vollständige Durcheinander von sei (sl) und wes in Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Pommern, von sei und bis in Sachsen und Schlesien und von sei und bi in großen Teilen Bayerns ist wahrscheinlich eine Folge davon, daß sei hier überall in den Gebieten der anderen Wörter Fuß gefaßt hat. Außerdem ist es zwischen Koblenz und Bonn an der Rheinstraße weit ins Gebiet der έ/ί-Formen eingedrungen und drängt in Westfalen wes, im Südwesten bis gegen die Reichsgrenze zurück. Karte 26 | zeigt das niederdeutsche achter im vollen Rückzug vor dem schriftsprachlichen hinter. In ganz Mecklenburg gehen jetzt beide Wörter durcheinander, aber auch weiter westlich gewinnt hinter Boden. Aus den verstreuten ac&ter-Schreibungen im Osten der gezogenen Grenzen geht hervor, daß dies Wort einmal bis über Pommern hinaus gebraucht ist. Dasselbe beweisen für einen Teil des Rheinlands die kleinen an die belgische Grenze gedrückten achter-Gebiete um Gangelt und Eupen. Auf derselben Karte ist auch zu erkennen, daß Dienstag gegen seine süddeutschen Synonyme Raum gewinnt, besonders gegen Aftermontag. In München und Augs3

Im Sprachatlas kann dies allerdings etwas stärker erscheinen als es ist, weil manche Ubersetzer verführt sein mögen, schriftsprachliche Wörter der Vorlage beizubehalten, audi wenn sie der Mundart nicht geläufig oder gar fremd sind.

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bürg und ihrer Umgebung und in Straßburg hat sich Dienstag schon durchgesetzt. Karte 8 zeigt, daß Pferd gegen Gaul Boden gewinnt, besonders im Rheintal, im Gebiet der Leine und Werra und des Mains. In der Gegend von Bremen weicht das Verb killen vor dem schriftsprachlichen Ausdruck weh tun zurück (33). ihm statt sich (36), das in Norddeutschland nur noch im Friesischen erhalten ist, scheint bald auch aus Süddeutschland verdrängt zu sein. In Bayern und Österreich ist es zwar aus einer Menge weithin verstreuter Orte bezeugt und reicht über Böhmen und Mähren sogar nach Schlesien hinein, aber es herrscht nirgends mehr in fest geschlossenen Gebieten und ist von den meisten großen Verkehrsstraßen abgedrängt. Im Elsaß und in Baden ist es ähnlich. N u r in Württemberg hat ihm noch ein großes Gebiet inne, das aber sehr zusammenschrumpft und schon überall mit sichFormen durchsetzt ist. Im Westen, von Diedenhofen bis Aachen, ist heiß daran, warm und glütig zu verdrängen (16), und in den Alpen, im Inn-, Salzachund Ennsgebiet, weicht gerecht vor recfcf zurück (34). Diesen Fällen, in denen sich schriftsprachliche Wörter auf Kosten anderer ausbreiten, stehen in den erschienenen Lieferungen des Sprachatlasses nur wenige gegenüber, in denen der Schriftsprache fremde Wörter ihr Feld im wesentlichen zu behaupten scheinen: ink und enk „euch" zwischen Lippe und Wupper und in Bayern (21), ser „weh" an Ems und Vedite und in Ostfriesland (33) und rüe ruie „Hund" in Westfalen (35). Dafür aber, daß soldie Wörter gegen schriftsprachliche Boden gewinnen, enthalten diese Karten kein sicheres Beispiel4. Sie lassen deutlich erkennen, daß | jetzt weitgreifende, von der Schriftsprache beherrschte Ausgleichsbewegungen daran sind, einen großen Teil der Spaltungen im Wortschatz der deutschen Mundarten zu beseitigen. Die genannten vordringenden schriftsprachlichen Wörter haben meist mundartliche Lautform, so daß der Sieg der Schriftsprache nur halb ist. sich hat sich in Norddeutschland zunächst in der niederdeutschen Form sik durchgesetzt, aber jetzt folgt dem Vordringen des Wortes das seiner schriftsprachlichen Form (Karte 36). sich ist bis an die Ostsee beiderseits der Oder durchgedrungen und von hier nach Osten bis in die Weichselniederung, in der es nun an das hochpreußische sech grenzt. Dadurch ist das große niederdeutsche «fe-Gebiet in drei Teile zerrissen. Vor nicht sehr langer Zeit muß sik noch bis über die Warthe und südlich von Berlin bis nahe an die Elbe geherrscht haben, wie aus verstreuten zurückgebliebenen sik hervorgeht. Auf der anderen Seite ist sich stellenweise schon weit über die eingezeichneten Grenzen hinaus bezeugt, so daß sich aus der Karte ein riesiges Gebiet ablesen läßt, in dem sik durch sich ersetzt wird. Der Ausgangspunkt dieser Bewegung ist auf anderen Karten zu erkennen. Berlin hat die niederdeutsche Mundart fast ganz durch eine der Schriftsprache nahverwandte mitteldeutsche ersetzt * Nicht recht klar ist die Lage bei Beine statt Füße im Osten (8) und bei Tewe statt Hund zwischen Weser und Leine und am Nordharz (35).

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(s. 3 . 1 0 und 29 ch statt k in machen und gebrochen, 6. 16 und 18 β statt t in beißen, heiß und ißt, 12 ü statt ö in Bruder, 24 au statt ü in Hause, 21 eich statt ju jau „euch", 5 und 25 dir statt di „dir" und „dich"). Audi die Wenden im Spreewald nehmen die von der Schriftsprache begünstigte im Süden angrenzende mitteldeutsche Mundart an (s. die ebengenannten Karten und 3 und 4 ich). Die neue Sprache Berlins greift um sich und hat in vielen Fällen die Verbindung mit dem Spreewald erreicht (s. 3 und 10. 12. 16. 18. 29), so daß ein tiefer mitteldeutscher Keil in das niederdeutsche Sprachgebiet hineinragt. Von hier aus und von dem großen Einfluß Berlins und der Schriftsprache unterstützt sind einzelne mitteldeutsche Wörter bis an die Ostsee durchgedrungen, unter ihnen sich. Auch fest statt fast, das ähnlich -wie sich vordringt, hat aus der Richtung von Berlin her in Swinemünde das Meer erreicht (23). Ihm folgt die Vorsilbe ge- je- in gebrochen (28), die aber auf pommerschem Boden erst ganz vereinzelt bezeugt ist, sowie wieder etwas weiter zurück ü (ue) statt ö in Bruder (12). | Während ju jau von eich aus Berlin verdrängt ist, ist es selbst in Pommern weit in das Gebiet von juch (jug) eingedrungen (21), ganz ähnlich wie sich sich und fest dort ausbreiten. Dies zeigt uns, daß von der Schriftsprache geförderte Bewegungen auch solchen Formen zugute kommen können, die ihr fernstehen, sogar wie hier auf Kosten ihr näherstehender Formen, und daß die Gebiete von Formen wandern, sich verschieben können, auf der einen Seite Boden verlieren (wie ju jau vor eich), auf der anderen neuen gewinnen (wie ju gegen juch). Dies Wandern von Gebieten ist sowohl im großen wie im kleinen nicht selten. Seit viel älterer Zeit als im Osten sind im Rheinland Sprachformen von Süden nach Norden vorgedrungen. Dies ist auf vielen Sprachatlaskarten noch gut zu erkennen, da sich in den Bergländern und entlegenen Winkeln auf beiden Seiten des Rheintals oft Reste der zurückgedrängten Formen gehalten haben, welche verraten, was vorgegangen ist. Am häufigsten ist dies in den schon genannten Grenzstreifen um Eupen und Gangelt-Geilenkirchen. Eupen hat mit von ihm getrennten niederrheinischen Gebieten gemeinsam altes k statt ch in machen (3 und 10) und gebrochen (29), t statt β in beißen (6) und ißt (18) und achter statt hinter (s. oben), der Gangelter Winkel auslautendes -t in fest (23) und -cht in recht (34) und das Wort achter. Außerdem haben beide Gebiete das alte nd in Hund bewahrt (35), Gangelt auch in Kind (17), für das im weiten Umkreis von Köln nk eingetreten ist. Hier haben Eupen und Gangelt die zur Schriftsprache stimmende Form, während es in den meisten anderen Fällen umgekehrt ist. Inzwischen hat Köln, von dem nk statt nd ausgegangen sein wird, in Kind das gemeindeutsche und schriftsprachliche nd wieder eingeführt. Dies ist zunächst eine neue örtliche Spaltung, die aber im großen gesehen der Ausgleichung dient, die hier somit von demselben Orte auszugehen scheint wie einst die Spaltung. Uber den ganzen Süden und mittleren Westen des deutschen Sprachgebiets sind kleine Gebiete mit Formen von recht verstreut, in denen ch fehlt,

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die meisten in entlegenen und verkehrsarmen Gegenden mit altertümlichen Mundarten: an der Sprachgrenze in Lothringen, im Hochwald südlich Trier, am Vogelsberg, im Spessart, im Fichtelgebirge und Egerland und um den Bodensee. Dazu kommen vereinzelte Fälle in der Nähe dieser Gebiete und | auch in der Umgebung von Salzburg. N u r im Rheinland, im Halbkreis um Köln, haben diese Formen ein größeres Gebiet inne, das aber von Süden her eingedrückt ist (Karte 34). Dies Bild zwingt zu dem Schluß, daß ret usw. einmal in großen Teilen Süd- und Westdeutschlands geherrscht haben müssen. Ihre Verdrängung ist wohl die größte Ausgleichsbewegung, die wir auf den veröffentlichten Karten des Sprachatlasses aus geringen, meist dem Untergang verfallenen Resten einer Form erkennen können. Karte 37 (Ergänzung zu 12) zeigt uns eine andere große Ausgleichung, die sich im Südosten vollzieht, ui in Bruder ist von ua nach Norden und Osten gegen die Sprachgrenze zurückgedrängt. Die beiden früher zusammenhängenden Gebiete sind an der Donaustraße auseinandergerissen und sind in der Auflösung, am meisten das nördliche. Wie weit ui einmal geherrscht hat, ist nicht zu erkennen. Wenn das »i-Gebiet in Ost- (und Süd-?) Tirol mit den andern zusammengehangen hat, müssen sie einmal den größten Teil des Südostens umfaßt haben. Ähnlich ist das Bild bei ou statt ο in gebrochen (29). So wie das genannte ui vor dem gemeinbayrischen, der Schriftsprache näher stehenden und als schriftsprachlich empfundenen ua verdrängt wird, weicht in Mitteldeutschland auch uch och „euch" vor dem scheinschriftsprachlichen eich zurück (21) 5 . Daß auch (usw.) einmal den größten Teil Mitteldeutschlands innegehabt hat, geht abgesehen von der Sprachgeschichte auch aus seiner heutigen Verbreitung hervor. Es herrscht in einem schmalen zusammenhängenden Gebiet von der Saar bis in die Breite von Weimar und in kleinen Restgebieten in Lothringen, bei Altenburg und östlich Wittenberg. Aus den meisten großen Städten: Saarbrücken, Koblenz, Mainz, Frankfurt, Gotha und Erfurt, und aus dem weiten Umkreis von Leipzig ist es verdrängt, an der Rheinstraße ist sein Gebiet fast zerrissen®. Auch hier ist eine große Ausgleichung im Gange, aber sie geht langsamer. Es gibt auch Ausgleichsbewegungen, an denen die Schriftsprache nicht beteiligt ist. Die augenfälligste ist die allmähliche | Verdrängung des Friesischen durch niederdeutsche Mundarten. Da diese auch das Dänische in Schleswig zurückdrängen, anderseits aber vor dem Mitteldeutschen zurückweichen, jetzt besonders im Osten (s. oben), so verschiebt sich das niederdeutsche Sprachgebiet langsam gegen Nordwesten. Für den Ausgleich im großen ist auch dieser Vorgang wichtig, ebenso eine Menge örtliche Verschiebungen, die 5

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Als schriftsprachlich werden ua in Bruder und eich „euch" darum empfunden, weil sie meist auch beim Hochdeutschsprechen beibehalten werden. Deshalb ist im Sprachatlas statt ihrer o f t wie in der Schriftsprache « und euch geschrieben. Diese Erscheinung ist nicht selten. D i e schmale Brücke zwischen Kaub und Boppard ist ganz mit euch- und eichSdireibungen durchsetzt.

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zunächst nur anderen mundartlichen Formen zugute kommen und zu neuen Spaltungen führen. Für sie möge &n Beispiel genügen: Das Gebiet mit ui statt altem i, das sidi von Lippe nadi Nordwesten erstredst, ist an der verkehrsreichen Straße Bielefeld—Minden auseinandergerissen (s. 5 und 25 dui „dir" und „dich", 6 buit- „beiß-", 22 sui „sei"). Eingedrungen ist hier nidit das im Süden anschließende ei, sondern das nördlidi angrenzende », obwohl es dem ei (ai) der Schriftsprache viel ferner steht und der Süden hier sonst größeren Einfluß hat als der Norden. Aber ϊ ist nahezu gemeinniederdeutsch, darum war es stärker als ei. Sein Vordringen dient dem innerniederdeutschen Ausgleich, dadurch aber auch dem gesamtdeutschen. Zunächst spaltet es allerdings, es trennt ein kleines Stüde des «i-Gebiets von seinem Kern. Ähnlich ist das Bild dieser Gegend auf Karte 12 Bruder, 16 heiß, 24 Hause und 33 weh. An der unteren Weichsel weicht die zur Schriftsprache stimmende Endung -en vor dem abweichenden -e der landschaftlichen Gemeinsprache auf die Küste zurück (s. 7. 11 und 30). Hier ist diese zweite Sprache noch stärker als die erste. Die Spaltung der deutschen Mundarten hat stellenweise so weit geführt, daß Mundarten oder mundartliche Formen entstanden sind, die nur in ganz kleinen Gebieten verstanden werden und darum im etwas weiter reichenden Verkehr nicht zu brauchen sind. Umgekehrt verfallen Mundarten oder mundartliche Formen leichter der Spaltung, wenn sie (aus anderen Gründen) von diesem Verkehr ausgeschlossen sind, weil die Antriebe zur Ausgleichung dann geringer sind. Dies trifft leicht zurückweichende Mundarten und Formen, besonders natürlich dann, wenn ihr Gebiet von den gegen sie vordringenden auseinandergerissen wird. Dadurch wird wiederum ihre vollständige Verdrängung beschleunigt. Eine solche zurückweichende, im Innern zerfallende Mundart ist das Nordfriesische. Ζ. B. hat Bruder (12) hier auf engem Raum neun | verschiedene Stammformen7: brödd bruth brüll brö brand brouth brau bröu und brö; Kind (17) hat sieben Formen: jungen börn biarn bjarn bjan bern und bjem (s. auch 6. 7. 10. 14. 19. 21—23. 34. 36). Die friesischen Mundarten Helgolands, Wangeroogs und des Saterlands haben oft noch wieder andere Formen, so für Kind kinn ben und beiden. Hund (35) hat in einem kleinen zusammenhängenden Gebiet um Straßburg die Formen hünd (hünd) hüand hönd (hönd) höünd und höiid, die von hund und hond verdrängt werden. Auch dies ist innere Spaltung einer untergehenden Form. Dagegen gehen Zerreißung des Gebiets und Spaltung der Form zusammen ζ. B. in den verstreuten Restgebieten der cfc-losen Formen von recht (s. oben); es hat in ihnen folgende elf Formen: rät ret riet räet reit rait raet rät reat ret und nat. Wenn die Spaltung so weit gegangen ist wie in diesen Fällen, muß über kurz oder lang irgendeine Ausgleichung kommen. 7

Gezählt sind hier und im folgenden nur die L a u t formen einschließlich der nur mit Einzelzeidien eingetragenen, soweit sie nidit ganz vereinzelt sind, dagegen nicht die verschiedenen Schreibungen derselben Lautform.

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Sie zeigen sehr deutlich, welcher sprachlidie Wirrwarr entstehen würde, wenn sich die Mundarten überall ganz bodenständig und von den Nachbarn unabhängig weiterentwickelten, wie es die Theorie gelegentlich meint. Von den Wörtern und Formen, die heute zurückgedrängt werden, sind zwar manche sehr alt, aber die meisten sind jüngere Neuerungen, die sich in kleineren Gebieten festgesetzt haben. Für die Sprecher der Mundarten sind sie aber die a l t e n Wörter und Formen gegenüber den vordringenden, die neu zu ihnen kommen. Als jüngste Sprache sehen sie weithin die Schriftsprache an, die zuletzt zu ihnen gekommen ist. Dies hat dahin geführt, daß im Volke und auch bei sehr vielen Gebildeten diejenigen Mundarten als die ältesten gelten, die am meisten von der Schriftsprache oder auch der landschaftlichen Verkehrssprache abweidien und darum zugleich von der Ausgleichung am meisten bedroht sind. „Das alte Deutsch" (dat aule Dütsch) hörte ich in der Nähe von Minden eine solche Mundart schlechthin genannt. Diese Auffassung ist von der jetzigen Entwicklung aus berechtigt, denn das Jüngere äst tatsächlich oft das Ältere geworden. | Die Entwicklung geht heute zwar auf große Ausgleichungen hin, aber doch nur sehr langsam. Die schriftsprachlichen Wörter und Formen dringen meist nicht auf geradem Weg in die Mundarten, sondern breiten sich von denjenigen Landschaften her aus, in deren Mundarten sie heimisch sind. Ähnlidi wie ganz zur Schriftsprache stimmende Formen dringen oft audi solche vor, die nur zum Teil oder nur scheinbar zu ihr stimmen, wie das genannte eich „euch", und in das Vordringen der von der Schriftsprache gestützten Formen werden manchmal auch solche hineingezogen, die ihr fernstehen (s. oben ;« „ihr" in Pommern). Auf diese Weise können ganze Mundarten, die der Schriftsprache nahe verwandt sind, mitsamt ihren von ihr abweichenden Formen vordringen. Sehr deutlich zeigt dies Berlin, das fast ganz eine solche obersächsische Mundart übernommen hat (s. oben). Außerdem fehlt es auch heute nicht an neuen Spaltungen. Auf unseren Karten ist die auffälligste das Vordringen von haß „heiß" von Wien aus in das große geschlossene bayrisch-österreichische hoaß-Gebiet (37, Ergänzung zu 16). Neue örtliche Spaltungen können auch entstehen, wenn Ausgleichsbewegungen stecken bleiben, besonders dann, wenn sie das Gebiet der zurückgedrängten Form auseinandergerissen haben. Andere solche Bewegungen setzen ihre Formen nur halb durch, es entstehen neue Formen aus der Mischung der zurückweichenden und der vordringenden und damit neue Spaltungen, wie z. B. hunk aus honk und dem schriftsprachlichen hund in Köln, höünd aus höiid und hund hond bei Straßburg (35). Auch dadurch, daß eine vordringende Form einem örtlichen abweichenden Lautsystem angepaßt wird, können neue Formen und neue Spaltungen entstehen. So hat z. B. rächt „recht", das das Rheintal abwärts gegen die cMosen Formen des Wortes vorgedrungen ist, von der Ahr abwärts das -t verloren (vgl. 23 fas statt fast „fest") und ist um Köln weiter zu r'dsdv (räsch) umgewandelt (34).

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Ein weiteres großes Hindernis für die Ausgleichsbewegungen ist es, daß das deutsche Sprachgebiet auch heute noch auf eine ganze Reihe von Staaten verteilt und an vielen Stellen von hemmenden Konfessionsgrenzen durchzogen ist. Wie weit die Ausgleichung der mundartlichen Spaltungen gehen wird, ist ungewiß. Vollständig wird sie nie werden. Das Bedürfnis | der Sprachgemeinschaft geht nur so weit, daß die Sprache ohne größere Schwierigkeiten der Verständigung zwischen ihren Angehörigen dienen kann. Im weiteren Verkehr tut diesen Dienst heute die Schriftsprache und die von ihr abhängige, aber durchaus nicht einheitliche Umgangssprache. Wer in Deutschland Mundart spricht, ist zweisprachig. Beide Sprachen nehmen Bestandteile der anderen auf, die Mundarten aus der Umgangsform der Schriftsprache, diese aus den Mundarten der Landschaft. So nähern sie sich einander an. Während aber die Umgangssprache immer wieder von der Norm der Schriftsprache aus gereinigt werden kann, werden die Mundarten durch nichts geschützt. D a es lästig ist, zwei Sprachen brauchen zu müssen, wird man eine fallen lassen, wenn es geht. Dies kann heute nur die Mundart treffen, denn sie ist für viele entbehrlich, die Schriftsprache aber für keinen. D a die Mundarten außerdem weniger fein sind, geht die Zahl derer, die sie sprechen, zurück, hier schnell, dort langsam, die Mundarten sinken gesellschaftlich immer tiefer und werden als Verkehrssprache auf immer engeren Raum zurückgedrängt. Auf den Sprachatlaskarten ist dies Letzte höchstens daran zu erkennen, daß die Mundarten der jüngsten deutschen Siedlungen in Schlesien und Posen sehr mit schriftsprachlichen Bestandteilen durchsetzt sind, weil die Siedler, die aus verschiedenen Gegenden kamen, die Hilfe der Schriftsprache zur Verständigung gebraucht haben, zum Teil allerdings auch darum, weil die Schriftsprache großen Anteil an der Eindeutschung der eingesessenen slavischen Bevölkerung gehabt hat (s. besonders Karte 22. 24. 25 und 33). Dadurch, daß die Schriftsprache die Mundarten immer mehr auf den örtlichen Verkehr zurückdrängt, hemmt sie die innermundartlichen Ausgleichungen von Landschaft zu Landschaft, erleichtert dadurch ihre weitere Spaltung und fördert durch sie wiederum ihre Zersetzung. Die Mischung der Mundarten mit schriftsprachlichen Bestandteilen wirkt zwar im allgemeinen und im großen ausgleichend, doch kann sie auch spalten, wenigstens im Augenblick, da sie nicht überall die gleichen Teile trifft und sehr verschieden stark ist. Sehr groß ist der schriftsprachliche Einschlag in den Gebieten, die erst in der jüngsten Zeit durch Sprachwechsel deutsch geworden sind: im mittleren Schleswig (s. 22 st statt wes, 34 recht statt rech), in der Lausitz (s. oben), | im östlichen Ostpreußen (s. 13 -er statt -a in Bruder, 36 sich statt sik sek) und in Südostkärnten (s. 33 we statt wea, 36 sich statt se si). Auch der Grad der Verdrängung der Mundarten ist landschaftlich sehr verschieden. In rein ländlichen Gebieten werden sie weithin noch von jedem gesprochen, aber aus vielen Städten sind sie schon ganz oder fast ganz verschwunden und weichen auch aus ihrer nächsten Umgebung zurück. Die Um-

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gangssprachen, die an ihre Stelle treten, übernehmen aber sehr viel aus ihnen und werden fast zu neuen Mundarten. Während sich in Mittel- und audi Süddeutschland Schriftsprache und Mundart im allgemeinen so nahe stehen, daß sie sich vollständig mischen können, ist dies in Norddeutsdiland kaum möglich. Hier gibt es wohl schlechtes Hochdeutsch und schlechtes Platt, abei keine eigentliche Halbmundart; beide Sprachen bleiben im Wesentlichen geschieden. Deshalb ist der Kampf zwischen ihnen hier schärfer und die Mundarten gefährdeter, darum wird hier aber auch das reinere Hochdeutsch gesprochen. Dieser Unterschied zwischen den Landesteilen ist auf den Sprachatlaskarten gut zu erkennen. Die großen mitteldeutschen Städte haben verhältnismäßig8 viel schriftsprachliche und halbschriftsprachliche Wörter und Formen übernommen, die ihnen früher fehlten. 2 . B. hat Köln heiß statt heß „heiß" (16), kind statt kenk könk „Kind" (17) und hunk statt honk „Hund" (35). Frankfurt a. M. hat d statt r in Bruder (12; weitere Fälle s. unten), Kassel Pferd statt Gaul (8), Erfurt äi statt i (ϊ) in beißen (6), « statt ue ο in Bruder (12), dich statt uch „euch" (21) und au statt ü in Hause (24). Audi die obersächsischen Städte, deren Mundart der Schriftsprache von alters her am nächsten steht, haben Fälle dieser Art, ζ. B. Leipzig und Dresden we statt wie wie „weh" (33). Im Südwesten ist die Lage ähnlich. Straßburg hat ich (neben i) statt eck „ich" (4), hund statt hünd höünd höüd „Hund" (35) und sich statt si sech „sich" (36), Stuttgart we statt wai wae „weh" (33), recht statt reacht „recht" (34) und si sieb statt am, em „sich" (36), Augsburg euch statt ui „euch" (21). München hat, ebenso wie Straß- | bürg und Augsburg, Dienstag übernommen (26), und Wien hat -n statt -a in gebrochen (30), machen und verkaufen (32, Ergänzung zu 11). Anders ist es auf niederdeutschem Boden. Während die nahe der mitteldeutschen Sprachgrenze liegenden Städte Berlin und Magdeburg eine der Schriftsprache nahverwandte mitteldeutsche Mundart angenommen haben, die jedoch niederdeutsche Reste enthält, hat von den meisten anderen großen Städten: Dortmund, Münster, Hannover, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Kiel, Lübeck, Stettin, Danzig und Königsberg, auf unseren Karten keine eine schriftsprachliche oder halbschriftsprachliche Form, die ihr früher einmal fremd war, ausgenommen eich statt jüch jich „euch" in Braunschweig (21) und abgesehen von einigen Formen, die, wenigstens heute, auch im Niederdeutschen weit verbreitet sind: fest statt fast „fest" in den meisten dieser Städte (23), das ringsum fehlende d in Bruder in Hannover, Braunschweig und Bremen (12) und sich statt sik in Stettin (s. oben). Ähnlich ist es mit den schriftsprachlichenWörtern, die in diesen Städten Fuß gefaßt haben, meist jedoch in niederdeutscher Lautform: sl statt wes was „sei" in den meisten 8

D . h. im Verhältnis zu der viel kleineren Zahl von Fällen, in denen die M u n d arten hier von der Schriftsprache abweichen.

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von ihnen (22), laut statt hart in Münster und Bremen (14) und weh tun statt killen in Bremen (33). Die genannten norddeutschen Städte sind also entweder zu einer mitteldeutschen, der Schriftsprache nahestehenden Mundart übergegangen oder haben die niederdeutsche bewahrt, wenn auch beides nicht ganz rein, aber keine hat eine Halbmundart, wie es sie in Mittel- und auch Süddeutschland gibt. Die Entwicklung der Sprache in den großen Städten ist sehr wichtig darum, weil sie für das Land ringsum maßgebend werden kann. Aber diese Städte sind heute fast nur Vermittler der von der Schriftsprache gelenkten Ausgleichsbewegungen. Dafür, daß in der jüngsten Zeit von einer von ihnen eine wirkliche sprachliche Neuerung ausgegangen ist, gibt es in den erschienenen Lieferungen des Sprachatlasses ein Beispiel höchstens in dem Wiener haß statt hoaß „heiß" (s. oben). Dagegen enthalten sie viele Fälle, in denen eine große Stadt auf die Entstehung und den Verlauf einer dicht an ihr vorbeiführenden mundartlichen Grenze keinen oder nur geringen Einfluß hat oder gehabt hat. In dieser Weise liegt z. B. Breslau hart an der Grenze der Gebiete des besonderen | mittel- und niederschlesischen Vokalismus (s. 4—6. 16. 19f. 22. 24. 25. 33) und Frankfurt a. M. vor dem Südrand der Gebiete vieler Vokale, die von den schriftsprachlichen nach Norden zurückgedrängt werden (s. 4. 12. 17. 19f. 21. 25. 29. 33. 35). Die Entwicklung ist über die Stadt hinweggegangen, ohne von ihr wesentlich beeinflußt zu sein, während Breslau durch den Übergang zu den südlichen, meist zur Schriftsprache stimmenden Formen wenigstens in der jüngsten Zeit geringe Grenzverschiebungen verursacht hat. Danzig hält sogar länger als seine Umgebung an einigen zurückweichenden Formen fest (s. 7. 11 und 30 die Endung -en statt -e, 36 sik statt sich). Daß die Städte auf die innere Entwicklung der Mundarten heute zum Teil so geringen Einfluß haben, wird daher kommen, daß in vielen von ihnen die Mundart ganz verdrängt oder in die unterste Bevölkerungsschicht hinabgedrückt ist. Aber als Hochburgen der Schriftsprache haben auch diese Städte große Bedeutung für das Schicksal der Mundarten ihres Umkreises. Keine der großen Städte, aber auch keine Landschaft ist der Mittelpunkt der großen Ausgleichungen, die heute im Gange sind, denn die Schriftsprache, von der sie beherrscht werden, ist überlandschaftlich, sie hat die Verbindung mit den Landschaften verloren, aus deren Mundarten sie einst gebildet ist. Die Ausbreitung der meisten schriftsprachlichen oder schriftsprachähnlichen Wörter und Formen geht von dort aus, wo sie zugleich mundartlich sind. Da die Schriftsprache den Mundarten Obersachsens am nächsten steht, geschieht es von hier am meisten. Ähnlich sind auch die anderen mitteldeutschen Mundarten ihren Nachbarn oft überlegen, besonders den nördlichen. Wo die Schriftsprache aber süd- oder niederdeutschen Formen .näher steht, gewinnen diese gegen die Mitte Raum. Sehr deutlich zeigen das auf den Sprachatlaskarten die Grenzen zwischen den mittel- und niederdeutschen Formen. Wo die ersteren zur Schriftsprache stimmen, sind sie an

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verschiedenen Stellen, besonders im ganzen ostelbischen Gebiet, im Vordringen nach Norden (s. oben). Wo aber umgekehrt die niederdeutschen Formen mit den schriftsprachlichen übereinstimmen, sind die abweichenden mitteldeutschen zurückgedrängt, und zwar audi wieder am meisten im Osten (s. 17 kind, gegen kend keind „Kind", 19f. is gegen es äs „ist", 29 ο gegen u in gebrochen, 33 we gegen | wie wie „weh", 34 recht gegen rächt rächt rächt „recht" und 35 hund gegen hond hiind usw. „Hund"). Durch dies Fehlen des gemeinsamen Mittelpunkts und der einheitlichen Richtung werden die Ausgleichungsvorgänge verwickelter und die Kartenbilder des Sprachatlasses schwerer zu übersehen. Während die Karten die Umwandlung der Mundarten aber doch gut erkennen lassen, erfahren wir aus ihnen kaum etwas über ihre Verdrängung durch die Schriftsprache, denn dieser Vorgang ist überlandschaftlich. Schriftsprache und Mundart sind kaum irgendwo so getrennt, daß sie auf der Karte gegeneinander abgegrenzt werden können, sie liegen nicht neben-, sondern übereinander. Außerdem gehört diese Frage nicht in den Kreis der mannigfaltigen Aufgaben, die sich der Sprachatlas gestellt hat. Zum Schluß sei hervorgehoben, daß das Material des Sprachatlasses, ausgenommen das österreichische und böhmische, aus den Jahren 1879—88 stammt. Seitdem hat sich viel verändert. Neue Staatsgrenzen sind durch das deutsche Sprachgebiet gezogen, der Verkehr hat weiter gewaltig zugenommen und sich im Rundfunk von allen Straßen unabhängig gemacht, einige der früher entlegensten Gebiete, wie die Alpentäler und Nordseeinseln, sind in den großen Verkehr hineingezogen. In den Großstädten und Industriegebieten ist die Bevölkerungsmischung heute um ein vielfaches größer als vor 50 J a h ren und ebenso der Raum, den sie einnehmen und beherrschen. Darum muß damit gerechnet werden, daß auch die sprachliche Entwicklung schon weit über den Stand des Sprachatlasses hinausgegangen ist. Es wird sich für jeden lohnen, an seinem Ort die Sprachatlaskarten mit den jetzigen Verhältnissen zu vergleichen und daraus die Richtung der Entwicklung zu erkennen.

Kuhn. Kleine Schriften

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ZUR WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERMANISCHEN [Beiträge zur Gesdiidite der deutschen Spradie und Literatur 57, 1933, S. 1—109]

Der Gegenstand dieser Untersuchung ist die Wortstellung und -betonung in den altgerm. Sprachen, soweit die beiden zusammenhängen, jedoch unter Ausschließung aller emphatischen Betonung und Wortstellung und ihres Zusammenhanges. Die Literatur über das Thema hat empfindliche Lücken. Die Wortstellung der eddischen Dichtung ist ungenügend untersucht, die der skaldischen nie. Diese ältesten zusammenhängenden nordischen Sprachdenkmäler1, die fast 400 Jahre vor die ersten Prosatexte zurückreichen, sind darum für die Frage nach der ältesten Wortstellung in den germ. Sprachen bisher fast ungenützt geblieben. Im Westgerm, sind die Lücken anderer Art. Es sind zwar viele Untersuchungen da, aber die meisten gehen Problemen nach, die von späteren Verhältnissen aus gestellt sind: „gerade" oder „ungerade" Folge, Stellung der infiniten Verben und Adverbien vor oder hinter dem finiten Verb, Vorausgehen des Dativ- oder des Akkusativobjekts u. dgl. Sie übersehen fast alle die besonderen Probleme der altgerm. Wortstellung und nur wenige achten auf ihren Zusammenhang mit der Betonung. Auch die Kenntnis der altgerm. Betonungsverhältnisse ist sehr lückenhaft. Über Max Riegers Aufsatz ZfdPh. 7, Iff. ist die Forschung kaum hinausgekommen. Die Regeln, die er im Beowulf und Heliand fand, hat man auch für die Jahrhunderte jüngere isländische Dichtung zum Gesetz gemacht2. Auf den Zusammenhang der Betonung der Wörter mit ihrer Stellung ist auch auf dieser Seite nicht genug geachtet. | Die Folge ist, daß diese Untersuchung trotz der Menge der vorhandenen Arbeiten die meisten nötigen Vorarbeiten erst selbst besorgen mußte. Darum kann sie auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und vollständige Lösung der behandelten Fragen machen. Vieles bleibt nachzuholen und zu ergänzen und manches Ergebnis wird bei einer genaueren Prüfung nicht zu halten sein. Auch der benutzte Stoff mußte beschränkt bleiben. Die Prosadenkmäler sind gar nicht herangezogen, weil selbständige heimische überall erst begin1

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Die älteren Runeninsdiriften enthalten nur selten zusammenhängende und zugleich sicher gedeutete Sätze. Nur Heusler hält sich hiervon wenigstens teilweise frei (Dt. Versgeschichte 1, 1925, §§ 139—51).

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WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

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nen, als die Wortstellungsregeln, die hier erörtert werden, nicht mehr bestanden. Die ältesten Prosatexte sind Ubersetzungen, und ihr Wert für die Erkenntnis der heimischen Wortstellungsregeln ist fragwürdig. Die Betonungsverhältnisse sind überhaupt nicht in der Prosa, sondern nur in der Diditung zu erkennen. Die Arbeit benutzt nur diese, in Deutschland Heliand, die Reste der althochdeutschen Stabreimdichtung und Otfrids Evangelienbuch, in England Beowulf, Cynewulfs Elene und die kleinen Denkmäler der Heldensage, im Norden ziemlich die ganze Dichtung bis um 1200 und teilweise darüber hinaus. Diese Denkmäler sind jedoch für die einzelnen Fragen sehr ungleichmäßig herangezogen. Die Wortstellung ist allerdings auch in der Diditung meist freier als in der Umgangssprache, aber ihre Freiheiten bestehen selten in etwas anderem als im Weiterbrauchen älterer Wortstellungstypen; manchmal sind sie auch Stilmittel. Ob sie unmöglich madien, die Wortstellungsregeln der Sprache aus der Dichtung abzuleiten, kann nur ein Versuch zeigen, wie er hier gemacht ist. Schließlich ist die Feststellung der in der Dichtung herrschenden Wortstellungsregeln nicht wertlos, wenn sie auch auf die übrige Sprache nidit übertragen werden können. Audi die Feststellung der Betonungsverhältnisse aus der Dichtung hat ihre Schwierigkeiten, obwohl die Stabreimdichtung für sie besonders günstig ist. Auch hier können Tradition und Stil im Spiele sein, und unsere Kenntnis der Betonung der Stabreimverse hat noch Lücken. Wir wissen zum Beispiel nicht sicher, wieviel Hebungen die sogen. Schwellverse und die Vollzeilen im Li0dahittr haben, ob | die Hebung, die auf eine tonsdiwadie Silbe vor dem Stabreim fällt, nur „guter Taktteil" oder wirklidi stärkere Betonung ist, in welchem Maße der Ton der in einer Senkung vereinigten Silben abgestuft sein kann und anderes mehr. In den meisten Betonungsfragen stimmen die verschiedenen metrischen Lehren überein und es ist nicht nötig, eine von ihnen ausdrücklich zugrunde zu legen 3 . Wo in dieser Arbeit von Hebungen die Rede ist, sind im allgemeinen die Nebenhebungen ebenso gemeint wie die Haupthebungen. Doch werden die ersteren nicht überall angesetzt, wo eine hebungsfähige Silbe steht, sondern nur da, wo die Verstechnik es verlangt. Der Grund ist, daß Wörter im allgemeinen nur dann an Stellen vorkommen, an denen sie nidit in der Senkung stehen dürfen, wenn die Verstedinik an ihnen eine Hebung verlangt 4 . Nur so ist audi Willkür in der Ansetzung von Nebenhebungen ausgeschlossen. 3

4

In allen Zweifelsfällen stehe ich. Heusler am nächsten, ebenso in der Terminologie. Z. B. können in Versen wie güdrinc göldwlanc an der Stelle der zweiten Kompositionsglieder nur solche selbständige Wörter stehen, die hier nadi den Betonungs- und Wortstellungsregeln in der Senkung stehen dürfen, aber keine, denen hier die Senkung versperrt, eine metrisch notwendige Nebenhebung, wie etwa die Stelle von -driht in migodriht micel, aber offen ist. Dies wäre nicht zu verstehen, wenn an jenen Stellen Nebenhebungen möglidi wären (ausgenommen sind hiervon nur die S. 28 erwähnten Fälle im Verssthluß in der Edda). 2*

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WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[3-5]

Das Versmaß der Atlamal rechne ich zum Fornyrdislag, nicht zum Malahattr, weil die Trennung der beiden Maße sehr schwierig, hier aber fast bedeutungslos ist. Die Beschränkung auf die Dichtung hat auch persönliche Gründe. Von Beobachtungen verschiedener Art über Wortstellung und -betonung und ihren Zusammenhang in der nordischen Drottkvasttdichtung ging die Stoffsammlung aus. Sie diente lange nur ihrer Erklärung und der Bestimmung des Verhältnisses dieser Dichtung zu der übrigen altgermanischen. Uberall, in Edda, Beowulf, Heliand und Hildebrandslied, fand ich mehr oder weniger Verwandtes, aber für die auffälligsten Beobachtungen in der Literatur lange keine rechte Erklärung. Erst Wackernagels Aufsatz „Über ein Gesetz der indogerma- | nischen Wortstellung" ( I F . 1, 3 3 3 — 4 3 6 ) brachte mich auf die richtige Spur und führte mich zur Erkenntnis des Satzpartikelgesetzes, das sich schließlich als ein Kerngesetz der altgerm. Wortstellung und als Schlüssel zum Verständnis vieler untergeordneter Regeln erwies, die zuerst ganz unabhängig voneinander und nicht zu erklären schienen. Auf diesem Wege wurde aus den verschiedenartigen Vorarbeiten zu einer Untersuchung der Drottkvam-Metrik eine selbständige Arbeit, die jedoch die Beschränkung auf die Dichtung und die ursprünglich verfolgten Probleme beibehalten hat. Die benutzten T e x t e sind nach folgenden Ausgaben zitiert: B e o w u l f , hrsg. von F . Holthausen, 6. Aufl. H d l b g . 1 9 2 9 . C y n e w u l f s E l e n e , hrsg. v o n F . Holthausen, H d l b g . 1 9 0 5 . H e l i a n d , hrsg. von E . Sievers, H a l l e 1 8 7 8 . Die Bruchstücke der altsächsischen G e n e s i s , in H e l i a n d und Genesis, hrsg. von O . Behaghel, 3. Aufl. H a l l e 1 9 2 2 . Hildebrandslied, Wessobrunner Gebet und M u s p i l l i , in E . v. Steinmeyer, Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler, Berlin 1916. O t f r i d s E v a n g e l i e n b u c h , hrsg. von O . E r d m a n n , H a l l e 1 8 8 2 . E d d a , hrsg. von G. Neckel, 2. Aufl. H d l b g . 1 9 2 7 . E d d i c a m i n o r a , hrsg. v o n A . Heusler und W . Ranisch, D o r t m u n d 1 9 0 3 . Den norsk-islandske skjaldedigtning, hrsg. von F . J6nsson, K p h . 1 9 1 2 f f . (abgekürzt Skj.). Ich gebrauche für die N a m e n der Lieder in E d d a und E d d i c a minora die in den Ausgaben gebrauchten Abkürzungen. Die Skaldendichtung zitiere ich im allg. nach den Seitenzahlen in Skj. Teil A . Mit Rücksicht auf den Zustand einiger Ausgaben sei hervorgehoben, daß überall der in den Handschriften überlieferte T e x t zugrunde gelegt ist. Die im Altnordischen übliche Bezeichnung der Vokallänge mit ' ersetze ich in den Zitaten durch weil ich den Akut zur Bezeichnung der Betonung brauche. H . Jacobsohn f verdanke ich mehrfache Hilfe bei dem Versuch, die Ergebnisse der Arbeit an die Verhältnisse in anderen indog. Sprachen anzuknüpfen.

I. D A S G E R M A N I S C H E

SATZPARTIKELGESETZ

§ 1. Alle tonlosen oder nur schwach betonten 5 Wörter, die nicht einem einzelnen Satzteile, sondern der ganzen Satz- | aussage angehören und darum

[5-6]

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

21

syntaktisch selbständige Satzteile sind, nenne ich Satzpartikeln, die tonlosen oder schwachtonigen Wörter, die nur zu einem einzigen Wort oder Satzteil gehören, entsprechend Satzteilpartikeln6. Satzpartikeln waren im Indog. hauptsächlich substantivische Pronomina 7 , viele Partikeln im engeren Sinne (wie griechisch γάρ, δέ, μέν), meist audi die Vokative und manchmal finite Verben. In den altgerm. Mundarten waren Satzpartikeln substant. Pronomina, viele Adverbien und finite Verben, Bindewörter, zum Teil auch adjekt. Pronomina, gelegentlich infinite Verbformen und Prädikatsnomina, vielleicht auch Vokative. Die meisten Satzpartikeln konnten auch vollbetont gebraucht werden.

a) E n k l i s e

und

Proklise

§ 2. Die Satzpartikeln standen in der Ursprache in der Enklise zum ersten (betonten) Worte des Satzes 8 ; proklitische Satzpartikeln gab es in ihr nicht9. In den altgerm. Mundarten dagegen waren die Satzpartikeln p r ο klitisch. Dies | geht mit Sicherheit daraus hervor, daß in der Stabreimdichtung überall sehr viele Satzpartikeln im Auftakt eines Verses stehen, in dem sie notwendig proklitisch sind. Dagegen stehen nur ganz vereinzelt Satzpartikeln in der Schlußsenkung eines Verses, in der sie e η klitisch sein müssen; dieser Gebrauch aber ist sekundär 10 . 5

Ich lasse im allg. außer Acht, ob diese Wörter ganz tonlos waren oder nicht, und von welcher Art und Stärke ihr Ton gewesen sein mag. Hierüber ist wenig bekannt und es hat audi für diese Untersuchung nur geringe Bedeutung (vgl. hierüber u. a. H. Hirt, Indog. Gr. 5, Hdlbg. 1929, S. 331). 8 Dieser Gebrauch des Wortes Partikel ist allerdings nicht glücklich, zumal selbst Nomina unter den Satzpartikeln sind. Auch wäre für das Frühgerm, die Bezeichnung Satzproklitikon zu rechtfertigen. Ich ziehe jedoch den Ausdruck Satzpartikel vor, weil in ihn sowohl Pro- wie Enklitika einbegriffen werden können, so daß er audi von den Enklitika des Indog., Altind., Griech. usw. gebraucht werden kann. Einen passenderen neutralen Ausdruck fand ich nicht. ' Daneben gab es betonte Pronomina, von den enklitischen oft in der Form verschieden (wie griech. δμοί neben μοι usw.). 8 Dies wichtige Gesetz ist von J a k o b W a c k e r n a g e l gefunden (IF. 1, 333—436). Für das Altind. hatte es jedoch schon B e r t h o l d D e l b r ü c k beobachtet (Syntakt. Forschg. 3, 47 und 5, 22). Daß es auch im Altslav. galt, hat Elof Nilsson gezeigt (KZ. 37, 261—64). Außer einigen Hinweisen Wackcrnagels a. a. O. scheint auf die Geltung des Gesetzes im Germ, kaum geachtet zu sein. 9 Proklitisch waren im Indog. nur einige Satzteilpartikeln: Präpositionen vorm Nomen, Präverbien vorm Verb und der entstehende Artikel vorm Nomen. Die Proklise scheint in der Ursprache erst spät entstanden zu sein (s. Hirt a. a. O. S. 369 und 398). 10 Sieh § 30. Zweifelhaft bleiben immerhin die (i. allg. selteneren, s. S. 8 Anm.) Fälle, in denen die Satzpartikeln in einer inneren Senkung des Verses stehen. Da aber der größere Teil aller Satzpartikeln sicher proklitisch ist, sichere Enklise dagegen nur in wenigen sekundären Fällen vorliegt, dürfen wohl auch die Satzpartikeln in innerer Senkung als proklitisch gelten.

22

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[6-7]

Die Umwandlung der ursprünglichen Enklise der Satzpartikeln in die Proklise scheint im Gefolge der germ. Akzentverschiebung geschehen zu sein, denn sie ist ihr Korrelat und gleicht die Härten aus, zu denen sie führte. Die aus betontem Wort und Enklitika bestehenden ersten Sprechtakte der indog. Sätze hatten meist außer den enklitischen auch proklitisdie Silben, weil der Ton des ersten Wortes nicht gerade oft auf seiner ersten Silbe lag, sondern meist weiter zurück, so daß das Wort und damit der Sprechtakt mit einer oder mehreren proklitischen Silben begann. Diese Sprechtakte hatten darum meist eine bequeme mittlere Stellung des Haupttons 11 . Die | Verschiebung dieses Tones auf die erste Silbe des betonten (ersten) Wortes im Urgerm. hob jedoch die Proklise in diesen Sprechtakten auf und vermehrte die Zahl der enklitischen Silben, so daß die letzten von ihnen in längeren Sprechtakten weit von der Haupttonsilbe abgerückt wurden. Sie kamen aber gleichzeitig unmittelbar vor den Hauptton des nachfolgenden Sprechtaktes zu stehen, der jetzt ebenfalls auf der ersten Silbe lag. Hier nun scheint der Hauptton dieses zweiten Sprechtaktes, der den Enklitika des ersten nähergerückt war als dessen Hauptton, diese Enklitika an sich gezogen, sie in die P r o klise zu sich gebracht zu haben. Die Enklitika des ersten Wortes wurden dadurch zu Proklitika des zweiten12, und die ursprüngliche steigend-fallende Betonung, die durch die germ. Akzentverschiebung in eine unschöne und unbequeme nur fallende verwandelt war, wurde wiederhergestellt. Während die Satzenklitika, die allen Satzteilen gleichmäßig angehören, dieser Umwandlung leicht erliegen konnten, mögen die Satzteilenklitika durch das Gewicht ihrer gram-

11

13

In den lebenden germ. Sprachen scheint i. allg. schwer zu erkennen zu sein, ob ein Wort pro- oder enklitisch ist, so daß die Frage danach geringes Interesse hat und von den Grammatikern wenig beachtet wird. Infolge dieses Zustandes können sogar Vorsilben zu Endungen werden, wie etwa in Mundarten nahe meiner Heimatstadt Minden das gelegentlich erhaltene, aber nicht mehr verstandene Präfix e- ( = hd. ge-) meist als Endung des vorausgehenden Wortes aufgefaßt wird, z. B. in Satz 4 der Wenkersdien Sätze des Sprachatlasses... dort Ise broken s t a t t . . . dort Is ebroken „... durchs Eis gebrochen"; vgl. Dt. Sprachatlas, 5. Lfg. (Marburg 1931), Karte 28, Text S. 129ff. und F. Wrede, AfdA. 22, 97. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob wir ein solches Schwanken in der Anlehnung der Satzpartikeln schon für die altgerm. Sprachen annehmen dürfen. Daß die indog. Sprachen ursprünglidi klare Scheidung gehabt haben, geht aus den Zuständen im Altind., Grieth, und Lat. mit Sicherheit hervor. Audi die Metrik scheint die Frage nach Pro- oder Enklise in der altgerm. Dichtung noch nicht ernstlich erörtert zu haben, obwohl diese für sie nidit ganz belanglos ist. Auf die übrige Tonabstufung in Wort und Satz nehme ich keine Rücksicht, da sie für die hier erörterte Entwicklung wenig Bedeutung hat. Vgl. u. a. die umgekehrte Entwicklung des nord. Artikels; er rückte aus der Proklise zum nachfolgenden attributiven Adjektiv in die Enklise zum vorangehenden Substantiv; madr hinn-gamlt > madr-(h)inn gamli > madrinn.

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[7-8]

23

matischen und logischen Zugehörigkeit in der Enklise zum vorausgehenden Worte festgehalten sein13. Auf diese Weise können die Satzpartikeln in die Proklise zum zweiten (betonten) Wort des Satzes geraten sein, aber ihre Stellung auch vor seinem e r s t e n Worte, im Auftakt des Satzes, ist hierdurch noch nicht erklärt. Ich nehme an, daß sie dadurch entstanden ist, daß die alte Regel weiterwirkte, nach der die Satzpartikeln sich an das erste Wort des Satzes anlehnten. Früher standen sie enklitisch h i n t e r ihm, jetzt mußten sie, da sie proklitisch geworden waren, v o r es gestellt werden. Aber die entstandene Proklise zum zweiten Worte konnte audi beibehalten werden, so daß die Germanen zwei Möglichkeiten erhielten, die Satzpartikeln zu stellen. Die Westgermanen zogen, wenigstens in der Stabreimdichtung, | die Stellung vor dem ersten betonten Worte, im Satzauftakt, vor, die Nordleute im allg. die vor dem zweiten 14 .

b) D i e

a l l g e m e i n e F o r m des g e r m a n i s c h e n Satzpartikelgesetzes

§ 3. Das Gesetz für die Stellung der Satzpartikeln, das im Germ, durch die Umwandlung der Enklise in Proklise aus dem von Wackernagel beobachteten indog. Gesetze entstanden ist, nenne ich das germanische Satzpartikelgesetz. Seine allgemeine, aus der ältesten Dichtung erschlossene Form ist: D i e S a t ζ ρ a r t i k e 1 η s t e h e n in d e r e r s t e n S e n k u n g des S a t z e s , in d e r P r o k l i s e e n t w e d e r zu seinem ersten oder zweiten betonten Worte. | 13

14

Auf die Faktoren, die dieser Entwicklung entgegenwirken mußten oder konnten, gehe ich nicht ein, da sie schwer abzuschätzen sind, aber schwerlich imstande waren, die hier angesetzte Entwicklung zu verhindern. Im Beow. stehen von 438 unbetonten Verben 347 im Auftakt eines Verses und nur 91 in einer inneren Senkung ( = 2 1 °/o). Noch größer ist der Anteil des Auftaktes bei den anderen Satzpartikeln sowie im Hei. und in der nord. Dichtung im Li0dahättr, dagegen überwiegt die Stellung in einer inneren Senkung in der übrigen altnord. Dichtung. Es ist allerdings auch denkbar, daß minder stark betonte Wörter an der Spitze des Satzes ihren Ton verloren und dadurch in die Proklise zum nächsten betonten Worte gerieten, mitsamt den Enklitika, die ihnen etwa folgten, und daß der Gebrauch der Satzpartikeln im Satzauftakt auf diese Weise entstanden ist (so B. Delbrück, AfdA. 31, 74). Auch dies könnte im Zusammenhang mit der Akzentverschiebung oder unter ihrer Wirkung geschehen sein, denn sie führte zum Verfall der Endsilben und dadurch zur Verminderung der Silbenzahl vieler Wörter, und dies konnte wiederum die Schwächung oder gar den Verlust des Tones dieser Wörter nach sich ziehen (über Abhängigkeit der Tonstärke von der Silbenzahl s. §§ 24. 27). Dann aber müßten diese audi an anderen Stellen des Satzes in der Senkung erwartet werden, denn es ist weder wahrscheinlich, daß sie ursprünglich nur an der Satzspitze betont gebraucht wurden, noch daß sie nur an ihr den Ton verloren. D a die Satzpartikeln nun aber in der Regel nur vor

24

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[9-10]

Vor ihnen darf jedoch kein Wort stehen, das durch ein unbetontes Präfix einen Auftakt bildet, sowie kein Kompositum mit einer inneren Senkung, weil die Satzpartikeln dann nicht mehr in der ersten Senkung des Satzes stehen würden. Anstelle eines Kompositums ohne innere Senkung tritt in der nord. Dichtung gelegentlich auch eine gleichartige losere Verbindung zusammengehörender Wörter vor die Satzpartikeln (s. S. 59 und 94f.). Es kommt in fast allen Teilen der untersuchten Dichtung vor, daß Satzpartikeln in einer späteren Senkung stehen, wenn sie die erste Senkung nach einer Unterbrechung oder Lockerung des Satzzusammenhanges ist. Diese kann verursacht sein durch einen Schaltsatz oder eingeschobenen Nebensatz, durch eine Anrede 1 5 oder Apposition, durch anaphorische Wiederaufnahme des vorausgehenden Teiles des Satzes oder durch einen stark wirkenden metrischen Einschnitt (meist die Langzeilenzäsur). Das Satzpartikelgesetz verbietet es, die Satzpartikeln, wenn mehrere da sind, auf beide möglichen Stellen zu verteilen, sowie sie vor das zweite betonte Wort zu stellen, wenn vor dem ersten durch Satzteilpartikeln oder unbetonte Vorsilben ein Auftakt gebildet wird (s. das Satzspitzengesetz §15). Im Vers wird das Gesetz gelegentlich dadurch gestört und scheinbar verletzt, daß eins der Wörter, die ihrer Tonschwäche wegen im Satzauftakt stehen, eine Vershebung übernimmt (in den guten Taktteil tritt). Das Satzpartikelgesetz gilt sowohl im vollständigen Satze wie im unvollständigen, der ohne Subjekt oder Prädikat an einen vorausgehenden angeschlossen ist. Wörter, die im allgemeinen Satzpartikeln sind, werden manchmal zu Satzteilpartikeln, dadurch daß sie mit einem betonten Worte eine engere Verbindung eingehen und mit ihm einen Satzteil bilden. Dann treten sie in die Proklise (oder auch Enklise) zu ihm, gleichgültig, an welcher Stelle des Satzes das betonte Wort steht. Ich zähle diese Fälle des Beispiels halber im Beowulf auf (§ 4), gehe sonst aber im allgemeinen | nicht auf sie ein. Umgekehrt werden infolge der noch ziemlich lockeren Verbindung der Wörter eines Satzteiles manchmal Satzteilpartikeln zu Satzpartikeln (s. §§ 25f.). dem ersten oder zweiten Worte des Satzes in der Senkung vorkommen, müßte man annehmen, daß sie zwar dann, wenn sie im Satz i η η e r η den Ton verloren, auf den Platz der Satzenklitika rückten, aber dann, wenn dies an der Satz s p i t z e geschah, entgegen dem herrschenden Gesetze stehen blieben. Dies aber ist nur dann verständlich, wenn die oben angenommene Tendenz mitwirkte, die Satzpartikeln an das erste betonte W o r t anzulehnen. In dieser Weise mag die hier erörterte Möglichkeit an der Entwicklung beteiligt gewesen sein. Nähme man jedoch an, daß in der Stellung der Satzpartikeln in der ersten inneren Senkung die alte Enklise bewahrt wäre — was sich schwer widerlegen ließe — , dann wüßte ich ihren Gebrauch im Satzauftakt nkht zu erklären. 15

Vergleiche jedoch S. 87 f.

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[10-11]

25

Wenn Wörter, die meist schwach- oder unbetont und dann Satzpartikeln sind, vollbetont gebraucht werden, sind sie vom Satzpartikelgesetz unabhängig. Jedoch überwiegt bei ihnen wenigstens in der Dichtung audi in diesem Falle die Stellung, in die sie als Satzpartikeln gehören. Im folgenden stelle ich dar, wie das Satzpartikelgesetz in den einzelnen Teilen der altgerm. Dichtung eingehalten und wie und in welchem Maße in ihnen von ihm abgewichen ist.

c)

Das

Satzpartikelgesetz

im

Beowulf

§ 4. Beow. enthält etwa 2 0 0 0 Satzpartikeln (die Bindewörter ausgenommen 1 6 ), aber abgesehen von einigen der § 3 genannten Sonderfälle keinen sicheren Verstoß gegen das Satzpartikelgesetz 1 7 . | Der Fall, daß Satzpartikeln dadurch in die zweite Senkung des Satzes (die erste innere nach Auftakt) geraten, daß einer vorausgehenden Satzpar16 17

Über den Terminus Bindewort s. § 18; sie sind nicht mitgezählt, da sie schon durch ihre Funktion an die Satzspitze gebunden sind. Nicht sichere Verstöße enthält das Epos folgende: 503f. |)a:t ienig öder man äfre mSerda f>on ma . . . hier scheint die Oberlieferung gestört zu sein, denn in der Hs. ist vor äfre eine Rasur, nach äfre aber beginnt eine neue Seite (141 b), außerdem ist das indes folgenden märda nicht überliefert (s. Grein-Wülcker, Bibl. d. ags. Poesie2 1, 37); 1165f. swylce f)2er Hunferf) J)yle £et fötum sat frean Scyldinga; sat steht im Schwellvers, dessen Hebungszahl und -Verteilung wir nidit sicher kennen; vgl. 500 pe at fotum sät frean Scyldinga als ganzes Verspaar; 2430f. Hredel cyning geaf me sine ond s^mbel; vielleicht ist die Stelle folgendermaßen abzuteilen und zu gliedern: Ic waes syfanwintre, £>ä mec sinca baldor, freawine folca, set mlnum faeder genam, heold mec ond haefde, Hredel cyning; geaf me sine ond symbel, sibbe gemunde; dann steht me mit geaf im Satzauftakt. — Dafür daß die Ableitungssilbe -el einen Nebenton tragen kann, so daß der Vers der Metrik genügt, spricht die nordische Metrik; auch Sievers nimmt Hredel cyning als Vers (PBBeitr. 10, 231). Auffällig ist noch 299 godfremmendra swylcum gifejie bid; das Relativpronomen swylcum steht im Auftakt des zweiten Verses des Satzes, denn godfremmendra ist von ihm abhängiger partitiver Genitiv. Aber die beiden Wörter verbinden Haupt- und Nebensatz und stehen so zwischen ihnen, daß eine feste Satzgrenze nidit da ist, und swylcum wird als erstes Wort des Relativsatzes empfunden sein. In Holthausens Ausgabe sind 2 weitere Verstöße konstruiert: 62 hyrde ic, p a s t . . . was Önelan ewen (in der Hs. fehlt was On-); 2800 fremmad ge nü (nur in den früheren Aufl.; die Hs. hat gena).

26

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[11-12]

tikel eine Hebung im Verse zufällt, kommt im Beow. gut 50mal vor. In etwa der H ä l f t e der Fälle nimmt diese Hebung am Stabreim teil. Meist steht in ihr ein finites Verb, im Auftakt vor ihm aber ein Präfix oder die Negation ne (oder auch beides). Beisp. (mit Stabreim)

(ohne Stabreim)

109 ne he psre felhde 217 gewdt pä ofer wälgholm 2697 ne hidde he pas hiafolan (ferner 234. 399. 723. 758. 1027 usw.) 301 gewiton him pä feran 1011 ne gefrsegen ic f>ä mäfcg|}e 1322 ne frln pit asfter s^lum (ferner 388. 675. 728. 1397. 1612 usw.).

Andere Füllung des Auftakts und der ersten Hebung findet sich nur 47 525 951 1987 2093

pä g^t hie him äs£tton (über pä g$t s. S. 13) donne wine ic tö f>£ ful 6ft ic for läfcssan18 hü 10mp eow on Ilde tö ling ys tö riccenne19. |

D a ß es sich hier nur um gelegentliche Stellung in der Hebung handelt, kann die Gegenüberstellung einiger dieser Verse mit anderen zeigen, in denen dieselben Wörter im A u f t a k t stehen: 217 gewät pä ofer wigholm 47 {)ä g?t hie him äs£tton 951 ful e he ne üf)e (weiter 679. 1059. 1336) 9 od jDset him seghwylc (weiter 1740. 2039. 2934. 3147). Ober die Betonung des Prädikatsnomens s. § 27. Fälle, daß eine Satzpartikel in einer inneren Senkung nach Unterbrechung des Satzes durdi eine Anrede oder Apposition steht, enthält Beow. nur 3 unsichere: 946f. nü ic, Beowulf, f>ec, secga biksta, me for sunu w^lle . . ; die Hs. hat secg; secg betsta me ist ein regelmäßiger Vers und me steht in der Hebung; die Änderung in secga (Gen. PI.) ist aus grammatischen Gründen erfolgt (vgl. 1759. 1871 u.a.); 1108 f. Herescyldinga bitst, beadorinca, was on bäfcl g£aru;

[12-13]

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

27

Wörter, die im allg. Satzpartikeln sind, sind im Beow. auf verschiedene Weise auch als Satz t e i l partikeln gebraucht. Einige Male sind zwei temporale oder modale Adverbien eine neue einheitliche Bedeutung bildend fast zum Kompositum | zusammengeschlossen81. Der eine Teil steht dann in Proklise zum anderen: pä gen, pä git „da noch, da wieder": 83 ne waes hit linge pä gen (weiter 734. 2081. 2237) 536 wäron begen pä git (weiter 1127. 1256. 1276. 2141. 2975)22. swä peak „so doch" = „dennoch": 972 ηδ p s r älnige swä p£ah (weiter 1929. 2442. 2878. 2967)". 2870 ist öwer „irgendwo" als Satzteilpartikel gebraucht, indem es in die Proklise zu dem erläuternden feor odde neah „fern oder nah" gestellt ist. Ein substant. Pronomen wird 2mal Satzteilpartikel, dadurch daß es in die Proklise zu einem von ihm abhängigen Adjektiv tritt: 1377 xx pe änum „bei dir allein" 2665 be de lifigendum „bei dir, solange du lebst". Als Bestätigung des Satzpartikelgesetzes sei noch angeführt, daß die senkungsfähigen Verben selbständiger Sätze 24 immer am Stabreim teilneh-

es wird abzuteilen sein Herescyldinga betst, (so audi Rieger, ZfdPh. 7, 40 Anm.) beadorinca, wies on biel glaru, dann steht wees in Hebung; 1554f. wltig drihten, rödera riedend, hit on rfht gesced; witig drihten und rodera rädend können als Appositionen zum vorausgehenden Satze gehören, so daß hit im Satzauftakt steht. In Holthausens Ausgabe ist ein weiterer Fall konstruiert: 1840 Hrödgär mapelode, heim Scyldinga, £orl sedelum göd, him on öndswäre, überliefert ist Hrodgär mapelode him on ondsware (vgl. jedoch El. 642, s. § 5). 21 Ganz zum Kompositum geworden zu sein scheint nüda < nü pä „nun da" (ein verstärktes nü)·. 426 ic pe nüda 657 büton pe nüda; nach A. Holder, Beow. I s (1895), ist nüda in der Hs. beide Male als έϊη Wort geschrieben; Holthausen schreibt nü-da. 2a pä gen und pä git stehen im Gegensatz zu nü gen und nü git, die aber im Beow. nur an der Satzspitze vorkommen (2859.3167 — 956.1058.1134) und darum oben nicht genannt sind (im Satzinnern Wald. I 6). Die Betonung pä gin ist gesichert durch 83 (s. o.), die von pä git durch 536 (s. o.). 1276. 2141. 2975. 23 Die Betonung swä peah ist gesichert durch 972 (s. o.). In Cynewulfs Elene kommt zu diesen Verbindungen hinzu swä some „ebenso" (653. 1066. 1207. 1278. 1284). Ein ganzer Satz ist auf diese Weise zu einem Wort zusammengewachsen in icnäthwylc (Beow. 274), näthwylc usw. (ebenso an. ngkkurr, mhd. netzwer und Verwandte). 24 Ober den Begriff selbständiger Satz s. § 18.

28

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[13-15]

men, wenn sie im Satzinnern in einer Stellung vorkommen, in der sie audi des Metrums wegen in Senkung stehen dürften: 1312 1358

samod äirdaege eode iorla sum25 | hie dygel lond warigead, wulfhleodu (weiter 1667. 1724. 1854. 2062).

§ 5. Auch in C y n e w u l f s E l e n e ist das Satzpartikelgesetz durchweg eingehalten. Jedoch enthält sie 3 wirkliche Verstöße: 462 662

dä me yldra min ägeaf dndsware him seo ifedele cwen ägeaf andsware;

es sind formelhafte Einleitungen einer Rede, in denen der Zusatz einer Apposition, welche Herkunft oder Rang des Sprechers angibt, sehr gebräuchlich war (vgl. Beowulf madelode, beam Ecgpeowes u. dgl.). N a d i dieser Apposition konnte aber eine Satzpartikel in der ersten Senkung stehen, wie es El. 454f. der Fall ist: J)ä ic fromllce ialdum äewitan,

faider mlnum, ägeaf andsware26.

Von Fällen dieser A r t scheint die Formel ägeaf andsware auf die genannten übertragen zu sein, in denen die Apposition fehlt 2 7 . Auf dieselbe Weise kann auch der 3. Verstoß in Elene entstanden sein: 642

Elene madelade

him on dndswdre28. |

Das F i n n s b u r g und die W a l d e r e - Bruchstücke und das D e ο r lied enthalten keinen Verstoß gegen das Satzpartikelgesetz, der über 25

26

27

28

Vgl. eode im Auftakt im Satzanfang 612 eode Wealhpeow f6rd. Diese Unterbrechung des Satzes durdi eine Apposition liegt vielleicht auch 1252f. vor: ic pies wuldres treowes (Sft, nales έηε, hafde ingemynd, jedoch ist fraglich, ob das kurze nales äne genügte, den Satzzusammenhang zu lockern, so daß hier wahrscheinlich ein 4. wirklicher Verstoß vorliegt. Diese beiden Verstöße können aber auch durch die Verdrängung des ungebräuchlich gewordenen und aussterbenden andwyrde durch das üblichere andswaru entstanden sein. Vers 619 ist die F o r m e l . . . andwyrde ägeaf erhalten (ähnlidi 545). Trat andswaru an die Stelle von andwyrde, dann lag es aus metrischen Gründen nahe, ägeaf vor das Nomen und damit in die Senkung zu stellen. Drittens kann ägeaf andsware an die Stelle des metrisch ganz ungewöhnlichen Verses andswarode oder des von Sievers erschlossenen *dndsw6rode getreten sein (Altgerm. Metrik § 85, Anm. 7). Einen nicht ganz sicheren weiteren Verstoß s. Anm. 1 [26]. Einen weiteren hat Holthausen hinzugedichtet: 1050 a pxt pass landes biscop hafde Iif ofgifen (der Vers fehlt in der Hs.). Beachte audi 548 . . . sume hyder, sume pyder; es sind zwei unvollständige, aus dem vorausgehenden zu ergänzende Sätze (ähnlich Hei. 496 . . . sumun te fälle, sumun te frobrtt...).

[15-16]

WORTSTELLUNG UND BETONUNG IM ALTGERM.

29

die im Beowulf vorkommenden Gruppen hinausgeht, dagegen W ι d s ι d einige schwere: 51 f. 59

gödes ond y f l e s pär ic cunnade . . . mid Wenlum ic was ond mid W s r n u m

und ähnlich noch 13mal bis Vers 84 29 . Diese Fälle haben ihre genaueste Parallele in Hav. 81ff.

at kveldi skal dag l e y f a I vindi skal v i d hgggva . . . usw.

Diese Stellung scheint zum Stile der pula gehört zu haben. In der jüngeren ags. Stabreimdichtung nimmt die Zahl der Verstöße gegen das Satzpartikelgesetz zu. d) D a s

Satzpartikelgesetz

im

Heliand

§ 6. Viel schwieriger als in der angelsächsischen ist es in der altsächsischen Stabreimdichtung, die Geltung des Satzpartikelgesetzes festzustellen. Die Hauptschuld daran hat die Überfüllung der Verse; sie führt oft dazu, daß wir nicht entscheiden können, ob Wörter im Ausgang eines Verses in der Hebung oder im Eingang des folgenden in der Senkung — dem Auftakt — stehen, ferner welches Wort die erste Hebung eines Verses trägt und ob und wo etwa zwischen den Haupthebungen Nebenhebungen anzusetzen sind (s. z. B. S. 17 Anm. 3). Dazu kommt die viel größere Zahl der „Schwellverse", deren Betonung wir nicht sicher kennen, und schließlich die vielen Verschiedenheiten der beiden Handschriften gerade in Gebrauch und Stellung der Partikeln. Auch die Satzgrenzen sind nicht selten unsicher. Dies alles führt dazu, daß ein großer Teil aller hierher gehörenden Fälle zweifelhaft bleibt, und macht es unmöglich, sichere Zahlen für das Vorkommen der einzelnen Betonungs- und Stellungstypen zu erhalten. | Trotz allem läßt sidi feststellen, daß das germ. Satzpartikelgesetz in Hei. und Gen. nicht mehr streng gegolten hat, daß die Zahl der Verstöße aber doch ziemlich gering ist. Ich beschränke midi in der folgenden Darstellung auf den Heliand. Der Fall, daß ein senkungsfähiges Wort statt im Auftakt in der ersten Hebung steht, während vor ihm ein Auftakt bleibt und ihm auch noch eine Satzpartikel folgt, die nun in die zweite Senkung des Satzes gerät, kommt im Hei. etwa 170mal vor (im Beow. gut 50mal 3 °). Hierunter sind etwa 65 Fälle, in denen in beiden Senkungen Satzpartikeln stehen (im Beow. nur 2). 29

30

In Holthausens Beowulfausgabe ist die Zahl durdi Zusätze auf 20 erhöht. In beiden Fällen (51 f. und 59 usw.) stehen die Satzpartikeln an der zweiten Stelle des Satzes, aber nidit hinter dem ersten Wort, sondern Satzteil (s. § 31). Der Hei. ist fast doppelt so lang wie Beow. (5983 gegen 3182 Verse).

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

30

[16-17]

In der ersten Hebung steht in diesen überall das Verb, in der inneren Senkung ein Adverb oder Pronomen (oder mehrere oder auch beides), im Auftakt steht meist auch ein Adverb oder Pronomen. Beisp. 551 thö quiddun sie ina cösco 1352 than uu0piat thar uuinscefti 3530 sie uuegeat mi te uundron (ferner 1381. 1516. 1576. 1599. 2357. 2510 usw.). In 14 Fällen steht im Auftakt eine Konjunktion (meist ac). Beisp. 637 ac sigdun it im södllco 1291 endi säh sie an lingo (ferner 699. 1632. 1948. 2381 usw.). In den 3 letzten Fällen steht eine Konjunktion u η d ein Pronomen im Auftakt: 1644 huuand it r6tat htr an r0ste 3154 ac sie ^ίέΐΐυη thö f0rduuardes (hier außerdem ein Präfix im Auftakt) 5357 ac sia uulridun im thena uuillion. In den etwa 105 übrigen Fällen steht im Auftakt eine Satzteilpartikel. In der ersten Hebung steht etwa 85mal ein finites Verb und im Auftakt ein Präfix oder die Negation (oder beides), wie in fast allen Fällen dieser Art im Beowulf. In 10 anderen Fällen steht in der ersten Hebung ein infinites Verb (im Beow. nie), im Auftakt dabei immer ein Präfix. Beisp. 1085 gescriban uuas it giu lingo 1452 uuiderstanden them mid stridu (unvollständiger Satz) (ferner 1602. 2989. 3947. 4007 usw.). | In 7 anderen Fällen steht in der ersten Hebung ein Prädikatsnomen 3 1 (im Beow. 1 Fall), 6mal vor ihm im Auftakt sö: 2655 sö köd is its is kuniburd 2838 sö liittic uuäri that thesun liudiun (weiter 3068. 3134. 3502. 4868). Der 7. Fall ist 5034 huö liof is thit (huö liof ist Einleitung des Nebensatzes). Schließlich steht noch 2mal ein Adverb in der ersten Hebung: 1555 te hlöd ni do thü it 4374 sö farungo uuard that fiur kumen32. In 51 anderen Fällen, in denen Satzpartikeln in der zweiten Senkung stehen, steht in der Hebung vor ihnen ein nidit senkungsfähiges starktoniges 31 32

Über die Betonung des Prädikatsnomens s. § 27. In folgenden 2 Versen erhält das Verb wahrscheinlich eine Hebung, so daß das ihm folgende Pronomen in die zweite Senkung des Verses gerät: 4190 Jüdeon bispräkun that thö 5440 Satanas giuuet im thuo.

[17-18]

WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

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Nomen (im Beow. kein Fall). Im Auftakt steht meist, in 48 Fällen, eine Satzteilpartikel. In 33 Fällen ist es der bestimmte Artikel. Beisp. 239 348 528

that uuiti uuas thö ä g i n g a n that gib0d uuard gilestid (hier außerdem Präfix im A u f t a k t , ebenso 5632) that g i l d habde thö gilestid (ferner 598. 675. 2152. 2217 u s w . ) s s .

13mal steht im Auftakt ein attributives Pronomen (adjektivisch oder genitivisdi). Beisp.

118 1247 1967

thin thfonost is im an thinke is 10f uuas sö uufdo thesa quidi uuerdad uudra (ebenso 3919; ferner 2584. 3496. 3609 usw.).

lmal steht im Auftakt eine Präposition: 4312

mid finistre uuerdad

bifingan

und lmal ein Präfix: 2254 gilÖBo is iu te liittil. | Audi in diesen Fällen liegt vielleicht keine wirkliche Verletzung des Satzpartikelgesetzes vor, denn in der inneren Senkung steht fast immer ein Hilfsverb oder die Kopula (manchmal außerdem ein Pronomen oder Adverb), in der folgenden Hebung aber das infinite Verb oder das Prädikatsnomen, einschließlich solcher P r ä d i k a t e wie 2217 uuarth

an forobton.

Diese

Wörter gehören mit den vorausgehenden Verben aufs engste zusammen und können sie an sich gezogen, sie zu Satz t e i l partikeln gemacht haben (vgl. 589. 4071f., S. 20). Dagegen spricht jedoch, daß in 14 dieser 48 Fälle auf das Verb noch ein Adverb oder Pronomen folgt 3 4 . Andererseits scheint aber die Beschränkung fast nur auf diese Fälle diese Erklärung zu fordern. Von diesem T y p weichen nur 3 Fälle ab: 4415 4815 5538 33

34

15

thiu hllpe quam te h£bencuninge (Schwellvers!) thea stidi uuisse J u d a s uuM (ein auffälliger Vers) is bl0d ran an irtha 3 5 .

Ein unsicherer Fall dieser Art ist 435 that frf al bih£ld (oder ist zu betonen that frt al biheld oder that frt M biheld?). Wenn hier wirkliche Verstöße gegen das Satzpartikelgesetz vorliegen, dann legt das Vorherrschen des bestimmten Artikels im A u f t a k t die Vermutung nahe, daß dessen Aufkommen an der Entstehung dieses Typs schuld ist. Als sein Gebrauch im Altsächs. allgemeiner wurde, kann seine Einsetzung in den lebenden älteren Liedern an den Stellen, wo er fehlte, nun aber kaum noch fehlen durfte, zur Entstehung des Verstyps that uuiti uuas thö ägangart geführt haben, und nach ihm können dann die selteneren Typen mit anderen Satzteilpartikeln im A u f t a k t gebildet sein. Im folgenden Verse habe ich das Verb als Kopula gerechnet, weil es kaum eine andere Funktion hat: 675 thea m i n stödun girouua.

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WORTSTELLUNG UND -BETONUNG IM ALTGERM.

[18-19]

In 3 Fällen, in denen Satzpartikeln in der zweiten Senkung nach nicht senkungsfähigem Wort in der ersten Hebung stehen, steht auch im Auftakt eine Satzpartikel (2mal außerdem eine Satzteilpartikel), immer eine Konjunktion. Dies wären die ersten wirklichen Verstöße gegen die Regel, daß die Satzpartikeln nicht auf beide möglichen Senkungen verteilt sein | dürfen, stände nicht auch hier in der inneren Senkung die Kopula vor dem Prädikatsnomen oder ein Hilfsverb vor dem infiniten Verb (jedoch lmal ein Pronomen zwischen ihnen): 3078 4724 5625

endi hellie sind imu