Kleine Schriften: Band 1 9783110605327, 9783110603743

This volume compiles lectures, essays, and articles by Manfred Baum (many of them difficult to find or entirely unpublis

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Kleine Schriften: Band 1
 9783110605327, 9783110603743

Table of contents :
Inhalt
Vorbemerkung
Danksagung
Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason
Erkennen und Machen in der Kritik der reinen Vernunft
The B-Deduction and the Refutation of Idealism
Kant on Cosmological Apperception
Der Aufbau der Deduktion der Kategorien
Kritik (1990)
Subjektivität, Allgemeingültigkeit und Apriorität des Geschmacksurteils bei Kant
Dinge an sich und Raum bei Kant
Kant on Pure Intuition
Metaphysik und Kritik in Kants theoretischer Philosophie
Kants kritischer Rationalismus
Kant über mathematische Naturerkenntnis
Über die Kategoriendeduktion in der 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft
Kants Raumargumente und die Begründung des transzendentalen Idealismus
Systemform und Selbsterkenntnis der Vernunft bei Kant
Warum Kant? (2001)
Platon und die Kritische Philosophie
Objects and Objectivity in Kant’s First Critique
Ontologie und Transzendentalphilosophie bei Kant
Kant on Teleological Thinking and its Failures
Metaphysik
Bemerkungen über den Skeptizismus bei Kant und Schulze
Die Möglichkeit der Erfahrung und die analytische Methode bei Reinhold
Die Möglichkeit der Erfahrung bei Maimon und Schulze
Kants „Möglichkeit der Erfahrung“
Nachweise
Personenregister

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Manfred Baum Kleine Schriften 1

Manfred Baum

Kleine Schriften 1

Arbeiten zur theoretischen Philosophie Kants Herausgegeben von Marion Heinz

ISBN 978-3-11-060374-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-060532-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-060389-7 Library of Congress Control Number: 2019936956 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Vorbemerkung Danksagung

VII IX 1

Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason () Erkennen und Machen in der Kritik der reinen Vernunft () The B-Deduction and the Refutation of Idealism ()

41

61

Kant on Cosmological Apperception () Der Aufbau der Deduktion der Kategorien () Kritik ()

25

71

83

Subjektivität, Allgemeingültigkeit und Apriorität des Geschmacksurteils bei Kant () 105 Dinge an sich und Raum bei Kant () Kant on Pure Intuition ()

123

133

Metaphysik und Kritik in Kants theoretischer Philosophie () Kants kritischer Rationalismus ()

147

167

Kant über mathematische Naturerkenntnis ()

181

Über die Kategoriendeduktion in der . Auflage der Kritik der reinen Vernunft 191 () Kants Raumargumente und die Begründung des transzendentalen Idealismus () 209 Systemform und Selbsterkenntnis der Vernunft bei Kant ()

227

VI

Inhalt

Warum Kant? ()

241

Platon und die Kritische Philosophie ()

255

Objects and Objectivity in Kant’s First Critique ()

269 289

Ontologie und Transzendentalphilosophie bei Kant () Kant on Teleological Thinking and its Failures () Metaphysik ()

305

323 341

Bemerkungen über den Skeptizismus bei Kant und Schulze ()

Die Möglichkeit der Erfahrung und die analytische Methode bei Reinhold () 357 Die Möglichkeit der Erfahrung bei Maimon und Schulze () Kants „Möglichkeit der Erfahrung“ () Nachweise

403

Personenregister

405

385

371

Vorbemerkung Kant hat seine Philosophie die „kritische Philosophie“ genannt und sich damit selbst in den Kontext der Aufklärung gestellt, die für ihn „das eigentliche Zeitalter der Kritik“ war. Über die Vorurteilskritik hinaus sollte seine Philosophie auch eine Kritik der Religion und der Gesetzgebung begründen, und zwar nach dem Maßstab der reinen Vernunft, die ihrerseits von ihm zum Gegenstand einer strengen Selbstkritik gemacht wurde. Diese Kritik der dem Menschen nach Kant unverzichtbaren Metaphysik ist unter Schlagworten wie „transzendentaler Idealismus“ und „kopernikanische Wende“ berühmt geworden und hat u. a. in der Philosophie des sog. deutschen Idealismus und des Neukantianismus ihre Spuren hinterlassen. Obwohl Kant seine auf Vernunftkritik gegründete und mehrfach angekündigte „Metaphysik der Natur“ nie geschrieben, wohl aber seine Moralphilosophie in einer „Metaphysik der Sitten“ vollendet hat, ist es vor allem seine „Revolution der Denkart“, auch im Bereich der allgemeinen Logik und der Ästhetik, durch die er das philosophische Denken bis heute bewegt. Kants Schriften waren immer umstritten. Der von ihm „dogmatisch“ genannte Empirismus und Rationalismus seiner Zeit haben sich entschieden seiner revolutionären Kritik widersetzt und es an Versuchen der Widerlegung seiner Behauptungen nicht fehlen lassen. Die Philosophie des 19. Jahrhunderts zeigt, dass der von Kant bekämpfte Rationalismus, Empirismus und Skeptizismus der vorkritischen Philosophie so erfolgreich waren, dass Kants kritische Errungenschaften entweder kein Gehör fanden oder wieder in Vergessenheit gerieten. Gleichwohl gilt Kant heute, in Anbetracht der weltweiten Rezeption und Diskussion seiner Schriften und ihrer Rolle in der akademischen Lehre, als jemand, den es nach ihm selbst gar nicht gibt, als ein klassischer Autor der Philosophie. Man kann Kants Philosophie als kritischen Rationalismus bezeichnen. Der damit verknüpfte Formalismus der theoretischen und praktischen Vernunfterkenntnisse a priori und die dazu komplementären Lehren von der reinen Anschauung und dem Faktum der reinen Vernunft sind ebenso wie seine strikte Unterscheidung von Anschauung und Begriff, von Erkennen und Denken und schließlich die in seiner Philosophie eine zentrale Rolle spielenden synthetischen Urteile a priori vielfach ignorierte oder bestrittene Innovationen Kants, die zu seiner Zeit und noch heute schon dem bloßen Verständnis seiner Texte im Wege stehen. Die hier erneut publizierten ausgewählten Forschungsergebnisse beruhen auf einer genauen Interpretation von Texten Kants, die sich an deren Buchstaben orientiert, um den Geist der Kritik und die Originalität dieses Denkens herauszustellen. Es handelt sich insgesamt um Gelegenheitsarbeiten, die ihre Entstehttps://doi.org/10.1515/9783110605327-001

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Vorbemerkung

hung jeweils verschiedenen Anlässen verdanken. Deshalb enthält der Band unvermeidlich Überschneidungen. Das einigende Band dieser disjecta membra ist die Absicht des Verfassers, die Bedeutung einer Philosophie sichtbar zu machen, von der man auch nach 200 Jahren nicht sagen kann, dass sie hinreichend verstanden sei. Manfred Baum

Wuppertal, im Januar 2019

Danksagung Der vorliegende Band mit den kleineren Schriften Manfred Baums zur theoretischen Philosophie Kants ist der erste von drei Bänden mit seinen Aufsätzen und Artikeln zur Geschichte der Philosophie. Der zweite Band wird Arbeiten zur praktischen Philosophie Kants enthalten, der dritte wird – mit wenigen Ausnahmen – diejenigen zur Philosophie des 19. Jahrhunderts mit Hegel als Schwerpunkt präsentieren. Die hier versammelten Texte wurden durchgesehen, hinsichtlich offensichtlicher Fehler stillschweigend korrigiert und nur geringfügig – hinsichtlich der Zitierweise der Werke Kants nach den Regeln der Kant-Studien – vereinheitlicht. Frau Dr. Violetta Stolz ist für ihre zuverlässige Unterstützung bei diesen Arbeiten herzlich zu danken. Dank verdient auch die großzügige und kompetente Unterstützung von Frau Dr. Serena Pirrotta und Tim Vogel, ohne die dieses Projekt nicht zu realisieren gewesen wäre. Marion Heinz

https://doi.org/10.1515/9783110605327-002

Siegen, im Januar 2019

Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason I The Weaknesses of Transcendental Arguments It is one of the effects caused by the critical philosophy, that metaphysics qua ontology and qua ‘metaphysica specialis’ has suffered discredit. Even the metaphysical systems of ‘German Idealism’ are, according to how they were understood by their authors, rooted in Kant’s insight, that ‘dogmatic’ metaphysics is impossible. When, in Germany around the end of the 19th century, neo-Kantianism arose, the essence of Kant’s critical philosophy was supposed to be its intrinsic connection with the natural sciences, especially Newtonian physics. The Critique of Pure Reason no longer found any interest as a systematic critique of all possible attempts to know the suprasensible, or as an attempt to rescue freedom of the will, which was seen as indispensible to morals. It was taken even less seriously as a destruction of a deductive ontology of the type of Christian Wolff. The effect of the first critique was so overwhelming that it has almost become commonplace to see the foundation of everyday or scientific experience as the proper task of theoretical philosophy. Had not Kant taught that all (theoretical) knowledge lies within the limits of actual or possible experience and that our concepts, including the mathematical ones, could not possibly have any sense and meaning, if the range of possible experience was left behind? He seemed to anticipate with this the fundamental thesis of Vienna Circle positivism, which was that every nonanalytic sentence which cannot be verified or falsified by experience is simply without significance. But, since, in this reading, Kant had linked the fate of his theoretical philosophy with the fate of Newtonian physics, it did have the merit of being scientific. But after Frege and Russell undertook to establish mathematics as a part of logic, and thereby as a purely analytic theory, and after Einstein overthrew Newtonian physics, the first Critique seemed to have become hopelessly obsolete. So to the analyst of the Critique of Pure Reason there seems to be left the unfortunate choice between an uninteresting critique of metaphysics and an interesting but out of date philosophy of science.

I use the Kemp Smith translation of the first Critique with some modifications where it seems suitable. https://doi.org/10.1515/9783110605327-003

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Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason

Yet, since the appearance of Strawsons Individuals ¹ there is, it would seem, a third possibility of understanding the Critique, namely, to read it as an essay in descriptive metaphysics which is intended as a description of the actual structure of our thought about the world, i. e. of the conceptual scheme which is the foundation of all human experience and is not changed by history. In reading the Critique as an essay in descriptive metaphysics the danger dissolves that philosophy might become the ‘owl of Minerva’ of the empirical sciences in their historical development. In using this expression, Max Scheler in 1900² criticized the neo-Kantian way of understanding Kant even before Einstein’s Theory of Relativity appeared, that is, before dusk had fallen over Newtonian mechanics. Thus, Strawson is justified against a (neo-Kantian) interpretation as given by (Collingwood and) Körner when he opposes³ taking the principles of the pure understanding which are proven by Kant in his Critique merely as the presuppositions of the Newtonian physics of his time, which have to be replaced (according to Korner) by other principles. If Korner were right, then we would have to assume that it was Kant’s aim only to discover the fundamental conceptual framework of his epoch, within which the scientists of that epoch had posited their problems and formulated their solutions. Such conceptual frameworks were never directly refuted, but rather silently abandoned as science progressed. But this would mean that Kant had not at all sought and found the universally necessary conditions of the possibility of any experience of objects. This interpretation flatly contradicts all that Kant had said about his aims and his achievements. The “merely historical view” (p. 121) is by no means an interpretation of Kant’s theory of knowledge, but rather its refutation. Even if Kant had succeeded in getting to the metaphysical first principles of Newtonian natural science, his effort would have failed to lay down the principles of any future metaphysics that could be counted as science. So far Strawson is certainly right.⁴ But it can be shown that an objection raised by Korner⁵ against Kant’s alleged transcendental method is, in fact, valid against transcendental arguments in Strawson’s sense. There is the difficulty that Strawson never mentions ‘transcendental arguments’ in his book on Kant. His understanding of this phrase, therefore, must be gathered from his book Individuals. There, he gives us an ex-

 P. F. Strawson, Individuals, London 1959.  M. Scheler, Die transzendentale und die psychologische Methode [The Transcendental and the Psychological Method], Leipzig 1900, pp. 56 f.  The Bounds of Sense, London 1966, pp. 118 ff.  But cf. Bounds, pp. 23 and 28 where the intention here criticized is attributed to Kant himself.  ‘The Impossibility of Transcendental Deductions’, in: Kant – Studies Today (ed. by L. W. Beck), La Salle, Ill., 1969, pp. 230 – 244.

Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason

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ample of a transcendental argument: “Given a certain general feature of the conceptual scheme of particular-identification which we have, it follows that material bodies must be the basic particulars.” (p. 40) It is not quite simple to say what is transcendental in this argument. I take it as follows: You can say what the fundamental objects (of our experience) are, if they must fulfill the conditions under which alone the identification of an object is possible for us (namely, a certain conceptual scheme). But the decisive statement is yet to come. According to Strawson it is not the case that, on the one hand, a certain problem with the identification of objects is posited by a conceptual scheme, whereas, on the other hand, certain material objects make the solution of the problem possible (by fulfilling the conditions for the identification of possible objects). But, Strawson says, “it is only because the solution is possible that the problem exists. So with all transcendental arguments” (p. 40). This must mean that it is only because we have always been capable of identifying material objects that an investigation of the conditions under which we can do this (viz. of a certain conceptual scheme) is possible. If we keep this in mind while reading Strawson’s book on Kant and look there for a parallel line of thought, we find it for instance in his description of a “transcendental investigation” (p. 18). Its object is “the conceptual structure which is presupposed in all empirical inquiry”, or in other words, it is a ‘theory of experience’ in the sense that it discusses the conditions of any possible experience by an a priori method (p. 18). In his ‘General Review’ of the first Critique, Strawson discusses ‘synthesis’ as the fundamental concept of the deduction of the categories. He rejects this concept because it and its correlate, belief in disconnected data of sense as materials for the process of synthesis to work on, belong to an idealistic explanatory model of knowledge, i. e. to a ‘transcendental psychology’, that cannot claim to be true. For if unconnected sense data and synthesis are antecedent conditions of empirical knowledge, they cannot be empirically known themselves. For a reconstruction of the deduction of the categories there remains, therefore, only one way by which it can be shown to be a viable argument; that is, by taking the deduction as an analysis of the concept of experience in general, by which it can be shown “that a certain objectivity and a certain unity are necessary conditions of the possibility of experience” (p. 31 f). This argument is a “strictly analytical argument” (p. 32, cf. p. 73).⁶  Strawson wants to get to the necessary conditions of experience by an analysis of the concept of experience. All definientia contained in the concept of experience are necessary to the possibility of experience. But by finding the characters of the concept of experience the possibility of experience itself can never be established. If, on the other hand, by the conditions the reasons are meant which make experience possible, these reasons can only be sufficient or insufficient.

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Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason

From these few remarks on Strawson’s approach it is clear in what sense Kant’s argumentation is a ‘transcendental argument’: (1) Strawson thinks it is necessary to reconstruct the Kantian theory of the conditions of any possible experience as an argument that is analytical, because it first assumes the concept of experience in general and then asks what makes it possible. (2) That experience is possible is something that follows from the (self-evident and therefore unmentioned) fact, that it exists, and this is seemingly something which is itself empirically known in contradistinction to the two antecedent factors mentioned above, which are supposed to render experience possible. Taken together, the two assumptions mean that the problem of the identification of certain objects of experience by means of a certain conceptual scheme is always already solved. These two presuppositions of Strawson’s interpretation of Kant are shared by Körner. It is therefore not unfair to present his objection to transcendental arguments briefly, even without going into a further discussion of Strawson’s interpretation. But Körner’s objection is directed against Kant himself; therefore, he speaks of ‘transcendental deductions’ and not of ‘transcendental arguments’. His objection is very simple: if the categories, or the principles derived from them, are not only the sufficient, but also the necessary, conditions of the possibility of experience, not only their aptness for explaining experience, but also the uniqueness of the conceptual scheme that enjoys this aptness, has to be demonstrated. If in a transcendental deduction it is only shown that experience is possible via the categories or the principles and how it is possible, it is not at the same time demonstrated that only via these categories and principles the possibility of experience can be established. Other categories and principles could do the job as well. This objection against ‘transcendental deductions’ as understood by Körner⁷ is, in fact, sound and valid, among others, against Strawson’s ‘transcendental arguments’. For there is no difference in your method, whether you take, as a given fact that has to be explained, Euclidean geometry, Newtonian physics or everyday experience, and find out analytically their conditions in the categories and the principles. What must be objected to in transcendental arguments in general is not that they are transcendental, but that they are analytical. And that Kant’s method, at least in so far as it has a certain plausibility, is analytic is something that both Korner and Strawson believe. For the explanation of the possibility of experience among other things the synthesis rejected by Strawson is necessary.  Eva Schaper has criticized Körner convincingly. Her arguments partially agree with what is said here in Section III. Cf. E. Schaper, ‘Arguing Transcendentally’, in: Kant-Studien 63 (1972), 101– 116.

Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason

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It is true Kant uses the analytic method in the Prolegomena. Here he asks: How is mathematics possible? How is pure natural science possible? How is nature possible? This last question is taken to be synonymous with the question: How is experience possible? In so asking, Kant follows the analytic or rather regressive method, which is described in the same work: “Analytic method […] only means, that you proceed from that which is sought – taking it as given, and ascend to the conditions under which it is exclusively possible.” (Prol, AA 04: 276 n). All the above-mentioned questions are directed towards the conditions of the possibility of something that is assumed as a given fact, namely, mathematics, physics, experience. Of course this is not to say that the Critique is not in any way a search for insight into the possibility of science and experience, but rather presupposes it as a fact. But it is only to say that the presentation of the results of the Critique in the Prolegomena, for didactic reasons, takes its point of departure from these results, which are established in the Critique by the synthetic (progressive) method. The Prolegomena proceeds this way in order to make as clear as possible the relevance of the results achieved by the synthetic method for science and experience. One of Kant’s purposes in the Prolegomena was to set his theory off as clearly as possible from Berkeley’s idealism. Berkeley had cast into serious doubt important fields of mathematics, as well as the application of mathematics in the cognition of nature and even the possibility of material nature itself. Therefore, Kant insists on those aspects of his own theory which are diametrically opposed to Berkeley’s. And this way of presenting his philosophy can be found in the Critique itself, for Kant incorporated some passages from the Prolegomena into the introduction of the second edition of the Critique. Thus, it can be explained why this understanding of Kant’s method is so widely accepted. Moreover, parts of the proof of the principles are, in fact, analytic and proceed by reasoning back to the conditions of the possibility of experience, as will be shown in Section III. This may be sufficient to explain why the characteristics of the Kantian argumentation were taken to be ‘transcendental arguments’. The weaknesses of transcendental arguments are the weaknesses of the analytic method. This method, stemming from Greek mathematics, which has been discussed since the days of Plato and Aristotle, and described in detail in a much commented passage in Pappus,⁸ assumes as given a certain proposition and inquires into the premisses from which it follows. Now, it is clear that by thus reasoning back to the reasons for the truth of a proposition (1) you can get to more

 Cf. J. Hintikka and U. Remes, The Method of Analysis. Its Geometrical Origin and its General Significance, Dordrecht 1974, and the literature there indicated.

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Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason

than one reason, i. e. you can arrive at more than one sufficient condition (proposition), from which the assumed proposition may follow (vide Körner). (2) None of these sufficient conditions must be true, because its corrollary is true (ex falso quodlibet). From this it follows that by the analytic method, the truth of the assumed proposition can never be demonstrated, except in those cases where the truth of the premisses has already been known. Therefore, the truth of the premisses does not depend on their establishing true propositions, but has to be presupposed for this. If the truth of the premisses has not been established elsewhere they can only be considered as hypotheses. Applied to Kant’s argumentation, this would mean that, among others, the causal law had only the status of a hypothesis, which could account for the possibility of experience but need not be true for that reason.⁹ (3) Finally, Kant would have formulated a mere tautology¹⁰ if the principles could claim to be valid merely as something that could explain the presupposed experience. The reason for the validity of a condition of the possibility of experience would then be, that it was a condition of the possibility of experience. If experience is rendered possible by something that can claim to be valid only as a condition of the possibility of experience, then possible experience obviously rests ultimately on this, that it is possible. Because Kant knew this peculiarity of the analytic method he never used transcendental arguments in the Critique. Therefore, if he was not the author of a descriptive metaphysic or any other theory of experience, including a metaphysic of experience, the Critique of Pure Reason has to be taken the same way as its author has taken it: as a “metaphysic of metaphysics” (Br, AA 10: 269.32– 33). In what follows, I try to show that there is a theory of experience inherent in the Critique of Pure Reason, but that one can only understand it adequately if it is taken as an answer to the question of the possibility of metaphysics, or more precisely of ontology. In the effort of answering this question, transcendental proofs are needed. They are meant to establish transcendental knowledge. The possibility of experience for Kant depends on such quasiontological knowledge.

II Transcentental Proofs as a Task of Ontology For Kant, transcendental propositions have, or require, transcendental proofs if they are to be considered as true. Before distinguishing different sorts of tran This objection was raised by E. Adickes in: Die deutsche Philosophie in Selbstdarstellungen [The German Philosophy in Self-Descriptions], Leipzig 1921, vol. 2, p. 10.  This is F. A. Lange’s objection in: Geschichte des Materialismus [History of Materialism], Leipzig 71902, vol. II, p. 131.

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scendental argumentation and deduction, and discussing their mutual relations, we need a preliminary explanation of the concept of the ‘transcendental’ and the peculiarities of transcendental proofs in general. In a sense, transcendental philosophy is not different from ontology, i. e. the philosophical theory of the most universal predicates of things in general. This use of the term ‘transcendental philosophy’, which depends on the traditional meaning of transcendental, is present when Kant says that it treats the understanding (and reason) themselves “in a system of concepts and principles which relate to objects in general without assuming objects that may be given” (B 873). Such a system is ‘Ontologia’ (ibid.). What is said here of transcendental philosophy – namely that it treats only of the understanding itself in its operations, i. e. independent of the objects that are given or not given to it – is a consequence of the fact that the understanding in its transcendental concepts and principles refers universally to objects in general, that is, to all possible objects. More precisely, the understanding treats these possible objects only in so far as they are possible, or in their possibility. Now, it belongs to the concept and essence and thereby to the possibility of any object in general to be an object of knowledge or at least of thought. Therefore, a universal theory of possible objects in general, an ontology, has to treat understanding as a faculty of knowledge and thought. For it is the understanding itself, with its operations, that is the only thing common to all possible objects whatever their conceivable differences may be. A system of the concepts and principles of the pure understanding is therefore at the same time a system of ontology, or rather: it would be, if the pure understanding alone sufficed for knowledge of an object. Since this is not so, the plan for an ontology is a mere presumption. Of things in general, without taking into account their possible givenness in a (with us necessarily sensible) intuition, nonanalytic apriori propositions such as e. g. the principle of causality cannot be shown to be true. Therefore, the ‘proud name’ of an ontology has to be given up in favour of the more modest name ‘analytic of the pure understanding’, This analytic takes over the task of transcendental philosophy. Nevertheless, the former, but now problematic, sense of ‘transcendental’ (= ‘ontological’) remains valid. The ontological predicates (categories) are now concepts of the pure understanding and yield ‘transcendental’ principles, i. e. principles “by which [a] general condition apriori is represented, by which it is exclusively possible that things may become objects of our knowledge in general” (KU, AA 05: 181.15 – 17). In order to find the necessary apriori conditions, under which there can be any ‘object of our knowledge’ at all (besides an analysis of [sensible] intuition as a condition, under which an object can be given to us) there is needed an analysis of our understanding as a faculty of knowledge that is insufficient if taken by itself. With regard to this sort of self-knowledge, the

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much quoted sentence appears, according to which that knowledge is transcendental “which is occupied not so much with objects as with the mode of our knowledge of objects in general,¹¹ in so far as this mode of knowledge is to be possible apriori” (B 25). Pure intuitions and pure concepts as the two apriori modes of knowledge that each require the other are the themes of a transcendental philosophy. Together they could yield us the most universal knowledge not of things in general, but of things in general that can be given to us and known by us. One element of this transcendental knowledge that has to be established by transcendental proofs is the causal law. It is a peculiarity of transcendental proofs that there can be only one proof for every transcendental proposition. This follows from the fact that transcendental propositions cannot be founded on pure or empirical intuition of objects, but, if true, must be shown to be true simply by means of concepts of objects (without being analytic). A transcendental principle, such as the causal law, is such a synthetic proposition in which a totality of subjects is represented by a concept (‘everything that happens’) and of which something is predicated (‘has a cause’). This is a universal (affirmative, categorical) and apodeictic proposition. Since the proposition is universal, the subject-concept cannot express differences between events. There is only one concept to represent them. And since the proposition is strictly universal, and permits no possible exception, it expresses, although it is synthetic, something that belongs to the concept of an event. Every event has, as such, a cause, or it belongs to the essence of an event to have a cause: this is what the proposition wants to say as a transcendental proposition. Since essence means nothing else but the ‘internal possibility’ of a thing, one can also say it belongs to the conditions which together make an event possible that it has a cause. All this follows from the proposition’s being a transcendental proposition, i. e. a proposition which universally asserts something essential of its object. Or rather, as Kant puts it: “In the case of transcendental propositions […] we always start from one concept only, and assert the synthetic condition of the possibility of the object in accordance with this concept” (B 815). In our example, the one concept is the concept ‘event’ and the object which is determined in accordance with this concept (i. e. in its essence) is the event itself. In the predication ‘every event is caused’ an assertion is made about an object represented by the subject-concept, and the predicate-concept ‘caused’ or ‘effected’ does not contain a contingent property but something that belongs to the essence of the thing, ‘event’. That is to say, the object as the thing that is represented by its concept (‘event’) would not be possible if it

 I accept Mellin’s conjecture here.

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were not caused. But this is not to say that it could be known by an analysis of the meaning of the concept ‘event’ that every event has a cause. For then the proposition would be analytic and would not need a proof, and therefore not a transcendental proof. The predicate indicates the condition of the possibility not of the concept ‘event’, but of events as such (‘in accordance with’ their concept). The predicate in the proposition is added to the subject-concept synthetically without being a contingent determination of the object ‘event’. In other words, it is part not of the definition of the concept, but of the real essence of an event, to have a cause. It is included now in the concept of events to be a species of objects. If it can be shown that it belongs to the objectivity of the object ‘event’ to have a cause, any condition of the possibility of this object belongs to the essence of events, although it cannot be found in their specific concept. But by this consideration the proposition ‘Every event has a cause’ seems to become analytic again. For if it were part of the concept of the object in general to have a cause, the causal law as a proposition about a certain species of objects would be analytic. The concept of a cause (or of being caused), however, is neither contained in the concept of an event nor in that of an object. As we shall see, it can be shown to be a condition under which alone there is something objective for our knowledge corresponding to the concept of an event. Thus, the causal law as a synthetic (nonanalytic) proposition says something about the condition of the possibility of objects that can be known by us according to a certain concept, namely. according to that of events. This proposition which is transcendental in the indicated sense can only be shown to be true in an adequate way if we succeed in demonstrating it as (the only) condition of the possibility of certain objects as objects that can be known by us. The events of which the causal law is universally valid are empirically given changes of states of substances which can be met with in time. The perception of these events cannot by itself make legitimate the use of the category of causality, but can, at most, correspond to it. But if there is a transcendental proof for the causal law there must be a necessary connection between events as such and the concept of causality, by means of a third thing. More precisely, the being-caused of events must be the reason for the objectivity of events. But this connection can only be seen to hold by means of a third thing, because the law is a synthetic proposition. Events are, by their concept, thought of as a species of objects or as something objective. But it is not a tautology and therefore not an analytic but a synthetic necessity that they should have the objectivity for our knowledge that is contained in their concepts. It could always be the case that there were no objects at all that would correspond to the concept of an event, understood as an objective succession of states of substances.

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Kant always insists on the empirical character of the relation of perceptions which corresponds to the category. The principles anticipate experience, but only as far as its form is concerned. They are only the principles of investigation and not in themselves already determinate knowledge of the objects of experience. For the categories (which are the predicates of the principles) are only “indeterminate concepts of the synthesis of possible sensations” (B 751). For the causal law¹² this means that it is a principle of the synthesis of possible empirical intuitions, under the guidance of which that which corresponds to the category of cause must be searched for. This is “the real upon which, whenever posited arbitrarily, something else always follows” (B 183). The ‘something else’ is the effected event, the cause of which I can determine, in the way just indicated, by an experiment. There seems to be a contradiction between the transcendental character of the principles and the assertion that they (including the causal law) refer to possible experience in which alone that connection of perceptions can be found, which corresponds to the category in the realm of the object. Especially, the third thing that is to make the proof of a synthetic a priori proposition (e. g. the causal law) possible, seems to be quite unsuitable to its task, if it is to lie on the level of experience. This third thing must both, according to what has been said thus far, somehow lie within experience as well as be something nonempirical. It is the “possible experience” (B 794) or rather the “possibility of experience” (B 264) or even more precisely the “condition of time-determination in an experience” (B 761, cf. B 264). A proof of (among other principles) the causal law becomes possible by this third thing. Thus, the proposition “everything that happens, that is, begins to be, presupposes something upon which if follows according to a rule” (A 189) can only be proven of objects of experience as such, and in their being able to be experienced. And this possibility of experience which is, among others, expressed by the causal law, is something that precedes not only every determinate experience, but also all possible objects of experience as a condition of their possibility. For objects that can only be objects for me in a possible experience necessarily underlie the conditions under which this experience is possible. Therefore, if the causal law is one of these conditions it is as an element of synthetic a priori knowledge not only possible, but even necessary (B 151). When, in fact, something as object of possible experience is presupposed, the causal law is an apodeictic proposition if only it can be shown that it is a condition of the possibility of experience.

 I owe the awareness of the significance of the experimental method for the proof of the second analogy and of the details of its structure to Prof. Klaus Reich.

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Kant once said that it is (in a way which will be made clear in Section III) a condition of the possibility of experience by stating that it makes possible the very thing by which it can be proven itself, namely experience. Kant says of the causal principle that it has the peculiar character “that it makes possible the very experience which is its own ground of proof and that in this experience it must always itself be presupposed” (B 765). This statement has long since been evaluated as the admission of a circle in the proof of this proposition (and as a document of the triumph of empiricism over apriorism). For if a proposition originally makes possible that by which it is to be proven, it seems to make itself possible or it seems necessary to presuppose it in its own proof. But the statement only says that the ‘ground of proof’ of the causal law is experience in some sense, or rather that it can be established as something valid of all real events, if it is established as a condition of the possibility of the experience of these events, and that is: not independent of the quality of being (possibly) experienced. In other words, it can be demonstrated as a presupposition of a determinate kind of experience, or it cannot be demonstrated at all. And this is to say that you have to proceed in its proof from the presupposition that experience in general is possible and then only show how a determinate experience is only possible by this principle. While this determinate experience is rendered possible by it, the proposition itself can only be proven with the presupposition that experience in general is possible. Thus, it is not true that the causal law renders experience possible while experience in its turn renders the causal law possible. Rather, it establishes the possibility of a certain experience (that of events) and thereby of its possible objects, but it is in itself only provable under the general presupposition (which must be true quite independently of this relation) that experience in general is possible. The point at issue now is, whether this latter possibility is given, and why. If the reason for experience’s being possible consists in its being actual, then there is in fact a circle¹³ here. For if the experience of events is something, the possibility of which I know only from its actuality or a posteriori, and if I recognize the universal causal law only as one of the presuppositions involved in it, its truth

 J. Ebbinghaus was the first, to my knowledge, to have shown the untenability of the charge of a circle in Kant’s proofs. Ebbinghaus’ refutation of this reading of Kant’s theory of knowledge is based on the relative necessity of the possibility of experience. Cf. his Gesammelte Aufsätze, Vorträge und Reden [Collected Papers, Lectures and Addresses], Darmstadt 1968, esp. p. 103. For a recent version of the criticized reading cf. Patricia A. Crawford: ‘Kant’s Theory of Philosophical Proof’, Kant-Studien 53 (1961/62), 257– 268. On p. 262 the author says: “We know from the fact that the experience is actual that it is possible. The experience being presupposed the transcendental principle is certain.”

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rests only on the particular cases for which it is valid. But these could only be considered as cases, if the principle could be shown to be true independent of them. Otherwise the circle would indeed be present: experience established the very thing by which it is established itself. In so arguing, the impossibility is assumed that a (according to Kant) strictly universal and apodeictic proposition is proven empirically. But, as we shall see, Kant asserts the possibility of experience quite independently of any particular actual experience. Thus, experience is not possible because we actually have experiences, but rather because it can be shown that the possibility of experience is necessary for reasons which are quite independent of the function of this presupposition in the proof of the causal law. Thus, the causal law establishes experience only in the sense that it is, in accordance with it, necessarily possible to find a cause for any given event. This cause cannot be determined by the causal law itself, but only by experience. Here the causal law establishes in a one-sided fashion, the possibility of finding out empirically certain causes, while it is in no way established or refuted by finding or not finding certain causes.

III Three Kinds of Transcendental Proof After the general exposition of the specific characteristics of transcendental proofs, we will now try to find out how this scheme works when applied to the problems of the analogies of experience, the transcendental deduction of the categories and the transcendental aesthetic. I am taking them in this order because the proof of the analogies can be shown to rest on the deduction which, in turn, presupposes doctrines of the aesthetic. So not only the differences can be made clear between the three kinds of transcendental proof but also their systematic interconnection. (a) As an example of the analogies I have chosen the second, in which it is proven that all events (which are only changes of states of a substance) happen according to the causal law, i. e. the transition from the state A to the state B of a substance and the state B itself are always the effects of some cause. The proof runs as follows: First, it is shown by an analysis of the perception of a succession of appearances what it means to perceive an event. In this, the perceiver is conscious of the states A and B one after the other and connects the representation of A with the representation of B, which are both empirically given. But this combination as a connection of the contents of my consciousness depends on my imagination and therefore is arbitrary in so far as the position of the representations in time is concerned. When I represent A and when B or

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rather at what time I am conscious of these representations (that is whether A before B or B before A) is left open when they are taken merely as representations which are the content of my inner sense and its form, time. This follows from the nonperceptibility of time itself as an empty form of succession. It is impossible to decide empirically by a comparison of the perceptions A and B with determinate positions in time which one is the earlier one and which one is the later one. Thus it is up to me which I represent as the earlier and which as the later one. As far as the connection of two representations in empirical consciousness (necessary to every perception of events) is concerned, that is, as far as inner sense and its form, time, is concerned, there is no possibility of knowing the relation of the states which correspond to the representations empirically. Therefore, so far the objective relation of the appearances (i. e. properties of objects) of which the event consists cannot be known. By mere perception, experience of (objective) events is not possible. The second step of the proof consists in showing that empirical knowledge of an objective event is only possible, if one presupposes that the relation of the two states is so determined as to make it necessary to posit A before or after B. That is, the succession of my representations (or at least their order of dependency) is only then not left to my choice but determined by an object (objects), if it is determined which is the preceding one and which the (necessarily) following one, i. e. which one is the effect of a cause. So, only if the time-relation of the states is taken to be determined by the relation of cause and effect (i. e. by the concept of causality) can I know objective events empirically. The third part of the proof draws consequences from the unknowability of events by mere perception and from the requirement of a concept of the necessary connectedness of the appearances in order that there be an objective event for me. Here it is asserted that “only in so far as we subject the succession of appearances, and therefore all alteration, to the law of causality … experience itself – in other words, empirical knowledge of appearances – is … possible” (B 234). Therefore, all these objects of experience are only then possible, if that law or the concept of causal determination is valid for them as a consequence of that act of ‘subjection’. For this proof the assumption is made that there are objective events to be empirically known. The objective necessity of the concept of causality is only then established, when it has been shown that these objective events, presupposed in this proof, cannot exist, if they are not such necessary and universal connections of temporally succeeding things as they are supposed to be according to the concept of the causal relation. If this is so, the concept of causality is not only useful for knowledge of objects (events) but even indispensable for the objects (the events) themselves which are knowable by me. Of course, the proof

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is given under the precondition that it is possible to know objects (including events) by experience. In this, the insights are used (a) that what is a necessary condition of experience is also a necessary condition of the objects of experience, and (b) that perception is insufficient for empirical knowledge of events. But the conclusion that it is the concept of causality which makes possible the experience which is presupposed is valid only under the two additional presuppositions (i) that we can know objects which correspond to representations given to us successively (either as simultaneous or successive objects) and (ii) that the objectivity of these objects is possible only by the categories. A justification of the categories as necessary requirements of objective knowledge and therefore of the possibility of experience in general cannot be given in the proof of the second analogy. It is here legitimately presupposed, because it has been given in the deduction of the categories. The presupposition that objects corresponding in a determinate way to our successive representations can be known by experience is equivalent to the presupposition that the (schematized) categories have been shown to be objectively valid. The only aim of the proof of the second analogy is to show that under this general presupposition it is in this case the category of causality to which something must correspond in experience (or rather in perception), if a certain kind of object is to be known empirically. Certainly in the deduction of the categories it has been shown that the necessary harmony of the appearances with the categories rests on an activity of the understanding in its relation to inner sense. But thereby it is only shown that it must be somehow possible to find something corresponding to the categories of the understanding among the appearances. What corresponds to the category can only be a formal characteristic of the appearances and not simply an appearance. For all empirically given representations cannot as such be anticipated or even produced by the understanding. The one accomplishment of the understanding as a faculty of knowledge can therefore only be such as to prescribe a determinate form to the representations (the content of inner sense). That is, it can only prescribe the order of connection which must be taken by those representations that are to have objective significance. Therefore in the case of causality it is not possible that there be nothing (to be found in a possible experiment) corresponding to the concept of a cause; but what corresponds to this concept is not decided by the activity of the understanding and can only be decided by perception. That there must be some possible perception corresponding to the criterion (the schema) of the category of causality can be due to the activity of the understanding and it must rest on this activity, if it is true that possible experience is itself necessary. This again is shown in the deduction. So far the proof has been analytic and proceeded by a search for the conditions of a certain experience presupposed at the beginning of it. We now discuss

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those passages of the proof in which after a long and detailed analysis of the experience of events the proper ground of the proof is exposed. By this discussion, the proof’s dependence on the schematism chapter and on the deduction of the categories becomes obvious. This happens in the summary of the proof in the first edition (A 200 ff, B 245 ff: “That something happens […] of such experience.”). This summary follows the introduction of “a necessary law of our sensibility” (B 244) into the proof, and this law is also made use of in the abovementioned summary. This law of our sensibility states that time, which underlies all perceptions and their connections through me, has itself a formal characteristic: In the whole of time any subsequent time is necessarily determined by the preceding time. I get to a later time only through the one preceding it, because the later time itself is exclusively possible by the preceding one by which it even becomes necessary. That is to say, the parts of time as far as they represent an ordered succession are themselves a ‘pure image’ or a schema of the concept of the causality of a cause, the unschematized form of which is: something from which I can conclude something else in a determined way. The parts of time as far as they represent an ordered succession make the concept of a cause sensible and are for their part the condition for everything which appears to us as occurring in time. The “connection of times” (B 244) which consists in the fact that time “[in] a priori [fashion] determines the position of all its parts” (B 245) means for the appearances which can only be represented and known in accordance with it that among them the same order prevails that exists within time itself. But since this continuity of times and the appearances in them cannot be empirically known by a comparison of the perceived appearances with the (in itself unperceivable) “absolute” time (ebd.), as far as our experience and its objects are concerned it is not time that determines the position of the appearances in itself but, on the contrary, it is the appearances that determine not, it is true, time, but for one another their position in time: “that which follows or happens must follow in conformity with a universal rule upon that which was contained in the preceding state” (ebd.). The meaning of this is: Everything that happens has a cause or is effected by something upon which it necessarily follows. This argumentation is for itself sufficient to prove the causal law (synthetically). In it no (analytic or regressive) use is made of the de facto impossibility of a reversal in the series of our perceptions which follows from the assumed objectivity of a perceived event. But, on the contrary, in the above argumentation this irreversible order of appearances is based upon a formal characteristic of time itself which prescribes a law for the appearances. But this is, of course, not to say that there can be no temporally succeeding perceptions the sequence of which depends on our choice. It means, however, that only those perceptions are perceptions of an objective event that correspond to that formal characteris-

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tic of time. All other perceptions have only a subjective significance, whether they stand in a reversible order or are de facto associations of representations or whether they are uniformly repeating combinations of facts. The perceptions selected from the set of all combinations of perceptions according to that criterion of regulated succession are obviously not given by our thought nor by time itself. They must be found empirically. In this experience only that which “can always be found in the connection of perceptions in accordance with a rule” (ebd.) is regarded as an object. Now, that something of this kind, i. e. an object, must be found empirically which corresponds to the concept of causal connection, this presupposition of all experimental investigation of causes and effects is not true for the reason that otherwise I could not have an experience of events.¹⁴ But, on the contrary, there must be experiences of events, because otherwise the formal characteristic of time corresponding to the concept of causality, its order, would have no empirical equivalent among the appearances. But this is what time must have, if it is to be the “form of inner intuition” (ebd.) and thereby a fundamental condition of all perception. Under this precondition the causal connection of the appearances is a necessity holding for everything that can be empirically known as an event, although the regulated succession of the parts of time is not the empirical or perceivable condition of such an experience. The regulated succession of the parts of time is an a priori valid formal condition of all perception and of the objects that can be known by it (and certain additional means). But what occupies the a priori determined positions in time is only known by an empirical determination of the relation of the perceptions. Only that is cause or effect which can be found according to the method of performing an experiment that is contained in the causal law: “were I to posit the antecedent and the event were not to follow necessarily thereupon, I should have to regard the event¹⁵ as merely a subjective play of my fancy” (B 247). This sentence implies two notions: (1) That I must posit something to find out whether it is the cause of an event; this follows already from the criterion (schema) of the concept of the causality of a cause. This criterion is “the real upon which, whenever posited, something else always follows” (B 183, cf. B 268). (2) The all important idea is that an event is something objective in contradistinction to the merely subjective combinations of imagination or to the association of our perceptions only by being something that can be produced arbitrarily by its cause’s being posited. If I take something as an objective event I take it as some-

 In B 244 f the proof no longer proceeds by reasoning back to a condition, but by reference to insights of the chapters on the schematism and on the deduction of the categories.  Here Kemp Smith’s translation is incorrect.

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thing possibly producible by an experiment. This is a specific meaning of the universal proposition that reason “has insight only into that which it produces after a plan of its own” (B XIII, B XIV). Only by the concept of the relation of cause and effect is it possible to make a difference between objective connections of appearances and subjective combinations of our perceptions. Moreover, this concept must have an object or it is necessarily valid, because it is a concept by which a formal characteristic of time, its regulated (irreversible) succession, is conceived which is a condition of all appearances by being the form of inner intuition of the knowing subject. (In the deduction of the categories it is shown how time as a formal intuition is itself possible.) Therefore, all objects which are events in time stand a priori in relations of cause and effect. Empirical judgments about what the events are and what is the cause of their happening can only be true, because there must be causes and effects among the objects of empirical knowledge in general. So, the causal law is a transcendental proposition, because it predicates of one kind of objects, events, the condition not contained in their concept under which they can be objects of our knowledge. The proof of the causal law is a transcendental proof, because it contains nothing but the determination of an object in general which is to be an event in accordance with this concept. In order words, the ground of the proof is that the objectivity of events in our experience is only possible by their being causally determined. The cognition of an event has possible empirical truth, only since there must be an object in our experience which is adequate to the concept of an event. And this is a transcendental truth. (b) The deduction of the categories, too, is a transcendental proof. What is to be demonstrated in it is that there are necessarily objects which correspond to the categories. Since it has been established in the transcendental aesthetic that every intuition which is accessible to us is sensible, those objects can only be appearances and their knowledge can only be experience. Therefore, it is true to say that it is shown in the deduction of the categories that only the objects of experience can be known to correspond to the categories. Nevertheless, the deduction of the categories is only indirectly a deduction of the possibility of experience. The categories make possible only experience and no other knowledge of objects as a consequence of their specific claim to be a priori knowledge. That is to say they are such concepts which can be shown to be true of their objects either a priori or not at all. The propositions in which the categories function as predicates have, if any, a universal and necessary validity for their objects. If the only possible candidates for these objects are the objects of experience, the de-

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duction of the categories must prove that the objects of experience are possible, only if the categories are valid of them. The proof of the analogies of experience makes use of the concept of possible experience in quite a different manner from the deduction of the categories. In that proof it is shown that, for the empirical knowledge of certain objects, perception is insufficient and categories are therefore needed. This presupposes that such experience of certain objects is possible, and it is only asked which are the concepts (i. e. the conditions) by which it is possible, taking into account the insufficiency of perception for this task. In the deduction of the categories, on the other hand, it is shown that there are no conceivable objects to be known by us without the categories. (Categories are therefore objectively necessary for all our knowledge of objects.) That this knowledge is knowledge of appearances and therefore experience follows from the apriority of the categories and the knowledge derived from them, i. e. from their universal and necessary validity. By means of the categories I can anticipate experience; that is, the understanding can a priori prescribe the law to the objects of this experience. The deduction of the categories thus shows how the very possibility of experience is constituted a priori by the operations of the understanding (and of the forms of intuition, space and time). Of course, any particular experience is based on the general conditions of the possibility of experience. But this possibility of experience is, in the deduction of the categories, nothing the conditions of which are sought for. It is rather the answer to the question about the (synthetic) a priori knowledge that is possible for us.¹⁶ After what has been said about the relation of the proofs of the principles to the deduction of the categories it must now be shown why there are no objects of perceptions without the categories, the existence of which objects is presupposed in the second analogy (except the passage B 244 f). The deduction of the categories (and that of space and time) proceeds, it is true, by showing that they are the a priori conditions of the possibility of experience (B 126), but by this ambiguous formulation the deduction of the categories does not differ from the proof of the analogies. This difference becomes clear, if we realize that it is in the deduction that originally the objectivity of objects of experience in general is shown to be possible and even necessary for us. This means the same as showing why the categories are a priori valid, i. e. valid of empirical objects. For this it must be shown how the understanding is itself by means of its concepts the author of experience (B 127), so that experience is nothing merely assumed in order to reason back to its conditions (which are, among other

 Cf. Ebbinghaus 1.c. 98.

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things, the categories). Rather the possibility of the objective validity of the categories is demonstrated on its own account (ÜGTP, AA 08: 184.10 – 13). This demonstration proceeds by a syllogism from the definition of judgment and by recourse to the conditions of the formal intuitions of space and time (discussed in the ‘metaphysical expositions’), i. e. by referring to intellectual and ‘figurative’ synthesis. By this it is shown that the categories are not the accidentally sufficient, but the only (except for space and time) necessary (a priori) conditions of experience and its objects. In this investigation obviously not certain objects (e. g. events) of a certain experience but the objectivity of objects in general must be treated. If the categories are to be the indispensable conditions of this objectivity, it must be shown how they are necessary to the notion of an object of those of our representations (perceptions) by which something is directly given to us without the activity of the understanding, i. e. of the (sensible) intuitions. They are representations of an object, it is true, but only in so far as they are qua representations merely determinations of the knowing subject (of its mind) and are only referred to an object by the subject. When this happens something is added to those determinations qua merely given representations by which they are originally represented as the determinations of an object. The representation of given representations qua determinations of an object is not contained in the given representations themselves. This representation implies the concept of an object, i. e. that one representation which refers the given representations to that thing which is represented by them. Since the representations of the objective unity of representations is not given by the senses, this representation of the belonging together of several representations must be effected by the knowing subject itself. The representation of the combination of representations in the one representation of the object depends on an activity of combining. The representation ‘combination’ which is a condition of representing objects through different subjective determinations of the mind is therefore exclusively possible by that spontaneity (not productivity) of the representing subject which we call the ‘thinking’ performed by the ‘understanding’. Thus, combination is not a given representation. Thinking as the original act of combining is a process working on intuitions or concepts (pure or empirical). The understanding is the faculty of combining (a priori) (B 135). Accordingly the concept of composition is “the only fundamental a priori concept, which originally underlies all objects of the senses in the understanding” (FM, AA 20: 271.19 – 21, cf. 275.39 – 276.02). ‘Composition’ is therefore something of a super-category of which the different categories are only the species. As kinds of composition they require a given material to be combined, i. e. finally a sensible intuition (since we are not aware of having the faculty of intellectual intuition). An object thought by means of a concept, as far as its unity,

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i. e. the combinedness of its represented parts (or its form) is concerned, is a product of the understanding which primarily refers to the pure manifold of space and time. The understanding qua faculty of combining is the source of all synthesis. It is therefore ‘original synthetic unity’ and this is concretized as the unity of apperception. Self-consciousness is a precondition of all my representations of which I can make myself conscious as my representations. The consciousness of the identity of myself in all thinking is something that must be possible at any time if I am not to be divided into as many different selves as I have representations of which I am conscious. From this it follows as a law for all thinking that it stands in a necessary relation to the one self-consciousness which is common to all representations of which I am possibly conscious. By this relationship to the one self-consciousness all my representations are a priori combined with one another, or rather: they are combined by me, because every combination is an act of the understanding. That this happens is the necessary condition for my being conscious of the identity of myself in the possible consciousness of everything of which I am to become conscious. And this is necessary for a being conscious of itself. By this reasoning, the highest principle of all spontaneous combining and of all conceptual or intuitive combination is arrived at: the ‘original synthetic unity’ as the ‘transcendental unity of apperception’. Only under the precondition that I am or can be conscious of some synthesis of the possible or actual states of consciousness (synthetic unity of apperception) I can be conscious of the identity of myself (analytic unity of apperception). On these kinds of self-consciousness Kant bases the judgment and the concept. For our purpose, it is sufficient to link the definition of judgment with the synthetic unity of apperception. The nominal definition of judgment is that it is that relation of representations (concepts) which can be objectively valid (i. e. true). Its corresponding real definition is: a judgment is “an act by which given representations first become knowledge of an object” (MAN, AA 04: 475.40 – 42 n). By this act, the manifold of representations is combined according to that kind of connection which is necessary for the necessarily possible consciousness of the identity of myself in thinking of all the given manifold. This kind of connection is the unification of a given material of representations in the concept of an object in general which is different (not in kind but only in number) from the consciousness ‘I think’. This concept serves as the rule for all determinate combination of representations which is expressed in the copula ‘is’ of a categorical judgment. This copula refers to a combination of which we know that it can, as all combinations, only be brought about by an act of the subject itself. The original synthetic unity of apperception is the only conceivable principle of all combining of representations of which it can be said that it has

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necessity for all representing. And this necessity in the combination of given representations is exactly that which the concept of an ‘object of my thinking’ means. Whatever empirical intuitions may be given, they stand under that supreme law of belonging to the unity of the ‘I think’ and being combinable into the concept of an object which is only the notion of the synthetic unity of apperception but qua determinate notion differs from the empty notion ‘I think’. That some material of representations must be combinable into the unity of possible objectivity, is necessary for the sake of the consciousness of the unity (identity) of myself. Therefore, one of Kant’s definitions of judgment reads: “A Judgment is nothing but the manner in which given modes of knowledge are brought to the objective unity of apperception.” (B 141) Apperception, consciousness in general (B 143) or original consciousness (B 161) fulfills the only possible sense of objectivity in the combination of given representations (concepts) as distinguished from all subjective combinations which are only the states of the perceiving minds. The necessarily possible consciousness of the identity of the thinking self is the only possible universal property (following from an internal necessity) of any understanding (not necessarily a human one). What is implied in this apperception is therefore valid for all thinking subjects. This means that the principles of the objective determination of (intuitions and) concepts, the forms of judgment, must “all be derived from the fundamental principle of the transcendental unity of apperception” (B 142).¹⁷ If I represent the intuitions as determined according to these forms of judgment, I think an object of intuition by the categories. This thinking, therefore, happens with the same necessity that prevails in all representing in relation to the unity of selfconsciousness. Thus, everything given in a sensible (nonintellectual) intuition necessarily is subjected to the categories. This first part of the deduction is completed by the second part in which the forms of our sensibility and transcendental time-determinations (schemata, the products of ‘figurative synthesis’) are taken into account. It is already settled in the first part of the deduction that the objects which necessarily correspond to those categories are appearances. Only of them can the categories be shown to have objective reality, for only of these appearances can one say that their intuition must have a synthetic unity (which is necessary through the knowing sub-

 Since this points to a derivation of the forms of judgment, I cannot understand why Patzig says (as against K. Reich): “ja, Kant sagt noch nicht einmal, es lasse sich eine solche Ableitung der Tafel der Urteilsformen aus diesem höchsten Punkt vornehmen” [Kant does not even say that it is possible to derive the forms of judgment from this highest point]. Cf. J. Speck (ed.), Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Neuzeit II [Main Problems of Great Philosophers. Modern Philosophy II], Göttingen 1976, p. 51.

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ject) in order to be referrable to an object. What is added in the second part are the specific human forms of intuition, namely, space and time. Therefore, all appearances must have a determinate position in space and time as formal intuitions, if they are to be taken as objects. Space and time are themselves subjected to the categories, although they are, as forms of intuition, entirely heterogeneous from the categories. Here, for the first time it is explained how and why that synthetic unity of time which was mentioned in the passage B 244 f of the second analogy, namely the regulated succession of its parts, is a ‘concept of time’ produced by the activity of the understanding. “Thus the concept of time, although it is not the same as that of the composited, nevertheless is produced by it as far as its [time’s] form is concerned.” (Br, AA 13: 471.31– 33) The collective unity of the appearances, nature, must be in accordance with the synthetic unity of space and time. The appearances are something objective only in so far as they have a position in space and time which is determined a priori. Nature as the totality of appearances is an ordered relationship of appearances in space and time made possible only through the categories. The transcendental proposition in this region was: the objects of a nonintellectual intuition or of all our intuitions which are conditioned by space and time are determined by the categories. This proposition was shown to be true in a transcendental proof. It proves of its object only that which belongs (synthetically) to it according to its concept, The object is in this case the ‘object of our empirical knowledge in general’ or, rather, nature as the collective unity of all objects of experience (appearances). Of this object it is shown that it has to be determined by the categories in order to answer that requirement of ‘objectivity in general’ which is and must be valid for any thinking understanding as such. (c) The third kind of transcendental proposition and its proof can be dealt with very briefly. Not all things in general but all objects of the senses, i. e. all appearances are in space and time. This proposition asserts something of its objects, the appearances, which is not contained in their concept, but which nevertheless belongs to them as such. As a transcendental proposition it states: it is essential to the appearances to be in space and time, because, if they were not, they could not be objects of the senses. Now the ‘metaphysical exposition’ of the fundamental characteristics of space and time shows that they both refer a priori to the objects of experience qua appearances, without being abstracted from these objects. It is the outcome of their ‘transcendental exposition’, that space and time a priori underlie all appearances of the outer senses and of inner sense since they are the forms of sensible intuition. By this reason, it is also established that the objects representable in space and time are mere appearances. The deduction of space and time, the proof of their objective validity, is therefore a transcendental

Transcendental Proofs in the Critique of Pure Reason

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proof. In it it is shown that all appearances as such necessarily are in space and time, since they could not otherwise be the objects of our senses which they are according to their concept. The three kinds of transcendental proof have thus been shown to answer the requirements of a transcendental proof in general. If the Critique of Pure Reason is to be taken as a ‘metaphysic of metaphysics’ it must be interpreted in an apparently rather scholastic manner. But only in reading it this way one avoids the circles and tautologies which are inherent in a theory of actual experience and which must lead to scepticism. The difficulties of Kant’s solution of the problems of metaphysical, i. e. a priori synthetic knowledge are indeed great. They should not be increased by a misapprehension of his problems.

Erkennen und Machen in der Kritik der reinen Vernunft I Friedrich Heinrich Jacobi hat in seiner Schrift Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung (1811) das, was er für die wesentliche Aussage der Kantischen Philosophie hielt, so zusammengefaßt: „Der Kern der Kantischen Philosophie ist die von ihrem tiefdenkenden Urheber zur vollkommensten Evidenz gebrachte Wahrheit: daß wir einen Gegenstand nur insoweit begreifen, als wir ihn in Gedanken vor uns werden zu lassen, ihn im Verstande zu erschaffen vermögen.“ (W III 351)¹ Jacobi spricht von einer Kantischen „Entdeckung“, die besage, „daß wir nur das vollkommen einsehen und begreifen, was wir zu construiren im Stande sind“ (W III 354), aber er weist auch selbst darauf hin, daß diese Entdeckung einen Vorläufer in Vicos Satz hat: „Geometrica ideo demonstramus, quia facimus; Physica, si demonstrare possemus, faceremus“ (W III 352 f.)². Dieser Satz soll bei Vico den bloßen Wahrscheinlichkeitscharakter allen menschlichen Wissens von der Natur begründen. Die Sphäre einer gesicherten Erkenntnis der Wahrheit ist aufgrund des Prinzips verum et factum convertuntur auf die Konstrukte der Geometrie eingeschränkt sowie auf die Geschichte der Völker und Staaten, denn in beiden Fällen hat es der Mensch mit seinen eigenen Produkten und Werken zu tun, die er darum auch erkennen kann, jedenfalls soweit sie von seinem eigenen Handeln abhängen. Die Wahrheit über die Natur aber ist nur für Gott erkennbar, weil er ihr Schöpfer ist. Die notwendige Erkennbarkeit der Geschichte und damit auch des entferntesten Altertums für uns behauptet Vico in seiner Neuen Wissenschaft aufgrund einer Wahrheit, die man nach ihm ebenfalls in keiner Weise in Zweifel ziehen kann, nämlich: „daß diese historische Welt ganz gewiß von den

 Bei den im Text angegebenen Belegstellen wird folgende Abkürzung, gefolgt von einer römischen Band- und einer arabischen Seitenzahl, verwendet: W = Jacobi, Friedrich Heinrich: Werke. Hrsg. v. F. Roth, F. Köppen. Leipzig 1812– 1825.  Vgl. Vico, Giambattista: De nostri temporis studiorum ratione. Hrsg. u. übs. v. W. F. Otto. Godesberg 1947. 40; Jacobi beruft sich auf De antiquissima Italorum sapientia liber primus, wo es etwa heißt: „eae [scientiae] certissimae sunt, quae […] operatione scientiae divinae similes evadunt, utpote in quibus verum et factum convertuntur“ und „verare et facere idem esse […]: atque inde Deum scire physica, hominem scire mathemata“. Vgl. Vico, G.: Liber metaphysicus. Hrsg. u. übs. v. S. Otto, H. Viechtbauer. München 1979, 44, 148. https://doi.org/10.1515/9783110605327-004

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Menschen gemacht worden ist“.³ Während die „Welt der Natur“ allein von ihrem göttlichen Schöpfer adäquat erkannt werden kann, gibt es einen der geschichtlichen Welt der Völker vergleichbaren Erkenntnisbereich allenfalls in der „Welt der Größen“, also in der Geometrie, die diese Größen ihren Prinzipien entsprechend selbst erschafft. Die Realität der Punkte, Linien und Flächen, also von bloßen Abstraktionen, steht aber hinter der Realität der menschlichen Angelegenheiten weit zurück.⁴ Dieselbe Übertragung der Erklärung von Gewißheit und Wahrheit geometrischer Erkenntnis auf die Wissenschaft vom menschlichen Handeln hatte fast 100 Jahre vor Vico schon Hobbes vorgenommen. Es gibt nach Hobbes eine demonstrative Erkenntnis a priori vom Gerechten und Ungerechten, von Billigkeit und Unbilligkeit, also eine demonstrative Politik und Ethik, „weil wir die Prinzipien für die Erkenntnis des Wesens der Gerechtigkeit und Billigkeit […] nämlich Gesetze und Abmachungen selbst schaffen“.⁵ Eine wissenschaftliche Politik und Ethik ist möglich, weil die Erzeugung ihrer Gegenstände von der Willkür der Menschen selbst abhängt. Darum gilt mutatis mutandis in der politischen Philosophie das, was von der Geometrie gilt: „Da […] die Ursachen der Eigenschaften, welche die einzelnen Figuren haben, in den Linien liegen, die wir selbst ziehen, und da die Erzeugung der Figuren von unserer Willkür abhängt, so ist zur Erkenntnis jeder beliebigen Eigenschaft einer Figur nichts weiter erforderlich, als daß wir alles das betrachten, was aus der Konstruktion folgt, die wir selbst beim Zeichnen der Figur ausführen.“⁶ Von Figuren, die wir selbst hervorgebracht haben, können wir eben darum ein demonstratives Wissen haben, und ebenso gibt es eine demonstrative politische Philosophie, weil wir den Staat selber machen. Bei Vico und Hobbes ist also das Vorbild für den Wissenschaftscharakter einer neuen Wissenschaft vom menschlichen Handeln die konstruktive euklidische Geometrie. Aber deren apriorische Erkenntnisse werden ihrerseits dadurch erklärt, daß ihre Gegenstände mit all ihren Eigenschaften ja nur Hervorbringungen eines Tuns sind, dessen Folgen in den Bedingungen dieser Konstruktion vollständig begründet sind. Statt einer Theorie der Möglichkeit synthetischer Erkenntnis a priori in der Geometrie wird bei Vico und Hobbes auf eine Analogie der geometrischen Konstruktion mit der göttlichen Erschaffung der Natur zurückgegriffen und eben damit die mangelnde Erkennbarkeit der Natur für den Menschen erklärt. Denkt man sich aber die Mathematik als eine spezifische Er Vico, G.: Die neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker. Übs. v. E. Auerbach. Hamburg 1966, 51 f.  ebd., 52, 59 f.  Hobbes, Thomas: Vom Menschen. Übers. v. M. Frischeisen-Köhler/G. Gawlick. Hamburg 1977, 20.  ebd., 19.

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kenntnisweise des göttlichen Schöpfers, so ist damit, wie bei Galilei, die Erkennbarkeit der Natur durch eine mathematische Naturwissenschaft hypothetisch gesichert. Eine solche Hypothese wird ausgedrückt durch den pseudoplatonischen Ausspruch „ὁ ϑεὸς ἀεὶ γεωμετρεῖ“, den schon Plutarch⁷ vergeblich in Platons Schriften gesucht hat, der aber zweifellos auf den Platonischen Timaios anspielt. Denn in diesem Bericht über eine mythische und also fiktive Schöpfung der Welt durch einen Demiurgen finden wir eine geometrisierende Elementenlehre, in der physikalische Eigenschaften der vier Elemente durch die Eigenschaften und Kombinationsmöglichkeiten zweier Elementardreiecke erklärt werden, und eine apriorische Astronomie, die die Bestimmung der Planetenabstände von dem Bildungsgesetz einer arithmetischen Reihe abhängig macht. Hier konnte Galilei die Idee einer mathematisch bestimmten Natur vorfinden, d. h. einer solchen, für die die Mathematik die Konstitutionsbedingungen a priori und nicht bloß die aposteriorischen Beschreibungsmittel liefert. Erkenntnistheoretisch ist damit die Anwendbarkeit der Mathematik auf die Natur aus Gründen a priori gesichert, indem von dem Erklärungsprinzip Gebrauch gemacht wird, daß dasjenige, was der Hervorbringung der Natur zugrundeliegt, auch ihre Erkennbarkeit in demonstrativem Wissen verbürgt. Eine Theorie der reinen Mathematik in ihrer Möglichkeit wird aber auch in dieser Tradition des Platonismus nicht gegeben. Als Kant in seinem bekannten Brief an Marcus Herz vom Februar 1772 ein Grundproblem der späteren „Kritik der reinen Vernunft“ erörtert, nämlich worin die Übereinstimmung der reinen Verstandesbegriffe mit ihren Gegenständen begründet sei, findet er zwei Fälle einer solchen Übereinstimmung unproblematisch und leicht erklärbar.Würden nämlich diese Gegenstände durch die intellektuellen Vorstellungen „hervorgebracht“ (Br, AA 10: 131.07) oder wären diese Vorstellungen „in Ansehung des objects activ“ so „wie man sich die göttlichen Erkenntnisse als die Urbilder der Sachen vorstellet, so würde auch die Conformität derselben mit den objecten verstanden werden können“ (Br, AA 10: 130.17– 21), wie man ja auch umgekehrt unsere sinnlichen Vorstellungen als Wirkungen der Gegenstände auf die Seele begreifen kann. Eben weil reine Verstandesbegriffe nicht ihr „object selbst hervorbringen“ (Br, AA 10: 130.32– 33), ist ihre Übereinstimmung mit solchen Objekten zunächst unerklärlich. Auch im zweiten Fall, dem der Mathematik, gilt die Übereinstimmung der reinen Begriffe mit ihren Gegenständen aus demselben Grunde als unproblematisch: „In der Mathematic geht dieses an; weil die objecte vor uns nur dadurch Größen sind und als Größen können vorgestellt werden, daß wir ihre Vorstellung erzeugen können, indem wir Eines etlichemal

 Quaestiones Convivales 718 C.

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nehmen.“ (Br, AA 10: 131.11– 14) Es ist schon mehrfach bemerkt worden⁸, daß Kants Lösung des Problems der Möglichkeit einer Realdefinition oder Deduktion der Kategorien eben darin besteht, den aus der Mathematik und mathematischen Physik bekannten Gedanken der Konstruktion des Gegenstandes der Erkenntnis auf die Metaphysik zu übertragen. Nichts anderes bedeutet ja auch die Analogie zur Kopernikanischen Astronomie, von der Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik spricht, wenn er sein Unternehmen überblickt und dem wissenschaftlichen Publikum verständlich machen will. In irgendeinem noch zu präzisierenden Sinne bringt der erkennende Verstand den Gegenstand der Erkenntnis mitsamt seinen nicht in seinem Begriffe liegenden, aber aus ihm folgenden Eigenschaften selbst hervor – das ist die Lösung des Problems der Möglichkeit einer apriorischen Erkenntnis aller Dinge, also einer Ontologie, die als Wissenschaft wird auftreten können. Der Kopernikanische Gedanke wird von Kant zunächst als Vorschlag zur Erklärung der Wahrnehmung von bestimmten Gestirnbewegungen eingeführt, die, wegen der Relativität aller Ortsbewegungen im Raum, natürlich auch durch eine Veränderung des Standpunktes des Betrachters zustandegekommen sein kann. Ein solcher Vergleich soll nur den allgemeinen Satz erläutern, daß man in der Erklärung eines Phänomens dadurch weiterkommen kann, daß man annimmt, sein Grund liege im wahrnehmenden Subjekt selbst und nicht im Objekt, wie es unabhängig davon gedacht werden muß. Seit Demokrits später so genannter Unterscheidung von primären und sekundären Sinnesqualitäten und seit deren Wiederaufnahme in Galileis Saggiatore ist die Subjektivität der letzteren so etwas wie eine erkenntnistheoretische Binsenwahrheit geworden. Nimmt man hinzu, daß Kants transzendentaler Idealismus von Raum und Zeit in der Göttingischen Rezension mit dem Berkeleys verglichen wurde und, wegen der auch von Kant vertretenen Subjektivität der sog. primären Sinnesqualitäten auch wirklich mit dem Berkeleys vergleichbar ist, so muß der Vergleich mit Kopernikus, den Kant erst in der zweiten Auflage der Kritik anstellt, einen anderen Sinn des Sichrichtens der Objekte nach dem Subjekt im Auge haben, als diesen verallgemeinerten empiristischen Idealismus. Denn Kant hat schon in den Prolegomena und dann in der zweiten Auflage der Kritik Anstrengungen unternommen, um sich von Berkeley scharf abzugrenzen und den von diesem bekämpften Newton bzw. die mathematische Physik in der Nachfolge Galileis als seine Vorbilder hinzustellen. Die sog. Kopernikanische Wende Kants besteht also nur in der Einführung einer Hypothese, d. h. in der Annahme, daß sich die Gegenstände unserer Er-

 Z. B. von Paulsen, Friedrich: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Kantischen Erkenntnistheorie. Leipzig 1875. 165 – 176.

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kenntnis nach dem erkennenden Subjekt richten, um die Übereinstimmung beider erklären zu können, ohne auf eine prästabilierte Harmonie beider oder einen allgemeinen Empirismus zurückgreifen zu müssen. Wenn es so wäre, daß die Gegenstände metaphysischer Erkenntnis durch das erkennende Subjekt bestimmt würden, dann ließe sich die Möglichkeit synthetischer Erkenntnisse a priori von ihnen einsehen. Aber ob diese Voraussetzung auch zutrifft, das kann natürlich nicht durch die wohltätigen Folgen dieser Annahme für unsere Erklärungsversuche jener Übereinstimmung ausgemacht werden, sondern muß unabhängig davon erkannt werden. So wie Kopernikus ein System relativer Bewegungen von Himmelskörpern und einen Standort in diesem System für den Betrachter annahm, um seine Wahrnehmung zu erklären, so sind nicht die sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten der Gegenstände selbst, sondern ihr Zusammenhang in einer Naturordnung dasjenige, was das erkennende Subjekt den Gegenständen seiner Sinne vorschreibt. Die Natur als solche, also das gesetzmäßige Dasein der Erscheinungen, sofern sie ein systematisches Ganzes ausmachen, beruht auf einer Tätigkeit des erkennenden Subjekts – das ist die durch den Vergleich mit dem Kopernikanischen Weltsystem (in seiner Keplerschen Version) eingeführte These der Kantischen Analytik, die durch einen Rekurs auf Mathematik und Physik plausibel werden soll. Denn auch der Mathematiker weiß nach Kant, „daß er um sicher etwas a priori zu wissen, der […] Sache nichts beilegen müsse, als was aus dem notwendig folgte, was er seinem Begriffe gemäß selbst in sie gelegt hat“ (B XII). Dies ist eine an Hobbes erinnernde Auffassung von der Mathematik. Die Galileische Physik soll nach Kant dem Einfalle folgen, „demjenigen, was die Vernunft selbst in die Natur hineinlegt, gemäß, dasjenige in ihr zu suchen, […] was sie von dieser lernen muß“ (B XIV). In beiden Fällen legt die erkennende Vernunft nach Kant zwar etwas in ihren Gegenstand hinein; aber Kants Auffassung vom synthetischen Charakter der Sätze der Mathematik und theoretischen Physik entspricht es, daß es die Folgen aus der Konstruktion der Begriffe in der Anschauung und die durch Beobachtung und Experiment erst aufzufindenden bestimmten Naturgesetze des Verhaltens der Körper in Raum und Zeit sind, die unsere mathematische und physikalische Erkenntnis zu einer Erweiterung unseres Wissens machen. Wenn die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe an synthetischen Folgen hervorbringt, und wenn dieses Beispiel der Geometer und Naturforscher die Methode der Metaphysik leiten soll, so muß sich also auch hier ergeben, „daß wir […] von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen“ (B XVIII). Daß dieses Hineinlegen ein aktives Machen des Gegenstandes der Erkenntnis ist, wird am Beispiel der Mathematik besonders deutlich. „[…] in der Mathematik kann ich alles das durch mein Denken selbst machen (konstruieren), was ich mir durch einen Begriff als möglich vorstelle; ich tue zu einer Zwei

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die andere Zwei nach und nach hinzu und mache selbst die Zahl Vier, oder ziehe in Gedanken von einem Punkte zum andern allerlei Linien und kann nur eine einzige ziehen, die sich in allen ihren Teilen […] ähnlich ist.“ (Prol, AA 04: 370.26 – 31) Die synthetischen Sätze a priori, daß Zwei mal Zwei Vier sind und daß es zwischen zwei Punkten nur eine gerade Linie gibt, sind also nur dadurch als wahr einzusehen, daß ich den ihnen entsprechenden Gegenstand selbst erzeuge, und zwar durch sukzessive Synthesis im ersten Falle oder zweitens durch ein Linienziehen, das an die Grenze seines Vermögens, verschiedene Lösungsvarianten einer elementaren Konstruktionsaufgabe zu erproben, stößt, somit zugleich eine grundlegende Eigenschaft des euklidischen Raumes für alle anderen Konstruktionen in der Ebene erkennbar macht und also von axiomatischer Bedeutung ist. Die allgemeine Frage der Kritik der reinen Vernunft „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?“ wird, nach diesem mathematischen Vorbild zu schließen, also so zu beantworten sein, daß sie aufgrund einer Synthesis des tätigen Verstandes als wahre Erkenntnisse möglich sein werden. Erkenntnisse a priori oder Einsichten in die Natur der Dinge wären demnach nur möglich, wenn ihnen ein Machen zugrundeliegt. Im folgenden untersuchen wir (1) diese Tätigkeit als eine Verbindung, die nach Kant nur vom Verstande selbst vollzogen und nicht durch Sinne wahrgenommen werden kann (aber weder die erkannten Objekte noch das erkennende Subjekt, wie sie an sich selbst sind, zu erkennen gibt) und (2) das Produkt dieser Synthesis und damit den Zusammenhang von Objektivität des Erkenntnisgegenstandes und Naturordnung.

II Die Deduktion der Kategorien nach der zweiten Auflage der Kritik erklärt in ihrem zweiten Teil, der den ersten voraussetzt, wie es möglich ist, daß der menschliche Verstand der Natur gleichsam das Gesetz vorschreibt und sie sogar möglich macht. Die Natur in formaler Bedeutung, von der hier die Rede ist, ist die Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit, und sie ist es, die ihrer realen Möglichkeit nach durch das Tun des Verstandes hervorgebracht wird. Die Ermöglichung der Natur durch die Kategorien des Verstandes wird von Kant in der subjektiven Deduktion dieser Kategorien ab § 15 untersucht. Grundlegend für diese Untersuchung ist Kants These, daß die Verbindung die einzige Vorstellung ist, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekt selbst verrichtet werden kann (B 130). Ähnlich heißt es in der Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik, daß die Vorstellung eines Zusammengesetzten als eines solchen nicht bloße Anschauung sei, sondern den Begriff einer Zusammensetzung erfordere, der dann auf eine Anschauung in Raum und Zeit angewandt werde (vgl. FM,

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AA 20: 271.14– 15). Der Sinn dieser These und ihre Begründung sind nun leicht mißzuverstehen. Denn man könnte meinen, Kant bekenne sich hier zu einem Humeschen Atomismus der Sinnesdaten, was besagen würde, daß unser Wahrnehmungsvermögen so beschaffen sei, daß wir nur unverbundene Empfindungen empfangen könnten und alle Verbindung auf unbewußten Assoziationen oder bewußten und willkürlichen Zusammensetzungen, also auf einer nachträglichen Tätigkeit der menschlichen Seele, ausgeübt am Material der Sinnesdaten, beruhe. In diesem Falle wäre Kants These eine Aussage über eine faktische Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens, und sie würde sich dem Einwand aussetzen, daß isolierte Sinnesdaten zu den seltenen Ausnahmen unserer Wahrnehmung gehören und daß wir, wie die tägliche Erfahrung zeigt, beständig ganze Bündel oder Sequenzen von Sinneseindrücken wahrnehmen. Daß Kants Meinung dadurch nicht tangiert ist, weil er gar keine Aussage über den faktischen Wahrnehmungsvorgang macht, ist schon dadurch gesichert, daß er ausdrücklich von einem „Mannigfaltigen überhaupt“ (B 129) spricht, also auch vom nichtwahrnehmbaren, reinen Mannigfaltigen in Raum und Zeit, und ferner vom Mannigfaltigen der mancherlei Begriffe und daß bei Kant, wie schon die Überschrift des § 15 bezeugt, hier entsprechend von der „Verbindung überhaupt“ die Rede ist und nicht bloß von Wahrnehmungsverbindungen. Der Schlüssel zum Verständnis der Kantischen These liegt in den Worten „daß wir uns nichts, als im Objekt verbunden, vorstellen können, ohne es vorher selbst verbunden zu haben“ (B 130). Die Verbindungen überhaupt sind also jedenfalls objektive Verbindungen und von deren Vorstellung als solcher sagt Kant, daß sie auf einem Akt der Spontaneität beruhe. Die Vorstellung eines zusammengesetzten Objekts als eines solchen setzt den Begriff einer Zusammensetzung voraus, und dieser Begriff ist es, der nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekt selbst gebildet werden kann. Aber, so könnte man einwenden, wenn der Begriff eines Zusammengesetzten objektive Realität haben soll, so muß das Zusammengesetzte, das ihm korrespondiert, doch schon von sich aus eine Zusammensetzung oder synthetische Einheit enthalten, und es scheint a priori nicht einsehbar, warum nicht einiges Zusammengesetzte auch als zusammengesetzt durch die Sinne wahrgenommen werden könnte. Um Kants These, daß alle Verbindung selbst eine Verstandeshandlung und also keine in irgendeinem Sinne sinnlich gegebene Vorstellung sei, zu verstehen, muß man wiederum auf die Paradoxie verweisen, daß es sich hier um die Vorstellung einer objektiven Verbindung handelt, die aber als einzige Vorstellung vom Objekt nicht durch das Objekt den Sinnen und damit dem Erkenntnisvermögen gegeben werden kann. Denn das wird bedeuten, daß es einen Zusammenhang zwischen der Objektivität der Verbindung und ihrer Nichtwahrnehmbarkeit durch die Sinne geben muß. M. a. W.: Die Auszeichnung der Verbindung

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vor allen anderen Vorstellungen, nicht durch die Sinne gegeben werden zu können, wird darauf beruhen, daß es sich nicht nur um eine objektive Vorstellung, sondern um eine die Objektivität von Vorstellungen erst ermöglichende Vorstellung handelt. Will man Kants These über die Verbindung in ihrer Berechtigung einsehen, so muß man von der Voraussetzung ausgehen, daß ich als erkennendes Subjekt mannigfaltige Vorstellungen habe, die Objekte vorstellen sollen. Vorstellungen sind aber für sich genommen nur Gemütsbestimmungen, also Bestimmungen des Subjekts und gerade nicht des Objekts. Sollen diese Vorstellungen nun gleichwohl ein Objekt vorstellen, so muß über sie als gegebene Gemütsbestimmungen (auch wenn es sich z. B. um reine oder empirische Begriffe handelt) noch etwas hinzukommen, wodurch sie als Bestimmung eines Objekts vorgestellt werden. Diese hinzukommende Vorstellung ist der Begriff des Objekts als diejenige eine Vorstellung, die mannigfaltige gegebene Vorstellungen auf das bezieht, was durch sie vorgestellt wird. Die Vorstellung mannigfaltiger Vorstellungen als Bestimmung eines Objekts ist die Vorstellung der Zusammengehörigkeit vieler Vorstellungen zu einer Vorstellung, also die Vorstellung einer Einheit. Die Vorstellung dieser Einheit ist in den gegebenen Vorstellungen als bloßen Gemütsbestimmungen nicht enthalten und muß also auf der Spontaneität des Vorstellungsvermögens beruhen oder gemacht sein. Verbindung als Vorstellung des Verbundenseins mannigfaltiger Vorstellungen in der einen Vorstellung ihrer Einheit ist also nur durch einen Akt des Verbindens möglich. Also ist die Vorstellung „Verbindung“ oder „Zusammengesetztes“, die eine Bedingung des Vorstellens von Objekten durch mannigfaltige gegebene Vorstellungen ist, eine Vorstellung, die nur durch den Verstand und nicht durch die Sinne möglich ist. So zeigt sich, daß schon Kants grundlegende These über die Verbindung eine Rückführung der Erkenntnis auf ein selbsttätiges Machen bedeutet. Die Kategorien, vermittelst derer die Natur in formaler Bedeutung hervorgebracht wird, sind ja nichts anderes als die Arten der Zusammensetzung des in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen. Die Verbindung als Akt der Selbsttätigkeit ist also das oberste Prinzip aller Kategorien und der durch sie gedachten Naturordnung. Die Verbindung oder intellektuelle Synthesis, wie sie bisher erörtert wurde, ist eine erschlossene notwendige Bedingung der Objektivität unserer Vorstellungen. Bekanntlich hat Kant sie in der Einheit des Selbstbewußtseins fundiert. Wenn ein Objekt vermittelst der Vorstellungen erkannt werden soll, dann setzt dies eine synthetische Einheit der Vorstellungen und also einen Akt der Synthesis voraus. Daß aber Objekte vermittelst meiner Vorstellungen zu denken und somit eine Synthesis zu vollziehen selbst notwendig ist, das folgt aus der Tatsache, daß ich mir anders als durch das Bewußtsein der Synthesis meiner Vorstellungen der Identität meiner selbst nicht bewußt werden kann. Lassen sich nun verschiedene

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Weisen des für alles Verstandesdenken notwendigen Verbindens von analytischen Einheiten des Bewußtseins (Begriffen) als vollständiges System von (notwendigen) Begriffsverknüpfungen auffinden, so ist damit der Leitfaden zu einer transzendentalen Tafel reiner Gegenstandsbegriffe aufgefunden. Der Nachweis der objektiven Gültigkeit dieser Kategorien besteht demnach (1) in dem Hinweis darauf, daß sie den Urteilsformen und damit den Funktionen derjenigen Verstandeshandlungen entsprechen, durch die eine notwendige Verbindung von Vorstellungen überhaupt, also auch von Anschauungen, bewirkt wird, und (2) in dem Argument, daß diese Verstandeseinheit auch dem Raum und der Zeit, als den Bedingungen der Wahrnehmung und aller Wahrnehmungsverknüpfung, zugrundeliegt und somit auch von unseren empirischen Anschauungen gelten muß. Da aber die Kategorien nur Verstandesformen sind, deren anschaulicher Inhalt ihnen durch die Sinnlichkeit gegeben werden muß, so beschränkt sich ihre Gültigkeit auch auf bloße Erscheinungen. Die Form des Urteils einerseits und Raum und Zeit andererseits sind also ursprüngliche synthetische Einheiten, die auf einer nur erschlossenen intellektuellen Synthesis beruhen, und beide Teile der Deduktion hängen somit von diesem Gedanken der Notwendigkeit der Verbindung zur Objekterkenntnis ab. Nun handelt Kant aber außer von dieser intellektuellen Synthesis bekanntlich noch von anderen Weisen der Synthesis, insbesondere von einer von ihm „figürlich“ genannten Synthesis, die dann vorliegt, wenn das Verbundene dieses Verbindens ein Mannigfaltiges der sinnlichen Anschauung, sei sie rein oder empirisch, ist und nicht mehr ein Mannigfaltiges überhaupt. Sie ist eine Synthesis der Einbildungskraft, da sie nicht auf die Gegenwart eines wahrnehmbaren Gegenstandes angewiesen ist, sondern gegebene reine oder empirische Anschauungen spontan verbinden kann. Diese figürliche Synthesis der Einbildungskraft ist nun nicht in jedem Falle erschlossen, sondern etwas, was ich auch in mir selbst wahrnehmen kann, d. h. dessen ich mir empirisch bewußt werden kann. Dazu gehören die Akte des Ziehens einer Linie, der Konstruktion eines Kreises und generell der Manipulation des Mannigfaltigen des Raumes, sei es durch ein Fortschreiten in ihm oder durch Versuche, ihn einzuteilen oder zu unterteilen. Solche Akte der Synthesis (und Analysis) geschehen nacheinander und somit in der Zeit. Wir werden uns ihrer nicht bloß jeweils als eines Aktes der sukzessiven Synthesis eines Mannigfaltigen im Raume bewußt, sondern diese Bewegungen ermöglichen uns sogar erst den Begriff der Sukzession selbst, als eines fundamentalen Zeitbegriffes. Das empirische Bewußtsein einer solchen Bewegung oder sukzessiven Synthesis ist die Wahrnehmung eines Mannigfaltigen, mit dem etwas durch mich geschieht, durch den inneren Sinn. Darum ist Bewegung nur im Nacheinander bewußt zu machen. Dieses Bewußtmachen ist ein Setzen des Mannigfaltigen und seiner eigentümlichen Veränderung in den inneren Sinn.

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Will ich mir nun den Sukzessionscharakter der Vorstellungen selbst, d. h. die Zeit selbst in ihrer eindimensionalen Folge der Jetzt vorstellen, so bedarf es dazu 1. des Mannigfaltigen des Raumes, 2. einer Handlung des Verbindens dieses Mannigfaltigen und 3. des Absehens von diesem Mannigfaltigen als Raumteilen und des Achthabens nur auf die Handlung, durch die ich mir des Raummannigfaltigen bloß als Vorstellungen im Setzen in den inneren Sinn bewußt werde, welcher Handlung des Setzens selbst ich mir nur als sukzessiver Synthesis bewußt werden kann. Die Zeit ist dasjenige Medium, worin und woran ich mir der Verstandessynthesis bewußt werden kann, und dieses Bewußtsein ist der Begriff der Sukzession. Dem Verstand ist also hier im innern Sinn nicht eine Verbindung des Mannigfaltigen vorgegeben, sondern der Begriff der Sukzession wird durch ihn erst hervorgebracht. Damit aber wird zugleich die Zeit als ein synthetisches Ganzes von Jetzt, also als Gegenstand in Gestalt einer formalen Anschauung vorgestellt. Die formale Anschauung der Zeit beruht also insofern auf einem hervorbringenden Tun der Einbildungskraft, das gemäß der synthetischen Einheit des Objekts überhaupt und also gemäß der intellektuellen Synthesis des Verstandes vollzogen wird. Daß ich mir der Synthesis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft wegen der Zeitform des inneren Sinnes nur im Nacheinander bewußt werden kann, würde schon für sich den bloßen Erscheinungscharakter des empirisch bewußt werdenden Ich beweisen, wenn schon feststünde, daß die Zeit nur die Form des inneren Sinnes und aller inneren Erscheinungen sein könnte. Da das Bewußtsein des eigenen Denkens als eines Verbindens (und Trennens) des Mannigfaltigen aber zumindest dem ersten Anschein nach das Bewußtsein von etwas ist, das nicht durch einschränkende Bedingungen der Sinnlichkeit modifiziert und also ein Ding an sich selbst ist, so bedarf es eines eigenen Nachweises, daß die Zeit nicht eine Daseinsweise von Dingen an sich selbst sein kann. Dies geschieht dadurch, daß Kant auf die Abhängigkeit der Zeitvorstellung selbst (und damit allen empirischen Bewußtseins) von der Vorstellung des Raumes hinweist. Dabei ist vorausgesetzt, daß der Raum kein Ding an sich selbst oder eine Beschaffenheit von solchen Dingen sein kann. Kann ich mir die Zeit in ihrer Eindimensionalität nur an Ortsbewegungen, genauer am Ziehen einer Linie vorstellen und kann ich die Zeit nur messen durch Rekurs auf Bewegungen im Raume (Gebrauch von Uhren), so ist sie in diesen wesentlichen Hinsichten von der Raumvorstellung abhängig und kann also selbst nicht von höherer Dignität sein als diese. Das Bewußtsein meiner selbst als eines spontan handelnden Wesens, das seine Begriffe und damit die synthetische Einheit seiner Vorstellungen selbst macht, ist also nur das Bewußtsein einer besonderen Art von Erscheinung und nicht die Einsicht in ein intelligibles Prinzip von Erscheinungen.

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Schließlich ist auch die empirische Synthesis der Apprehension des Mannigfaltigen einer äußeren oder inneren Anschauung, durch die eine Wahrnehmung dadurch zustandekommt, daß ich mir ein Bild von einer Erscheinung mache, ein hervorbringendes Tun, das seiner Objektivität nach von der intellektuellen Synthesis des Verstandes, die in den Kategorien gedacht wird, abhängt. Was aber heißt das? Die Bedingungen a priori für die Wahrnehmung eines Hauses oder des Gefrierens von Wasser sind der Raum und die Zeit. Die empirische Anschauung eines Hauses wird nur dadurch zur Wahrnehmung eines Hauses gemacht, daß ich seine Gestalt so nachzeichne, daß sie einen bestimmten aus Teilen bestehenden Raum einnimmt. Indem ich mir so das Haus empirisch zum Bewußtsein bringe, unterwerfe ich zugleich alle seine Teile und ihre Verbindung dem Raum und der in ihm enthaltenen synthetischen Einheit seines Mannigfaltigen. Alle Eigenschaften des Raumes, insbesondere seine Unendlichkeit und Homogenität, sein Zugrundeliegen für alles in ihm und das gleichzeitige Nebeneinandersein seiner Teile gehen in die Wahrnehmung des Hauses mit ein. Das Entscheidende aber ist, daß nur dadurch, daß ich die empirische Synthesis seines Mannigfaltigen der synthetischen Einheit des Raumes unterwerfe, das Haus selbst unter die Kategorie der Größe (synthetische Einheit des mannigfaltigen Gleichartigen) subsumiert wird. Auch bei der Wahrnehmung eines Ereignisses, wie des Gefrierens von Wasser, liegt eine synthetische Struktur schon zugrunde, nämlich die spezielle synthetische Einheit der Zeitteile, die darin besteht, daß sie einander ihre Stelle als frühere und spätere, also ihre Folgeordnung bestimmen. Weil jedes empirische Bewußtsein einer zeitlichen Veränderung der Zeit selbst als Form des inneren Sinnes unterliegt, so steht der Vorgang des Gefrierens von Wasser als eine von mir durch sukzessive Apprehension zweier Zustände wahrgenommene Begebenheit unter dem Grundsatz der Zeitfolge oder dem Gesetze des Verhältnisses von Ursache und Wirkung, weil die Zeit selbst insofern synthetisch bestimmt ist, als ihre Teile eine eindeutig bestimmte Relation gegeneinander haben. Die empirische Synthesis der Apprehension, durch die die Wahrnehmung zustandekommt, ist also durch Raum und Zeit selbst und deren synthetische Einheit bedingt und steht nur in dieser mittelbaren Weise unter den Kategorien und der in ihnen gedachten Verstandessynthesis. Was hier schließlich und endlich gemacht wird, ist die Erfahrung, die dann entsteht, wenn eine Wahrnehmung, als den synthetischen Einheiten von Raum und Zeit gemäße, Objektivität und damit den Charakter einer Gegenstandserkenntnis beanspruchen kann.

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III Fragt man sich schließlich, was das Produkt des hervorbringenden Tuns des Verstandes ist, so ist klar, daß es sich hierbei nur um eine formale Einheit einer gegebenen Materie handeln kann, da durch die von Kant behauptete Sinnlichkeit aller unserer Anschauungen und die Tatsache, daß dem denkenden Verstande durch ihn selbst kein Stoff zum Denken gegeben wird, jede Art von creatio ex nihilo ausgeschlossen ist. Dem entspricht, daß für Kant auch die Gegenstände der reinen Mathematik im Felde möglicher Erfahrung liegen, ohne daß ihre Begriffe darum von dieser abstrahiert wären. Das Produkt des erkenntnisbegründenden Machens ist aber auch nicht in dem Sinne eine geformte Materie, wie die Artefakte es sind. Denn der Gegenstand der Erkenntnis ist nicht einfach ein technisches Produkt, das nur die Eigenschaften hat, die ich ihm gebe, sondern – jedenfalls in der Mathematik – etwas, über dessen Eigenschaften ich nach der Konstruktion durch es selbst belehrt werde und an dem es Neues zu entdecken gibt. Die Gleichartigkeit mit den Konstrukten der Mathematik hört aber da auf, wo es um unkonstruierbare Qualitäten und deren Dasein geht, also der Bereich der Größen verlassen wird. Obwohl die Philosophie im Unterschied zur Mathematik ihre Begriffe nicht konstruieren und so zu synthetischen Erkenntnissen a priori gelangen kann, sind die Schemata der reinen Verstandesbegriffe als Analoga zu den Darstellungen der geometrischen und arithmetischen Begriffe anzusehen. Die transzendentalen Zeitbestimmungen vermitteln den Kategorien die Anwendung auf Erscheinungen und sind selbst der sichtbare Ausdruck der Restriktion der objektiven Gültigkeit dieser Kategorien auf Sinnliches. Der Begriff des Schemas umfaßt aber auch die mathematischen Konstrukte wie „das Schema des Triangels“ (B 180). Mache ich mich nun nach Anweisung des Schemas etwa der Ursache („das Reale, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit etwas anderes folgt“, B 183) auf die Suche nach derjenigen Erscheinung, die dieses Kriterium für ein gegebenes Ereignis erfüllt, so erweitere ich mein empirisches Wissen von der Natur durch Anwendung einer schematisierten Kategorie auf den Inbegriff der Erscheinungen, in Analogie zur Erkenntnis etwa der Eigenschaften eines Kreises, die in der Darstellung seines Begriffes als einer Konstruktionsvorschrift gefunden und dann bewiesen werden können. Damit ist ein erstes Beispiel gegeben für diejenigen Sätze, die durch Subsumtion der Erscheinungen unter die schematisierten Kategorien möglich werden und als sog. Grundsätze des reinen Verstandes das System transzendentaler Naturerkenntnis ausmachen. Die Natur als Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit ist selbst ein System, weil alle ihre a priori einsehbaren Gesetze dem einen Prinzip der Verstandessynthesis entspringen und nach Vollständigkeit

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und Stellung zueinander genau der Tafel der ursprünglichen Verstandesfunktionen im Urteil entsprechen. Dieses System der Grundsätze würde zusammen mit dem System der Kategorien eine vollständige Ontologie ausmachen, wenn nicht deren Grundbegriff der eines Dinges überhaupt wäre, von dem Kant glaubte zeigen zu können, daß ihm keine erkenntnisbegründende Bedeutung zukomme. Allenfalls könnte man, wider den Sprachgebrauch, von einer Ontologie der Erscheinungen oder der Gegenstände der Erfahrung sprechen. Denn die durch die Synthesis des Verstandes in ihrer systematischen Vollständigkeit ermöglichten elementaren synthetischen Urteile a priori gelten insgesamt nur von Gegenständen möglicher Erfahrung, und zwar deshalb, weil sie die Möglichkeit, durch sinnliche Wahrnehmung empirische Erkenntnis von Objekten zu erwerben, allererst begründen. Damit ist zwar dem Skeptizismus hinsichtlich einer apriorischen Erkenntnis Einhalt geboten, zugleich aber das paradoxe Resultat erzielt, daß die Metaphysik als der Inbegriff nichtempirischer synthetischer Erkenntnisse nur von Gegenständen empirischer Erkenntnis gilt. Was aber bringt nun der Verstand an den Erscheinungen der Sinne hervor, wenn er in intellektueller Synthesis die Einheit eines Mannigfaltigen der Vorstellungen überhaupt stiftet, also angesichts gegebener Vorstellungen der Sinne die Vorstellung des Objekts hervorbringt? Offenbar nicht das Objekt selbst, denn dieses ist durch die Sinne gegeben, die aber nicht das Objekt als Objekt, sondern als gegebenes Mannigfaltiges in zufälliger und variabler Einheit vorstellen. Damit aber der Verstand angesichts eines gegebenen Mannigfaltigen der Anschauung, also bei uns: der Sinne, etwas verstehen, d. h. ein Objekt derselben denken kann, bedarf es nach Kant der ursprünglich reinen Begriffe der Synthesis, also der Kategorien. Diese Synthesis ist eine Synthesis des gegebenen Mannigfaltigen der Sinne, erzeugt aber nur die Form solcher synthetischer Einheiten. Da Anschauungen ohne Begriffe zwar einen Gegenstand zur Erkenntnis geben, aber nicht erkennen können und also blind sind, so bedarf es zur Beziehung ihrer auf ein Objekt einer Synthesis, die nicht in ihnen liegen kann und also vom Verstand selbst verrichtet worden sein muß. Die Apperzeption als Quelle aller Verstandessynthesis kann natürlich nicht bestimmte Verbindungsbegriffe begründen, sondern nur solche, in denen formal die Objektivität von Objekten der Anschauung überhaupt gedacht ist. Diese Formalität aber besagt, daß nur solche empirisch gegebenen Anschauungen (Empfindungen) und deren Verbindungen, die gewisse formale Bedingungen erfüllen, so daß sie mit dem Begriff eines Objektes überhaupt übereinstimmen, von objektiver Bedeutung sind. Aus dem Mannigfaltigen sinnlicher Anschauung wird nicht durch Komposition, sondern durch Selektion eine empirische Erkenntnis des Objekts. Zugleich kann ich aber aufgrund der intellektuellen Synthesis des Verstandes a priori wissen, daß es solche empirischen Anschauungen geben muß, die durch die Kategorie antizipiert

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sind. Sie aber muß ich nach Anweisung der Kategorie erst aufsuchen, zumal sie nicht notwendig in einer gegebenen Anschauung schon enthalten sind. Da es aber nicht in unserer Macht steht, ob uns gegebene sinnliche Anschauungen faktisch die durch die Kategorien gedachten formalen Bedingungen erfüllen, so kann man auch von dieser Seite her nicht sagen, daß wir das Objekt einer empirischen Anschauung selbst durch Synthesis hervorbringen. Vielmehr beruht nur die Objektivität gegebener Vorstellungen auf der Tätigkeit des Subjekts, also nicht das Objekt selbst. Das ist der Sinn von Kants empirischem Realismus. Die vom Verstande hervorgebrachte Objektivität der Objekte ist nun aber nichts, was einer Erscheinung isoliert von anderen Erscheinungen zukommen könnte. Vielmehr sind die Erscheinungen der Sinne für sich genommen nur unbestimmte Gegenstände einer empirischen Anschauung (vgl. B 34). Denn abstrahiert man von einem der beiden zur Vorstellung eines Gegenstandes als eines solchen notwendigen Faktoren und behält nur die (sinnliche) Anschauung übrig, so müssen diese Gegenstände, da man vom Anteil des Denkens in ihrer Vorstellung abstrahiert, als unbestimmte Gegenstände betrachtet werden, wobei man auch nur aufgrund der Erwartung einer späteren Bestimmung vorausschauend von „Gegenständen“ sprechen kann. Die zur vollen Gegenständlichkeit erforderliche Bestimmtheit erhalten die als Erscheinungen noch unbestimmten Gegenstände der äußeren Sinne und des inneren Sinnes erst durch ihr Verhältnis zu anderen Erscheinungen. Die Bestimmung dieses Verhältnisses geschieht durch das Denken des Verstandes, durch den also auch erst entschieden wird, ob z. B. eine gewisse Erscheinung nur die Eigenschaft einer Substanz oder diese selbst ist, oder ob eine subjektive Bestimmung des Gemüts objektive Bedeutung hat oder nicht. Vor dieser Bestimmung durch den Verstand muß es also auch unentschieden bleiben, ob eine (in sich mannigfaltige) Erscheinung eingebildet oder real ist. Der Inbegriff aller Erscheinungen überhaupt aber ist die Natur in materialer Bedeutung. Ist die Bestimmung des Verhältnisses einer Erscheinung zu allen anderen eine Bedingung der Möglichkeit, sie als Objekte zu erkennen, so kann die Objektivität der Objekte auch nicht einem isolierten Naturdinge für sich zugesprochen werden. Und ist der Verstand derjenige, der die Objektivität der Objekte macht, so kann er dies nur als Autor der Naturordnung im ganzen, also als Gesetzgeber der Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen in Raum und Zeit tun. Erst dadurch, daß das Verhältnis einer Erscheinung zu allen anderen Erscheinungen als den Inhalten von Raum und Zeit bestimmt ist, also nur dadurch, daß ich jeder Erscheinung eine Stelle im Ganzen von Raum und Zeit a priori anweise, werden aus diesen Erscheinungen Objekte empirischer Erkenntnis. Der Gegenstand der Erkenntnis, den wir nach Analogie zur Mathematik auch in der Metaphysik selbst hervorbringen, ist nicht ein isolierter Gegenstand, sondern der formale Gegen-

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stand der Natur im ganzen als gesetzmäßiger Ordnung der Erscheinungen. Raum und Zeit, vermittelst welcher die Erscheinungen nach dem § 26 der Kritik unter den Kategorien des Verstandes stehen, weil sie a priori gegebene Bedingungen ihrer empirischen Apprehension sind, werden nicht bloß als spezifisch menschliche Arten der Anschauung überhaupt unter dieses Genus subsumiert. Sondern die mit Raum und Zeit als formalen Anschauungen oder entia imaginaria gegebene synthetische Einheit von Objekten besagt zugleich, daß nur dadurch eine Erscheinung unter den objektivitätsbegründenden Verbindungsbegriffen steht, daß sie im Ganzen von Raum und Zeit eine bestimmte Stelle einnimmt, die ihre Relation zu allen anderen Erscheinungen bestimmt und durch sie bestimmt wird. Wenn also Kopernikus derjenige war, der durch sein Planetensystem eine gegebene Wahrnehmung erklärte, so hatte Kant darum recht, sich auf ihn zu berufen, da nach Kant eine gegebene Wahrnehmung nur dadurch (möglicherweise) ein Objekt zu erkennen gibt, daß sie in einem System von Erscheinungen ihren durch eine Synthesis des Verstandes bestimmten Platz findet. Das erkennende Subjekt, nach dem sich das erkannte Objekt bei Kant richtet, ist dasjenige, was die Objektivität des Objekts zustandebringt, indem es ihm einen Platz in der ihrer Form nach von ihm selbst gemachten Natur anweist.

The B-Deduction and the Refutation of Idealism I Some problems of transcendental idealism Kant’s transcendental idealism, with its characteristic distinction between appearances and things-in-themselves, is not the soul¹ of his philosophical system (Prol, AA 04: 374.11– 12), but it is still present throughout the whole of the Critique ² and raises many difficulties which have influenced the history of philosophy. It implies the unknowability of things-in-themselves and teaches the exclusive knowability of appearances. But Kant never proves the unknowability of things-in-themselves as such, but rather that what is knowable for us cannot be a thing-in-itself and therefore has to be a mere appearance. This proof rests on the common principle of all appearances, the nature of space and time. If it can be established that space and time are only subjective conditions of our cognitive relation to appearances, then it is also established that everything in space and time is only an appearance and not a thing-initself. If it is to be shown that our knowledge is never anything else but knowledge of appearances or generally that the objects of our knowledge are not things-in-themselves, then it must be proved that (1) space and time are forms a priori of our sensibility and ipso facto principles of the appearances, and (2) that they are nothing but subjective forms of sensibility, which means that the appearances made possible by them cannot be things-in-themselves. In all this it is assumed as a fact that all appearances of outer sense and of inner sense are given in space and time, so that there are in fact no non-spatial or nontemporal, but nevertheless sensible, objects.

My thanks go to Hoke Robinson for his friendly help in the English version of this paper and to Richard A. Aquila for his critical and penetrating comments on it.  As the “soul” of the whole work Kant names the problem: “How are synthetic propositions a priori possible”? (VAProl., AA 23: 57.03)  Kant says (Prol, AA 04: 374.11) that his formal or critical idealism goes “through my whole work.” But the term “transcendental idealism” can be found in the B edition only three times in the Dialectic and only in the sixth section of the chapter on antinomies (B 518 – 20) which was already part of the A edition. Kant has reduced the use of the term in the B edition, cf. A 369, 370, 371, 392. https://doi.org/10.1515/9783110605327-005

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In thus describing some of the ramifications of transcendental idealism I have made use of the notion of an appearance; as is well known, this term is controversial in its meaning and value, as is its counterpart, the notion of a thing-in-itself. Since this is not my topic here, let me just mention that I regard the reduction of the Kantian distinction between appearance and thing-in-itself to a double-aspect view as mistaken. For although Kant frequently speaks of these as two aspects of the same object, it is equally true that he uses the expressions –and legitimately so, as I believe–to designate two species of object. Since the first use of appearance vs. thing-in-itself is unproblematic, with regard to the second use it may be sufficient here to point to the domain of practical philosophy, with its presupposition of transcendental freedom of the will for the possibility of moral judgment. As to the Critique of Pure Reason itself it may suffice to point to such passages as e. g. B 306 and B 308 f where both views can be found side by side. B 306: “if we entitle certain objects, as appearances, sensible entities (phenomena)”, we thereby distinguish “these very things³ […] considered in their own nature” from “the mode of our intuiting them”–so far, the doubleaspect view can be maintained. But Kant continues: This distinction may also mean “that we place other possible things, which are not [at all] objects of our senses […] in opposition to the former and […] entitle them intelligible entities (noumena).” This undoubtedly involves the assumption of two species of thing, and not of two aspects of one and the same thing. The same remark could be repeated on B 308 f: “Doubtless, indeed, there are intelligible entities corresponding to the sensible entities [double-aspect view]; there may also be intelligible entities to which our sensible faculty of intuition has no relation whatsoever [two-species-of-things view].” Another instance of a twofold meaning is more relevant to our subject: If ‘appearance’ means the same as ‘sensible entity,’ i. e. ‘object of the senses,’ then there must be two very different species of appearance, those of outer sense and those of inner sense. So there is no ambiguity in the notion ‘appearance’ when Kant on the one hand frequently identifies appearances with representations, and on the other hand identifies them with objects of representations. In the first case he speaks of appearances of inner sense⁴ and in the second case he means appearances of outer sense. This twofold meaning of ‘appearance’ is not an illegitimate ambiguity of the term but instead plays, of course, a certain role in the Deduction, and in the Refutation as well.

 Here Kemp Smith’s translation (which I quote in a slightly altered form) is at least misleading.  They may, of course, have originally been appearances of the outer senses.

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Related to this topic is the well-known definition of appearance (B 34), according to which it is the “undetermined object of an empirical intuition.” This definition is different from the definition of the phenomenon in A 248 f: “Appearances, so far as they are thought according to the unity of the categories, are called phaenomena.” So not every appearance is a phenomenon, and this for two reasons. According to its definition (B 34) an appearance is an object to which an empirical intuition containing sensation is related. This object of an empirical intuition is undetermined in two ways: (1) The empirical intuition is frequently said to “give” an object. But an object is not a datum, but something that is thought, that must be thought and that can only be thought. For as an object it is always an object of a representation and thereby also distinct from its representation in us; the representation is only referred to it by our understanding. This is true even if a representation can itself be called an object (A 108, B 234), just because it can itself be represented (i. e. be made an object) or, what amounts to the same thing, because it can be brought to consciousness (i. e. be made an object of consciousness). As an object that is distinct from its representation and to which a representation is referred, the object is precisely not given. For this would mean that the relation to the object would be given together with an empirically given representation. So we have here a one-way street only: The empirical intuition of an object can be referred to the object by the understanding (i. e. from within to without). But the representation is not given as the representation of an object, that is, by itself it neither refers to an object nor to a subject in which it is given and by which it is related to its object. And this means that the appearance, as an undetermined object, is primarily undetermined with respect to its object, viz. with respect to the question whether this object is different from the knowing subject or whether it is the knowing subject itself. Since an appearance as such does not yet imply any determination of an object, there is still an abstraction from the difference of objects of inner sense and those of outer sense. Therefore appearances are one and all data of the representative faculty, with respect to which it is still open whether they are mere representations (in inner sense) or whether they are, in addition, representations of external objects. So the definition of an appearance as an “undetermined object” of empirical intuition only anticipates the relation to the object brought about by the understanding. So I can call something an undetermined object only if it has become an object at all by virtue of having lost its indeterminateness. Taken by itself an appearance either is no object at all or only in the sense in which even a representation can be called an object. (2) The second kind of indeterminateness of an appearance becomes clear by virtue of its distinctness from the phenomenon: If appearances become phenom-

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ena only by being “thought as objects according to the unity of the categories” (A 248 f), then phenomena are obviously determined appearances or appearances as objects. They have then lost the indeterminateness that made it questionable to call them objects (if undetermined ones) at all. As such they are no longer mere given objects of the senses, but objects of the understanding that are thought. As a result they have received a determinateness according to the categories, for the understanding in its thinking of objects necessarily thinks “according to the unity of the categories.” This will occupy us later on. Here I only want to point to a consequence of this thinking: categories are concepts of objects in general “so far as the manifold of their intuition must be thought through one or another of the logical functions” (A 245, cf. B 128). If e. g. we take the category of substance, it is the concept of an object whose manifold of intuition is so constituted that it must be thought as “the last subject of all other determinations” (A 246) and consequently cannot be thought as a predicate.⁵ The determinateness of the appearance qua phenomenon e. g. in the case of a substance is such that through the category applied to an object “the intuition of [it] is regarded as determined in respect of one of the logical functions of judgments” (B 128). In our case this means: since the intuition of a substance is the intuition of something permanent whose determinations change, it must be thought by me and any other person through the subject in a categorical proposition, and its changing determinations can only be thought through predicates. This is the analytic procedure of the Prolegomena (§§ 20, 21, 34): Intuitions as determined by categories determine the form of judgment about the object. According to the synthetic procedure of the Critique it is the reverse: the intuition of the object has to be determined with respect to a form of judgment. This intuition is only an analogon of the category, it is only its schema. So if I think an appearance as a phenomenon, it is not only determined whether this phenomenon is an object in space or whether I am myself the object, but it is also determined whether I think the substance or only one or another of its changing determinations. In the case of outer or material phenomena this determinateness is difficult to achieve. It “requires much labour to distinguish what of all that is presented in intuition is substance” (B 408). The search for substance that somehow must be given in the intuitively given empirical manifold is guided by the schema of the category: What is the permanent in the change of its states? So in principle it is determinable whether an outer phenomenon is substance or accident. In the case of inner appearances, to be sure,

 Cf. B 129: A body as substance is so determined “that its empirical intuition in experience must always be considered as subject and never as mere predicate.”

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it is certain that the phenomenon in question can only be thought, and not empirically intuited. For here there is nothing that corresponds to the schema of the category substance i. e. nothing which is permanent and in which the determinations change, but only the pure change of determinations itself. But just because of this asymmetry between the inner and outer object it is, in principle, decidable, for an appearance which is not permanent, whether it represents an outer phenomenon (viz. whether it represents something permanent or something that changes within something permanent) or is only an appearance in inner sense that changes and whose non-changing substrate, the soul, can only be thought (cf. A 381). For this decision, therefore, the use of categories is presupposed. The decision can only be made by the understanding, which in this case not only refers an appearance to an object but also thinks this object through categories, and therefore has at its disposal a criterion for the distinction of objects from mere states, viz. the schemata. If there is some truth in what I’ve said so far, there is a consistent use of the term ‘appearance’ in Kant; but this only means that there is no ambiguity in this notion, that we do not need to suspect the presence of metaphysical nonsense in the notion of the thing-in-itself, and, finally, that nothing so absurd as the distinction between subjective and objective objects is necessary. But even if this could be established, it would make good sense to distinguish conceptually between two species of appearances, but it would still be possible that, in fact, all appearances are appearances of inner sense, so that it would be uncertain whether the appearances of outer sense could be not only representations in me, but also could be referred to objects in space different from me. For if these representations should not only exist in me, i. e. in my inner sense, as my representational states, but also, together with the spatial determinations of their objects, be mere products of my imagination (as in the case of phantasies and in dreams), then they would also have their origin from me as their efficient cause, one that is consciously or unconsciously active. This doubt, therefore, is even possible if, as a transcendental idealist, one considers the objects of inner and outer sense, not as things-in-themselves, but as mere appearances. Thus, although the transcendental realist according to Kant (cf. the 4th paralogism in A) inevitably becomes a material idealist (be it dogmatic or sceptical), the reverse does not hold, that a sceptical idealist is always a transcendental realist, i. e., that only the transcendental realist can be a sceptical idealist. The refutation of idealism in the B edition says expressis verbis that the problematic or sceptical idealist “makes no assertion about this” (B 274), i. e. does not assert that space belongs to things-in-themselves as is asserted by the transcen-

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dental realist.⁶ This is sufficient to exclude the interpretation that the refutation of idealism is meant to prove the existence of (permanent) things-in-themselves in the sense of transcendental realism, as has been suggested following Kuno Fischer. A proof for the existence of things-in-themselves is nowhere to be found in Kant’s theoretical philosophy. Their existence is always only presupposed or assumed.⁷ On the contrary, it seems prima facie not only difficult, but even impossible to distinguish outer from inner appearances. For although outer appearances can be referred to objects by my use of space, space itself is only a mode of representation and therefore something subjective. On the other hand, the objects in space can only be given for me, and thereby thought as objects, by their being brought to my consciousness, and this implies that I set their representations into my inner sense (empirical apperception). Why should this be different in the case of unconscious spatial fictions of the imagination (as in dreams)? There is, therefore, a problematic idealism not only of Cartesian but also of Kantian origin which needs a refutation. On the other hand one can say: if it is possible to refute material idealism in its sceptical version on the basis of transcendental idealism,⁸ then transcendental idealism can be regarded as unrefuted to the extent that no absurd consequences follow from it (following Jacobi). Kant’s self-imposed task is to prove that objects in space are given to us in sense and experience, and not only in imagination.

 The best interpretation and analysis of the paralogisms in the two first editions of the Critique and also of the relation of the two refutations of idealism in A and B I know of is: Lüder Gäbe: Die Paralogismen der reinen Vernunft in der ersten und in der zweiten Auflage von Kants Kritik. Marburg 1954 (not in print). Gäbe assumes with Klaus Reich that a new reading of Hume was the occasion for Kant’s refutation of idealism in B. Although this may be the case this raises the problem that Kant elsewhere traces Hume’s scepticism back to his transcendental realism. This seems to be in conflict with the suggestion that Kant specifically thinks of Hume when he says of the problematic idealist that he does not assert anything about the transcendental reality of space. But at A 372 Kant says that all empirical idealists known to him are transcendental realists.  Cf. Kant’s refutation of the ontological argument where he shows that a particular thing-in-itself, God, cannot be proved to exist because this would be a synthetic a priori proposition that can only be established as a condition of experience. But, of course, it is, for Kant, possible or even subjectively necessary to assume God’s existence and to believe in it. Since existence (actuality) is a category, what Kant says of the categories in general–that they are valid only of objects of possible experience and not of things in themselves–is true of the proof of every existential proposition.  Of dogmatic idealism Kant asserts that it has been shown to be unfounded already in the Transcendental Aesthetic. Therefore there remains only problematic idealism to be refuted.

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II The Refutation of Idealism Kant introduces idealism as an objection to the procedure of mediately proving the existence of something, i. e. to the inference to the causes of real things or events. The existence of objects or states of objects is immediately certain if they are perceived. Their esse is percipi, for “perception […] is the sole mark of actuality” (B 273). This, of course, does not mean that only perceived things or perceivable things are actual, but only that actually or possibly being perceived is the sole way for us to know of the existence of something and to be able to assert it legitimately. There is no restriction by definition of existence to things perceived in Kant (as there is in neo-positivism), but surely it is a consequence of the Transcendental Analytic that a justification or deduction of existential propositions can only succeed with objects of possible experience. Perception, or rather being perceived, is therefore only the sole mark (“Charakter”) or the criterion of actuality, not its definition or concept.⁹ To assert the actuality of objects does not mean, of course, that I or somebody else has already perceived them, but only means that they are asserted as perceptible, i. e. as objects of possible perception. This assertion, in turn, can only be justified if a reason for it is given, which reason must be the connection obtaining between the actual which I assert and my actual perceptions, i. e. the connection with my sensations: “That which is bound up with the material conditions of experience, that is, with sensation, is actual” (B 266) and a perception is only a sensation of which we are conscious (B 272). So it is not the actual object itself which must be sensed, but its effects on other objects which are connected with it as their cause according to the analogies of experience. If I sense the mediate or immediate effects of an object, this proves the existence of the object as cause. This is a general truth. So sensations prove the presence of an object immediately, and mediately they point to some unknown, but real (because effective) cause. But since the inference to a definite cause is always un-

 It is strange that Colin Turbayne (233) who wants to prove the dependence of Kant on Berkeley finds the esse=percipi-principle in two passages in the fourth paralogism in A (A 370, 491) where it is not to be found (also it is not to be found in Prol. § 13). But where it can indeed be found, he seems to overlook it, cf. A 371, A 375: “All outer perception yields immediate proof of something real in space or rather is the real itself.” This means that an externally perceived thing is eo ipso a real thing. That this is intended as a simpliciter convertible equation is shown by a passage following shortly afterwards: “Reality in space, being the reality of a mere representation, is nothing other than perception itself” (A 376). Of course, such passages prove nothing for Kant’s dependence on Berkeley, but the agreement with him is evident. Cf. C. M. Turbayne: Kant’s Refutation of Dogmatic Idealism. In: Philosophical Quarterly 5 (1955) 225 – 44.

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certain (unjustified) because of the plurality of possible causes, and since an immediately given sensation, or rather a sense datum, has to be regarded as the effect of a power (as affection), idealism seems to be irrefutable to the extent that it claims that the existence of objects in space is in principle uncertain, since the cause of our sensations or perceptions may lie in us (in our power of imagination) or in some outer object. The refutation of idealism must, therefore, consist in a deduction of the use of the category ‘actuality’ of a particular cause. The validity of the modal categories cannot be established by proof, but only by a deduction. For in their case we do not assert a synthetic predicate of objects of experience as necessary (because of its being a necessary condition of the experience of objects or events); rather it is only a postulate of empirical thought in general that objects in space exist. Generally speaking it is not necessary that there be possible, actual, or necessary things. For according to Kant these modal predicates mean only that the concept of such things is connected with one or the other faculty of knowledge. In the case of actuality this is the faculty of “perception (sensation as material supplied by the senses)” (B 286), i. e. sensibility. It is not in itself necessary that there be possible, actual, or necessary things, i. e. one cannot prove such things, because it is in itself contingent whether or not there is something given to the faculty of knowledge in pure intuition, in sensation or as necessarily connected with such sensations. All proof of objective validity in the use of the other categories presupposes the possibility of experience as their ground of proof. Experience itself, however, is, as to its given material, not necessary and therefore it is also not necessary that there be possible, actual, or necessary things in it or as its condition. So if we take into account the systematic position of the Refutation of Idealism in the B edition, we must say that the existence of objects in space, too, is not in itself necessary, but only if there is a certain other experience which has an actual object in it. On the other hand, the existence of spatial objects in general must be demonstrated, if the sceptical doubt of the idealist is to be countered. In contrast with the fourth paralogism of the A edition it is now no longer sufficient to point out that the existence of outer objects is not at all inferred, but is as immediately certain as my own existence. The immediacy of the consciousness of outer objects and their existence (B 276 n) is only a relative one. It is true that I do not infer the existence of outer objects as the causes of my sensations of them, sensations which in inner experience I know as my states;¹⁰ but in another  When I make such an inference I infer to the transcendental cause of the appearance of outer sense and of inner sense, i. e. to a thing-in-itself not in space and time, and although this is a plausible inference it only makes use of the empty, not schematized concept of causality without any cognitive value for the determination of this thing-in-itself.

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sense the refutation of idealism is a mediate way to knowledge (as is every proof): I know that the consciousness of spatial objects is an immediate consciousness, because something else is the case. So I know that a precondition must be fulfilled in order that something that in fact holds can be a fact. Such a regressive argument to the conditions of a fact is only valid ad hominem: it can only be used facing an idealist who concedes inner experience.¹¹ On closer inspection, the refutation of idealism is an argument for the immediacy of outer experience that rests on the dependence of a particular inner experience on objects that fill space. The salient point is that originally such objects cannot be mere fantasies. The refutation of idealism has succeeded if it has shown that there must be an outer sense in order for something like the fantasy of an outer object in space to be possible. But it would be begging the question to claim the primacy of outer sense over imagination, if there were no outer sense. Therefore Kant proceedes to prove that we must have outer sense if a particular inner experience is to be possible. This experience is that I can say of myself that I am thinking or intuiting this item and sometime ago that one, that I have or have had for such and such a time these or those representations and that sometime ago I started with this line of thought and shall stop in a certain period of time. The experience of myself which is circumscribed as the consciousness of myself “as determined in time” is, therefore, the experience of determined relations of successions of my representational states as well as the measuring and the dating of these my states. Kant claims that this kind of “determination of time” (B 275) or the determination of the change of my representations as temporally successive states of my existence cannot take place without there being given for my consciousness, in addition to my constantly changing representations, a something that does not change, something permanent. The consciousness of this permanent something is its perception, but this representation that I represent a permanent thing is itself changeable and perishable and is of more or less brief duration. But – and this is Kant’s claim – what is represented in this perception cannot be a perishable thing, or at least it cannot perish as long as it serves as the substrate of my representational states in their change, their duration, and their date. The permanence is therefore only a relative one, and need not be the absolute permanence of the last substance which is the subject of the first analogy of experience. The argument used here by Kant is no more subtle than that in Plato’s Theaetetus: in

 Kant cannot have known Hume’s Treatise, for he says B 71 that until now nobody has yet been guilty of the absurdity of changing our own existence into a sheer illusion. So Kant does not take into account such a radical scepticism.

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order that I can say ‘something changes,’ something at least relatively unchanging is needed against which I can perceive the change. For if everything was in change, I could not perceive, and could not say that change takes place. The presupposition of the use of this argument in Kant is that all representations constantly change and that I, therefore, could not say of them that they change, how they change, and when they change, unless something changeless could be perceived that remains invariably one and the same (at least for some time), even though its representations are changing over time. Kant does not say how I can know this permanent thing as permanent; he only infers that it must be perceived somehow, whenever I perceive my inner change as such and determine it in the manner just indicated; and he distinguishes the permanent thing as the “actual thing” (B 275) from the perishable representation of this thing.¹² Kant says that this proof is a strict one and the “only possible proof ¹³ of the objective reality of outer intuition” (B XXXIX n), and seems to distinguish it from a mere refutation. On the other hand, idealism is, of course, refuted, once the positive proof is accomplished. But Kant also says (twice) that the existence of things in the outer intuition cannot be further explained with respect to the “how” of this existence¹⁴ (B XLI n): “We may or may not discern the possibility [of the immediate consciousness of the existence of external things]” (B 276 n). Notwithstanding this inexplicability we have a secure knowledge of the existence of outer things and not (as Kant says against Jacobi) merely faith. The whole argument rests on the assumption that a permanent thing cannot be found in me. If the existence of something permanent is necessary for inner experience, then there is a relation to something different from me, if inner ex-

 The perception of a real thing that is distinct from my representations is at the same time an immediate consciousness of the existence of things outside me, because a triple implication holds: (1) if I am conscious of a real thing, I am immediately conscious of the actuality of this thing, (2) the consciousness of myself is simultaneous with the consciousness of the existence of other things because the latter has to be regarded in some respect as a necessary condition of the former, (3) a perceived thing that is distinct from me is always a thing in space outside me. In (1) Kant infers from the particular to the general, in (2) from simultaneity to the implication of the condition in the conditioned, in (3) from difference to the spatiality of the different. I will not discuss the soundness of these inferences.  If this is correct, the refutation of idealism in the fourth paralogism in A is not a positive proof, but only the dismissal of idealism by showing its lack of foundation, if transcendental idealism holds (cf. B 274).  The immediate consciousness is proved as something that must be presupposed even if it cannot be explained. So it is not presupposed, but must be presupposed, if inner experience is to be possible.

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perience is to occur. But can it not be sufficient for the possibility of inner experience that I merely imagine a permanent thing as existing? And cannot the one experience which embraces both outer and inner experience be entirely a product of imagination, i. e. imagined experience? Thus Kant has to demonstrate that the permanent thing cannot be merely imagined, and that what enables us to intuit the permanent thing (an intuition which, as conscious, must be in inner sense) cannot be imagination. For if this were the case it would mean that we had only two faculties, inner sense and imagination, the latter of which enables us to imagine outer things, but we would have no outer sense. Kant excludes this possibility. He points to the fact that we are not conscious of a spontaneous production of representations of outer objects when we normally perceive them. This means that we are conscious of our receptivity, i. e. passivity, in the intuition of something external which we cannot avoid or change ad libitum, as we can do with the conscious products of imagination. But this is not the point of his argument. The receptivity of outer sense is nothing that could be denied by those who do not concede a real outer sense but assume only an imagined one. But he who believes that we can spontaneously imagine all outer intuition believes eo ipso that imagination can determine inner sense, as ex hypothesi the only faculty of intuition, to the fictive representation of a content of outer sense. And this presupposes that inner sense is determinable by imagination and therefore is in itself a receptive faculty of intuition. But if inner sense were to be determinable to the fiction of a content of outer sense in an original way, then we should be capable of imagining an outer receptivity, even though there would be only inner spontaneity and inner receptivity in us. But in this way it would be inexplicable how I could arrive at the fictive representation of an outer receptivity at all. This, however, is assumed, if I am to be able to imagine an outer sense. Therefore the imagination can only determine inner sense to the mere representation (intuition) of outer objects without their presence, if there is an outer sense, that is, if there already exists an outer receptive faculty of intuition which is the necessary precondition of all imagination. Now if there is no outer sense, that which I imagine (intuit without presence) cannot transcend inner sense as receptivity for my own spontaneity. (This is the subject of Kant’s doctrine of self-affection in § 24.) But then there is receptivity for myself as the author of this self-affection, and hence an empirical consciousness of myself as a successively acting agent, but no intuition of myself and still less of another object in space. In the Reflexionen Kant, therefore, has founded the refutation of idealism on the argument of the nonderivability of space from time as the form of inner sense. In a purely formal way Kant’s reasoning is this: If there were no outer sense and I merely imagine it, there would still be my spon-

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taneous product ‘outer sense.’ But I cannot produce receptivity spontaneously, because this involves a contradiction. Therefore imagination of an outer sense would mean the annihilation of the (sensible) intuition as receptive. But what is the permanent thing which must exist and whose outer intuition is presupposed for inner experience? Kant points to the fact that all empirical time determination, in this case all measuring of time, can only be performed by comparing the duration of a temporal process with a movement in space. This movement, e. g. of the sun, can only be perceived against something (apparently) permanent on the earth, and can only be measured, if the objects on earth include a standard for measuring of the distances traversed. A clock is an analogous model for the apparent movement of the sun or for the rotation of the earth, and these movements become perceptible through the movement of the hands against a (relatively) permanent dial plate, and become measurable by means of spatial distances. Accordingly the year is measured via the movement of the earth around the sun, etc. or more precisely via its models. Clocks and calendars as the means of measuring and dating presuppose spatial and constructible movements vis à vis a permanent scale. But the concept of permanence is not an empirical concept. That it cannot derive from inner intuition is clear. But in addition, the permanent of outer sense is not something from which this concept has been abstracted. Kant here makes use of his doctrine of schematism, in particular the definition: “the schema of substance is permanence of the real in time … as abiding while all else changes” (B 183). This a priori established permanence requires the search for something permanent in the manifold appearances of the outer senses, if experience is to be possible as empirical time determination of successive and simultaneous appearances (i. e. appearances apprehended mutually one after the other). The permanent searched for, therefore, would be something that corresponds to the schematized concept of substance within empirical intuition. Now according to Kant, among the appearances of outer sense only matter can serve as an empirical representative of the a priori established permanence, and this means at the same time that permanence is not an empirical character of matter. Therefore this necessary condition of all time determination (viz. the permanent as that which is simultaneous with the changing) is relatable to matter not only as an empirically given object of outer sense, but also as a necessary condition of time determination of our own existence, the states of which are revealed to us by inner sense. The correlate needed is that which in outer sense constitutes the permanent in the empirical intuition of matter. That which in all change of the states of matter can never change and which therefore constitutes the materiality of matter is, according to Kant, the impenetrability through which it fills a space. This is the

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truly real in spatial matter which more than anything else corresponds to the permanent we need in these objects. This means that in fact the permanent presupposed for empirical time determination in inner experience is this real of outer sense which corresponds to sensation, and this is the impenetrability of matter, that which renders it capable of being sensed. So it seems that the doctrine that the permanent and its outer experience must be presupposed for empirical consciousness of my own existence and its temporal determination amounts to a quasitranscendental materialism: If inner experience is to be possible (and it is a fact) then there must be something like tangible matter in space. Commentators who take Kant as a theorist of experience find in his refutation of idealism a method which can be characterized in two ways: (1) Kant takes as his basis an experience universally admitted as a fact, inner experience, and argues regressively to the conditions of its possibility, (2) Kant infers the immediacy of outer experience of material objects in space as a necessary condition of empirical selfconsciousness (cf. Strawsons’ “conceptual scheme”). So commentators like Strawson seem to be justified when they find an analytic argument in Kant that they call a transcendental argument. In considering the deduction of the categories I shall make an attempt to show that this is not Kant’s argument: (ad 1) Kant presupposes inner experience in the refutation of idealism, but he is justified in doing so only if he is arguing ad hominem. In establishing his own theory he can presuppose the possibility of experience only because he has proved it in the deduction as necessary, and not because one sort of sceptic admits one sort of experience, viz. inner experience, as a fact. (ad 2) The possibility of empirical self-consciousness means the same thing as the possibility of inner experience. This latter in turn rests on the contingent as well as the necessary harmony of sensibility and understanding, and not on an empirical fact.

III The Deduction of the Categories It is, of course, impossible in a short paper to give a description of the deduction of the categories or to fully analyse it. I shall, therefore, only argue for three points which seem to me to be neglected in the secondary literature: (1) § 15 of the Critique contains the foundation for the two partial proofs of the deduction (§ 20 and § 26), (2) the synthesis intellectualis and the synthesis speciosa are not related to each other as the general to the particular or as a priori to empirical synthesis,

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(3) the objective unity of apperception and the necessity of possible experience rest on the harmony of two cognitive factors, the heterogeneity of which enforces the division of the deduction. (1) The problem of the relation of the two parts of the B deduction, discussed for almost a hundred years, has received renewed attention from Henrich and the discussion inaugurated by him. Although it is true that the first part of the deduction (§ 20) proves the validity of the categories for all objects of sensible intuition in general, and the second part (§ 26) proves that all objects of our human experience stand under the categories, this information hardly contributes to our understanding of this bipartite structure. For one must, of course, ask the question: Why does Kant’s argument not simply run like this: Since all objects of sensible intuition in general stand under the categories and since our empirical intuitions, conditioned by space and time, are a particular case of sensible intuition in general, all our spatially and temporally conditioned intuitions and hence all objects of experience stand under the categories.¹⁵ D. Henrich offered the opposite view. According to him the division has to be explained thus: Whereas the first part of the deduction leaves open the possibility that only some intuitions, viz. those that already contain unity, stand under the categories, the second part is the proof that all intuitions possible for us and their objects are determined by the categories. On this reading the first and the second part are related as the particular to the general part. I shall not repeat the objections to this view.¹⁶ My own solution for the problem of the division of the deduction proceeds from the assumption that Kant does not ask how many objects or intuitions are determined by the categories, but rather asks: Since the categories are necessarily valid of objects, (a) what are the objects like, and (b) how does this validity become effective in our knowledge of these objects? The answers to these questions are given in § 20 and § 26 respectively. In § 20 it is proved that intuitions which are non-intellectual must stand under the categories of a discursive understanding, if they are to be intuitions of objects. But for such an understanding it is necessary that there be such objects of sensible intuition for it. (From this it follows as a consequence that only appearances can be thought a priori through the categories as determinate objects: §§ 22, 23.) In  Cf. R. Zocher: “Kants transzendentale Deduktion der Kategorien”, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 8 (1954), 161– 194, 165.  Cf. my book Deduktion und Beweis in Kants Transzendentalphilosophie. Königstein/Ts. 1986 and my paper “Der Aufbau der Deduktion der Kategorien,” in: Proceedings of the Sixth International Kant Congress, ed. G. Funke & Th. M. Seebohm, Bd. II1, Washington 1989, 143 – 56.

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§ 26 it is shown that even perception and, by means of perception, experience of objects of sensible intuition rest on the categories. That of which the categories are necessarily valid are objects which can be perceived in space and time, but this only holds because perception itself is conditioned by the categories. In both parts of the deduction, what is at stake is not the relation of the universal to the particular or vice versa, but the relation of objects of intuition and thought to empirical knowledge of these very objects. The reason for the division of the deduction may be given in a first formulation like this: Since the objectivity of objects is a thought of the understanding, one which is thought and has to be thought before any experience takes place, it is a problem how this objectivity which cannot be an empirical concept nevertheless can be empirically known through the apprehension of sense data. For this implies that objects can be distinguished from merely subjective combinations of representations and their consciousness. How, in a word, can objective validity be reached through perceptions which are quite independent of the understanding? If one reads Kant in the usual idealistic manner, he proves too much, viz. that the understanding is the author of the transcendental laws of nature and of possible objectivity of empirical knowledge through perception. On this reading it becomes unintelligible how the understanding can ever be frustrated in its efforts to understand the world. Since nature in its formal characteristics is a product of the understanding, it becomes inexplicable how the understanding should ever be mistaken in knowing its own products (at least as to their form). For to assume that our cognitive faculties have only misused their given materials – empirically given intuitions and the categories of the pure understanding – would imply that the latter were falsely applied to the former, and since both of them are only subjective it is hard to explain how such a misapplication could come about. If you rely on the idealistic model of the maker’s view of his product, it becomes inexplicable why our perceptions of objects are ever at variance with empirical knowledge of them, for these very objects seem to be forged from some intuitive matter by the synthetic capacities of the understanding. So how can it ever happen that our perception does not properly fill in the intuitive (space and time) and intellectual (categories) framework that conditions them in one or the other manner? In terms of a theory of truth one could spell out this question as follows: Why should our empirical propositions ever not correspond to their objects, if these objects are nothing but something constituted by the synthesis of the understanding which somehow both guides the synthesis of the apprehension of the manifold of empirical intuition and governs the synthesis of, say, subject and predicate in judgment?

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Now if this way of asking the question indicates very vaguely that there are two epistemological problems to be solved in the deduction that enforce the division of the deduction, it is equally true that Kant does his best to give a unitary solution to these two problems. But this very solution is, in my opinion, the source of several misunderstandings. But before I come to this let me first stress Kant’s efforts to unite the two parts of the deduction. It seems natural to start any account of Kant’s transcendental deduction with the much-quoted opening sentence of § 16 which speaks of the analytic unity of apperception and prepares the way for Kant’s argument that for this unity some synthetic unity of apperception is necessary which in its turn implies a synthesis: “It must be possible for the ‘I think’ to accompany all my representations” (B 131). But in taking one’s start from this point one neglects the fundamental role of § 15 which treats of the combination in general of a manifold in general and claims that no combination of any kind can be given by perception or through the senses, but instead all combination must be thought through the understanding. This has more than once been taken to imply a sense-data atomism which would be hard to defend. But to refute this misinterpretation it is sufficient to note that Kant is not speaking in particular of sense data but of a manifold in general (he names the manifold of intuition or of various concepts), and that he does not speak of its being given but of its being represented “as combined in the object” (B 130). It is objective combination as such that requires the understanding for an act of synthesis, which in turn presupposes some unity in which this synthesis is to terminate and which as an original unity is the ground of all intellectual uniting of all manifolds that are to be referred to as objects or as objectively valid. Now in § 16 this original (transcendental, qualitative) unity is identified with the original synthetic unity of apperception, and this means that all objective unity can be thought only if it somehow depends on the unity of self-consciousness or is rather the correlate of this unity. All this is well known, but all I want to stress here is that the synthesis of the understanding is introduced by Kant as a prerequisite of objective thought, even before he establishes his doctrine of apperception. For in this extremely formal way of considering combination in general and the manifold in general he implicitly gives the elements of the disposition of the deduction, i. e. of the two parts which answer to the conscious combination of concepts in judgment and of intuitions (in general) (first part) and the unconscious or conscious combination of the pure or empirical manifold of the senses (second part). The two species of combination are later distinguished according to their matter as synthesis intellectualis and synthesis speciosa, respectively.

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(2) At the other end of the B deduction in § 26 we find another passage where Kant stresses the unitary character of his argument, and I believe that this footnote to B 162 has misled many generations of commentators and made the division of the deduction almost unintelligible, as a result of Kant’s extremely misleading way of expressing his intentions. Kant’s well known words are: “It is one and the same spontaneity, which in the one case [i. e. the synthesis of apprehension], under the title of imagination, and in the other case [i. e. the synthesis of apperception], under the title of understanding, brings combination into the manifold of intuition.” (B 162 n). Now it is very tempting to read this as follows: There are two species of spontaneity, imagination and understanding, or rather – which better conforms with § 15 – there is one spontaneous understanding which in its application to intuitions is only called imagination, and this spontaneous faculty does a twofold job: (a) it unites an empirically given manifold of sense in apprehending it and in forging a picture of a given object of sense, but (b) since it is governed somehow by the unity of apperception it intellectually combines the pure manifold of intuition in an a priori manner, and since these two acts of spontaneity are involved in the cognition of an object, this object is at once perceived and thought through the categories of the understanding. Now if this were Kant’s intention in this passage, at least two things would have to be granted: (i) whatever I perceive is not only truly, but even necessarily an object of empirical knowledge, thought through the categories, and (ii) the synthesis of apprehension is only a particular (viz. the empirical) species of the synthesis of apperception which is the general and, at the same time, a priori species of combination in general. If (i) and (ii) were true this would yield the absurdities (i) that whatever one perceives is necessarily an object of experience and this experience is a whole of necessary truth, and (ii) that the categories govern the acts of apprehending a manifold of sense as it were from behind the back of the apprehending subject and thereby determine the outcome of the apprehension through empirically applied imagination, whatever the senses may give as sensible material and however it may be given to them. One need only spell out these absurdities in order to see that they are not Kant’s doctrine. But it is not so easy to say why they do not follow from what I have quoted from the text of the deduction. My claim is that the division of the deduction or rather Kant’s reason for this division avoids these absurd consequences. (3) What has been left out of closer consideration until now is that Kant says in B 162 n, that the spontaneity which is one and the same in the act of imagination and of the understanding “brings combination into the manifold of intuition.” It

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seems perfectly clear that the imagination as a spontaneous source of combination performs the empirical synthesis of apprehending given sense data, but what exactly does the understanding do spontaneously? When it brings combination into the manifold of intuition, that is of space and time, it does so in an a priori manner, because the manifold with which it is concerned and the synthesis that is necessitated by the unity of apperception are given a priori and thought a priori respectively. The result of this a priori synthesis is no other than space and time themselves, taken not as forms of intuition, of course, but as formal intuitions. The two examples of which Kant speaks in § 26 mention a “Synthetic unity of the manifold in space” and a “Synthetic unity of the manifold” of time (B 162 f), and they are what results from the act of combination that the understanding brings into the pure manifold of the two forms of intuition. But since the act of understanding can be called transcendental synthesis of imagination (B 153 f), the two products of spontaneity are both products of the imagination: perception as the result of apprehension, and space and time qua formal intuitions containing a synthetic unity of a pure manifold as the result of a transcendental synthesis. But while the first is engaged in making an appearance empirically conscious, the latter must be unconscious, since space and time seem to be given as entia imaginaria, i. e. hypostatized modes of representation that are thought as quasi-objects. Now if we look back to the §§ 15 ff we have the intellectual synthesis which unites concepts in judgments, the objects of which judgments are necessary synthetic unities of non-intellectual intuition. The categories are concepts in which these intuitions are thought as corresponding to the forms of judgment. Now if the latter are necessary for a discursive understanding because they are the only ways this understanding brings about its self-consciousness in an objective way, there must be objects of its intuitions that are in necessary correspondence with the categories. The second part of the deduction makes an entirely different start. It proceeds from space and time as forms of intuition that underlie apprehension. Now if space and time are also wholes of parts that are united and have a certain structure (in the case of time: it is an infinite whole of parts that succeed one another in one dimension and in one direction), they (a) condition apprehension somehow as these wholes, but (b) (as was shown in the two last arguments of the Metaphysical Exposition of space and time) this characteristic unity of space and time cannot even be thought originally by concepts. So there seems to be a split within the whole deduction. This is indicated by Kant’s formulation that there is a combination given “not indeed in, but with these intuitions” (B 161) of space and time. For this means that space and time are synthetic wholes, but have their unity not from themselves, but from

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the understanding. Now it is not the concepts of the understanding to which space and time owe their unity, and therefore not the categories. And this is the fact that is recognized in the division of the deduction. But it is the original unity of apperception as somehow governing the synthesis of the understanding qua synthesis speciosa of the imagination which is responsible for the unity of space and time which can, therefore, be subsumed under the categories. This is what is obscured by Kant’s formulation in B 162 n. This means that it is only contingently possible that the totally heterogeneous sources of knowledge, sensibility on one side and the understanding on the other, harmonize in such a way that the understanding can bring about space and time as formal intuitions under its title ‘imagination.’ If, on the other hand, the understanding were not capable of submitting all of the manifold of the sensible forms to its synthesis, it would break to pieces and would consist at best of as many parts as it has conscious fragments of space and time. So it can be said that for a discursive understanding to which all material of its thought is given from without, it is necessary to be capable of uniting all its representations in one self-consciousness. But if this can be done in view of the underivable forms of sensibility, this success not only depends on the understanding’s own capacity of synthesis intellectualis, but also on space and time as given forms of intuition that permit of being unified by a pure synthesis speciosa of which we are unconscious. But what seems to be a lack of unity within the pure understanding taken as a faculty of knowledge (and not only of thought) is, from another point of view, an advantage. For being determined by the categories is thus not something that is imposed on the appearances as something that we become conscious of through apprehension. The categories have an only indirect application to appearances as objects insofar as they are only the concepts of the contents of space and time as formal intuitions and not as forms of intuition with their pure manifold that is not yet unified in one whole. What all this amounts to is this: to stand under the categories as the pure concepts of an object in general, and to be an appearance in the one whole of space and time, is for us completely equivalent. It is not as given in space and time and then apprehended (perceived), but rather as filling one part of space and time and hence having a determinate relation to all other parts of space and time that an appearance is an object that stands under the categories. Or let me put it differently: an object is not first an object by itself which afterwards can be connected with other objects in nature, rather it is the other way round: only that appearance is an object in space and time which fits into the synthetic wholes of space and time and thereby stands in a determinate relation to all other (possible or actual) appearances.

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Being a part of nature, i. e. being in conformity to law, makes an appearance an object in the first place. Now this doctrine solves the problem described above. For it is not by being apprehended and perceived that an appearance is in conformity with the categories and therefore an object of experience, but on the contrary: appearances that do not conform to the temporal equivalents of the categories, the schemata, can never become objects for me, no matter how often I apprehend them. The schema e. g. of causality is “the real upon which, whenever posited, something else always follows” (B 183). Now what conforms to this schema also conforms to the synthetic unity of time as a whole, for it has a determinate position in time and thereby a definite relation to everything that can happen in time. But what it is that has this character can never be known from mere perception of something temporal alone. What is given by the category (first part of the deduction) and by its schema (second part) is a rule or criterion for selecting from among appearances of which I am aware the ones that besides being temporally given (i. e. somehow earlier or later than others), are such that whenever I posit them they are always followed by something else. Appearances are, therefore, objects and stand under the categories only if they have stood the test of being in conformity with space and time as synthetic and internally ordered wholes. Now if space and time have their unity as wholes from the same source which also necessitates the forms of judgments as the forms of objective unity of apperception, there is a necessary harmony, not between the categories and the appearances, but between the categories and the possibility of experience of them. For experience of some appearance, whether already perceived or not, must be possible if the intellectual unity of self-consciousness is not to be destroyed by its application to the special condition of space and time. Now, fortunately, there is no built-in conflict between our understanding and its heterogeneous counterpart, sensibility. For man, experience is necessarily possible because the possibility of experience amounts to the possibility of pure and empirical self-consciousness. Inner experience is, of course, a fact, but neither it nor outer experience are asserted as possible by Kant because they are facts. What really conditions inner experience as a particular form of self-consciousness in its very possibility is that harmony of two heterogeneous factors of knowledge for which, according to Kant, no reason can be given.

Kant on Cosmological Apperception Every reader of the Critique of Pure Reason is well acquainted with the topic of the new reflexion, inner sense. But Kant’s remarks on this topic in his main work and in the short § 24 of the Anthropology, which has the title Of Inner Sense, do not have the length, the density, and the systematic unity of our present text. It is, therefore, until now the most elaborate Kantian treatise on this topic, although the term “inner sense” does not itself occur in its second part, but is replaced by the term “empirical self-consciousness” (or “empirical apperception”). The three problem areas that are connected with one another through the topic of inner sense to one systematic whole can roughly be assigned to the three parts (paragraphs) of our text. They are a) the self as appearance, b) the self as entity in the world, and c) the refutation of material idealism. From the few words that Kant notes down concerning these problems, their relevance for his philosophy is hardly discernible. I, therefore, will briefly point to this relevance. a) If the self as object of inner intuition, as the totality of the changing states of mind (which because of its continuous successiveness has been called a stream of consciousness), were a thing in itself, then what is true of any series of events would be true of the states and changes of the mind, including our feelings and volitions: the succeeding event (state) would be determined by a preceding one, and this kind of predetermination would annihilate freedom of the human will and of human action. If time were a feature of things in themselves, then the self as a temporally changing entity in itself could not be free, assuming that all events in time must have their determining cause in a prior state of things. But Kant thinks that he can adduce sufficient reasons from his theoretical philosophy to save freedom of the will and thereby to refute an ontological questioning of ethics and morals. In our text, these theoretical reasons for the merely phenomenal character of the temporally conditioned self are recapitulated in a very condensed way. Through his thesis of the phenomenality of the self Kant is, of course, in open conflict with the Leibniz-Wolffian philosophy, in which the thinking soul or the mind is just the prototype of a noumenal substance in itself. Der Aufsatz bezieht sich auf Kants Text Vom inneren Sinn, in: International Quarterly 29 (1989), 249 – 261. I would like to thank Hoke Robinson for his gracious help with the English of this paper. https://doi.org/10.1515/9783110605327-006

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b) The thesis, however, that the human being according to its essence is a part of the world and that the representation of the world is just the content of its soul as a power of representation is specifically Leibnizian. One of the few passages in which Kant has something favourable to say about Leibnizian monadology can be found in one of his precritical writings. It reads: “There is something great and, as it seems to me, very sound in the notion of Mr. von Leibniz: the soul encompasses the whole universe with its power of representation, although only an infinitely small part of these representations is clear.”¹ It is this Leibnizian conception of the soul as vis repraesentativa universi of which one is reminded when one reads about “cosmological apperception” in our text. But apart from this, the concept of apperception itself and the notion of a soul which is filled with unconscious representations, and which by its power of thinking at first brings these representations to clarity and consciousness, is itself Leibnizian. And yet there are great differences between Leibniz’ monadology and Kant’s dualism of a transcendental idealism combined with an empirical realism. One indication of these differences is the fact that Leibniz’ system of preestablished harmony belongs just to the kind of material idealism that Kant is going to refute in our text (cf. Refl. 6315). In any case this text shows that what Heidegger has called the being-in-the-world of the human being is a topic of German philosophy at least since Leibniz. For Kant, too, the human being is not a being among others in the world, but it is what it is for itself only through its relation to the world. c) In the Critique of Pure Reason Kant’s refutation of material idealism, or his defense of the reality of the outer senses, as opposed to the subjectivity and uncertainty of entities that are suspected to be mere fictions of the mind, is intended to set off Kant’s own formal idealism from the idealism of Descartes and Berkeley. If there is no real outer sense, but only the imagination of outer objects, then inner sense would comprise the whole of reality, and one of the consequences of this would be that there could be no a priori knowledge of things and in principle no distinction between objective knowledge and subjective arbitrariness in viewing the world. Our little reflexion shows that Kant was well aware of the relevance of his conception of the ideality of inner sense for his transcendental idealism in its entirety, namely, the generality of the distinction of things in themselves from appearances, and the avoidance of a subjectivist empiricism, skepticism, or fanaticism. In terms of the Wolffian system it is rational psychology and transcen-

 Essay on the Introduction of the Concept of Negative Magnitudes into Philosophy (1763), NG, AA 02: 199.28 – 31 (my translation).

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dental cosmology that encounter each other in the doctrine of inner sense. Kant will speak, therefore, of a purely psychological and a cosmological apperception. The three problem areas of the phenomenality of the self, the emphatic worldliness of self-consciousness, and a refutation of idealism that is new as compared to the Critique, are held together by Kant’s doctrine of self-affection. It is an act that presupposes not affection, but the capacity of being affected. The frequent use of this notoriously obscure doctrine of self-affection may well be the cause of most of the difficulties that our text presents. In what follows I shall deal only with the wording of the text insofar as it is necessary for a reconstruction of Kant’s arguments, for this text was not designed as a presentation of a line of thought to other readers. The following, therefore, is not a running commentary and interpretation of notes that Kant wrote down only for himself.

1 The Self as Appearance Kant’s definition of time as the form of inner sense, of inner intuition and inner experience, is immediately put into the context of the apprehension of representations as states of my mind and of self-affection. Self-affection is both implied in a) the apprehension of a given manifold of intuition, and in b) the elementary construction of drawing a line in space as the required spatial analogy of the intuition of time itself. That one kind of self-affection is necessary for becoming conscious of the representations of my mind was stressed for the first time in §8 (B 67 f.) and § 24 (B 155 ff.) of the first Critique, both added only in the second edition (1787). Here it is argued that time is a given condition a priori of becoming aware of the representations of the outer senses. Time must be a form of sensibility just because it conditions a priori the way in which we become aware of our own activity, through which we apprehend within ourselves, combine and separate, and bring to concepts the given but still unconscious matter of outer representations. By this act of apprehension we are affected by ourselves because we become aware of this activity of the understanding (or imagination) as something that occurs successively. Positing representations into inner sense, thus making them conscious, means: positing them into time, and this, at the same time, means having a temporally conditioned consciousness of this activity of positing. The self is affected by this activity in two senses: materially by the contents of the outer senses and formally by the act of apprehension of which we are conscious only as occurring successively (cf. B 67 f.). Kant upholds the sensible character of empirical consciousness on the strength of the temporality of this consciousness: we know of ourselves merely as appearances because we have

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only temporally conditioned knowledge of our own activities of thought, but that all our self-knowledge is temporally conditioned we know a priori. Now this argument from temporality to sensibility is of course valid only if Kant has established that temporal events cannot be things in themselves. For otherwise one could argue the reverse: since we know of ourselves as temporally changing objects of inner intuition, and since self-knowledge must be knowledge of things in themselves, time must be a feature of at least one kind of thing in itself, our own souls. Against this kind of reasoning (e. g., of Ulrich²) Kant adduces an argument from the established subjectivity of space and the dependence of our pure intuition of time on space in drawing a line and abstracting from the simultaneity of its parts (cf. B 156). For him who has already admitted that space can only be a form of sensible intuition it is a fortiori clear that time must also be something merely subjective, since we have an a priori intuition of it only by means of space. And from this it follows that the self as knowable only in time must be a mere appearance, for Kant holds that there cannot be temporal things in themselves. So far there is no refutation of idealism contained in Kant’s text. Inner experience means only the bringing of the representations of the outer senses (be they merely imagined or real) into a consciousness of my representational state. But this meditation is meant to prepare the way for such a refutation, in that time’s dependence on space is then taken to be the consequence of the inner sense’s dependence on the outer senses. This, however, begs the question. Is there such a thing as outer sense?

2 The Self as an Entity in the World But neither does the second paragraph of our text deal with the refutation of idealism; it deals instead with the dependence of empirical self-consciousness on the self’s being an entity in the world, having some duration. The term “Weltwesen” is intentionally ambiguous, for though it means an entity in the world, it also means an entity that has a world within itself – it represents the universe in which it is. It is obvious that the self in this twofold meaning of “Weltwesen” must in one sense mean the human mind or soul, and in another sense the human body.

 Cf. Johann August Heinrich Ulrich, Institutiones Logicae et Metaphysicae (Jena 1785), §§236 – 239.

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We have this ambiguity already in the first argument on space in the Critique: “In order that certain sensations be referred to something outside me, (that is, to something in another region of space from that in which I find myself) […] the representation of space must be presupposed”³ (B 38). Here the sensations are clearly states of my mind which may be made conscious through inner sense. And the self that refers these sensations to an external object is certainly the thinking self or the understanding that uses the a priori given form of space as a sufficient condition of relating the states of its mind, which are not in space, to the objects outside the mind, which thus are in space. But by saying that “something outside me” means “something in another region of space from that in which I find myself,” Kant clearly refers to a spatial relation between the self and its object, and this implies that it is the body and not the mind which is called “I.” Without going into further detail, I can merely assert that only the first reading (the I as mind) provides a ground for Kant’s argument, and that the body, being an object in space, must itself be something to which our sensations are referred and cannot be the referring subject. Obviously, the self as mind and as body must be strictly kept apart, but it is equally obvious that this is not so easy, and both must be brought together. The same ambiguity can be found in the third analogy of experience. Kant says here: “The light, which plays between our eye and the celestial bodies … proves that they exist at the same time” (B 260). The eye and the stars are bodies in space and the light between them could not play between the mind and the stars. Nevertheless, it seems to be necessary to assume that the mind is somehow affected by the stars and that there is some kind of simultaneity of the embodied soul and the celestial bodies. The consciousness of the twofold self is distinguished in our text as apperceptio percipientis from apperceptio percepti. It is true that nothing in the second paragraph prevents us from interpreting the perceptum as the human body (if only it can speak and say: “I was, I am and I will be”). For it is only something in space that can have some permanence or duration, whose existence is a quantum or has a magnitude, whereas the states of mind are constantly changing and have by themselves no measurable temporal extension. Since there is nothing permanent in inner intuition, there is also no substance, no constans et perdurabile rerum (B 186), which can be directly measured as to the length of its duration. In fact all measurement of the lengths of time in which states of mind exist presupposes the use of clocks, and clocks are material bodies in space, performing spatial movements (at least in Kant’s time). The duration of the soul’s exis-

 Translations from the Critique of Pure Reason are by Norman Kemp Smith.

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tence and the measurement of this duration presuppose, therefore, the soul’s connection with a body which is enlivened by it and which is simultaneous with other bodies. For it is only the body that can be known to be simultaneous with something in the world, i. e., in space. Simultaneity as perceived by us presupposes a relative permanence, but the representation of something permanent in existence is not the same as permanent representation (cf. B XLI n). Since all our representations are transitory, it is only by the reversibility of the order of the sequence of our perceptions that we can claim to perceive something coexisting with something else, and this is the minimum condition for our knowledge of something relatively permanent.⁴ For in order for it to be known of something that it coexists with something else, it must abide, at least as long as its perception has been related to the perception of the something else from which we go all the way back to the first. Thus, although our perceptions change, we can perceive something relatively unchanging by perceiving it both forwards and backwards. Now permanence as thus implied in simultaneity can be ascribed only to something in space whose parts all coexist. This, too, would imply that the perceptum of apperceptio percepti is the human body, for only of it can it be said that its duration is simultaneous with that of other entities in the world. No representations (including perceptions) existing in time can be said to exist simultaneously with bodies in space or in the world. On the other hand, it seems quite clear that Kant means the apperception of states of mind or of the mind itself when he speaks of apperceptio percepti. It is called something that knows of itself to be a thing of past, present, and future time, and the consciousness “I am” is called “something common to all things,” i. e., to all phases of its existence. The determination of my existence as a magnitude seems to be a determination of the existing I itself as mental. The selfconsciousness of this I is called cosmological apperception and is opposed to a purely psychological apperception, or to apperception in a pure, non-empirical psychology. Now it is well known that empirical psychology is for Kant possible only as anthropology (which is a natural science and a part of cosmology), and that pure or rational psychology is impossible because its text is restricted to the bare “I think.” Kant tries to avoid the conclusion that permanence and duration can be attributed to the body only by speaking of the three modes of time as belonging to self-consciousness as apperceptio percepti. Thus it is the mind or soul as somehow known to abide for some period of time that is called an “entity in the

 The permanent is what coexists with that which changes (cf. B 67).

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world” whose existence has a magnitude. It is opposed to that self which can only be perceived to exist successively, i. e., forwards. The mental self is only in time, but there is no a priori knowledge of the mental, no scientific psychology for Kant. The consequence of all this is that empirical psychology, or rather anthropology, is only possible as a part of cosmology, that pure psychology is impossible, and that pure apperception belongs to neither, but rather to logic or to transcendental philosophy as a basis for logic. The empirical or cosmological self is a mere appearance in a twofold sense: it is given in inner sense as consisting of representations of a world of appearances and it is itself an appearance as object of temporally conditioned intuition. This means that the self stands between two affections, there are two things in it which are given to it and not spontaneously produced by it: the matter of its representations and the form of its empirical self-consciousness, time. The first is given a posteriori, the second is given a priori. In both respects the self is an appearance. It is only as standing in a relation to the world that I am an object for myself: I am he/she who perceives the world and him/herself, I can know of myself only as of a perceiver of the world. Here the “Weltwesen” clearly is one which has a representation of the world. And it is only by the apprehension of objects in space and their spatial movements (e. g., of clocks) that I can determine my existence in time. Although this argument prepares the way for a refutation of idealism, in itself it asserts only that there is no absolute self-knowledge, that there is only an a priori knowledge of myself as standing in a relation to the rest of the world, before I actually have a perception of worldly objects. That the determination of my existence in time requires the apprehension of spatial objects is in itself no sufficient refutation of idealism, because the existence of spatial objects could still be due to a cause within myself which could produce them together with space. It has not yet been proved that the consciousness of space is the consciousness of a real relation of the self to objects. The “entity in the world” may be dependent on outer objects for its empirical self-consciousness, i. e., for the consciousness of its simultaneity with what it perceives. But these perceived objects, which seem to be simultaneous with its own body or with itself as the mind of a body, could still be merely imagined or mere representations within it. Thus Leibniz thought of the soul as essentially related to the world and yet as 1) not standing in a causal relation of dependence to it and 2) as totally selfproductive in respect to its world representations. Although self-consciousness may originally and immediately be linked with consciousness of the world such that there is no inference to an outer object needed, Leibniz’ system of preestablished harmony shows the stubbornness of idealism and the uselessness of

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the notion of simultaneity (“Zugleichsein”), for its refutation. It can hardly mean simultaneity of the self with its own representations of the world. But if it means simultaneity with real objects in space, then what is simultaneous with them is the self as body and not the perceiving mind. Therefore yet another refutation of idealism is needed contra Leibniz: the “entity in the world” must be in a world which encompasses both an inner and an outer world, there must be only one experience of which inner and outer experience are parts.

3 An a priori Refutation of Idealism contra Leibniz This requires an a priori proof for outer experience, i. e., of outer sense as a real sense which cannot be an effect of some inner determinative principle of my representations as in Leibniz. In order to prove the existence of real outer experience one may not presuppose inner experience as a given fact and reason back in a transcendental argument to its conditions in outer experience. For such an argument would not be convincing to someone who does not believe in inner experience as such, just because it in turn presupposes outer experience, which seems to him impossible. Thus Leibniz’ monads have no windows and, therefore, do not have specifically inner experiences as such since there is no real outer world for them. They are the living forces that create their own worlds in representation. Thus they have, strictly speaking, no experience at all. A refutation of idealism, therefore, has to take its start from something stronger than the assumption of the reality of inner experience. What is needed is a proof of the existence of objects in space (not of objects as such). This proof rests on the nature of space itself. By space Kant here means: “the intuition of space itself” (die Raumesanschauung selbst), i. e., space as formal or pure intuition, space as an object of pure intuition (as in geometry). This space cannot arise from the mere form of an outer sense. This form is a necessary but not in itself a sufficient condition of the formal intuition space, which is the objectified form of the outer senses. The proof argues that there must be outer sense, for only then can imagination represent its form, space, as an object (of geometry). Imagination or any other inner power of representation could not produce such an object “space” from the resources of inner sense, i. e., from time. Therefore: outer sense, its form, and space as an object ground their possibility on something outside us, not on inner principles or powers of representation. “Something outside us” (etwas ausser uns) means here an existing thing that stands in a causal relation to our real outer sense. This relation is proved as real

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not from an antecedent knowledge of the relata that later stand in this relation, but from the impossibility of its mere subjectivity, i. e., of its origin in the subject alone. If it can be proved that we are affected by something (bodies) in space, we have ipso facto proved the existence of these spatial things. They are spatial only because of our constitution, but they may also exist as non-spatial things-inthemselves although this existence is not, need not, and cannot be proved. It is not proved in our text or elsewhere in Kant’s critical writings, it need not be proved because appearances logically presuppose things in themselves which do not appear, and it cannot be proved because causal relations are not provable of atemporal things. The proof of the existence of things in space (= appearances) reduces itself, therefore, to the proof of our having outer-sense affection, that is, of our receptivity for such an affection. This proof relies 1) on the dependence of selfaffection on affection by something else, i. e., by something whose representations are due to its affecting us, and 2) on the fact that time is the form of the apprehension of representations of things outside us. Before giving his final proof for the impossibility of space’s being produced by the imagination itself or by any other internal principle, Kant reflects on a difficulty of the result of his proof, i. e., of outer sense, and this reflection itself amounts to a refutation of idealism. Material idealism rests its case on the impossibility of grasping the possibility of outer sense. The outer (“das Äussere”) cannot be explained by abstraction from outer objects, for in order to have outer objects, you must already have space, which is what makes them outer objects in the first place. “The outer” is objectified space: “if we had no outer sense, we would also have no concept of it,” i. e., of an outer sense which presupposes the concept of space. That there is outer sense cannot be established by. perception of its corresponding object, because perception is in itself perception of an existing thing and cannot be construed as holding between an unperceived thing (which only occasionally happens to be perceived by someone) and our perceiving mind. Correspondence to outer things means nothing other than what is implied in the concept “space as a form of intuition,” for intuition is of course the intuition of something. If it is proved that space is a form of intuition, then ipso facto the existence of the outer as such has been proved. Now space as a form of intuition cannot be derived from inner sense, i. e., from time. Space cannot be an inner determination of one’s own states, because in inner sense there is no permanence in time (which would be implied by the reversibility of its parts), but in space all its parts are simultaneous (and therefore their order is reversible), and this implies that they never perish but are always. Therefore, only in space is the permanence of something changing (a substance) possible. This character cannot be found in inner sense and its form, time, with its incessantly perishing

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parts. Therefore, this aspect of space cannot arise from inner sense. Unlike the proof in Kant’s first Critique (B 278), the present refutation of idealism is not based on the permanence of something in space (impenetrable matter which can only be empirically intuited and is a condition of presupposed inner experience), but on the permanence of the parts of space itself. In this sense the new proof can be called a proof a priori. Kant thus anticipates a positive version of his proof in the excursus which stresses the underivability of space from time. His final proof is a reductio ad absurdum, and takes its start from two kinds of affection: affection proper and selfaffection. Their forms are space and time as two kinds of receptivity, i. e., for spatial things and for ourselves. Now Kant’s argument insists on our consciousness of the apriority of these two kinds of receptivity, which makes it unnecessary to explain this receptivity by seeking an external principle of determination for our representations in an outer object. Space is known a priori, but it cannot be derived from self-affection and its form, time: for if it were, things that somehow make reference to space, i. e., our particular representations of spatial things in inner sense, would themselves be spatial, would exist as three-dimensional objects in space (cf. Refl. 6315). If inner sense were the only sense, at least some representations in it would have to be themselves spatial, because of the necessity of a (possible) empirical consciousness of all our representations. Whatever belongs to inner sense as its object would have to be at least potentially a spatial object, since spatiality would then have to be found in objects of the only, i. e., inner sense, conscious representations as such. If outerness of space would not rest on an outer sense, it would have to be indistinguishable from its representation, i. e., representations would have to be themselves something outer. The non-derivability of space from time and the absurd identification of the inner with the outer are grounds of proof which complement each other. Therefore, from the nature of space itself it is evident that there is a sense for objects by which we are affected, whose form this space is. Kant’s little system of inner sense and its form, time, takes this time as determined by two kinds of affection, from within and from without. The consequences of this theory are the doctrine of the self as appearance and the refutation of material idealism. But the self as appearance and the world of outer appearances do not coexist separately. They are interconnected in the human being because its self-consciousness is at the same time consciousness of the world, cosmological apperception.

Der Aufbau der Deduktion der Kategorien Im zweiten Band seines großen Werkes La déduction transcendantale dans l’oeuvre de Kant hat H.J. de Vleeschauwer 1936¹ eine tabellarische Aufstellung der ihm vorliegenden Versuche (von Riehl, Erdmann, Thiele, Adickes, Arnoldt und Vaihinger) gegeben, die Gliederung der Deduktion der Kategorien in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft zu verstehen (208 ff.). Im dritten Band seines Kommentares (1937) gibt er einen entsprechenden Überblick über die der zweiten Fassung der Deduktion gewidmeten Gliederungsversuche von Adickes, Levy, Erdmann, u. a., um dann einen eigenen Vorschlag (in Anlehnung an Erdmann) zu machen, der besagt, daß die Zweiteilung der Deduktion in der Auflage B der Unterscheidung der Deduktion „von oben an“ und „von unten auf“ in der Auflage A entspricht (22 ff.). Das Problem des Aufbaus der Deduktion (in beiden Auflagen) ist also seit mehr als hundert Jahren ein Thema der Kant–Forschung, und man wird nicht leicht eine These oder ein Argument dazu finden, die nicht schon von einem oder mehreren früheren Autoren vorgetragen worden sind. Wenn man ein Problem im Aufbau des Beweisganges der Deduktion sieht, dann setzt das allerdings voraus, daß die offensichtliche Zweiteilung der Deduktion (in der Auflage B, auf die ich mich im folgenden beschränke) nicht in der Weise erklärt wird, wie es nach Kants eigenen Worten nahezuliegen scheint. Der erste Teil der Deduktion, der bis zum § 20 (mit Erläuterung § 21) reicht, so könnte man meinen, handelt von der Unterworfenheit der Gegenstände einer sinnlichen Anschauung überhaupt unter die Kategorien des reinen Verstandes, und der zweite Teil (§ 26) von der Geltung dieser Kategorien von Gegenständen unserer menschlichen Sinnlichkeit, die durch Raum und Zeit bedingt ist. Gegen diese bequeme Lösung läßt sich allerdings einwenden, was R. Zocher 1954² über die „zunächst befremdlich“ wirkende Auffassung sagte, der erste Teil der Deduktion, der die objektive Gültigkeit der Kategorien „für (sinnliche) Anschauungen überhaupt“ beweist, sei der allgemeine Teil, und der zweite Teil, der diese Gültigkeit „für unsere menschlichen sinnlichen Anschauungen“ beweist, sei ihr besonderer Teil: „Denn man sollte meinen, der zweite Teil erübrige sich völlig, da er viel Wesens um eine im Grunde selbstverständliche Konsequenz mache: Was im allgemeinen gilt, das gilt ja im besonderen ohne weiteres auch“ (165). Zocher schließt daraus, daß Kant bei seiner Zweiteilung „nicht nur diese Selbstver H.J. de Vleeschauwer: La déduction transcendantale dans l’oeuvre de Kant. 3 Bde. Antwerpen 1934– 37.  R. Zocher: Kants transzendentale Deduktion der Kategorien. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 8 (1954) 161– 94. https://doi.org/10.1515/9783110605327-007

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ständlichkeit“ im Auge hatte (ebd.), und schlägt nun seinerseits (in Anlehnung an Adickes) vor, die Zweiteilung dadurch zu begründen, daß der erste Teil die Geltung der Kategorien für Anschauungen erweist, der zweite Teil aber nicht nur zeigen soll, daß die Kategorien für die Erfahrung gelten, sondern daß sie „nur für die Erfahrung gelten“ (166 n). In dem 1969 erschienenen Aufsatz The Proof–Structure of Kant’s Transcendental Deduction ³ griff D. Henrich das Thema wieder auf und eröffnete damit eine Diskussion, die seit Jahren andauert und zu der Henrich selbst einen neuen Beitrag geliefert hat, der eine partielle Selbstkritik einschließt.⁴ Henrichs Vorschlag zur Erklärung der Zweiteilung der Deduktion lautet: Nach dem § 20 ist noch nicht entschieden, ob die Kategorien von allen oder nur von einigen Erscheinungen gelten. Erst der § 26 beweist, daß eine Einschränkung der Gültigkeit der Kategorien auf einen bloßen Teil der Objekte unserer Anschauung nicht bestehen kann. Somit enthält der § 26 die Aufhebung einer gemäß § 20 noch denkbaren Umfangsrestriktion im Geltungsbereich der Kategorien. Diese beiden Schritte bilden also nur zusammen einen vollständigen Geltungsbeweis oder eine Deduktion der Kategorien. Henrichs Versuch, das Problem der Zweiteilung der Deduktion zu lösen, ist nicht unwidersprochen geblieben. Insbesondere R. Brouillet und H. Wagner haben daran berechtigte Kritik geübt.⁵ Ungeachtet dessen ist durch diese Arbeit die Frage nach dem Grund für den zweiteiligen Aufbau als eine für das Verständnis der Kantischen Deduktion der Kategorien wesentliche Frage wieder bewußt gemacht worden. Man wird sich in der Tat mit Zocher fragen müssen, ob der § 26 nur eine selbstverständliche Konsequenz aus dem § 20 enthält, oder mit Henrich, was

 D. Henrich: The Proof–Structure of Kant’s Transcendental Deduction. In: The Review of Metaphysics. 22 (1969) 640 – 59. – Deutsche Fassung: Die Beweisstruktur von Kants transzendentaler Deduktion. In: Kant. Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln. Hrsg. v. G. Prauss. Köln 1973. 90 – 104.  Vgl. R. Brouillet: Dieter Henrich et „The Proof–Structure of Kants Transcendental Deduction“. Réflexions critiques. – In: Dialogue. 14 (1975) 639 – 48; H. Wagner: Der Argumentationsgang in Kants Deduktion der Kategorien. – In: Kant–Studien. 71 (1980) 352– 66; B. Thöle: Die Beweisstruktur der transzendentalen Deduktion in der zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“. – In: Akten des 5. Internationalen Kant–Kongresses, Mainz 4.–8. April 1981. Teil I 1. Hrsg v. G. Funke. Bonn 1981. 302– 12; V. Nowotny: Die Struktur der Deduktion bei Kant. – In: Kant–Studien. 72 (1981) 270 – 79; Die Beweisstruktur der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe – eine Diskussion mit Dieter Henrich. – In: Probleme der „Kritik der reinen Vernunft“. Kant–Tagung Marburg 1981. Hrsg. v. B. Tuschling. Berlin/New York 1984. 34– 96, darin H. Wagner: Eine Meinungsdifferenz bezüglich Kants transzendentaler Kategorien–Deduktion (35 – 41).  Vgl. Anm. 4.

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es denn sei, was nach dem § 20 noch nicht bewiesen ist und deshalb erst im § 26 nachgeliefert werden muß, um die Beweisabsicht vollends zu erreichen. Allerdings wird durch diese Art der Fragestellung insinuiert, daß es sich beim § 26 um ein Ergänzungsstück zum § 20 handelt, so daß sich hier ein linearer Fortschritt vom Ergebnis des § 20 zum Ergebnis des § 26 ergibt. Sieht man sich die beiden Beweisschritte aber genauer an, so muß diese Erwartung zumindest zweifelhaft werden. Um den Aufbau des gesamten Beweisganges hinsichtlich der Gründe für die darin anzutreffende Zweiteilung untersuchen zu können, mag es nützlich sein, eine gewisse Schematisierung und Formalisierung der beiden Teilbeweise vorzunehmen. Sie bestehen aus jeweils fünf Sätzen, die je einen zweistufigen Polysyllogismus bilden. Diese insgesamt zehn Sätze lauten stark vereinfacht so: § 20 (B 143): (1) Das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung gehört unter die Einheit der Apperzeption. (2) Die Einheit der Apperzeption überhaupt ist bedingt durch Urteilsfunktionen. Also (3) Das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung ist bedingt durch Urteilsfunktionen. (4) Kategorien sind Urteilsfunktionen auf Anschauung angewandt. Also (5) Das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung steht unter Kategorien. § 26 (B 160 f): (1) Die Apprehension ist bedingt durch Raum und Zeit. (2) Raum und Zeit haben eine gewisse Einheit. Also (3) Die Apprehension ist bedingt durch eine gewisse Einheit. (4) Diese Einheit ist den Kategorien gemäß. Also (5) Die Apprehension ist den Kategorien gemäß.⁶

 Berücksichtigt man, daß der Satz (4) des § 20 eine Definition und also simpliciter umkehrbar ist, so läßt sich als Schlußschema für beide Teile der Deduktion und somit als deren syllogistische Beweisstruktur festhalten: (1’)S a M (2’)M a P (3’)S a P (4’)P a Q ← Q a P (5’)S a Q

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Natürlich liefert eine solche Schematisierung keine Einsichten in die Bedeutung der dabei verwendeten Begriffe bzw. in die Gründe für die behauptete oder unterstellte Wahrheit der verwendeten Prämissen. Beides ist für eine solche Schematisierung vielmehr vorauszusetzen.⁷ Aber was sogleich erkennbar wird, das ist einmal, daß die Schlußsätze der beiden Teilbeweise nicht vom selben Gegenstand handeln, und zum andern, daß der Satz (5) des § 26 nicht von der Spezies dessen etwas aussagt, von dem der Satz (5) des § 20 handelt. Die Konklusion des § 20 handelt vielmehr vom Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung, sofern es eine notwendige synthetische Einheit hat, also von Objekten einer sinnlichen Anschauung überhaupt, und sagt deren kategoriale Bestimmtheit aus. Die Konklusion aus § 26 aber handelt von einem Akt des erkennenden Subjekts, der Apprehension, und sagt von ihr, daß sie den Kategorien gemäß geschehe. Allerdings folgert Kant sogleich aus der Abhängigkeit der Apprehension von den Kategorien, daß damit auch die Wahrnehmung, und damit auch die Erfahrung, damit die Gegenstände der Erfahrung und – so können wir in seinem Sinne hinzufügen – damit auch die Natur den Kategorien gemäß sein müssen. Aber diese Folgerung setzt offensichtlich als wahr, weil bewiesen, voraus, daß ein zur Wahrnehmung von etwas erforderlicher Akt des erkennenden Subjekt den Kategorien untersteht, und dieser Erkenntnisakt ist keineswegs ein besonderer Fall eines in seiner einheitlichen Anschauung gegebenen Objekts, sondern eine subjektive Tätigkeit der Einbildungskraft, die nach Kant zu jeder Wahrnehmung eines Mannigfaltigen des inneren Sinnes und der äußeren Sinne gehört. Die Deduktion als ganzes wird also keineswegs so zustandegebracht, daß aus dem Satz (5) des § 20 „das Mannigfaltige einer gegebenen [sinnlichen oder empirischen] Anschauung [steht] nothwendig unter den Kategorien“ durch Subsumtion unserer besonderen (sinnlichen oder empirischen) Anschauung unter den Subjektbegriff geschlossen wird: (7) „Das Mannigfaltige in Raum und Zeit steht unter Kategorien“. Vielmehr wird im zweiten Teil der Deduktion von der Kategoriengemäßheit von Raum und Zeit als Beweisgrund Gebrauch gemacht, um vermittelst ihrer auf die entsprechende Unterworfenheit der Wahrnehmung unter die Kategorien zu schließen. Die beiden Teile der Deduktion verhalten sich also gar nicht wie allgemeiner und besonderer Teil zueinander. Daß hier ein solches Subsumtionsverhältnis zugrundeliegt, ist aber schon darum zumindest höchst unwahrscheinlich, weil zwischen den vermeintlich allgemeinen und besonderen Teilen der Deduktion in den §§ 24, 25 die Lehre von der

 Eine genaue Analyse der ganzen Deduktion findet sich in meinem Buch: Deduktion und Beweis in Kants Transzendentalphilosophie. Untersuchungen zur „Kritik der reinen Vernunft“. Königstein/ Ts 1986.

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figürlichen Synthesis der Einbildungskraft, von der Selbstaffektion und von der bloß sinnlichen Selbsterkenntnis entwickelt werden, deren es nicht bedürfte, wenn im § 26 nur Erscheinungen in Raum und Zeit unter den allgemeinen Begriff gegebener Objekte sinnlicher Anschauung überhaupt subsumiert werden sollten. Ich schlage deshalb vor, einen anderen Unterscheidungsgrund für die beiden Teile der Deduktion zu wählen. Es bietet sich dafür ein Satz aus der Deduktion B an, der da lautet: „Die synthetische Einheit des Bewußtseins ist […] eine […] Bedingung aller Erkenntnis, nicht deren ich bloß selbst bedarf, um ein Objekt zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muß, um für mich Objekt zu werden“ (B 138). Gemäß der hier vorliegenden Unterscheidung läßt sich dann sagen: Der erste Teil der Deduktion (§ 20) beweist, daß die Kategorien die notwendigen Bedingungen dafür sind, daß es für einen diskursiven Verstand und die ihm zugehörige sinnliche Anschauung Objekte geben kann. Kategorien können aber nicht nur, sondern müssen für einen solchen Verstand objektive Gültigkeit haben, wenn es für ihn Objekte soll geben können. Dies aber ist aus einsehbaren Gründen für ihn notwendig. Der zweite Teil der Deduktion (§ 26) beweist, daß die Kategorien die notwendigen Bedingungen der empirischen Erkenntnis eben dieser Objekte sind. Kategorien haben deshalb notwendigerweise objektive Gültigkeit von Erfahrungsgegenständen, weil die Erfahrung selbst Wahrnehmung voraussetzt und das Wahrgenommene einer jeden uns möglichen Wahrnehmung ein Mannigfaltiges in Raum und Zeit ist, die ihrerseits den Kategorien irgendwie gemäß sind. Im zweiten Teil wird also die Abhängigkeit der Wahrnehmung und damit der Erfahrung von den Kategorien nur mittelbar erwiesen, nämlich unter der Voraussetzung, daß Raum und Zeit (und damit deren wahrnehmbare Inhalte) ihrerseits hinsichtlich der Kategorien bestimmt sind, wie immer man sich diese ihre Bedingtheit durch den Verstand auch denken mag. Da hier nur die Probleme des Gesamtaufbaus der Deduktion erörtert werden können, muß es bei dem bloßen Hinweis bleiben, daß der § 24 die Funktion hat, die im § 26 vorausgesetzte Kategoriengemäßheit von Raum und Zeit verständlich zu machen. Der erste Teil der Deduktion erweist also die notwendige Rolle der Kategorien beim Denken des Objekts sinnlicher (nichtintellektueller) Anschauung, und ohne einen solchen Gedanken vom Objekt der Anschauung gibt es für uns und alle denkenden Wesen ebensowenig ein Objekt, wie es ein solches ohne sinnliche Anschauung gibt. Die Objektivität der Objekte ist aber kein beliebiger, sondern ein allen diskursiv denkenden Wesen notwendiger Gedanke. Der zweite Teil der Deduktion handelt von unserer Erkenntnis der Objekte und damit von der Wahrnehmung als notwendiger Bedingung der Erfahrung. Genauer handelt er von Raum und Zeit als formalen Bedingungen der Sinnesdaten, die in aller Wahrnehmung zugrundeliegen müssen. Daß aber ein Wahrgenommenes selber schon ein Gegenstand (empirischer) Erkenntnis ist, das ist schon dadurch ausge-

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schlossen, daß zur Erkenntnis irgendeines Objekts der Erfahrung außer der Gegebenheit von Sinnesdaten in Raum und Zeit und deren Bewußtsein Begriffe des Verstandes notwendig sind. Die Frage nach dem sachlichen Verhältnis der beiden Teilbeweise in der einen Deduktion verweist also auf das Verhältnis raum–zeitlich bedingter Wahrnehmungen (§ 26) zu den Kategorien als den notwendigen Objektgedanken (§ 20). Weder kann der Verstand durch seinen Gedanken vom Objekt den Sinnen vorschreiben, was vermittelst ihrer wahrgenommen wird, noch ist der Verstand in der Bildung solcher Objektgedanken von den Wahrnehmungsinhalten abhängig. Wenn also die Deduktion der Kategorien zur Aufgabe hätte, die Möglichkeit der Erfahrung aufzuklären, so müßte sie vom Verhältnis des Verstandes zum Denken des Objekts (in Urteilen) einerseits und zu Raum und Zeit (und deren spezifischer synthetischer Einheit) andererseits handeln und das Zusammentreffen beider Funktionen seiner Tätigkeit erklären. Da aber die Deduktion die Aufgabe hat, die notwendige objektive Gültigkeit der Kategorien zu erklären, so genügt einmal der Hinweis darauf, daß die Objekte der Kategorien Erscheinungen der sinnlichen Anschauungen sein müssen, und zum andern, daß Raum und Zeit irgendwie den Kategorien gemäß sein müssen, wenn Erfahrungserkenntnis vermittels der Wahrnehmung möglich sein soll. Von der Möglichkeit der Erfahrung selbst aber läßt sich nach Kant im allgemeinen nur einsehen, daß sie notwendig ist. Darum handelt Kant von ihr nur insofern, als sie mit der notwendigen Beziehbarkeit unserer Sinnesdaten auf eine einheitliche Ordnung der Gegenstände in dem einen Raum und der einen Zeit gleichbedeutend ist. Wenn Raum und Zeit synthetische Einheiten sind, dann sind sie für die Wahrnehmung a priori vorgegebene Ordnungsschemata, mit denen gegebene Wahrnehmungsinhalte daraufhin verglichen werden müssen, ob und wie diese Daten in diese synthetischen Einheiten passen, um dann von den passenden sagen zu können, vermittelst ihrer sei ein Objekt oder ein Ereignis in Raum und Zeit erkannt. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß beliebige Wahrnehmungsverbindungen schon Erkenntnis vom Objekt sein müssen, sondern nur, daß Wahrnehmung eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Erfahrung ist und erst dann zur Erfahrung wird, wenn sich in den Wahrnehmungen eine (notwendige) Verknüpfung finden läßt, die der Verstand vermittelst Raum und Zeit a priori antizipiert. Fragt man also, von welchen Gegenständen die Deduktion die Gültigkeit der Kategorien erweist, so lautet die schon aus dem § 20 folgende Antwort: nur von den Erscheinungen der Sinne als den uns einzig gegebenen Anschauungsobjekten. Fragt man aber nach dem, was durch die Deduktion von diesen Erfahrungsobjekten erkannt wird, so ist es nach dem § 26 nur dies, daß sich in den Wahrnehmungen etwas finden lassen muß, was den durch Verstandesbegriffe und Raum und Zeit (und damit letztlich durch die Schemata der Kategorien) a

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priori erzeugten Selektionskriterien gemäß ist.Was ihnen gemäß ist, das ist Objekt der Erfahrung, was ihnen nicht gemäß ist, das ist nur subjektive Wahrnehmung. Damit ist auch verständlich geworden, warum Kant einmal die §§ 20, 21 als die „transzendentale Deduktion“ bezeichnen kann (B 154) und zum anderen sagt, daß damit nur der „Anfang“ einer Deduktion der Kategorien gemacht ist (B 144), der für sich noch nicht genügt, um diese Deduktion zu vollenden (B 144 f.). Denn damit kann nicht gemeint sein, daß die Erscheinungen in Raum und Zeit noch unter die Kategorien subsumiert werden müssen, sondern es muß gemeint sein, daß ihre Erkenntnis der Wahrnehmung bedarf und daß diese nur vermittelst Raum und Zeit unter den Kategorien stehen kann. Das aber setzt eine Untersuchung des Verhältnisses des Verstandes zu den reinen Formen der sinnlichen Anschauung und primär zur Zeit voraus, wie sie der § 24 liefert. Denn nur so kann – im Falle des Gelingens dieser Untersuchung durch Aufweis einer apriorischen Bedingtheit von Raum und Zeit durch den Verstand – erklärbar werden, wieso die empirische Erkenntnis solcher notwendig zu denkender Objekte (§ 20) durch vom Denken ganz unabhängige Sinnesdaten, also durch Wahrnehmungen (§ 26) erfolgen kann. Der zweite Teil der Deduktion ist ein Beweis, der nach dem § 21 (B 144 f.) aus der „Art“ geführt wird, „wie in der Sinnlichkeit die empirische Anschauung gegeben wird“. Beweisgrund ist also die in der transzendentalen Ästhetik erörterte Form der Anschauung, Raum und Zeit. Aber von ihnen wird zugleich behauptet, daß diese Anschauungsformen Einheit haben, und daß diese Einheit keine andere sei „als welche die Kategorie […] dem Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung überhaupt vorschreibt“ (B 145). Die Einheit von Raum und Zeit also, die irgendwie identisch sein soll mit der Einheit der Kategorien, erklärt die Gültigkeit der Kategorien von den Gegenständen unserer Sinne, sofern sie nämlich in dem einen Raum und der einen Zeit erscheinen. Damit ist das umschrieben, was der zweite Teil der Deduktion über den ersten hinaus zu leisten hat. Es wird die Verstandeseinheit, die in den Urteilsformen und Kategorien gedacht wird, identisch gesetzt mit der Einheit von Raum und Zeit, die ihrerseits zu unserer Sinnlichkeit gehören. Aber nur sofern „mit (nicht in) diesen Anschauungen“ (B 161) von Raum und Zeit schon Einheit gesetzt ist, machen sie die Übereinstimmung der Erscheinungen mit dem Verstande und seinen Formen möglich. M.a.W.: Es wird hier die Subsumierbarkeit von Raum und Zeit unter den Begriff der Einheit habenden (und somit objektiven) Anschauung überhaupt nicht als Faktum vorausgesetzt, sondern erst als etwas zu Erklärendes und zu Begründendes angesprochen. Zwar sagt der § 26 (ebd.) ausdrücklich, daß die synthetische Einheit von Raum und Zeit keine andere sei, als die in den Kategorien gedachte Einheit, „nur auf unsere sinnliche Anschauung angewandt“. Aber eben diese Anwendung setzt Gleichartigkeit von Kategorien einerseits und Raum und Zeit andererseits voraus,

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und das ist nicht nur auf den ersten Blick unplausibel, da die Urteilsformen und die aus ihnen abgeleiteten Kategorien mit Raum und Zeit nichts gemeinsam zu haben scheinen, jedenfalls keinen gemeinsamen Ursprung haben. Diese Gemeinsamkeit scheint sogar unmöglich zu sein, da Kant ausdrücklich sagt, daß die Formen der Sinnlichkeit ein verbindungsloses Mannigfaltiges (vgl. B 154, B 160 n) enthalten, also ohne Einheit zu denken sind. Entsprechend wird von Raum und Zeit im § 26 gesagt, daß sie gerade nicht als Formen der Anschauung, sondern nur als formale Anschauungen „Einheit der Synthesis“ bzw. „synthetische Einheit“ (B 161) haben. Die Vollendbarkeit der Deduktion setzt also voraus, daß Raum und Zeit einerseits als Bedingungen der empirischen Anschauung von Gegenständen und somit von Seiten der Sinnlichkeit Bedingungen der empirischen Erkenntnis dieser Gegenstände sind, daß sie aber andererseits die Anwendbarkeit der Kategorien des Verstandes auf Gegenstände dadurch vermitteln, daß sie selber synthetische Einheit haben, die in irgendeiner Weise nicht nur den Kategorien gemäß ist, sondern demselben Verstande zu verdanken ist, dem auch die Kategorien entspringen. Wenn also die Deduktion die Notwendigkeit der Kategorien zur empirischen Objekterkenntnis soll zeigen können, dann muß sie zeigen, daß diese Kategorien nicht nur das Denken der Objekte, sondern auch die Art ihrer Gegebenheit und damit ihre Apprehendierbarkeit bestimmen. Genauer muß sich zeigen lassen, daß die Bestimmtheit der Anschauungsformen zur synthetischen Einheit durch den Verstand äquivalent ist mit einer Versinnlichung (Schematisierung) der Kategorien im Medium der empirischen Gegebenheit von Anschauungsdaten, also in der Form des inneren Sinnes, der Zeit. Das geregelte Verhältnis der Wahrnehmungsdaten zueinander, sofern es a priori durch die formale Anschauung der Zeit und des Raumes bestimmt ist, deren Inhalte sie sind, ist dasjenige, wodurch sich empirische Objekterkenntnis von bloßer Bewußtwerdung der Gegebenheiten des inneren und äußeren Sinnes allein unterscheiden kann. Denn nur in diesen geregelten Verhältnissen des Neben- und Nacheinander kann für uns diejenige Objektivität gefunden werden, die in den Kategorien a priori gedacht wird. All dies setzt aber, wie gesagt, voraus, daß sich die Deduktion vollenden und die Kategorien als notwendige Bedingungen der Wahrnehmung in ihrer möglichen Objektivität erweisen lassen. Ist dies aber möglich? Sieht man sich die Argumentation im § 26 selbst an, so wird dort zunächst darauf verwiesen, daß Raum und Zeit unsere faktischen Anschauungsformen sind. Als solche haben sie nicht diejenige synthetische Einheit, durch die sie unter den Begriff der (sinnlichen) Anschauung überhaupt, durch welche ein Gegenstand gegeben wird, subsumiert werden können. Wären sie nur solche vom Verstand völlig unabhängige und seinen Begriffen völlig ungleichartige sinnliche Formen des Neben- und Nacheinander von Erscheinungen der äußeren Sinne und

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des inneren Sinnes, so wäre die Subsumtion ihrer selbst und alles dessen, was in ihnen erscheint, unter die Kategorien nicht möglich. Läßt sich nun dennoch eine Einheit an Raum und Zeit finden, durch die sie ein Objekt bezeichnen, und welches ist ihr Verhältnis zu den Kategorien? Synthetische Einheit müßten sie jedenfalls schon haben, bevor die Subsumtion unter Begriffe notwendiger synthetischer Einheit erfolgen könnte. Nun lassen sich Raum und Zeit durchaus als Objekte denken. Nicht nur geschieht dies in der Geometrie, was den Raum betrifft (B 161 n), sondern auch in der Kantischen Philosophie selbst, obwohl sie (mit Newton) als Dinge an sich betrachtet, Undinge genannt werden müssen. Nach B 347 (vgl. B 53) haben der reine Raum und die reine Zeit subjektive Realität, oder sie sind „Etwas […], als Formen anzuschauen, aber selbst keine Gegenstände, die angeschaut werden (ens imginarium)“. Solche leeren Anschauungen ohne realen Inhalt sind also nur entia imaginaria, d. h. als Objekte gedachte Beschaffenheiten des Subjekts, die aber selbst als eine Art von Nichts unter den Begriff eines „Gegenstandes überhaupt“ (B 346), also auch als solche gedacht werden können und müssen. Was aber durch die Kategorie gedacht wird, das ist der Gegenstand überhaupt, und dieser Gegenstand ist einer der sinnlichen Anschauung, denn sonst brauchte er nicht erst gedacht zu werden, sondern würde durch den Verstand selbst erzeugt. Raum und Zeit sind als bloße Formen der sinnlichen Anschauung keine eigentlichen Gegenstände, aber sie lassen sich als quasi-Objekte denken, und das bedeutet eben der Ausdruck „ens imaginarium“. Aber jedenfalls werden sie nicht als Gegenstände angeschaut, sondern sind nur vergegenständlichte subjektive Formen des Anschauens von Objekten. In diesem Sinne kommt ihnen also auch nicht diejenige notwendige synthetische Einheit zu, die Anschauungen haben müssen, um unter Kategorien subsumierbar zu sein. Das Verhältnis von Raum und Zeit zu den Kategorien ist also anders zu bestimmen als das Verhältnis von angeschauten Objekten zu ihnen. Aber nicht nur das Verhältnis zu den Kategorien, sondern das zu Begriffen überhaupt ist im Falle von Raum und Zeit ein völlig anderes als bei allen anderen Gegebenheiten der Sinne oder des Verstandes. In der transzendentalen Ästhetik hatte sich in den jeweils letzten beiden Argumenten ihrer metaphysischen Erörterung gezeigt, daß Raum und Zeit Eigenschaften haben, die ursprünglich gar nicht durch Begriffe gedacht werden können. Sie sind nämlich Ganzheiten, die ihre (gleichartigen) Teile erst möglich machen, und zwar so, daß ihre Größe die aktuelle Unendlichkeit ist. Solche Ganzheiten, die qualitativ und quantitativ allen ihren Teilen vorangehen und also wesentlich singulär sind, enthalten für den diskursiven Verstand und sein begriffliches Denken von Objekten einen Widerspruch. Zudem können sie in ihrer wesentlichen Einzigkeit nicht durch Begriffe vorgestellt werden, da diese immer das Gemeinsame einer möglichen Vielheit bedeuten. Also sind sie ursprünglich (reine) Anschauungen, und da sie a priori

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vorstellbar sind, d. h. ohne daß ein realer Gegenstand gegeben ist, so müssen sie bloße Formen der sinnlichen Anschauung sein. Somit wird aus ihnen als reinen und formalen Anschauungen geschlossen, daß sie ihrem Ursprung nach bloße Formen der sinnlichen Anschauung und insofern gegenüber dem Verstande und seinen Begriffen ganz heterogen sind. Die Erörterungen der Ästhetik setzen also insofern den zweiten Teil der Deduktion der Kategorien voraus, als hier erst (§ 24) eine Erklärung für ihre eigentümliche synthetische Einheit gegeben wird, die die Ästhetik nur als faktische erörtert. Deshalb können diese Erörterungen nicht umstandslos zum Verständnis der Deduktion als unabhängige Theoriestücke herangezogen werden. Das, was in der metaphysischen Erörterung z. B. unter dem Begriff „der Raum“ erörtert wird, ist also das ens imaginarium Raum, das, so als Objekt gedacht, diejenige synthetische Einheit haben muß, die normalerweise ein Objekt einer nichtintellektuellen Anschauung als solches haben muß und die in den Kategorien gedacht wird. Denn durch Kategorien wird ja nur irgendein Mannigfaltiges der Anschauung als zur notwendigen Einheit der Apperzeption gehörig gedacht, und dies muß sich beim Mannigfaltigen der Raum– und Zeitanschauung auch bewerkstelligen lassen, wenn es für mich nicht nichts sein soll. Also muß sich der Raum auch zumindest antizipativ, d. h. als Bedingung durch ihn möglicher empirischer Anschauung unter die Kategorien bringen lassen. Aber da Raum und Zeit qua formale Anschauungen, als welche sie in der metaphysischen Erörterung Thema sind, ursprüngliche Ganze sind, die also eine spezifische synthetische Einheit ihrer Teile enthalten, so erfüllen sie auch insofern die Bedingungen des § 20 für das Stehen gegebener Anschauungen unter den Kategorien, wenn sie auch keine empirische Mannigfaltigkeit von Teilen enthalten. Also stehen das Mannigfaltige von Raum und Zeit als Platzhalter möglicher empirischer Mannigfaltigkeit, sofern diese etwas Objektives sein soll, und Raum und Zeit selbst als ursprüngliche synthetische Ganzheiten unter den Kategorien als den ursprünglichen Gegenstandsbegriffen. Dies gilt, obwohl die einheitslose Mannigfaltigkeit der Teile von Raum und Zeit und ihre ursprüngliche Ganzheit ihre Heterogenität gegenüber den Kategorien und sogar gegenüber allen Verstandesbegriffen überhaupt erkennbar machte. Die synthetische Einheit der Teile von Raum und Zeit, die durch die Begriffe „der Raum“ und „die Zeit“ bezeichnet wird, wird also nicht durch Begriffe des Verstandes hervorgebracht, sondern nur nachträglich durch sie bezeichnet. Dies ist also eine Einheit, die „vor allem Begriffe vorhergeh[t], ob sie zwar eine Synthesis, die nicht den Sinnen angehört, durch welche aber alle Begriffe von Raum und Zeit zuerst möglich werden, voraussetzt“ (B 161 n). Die synthetische Einheit von Raum und Zeit setzt wie alle synthetische Einheit eine Verbindung überhaupt voraus, die nach dem § 15 der Deduktion zuletzt dem Verstande ent-

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stammt. Diese Verbindung überhaupt ist als intellektuelle Synthesis des Prinzip aller Urteile und als figürliche Synthesis der Einbildungskraft das unbewußt tätige Prinzip der Einheit von Raum und Zeit. Da also sowohl die Urteilseinheit als auch die Einheit von Raum und Zeit zuletzt derselben Quelle entstammen, so scheint die Übereinstimmung von Raum und Zeit und allem, was in ihnen erscheint, mit den Kategorien eine notwendige zu sein. Die Zweiteilung der Deduktion ist dagegen eine notwendige Folge der Tatsache, daß dem nicht so ist. Denn diese Zweiteilung entspricht der zweifachen Synthesis des Verstandes, die in ihrer Ausübung als solche des Urteilsvermögens und der Einbildungskraft erscheint. Daß aber die Einbildungskraft das Mannigfaltige insbesondere der Zeit so bestimmen kann, daß daraus die Schemata entspringen können, das ist ein kontingentes Faktum, das zwar im § 24 der Deduktion expliziert und in den Grundzügen beschrieben wird, das aber nicht irgendwoher abgeleitet und in diesem Sinne als notwendig erwiesen werden kann. Eine relative Notwendigkeit läßt sich nur insofern indirekt namhaft machen, als ohne diese Harmonie von ursprünglich dem Verstande entspringender Synthesis und den Formen der Sinnlichkeit auch ein empirisches Selbstbewußtsein (§ 25) nicht möglich wäre. Daß dieses aber möglich ist, das wissen wir nur aus seiner Wirklichkeit. Schließlich erklärt nur diese kontingente Harmonie der beiden Erkenntnisquellen den eigentümlichen Charakter des Objekts, von dem die Kategorien im zweiten Teil der Deduktion als gültig erwiesen werden. Dieser Gegenstand der Erfahrung ist die Gesamtheit der Erscheinungen in Raum und Zeit, also die Natur in materialer Bedeutung. Wahrnehmungen werden ja nur dadurch zur empirischen Erkenntnis von Objekten, daß sie eine a priori bestimmte Stelle im Ganzen von Raum und Zeit besetzen. Das Verhältnis einer Wahrnehmung zu allen anderen ist a priori geregelt durch die Verhältnisse des Mannigfaltigen von Raum und Zeit selbst, das seinerseits durch den Verstand bestimmt wird. Raum und Zeit aber sind nur als Ganze den Kategorien unterworfen, und die Verknüpfung des Mannigfaltigen in ihnen ist eine solche Ordnung des Neben– und Nacheinander in dem einen Raum und der einen Zeit, durch welche das empirische Bewußtsein der Zugehörigkeit einer jeden Vorstellung zu mir der allgemeinen Bedingung der durchgängigen Identität der Apperzeption, die in den Kategorien gedacht wird, untersteht. Also ist nur dadurch eine wahrgenommene Erscheinung ein Objekt, daß ihr Verhältnis zu allen anderen Erscheinungen sich als den Kategorien und damit auch der Raum– und Zeit–Einheit adäquat erweisen läßt. Der Begriff der Natur als Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit dient also zugleich als Kriterium der Aussonderung der zufälligen und damit subjektiven Verbindungen von Wahrnehmungen, sofern diese sich nicht als konstruierbar oder experimentell erzeugbar denken lassen. Solche Verbindungen gehören nicht zur Natur als Objekt unserer Erkenntnis.

Kritik 1 Wortbedeutung und Sprachgebrauch Kritik, ein substantiviertes Adjektiv von griechisch κριτικὴ (τέχνη), heißt soviel wie Beurteilungskunst (lat. ars critica, engl. criticism, franz. critique). Das deutsche Wort „Kritik“, das sowohl die Tätigkeit, Fähigkeit und Fertigkeit des Kritisierens (gelegentlich auch das Subjekt dieser Tätigkeit) wie vor allem das Produkt des kritischen Tuns bedeuten kann, ist gegen Ende des 17. Jh. aus dem Französischen übernommen und dann eingebürgert worden. Schulz’ Deutsches Fremdwörterbuch (I, 1913) gibt als früheste Belege Stellen aus Christian Thomasius’ Monatsgesprächen (1688) und dessen Kleinen teutschen Schriften (1701) an. Etwa gleichzeitig scheint der Epigrammdichter Christian Wernicke in der Vorrede zu seinen Überschriften (21701) das Wort als einer der ersten deutschen Autoren gebraucht zu haben. Die französische Schreibweise und die Verwendungsweise des Wortes bei Thomasius und Wernicke zeigen, daß beide es aus der französischen Literaturkritik übernommen haben. Als Übersetzungen ins Deutsche finden sich „Kunstrichterei“ bei Klopstock (Grimm V, 2724), Lessing (V, 333) und Herder (XXII, 123, 192) für die literarische und „Richtkunst“ bei Reimarus (11756, 301) für die philologische Kritik. Hamann nennt Kant 1781 den „Kunstrichter der reinen Vernunft“ (III, 279). Kant selbst spricht einmal von der Kritik als der „Prüfungskunst“ der Philosophie (B 174). Die Fähigkeit der Kritik, sich auf den Kritiker oder seine kritischen Taten und Werke zurückzuwenden, läßt sich sprachlich in Iterativbildungen ausdrücken. Während 1652 eine Anticritica sacra gegen L. Cappels Critica sacra (1650) erscheint (Tonelli 127), verfaßte ein anderer Autor 1679 gegen S. Fouchers Critique de la Recherche de la Vérité (1675) eine Critique de la Critique de la Recherche de la Vérité. (Nach Tonelli 132 war Fouchers Buch das erste philosophische Werk in Frankreich, das sich Kritik nannte.) Herder nennt Kants Kritik der Urteilskraft, die er als eine Kritik der kritischen Kraft auffaßt (XXI, 8), eine „kritische Kritik“ (XXII, 193 f., 222) und versteht seine eigene Metakritik als „Kritik der Kritik“ (XXI, 18). Marx und Engels verfassen gegen die Gebrüder Bauer eine „Kritik der kritischen Kritik“ und werden noch überboten durch eine „Kritik der Kritik der kritischen Kritik“ (G. Julius, 1845).

https://doi.org/10.1515/9783110605327-008

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2 κριτικὴ τέχνη: Platon und Aristoteles Das griechische Verb κρίνειν (scheiden, unterscheiden, entscheiden) und die Substantive κρίτης (Schiedsrichter im Wettkampf) und κρίσις (Streit, Auswahl, Entscheidung, Urteil) sind bei Platon und Aristoteles vielfältig belegt. Diese Wortfamilie dient bei ihnen zur Bezeichnung des theoretischen Erkenntnisvermögens des Menschen, seiner Anwendung im politischen Leben und in der Beurteilung des gesprochenen und geschriebenen Wortes. Platon verwendet den Ausdruck κριτικὴ τέχνη bzw. ἐπιστήμη im Zuge seiner Definition des Staatsmanns (Polit. 260 c, 292 b). Er ist ein Wissender, sein Wissen ist politische Wissenschaft. Sie wird abgehoben vom Wissen des Mathematikers. Während es dem Staatsmann um die Anweisung zum politischen Handeln und ggf. um die Beratung der praktischen Politiker geht, beschränkt sich der Mathematiker auf Einsicht und Erkenntnis um ihrer selbst willen, etwa des Unterschiedes der Arten von Zahlen. Das so Erkannte begnügt er sich zu beurteilen, zu prüfen und auszusprechen. Diese Art von Wissenschaft nennt Platon die kritische, und er vergleicht den Mathematiker mit dem Zuschauer im Theater, während der Staatsmann wie der Architekt ein anweisendes und für die Befehlsgewalt geeignetes Wissen hat oder haben sollte. Diese erste Bestimmung des kritischen Wissens ist in zweifacher Hinsicht richtungsweisend. Einmal ist kritisches Wissen offenbar ein theoretisches Wissen, da es weder aus der Praxis stammt noch zu ihrer Anleitung dient. Zum anderen können Gegenstand der Beurteilung und Prüfung offenbar nicht nur die zeitlosen Gegenstände der Mathematik, sondern auch die Handlungen der Menschen und insbesondere Werke von Dichtern sein. Eine erstaunlich genaue Parallele zur Platonischen Abgrenzung des Kritikers vom Politiker findet sich in Kants Streit der Fakultäten (1798). Dort heißt es von der philosophischen Fakultät, sie müsse diejenige sein, die „keine Befehle zu geben, aber doch alle zu beurteilen die Freiheit habe“ (SF, AA 07: 19 f.). Die Forderung nach Freiheit der Kritik gegenüber der Staatsgewalt ist allerdings das gegenüber Platon Neue in der Bestimmung des Philosophischen. Die Platonische Unterscheidung des theoretischen und kritischen Wissens vom praxisanleitenden tritt bei Aristoteles (Nic. Eth. 6. Buch) wieder auf als Gegensatz von σύνεσις und φρόνησις, von Verständigkeit und praktischer Klugheit. Aber diese Unterscheidung wird nun innerhalb der politischen Sphäre getroffen. Das Verstehen leitet nicht wie die Klugheit politisches oder öffentliches Handeln an, sondern beschränkt sich auf die richtige Einschätzung und Bewertung solchen Handelns. In der Definition des Staatsbürgers (Polit. 1275b19) bezeichnet das Wort κριτική jedoch nicht mehr nur das Beurteilen von Handlungen, sondern konkret das Richteramt. Auch für die spätere Bedeutung von Kritik als Litera-

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turkritik finden sich bei Platon und Aristoteles Belege. So spricht Platon von einer κρίσις (τῶν ποιημάτων) (Nomoi 829d4 f.), einer Zensur und Auswahl von Gedichten unter dem Gesichtspunkt ihrer moralischen Unbedenklichkeit, und κρίνειν scheint in der Poetik des Aristoteles (1449a8) auch die Tätigkeit eines Literaturhistorikers und -kritikers zu bezeichnen (vgl. Hellwig 134). Der pseudoplatonische Dialog Axiochos schließlich, der wohl erst Anfang des ersten Jahrhunderts v.Chr. entstanden ist, verwendet das Wort κριτικοί als Bezeichnung für Sprach- und Literaturkenner, für die Interpreten der Dichter.

3 Philologische Kritik, Bibelkritik, Hermeneutik 3.1 Anfänge, Renaissance, 17. Jahrhundert Während κριτικός bei Strabon (64 v.–21 n.Chr.) einen philologischen Gelehrten des 4. Jh. v.Chr. bezeichnet, scheint die spätere Bezeichnung dafür γραμματικός gewesen zu sein, während seit Eratosthenes (276 – 195 v.Chr.) die Bezeichnung φιλόλογος allgemein für den Gelehrten verwendet wurde (Pfeiffer 116, 197 f.). Der Stoiker Krates von Pergamon (um 175 v.Chr.) nahm für seine philosophische Homerexegese den alten Titel eines κριτικός wieder in Anspruch (ebd. 285 f.). Im System der τέχνη γραμματική des Dionysios Thrax (166 ff. v.Chr.) fungiert die Literaturkritik, die κρίσις ποιημάτων, als vornehmster Teil der Philologie, die nun nicht mehr als ganze κριτική genannt wird (ebd. 325). Bei Cicero und Horaz allerdings bezeichnet criticus den Philologen, der nach dem ersteren auch die Aufgabe hat, Echtheitsfragen zu entscheiden (Epist. 9, 10, 1). In dieser allgemein philologischen Bedeutung gelten dann Platon und Aristoteles, dieser als der Verfasser einer Poetik und Rhetorik, als Begründer der Kritik. Im Altertum scheint dieses Wort nur gelegentlich, etwa bei Cicero, konkret die Textkritik und ihre Editionstechnik zu bezeichnen. Die Wiederbelebung der antiken philologischen Kritik im Humanismus führt auch zur Neuprägung des Terminus ars critica z. B. bei J. Lipsius (1582), G. Scioppius (1597), J.J. Scaliger (1619) (Tonelli 124 f.) und Erasmus, der den Terminus auch für die Bibelkritik verwendet (Wellek, Term and Concept 23). Der Ausdruck critici scheint zuerst wieder von A. Politianus (1492) gebraucht worden zu sein, der damit die Grammatiker oder Philologen bezeichnet, sofern sie bei den Alten als einzige die Zensoren und Richter aller Schriftsteller waren (ebd.). Wenig später definiert A. Calepinus (1502) die critica als Philologiae pars […], quae in emendatione auctorum et in judicio consistit [der Teil der Philologie, der in der Verbesserung der Verfasser und in deren Beurteilung besteht]. Entsprechend sind die critici die Poetarum interpretes, et generatim censores alienorum operum [die

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Ausleger der Dichter und im weitesten Sinne die Beurteiler fremder Werke] (Tonelli 124). Während hier wohl philologische Textemendation, gelehrte Kommentierung und literarische Bewertung insgesamt unter dem Begriff Kritik verstanden werden, bedeutet er für G. Scioppius ausschließlich die Verbesserung der Werke aller Schriftsteller in griechischer und lateinischer Sprache, während J. Wower (1602) als die beiden Teile der Kritik iudicium, die Prüfung der Echtheit der Schriften eines Autors, und emendatio, die Verbesserung von Fehlern der Textüberlieferung, unterscheidet (Wellek, Term and Concept 23 f.). Damit ist die Unterscheidung der später so genannten höheren von der niederen philologischen Kritik im engeren Sinne der Textkritik vorweggenommen. Fragen der Stilkritik und der literarischen Wertung gehören zu dieser Zeit in die Poetik und Rhetorik. Erst Gottsched schreibt eine „kritische“ Dichtkunst (Poetik). Die theologische Bedeutung der Textkritik für die Herstellung und Interpretation eines zuverlässigen Bibeltextes wird zumindest seit Erasmus erkannt, und der Konflikt der Kritik der Überlieferung insbesondere mit dem protestantischen Schriftprinzip hat über die Theologie hinaus philosophische Relevanz. Ein Buch des italienischen Philologen G. Castiglione (1608) ist wohl das erste, dessen Titelbegriff „Kritik“ als biblische Schriftkritik zu verstehen ist, und seit etwa 1639 (E. Leigh) scheint der Ausdruck critica sacra für die philologische Kritik des Alten und Neuen Testaments verwendet zu werden (Tonelli 127), z. B. für die umstrittene Critica sacra (1650) des französischen Calvinisten Louis Cappel. Daß damit die protestantische Schriftgläubigkeit in Frage gestellt sei, hat der Katholik Richard Simon (1678) gegen Cappel betont und darin einen Beweis für die Notwendigkeit einer kirchlichen Tradition gesehen (Kosellek 87 f., 199 f.; Tonelli 127 f.). Seit Spinozas Tractatus theologico-politicus (1670), der als das erste Werk einer philosophisch fundierten höheren Kritik am Text der Bibel angesehen werden muß, hat sich die Einsicht in die Notwendigkeit einer Trennung biblischer und rationaler Theologie vertieft. Denn die Worte des Alten Testaments bezeugen nach Spinoza nur die Schwäche der Fassungskraft der damaligen Menschen, nicht aber die Unendlichkeit und Notwendigkeit Gottes, die nur der Spekulation zugänglich sind. Reimarus glaubt, daß die Regeln auch der biblischen Textkritik aus der Logik, also allein aus der menschlichen Vernunft abgeleitet werden müssen (Reimarus 300 ff.), und Lessing findet es unerträglich, daß er seine metaphysischen und moralischen Begriffe, insbesondere alle seine Grundideen von dem Wesen der Gottheit, nach historischen Wahrheiten und ihrer Überlieferung umbilden soll (Lessing VIII, 13), deren Ungewißheit nur allzu gewiß ist. Philologische und deshalb auch historische Kritik stellen die Göttlichkeit der Offenbarung zusammen mit der Glaubwürdigkeit der Überlieferung in Frage und verweisen den Menschen auf die eigene Vernunft als die einzige Quelle möglicher Rechtfertigung des Glaubens an Gott und ein künftiges Leben.

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3.2 Schleiermachers Kritik und Hermeneutik In Schleiermachers Theorie der Kritik, die wohl aus seinen Studien zur Exegese des Neuen Testaments hervorgegangen ist, vereinigen sich alle genannten Elemente und Zwecke der klassischen und biblischen Philologie. Schleiermacher legt seinen Ausführungen Schriften von F. A. Wolf und F. Ast zugrunde. Die philologische Kritik steht zu ihren Nachbardisziplinen Grammatik und Hermeneutik in einem Verhältnis wechselseitiger Voraussetzung. In fast wörtlicher Übereinstimmung mit Ast (Ast 216) sagt Schleiermacher, daß die kritische Tätigkeit erst mit den Schwierigkeiten entsteht, durch welche die hermeneutische sich gehemmt fühlt, daß also im allgemeinen der Kritik die Hermeneutik vorausgeht (Schleiermacher 353). Philologische Kritik wird dabei definiert als „die Kunst, die Echtheit der Schriften und Schriftstellen richtig zu beurteilen und aus genügenden Zeugnissen und Datis zu konstatieren“ (ebd. 71). Sofern sich die Kritik auf wissenschaftliche Werke und Kunstwerke bezieht, kann sie mit einem Ausdruck F. A. Wolfs „doktrinale“ oder „rezensierende“ Kritik genannt werden, deren Funktion es ist, über die Angemessenheit eines einzelnen Werkes zu seiner Idee oder seinem Gattungsbegriff zu richten, also ein Werturteil zu fällen und sich dabei des Vergleiches mit anderem Einzelnen zu bedienen. Gegenstand solcher Bewertung kann auch ein Werk der mimischen Kunst oder ganz allgemein jede Handlung sein, die politischer und ethischer Würdigung zugänglich ist. Als dritte Art der Kritik nennt Schleiermacher die „historische“ Kritik und bestimmt ihre Aufgabe dahingehend, „aus Relationen die Tatsachen zu konstruieren, also zu bestimmen, wie sich die Relation zur Tatsache verhalte“ (ebd. 241). Als evangelischer Theologe sprechend, sagt Schleiermacher schließlich, daß es für die neutestamentliche Kritik keine andern Regeln gebe als die der allgemein philologischen Kritik, da die Urteile etwa der Kirchenväter keine eigene Autorität für ihn haben, sondern als erst zu überprüfende Urteile wie andere im literarischen Felde angesehen werden müssen. Was schließlich das Verhältnis der historischen zur doktrinalen Kritik angeht, so können die in dieser zugrunde gelegten Gattungsbegriffe ihrerseits als innere Tatsachen angesehen werden, von denen die einzelnen Werke nur die Erzählung oder die Erscheinung in einem einzelnen Falle sind. Umgekehrt aber läßt sich die historische Kritik als ein Fall der doktrinalen verstehen, sofern die einzelnen Tatsachen im Leben einer Nation als Ausdruck oder Erzählung ihres „eigentümlichen Lebenstypus“ (ebd. 357 f.) angesehen werden können. Die so zusammengehörige historische und doktrinale Kritik macht als allgemeinste kritische Tätigkeit zusammen mit der ihr korrespondierenden produktiven Tätigkeit das geistige Leben eines Volkes aus.

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4 Philosophische Literatur- und Kunstkritik und die Ausbreitung der Kritik im 18. Jahrhundert Die ästhetische Bewertung von Werken der Kunst, insbesondere der Dichtung, gehörte schon in der Antike zu den Aufgaben der Kritik. J.C. Scaliger (1561) sah es wieder als Aufgabe des Philosophen an, Kritik im Sinne der literarischen Wertung von Dichtungen vorzutragen (Tonelli 131; Wellek, Term and Concept 24). Dieser Sinn von Kritik (literary criticism) als Literaturtheorie und Literaturkritik (Rezension von Neuerscheinungen) hat sich aber erst im 17. Jh. durchgesetzt (Wellek, a.a.O. 24). Im 18. Jh. wird der Gebrauch des Wortes Kritik in allen Wissensbereichen offenbar Mode, und man kann vermuten, daß das Adjektiv „kritisch“ in tausenden von Buchtiteln im Europa dieser Zeit auftritt (Tonelli 132).

4.1 Von Shaftesbury zu Baumgarten Die Sache der Kritik verteidigen kann nach Shaftesbury nur der, der ihre Unerläßlichkeit für die Geschmacksbildung oder für die Ausbildung eines Urteilsvermögens in Fragen der Kunst zeigen kann. Die Alternative dazu wäre es, bloße individuelle Gefühle und regellose Einfälle oder Launen zur Regel des Schönen und Wohlgefälligen zu machen. Da Geschmack und Urteilsvermögen nicht angeboren sind, bedarf es der Übung und Kultivierung der Geisteskräfte, um eine allgemeine Idee oder einen klaren Begriff des Vorzüglichen und Vortrefflichen zu entwickeln, d. h. einer Bemühung und Anstrengung, ohne die die Kunst der Prüfung und Beurteilung nicht erlangt wird. Dies geschieht durch Vergleich verschiedener Werke und Stile, setzt also eine ausgebreitete Kennerschaft voraus, ohne die niemand Kunstregeln aufstellen könnte. Im negativen Sinne ist Kritik eine Methode der Widerlegung ungerechtfertigter Ansprüche. Dies gilt auch für die Bereiche der Religion und Politik, sofern sie in Werken von Schriftstellern ihren Niederschlag finden. Nur Abergläubische und Unwissende können sich durch einen solchen Geist der Kritik herausgefordert fühlen. Und da jeder Autor als solcher sich an einen Leser und Beurteiler seiner Sprache richtet, so kann sein Werk niemals über alle menschliche Kritik erhaben sein. Das gilt auch für die heiligen Schriften, die nicht, wie in der römischen Kirche, dem öffentlichen Urteil und der Untersuchung entzogen werden dürfen. Shaftesburys Plädoyer für die Freiheit der Kritik, insbesondere auch für die Freiheit der philologischen Prüfung und Untersuchung der biblischen Schriften, ist ein eloquenter Auftakt des Jahrhunderts der europäischen Aufklärung.

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Auf Shaftesbury hat sich Gottsched in seiner Critischen Dichtkunst (11730) mehrfach berufen. Als Poetik will dieses Buch den Anfänger lehren, wie man ein Gedicht auf untadelige Weise zustandebringt, als ein Werk der Kritik lehrt es, wie der Liebhaber ein solches Geistesprodukt richtig zu beurteilen hat, beides aber nach Regeln. Diese Regeln will Gottsched nicht erfunden, sondern nur von den größten Kunstrichtern alter und neuer Zeiten übernommen haben. Gottsched wendet sich ganz im Sinne Shaftesburys gegen die Meinung (des Plinius), von Künsten könne nur ein Künstler urteilen.Vielmehr ist das die Aufgabe eines jeden, der von der Kunst zu philosophieren weiß, wie es bei den Griechen deren bester Kritiker Aristoteles getan hat. Da die ontologischen Gründe der Möglichkeit aller Dinge, die Natur der Menschen und die gesunde Vernunft gleichermaßen unveränderlich sind, gelten die Regeln des Aristoteles heute genauso wie zu seiner Zeit und in seinem Volk. Die Schweizer Kunstrichter Bodmer und Breitinger stehen wie ihr Gegner Gottsched auf dem Boden der Wolffischen Philosophie.Von Bodmer stammt auch die wohl erste Geschichte der deutschen Literaturkritik: Nachrichten von dem Ursprung und Wachsthum der Critik bey den Deutschen (1741). Hier wird als einer der ersten Kritiker nach Opitzens Anfängen Christian Wernicke genannt und von ihm gesagt: „Er urtheilte auf festgesetzte und beständige Grundsätze; welches vor ihm noch keiner gethan hatte“ (103). Das Richteramt der Kritik in Fragen der schönen Kunst gebührt der reinen Vernunft: „die Empfindung wird damit ihrer richterlichen Gewalt entsetzet, und vor den Richterstuhl der Vernunft gefordert“ (Bodmer, Briefwechsel 46). „Critische Kunst“ (ebd. 51) beruht nicht auf der Empfindung, sondern auf der Beurteilung der Dichtungen nach Regeln des Ebenmaßes in der sprachlichen Nachahmung von Urbildern, die mehr oder minder große Ähnlichkeit erzielen kann. Und nach Bodmers Vorrede zu Breitingers Critischer Dichtkunst (1740) hat die Erfahrung gezeigt, daß „der reine Geschmack“ nur bei solchen Nationen allgemein geworden ist, „welche durch die Ausübung der Weltweisheit zu critischen Untersuchungen waren vorbereitet worden“ (nicht paginiert). Nach Baumgarten beruht die Beurteilung der Dinge, d. h. die Vorstellung ihrer Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten, psychologisch auf einem Vermögen bzw. einer Fertigkeit des Menschen zu beurteilen (iudicium). Dieses muß nun, je nachdem ob die Vollkommenheiten deutlich oder sinnlich (undeutlich) vorgestellt werden, ein verständiges oder sinnliches Beurteilungsvermögen genannt werden. Die Fertigkeit, Dinge sinnlich zu beurteilen, heißt auch der Geschmack (im weiteren Sinn). Der Geschmack ist also ein Vermögen der undeutlichen Erkenntnis der Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten der Dinge oder die Fertigkeit, die Schönheiten und Häßlichkeiten aller Dinge zu erkennen. Ein Kritiker (Kunstrichter) dagegen ist derjenige, der die Fertigkeit hat, von der Voll-

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kommenheit der Dinge deutlich zu urteilen. Kritik in der weitesten Bedeutung ist die Kunst zu beurteilen, Kritik in der weiteren Bedeutung ist die Wissenschaft der Regeln der deutlichen Beurteilung. Diese Begriffsdefinitionen und -einteilungen aus Baumgartens Metaphysica bilden die Grundlage für sein Verständnis von Kritik in der Aesthetica. Baumgartens Schüler Georg Friedrich Meier will in seiner Schrift Abbildung eines Kunstrichters (1745) die Kritik auf alle möglichen Dinge überhaupt ausdehnen. Die Kritik oder Beurteilungskunst ist dann ganz allgemein die Wissenschaft, von allen Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten aller möglichen Dinge zu urteilen, eine universale Bewertungswissenschaft. Als theoretische Kritik hat sie in ihrem ersten Teil die Frage zu beantworten, wie man sich Begriffe von Vollkommenheiten und deren Gegenteil machen solle. Das geschieht in der „Instrumental-Critik“ oder „Logik der Kritik“ (ebd. 10). Deren erster Teil handelt von der deutlichen Erkenntnis der Vollkommenheiten, ihr zweiter Teil gibt die Regeln, „wie man die Schönheiten und Häßlichkeiten der Dinge, auf eine zwar sinnliche, doch aber vollkommene Art, erkennen und beurteilen soll“ (ebd. 11). Dieser Teil dient also der Geschmacksbildung. Paradoxerweise wird Kant den erweiterten Kritikbegriff Baumgartens aufnehmen und ihn verwandelt gegen Baumgarten als Metaphysiker wenden: „Ein Zyklop von Metaphysiker, dem das eine Auge, nämlich Kritik, fehlt“ (Kant, Ref. 5081, AA 18: 82; ebd. 81 f.).

4.2 Die Enzyklopädie Pierre Bayles Dictionaire historique et critique (1695 – 1697) tritt auf mit dem Anspruch, den Stolz des Menschen dadurch zu demütigen, daß ihm die Eitelkeit der Wissenschaft und die Schwäche seines Verstandes bewiesen werden. Die menschliche Unwissenheit und Schwachheit, die Irrtümer und leeren Wissensprätentionen im Felde der Geschichtswahrheiten oder vorgeblichen Fakten anzuprangern, ist eine moralische Aufgabe des untersuchenden und prüfenden Kritikers, der damit auch ein christliches Werk vollbringt. Der positive Nutzen solcher Kritik ist die Sicherung der Wahrscheinlichkeit der Fakten der Geschichte. Der Begriff der Tatsache (fait) umfaßt nach Diderot die Handlungen der Gottheit, die Phänomene der Natur und die Taten der Menschen. „Alle sind gleichermaßen Gegenstände der Kritik“ (Diderot XV, 3), denn die stehen nicht wie die Vernunftwahrheiten a priori als gewiß fest. Theologie, Philosophie und Geschichte bedürfen also einer Untersuchung ihrer Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt ebenso wie alle andern Wissenschaften und Künste, deren umfassende Gesamtdarstellung die Encyclopédie sein will. Der von allen Autoritäten sich emanzipierende philosophische Geist begründet eine Kritik, die nicht mehr nur philo-

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logische Textverbesserung, sondern Zerstörung aller Vorurteile und allen Aberglaubens ist, die die Gesellschaft infiziert haben (vgl. Voltaires Artikel Gens de lettres). Marmontels Artikel Critique in der Encyclopédie (1754) umfaßt Kritik in allen ihren Bedeutungen, als gelehrte Wiederherstellung der antiken Literatur, als Kritik in den freien und schönen Künsten und als aufgeklärte Prüfung und gerechte Beurteilung der menschlichen Hervorbringungen (productions humaines) (Encyclopédie IV, 490). Das erste Beispiel für Kritik in den Wissenschaften ist die Bibelkritik. Aber da Marmontel es für pietätlos erklärt, die offenbarte Geschichte des Alten und Neuen Testaments der Prüfung der Vernunft zu unterwerfen, will er darunter nur eine solche Erörterung der Bibel verstanden wissen, die auf den Triumph des Glaubens abzielt. Für diese Art von „Kritik“, nämlich Vergleichung und Harmonisierung von Bibeltexten, Angleichung der Ereignisse an die sie ankündigenden Prophezeiungen, Betonung der geistigen Bedeutung gegenüber der physischen Unmöglichkeit von Wundern, Bekämpfung des Widerstrebens der Vernunft durch Erhöhung der Zeugnisse, gilt Pascals Projekt einer Apologie des Christentums als beispielhaft. Es ist sonderbar, daß diese Art der Unterwerfung der Vernunft unter den Glauben ohne jedes äußere Anzeichen der Ironie „Kritik in den Wissenschaften“ genannt wird. – Die Kritik in der profanen Geschichtsschreibung besteht in der Abwägung und Prüfung der Fakten nach dem Grade ihrer Möglichkeit,Wahrscheinlichkeit und Bekanntheit, nach dem Gewicht der für sie sprechenden Zeugnisse und der Glaubwürdigkeit der über sie berichtenden Historiker. – In der empirischen Naturwissenschaft besteht die Aufgabe der Kritik darin, die Wahrheit über die Naturtatsachen auf zweifache Weise festzustellen: Verifikation durch Wiederholung von Beobachtungen und Erfahrungen oder, wenn das nicht möglich ist, Abwägung der Zeugnisse anderer. Marmontel verbindet also Descartes’ methodischen Zweifel mit Bacons empiristischer Methode der induktiven Beweisführung mittels Beobachtung und Experiment und nennt diese Kombination „Kritik“ (in den Naturwissenschaften). Die Kunst des Kritikers ist die auf methodische und auf logische Regeln zurückführbare Erforschung der Natur. Der Fortschritt der Wissenschaften über mancherlei Hindernisse zu deren theoretischer Bewältigung ist also ebenso Gegenstand und Frucht der Kritik wie diese Wissenschaften selbst. Vor allem aber ermöglicht nur eine Kritik des Erkenntnisprozesses in seiner Entstehung und Entwicklung die Feststellung, daß eine Theorie einen Fortschritt gegenüber ihren Vorgängerinnen darstellt. Heutige wissenschaftstheoretische Debatten über Criticism and the Growth of Knowledge (1970, ed. Lakatos/Musgrave) sind hier vorweggenommen. Kritik ist schließlich Kritik der Vorurteile des einzelnen Menschen, besonderer Völker und Staaten und verschiedener Zeiten nach dem Maßstab der unveränderlichen Prinzipien der natürlichen Gerechtigkeit (équité) der ganzen Mensch-

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heit, die eine allumfassende Gesellschaft oder ein großer politischer Körper ist. Daher gilt, daß es allgemein keinen höheren Kritiker als die Öffentlichkeit, das Publikum, gibt, das die öffentliche Meinung ausbildet und zumindest in Zukunft der vollkommenste Kritiker der Künste sein wird, der auch dem Genie all seine Freiheit läßt, während der subalterne Kritiker es dem Joch der Regeln unterwirft. Der Enzyklopädieartikel Critique ist die einzige, alle Unterarten und Aspekte dieses Begriffs zusammenfassende Gesamtdarstellung zu diesem Thema. Er handelt im Geiste der Aufklärung von allen Errungenschaften des neuzeitlichen Denkens in diesem Felde und kann zur Erläuterung der These Buhles angeführt werden: „Unserem Zeitalter gebührt das Lob, mehr als die vorhergehenden mit Kritik untersucht […] geläutert und aufgeklärt zu haben; deswegen es auch von einigen mit Recht den Beynamen des kritischen erhalten hat“ (Buhle 1790 [zitiert nach Koselleck 196]).

5 Die Idee einer Kritik der reinen Vernunft Die frühesten Zeugnisse für Kants eigenen Gebrauch des Wortes und Begriffes „Kritik“ sind in Logikreflexionen aus den 1760er Jahren erhalten. Die (objektive) Logik dient hier der Kritik des Vernunftgebrauchs oder als eine medicina mentis (Refl. 1573, AA 16: 13), genauer als catharticon des Verstandes (ebd.) oder der Vernunft. Die Kritik als Wissenschaft der gesunden Vernunft dient ebenso zur Verbesserung des Vernunftgebrauchs wie die Grammatik zur Verbesserung des Sprachgebrauchs (Refl. 1574, 1579, ebd. 14, 19) Beide können nur Fehler verbessern, aber nicht selbst den richtigen Gebrauch erzeugen. Eben diese Funktion hat im Bereich der Sinnlichkeit die Ästhetik: sie dient zur Kritik des Geschmacks, obwohl ihre Regeln nur empirisch gewonnen sein können. Die Logik als Kritik, „Disziplin“ oder catharticon der gemeinen Vernunft ist aber jenseits dieses Parallelismus zur Ästhetik eine Theorie oder Wissenschaft, deren Vernunftregeln selbst aus der Vernunft bewiesen werden, also ist sie nicht bloß Kritik, sondern dient nur auch zur Kritik. Die Ästhetik aber soll eine Vernunfterkenntnis des Schönen aus empirischen Begriffen sein und ist insofern nur Kritik (Refl. 3716, ebd. 255). Trotz des genannten entscheidenden Unterschieds zwischen Logik und Ästhetik wird die Kritik als das gemeinsame Genus beider Disziplinen begriffen. Diese Auffassung steht also noch unter dem Einfluß Baumgartens. Bald darauf heißt es deutlicher: „Die Vernunfterkenntnis des Schönen ist nur Kritik und nicht Wissenschaft“ (Refl. 622, wohl 1769, ebd. 15: 269) und: „Es gibt keine Theorie des Geschmacks“ (Refl. 1585, ebd. 16: 26). In diesem Zusammenhang wird auf Henry Homes Grundsätze der Kritik erstmals hingewiesen: „Schöne Künste erlauben nur Kritik. Home. Daher keine Wissenschaft des Schönen“ (Refl. 1588, ebd. 16: 27). An

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dieser Auffassung hat Kant von nun an festgehalten. Damit ist Baumgartens Ästhetik für ihn ein gescheitertes Projekt. Ebenfalls aus der Zeit um 1769 scheint die Reflexion 3957 zu stammen, in der erstmals die „Philosophie der reinen Vernunft“ als ganze „kritisch“ genannt wird. Sie ist nämlich entweder dogmatisch (als theoretische Logik, theoretische Moral und allgemeine Naturwissenschaft) oder „kritisch, mithin subjektiv“ (ebd. 17: 366, vgl. Refl. 3964, ebd. 17: 368). Es hat somit den Anschein, als sei in dieser Zeit die Idee einer kritischen Philosophie der reinen Vernunft entstanden. Wie diese Kantische Vernunftkritik nun „zetetisch, skeptisch“ (Refl. 3957, ebd. 17: 366) genannt wird, weil sie als Untersuchung des erkennenden Subjekts die Metaphysik in ihrer objektiven Gültigkeit als ein ungelöstes Problem ansehen muß, so wird nach der Dissertation De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (1770) die skeptische Methode zu einem Prüfstein der Möglichkeit einer Metaphysik überhaupt. Stellt man die Möglichkeit der Metaphysik als Wissenschaft in Frage, so gibt es neben der Prüfung metaphysischer Beweise auf formale Schlußfehler eine zweite, bessere Methode: „einem Beweise einen andern und zwar ebenso überzeugenden des Gegenteils zu opponieren“ (Refl. 4454, ebd. 17: 557). Durch diese Methode der „Critik der Metaphysik“ (ebd.) wird man am besten eines Fehlers in strengen metaphysischen Beweisen gewahr, nämlich der Verwechslung des Subjektiven mit dem Objektiven, also eines Scheins in der Vernunfterkenntnis. Soll dieser verhütet werden, so bedarf es einer Untersuchung des Erkenntnisvermögens selbst: „Die Transzendentalphilosophie ist Kritik der reinen Vernunft, Studium des Subjekts“ (Refl. 445, ebd. 17: 558). Im Brief an Marcus Herz vom 21. 2.1772 ist die Idee des späteren Hauptwerkes klar ausgesprochen. Kant fühlt sich jetzt imstande, „eine Kritik der reinen Vernunft vorzulegen“ (ebd. 10: 132). Das geschieht aber erst neun Jahre später. Kants Buchtitel Kritik der reinen Vernunft entlehnt den Namen der Kritik aus der als „Kritik der Vernunft überhaupt“ verstandenen Logik und überträgt ihn auf die von ihm neu konzipierte Transzendentalphilosophie. Diese ist eine „Logik der reinen Vernunfterkenntnis“ und handelt „von der Möglichkeit, dem Inbegriff und den Grenzen aller Erkenntnis der reinen Vernunft (auch der reinen Mathematik)“ (Refl. 5644, ebd. 18: 285). Daß aber auch diese Art von Logik „Kritik“ genannt wird, verdankt sie ihrer Verwandtschaft mit der irreführend „Ästhetik“ genannten Kritik des Geschmacks. Während diese die Produkte des Genies als Objekte der Beurteilung voraussetzt, ist es die dem Menschen natürliche, aber zugleich trügerische Metaphysik, die eine Kritik der reinen Vernunft unumgänglich macht. Nur sofern das natürliche Produkt der reinen Vernunft fehlerhaft ist, also entweder Scheinbeweise für die Existenz Gottes oder die Unsterblichkeit der Seele geführt werden oder die Beweisresultate sich sogar widersprechen (wie es in der kosmologischen

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Antinomie der Fall ist), zeigt sich, daß die Naturanlage zur Metaphysik selbst und nicht dieses oder jenes metaphysische System der Kritik bedarf.

6 Von der Metakritik zur Kritik der politischen Ökonomie 6.1 Metakritik (Hamann und Herder) Alle philosophische Kritik nach Kant ist von Kants Vernunftkritik beeinflußt. Hamanns zunächst ungedruckte Rezension der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft (von 1781, gedruckt 1802) ist bestimmt vom Protest gegen die vermeintliche Anmaßung der Kantischen Metaphysik, deren Prinzipien „heiliger als der Religion und majestätischer als der Gesetzgebung ihre“ (Hamann III, 277) sein sollen und die sich zu monarchischer Würde aufschwingen will. Die Metakritik über den Purismum der Vernunft (1784, gedruckt 1800) polemisiert gegen die Kantische Reinigung der Philosophie, d. h. gegen den Versuch, „die Vernunft von aller Überlieferung, Tradition und Glauben daran unabhängig zu machen“ (ebd. 284) sowie gegen ihre prätendierte „Unabhängigkeit von der Erfahrung und ihrer alltäglichen Induktion“ (ebd.). Hamanns Metakritik nimmt Kants Vernunftkritik als letzten Ausdruck „eines kritischen Jahrhunderts“ (ebd.), das sich gegen Empirismus und Tradition in Religion und Gesetzgebung gewandt hatte. Dabei findet Hamann in der Kantischen Kritik einen Skeptizismus, der dem Humes ähnlich sei, und wendet sich gegen die „Rechthaberey, Zweifelsucht und Kunstrichterschaft“ (ebd. 284) der reinen Vernunft, deren Purismus seine größte Schwäche in der Vernachlässigung der Sprache hat. Die Sprache ist nach Hamann „das einzige erste und letzte Organon und Kriterion der Vernunft, ohne ein ander Creditiv als Überlieferung und Usum“ (ebd.). Sie ist auch der „Mittelpunkt des Misverstandes der Vernunft mit sich selbst“ (ebd. 286), also derjenigen Dialektik, die Kants Hauptwerk kritisieren wollte. Kants leerer Formalismus und seine unsinnige Vorliebe für die Mathematik haben es ihm aber unmöglich gemacht, die Sprachlichkeit der Vernunft und die Erfahrungsabhängigkeit aller Vernunfterkenntnis als die wahre Basis aller Vernunftkritik zu erkennen. Herders Abhängigkeit von Hamann ist so offensichtlich, daß sie ihm sogar den Plagiatsvorwurf eingetragen hat, wohingegen Hegel meinte, daß seine Metakritik mit der Hamannschen nur den Titel gemein habe. Herders Einwände gegen das Kantische Unternehmen richten sich schon gegen den Buchtitel Kritik der reinen Vernunft: „Ein Vermögen der menschlichen Natur kritisiert man nicht. […] Künste, Wissenschaften, als Werke der Menschen betrachtet, kritisiert man […]

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nicht aber Naturvermögen“ (Herder XXI, 17). Die Natur und ihre Vermögen zu kritisieren ist entweder sinnlos, da hier kein bewußt handelnder Autor getadelt und zur Besserung angehalten wird, oder vermessen, da solche Kritik Überlegenheit gegenüber der Natur und ihrem göttlichen Ursprung beansprucht. Aber selbst wenn eine solche Kritik als sinnvoll angesehen werden könnte, so läßt sich ihre Haltlosigkeit zeigen. Denn das Kritisieren als ein Richten setzt gegebene Gesetze als Maßstäbe und Normen der Kritik voraus. Soll die Vernunft kritisiert werden, so ist sie sowohl Richterin über sich selbst, also nicht unparteiisch, als auch Maßstab der Kritik ihrer selbst, also zugleich Gesetz (und Zeuge) in diesem seltsamen Gerichtsverfahren. Die über die „reine“ Vernunft richtende Vernunft ist aber weder eine höhere als die menschliche, noch eine von den anderen Seelenvermögen abtrennbare, noch eine von der Sprache unabhängige Vernunft, und da Kant derartiges mit dem Titel seines Hauptwerkes prätendiert, läßt sich schon aus ihm allein dessen Hinfälligkeit dartun. Die einzig sinnvolle Untersuchung der menschlichen Vernunft sei „eine Physiologie der menschlichen Erkenntniskräfte“ (ebd.). Ohne eine solche empirische Physiologie ist Vernunftkritik die Kritik eines Kriteriums aller Kritik, das selber aller Kriterien, allen Kanons und aller Regel entbehrt. Die Kriterien- und damit die Kritiklosigkeit der Kantischen Vernunftkritik zeigt sich nach Herder vor allem auch an der Kritik der Urteilskraft. Die objekt- und regellose reine Vernunft (im weiteren Sinne des Wortes) habe hier als erfahrungsunabhängiges Vermögen die Macht, „sich vor aller und ohne alle Erfahrung die Natur zu schaffen“ (ebd. XXII, 3). Der Vorwurf, den Herder in der Kalligone (1800), seiner Metakritik zur Kritik der Urteilskraft, gegen Kant erhebt, ist folglich der, daß er die Philosophie zur Phantasie, zur Abstraktionendichtung gemacht habe, wie sich für Herder vor allem an Fichtes Idealismus zeigt: „Kritik und Philosophie haben damit ein Ende“, die „Akritik“ bzw. „Akrisie“ setzt sich auf ihren Thron (ebd. XXII, 8).

6.2 Hegels drei Konzeptionen der Kritik Obwohl Hegel sich über Herder meist im Tone der Herablassung äußert, ist seine Ablehnung der Kantischen Vernunftkritik kaum weniger entschieden und wohl auch von Herder beeinflußt. Freilich nimmt der Kritikbegriff keine zentrale Stellung ein und zerfällt bei näherem Hinsehen in mehrere heterogene Kritikkonzeptionen. 6.2.1. Der aufklärerische Begriff der Kritik wird bei Hegel zunächst auf den der Rezension der Bücher und Systeme reduziert: Schelling und Hegel sind für eine kurze Zeit die einzigen Autoren eines Kritischen Journals der Philosophie

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(1801– 02). Der programmatische Aufsatz Über das Wesen der philosophischen Kritik…, der von Hegel in Zusammenarbeit mit Schelling verfaßt zu sein scheint, betont die Angewiesenheit der Kritik auf einen Maßstab, der vom Beurteilenden ebenso unabhängig sei wie vom Beurteilten. Dieser Maßstab sei die Idee der Philosophie, die sich zu einzelnen philosophischen Werken wie das Absolute zum Bedingten verhalte. Hier sind also Gedanken des Platonischen Idealismus mit solchen der Kantischen transzendentalen Dialektik verbunden worden, um ein antikantisches Kritikkonzept zu begründen. Es gibt nur eine Philosophie, weil es nur eine Vernunft gibt und die Philosophie nichts anderes als das Selbsterkennen der Vernunft ist. Dieses Selbsterkennen ist zugleich Erkennen des Absoluten, d. h. Gottes oder der Natur. Das Absolute als die Wahrheit der Vernunft macht Kritik als objektive Beurteilung philosophischer Werke möglich. 6.2.2. In seiner Wissenschaft der Logik dagegen beansprucht Hegel, die berechtigten Absichten Kants verwirklicht zu haben. Er wendet gegen die vorkantische Metaphysik ein, sie habe die logischen Formen „ohne Kritik gebraucht“, d. h. „ohne die vorgängige Untersuchung, ob und wie sie fähig seien, Bestimmungen des Dings-an-sich, nach Kantischem Ausdruck, oder vielmehr des Vernünftigen zu sein“ (Werke V, 61 f.). Hegels objektive Logik ist dagegen „die wahrhafte Kritik“ der Kategorien und Reflexionsbestimmungen, „eine Kritik, die sie nicht nach der abstrakten Form der Apriorität gegen das Aposteriorische, sondern sie selbst in ihrem besonderen Inhalt betrachtet“ (ebd. 62). Von dieser wahren Kritik aus gesehen erscheint (wie bei Herder) das Kantische Verfahren als Kritiklosigkeit, da Kant es nach Hegel versäumt hat, die Formen der allgemeinen reinen (d. h. der formalen) Logik, den Satz vom Widerspruch, die Konversionsregeln und die syllogistischen Formen, einer Kritik zu unterwerfen. 6.2.3. Das Gegenprinzip zur Kritik, das der Autorität, wird von Hegel in einem Brief an Niethammer (21. Januar 1808) allerdings ausdrücklich anerkannt: „Von der Autorität müssen wir ohnehin anfangen, d. h. von dem Glauben, daß um ihres Ruhmes willen – wie andere zunächst um des Ansehens in einem Staate willen – Plato und Aristoteles […] mehr Zutrauen als unsere Gedanken verdienen […]“ (Hegel, Briefe I, 209). Und vom Ansehen der französischen Staatszeitung Moniteur heißt es lobend, daß auf seine literarische Seite, d. h. seine Rezensionen schriftstellerischer Werke, von seiner politischen Seite her „ein Schein von Autorität“ (ebd.) falle. Dieser Gedanke eines durch staatliche Autorität getragenen Rezensionsorgans, einer kritischen Literaturzeitschrift unter den Auspizien der obersten Staatsgewalt, hat Hegel auch während seiner Berliner Zeit beschäftigt (1819 – 1920). In einem Gutachten zur Errichtung einer solchen Zeitschrift in Berlin an den Minister Altenstein bestätigt Hegel alle Vorurteile über ihn als den preußischen Staatsphilosophen. Hegels Konzept einer regierungsamtlichen Literaturkritik stellt diese nicht nur in den Dienst der Staatszwecke, sondern beruht auch auf

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dem ausdrücklich ausgesprochenen Willen, durch Ansehen und Autorität, die sich aus der Kollaboration von Regierung und Wissenschaftlern ergeben sollen, auf die wissenschaftliche Produktion der übrigen gelehrten Schriftsteller einzuwirken, deren Abhängigkeit von Autorität und Tradition ohnehin bestehe. Der bisherige „Mangel eines imponierenden wissenschaftlichen und literarischen Mittelpunktes in Deutschland“ (Werke XI, 18) soll aber nicht nur behoben, sondern darüber hinaus eine ganz bestimmte kulturpolitische Wirkung erzielt werden. Es gilt nämlich nicht nur dem „negativen Geiste gegen das Gediegene, Geltende und Anerkannte“ entgegenzutreten, sondern auch darauf hinzuwirken, daß in der jetzigen Zeit [der von Fries angeführten Burschenschaften] im Praktischen und Politischen nicht „die Bahn zu […] törichten, gefährlichen, verbrecherischen Unternehmungen und Handlungen eröffnet“ werde (ebd.). Die Hegelsche Kritik stellt sich also in den Dienst der Staatssicherheit und der Revolutionsprophylaxe und sieht in diesem Dienste ihre Würde, sie will dem „Geiste des Negativen gegen das Anerkannte und Anzuerkennende“ widerstehen (ebd.).

6.3 Kritik des Himmels verwandelt in die Kritik der Erde Eine gegen die deutsche Wirklichkeit gerichtete Kritik, die zugleich eine Verwirklichung und Aufhebung der (Hegelschen) Philosophie sein will, finden wir bei den Junghegelianern und beim frühen Marx. Marx’ Begriff der „kritischen Philosophie“ (Marx/Engels, Werke I, 346), d. h. der zur Kritik gewordenen Philosophie, schließt sich also nur verbal an Kant an. Sofern kritische Philosophie als Selbstverständigung der Zeit über ihre Kämpfe und Wünsche gedacht wird, liegt diesem Gedanken die Hegelsche Vorstellung von der Philosophie als ihre Zeit in Gedanken erfaßt zugrunde. Weil nicht nur die Philosophie, sondern auch die Wissenschaft von den materiellen Lebensverhältnissen der Menschen, die Nationalökonomie, als Ausdruck der herrschenden Ideen und Interessen einer geschichtlichen Epoche angesehen werden muß, ist eine Kritik realer geschichtlicher Verhältnisse durch eine Kritik der ihnen korrespondierenden Ideen und Theorien möglich. Kritik der größten Philosophie ihrer Zeit, der Hegelschen, Kritik der Wissenschaft von den entwickeltsten Gesellschaften ihrer Zeit, der politischen Ökonomie, und Kritik der Gegenwart, des Bestehenden, gehören also zusammen wie „das Philosophischwerden der Welt“ und „das Weltlich-Werden der Philosophie“ (Marx/Engels, Werke, Erg. Bd. I, 328). Nach der Rezeption der Feuerbachschen Religionskritik hat Marx einen neuen Begriff von Kritik. Eine mit ihrem Gegenstande kämpfende Kritik ist eine „vulgäre“ Kritik, die etwa die Widersprüche in der jetzigen Staatsverfassung aufweist. Die „wahrhaft philosophische Kritik“ (Marx/Engels,Werke I, 296) dieser

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Konstitution besteht nicht nur im Aufweis solcher Widersprüche, sondern in deren Erklärung: „Sie begreift ihre Genesis, ihre Notwendigkeit […]“ (ebd.). Dieses Begreifen besteht in der Erfassung der eigentümlichen Logik eines eigentümlichen Gegenstandes. Und dies geschieht nun nach dem Muster der Feuerbachschen Erklärung des Wesens der Religion durch die Darstellung der inneren Genesis eines Gedankens im menschlichen Gehirn. Mit Feuerbach ist für Marx die Kritik der Religion im wesentlichen vollendet, „und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“ (a.a.O. 378). Jetzt ist es die Aufgabe der Geschichte, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren: „Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik“ (a.a.O. 379). Damit hat sich das Marxsche Konzept einer immanenten Kritik nicht gewandelt, wohl aber wird jetzt die Weltlichkeit und Parteilichkeit der Philosophie voll bejaht, und in dem humanistischen Gehalt der Feuerbachschen Reduzierung der Religion auf ein falsches Bewußtsein des Menschen von sich selbst wird nun zugleich der zureichende Grund für eine kritische Praxis, die gewaltsame Revolution, gesehen: „Die Waffe der Kritik kann […] die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt“ (a.a.O. 385). Die materielle Gewalt soll von der Philosophie ausgehen, und diese kann die Massen ergreifen, wenn sie mit Feuerbach die Menschlichkeit des Menschen an die Stelle des die politische Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung sanktionierenden Gottes setzt. Unmittelbar im Anschluß an diese Einleitung Zur Kritik des Hegelschen Staatsrechts folgen in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern Engels’ Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie. In Marx’ eigenen ökonomisch-philosophischen Manuskripten (1844) wird nun Kritik nicht mehr nur an Hegels Rechtsphilosophie, sondern im Gefolge Feuerbachs an den Grundlagen des Hegelschen Systems und an der Rolle der Kritik bei Hegel geübt. Neben der Religion wird jetzt „der Reichtum etc.“ (Marx/Engels, Werke, Erg. Bd. I, 573) als entfremdete Wirklichkeit der menschlichen Vergegenständlichung genannt, und Hegel wird dafür getadelt, daß er verkennt, daß Religion und Reichtum nur zu dem Weg der Entäußerung und der Aneignung der wahren menschlichen Wirklichkeit gehören. Statt dessen sieht Hegel in Religion, Staatsmacht etc. geistige Wesen und macht den denkenden Geist zum wahren Wesen des Menschen. Hegels Kritik von Bewußtseinsgestalten ist also nur eine Scheinkritik. Die Nationalökonomie dagegen handelt von der realen menschlichen Entfremdung. Dafür daß die Kritik der politischen Ökonomie ab 1845 an die Stelle der philosophischen Kritik der Philosophien Hegels, Feuerbachs, Bauers und Stirners tritt, gibt die Deutsche Ideologie die Begründung. Die Philosophie selbst wird hier als eine der Formen des Bewußtseins abgeleitet, die sich aus der Teilung der

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Arbeit ergeben. Die Produktionsweisen des Lebens der Menschen und die damit zusammenhängenden Verkehrsformen erklären auch die Entstehung der Ideologien. Die Metatheorie der Philosophien und anderer ideologischer Ausdrucksformen der Gesellschaft ist die Wissenschaft von der Geschichte der materiellen Lebensverhältnisse der Menschen, sie tritt als Wissenschaft von den praktischen Entwicklungsprozessen an die Stelle der Philosophie als die neue umfassende und grundlegende Wissenschaft. Nennt man die Gesamtheit der materiellen Lebensverhältnisse mit Hegel „bürgerliche Gesellschaft“, so ist deren „Anatomie“ die politische Ökonomie (Marx/Engels, Werke XIII, 8). Marx freilich versteht unter seiner Kritik der politischen Ökonomie eine „Kritik der ökonomischen Kategorien“ oder das „System der bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt“: „Es ist zugleich Darstellung des Systems und durch die Darstellung Kritik desselben“ (Marx/Engels, Werke XXIX, 550). Muster einer solchen Entwicklung von Kategorien, die zugleich Darstellung und Kritik ist, ist unverkennbar Hegels Wissenschaft der Logik, die ihrerseits beanspruchte, die wahrhafte Ausführung des Projekts der Kantischen Vernunftkritik zu sein.

7 Neuzeit: Zeitalter der Kritik Als Johann Georg Hamann 1781 die erste Auflage von Kants Kritik der reinen Vernunft rezensierte, begann er seine Anzeige mit einem Zitat aus der ersten Fußnote zur Vorrede des neuen Werkes: „Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung durch ihre Majestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten Verdacht wider sich und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können“ (A XI n). Kritik als freie öffentliche Prüfung in Angelegenheiten der Wissenschaften und Künste, aber auch der Religion und Gesetzgebung charakterisiert nach Kant den Geist seines sich aufklärenden Zeitalters, das er, was die Blüte der Naturwissenschaften betrifft, spätestens mit Francis Bacon beginnen läßt (B XII). In der Metaphysik äußert sich die gereifte Urteilskraft des Zeitalters in einem skeptischen Indifferentismus gegen die Ansprüche dieser ehemaligen Königin aller Wissenschaften, den Kant als eine Aufforderung an die Vernunft begreift, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, das der Selbsterkenntnis, erneut zu übernehmen. Wenn Kant die skeptische Methode in der Metaphysik, insbesondere bei David Hume, als Beweis einer an sich lobenswerten Gründlichkeit der Denkungsart interpretiert, der er selbst durch strenge Kritik der Metaphysik und ihrer subjektiven Quelle, der reinen Vernunft, zu entsprechen sucht, so stellt er sich

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damit in eine Tradition der Selbstkritik, in welcher er den wissenschaftlichen Charakter der Neuzeit erblickt. Das „eigentliche“ Zeitalter der Kritik ist dasjenige, in dem nicht nur wie in früheren Zeiten hin und wieder Zensur an wissenschaftlichen Unternehmungen geübt wird, sondern das die strenge Prüfung der Prinzipien einer Wahrheit beanspruchenden Aussage zum Kriterium ihrer Zulässigkeit in der Wissenschaft macht. „Unser Zeitalter ist das Zeitalter der Kritik, d. i. einer scharfen Beurteilung der Fundamente aller Behauptungen, zu welcher uns die Erfahrenheit langer Zeiten, und vielleicht auch die durch den berühmten Baco von Verulam in Gang gebrachte behutsame Nachforschung der Natur durch Beobachtung und Experiment nicht allein in den Behauptungen der Naturwissenschaft, sondern nach der Analogie auch in allen übrigen gebracht hat, von welcher die Alten nichts wußten […] Hierin kann uns schwerlich ein zukünftiges Zeitalter übertreffen, wenn wir gleich von diesen Principien der Kritik aus Nachlässigkeit öfters nicht wie wir sollten Gebrauch machen. Sicherlich übertrifft uns hierin kein vergangenes Zeitalter, und dieses kann also der wissenschaftliche Charakter des unsrigen genannt werden“ (Refl. 5645, AA 18: 287.25 – 288.10). Der Geist der rücksichtslosen Prüfung aller Behauptungen und Ansprüche unter dem Aspekt ihrer Begründbarkeit, die Nachfrage nach den Gründen der prätendierten Gewißheit, die sich nicht nur in den Wissenschaften (einschließlich der Geschichtswissenschaft), sondern auch in Religion und Politik als das Signum des Zeitalters aufweisen lassen, sie entstammen dem Geist der Aufklärung, der sich im methodischen Zweifel Descartes’ ankündigte. Die Sicherung der Erkenntnis durch Kritik als Kunst, bloßes Meinen und Wissen dadurch zu unterscheiden, daß alle Behauptungen, die als Ausdruck des Wissens anerkannt werden sollen, vorher einer Prüfung ihrer Prinzipien unterworfen werden, ist eine der Denkungsart der Aufklärung entsprechende Verhaltensweise der Vernunft, in der sie sich ihrer selbst versichert. Denn die Vernünftigkeit des Menschen in allen Angelegenheiten seines theoretischen und praktischen Verhaltens besteht in gar nichts anderem als der unbedingten Unterwerfung unter die von seiner eigenen Vernunft geübte Kritik. In solcher Selbstkritik sichert der Mensch nur seine Zugehörigkeit zur allgemeinen Menschenvernunft, vor der er als empirisches Individuum bestehen oder nicht bestehen mag. Zu den politischen Implikationen dieser für alle gleichen Teilhabe an der die Republik der Geister konstituierenden allgemeinen Vernunft gehört der Legitimationsverlust für jeden Machthaber, der die natürlicherweise völlig unbeschränkte Freiheit der Kritik einschränken will.

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Kritik

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Subjektivität, Allgemeingültigkeit und Apriorität des Geschmacksurteils bei Kant Zu den Charakteristika der Kantischen Ästhetik gehört zunächst die sorgfältige Unterscheidung des Schönen, des Gegenstandes einer lustvollen Kontemplation, vom Angenehmen und vom Guten (bzw.Vollkommenen) vermittelst der Merkmale der Interesselosigkeit und der Zweckfreiheit (bzw. der bloß formalen Zweckmäßigkeit ohne Zweck). Während diese beiden negativen Kriterien der Schönheit nur gelegentlich in Frage gestellt werden, sind Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit des Wohlgefallens an schönen Gegenständen häufiger als problematisch angesehen worden, und zwar sowohl hinsichtlich dessen, was die genaue Bedeutung des Zusammenspiels der Erkenntnisvermögen zu sein hat, das nach Kant der Grund für die Gültigkeit des Geschmacksurteils ist, als auch dessen, ob sich die begleitende Lustempfindung als Grund oder Folge zur allgemeinen Mitteilbarkeit dieses Gemütszustandes verhalten muß. Schließlich wäre hinsichtlich dieser subjektiven Allgemeingültigkeit zu fragen, ob sich die Behauptung und die Leugnung der Apriorität des reinen ästhetischen Urteils bei Kant auf einen gemeinschaftlichen Nenner bringen lassen. Diese Fragen stellen sich nicht nur in abstracto, sondern sind in den letzten Jahren in der Kant-Literatur gestellt und in der einen oder anderen Weise beantwortet worden. Ich greife drei Beispiele heraus. Ralf Meerbote sagt in seinem Aufsatz Reflection on Beauty, daß Kant vor dem für ihn unauflöslichen Dilemma stehe, entweder alle Gegenstände der Sinneswahrnehmung für schön zu erklären oder seinem Begriff der „ästhetischen Form“ (EKA 81) ein unerforschliches Zusatzelement einzuverleiben, durch das sich schöne von nicht-schönen Gegenständen der Erfahrung unterscheiden. In diesem Falle aber beraube Kant seine Deduktion des Geschmackurteils ihres Fundaments, das ja eben darin besteht, daß die subjektiven Bedingungen dieses Urteils (die Zusammenstimmung der Erkenntnisvermögen Einbildungskraft und Verstand) gerade die notwendigen Bedingungen einer empirischen Erkenntnis überhaupt vermittelst der Urteilskraft sind. Diese aber gelten, wie Kant sagt, für die „Beurteilung eines sinnlichen Gegenstandes überhaupt“ (KU, AA 05: 290.13), und nicht bloß für das Schöne. Entweder sind also alle sinnlichen Objekte der Beurteilung schön, weil sie alle diejenigen subjektiven Bedingungen des Gebrauchs der Urteilskraft überhaupt erfüllen müssen, unter denen wir ein empirisch begründetes Urteil über sie fällen können, oder die besonderen Gründe eines reinen ästhetischen Urteils über das Schöne liegen nicht in den allgemeinen und notwendigen Bedingungen des empirischen Gebrauchs der Urteilskraft, die für jeden Menschen als erkennendes https://doi.org/10.1515/9783110605327-009

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Wesen überhaupt gelten – das scheint das Dilemma zu sein, auf das Meerbote verweist, und das er für das Dilemma Kants hält. Das zweite der genannten Probleme steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem ersten. Ist die Lust an schönen Gegenständen eine Wirkung des Zusammenspiels der Erkenntnisvermögen Einbildungskraft und Verstand und somit indirekt eine subjektiv konditionierte Wirkung der schönen Gegenstände auf den Betrachter, so scheint die allgemeine Mitteilbarkeit dieses Gefühls nur eine formale Beschaffenheit dieser Art von Wohlgefallen zu sein und nicht etwas, dessen Beurteilung vor diesem Gefühl selbst vorhergehen könnte. Denn es scheint ja sonnenklar, daß die Lust an der Betrachtung schöner Gegenstände erst einmal da sein muß, bevor ich aufgrund ihrer Begründetheit in einer Harmonie der für alle Menschen gleichen Erkenntnisvermögen urteilen kann, daß sie allgemein mitteilbar sein müsse. Dieser einfache Gedanke¹ scheint der Kern des von Paul Guyer aufgeworfenen Problems zu sein. Er findet, daß der § 9 der Kritik der Urteilskraft, der von eben dieser Prioritätsfrage handelt und der sogar den „Schlüssel zur Kritik des Geschmacks“ (KU, AA 05: 216.33) liefern soll, einige der „irreführendsten Behauptungen“ des ganzen Buches enthält (EKA 22) und zugleich die Stelle ist, an der „Kant es in der Tat fertigbrachte, über die Implikationen seiner eigenen Theorie in Verwirrung zu geraten“. Denn Kant sagt im § 9 der Kritik der Urteilskraft: „Also ist es die allgemeine Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustandes in der gegebenen Vorstellung, welche als subjektive Bedingung des Geschmacksurteils demselben zum Grunde liegen und die Lust an dem Gegenstande zur Folge haben muß.“ (KU, AA 05: 217.08 – 11) Damit entscheidet er die Titelfrage des § 9: „Ob im Geschmacksurteile das Gefühl der Lust vor der Beurteilung des Gegenstandes, oder diese vor jener vorhergehe“ (KU, AA 05: 216.30 – 32) im Sinne der letztgenannten Alternative. Die „Beurteilung des Gegenstandes“ als schön ist also abhängig von der Beurteilung meines Gemütszustandes als allgemein mitteilbar, und die Lust, die diesen Gemütszustand begleitet, ist nur infolge dieser allgemeinen Mitteilbarkeit eine Lust an einem schönen Gegenstand. Ganz abgesehen von den besonderen Mißverständnissen Guyers, auf die ich noch zurückkommen werde, stellt sich hier in der Tat die Frage: Gibt es eine Lust an schönen Gegenständen (als solchen) vor und unabhängig von der Reflexion auf die Allgemeingültigkeit des Gemütszustandes in der bloßen Reflexion über die Anschauung, in der ein Gegenstand gegeben wird? Ich hoffe zu zeigen, daß dies nicht der Fall ist.

 Vgl. P. Guyer: Kant and the Claims of Taste. S. 151: „Simply put, unless the feeling of pleasure precedes reflection on intersubjective validity, there is nothing to reflect about.“

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Schließlich wirft die Lehre von der notwendigen subjektiven Allgemeinheit des Geschmacksurteils die Frage auf, ob ein solches Urteil ein empirisches oder ein Urteil a priori sei. Denn einerseits heißt es bei Kant: „Nun sind, wenngleich die ästhetischen Urteile selbst a priori nicht möglich sind, dennoch Prinzipien a priori […] gegeben, […] woraus a priori die Möglichkeit ästhetischer Reflexionsurteile […] erhellet“ (EEKU, AA 20: 232.33 – 233.03), und damit scheint gesagt zu sein, daß die Geschmacksurteile keine Urteile a priori sind, obwohl sie Prinzipien a priori haben. Andererseits heißt es aber im § 37 der Kritik der Urteilskraft: „Es ist ein empirisches Urteil: daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile. Es ist aber ein Urteil a priori: daß ich ihn schön finde, d. i. jenes Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnen darf.“ (KU, AA 05: 289.26 – 29) Und das scheint zu besagen, daß das Urteil „dieser Gegenstand ist schön“ eine Notwendigkeit im zugesprochenen Prädikat der Schönheit enthält, die das Urteil zum synthetischen Satz a priori macht. Lewis White Beck sagt von dieser Kantischen Lehre, daß Geschmacksurteile Urteile a priori sind: „Das ist sicher falsch“, und der Grund dafür liegt für ihn einfach in der Tatsache, daß „kein Urteil über einen singulären empirischen Gegenstand durchaus a priori als wahr erkannt werden kann“. (Kritische Bemerkungen, 370 f.) Es entsteht somit die Frage, ob es eine Lesart der Kantischen Texte gibt, nach welcher Kants Behauptungen, Geschmacksurteile seien und seien nicht Urteile a priori, miteinander vereinbar sind?

I Die Frage, warum nicht alle Gegenstände empirischer Erkenntnis für Kant schöne Gegenstände sind, ließe sich auf eine provokative, aber zutreffende Weise so beantworten: nicht alle Gegenstände der Erfahrung sind schön, weil es gar keine an sich schönen Erfahrungsgegenstände geben kann, oder weil Schönheit nach Kant keine objektive Beschaffenheit eines Erfahrungsgegenstandes sein kann. Die Berechtigung dieser Antwort wird allerdings erst dann einsichtig, wenn gezeigt worden ist, worin der Unterschied zwischen schönen und nicht-schönen Gegenständen sinnlicher Wahrnehmung besteht und warum dieser Unterschied nicht in einem Unterschied der objektiven Beschaffenheit dieser Gegenstände begründet ist, sondern in einem Unterschied im Verhalten des erkennenden Subjekts zu ihnen. Kants Strategie der Rechtfertigung der Gültigkeit von Geschmacksurteilen besteht darin, die Erkenntnisfaktoren namhaft zu machen, die ein reines ästhetisches Urteil ermöglichen und diese Faktoren mit denjenigen zu identifizieren, die in einer empirischen Erkenntnis überhaupt am Werk sein müssen: Einbildungskraft und Verstand. Eben dies scheint Kant die absurde Konsequenz ein-

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zutragen, daß er Gegenstände der empirischen Erkenntnis überhaupt nicht von schönen Gegenständen der Sinne unterscheiden kann. Die Weise, wie Kant das Zusammenspiel dieser Vorstellungskräfte beschreibt, hat manche seiner Interpreten in die Irre geführt. Um dies in der hier gebotenen Kürze zu zeigen, beschränke ich mich auf den Schlüsselparagraphen 9 der Kritik der Urteilskraft, aber es ist klar, daß die hier angesprochene Kooperation der Erkenntniskräfte an vielen anderen Stellen dieses Werkes vorgetragen oder vorausgesetzt wird. Der § 9 spricht viermal auf einer halben Seite von einem „freien Spiel“ der Erkenntniskräfte, und diese Massierung eines Zentralbegriffs der Analytik des Schönen scheint dazu beigetragen zu haben, ihm selbst da eine Funktion innerhalb der Kantischen Erkenntnistheorie zuzuschreiben, wo er gänzlich fehl am Platze ist. Der Kürze halber will ich meine diesbezügliche These dahin zusammenfassen, daß dieses „freie Spiel“ nicht identisch ist mit dem „Spiel“ oder „Zusammenspiel“ oder der „Zusammenstimmung“ der Erkenntnisvermögen, die für jede empirische Erkenntnis erforderlich ist. Kant sagt im § 9 der Kritik der Urteilskraft, daß Einbildungskraft und Verstand „untereinander, wie es zu einem Erkenntnisse überhaupt erforderlich ist, zusammenstimmen“, wenn sich diejenige Harmonie „in dem freien Spiele der Einbildungskraft und des Verstandes“ (KU, AA 05: 218.01– 02.) einstellt, gemäß welcher wir ein Geschmacksurteil über schöne Gegenstände fällen. Das heißt, daß die notwendigen subjektiven Bedingungen der Erkenntnis erfüllt sind, wenn wir einen Gegenstand der Sinne als schön beurteilen. Auf den Gegenstand bezogen bedeutet das, daß kein schöner Gegenstand empirisch unerkennbar sein kann. Aber das heißt natürlich nicht, daß die für ein Geschmacksurteil notwendige Bedingung einer Zusammenstimmung im freien Spiel der Einbildungskraft und des Verstandes nichts anderes ist als die notwendige subjektive Bedingung der Zusammenstimmung überhaupt, ohne welche Erfahrungserkenntnis der Objekte gar nicht möglich ist. Nach Kant gibt es zwei Weisen, in denen Einbildungskraft und Verstand in ihrem Zusammenwirken empirische Erkenntnis oder doch empirische Begriffe, als notwendige Bedingungen empirischer Urteile, ermöglichen. Der erste Fall ist der der Bildung eines empirischen Begriffes. Hier wird ein Mannigfaltiges der sinnlichen Anschauung daraufhin betrachtet, „wie verschiedene Vorstellungen in Einem Bewußtsein begriffen sein können“ (Logik § 6, Log, AA 09: 94.24– 25). Der Grundakt der Begriffsbildung, von dem hier die Rede ist, ist die Reflexion. Sie ist eine Funktion der Urteilskraft als „Vermögen, über eine Vorstellung, zum Behuf eines dadurch möglichen Begriffes […] zu reflektieren“ (EEKU, AA 20: 211.08 – 10), d. h. der reflektierenden Urteilskraft oder des Beurteilungsvermögens, angewandt auf empirische Anschauung, sofern sie mit der Bildung empirischer Begriffe beschäftigt sind. Genauer unterscheidet Kant in der reflektierenden Urteilskraft bei

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solcher Begriffsbildung „erstens die Auffassung (apprehensio) des Mannigfaltigen der Anschauung“ als Funktion der Einbildungskraft und „zweitens die Zusammenfassung, d. h. die synthetische Einheit des Bewußtseins dieses Mannigfaltigen in dem Begriff eines Objekts (apperceptio comprehensiva)“ als Funktion des Verstandes (EEKU, AA 20: 220.16 – 18). Worauf es für den Vergleich mit der „bloßen Reflexion“ (ebd.) über eine empirische Anschauung ankommt, das ist die sich aus dieser Beschreibung ergebende Tatsache, daß die in der Begriffsbildung fungierende reflektierende Urteilskraft gebunden ist an das Mannigfaltige einer empirischen Anschauung, d. h. an die Empfindungen, durch die das Objekt dem Erkenntnisvermögen gegeben wird. Die Einbildungskraft ist in der Auffassung dieses Mannigfaltigen nicht frei, sondern durch die ihr gegebene empirische Mannigfaltigkeit der Empfindung determiniert, und entsprechend ist ein empirischer Begriff nur seiner Form nach, als einheitliche Allgemeinvorstellung eines Objekts, ein Produkt des Verstandes, seinem Inhalt nach aber mit der ihm zugrunde liegenden empirischen Anschauung identisch, also durch sie festgelegt. Einbildungskraft und Verstand stimmen demnach in der empirischen Begriffsbildung zwar überein, sofern sie mit demselben Inhalt zu tun haben, der im Begriff nur als (widerspruchsfrei) vereinigt gedacht wird und auf potentiell unendlich viele Gegenstände bezogen wird. Aber von Freiheit oder freiem Spiel der Einbildungskraft und des Verstandes kann bei der empirischen Begriffsbildung als einer Voraussetzung aller empirischen Erkenntnis gar keine Rede sein. Ebenso steht es im zweiten Fall der Zusammenstimmung von Einbildungskraft und Verstand, den empirischen Urteilen und den Urteilen a priori über Erscheinungen (Gegenstände der Sinne) überhaupt (den sog. Grundsätzen des reinen Verstandes). Voraussetzung oder Bedingung für Urteile sind nach Kant die zugrunde liegenden empirischen oder reinen Verstandesbegriffe, und die Urteilskraft als bestimmende subsumiert eine gegebene Anschauung unter den gegebenen Begriff bzw. sie entscheidet, ob das vorliegende Subjekt subsumierbar ist oder nicht. Um die Vergleichbarkeit mit den ästhetischen Reflexionsurteilen zu bewahren, betrachten wir nur die einzelnen Urteile. Im Falle der empirischen Urteile wird ein empirischer Prädikatsbegriff zugrunde gelegt, und die bestimmende Urteilskraft leistet „die Darstellung (exhibitio) des diesem Begriff korrespondierenden Gegenstandes in der Anschauung“ (EEKU, AA 20: 220.18 – 20). Entspricht diese Darstellung der Auffassung des Mannigfaltigen der Anschauung in der Einbildungskraft, so sagen wir, daß wir einen gegebenen Gegenstand als einen Fall des Prädikatsbegriffes erkannt haben. Die Zwischenstellung der Einbildungskraft zwischen sinnlicher Anschauung und Spontaneität des Verstandes, die sie sowohl zur Auffassung von Empfindungen als auch zur Darstellung von Begriffen befähigt, ist besonders bei mathematischen Begriffen ersichtlich. Kant weist in der Kritik der reinen Vernunft darauf hin, daß „eben dieselbe bildende

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Synthesis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen Triangel konstruieren, mit derjenigen gänzlich einerlei sei, welche wir in der Apprehension einer Erscheinung ausüben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen“ (B 271). Die bildende Synthesis der Einbildungskraft ist also in der Auffassung und in der Konstruktion nicht nur dieselbe, sie ist auch in beiden Funktionsweisen determiniert, im Falle der Konstruktion eines Dreiecks durch seinen Begriff, im Falle der Bildung des empirischen Begriffs eines dreieckigen Gegenstandes der Wahrnehmung durch dessen Anschauungsmannigfaltiges und seine Form. Für die Rolle der Einbildungskraft in der bestimmenden Urteilskraft ist nur die Regelung des Verfahrens, einem Begriff sein Bild zu verschaffen, des Schematismus, durch eben diesen Begriff des Verstandes von Bedeutung, die diese Konstruktion zu einer unfreien Handlung macht. Schließlich ist in reinen Verstandesurteilen über Gegenstände möglicher Erfahrung der zugrunde gelegte Prädikatsbegriff die Kategorie, der eine transzendentale Zeitbestimmung, das Schema der Kategorie, als mit der Kategorie und den Erscheinungen überhaupt gleichartiges Kriterium der Subsumtion korrespondiert. Aber auch empirische Urteile, nämlich Wahrnehmungsurteile, die Erfahrungsurteile werden sollen, beruhen auf der Subsumtion einer bestimmten Erscheinung unter eine schematisierte Kategorie, die die Regel für die Synthesis des aufzusuchenden Mannigfaltigen der Wahrnehmungen, die die Materie des Urteils ausmachen, a priori vorschreibt. Auch im Falle der empirischen Urteile ist die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung also nicht frei, sondern durch den reinen Verstand und sein Gesetz der Einheit der Apperzeption, ausgedrückt in den Kategorien, determiniert. „Die Urteilskraft ist hier in ihrer Reflexion zugleich bestimmend und der transzendentale Schematismus derselben dient ihr zugleich zur Regel, unter der gegebene empirische Anschauungen subsumiert werden.“ (EEKU, AA 20: 212.13 – 16) Die Unfreiheit der Einbildungskraft im empirischen und reinen Gebrauch der bestimmenden Urteilskraft zur Erkenntnis der Gegenstände ist eine zu bekannte Tatsache, um einer weitergehenden Erörterung zu bedürfen. Gleichwohl scheint der § 9 der Kritik der Urteilskraft, wie gesagt, von einem freien Spiel der Erkenntniskräfte als einer notwendigen Bedingung der empirischen Erkenntnis zu sprechen, jedenfalls wurde er von Meerbote (und anderen) so verstanden. Die oben schon zitierte Bemerkung Kants, daß beide Erkenntnisvermögen bei „einem Erkenntnisse überhaupt“ zusammenstimmen müssen, steht in einem Klammerzusatz, durch den die Bedeutung des freien Spiels der Einbildungskraft und des Verstandes angesichts eines schönen Gegenstandes oder seiner Vorstellung erläutert wird: „[…] sofern sie untereinander, wie es zu einem Erkenntnisse überhaupt erforderlich ist, zusammenstimmen“ (KU, AA 05: 218.01– 03). Das heißt, die notwendigen subjektiven Bedingungen der empirischen Erkenntnis

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sind auch im Falle des freien Spiels der beiden Erkenntnisvermögen erfüllt, da dieses Spiel hinreichende subjektive Bedingung einer Erkenntnis überhaupt ist, worauf die Mitteilbarkeit der Lust an diesem Spiel beruht. Aber das heißt natürlich nicht, daß nur durch ein solches freies Spiel die subjektiven Erkenntnisbedingungen erfüllbar sind, oder daß das freie Spiel selbst notwendige Bedingung der empirischen Erkenntnis ist. Ebenso steht es mit den drei übrigen Vorkommnissen des „freien Spiels“ im § 9. Frei ist das Spiel der Erkenntniskräfte, „weil kein bestimmter Begriff sie auf eine besondere Erkenntnisregel einschränkt“ (KU, AA 05: 217.22– 23), also nur, weil im Geschmacksurteil über das Schöne keine Objekterkenntnis vorliegt. Das freie Spiel der Vorstellungskräfte ist ferner ein solches Spiel, in dem diese Kräfte nicht völlig beliebig mit der gegebenen Anschauung spielen, sondern so, daß dieses Spiel „zu einem Erkenntnisse überhaupt“ führen kann, weil dazu generell eine Zusammenstimmung der Erkenntniskräfte, Einbildungskraft und Verstand, gehört. Diese Zusammenstimmung kann auch auf spielerische Weise zustande kommen, aber sie ist dann nur eine unbestimmte Harmonie, die als solche gerade nicht zu einer bestimmten Erkenntnis ausreicht. Das letzte der erklärungsbedürftigen Vorkommnisse des „freien Spiels“ ist zunächst durch die sprachliche Schwierigkeit belastet, daß der entsprechende Satz mit den Worten beginnt: „Dieser Zustand eines freien Spiels der Erkenntnisvermögen […]“ (KU, AA 05: 217.30) Dadurch wird der Leser der Kritik der Urteilskraft in der Tat dazu verleitet, das „freie Spiel“ als Charakteristikum der im vorhergehenden Satz genannten Zusammengehörigkeit von Einbildungskraft und Verstand als Bedingung dafür, daß aus einer gegebenen Anschauung Erkenntnis werden kann, zu verstehen. Zur Erkenntnis gehört jedenfalls ein „Begriff, der die Vorstellungen [der Anschauung] vereinigt“ (KU, AA 05: 217.29). Die Erwähnung eines solchen Begriffes schließt es aber aus, daß die Anfangsworte „Dieser Zustand eines freien Spiels der Erkenntnisvermögen […]“ im nachfolgenden Satz sich auf den unmittelbar vorhergehenden Satz beziehen, zumal in ihm weder von einem Zustand noch von einem freien Spiel die Rede ist. Also muß es sich um einen sprachlich mißglückten Rückverweis Kants auf den davorstehenden Satz handeln, den ich oben schon erläutert habe. Die „Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Anschauung“ und die „Einheit des Begriffes“ sind jedenfalls nach Kant Erkenntnisbedingungen, die nicht notwendig durch ein freies Spiel der Erkenntnisvermögen erfüllt werden, sondern die dadurch allenfalls zufällig einmal erfüllt sein können. Der Satz, der für die Meinung der Interpreten verantwortlich ist, daß das freie Spiel der Erkenntniskräfte nach Kant eine konstitutive Bedingung der (empirischen) Objekterkenntnis überhaupt sei, lautet gekürzt: „Dieser Zustand eines freien Spiels der Erkenntnisvermögen […] muß sich allgemein mitteilen lassen:

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weil Erkenntnis als Bestimmung des Objekts […] die einzige Vorstellungsart ist, die für jedermann gilt.“ (KU, AA 05: 217.30 – 34) Dieser Satz kann nun (1) nicht bedeuten, daß das freie Spiel der Erkenntniskräfte und das darauf gegründete Geschmacksurteil selber Erkenntnis oder Bestimmung eines Objektes und darum allgemeingültig oder allgemein mitteilbar sei. Das ist unstrittig. Aber er kann auch (2) nicht bedeuten, daß das freie Spiel der Erkenntniskräfte Einbildungskraft und Verstand eine minimale und notwendige Bedingung der Objekterkenntnisse sei. Denn der Begriff einer Erkenntnis von Objekten schließt es aus, daß die Einbildungskraft in der Apprehension des Mannigfaltigen einer empirischen Anschauung frei schalten und walten kann und daß der Verstand frei ist, den Gegenstand durch beliebige Begriffe als Einheit einer Anschauung zu denken. Also ist auch die Zusammenstimmung von Einbildungskraft und Verstand in der empirischen Objekterkenntnis nicht eine Harmonie im freien Spiel dieser Erkenntniskräfte.Vielmehr ist (3) das Verhältnis von Einbildungskraft und Verstand in der bestimmenden Urteilskraft bei der empirischen Erkenntnis von Objekten, wie oben gezeigt, eine unfreie, vom Verstande und seinen Begriffen determinierte Form der Zusammenstimmung. Der Satz, in welchem Kant die allgemeine Mitteilbarkeit des Gemütszustandes eines freien Spiels der Erkenntniskräfte auf die Allgemeingültigkeit der Objekterkenntnis zurückzuführen scheint, muß also anders verstanden werden. Wenn das freie Spiel der Erkenntniskräfte allgemein mitteilbar ist, weil das unfreie Bestimmtsein der Einbildungskraft durch den Verstand in empirischen Objekterkenntnissen allgemeingültig für alle erkennenden Subjekte ist, dann kann das, unangesehen aller aufgezeigten Unterschiede beider Vorstellungsarten, nur heißen, daß sie (a) etwas gemeinsam haben, was (b) nur aus der Analyse der Vorstellungskräfte in ihrer erkennenden Funktion einsehbar wird. Gemeinsam ist dem Bestimmtwerden der Einbildungskraft durch den Verstand in der Erkenntnis von Objekten der Sinne mit dem Gemütszustand des freien Spiels der Erkenntniskräfte die innere Zweckmäßigkeit im Verhältnis beider Gemütsvermögen. Diese Zweckmäßigkeit als eine innersubjektive ist es, die Erkenntnis von Erscheinungen auf eine einseitig vom Verstande bestimmte, also unfreie Weise ermöglicht. Weil Verstandeserkenntnis der Objekte notwendig intersubjektiv gültig ist, darum kann auch das freie Spiel der Erkenntniskräfte allgemein mitgeteilt werden. Denn es beruht auf derselben inneren Zweckmäßigkeit des Gemütsvermögens für eine Zusammenstimmung in der Ausübung ihrer Funktionen, die für alle Menschen als erkennende Wesen möglich sein muß, wenn sie auch im Falle der bloßen Reflexion über schöne Formen der Natur eine freie Zusammenstimmung des Verstandes mit der Einbildungskraft unter Anleitung der letzteren ist. Das von Meerbote diagnostizierte Dilemma Kants besteht also nicht, weil Kant nicht behauptet, daß das freie Spiel der Erkenntnisvermögen einerseits eine

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subjektive Bedingung des Wohlgefallens an schönen Gegenständen und andererseits eine notwendige Bedingung empirischer Erkenntnis ist. Denn Kant sagt im § 9 nicht, was Meerbote ihn sagen läßt, „that free disengaged conformity is that carefully proportioned state which is required for all cognition“ (Hervorhebung im Original) (EKA 82). Aber es ist nicht einfach zu sehen, daß er es nicht sagt.

II Die Lust an der Betrachtung schöner Gegenstände ist bei dem bisher untersuchten Problem nur am Rande erwähnt worden. Gleichwohl scheint sie bei der Beurteilung eines Gegenstandes als schön das erste Wort zu haben. Denn gefiele uns ein schöner Gegenstand nicht in der Reflexion über seine Anschauung, so gäbe es keinen Grund, über die Allgemeingültigkeit dieser Lustempfindung nachzudenken und für den Fall, daß wir unser Wohlgefallen für intersubjektiv gültig halten, den Gegenstand für schön zu erklären. Die Priorität der Lust vor der Konstatierung ihrer Allgemeingültigkeit ist aber genau das, was im § 9 der Kritik der Urteilskraft bestritten wird. Dieses Paradox kann nicht durch die Unterscheidung zweier Arten der Reflexion (der bloßen Reflexion über die Anschauung und der Reflexion über die Allgemeingültigkeit des freien Spiels der Erkenntniskräfte) aus der Welt geschafft werden, von denen die erste der Lust vorhergeht und die zweite ihr nachfolgt. Denn Kant sagt ausdrücklich, daß die „allgemeine Mittheilungsfähigkeit“ Grund für die Lust am Gegenstande sei (KU, AA 05: 217.01), und das heißt, daß die Beurteilung des Gegenstandes der Lust an ihm vorhergeht. Es liegt nahe, die zeitliche Aufeinanderfolge der Gemütszustände Lust und Beurteilung eines vorhergehenden Gemütszustandes (nämlich des freien Spiels der Erkenntniskräfte) von der logischen Grund-Folge-Beziehung zu unterscheiden. Dementsprechend könnte die Lust an der Betrachtung eines Gegenstandes zeitlich vorhergehen und dennoch die Allgemeingültigkeit dieser Lust Kriterium oder der Grund dafür sein, daß diese Lust als Lust an der Schönheit dieses Gegenstandes angesehen werden muß und nicht als Vergnügen, das mit einem von ihm ausgehenden Reiz verbunden ist, durch den er uns angenehm würde. Aber obwohl dies sicherlich Kants Meinung nicht widerspricht, ist damit das genannte Paradox nicht beseitigt. Denn Kant sagt nicht nur, daß wir aufgrund der Allgemeingültigkeit der Lust ihren Gegenstand schön nennen, sondern er sagt auch, daß die Beurteilung eines bestimmten Zustandes der Erkenntniskräfte erst der Grund einer Lust an diesem Zustande ist, deren Allgemeingültigkeit das Urteil über den Gegenstand demzufolge zu einem Geschmacksurteil über das Schöne macht. Die Lust am schönen Gegenstand ist also nicht eine von ihm empfangene Wirkung, über die wir dann reflektieren, um ihre unmittelbare Ursache im freien

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Spiel der Erkenntniskräfte aufzudecken. Sondern die spezifische Lust an der Betrachtung des Schönen entsteht erst aus einer Selbsttätigkeit des erkenntnisfähigen Subjekts und deren Reflexion, und diese Reflexion ist es, in der wir uns gleichzeitig unseres Gemütszustandes als allgemeingültig bewußt werden. Weder also gibt es im betrachtenden Subjekt zuerst eine durch ihn bewirkte Lust am schönen Gegenstand, auf die dann erst eine Reflexion folgt, die eine Beurteilung unseres Gemütszustandes im Spiel der Erkenntniskräfte ist und schließlich zur Begründung des Geschmacksurteils führt, noch hilft diese Unterscheidung von vorhergehender Beurteilung und nachfolgendem Urteil bei der Auflösung des Paradoxons. Denn es ist eben das Urteil über die Allgemeingültigkeit eines Zustandes im lusterzeugenden Verhältnis der Erkenntniskräfte, durch das die Beurteilung eines Gegenstandes als schön erst ermöglicht wird. Nach Kant geht die Beurteilung der Anschauung eines Gegenstandes zeitlich und logisch der Lust an seiner Schönheit voraus. Es ist dieses Paradox, das Paul Guyer dazu geführt hat, Kant eine Verwirrung über seine eigene Theorie zu unterstellen und u. a. eine historische Erklärung für diese Verwirrung zu suchen. Bevor ich auf dieses Guyersche Mißverständnis zu sprechen komme, gebe ich einige Belege aus dem Kantischen Text für die bisher vorgetragene Interpretation. So heißt es etwa über die Schönheit von Farben- und Tonempfindungen, man sehe sich genötigt, „die Empfindungen von beiden nicht als bloßen Sinneseindruck, sondern als die Wirkung einer Beurteilung der Form im Spiele vieler Empfindungen anzusehen“ (KU, AA 05: 325.13 – 15), also die Lust am schönen Spiel der Farben und Töne von einer, offenbar unbewußten, Beurteilung der Form ihrer Komposition, die wir durch die Einbildungskraft apprehendiert haben, herzuleiten. Daß diese Form des Zusammenspiels der Farben und Töne allgemein mitteilbar und sogar lehrbar ist, ergibt sich auch aus der mathematischen Beschreibbarkeit der Proportionen von Farb- und Tonschwingungen. Nimmt man ferner mit Kant an, daß schon reine Farb- und Tonempfindungen infolge dieser Reinheit als einer Bestimmung ihrer Form schön genannt werden können, so dient dies wiederum zur Bestätigung dafür, daß die Beurteilung des Allgemeingültigen an ihnen der Qualifizierung als schöne Gegenstände oder Vorstellungszustände vorhergeht. Denn weder die Qualitäten der Farb- und Tonempfindungen selbst noch ihrer Annehmlichkeit oder Widrigkeit für das Gefühl lassen sich allgemein mitteilen oder als bei allen empfindenden Subjekten gleich behaupten. Ihre Qualifizierung als schön setzt voraus, daß etwas an ihnen (ihre Form) „bei jedermann als auf gleiche Art beurteilt“ gedacht wird (KU, AA 05: 224.20 – 21). Das Urteil über die Allgemeingültigkeit in der Beurteilung der Form der Farben und Töne geht also nicht nur dem Geschmacksurteil, sondern auch der Qualifizierung der Lust an ihnen als Lust am Schönen voraus.

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Da das Geschmacksurteil seinen bestimmenden Grund in einem Erkenntnisvermögen, der reflektierenden Urteilskraft, hat, so ist die Urteilskraft nicht nur in irgendeiner Weise mit dem Wohlgefallen am Schönen verknüpft, etwa indem sie diese Art von Lust im Geschmacksurteil nur zum Ausdruck bringt, d. h. die Lust des Subjekts umstandslos in ein Prädikat eines Objekts verwandelt. Das Wohlgefallen am Schönen ist nicht reflektierte Lust am Angenehmen, sondern Reflexionsausdruck einer selbstgewirkten Lust am freien, aber harmonischen Spiel der Erkenntniskräfte, zu deren intellektuellen Ursachen es gehört, daß dieses Spiel als allgemeingültig gedacht wird. Die reflektierende Urteilskraft ist also konstitutiv für die spezifische Lust am Schönen. Kant drückt das so aus: „Wenn nämlich die Reflexion über eine gegebene Vorstellung vor dem Gefühle der Lust (als Bestimmungsgrund des Urteils) vorhergeht, so wird die subjektive Zweckmäßigkeit gedacht, ehe sie in ihrer Wirkung empfunden wird, und das ästhetische Urteil gehört sofern […] zum obern Erkenntnisvermögen und zwar zur Urteilskraft, unter deren subjektive und doch dabei allgemeine Bedingungen [nämlich Einbildungskraft und Verstand in ihrem Zusammenspiel] die Vorstellung des Gegenstandes subsumiert wird.“ (EEKU, AA 20: 224.33 – 225.04) Genauer äußert Kant sich über das Verhältnis der Allgemeingültigkeit der Reflexion zur Lustempfindung an einer anderen Stelle der Ersten Einleitung, wobei er den späteren Gang der Analyse der Geschmacksurteile antizipiert. Demnach erfolgt das Geschmacksurteil „zwar vermittelst der Empfindung der Lust und Unlust, aber doch auch zugleich über die Allgemeinheit der Regel, sie [diese Empfindung] mit einer gegebenen Vorstellung zu verbinden“, und insofern ist das Geschmacksurteil, ohne ein Erkennungsurteil zu sein, doch ein Urteil, welches „durch das Erkenntnisvermögen (namentlich die Urteilskraft) a priori etwas [sc. die Zweckmäßigkeit für die Allgemeinheit einer Regel der Reflexion] bestimm[t]“ (EEKU, AA 20: 229.21– 22). Der Geschmack ist also nicht das Vermögen der Beurteilung der Gegenstände vermittelst des bloßen Lustgefühls, sondern „das Vermögen, die Mitteilbarkeit der Gefühle […] a priori zu beurteilen“ (KU, AA 05: 296.05 – 07). Das apriorische Beurteilungsprinzip ist das der Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit gegebener Anschauungen für die reflektierende Urteilskraft. Die angeführten Belege könnten sehr vermehrt werden. Ich fasse statt dessen die in der Analytik des Schönen enthaltene Kantische Lehre bezüglich des Verhältnisses von Allgemeingültigkeit der Erkenntnisbedingungen und Lust so zusammen: (1) Das Geschmacksurteil ist kein Urteil über die Allgemeingültigkeit der Lust an der Betrachtung eines Gegenstandes, sondern ein Urteil über einen Gegenstand (z. B. „diese Blume ist schön“) aufgrund einer Beurteilung der subjektiven Zweckmäßigkeit seiner Anschauung für die reflektierende Urteilskraft von jedermann, die als lustvoll empfunden wird. Die Lust resultiert aus der Harmonie

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von Einbildungskraft und Verstand in ihrem freien Spiel, aber die Beurteilung der Allgemeingültigkeit dieses Gemütszustandes und damit die Mitteilbarkeit der Lust ist nicht selbst das, was das Geschmacksurteil aussagt. Vielmehr ist diese Beurteilung die Voraussetzung für das Urteil über den schönen Gegenstand. Dieses Geschmacksurteil sieht einem Erkenntnisurteil ähnlich, „gleich als ob es für eine Beschaffenheit des Gegenstandes […] anzusehen wäre, wenn wir etwas schön nennen“ (KU, AA 05: 218.20 – 22). Wird die Geschmackskritik „in transzendentaler Absicht behandelt“ (EEKU, AA 20: 244.31), so ergibt sich „eine Merkwürdigkeit, zwar nicht für den Logiker, aber wohl für den Transzendental-Philosophen“ (KU, AA 05: 213.30 – 31), aus der besonderen, nämlich subjektiven Allgemeinheit dieser Art von Urteilen. Die Lust an der Reflexion über die Anschauung eines Gegenstandes verliert nämlich nur dadurch den Status eines bloß subjektiven Ereignisses, ausgelöst durch eine besondere Funktion zweier Erkenntnisvermögen, und wird zur Lust an einem Gegenstande, daß ich den Zustand dieser Erkenntnisvermögen und damit die daraus resultierende Lust als notwendig allgemeingültig, also als mitteilungsfähig beurteile. Das Geschmacksurteil „dieser Gegenstand ist schön“ hat also nur das Aussehen eines objektiven Erkenntnisurteils, denn das Prädikat der Schönheit bedeutet lediglich, daß ich den Gegenstand als Gegenstand eines notwendig allgemeinen Wohlgefallens denke. Ohne diesen Gedanken aber hat die Lust gar keinen Gegenstand und kann also allenfalls als ein angenehmer Gemütszustand im Subjekt vorkommen. Als bloße psychische Zustände können also Lustgefühle der Reflexion über sie zugrunde liegen. Als Bestimmungsgründe für Geschmacksurteile über schöne Gegenstände folgen sie aus der Beurteilung ihrer subjektiven Allgemeinheit. Der Grund für die Allgemeingültigkeit des Geschmacksurteils ist also zugleich der Grund für die Objektbeziehung der Lust. (2) Das Urteil über Gegenstände, in denen ihnen das Prädikat der Schönheit zugesprochen wird, ist zugleich ein Urteil über die ästhetische Beurteilung von etwas, nicht ein Urteil über bloß vorgefundene Gemütszustände der Lust und Unlust. Nur vom Urteil über das Schöne als Objekt kann man sagen, daß es ein Urteil über dasjenige ist, was aufgrund seiner subjektiven Zweckmäßigkeit von allen erkenntnisfähigen Menschen als wohlgefallend beurteilt werden müsse. Da das Schöne als Gegenstand eines notwendig allgemeinen Wohlgefallens definiert ist, ist das Geschmacksurteil über einen Gegenstand als schön nur aufgrund der Beurteilung von ästhetischen Urteilen über ihn als rein möglich. Das Geschmacksurteil über das Schöne ist also nur als Urteil über die Notwendigkeit anderer Urteile begründbar, nämlich solcher, in denen die Allgemeinheit eines Wohlgefallens ausgesagt wird. Die Lust in der bloßen Reflexion der Anschauungsgegenstände wird also nicht für sich selbst, sondern nur als Bestimmungsgrund von ästhetischen Urteilen über diese Gegenstände hinsichtlich ihrer All-

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gemeinheit reflektiert. Erst wenn die Lust in ihrer Begründungsleistung für ästhetische Urteile reflektiert und ihr Ursprung aus Gründen a priori festgestellt worden ist, kann das (positive) Geschmacksurteil gefällt werden. Dies betrifft zwar zunächst die eigenen ästhetischen Urteile eines jeden Subjekts; aber der Geschmack richtet nicht nur solipsistisch über seine eigenen Urteile, sondern, wie seine transzendentale Erörterung ergibt (vgl. KU, AA 05: 278.), nach einem Prinzip a priori über die Urteile auch anderer Menschen und fällt über diese anderen Urteile seine Billigungs- oder Verwerfungsurteile. In einem Geschmacksurteil über einen Gegenstand als schön werde ich also nicht durch meine Lust bestimmt, sondern dadurch, daß ich mein Wohlgefallen an ihm als allgemeingültig beurteile. Diese Beurteilung geht somit nicht allein meiner eigenen, sondern zugleich der Lust aller anderen Menschen am schönen Gegenstand voran. Das Schöne ist also nicht definiert als Ursache für einen lustvollen, weil zweckmäßigen Zustand unseres Gemüts, über den wir reflektieren, sondern als der Gegenstand, der aus Gründen a priori allgemein gefällt, und er wird nur dann als schön beurteilt, wenn er als Gegenstand eines allgemeinen Wohlgefallens in seiner bloßen Beurteilung beurteilt wird. Es bleibt noch die Einschätzung der These Paul Guyers, nach welcher Kant mit seiner Behauptung der Priorität der Allgemeingültigkeit vor der Lust in der Beurteilung des Schönen im § 9 einem Mißverständnis seiner eigenen Theorie zum Opfer gefallen sei. Dieses Urteil Guyers scheint mir vor allem auf einem Mißverständnis der Intention der Kantischen Geschmackskritik zu beruhen, das sich an zwei Übersetzungsfehlern beispielhaft erkennen läßt. Guyer glaubt, daß Kant im § 9 eine Theorie des Geschmacksurteils vertritt, die seiner offiziellen Theorie widerspricht. Die letztere sei durch die Behauptung charakterisiert, daß die Lust an schönen Gegenständen eine Wirkung des harmonischen Spiels in der bloßen Reflexion über eine gegebene Anschauung sei und daß in einer zweiten Reflexion über diesen Gemütszustand der Lust ihre Allgemeingültigkeit festgestellt und dadurch das Geschmacksurteil begründet werde. Dieser seiner eigenen Theorie widerspreche Kant durch den oben zitierten Satz (vgl. KU, AA 05: 217.01), in dem die Priorität der Allgemeingültigkeit des Gemütszustandes als Grund vor der Lust daran als Folge bezeichnet wird. Diese zweite Theorie, die nach meiner oben vorgetragenen Interpretation ein Teil der wirklichen Kantischen Theorie des Geschmacksurteils und kein Fremdkörper darin ist, findet Guyer absurd: „But that any judgment about the intersubjective validity of a particular pleasure should even be considered in the absence of that pleasure is absurd.“ (EKA 28) Guyer versucht eine Erklärung für die angeblich im Widerspruch zu der ersten stehende zweite Theorie zu geben, indem er sagt, Kant habe zwei Bedeutungen von Reflexion bzw. Beurteilung und Urteil miteinander vermengt und sich durch seine eigene vorkritische Auffassung irreleiten lassen,

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nach welcher ein Geschmacksurteil über das Schöne nur mit Beziehung auf eine Gesellschaft, in der der Urteilende lebt, gefällt werden könne. Eben diese frühere Auffassung werde aber in demselben § 9 auch widerlegt, in welchen sie so störend eingedrungen sei. Ich muß hier auf eine Diskussion der Guyerschen Argumente verzichten und verweise nur auf zwei Passagen in seiner Übersetzung von Belegstellen, die sofort erkennen lassen, warum seine Interpretation Kants nicht zutreffen kann. Den Satz Kants „Soll nun der Bestimmungsgrund des Urteils über diese allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellung bloß subjektiv, nämlich ohne einen Begriff vom Gegenstande, gedacht werden, so kann er kein anderer als der Gemütszustand sein […]“ (KU, AA 05: 217.15 – 18) übersetzt Guyer so: „Now should the determining ground of the judgement about this universal communicability of the representation be thought merely subjectively,² namely, without a concept of the understanding,³ then it can be nothing other than that state of mind […]“ (EKA 34) Die Ersetzung von „concept of the object“ durch „concept of the understanding“ könnte als harmlos angesehen werden, wenn sich darin nicht Guyers Auffassung widerspiegelte, „that aesthetic judgments [also auch Geschmacksurteile] are about feelings of pleasure“ (EKA 28).⁴ Ein Geschmacksurteil wie „diese Tulpe ist schön“ ist aber nicht ein Urteil über einen Gemütszustand, und zwar weder über die Lust noch über die Harmonie der Erkenntnisvermögen, sondern über ein Objekt der Anschauung. Dieses Urteil impliziert ein Urteil über die allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellung „schön“, sofern es analysierbar ist als „diese Tulpe ist für jedermann schön“. Wenn dieses Urteil „ohne einen Begriff vom Gegenstande gedacht“ werden soll, d. h., ohne daß man sagen kann, „diese Tulpe ist ihrem Begriff nach, d. h. als Tulpe, schön“ bzw. ohne das Urteil über eine einzelne Tulpe als schön aus dem Urteil „alle Tulpen sind schön“ abzuleiten (beides wären Erkenntnisurteile), so kann der Grund für das Urteil „diese Tulpe ist für jedermann schön“ nicht im Begriff der Tulpe als Gegenstand des Geschmacksurteils liegen, sondern nur ein subjektiver Bestimmungsgrund sein. Er ist der Gemütszustand der freien Harmonie der Erkenntniskräfte des reflektierenden Subjekts. Dennoch ist das Urteil ein Urteil über die Tulpe, d. h. einen Gegenstand, als schön für jedermann, ohne daß diese subjektive Allgemeingültigkeit von einer logischen und

 In seinem früheren Buch, Kant and the Claims of Taste, S. 153, übersetzt Guyer richtig „be thought [of] as merely subjective“.  Daß dies kein Versehen oder gar ein Druckfehler ist, erhellt daraus, daß Guyer a.a.O. übersetzt „without a concept“, also auch hier Kants Worte „vom Gegenstande“ nicht wiedergibt.  In Guyers Buch heißt es noch deutlicher: „Simple reflection or estimation of an object produces the harmony of imagination and understanding, thereby producing pleasure; and … it will do so whether the question of beauty and intersubjective validity is considered or not.“ (S. 154)

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objektiven Allgemeingültigkeit abgeleitet würde. Die Problematik der Objektbeziehung des Prädikats „schön“ und ihrer Begründung im Subjekt vermittelst eines bloßen, aber allgemeingültigen Zustandes eben dieses Subjekts wird durch die Übersetzung Guyers unkenntlich. Diese Übersetzung scheint mir ihren Ursprung in Guyers falscher Auffassung vom Vorrang von etwas bloß Subjektivem, dem Gefühl der Lust, vor der beurteilten Allgemeingültigkeit von Funktionen des Erkenntnisvermögens zu haben. Der gleiche Sachverhalt erklärt m. E. eine andere Übersetzung in demjenigen Teil seines Aufsatzes, in dem Guyer zu zeigen versucht, daß Kant den konfusen Eindringling in seine eigentliche Theorie im § 9 auch widerlegt. Bei Kant heißt es: „Die Lust, die wir fühlen, muten wir jedem andern im Geschmacksurteil als notwendig zu, gleich als ob es für eine Beschaffenheit des Gegenstandes, die an ihm nach Begriffen bestimmt ist, anzusehen wäre, wenn wir etwas schön nennen.“ (KU, AA 05: 218.19 – 22) Guyer übersetzt: „… [in] a judgment of taste the pleasure which we feel is imputed to everyone else as necessary, just as if it were⁵ regarded as a property of the object determined [to belong] to it according to concepts“ (EKA 49)⁶. Das heißt, Guyer übersetzt die entscheidenden Worte „wenn wir etwas schön nennen“ nicht mit, und dies hat zur Folge, daß in seinem Text das erste „it“ nur auf „the pleasure“ bezogen werden kann. Dadurch läßt er Kant sagen, im Geschmacksurteil werde die Lust allen andern so zugemutet, als ob sie als Beschaffenheit des Gegenstandes angesehen würde. Kant will natürlich sagen, daß wir im Geschmacksurteil einen Gegenstand, den wir schön „nennen“, so denken, als ob wir ihm diese Schönheit als eine nach Begriffen bestimmte, d. h. objektive Eigenschaft zusprächen, die uns nötigt, ihn mit Lust anzuschauen, und die darum auch bei allen andern unterstellt werden muß, die denselben Gegenstand betrachten. Durch die Worte „wenn wir etwas schön nennen“ will Kant also auf die irreführende Ähnlichkeit eines Geschmacksurteils mit einem objektiven Erkenntnisurteil hinweisen und dadurch auf die besondere Problematik der Objektbeziehung im Geschmacksurteil. Nach dieser Stelle wird die Lust als allgemein mitteilbar angesehen, weil das Prädikat „schön“ (= „allgemein gefallend“) so gedacht wird, als ob es ein objektives Prädikat wäre, das „nach Begriffen bestimmt“, also z. B. durch einen Schluß aus einem objektiven allgemeinen Obersatz, wie „alle Tulpen sind schön“, abgeleitet würde und deshalb diese Tulpe zum Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens machte. Die Lust als allgemeingültige erklärt demnach nicht das Urteil, sondern bedarf ihrerseits der Erklärung. Im Prädikat „schön“ stecken also Ansprüche auf intersubjektive Geltung, obwohl

 Es müßte wohl heißen: „would have to be“.  Vgl. auch Kant and the Claims of Taste. S. 156.

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das Geschmacksurteil die logischen Objektivitätsbedingungen dafür nicht erfüllen kann. Auf diesen Sachverhalt und die Tatsache, daß diese Ansprüche gerade nicht durch das Gefühl der Lust selbst befriedigt werden können, will Kant an dieser Stelle hinweisen, und ebendies wird durch Guyers Übersetzung verdunkelt. Damit bleibt auch im dunkeln, daß die Lust gerade nicht als empirisches Ereignis in mir das Geschmacksurteil über einen Gegenstand rechtfertigt, sondern nur dann, wenn sie aus einer Reflexion über seine Anschauung im Verhältnis zu den allgemeinen Bedingungen der Reflexion stammt.

III Aus dem Gesagten läßt sich nun leicht folgern, in welchem Sinne ein Geschmacksurteil ein Urteil a priori ist und in welchem Sinne es das nicht ist. Das Geschmacksurteil „diese Tulpe ist schön“ kann nicht a priori gefällt werden, weil es ein Urteil über einen besonderen Gegenstand der Sinne als solchen ist, der nur in einer Wahrnehmung gegeben werden kann. Urteile über Erscheinungen überhaupt und als solche, wie die Grundsätze des reinen Verstandes, können synthetische Urteile a priori sein, weil die Möglichkeitsbedingungen der empirischen Anschauung solcher Erscheinungen sich a priori angeben lassen und weil die Prädikate dieser Urteile, die Kategorien, als Bedingungen a priori der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung erwiesen werden können. Aber einzelne Erkenntnisurteile, sofern sie synthetisch sind, können den Grund ihrer besonderen Wahrheit nur in einer wirklichen Erfahrung haben, in welcher die Wahrnehmungen des Subjekts und des Prädikats nach formalen Prinzipien a priori ihrer Synthesis gesucht und miteinander verbunden werden. Das setzt nur voraus, daß der Prädikatsbegriff zuvor aus der Reflexion über eine Wahrnehmung gewonnen und mit dem in der empirischen Anschauung gegebenen einzelnen Subjekt verglichen wird. Dagegen sind analytische Urteile, wie „diese Tulpe ist eine Pflanze“, auch dann (empirisch bedingte) Urteile a priori, wenn ihre Subjekt- und Prädikatsbegriffe empirische Begriffe sind und wenn sie der Quantität nach einzelne Urteile sind. Denn der Grund ihrer Wahrheit liegt in ihnen selbst, und sie bedürfen dazu keiner weiteren Erfahrung. Das Urteil „diese Tulpe ist schön“ ist aber ein synthetischer Satz a priori, weil (1) Schönheit nicht im Begriff einer Tulpe enthalten ist und (2) das Zusprechen des Prädikats zum Subjekt nicht aufgrund meiner Wahrnehmung eines Merkmals dieser Tulpe selbst erfolgt, sondern so, daß es als notwendig für jeden Betrachter der Tulpe geltend von ihr ausgesagt wird. Psychologisch gesprochen, bedeutet der Satz, daß die Tulpe in jedem Betrachter ein Lustgefühl veranlassen muß.

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Der Begriff „schön“ bedeutet die subjektive Zweckmäßigkeit einer sinnlichen Anschauung für die reflektierende Urteilskraft, und die Subsumtion unter diesen Begriff erfolgt a priori. Denn es muß möglich sein, daß Erscheinungen so beschaffen sind, daß sie für die Subsumtion unter die reflektierende Urteilskraft von sich aus zweckmäßig sind, wenn diese reflektierende Urteilskraft als ein selbständiges Vermögen ausgeübt werden soll. Aber es bleibt natürlich zufällig, daß solche Erscheinungen existieren. Von der Existenz des Schönen kann man also nur durch die Erfahrung wissen, aber die Möglichkeit des Schönen (im Unterschied zu der von Naturzwecken) und damit des Geschmacksurteils steht a priori fest, wenn Gegenstände der Sinne, dem Prinzip der Rationalität zufolge, unter dem Allgemeinen des Verstandes stehen sollen. Daß dies auch für die sinnlichen Anschauungen gilt, ist also ein Postulat a priori der reflektierenden Urteilskraft für ihren eigenen universalen Gebrauch. Entsprechend der Subjektivität von Allgemeinheit und Notwendigkeit des Geschmacksurteils ist somit festzustellen, daß sie nicht im strengen Sinne wahr sein können. Denn Schönheit ist keine Bestimmung des Objekts, mit der eine Erkenntnis übereinstimmen könnte. Die subjektive Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit des Geschmacksurteils bedeutet nun, daß alle Geschmacksurteile als solche gültig sein müssen, sofern nur ein einzelner Gegenstand richtig (d. h. ohne Selbsttäuschung über die Reinheit der Gründe des Wohlgefallens an ihm) unter die formalen Bedingungen der subjektiven Zweckmäßigkeit für die reflektierende Urteilskraft subsumiert worden ist. Denn die Apriorität betrifft ja nur die geforderte Beistimmung von jedermann, und sie folgt per definitionem aus der Reinheit des ästhetischen Urteils. Man kann also in einem Geschmacksurteil gar nicht irren, wohl aber sehr leicht darin, daß ein ästhetisches Urteil über einen empirischen Gegenstand ein Geschmacksurteil ist. Die Gründe, die Lewis White Beck gegen die Apriorität des Geschmacksurteils anführt, sind also nicht stichhaltig. Denn ein „Urteil über einen empirischen Gegenstand“ kann (a) a priori als gültig erkannt werden, wenn es analytisch oder ein Urteil über ihn als Gegenstand der Erfahrung überhaupt ist. Und (b) ist ein „Geschmacksirrtum“, auf den Beck sich beruft, (a.a.O. 372) kein Irrtum im Geschmacksurteil, sondern ein Irrtum in der Annahme, der (Reflexions‐)Geschmack habe geurteilt (wie auch Becks Erläuterung anzeigt). Ein Geschmacksurteil ist niemals im strengen Sinne wahr, aber es gilt für jeden einzelnen Fall der Beurteilung, wenn einmal seine subjektiven und zugleich reinen Subsumtionsbedingungen erfüllt sind. Zu den subjektiven Bedingungen des Geschmacksurteils gehört nun auch, daß sein Gegenstand der empirischen Anschauung gegeben ist und daß eine Lust an ihm, die nur empirisch wahrgenommen werden kann, wirklich verspürt wird. Diese Lust ist aber nur dann kein Vergnügen am Angenehmen, sondern ein Wohlgefallen am Schönen, wenn sie die Reinheitsbedingungen für das Spiel der

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Erkenntnisvermögen erfüllt. Also sind, wie Kant sagt, alle ästhetischen Urteile selbst „a priori nicht möglich“; wenn sie jedoch, bedingt durch äußere und innere Erfahrung, aber unabhängig von der Lust als gegebener Empfindung, gefällt werden, so sind sie aus Prinzipien a priori möglich und zugleich gültig. Das heißt aber nicht (wie einige meinen), daß sie zugleich a priori und empirisch wahr seien. Denn das in ihnen enthaltene Sollen oder die Zumutung der Beistimmung von jedermann schließt empirische Gründe aus, und von Wahrheit ist hier ohnehin nicht die Rede. Das Geschmacksurteil ist also ein auf empirische Anschauung bezogenes und insofern nicht-reines synthetisches Urteil a priori, das zugleich kontingent ist. Die von mir kritisierten Autoren haben das Verdienst, auf Probleme die Aufmerksamkeit gelenkt zu haben, denen sich jeder Kant-Interpret stellen muß, wenn er seinem Gegenstande gerecht werden will. Ihre Mißverständnisse der Kantischen Ästhetik sind insofern produktiv, als sie uns nötigen, uns von den Gründen und Folgen der Kantischen Theorie in einer Weise Rechenschaft zu geben, die es erlaubt zu entscheiden, ob diese Theorie fähig ist, die von den Autoren zur Sprache gebrachten Probleme nicht nur aufzuwerfen, sondern auch zu lösen.

Zitierte Literatur Beck, L. W.: Kritische Bemerkung zur vermeintlichen Apriorität der Geschmacksurteile. In: bewußt sein. Gerhard Funke zu eigen. Hrsg. v. A. J. Bucher, H. Drüe, Th. M. Seebohm. Bonn 1975. S. 369 – 372. Essays in Kant’s Aesthetics. Ed. by T. Cohen & P. Guyer. Chicago 1982. (zitiert als EKA) Guyer, P. Pleasure and Society in Kant’s Theory of Taste. In: EKA 21 – 54. Guyer, P.: Kant and the Claims of Taste. Cambridge, Mass. 1979. Meerbote, Ralf: Reflection on Beauty. In: EKA 55 – 86.

Dinge an sich und Raum bei Kant Zu den Argumenten, die seit langem gegen Kants transzendentalen Idealismus erhoben werden, gehört eines, das seit dem 19. Jahrhundert mit dem Namen Trendelenburgs verknüpft wird, das aber, wie Vaihinger gezeigt hat, schon in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts und auch bei Hegel erwähnt oder gegen Kant gebraucht wurde.¹ 1966 stellte Scott-Taggart fest: „today Trendelenburg’s position is almost that of an unquestionable truth“², und er bezieht sich dabei auf eine Stelle in den Logischen Untersuchungen: „Wenn wir nun [Kants] Argumenten zugeben, dass sie den Raum und die Zeit als subjektive Bedingungen darthun, die in uns dem Wahrnehmen und Erfahren vorangehen: so ist doch mit keinem Worte bewiesen, dass sie nicht zugleich auch objektive Formen sein können. Kant hat kaum an die Möglichkeit gedacht, dass sie beides zusammen seien.“³ In dem neuen Buch von P. Guyer, Kant and the Claims of Knowledge ⁴, hat die Trendelenburgsche Behauptung einer von Kant nicht widerlegten Möglichkeit der gleichzeitigen transzendentalen Idealität und Realität des Raumes sogar die Bedeutung eines Beweisstückes für die angebliche Konfusion erhalten, die Kants Beweisen für seinen transzendentalen Idealismus insgesamt zugrundeliege. Dabei nimmt Guyer nicht wie Trendelenburg an, daß Kant die genannte dritte Möglichkeit übersehen habe, sondern daß er, wenn auch vergeblich, versucht habe, die transzendentale Realität des Raumes zu widerlegen, womit natürlich für Kant Trendelenburgs dritte Möglichkeit entfiel und keiner eigenen Widerlegung bedurfte. Diese dritte Möglichkeit des gleichzeitigen Realismus und Idealismus bezüglich des Raumes und der Zeit hat Guyer unter Berufung auf Trendelenburg nicht nur wiederaufgenommen, sondern er hat auch am Beispiel des Raumes zu zeigen versucht, auf welcher Verwechslung Kants einseitiger transzendentaler Idealismus beruhe. Statt nämlich zu sagen (1) Notwendig (wenn x ein Gegenstand ist und wir x wahrnehmen, dann ist x räumlich), habe Kant diese de dicto-Notwendigkeit für eine de re-Notwendigkeit gehalten und gesagt

 H. Vaihinger: Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. 2. Bd. Stuttgart 1892. 134– 151 (bes. 143 – 145 die Hinweise auf Jakob und Pistorius) und die ausführliche Dokumentation der Vorund Nachgeschichte des Streits zwischen Trendelenburg und Fischer 290 – 326.  M.J. Scott-Taggart: Recent Work on the Philosophy of Kant. Wiederabgedruckt in L.W. Beck (ed.): Kant–Studies Today. LaSalle, Illinois 1969. 1– 71, hier 24.  A. Trendelenburg: Logische Untersuchungen. 1. Bd. 2. Aufl. Leipzig 1862, 163.  P. Guyer: Kant and the Claims of Knowledge. Cambridge 1987. https://doi.org/10.1515/9783110605327-010

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(2) Wenn (x ist ein Gegenstand, und wir nehmen x wahr), dann notwendig (x ist räumlich)⁵. Und diese Verwirrung liege Kants beabsichtigter, aber nicht erfolgreicher Begründung seiner These von der bloßen Idealität des Raumes und der darin implizierten Ausschließung der dritten Möglichkeit Trendelenburgs zugrunde. Wäre Kant nicht dieses Mißgeschick widerfahren, so hätte er die dritte Möglichkeit zugestehen müssen, daß das für uns notwendigerweise Räumliche ein an sich zufälligerweise Räumliches sein könne, das sich in gleichfalls zufälliger glücklicher Harmonie mit unserer formalen Anschauungsbeschränktheit auf Räumliches befinde – so lassen sich Guyers Argumente gegen Kants These von der ausschließlichen Idealität des Raumes zusammenfassen⁶. Guyers Argumente können hier nicht weiter verfolgt werden. Sie bezeugen jedoch die fortdauernde Notwendigkeit, sich über die Gründe klarzuwerden, die Kant für seine Behauptung, Dinge an sich könnten nicht räumlich bestimmt sein und räumlich Bestimmtes könne kein Ding an sich sein, gehabt haben muß, wenn sein transzendentaler Idealismus sich als Theorie der nichtempirischen Erkenntnis soll behaupten können. Eine solche Rekonstruktion der Kantischen Begründung muß aber zugleich die Frage beantworten, warum Kant in der Kritik der reinen Vernunft nirgends einen eigenen und expliziten Beweis für die Nichträumlichkeit der Dinge an sich gegeben hat.⁷ Betrachtet man die vier Argumente der metaphysischen Exposition des Raumbegriffes näher, so stellen sie sich als Argumente für die These vom Raum als reiner Anschauung heraus, die aus der Natur des Raumes und seiner Funktion bei unserer Erkenntnis der Gegenstände geschöpft sind. Die schließlich erreichte Definition des Raumes „Der Raum ist […] die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne“ (A 26/B 42) bzw. die „Form des äußeren Sinnes überhaupt“ (B 41) gibt den ersten Teil der Antwort auf die eingangs gestellte Frage „Was sind nun Raum und Zeit?“ (A 23/B 37) Daß der Raum als die Form der äußeren Sinnlichkeit bestimmt wird, folgt aus der in den Argumenten 1– 4 exponierten Natur des Raumes und der darin beschlossenen Natur seiner Vorstellung als einer Anschauung a priori. Denn was a priori, d. h. vor und unabhängig von der Gegenwart jedes Objekts der empirischen Anschauung, angeschaut werden kann, kann nach Kant nur die vergegenständlichte Form der äußeren Sinnlichkeit (d. h. der äußeren Sinne und der auf sie bezogenen Einbildungskraft) sein.  Vgl. Guyer 365 f.  Vgl. Guyer 362– 368.  Vgl. dazu auch Henry E. Allisons Abhandlung „The Non-Spatiality of Things in Themselves for Kant“ in: Journal of the History of Philosophy 14 (1976), 313 – 21.

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Von den vier Argumenten der Exposition des Raumes interessieren hier nur die beiden letzten (in der 2. Auflage). Denn im ersten Argument geht es darum, daß die Raumvorstellung, ausweislich ihrer Vorausgesetztheit bei jeder möglichen Beziehung von Empfindungen in mir auf von mir verschiedene Gegenstände, keine empirische Vorstellung sein kann. Und im zweiten Argument handelt es sich um die Raumvorstellung als Vorstellung von etwas, das bei allen äußeren Gegenständen der Sinne als Substrat, in dem sie existieren und das sie einnehmen, zugrundeliegen muß, wenn es Gegenstände äußerer Erfahrung, d. h. äußere Erscheinungen soll geben können, selbst wenn diese nur eingebildet sind. Die relative Notwendigkeit des Raumes für unsere Vorstellung von Dingen und für diese Dinge selbst als von uns vorgestellte betrifft also nicht den Raum selbst, sondern sein Verhältnis zu unserer Vorstellungsfähigkeit und zu seinen Inhalten. Für den Raum selbst gilt, daß gewisse seiner inneren Bestimmungen es notwendig machen, seine Vorstellung nicht als reinen Begriff, sondern als reine Anschauung zu denken. Es ist nur ihr Charakter als Anschauung, der es erlaubt, in einer sachlich aufschließenden Weise aus deren Apriorität auf die Subjektivität des anschaulich Vorgestellten, d. h. auf den Raum als bloße Form der Sinnlichkeit zu schließen. Wenn die Raumvorstellung ein reiner Verstandesbegriff wäre, so ergäbe das für die Frage, ob der Raum ein Ding an sich (oder eine Beschaffenheit von Dingen an sich) ist, noch kein Entscheidungskriterium. Das dritte und das vierte Argument handeln also nicht nur vom Raum selbst in seiner inneren Verfassung, sondern sie sind auch diejenigen Argumente, auf die sich die Behauptung der bloßen Idealität des Raumes stützen muß, wenn die Apriorität seiner Vorstellung schon gesichert ist. Kants Behauptung, daß der Raum eine reine Anschauung, also eine als formale Anschauung gedachte Form der Anschauung ist, beruht auf der Einsicht, daß die ursprüngliche Raumvorstellung kein Begriff sein kann, und dies wird aus der Natur des Raumes selbst im 3. und 4. Argument bewiesen. Das dritte Argument handelt von der Einzigkeit des Raumes und den Gründen dieser notwendigen Einzigkeit. Sie beruht auf zwei wesentlichen Beschaffenheiten des Raumes: (a) daß alle möglichen Räume nur Teile des einen allumfassenden Raumes sind und (b) daß diese Teile nicht dem ganzen Raum vorhergehen, so daß er aus ihrer Zusammensetzung resultierte, sondern daß diese Teile nur als im Raum als einem schon zugrundeliegenden Ganzen enthalten gedacht werden können. Ein solches Ganzes nennt Kant ein totum im Unterschied zu einem compositum.⁸ Das soll besagen, daß die besondere Ganzheit eines totum darin besteht, daß es seinen in

 Vgl. A 438/B 466 und A.J. Dietrich: Kants Begriff des Ganzen in seiner Raum–Zeitlehre und das Verhältnis zu Leibniz. Halle 1916.

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ihm unterscheidbaren Teilen vorhergeht, während ein compositum aus ihm vorhergehenden Elementen besteht, die nur dadurch zu Teilen wurden, daß die Zusammensetzung dieser Elemente ein Ganzes entstehen ließ. Die Teile eines totum jedoch sind selbst nur als Teile eines ihnen vorhergehenden Ganzen möglich, d. h. sie können nur in einem Ganzen existieren. Daß der Raum ein solches totum ist, geht auch aus den Konstruktionshandlungen hervor, durch die wir geometrische Figuren erzeugen. Sie sind nur im Raum und als Teile des einen geometrischen Raumes möglich, der ihre Begrenzungslinien und -flächen umgibt und in dem andere Räume möglich sind. Solche Räume verdanken ihre Möglichkeit einer Einschränkung des Raumes vermittelst der Konstruktion, durch welche gleichsam ein besonderer Raum aus dem allumfassenden Raum herausgeschnitten wird. Der Raum ist also ein Ganzes, das notwendigerweise mit allen seinen Teilen homogen ist, weil es nicht aus ihnen zusammengesetzt ist, sondern sie alle erst ermöglicht. Wegen ihres gemeinsamen Ursprungs sind diese Teile des Raumes auch notwendigerweise untereinander homogen. Und schließlich besteht die Homogenität des Ganzen mit seinen Teilen auch darin, daß diese ihrerseits nur gleichartige Räume enthalten: der Raum ist ein Ganzes aus Ganzen. Dagegen sind die Merkmale, die den Inhalt eines Begriffes ausmachen, nicht a priori miteinander noch mit dem Ganzen gleichartig. Gleichwohl kann der allgemeine Begriff ‘Raum’ auf den einen allgemeinen Raum und alle besonderen Räume in ihm angewandt werden, eben weil sie alle untereinander gleichartig sind. Der Begriff paßt auf alle möglichen Räume. Da aber die Vielheit der Räume den einen umfassenden Raum voraussetzt, in welchem die besonderen Räume sich befinden, so besteht eine Unvereinbarkeit zwischen dem Raum und dem Umfangscharakter eines Begriffs. Denn ein Begriff ist als solcher anwendbar auf potentiell unendlich viele Gegenstände, die zu seinem Umfang gehören, auch wenn faktisch nur ein Beispiel eines Begriffes existieren sollte. Da der Raum aber wesentlich, d. h. notwendigerweise einzig ist, so kann ein solches Individuum in seiner Einzigkeit nicht durch einen Begriff vorgestellt, also nicht begriffen werden. Denn die Vorstellung eines Individuums ist Sache der Anschauung, und im Falle des Raumes bedeutet diese Individualität zugleich die Leugnung des Umfangs dieses Begriffes aus Gründen a priori. Einen Umfang oder eine mögliche Vielgültigkeit muß aber jeder Begriff als solcher haben. Also kann unsere ursprüngliche Vorstellung vom Raum kein Begriff sein. Auch die Tatsache, daß die Merkmale eines gemeinsamen Begriffes notwendig in allen seinen Anwendungsfällen enthalten sind, während die besonderen Merkmale der Art als solche (die spezifischen Differenzen) niemals im gemeinsamen Begriff der Gattung enthalten sind, ist ein Grund für die Bestreitung der Begriffsnatur der Raumvorstellung. Die Teile des einen Raums sind als Teile

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notwendig in dem Ganzen des Raumes, den man auch den allgemeinen Raum nennen kann. Dieses Verhältnis der Teile zum Ganzen widerspricht aber dem begrifflichen Verhältnis des Besonderen zum Allgemeinen, welches niemals im Allgemeinen enthalten ist. Kants zweites Argument für den Anschauungscharakter des Raumes beruht auf der Unvereinbarkeit der Natur des Raumes mit dem Inhalt eines Begriffes als eines solchen. Aus der Tatsache, daß der Raum als eine Größe vorgestellt werden muß, welche eine unendliche Menge von koexistierenden Teilen in sich enthält, schließt Kant erneut, daß unsere ursprüngliche Vorstellung vom Raum kein Begriff sein kann. Unsere Vorstellung von der gegebenen oder aktualen Unendlichkeit kann nach Kant nur einem Fortgang im Raume entspringen, der zuerst angeschaut und dann als eine Größe gedacht wird. Dabei hängt der Begriff der Unendlichkeit des Raumes von einer vorhergehenden Synthesis von Räumen ab, von der man intuitiv weiß, daß sie unbegrenzt ist. Kants Beweis für seine Behauptung, die aktuale Unendlichkeit koexistierender Teile könne nicht ursprünglich durch Begriffe vorgestellt werden, beruht auf zwei Voraussetzungen: 1) ein bloßer, d. h. anschauungsunabhängiger Begriff von der Unendlichkeit des Raumes wäre ein Begriff, der unendlich viele Vorstellungen (Merkmale) in sich enthielte, und 2) ein solcher Begriff widerspräche der Natur eines Begriffs als solchem. Beides leuchtet zunächst nicht ein. Ad 1): Wenn unsere Vorstellung des unendlichen Raumes ursprünglich ein Begriff wäre, so würde der Inhalt dieses Begriffes aus denselben Vorstellungen bestehen, die auch eine Anschauung des Raumes ausmachen, denn allgemein unterscheiden sich Begriffe und Anschauungen eines Objekts nicht durch den Inhalt, sondern nur durch ihre verschiedene Funktion in der Erkenntnis der Objekte: Anschauungen sind Vorstellungen einzelner Gegenstände, und Begriffe sind Vorstellungen gemeinsamer Merkmale von Gegenständen (Individuen). Wenn nun unsere ursprüngliche Erkenntnis der Unendlichkeit des Raumes begrifflich wäre, so wäre dieser Begriff der einer unermeßlichen Größe. Da dieser Begriff ex hypothesi unabhängig von jeder vorhergehenden Anschauung dieser Größe und von jeder Aufzählung ihrer angeschauten Teile wäre, so könnte der Grund für die Beziehung dieses Begriffs auf die Unvollständigkeit in der Synthesis der Raumeinheiten nur in der Unendlichkeit der Menge der Merkmale im Begriff des Raumes selbst bestehen. Das würde aber heißen, daß ein Begriff unendlich viele Merkmale in sich (nicht unter sich) enthalten müßte, um der Begriff eines Unendlichen zu sein. Ad 2): Dies ist aber nach Kant unmöglich. Nach Kants Theorie der Begriffe kann kein Begriff seinem Inhalt nach analytisch entspringen. „Die Synthesis eines Mannigfaltigen […] ist […] dasjenige, was eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammelt, und zu einem gewissen Inhalte vereinigt“ (A 77 f./B 103). Bei Vor-

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stellungen, die den Inhalt eines Begriffes ausmachen, würde eine unendliche Vielheit von Elementen zur Folge haben, daß die den Inhalt erzeugende Synthese nie vollendet werden könnte. Das aber würde bedeuten, daß man nicht angeben könnte, was durch einen solchen unabschließbaren Begriff gedacht wird. Ein derartig unbestimmter und unbestimmbarer Begriff würde nicht als Begriff, d. h. als „eben dasselbe Bewußtsein, als in vielen Vorstellungen […] enthalten“ (B 136 n) fungieren können, denn man könnte nicht wissen, was dieses eine und selbe Bewußtsein ist. Und da ein Begriff ein gemeinsames Merkmal inhaltlich verschiedener Vorstellungen und Gegenstände sein können muß, so muß er sich trotz des evtl. großen Reichtums seines Inhalts auch von dem unterscheiden lassen, wodurch die Vorstellungen sich von ihrem gemeinsamen Teil unterscheiden. Ein grundsätzlich unbestimmbarer Begriff könnte aber auch nicht als Unterscheidungsmerkmal von Vorstellungen und Gegenständen von anderen dienen, die nicht unter ihn subsumierbar sein sollen. Das aber ist die Funktion eines jeden Begriffes als solchen hinsichtlich seines Inhalts. D. h. aber, daß die ursprüngliche Vorstellung vom Raum kein Begriff sein kann, sondern eine Anschauung sein muß. Kants transzendentaler Idealismus bezüglich des Raumes beruht also auf zwei Prämissen: (1) Wir haben eine reine Anschauung von zwei wesentlichen Eigenschaften des Raumes, seiner wesentlichen Homogenität und aktualen Unendlichkeit (3. und 4. Argument). (2) Unsere Raumvorstellung ist eine für unsere Objekterkenntnis und alle im Raum vorstellbaren Gegenstände notwendige Vorstellung a priori (1. und 2. Argument). Aus der Apriorität unseres intuitiven Wissens vom Raum und aus unserem Wissen von seiner Gültigkeit a priori für alles in ihm Anschaubare schließt Kant auf die transzendentale Idealität oder Subjektivität des Raumes. Soweit stimmt Trendelenburg Kant zu. Aber Kant leugnet auch definitiv, daß Dinge an sich räumlich bestimmt seien oder der Raum gar selbst ein Ding an sich sei. Damit entfällt Trendelenburgs Parallelismus von transzendentaler Idealität und Realität, der letztlich auf Leibnizens prästabilierte Harmonie zwischen den Vorstellungen der fensterlosen Monaden und der Welt an sich außer ihnen zurückgeht. Es entfällt m.a.W. die abstrakte Möglichkeit, daß Dinge an sich räumlich bestimmt sein könnten, auch wenn wir davon nichts wissen würden und alles Wissen vom Raum wegen der Apriorität dieses Wissens seine transzendentale Idealität bewiese. Denn von der Räumlichkeit von Dingen an sich könnten wir, wenn überhaupt, nur ein empirisches Wissen haben.

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Gleichwohl hat Kant kategorisch und ohne Vorbehalt erklärt, daß der Raum den Dingen an sich nicht als Bestimmung oder Gesamtheit der Verhältnisse, in denen sie zueinander stehen können, zukomme. So sagt er etwa A 26/B 42: „Der Raum stellt gar keine Eigenschaft irgend einiger Dinge an sich, oder sie in ihrem Verhältnis aufeinander vor“. Oder es heißt in A 42/B 59, daß Raum und Zeit „nicht an sich selbst, sondern nur in uns existieren können“, und schließlich sagt Kant unzweideutig in A 26/B 42: „Wir können […] nur aus dem Standpunkte eines Menschen, vom Raum, von ausgedehnten Wesen usw. reden.“ Warum hat Kant für die in diesen Äußerungen vorausgesetzte Unmöglichkeit einer Geltung des Raumes von Dingen an sich keinen eigenen Beweis geführt? Einen Hinweis darauf, wo Kants Widerlegung der transzendentalen Realität des Raumes in der Kritik der reinen Vernunft zu finden ist, gibt die Tatsache, daß zwei der oben zitierten Passagen, in denen Kant die Räumlichkeit der Dinge an sich bestreitet, sich schon im Abschnitt „Schlüsse aus obigen Begriffen“ (A 26/ B 42) finden. Die Widerlegung der transzendentalen Realität muß also in den Raumargumenten 1– 4 enthalten sein, die seit 1787 „metaphysische Erörterung“ heißen, denn die „transzendentale Erörterung“ ist erst 1787 eingeschoben worden (wenn sie auch aus dem ehemaligen 3. Argument hervorgeht). Meine These lautet nun: die (oben analysierten) Argumente 3 und 4 enthalten nicht nur eine Widerlegung der Begriffsnatur der Raumvorstellung, sondern zugleich eine Widerlegung der transzendentalen Realität des Raumes selbst als eines Dinges an sich oder als einer Gesamtheit möglicher Beziehungen von Dingen an sich. Das läßt sich an den Widersprüchen zeigen, in die man gerät, wenn man den Raum als etwas an sich Seiendes und in diesem Sinne Objektives annimmt. Wir hatten gesehen, daß Kant den Raum als ein eigentümliches Ganzes (totum) von Teilen exponiert, dessen wesentliche Homogenität und aktuale Unendlichkeit es ausschließen, daß unsere ursprüngliche Vorstellung von ihm ein Begriff sei. Ein Ding an sich aber ist per definitionem ein Ding, das, so wie es beschaffen ist, durch „de[n] pure[n] Verstand“ (Prol, AA 04: 286.22) erkannt werden würde, wenn dieser nur anschauen könnte. Ein Ding an sich ist, was immer es sonst ist, jedenfalls ein Verstandesding, von dem ich annehme, daß es so, wie es für sich ist, durch einen dazu tauglichen Verstand erkannt werden kann. Das heißt aber auch umgekehrt, daß etwas, was sich nicht durch einen Begriff widerspruchslos denken läßt, kein mögliches Ding und also auch kein Ding an sich oder Verstandesding sein kann. Der Widerspruch im Begriff eines jeden Dinges hebt auch die Möglichkeit, dieses Dinges selbst auf. Denke ich also den uns bekannten Raum à la Trendelenburg in seiner notwendigen Homogenität und aktualen Unendlichkeit als ein Ding an sich oder Verstandesding, so darf sich wenigstens sein Begriff, den ich dabei von ihm habe, nicht widersprechen. Die oben analysierte Inkompatibilität des Raumes mit der

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Natur des Begriffes selbst führt dazu, daß im Begriffe des Raumes als eines durch Verstandesbegriffe denkbaren Gegenstandes Widersprüche auftreten: (1) Ein Ganzes von Teilen setzt seinem Begriffe nach diese Teile voraus. Sollen diese Teile aber als Teile des homogenen und einzigen Raumes ein Ganzes voraussetzen (und im übrigen selbst Ganze sein), so würde ein durch Verstandesbegriffe ursprünglich gedachtes derartiges Raumganzes sich selbst voraussetzen, was sich widerspricht. (2) Ein Ganzes ist dem Begriff seiner Größe nach die Summe seiner Teile. Jede solche Summe von Teilen ist aber einer Zahl gleich oder endlich. Also müßte ein aktual unendliches Ganzes größer als jede durch Zahlen angebbare Summe seiner Teile, also größer als es selbst sein. Das aber enthält einen Widerspruch. Der Raum also als ein durch Begriffe als Verstandesding gedachtes Ding an sich ist gemäß dem 3. und 4. Raumargument unmöglich, ein nihil negativum. Wenn der Raum also überhaupt etwas ist, so ist er jedenfalls kein Ding an sich (durch den puren Verstand erkennbares Ding) und keine innere oder äußere Bestimmung von Dingen an sich. Der Beweis für diese Behauptung kann geführt werden, ohne daß Kant inkonsequenterweise ein Wissen über die Dinge an sich und ihre Beschaffenheit beanspruchen müßte. Er folgt aus der Natur des Raumes selbst durch einen Schluß aus denjenigen „Begriffen“ vom Raum, die seinen Anschauungscharakter erwiesen, d. h. aus dem Begriff, den wir uns im 3. und 4. Argument von seiner diskursiven Unbegreiflichkeit gemacht haben. Weil Kant seit der Dissertation von 1770 über die Argumente verfügte, die eine transzendentale Realität des Raumes ausschließen, und weil man zeigen kann, daß solche Argumente entscheidend für die Entstehung des transzendentalen Idealismus waren, ist Trendelenburgs Behauptung, Kant habe an seine eigene dritte Möglichkeit, also an eine Leibnizianische Harmonie von objektiven Formen der Dinge an sich und subjektiven Formen der Sinnlichkeit „kaum gedacht“, nur durch Unkenntnis der Entstehungsgeschichte des Kantischen Idealismus zu erklären. Dennoch ist für denjenigen, der sich in abstracto die Frage nach der Vereinbarkeit von transzendentalem Idealismus und Realismus bezüglich des Raumes stellt (vgl. das Buch von Guyer), die Kantische Bestreitung der Gültigkeit des Raumes von Dingen an sich in Beweisform nur schwer zu entdecken. Gleichwohl ist das Ergebnis eines solchen Beweises überall da vorausgesetzt; wo Kant auf den bloßen Erscheinungscharakter der Gegenstände der Erfahrung gerade aus ihrer Räumlichkeit (und Zeitlichkeit) schließt. Denn bestünde jene dritte Möglichkeit, so wären alle diese Schlüsse offensichtliche Fehlschlüsse. Kant glaubte also, deutlich gemacht zu haben, daß der Raum selbst nichts an sich Seiendes sein könne und daß deshalb alles in ihm Existierende eine Erscheinung sein müsse. Daß aber der Raum als etwas durch bloße Begriffe des Verstandes Denkbares sich widerspricht, das war die Basis des Beweises für den Anschauungscharakter des Raumes. Kant glaubte, auf eine eigene Widerlegung der tran-

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szendentalen Realität des Raumes verzichten zu können, weil er es für selbstverständliche Implikationen der Widerlegung der diskursiven Begriffsnatur unserer Vorstellung vom Raume hielt, daß (1) das a priori Anschaubare nur eine subjektive Bedingung von Erscheinungen sein könne und daß (2) das a priori Unbegreifbare kein Verstandesding oder Ding an sich sein könne.

Kant on Pure Intuition Immanuel Kant discovered (or invented) a kind of idea or representation (Vorstellung) that differs from all others: pure sensible intuition. There are no philosophers before Kant, and hardly any after him, that admitted or accepted such representations. And as far as his predecessors are concerned, Kant proudly insists on the novelty of his discovery in the history of philosophy: “It never occurred to anyone that the senses themselves might intuit a priori.”¹ The nature of intuitions as singular representations (representations of individuals) as opposed to concepts as general representations (representations of common characters of things) seems clear enough. But it is important to note that for Kant not all intuition is sensible intuition and that, therefore, the definition of intuition must be kept free of all connotations that restrict it to sensibility. This remains true although all our human intuition is in fact sensible and we cannot even grasp the possibility of a non-sensible intuition, which would not depend on affection by an object but which, on the contrary, would be able to spontaneously give the object to itself, i. e., produce it. Thus, in one way or another, by every intuition an object is given. And since a pure intuition is one in which there is no mingling of sensation with the representation, it can only contain the form under which something can be intuited, whenever something should affect the senses. Thus there is no contradiction in the notion of a pure or a priori and yet sensible intuition if pure intuition refers to the forms of possible appearances only, or if it should itself be only a formal intuition. This would mean that it is not the intuition of a given object but of the way of sensibly intuiting objects. These possibilities are materialized in Kant’s doctrine of space and time as a priori intuitions. In what follows I shall confine my efforts to a reconstruction of Kant’s arguments on space in the second edition of the Critique of Pure Reason and try to give a vindication of their intelligibility and rationality.

 Immanuel Kant, Prolegomena to Any Future Metaphysics, intr. L.W. Beck (Indianapolis: BobbsMerrill, 1982), p. 124n.; Kants gesammelte Schriften, ed. Royal Prussian Academy and successors (Berlin: Reimer, later de Gruyter, 1902 ff.), vol. 4, p. 375n. https://doi.org/10.1515/9783110605327-011

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I The four arguments on space in the Transcendental Aesthetic deal with space taken as an object or a formal intuition (B160 f., B324),² rather than with the mere representation of space. The term “representation of space” in the first argument (B38) does not imply that space is a representation, but that we have a representation or concept of space as an object and that we try to investigate the nature of this object according to the apriority of the concept we have of it. When, in the second argument, space is called a “necessary a priori representation” (ebd.) this means that there is an a priori representation ‘space’ whose object is a necessary object that cannot not exist. In the third argument space is called “a pure intuition” (B39). But this in turn means that space is an object of pure or a priori intuition. What is there said about the uniqueness of space cannot refer to our act of intuiting space, because this act can of course be repeated many times. It is only from the uniqueness of space that the character of its representation as an a priori intuition is inferred. And finally it is expressly said that the original representation of space is an a priori intuition, and space itself is called “an infinite given magnitude” or rather an object that is represented as such a magnitude. Thus in all four arguments space is taken as an object of representation or a formal intuition, the nature of which is said to prove that it is only a pure form of (sensible) intuition. In the four arguments from the nature of space as an object it is inferred that the representation of space is (1) a non-empirical, (2) a priori, (3) individual (4) intuition that differs intrinsically from discursive concepts. In all four arguments no mention is made of forms of intuition, and naturally so, since it is the goal of the whole investigation of space, anticipated already in B36, to show that there is a pure form of sensible intuition, space. And this conclusion is only reached in B41 and in A26/B42, respectively, i. e., after the consideration of the validity of geometry. In the latter passage the definition of space is finally given: space is “the form of all appearances of outer sense” (B42). This is the first part of the answer to Kant’s initial question: “What, then, are space and time?” (B37). In other words: that space is “merely the form of outer sense in general” (B41) is a consequence of a) the nature of space and b) the nature of its representation, i. e., of the latter’s being an a priori intuition. For what can be represented a priori, before the presence of any particular object of empirical intu-

 References to the Critique of Pure Reason are to the translation by Norman Kemp Smith (New York: St. Martin’s Press, 1965) and employ the original pagination of the first (A) or second (B) edition.

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ition, can – according to Kant – only be a form of (outer) sensibility or of “outer sense in general” (ebd.), i. e., including outer imagination (as in geometry). But this form of sensibility must first be hypostatized as an object (which is due to an operation of the understanding) in order to become the object of investigation in the four arguments of the Transcendental Aesthetic. Thus it is incorrect to assume that it is the aim of the four arguments taken by themselves to establish that space and time are “forms of intuition.”³ That they are such forms is the explanation of the previously established facts, and it is taken by Kant as the only possible explanation. The four arguments prove that space is an object of pure or a priori intuition. Our forms of intuition combined with an activity of the understanding (or a figurative synthesis of imagination for that matter⁴) explain both space hypostatized as an object and our a priori intuition of it. Space taken as an object of intuition or as a formal intuition is analyzed in four respects according to the table of categories.⁵ Kant himself says that metaphysics considers space “as given, prior to all determination of it, corresponding to a certain concept of the object.”⁶ Concepts of objects in general are the categories and the four main title-concepts of the categories are quantity, quality, relation and modality. We can therefore say that the first argument on space deals with the modality of this representation, the second with its relation to things in space, the third with its quality (i. e., homogeneity) and the fourth argument with its quantity (i. e., infinity). Kant’s four arguments do not mention three main features of space that are crucial for his theory of geometrical, physical and transcendental knowledge: its continuity, its three-dimensionality, and its power to produce incongruent counterparts. These features, which are essential to space in Kant’s view, do not answer the four main headings of Kant’s table of categories, i. e., they do not qualify space as a given object in general. Space could lack these three characteristics

 Cf. Paul Guyer, Kant and the Claims of Knowledge (Cambridge: Cambridge University Press, 1987), pp. 345 ff.  Cf. B151 f.  This was discovered by Klaus Reich. Cf, his Die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel (first edition; Berlin: Richard Schoetz, 1932), p. 61. This passage is only in the first edition. Reich’s findings have been used by Julius Ebbinghaus in “Kants Lehre von der Anschauung a priori”, in: Gerold Prauss, ed., Kant. Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln (Cologne: Kiepenheuer & Witsch, 1973), pp. 44– 61, and by Udo Rameil, Raum und Außenwelt. Interpretationen zu Kants kritischem Idealismus (Cologne: dissertation print, 1977). I am much indebted to these three works.  Kant’s text is: “In jener [der Metaphysik] wird der Raum, wie er, vor aller Bestimmung desselben, einem gewissen Begriffe vom Objecte gemäss, gegeben ist, betrachtet” (Prize Essay; Academy edition, vol. 20, p. 419).

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and would yet have to be thinkable as an a priori given object in the fourfold respect that every object as such must admit. Accordingly, space and its exposition belong to metaphysics. Thus the four features of space which come into consideration could be called its metaphysical characteristics, whereas the three aforementioned features not discussed in the four arguments would belong to the geometrical characteristics of space. But, of course, there is a close relation between the homogeneity of space and its continuity or infinite divisibility.

II The first argument sets out to prove that the concept of space is not an empirical concept but an a priori condition of outer experience, i. e., of experience of objects in space. The fact that space logically precedes spatial objects does not seem to be sufficient evidence for a claim to its apriority. The priority of the concept ‘red’ or ‘redness’ to all empirical judgments in which it serves as a predicate does, of course, not prove its apriority. But our ideas of space need not even precede our idea of spatial objects and can yet be a priori in the sense that our experience of spatial objects would be impossible without space. Outer experience requires empirical intuition of objects in space, i. e., of objects outside myself and juxtaposed to one another. In empirical knowledge of outer objects, sensations in our mind are referred, by means of our thought, to objects outside our mind and in space. Our referring minds presuppose space as a medium of reference, and they do so in a threefold way: (1) The sensation in the mind is given to my consciousness in time. In order to think a corresponding outer object we have to make use of an idea of the outer, i. e., of spatiality, which makes states of our mind referable to things that are not only different from us, but also in a part of space other than the one we are in. This means that (a) my sensation or state of mind is taken to be something that stands in a spatial relation to objects, and, therefore, that (b) I am my body, and that my mind is taken to be the mind of my body. For it is my body – and not my mind – that is in a place of space other than the one occupied by the object to which I refer my sensation. Now, Kant’s argument for the priority of space to the objects in space, if read in this way, does of course not prove the non-empirical character or apriority of space. For even if our concept of space were founded not only on sensations but on our imagining of a system of places for possible objects of sense, it would still be an empirical concept of positions of objects of our outer senses, including our bodies. The argument for the priority of space to a relation of our body to other objects would only mean that spatial relations presuppose space – which would also hold if

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space were an empirical concept. Thus Kant’s argument must be that outer objects of the senses, from which our empirical concept of space could in some way or other originate, would not be possible, if space were not prior to any outer appearance as such. Being an outer appearance involves a subject of empirical intuition that refers its representations of outer objects to these objects, and this can only be done by means of space as a means of distinguishing states of my mind from its objects through an intervening space that first enables us to speak of intuitions of objects other than ourselves. (2) Therefore, my sensations as such can only be states of my mind, and it is only my mind as a thinking self that can refer its states to objects of experience by means of thought. There is obviously an ambiguity in the notion of an I that is in a place different from other places and that is at the same time capable of referring its own states to bodies, first and foremost to its own body. After all we can indeed locate our sensations, i. e., attribute them to parts of our bodies taken as the places of origin for sensations of other bodies and of our own body taken as an object of various sensations. Only by identifying our bodily sensations with our states of mind can we do what Kant says we do: refer temporal states of mind to spatial objects of sensation. Thus Kant’s short remark on the priority of space to outer experience needs not only a careful analysis, without which it is utterly misleading, but also touches upon problems that Kant himself dealt with in his various refutations of material idealism. Kant’s account according to which we refer sensations through space to objects occupying parts of space distant from those occupied by our body, thus rests on the tacit identification of sensations with the states of our body that may correspond to them. And by this trick Kant avoids the problems of material idealism and its refutation. (3) Now the objects to which I refer my sensations are not only in a place different from the one occupied by my body. They also differ in place among themselves. The objects characterized by our sensations are represented as occupying different places at a distance from each other. Objects that are undetermined in their mutual relations but empirically intuited in space are outer appearances, i. e., objects only in the vaguest sense. But these appearances of the outer senses are obviously a requisite of outer experience, i. e., for the determination of their relations to ourselves and to each other. The idea of space is thus needed for all three aspects of outer experience viz., for the relation of our body to other objects in space, for the relation of our sensations to these objects, and for their mutual relations. Space cannot be an empirical concept borrowed from outer appearances and their relations because there could not be outer appearances without our idea of space, which serves as a necessary condition of my referring ideas to their objects. That outer experience is experience of objects in space is a tautology only if the con-

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stitutive role of space for any appearance’s being outer is forgotten. Thus what can serve as prototype for empirical concepts of relations of appearances presupposes space for its being given to me as outer, not only for the conceptual determination of appearances as outer ones. The concept of space first introduces the difference between my representation and its distinctly outer object, which is not just different from me. Kant’s argument for the priority of space to empirical concepts of the relations of appearances seems to have gained general approval because it was taken to amount to a trivial truth: to be in different places presupposes places, and places presuppose space. But if this were the core of Kant’s argument, it would hardly deserve mention. What the argument really says is that objects different from myself and from each other are not only different but differently located in space, the concept of which must already be known if its use in determining any spatial relations of empirically given objects is to be possible. In order for me to have empirical intuition of objects, I need space as a means of referring sensations in my mind to objects that are thought to have the features corresponding to my sensations. This intellectual act is not a relating of things in space but something that makes use of a given representation of space – a representation that is truly a priori in that it is not only prior to relations among places but prior to all appearances of the senses as outer objects of any experience.

III If space is an a priori intuition or representation of something that makes sensations referable to objects of empirical intuition, it is thereby a necessary condition of the possibility of outer experience. But space is also a necessary condition of the objects of outer experience, i. e., of the appearances of the outer senses. Here the relation of space to things in space has received determination: things are not only actually in space and somehow coexist with it, but space is a necessary foundation of appearances. This also means that space must exist, if outer experience of objects is to be possible. The necessity of space is therefore only a relative one. Of course, the non-existence of space⁷ would not contradict its own essence or concept. The necessity of space only means that in order to think objects of the outer senses (tables, horses, golden mountains), there must be space

 Kemp Smith misleadingly translates “absence of space” and “we can quite well think it as empty of objects” instead of “non-existence of space” and “we can quite well think that there are no objects in it” (A24/B38 f.).

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in which they exist. It is the necessity of a substratum for the things that depend on it and at the same time inhere in it. Thus, again, Kant is not insisting on the trivial truth that spatial objects presuppose space but on the fact that we cannot imagine or intuit objects of our senses without imagining or intuiting them in space. The impossibility of a representation of the non-existence of space is not due to a contradiction in the concept of the non-existence of space. For we can easily and without contradiction think of any existing thing that it may not exist. What we cannot think or imagine is that there be outer appearances and yet no space which they occupy and in which they exist. For outer appearances are as such in space and presuppose space as their common substratum in which they exist. The indestructibility of space – that it abides even after the cancellation of all of its contents has been achieved by thought – is a kind of substantiality or subsistence for possible objects in it. This aspect of space, its so-called absoluteness in the Newtonian sense, is something that can be claimed to hold only in relation to what it contains or could contain. There is a difference between the mere claim that the annihilation of spatial things but not the annihilation of space itself is possible, and the claim that space cannot be annihilated so long as objects of outer senses are thought of as existing or as possible. Now this relative necessity of space for the possibility of things in space could be taken to mean that through conceptual thought particulars can be sublated without the universal being annulled. But what Kant really means is that, for all kinds of intuition, that which contains something else cannot cease to exist as long as things that can only exist as contained in it persist in their existence. The whole argument amounts to the statement of a limit of imagination and therefore of our thoughts of things: actual and possible things outside me can only be imagined as existing in space, while there is no way of imagining them as possibly existing nowhere. Kant thus claims the necessity of a containing substratum for inherent and contained objects of outer sensibility, regardless of whether those objects are actually perceived or only imagined. But this in turn implies that if space itself were annihilated, all appearances in it would also cease to be possible. The necessity that Kant claims to have proved is only the necessity of our representation of space for all possible outer appearances. Accordingly, a representation of the non-existence of space would entail for us the non-existence of all possible objects of our outer intuition.

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IV Kant’s claim that space is a pure intuition means that our original idea of space cannot be a concept, and this again is proved from the nature or essence of space itself. For space is, according to Kant, “essentially one” (B39), i. e., essentially unique. This means that space would not be space, would cease to be what we know it to be, if it were not an individual and indeed a unique individual. In the case of other individuals, even if they were totally identical in their qualities and quantities, we could distinguish them according to Kant, by their location in different places of space. A plurality of individual spaces would accordingly presuppose one and the same space in which they could be distinguished. This space is, therefore, something that we know to be an individual because it is unique, whereas in the case of things or spaces in space there could be one or more identically determined individuals. According to Kant, there are two essentials concerning the uniqueness of space: (1) that all possible spaces are only parts of the one and only, allembracing space, and (2) that these parts are not prior to this whole space, such that the latter would result from the composition of its parts, but that these parts can only be thought to exist in space as in a whole that already underlies them. Space is, in other words, a whole as a totum and not as a compositum. ⁸ The particular wholeness of a totum precedes its having distinguishable parts, whereas a compositum is made up of preceding elements that only then become parts when the composition of these elements has created a whole. The parts of a totum, by contrast, can only exist as parts of a whole prior to them, i. e., they can only exist in a whole. Now, that space is such a totum is obvious from the intellectual (and figurative) operations that are necessary to think of spaces such as a sphere or a cube, a circle or a triangle. Such figures are possible only in space and as parts of the one space of geometry that surrounds their borderlines or limiting surfaces and in which other spaces are possible, directly adjacent or at some distance. Such spaces owe their existence to a division or subdivision of a space that is one and the same for all operations of construction and limitation of particular spaces. To cut a particular space out of the universal surrounding space and to think it as a part of an underlying whole belong to the same operation of imagination and thought. And conversely: if the underlying whole precedes its parts,

 On this Kantian distinction (cf. A438/B466) see Albert Johannes Dietrich, Kants Begriff des Ganzen in seiner Raum-Zeitlehre und das Verhältnis zu Leibniz (1916; reprint: Hildesheim/New York: Olms, 1975).

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these parts can owe their existence only to the introduction of limitations into an in itself unlimited medium by means of a constructive activity of the mind. Space is, therefore, a whole which is homogeneous with all its parts, since it is not composed of its parts. Because of their common origin, the parts of space are also homogeneous with each other. Since the parts are only results of limitations of the whole, this whole necessarily contains only parts that are of the same nature as their underlying whole: they are spaces that contain only spaces. Space is a whole of wholes. The situation is entirely different in the case of concepts. The characteristics that constitute the contents or intensions of concepts are not homogeneous with each other nor with the intension as a whole. If we take the intension of the concept ‘tree’ as containing the characteristics ‘trunk,’ ‘branches,’ ‘leaves,’ we see that they are not homogeneous with each other nor with the meaning of the whole. There is, therefore, a prima facie incompatibility of the nature of space with concepts as far as their intension is concerned. On the other hand, the general concept of spatiality can be applied to the one universal space and all possible particular spaces in it due to their homogeneity. ‘Space’ taken as a general concept applies to and is valid of all possible spaces. And yet, since a plurality of spaces presupposes the one universal space in which the particular spaces are, there is another incompatibility of space and concepts with respect to their extension. For a concept is as such applicable to infinitely many possible members of its extension, and this is true even if in fact only one specimen of a concept exists (as in the case of ‘the earth’s moon’). Such contingencies do not alter the essential generality of concepts as such. But if space can be shown to be essentially, i. e., necessarily, unique, such an individual cannot in its uniqueness be represented by a concept. For to refer to an individual as such is the proper function of an intuition (i. e., a kind of representation which does not denote a common mark of things and thus has no extension). Our original representation of space in its essential uniqueness can therefore not be conceptual and must be intuitive. This result of the third argument affects the correct understanding of the second argument. For in our interpretation of the latter, outer appearances were called spatial objects because they were in space. This could give the impression that particular objects in space, because of the fact that they occupy particular spaces, are cases of particular spaces that as such logically depend on space as a universal, whereas universal space itself could subsist without particular spatial objects in it. From the intuitive nature of our original representation of space it is now clear that this could not be a correct rendering of Kant’s argumentation. For the characteristics of a general concept are necessarily contained in all its particulars, but the particular characteristics as such (the specific differences) are

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never contained in the general concept (the genus). Now in the case of things in space – appearances as well as parts of pure space – the particulars are parts and necessarily contained in the whole of space, which could also be called universal space. Thus the relation of parts to whole is the reverse of the conceptual relation of particulars to universals. Therefore, space is left untouched by the cancellation of particular spatial things not because it relates to them as a universal but because things which can only exist somewhere in space can be cancelled without the cancellation of the something in which they exist and have their place.

V Kant’s final argument for space being an a priori intuition rests on the incompatibility of the nature of space with an essential feature of concepts as far as intension is concerned. Since space must be represented or thought as a quantum containing in it an infinite number of parts, which coexist simultaneously, our original representation of space cannot be a concept. The argument rests on the notion that our representation of the given or actual infinity of space cannot originate from conceptual thought but only from a progress in space that is first intuited and then thought in such a way that the concept of the infinity of space depends on a preceding synthesis of spaces that can be known to be unlimited. Why can space, thought as an actual infinity of coexisting parts, not originally be represented conceptually? Kant’s answer implies that a concept of the infinity of space would be a concept with infinitely many representations in it, and then states that this would contradict the nature of a concept. Both claims seem to be implausible at first blush. But let us first ask: how do we know of the magnitude of space? Only the version of the arguments in the first edition of the Critique of Pure Reason gives an indication of how we can know about the actual infinity of space; “If there were no limitlessness in the progression of intuition, no concept of relations could yield a principle of their infinitude.” (A25) This means that our ability to extend a line in space (as postulated by Euclid) has no limits since we can intuit space as boundless. It is this act of progressive synthesis by which we discover the infinity of space, although any determinate space or any given length of a line is finite or equals a certain number of units. That means: if any line in space can be extended ad infinitum, i. e., is potentially infinite but actually finite, then space, which makes the progress ad infinitum possible, must be a quantum that is greater than any given number of units in length, which is a mathematical concept of the infinite (A433 n/B460 n). Now space is the given possibility of pro-

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gression ad infinitum, and the relation of something in it, e. g., the distance between the beginning and the end of a line, as related to and determined by its parts as units of length, would never be potentially infinite if space were not conceived as already greater than any measurable distance in it. If we generalize from this mathematical conception of the infinity of space and reflect on the conditions of the possibility of predicating infinity of any quantum, we must say: it is infinite if “the successive synthesis of units required for the measurement⁹ of a quantum can never be completed” (A433/B460). Now if our representation of infinite space were originally a concept, the intension of this concept would consist of the same representations as the ones that constitute an intuition of space, for concepts and intuitions of objects generally do not differ in content, but only in their different role in our knowledge of objects: intuitions are representations of individual objects and concepts are representations of common characteristics of objects (individuals). If our original knowledge of the infinity of space were conceptual, this concept would have to be the concept of an immeasurable quantum. Since this concept would be independent of every prior intuition of this quantum and of any enumeration of its parts, the reason for its referring to an incompleteness in the synthesis of the units of space could only be the infinity of the characteristics within the concept of space itself, i. e., of the parts of its intension taken collectively. This, in turn, would mean that a concept could contain infinitely many representations within itself. But, according to Kant, this is impossible. Why? If we look to Kant’s theory of concepts, we find him there claiming that “as regards content no concepts can first arise by way of analysis” (A77/B103). And further: “[…] the synthesis is that which gathers the elements for knowledge, and unites them to a certain content” (ibid.). Although this is also true of intuition, we here only deal with concepts, and their content generally presupposes synthesis of a manifold of representations which become the marks (Merkmale) of the concept, united in its content or intension. Now if the representations that constitute the content of a concept were infinitely many, the synthesis that yields the content could never be completed. And this in turn would mean that one could never know what is thought by such an incomplete concept. It would be an indeterminate concept, and since concepts as analytic unities of consciousness are by definition something “through which one and the same consciousness is found to be contained in a number of representations” (B136 n.), one could in the case of a concept with an infinite and indeterminable intension not know what this one and the same consciousness was, and why it should be different from

 Kant’s word is “Durchmessung”, Kemp Smith: “enumeration.”

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other representations in which it must be contained as their common mark. For “only by means of a presupposed possible synthetic unity can I represent to myself the analytic unity” (B133 n) of a concept. If a representation is a concept, it is thought as common to different representations with which it can be in a synthetic unity. However rich its own content may be, a concept as such is the common mark of representations (and objects) that may differ in other parts of their content. In the case of a concept with an infinite content, the concept cannot be completed by any synthesis, is therefore indeterminable and cannot be compared with other representations. In other words, such a concept could not serve as a distinguishing characteristic of representations and objects that can be subsumed under it, and would therefore not be a concept at all. Hence the original representation of space cannot be such an impossible concept. It must be an (a priori) intuition.

VI The considerations and arguments just presented establish Kant’s claim that space (and time as well) is a pure intuition. In order to confirm such a paradoxical claim Kant turns to geometry. The so-called Transcendental Exposition is a regressive argument from the fact of the science of geometry, taken as a body of synthetic a priori knowledge concerning space, to the condition of its possibility, viz., our a priori or pure intuition of space. This way of reasoning according to the analytic method cannot by itself establish the truth of any doctrine because it explains only a given fact and can therefore only yield a hypothesis the truth of which has to be established independently. And even if by such an analytic argument one could reach the only possible explanatory principle for the truth of propositions that are already known to be true (as Kant claims at B40), this would only mean that a theory of geometry requires Kant’s doctrine of space as a pure intuition. But the reverse need not be true: Kant’s doctrine could provide the only possible explanation for geometrical truths and yet be false. For geometry this would mean that it did not at all contain truths in a non-trivial, i. e., synthetic sense of the word. Thus Kant’s Transcendental Exposition of space does not contribute substantially to the establishment of his doctrine of space as an a priori intuition. It is only a confirmation that is included for rhetorical reasons in order to dispel the misleading impression that Kant’s transcendental idealism has much in common with Berkeley’s idealism and could be used against a Newtonian view of a mathematical science of nature. Moreover, the introduction of the Transcendental Exposition into the second edition of the Critique creates some inconveniences for the interpreter of Kant’s

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text. For we have now two definitions of space, space as “the form of outer sense in general” (B41), and space as “the form of all appearances of outer sense” (A26/B42). These definitions are meant to be equivalent. But the first one is reached as a result of the analytic reflections concerning the possibility of geometry. And the second one is one of the “conclusions from the above concepts,” i. e., of all the four (or five in the first edition) arguments concerning space as a pure intuition (which in the first edition includes some kind of Transcendental Exposition). All this obscures the fact that Kant’s doctrine of space as a mere form of outer sense rests entirely and exclusively on the Metaphysical Exposition of space that proves it to be a pure intuition. How do we get from a priori or pure intuition to the form of intuition? It is true that the equation of pure intuition with the form of intuition is already mentioned in § 1 of the Critique (A20 f./B34 f.). Extension and figure of a body are there said to belong to pure intuition which exists in the mind a priori as a mere form of sensibility. But space is not here mentioned, and the whole passage is clearly anticipatory. In the Transcendental Exposition the transition from “formal intuition” to “form of intuition” is justified by a consideration of pure geometry. Kant’s example is the synthetic a priori proposition that space is three-dimensional. He argues that in order to explain the possibility of such a proposition, our representation of space must be an a priori and, therefore, pure intuition. Now this intuition is taken to be one that is “found in us prior to any perception of an object” (B41), and it is called an outer intuition “which precedes the objects themselves” (ibid.). In order to harmonize these two statements with the fact that we are dealing with pure geometry we must supply Kant’s text with two considerations: (1) Three-dimensionality is not only a feature of the one universal space but also of all the different spaces within it (A24/B39) which can be perceived as objects (A713 f./B741 f.), although pure space itself is imperceptible. (2) There is no confusion of pure and applied geometry in Kant, since in his view even the objective validity of pure geometry, which distinguishes it from a mere rational play of the imagination, relies on the presupposition that there exist perceptible objects in space, of which the objects of pure geometry are only the forms. These objects of an empirical intuition can be the drawings of geometrical figures. The objective validity of pure mathematics rests exclusively on the fact that its objects are at the same time objects of possible experience. Therefore, when Kant speaks of geometry as a body of true and even apodictic knowledge, he thinks of it as both pure and valid a priori of objects of perception. This twofold status of geometry, taken as a fact, is explained in the Transcendental Exposition. But Kant’s core theory of space as form of outer intuition does not rest on his conception of geometry, which is, however, fully compatible with it.

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Kant twice identifies space understood as an a priori intuition with the form of outer sense or the form of all outer appearances. He says of outer intuition that it exists a priori in the mind and that it can only be “the formal character of the subject” (B41) which conditions the way in which the mind is affected by objects. This pure outer intuition can only be “the subjective condition of sensibility” (A26/B42) that precedes all actual affection of it. Thus from the fact that space is a pure or formal intuition Kant infers that it must be the pure form of sensible outer intuition. That space is a formal intuition means that it is not the intuition of something existing in its own right, but of something that is only the real form of other things that exist only as thus formed. Since space is a necessary condition of all appearances as objects other than ourselves, and necessarily underlies all objects in space, and since furthermore the representation we originally have of it cannot be a concept, space can neither depend on what it makes possible, viz., the appearances, nor can it be produced by our spontaneous thought. Space must therefore be a given form of sensibility which underlies and determines the sensation and imagination of all objects of outer intuition. In concluding a word must be said about the intriguing ambiguity of the very term “pure intuition”. This term sometimes designates the object of pure intuition, but in the case of space the talk of “intuiting space” needs some qualification. For space is originally not an object and therefore not an object of intuition, although it can be represented, i. e., thought as an object, and this is done not only in geometry but also in Kant’s Metaphysical Exposition of the Concept of Space. A priori or pure intuition as an intuition that precedes empirically given objects and their perception could be either an intuition of space or of geometrical objects in space. The latter case seems unproblematic. In the former case, pure intuition must be a quasi-intuition of a quasi-object. It can only be an intuition of something that is not given a posteriori to the intuiting subject and that can yet be imagined and thought as an object. But before anything is given, there simply is no object that could be intuited. Space and time as formal intuitions are therefore only objectifications of subjective forms of sensible intuitions of things. As such forms they must be thought and not intuited because otherwise we would have a sensible intuition of sensible intuition (and its forms). In other words: Kant’s inference from pure formal intuition to pure forms of sensible intuition rests on the conception of an operation of the mind that takes the opposite direction and transforms subjective conditions of our sensibility into quasiobjective formal intuitions. This operation is described in Kant’s rudimentary and little developed theory of self-affection. But it would lead us too far astray to go into that now.

Metaphysik und Kritik in Kants theoretischer Philosophie 1 Kants Kritik der Metaphysik und das Humesche Problem Die Kantische Kritik der reinen Vernunft ist ein Traktat von der Methode der Erkenntnis a priori, also eine Untersuchung der Möglichkeit nichtempirischer Erkenntnis in der Philosophie und Mathematik. Die Metaphysik als reine Vernunfterkenntnis aus Begriffen ist dabei zwar Gegenstand der Kritik, aber sie umfaßt auch im weiteren Sinne diese Kritik, insofern diese selbst eine nichtempirische Untersuchung alles dessen ist, was jemals a priori erkannt werden kann (B 869). In diesem weiteren Sinne ist Metaphysik, als Metaphysik der Natur und der Sitten und „vornehmlich“ ¹ als „Kritik der sich auf eigenen Flügeln wagenden Vernunft“, gar nichts anderes als „dasjenige […], was wir im echten Verstande Philosophie nennen können“ (B 878). Wenn echte Philosophie vornehmlich eine auf Prinzipien a priori beruhende Kritik der reinen Vernunft und somit Metaphysik ist, so kann diese Kritik auch in einem genauen Sinne „die Metaphysik von der Metaphysik“ genannt werden, wie Kant es im Brief an Marcus Herz (nach dem 11. 5.1781; Br, AA 10: 269.32– 33) tut. Eine solche Selbstanwendung der Metaphysik besagt dann nichts anderes, als daß die Kritik der reinen Vernunft das methodisch gesuchte und systematisch abgefaßte Ergebnis einer „Selbsterkenntnis“ der Vernunft ist, die zugleich eine Prüfung ihrer gerechten Ansprüche vor einem Gerichtshof ist, den diese Vernunft nicht nur selbst eingesetzt hat, sondern dem sie auch selbst vorsitzt (vgl. A XI f.). Die Selbstkritik der reinen Vernunft wird also der „Prüfungskunst“ der Philosophie (B 174) anvertraut, und diese ist es, welche die Untersuchung des reinen Vernunftvermögens nach einem in ihm selbst liegenden Maßstabe durchführt. Herder und Hegel haben die hier scheinbar vorliegende vitiose Zirkularität des Prüfungsverfahrens zum Argument in ihren vernichtenden Metakritiken der Kantischen Vernunftkritik gemacht. Das durch diese Art von Metakritik angedeutete Problem in der Konzeption einer sich selbst kritisierenden Vernunft ist nun keines, auf das Kant von anderen hätte aufmerksam gemacht werden müssen. Vielmehr ist diese Konzeption das Ergebnis mehrjähriger Überlegungen, die Kant seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts angestellt hat und die sich fortwährend und unter wiederholten Um Von mir hervorgehoben – M.B https://doi.org/10.1515/9783110605327-012

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kippungen auf das eine Problem richteten: die Möglichkeit der Metaphysik als Wissenschaft. Schon in den Träumen eines Geistersehers (1766) spricht Kant öffentlich davon, daß er „das Schicksal habe“, in die Metaphysik „verliebt zu sein, ob ich mich gleich von ihr nur selten einiger Gunstbezeugungen rühmen kann“ (TG, AA 02: 367.21– 23). Die Liebe zur Metaphysik ist aber kein persönliches Schicksal oder eine zufällige Idiosynkrasie. Denn noch in der Kritik der reinen Vernunft heißt es von dieser Wissenschaft, „welche […] zuletzt in allgemeine Verachtung gefallen ist“, daß die menschliche Vernunft überhaupt und also auch alle diejenigen, die sie jetzt geringschätzten, zu ihr als einer ihre eigene Selbstkritik enthaltenden Metaphysik „jederzeit […] wie zu einer mit uns entzweiten Geliebten zurückkehren“ werden (B 877 f.). Kants Vertrauen in eine der menschlichen Vernunft als Naturanlage innewohnende und also auch in Zukunft fortdauernde Metaphysik ist also ersichtlich groß. So sagt er von ihr, daß sie zwar noch nicht den sicheren Gang einer, Wissenschaft habe einschlagen können, daß sie aber „älter“ sei als alle übrigen Wissenschaften „und bleiben würde, wenn gleich die übrigen insgesamt in dem Schlunde einer alles vertilgenden Barbarei gänzlich verschlungen werden sollten“ (B XIV). Diese aus der als unveränderlich angenommenen menschlichen Natur stammende Metaphysik führt unvermeidlich in Scheinerkenntnisse und Widersprüche, weil die reine Vernunft an ihr selbst dialektisch ist, aber auch nach der Aufdeckung und Analyse dieser Dialektik durch die Kritik der reinen Vernunft bleibt diese Vernunft was sie ist: „irgendeine Metaphysik ist immer in der Welt gewesen und wird auch wohl ferner […] darin anzutreffen sein“ (B XXXI). Die Metaphysik ist also nach Kant eine anthropologische Konstante. Ihre bisherige Unbegründetheit als Wissenschaft und, der Mangel an Rechtfertigung ihrer Ansprüche in ihrer bisherigen Geschichte heben ihren Charakter als natürliches Faktum nicht auf: „irgend eine Metaphysik [ist] zu aller Zeit gewesen und wird auch immer darin bleiben“ (B 21). Das bedeutet, daß auch die Skeptiker als „vorgebliche Indifferentisten“ der Metaphysik nicht entgehen können. Sofern, sie nur überhaupt etwas denken, „fallen“ sie, sagt Kant, „in metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben“ (A X). Diese Anspielung auf Humes Aufforderung, die Werke der Theologie und der scholastischen Metaphysik, sofern sie keine abstrakten Gedankengänge über Größe und Zahl und keine auf Erfahrung gestützten Gedankengänge über Tatsa-

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chen und Existierendes enthielten, den Flammen zu übergeben,² darf aber nicht vergessen lassen, daß Hume nach Kant eine hohe Meinung von metaphysischen Untersuchungen über die Möglichkeit der Erkenntnis, sei sie empirisch oder a priori, hatte. In den Prolegomena, in denen er sich noch energischer als in der ersten Auflage der Kritik zu Hume als Vorgänger bekannt hat, kommentiert er das Humesche Ergebnis, sc. „es gebe überall keine Metaphysik und könne auch keine geben“ (Prol, AA 04: 258.9), in einer Anmerkung so: „Gleichwohl nannte Hume eben diese zerstörende Philosophie selbst Metaphysik und legte ihr einen hohen Wert bei.“ (Prol, AA 04: 258 n) Daß es sich dabei nicht um einen Mißbrauch des Namens der Metaphysik durch Hume handelt, geht einmal daraus hervor, daß Metaphysik eben nichts anderes als „Vernunfterkenntnis aus bloßen Begriffen“ ist (B 878) und Hume eine in diesem Sinne metaphysische Untersuchung der Möglichkeit der Metaphysik vorgelegt hatte. Zum andern aber wird Hume von Kant bescheinigt, daß er der alles entscheidenden Aufgabe der Kritik der reinen Vernunft, von deren Auflösung das Stehen und Fallen der Metaphysik abhängt, nämlich der Erklärung der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori als spezifisch metaphysischer Erkenntnisart von Gegenständen, „unter allen Philosophen noch am nächsten trat“ (B 19). Humes Untersuchung des Kausalprinzips und sein Ergebnis, daß dieser „Satz a priori gänzlich unmöglich sei“, sind nämlich kein auf empirischen Beobachtungen beruhendes Raisonnement, sondern ein unter seinen Prämissen „genugtuender Beweis“, daß die Möglichkeit eines solchen synthetischen Satzes a priori, welche die reine Vernunft „erklärt zu wissen verlangt, in der Tat garnicht stattfinde“ (ebd.). Durch diesen Beweis a priori der Unmöglichkeit der Metaphysik hat sich Hume eben als derjenige Metaphysiker erwiesen, der das Fallen der Metaphysik als synthetischer Erkenntnis a priori dargetan hatte oder der aus Gründen a priori gezeigt hatte, daß alles, was wir Metaphysik nennen, auf einen „bloßen Wahn von vermeinter Vernunfteinsicht“ hinauslaufe. Diese „alle reine Philosophie zerstörende Behauptung“ (ebd.) ist eben das Haupttheorem von Humes „zerstörender Philosophie“, die er zu Recht Metaphysik nannte. Mit diesem negativen Ergebnis bestätigt Hume nur, was als Tatsachenbehauptung vom vorkritischen und vom kritischen Kant in gleicher Weise vorgetragen wurde. So heißt es in der Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral von 1764: „Die Metaphysik ist ohne Zweifel die schwerste unter allen menschlichen Einsichten; allein es ist noch niemals eine geschrieben worden.“ (DU, AA 02: 283.05 – 07) Mit sehr ähnlichen

 Vgl. David Hume, Enquiries concernig Human Understanding. Hrsg. v. L.A. Selby-Bigge, Oxford ³1983, 165.

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Worten sagt Kant in der 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft von 1787: „Was aber Metaphysik betrifft, so muß ihr bisheriger schlechter Fortgang, und weil man von keiner einzigen bisher vorgetragenen, was ihren wesentlichen Zweck angeht, sagen kann, sie sei wirklich vorhanden, einen jeden mit Grund an ihrer Möglichkeit zweifeln lassen.“ (B 20 f.) Die Bezweiflung der Möglichkeit der Metaphysik ist natürlich in dieser Begründung nur eine verständliche Reaktion des skeptischen Philosophiehistorikers und kein Argument eines metaphysischen Skeptikers. Dessen Opposition gegen den Dogmatismus in der Metaphysik ist aber noch vor aller Prüfung seiner Beweise nach Kant in jedem Falle berechtigt: „Man kann […] und muß alle bisher gemachten Versuche, eine Metaphysik dogmatisch zustande zu bringen, als ungeschehen ansehen“ (B 23). Denn der Dogmatismus ist ja bei Kant dadurch definiert, daß er sich derjenigen Frage nicht stellt, die Hume auf seine Weise „genugtuend“ beantwortete: „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?“ (B 19) Obwohl Hume sich diese Frage nicht in der erforderlichen Deutlichkeit und Allgemeinheit gestellt hatte, kann man nach Kant sagen, daß die Kritik der reinen Vernunft nichts anderes ist, als die „Ausführung des Humeschen Problems in seiner möglich größten Erweiterung“ (Prol, AA 04: 261.06 – 07). Die kritische Grundfrage, die sich auch auf die Möglichkeit der Mathematik richtet, ist nach Kant nur unter der Bedingung zu beantworten, die Hume ebensowenig wie irgendein dogmatischer Philosoph vor oder nach ihm als erfüllt angesehen hat, nämlich daß die Gegenstände der Erfahrung, von denen solche Erkenntnisse gelten sollen, ausweislich ihrer Existenz in Raum und Zeit bloße Erscheinungen sind, die so, wie sie uns erscheinen, nicht an sich selbst, sondern nur in unserer Vorstellung von ihnen existieren können. Nur unter der Voraussetzung der Ergebnisse der transzendentalen Ästhetik (und hier insbesondere der Idealität der Zeit) ist also Humes Einwand gegen die Gültigkeit des Kausalprinzips zu beantworten. In der Kritik der praktischen Vernunft heißt es: „[O]bgleich bei Dingen an sich selbst gar nicht abzusehen ist, ja unmöglich ist einzusehen, wie, wenn A gesetzt wird, es widersprechend sein solle, B, welches von A ganz verschieden ist, nicht zu setzen (die Notwendigkeit der Verknüpfung zwischen A als Ursache und B als Wirkung): es sich doch ganz wohl denken lasse, daß sie als Erscheinungen in einer Erfahrung auf gewisse Weise (z. B. in Ansehung der Zeitverhältnisse) notwendig verbunden sein müssen und nicht getrennt werden können, ohne derjenigen Verbindung zu widersprechen, vermittelst deren diese Erfahrung möglich ist, in welcher sie Gegenstände und uns allein erkennbar sind.“ (KpV, AA 05: 53.18 – 27) Wenn also eine gewisse Art von Verbindung von Vorstellungen zur Möglichkeit der Erfahrung notwendig ist, dann ist es allerdings unmöglich, daß ein Er-

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eignis als Gegenstand dieser Erfahrung derjenigen Verknüpfung von Zuständen nicht gemäß ist oder widerspricht, auf welcher die synthetische Einheit seiner Erfahrung beruht. Das ist natürlich nicht selbst schon ein Beweis für die Gültigkeit des Kausalprinzips, sondern nur ein Hinweis auf die Bedingungen seiner Beweisbarkeit, soweit sie von Begriffen des Verstandes abhängt. Ein möglicher Beweis des Kausalprinzips kann also nur aufgrund der besonderen Funktion, die die Kategorie der Kausalität für die Möglichkeit der Erfahrung als solche, d. h. als empirische Objekterkenntnis, hat, geführt werden, damit aber auch indirekt für die Gegenstände dieser Erfahrung. Die Gültigkeit a priori der Kausalitätskategorie von Ereignissen als objektiven Zustandsfolgen in der Zeit beruht also auf der unerläßlichen Funktion dieser Kategorie für den Gedanken der Objektivität eines Ereignisses und für die Erkennbarkeit dieses objektiven Vorgangs vermittelst meiner aufeinander folgenden Wahrnehmungen von ihm. Kant resumiert an dieser Stelle der Kritik der praktischen Vernunft in Kürze seine Beweise in der zweiten Analogie der Erfahrung und in der transzendentalen Deduktion der Kategorien aus der Kritik der reinen Vernunft, ohne diese Beweise selbst noch einmal vorzuführen: „Und so fand es sich auch in der Tat: so daß ich den Begriff der Ursache nicht allein nach seiner objektiven Realität in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung beweisen [= 2. Analogie], sondern ihn auch als Begriff a priori, wegen der Notwendigkeit der Verknüpfung, die er bei sich führt, deduzieren, d.i. seine Möglichkeit aus reinem Verstande ohne empirische Quellen dartun […] konnte [= transzendentale Deduktion].“ (KpV, AA 05: 53.27– 32) Durch diese beiden Beweise hat Kant den Humeschen Empirismus vermeiden und damit auch seinem Skeptizismus hinsichtlich der Gültigkeit des Kausalitätsbegriffes und der Wahrheit und Beweisbarkeit des Kausalprinzips den Boden entziehen können. An diesem für die Entstehung der Kritik der reinen Vernunft entscheidenden Beispiel läßt sich also zeigen, inwiefern der Maßstab der Kantischen Kritik an der Metaphysik, als einem System synthetischer Sätze a priori, kein anderer sein kann, als der oberste Grundsatz aller synthetischen Urteile: „ein jeder Gegenstand steht unter den notwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung“ (B 197). Denn der Gedanke der Ursächlichkeit ist eine aus dem reinen Verstande entspringende Bedingung a priori der Synthesis der Einbildungskraft und damit der durch sie möglichen synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungsvorstellungen in der Zeit, sofern das Ergebnis dieser Synthesis von Wahrnehmungen auf Objekte beziehbar oder Erkenntnis sein soll.

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2 Deduktion des Kausalprinzips und der Kategorie der Kausalität Synthetische Sätze a priori sind also als wahre Erkenntnisse von Objekten möglich, sofern sie jeweils auf ihre Weise die Bedingungen möglicher Erfahrung eben dieser Objekte aussagen. Und da diese Objekte nur Erscheinungen der Sinne und somit letztlich Vorstellungskomplexe im inneren Sinn des erkennenden Subjekts sind, so ist ihre Bestimmbarkeit a priori gemäß den Formen des reinen Denkens als möglich gesichert. Also können die reinen Verstandesbegriffe auch als Prädikate von den Gegenständen der durch sie als Erkenntnis ermöglichten Erfahrung ausgesagt werden. In unserem Beispiel: Alle Ereignisse (die nur Veränderungen sind) sind Wirkungen vorhergehender Ursachen. Im Falle des Kausalprinzips heißt das also, daß sein Beweis als der eines wahren Grundsatzes, der von allen Ereignissen (qua Veränderungen von Substanzen) a priori gilt, nur unter der Bedingung geführt werden kann, daß gezeigt wird, diese seine objektive Gültigkeit sei eine notwendige Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung von Ereignissen. M.a.W. das Kausalprinzip gilt und muß von allen Ereignissen gelten, weil ich sonst keine Erfahrungen von diesen Ereignissen haben könnte, die aber nichts anderes sind als Erscheinungen und also Gegenstände möglicher Erfahrung. Der Schluß von den Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung auf die Gegenstände dieser Erfahrung ist also wegen des bloßen Erscheinungscharakters dieser Gegenstände trivial, da sie ja als bloße Erfahrungsgegenstände (Erscheinungen) garnicht umhin können, den Bedingungen ihrer Erfahrbarkeit gemäß zu sein (vgl. B 197, A 111). Nicht trivial ist aber der Umstand, daß die Rede von einem Gegenstand möglicher Erfahrung und von seinen notwendigen Erfahrbarkeitsbedingungen von Kant jeweils in verschiedenem Sinne und mit verschiedenem Stellenwert gebraucht wird. Die „Möglichkeit der Erfahrung“ kann einmal selbst einer Begründung a priori bedürfen (transzendentale Deduktion) und zum andern ihrerseits Beweisgrund für den transzendentalen Beweis von etwas anderem (z. B. des Kausalgesetzes) sein (Grundsatzkapitel). Im Beweis des Grundsatzes der Kausalität wird nämlich vorausgesetzt, daß Erfahrung von Objekten (hier: objektiven Ereignissen) möglich ist, und es wird nur gezeigt, inwiefern im Falle dieser besonderen Objekte die Gültigkeit gerade des Kausalgesetzes eine notwendige Bedingung der Möglichkeit dieser schon als möglich vorausgesetzten Erfahrung ist. Aber ist denn Erfahrung von Ereignissen möglich, so daß man dann als eine ihrer notwendigen Bedingungen die Gültigkeit des Kausalgesetzes identifizieren kann? Bedeutet das nicht vielmehr, daß die Ungültigkeit des Kausalgesetzes, die man mit Hume für möglich halten muß, eben

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weil nach ihm für dessen Gültigkeit kein Beweis a priori geführt werden kann, auch die Voraussetzung aufhebt, nämlich daß es Erfahrung von Ereignissen als objektiven Zustandsfolgen gibt? Der Beweis für das Kausalprinzip scheint sich also in einem circulus vitiosus zu bewegen: Erfahrung von Ereignissen ist nur möglich, weil und insofern das Kausalprinzip von ihnen gilt. Aber das Kausalprinzip gilt von Ereignissen nur, sofern sie Gegenstände möglicher Erfahrung sind, genauer: es gilt nur als notwendige Bedingung der Möglichkeit dieser ihrer vorausgesetzten Erfahrung. Das scheint ein hysteron/proteron zu sein, in dem sich Humes Skeptizismus als siegreich erweist, wenn man ihn nämlich auf die Möglichkeit der Erfahrung von Ereignissen ausdehnt, was Hume allerdings nicht tat. Jedenfalls darf die Gültigkeit des Kausalprinzips nicht allein auf seiner Funktion beruhen, Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung zu sein, wenn diese Erfahrungsmöglichkeit selbst nur durch das Faktum der Erfahrung gesichert sein soll, wenn es also nur eine Erfahrung ist, daß Erfahrung möglich (weil wirklich) ist, Denn wer dieses Faktum bezweifelte, würde damit auch mit Recht die Gültigkeit des Kausalgesetzes in Frage stellen, das ja dann nur eine Bedingung der Möglichkeit der. Erfahrung wäre, die aber selbst nicht zweifelsfrei feststünde. Man könnte gegen das vermeintlich Kantische Argument für die Gültigkeit des Kausalgesetzes vielmehr einwenden, daß Erfahrung (von Ereignissen) eben deshalb nicht als möglich feststehe, weil diese Möglichkeit nur unter einer unerfüllbaren Bedingung bestehe, nämlich der, daß das Kausalgesetz von Ereignissen als solchen gilt.Wenn Kant sich in diesem Zirkel bewegt hätte, wäre sein Beweis für die 2. Analogie der Erfahrung sicherlich nicht gelungen. Aber Kant hat auch die Möglichkeit der Erfahrung generell nicht als ein empirisch gesichertes Faktum angesehen. In der transzendentalen Deduktion der Kategorien hat er vielmehr allgemein bewiesen, daß Gegenstände der Erfahrung und diese selbst als empirische Erkenntnis von Gegenständen nur durch reine Verstandesbegriffe möglich sind. Dies geschah einmal dadurch, daß gezeigt wurde, daß Objekte einer sinnlichen Anschauungsmannigfaltigkeit nur gedacht werden können, wenn dieses Anschauungsmannigfaltige den für ein Selbstbewußtsein überhaupt notwendigen Funktionen der Einheit des Denkens in Urteilen gemäß ist. Diejenigen sinnlichen Anschauungen sind Anschauungen von Objekten, deren synthetische Einheit diesen Formen der Urteile entspricht, und diese Entsprechung denken wir in den Kategorien als allgemeinen Gegenstandsbegriffen einer sinnlichen (nichtintellektuellen) Anschauung. Kategorien gelten also notwendigerweise von Objekten, weil ohne diese Geltung das Mannigfaltige gegebener sinnlicher Anschauung nicht der synthetischen Einheit des Selbstbewußtseins in allem Vorstellen überhaupt entspräche, was aber seinerseits notwendig ist, wenn das „Ich denke“ alle meine Vorstellungen soll begleiten können.

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In einem zweiten Schritt zeigt Kant, daß auch die Wahrnehmung von Objekten in Raum und Zeit nur unter der Annahme der Gültigkeit der Kategorien möglich ist. Dieser Beweisschritt zeigt sogar die Notwendigkeit der Möglichkeit, vermittelst Wahrnehmungen empirische Erkenntnisse von Objekten zu erwerben. Denn wäre das nicht möglich, d. h. könnten die Wahrnehmungen nicht in die synthetischen Einheiten a priori der formalen Anschauungen Raum und Zeit eingeordnet werden, so wären sie nicht auf ihre Weise der Einheit des Selbstbewußtseins konform. Die Notwendigkeit der Erfahrungsmöglichkeit beruht insofern letztlich, wie die Notwendigkeit der objektiven Geltung der Kategorien, auf denjenigen Begriffen von synthetischen Einheiten des Selbstbewußtseins, die um des Bewußtseins der Identität eines Verstandeswesens (einer Intelligenz) willen ihrerseits notwendig sind. Der Unterschied der Argumentationsweise in der transzendentalen Deduktion der Kategorien und im Beweis der sog. Grundsätze des reinen Verstandes ist also bei Kant u. a. darin begründet, daß die Deduktion erst die Möglichkeit der Erfahrungserkenntnis von Gegenständen der Sinne (Erscheinungen) als notwendig sichern muß, bevor ein Beweis für die Gültigkeit der Kategorien von bestimmten Erfahrungsobjekten aus der so gesicherten Erfahrungsmöglichkeit geführt werden kann. Erfahrungserkenntnis ist also nicht darum möglich, weil es wirklich Erfahrungen (etwa von Ereignissen) gibt, sondern weil es um der Einheit des Selbstbewußtseins willen notwendigerweise möglich ist, etwas sinnlich Gegebenes als Objekt zu erkennen, welches in der Erfahrung geschieht. Kant kann also von der Möglichkeit der Erfahrung als einem a priori feststehenden Sachverhalt ausgehen, wenn er die Gültigkeit einer bestimmten Kategorie regressiv als ihre Bedingung nachweisen will. Der Zirkel im Verhältnis von Kategorie und Möglichkeit der Erfahrung besteht also nicht. Aber die Beweise im Deduktions- und im Grundsatzkapitel weisen noch einen anderen wichtigen Unterschied auf. Während die Kategorien in der Deduktion als von den Erscheinungen des inneren Sinnes in der Zeit insgesamt und damit indirekt als von der Natur, dem kollektiven Inbegriff der Erscheinungen der Sinne, geltend erwiesen werden, beweisen die Grundsatzbeweise die Gültigkeit bestimmter Kategorien von distributiv allen Erscheinungen der Sinne, also von jeder einzelnen. Es kann niemals wahr sein, daß irgendein bestimmtes Ereignis keine Ursache hat – das zeigt der Beweis der 2. Analogie. Die Deduktion hingegen beweist, daß alle Inhalte der einen Zeit und des einen Raumes zusammengenommen eine Natur ausmachen, weshalb alle Ereignisse nur insofern objektive Zustandsveränderungen sind, als sie in dieselbe Zeitordnung mit allen andern Ereignissen hineingehören, in der sie sich wechselweise ihre Stellen als frühere und spätere anweisen. Objektivitätskriterium der Erscheinungen ist also in der Deduktion die a priori feststehende Zugehörigkeit zu der einen Naturordnung,

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während der Beweis der 2. Analogie von jedem beliebigen Ereignis qua Gegenstand möglicher Erfahrung geführt wird. Das kollektive Objekt ‚Natur‘ in Zeit und Raum als synthetischen Einheiten korrespondiert somit der ursprünglich synthetischen Einheit des Selbstbewußtseins, sofern diese objektiv ist, während die einzelnen Erscheinungen den Kategorien darum gemäß sind, weil die jeweilige Wahrnehmung von ihnen nur unter dieser Bedingung zur Erfahrungserkenntnis werden kann. Die Suche nach der jeweiligen Ursache von Ereignissen steht dabei unter der im Schema der Kategorie der Ursache ausgedrückten Antizipation, dasjenige Reale zu sein, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit etwas anderes, sc. das zu erklärende Ereignis, von dem wir ausgingen, folgt. Es muß sich also unter den Erscheinungen eine Ursache für ein gegebenes Ereignis experimentell finden lassen, das die im Schema ausgedrückte formale Beschaffenheit hat und somit unserem Kriterium für Ursachen genügt. Zwar kann u.U. ein Irrtum darüber entstehen, was die gesuchte Ursache ist. Aber daß in der Reihe der Erscheinungen in der Zeit, die selbst Ereignisse sind, sich dasjenige befinden muß, das die unmittelbare Ursache für das zu erklärende Ereignis ist, das steht durch die 2. Analogie a priori fest. Durch diese Beweisführungen Kants in der transzendentalen Deduktion und im Grundsatzkapitel ist also Humes Einwand gegen die Beweisbarkeit des Kausalprinzips widerlegt und, in einem Teilbereich, mit dem Beweis für einen synthetischen Satz a priori zugleich ein Beweis für die Möglichkeit der Metaphysik als Wissenschaft geführt. Der Skeptizismus, „der mit der ganzen Metaphysik kurzen Prozeß macht“ (B XXXVI), ist also in dem Maße widerlegt, in welchem die Metaphysik als eine nichtempirische Theorie der Möglichkeit der Erfahrung und ihrer Gegenstände angesehen werden kann. Dabei ist diese Möglichkeit der Erfahrung selbst nichts Empirisches, sondern sie impliziert einen Inbegriff synthetischer Erkenntnisse a priori von Gegenständen der Sinne. Die Erfahrbarkeit dieser Erscheinungen ist nach Kant der einzige Beweisgrund, der die Sätze der Metaphysik als Wahrheiten a priori erkennbar machen kann. Da aber die Möglichkeit der Erfahrung ihrerseits in der transzendentalen Deduktion der Kategorien als etwas für den menschlichen Verstand Notwendiges erwiesen wurde, so läßt sich verstehen, warum Kant sagt, diese Deduktion sei „das Schwerste, das jemals zum Behufe der Metaphysik unternommen werden konnte“ (Prol, AA 04: 260.30 – 32).³ Das bedeutet aber auch, daß diejenigen Begriffe und Grundsätze der vormaligen und jeder möglichen Metaphysik, die nicht als notwendige Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrungserkenntnis durch Verstand und Sinne ausgewie-

 Von mir hervorgehoben – M.B.

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sen werden können, nicht als a priori objektiv gültig bewiesen, d.h, nicht deduziert werden können. Das sei abschließend am Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur gezeigt.

3 Kants Kritik des teleologischen Denkens In der transzendentalen Deduktion der Kategorien hatte Kant zum Abschluß der Beweisführung für die objektive Realität der Kategorien, die zugleich eine Erklärung der Möglichkeit sein soll, „der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie sogar möglich zu machen“ (B 159 f.), einschränkend gesagt: „Auf mehrere Gesetze aber, als die, auf denen eine Natur überhaupt, als Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit, beruht, reicht auch das reine Verstandesvermögen nicht zu, durch bloße Kategorien den Erscheinungen a priori Gesetze vorzuschreiben. Besondere Gesetze, weil sie empirisch bestimmte Erscheinungen betreffen, können davon nicht vollständig abgeleitet werden, ob sie sie gleich alle insgesamt unter jenen stehen.“ (B 165) Das transzendentale Prinzip der Zweckmäßigkeit der Natur in ihren besonderen Gesetzen für unsere Erkenntnisvermögen und ihren Gebrauch kann nach Kant also keine transzendentale Deduktion im strengen Sinne der ersten Kritik erhalten, obwohl es einer solchen bedürfte, wenn die Zusammenstimmung der Natur mit unserem Erkenntnisvermögen als notwendig gelten sollte. Somit bleibt eine objektive Zufälligkeit dieser Zusammenstimmung bestehen, welche für uns zwar ein Bedürfnis ist, dessen Befriedigung in einem gegebenen Fall aber nur wie ein erfreulicher Fund angesehen werden kann (vgl. KpV, AA 05: 184.16 – 21). Genauer gesprochen ist die Zweckmäßigkeit der Natur für den Gebrauch unseres Verstandes in der Erfahrung ein formales Prinzip für das Verhältnis empirischer Gesetze untereinander. Dieses transzendentale Prinzip der reflektierenden Urteilskraft ist eines der Zweckmäßigkeit der Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer besonderen Gesetze für diese unsere reflektierende Urteilskraft selbst, gemäß welcher es möglich ist, je für sich schon bekannte empirische Gesetze, wie die Keplerschen Gesetze und das Galileische Fallgesetz, in einen Ableitungszusammenhang mit einem allgemeineren empirischen Gesetz zu bringen, wie es in der Tat und glücklicherweise Newton mit seinem Gesetz der allgemeinen Gravitation gelang. Die Natur als System besonderer Gesetze ist also eine durch einen Vernunftbegriff oder eine Idee gedachte Natur, deren Herkunft aus einem logischen Bedürfnis der reflektierenden Urteilskraft sie zugleich als einer transzendentalen Deduktion unfähig und als subjektiv unentbehrlich erweist. Bei der Einführung des Prinzips der reflektierenden Urteilskraft als eines transzendentalen Prinzips für die systematische Unterordnung empirischer Na-

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turgesetze unter noch zu findende allgemeinere Gesetze bedient sich Kant einer Analogie zwischen dem menschlichen Verstand als Gesetzgeber der Natur und einem übermenschlichen Verstand als Gesetzgeber ebendieser Natur qua System von besonderen Gesetzen, bei welcher er seine eigene Lehre von den Verstandesgesetzen als transzendentalen Naturgesetzen zugrundelegt und, entsprechend dem Anthropomorphismus der natürlichen Theologie, einen analogen Vernunftgesetzgeber annimmt. Wie der Begriff der (menschlichen) Intelligenz ein empirischer Begriff ist (vgl. A 698/B 726), so ist jener übermenschliche Gesetzgeber ein nach dem Muster unseres Verstandes fingierter Demiurg, und diese Fiktion erfüllt nichts als das Bedürfnis der reflektierenden Urteilskraft nach einem Prinzip für die logische Zweckmäßigkeit der Natur in ihren besonderen Gesetzen. Kant führt, wie gesagt, das transzendentale Prinzip der Zweckmäßigkeit in der Sprechweise der natürlichen Theologie ein: „Nun kann dieses Prinzip kein anderes sein, als daß, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur […] vorschreibt, die besonderen empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenngleich nicht der unsrige) sie zum Behuf unserer Erkenntnisvermögen, um ein System der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben hätte. […] Weil nun der Begriff von einem Objekt, sofern er zugleich den Grund der Möglichkeit dieses Objekts enthält, der Zweck, und die Übereinstimmung eines Dinges mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach Zwecken möglich ist, die Zweckmäßigkeit der Form derselben heißt, so ist das Prinzip der Urteilskraft […] die Zweckmäßigkeit der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit. D. i. die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte.“ (KU, AA 05: 180.18 – 181.02) Das zweckmäßige Objekt, das als durch diesen übermenschlichen Verstand absichtsvoll hervorgebracht gedacht wird, ist also die Natur als System von besonderen Gesetzen und seine Zweckmäßigkeit ist eine äußere Zweckmäßigkeit für uns, „zum Behuf“ (KU, AA 05: 180.24) unserer Erkenntnisvermögen. Den fiktiven Charakter dieser Hilfsvorstellung einer demiurgischen Intelligenz, die zu unseren Gunsten tätig wurde, deren Anthropomorphismus Kant schon in der Kritik der reinen Vernunft hervorgehoben hatte, unterstreicht das zweifache „als ob“ (KU, AA 05: 180.23 u. 181.01). Und die Mannigfaltigkeit der Natur, deren Einheit jene Zweckmäßigkeit ist, ist die Mannigfaltigkeit ihrer besonderen empirischen Prinzipien oder Gesetze, bzw. ihrer „Formen“ ((KU, AA 05: 179.31), die in diesem demiurgischen Artefakt zur Einheit einer systematischen Unterordnung gebracht ist. Die Analogie, deren Kant sich hier bedient, ist dieselbe wie bei Platons Handwerkergott, dieser intellectus archetypus ist ein ins Mythische gesteigerter

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menschlicher Intellekt, dessen Tätigkeit nicht das Denken, sondern das Hervorbringen von Werken nach Begriffen, die Poiesis, ist. Es ist diese Analogie, die dem naiven Platonismus in allen seinen Spielarten⁴ zugrundeliegt. Wir werden sehen, daß ein wörtliches Verständnis dieses naiven Platonismus – und damit eine haltbare Physikotheologie – nach Kant unmöglich ist, nicht weil die Natur und die Naturdinge in ihr keine Artefakte sind, sondern weil das Herstellen von Artefakten ein von Begriffen gesteuertes und also spezifisch menschliches Tun ist, das im Widerspruch zu dem Konzept der schöpferischen Anschauung eines denkbaren Welturhebers steht. Ein intuitiver oder selbst anschauender Verstand ist aber gerade nicht von der Art des Artefakte hervorbringenden, wenn auch übermenschlichen Verstandes eines Demiurgen, der ja nur das Analogon des spezifisch menschlichen (also auf Begriffe angewiesenen) Verstandes ist. Kants Bemerkungen über einen möglichen anschauenden Verstand finden sich an mehreren Stellen seines Werkes verstreut. Für unsere Zwecke geht es in der Hauptsache um die §§ 76 und 77 der Kritik der Urteilskraft. Die Anschauung des menschlichen Verstandes ist sinnlich, insofern durch seine spontane Tätigkeit nur gedacht, d. h. gegebenes Vorstellungsmaterial verglichen und unterschieden, verbunden und getrennt werden kann. Unser Verstand ist also zwar spontan tätig, aber nicht produktiv, da durch das Bewußtsein unserer selbst im Gedanken „Ich denke“ keine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen gegeben, sondern nur das Vermögen, Vorstellungen zu verbinden, als ein in allem Vorstellen einfaches und identisches bewußt gemacht wird. In der Kritik der Urteilskraft bedient sich Kant der Konzeption eines intuitiven Verstandes, um die faktische Eigentümlichkeit unseres menschlichen Verstandes durch den Kontrast mit ihr als solche erkennbar zu machen. Konstitutiv für den menschlichen Verstand als Erkenntnisvermögen ist die Heterogenität seiner selbst und der ihm von außen gegebenen (und darum sinnlichen) Anschauung von Objekten. In dieser eigentümlichen Beschaffenheit liegt letztlich die (bloß subjektive) Notwendigkeit begründet, gewisse Naturprodukte ihrer Möglichkeit nach als „absichtlich und als Zwecke erzeugt“ (KU, AA 05: 405.34) anzusehen. Damit räumen wir zugleich die Möglichkeit ein, daß ein anderer als der menschliche Verstand auch im bloßen Mechanismus der Natur, also gemäß der Kausalität einer Ursache, die nicht ein durch Zweckbegriffe bestimmter Wille ist, das Erzeugungsprinzip solcher Naturprodukte erkennen könnte. Für einen solchen nichtdiskursiven Verstand wäre die Natur wirksam in der Weise, daß ihr Produkt, der

 Vgl. M. Baum, Kosmologie und Dialektik bei Platon und Hegel. In: Hegel und die antike Dialektik. Hrsg. v. M. Riedel. Frankfurt/M. 1990. 192– 207, bes. 184 ff., Wiederabdruck in Manfred Baum, Kleine Schriften III: Hegel etc., hrsg. v. Allegra de Laurentiis, Jeff Edwards. Berlin, Boston 2019.

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Naturzweck, mechanisch so erzeugt⁵ werden könnte, daß es für unsere Reflexion so aussieht, als sei es nach Begriffen von ihm erzeugt. Daß dieses Produkt uns als zweckmäßig erzeugt erscheint, liegt nun zunächst daran, daß durch das Allgemeine unseres Verstandes, also den Begriff, das Besondere, welches unter ihn subsumiert und als Fall (Beispiel) dieses Begriffes erkannt werden soll, nicht bestimmt ist. Da unsere Begriffe nur gemeinsame Merkmale von Gegenständen sind, deren Vorstellung außer diesem gemeinsamen Merkmal noch vielerlei andere Bestimmungen enthalten kann und die sich sehr in demjenigen voneinander unterscheiden können, wodurch sie sich von ihrem gemeinsamen Merkmal unterscheiden, so ist es ganz zufällig, von welcherlei Beschaffenheit die potentiell unendlich vielen unterschiedlichen Dinge sind, die unter ihren gemeinsamen Begriff subsumiert werden können. Dabei werden diese Gegenstände unseres diskursiven, also durch gemeinsame Merkmale oder Begriffe erkennenden, Verstandes als in der Wahrnehmung gegeben angenommen, da er ja einer sinnlichen Anschauung bedarf, um Erkenntnismaterial von außerhalb seiner selbst zu erhalten, das dann unter seine Begriffe subsumiert werden kann. Die bestimmende Urteilskraft, die diese Subsumtion vollzieht, ist demgemäß das Vermögen zu entscheiden, ob ein gegebenes Mannigfaltiges der Wahrnehmung, trotz der möglicherweise sehr großen Verschiedenheit von anderem Mannigfaltigem, dennoch ein gleichartiger Fall eines identischen Begriffes ist oder nicht, d. h. ob es für diese Subsumtion zweckmäßig ist oder nicht. Nun muß die zur Erkenntnis erforderliche Anschauung für einen Verstand nicht eine sinnliche, von außerhalb seiner selbst gegebene Anschauung sein, sondern könnte auch aus diesem Verstande selbst stammen, der dann nicht diskursiv, sondern intuitiv wäre und darum nicht von seinen Begriffen, als dem analytisch Allgemeinen, vermittelst der Urteilskraft zum Besonderen und vermittelst der sinnlichen Anschauung zum Einzelnen ginge, um es unter das analytisch Allgemeine seiner Begriffe zu subsumieren. Das würde dann auch heißen, daß für diesen aus eigener Spontaneität anschauenden Verstand keine bloß zufällige Eignung (Zweckmäßigkeit) seines Anschauungsmaterials für die Subsumtion unter ihn anzutreffen wäre, durch welche sinnlich gegebene Naturprodukte sich als Fälle von Regeln nach gemeinsamen Begriffen qualifizieren. Betrachtet etwa unser diskursiver Verstand ein Naturprodukt als Wirkung einer Ursache und versucht er, diese Ursache zu erkennen, so muß er vom Analytisch-Allgemeinen des Begriffes (der Kategorie) der Ursache (überhaupt) dieses Gegenstandes nach einem gewissen Kriterium zu dem, was die besondere Ursache

 „Mechanisch“ ist dabei jede Erzeugung nach Naturgesetzen, die „keine Absicht geordnet hat“ (KU, AA 05: 400.19 – 20), also jede nicht von (Zweck‐)Begriffen abhängige Erzeugung.

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im gegebenen Falle ist, gehen und sie in der empirischen Anschauung zu finden suchen. Dabei kann unser Verstand „in Ansehung der Mannigfaltigkeit“ (KU, AA 05: 407.16) dieser gesuchten besonderen Ursache nichts bestimmen, sondern muß diese Konkretisierung des allgemeinen und deshalb unbestimmten Begriffs „Ursache“ von der hier möglichen „Subsumtion der empirischen Anschauung“ (KU, AA 05: 407.18) dieser Ursache „unter den Begriff“ der Ursache erwarten (KU, AA 05: 407.19), der also nur empirisch und damit logisch zufällig durch eine gegebene sinnliche Anschauung instantiiert wird. Ein intuitiver Verstand hingegen würde von seiner durch ihn selbst gesetzten Anschauung, die als ein Ganzes von Teilen ein Synthetisch-Allgemeines genannt werden kann, ohne jedoch durch Synthesis aus den Teilen zustandegebracht zu sein, zu den in diesem Ganzen gesetzten Teilen gehen, die man sich als nur durch dieses Ganze ermöglicht vorzustellen hat, weil nur so eine Entsprechung und zugleich Entgegensetzung zur Suche nach einer bestimmten Ursache für eine gegebene (mit der Ursache synthetisch verknüpfte) Wirkung besteht. Die Bestimmung einer besonderen Ursache bedurfte einer zufällig verfügbaren empirischen Anschauung dieser Ursache, sie konnte also nur a posteriori geschehen. Die Bestimmung eines Teils eines Ganzen kann dagegen gänzlich a priori geschehen, wenn (wie es für uns bei der Vorstellung des Raumes der Fall ist) das Ganze a priori gegeben ist und die Teile in ihm nur durch Einschränkung dieses Ganzen erzeugt werden können. Das aber heißt, daß für einen denkbaren intuitiven Verstand „die Zufälligkeit der Verbindung der Teile“ nicht besteht, „um eine bestimmte Form des Ganzen möglich zu machen“ (KU, AA 05: 407.24– 25), da dieses Ganze ja nicht aus einer so oder auf andere Weise möglichen Zusammensetzung aus Teilen entspringt, sondern alle seine Teile und deren mögliche Verhältnisse und damit auch jede mögliche Verbindung und deren Form a priori bestimmt. Die Diskursivität unseres Verstandes zeigt sich hingegen insbesondere daran, daß für ihn Teile Gründe sind und das aus ihrer Zusammensetzung resultierende Ganze von bestimmter Form eine Folge darstellt. Da nun aus denselben Teilen verschiedene Zusammensetzungen und damit verschiedene Formen des resultierenden Ganzen möglich sind, kann Kant sagen, daß unser diskursiver Verstand „von den Teilen als allgemein gedachten Gründen zu verschiedenen darunter zu subsumierenden möglichen Formen als Folgen fortgehen muß“ (KU, AA 05: 407.26 – 28). Für unsern Verstand sind also die verschiedenen besonderen Formen des aus Teilen Zusammengesetzten Folgen der allgemeinen, d. h. für alle Arten von Zusammensetzung identischen Bestandteile. Weil unser Verstand vom Allgemeinen zum Besonderen und Einzelnen geht, ist für ihn das aus Teilen Zusammengesetzte ein von ihnen abhängiges und zugleich ein (relativ auf seine Bestandteile) seiner Form nach zufälliges Ganzes, ein Aggregat. Stellen wir uns dieses Ganze als reales Ganzes von Teilen vor, die aufeinander wirken, sei dies

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Ganze ein Planetensystem oder bloß ein beliebig zusammengesetzter Körper, so ist die reale (besondere oder einzelne) Folge aus den Teilen als (allgemeinen) Gründen das Resultat der Wechselwirkung dieser Teile: „Nach der Beschaffenheit unseres Verstandes ist […] ein reales Ganze der Natur nur als Wirkung der konkurrierenden Kräfte der Teile anzusehen“ (KU, AA 05: 407.28 – 30), also nur mechanisch zu erklären. Die Notwendigkeit der mechanischen Erklärungsart für unseren diskursiven Verstand folgt also nicht einfach aus der Tatsache, daß die Begriffe dieses Verstandes nur Teilvorstellungen (genauer: Vorstellungen eines ganzen Gegenstandes vermittelst eines Teiles seiner insgesamt möglichen Vorstellung) sind, denn das würde die Frage noch ganz offen lassen, ob die Teile des durch Begriffe vorgestellten Gegenstandes selbst unabhängig von ihm möglich (allgemeine Gründe) sind und der Gegenstand als ein so oder anders zusammengesetztes (besonderes oder einzelnes) Ganzes (als Folge einer Aggregation oder Wechselwirkung) von ihnen abhängt oder ob die Teile durch dieses Ganze (ihrer Form und ihrem gegenseitigen Verhältnis nach) erst ermöglicht werden. Die subjektive Notwendigkeit einer mechanischen Erklärung folgt vielmehr daraus, daß für einen der Begriffe bedürfenden Verstand die Möglichkeit eines seinen Teilen (seiner Materie) in irgendeiner Weise vorgängigen Ganzen (einer diese Materie bestimmenden Form) schlechterdings uneinsehbar ist, zumal schon der Begriff eines aus Teilen bestehenden Ganzen die Abhängigkeit dieser Teile von ihm analytisch unmöglich zu machen scheint. Ferner gilt, daß die Anschauung eines Individuums nicht durch Zusammensetzung von bloßen Teilvorstellungen von ihm, wie es Begriffe sind, möglich ist und deshalb ein ursprüngliches Ganzes als solches (wenn überhaupt) nur in einer von Verstandesbegriffen unabhängigen Anschauung gegeben werden kann. Es ist also nicht die Begriffsabhängigkeit oder Diskursivität unseres Verstandes als solche, die eine mechanische, also von den Teilen zum Ganzen fortschreitende, Erklärungsart subjektiv notwendig macht, sondern die Unvorstellbarkeit von nicht zusammengesetzten und somit nicht resultierenden Ganzheiten durch den (bloßen) Begriff eines Ganzen. Denn eben weil diskursive Begriffe das Allgemeine der Vorstellung von Gegenständen bezeichnen, stellen sie bei Ganzen als solchen natürlicherweise die Teile als Gründe vor, während ein diese Teile enthaltendes Ganzes (als Folge) jeweils ein von möglichen anderen (und aus denselben Teilen bestehenden) Ganzen verschiedenes Besonderes (und Einzelnes) ist, das dann außerdem in einer Anschauung gegeben ist oder nicht. Die mechanische Erklärungsart von Ganzen durch Zusammensetzung aus ihren Teilen ist also die für unseren Verstand mit seinen (per definitionem gemeinsamen) Begriffen natürliche.

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Auf diese langen Vorerörterungen folgt in der Kritik der Urteilskraft schließlich Kants Erklärung für die bloß subjektive Notwendigkeit teleologischer Erklärungen von organisierten Naturwesen, die der mechanischen Erklärungsart entgegengesetzt zu sein scheint und doch von ihr abhängig ist.Was dabei aufgedeckt wird, ist die Herkunft einer bestimmten Erklärungsweise, nämlich der Zurückführung der Beschaffenheit solcher eigentümlicher Naturprodukte auf Zweckbegriffe, durch die wir vermeinen, einen für die Naturdinge selbst geltenden Entstehungsgrund anzugeben, solange wir nicht durch transzendentale Kritik auf die Abhängigkeit solcher Erklärungsmodelle von der zufälligen Eigentümlichkeit unseres Verstandes aufmerksam geworden sind, indem wir ihn mit einem denkbaren intuitiven Verstand vergleichen: „Wollen wir uns also nicht die Möglichkeit des Ganzen als von den Teilen, wie es unserem diskursiven Verstande gemäß ist, sondern nach Maßgabe des intuitiven (urbildlichen), die Möglichkeit der Teile (ihrer Beschaffenheit und Verbindung nach) als vom Ganzen abhängend vorstellen: so kann dieses nach eben derselben Eigentümlichkeit unseres Verstandes nicht so geschehen, daß das Ganze den Grund der Möglichkeit der Verknüpfung der Teile (welches in der diskursiven Erkenntnisart Widerspruch sein würde), sondern nur, daß die Vorstellung eines Ganzen den Grund der Möglichkeit der Form desselben und der dazu gehörigen Verknüpfung der Teile enthalte.“ (KU, AA 05: 407.30 – 408.02) Nach dem bisher Ausgeführten bedarf diese Passage nur noch weniger Erläuterungen: (1) Die teleologische Erklärung organisierter Naturwesen am Leitfaden der Herstellung von Artefakten, denen, wie etwa bei einer Uhr, eine Vorstellung oder ein Begriff eines zu bewirkenden Ganzen und der dazu notwendigen Verknüpfung seiner Teile zugrundeliegt, ist eine Folge der nach der Beschaffenheit unseres Verstandes uns natürlichen mechanischen Erklärungsart, für die die unbezweifelbare faktische und beobachtbare Abhängigkeit der Teile eines Naturzweckes in ihrer Bildung und Verknüpfung von ihm selbst als einem Ganzen einen Widerspruch enthält. Dieser für den mechanisch erklärenden Verstand bestehende Widerspruch besagt, daß hier ein aus der Verknüpfung seiner Teile resultierendes und somit von ihr abhängendes reales Ganzes zugleich der Grund für die Möglichkeit der Verknüpfung dieser Teile ist. Die teleologische Erklärungsart ist der einzige Ausweg aus diesem Widerspruch für einen Verstand, der sich von der Natur vorgegebene Ganzheiten einerseits nur mechanisch (d. h. als Folge einer Zusammensetzung) erklären kann, aber zugleich andererseits über die Erfahrung von der Herstellung von Artefakten durch menschliche Intelligenzen verfugt, für welche die Abhängigkeit der Teile eines Ganzen von diesem Ganzen (abzüglich der jeweils betrachteten Teile) aufgrund einer der Herstellung vorhergehenden

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und zugrundeliegenden Zweckvorstellung eine wohlbekannte (wenn auch wenig durchschaute) Tatsache ist. (2) Kant nennt als ein Analogon zu dem rätselhaften Realgrunde der Hervorbringung von Naturzwecken in der Natur den Raum. Das setzt seine eigene Raumtheorie aus der Kritik der reinen Vernunft voraus, nach welcher im Raum „kein Teil ohne in Verhältnis auf das Ganze (dessen Vorstellung also der Möglichkeit der Teile zum Grunde liegt) bestimmt werden kann“ (KU, AA 05: 409.06 – 08). Diese Raumkonzeption liefert demnach für Kant ein geeignetes Modell für die von ihm konzipierte Erkenntnisweise eines anschauenden Verstandes, welche an der geometrischen Erkenntnis orientiert ist, aber keine Ähnlichkeit mit dem hat, was etwa Spinoza cognitio intuitiva nennt. Die anschauende Erkenntnis eines schöpferischen Verstandes muß also etwas unserer Erkenntnis des Raumes und des Räumlichen in ihm Analoges haben. Denn auch der Raum als ganzer kann nicht als aus seinen Teilen zusammengesetzter, sondern muß als ihnen zugrundeliegend gedacht werden. (3) Kants Gedanke, daß ein anschauender Verstand aus der Anschauung eines Ganzen die besonderen Teile durch Einschränkung dieses Ganzen erzeugt, impliziert keine Verwechslung der Begriffspaare Allgemeines/Besonderes und Ganzes/Teil⁶, die sich für Kant gerade invers zueinander verhalten. Denn der allgemeine oder vielmehr gemeinsame Begriff ist ja für Kant nur Merkmal, also Teil der Vorstellung eines Gegenstandes, durch den wir diesen Gegenstand im ganzen vorstellen. Die besondere (und einzelne) Vorstellung eben dieses Gegenstandes enthält also die Merkmale des Begriffes oder des Analytisch-Allgemeinen als ihre Teile in sich und ist ihrerseits somit gerade nicht im allgemeinen Begriff als einem Ganzen enthalten. Das Allgemeine ist hier vielmehr seinerseits Teil des Besonderen als eines Ganzen, wobei dieses Ganze nicht aus diesen Teilen aufgebaut ist (oder sein muß). Der intuitive Verstand hingegen, indem er seine Anschauung eines Ganzen einschränkt, erzeugt ein Besonderes, das zugleich als Teil in jenem enthalten ist, wie die geometrischen Figuren als besondere Räume im allumfassenden synthetisch-allgemeinen Raum enthalten und als durch Einschränkung dieses Raumes erzeugt vorstellbar sind. Das ist ja gerade einer der beiden Gründe dafür, daß Kant in der Kritik der reinen Vernunft die ursprüngliche Vorstellung des Raumes als Anschauung und nicht als Begriff bestimmt hatte.⁷ (4) Die Vorstellung des göttlichen Verstandes nicht als eines übermenschlichen Herstellers von zweckmäßigen Artefakten aus einem vorgegebenen Stoff,  Diese Verwechslung, die bei Hegel wirklich vorliegt, wirft Hans Driesch Kant vor: vgl. ders., Kant und das Ganze. In: Kantstudien 29 (1924) 369 f., wo von „Vermengung“ und „Verquickung“ die Rede ist.  Vgl. M. Baum, Dinge an sich und Raum bei Kant, s.o. S. 123 ff.

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sondern als eines nach dem Muster der geometrischen Konstruktion verfahrenden und in dieser Weise schöpferischen Verstandes, die der Kantischen Konzeption des intellectus archetypus qua intuitivem Verstand zugrundeliegt, findet sich bei Christian Wolff, obwohl dieser natürlich die spezifisch Kantische Entgegensetzung von diskursivem und intuitivem Erkennen und ebenso die Kantische Auffassung von der Rolle der (reinen) Anschauung in der geometrischen Erkenntnis und damit Kants Raumtheorie nicht kennt. Aber die Kantische Konzeption des anschauenden Verstandes als eines durch Limitation eines unendlichen Ganzen zugleich erzeugenden und erkennenden Geistes ist keineswegs von Kants eigener Raumtheorie abhängig.Vielmehr kann auch Wolff die Entstehung der abhängigen Realitäten im göttlichen Geist als Folge einer Limitation der unbegrenzten unabhängigen Realitäten bestimmen, die Gott dadurch erkennt, daß er sich seiner selbst bewußt ist.⁸ Die Limitation der uneingeschränkten primitiven Realitäten im göttlichen Geist wird dann durch ein geometrisches Beispiel illustriert: wie aus einer nach beiden Seiten unbegrenzten und in diesem Sinne unendlichen geraden Linie durch verschiedene von beiden Seiten erfolgende Limitationen viele beidseitig begrenzte Linien entspringen, so entstehen im göttlichen Geist die abhängigen ursprünglichen Realitäten aus den unabhängigen.⁹ Trotz der von Wolff betonten Inadäquatheit dieser geometrischen Illustration, ist sie dennoch die einzig verfügbare für die Entstehung der Ideen aller Dinge im göttlichen Verstand. Alle genannten Erörterungen Kants in der Kritik der Urteilskraft dienen nur dem einen Zweck, die teleologische Erklärung der Natur als eines Systems besonderer Gesetze und der Naturzwecke als bestenfalls sehr entfernter Analoga zu menschlichen Artefakten als bloß subjektiv notwendige Vorstellungsarten der Natur zu kritisieren, sofern sie nämlich als objektiv gültig behauptet oder, wie in aller Physikotheologie, unterstellt werden. Denn alle (formale oder reale) Naturteleologie beruht ja auf der Vorstellung, daß es auch objektiv oder in den Augen Gottes eine (nach seinen göttlichen Absichten von ihm selbst gesetzte) Zweckmäßigkeit in der Natur geben könne (und wirklich gebe). Die Kritik an dieser Vorstellung basiert auf einer Selbsterkenntnis unseres menschlichen Verstandes als eines diskursiven, d. h. sie verhindert eine jede naive Metaphysik Platonischen Typs (die Kant in der Kritik der reinen Vernunft als akzeptabel hingestellt hatte¹⁰)

 Vgl. Chr. Wolf, Theologia Naturalis. Pars II. Frankfurt und Leipzig 1741. § 90.  Ebd. § 91, vgl. § 85.  Dort heißt es: „auch in Ansehung der Natur selbst, sieht Plato mit Recht [!] deutliche Beweise ihres Ursprungs aus Ideen. Ein Gewächs, ein Tier, die regelmäßige Anordnung des Weltbaues (vermutlich also auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich, daß sie nur [!] nach Ideen möglich sind.“ Der Aufstieg zur „architektonischen Verknüpfung“ der Weltordnung „nach Zwecken, d.i. nach Ideen“ sei eine Bemühung, „die Achtung und Nachfolge [!]“ verdiene. (A 317 f. /

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und damit jede Physikotheologie, indem sie auf die Undeduzierbarkeit des Begriffes der objektiven Zweckmäßigkeit infolge seiner unauflöslichen Gebundenheit an die spezifisch menschliche Diskursivität verweist. Die Kritik der Metaphysik hat in diesem Falle also das negative Ergebnis, daß sie das prinzipielle, aus ihrer eigenen Natur folgende Unvermögen der menschlichen Vernunft erweist, es über die Abhängigkeit der Natur von Ideen oder Zweckbegriffen und damit von einem intelligenten Welturheber zu irgendeinem Wissen oder auch nur zu einem widerspruchsfreien Begriff zu bringen. Diese Unmöglichkeit einer Physikotheologie beruht also nicht auf der Unsicherheit des Rückschlusses auf eine bestimmte (nämlich intelligente) Weltursache (wie bei Hume) und auch nicht auf der Abhängigkeit eines jeden physikotheologischen Gottesbeweises von einem nicht führbaren ontologischen (wie Kant in der Kritik der reinen Vernunft lehrt), also nicht auf der Schwäche unserer Einsicht (in die Natur der Dinge), sondern darauf, daß eine teleologische Konzeption der Natur unvereinbar ist mit der Idee eines intellectus archetypus als eines anschauenden Verstandes. Für einen solchen intuitiven Verstand kann es keine Zwecke und keine Zweckmäßigkeit geben. Die Entscheidung über die Unmöglichkeit der Metaphysik in diesem Bereich des Übersinnlichen und Übernatürlichen fällt also „durch ein szientifisches und völlig einleuchtendes Selbsterkenntnis“ (B 877) der Vernunft. Das Kriterium für die Rationalität und Haltbarkeit der Metaphysik bleibt also die Möglichkeit einer transzendentalen Deduktion ihrer Begriffe und Grundsätze, die ihrerseits auf einer Selbsterkenntnis der Vernunft beruht, welche Kant „das beschwerlichste ihrer Geschäfte“ nennt (A XI). Auch die Metaphysikkritik Humes hatte nach Kant keine andere Absicht als die, „die Vernunft in ihrer Selbsterkenntnis weiter zu bringen“ (B 773). Die Kritik der Metaphysik treibenden reinen Vernunft hat also zu ihrem Ergebnis eine „durch Kritik geläuterte Metaphysik“ (B XXIV), deren System dadurch zustande kommt, daß „die Vernunft selbst ihr eigener Schüler“ wird (B XIV), als welcher sie aber neben der Einsicht in die Notwendigkeiten ihres Nichtwissens nichts weiter lernen kann, als das Geschäft der „bescheidene[n], aber gründliche[n] Selbsterkenntnis“ (B 763).

B 374 f.) Nimmt man die göttlichen Ideen aber nicht als Begriffe, sondern als Anschauungen, so entfällt die Analogie mit dem ‚Architekten‘, und es bleibt nur die Analogie mit der notwendigen Abhängigkeit der Raumteile vom einen Raum, d. h. mit dem Spinozismus.

Kants kritischer Rationalismus Klaus Reich zum 1.12.1993 gewidmet

Zur Entwicklung des Vernunftbegriffs nach 1770 Das Thema meines Vortrags könnte den Eindruck erwecken, ich wollte über Kants Verhältnis zur Philosophie Poppers sprechen, die dieser selbst als „kritischen Rationalismus“ bezeichnet hat. Aber obwohl diese Poppersche Bezeichnung gewiß auch im Hinblick auf die im Kantischen Werk enthaltene Methodologie der empirischen Naturwissenschaft gewählt wurde und ein Vergleich der Logik der Forschung etwa mit den Kantischen Prolegomena und den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft nicht ohne Reiz wäre, halte ich diese Bezeichnung zur Charakterisierung gerade der Kantischen Philosophie, und zwar seiner theoretischen und praktischen Philosophie, für höchst angemessen, jedenfalls für treffender als etwa „transzendentaler Idealismus“ o. ä. Kant selbst redet wie selbstverständlich von seiner philosophischen Position in der Rechtsphilosophie als einem „Rationalismus“ (sc. der Rechtsbegriffe), den er etwa dem Rehbergschen „Empirismus“ entgegenstellt, wobei er zwischen beiden einen „unendlichen Abstand“ konstatiert.¹ Nun handelt es sich bei dieser Sprechweise nicht um eine vage façon de parler. Das ergibt sich z. B. daraus, daß es in der Antinomienlehre der Kritik der reinen Vernunft vom „bloßen Verstande“ heißt, er stelle die Dinge nicht als Erscheinungen vor, sondern so „wie sie sind“ (A 498/B 526). Bei solchen Gedanken des bloßen Verstandes handelt es sich im Falle des Rechtsbegriffes präzise um eine Erkenntnis von Dingen an sich. Denn „Recht und Unrecht“ sind Gegenstände, die „außer dem Begriffe gar nicht angetroffen“ (A 477/B 505) werden, und gleichwohl stellt der nur „im Verstande“ liegende Begriff des Rechts einen Gegenstand vor, der „gar nicht erscheinen […] kann“ (A 44/B 61).Vielmehr sind Recht und Unrecht moralische Beschaffenheiten von „Handlungen“, also von Ereignissen unserer Erfahrungswelt, „die ihnen an sich selbst zukomm[en]“ (ebd.). Der gesunde Verstand des Menschen ist nämlich nach Kant in der Lage, moralische Beschaffenheiten von empirisch gegebenen Vorgängen als Dingen an sich selbst zu erkennen, d. h. so wie sie für jeden möglichen Verstand und in allen möglichen Welten (ob intelligibel oder sensibel) gedacht werden müssen. Eine solche Position in der Rechtsphilosophie wird man wohl „Rationalismus“ nennen können.  Brief an Biester vom 10. April 1794 (Br, AA 11: 496.30 – 31.) https://doi.org/10.1515/9783110605327-013

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Kants kritischer Rationalismus

Die Bezeichnung „kritischer Rationalismus“, angewandt auf die Metaphysik als reine theoretische Philosophie, findet sich in der Nachschrift einer Metaphysikvorlesung aus dem Jahre 1792/93, die vom Grafen Dohna überliefert ist. Dort heißt es: „Der Rationalism kann eingetheilt werden: 1., in den dogmatischen, ohne unsere Vernunft zu critisieren, man nennt das Dogmatism, 2., in den critischen, der davon anfängt, die Vernunft als Subject nach ihrem Umfang, Inhalt und Grenzen zu untersuchen. Die critische Methode des Rationalism ist nie befolgt worden.“ (V-Met/Dohna, AA 28: 619.29 – 34). Diese kritische Methode ist also das Neue, das Kant in die Geschichte der Metaphysik einführen will, und die Kritik der reinen Vernunft ist nichts als ein Traktat von der Methode der Metaphysik, über die es dort (bei Dohna) unzweideutig heißt: „Der Rationalism ist der, welchen wir suchen, wir wollen, daß unsere Erkenntnisse als a priori acquisita angesehen werden sollen.“ (ebd.) Meine These im folgenden Vortrag lautet nun, daß die Position, die Kant hier als dogmatischen Rationalismus bezeichnet und mit dem „Mysticism“ (ebd.) Platons in Verbindung bringt, Kants eigene Position in der Dissertation De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis von 1770 umschreibt und daß der kritische Rationalismus der Kritik der reinen Vernunft sich als das Ergebnis einer Selbstkritik des Dogmatismus in jener Schrift verstehen läßt. Ich handele also im folgenden von (1) Verstand und Vernunft in der Dissertation von 1770 und (2) vom Rationalismus der Kritik der reinen Vernunft.

1 Verstand und Vernunft in der Dissertation von 1770 Sucht man in De mundi sensibilis nach Aussagen über das Kennzeichnende der Vernunft und ihrer Rolle bei der Erkenntnis der Dinge, so findet man im Abschnitt II den „Verstand“ (intelligentia) oder die „Vernunft“ (rationalitas) als promiscue gebrauchte Begriffe (§ 3, 18)², und die Erkenntnis des Verstandes (intelligentiae) wird „intellectualis s. rationalis“ (ebd.) genannt. Schon in § 1 (6) wird von den Verstandes- und Vernunftgesetzen (legibus intellectus et rationis) gesprochen. Der eigentümliche Gegenstand des so gedachten Verstandes ist das intelligibile oder Noumenon (§ 3, 18), nämlich dasjenige, dessen Bestimmungen durch den Verstand gedacht werden müssen. Die Verstandeserkenntnis wird ferner negativ definiert als diejenige, die im Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnis von jeder

 Ich zitiere im folgenden nach der Ausgabe: Immanuel Kant: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Über die Form und die Prinzipien der Sinnen- und Geisterwelt. Übers. u. mit Einl. u. Registern hrsg. v. K. Reich. Hamburg 1960.

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subjektiven Bedingung, nämlich der besonderen Beschaffenheit und Affizierbarkeit der Subjekte, frei ist und sich deshalb nur aufs Objekt bezieht (nonnisi obiectum respiciat) (§ 4, 18). Die so nur negativ beschriebenen Verstandeserkenntnisse sind demnach Vorstellungen der Dinge, wie sie sind (sicuti sunt) (ebd.), die sinnlichen Erkenntnisse dagegen sind solche Vorstellungen der Dinge, wie sie allein nach der in der Verfassung des rezipierenden Subjekts begründeten Affektionsweise in ihm entstehen können, sie sind Vorstellungen der Dinge, wie sie erscheinen (uti apparent) (ebd.). Solche relativen Gegenstände werden auch sensibilia oder phaenomena genannt. Für die beiden so einander entgegengesetzten Erkenntnisweisen und die ihnen korrespondierenden Objektklassen beruft sich Kant auf die Schulen der Alten, wie sie etwa in Försters einleitender Abhandlung zu Baumgartens Philosophia generalis (1770)³ recht ausführlich vorgestellt werden. Die dem Sextus Empiricus entnommene Opposition von Phainomena und Noumena wird dort auf Platon zurückgeführt, und sie wird deshalb so verstanden, daß die Noumena nur durch den Geist (mens), nicht aber durch den Sinn gedacht werden können (quae mente, non vero sensu cogitari possunt) (§ 3, nicht paginiert). So verstanden, hat Kant diese Platonische Unterscheidung dann im § 7 seiner Dissertation der Wolffischen Unterscheidung der sensitiva und intellectualia, nämlich der verworrenen und der deutlichen Erkenntnisse, polemisch gegenübergestellt.Wolffs Unterscheidung ist für Kant bloß eine der logischen Vergleichung, die nicht, wie die Platonische, die zugrundeliegenden „data“ und den Ursprung (originem) der Erkenntnisse berücksichtigt und sich zum großen Schaden der Philosophie an die Stelle der aus der Antike stammenden Zweiweltenlehre gesetzt hat (§ 7, 26). Schon hier werden, wie in der Kritik der reinen Vernunft, der Begriff des Rechts, die moralischen Grundbegriffe (conceptus morales) als Gegeninstanzen ins Feld geführt: Sie werden durch den reinen Verstand selbst (per ipsum intellectum purum) und nicht empirisch erkannt, wie verworren auch immer sie sein mögen. Die Dissertation enthält, wie allgemein bekannt, mit geringen Abweichungen dieselbe Theorie des Raumes und der Zeit wie die spätere Kritik der reinen Vernunft. Die Zeit ist eine reine Anschauung (intuitus purus) (§ 14, 38), sie ist eine subjektive, „durch die Natur des menschlichen Geistes notwendige Bedingung, beliebige Sinnendinge […] miteinander zusammenzuordnen“ (§ 14, 42), also eine Form der sinnlichen Anschauung oder „ein absolut erstes formales Prinzip der Sinnenwelt“ (§ 14, 46). Der Raum ist ebenfalls eine reine Anschauung (§ 15, 48), er ist „etwas Subjektives und Ideales“ und gleichsam das „Schema“, „alles überhaupt äußerlich Wahrgenommene sich zusammenzuordnen“ (52), und er ist wie

 Die Praefatio ist vom 25. April 1769 datiert.

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die Zeit ein „absolut erstes formales Prinzip der Sinnenwelt“ (56). Obwohl in diesen Punkten eine vollständige Übereinstimmung mit der Lehre der ersten Kritik zu herrschen scheint, gibt es doch an einigen Stellen der Dissertation darüber hinaus Aussagen über diejenigen Dinge, die nicht in der Sinnenwelt vorkommen und also keine Erscheinungen sein können, nicht etwa, weil sie nicht in Raum und Zeit sind, sondern wegen ihrer inneren Beschaffenheit. So heißt es etwa von Verstand und Vernunft, daß sie dasjenige vorstellen, was in die Sinne eines Subjekts „wegen seiner eigentümlichen Beschaffenheit“ (per qualitatem suam) (§ 3, 18) nicht fallen kann. Im § 13 werden gleichfalls Dinge genannt, die wegen ihrer Beschaffenheit (per istorum qualitatem) nicht in die Sinne fallen können: „z. B. […] die immateriellen Substanzen, die als solche schon definitorisch gänzlich von den äußeren Sinnen ausgeschlossen werden“ (§ 13, 37). Und schließlich wird noch etwas genannt, was wegen seiner inneren Beschaffenheit nicht Gegenstand der Sinne sein kann: „die Ursache der Welt“ (mundi causam), und zwar mit der Begründung, daß durch sie der Geist selbst existiere und überhaupt über einen Sinn verfüge (cum per illam mens ipsa existat et sensu aliquo polleat) (§ 13, 36). Während also der Raum (und die Zeit) in der Dissertation einerseits ein subjektives und ideales Ordnungsschema ist, das als absolut erstes formales Prinzip der Sinnenwelt alle in ihm enthaltenen Gegenstände als bloße Erscheinungen der Sinne ermöglicht und erkennbar macht, ist eben dieser Raum dennoch andererseits eine nur nachträgliche Form der Koexistenz der Erscheinungen, denn was eine Erscheinung der Sinne, ein Phänomenon, ist, das entscheidet sich offenbar durch seine inneren Qualitäten. Das Einfache, die Geister und Gott als Urheber der Geisterwelt – sie alle sind kraft ihres eigenen Wesens nichts, was in die äußeren Sinne fallen kann, oder sie existieren wesensgemäß als intelligibilia oder Noumena und sind deshalb auch nicht im Raum anzutreffen. Der Erscheinungsbegriff ist also einerseits durch Raum und Zeit als die absolut ersten Prinzipien der Erscheinungswelt definiert: Was in Raum und Zeit existiert, ist eo ipso bloße Erscheinung und kein Noumenon. Aber andererseits gilt, daß es nur denkbare Dinge gibt, die eben darum nicht in die Sinne fallen können, von denen man aber annehmen muß, daß sie den Erscheinungen in irgendeiner Weise als einfache oder geistige Dinge an sich zugrundeliegen. Dem entspricht, daß der Raum zwar einerseits in der Natur des menschlichen Geistes gründet und durch sie notwendig gemacht wird, aber andererseits bleibt es nach Kant eine nur durch den Verstand auflösbare Frage, „auf welchem Grunde […] an sich die Relation aller Substanzen beruhe, die anschaulich vorgestellt der Raum heißt“ (quonam principio ipsa haec relatio omnium substantiarum nitatur, quae intuitive spectata vocatur spatium) (§ 16, 62). Dieses Problem sei sogar der Angelpunkt der Frage nach dem Prinzip der Verstandeswelt. In dieser nämlich

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müssen auch die Ursachen der sinnlichen Anschauung und damit auch von deren Gesetzen (sc. Raum und Zeit) gelegen sein (§ 22 scholion, 70). Denkt man die allgemeine Ursache, d. h. den Schöpfer und Erhalter des menschlichen Geistes und aller Dinge in der Verstandeswelt, zugleich als Prinzip der Gemeinschaft dieser Substanzen, so kann man den Raum als Allgegenwart Gottes in der Erscheinung und die Vorstellung der Zeit als die Ewigkeit Gottes in der Erscheinung denken. Diese metaphysische Hypothese ist zwar unbeweisbar wie die Spekulationen des Malebranche, aber sie bezeichnet ein offenbar legitimes Problem der reinen Verstandeserkenntnis, das noch der Auflösung harrt. Kant hält es also hier offenbar noch für ohne Widerspruch möglich, Raum und Zeit als Erscheinungen eines Verhältnisses zwischen Noumena (sc. Gottes und der Welt intelligibler Substanzen) zu denken, obwohl sie schon als bloße formale Prinzipien der menschlichen Sinnlichkeit erkannt sind. Schaut man sich die Erkenntnis durch den Verstand oder das obere Seelenvermögen genauer an, so gibt es einen realen Verstandesgebrauch, bei dem Begriffe von Dingen oder ihren Verhältnissen durch die Natur des reinen Verstandes selbst gegeben werden, welche darum nicht von sinnlichen Vorstellungen abstrahierte Begriffe sind, sondern „reine Ideen“ (ideae purae) genannt werden sollten (§ 6, 24). Gleichwohl sind sie nicht angeborene Begriffe, sondern solche, die durch Aufmerksamkeit auf die Gesetze der Geistestätigkeiten bei Gelegenheit der Erfahrung von diesen Gesetzen abstrahiert sind, also ursprünglich erworbene Begriffe. Als solche reinen Ideen werden genannt: Möglichkeit, Unmöglichkeit, Wirklichkeit, Nichtsein, Notwendigkeit, Zufälligkeit, Substanz, Ursache etc. (§ 8, 28), zu denen die schon in § 1 definierten Verstandesbegriffe der Welt überhaupt, der Zusammensetzung überhaupt, die Idee des Einfachen, die Begriffe der Menge (multitudo), die Allheit (omnitudo) und damit auch des Ganzen (totum) gehören. Es ist gleichgültig, ob ich diese insgesamt Begriffe des reinen Verstandes oder reine Ideen der Vernunft nenne. Sie sind es also, mit deren Hilfe der Verstand die Gegenstände der Sinnen- und der Verstandeswelt in einer realen Erkenntnis von Dingen überhaupt erkennt. Die später so genannten Kategorien und die Ideen der reinen Vernunft sind also gegenüber beiden Welten neutrale Denkmittel des reinen Verstandes, die er nur verschieden anwendet und die er nach der Grundregel des § 24 davor bewahren muß, von den „eigentümlichen Prinzipien der sinnlichen Erkenntnis“ (principia sensitivae cognitionis domesticae) (§ 24, 76), also von Raum und Zeit, beeinflußt zu werden. Die Beispiele, die Kant für die Befolgung dieser Grundregel gibt, haben nun immer wieder die Kant-Interpreten veranlaßt, in der Dissertation (§ 28 und 29) eine Vorform der Antinomienlehre und zugleich von deren Auflösung durch die Theorie der Subjektivität von Raum und Zeit, oder vielmehr eine Verhinderung des

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Aufkommens einer echten Antinomie durch Verteilung ihrer Thesis und Antithesis jeweils auf den mundus intelligibilis und sensibilis zu sehen.⁴ Die Sätze, von denen im § 28 die Rede ist, handeln von der Welt und enthalten Behauptungen, wie sie auch in der Antinomienlehre der Kritik vorkommen. Es sind aber keineswegs dieselben Sätze und Gegensätze, für die dort jeweils ein apagogischer Beweis geführt wird. Vielmehr behauptet Kant in der Dissertation, daß diejenigen Sätze, die jeweils der Thesis der 1. bis 3. Antinomie entsprechen, „unter dem absolut sicheren Siegel der Vernunft erkannt werden“ (sub rationis signo utique certo cognosci potest) (§ 21, 88 f.). Es sind dies die Sätze: „Daß […] die Größe der Welt beschränkt sei […], daß sie auf einen Ursprung ihrer selbst hinweist, [und] daß die Körper aus einfachen Teilen bestehen“ (ebd.). Diese Sätze lassen sich nach den Gesetzen des reinen Verstandes als wahr einsehen. Außerdem aber kann nach den Gesetzen der Sinnlichkeit noch eine Reihe anderer Sätze über die Welt als wahr gelten, obwohl es dafür keinen zureichenden Beweis gibt. Es sind dies: „Daß […] das Weltall seiner Masse nach endlich sei, daß das verflossene Weltalter meßbar sei, daß es von den einfachen Teilen, die einen jeden Körper ausmachen, eine bestimmte Zahl gebe“ (ebd.). Obwohl diese Sätze vom mundus sensibilis gelten und nach Kant den Makel ihres sinnlichen Ursprungs tragen, sind auch sie, die ihrerseits den Theseis der 1. und 2. Antinomie verwandt sind, zumindest wahrscheinlich. Da die kosmologischen Antinomien gerade dann entspringen, wenn die Sinnenwelt als ein an sich existierendes Ganzes gedacht wird, so ist es mit Kants Prämissen in Einklang, daß hier in der Dissertation, wo die kosmologischen Sätze nur als Beispiele für die Notwendigkeit der Unterscheidung von Prinzipien der Welt der Erscheinungen von solchen der Welt der Noumena eingeführt werden, keine Antinomien der reinen Vernunft im Weltbegriffe auftreten. Entscheidend aber ist, daß die jeweilige Antithesis der Kritik, die Behauptung der unendlichen Größe der Welt in Zeit und Raum, der unendlichen Teilbarkeit der Körper in der Welt und der Unabschließbarkeit der Reihe der subordinierten Naturursachen hier in der Dissertation weder auftritt noch gar als durch reine Verstandesgründe bewiesen ausgegeben wird. Es wird nur behauptet (§ 28, 88), daß aus der Unvorstellbarkeit einer „unendlichen Reihe coordinierter Gegenstände“ durch eine sukzessive Zusammensetzung der Glieder der Reihe, die ja nicht in endlicher Zeit vollendet werden kann, nicht geschlossen werden dürfe, daß an sich und für den sinnenfreien  Vgl. Alois Riehl: Der philosophische Kritizismus. Band 1. Leipzig 1876. Benno Erdmann: Reflexionen Kants zur Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1884. Gegen Klaus Reichs Bestreitung solcher Thesen in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Dissertation argumentieren Norbert Hinske: Kants Weg zur Transzendentalphilosophie. Stuttgart 1970 und Lothar Kreimendahl: Kant – Der Durchbruch von 1769. Köln 1990.

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Verstand eine solche Reihe als unmöglich erscheine. Das anzunehmen sei eine Art Fehler der Erschleichung. Daß die Unmöglichkeit einer unendlichen Reihe von Dingen an sich nicht aus der Undurchführbarkeit einer sukzessiven und zugleich abgeschlossenen Zusammensetzung folge, ist die einzige Behauptung Kants, die sich hier findet. Aber auch wenn man die behauptete Nichtunmöglichkeit einer unendlichen Reihe von Verstandesgegenständen für ein positives Votum im Sinne ihrer Wirklichkeit nimmt, erhält man nicht die Antithesis der 1. Antinomie, denn diese handelt ja gerade von der Unendlichkeit der Größe der Welt im Raum, und diese räumlich ausgedehnte Welt ist gewiß nach der Dissertation kein Gegenstand des reinen Verstandes. Es liegt also hier keinerlei Antinomie der reinen Vernunft im Weltbegriffe vor. Das zeigt auch Kants säuberliche Unterscheidung der nach Gesetzen des reinen Verstandes zu behauptenden Abhängigkeit der Welt von einer ersten Ursache und ihrer nach Gesetzen der sinnlichen Anschauung angeblich feststehenden Meßbarkeit. Denn beide Behauptungen fänden sich (mutatis mutandis) einträchtig auf der Thesis-Seite (sc. der Endlichkeitsbehauptung) der späteren Antinomie vor, und es wird nur behauptet, daß beide Thesen fälschlich für identisch gehalten würden. Aber (1) sind sie offensichtlich nicht identisch, und (2) folgt keiner der Sätze aus dem jeweils anderen. Wir sind also weit von jeder Antinomie entfernt. So ist es schließlich auch mit dem letzten von Kant angeführten Beispiel. Er verweist darauf, daß nach Verstandesgesetzen aus der Gegebenheit eines substantiell Zusammengesetzten die Gegebenheit seiner einfachen Bestandteile folgt, und er macht warnend darauf aufmerksam, daß sich diesem richtigen Argument eine Unterschiebung hinzugesellt, die von der sinnlichen Erkenntnis vorgespiegelt wird, nämlich, „daß […] in einem solchen Zusammengesetzten der Rückgang in der Zusammensetzung der Teile nicht ins Unendliche stattfinde“ (§ 28, 88) und also in jedem Zusammengesetzten eine bestimmte Anzahl von Teilen gegeben sei. Auch hier verweist Kant darauf, daß der Sinn des zweiten Satzes dem des ersten nicht gleich (geminus) sei und ihm also grundlos substituiert werde. Es handelt sich also hier um die Betonung einer Sinndifferenz von Sätzen, die aus den Erkenntnisprinzipien der Sinnlichkeit und des Verstandes stammen, von denen nach Kants früheren Ausführungen feststeht, daß sie im Verhältnis der Mißhelligkeit (dissensus: § 1, 6) zueinander stehen. Das ist Grund genug, die Unterschiebung des Sinnes des zweiten Satzes, der die bestimmte Anzahl der Teile behauptet, an die Stelle des ersten, der die Einfachheit der Elemente eines jeden Zusammengesetzten behauptet, für die Folge eines fehlerhaften contagium (Ansteckung: § 9, 28) des Verstandes durch die Sinnlichkeit zu halten. Aber das bedeutet wiederum nicht, daß Kant den ersten Satz für wahr und den zweiten für beweisbar falsch hält, so daß – abgesehen von der Sinndifferenz der Sätze – so

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etwas wie ein Widerstreit oder gar eine Antinomie zwischen ihnen bestünde. Vielmehr kann nach der von Herder nachgeschriebenen Metaphysikvorlesung Kants durchaus beides wahr sein, die Anzahl der einfachen Elemente eines substantiell Zusammengesetzten also endlich und bestimmt sein. Eine unendliche Menge von coordinierten einfachen Teilen, die bekanntlich Leibniz annimmt, ist, wie schon gesagt, nicht schlechterdings unmöglich. Gleichwohl hält es Kant für „wahrscheinlich“, daß ein substantiell Zusammengesetztes, wie ein Körper, nicht unendlich viele Teile hat. Die Begründung lautet: „Weil jedes Element der Materie einen Raum einnimmt in der Materie, deren er ein Theil ist […] die Materie muß also endliche [d. h. endlich viele] Theile haben, weil sie einen endlichen Raum einnimmt […] ganz gewiß folgt dies zwar nicht …“ (V-Met/Herder, AA 28: 48). Obwohl also an dieser Stelle der Dissertation nicht von Materie und von Körpern, sondern nur von substantiell Zusammengesetztem die Rede ist, kann jedenfalls keine Rede davon sein, daß die Sätze über die Einfachheit und die unendliche Anzahl der Teile eines Kompositums sich widersprechen, obwohl sie aus Erkenntnisprinzipien stammen, die in einem dissensus zueinander stehen und von denen das eine (die Sinnlichkeit) das andere (den Verstand) zu beirren droht. Damit ist an den wichtigsten Belegstücken gezeigt, daß die Dissertation von 1770 keine wie immer geartete Antinomie im Weltbegriffe der reinen Vernunft enthält. Vielmehr steht sie ganz entschieden auf der Seite des Platonismus in Sachen der rationalen Kosmologie (A 471/B 499), d. h. auf der Seite der Thesis in der Antinomie der ersten Kritik, oder auf der Seite des „dogmatischen Rationalismus“ der Dohnaschen Metaphysikvorlesung. Dieser macht nach Kant die „Voraussetzung, daß wir zu rationalen Erkenntnissen gelangen können“ (V-Met/ Dohna, AA 28: 619), aber diese ungeprüfte Voraussetzung beruht auf einem kritiklosen Dogmatismus der reinen Vernunft. Er verbindet sich in der Dissertation mit der Lehre von der Subjektivität der beiden reinen Anschauungen von Raum und Zeit, ohne daß hier ein Bedürfnis nach einer Kritik der reinen Vernunft selbst verspürt würde. Der reale Verstandesgebrauch kann, wenn er vor der Infizierung mit den Prinzipien der sinnlichen Erkenntnis bewahrt wird, sowohl im Bereich der Sinnenwelt als auch im Bereich der Verstandeswelt zu gesicherten Erkenntnissen führen, wenn sich der Verstand seiner reinen Vernunftideen bedient und sie vom Raum und insbesondere von der Zeit und den durch sie ermöglichten Erkenntnissen sorgfältig unterscheidet. „Wer sich über die Grenzen der Sinne erhebt, ohne vorher seiner Vernunft Grenzen zu setzen, ist Dogmatiker“ (V-Met/ Dohna, AA 28: 620), sagt Kant in der Metaphysik Dohna. Eine solche Grenzziehung für die Vernunft selbst, im Unterschied zu ihrer Absonderung von der Sinnlichkeit, enthält die Dissertation gerade nicht.

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2 Der Rationalismus der Kritik der reinen Vernunft Die Kritik der reinen Vernunft ist, auch nach der Metaphysik Dohna, durch den „Wiederstreit der Vernunft in ihren eigenen Gesetzen“ (ebd.), d. h. durch eine unvermeidliche Antinomie veranlaßt, in die die Vernunft gerät, sobald sie sich über die Grenzen des Sinnlichen, aber gerade in Bezug auf dieses Sinnliche, sc. die Erfahrungsgegenstände in Raum und Zeit, erhebt. Dies ist eine oft wiederholte Version von den Beweggründen der Vernunftkritik. Die nie befolgte kritische Methode des Rationalismus ist also nach dieser Version nicht durch die Argumente Humes veranlaßt, sondern als Reaktion auf einen unvermeidlichen Widerspruch in der menschlichen Vernunft selbst entstanden. Diese Version wird durch den Brief an Marcus Herz vom 21. 2.1772 nicht gedeckt, denn hier wird zwar das Projekt einer „Kritik der reinen Vernunft“ genannt, die von der „Natur der theoretischen sowohl als praktischen Erkenntnis, sofern sie bloß intellektual ist“, handeln sollte⁵, aber es wird nirgends angedeutet, daß sie durch eine unvermeidliche Antinomie in der Gesetzgebung der reinen Vernunft notwendig geworden sei. Ein wichtiger Hinweis auf deren Entstehungsgründe besteht allerdings darin, daß die geplante Vernunftkritik zwei Teile haben sollte, deren erster von den Quellen, der Methode und den Grenzen der Metaphysik, und deren zweiter von den reinen Prinzipien der Sittlichkeit handeln sollte. Daraus kann man wohl schließen, daß die Notwendigkeit oder jedenfalls Wünschbarkeit einer Kritik des reinen Vernunftvermögens selbst sich auf seine Funktion als theoretische und als praktische Vernunft bezogen hat. Stellt man sich die reinen Prinzipien der Sittlichkeit als moralische Gesetze von unbedingter Gültigkeit vor und bringt man sie in Verbindung mit der Idee eines allgemeinen Willens für alle Vernunftwesen in einem mundus intelligibilis, von der schon die Träume eines Geistersehers gehandelt hatten, so hindert zunächst nichts, den gesuchten Widerstreit der reinen Vernunft in ihrer Gesetzgebung als Widerstreit der theoretischen mit den praktischen Vernunft- oder Verstandesgesetzen zu denken. Das ergäbe zwar zunächst keine Antinomienlehre, aber jedenfalls ein Problem, von dem Kant gesagt hat, daß es den Ursprung der Kritik der reinen Vernunft bezeichne. In den Vorarbeiten zur Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik sagt Kant: „Ursprung der critischen Philosophie ist Moral in Ansehung der Zurechnungsfähigkeit der Handlungen“ (FM, AA 20: 335.08 – 09). Da nun die Freiheit der eigentliche Grund der Imputabilität der Handlungen (vgl. B 476) und somit eine unerläßliche Voraussetzung der „Moral“ als Ethik ist, so spricht vieles dafür, statt der Antinomienlehre insgesamt, die Thematik der dritten An-

 Br, AA 10: 132.13 – 14.

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tinomie für sich genommen, und zwar hinsichtlich des in ihr angesprochenen Problems der Vereinbarkeit von Naturkausalität und einer Kausalität aus Freiheit am Anfang der Welt und in der Welt, als den beiden Einschränkungen einer im übrigen unbeschränkt gültigen Naturordnung, zum Ausgangspunkt der Kantischen Vernunftkritik zu machen. Klaus Reich hat in seiner Abhandlung Kant und die Ethik der Griechen (1935) auf die Notwendigkeit hingewiesen, die beiden Aussagen Kants über die Antinomien im Weltbegriff und über Humes Erinnerung als Beweggründe für die neue Vernunftkritik miteinander zu verbinden und darum der später als dritte fungierenden Antinomie die entscheidende Anregung zuzuschreiben.⁶ Die Verbindung beider von Kant genannten Problematiken, die zugleich zum Zünden des Humeschen Funkens führt, sieht Reich in der weiteren Einsicht, daß das Kausalgesetz, wenn es für die Sinnenwelt, diese als ein gegebenes Ganze aufgefaßt, mit Epikur sine „ulla restrictione behauptet wird, ad absurdum führt. Hierdurch wird aufs deutlichste angezeigt, daß es eben die Verbindung des Problems, das Hume in der Kausalität fand, mit dem antinomischen Charakter des Begriffs der Sinnenwelt ist, was zur Kritik führt.“⁷ Ich denke, daß die Lösung des Problems der Vereinbarkeit der drei erwähnten Kantischen Versionen vom Ursprung der Vernunftkritik, die zunächst einander auszuschließen scheinen, in der von Reich angegebenen Richtung liegt. Allerdings ist im Brief an Marcus Herz vom Februar 1772, in dem das Projekt einer Kritik der reinen Vernunft erstmals halböffentlich angekündigt wird, weder von Humes Hinweis auf die Unbeweisbarkeit des Kausalgesetzes noch von irgendwelchem Widerstreit der reinen Vernunft mit sich selbst die Rede. Vielmehr ist die Rede von einem Versuche Kants, die Problematik der Dissertation „an die gesamte Philosophie und übrige Erkenntnis zu passen“⁸, also ihr Verhältnis zur reinen praktischen Philosophie und zur Mathematik zu bestimmen. Die Unterscheidung des Sinnlichen vom Intellektuellen sollte also in Metaphysik und Moral als den beiden Teilen der reinen Philosophie durchgeführt werden. Beim Durchdenken der Metaphysik nun habe er bemerkt, daß ihm noch etwas Wesentliches mangele, nämlich die Antwort auf die Frage: „auf welchem Grunde beruht die Beziehung desjenigen, was man in uns Vorstellung nennt, auf den Gegenstand?“⁹ Damit setzt zugleich die Kantische Selbstkritik an der Dissertation ein. Sie habe die Intellektual-Vorstellungen bloß negativ definiert, nämlich so, daß sie nicht Modifikationen der Seele durch den Gegenstand seien. Aber die

   

Vgl. Klaus Reich: Kant und die Ethik der Griechen. Tübingen 1935, 24. Ebd., 26 Anm. Br, AA 10: 129.20 – 21. Br, AA 10: 130.07– 08.

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entscheidende Frage blieb unbeantwortet: „woher kommt die Übereinstimmung, die sie mit Gegenständen haben sollen?“¹⁰ Die in der Dissertation nicht einmal gestellte kritische Grundfrage an den Verstand lautet nun in ihrer präzisesten Fassung: „wie […] soll [der Verstand] reale Grundsätze über [die] Möglichkeit [von Sachen] entwerfen, mit denen die Erfahrung getreu einstimmen muß und die doch von ihr unabhängig sind“?¹¹ Die so zugespitzte Frage richtet sich an die Fähigkeit des reinen Verstandes, ontologische und nicht bloß formallogische Grundsätze über die Möglichkeit von Dingen zu entwerfen, die nicht aus der Erfahrung abstrahiert sind und die nicht mit den Tatsachen der Erfahrung übereinstimmen sollen, sondern mit denen diese Erfahrung ihrerseits einstimmig sein muß, bevor sich der Metaphysiker Hoffnung machen kann, daß sie auch über die Grenzen der Erfahrung hinaus irgendeine Bedeutung haben könnten. Das so charakterisierte Grundproblem der Transzendentalphilosophie erwächst also tatsächlich aus der Selbstkritik an der dogmatischen Voraussetzung der Gültigkeit des realen Gebrauchs des reinen Verstandes in der Dissertation. Deren unkritischer Rationalismus ist eben durch das Ausbleiben der zitierten Grundfrage definiert. Und daß hier von realen Grundsätzen die Rede ist, die, ohne bloß logische Regeln zu sein, das Verhältnis von Qualitäten betreffen und die, von der Erfahrung unabhängig, weil das in ihnen Gedachte nicht aus der Erfahrung stammen kann, gleichwohl rationale und zugleich genaue Antizipationen der Erfahrung enthalten sollen – diese Art der Problemstellung scheint mir in der Tat durch Humes Kritik an der Beweisbarkeit des Kausalgesetzes veranlaßt zu sein. Von den drei in dem Brief sodann abgelehnten Problemlösungen, der Platons, Malebranches und Crusius’, scheint mir die „harmonia praestabilita intellectualis“¹² des Crusius diejenige Position zu sein, die Kants eigenem dogmatischen Rationalismus in der Dissertation an nächsten kommt, zumal auch Hume in seinem Inquiry auf einen ähnlich hoffnungslosen Ausweg verfallen war, ohne sich dafür allerdings auf reine Verstandesgrundsätze und einen göttlichen Prästabilisator zu berufen. Zugleich beruht die Argumentation Kants in der Dissertation und der dort von Kant genannten Platonischchristlichen Philosophen, die die Übereinstimmung unserer reinen Verstandeserkenntnisse mit ihren Gegenständen durch eine göttliche Intervention (deus ex machina) begründen, auf dem Zirkel, daß beiderseits die Wahrheit einer bestimmten Vernunfterkenntnis, der Gottes im Verhältnis zur Welt, schon vorausgesetzt werden muß, um deren allgemeine Möglichkeit zu erklären.

 Br, AA 10: 131.06 – 07.  Br, AA 10: 131.18 – 19.  Br, AA 10: 131.30 – 31.

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Die Lösungsschritte, von denen Kant im Anschluß an seine vernichtende Kritik aller bisherigen Transzendentalphilosophie dogmatischrationalistischer Provenienz, inclusive seines eigenen Versuchs, berichtet, sind bescheiden genug. Auf der Suche nach den Quellen der intellektualen Erkenntnis habe er zunächst versucht, „die Transzendentalphilosophie, nämlich alle Begriffe der gänzlich reinen Vernunft, in eine gewisse Zahl von Kategorien zu bringen“¹³, und da ihm dieses im wesentlichen gelungen sei, sei er jetzt imstande, eine Kritik der reinen Vernunft vorzulegen. Damit sind nun in der Tat die Anfänge der kritischen Philosophie in ihrem Hervorgang aus einer Selbstkritik des Autors der Dissertation De Mundi sensibilis beschrieben. Es fällt dabei auf, daß Kant offenbar immer noch die Begriffe „Verstand“ und „Vernunft“ promiscue gebraucht, obwohl der neue Name „Kategorie“ für die reinen Verstandes- und Vernunftbegriffe (unter Berufung auf Aristoteles) schon gefallen ist. Von den Kategorien des Aristoteles heißt es in der Metaphysik Dohna: „Aristoteles meinte alle unsere Erkenntiniß a priori beträfe nur Reflexionen über Gegenstände der Sinne. Das wird uns aber nie über das Sinnliche hinausführen.“ (V-Met/Dohna, AA 28: 619 f.). Da diese Bemerkung nach der Kritik geäußert wurde, liegt hier die Theorie der Erweiterung der Verstandeskategorien zu Vernunftideen schon zugrunde. Aber es gehört offenbar zu den Erfordernissen ontologischer Grundbegriffe, welche die Transzendentalphilosophie erörtert, daß sie einer solchen Erweiterung ihres Gebrauchs ins Übersinnliche in irgendeinem Sinne fähig sind, obwohl sie dann nur eine subjektive Bedeutung haben können. Über das Verhältnis von Verstand und Vernunft und ihre jeweiligen Begriffe heißt es in der Kritik der reinen Vernunft, „daß nur der Verstand es sei, aus welchem reine und transzendentale Begriffe entspringen können, daß die Vernunft eigentlich gar keinen Begriff erzeuge, sondern allenfalls nur den Verstandesbegriff von den unvermeidlichen Einschränkungen einer möglichen Erfahrung frei mache, und ihn also über die Grenzen des Empirischen, doch aber in Verknüpfung mit demselben zu erweitern suche“ (A 409/B 435 f.). Aus dieser Abhängigkeit der Vernunftbegriffe von den Verstandesbegriffen folgt schon die kritische Umkehrung des platonisierenden Idealismus und seine Reduktion auf die Rolle der Formgebung bei der Konstitution einer Erkenntnis, deren Gegenstand in einer sinnlichen Anschauung gegeben werden können muß, um für sie Wahrheit beanspruchen zu können: „Alle Erkenntnis von Dingen aus bloßem reinen Verstande oder reiner Vernunft ist nichts als lauter Schein, und nur in der Erfahrung ist Wahrheit.“ (Prol, AA 04: 374.14– 16).

 Br, AA 10: 132.03 – 05.

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Dieser radikale Antiplatonismus und sein emphatisches Bekenntnis zur Erfahrung bedeuten allerdings nicht zugleich die Proklamation eines siegreichen Empirismus. Vielmehr geht es Kant nach wie vor um die Etablierung der Metaphysik als Wissenschaft und damit um die Sicherung von erfahrungsfreier und systematischer Erkenntnis von Gegenständen des Verstandes und der Vernunft. Kants Transzendentalphilosophie will auf nichtempirischem Wege „die Möglichkeit unserer Erkenntnis a priori von Gegenständen der Erfahrung […] begreifen“, und von diesem Problem sagt Kant, daß es „bisher noch nicht aufgelöst, ja nicht einmal aufgeworfen worden“ sei (Prol, AA 04: 375 n, von mir hervorgehoben – M. B.). Dafür; daß in der Erfahrung Wahrheit sei, bedarf es des reinen Verstandes, als des Urhebers der Gesetzlichkeit der Wahrnehmungen und damit der Beziehbarkeit sinnlich gegebener und je für sich bewußter Vorstellungen auf Gegenstände in Raum und Zeit, und auch der Vernunft, sofern die Erfahrung ein System empirischer Gesetze enthalten können soll. Die Ideen der reinen Vernunft haben ihren Ursprung in den notwendigen Vollzugsformen des logischen Gebrauchs der Vernunft, und es gibt demnach eine metaphysische Deduktion aller transzendentalen Ideen analog zur Ableitung der Kategorien des Verstandes aus den Urteilsfunktionen. Genauer entspringen die Vernunftbegriffe dann, wenn man die Form der Vernunftschlüsse „auf die synthetische Einheit der Anschauungen, nach Maßgebung der Kategorien, anwendet“ (A 321/B 378). Die metaphysische Deduktion der transzendentalen Ideen behauptet also nicht ihre Angeborenheit, sondern geht von dem Gedanken aus, daß den Vernunfthandlungen in Schlüssen, sofern man ihnen korrespondierend „die Verstandesurteile in Ansehung einer oder der anderen [Schluß‐] Form a priori als bestimmt ansieht“ (Prol, AA 04: 330.12– 14), realiter transzendentale Ideen entsprechen, sc. die Idee des vollständigen Subjekts, die Idee der vollständigen Reihe der Bedingungen und die Idee eines vollständigen Inbegriffs des Möglichen (vgl. Prol, AA 04: 330.17– 20). Es handelt sich dabei um drei Arten, die Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten zu denken, die allein durch das Unbedingte möglich gemacht wird. Also sind die transzendentalen Ideen drei Begriffe des Unbedingten, sofern dadurch der Grund einer Synthesis von Bedingtem gedacht wird (vgl. A 322/B 379). Sie sind die Ideen des absoluten Subjekts (Seele), des absoluten Grundes (Welt) und des absoluten Ganzen (Gott), die den drei Kategorien der Relation entsprechen, aber der Beziehung auf mögliche Erfahrung enthoben und ebendarum von nur subjektiver Bedeutung sind. Diese Ableitung rationaler Gegenstandsbegriffe von Unbedingten aus den logischen Funktionen der Schlüsse ist ohne jedes Vorbild in der Geschichte der Metaphysik. Sie begründet u. a. Kants Anspruch, nicht eine Kritik der Bücher und Systeme, sondern eine Kritik der a priori urteilenden Vernunft selbst geliefert zu haben. Ebensowenig wie man sich in der Geschichte der Philosophie hatte ein-

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fallen lassen, daß sogar die Sinne einer Anschauung a priori fähig sind, hatte man die menschliche Vernunft als ein vollständiges System logischer Funktionen und ihnen korrespondierender realer Begriffe und Grundsätze gedacht. Insofern wird der Anspruch des Rationalismus in der philosophischen Tradition von Kant noch überboten. Daß allerdings die so gedachte menschliche Vernunft in der Suche nach beweisbaren Erkenntnissen des Unbedingten nicht nur erfolglos ist, wie die Geschichte der Metaphysik zeigt, sondern daß die dem Menschen durch seine Naturanlage wesensgemäße Metaphysik eben diese Vernunft in einen unvermeidbaren Schein verwickelt, wenn sie Beweise für die Existenz und Beschaffenheit des von ihr notwendig gedachten Unbedingten zu führen versucht, diese Konzeption der menschlichen Vernunft, von der schon im ersten Satz der Vorrede zur ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft die Rede ist, ist ebenso singulär in der Geschichte der Philosophie. Die Vernunft ist dasjenige menschliche Erkenntnisvermögen, das der Kritik seiner ihm natürlichen Dialektik als einer Selbstkritik bedarf, gerade weil es nicht an die Grenzen des Erfahrbaren gebunden, sondern spekulativ ist. Die Selbstkritik dieses spekulativen Vernunftgebrauchs vollzieht sich vor dem „Gerichtshofe einer kritischen Vernunft“ (A 787/B 815) in einem Verfahren, dessen Angeklagter, Zeuge, Ankläger und Richter eben diese Vernunft selbst ist, die zudem nach selbstgegebenen Gesetzen urteilt. Herder und Hegel haben in ihren Metakritiken in dieser Art von Selbstbezüglichkeit und Mehrfachfunktion der Vernunft Einwände gegen das so angestrengte Verfahren gefunden. Von Hume hingegen sagt Kant, daß er „eine kritische Vernunft“ besessen habe, die die dem Menschen natürliche Spekulation mit ihrer unerschöpflichen Dialektik in Schranken zu halten wisse (Prol, AA 04: 259.30) und die allein um der Selbsterkenntnis des Menschen willen ihre skeptischen Erinnerungen (monita) erhoben habe. Die Vernunft ist als theoretische und praktische das Auszeichnende des Menschen, das sich in der Spekulation als unabhängig von den Erkenntnissen durch die Sinne erweist und eben darum der Unterwerfung unter eine unbeschränkte Selbstkritik bedarf, um nicht durch ihre eigenen Prinzipien in die Irre unhaltbarer Argumentationen, in Scheingefechte und damit in den Skeptizismus geführt zu werden. Der Buchtitel Kritik der reinen Vernunft bezeichnet das Wesentliche von Kants kritischem Rationalismus.

Kant über mathematische Naturerkenntnis 1 Der vielzitierte Satz „daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist“, aus der Vorrede der Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft von 1786¹ wird von Kant mit den Worten eingeführt: „Ich behaupte aber […]“. Kant ist sich also (1) dessen bewußt, daß es sich bei diesem Satz nicht um eine triviale These handelt, sondern um eine, die der Begründung und Rechtfertigung bedarf. Diese Begründung folgt dem zitierten Satz auf dem Fuß, und sie macht Gebrauch von der in der Kritik der reinen Vernunft aufgestellten Theorie der Erkenntnis a priori überhaupt und der Mathematik insbesondere. Kant ist sich also (2) dessen bewußt, daß sich nur von seiner eigenen Transzendentalphilosophie aus der Satz über die Abhängigkeit der Naturerkenntnis in ihrem Status als eigentliche Wissenschaft von der Mathematik rechtfertigen läßt. Nur ‚ich‘, Immanuel Kant, kann eine Rechtfertigung dieser originellen Behauptung geben. Nachdem Kant in Kürze diese Begründung vorgetragen hat, wiederholt er seine nur ihm zugehörige Ausgangsthese in Form einer Conclusio: „so wird Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft enthalten, als Mathematik in ihr angewandt werden kann“.² Kant hat die Originalität seiner Theorie der Erkenntnis a priori von Erfahrungsgegenständen auch in den Prolegomena deutlich hervorgehoben, und er hat gleichzeitig betont, daß das einzig taugliche Mittel zur Begründung der Möglichkeit einer solchen Erkenntnis ebenfalls ausschließlich sein Eigentum sei. Dort heißt es nämlich (gegen die Göttingische Rezension der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft), daß das Problem der ‚Möglichkeit unserer Erkenntnis a priori von Gegenständen der Erfahrung‘ ein Problem sei, „das bisher noch nicht aufgelöst, ja nicht einmal aufgeworfen worden“ sei.³ Damit ist nicht nur die Möglichkeit einer in diesem Sinne ontologischen Erkenntnis empirischer Gegenstände und somit der Natur im ganzen als ein erst von Kant entdecktes Problem behauptet, sondern auch die Möglichkeit der Anwendung der Mathematik in einer mathematischen Physik im Gefolge Galileis und Newtons als ein bisher nie zum Gegenstand der philosophischen Auflösung gemachtes Rätsel angesprochen und zugleich implizit Descartes’ Theorie der clara et distincta perceptio (die Kant

 MAN, AA 04: 470.13 – 15.  Ebd.  MAN, AA 04: 375 n. https://doi.org/10.1515/9783110605327-014

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wohlbekannt war) als (wegen seiner Zirkularität) untauglicher Begründungsversuch a limine verworfen. Das an derselben Stelle der Prolegomena angedeutete einzig mögliche Begründungsmittel ist die spezifisch Kantische Lehre von der reinen sinnlichen Anschauung der Gegenstände der Erfahrung und von Raum und Zeit als ihren Formen a priori, und bezüglich ihrer sagt Kant über die Geschichte der vorkantischen Philosophie seit Parmenides und Platon, daß „man sich [in ihr] gar nicht einfallen ließ, daß Sinne auch a priori anschauen sollten“.⁴ Es ist demnach einzig die Kantische Lehre von der reinen Sinnlichkeit, die das Fundament einer philosophischen Theorie der Möglichkeit der reinen Mathematik und zugleich ihrer Anwendung in der mathematischen Physik Galileis und Newtons zu bilden vermag – das ist die hinter diesen Anspielungen stehende Behauptung Kants. Kehren wir nach der Klarstellung der Selbsteinschätzung Kants zu seiner Begründung des Satzes von der notwendigen Mathematizität einer ‚eigentlichen‘ Wissenschaft von der Natur zurück. Zum Begriff „eigentliche Wissenschaft“ hat Kant vor diesem Satz umständliche Erläuterungen gegeben. Eigentliche Wissenschaft ist ein systematisches Ganzes des Wissens von apodiktischer Gewißheit, also ist im Einzelfall eine Erkenntnis als Teil einer solchen Wissenschaft ein Wissen von der Wahrheit eines Satzes, das mit dem Bewußtsein der Unmöglichkeit seiner Negation begleitet ist, während die bloß empirische Gewißheit einer Wahrheit nur uneigentlich ein ‚Wissen‘ genannt werden kann. Das Bewußtsein der Notwendigkeit einer Erkenntnis hängt also, außer von der logischen Richtigkeit des Schließens, von der Art der Gewißheit der Beweisprinzipien ab, aus denen als Gründen ein bestimmter Satz als ihre Folge abgeleitet werden kann. Sind diese Gründe selber nur empirische Sätze, so ist das Ganze ihrer Folgesätze keine Wissenschaft im strengen Sinne des Wortes. Kant nennt als Beispiel einer nur uneigentlich so genannten Wissenschaft die Chemie, die zwar eine rationale Naturlehre, aber keine Naturwissenschaft im strengen Sinne ist. Das liegt an der logischen Zufälligkeit ihrer grundlegenden Naturgesetze, die als bloße Erfahrungsgesetze ihrerseits eigentlich keine Gesetze sind, weil sie eben derjenigen Notwendigkeit ermangeln, die nach Kant zum Begriff des Gesetzes gehört. Da der Begriff der Natur nun aber nach Kant schon mit dem Begriff von Gesetzen verbunden ist, weil er nämlich – attributiv gebraucht – die Notwendigkeit aller Bestimmungen, die zum Dasein eines Dinges gehören, bedeutet, so kann eine mit Recht so genannte Wissenschaft von der Natur der Naturdinge im ganzen nur diejenige sein, die als Gesetzeswissenschaft nicht empirische, sondern reine Erkenntnis der Prinzipien a priori ihrer empirischen Naturerklärungen enthält und

 Ebd.

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nur kraft ihres reinen Teils eigentliche Wissenschaft heißen kann. Dieser reine Teil einer Naturwissenschaft, der sie als eigentliche Wissenschaft erst ermöglicht, sollte nun nach Kant wegen seiner Ungleichartigkeit mit allem bloß Empirischen „abgesondert und von dem anderen ganz unbemengt“⁵ vorgetragen werden. Und da besondere Naturdinge als solche in eine besondere Naturlehre gehören, nämlich die Körperlehre von den materiellen Dingen im Raum und die Seelenlehre von psychischen Ereignissen in der Zeit, so muß nach Kant der reine Teil einer eigentlichen Wissenschaft, der die Erkenntnis a priori besonderer Naturdinge und damit die Metaphysik der körperlichen und der denkenden Natur enthält, ebendarum zugleich die metaphysischen Anfangsgründe einer mathematischen Naturerkenntnis enthalten. Die weitausholende Begründung für diese These von der notwendigen Mathematizität einer Naturlehre als eigentlicher Naturwissenschaft beruht nach Kant allein auf dem Gedanken der Besonderheit dieser Naturlehren gegenüber der allgemeinen Metaphysik der Natur, die in dem System der transzendentalen Naturgesetze in der Kritik der reinen Vernunft besteht und die von den besonderen Naturen der Körper und Seelen abstrahiert. Eine Erkenntnis a priori solcher bestimmter Naturdinge erfordert somit eine Spezifikation a priori der transzendentalen Naturgesetze, sofern sie nun auf bestimmte Naturdinge angewendet werden sollen. Da diese bestimmten Naturdinge a priori oder unabhängig von ihrer in der Erfahrung vorausgesetzten Wirklichkeit, also aus ihrer bloßen, aber realen Möglichkeit erkannt werden sollen, so bedarf es dazu einer a priori gegebenen und dem Begriffe dieser bestimmten Naturdinge korrespondierenden Anschauung. Nun heißt die Darstellung a priori eines Begriffes in der Anschauung dessen Konstruktion, und da die Vernunfterkenntnis durch Konstruktion von Begriffen die Mathematik ist, so ist damit einsichtig geworden, warum nach Kant „eine reine Naturlehre über bestimmte Naturdinge […] nur vermittelst der Mathematik möglich“⁶ ist, welche allein eine Spezifikation a priori der metaphysischen Naturbegriffe, und zwar in der (reinen) Anschauung⁷ möglich macht. Kants These erweist sich als ein Satz, dessen Bedeutung und Begründung nur im Rahmen der kritischen Philosophie möglich sind, die seine zahlreichen Voraussetzungen in sich enthält. So setzt der Satz insbesondere Kants spezifische Theorie der Mathematik als Vernunfterkenntnis aus der Konstruktion der Begriffe, somit seine Lehre von Raum und Zeit, vom Unterschied zwischen Anschauung und Begriff und von der Natur mathematischer Erkenntnisse als synthetischer

 MAN, AA 04: 469.17– 18.  MAN, AA 04: 470.30 – 32.  Vgl. dazu meinen Aufsatz Kant on Pure Intuition, s.o. S. 133 ff.

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Urteile a priori voraus, ferner seine Unterscheidung der realen Möglichkeit eines Objekts (qua Anschaubarkeit) von der logischen Möglichkeit (qua Widerspruchsfreiheit) eines Begriffs, seine Lehre von den Kategorien und den reinen Verstandesgrundsätzen als transzendentalen Naturgesetzen etc. Seit den Tagen des Neukantianismus (Cohen, Riehl) und der Erfindung der vorgeblich Kantischen „transzendentalen Methode“ (1876/77)⁸ haben Interpreten und Fortsetzer von Kants theoretischer Philosophie in ihr eine philosophische Begründung der mathematischen Naturwissenschaft Newtons, die umstandslos mit der Erfahrung identifiziert wurde, gesehen, während Kant seine Kritik der reinen Vernunft als einen Traktat von der Methode nichtempirischer Erkenntnis in Mathematik und Philosophie bezeichnet hat, der der Prüfung der Möglichkeit der Metaphysik und ihrer Neubegründung als einer strengen Wissenschaft dienen sollte. Insbesondere die häufige Rede von der „Möglichkeit der Erfahrung“ in Kants erster Kritik hat dazu beigetragen, die Kantische Vernunftkritik als eine Untersuchung der Bedingungen a priori dieser Erfahrungsmöglichkeit mißzuverstehen. Darin liegt eine Verwechslung der von Kant gefundenen Lösung des Problems metaphysischer Erkenntnis, daß sie nämlich möglich und als solche beweisbar sei (1) von Gegenständen möglicher Erfahrung (als solchen) und (2) nur von solchen Gegenständen (und nicht von Dingen an sich selbst und somit auch nicht von übersinnlichen Gegenständen) mit der Problemstellung selbst als einer Suche nach den Möglichkeitsbedingungen eines Faktums, sei es der Erfahrung, sei es der Naturwissenschaft Newtons oder auch der Euklidischen Geometrie. Diese Verwechslung liegt auch der heute schon weniger intensiv geführten Diskussion über die sogenannten ‚transcendental arguments‘ (in Kants Kritik)⁹ und ihren Ausläufern zugrunde. Kants Transzendentalphilosophie ist eine systematische Untersuchung der Erkenntnisbedingungen der Ontologie und einer durch sie begründeten metaphysica specialis auf dem Wege einer umfassenden Selbstkritik der reinen Vernunft. Die positiven Ergebnisse der Vernunftkritik, die Lehre von der transzendentalen Idealität von Raum und Zeit und das System der Kategorien und Grundsätze des Verstandes als Erkenntnisse a priori werden also mißverstanden, wenn sie bloß als Hypothesen zum Zwecke der Erklärung der Möglichkeit von Geometrie und Arithmetik (und/oder von deren Anwendung) und als ein geeignetes ‚conceptual framework‘ zur Begründung von (alltäglicher oder naturwissenschaftlicher) Erfahrungserkenntnis angesehen werden. Aber gleichwohl ist es

 Vgl. in meinem Buch Deduktion und Beweis in Kants Transzendentalphilosophie den Anhang: Transzendentale Methode, S. 211– 218.  Vgl. dazu ebd., S. 173 – 181.

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z. B. richtig, daß die von Kant erwiesenen reinen Erkenntnisse über die Möglichkeit von Erkenntnis a priori nach ihm zugleich die reine Mathematik, deren Anwendung in der Naturerkenntnis und die Tatsache erklären können, daß die Gegenstände der reinen mathematischen Erkenntnis nur im Felde der Möglichkeit der Erfahrung liegen. Und Kant hat zugleich behauptet, daß nur seine Transzendentalphilosophie diese Erklärungen zustandebringen könne.

2 Kant hat in § 38 der Prolegomena ¹⁰ ein Beispiel für die von ihm gegebene Antwort auf die Frage ‚Wie ist reine Naturwissenschaft möglich?‘ vorgeführt, an dem sich seine Konzeption einer Erkenntnis a priori von Gegenständen der Erfahrung erläutern läßt. Gemäß der analytischen Darstellungsweise der Prolegomena werden hier geometrische und astronomische Erkenntnisse als gegeben zugrundegelegt und es wird auf die Bedingungen zurückgeschlossen, unter denen sie möglich sind. Zunächst wird der geometrischen Figur eines Kreises eine ‚Natur‘ im Sinne eines Realwesens zugeschrieben, und es wird der Sehnensatz¹¹ als ein ‚Gesetz‘ dieses Kreises bezeichnet, für das er den Grund nur deshalb enthält, weil er ein Produkt des Verstandes ist, der ihn nach seinem Begriff der Gleichheit der Radien für alle Punkte dieser Linie konstruiert hat, und dessen zugrundegelegte Konstruktionsbedingung auch die Tatsache erklärt, daß sich alle möglichen Sehnen in ihm in geometrischer Proportion schneiden. In diesem Sinne liegt der Grund dieses ‚Gesetzes‘ also nicht in dem Kreis selbst, unabhängig vom konstruierenden Verstande, sondern im Verstand, der diese synthetische Folge seiner Konstruktionsregel zugleich mit der Konstruktion der Figur a priori in sie ‚hineinlegte‘. Betrachtet man nun den Kreis, die Ellipse, die Parabel und die Hyperbel als Kegelschnitte, die alle unter denselben „Grundbedingungen der Konstruktion“¹² stehen, und findet man, daß die Rechtecke aus deren Sehnenabschnitten „immer in gleichen Verhältnissen gegeneinander stehen“,¹³ so wird man analog auch hier dieses geometrische Resultat als Folge der im Verstande liegenden Konstruktionsbedingungen der Kegelschnitte ansehen müssen. An dieser Stelle überschreitet Kant die Grenzen der reinen Geometrie in den Worten: „Gehen wir von da noch weiter, nämlich zu den Grundlehren der phy Vgl. dazu das wertvolle Buch von Michael Friedman, Kant and the Exact Sciences, S. 165 – 210, mit dem ich jedoch in wichtigen Punkten nicht übereinstimme.  Vgl. Euklid, III 35.  Prol, AA 04: 321.7 u. 10 – 11.  Apollonius, Conica, III 16, 17.

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sischen Astronomie […]“.¹⁴ Diese Grundlehren werden also als ein Fall von Sätzen der angewandten Geometrie angesehen. Es handelt sich aber im folgenden nicht um eine der mathematischen Hypothesen, die zur Rettung der himmlischen Phänomene insbesondere seit Platon und Eudoxos von Knidos in der Astronomie angenommen werden, ohne daß damit ein physikalischer Erklärungsanspruch erhoben worden wäre, was ja auch etwa im Falle der Epizyklentheorie unmöglich war. Vielmehr geht es Kant gerade um die fundierende Rolle der reinen (euklidischen) Geometrie für die Erscheinungswirklichkeit selbst und deren Erkenntnis durch uns. Denn Kant führt die Regel der wechselseitigen Attraktion, die und deren „physisches Gesetz“ nach Newton „über die ganze materielle Natur verbreitet[]“¹⁵ sind, auf einen geometrischen Sachverhalt zurück. Diese Regel besagt nämlich, „daß sie [die Attraktion] umgekehrt mit dem Quadrat der Entfernungen von jedem anziehenden Punkte ebenso abnimmt, wie die Kugelflächen, in die sich diese Kraft verbreitet, zunehmen“.¹⁶ Daß durch das hier verwendete Wort ‚wie‘ keine bloße Analogie gemeint ist, sondern daß nach Kant der geometrische Sachverhalt den Grund für den zu erklärenden physischen Sachverhalt der Abnahme der Anziehungskräfte im Verhältnis 1/r2 (das sog. ‚inverse square law‘) enthält, das wird aus den folgenden Worten ersichtlich. Die Abnahme der wechselseitigen Attraktion im umgekehrten Verhältnis zur Zunahme der Kugelflächen bei wachsender Entfernung der anziehenden Punkte ist etwas, „welches als nothwendig in der Natur der Dinge selbst zu liegen scheint und daher auch als a priori erkennbar vorgetragen zu werden pflegt“.¹⁷ Kant verweist damit auf einen Beweis aus den ‚Quellen‘ des Newtonschen Attraktionsgesetzes, der sich gerade nicht bei Newton selbst, sondern bei dem Newtonianer John Keill findet, dessen Introductiones ad veram physicam et veram astronomiam (Leiden 1739) sich in seinem Besitz befanden und von Kant auch sonst zitiert werden. Keill führt in seiner Lectio I. De Methodo Philosophandi ¹⁸ einen Beweis für folgendes Theorem: „jede Qualität oder Kraft, die sich von einem Zentrum aus überallhin in geraden Linien ausbreitet, nimmt im doppelten Verhältnis des Abstand ab“ (Qualitas seu virtus omnis, quae undique à centro per rectas lineas propagatur, remittitur in ratione distantiae duplicata).¹⁹ Der Beweis wird anhand einer Zeichnung geführt, in der aus dem gemeinsamen Zentrum zweier konzentrischer Kreise Radien zu den beiden Peripherien gezogen werden,

     

Prol, AA 04: 321.11– 12. Prol, AA 04: 321.12– 13. Ebd. Ebd. Lectio I. De Methodo Philosophandi, p. 13 ff. und Tab. I. Ebd. p. 13.

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und diese werden von Keill als Repräsentanten von Kugelflächen genommen, auf welchen sich die Intensität der Zentralkräfte mit dem Quadrat des Radius vermindert, weil die vom Zentrum ausgehenden Kraftlinien pro Flächeneinheit der Kugelfläche mit dem Anwachsen des Radius in diesem Verhältnis abnehmen. Keill führt seinen Beweis ganz allgemein (universaliter) für beliebige Qualitäten, wenn sie sich nur in geraden Linien ausbreiten, wie das Licht, die Wärme, die Kälte, die Gerüche etc.. Die Stärken (intensiones) all dieser Qualitäten verhalten sich reziprok zu den Quadraten der verschiedenen Abstände von ihrem Ausgangspunkt. „Von hier aus“, so folgert Keill, „können auch die Wirkungen der Sonne auf verschiedene Planeten untereinander verglichen werden“ (Hinc etiam comparari inter se possunt actiones Solis in diversos Planetas).²⁰ Kant interpretiert diese Keillsche Angabe der ‚Quellen‘ des allgemeinen Attraktionsgesetzes, nach welcher es „bloß auf dem Verhältnis der Kugelflächen von verschiedenen Halbmessern“ beruht,²¹ zugleich als Begründung für die Newtonsche Beweisführung, nach welcher „nicht allein alle möglichen Bahnen der Himmelskörper in Kegelschnitten, sondern auch ein solches Verhältnis derselben untereinander erfolgt, daß kein ander Gesetz der Attraktion als das des umgekehrten Quadratverhältnisses der Entfernungen zu einem Weltsystem als schicklich erdacht werden kann“.²² Dieses Naturgesetz beruht also nach Kant auf der „Natur der Dinge selbst“ und d. h. hier, daß das gesetzliche Verhalten der Natur auf solchen Gesetzen beruht, die der Verstand a priori erkennt, nämlich aus der Natur des Raumes, von welcher die Euklidische Geometrie als eine Wissenschaft handelt, die die Möglichkeiten der „Bestimmung des Raumes“ und deren als Raumaxiome ausgedrückte Grenzen vermittelst ihrer Konstruktionen a priori erkennt. Die Geometrie als Raumwissenschaft a priori ist somit indirekt eine Erkenntnis der Naturdinge in ihrer Möglichkeit, sofern diese vom Raum abhängt. Aber der Raum seinerseits, als Gegenstand der Geometrie und damit zugleich als ‚Quelle‘ von Naturgesetzen, enthält seine a priori erkennbaren Bestimmungen nicht als bloß aufzusuchende und aufzufindende Eigenschaften, sondern nur sofern er durch den Verstand bestimmt wird, indem dieser seine Begriffe als Prinzipien der synthetischen Einheit des Raummannigfaltigen in ihn hineinträgt, was in der Konstruktion geschieht. Der Raum enthält also selbst in der Gleichförmigkeit und Unbestimmtheit, die er für sich genommen aufweist, keinen „Schatz von Naturgesetzen“, die es bloß aufzusuchen gilt. Das Attraktionsgesetz Newtons ist also ebensowenig ein

 Ebd. p. 15.  Ebd.  Ebd.

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reines Verstandesgesetz, wie es nach Kant das Kausalprinzip ist, noch ein bloß geometrischer Lehrsatz. Aber es ist ein relativ auf das empirische Faktum empfindbarer Materie im Raum apriorisches Gesetz für das Bewegungs-(Beschleunigungs‐)verhalten dieser Materie, das aus den allein möglichen Weisen der Raumbestimmung und Raumbesetzung folgt, die die Geometrie an den Figuren im Raum a priori erkennt, indem der konstruierende Verstand unter der Anleitung seiner Begriffe das für sich unbestimmte Raummannigfaltige willkürlich verbindet. Das geschieht im ‚Beschreiben‘ bestimmter Räume durch das Ziehen von Linien nach Anweisung von Begriffen, die ihrerseits den Grundformen möglicher intellektueller und figürlicher Synthesis gemäß sein müssen. Dadurch werden also Dinge im Raum, als ihrem gemeinsamen Substrat, in ihrer Anschaubarkeit und in ihrer synthetischen Einheit, die sie als Objekte des erkennenden Verstandes haben, a priori möglich und a priori erkennbar. Sofern nun der Verstand in seinen Kategorien alle reinen Objektbegriffe enthält und in der zugehörigen reinen Raumanschauung über die Bedingungen möglicher Erscheinungen verfügt, ist er „der Ursprung der allgemeinen Ordnung der Natur“,²³ oder das Prinzip dessen, daß die ‚Sinnenwelt‘ ein gesetzlicher Zusammenhang von Erscheinungen und d. h. eine ‚Natur‘ ist. Innerhalb der so von Verstand und reiner Sinnlichkeit ermöglichten allgemeinen Natur ist also ein besonderes Naturgesetz, wie das Attraktionsgesetz, nur der Ausdruck der Abhängigkeit der Naturerscheinungen (1) von geometrischen Gesetzlichkeiten und somit vom Raum, und (2) vom Verstand in seinen intellektuellen und figürlichen Synthesen, d. h. in seinen Begriffen und Konstruktionen, die für Erscheinungen einen quasiontologischen Status haben. Die mathematische Naturerkenntnis ist also für einen sinnlich bedingten Verstand diejenige Erkenntnisweise, in der die Metaphysik der Natur sich als Prinzip einer apriorischen Erkenntnis besonderer Naturdinge erweist. Die Mathematik ist somit nach Kant kein Beschreibungsmittel für die Naturerkenntnis, das größere Exaktheit dieser Beschreibungen oder deren Anschaulichkeit ermöglicht. Ihre Anwendbarkeit auf die Natur in deren Erkenntnis durch den Menschen gehört vielmehr zu den Bedingungen a priori der Objektivität empirischer Gegenstandserkenntnis, wie es in der Kritik der reinen Vernunft die Axiome der Anschauung und die Antizipationen der Wahrnehmung für extensive und intensive Größen gezeigt hatten. Das bedeutet zugleich, daß Galileis metaphorische Rede von dem von Gott in mathematischer Schrift verfaßten Buch der Natur und die gemeinsame Voraussetzung einer geometrischen Verfaßtheit des Weltsystems in Leibnizens und Newtons Streit über die Notwendigkeit gött-

 Prol, AA 04: 322:07– 08.

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licher Intervention zur Aufrechterhaltung eines ordentlichen Ganges der Himmelsmaschine (die die Planeten davon abhalten sollte, bei Geschwindigkeitsverlust aus den elliptischen Umlaufbahnen in den Zentralkörper zu stürzen) durch Kant gegenstandslos geworden sind. Die Natur als Gegenstand mathematischer Naturwissenschaft ist etwas nur relativ auf Menschen und deren Erkenntnisbedingungen a priori Denkbares. Das gilt sowohl hinsichtlich der menschlichen Sinnlichkeit als auch für den menschlichen Verstand: „Gesetze existieren ebensowenig in den Erscheinungen, sondern nur relativ auf das Subjekt, dem die Erscheinungen inhärieren, sofern es Verstand hat, als Erscheinungen nicht an sich existieren, sondern nur relativ auf dasselbe Wesen, sofern es Sinne hat“.²⁴ Wegen der besonderen Relation, in der die Gegenstände im Raum durch das erkennende Subjekt zweifach bedingt sind, ist die mathematische Naturerkenntnis für Kant also in ihrer Möglichkeit völlig unabhängig von jeder platonisierenden Metaphysik.

Bibliographie Keill, J., 1739, Introductiones ad veram physicam et veram astronomiam, Lugduni Batavorum. Baum, M., 1986, Deduktion und Beweis in Kants Transzendentalphilosophie. Untersuchungen zur ‚Kritik der reinen Vernunft‘, Königstein, Ts. Baum, M., 1992, Kant on Pure Intuition. In: Ph. Cummins and G. Zoeller (Hg.), Mind, Ideas, and Objects. Essays on the Theory of Representation in Modern Philosophy, Atascadero, CA. Friedman, M., 1992, Kant and the Exact Sciences, Cambridge, MA / London.

 KrV, B 164.

Über die Kategoriendeduktion in der 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft Kant hat die Deduktion der Kategorien in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft in drei Abschnitte gegliedert, von denen der Erste Von den Prinzipien einer transzendentalen Deduktion überhaupt, der Zweite Von den Gründen a priori zur Möglichkeit der Erfahrung und der Dritte Vom Verhältnisse des Verstandes zu Gegenständen überhaupt und der Möglichkeit diese a priori zu erkennen handelt. Der Zweite und Dritte Abschnitt wurden in der zweiten Auflage der Kritik durch einen Abschnitt ersetzt, der einfach Transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe genannt wurde und damit den Eindruck erweckt, als sei er nicht bloß ein Teil der Deduktion, sondern für sich schon die ganze Deduktion. Dieses ganze „Hauptstück“ des Kantischen Traktates von der Methode der Metaphysik ist nach den Prolegomena (Prol, AA 04: 260.30 – 32) „das schwerste, das jemals zum Behuf der Metaphysik unternommen werden konnte“, und auch um der Metaphysik willen unternommen werden mußte, denn „jene Deduktion […] soll […] zuerst die Möglichkeit einer Metaphysik ausmachen“ (Prol, AA 04: 260.34– 36). Für den Fall nämlich, daß jene Deduktion metaphysischer Grundbegriffe unmöglich wäre, wie es Hume bloß für einen solcher Verknüpfungsbegriffe behauptet hatte, aus denen aber die Metaphysik „ganz und gar“ besteht (Prol, AA 04: 260.22), für diesen Fall muß auch das Humesche Ergebnis gelten: „es gebe überall keine Metaphysik und könne auch keine geben.“ (Prol, AA 04: 258.09) Von der Durchführbarkeit der transzendentalen Deduktion der Kategorien hängt also nach Kant das Stehen und Fallen der Metaphysik ab, und diese Deduktion selbst gehört zu einer systematischen Kritik des „ganzen Vermögens der reinen Vernunft“, die Hume nach Kant versäumt hatte. Innerhalb dieser Kritik ist die transzendentale Deduktion der Kategorien die wichtigste „Untersuchung, […] zu[r] Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zur Bestimmung der Regeln und Gränzen seines Gebrauchs“ (A XVI). Bei der ersten Einführung dieses wichtigsten und schwersten Lehrstückes der Vernunftkritik nimmt Kant allerdings eine Differenzierung vor, die schließlich auch noch seiner völligen Umarbeitung in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft zugrundeliegt. Die „Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen“, gehört nämlich nach Kant zu derjenigen der zwei Seiten der transzendentalen Deduktion, die er auch die „subjektive Deduktion“ (A XVII) nennt, während die „Bestimmung der Regeln und Gränzen seines Gebrauchs“ zur Meine Hervorhebungen in den Zitaten aus Kants Schriften sind nicht eigens kenntlich gemacht. https://doi.org/10.1515/9783110605327-015

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„objektiven Deduktion“ gehört. Diese objektive Deduktion heißt so, weil sie sich nach Kant „auf die Gegenstände des reinen Verstandes“ bezieht. Sie soll die Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe von diesen Gegenständen „darthun und begreiflich machen“ (A XVI). Indem sie das tut, gehört sie wesentlich zur Realisierung des „Hauptzweckes“ der Vernunftkritik, sie ermöglicht nämlich eine Antwort auf ihre „Hauptfrage“: „Was und wieviel kann Verstand und Vernunft frei von aller Erfahrung erkennen?“ (ebd.) und bestimmt damit den Gegenstandsbereich einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können: die Gegenstände der nicht-empirischen Erkenntnis der Metaphysik sind erstens Gegenstände möglicher Erfahrung. Und da das, was von diesen Gegenständen a priori erkannt werden kann, wie sich zeigen wird, nur die Bedingungen a priori ihrer Erfahrbarkeit sind, so ergibt sich daraus auch zweitens, wieviel a priori erkannt werden kann: nur Gegenstände der Erfahrung und nichts außerdem. Von dieser objektiven Deduktion und ihrem Ergebnis sagt Kant, daß sie es ist, um die „es mir hier vornemlich zu tun ist“ (A XVII); das wesentliche Ergebnis der Kantischen Metaphysikkritik ist demnach ein negatives: Metaphysik als spekulative Erkenntnis von Dingen überhaupt und an sich und als rein rationale Erkenntnis der Seele, der Welt und Gottes ist unmöglich. Demgegenüber handelt die subjektive Deduktion von der Möglichkeit des reinen Verstandes selbst, und d. h. von „den Erkenntniskräften, auf denen er selbst beruht“, und betrachtet ihn mithin „in subjektiver Beziehung“ (A XVII f.) Der Plural „Erkenntniskräfte“ für die Faktoren des Verstandes verweist auf die Einbildungskraft und die Apperzeption, die nach Kant die Möglichkeit des reinen Verstandes und seiner Erkenntnis zu erklären vermögen. Es ist klar, daß eine erfolgreich durchgeführte Untersuchung der Möglichkeit des Verstandes auch die Aufgabe der objektiven Deduktion zu lösen vermöchte, denn die Art der Gegenstände und die Reichweite der reinen Verstandeserkenntnis müssen Folgen des Vermögens des reinen Verstandes sein, a priori über Gegenstände zu urteilen. Insofern ist die Untersuchung des reinen Verstandes als eines Erkenntnisvermögens zugleich eine Bestimmung seiner als einer transzendentalen Urteilskraft und der Bedingungen a priori der Wahrheit ihrer Urteile von Gegenständen. Aber umgekehrt könnte das Ergebnis der objektiven Deduktion auch unabhängig vom Erfolg der subjektiven erreicht werden. Denn sollten sich Art und Umfang der Gegenstände des reinen Verstandes gar nicht aus ihm selbst als einem Vermögen des Denkens, sondern aus den Bedingungen der Anwendung dieses Denkens auf gegebene Gegenstände ergeben, also aus den Prinzipien des Gegebenseins von Gegenständen für das Denken des Verstandes, so folgten die Grenzen der Legitimität seines reinen Gebrauches auch ganz unabhängig davon, ob es uns möglich ist, a priori etwas über seine inneren Bedingungen, seine Faktoren und deren Funktionen, auszumachen.

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Gleichwohl ist nach Kant die subjektive Deduktion für die Zwecke der Metaphysikkritik von „großer Wichtigkeit“, denn die Möglichkeit oder Unmöglichkeit metaphysischer Erkenntnis kann nur derjenige einsehen, der die Gründe für das Gelingen oder Scheitern der faktisch (und in der Geschichte der Philosophie immer wieder) angestellten Versuche kennt, vermittelst reiner Verstandesbegriffe über die Grenzen der erfahrbaren Welt zu übersinnlichen Gegenständen oder Eigenschaften der Dinge zu gelangen, zumal die moralische Beurteilung menschlicher Handlungen und ihrer Zielsetzung nach Kant deutlich auf ein übersinnliches Vermögen in der menschlichen Vernunft als einer praktischen verweist. Nimmt man die in dieser dem Menschen natürlichen Metaphysik verwendeten reinen Verstandesbegriffe als gegebene Wirkungen an, zu denen die Ursachen im Verstande liegen müssen, so hat die subjektive Deduktion den Anschein einer Hypothese. Fragt man aber nach einer Rechtfertigung des reinen Verstandesgebrauchs und den Gründen seiner möglichen Wahrheit, so muß die Behauptung oder Bestreitung ontologischer und transzendenter Erkenntnis zuletzt zu einer Ausmessung der inneren Prinzipien aller Verstandeserkenntnis gelangen können, um dort womöglich auch die Gründe für die Angewiesenheit des Verstandes auf ihm externe Anwendungsbedingungen zu finden, die die Rechtfertigung der Wahrheitsansprüche der Metaphysik auf so enge Grenzen einschränkt. Kant hat offensichtlich die Wichtigkeit der subjektiven Deduktion der Kategorien auch darum heruntergespielt, weil er mit der Durchführung dieser Untersuchung schon bei ihrer ersten Veröffentlichung unzufrieden war. Er rechnet mit Lesern dieser subjektiven Deduktion, die durch sie nicht überzeugt sind, die also seine Antwort auf die Frage: „wie ist das Vermögen zu denken selbst möglich?“ (A XVII) für unzureichend halten. In den Prolegomena hat Kant sich aggressiver zu den von ihm vermuteten Mißverständnissen seiner Leser verhalten. Er verweist diejenigen, die die Kritik über die von ihrem Autor selbst behauptete „Schwierigkeit“, „Dunkelheit“ (A 88) und „Mühsamkeit“ (A 91) der Untersuchung hinaus, auch nach seinem Erläuterungsbuche noch immer dunkel finden, darauf hin, „daß es eben nicht; nötig sei, daß jedermann Metaphysik studiere“ (Prol, AA 04: 263.34), wobei impliziert ist, daß die Untersuchung der Möglichkeit der Metaphysik selbst zur Metaphysik gehört, nämlich zur Metaphysik von der Metaphysik. Denjenigen, die die Prolegomena inklusive ihrer neuen Darstellung der Deduktion „selbst wiederum dunkel“ finden, rät Kant, „daß man seine Geistesgaben in solchem Fall auf einen anderen Gegenstand verwenden“ solle, was bedeutet, daß er der neuen Darstellung alle billigerweise zu fordernde Klarheit zuspricht. In der Vorrede zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft hingegen gibt Kant dem Rezensenten von Ulrichs Institutiones Logicae et Metaphysicae, Johann Schultz, gegenüber die Dunkelheit seiner teils in der ersten

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Kritik, teils in den Prolegomena vorgetragenen Deduktionen der reinen Verstandesbegriffe (MAN, AA 04: 474 n) zu und führt eine bedeutsame Differenzierung ein: „Die Dunkelheit, die in diesem Theile der Deduktion meinen vorigen Verhandlungen anhängt, und die ich nicht in Abrede ziehe, ist dem gewöhnlichen Schicksale des Verstandes im Nachforschen beizumessen, dem der kürzeste Weg gemeiniglich nicht der erste ist, den er gewahr wird. Daher ich die nächste Gelegenheit ergreifen werde diesen Mangel (welcher auch nur die Art der Darstellung […] betrifft) zu ergänzen“ (MAN, AA 04: 476 n). Diese Beseitigung eines Mangels der Darstellung findet sich in der zweiten Auflage der Kritik, in welcher der zweite und dritte Abschnitt der Deduktion durch eine Neufassung ersetzt sind. Auch in der Vorrede zur zweiten Auflage spricht Kant davon, daß er die „Darstellung“ seiner Vernunftkritik verbessert habe und dabei u. a. „der Dunkelheit der Deduktion der Verstandesbegriffe“ (B XXXVIII), die er also zugibt, „so viel möglich“ (B XXXVII) abgeholfen habe, und auch diese Bemerkung kann sich nur auf den zweiten und dritten Abschnitt der A-Version beziehen. Wenn Kant also auch Dunkelheit und „Schwierigkeiten“ (MAN, AA 04: 474 n) in Teilen seiner ersten Darstellung der Deduktion konzediert, so bestreitet er doch implizit, daß sich diese Deduktion „wohl gar […] im Circel herum drehte etc.“ und warnt den Rezensenten Schultz davor, „wegen der befremdlichen Einstimmung der Erscheinungen zu den Verstandesgesetzen“, deren „Erklärungsgrund“ in der A-Version schon „richtig angegeben“ sei, „zu einer prästabilierten Harmonie seine Zuflucht zu nehmen“ (MAN, AA 04: 476 n). Ich denke, es läßt sich zeigen, daß diese kurzen Bemerkungen gegen Johann Schultz, der schon durch seine Rezension von Kants De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis dessen Aufmerksamkeit und Hochschätzung erworben hatte, sich gegen dessen hartnäckigen Crusianismus richten, den Kant schon im Brief an Marcus Herz vom 21. 2. 1772 wegen seiner „harmonia praestabilita intellectualis“ (Br, AA 10: 131.30 – 31) kritisiert und ihm seinerseits einen „betrüglichen Zirkel in der Schlußreihe unserer Erkenntnisse“ vorgeworfen hatte (Br, AA 10: 131.34). Entscheidend für das Verständnis der Unterscheidung der objektiven von der subjektiven Seite in der Deduktion und der Gründe für deren Umarbeitung ist nun die Tatsache, daß Kant an dieser Unterscheidung, ohne die Termini „objektive“ und „subjektive Deduktion“ zu gebrauchen, in der Vorrede zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, also in der Zeit der Abfassung der verbesserten Darstellung, festhält und sie sogar noch weiter begründet. Auf diese Unterscheidung bezieht sich auch die Einräumung der Dunkelheit in der A-Version: sie betrifft nämlich, ausweislich der Änderungen in der B-Version, nur die subjektive Deduktion oder (wie es jetzt heißt) denjenigen Teil der Deduktion, der erklärt, wie die Kategorien die Erfahrung und deren Gegenstande möglich machen, genauer: die Erklärung, „wie nun Erfahrung vermittelst jener Kategorien

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und nur allein durch dieselben möglich sei“ (MAN, AA 04: 475 n). Daß dieser umgearbeitete Teil der Deduktion die sogenannte „subjektive Deduktion“ ist, geht auch daraus hervor, daß Kant die Beantwortung der Frage nach dem Wie des Möglichwerdens der Erfahrung einer Untersuchung zuschreibt, die die von Hume bestrittene objektive Notwendigkeit etwa im „Begriff der Ursache in Verknüpfung mit der Wirkung“ aus dem einzig möglichen, und zwar subjektiven Grunde herleitet, nämlich „aus den a priori zum Grunde liegenden Principien der Möglichkeit des Denkens selbst, wodurch allein die Erkenntnis der (Objekte), deren (Erscheinung) uns gegeben ist d.i. Erfahrung, möglich wird“ (MAN, AA 04: 476 n). Damit ist zugleich behauptet, daß allein die Untersuchung dieser Prinzipien a priori der Möglichkeit des Denkens selbst, d. h. der Erkenntniskräfte, auf denen der Verstand selbst beruht, die Humesche Bezweiflung der Möglichkeit von Metaphysik als unbegründet erweisen kann. Hier wird also nicht argumentiert, daß Erfahrung nur dadurch möglich ist, daß die Kategorien objektive Gültigkeit haben, wie es in der objektiven Deduktion dieser Kategorien heißt. Denn dabei wird offenbar die Möglichkeit von Erfahrung vorausgesetzt, und nur gefragt, wodurch sie möglich sei. Die Untersuchung der „a priori zum Grunde liegenden Prinzipien der Möglichkeit des Denkens selbst“ hat vielmehr die Notwendigkeit dieser Möglichkeit der Erfahrung selbst zu erweisen, Erfahrung ist um der Prinzipien des Denkens selbst willen möglich, denn die Möglichkeit der Erfahrung ist, wie sich zeigen wird, mit der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die durch sie bedingte Synthesis der Einbildungskraft äquivalent. D. h. auch: die Humesche These von der bloß subjektiv notwendigen, objektiv aber zufälligen synthetischen Einheit von Ursache und Wirkung kann nur in derjenigen Untersuchung widerlegt werden, die auf die innere Möglichkeit des Verstandes selbst geht, die im Zweiten und Dritten Abschnitt der A-Version vorgetragen, in der Vorrede A „subjektive Deduktion“ genannt und in der zweiten Auflage ersetzt wurde. Diese ehemals „subjektive“ Deduktion ist nun nach der Vorrede der Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft sogar überflüssig für die Hauptthese der Vernunftkritik. Denn besteht der Hauptzweck der Kritik der reinen Vernunft in dem Beweis des Satzes, „daß der ganze speculative Gebrauch unserer Vernunft niemals weiter als auf Gegenstände möglicher Erfahrung reiche“ (MAN, AA 04: 474 n), dann ist dieser Beweis schon durch diejenige Überlegung begründet, die Kant in der zweiten Auflage die „metaphysische Deduktion“ (d. h. Ableitung) der Kategorien genannt hat (B 159) und die sich schon vor der Kategorientafel findet: „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt.“ (A 79) Auf diesen Gedanken bezieht sich Kants

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Behauptung, daß er den „Ursprung der Kategorien a priori überhaupt durch ihre völlige Zusammentreffung mit den allgemeinen logischen Funktionen des Denkens dargetan“ habe (B 159). Diese metaphysische Ableitung der Kategorien ist auch in ihrer nicht neuen (vgl. schon A 245), aber neu plazierten „Erklärung“ in B 128 enthalten, die Kant am Ende des ersten Abschnitts der A-Version einfügte: „Sie sind Begriffe von einem Gegenstande überhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer der logischen Funktionen zu Urteilen als bestimmt angesehen wird.“ Auf diesen Begriff der Kategorie beruft sich nun Kant in der Vorrede der Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft, wenn er die Entbehrlichkeit gerade der ehemals subjektiven Deduktion und die Unentbehrlichkeit der ehemals objektiven behauptet, die jedoch nur eine Konsequenz aus der metaphysischen Ableitung und der Definition der Kategorien ist. Darum fällt die objektive Deduktion nicht eigens als besonderer Beweisgang ins Gewicht und wurde schon in der A-Version in den Unterabschnitt des Ersten Abschnitts mit dem Zwischentitel Übergang zur transzendentalen Deduktion der Kategorien (A 92), also vor die eigentliche und dort noch „subjektiv“ genannte Deduktion, gesetzt. Sieht man sich die drei „Zugeständnisse“ an, die nach Kants Antwort an Schultz, auch ohne die dort als nur „verdienstlich“ bezeichnete vollständige Deduktion, für sich hinreichende Prämissen für den Satz sind, „daß aller Gebrauch der reinen Vernunft niemals worauf anders, als auf Gegenstände der Erfahrung gehen könne“ (MAN, AA 04: 474 n), so ergaben sich für dieses „wahre und hinlängliche Fundament der Grenzbestimmung der reinen Vernunft“ folgende Begründungsschritte: 1. die „Erklärung“ der Kategorien vermittelst der logischen Funktionen zu Urteilen, 2. die Existenz von Anschauungen a priori von Gegenständen unserer reinen Verstandesurteile, 3. die Tatsache, daß diese reinen Anschauungen „bloße Formen der Erscheinungen äußerer oder des inneren Sinnes“ sind, also nur Formen der Gegenstände möglicher Erfahrung. Daraus folgt das negative Ergebnis der Kantischen Metaphysikkritik allerdings scheinbar ohne jede Deduktion der Kategorien, allein aus der Anschauungsbedürftigkeit aller Begriffe, also auch der Kategorien, um Erkenntnisse zu sein, und aus der Sinnlichkeit aller unserer Anschauungen von Gegenständen. Allerdings ist dabei die Funktion, die die Kategorien bei der Erkenntnis der Erscheinungen bzw. Gegenstände der Erfahrung haben müssen, stillschweigend übergangen. Die unvollendete bzw. unvollständige, Deduktion der Kategorien, die auf ihrer Rolle bei der Erklärung der Möglichkeit von Erfahrung als einer Gegenstandserkenntnis

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beruht, besteht nämlich einfach in einem Hinweis darauf, daß Anschauungen ihrerseits der Begriffe bedürfen, um als Bestimmungen von Gegenständen gedacht werden zu können, was für die Kategorien bedeutet, daß sie insofern objektive Gültigkeit haben oder einer Deduktion fähig sind, als sich zeigen läßt, daß sie in der Erfahrung die Form des Denkens von Objekten als solchen möglich machen. Auch ohne auf das Wie dieser konstitutiven Rolle beim Denken von Gegenständen einzugehen, die unseren Wahrnehmungen korrespondieren, läßt sich also eindeutig feststellen, daß Kant auch in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft an einer Minimalform der früher objektiv genannten Deduktion der Kategorien festhält. Freilich ist diese Minimaldeduktion nur eine hypothetisch gültige: wenn Erfahrung möglich sein soll, dann müssen Kategorien als Begriffe, in denen die Gegenständlichkeit von Erscheinungen der äußeren und des inneren Sinnes gedacht wird, objektiv gültig sein mithin gerade für jene Art von Objekten gelten, die ohne sie gar keine Erscheinungen als Objekte (Phänomena) für uns wären. Allerdings ist die Textpassage, die in der Vorrede A als „allenfalls […] allein hinreichend“ zur objektiven Deduktion (A XVII) bezeichnet wird, nicht einfach ein Nachweis dieser Rolle der Kategorien. Diese objektive Deduktion¹ steht am Ende des Ersten Abschnitts der transzendentalen Deduktion, der deren Begriffsbestimmung in Abhebung von einer empirischen Deduktion, eine Darlegung ihrer „unumgänglichen Notwendigkeit“ und eine Erklärung ihrer „unvermeidlichen Schwierigkeit“ enthält. Die dann im Übergang gegebene Deduktion schließt vielmehr an eine Problemstellung an, die zunächst mit Erfahrung und ihren Gegenständen nichts zu tun hat. Es geht hier vielmehr um die beiden einzig möglichen Fälle einer notwendigen Übereinstimmung von Vorstellung und Gegenstand, die dann vorliegen, wenn entweder „der Gegenstand die Vorstellung, oder diese den Gegenstand allein möglich macht“ (A 92). Da es sich bei dem zweiten Fall nicht um die reale Hervorbringung von Objekten durch einen Zweckbegriff handelt, besteht das Möglichmachen ohne die zugleich miterzeugte Wirklichkeit nur darin, daß die Vorstellung insofern etwas hinsichtlich des Gegenstandes „a priori bestimmt“, als sie die einzige Bedingung dafür ist, ihn „als einen Gegenstand zu erkennen“, welches Erkennen im Fall der Kategorien ein Denken eines Anschauungsmannigfaltigen als Gegenstand ist, d. h. als eines Gegenstandes überhaupt, der dieser Anschauung entspricht und durch sie näher bestimmt wird. An dieser Stelle der Darlegung führt Kant die Erfahrung und die hypothetische Rolle der Kategorie bei der Konstitution der Erfahrungsmöglichkeit ein: „Nun

 Eine eingehende Interpretation dieser Passage enthält mein Buch Deduktion und Beweis in Kants Transzendentalphilosophie. Königstein/Ts. 1986, 64– 70.

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frägt es sich, ob nicht […] Begriffe a priori vorausgehen, als Bedingungen, unter denen allein etwas, […] als Gegenstand, überhaupt gedacht wird; denn alsdann ist alle empirische Erkenntnis der Gegenstände solchen Begriffen notwendiger Weise gemäß, weil ohne deren Voraussetzung nichts als Objekt der Erfahrung möglich ist.“ (A 93) In diesem Satz, der für sich allein eine objektive Deduktion der Kategorien enthält, wenn sie solche Gegenstandsbegriffe a priori sind und wenn sie in der Erfahrung angewandt werden, werden also Erfahrung und Erfahrungsgegenstände nur als Beispiele für eine notwendige Übereinstimmung von Vorstellung und Gegenstand eingeführt, genauer für eine Bestimmung a priori eines Gegenstandes durch Vorstellung. Die Rolle der Kategorien in der Erfahrung ist also gerade die einer a priori von Gegenständen geltenden Vorstellung. Erfahrung bietet also nur einen subsumierbaren Fall für eine Notwendigkeit a priori: „alsdann beziehen […] sich [die Kategorien] notwendiger Weise und a priori auf Gegenstände der Erfahrung, weil nur vermittelst ihrer überhaupt irgendein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann“ (A 93). Zwei Voraussetzungen dieser Argumentation, die nicht ausgesprochen werden, verdienen es, hervorgehoben zu werden: (1) die Erfahrung und ihr Gegenstand, die hier als Anwendungsfälle fungieren, werden ebendarum, als zumindest möglich, vorausgesetzt. Wenn Erfahrung möglich ist, dann ist sie ein Fall für die metaphysische Notwendigkeit der Übereinstimmung ihres Gegenstandes mit Begriffen a priori. Ob aber Erfahrung möglich ist, und ob solche notwendige Übereinstimmung von Vorstellung und Gegenstand ihrerseits möglich oder gar notwendig ist, darüber wird hier nichts gesagt. (2) Der Gegenstand, der durch den hier einschlägigen Begriff a priori bestimmt wird, ist ein gedachter Gegenstand. Als in einer Anschauung gegebener ist er noch nicht gedacht und darum auch nur proleptisch als Gegenstand zu bezeichnen. Im Falle einer empirischen Anschauung heißt der in ihr gegebene, noch unbestimmte Gegenstand Erscheinung. Denke ich ihn als Gegenstand, so ist er nicht zusätzlich zu seinem Gegenstandsein ein gedachter Gegenstand, sondern er ist nur dadurch für mich ein Gegenstand, daß ich ihn so denke. Der Gegenstand als solcher kann nur gedacht werden. Diese beiden unausgedrückten Voraussetzungen werden auch innerhalb der subjektiven Deduktion der A-Version von Bedeutung sein. Läßt sie sich durchführen, so macht sie die vorgeschaltete objektive Deduktion überflüssig. Denn die Ergründung des reinen Verstandes muß auch die Notwendigkeit der Übereinstimmung von reinem Verstandesbegriff und Gegenstand, das Ausgangsproblem der objektiven Deduktion, erklären. Sie muß ferner die genannten unausgesprochenen Voraussetzungen der objektiven Deduktion begreiflich machen. Denn,

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daß Erfahrung möglich ist und daß es notwendige Übereinstimmungen von Begriff und Gegenstand gibt, das muß sich aus dem Verstand als solchen erklären lassen, weil beides schon ein Denken des Verstandes voraussetzt. Und daß Gegenstände als solche nicht für mich möglich sind, ohne daß ich sie so denke, das folgt ebensosehr aus dem inneren Grunde der Möglichkeit des Verstandes. In beiden Fällen wird der Verstand zwar als reiner Verstand angesehen, aber zugleich als ein Vermögen bloß diskursiver Vorstellungen (Begriffe), die ihrem Inhalt nach nicht durch das bloße Selbstbewußtsein des denkenden Wesens erzeugt werden, sondern ihm von außen gegeben werden müssen. Diese Voraussetzung wird in der Deduktion A meines Wissens nirgends ausgesprochen, liegt aber überall zugrunde. Versucht man, sich einen Überblick über die undurchsichtige Argumentationslage im Zweiten und Dritten Abschnitt der Deduktion zu verschaffen, und orientiert man sich zunächst an deren Überschriften, so läßt der mit Von den Gründen a priori zur Möglichkeit der Erfahrung überschriebene Zweite Abschnitt zumindest die Möglichkeit offen, daß sich hier die in Aussicht gestellte Untersuchung der Möglichkeit des Verstandes in subjektiver Hinsicht finden lasse. Andererseits ist der immer noch ausgedrückte Charakter der Vorläufigkeit dieser Erörterungen für die eigentliche Beweisführung der objektiven und notwendigen Gültigkeit der Kategorien aus dem Grunde ihrer Notwendigkeit für den Verstand hier bei näherem Hinsehen nicht zu übersehen. Denn nach einigen Vorbemerkungen zum Beginn des Zweiten Abschnitts, in denen es wiederum heißt, es sei schon eine hinreichende Deduktion der Kategorien, „wenn wir beweisen können, daß vermittels ihrer allein ein Gegenstand gedacht werden kann“ (A 96), also der Grundgedanke der objektiven Deduktion wiederholt wird, nimmt Kant einen Anlauf zur Bestimmung der Faktoren, die den Verstand als Erkenntnisvermögen kennbar machen, der alsbald in einer weiteren Vorläufigen Erinnerung endet. Aber dort heißt es, daß der Rest des zweiten Abschnitts, der vier „Nummern“ umfaßt dazu diene, „den Leser mehr vorzubereiten als zu unterrichten und im nächstfolgenden dritten Abschnitte die Erörterung dieser Elemente des Verstandes allererst systematisch vorzustellen“ (ebd.). Wir befinden uns also in einer unzusammenhängenden und wiederum bloß vorbereitenden Erörterung, die thematisch zur subjektiven Seite der Deduktion gehört. Aber in der abschließenden vierten Nummer, die wiederum heißt: Vorläufige Erklärung der Möglichkeit der Kategorien als Erkenntnisse a priori, finden wir erneut eine Argumentation vor, die Kant zur objektiven Deduktion rechnet. Die Formulierungen Kants stimmen hier überein mit einem Satz aus dem späteren Abschnitt Von dem obersten Grundsatze aller synthetischen Urteile, der selbst häufig und fälschlich als dieser oberste Grundsatz bezeichnet wird (A 158). In A 111 heißt es: „Die Bedingungen a priori einer möglichen Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der

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Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung.“ Dieser Satz, dessen Beliebtheit wohl in seiner Trivialität gründet, dient Kant zum Obersatz eines Syllogismus, unter dessen Bedingung dann im Untersatz die Kategorien subsumiert werden: „Nun behaupte ich, die oben angeführten Kategorien sind nichts anderes, als die Bedingungen des Denkens in einer möglichen Erfahrung […]“. Darauf folgt schulgerecht die Konklusion: „Also sind jene [Kategorien] auch die Grundbegriffe, Objekte überhaupt zu den Erscheinungen zu denken.“ Die damit bewiesene objektive Gültigkeit a priori der Kategorien ist also eine Folge dessen, daß sie ein Requisit zur Möglichkeit der Erfahrung sind. Ist Erfahrung möglich, so haben die Kategorien objektive Gültigkeit, eben von den Gegenständen dieser Erfahrung, weil diese für unser Denken keine Objekte wären, wenn sie nicht vermittelst der Kategorien gedacht würden. Das ist der bis zum Überdruß wiederholte Grundgedanke der objektiven Deduktion, der aber erst in der zweiten Auflage der Kritik, durch Einbeziehung der Urteilsformen in das Verständnis dessen, was hier noch einfach „Denken“ heißt, an Plausibilität gewinnt. In der Vorrede der Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft verwendet Kant zum ersten Mal die Urteilsformen in der Beweisführung der objektiven Deduktion. Nach allen diesen Vorbereitungen auf die angekündigte subjektive Seite der Deduktion muß man schließlich deren entscheidenden Gedankengang im Dritten Abschnitt erwarten, dessen Überschrift nicht mehr von „möglicher Erfahrung“ spricht, sondern vom „Verhältnisse des Verstandes zu Gegenständen überhaupt und der Möglichkeit diese a priori zu erkennen“ (A 115). Hier endlich scheint der Beweisgrund nicht mehr die vorausgesetzte Möglichkeit der Erfahrung zu sein, die alle auf sie gestützten Beweise dem Verdacht aussetzt, es werde etwas vorausgesetzt, was man nur empirisch, nämlich aus der Wirklichkeit von Erfahrung, wissen kann, oder der Beweis bewege sich im Zirkel, weil die Kategorien nur gültig sind als Bedingungen möglicher Erfahrung, und die Erfahrung nur darum eine gültige Objekterkenntnis ist, weil die Kategorien objektiv gelten. Ein solches hysteron proteron kann nur vermieden werden, wenn die vielzitierte Möglichkeit der Erfahrung weder auf wirklicher Erfahrung noch auf den bloß als ihre Bedingung gültigen Kategorien beruht, sondern völlig a priori aus den ersten Gründen des Verstandes selbst und seinem ihm notwendigen Bezug auf Gegenstände überhaupt und deren Erkenntnis a priori abgeleitet wird. Die gesuchte subjektive Deduktion der Kategorien im Dritten Abschnitt stellt sich dort jedoch sogleich in zweifacher Gestalt vor, als Deduktion „von der reinen Apperzeption anfangend“ (A 116) und als Deduktion „von unten auf […] anfangen[d]“ (A 119). Da aber in der abschließenden Summarischen Vorstellung der Richtigkeit und einzigen Möglichkeit dieser Deduktion, das Resümee wiederum von der Apperzeption, anhebt, so haben wir diese Version als die maßgebliche Fassung der subjektiven Deduktion anzusehen. Diese schließlich erreichte Ergrün-

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dung des Verstandes in seiner Möglichkeit wird sich zugleich als der Nachweis des Verstandes als des objektiven Grundes der Möglichkeit der Erfahrung, also als des Grundes dafür, daß es ein Objekt der Erfahrung gibt und geben muß, erweisen. Die subjektive Deduktion ist also gerade nicht in dem Sinne subjektiv, als sie etwa bloß die im Subjekt beobachtbaren Erkenntnisvermögen und deren Gebrauch zum Gegenstand der Untersuchung hätte. Vielmehr soll gezeigt werden, daß der Verstand selbst ein Denken von Objekten und deren objektive Einheit als Natur möglich und notwendig macht. Die reine Apperzeption oder das bloße Bewußtsein der Identität seiner selbst, die der Verstand in der Vorstellung „Ich“ denkt, ist derjenige höchste Punkt allen Verstandesgebrauchs, in welchem alle Vorstellungen insofern zusammenhängen, als sie als „meine Vorstellungen“ das „Ich“ gemeinsam haben. Dabei ist jedoch zu beachten, daß das Ich nur das Selbstbewußtsein und nicht ein vorhandenes identisches Subjekt der Vorstellungen bezeichnet, und daß dieses Selbstbewußtsein weder klar noch auch nur wirklich vollzogen zu sein braucht. Vorstellungen haben als bewußte eine Beziehung auf ein bloß mögliches Selbstbewußtsein. Aktualisiert wird dieses Selbstbewußtsein, durch das ich meine Vorstellungen zuerst als meine Vorstellungen denken kann, nur durch einen Akt der Verbindung, eine Synthesis mannigfaltiger Vorstellungen, durch die vermittelt ich mir die Identität des Vorstellenden, unabhängig von allen besonderen Vorstellungs- und damit Bewußtseinsinhalten, selbst vorstelle. Diese reine Apperzeption als Vermögen oder als a priori möglich, weil unbedingt vollziehbar gedacht, liegt als eine formale Bedingung a priori allem besonderen Bewußtsein von Vorstellungen, insbesondere von den verstandesunabhängigen Anschauungen zugrunde. Und da diese Anschauungen nur Vorstellungen in uns sind, ist ihr mögliches Bewußtsein die einzige Weise, wie sie für uns etwas und nicht nichts sein können. Nun sind Anschauungen Vorstellungen von etwas. Also ist die Bedingung, dafür, daß sie für uns etwas sind, ihr Bewußtsein, zugleich die Bedingung dafür, daß sie etwas vorstellen, nämlich in der Weise der Anschauung. Da aber alles Bewußtsein der Anschauungen qua Vorstellungen insgesamt unter der formalen Bedingung steht, einem möglichen Selbstbewußtsein und seiner Einheit anzugehören, so stellen alle Vorstellungen nur dadurch etwas, ein Objekt, vor, daß sie mit allen anderen zu einem möglichen Bewußtsein, nämlich dem des identischen Selbst, zugehörig gedacht werden. Die formale Bedingung des Bewußtseins der Vorstellungen ist mittelbar und zugleich eine formale Bedingung dieser Vorstellungen, also auch aller Anschauungen, bloß als Vorstellungen, deren ich mir bewußt sein kann. Damit ist ein transzendentales Prinzip der Einheit alles Mannigfaltigen der Anschauungen etabliert, das sich insgesamt als zu einem kollektiven Objekt der Natur, gehörig erweisen wird. Denn die Einheit in einem Subjekt, d. h. die Einheit

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der Vorstellungen untereinander, die aus ihrer notwendigen Beziehung auf ein und dasselbe Selbstbewußtsein resultiert, ist eine synthetische Einheit aller möglichen Anschauungen. Die transzendentale Einheit aller möglichen bewußten Anschauung eines Objekts ist also eine Folge der transzendentalen Einheit der Apperzeption. Da der Verstand das Vermögen des Denkens ist, bevor er als Erkenntnisvermögen in Anspruch genommen werden kann, so gilt der Satz von der notwendigen synthetischen Einheit der Anschauungen zunächst vom Denken des Verstandes und seinen Begriffen. Darum sagt Kant, der Satz, „daß alles verschiedene empirische Bewußtsein [sc. von irgendwelchen Vorstellungen, Anschauungen oder Begriffen] in einem einigen Selbstbewußtsein verbunden sein müsse“ (A 117 n), sei „der schlechthin erste und synthetische Grundsatz unseres Denkens überhaupt“ (ebd.). Synthetisch ist dieser Satz², weil im Begriff des empirischen Bewußtseins einer Vorstellung gerade noch nicht die Beziehung auf die Einzigkeit des Selbstbewußtseins enthalten ist, die erst aus dem Bewußtsein der Synthesis mannigfachen Bewußtseins von Vorstellungen entspringen kann (ebenso wie der Begriff 12 noch nicht im Begriff der Summe von 5 und 7 wirklich enthalten ist, sondern erst erzeugt werden soll). Der oberste Grundsatz unseres Denkens überhaupt ist also derjenige, der die Abhängigkeit der „Möglichkeit der logischen Form alles Erkenntnisses“ (ebd.) von der Möglichkeit der Apperzeption statuiert. In den Worten der B-Deduktion kann man sagen, daß die ursprünglich synthetische Einheit der Apperzeption der höchste Punkt für die Logik mit ihren logischen Formen und, nach ihr, für die Transzendentalphilosophie mit ihren Kategorien als Begriffen synthetischer Einheit von Anschauungen ist. Nun setzt diese synthetische Einheit aller möglichen Anschauung, wie jede synthetische Einheit, eine Synthesis voraus, deren Prinzip a priori wir schon kennen. Da dieses Prinzip selbst von keiner Erfahrung abhängt, so muß auch die hier geforderte Synthesis eine Synthesis a priori sein, die dem Vermögen Anschauungen a priori zu verbinden, der Einbildungskraft, angehört. Die transzendentale Einheit der Apperzeption als formale „Bedingung a priori der Möglichkeit aller Zusammensetzung eines Mannigfaltigen in einer Erkenntnis“ von der Kant hier spricht (A 118), gilt hier noch nicht, wie in der B-Deduktion, als Prinzip zweier ganz verschiedener, aber homologer Synthesen, der synthesis intellectualis und der synthesis speciosa. Wie aus dem Fortgang des Textes ersichtlich,

 Wolfgang Carl sagt in seinem sehr lesenswerten Kommentar Die Transzendentale Deduktion der Kategorien (Frankfurt/M. 1992), daß die Beziehung von bewußten Vorstellungen auf „mich als identisches Subjekt meiner Gedanken“ ein „Zusammenhang“ sei, der durch „einen synthetischen Satz zum Ausdruck gebracht“ werde (204). Aber die „Einigkeit“ des Selbstbewußtseins in allem besonderen Bewußtsein (bzw. die später so genannte „analytische Einheit der Apperzeption“) ist nicht dasselbe wie die Identität des Subjekts meiner Gedanken.

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denkt Kant bei den Worten „in einer Erkenntnis“ an die Anschauung als eine Weise der Gegebenheit von Objekten. Und das Mannigfaltige in der reinen oder empirischen Anschauung dient nun der reinen und darum „produktiv“ genannten Synthesis der Einbildungskraft als Material der Hervorbringung einer synthetischen Einheit dieses Mannigfaltigen. Diese Einheit ist also als Folge einer Synthesis durch die produktive Einbildungskraft zugleich indirekt Folge der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption, und beide sind Bedingungen a priori oder Gründe „der Möglichkeit aller Erkenntnis“ und damit auch der Erfahrung als empirischer Erkenntnis vermittelst der sinnlichen Anschauung. Synthesis und Einheit der Synthesis der Anschauung in der Einbildungskraft sind infolge ihrer Apriorität und wegen ihrer Begründungsfunktion für reine und empirische Erkenntnis „transzendental“ zu nennen, und sie erhalten ihre Notwendigkeit von der ursprünglichen Einheit der Apperzeption. Ebensowenig wie Kant zwei Arten von Synthesis (wie in B) unterscheidet, macht er einen Unterschied zwischen synthetischer Einheit der Anschauungen und den Schemata reiner Verstandesbegriffe, die ja ebenfalls Produkte der Einbildungskraft sind. Bevor die Kategorien genannt werden, bleibt die transzendentale Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung „in“ der Einbildungskraft noch unbestimmt, zumal auch die Zeit, die erst in A 124 als „eine reine innere Anschauung“ auftritt, hier nicht genannt wird. Dieselbe Unbestimmtheit haftet auch dem Ausdruck „vor“ an, der in der Behauptung Kants auftritt, das Prinzip der notwendigen Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft sei „vor der Apperzeption der Grund der Möglichkeit aller Erkenntnis“ (A 118). Denn einerseits wurde gesagt, daß die reine Apperzeption die Bedingung a priori auch der Synthesis der Einbildungskraft sei. Andererseits bedarf die Einheit der Apperzeption ihrer Wirklichkeit nach einer Synthesis eines Mannigfaltigen, bevor sie stattfinden kann. Da Kants Argumentation sich aber auf die Möglichkeit des Verstandes selbst und überhaupt richtet, läßt er das genaue Bedingungsverhältnis zwischen Apperzeption und Einbildungskraft offen. Jedenfalls spricht er von einer zweifachen Beziehung beider: die transzendentale Einheit der Apperzeption „bezieht sich“ auf die reine Synthesis der Einbildungskraft als deren Bedingung a priori, und die Einheit dieser Synthesis wird „in Beziehung auf die ursprüngliche Einheit der Apperzeption, als a priori notwendig vorgestellt“ (A 118). Das hinter diesen Vagheiten sich verbergende Problem besteht, in den Begriffen der B-Deduktion formuliert, darin, daß zwar die „analytische Einheit der Apperzeption“, d. h. das Bewußtsein der Identität des Selbst in allem besonderen Bewußtsein, „nur unter der Voraussetzung irgendeiner synthetischen [Einheit der Apperzeption] möglich“ ist (B 138), daß aber unter diesen auf irgendeiner Synthesis beruhenden synthetischen Einheiten der Apperzeption nur diejenige eine objektive ist, die in den logischen Funktionen der

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Einheit von Begriffen im Urteil enthalten ist. Da Kant aber in der ersten Auflage der Kritik keine Definition der Form eines Urteils gibt und innerhalb der Deduktion keinen Gebrauch von Urteilsformen und der Definition der Kategorien vermittelst der Urteilsformen macht, bleibt auch das Verhältnis von Einheit der Apperzeption, Synthesis der Einbildungskraft und Kategorien in weitem Umfang unbestimmt. Wenn es aber durch die von Kant vorgetragenen Überlegungen feststeht, daß die transzendentale Einheit der Synthesis der Einbildungskraft, die infolge ihrer (wenn auch ungeklärten) Abhängigkeit von der ursprünglichen Einheit der Apperzeption ihrerseits a priori notwendig ist, als reine Form der Grund der Möglichkeit aller möglichen Erkenntnis (sc. von Gegenständen) ist, dann muß das auch von der Erfahrung und ihren Gegenständen gelten. In dieser „reinen Form aller möglichen Erkenntnis“ von Gegenständen verbirgt sich also zugleich die Gesamtheit aller Kategorien und deren Schemata und das Problem ihrer Fundierung in den Urteilsformen. Aber indem Kant diese reine Form aller uns möglichen Erkenntnis als gemeinsames Produkt von Apperzeption und Einbildungskraft darstellt, hat er sich den Weg eröffnet, auf einen Schlag eine Antwort auf die Frage nach der inneren Möglichkeit des Verstandes und nach dem Grunde der Notwendigkeit seines Denkens und Erkennens von Objekten, bzw. nach einer notwendigen Beziehung zwischen synthetischen Vorstellungen und ihren Gegenständen zu geben, ohne die Möglichkeit der Erfahrung vorauszusetzen. Wenn Kant nämlich in A 118 sagt, durch die reine Form aller möglichen Erkenntnis müßten auch „alle Gegenstände möglicher Erfahrung a priori vorgestellt“ werden, so hat er dabei nicht nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung gefragt, sondern umgekehrt eine Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit aller uns möglichen Erkenntnis gegeben, sofern sie ihre Gegenstände a priori erkennen soll. Und diese Antwort lautet: es sind die Gegenstände möglicher Erfahrung, die a priori vorgestellt, d. h. gedacht werden, und da die zu ihrer Erkenntnis notwendige Anschauung bei uns nur eine sinnliche sein kann, so sind die Gegenstände möglicher Erfahrung die einzigen a priori erkennbaren Gegenstände. Das folgt aus der Eigenschaft unseres Verstandes, seiner inneren Möglichkeit nach auf Einbildungskraft und damit auf sinnliche, reine oder empirische, Anschauung angewiesen zu sein. Das ist gleichbedeutend mit dem Satz, daß die reine Apperzeption für sich keine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen enthält, also ihrerseits einer Mannigfaltigkeit ihr gegebener Vorstellungen bedarf, um sich an deren Synthesis verwirklichen zu können. Erfahrungserkenntnis in ihrer auf Synthesis von Anschauungen beruhenden Möglichkeit ist also für unseren diskursiven Verstand notwendig. Und die Gegenstände einer solchen notwendig möglichen Erfahrung sind nichts als die Teile der Natur, deren formale Einheit den Erscheinungen der Sinne als Gegen-

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ständen um der synthetischen Einheit der Einbildungskraft (in Beziehung auf die Einheit der Apperzeption) willen notwendig ist. Der kollektive Gegenstand Natur ist nur das sinnlich bedingte Korrelat der ursprünglichen Einheit der Apperzeption, auch dieses Ergebnis ist ganz unabhängig von der Frage nach der Möglichkeit der Erfahrung. Kants Definitionen des Verstandes als „Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft“ und des reinen Verstandes als „Einheit der Apperzeption […] beziehungsweise auf die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft“ (A 119) dienen also zur Begründung der Behauptung, „daß im Verstande reine Erkenntnisse a priori […] enthalten sind“. Mit diesen reinen Erkenntnissen a priori sind die Kategorien bezeichnet, die nun als Verstandesbegriffe anzusehen sind, welche die wegen der Einheit der Apperzeption notwendige Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft enthalten. Die Synthesis der Einbildungskraft und deren Einheit beziehen sich, als reine oder transzendentale, nicht direkt auf Erscheinungen, sondern sie werden nur gedacht „in Ansehung aller möglichen Erscheinungen.“ (ebd.) Hinter dieser kryptischen Formulierung verbirgt sich die synthetische, aber nicht auf Begriffen des Verstandes beruhende Einheit von Raum und Zeit, die ihrerseits der Natureinheit zugrundeliegt. Der reine Verstand ist also konzipiert als Gesamtheit der Kategorien und als notwendige Form a priori in der „empirischen Erkenntniskraft des Menschen“ (ebd.). Aber dieses Enthaltensein des Verstandes ist nichts, auf das als Requisit der Erfahrung zurückgeschlossen würde, sondern umgekehrt ist diese empirische Erkenntniskraft nur eine Einkleidung des Verstandes als Folge seiner inneren Verbindung von Apperzeption und Einbildungskraft. Der so gedachte Verstand, in Beziehung auf Gegenstände der Sinne oder Erscheinungen gedacht, macht sie dadurch erst zu „Data zu einer möglichen Erfahrung“ (ebd.). Erscheinungen, durch den Verstand und seine Begriffe gedacht, sind nicht eo ipso schon Gegenstände einer möglichen Erfahrung. Denn der Begriff eines bestimmten Gegenstandes ist bloß eine Fortbestimmung des Begriffs von einem Gegenstande überhaupt, dessen besondere Bestimmungen im Falle der Erscheinungen aus der zufällig gegebenen sinnlichen Anschauung stammen. Aber während alle Gegenstände möglicher Wahrnehmung Erscheinungen sind, so sind doch nicht alle Erscheinungen schon als solche Gegenstände möglicher Erfahrung. Denn der Begriff der Erfahrung impliziert, daß derjenige, der sie macht, eine Reihe von Wahrnehmungen auf Objekte bezieht, nachdem er diese Wahrnehmungen unter dem Gesichtspunkte der Objektivität geprüft und eventuell verworfen hat. Zur Erfahrungserkenntnis von Gegenständen gehört wesentlich, daß sie gesucht wird sowie daß sie korrigierbar ist und sich ändern kann, während ein Gegenstand als Erscheinung genau der ist, als welcher er durch seinen empirischen Begriff gedacht wird. Erscheinungen als

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Gegenstände sind bloß intentionale Objekte ihrer Begriffe, während Gegenstände der Erfahrung ihre Objektivität nicht ihrem empirischen Begriffe, sondern ihrem Zusammenhang mit allen anderen Erscheinungen und seiner gesetzlichen Bestimmtheit verdanken. Wenn Kant also von den Erscheinungen sagt, daß sie als bloße „Data zu einer möglichen Erfahrung“ eine notwendige Beziehung auf mögliche Erfahrung haben, so kann dies, da die Möglichkeit der Erfahrung nicht vorausgesetzt, sondern gerade erst als notwendig erwiesen werden soll, nicht bedeuten, daß sie faktisch in jeder möglichen Erfahrung vorkommen. Kant gibt einen Grund a priori dafür an, daß die Beziehung der Erscheinungen auf mögliche Erfahrung notwendig ist³, wenn er sagt: „weil wir ohne diese gar keine Erkenntnis durch sie bekommen würden und sie uns mithin gar nichts angingen“ (A 119). Das bedeutet, daß Erscheinungen nur Gegebenheiten, data zu einer Erkenntnis sind, die, wenn es sie gibt, empirische Erkenntnis oder Erfahrung sein muß. Aber warum müssen Erscheinungen etwas sein, durch das wir eine Erkenntnis bekommen? Die Antwort, die Kant gibt, lautet: weil sie uns sonst gar nichts angingen, Erscheinungen stehen also darum in Beziehung auf Erkenntnis durch sie, weil wir sie, indem wir uns ihrer bewußt sind, und sie damit anfangen, uns etwas anzugehen und aufhören, nichts für uns zu sein, den notwendigen Bedingungen allen Bewußtseins, also der Apperzeption als einer angesichts ihrer möglichen Einheit des Selbstbewußtseins und darum auch den Bedingungen a priori der Einheit der Synthesis der Einbildungskraft also den Kategorien, unterwerfen. Erscheinungen aber unter diesen Bedingungen bewußt machen heißt, sie auf mögliche Erfahrung vermittelst ihrer zu beziehen und sie damit in Verbindung mit allen anderen Erscheinungen zu setzen. Diese mögliche Erfahrung, vermittelst einer Erscheinung als Ausgangsdatum, ist also um der Einheit der Apperzeption und der von ihr abhängigen Einheit der Synthesis der Einbildungskraft willen selbst notwendig. Ist also der reine Verstand ein formales und synthetisches Prinzip aller Erfahrungen, zu denen Erscheinungen als bewußte in einer notwendigen Beziehung stehen, so ist damit auch erwiesen, daß die Erscheinungen, trotz ihrer völligen Unabhängigkeit vom Verstand in ihrer Gegebenheit, eine notwendige Beziehung auf diesen Verstand haben. Die Erscheinungen stehen somit nicht als gegebene

 Carl (a.a.O. 213) verweist in seinem Kommentar zu dieser Stelle auf eine Vorlesungsnachschrift, nach welcher „alle Gegenstände der Erkenntnis […] Gegenstände der Erfahrung“ sind. Abgesehen von der Schiefheit der Formulierung geht es hier aber nicht um eine Einschränkung des – Gegenstandsbereichs, sondern um die Notwendigkeit der Beziehung von Erscheinungen auf mögliche Erfahrung als Folge der Notwendigkeit der Beziehung der Erscheinungen auf den Verstand (und die Einheit seines Selbstbewußtseins) als Prinzip ihrer möglichen Gegenständlichkeit.

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empirische Vorstellungen, aber als bewußte sinnliche data in einer Verbindung mit anderen möglichen Erscheinungen und Vorstellungen, durch die und deren Synthesis sie auf die Einheit der Apperzeption beziehbar werden. Sofern die Kategorien Begriffe der dadurch notwendigen Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft sind, ist ihre objektive Gültigkeit von Erscheinungen als data einer möglichen Erfahrung und damit von den Gegenständen einer möglichen Erfahrung a priori erwiesen. Da die Einheit der Apperzeption als ursprüngliche und eine Synthesis notwendig machende Einheit, auf Erscheinungen bezogen, den Begriff von einem dem Verstande gegebenen Gegenstande notwendig macht, so ist das Denken von Objekten der Erscheinungen vermittelst Begriffen, in denen die synthetische und notwendige Einheit ihres Anschauungsmannigfaltigen gedacht wird, dem Verstande als solchem selbst notwendig. Die Deduktion der Kategorien aus der Möglichkeit des reinen Verstandes selbst ist damit vollendet.

Kants Raumargumente und die Begründung des transzendentalen Idealismus Obgleich es nach Kant keinen klassischen Autor der Philosophie gibt, hat ihn doch selbst das Schicksal ereilt, für einen solchen Klassiker zu gelten. Die epochemachende Wirkung insbesondere der Kritik der reinen Vernunft zeigte sich u. a. darin, daß ihre Inhalte bald als Lehrstoff und Schulgut angesehen wurden. Kants höchst paradoxe Sätze galten dann bei den meisten Fachvertretern, sofern sie nicht seine ausgesprochenen Gegner waren, als Teile einer lehr- und lernbaren Philosophie, deren Unkenntnis und Unverständnis man sich und anderen nicht eingestehen konnte, ohne in den Verdacht der philosophischen Inkompetenz zu geraten. Die Kehrseite des einzigartigen Erfolges der Kantischen Philosophie bei den Fachgenossen bestand somit oft darin, daß seine Argumente, gerade wegen ihres hohen Ansehens als unverzichtbare Grundlagen des nachfolgenden Philosophierens, nicht mehr selbst analysiert und rekonstruiert, sondern nur noch wiederholt wurden. Das gilt in besonderem Maße für den Anfangsteil der Kritik der reinen Vernunft, die transzendentale Ästhetik, die zwar als eine Basis des Kantischen transzendentalen Idealismus anerkannt wurde, selbst aber – wie bei Fichte und später im Neukantianismus – als gegenüber dieser revolutionären Neuerung zweitrangiges Lehrstück galt, dessen Begründungsfunktion so entbehrlich schien, daß sein Hauptergebnis sogar als Folge eines schon anderweitig begründeten Idealismus angesehen werden konnte. So heißt es bei Fichte in der Wissenschaftslehre von 1794/95 trotz allen emphatischen Bekenntnisses zur Kantischen Philosophie als der einzig wahren: „Kant erweist die Idealität der Objekte aus der vorausgesetzten Idealität der Zeit, und des Raumes: wir werden umgekehrt die Idealität der Zeit und des Raumes aus der erwiesenen Idealität der Objekte erweisen.“¹ Nichts konnte einem Verständnis dieses für elementar gehaltenen Anfangsstückes der ersten Kritik mehr schaden als die voreilige Annahme, man habe es schon verstanden, und es komme nun darauf an, zu den vorgeblich wichtigeren oder fundamentaleren Lehrstücken rüstig fortzuschreiten. Die trügerische Leichtverständlichkeit der Anfangspartien der Kritik hat bei manchen Kant-Forschern der Gegenwart die entgegengesetzte Einschätzung begünstigt: der transzendentale Idealismus ist für sie schlecht oder gar nicht begründet, weil die in der transzendentalen Ästhetik vorgetragenen Argumente so augenscheinlich haltlos sind. Dabei wird vorausgesetzt, daß man schon wisse,  Johann Gottlieb Fichte: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band I, 2. Hrsg. v. R. Lauth und H. Jacobs. Stuttgart/Bad Cannstatt 1965, 335. https://doi.org/10.1515/9783110605327-016

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was diese Argumente besagen und wie sie zu verstehen seien. Ich werde im folgenden zu zeigen versuchen, daß einige leichtfertige Kritiken sogar des allerersten der Argumente der transzendentalen Ästhetik, sc. des ersten Raumargumentes, auf Mißverständnissen des Kantischen Textes beruhen. Da diese noch ca. 100 Jahre nach dem historisch breit untermauerten Interpretationsversuch Vaihingers bei angesehenen Autoren der heutigen Kant-Forschung zu verzeichnen sind, so bestätigt mich dies in der Vermutung, daß das scheinbar so schlichte erste Raumargument seit Kants Zeitgenossen Johann Schultz und Lichtenberg gar nicht mehr verstanden worden ist. In P.F. Strawsons einflußreichem Buch The Bounds of Sense (1966)² heißt es über die vier Raumargumente der 2. Auflage der Kritik, daß sie „four passages presented, and numbered, as arguments“ (58) seien, was im Klartext heißt, sie seien in Wahrheit gar keine Argumente oder doch so „weak in the extreme“ (ebd.), daß sie diesen Namen nicht verdienten. Ihre Untersuchung dient bei Strawson nur dazu, anzuzeigen „how unilluminating, taken by themselves, they are“ (ebd.). Das zeigt sich dann nach Strawson gleich beim ersten Raumargument. Es sei „really too short“, denn es besage nur, daß die Raumvorstellung nicht aus der Erfahrung von Objekten abgeleitet sein könne, die in räumlicher Beziehung zueinander und zu uns selbst stehen, weil eine solche Erfahrung die Vorstellung des Raumes voraussetze. Was hier nach Strawson fehlt, das ist eine Erklärung dessen, was dieses Vorausgesetztsein der Raumvorstellung denn besage. Der Text selbst enthalte nämlich nur die Tautologie „that we could not become aware of objects as spatially related unless we had the capacity to do so“ (ebd.). Und eben diese „capacity“ besteht nach Strawson wohl darin, daß wir über die Raumvorstellung schon verfügen. Ich werde auf den Tautologievorwurf noch zurückkommen. Hier begnüge ich mich damit, auf zwei Schwächen der Strawsonschen Wiedergabe hinzuweisen: (1) läßt Strawson Kant sagen, die Erfahrungsobjekte seien „spatially related to one another or to ourselves“ (ebd.). Damit hat er sich das Verständnis des Kantischen Textes schon verbaut. Denn dieser spricht in umgekehrter Reihenfolge von etwas Empfundenem außer mir, auf das ich mich beziehe, und fügt, eingeführt durch ein „imgleichen“, hinzu, daß diese empfundenen Dinge als „außer und neben einander“ (B 38) vorgestellt würden. M.a.W.: Die Dinge, die außer mir und von mir ortsverschieden sind, die sind auch untereinander durch ihre Orte unterschieden, nicht aber ist die Ortsverschiedenheit meiner selbst von den empfundenen Dingen ein Spezialfall von Ortsverschiedenheit überhaupt. Denn die als an verschiedenen Orten des Raumes existierend vorgestellten Dinge haben nicht selbst das Ver-

 P. F. Strawson: The Bounds of Sense. London 1966.

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mögen, sich auf etwas außer ihnen Befindliches zu beziehen, wohl aber enthält das Sichbeziehen auf ein räumlich vom Empfindenden verschiedenes Objekt die Relation des Nebeneinanderseins, die sich auch an den empfundenen Objekten im Raum aufzeigen läßt. Die Vertauschung der Reihenfolge dieser beiden Arten von Nebeneinander beweist die Verkennung des Kantischen Arguments durch seinen Kritiker Strawson. (2) Dieser beklagt die Unbestimmtheit des von Kant behaupteten „presupposing“. So übersetzt Kemp Smith nämlich das Kantische „zum Grunde liegen“ der Vorstellung des Raumes für die Erfahrung räumlich aufeinander bezogener Dinge. Aus dem Kontext ist zu erschließen, daß Strawson hier insbesondere den Gedanken vermißt, daß sich der Raum als Form zu den Empfindungen als Materie verhält und daß jene Form es macht, daß diese Materie „in gewissen Verhältnissen geordnet“ (A 20/B 34) werden kann. M.a.W. Strawson vermißt, daß das letzte Resultat der vier Kantischen Argumente, die befremdliche These nämlich, daß der Raum nichts als die Form der sinnlichen Anschauung sei, nicht schon als Beweismittel im ersten dieser Argumente gebraucht wird. Das wäre ein Zirkel im Beweisgang, wie er auch in Vaihingers Kommentar zum ersten Raumargument etwa ein halbes Dutzend mal vorkommt. Paul Guyer findet in seinem vielzitierten Buch Kant and the Claims of Knowledge (1987)³, daß die Menge der Kommentare, die über Kants Raumtheorie verfaßt worden sind, eher die Interessen der Philosophen an diesem Thema als die inneren Verdienste von Kants eigenen Theorien widerspiegelt. Die Raumargumente, die er „notorious“ nennt, hält er für Argumente für die Behauptung, daß der Raum eine reine und darum apriorische oder auch eine unerläßliche Form der Anschauung sei, ohne zu bemerken, daß davon in den angeblich „notorious arguments“ (345) gar nicht die Rede ist (und sein kann, s. o.). Insbesondere die ersten beiden Raumargumente sollen aber nun keineswegs beweisen, daß der Raum eine Form a priori der Anschauung ist, wie Guyer behauptet, sondern daß sein Begriff kein empirischer Begriff und daß seine Vorstellung eine in gewissem Sinne notwendige Vorstellung a priori ist. Die Worte „Form der Anschauung“ kommen in diesen Beweisgängen ebensowenig vor, wie der Raum dort überhaupt als Anschauung bezeichnet wird. Und wenn vom Raum im zweiten Argument gesagt wird, er sei „eine notwendige Vorstellung, a priori“ bzw. „eine Vorstellung a priori“ (A 24/B 38 f.), so ist dies im Sinne des vorhergehenden ersten Raumarguments zu verstehen, wo zweimal von der „Vorstellung des Raumes“ gesprochen wird. Die Vorstellung des Raumes ist die Vorstellung eines eigentümlichen Gegenstandes, den wir Raum nennen, aber dieser Raum ist keine Vorstellung, son-

 Paul Guyer: Kant and the Claims of Knowledge. Cambridge 1987.

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dern das in der Raumvorstellung Vorgestellte. Alle vier Raumargumente handeln von diesem Gegenstand Raum, und was dort bewiesen wird, das ist, daß seine ursprüngliche Vorstellung eine reine Anschauung ist. Daraus wird dann, nach diesen Beweisen, erschlossen, daß er eine bloße Form bzw. subjektive Bedingung unseres sinnlichen Anschauens sein muß, woraus wiederum folgt, daß die in ihm vorgestellten und durch ihn bedingten Gegenstände bloße Erscheinungen sind und keine Dinge an sich sein können, also bezüglich des Raumes das, was Kant den Lehrbegriff des transzendentalen Idealismus genannt hat (vgl. A 491/B 519). Obwohl also im ersten und zweiten Raumargument vom Raum als „Begriff“ und als „Vorstellung“ gesprochen wird, so bedeutet das jeweils nur, daß er das Gedachte und Vorgestellte unseres Vorstellens ist. Da aber äußere Erfahrung selber eine Weise der Vorstellung von Gegenständen ist, kann man sagen, daß die Vorstellung des Raumes diese Erfahrung in gewissem Sinne möglich macht, weil die Gegenstände dieser Erfahrung (notwendigerweise, wie sich zeigen wird) im Raum sind, der seinerseits Gegenstand einer nichtempirischen Vorstellung sein soll. Guyer sagt nun nicht nur, daß die beiden ersten Raumargumente den Raum als Form a priori der Anschauung erweisen sollen, sondern auch, daß die Raumvorstellung nach Kant darum nicht aus der Erfahrung von Objekten abgeleitet werden kann, weil Objekte nur aufgrund einer vorherigen (prior) Vorstellung des Raumes als in voneinander und von mir selbst verschiedenen Orten (locations) befindlich vorgestellt werden können (346). Hier haben wir wieder die Vertauschung der Reihenfolge der Ortsverschiedenheiten, die schon Strawson das Verständnis des ersten Raumarguments unmöglich machte. Guyer glaubt ferner, daß nach Kant Gegenstände überhaupt (at all) nur vermittelst der Vorstellung ihrer verschiedenen Orte im Raum als voneinander oder vom Ich (self) verschieden (distinct) vorgestellt werden können (vgl. ebd.), obwohl dies nach Kant nur von Gegenständen äußerer Erfahrung gilt. Und schließlich übersieht Guyer, daß der von ihm zitierte § 15 A der Dissertation De mundi sensibilis … von den äußeren Empfindungen und ihren Gegenständen sagt, daß „ich […] mir nur etwas als außer mir befindlich (ut extra me positum) denken (concipere) […] kann, wenn ich es mir als an einem Orte, der von dem, in dem ich selber bin, verschieden ist (tamquam in loco, ab eo, in quo ipse sum, diverso)“, vorstelle. (MSI, AA 02: 402.17– 18)⁴ Dem wird dann hinzugefügt (neque … nisi), daß auch als außereinander befindlich vorgestellte Dinge der Setzung (collocando) in verschiedene Orte des Raumes bedürfen. Schließlich wiederholt Kant den entscheidenden Gedan-

 Übersetzung nach: I. Kant: Über die Form und die Prinzipien der Sinnen- und Geisteswelt. Übers. u. mit Einl. u. Reg. hrsg. v. Klaus Reich. Hamburg 1958, 48.

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ken, wenn er sagt, daß die Möglichkeit äußerer Wahrnehmungen als solcher (perceptionum externarum, qua talium) den Begriff des Raumes (conceptum spatii) voraussetze (MSI, AA 02: 402.20). Der Begriff des Raumes ist also dafür, daß eine Wahrnehmung eine äußere Wahrnehmung ist, konstitutiv, weil Wahrnehmung von mir verschiedener Gegenstände ohne das Imraumsein dieser Gegenstände, als eines Kriteriums a priori ihrer Verschiedenheit von mir, nicht gedacht werden kann. Also wird der Raumbegriff auch seinem Inhalt nach nicht durch die äußere Wahrnehmung von Gegenständen erzeugt. Denn sonst wäre es nur ein empirisches Faktum, daß von mir verschiedene Gegenstände, von denen ich eine Wahrnehmung habe, sich im Raum befinden. Daraus wird im übrigen deutlich, daß auch die beiden ersten Raumargumente der Kritik der reinen Vernunft so verstanden werden müssen, daß der Unterschied von Anschauung und Begriff, der für die beiden letzten Raumargumente entscheidend ist, darin noch keine Rolle spielt. Betrachten wir nun die vier Raumargumente der Kritik im Überblick, ohne auf den genauen Wortlaut der entsprechenden Texte einzugehen. Die ersten beiden Raumargumente stellen notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen des Beweises für die transzendentale Idealität des Raumes dar, und damit für den transzendentalen Idealismus. Durch die Apriorität und Notwendigkeit der Raumvorstellung (bzw., wie sich herausstellen wird, der Raumanschauung) für die Möglichkeit der Erfahrung von äußeren Gegenständen wird zunächst ausgeschlossen, daß die Räumlichkeit der Gegenstände der Erfahrungswelt diesen (als an sich gegebenen Dingen) empirisch abgelesen werden kann. Wäre die Raumvorstellung eine empirische Vorstellung, und wäre der Raum eine Bestimmung gegebener Dinge an sich, die wir sozusagen nachträglich an ihnen anschauen und beobachten, dann könnten wir nicht a priori wissen, daß (1) die Erscheinungen der äußeren Erfahrung notwendig räumlich bestimmt sind, und daß (2) alle wirklichen und sogar alle möglichen Objekte der äußeren Sinne und der auf sie bezogenen Einbildungskraft im Raum sein müssen, den sie auf die eine oder andere Weise einnehmen oder gar erfüllen. Wir würden dies bei der Wahrnehmung räumlich bestimmter Dinge an sich selbst vielmehr nur als ein gegebenes Faktum empirisch konstatieren können, d. h. es könnten diese Dinge auch ohne das Merkmal der Räumlichkeit gedacht werden, und es könnten etwa in Zukunft auch Objekte der äußeren Erfahrung von uns angetroffen werden, die der Räumlichkeit entbehrten. Die ersten beiden Raumargumente begründen also die Behauptung der notwendigen und a priori einsehbaren Abhängigkeit äußerer Erfahrung und ihrer Objekte vom Raum, während das 3. und 4. Raumargument (der 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft) von der spezifischen Natur des Raumes selbst handeln und daraus auf den Anschauungscharakter unserer Vorstellung von ihm schließen. Erst durch das 3. und 4.

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Raumargument wird Kants Lehre von der transzendentalen Idealität des Raumes komplett, und erst durch sie wird der transzendentale Idealismus hinsichtlich äußerer Gegenstände, sc. daß sie bloße Erscheinungen sind und keine Dinge an sich sein können, vollständig begründet. Denn in ihnen wird zunächst auf den Anschauungscharakter der Raumvorstellung, deren Apriorität und Notwendigkeit schon durch das 1. und 2. Argument feststehen, geschlossen, und erst daraus folgt dann (nach den vier Argumenten), daß diese reine Anschauung eines a priori gegebenen Individuums namens ‚Raum‘ nur das Bewußtsein einer Form unseres eigenen sinnlichen Anschauens ist, die wir zu einem Quasiobjekt hypostasieren. Aus dieser Erkenntnis wiederum folgt, daß die Gegenstände im Raum ausweislich der apriorischen Bedingtheit ihres Angeschautwerdens vermittelst des Raumes, keine Dinge an sich sein können und also bloße Erscheinungen sind, wie der transzendentale Idealismus lehrt. Die beiden ersten Raumargumente sind für sich genommen noch nicht hinreichend für die Begründung des transzendentalen Idealismus. Denn aus der Apriorität der Raumvorstellung als eines möglichen Begriffes von Gegenständen der Erfahrung, ähnlich den Kategorien des Verstandes, ließe sich noch kein sicherer Schluß auf die bloße Subjektivität des Raumes, d. h. auf seinen ontologischen Status als bloße Form der spezifisch menschlichen Sinnlichkeit ziehen. Wäre die Raumvorstellung ein reiner Verstandesbegriff, so bliebe die Möglichkeit immer offen, daß der Raum selbst ein Ding an sich oder eine Beschaffenheit von Dingen an sich, nämlich die Gesamtheit ihrer möglichen Lagebeziehungen, wäre. Dieser reine Verstandesbegriff könnte ja dann gleichzeitig ein Begriff von einer Gesetzlichkeit des Vorstellens von Dingen durch uns sein, also einerseits Begriff von Objekten an sich und andererseits Begriff von der formalen Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens eines erkennenden Subjekts.⁵ Auch wenn dann die Frage nicht beantwortet werden könnte, woher man denn wisse, daß alle Gegenstände der äußeren Erfahrung an sich (d. h. als Dinge an sich selbst betrachtet) im Raum seien oder gar sein müßten, d. h. auch bei der Einsicht in die Unmöglichkeit einer Deduktion dieses dafürgehaltenen reinen Verstandesbegriffs ‚Raum‘ als eines von Dingen an sich objektiv gültigen Begriffes, könnte die Möglichkeit nicht a priori ausgeschlossen werden, daß dieser Raumbegriff zugleich transzendentale Idealität und transzendentale Realität hätte. Die These von der ausschließlich subjektiven Gültigkeit der Raumvorstellung als einer Gegenstandsvorstellung a priori, d. h. die Behauptung, daß der Raum lediglich eine Form der Sinnlichkeit ist und daß die Gegenstände in ihm nur Erscheinungen sein können,

 Zu dieser u. a. von Hegel und Trendelenburg vertretenen Auffassung und ihrer Widerlegung vgl. meinen Beitrag Dinge an sich und Raum bei Kant, s.o. S. 123 ff.

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bedarf also außer der Apriorität der Raumvorstellung noch des Anschauungscharakters zu ihrer Begründung. Nur wenn der Gegenstand der Vorstellung in ihr unmittelbar gegeben wird, ist diese Vorstellung nicht die eines (möglicherweise unendlich vielen Gegenständen) gemeinsamen Merkmals, an dem ich darunter subsumierbare Gegenstände erkennen kann, sondern die des Gegenstandes selbst als eines Individuums. Aber der Anschauungscharakter der Raumvorstellung ist seinerseits nur dann ein zureichender Beweisgrund für ihre bloße Subjektivität, wenn die Apriorität und Notwendigkeit der Raumvorstellung, die im 1. und 2. Argument noch nicht als etwas Nichtbegriffliches behauptet werden, schon feststeht. Denn die Anschauung des Raumes und der Dinge in ihm wäre als eine bloß empirische Vorstellung ihrerseits kompatibel mit der These, daß die so als räumlich angeschauten Dinge auch an sich räumlich beschaffen sind. Der transzendentale Idealismus Kants bedarf also zu seiner Begründung in jedem Falle zunächst der Sicherung der Apriorität und der Notwendigkeit der Raumvorstellung, und diese geschieht allein im 1. und 2. Argument. Dem Verständnis dieser als leicht nachvollziehbar geltenden Textpassagen dienen die folgenden Bemerkungen, die insbesondere von der philosophischen Problemgeschichte des Raumbegriffes im 18. Jahrhundert handeln, sofern sie für das erste Raumargument von Bedeutung ist. Das Argument besagt in Kürze, daß der Raumbegriff nicht aus der äußeren Erfahrung abgeleitet werden könne, da er der Möglichkeit äußerer Erfahrung überhaupt zugrundeliege. Ist er aber kein empirischer Begriff, so muß er ein Begriff oder jedenfalls eine Vorstellung a priori sein. Das Argument scheint simpel genug, um dem Verständnis keine Schwierigkeiten entgegenzusetzen. Zur äußeren Erfahrung gehört nach Kant, daß gewisse Empfindungen auf etwas außer mir (ich folge, wie die Akademie-Ausgabe, der Konjektur Mellins, der „mir“ statt „mich“ liest) bezogen werden, und dieses „etwas“, eine „äußere Erscheinung“ (B 38), steht seinerseits in einem Verhältnis zu anderen äußeren Erscheinungen, die sich allesamt außer- und nebeneinander befinden bzw. von mir als in verschiedenen Orten des Raumes befindlich vorgestellt werden. Demnach besagt das Argument anscheinend, daß dem räumlichen Unterschied verschiedener Orte, an denen ich und die Erscheinungen als existierend vorgestellt werden, die Vorstellung des Raumes zugrundeliegen müsse, und d. h. das erste Argument besagt so verstanden nur die Trivialität, daß räumliche Verschiedenheit den Raum voraussetze. Die Priorität des Raumes vor den verschiedenen Orten in ihm ist aber nicht geeignet, die Apriorität der Raumvorstellung überhaupt darzutun, denn auch bezüglich empirischer Vorstellungen kann es Prioritäten geben, ohne daß daraus folgte, daß die jeweils grundlegende Vorstellung nicht empirisch sein könne. Das Kantische Argument für den nichtempirischen Charakter der Raumvorstellung ist also so verstanden unbrauchbar.

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Faßt man den Text näher ins Auge, so spielt die Raumvorstellung darin eine Doppelrolle. Zunächst liegt sie der Beziehung gewisser Empfindungen auf etwas außer mir und dann auch den mannigfaltigen Erscheinungen, auf die sie bezogen werden können, zugrunde. Nimmt man die erste Rolle als fundamental an⁶, dann ergibt sich zunächst folgende Lesart des Textes: Der Möglichkeit, daß „gewisse Empfindungen auf etwas außer mir bezogen werden, (d.i. auf etwas in einem anderen Orte des Raumes, als darinnen ich mich befinde)“ (A23/B30), liegt die Vorstellung vom Raum schon zugrunde. Da von dem Ich, das die Empfindungen auf etwas anderes bezieht, gesagt wird, daß es sich in einem bestimmten Ort des Raumes befindet, so muß es sich dabei um den Körper eines Menschen handeln. Dementsprechend müßten die Empfindungen, von denen hier die Rede ist, Zustände des empfindenden Körpers bzw. seiner Sinnesorgane sein, die durch den Verstand auf einen an einem anderen Ort des Raumes befindlichen Körper (als deren Ursache) bezogen und ihm zugleich als sekundäre Sinnesqualitäten zugeschrieben werden. Dann aber besagte das Argument insofern wieder nur die für Kants Zwecke ganz untaugliche Trivialität, daß das Verhältnis von Körpern in verschiedenen Orten des Raumes den Raum voraussetze. Will man diese Lesart vermeiden, so liegt es nahe, die genannten Empfindungen als Zustände nicht des Körpers, sondern der Seele anzusehen. Empfindungen sind dann etwas in mir, d. h. im inneren Sinn und seiner Form, der Zeit, Gegebenes, und dieses Innere wird von mir auf etwas außer mir bezogen. Bei dieser Lesart handelt man sich allerdings die Schwierigkeit ein, daß das Ich, auf das sich die Wendung ‚etwas in mir‘ bezieht, ein anderes sein muß als das Ich, von dem in der Wendung ‚etwas außer mir‘ die Rede ist. Denn das letztere Ich ist etwas im Raum, das erste Ich (ist oder) hat ein Empfindungsvermögen als Teil (oder Funktion) der Seele bzw. des Gemüts, von denen jedenfalls nicht feststeht, daß sie ihrerseits im Raum sind, zumal der Verstand, der das Beziehen der Empfindung zu vollbringen hat, schwerlich lokalisiert werden kann. Bei dieser Verdoppelung der Bedeutung des Terminus „Ich“ unterliegt der Schluß von der räumlichen Verschiedenheit zweier Relate auf den vorausgesetzten Raum sozusagen einer quaternio terminorum, was die Unbrauchbarkeit des 1. Raumarguments zur Vollkommenheit steigert.

 Klaus Reich hat in der ersten Auflage seiner Dissertation Die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel. Berlin 1932 darauf hingewiesen, daß die metaphysischen Erörterungen der Begriffe des Raumes und der Zeit und somit auch die vier Raumargumente in ihrer Anordnung den vier Kategorientiteln nach deren analytischer Abfolge (Modalität, Relation, Qualität, Quantität) entsprechen (vgl. 61). Demnach handelt das erste Raumargument also vom „Verhältnis“ des als Gegenstand vorgestellten Raumes „zum Erkenntnisvermögen“, also von seiner „Modalität“ (ebd.).

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Allerdings läßt sich die letztgenannte Lesart mit ihrer Ichverdoppelung vermeiden, wenn man sich dazu entschließt, der Seele einen Ort im Raume anzuweisen. Das geschieht z. B. durch Kant selbst in seiner Schrift Träume eines Geistersehers von 1766. Dort heißt es: „Wo ist der Ort dieser [d. h. als Geist gedachten] Seele in der Körperwelt? Ich würde antworten: Derjenige Körper, dessen Veränderungen meine Veränderungen sind, dieser Körper ist mein Körper, und der Ort desselben ist zugleich mein Ort. […] Wo ich empfinde, da bin ich. Ich bin ebenso unmittelbar in der Fingerspitze, wie in dem Kopfe.“ (TG, AA 02: 324.18 – 32) Und schließlich bekennt sich Kant fast vorbehaltlos zu dem Satz der „Schullehre“: „Meine Seele ist ganz im ganzen Körper und ganz in jedem seiner Teile.“ (TG, AA 02: 325.04– 05) Diese Auffassung von der Empfindung und der denkenden Seele als im Raume und somit in der Körperwelt lokalisierbarer Wesen vermeidet zwar die Ichverdoppelung, führt aber wieder auf die erstgenannte Schwierigkeit zurück: der Ort des Körpers als zugleich Ort der Seele im Verhältnis zum empfundenen anderen Körper an einem anderen Ort des Raumes setzen beide schon den Raum als den Inbegriff aller Orte voraus, diese Tatsache ist aber nicht geeignet, die Apriorität der Raumvorstellung zu beweisen. Bedenkt man diese und andere durch die genannten Lesarten des Kantischen Textes veranlaßten Probleme der Rekonstruktion eines triftigen Argumentes für die Apriorität der Vorstellung vom Raume, so bietet sich schließlich als Ausweg für ein Verständnis der Kantischen Worte, bei dem sich erst ein haltbares Argument ergibt, die Lesart an, nicht dem Ich, sondern der Empfindung eine doppelte Bedeutung zuzuschreiben, die Kant für die Zwecke seiner Beweisführung nicht unterscheidet. Einmal ist die Empfindung ein Zustand der Sinnesorgane und damit des empfindenden Körpers, zum anderen ist die Empfindung ein Zustand des Erkenntnisvermögens der Seele, der durch den Verstand zunächst auf den eigenen Körper des Menschen und dann auch auf andere Körper als durch entsprechende Qualitäten qualifizierte Ursachen der Affektion bezogen wird. Dadurch kann der Empfindung also ein Ort ihrer Entstehung und eine Herkunft aus der Erscheinungswelt zugeschrieben werden. Identifiziert man so die Empfindung als Seelenzustand mit der Empfindung als Körperzustand, so vermeidet man zumindest zwei Probleme: (1) das Cartesische Problem, die Existenz der Körperwelt mitsamt der Existenz des eigenen Körpers erst beweisen zu müssen, bevor man Ort und Ursache der körperlichen Empfindung mit der Empfindung als cogitatio der Seele verknüpfen kann. Kant hätte also, wenn er nicht stillschweigend körperliche und seelische Empfindung identifiziert hätte, die Probleme des problematischen oder assertorischen materialen Idealismus und seiner Widerlegung der allerersten Einführung des apriorischen Raumbegriffs vorausschicken müssen, obwohl sich diese Pro-

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bleme ohne einen zureichenden Begriff vom Raume weder adäquat stellen noch lösen lassen. (2) Das zweite Problem, das Kant durch seine Identifizierung zweier Empfindungsbegriffe vermeidet, ergibt sich aus dem Systemcharakter seiner Kritik der Metaphysik. Verknüpft man nämlich die Empfindung in uns mit der Körperempfindung als Ereignis in der materiellen Welt außer uns als die Wirkung mit einer Ursache, so scheint der Körperzustand sich dadurch von der Vorstellung als Seelenzustand unterscheiden zu müssen, daß er im Körper und damit im Raum lokalisiert wird. Der Raum könnte dann im folgenden nicht mehr als eine Vorstellungsart und damit als etwas mir, dem Vorstellenden, Inhärierendes angesehen oder gar erwiesen werden, da man durch den bloßen Hinzutritt einer Vorstellung (des Raumes) zu einer anderen Vorstellung (der Empfindung) nicht zu den vorgestellten Objekten hinauszugelangen scheint. Statt der Probleme eines materialen Idealismus erheben sich somit spiegelbildlich dazu die Probleme einer transzendentalen Realität des Raumbegriffs: der Raum scheint etwas an sich Objektives und Reales sein zu müssen, um das Objekt enthalten zu können, auf das als Ursache ich die Empfindung qua Vorstellung in mir beziehen kann. Oder aber der Raum wird einerseits als ein realer Behälter meiner selbst und der von mir erfahrenen Dinge an sich gedacht, der sich aber zusätzlich des Status einer Vorstellung a priori erfreut. Es ist bekannt, daß Kants Widerlegung des materialen Idealismus und seine Lehre von einem formalen und zugleich transzendentalen Idealismus beide hier genannten (und miteinander verknüpften) Positionen vermeiden wollten. Die Einführung des Raumbegriffes als einer Vorstellung a priori kann sich aber weder mit der Aufgabe der Widerlegung des Idealismus belasten noch die transzendentale Idealität des Raumes, die durch die vier Raumargumente ja erst begründet werden soll, schon voraussetzen. Aus diesen darstellungsökonomischen Gründen bedient sich Kant des Kunstgriffs, die Empfindung als etwas einzuführen, das sowohl als Zustand der Seele als auch des Körpers angesehen werden kann, also nur dem Aspekt nach verschieden von sich selbst ist. Damit eröffnet er sich zugleich die Möglichkeit, die notwendige Funktion der Raumvorstellung als eines Datums a priori bei der Ermöglichung der äußeren Erfahrung zu erweisen, ohne sich der nutzlosen Trivialität bedienen zu müssen, daß räumliche Verschiedenheit den Raum voraussetzt. Wenn Kant also sagt, daß „gewisse Empfindungen auf etwas außer mir bezogen werden“ (A 23/B34) können, sc. durch mich und meinen Verstand, so ist dies eine Beziehung empirisch gegebener Vorstellungen des inneren Sinnes, die nur in der Zeit und nicht im Raume sind, auf von mir und meinen Vorstellungszuständen verschiedene Objekte, deren Verschiedenheit von mir nur durch die Vorstellung des Raumes erkennbar wird. Das wahrgenommene Objekt kann nur

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dadurch als ein von mir und meinen Empfindungen verschiedenes Objekt gedacht werden, daß ich mich der Vorstellung des Raums bediene, in dem ich mir selbst als Mensch und anderen äußeren Erscheinungen einen Ort anweise oder jedenfalls denke, daß sie im Raume voneinander entfernt oder in Berührung koexistieren. Die Raumvorstellung, und sie allein, ermöglicht es also, von mir und voneinander verschiedene empirisch gegebene Objekte (Nichtvorstellungen) aufeinander zu beziehen, aber primär ist sie das einzige Mittel, die Vorstellung eines von mir verschiedenen Objektes, das nicht mehr bloß in die Reihe meiner zeitlich aufeinanderfolgenden Vorstellungen fällt, zu ermöglichen und damit aller äußeren Erfahrung den (bzw. einen) Grund ihrer Möglichkeit zu verschaffen. Ohne den Raum wären von mir verschiedene Objekte für mich nicht empirisch erkennbar, gäbe es also keine äußere Erfahrung. Dabei wird von Kant vorausgesetzt, daß das Vorstellungsvermögen und seine Vorstellungen nichts Räumliches sind, daß also die Seele keinen Ort hat. Kant ist zu dieser Korrektur seiner Position in den Träumen eines Geistersehers durch die Lektüre von Leonhard Eulers Briefe an eine deutsche Prinzessin ⁷ veranlaßt worden, die 1769 auf Deutsch erschienen sind und auf die sich Kant in seiner Dissertation De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis von 1770 ausdrücklich beruft.⁸ Euler hatte behauptet, daß ein Geist wie die menschliche Seele „ein Wesen von einer ganz anderen Natur“ sei als ein Körper und daß der Wolffische Begriff der Monade, der sowohl für die kleinsten Elemente der Materie als auch für Geister einschließlich Gottes gelten sollte, ein diesen Wesensunterschieden ganz unangemessener Begriff sei. „Ein Geist [sagt Euler] ist also keine Monade, er ist nicht den letzten Teilchen gleich, in welche die Körper sich auflösen lassen“ (II 49). Darum sei auch die Frage nach dem Ort eines Geistes ungereimt: „denn sobald man einen Geist an einen gewissen Ort bindet, so legt man ihm eine Ausdehnung bey“ (ebd,), ignoriert also die Tatsache, daß ein Geist eine ganz andere Natur als ein Körper habe. Geister existieren vielmehr, „ohne in einem gewissen Ort zu existieren und man muß sagen, daß Geister vermöge ihrer Natur eigentlich nirgends sind“ (II 50). Zur Begründung für seine Behauptungen beruft sich Euler auf einen Parallelfall. Auch eine Stunde sei etwas „von einer völlig verschiedenen Natur“ verglichen mit einem Körper, und auch von einer Stunde könne man nicht sagen, an welchem Orte sie sich befinde, obwohl sie ohne Zweifel ein Etwas und nicht Nichts sei. Ebensowenig wie ein Geist, etwa meine Seele, in meinem Kopfe oder  Zitiert nach: [Leonhard Euler:] Briefe an eine deutsche Prinzessin über verschiedene Gegenstände aus der Physik und Philosophie. Aus dem Französischen übersetzt. Dritte Auflage. Leipzig 1784.  Vgl. Klaus Reich in der Einleitung seiner Ausgabe von De mundi sensibilis … (Anm. 4) XIV.

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außer meinem Kopfe existiere, könne ich von der gegenwärtigen Stunde sagen, daß sie in oder außer meinem Kopfe sei: „und doch ist sie wirklich“ (II 49). Implizit ist also hier die Lehre von Christian August Crusius, nach welcher alles Existierende als solches an einem Ort (und zu einer bestimmten Zeit) ist, bestritten, und Kant hat in der Dissertation De mundi sensibilis nicht versäumt, auf diesen Umstand hinzuweisen. Crusius hatte gegen die Wolffische Raumauffassung, nach welcher er „die Ordnung oder die Art und Weise [ist], wie viel Dinge neben einander zugleich“ sind (§ 49)⁹, eingewandt, daß dadurch keineswegs der „Raum oder das ubi“ definiert werde. Damit werde vielmehr nur „das Verhältniß, welches sich von dem Zugleichseyn der Dinge, die einen Raum einnehmen, abstrahiren läßt“ definiert. „Ein anders ist der absolute und gar nicht relativische Begriff von dem Raume selbst, durch welchen allererst die termini relati der von ihnen zu abstrahirenden Ordnung möglich gemacht werden.“ Diese durch den absoluten Raum erst ermöglichten Termini der Relation sind für Crusius die Substanzen, denn „der Raum ist dem ersten Begriffe nach nichts anders, als dasjenige, darinnen wir denken, daß die Substanzen sind, und welcher in Gedanken übrig bleibet, wenn wir dieselben davon abstrahiren“ (§ 48). Dieser absolute Raumbegriff ist aber nach Crusius schon im bloßen Begriff der Existenz von irgendetwas enthalten, so daß der Satz, daß „alles, was ist, irgendwo seyn, oder sich im Raume […] befinden müsse“ (ebd.) als ein ontologisches „Hauptaxiom“ aus dem Begriff der Existenz anzusehen sei. Zum Beweis für diese Behauptung einer notwendigen Verknüpfung von Existenzbegriff und Raumbegriff beruft sich Crusius auf die Art und Weise, wie wir zum Raumbegriff gelangen: „Nun wird jedweden die innerliche Erfahrung lehren, daß es ihm unmöglich sey, etwas als existirend zu denken, und doch nicht irgendwo zu denken, zu sagen, daß es sey und doch daß es nirgends sey. Aller Begriff wird hierdurch verschwinden, und nirgends seyn und nicht seyn ist in unserem Verstande gleichgültig.“ (§ 50) Es liegt auf der Hand, daß die Eulersche These von der Ortlosigkeit der Existenz der Geister und anderer unräumlicher Wesen als gegen Crusius gerichtet gelesen werden kann. Übernimmt man wie Kant Eulers Begriff der Geister als immaterieller Substanzen und scheidet zugleich das nur Denkbare (intellectualia) strikt von dem Materiellen als dem nur sinnlich Erfaßbaren (sensitiva), so muß man das genannte Axiom des Crusius als erschlichen (subrepticium) oder unecht (spurium) bezeichnen, da in ihm alle Dinge überhaupt, „auch wenn sie intellektuell verstanden werden sollen (etiamsi intellectualiter cognoscantur)“, der Be-

 Christian August Crusius: Entwurf der notwendigen Vernunftwahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegengestellt werden (2. Aufl. 1753). Darmstadt 1963. Kant besaß diese Ausgabe.

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dingung des Raumes im Existieren unterworfen werden.¹⁰ (MSI, AA 02: 413.32) Kant stimmt hier also in der Ablehnung des Relationscharakters des Raumes mit Crusius überein, wendet sich aber mit Euler gegen die These von der universalontologischen Geltung des Raumbegriffes. Kant hat seine eigene Auffassung in den Träumen eines Geistersehers, nach welcher die Seele einen Ort in der Körperwelt habe, der identisch mit dem Ort seines Körpers sei, in offensichtlicher Anlehnung an Euler in der Dissertation aufgegeben. Dort heißt es nun zur Begründung der Unräumlichkeit der Seele, daß „alles, was an sich nicht Objekt der äußeren Sinne […] sein kann, d. h. das Immaterielle, von der allgemeinen Bedingung des äußerlich sinnlich Wahrnehmbaren, nämlich dem Raume, gänzlich ausgenommen wird.“¹¹ (MSI, AA 02: 419 n) Der Grund für die Unräumlichkeit der Seele ist also ihre Immaterialität, und diese Eulersche Lehre vertritt Kant gleichzeitig mit der auch in der Kritik der reinen Vernunft geltenden Lehre, daß alles, was im Raume sei, bloße Erscheinung und kein Ding an sich sei. Man kann also sagen, daß Kant durch Euler dazu verleitet wird, einen in einem Dinge an sich liegenden Grund, nämlich die Immaterialität der Seele, für ihr Nicht-im-Raumsein anzugeben, obwohl die Lehre von der bloßen Subjektivität von Raum und Zeit ihn gemäß deren späterem Verständnis in der Kritik der reinen Vernunft dazu verpflichtet hätte, das nicht im Raum (und in der Zeit) Seiende als ein unerkennbares Ding an sich anzusehen, in dem also auch keine Natur anzunehmen ist, die es bewirkt oder ermöglicht, daß etwas im Raume oder nicht im Raume ist. Andererseits gilt für diese Kritik der reinen Vernunft, wie bei Euler, der Satz, daß die Seele nicht im Raume existiere und ferner, daß die Empfindungen in ihr nur vermittelst der Vorstellung des Raumes auf äußere, d. h. von ihr verschiedene Gegenstände, beziehbar sind. Das einzige Beispiel eines nichträumlichen Wirklichen, das Euler gibt, sc. die Stunde, die im übrigen keinerlei Ähnlichkeit mit einem immateriellen Geist hat, entspricht insofern der kritischen Lehre Kants, als die Empfindungen als Vorstellungen ausschließlich in der Zeit sind, wenn auch im übrigen für den kritischen Kant (in der theoretischen Philosophie) das denkende Ich als Gegenstand des inneren Sinnes zwar immateriell, aber kein spirituelles Ding an sich mehr ist. Die Empfindung als Vorstellung ist also nicht im Raume, als körperlicher Zustand eines lokalisierbaren Ich steht sie in Verhältnissen des Außer- und Nebeneinander zu Gegenständen im Raum. Diese sind relativ auf mich Gegenstände außer mir, und es ist der Doppelsinn des Terminus „außer mir“, der den Schlüssel zum Verständnis der Kantischen Beweisführung liefert. In der ersten Auflage des Paralogismen-Kapitels der Kritik

 A.a.O. (Anm. 4) § 27.  A.a.O. (Anm. 4) § 30.

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der reinen Vernunft weist Kant darauf hin, daß „der Ausdruck: außer uns, eine nicht zu vermeidende Zweideutigkeit bei sich führt“ (A373). Einmal bedeutet dieser Ausdruck etwas, „was […] von uns unterschieden existiert“ und in diesem Sinne existieren auch Dinge an sich selbst als von uns unterschiedene Dinge „außer“ uns. Zum anderen aber bezeichnet dieser Ausdruck „empirisch äußerliche Gegenstände“, und diese sind Dinge, „die im Raume anzutreffen sind“ (ebd.). Kant hat diese in der 2. Auflage gestrichene Unterscheidung im Rahmen seiner Erörterungen des 4. Paralogismus der rationalen Psychologie, der von dem Problem „der Realität unserer äußeren Anschauung“ (ebd.) und somit von den Problemen eines materialen Idealismus handelt, zur Begründung der Existenz äußerer, d. h. von bloßen Vorstellungen verschiedener Gegenstände, die aber keine Dinge an sich, sondern Erscheinungen im Raum sind, benutzt, – ein Kontext, der im 1. Raumargument noch keine Rolle spielt. Gleichwohl spricht der Text dieses Arguments von Gegenständen, die „nicht bloß verschieden, sondern […] in verschiedenen Orten“ (A23/B38) sind, und hier handelt es sich um eine Verschiedenheit der Gegenstände von mir, dem erkennenden Subjekt, einerseits und um eine Verschiedenheit des Ortes von Gegenständen, die gemeinsam mit mir im Raume sind, andererseits. In beiden Fällen handelt es sich um Gegenstände „außer mir“, und die Zweideutigkeit dieses Ausdrucks verbirgt leicht den eigentlichen Beweisgrund des ersten Raumarguments. Zunächst handelt es sich bei dieser Zweideutigkeit des Ausdrucks nicht notwendig um eine sprachliche Nachlässigkeit. Denn daß außer- und nebeneinander existierende Gegenstände allein schon durch ihre verschiedenen Orte im Raum unterscheidbare Substanzen sind, das ist keineswegs selbstverständlich, nämlich dann nicht, wenn man, wie in der Leibnizschule, die räumliche Verschiedenheit bloß als Folge und Ausdruck einer inneren, qualitativen Verschiedenheit der Dinge denkt. Daß Kants Unterscheidung „bloß verschiedener“ von „in verschiedenen Orten“ befindlichen Gegenständen eine anti-wolffische Spitze hat, wird denn auch aus Einwänden klar, die Johann Heinrich Lambert in seinem Neuen Organon von 1769 gegen Christian Wolffs Ontologia erhoben hat und die Kant wohlbekannt waren. Dort¹² heißt es in den §§ 49 u. 50 der Alethiologie, daß der Begriff „auseinander“ zwei Bedeutungen habe, nämlich einmal bloß soviel wie „verschieden“ besage, zum anderen aber habe er eine weit darüber hinausgehende Bedeutung, und man „würde […] irren, wenn man glauben wollte, daß die Verschiedenheit den Begriff, daß ein Körper außer dem anderen sei, erschöpfe, weil

 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrtum und Schein. Hrsg., bearb. u. mit e. Anhang versehen von G. Schenk. Erster Band. Berlin 1990.

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hier notwendig noch der klare und einfache Begriff des Raums dazu kömmt“ (375), der beispielsweise bei der Verschiedenheit von Erkenntniskräften der Seele keine Rolle spielt. Das Wort „auseinander“, dem Kants Wendung „Gegenstände außer mir „ entspricht, ist also zunächst nur zweideutig, weil es räumliche und bloß logische Verschiedenheit bedeuten kann. Aber die Vernachlässigung dieses Bedeutungsunterschiedes ist bei Wolff in seiner Raumtheorie begründet. Lambert bezieht sich auf den § 544 der Ontologia ¹³, in dem es heißt: „Si quid percipimus tanquam a nobis diversum, aut, si mavis, ubi nobis alicujus conscii sumus tanquam a nobis diversi et illud extra nos repraesentamus.“ Statt einer Übersetzung zitiere ich aus Wolffs deutscher Metaphysik¹⁴; § 740: „Die Seele stellet sich die Sachen, daran sie gedencket, als ausser sich vor, weil sie dieselben als von sich unterschieden erkennet“, und in § 752 heißt es: „Indem wir uns […] unserer bewusst sind; so erkennen wir ihren [der Sachen] Unterscheid von uns, und daher stellen wir uns die Sachen als ausser uns vor.“ Kant hat Lamberts Kritik an dieser Wolffischen Lehre, d. h. an Wolffs Verfahren, „den Begriff außer einander durch den Begriff der Verschiedenheit zu definieren“ (375), wie Lambert sich ausdrückt, offensichtlich übernommen, und er bestreitet wie dieser die Allgemeinheit des Satzes „Was von einander verschieden ist, ist außer einander“ bzw. er insistiert darauf, daß die Worte „außer einander „ im Sinne der bloßen Verschiedenheit, und „dem Ort nach außer einander“ nicht gleichbedeutend sind, eben weil im letzten Fall „der Begriff des Raums noch hinzukommen muß, den Wolff erst daraus herleiten wollte“ (376). Lamberts Bestreitung der Ableitbarkeit des Raumbegriffs aus dem Begriff der Verschiedenheit besagt also positiv, daß der Raum und damit die räumliche Verschiedenheit einfache und unableitbare Data sind, und auch darin ist Kant ihm gefolgt. Das zeigt sich etwa in der Kantischen Rechtslehre von 1797, wo gesagt wird: „Der Ausdruck: ein Gegenstand ist außer mir, kann […] entweder so viel bedeuten, als: er ist ein nur von mir (dem Subject) unterschiedener, oder auch ein in einer anderen Stelle (positus) im Raum […] befindlicher Gegenstand“ (MS, AA 06: 245.22– 25), und umgekehrt: „das Wort außer mir“ kann „einen anderen Ort, als wo ich bin“ bedeuten, aber auch „bloß etwas von mir Unterschiedenes“ (MS, AA 06: 268.16).Wenn also Kant sagt, daß gewisse Empfindungen (die des Gesichts und des Gehörs, oder auch die Körperempfindungen) auf „etwas außer mich [bzw. mir]“ bezogen werden können, so ist dieses 1. etwas außer mir, ein von mir ver Christian Wolff: Philosophia Prima sive Ontologia (1736) Edidit et curavit Joannes Ecole. Hildesheim/New York 1971.  Christian Wolff: Vernünftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt (1751). Mit einer Einleitung und einem kritischen Apparat von Ch. A. Corr. Hildesheim/Zürich/New York 1983.

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schiedenes Ding, das 2. und zugleich „in einem andern Orte des Raumes, als darinnen ich mich befinde“ gedacht wird, und der Überschuß des 2. gegenüber dem 1. Moment setzt den Begriff des Raumes als eines unableitbaren Datums a priori voraus, das Verhältnisse des möglichen Nebeneinanderseins enthält. Den durch Lambert kenntlich gemachten Unterschied von zweierlei Bedeutungen des „außer mir“ hat ein Kantleser terminologisch fixiert, der durch diese Bedeutungsunterscheidung zugleich einen Weg zu einem angemessenen Verständnis des ersten Kantischen Raumarguments eröffnet hat. Es ist Georg Christoph Lichtenberg¹⁵, der in seinen Sudelbüchern zwischen 1789 und 1796 mehrfach auf die damit zusammenhängenden Probleme zurückgekommen ist. So heißt es dort: „Daß es Wesen praeter nos gibt, daran zweifelt nur allein der Egoist und Idealist. Daß wir aber das praeter in extra verwandeln, und Wesen praeter nos für extra nos halten, sie im Raume verschieden gedenken, das scheint die Form der Sinnlichkeit zu sein“ (J 643). Mit der „Verwandlung“ des praeter nos in ein extra nos durch diejenige Form der Sinnlichkeit, die Kant als den Raum identifiziert hatte, ist in der Tat der nervus probandi des 1. Raumargumentes innerhalb der ganzen Beweisführung für die Idealität des Raumes getroffen. Lichtenberg hat diesen Gedanken ausführlicher in einer zweiten Reflexion variiert, die die Überschrift Außer uns trägt: „das was wir empfinden, ist bloß Modifikation unserer selbst, also in uns. Weil diese Veränderungen nicht von uns abhängen, so schreiben wir dieses andern Dingen zu die außer uns sind, und sagen es gibt Dinge man sollte sagen praeter nos, dem praeter substituieren wir die Präposition extra, das ist ganz etwas anders, das ist wir denken uns diese Dinge im Raume außerhalb unser das ist offenbar nicht Empfindung, sondern es scheint etwas zu sein was mit der Natur unser[es] sinnliche[n] Erkenntnis-Vermögens innigst verwebt ist, es ist die Form unter der uns jene Vorstellung des praeter nos gegeben ist. Form der Sinnlichkeit.“ (J 1537) *** Es bedarf nach der schon gegebenen Rekonstruktion keiner weiteren Erklärung der Richtigkeit der Lichtenbergschen Interpretation des 1. Kantischen Raumarguments und seiner Funktion für die Begründung des transzendentalen Idealismus. Es sei zum Abschluß aber darauf hingewiesen, daß Lichtenberg sich auch dessen bewußt war, daß durch das 1. (und, wie ich hinzufügen möchte, auch durch das 2.) Raumargument für sich genommen der transzendentale Idealismus  Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Band 1 und 2. Hrsg. v.W. Promies. München 1968 ff. Zu Lichtenberg im Verhältnis zu Kant vgl. auch den ausgezeichneten Aufsatz von Guenter Zoeller. „Lichtenberg and Kant on the Subject of Thinking.“ In: Journal of the History of Philosophy. 30 (1992). 417– 441.

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bzw. die transzendentale Idealität des Raumes noch nicht gesichert ist, sondern immer noch die Möglichkeit besteht, den Raum auch als eine Beschaffenheit von Dingen an sich zu denken, auch dann, wenn wir von dieser wie allen anderen positiven Beschaffenheiten der Dinge an sich nach Kant nichts wissen oder gar beweisen können. Es heißt bei Lichtenberg in einer dritten Reflexion: „Hier entsteht denn aber doch die Frage […]: wenn den Körpern objektive Realität verstattet wird [d. h. wenn sie als Dinge an sich genommen würden], und ihnen Eigenschaften zukommen, so wäre doch unter unzähligen Fällen auch der möglich, daß sie diejenigen hätten, die wir ihnen unserer Natur nach beilegen müssen [s.o.], nicht weil sie sie haben, sondern weil unter den unzähligen möglichen Formen der Anschauung doch auch diese [in] Übereinstimmung [mit den Dingen an sich] möglich wäre. Dieses wäre auch eine harmonia praestabilita. Allein hier ist wieder eine Frage, ob eine solche Frage zu tun verstattet ist?“ (K 64) Das damit aufgeworfene Problem einer gleichzeitigen transzendentalen Idealität und Realität des Raumes, das im Gedanken einer praestabilierten Harmonie zwischen dem Raum als Gesetzlichkeit unseres sinnlichen Anschauens und dem Raum als einer Existenzform von Dingen an sich enthalten ist, kann durch den Nachweis der Abhängigkeit äußerer Erfahrung von der Vorstellung a priori des Raumes nicht gelöst werden. Erst Kants 3. und 4. Raumargument stellen sich diesem Problem und sichern die transzendentale Idealität des Raumes durch den impliziten Nachweis der Unmöglichkeit seiner transzendentalen Realität. Das aber ist eine andere Geschichte.

Systemform und Selbsterkenntnis der Vernunft bei Kant 1 In der ersten deutschen Übersetzung von Humes „Inquiry Concerning Human Understanding“ von 1755 sagt deren Herausgeber Sulzer in seiner „Vorrede“ über Christian Wolff, er sei „der verehrungswürdige deutsche Philosoph, der der Welt das erste aneinander hangende System der Philosophie gezeiget“ habe. Nur „Euclides“ habe „ein ähnliches System der gemeinen Geometrie hinterlassen“,¹ wie Wolff es im Felde der Philosophie zustande gebracht habe. Nun haben wir nicht nur das imposante Wolffische System in seiner deutschen und lateinischen Ausarbeitung vor uns, von dem schon Sulzer wußte, daß es zu wenig studiert wurde, sondern glücklicherweise auch eine Abhandlung vom Jahre 1729, „De Differentia intellectus systematici et non systematici“,² in welcher sich Wolff über die Möglichkeit und Notwendigkeit der Systemform der Philosophie ausspricht. Zunächst aber ist dem „Discursus praeliminaris“ (1740) zu entnehmen, worauf die Ähnlichkeit des Wolffischen Systems der Philosophie mit dem Euklidischen System der Geometrie beruht. Dort heißt es: „Methodi philosophicae eaedem sunt regulae, quae methodi mathematicae“ („Die Regeln der philosophischen und der mathematischen Methode sind dieselben“), so daß man also kurz und bündig von der „identitas methodi philosophicae et mathematicae“³ sprechen kann. Die der Philosophie und der Mathematik gemeinsame Methode besage ja lediglich, daß man nur genau definierte Termini verwenden darf, nichts als wahr angenommen wird, was nicht hinreichend bewiesen ist, in den Sätzen (propositiones) der Wissenschaft Subjekt und Prädikat gleichermaßen genau bestimmt werden und alles, also Begriffe und Sätze, so angeordnet wird, daß dasjenige vorausgeschickt wird, wodurch das folgende verstanden und begründet wird (adstruuntur). Diese Identität der Methoden ist auch nicht verwunderlich, da sie beide aus demselben

 David Hume: Philosophische Versuche über die Menschliche Erkenntniß. Hrsg. von Johann Georg Sulzer. Hamburg und Leipzig 1755, Vorrede des Herausgebers (unpaginiert).  In: Christian Wolff: Horae subsecivae Marburgenses. Gesammelte Werke Abt. II, Bd. 34.1. Hrsg. und bearbeitet von Jean École. Hildesheim u. a. 1983, S. 107– 154.  Christian Wolff: Philosophia rationalis sive logica. Gesammelte Werke Abt. II, Bd. 1. Hrsg. und bearbeitet von Jean École. Hildesheim u. a. 1983. Pars I: Discursus praeliminaris de philosophia in genere, § 139 (im folgenden „Wolff: Philosophia“). https://doi.org/10.1515/9783110605327-017

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Grunde abgeleitet sind, nämlich dem Begriff der Gewißheit (ex notione certitudinis) der Erkenntnis (cognitionis). Das bedeutet aber auch, daß die Philosophie ihre Methode von der Mathematik nicht entlehnt. Denn auch wenn es gar keine Mathematik gäbe oder sie noch nicht so weit entwickelt wäre, daß sie gewisse Erkenntnis lieferte, könnte keine andere philosophische Methode gefunden werden, um zur gewissen Erkenntnis der Dinge zu gelangen. Also ist jeder Streit über die Anwendbarkeit der mathematischen Methode auf die Philosophie überflüssig. Beide Wissenschaften schöpfen ihre Methode „aus der wahreren Logik“ (ex veriori Logica), und diese gemeinsame Methode kann darum statt „philosophische“ richtig mit dem allgemeinen Namen „wissenschaftliche“ Methode bezeichnet werden, da ihre Gesetze ja jeder Erkenntnis als solcher zukommen sollen.⁴ Die wissenschaftliche Methode ist gar nichts anderes als die genaue Anwendung der logischen Regeln. Die Regeln der Logik aber sind allgemein und leiten in jeder Erkenntnis den Verstand (intellectum), damit er nicht vom Wege der Wahrheit abbiegt und in Irrtum verfällt. Die „wahrere“ Logik der Wolffischen „Philosophia rationalis“ ist aber selbst ein „systema logicum“ und keine bloße „compilatio“,⁵ da sie ihre wahren Sätze (veritates plurimae) sowohl untereinander als auch mit ihren Prinzipien, nämlich ihren Definitionen und Beobachtungen (observationibus) verknüpft. Ein System aber, wie Wolffs „Logica methodo scientifica pertractata“, ist ja ganz allgemein zu definieren als eine Ansammlung von Wahrheiten, die unter sich und mit ihren Prinzipien verknüpft sind („veritatum inter se et cum principiis suis connexarum congeries“).⁶ Die Anwendung der wissenschaftlichen Methode auf irgendeinen Bereich der menschlichen Erkenntnis macht daraus notwendig ein System von Erkenntnissen.⁷ In der schon erwähnten Abhandlung „De differentia“, die vom systematischen Verstand handelt, wird der Begriff eines Systems genauer bestimmt als im übrigen Werk Wolffs. Hier wird zunächst angegeben, worin die Verknüpfung der Sätze besteht, von der im „Discursus praeliminaris“ die Rede war. Sätze sind dann verknüpft, wenn die einen durch die anderen bewiesen werden, d. h, wenn die

 Wolff: Philosophia. a.a.O., Pars III, § 793, recte § 792.  Wolff: Philosophia. a.a.O., Pars III, § 889.  Ebd.  Schon mehr als hundert Jahre vor Wolff heißt es in Clemens Timplers Metaphysicae systema methodicum (1616) generell von der ars liberalis externa, zu der Logik, Metaphysik, Physik und Rhetorik gehören, sie sei ein „systema non confusum et perturbatum, sed bene secundum leges methodi ordinatum et dispositum.“ Zitiert nach Manfred Riedel, „System, Struktur“. In: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6. Hrsg. v. O. Brunner, W. Conze u. R. Koselleck. Stuttgart 1990, S. 285 ff., hier S. 293.

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Wahrheit eines Satzes durch andere Sätze, die wir als wahr anerkennen, bewiesen wird. Da in jedem bestimmten Satz der Begriff des Subjekts den zureichenden Grund dafür enthält, warum das Prädikat dem Subjekt zuzusprechen ist, kann die Wahrheit eines Satzes als Bestimmbarkeit seines Prädikates durch seinen Subjektbegriff definiert werden.⁸ Deshalb wird durch den Subjektbegriff bewiesen, daß das Prädikat dem Subjekt zukommt, wobei wir uns anderer Sätze als Prinzipien des Beweises bedienen. Es genügt also nicht, daß verschiedene Sätze einer Theorie vom selben Gegenstand handeln und dadurch untereinander verbunden sind, es bedarf eines deutlichen Begriffes von der Verknüpfung der Sätze untereinander, also von den Gesetzen der wissenschaftlichen Methode, um von einem wirklichen System reden zu können. Das Muster eines solchen Systems sind die Elementa des Euklid, in welchen die Sätze offenkundig aufs engste (arctissime) verknüpft sind,⁹ und dasselbe gilt für die Werke der ihm nachfolgenden alten Geometer und aller wahren Mathematiker, aber auch für die des Aristoteles, wie man aus dessen Organon ersehe.¹⁰ Er befolge hier die Methode Euklids, während der große chinesische Philosoph Konfuzius durch seine natürliche Anlage zum systematischen Verstand herausrage.¹¹ Unter den Neueren wird Descartes als Vorbild eines systematischen Denkers gepriesen. Wolff wendet sich dann gegen diejenigen, die bestreiten, daß es solche Elementarsysteme, wie die Euklidische Geometrie eines ist, auch außer der Mathematik geben könne. Deren Fehler beruhe darauf, daß sie, in Unkenntnis des Euklidischen Verfahrens, seinen Erfolg dem besonderen Gegenstand zuschrieben, statt seiner Methode. Aber aus der Wolffischen Logik sei zu ersehen, daß Euklids Methode nicht vom Gegenstand, sondern nur aus dem allgemeinen Begriff eines Dinges und aus der Natur des menschlichen Geistes („ex ipsa entis notione generali et mentis humanae natura“) abgeleitet sei.¹² Der Begriff des ens überhaupt und das Wesen des menschlichen Geistes, die die wissenschaftliche Methode ihrer Form nach (forma methodi) bestimmen,¹³ werden in der Ontologie, der Logik und der Psychologie abgehandelt, sie sind nicht auf Größen, von denen die Mathematik handelt, eingeschränkt. So beansprucht Wolff, fast alle von Euklid als Axiome angenommenen und ihnen verwandte Sätze auf die Grundbegriffe (notiones communes) seiner Ontologie zurückgeführt und die ihnen entsprechenden

 Ein Aussagesatz ist also dann und nur dann wahr, wenn sein Prädikatsbegriff mittelbar oder unmittelbar durch seinen Subjektbegriff bestimmt wird.  Wolff: De differentia, a.a.O., (Anm. 2), S. 112 f.  Wolff: De differentia, a.a.O., S. 115.  Wolff: De differentia, a.a.O., S. 116 ff.  Wolff: De differentia, a.a.O., S. 133.  Ebda.

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Sätze bewiesen zu haben. Die reine Mathematik entnimmt also ihre ersten Prinzipien der Ontologie, und die Logik, die die Gesetze des Verstandesgebrauches darlegt und beweist, entnimmt ihre Grundbegriffe (außer der Ontologie) der Psychologie. Es hindert also nichts, daß die Gesetze der wissenschaftlichen Methode auf alle Gegenstände, die der menschliche Geist zu erkennen vermag, angewandt werden und so Systeme von Wissenschaften hervorbringen, allen voran die Systeme der Philosophie, deren Elementarsysteme der Ontologie und Psychologie zur Metaphysik gehören, aber ihrerseits ihrer Form nach von der Logik abhängen. Wer also der Wolffischen Gründlichkeit auf den Grund gehen wollte, der müßte in diesem Beziehungsdreieck von Ontologie, Psychologie und Logik den Ursprung des Begriffes eines Möglichen (ens) überhaupt aufsuchen, welcher Ursprung zugleich das in der Natur des menschlichen Geistes liegende Prinzip aller Prinzipien, der Satz vom Widerspruch, ist. Schließlich macht Wolff in der Erörterung seines Systembegriffes eine unvermittelte Anmerkung. Ein Rechtssystem, wie das Corpus iuris civilis oder jedes andere System von Gesetzen, das ein System des Rechts in der wahren Bedeutung dieses Wortes sei, verdiene den Namen eines Corpus, „da ›tierischer Körper‹ (corpus animale) sich auf ein System bezieht, in welchem die Organe und ihre Teile nach dem Gesetz (ea lege) angeordnet sind, nach welchem den Wahrheiten in einem System zukommt, angeordnet zu werden (qua veritates in systemate ordinari convenit).“¹⁴ Obwohl also Wolff den Systembegriff auf den der Logik entnommenen Begriff der Methode gründet und das Muster eines Systems von Wahrheiten in der Euklidischen Axiomatik findet, zögert er nicht, das Gesetz der logischen Verknüpfung von Sätzen im Beweis mit dem „Gesetz“ der realen Verknüpfung der Glieder eines Organismus gleichzusetzen. Aber er gibt keine Erläuterung oder gar Begründung für die Behauptung dieser Identität.

2 In der „Vorrede“ zur zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“ nennt Kant diese Kritik einen „Traktat von der Methode“ der Metaphysik, der zwar selbst ein System der transzendentalen Untersuchung der Möglichkeit apriorischer Erkenntnis darstellt und in diesem Sinne zur Metaphysik gehört, nicht aber selbst „ein System der Wissenschaft“, (B XXII) nämlich ein wirkliches und vollbrachtes „System der Metaphysik“ (B XXIII) sein soll, wie es eine jede Metaphysik sein muß, die als Wissenschaft wird auftreten können. Dieses künftige und von Kant

 Wolff: De differentia, a.a.O., S. 148.

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nie fertig gestellte „System der Metaphysik“ wird „der strengen Methode des berühmten Wolff, des größten unter allen dogmatischen Philosophen, folgen“ (B XXXVI) müssen. Die Momente dieser strengen Methode, die Kant erwähnt („gesetzmäßige Feststellung der Principien, deutliche Bestimmung der Begriffe, versuchte Strenge der Beweise, Verhütung kühner Sprünge in Folgerungen“), (ebd.) beschreiben in der Tat die „methodus scientifica“ des Wolffischen Gesamtwerkes. Als Kant in der „Vorrede“ zur zweiten Auflage der „Kritik“ dieses wohl durch Jacobis Angriff auf den Wolffianer Mendelssohn, dessen Tod im Januar 1786 und den darüber hinaus fortgeführten sog. Pantheismusstreit veranlaßte Bekenntnis zu Wolff veröffentlicht, hat er schon im Jahre zuvor, in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft“, eben diesen mißverständlich so genannten mos geometricus befolgt.15 Dies tat er ungeachtet dessen, daß, seit der „Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral“ (1764) und erst recht seit der neubegründeten Entgegensetzung von mathematischer und philosophischer Methode in der ersten Auflage der „Transzendentalen Methodenlehre“ der „Kritik der reinen Vernunft“ über die Differenzen zu Wolff kein Zweifel bestehen konnte. Kant stimmt auch darin mit Wolff überein, daß die Metaphysik, wie jede Wissenschaft, die diesen Namen zu Recht beansprucht, eben dieser Methode ihren Wissenschaftscharakter verdankt. Denn eine Menge von metaphysischen Erkenntnissen ist nur dadurch eine Wissenschaft, daß sie ein „System der reinen Vernunft“ ist, nämlich „die ganze (wahre sowohl als scheinbare) philosophische Erkenntniß aus reiner Vernunft im systematischen Zusammenhange“. (B 869) Ein solches System der Metaphysik hätte Wolff besser als jeder andere Philosoph zustandebringen können, weil er wußte, wie „der sichere Gang einer Wissenschaft zu nehmen sei“, wenn er es nur nicht, wie alle Dogmatiker, an der „Kritik des Organs, nämlich der reinen Vernunft selbst“, (B XXXVI f.) hätte fehlen lassen, durch welches ein solches Vernunftsystem allein zustandegebracht werden kann. Kants Traktat von der Methode der Metaphysik ist zwar selbst ein „System“, auf dessen „Unveränderlichkeit“ er hofft, (B XXXVIII) und diese Kritik der reinen Vernunft kann als nichtempirische „Untersuchung alles dessen, was jemals a priori erkannt werden kann“, nur selbst ein Stück Metaphysik sein, aber sie ist dennoch kein System der Metaphysik, also keine „Darstellung desjenigen, was ein System reiner philosophischer Erkenntnisse dieser Art ausmacht, von allem empirischen aber, imgleichen dem mathematischen Vernunftgebrauche unterschieden ist“. (B 869) Und auch an dieser strikten Unterscheidung der metaphysischen Erkenntnis, als synthetischer Erkenntnis a priori, von aller empirischen und mathematischen Erkenntnis hatte es Wolff fehlen lassen. Die ganz neue Wissenschaft, die den Namen „Kritik der reinen Vernunft“ trägt, ist also eine Vorbereitungswissenschaft (Propädeutik) zum „System der

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reinen Vernunft“. (B 25) Dieses System ließe sich zustandebringen, wenn dazu ein „Organon“ zur Verfügung stünde, nämlich „ein Inbegriff derjenigen Principien […], nach denen alle reine Erkenntnisse a priori können erworben und wirklich zu Stande gebracht werden“. (B 24 f.) Zu diesen Prinzipien würden jedenfalls diejenigen „Begriffe a priori von Gegenständen überhaupt“ (A 11 f.) gehören, deren „System […] Transscendental-Philosophie“ (B 25) heißen müßte, worunter aber nicht mehr die Ontologie, sondern die Untersuchung ihrer Möglichkeit als Gegenstandserkenntnis a priori zu verstehen wäre, von welcher ihrerseits die vorgebliche aber nur „scheinbare“ metaphysica specialis abhinge, wenn sie nur eine realiter mögliche Erkenntnis wäre. Die Kritik als „Wissenschaft der bloßen Beurtheilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Grenzen“ muß also insgesamt als „Propädeutik zum System der reinen Vernunft“ (ebd.) angesehen werden, d. h. zu einem „vollständige[n] System der Philosophie der reinen Vernunft“ (B 26) oder zur Metaphysik, deren Fundamentalteil die Transzendentalphilosophie der Idee nach ist. Von dieser Transzendentalphilosophie als dem „System aller Principien der reinen Vernunft“ (B 27), unterscheidet sich die „Kritik der reinen Vernunft“ nur durch ihre Unvollständigkeit, die darin besteht, daß sie keine „ausführliche Analysis der ganzen menschlichen Erkenntnis a priori“ enthält. Also ist die „Kritik“ zwar ein System, aber kein „vollständig[es] System“ der reinen Vernunftprinzipien, und insbesondere enthält sie nicht eine „Verantwortung der Vollständigkeit einer solchen Analysis [aller Stammbegriffe der menschlichen Erkenntniß a priori] und [der] Ableitung“ (B 28) anderer reiner Begriffe aus ihnen. Die „Kritik“ geht also in der Analysis nur so weit, „als es zur vollständigen Beurteilung der synthetischen Erkenntnis a priori erforderlich ist“. Darum findet sich in ihr auch keine „Verantwortung“ der Vollständigkeit des Systems der Kategorien und der Urteilsfunktionen und insbesondere keine Ableitung dieser Elemente aus einem Prinzip. Kant hat die der „Kritik“ und der künftigen Metaphysik gemeinsame Systemform an vielen Stellen seines Werkes zum Thema gemacht, meist in Gestalt von Andeutungen und unter Verwendung von Metaphern, am ausführlichsten im „Architektonik-Kapitel“ der „Methodenlehre“, aus dem ich schon zitiert habe. Während er in der Phase der Überprüfung der Ergebnisse seiner Dissertation „De mundi sensibilis …“ aufgrund der Einwände von Mendelssohn und Lambert und der energischer werdenden Selbstkritik (die zum Projekt der „Kritik der reinen Vernunft“ führen sollte) gegenüber Marcus Herz 1771 davon spricht, daß er in sich den „skeptische[n] Geist“ (Br, AA 10: 122.25 – 26) aufwachen lasse und „nicht von der Systemensucht hingerissen ist“, (Br, AA 10: 122.36) hat er nach der Vollendung seiner ersten „Kritik“ eine Wolff weit überbietende Strenge des Systembaues gefordert. Die „gründliche Metaphysik als Wissenschaft“ müsse „dogmatisch und nach der strengsten Forderung systematisch […] ausgeführt werden“, (B XXXVI)

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und von der vorbereitenden „Kritik“ heißt es in den „Prolegomena“, daß sie notwendigerweise „als Wissenschaft systematisch und bis zu ihren kleinsten Theilen vollständig dastehen“ muß, um so als „Grundlage“ der neuen Metaphysik dienen zu können. (Prol, AA 04: 261.29 – 30) Es ist diese Ambivalenz von einerseits behaupteter Unvollständigkeit in der Analyse und Synthese der Begriffe und insbesondere hinsichtlich der Rechtfertigung der inneren Systematik der transzendentalen Kritik durch deren Herleitung aus einem höchsten Prinzip und andererseits behaupteter Vollständigkeit der Elementarbegriffe und Grundsätze des reinen Verstandes, die u. a. Reinhold und Fichte irritiert hat. Reinhold glaubte, der „Kritik der reinen Vernunft“ das vermeintlich fehlende Fundament (die „Prämissen“) nachliefern zu können, und Fichte beanspruchte, die in der Kantischen Propädeutik nur antizipierte Wissenschaft aller Wissenschaften vorgelegt zu haben, durch welche alle Philosophie, nun aufgehört habe, wie in der Vergangenheit bloße Liebe zur Wissenschaft zu sein. Diese ersten Vertreter des später sogenannten deutschen Idealismus mußten mit dem „Vertrauen“ (B XXXVIII) Kants kollidieren, die „Natur einer reinen speculativen Vernunft“ (B XXXVII) vollständig ausgemessen zu haben. Das von ihm vorgelegte System der Selbsterkenntnis der reinen Vernunft würde sich in seiner „Unveränderlichkeit“ (B XXXVIII) behaupten können, weil sein Gegenstand „einen wahren Gliederbau enthält, worin alles Organ ist, nämlich Alles um Eines willen und ein jedes Einzelne um aller willen“ bestehe, so daß „jede noch so kleine Gebrechlichkeit, sie sei ein Fehler (Irrtum) oder Mangel, sich im Gebrauche unausbleiblich verraten“ müsse. B XXXVIIf.) Und Kant gibt auch an, worin die Berechtigung seiner Zuversicht liege: es sei „die Evidenz, welche das Experiment der Gleichheit des Resultats im Ausgange von den mindesten Elementen bis zum Ganzen der reinen Vernunft und im Rückgange vom Ganzen […] zu jedem Theile bewirkt“. (B XXXVIII) Das genannte Ganze der reinen Vernunft enthält nämlich nicht nur die Aufgaben und Leistungen der theoretischen, sondern auch die der praktischen Vernunft, ja es wäre unmöglich, die reine Vernunft als ein gegebenes Ganzes von Erkenntnissen zu denken, wenn es nicht auch „die Endabsicht“ aller reinen Vernunft „im Praktischen“ enthielte. Dieser Endzweck der Vernunft in ihrem reinen Gebrauche ist das System der Sitten als dasjenige System von Pflichten, das aus der Selbstgesetzgebung für die Freiheit entspringt. Die reine praktische und insofern freie Vernunft ist der einzige Baustoff der Metaphysik der Sitten, die die höchste Bestimmung aller Vernunfterkenntnis darstellt. Die von Kant nur angedeutete wechselseitige Bestätigung von Metaphysik der Natur und Metaphysik der Sitten als Prüfstein der immanenten Wahrheit der ganzen Vernunfterkenntnis besteht eben in der Einsicht, daß „der Versuch, auch nur den kleinsten Theil abzuändern, sofort Widersprüche nicht bloß des Systems, sondern der allgemeinen Menschenvernunft herbeiführt“. (ebd.) Das Gesamt-

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system der Metaphysik ist also, in einer noch ganz anderen Weise als bei Wolff, in der systematischen Verfassung der menschlichen Vernunft gegründet, die es in allen drei Kritiken aufzudecken gilt. Das künftige „vollständige System der Philosophie der reinen Vernunft“ wird die Metaphysik der Natur als ersten Hauptteil enthalten, der seinerseits ein „System von nicht gar großem Umfange sein“ (B 26) wird, denn hier macht „nicht die Natur der Dinge, welche unerschöpflich ist, sondern der Verstand, der über die Natur der Dinge urtheilt, und auch dieser wiederum nur in Ansehung seiner Erkenntniß a priori den Gegenstand“ aus. (ebd.) Die an die Stelle der dogmatischen Ontologie tretende kritische Transzendentalphilosophie als grundlegender Teil einer Metapyhsik der theoretischen Vernunft ist demnach „die Idee“ einer projektierten Wissenschaft, zu der „die Kritik der reinen Vernunft den ganzen Plan architektonisch, d. i. aus Prinzipien, entwerfen soll, mit völliger Gewährleistung der Vollständigkeit und Sicherheit aller Stücke, die dieses Gebäude ausmachen“. (B 27) Systeme sind ganz allgemein hergestellte Lehrgebäude, sie werden erbaut nach einem Plan, der ihnen in den Gedanken eines Architekten zugrunde liegt. Bauplan und Struktur des Gebäudes sind isomorph, aber der ausgeführte Bau enthält mehr unterscheidbare materiale und sogar formale Elemente und Beziehungen, als sie der Plan enthielt. Nun ist dieser Plan im Falle der Metaphysik kein freier Entwurf, sondern das logische System dieser Theorie erhält seine Struktur nach dem Muster eines Realsystems der menschlichen Vernunft selbst, und es ist dieses als Vernunft existierende System von Handlungsweisen (operationes mentis), das der Erkenntnis durch eben diese Vernunft und vor allem ihrer Kritik bedarf. Denn die sich selbst überlassene, dem Menschen natürliche Vernunft ist eine geborene Metaphysikerin, die eine ebenso natürliche Neigung zur Dialektik, also zu Scheinerkenntnissen und Hirngespinsten hat, aus welchen nach Kant die Geschichte der Metaphysik besteht. Diese Kantische Konzeption der Vernunft, die in der Geschichte der Philosophie kein Vorbild hat, liegt also zugleich dem gegenüber Wolff noch gesteigerten Ideal der Strenge des Systems und der Forderung nach Selbstkritik und Vermeidung von Realisierung, Hypostasierung oder gar Personalisierung der Vernunftprodukte, der sogenannten Ideen, zugrunde. Ein besonders schlagendes Beispiel für diese metaphysische Scheinerkenntnis durch theoretische Vernunft bietet das transzendentale Ideal des allerrealsten Wesens, das die Spekulation als einen, und zwar notwendig existierenden Gegenstand zu erkennen vermeint. Kant hat in einer Fußnote skizziert, wie der Schein der theistischen Gottesvorstellung aus einer Vergegenständlichung des menschlichen Verstandes selbst entstehend gedacht werden kann: „weil die regulative Einheit der Erfahrung nicht auf den Erscheinungen selbst (der Sinn-

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lichkeit allein), sondern auf der Verknüpfung ihres Mannigfaltigen durch den Verstand (in einer Apperzeption) beruht, [scheint] mithin die Einheit der höchsten Realität und die durchgängige Bestimmbarkeit (Möglichkeit) aller Dinge in einem höchsten Verstande, mithin in einer Intelligenz zu liegen“. (B 611) Die Wahrheit der göttlichen Intelligenz ist also, so könnte man sagen, nichts als der menschliche Verstand als Gegenstand der Vernunft in der Idee vorgestellt, und so ist es in aller metaphysischen Scheinerkenntnis aus reiner theoretischer Vernunft.¹⁵ Denn alle angebliche Erkenntnis durch reine Vernunft beruht zwar auf einem in dieser selbst liegenden System, aber dieses System ist nur das System der reinen Verstandeserkenntnis, ins Unbedingte gesteigert und von den allein Erkenntnis ermöglichenden Bedingungen der reinen Anschauung befreit. Kant hat in den „Prolegomena“, im Anhang „Von dem System der Kategorien“, von diesem Kategoriensystem gesagt, es mache „alle Behandlung eines jeden Gegenstandes der reinen Vernunft selbst wiederum systematisch“ (Prol, AA 04: 325.04) und gebe „eine ungezweifelte Anweisung oder Leitfaden ab, wie und durch welche Punkte der Untersuchung jede metaphysische Betrachtung, wenn sie vollständig werden soll, müsse geführt werden: denn es erschöpft alle Momente des Verstandes, unter welche jeder andere Begriff gebracht werden muß“. (Prol, AA 04: 325.06 – 10) Folglich ist ein aus der menschlichen Vernunft geschöpftes System der Metaphysik nur in Abhängigkeit von diesem System der Kategorien möglich. Wenn also die transzendentale Methodenlehre von der „Architektonik“ als „Kunst der Systeme“ oder als „Lehre des Scientifischen in unserer Erkenntniß überhaupt“ spricht und von unseren „Erkenntnisse[n] überhaupt“ sagt, daß sie kein „bloße[s] Aggregat“ und „keine Rhapsodie, sondern […] ein System ausmachen“ müßten, (B 860) so ist dabei vor allem an das Gegenbild der Aristotelischen Rhapsodie der Kategorien zu denken, von der auch die „Prolegomena“ handeln. Was im folgenden über das System einer Wissenschaft überhaupt gesagt wird, ist, auch hinsichtlich des Vergleichs mit dem „thierische[n] Körper“, (B 861) den wir schon bei Wolff fanden, auf das System der Kategorien zu beziehen, das ja nach dem obigen der Leitfaden „jede[r] metaphysische[n] Betrachtung, wenn sie vollständig werden soll“ (Prol, AA 04: 325.07– 08), sein muß. Die Systemform der metaphysischen Erkenntnisse ist also gerade dadurch, daß diesen irgendwie das Kategoriensystem zugrunde liegt, „die Einheit [dieser] mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee“. Aber auch umgekehrt können diese Kategorien, als Erkenntnisse oder Erkenntnisstücke, nur dadurch ein System bilden, daß ihnen ihrerseits

 Kant kommt also gar nicht auf die Idee, die Selbsterkenntnis der Vernunft als eine Vollzugsform der Selbsterkenntnis des Absoluten im Erkennen des endlichen Menschengeistes zu denken.

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eine Idee zugrunde liegt. „Diese ist der Vernunftbegriff von der Form eines Ganzen, so fern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl, als die Stelle der Theile untereinander a priori bestimmt wird.“ (B 860) Im Falle des Kategoriensystems haben wir also ein Ganzes von Begriffen vom Gegenstande einer nichtintellektuellen Anschauung überhaupt, durch dessen ›Form‹ seine Teile, die Kategorien, in ihrer Anzahl (›Umfang‹) und ihrem Verhältnis zueinander, sofern sie sich nämlich in diesem Ganzen eine Stelle anweisen, bestimmt sind. Ein solches seinen eigenen Teilen vorhergehendes und sie bestimmendes Ganze sind für Kant die formalen Anschauungen von Raum und Zeit, die Naturzwecke und insbesondere alle Artefakte. Bei aller Unterschiedlichkeit kommt es diesen Ganzheiten gemeinsam zu, nicht aus Teilen aufgebaut zu sein, die zufällig zusammengeraten sind und so eine synthetische Einheit ausmachen, sondern eine ihre Teile ihrer Form und ihrer Zusammengehörigkeit nach erst ermöglichende, ursprünglich-synthetische Einheit zu sein. Da nun ein logisches System, wie das Kategoriensystem oder die Metaphysik, als eine Art von Artefakt angesehen werden kann, so muß ihm ein Zweckbegriff zugrunde liegen, ein Begriff von dem, was das Ganze sein soll, der dieser Form des Ganzen gemäß die Anzahl der zugehörigen Teile und deren wechselseitige Funktionen in diesem Ganzen der Erkenntnis bestimmt. Ist aber das Kategoriensystem oder gar die ganze Metaphysik als aus der reinen Vernunft irgendwie entsprungen anzusehen, so müßte diese menschliche Vernunft selbst nach Analogie eines Naturzweckes, also als ein intellektueller Gliederbau gedacht werden, und die Freiheit des Artifex (oder des Architekten) in der Auswahl und Anordnung der Teile seines Systems wäre beschränkt auf die bloße Abbildung oder Darstellung des ihm zur Selbsterkenntnis gegebenen Systems der Vernunft.Wäre aber – um bloß vom System der Kategorien zu sprechen – die Selbsterkenntnis der Vernunft in dieser Weise zu verstehen, so wäre es offenbar nur ein empirisches Faktum, daß die Vernunft ein in der Form des Systems der reinen Verstandesbegriffe gegliedertes Ganzes ist. Das Kategoriensystem kann aber kein bloßes in der Vernunft beobachtbares Faktum sein, wenn die Kategorien notwendige Bedingungen aller Objekterkenntnis sind und wenn solche Objekterkenntnis für den menschlichen Verstand und sein Selbstbewußtsein ihrerseits notwendig ist, wie es nach Kant der Fall ist. Also ist eine solche Art von empirischer Selbsterkenntnis der Vernunft mit dem Begriff der Kategorien und ihres Systems unvereinbar. Es bedarf also für die Erkenntnis des Systems der Kategorien als solcher zugleich einer Erkenntnis seiner inneren Notwendigkeit, und das heißt, die Vernunft, die das System der reinen Verstandesbegriffe enthält, kann sich nicht deskriptiv zu diesem System als etwas Gegebenem verhalten. Nun ist bekanntlich das System der Kategorien, das als Leitfaden eines jeden Systems der Metaphysik

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zu dienen hat, seinerseits von einem Leitfaden abhängig, dem System der Urteilsfunktionen. Die Vollständigkeit als Folge der systematischen Einheit der Kantischen Urteilstafel ist also nach ihrem Autor der letzte Grund aller Metaphysik als Wissenschaft, d. h. als System. Zweifel an der Möglichkeit eines architektonisch errichteten Systems der reinen Philosophie haben sich also letztendlich an dieses Kantische Unternehmen zu adressieren, jedenfalls betrifft dies diejenigen, die sich auf Kants Projekt bis hierhin einzulassen bereit sind. Nun hat es nicht an Philosophen und Interpreten gemangelt, die den Systemanspruch der Kantischen theoretischen Philosophie und dessen Rechtfertigung aus dem von Kant als vollständig behaupteten System der Urteilsfunktionen mehr oder weniger verständig und gründlich in Frage gestellt haben. Es fehlt auch nicht an Interpreten, die sich sogar auf Kant selbst berufen zu können glauben, wenn sie meinen, ein Beweis für die Vollständigkeit, sei es der Kategorien, sei es der Urteilstafel, sei a priori ausgeschlossen. Das scheint in einem Satz Kants gesagt zu sein, in dem sich die beiden genannten Leitfäden friedlich nebeneinander finden: „Von der Eigenthümlichkeit unseres Verstandes aber, nur vermittelst der Kategorien und nur gerade durch diese Art und Zahl derselben Einheit der Apperzeption a priori zu Stande zu bringen, läßt sich eben so wenig ferner ein Grund angeben, als warum wir gerade diese und keine anderen Functionen zu Urtheilen haben, oder warum Zeit und Raum die einzigen Formen unserer möglichen Anschauung sind.“ (B 145 f.) Das scheint zu bedeuten, daß die Kategorien und Urteilsfunktionen mitsamt ihrem sogenannten System ebensolche facta bruta sind, die wir hinzunehmen haben und von keinem Grunde ableiten können, wie es bei Zeit und Raum nun einmal der Fall ist. Umgekehrt hat man daraus übrigens geschlossen, daß die Behauptung der Ableitbarkeit der Kategorien und Urteilsfunktionen die Ableitbarkeit von Zeit und Raum zur Konsequenz haben müsse. Jedenfalls besagt der Satz Kants eindeutig, daß die Kategorien und Urteilsfunktionen mit demjenigen Verstande, den wir faktisch haben, mitgegeben sind, und das schließt ein, daß, wenn es die Möglichkeit der Ableitung der Urteilsfunktionen in ihrer systematischen Einheit geben sollte (und damit die der Kategorien), diese Ableitung nur unter Zugrundelegung der spezifischen Natur unseres diskursiven, der Begriffe zur Erkenntnis der Gegenstände bedürfenden, Verstandes und der ihm als solchem notwendigen Funktionen erfolgen könne. Weil aber sogar die Kantische Absicht bestritten worden ist, eine solche Ableitbarkeit, oder vielmehr Abgeleitetheit der Kategorien und der ihnen zugrunde liegenden Urteilsfunktionen zu behaupten, will ich nur einen weiteren Satz aus der transzendentalen Deduktion der Kategorien bemühen, in welchem es heißt, daß die Verstandesformen als „Principien der objectiven Bestimmung aller Vorstellungen, so fern daraus Erkenntniß werden kann, […] alle aus dem Grundsatze der transscendentalen Einheit der Apperception abgeleitet sind.“ (B 142) Daß also die Kontin-

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genz der Verstandesformen als der Formen des diskursiven Denkens, die sie mit der Kontingenz der Anschauungsformen vergleichbar macht, für Kant nicht im Widerspruch mit deren Ableitbarkeit aus dem Grundsatz der transzendentalen Einheit der Apperzeption steht, ist damit zumindest wahrscheinlich gemacht.Was hier als ableitbar behauptet wird, das sind: (1) die Prinzipien der objektiven Bestimmung aller Anschauungen, nämlich die Kategorien, und (2) die Prinzipien der objektiven Bestimmung aller Begriffe, ›sofern daraus Erkenntnis werden kann‹, die Urteilsfunktionen. Denn nur erst im Urteil können Begriffe zur Erkenntnis von Objekten gebraucht werden. Gehen nun die Funktionen zu Urteilen diesen, der Materie nach aus Begriffen bestehenden, Urteilen als deren Formen voran, so ist es möglich, daß ein System solcher Funktionen durch ihren gemeinsamen Ursprung aus derjenigen synthetischen Einheit der Apperzeption gestiftet wird, die Kant die ursprünglich-synthetische und zugleich die objektive Einheit der Apperzeption genannt hat. Eine sachgerechte Beurteilung dieser Kantischen Gedankengänge wird also nicht umhin können, von Kants Definition der logischen Form aller Urteile als „der objectiven Einheit der Apperception der darin enthaltenen Begriffe“ (B 140) auszugehen. Umgekehrt wird eine Beurteilung der Kantischen Behauptung der Vollständigkeit seiner Urteilstafel, die dies nicht tut, wohl keine sachgerechte sein. Aber auch ohne Zugrundlegung der Kantischen Urteilsdefinition lassen sich, wie Kant es selbst im Anhang „Von dem System der Kategorien“ tut, darüber viele artige Betrachtungen anstellen, die, wie Kant versichert, „alle ihren großen Nutzen haben“. (Prol, AA 04: 325 n) Läßt man also den höchsten Punkt der Kantischen Systematologie einmal außer acht, so ergeben sich immer noch Erkenntnisse von der Art der Lambertschen, deren Autor sich seinerseits auf John Locke beruft. Im Zusammenhang mit der Aristoteles-Kritik, die sich seit dem Brief an Marcus Herz vom Februar 1772 in vielen Variationen wiederholt, stellt Kant die Notwendigkeit heraus, ein System der Kategorien dadurch zustande zu bringen, daß man sie „aus einem Prinzip a priori“ ableite, denn erst dann wisse man, „daß gerade nur soviel, nicht mehr, nicht weniger, die Erkenntnißart ausmachen könne“. Man sieht dann auch „die Nothwendigkeit seiner Eintheilung ein, welches ein Begreifen ist, und nun hat [man] allererst ein System“. (Prol, AA 04: 322.30 – 32) Daraus geht soviel hervor, daß die Ableitung aus einem Prinzip als Ableitung a priori zu erfolgen habe und daß dies eine logische und damit notwendige Einteilung des Abzuleitenden als Mittel seiner Gewinnung impliziere, dessen Mannigfaltiges sich dadurch allein als ein systematisches Ganzes von Teilen begreifen lasse. Als Beispiele solcher apriorischer Einteilungsgründe werden die Bildung von „Correlata“ und „Opposita“ genannt (Prol, AA 04: 325 n), durch die sich dann unter den abgeleiteten „formalen Bestimmungen“ „gerade so

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viel, nicht mehr noch weniger“ antreffen lasse. (Prol, AA 04:323.07) Über dichotomische und trichotomische Einteilungen a priori hat sich Kant andernorts ausgesprochen. Aber erst wenn ein „Princip“ der Ableitung „vorhanden“ sei, „nach welchem der Verstand [in seinem synthetischen Gebrauch] völlig ausgemessen und alle Functionen desselben, daraus seine reine Begriffen entspringen, vollzählig und mit Präcision bestimmt werden“ können (Prol, AA 04: 323.24– 26), lasse sich das System der Kategorien denken. Ein solches Ableitungsprinzip für die Kategorien, so berichtet Kant autobiographisch, galt es erst zu entdecken: „Um aber ein solches Princip auszufinden, sah ich mich nach einer Verstandeshandlung um, die alle übrigen enthält und sich nur durch verschiedene Modificationen oder Momente unterscheidet, das Mannigfaltige der Vorstellung unter die Einheit des Denkens überhaupt zu bringen, und da fand ich, diese Verstandeshandlung bestehe im Urtheilen.“ (Prol, AA 04: 323.27– 31) Damit sind wir wieder zum höchsten Punkt zurückgekehrt, dem Prinzip der Ableitung aller Kategorien. Denn das Ableitungsprinzip ist offenbar das Prinzip aller Verstandesfunktionen, und es selber ist eine modifizierbare und nach Momenten unterscheidbare einheitliche Verstandeshandlung, deren Modi oder Momente eben diese verschiedenen Funktionen zu Urteilen als ebenso viele modi operandi des Verstandes im Gebrauch seiner Begriffe zur Erkenntnis von Objekten sind. Daraus ergibt sich dann leicht eine Definition des Urteils seinem allgemeinen Begriff nach: Es ist diejenige Verstandeshandlung, durch die das Mannigfaltige der Vorstellungen unter die ›Einheit des Denkens überhaupt‹ gebracht wird. Und von hier aus ist der Weg nicht weit zur ›objektiven Einheit der Apperzeption der im Urteil enthaltenen Begriffe‹ als der logischen Form aller Urteile, die aus jener Bringung unter die Einheit des Denkens überhaupt entspringt. Auch im Ausgang also von Kants artigen Betrachtungen wird man auf den höchsten Punkt aller metaphysischen Systembildung zurückgeführt. Die relativ unverbindliche Rede von der Selbsterkenntnis der Vernunft bedarf zu ihrer Fundierung und Konkretisierung einer Analyse des Selbstbewußtseins des Verstandes, welches sich in dieser Analyse als die synthetische Einheit der Apperzeption erweist. Das aber ist ein anderes Thema.

Warum Kant? I Wer als Vorsitzender der Kant-Gesellschaft zur Eröffnung des IX. Internationalen Kant-Kongresses das Wort ergreift, tut es mit einer gewissen Bangigkeit. Denn diese Universität der Gebrüder Humboldt und Schleiermachers ist nicht die Universität Kants, sondern die Wirkungsstätte Fichtes, Hegels und Schellings, deren Ruhm in der philosophischen Welt noch nicht verblasst ist. Der sogenannte deutsche Idealismus ist gewiss auch ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit Kant, aber er verstand sich in seinen Hauptvertretern vor allem als dessen Überwindung und auch als Triumph über den Geist der Aufklärungsepoche. So lautet das Rahmenthema dieses Kongresses denn auch „Kant und die Berliner Aufklärung“, worin sich das Bewusstsein ausspricht, dass Kant einer geistesgeschichtlichen Konstellation zugehört, die der Gründung dieser Universität historisch und der Denkungsart nach voraufgeht. Dass Kant der europäischen Aufklärung Lockes und Newtons, Wolffs, Humes und Rousseaus zugehört und dass er sich philosophisch und durch persönliche Freundschaft mit dem bedeutendsten der Berliner Aufklärer, Moses Mendelssohn, verbunden fühlte, ist ebenso bekannt wie das Wort des letzteren vom „alles zermalmenden“ Kant, in dem sich seine Treue zur Leibniz-Wolff’schen Metaphysik auf rührende Weise ausdrückt. Mendelssohn und Kant haben die in der Berlinischen Monatsschrift im Dezember 1783 gestellte Frage des Theologen Johann Friedrich Zöllner „Was ist Aufklärung?“ in derselben Zeitschrift 1784 beantwortet. Kant hat es vor seiner Lektüre des Mendelssohnschen Aufsatzes für möglich gehalten, dass bei dieser Gelegenheit „der Zufall Einstimmigkeit der Gedanken zuwege bringen könne“ (W. 465).¹ Nun ist dies nicht der Ort, der Frage nachzugehen, ob und wie weit sich eine solche Übereinstimmung in beiden Beantwortungen finden lässt. Noch weniger kann ich hier den Reichtum der philosophischen Beziehungen zwischen beiden Denkern während mehr als zweier Jahrzehnte zum Thema machen. Ich verweise hier nur auf einen wesentlichen Differenzpunkt, der sich dem Leser der beiden Aufsätze aufdrängt. Mendelssohn sieht in der Aufklärung eine Modifikation des „geselligen Lebens“ der Menschen, die sich überwiegend „auf das Theoretische“ bezieht, auf  Zitiert nach: Hinske, Norbert (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift, Darmstadt 21977 (abgekürzt: W.). https://doi.org/10.1515/9783110605327-018

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„vernünftige Erkenntnis (objekt.) und Fertigkeit (subj.) zum vernünftigen Nachdenken, über Dinge des menschlichen Lebens, nach Maaßgebung ihrer Wichtigkeit und ihres Einflusses in die Bestimmung des Menschen“ (W. 445). Nun lässt sich die Bestimmung des Menschen einteilen in seine Bestimmung als Mensch und als Bürger, d. h. als Mitglied der Gesellschaft in ihren unterschiedlichen Ständen und Berufen. Aufklärung des Menschen als Mensch betrifft nicht diese gesellschaftlichen Unterschiede, wohl aber die des Menschen als Bürger. „Menschenaufklärung kann mit Bürgeraufklärung in Streit kommen. Gewisse Wahrheiten, die dem Menschen, als Mensch, nützlich sind, können ihm als Bürger zuweilen schaden.“ (W. 448) Dann kann die Aufklärung, die der Menschheit unentbehrlich ist, „sich nicht über alle Stände des Reichs ausbreiten“, ohne dass „die Verfassung“ in Gefahr gerät, „zu Grunde zu gehen“ (W. 449). Die gesellschaftliche und staatliche Ordnung setzt also der Aufklärung als Volksaufklärung ihre Grenzen. „Wenn man gewisse nützliche und den Menschen zierende Wahrheit nicht verbreiten darf, ohne die ihm nun einmal beiwohnenden Grundsätze der Religion und Sittlichkeit niederzureißen; so wird der tugendliebende Aufklärer mit Vorsicht und Behutsamkeit verfahren, und lieber das Vorurtheil dulden, als die mit ihm so fest verschlungene Wahrheit zugleich mit vertreiben.“ (W. 449 f.) Die „Nothwendigkeit“ ist anzuerkennen, dass der Menschheit gewisse Fesseln anzulegen sind, „um sie nieder zu beugen, und beständig unterm Drukke zu halten“ (W. 449), und deshalb dürfen die nun einmal vorhandenen Grundsätze der Religion und Sittlichkeit nicht um der Wahrheit willen angegriffen werden. Der tugendliebende Aufklärer weiß zwar, dass die Menschheit den religiösen Vorurteilen „so manche Jahrhunderte von Barbarei und Aberglauben“ zu „verdanken“ hat, aber die „Maxime“ der Vorsicht und Behutsamkeit in der Verbreitung der religiösen Aufklärung wird „der Menschenfreund“ auch „in den aufgeklärtesten Zeiten“ (W. 450) noch immer beachten: „Hier lege die Philosophie die Hand auf den Mund!“ (W. 449) Diese Ermahnung an die Philosophie, um der politischen Verfassung der Gesellschaft in ihrer ständischen Gliederung willen der Aufklärung des Volkes Grenzen zu setzen, ist also eine Konsequenz der festgehaltenen Unterscheidung des Menschen vom Bürger, der in der gesellschaftlichen Wirklichkeit verschiedene „Berufe“ entsprechen sollen. Kant hingegen hat der Aufklärung die praktische Maxime des Selbstdenkens zugeschrieben, die für alle Menschen als solche gilt, d. h. er hat die Unmündigkeit, die in dem Unvermögen besteht, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen, sofern sie selbstverschuldet ist, als durch „Entschließung“ und „Muth“ (W. 452) überwindbar dargestellt. Zugleich hat er die gesellschaftlichen Ursachen des Mangels an Aufklärung in satirisch scharfen Worten angeprangert: „Daß der bei weitem größte Theil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich

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ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften; so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen allein zu gehen.“ (W. 453) Faulheit und Feigheit eines so großen Teils der Menschen erscheinen also hier nicht nur als Ursachen einer fortgesetzten Unmündigkeit, sondern auch als Wirkungen einer Erziehung durch Vormünder, die an der Verhinderung von Aufklärung interessiert sind. Es ist der „Beruf jedes Menschen selbst zu denken“ (W. 454), und diese Tätigkeit ist durch die „eingesetzten Vormünder des großen Haufens“ unterdrückt worden, indem sie das „Publikum“ unter das „Joch“ (ebd.) der Unmündigkeit brachten und Vorurteile in es pflanzten. Eine „Reform der Denkungsart“ wird so durch Vorurteile, die „zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen“ (W. 455), absichtsvoll verhindert. Dabei wird zu dieser Aufklärung keine neue Indoktrination, sondern nichts anderes als Freiheit erfordert, „und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stükken öffentlichen Gebrauch zu machen“ (ebd.). Es bedarf also nur der Aufhebung der vorhandenen Einschränkung der Freiheit dieses öffentlichen Vernunftgebrauchs, um „Aufklärung unter Menschen“ (ebd.), und zwar als Selbstaufklärung des Publikums, zu Stande zu bringen. In Anlehnung an die römisch-rechtliche Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht definiert Kant den öffentlichen Gebrauch der eigenen Vernunft als denjenigen, den jemand „als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt“, d. h. „als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft“ (W. 456) macht, indem er „zum eigentlichen Publikum, nämlich der Welt, spricht“ (W. 458). Privatgebrauch der Vernunft ist dagegen derjenige, den jemand „in einem gewissen ihm anvertrauten bürgerlichen Posten, oder Amte“ (W. 456) machen darf, wie ihn auch ein Geistlicher als Geschäftsträger der Kirche vor seiner Gemeinde macht, die „immer nur eine häusliche, obzwar noch so große, Versammlung“ ist (W. 458), da ihre Mitglieder, die sich zu dieser Kirche bekennen, nur eine private Vereinigung innerhalb des ganzen Staates und der Weltbürgergesellschaft bilden. Der Offizier einer Armee und der Bürger als Steuerzahler können entsprechend als Teile oder passive Glieder einer Maschine angesehen werden, deren Vernunftgebrauch der Erfüllung von Geschäften dient, bei denen sie sich „bloß passiv“ zur Aufrechterhaltung eines gewissen Mechanismus verhalten, der von der Regierung durch „künstliche Einhelligkeit“ als geeignetes Mittel „zu öffentlichen Zwekken“ oder wenigstens „von der Zerstörung dieser Zwecke ab[zu]halten“ (W. 456) verwendet wird. Ein solcher funktionaler

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Vernunftgebrauch eines Menschen ist durch ihn selbst auf die Wahrnehmung einer bestimmten Rolle im Ganzen der Gesellschaft eingeschränkt und wird darum von Kant „Privatgebrauch“ genannt. Es ist der so verstandene Privatgebrauch der eigenen Vernunft, der nach Kant auch von anderen, nämlich der Regierung, „öfters sehr enge eingeschränkt“ werden darf, „ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern“ (ebd.). Denn die Gehorsamspflicht des Offiziers, des Steuerzahlers und des Geistlichen steht dann nicht im Widerspruch zur Aufklärung der ganzen Gesellschaft, wenn diese Menschen als „Gelehrte“ „jederzeit frei“ (W. 455 f.) sind, über die Zweckmäßigkeit von Befehlen, die Ungerechtigkeit von Auflagen und das Fehlerhafte eines abverlangten Glaubensbekenntnisses „laut“ zu „vernünfteln“, ihre Kritik dem „Publikum zur Beurtheilung“ vorzulegen und so „öffentlich [ihre] Gedanken“ zu äußern (W. 457). Der so verstandene Gelehrte hat nach Kant die „volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu“, seine Gedanken dem Publikum mitzuteilen. Für den „Priester“ heißt das, dass er als solcher nicht frei zu sein braucht, wenn er als Gelehrter im öffentlichen Gebrauch seiner Vernunft und d. h. als Schriftsteller gegenüber der „Welt“ als dem „eigentlichen Publikum“ einer „uneingeschränkten Freiheit […] genießt, […] sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen“. (W. 457 f.) Die zeitgeschichtlichen Bezüge dieser kantischen Rollenverteilung, die jedem damaligen Leser der Berlinischen Monatsschrift bekannt waren,² brauchen uns hier nicht zu interessieren. Aber es unterliegt keinem Zweifel, dass Kant sich in Übereinstimmung mit der von Mendelssohn in seinem Jerusalem aufgestellten Forderung der Gewissensfreiheit sehen konnte, die in der politischen Situation auch des friederizianischen Preußen noch immer brisant war.³ Bemerkenswert und für die Bestimmung des kantischen Begriffs der Aufklärung von Bedeutung ist allerdings die Vehemenz, mit der Kant der vertraglichen Fixierung einer einmal angenommenen kirchlichen Lehrmeinung und der Selbstverpflichtung der Geistlichen auf sie widerspricht: „Ein solcher Kontrakt, der auf immer alle weitere Aufklärung vom Menschengeschlechte abzuhalten geschlossen würde, ist schlechterdings null und nichtig; und sollte er auch durch die oberste Gewalt, durch Reichstäge und die feierlichsten Friedensschlüsse bestätigt sein. […] Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten [zur Aufklärung] besteht“ (W. 459). Auf die Aufklärung für die eigene Person oder gar für die Nachkommen Verzicht zu tun,  Vgl. dazu Schulz, Eberhard Günter: „Kant und die Berliner Aufklärung“, in: Akten des IV. Internationalen Kant-Kongresses Mainz 6.–10. April 1974 (hrsg. von Gerhard Funke), Teil II.1, S. 60 – 80.  Vgl. Schulz, a.a.O.

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„heißt die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit Füßen treten“ (W. 461). Das ist unverkennbar die Sprache Jean Jacques Rousseaus. Damit ist der philosophische Begriff genannt, von dem her Kant den Begriff der Aufklärung zum Thema gemacht hat: die Idee des Rechts der Menschheit, die allen natürlichen und bürgerlichen Rechten der Menschen zugrunde liegt. Es ist bekannt, dass Kant nur ein angeborenes und unveräußerliches Recht der Menschheit statuiert hat: Freiheit als Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür. Auch das erinnert an Rousseau. Am Schluss der kurzen Abhandlung kommt Kant, der sein Zeitalter als „das Jahrhundert Friederichs“ bezeichnen konnte, auf diesen in seinen Augen zumindest partiell aufgeklärten königlichen Gesetzgeber der äußeren Freiheit zu sprechen. „Ich habe den Hauptpunkt der Aufklärung, die des Ausganges der Menschen aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit, vorzüglich in Religionssachen gesetzt. […] Aber die Denkungsart eines Staatsoberhaupts, der die erstere begünstigt, geht noch weiter“ (W. 462 f.). Dieser verehrungswürdige Monarch sehe nämlich ein, „daß selbst in Ansehung seiner Gesetzgebung es ohne Gefahr sei, seinen Unterthanen zu erlauben, von ihrer eigenen Vernunft öffentlichen Gebrauch zu machen, und ihre Gedanken über eine bessere Abfassung derselben, sogar mit einer freimüthigen Kritik der schon gegebenen, der Welt öffentlich vorzulegen“ (W. 463 f.). Zur Aufklärung gehört also die Freiheit der öffentlichen Kritik der Gesetzgebung, aus dem naturgegebenen menschlichen „Hang und Beruf zum freien Denken“ folgt die Entwicklung der Fähigkeit des Volkes zur „Freiheit zu handeln“, welche Freiheit die von der Regierung zu respektierende „Würde“ des Menschen ausmacht (W. 464 f.). Die von Friedrich gewährte Raisonnierfreiheit ist also eine äußere Freiheit, die zu den Rechten der Menschheit gehört, aber unvollständig bleibt, solange der Gesetzgeber nicht anerkannt hat, dass das Kriterium alles dessen, was über ein Volk beschlossen werden kann, in der Frage liegt, „ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte“ (W. 460). Die damit im kantischen Werk zum ersten Mal⁴ ausgesprochene Einschränkung der öffentlichen Gesetzgebung auf die Bedingung der rechtlichen und politischen Autonomie des Volkes besagt für den Monarchen, dass „sein gesetzgebendes Ansehen […] eben darauf […] beruht, […] daß er den gesammten Volkswillen in dem seinigen vereinigt“ (W. 461). Die Freiheit des öffentlichen Vernunftgebrauchs in „Religionssachen“. (W. 463) ist also bloß ein privilegiertes Beispiel für den Gebrauch der äußeren Freiheit überhaupt, der nur unter einer Gesetzgebung durch die volonté générale mit dem Recht der Menschheit im Einklang ist. Aufklärung als historischer Prozess hat also

 Vgl. Schulz, a.a.O., S. 71.

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dasselbe Ziel wie die Geschichte der Menschengattung überhaupt, wenn sie unter Ideen der praktischen Vernunft reflektiert wird: die Errichtung einer künftigen rechtlichen Verfassung der menschlichen Gesellschaft.

II Das Zeitalter der Aufklärung ist zugleich „das eigentliche Zeitalter der Kritik“, wie Kant in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft sagt. Sofern Religion und Gesetzgebung sich dieser Kritik nicht unterwerfen wollen, erregen sie „gerechten Verdacht“ wider sich und können auf „unverstellte Achtung“ keinen Anspruch erheben, „die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können“ (A XI n). Die Vernunft als Kritikerin der Religion und der Gesetzgebung prüft diese ebenso auf ihre Begründbarkeit vor dem Gerichtshof der Vernunft und fragt damit nach ihrer Rechtfertigung, wie sie sich auf dem Felde der Metaphysik einer strengen Selbstkritik unterzieht. Die kritische Philosophie ist also die Philosophie der Aufklärung par excellence. Seit mehr als zweihundert Jahren haben Gelehrte vieler Länder das System der drei Kritiken, die doktrinale Ausführung der wissenschaftlichen Metaphysik in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft und der Metaphysik der Sitten und den Versuch einer Selbstrevision des transzendentalen Idealismus im unvollendeten Opus postumum studiert, analysiert, kommentiert, interpretiert und kritisiert. Niemand kann über die Ergebnisse dieser langen und weltweiten Bemühungen umfassend berichten, denn Sie sind offensichtlich nicht abgeschlossen und werden, wie auch dieser Kantkongress bezeugt, ohne wirkliche Unterbrechung fortgeführt und fortwährend in Frage gestellt. Die Geschichte der Kantforschung ist auch eine Geschichte der Renaissancen und Moden und vor allem der Indienstnahmen des Autors und seiner Werke durch weit mehr als einen Kantianismus. Gleichwohl haben die sich ablösenden Historiker der Philosophie sich die Frage gestellt, worin denn die Ergebnisse dieser Philosophie selbst bestehen und worauf ihre so oft bewiesene Anziehungskraft für Philosophierende so vieler Epochen und Länder beruht. Nach Kant ist die aus der Schule Platons stammende Einteilung der Philosophie in Physik, Ethik und Logik „der Natur der Sache vollkommen angemessen“ (Prol, AA 04: 387.03 – 04) und vollständig. Kant selbst hat nur als notwendige Unterabteilungen die Metaphysik der Natur und die Metaphysik der Sitten hinzugefügt, die von den Gesetzen der Natur, als Gesetzen, nach denen alles geschieht, und den Gesetzen der Freiheit, nach denen alles geschehen soll, handeln und zwar so, dass sie als rationale Wissenschaften ihre Gesetze aus Prinzipien a priori und damit unabhängig von aller Erfahrung aufstellen und beweisen. Wenn

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dies die Inhalte der reinen Philosophie sind, so wird man fragen dürfen, was die Ergebnisse der kantischen Philosophie in diesen Bereichen sind. Kant selbst hat in der unvollendeten Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik einen Versuch unternommen, seinen Beitrag zu dieser Metaphysik in ihrer geschichtlichen Entwicklung und als Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Leibniz-Wolff’schen Philosophie darzustellen. Dabei erhebt Kant zwar den Anspruch, dass sein neues System, das alle anderen und damit auch die früheren Systeme ausschließt, das einzige wahre System sei, will aber damit das Verdienst der älteren Philosophen nicht schmälern, weil er ohne deren „Entdeckungen oder auch mißlungenen Versuche […] zu jener Einheit des wahren Prinzips der ganzen Philosophie nicht gelanget wäre“ (MS, AA 06: 207.18 – 20). Kant erhebt also seinen Anspruch zugleich mit dem Bewusstsein der historischen Relativität desselben: „Wenn also die kritische Philosophie sich als eine solche ankündigt, vor der es überall noch gar keine Philosophie gegeben habe, so tut sie nichts anderes, als was alle getan haben, tun werden, ja tun müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plane entwerfen“ (MS, AA 06: 207.25 – 29). Denn alle müssen davon ausgehen, dass es nur eine Philosophie geben könne. Das Verhältnis von Metaphysik und Kritik ist ein zentrales Problem der Kantischen Philosophie. Die Kritik der reinen Vernunft ist ein Traktat von der Methode der Erkenntnis a priori, also eine Untersuchung der Möglichkeit nichtempirischer Erkenntnis in der Philosophie und der Mathematik. Die Metaphysik als reine Vernunfterkenntnis aus Begriffen ist dabei zwar Gegenstand der Kritik, aber sie umfasst auch in weiterem Sinne diese Kritik, insofern diese selbst eine nichtempirische Untersuchung alles dessen ist, was jemals a priori erkannt werden kann (B 869). In diesem weiteren Sinne ist Metaphysik, als Metaphysik der Natur und der Sitten und „vornehmlich“ als „Kritik der sich auf eigene Flügel wagenden Vernunft“, gar nichts anderes als „dasjenige (…), was wir im echten Verstande Philosophie nennen können“ (B 878). Wenn echte Philosophie vornehmlich eine auf Prinzipien a priori beruhende Kritik der reinen Vernunft und somit Metaphysik ist, so kann diese Kritik auch in einem genauen Sinne „die Metaphysik von der Metaphysik“ genannt werden, wie Kant es in einem Brief an Marcus Herz (nach 11. 5.1781: Br, AA 10: 269.32– 33) tut. Eine solche Selbstanwendung der Metaphysik besagt dann nichts anderes, als dass die Kritik der reinen Vernunft das methodisch gesuchte und systematisch abgefasste Ergebnis einer „Selbsterkenntnis“ der Vernunft ist, die zugleich eine Prüfung ihrer gerechten Ansprüche vor einem Gerichtshof ist, den diese Vernunft nicht nur selbst eingesetzt hat, sondern dem sie auch selbst vorsitzt (A XI f.). Die Selbstkritik der reinen Vernunft wird also der „Prüfungskunst“ der Philosophie (B 174) anvertraut, und diese ist es, welche die Untersuchung des reinen Vernunftvermögens nach einem in ihm selbst liegenden Maßstabe durchführt.

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Kant sagt von der Metaphysik, dass sie zwar noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft habe einschlagen können, dass sie aber „älter“ sei als alle übrigen Wissenschaften „und bleiben würde, wenngleich die übrigen insgesamt in dem Schlunde einer alles vertilgenden Barbarei gänzlich verschlungen werden sollten“ (B XIV). Diese aus einer als unveränderlich angenommenen menschlichen Naturanlage stammende Metaphysik führt nach Kant, wenn sie sich selbst überlassen bleibt, unvermeidlich in Scheinerkenntnisse und Widersprüche, weil die sogenannte reine Vernunft an ihr selbst „dialektisch“ ist. Aber auch nach der Aufdeckung und Analyse dieser Dialektik bleibt diese Vernunft die Metaphysikerin, die sie natürlicherweise ist: „irgendeine Metaphysik ist immer in der Welt gewesen und wird auch wohl ferner […] darin anzutreffen sein“ (B XXXI). Die Metaphysik ist also nach Kant eine anthropologische Konstante, sofern nur der Mensch als ein Vernunftwesen betrachtet wird. Ihre bisherige Unbegründetheit und der Mangel an Rechtfertigung ihrer Ansprüche in ihrer bisherigen Geschichte heben ihren Charakter als natürliches Faktum nicht auf: „irgend eine Metaphysik [ist] zu aller Zeit gewesen und wird auch immer darin bleiben“ (B 21). Das bedeutet, dass auch die Skeptiker als „vorgebliche Indifferentisten“ der Metaphysik nicht entgehen können. Sofern sie nur überhaupt etwas denken, „fallen“ sie, wie Kant sagt, „in metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben“ (A X). Der Fortdauer der Metaphysik entspricht also die fortdauernde Notwendigkeit der Kritik. Auch wenn aber durch sie erkannt ist, dass eine Ontologie, eine rationale Psychologie, Kosmologie und Ontotheologie unmöglich sind und, wie es in der Kritik der Urteilskraft geschieht, der Physikotheologie und damit auch der These von der Vernünftigkeit des Wirklichen aus einsehbaren Gründen jeder denkbare Boden entzogen wird, und somit jede Erkenntnis des Übersinnlichen und Übernatürlichen „durch ein szientifisches und völlig einleuchtendes Selbsterkenntnis“ (B 877) der Vernunft als Hirngespinst erwiesen ist, bleibt die Aufgabe einer „durch Kritik geläuterten Metaphysik“ (B XXIV) bestehen. So kündigt Kant am Ende der Vorrede zur 1. Auflage der Kritik ein Werk mit dem Titel „Metaphysik der Natur“ an, dessen zumindest teilweise Ausführung er in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft geliefert hat. Die Metaphysik der Sitten als systematische Pflichtenlehre ist dann das Komplement zum Gesamtsystem. Dieses System der kantischen Metaphysik ist nichts anderes als das Resultat der „bescheidene[n] aber gründliche[n] Selbsterkenntnis“ (B 763) der Vernunft. Dieses Vernunftvertrauen Kants, das hinter seiner Behauptung der Unvergänglichkeit der Metaphysik steht, ist es nun, wodurch Kant selbst als unrettbar altmodisch und veraltet erscheint. Spätestens seit dem Tode Hegels ist die Philosophie von ganz anderen Formen der Vernunftkritik und der Aufklärungskritik geprägt, als sie Kant vorgetragen hat. Das pfeifen die Spatzen von allen Dächern,

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weshalb es nicht nötig ist, hier darauf einzugehen. Aber auch von Seiten der sich als wissenschaftlich verstehenden Philosophie, der Mathematik und der Naturwissenschaften sind seit langem Einwände gegen die kantische Philosophie erhoben worden, deren Gewicht gewiss unterschiedlich ist, die aber oft eine Auseinandersetzung verdienen. Das gilt auch für einige der Einwände, die gegen die kritische Moralphilosophie sowie gegen seine Konzeption der formalen Logik und seine Ästhetik erhoben worden sind. Die Schar der Kantkritiker ist auch in anderen Bereichen seiner Philosophie unübersehbar groß. Aber die Historiker der Philosophie, die Verteidiger und die Kritiker Kants halten sein Denken offenbar für wichtig genug, um sich bis heute, da sein 200. Todestag kurz bevorsteht, der Mühe zu unterziehen, die das Studium seiner Werke jedem abverlangt, der in sie eindringen will. Dieser Kant-Kongress, der vermutlich der größte der Geschichte ist, wird dafür Zeugnis ablegen. Warum lassen wir den alten Mann aus dem fast vergessenen Königsberg nicht einfach ruhen und gehen zur Tagesordnung unserer eigenen philosophischen Geschäfte über? Vor fast 50 Jahren schrieb Julius Ebbinghaus: „Die Zeiten, wo die Auseinandersetzung mit Kant unter den Philosophen Deutschlands und zum Teil auch unter denen des Auslandes als eine notwendige Aufgabe, ja als die unerläßliche Voraussetzung ihres eigenen Philosophierens angesehen wurde, sind vorüber. Die kritische Philosophie stellt sich in den Augen der Zeitgenossen viel eher als ein Kapitel dar, über das die Akten geschlossen sind. Ja, mehr als das: Kant erscheint der Gegenwart – und ganz besonders in Deutschland – vielfach als ein Vertreter von Anschauungen und Gesinnungen, von denen sich befreit zu haben, diese Gegenwart sich rühmt oder von denen befreit zu werden, sie mit allen Kräften bestrebt ist.“⁵ Ich wage nicht zu entscheiden, ob diese Einschätzung der Lage inzwischen überholt ist. Ein Kongress wie dieser muss nicht repräsentativ sein für die ohnehin unübersichtliche Situation der Gegenwartsphilosophie, die es als einheitliches Phänomen gar nicht gibt. Und die öffentliche Darbietung von Ergebnissen der internationalen Kantforschung hat auch im Zusammenhang des akademischen Betriebes und der Nachwuchsförderung ihre Nützlichkeit und ihren guten Sinn. Was dieser Kongress aber sein kann und wohl auch sein wird, das ist ein Forum für eine besondere Art des öffentlichen Vernunftgebrauchs, von dem schon die Rede war, desjenigen nämlich, in dem mit Argumenten um ein angemessenes Verständnis und eine kritische Bewertung der Zeugnisse und der Ergebnisse des kantischen Philosophierens gestritten wird. Diejenigen, die hier sind, um sich an diesem Streit zu beteiligen, haben sich die lapidare Frage „Warum Kant?“ gewiss schon beantwortet.

 Ebbinghaus, Julius: Gesammelte Schriften Bd. 3, Bonn 1990, S. 151.

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Ich habe auf das Eigentümliche des kantischen Philosophiebegriffes, der durch Metaphysik und Kritik bestimmt ist, schon hingewiesen. Man wird nicht behaupten können, dass diese Auffassung, von der sich Spuren noch im „deutschen Idealismus“ finden, gegenwärtig sehr viele Anhänger hat. Aber ich glaube, es ließe sich zeigen – wenn auch nicht in einer solchen Eröffnungsrede –, dass die Philosophie, wenn sie nicht von der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori handelt, von ihrer Begründbarkeit und ihrer Anwendbarkeit, überhaupt keinen eigenständigen Untersuchungsbereich mehr hat, keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben kann und damit überhaupt ihre Daseinsberechtigung als selbstständige Disziplin des menschlichen Erkennens und Wissens verliert. Wenn das wahr ist, so werden diejenigen, denen Philosophie am Herzen liegt, immer wieder auf das, was Kant Metaphysik und deren Kritik nannte, zurückkommen müssen. Nun ist, ebenfalls nach Kant, Philosophie, objektiv genommen, nur eine Idee, die als Urbild zur Beurteilung aller Versuche zu philosophieren und damit aller subjektiven Philosophie dienen soll, „deren Gebäude oft so mannigfaltig und so veränderlich ist“ (B 866). So ist die kantische Philosophie selbst nur ein „Nachbild“, das es dem Urbild gleich zu machen gilt. „Bis dahin“, sagt Kant, „kann man keine Philosophie lernen; denn wo ist sie, wer hat sie im Besitze, und woran läßt sie sich erkennen? Man kann nur philosophiren lernen, d. i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Prinzipien an gewissen Versuchen üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, jene [Versuche] selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen, oder zu verwerfen.“ (ebd.) Für uns ist die kantische Philosophie ein solcher vorhandener, durch die Geschichte vorgegebener Versuch, an dem wir unser eigenes Philosophieren üben, um ihn aus eigener Einsicht zu bestätigen oder zu verwerfen. Die Philosophie ist, im Unterschied zur Mathematik als der einzig vergleichbaren Vernunftwissenschaft, auf solche geschichtlichen Vorbilder angewiesen. Nun hat Kant für sich beansprucht, in der Geschichte der theoretischen Philosophie eine Revolution der Denkungsart zustande gebracht zu haben. Das negative Resultat dieser revolutionären Umgestaltung der Metaphysik ist die These, dass es Erkenntnis nur von Gegenständen möglicher Erfahrung gibt, ohne dass Kant sich deshalb dem Empirismus oder dem unvermeidlich mit ihm verbundenen Skeptizismus angeschlossen hätte. Denn es gibt nach ihm eine beweisbare nichtempirische Erkenntnis der erfahrbaren Welt in ihrer durch die reinen Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung bestimmten Gesetzlichkeit. Die Relativitätstheorie und die Quantenphysik haben unter Berufung auf ganz andere Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, die nicht im erkennenden Subjekt selbst liegen, Einwände gegen die kantische Metaphysik der Natur erhoben, die letztlich auf eine Beseitigung des seit dem 17. Jahrhundert allgemein anerkannten Naturgesetzbegriffes hinauslaufen. Insbesondere das Verhältnis von Geometrie und Erfahrung

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ist so erneut zum Problem der Naturphilosophie geworden, zumal, seit der Entdeckung der nichteuklidischen Geometrien im 19. Jahrhundert, auch Kants Theorie der Mathematik und ihr Grundbegriff der Konstruktion vielfach als unhaltbar angesehen werden. Die bis in die Gegenwart fortgeführte Diskussion dieser Probleme und Schwierigkeiten kann zwar nicht als abgeschlossen angesehen werden, aber selbst ein Mann wie Ebbinghaus, dem niemand mangelnde Kenntnis oder Sorgfalt im Umgang mit der kantischen Philosophie vorwerfen wird, hat nicht nur in den 50er Jahren behauptet, dass Kants Metaphysische Anfangsgründe „im 20. Jahrhundert ein veraltetes Buch“ seien,⁶ sondern dass auch, wie Kant im Opus postumum selbst zu sagen scheint, in den Beweisen der ersten und dritten Analogie der Erfahrung, infolge der darin anzutreffenden Konzeption der materiellen Substanz, „ein Fehler stecken“ müsse (ebd.). Zu den Ergebnissen der praktischen Philosophie Kants gehört vor allem seine Neubestimmung des Begriffs dieser praktischen Philosophie selbst. Der menschliche Wille als eine Naturursache steht nur dann unter eigenständig praktischen Gesetzen, wenn diese, als moralische, den Freiheitsbegriff zugrunde legen. Geht nämlich eine Moralphilosophie, wie es zumindest seit Platon und Aristoteles der Fall ist, vom Begriff der menschlichen Glückseligkeit aus, so sind ihre praktischen Vorschriften (oft gegen ihr eigenes Selbstverständnis) bloße Regeln der Hervorbringung einer Wirkung, die unter der Bedingung einer gegebenen Natur der Sache stehen, sei diese die Natur des Menschen oder eine so oder anders gedachte Gesamtnatur. Solche Vorschriften sind nach Kant technischpraktische Regeln, die als bloße praktische Korollarien einer theoretischen Naturerkenntnis von dieser abhängig sind und damit keine eigenständige praktische Philosophie ausmachen können. Praktische Philosophie gibt es also nur, wenn es spezifisch praktische, d. h. moralisch-praktische Prinzipien oder Gesetze des menschlichen Handelns gibt, die allesamt einen Freiheitsbegriff zugrunde legen. (cf. KpV, AA 05: 172 f.) Als Gesetz für die Freiheit des Willens erfüllt dann nur das Gesetz der Gesetzlichkeit der Maximen dieses Willens die genannte Bedingung der Unabhängigkeit von allen zu bewirkenden Zwecken. Das Gesetz für die äußere Freiheit des Handelns der Menschen ist das Gesetz der Einschränkung dieser Freiheit auf die Bedingung der gesetzlichen Zusammenstimmung aller äußeren Freiheit im Gemeinwesen der Menschen, das allgemeine Rechtsgesetz. Nur unter solchen Gesetzen der reinen praktischen Vernunft gibt es eine menschliche Praxis, die aller Art von Technik als davon völlig unabhängig gegenüber gestellt werden kann.

 Ebbinghaus, a.a.O., S. 162.

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Was Kants Konzeption der formalen Logik angeht, die er als erster so genannt hat, so gehört seine Lehre vom Begriff und dessen Entgegensetzung zur Anschauung zu den elementarsten Voraussetzungen eines adäquaten Verständnisses seiner Kritiken. Gleichwohl bleibt sie, nicht ohne Kants eigenes Verschulden, spätestens seit den Tagen des „deutschen Idealismus“, zumeist in einem erstaunlichen Maße unverstanden. Das gilt auch für Kants Lehre vom Urteil. Er beansprucht, als erster in der Geschichte der durch Aristoteles begründeten traditionellen Logik, ein vollständiges System des „Mannigfaltigen in der Form der Urteile“ (FM, AA 20: 271.33) geliefert zu haben, ohne je die von ihm behauptete Ableitbarkeit aller Funktionen der synthetischen Einheit der Begriffe im Urteil aus einem Prinzip durch die Tat dargetan zu haben. Kants Verweigerung einer solchen Ableitung hat dazu beigetragen, dass selbst nach deren ingeniöser Rekonstruktion durch Klaus Reich, die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel weiterhin umstritten ist. Schließlich ist Kants Lehre vom Schönen zu nennen, die sich aus seiner Neubestimmung des ästhetischen Urteils ergibt. Wie im Falle der von ihm in ihrer Eigenständigkeit gesicherten Praxis hat Kant hier zuerst, in Auseinandersetzung mit empiristischen und rationalistischen Theorien, eine Abgrenzung des Schönen vom Angenehmen und vom Guten vorgenommen, durch die auch erkennbar wird, dass es nur relativ auf den Menschen als solchen, in seiner sinnlich-vernünftigen Doppelnatur, gedacht werden kann und dass es gewiss nicht das „sinnliche Scheinen der Idee“ ist. Ich habe hier nur wenige unter den, wie ich meine, unverlierbaren Errungenschaften des kantischen Philosophierens erwähnt und dabei vieles, was genannt zu werden verdiente, ausgelassen. Die Kritik, von der die kritische Philosophie ihren Namen hat, ist als ein öffentlicher Vernunftgebrauch zugleich dasjenige, was Aufklärung unter Menschen hervorbringt, die als Forderung aus dem Rechte der Menschheit folgt. Aufklärung ist also noch etwas anderes als Klärung der Begriffe und Analyse der Wissenschaftssprache. Die Aktualität der kantischen Philosophie zeigt sich insbesondere in ihrer Lehre vom öffentlichen Recht. Die Grundzüge des kantischen Staatsrechts, seines Völkerrechts und des Weltbürgerrechts sind auf Vernunftideen begründet, deren Bedeutung für die weltpolitische Gegenwart gerade auf ihrer Unabhängigkeit von allem Zeitgeschehen beruht. Ein Philosoph wie Kant ist gewiss ein Kind seiner Zeit, wenn aber die Vernunft im kantischen Verständnis des Wortes irgendeine Realität hat, so ist die Philosophie ebenso gewiss nicht „ihre Zeit in Gedanken erfaßt“. Für die Philosophie gilt dann vielmehr das, was Kant von der philosophischen Fakultät sagt: dass sie nämlich zu jeder Zeit, wenn es „um Wahrheit zu thun ist“ (SF, AA 07: 34.03) auf „die linke Seite“, d. h. die Seite der „Oppositionspartei“ gegen die Regierung im „Parlament der Gelahrtheit“ (SF, AA 07: 35.01– 02) gehört, „weil ohne

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deren strenge Prüfung und Einwürfe die Regierung von, dem, was ihr selbst ersprießlich oder nachteilig sein dürfte, nicht hinreichend belehrt werden würde“ (SF, AA 07: 35.05 – 07). Kants Rechtslehre gilt, wie seine Moralphilosophie überhaupt, als formalistisch. Dazu hat Max Horkheimer bemerkt: „Kants Formalismus ist so inhaltlich, daß aus ihm die Achtung jedes einzelnen, das gleiche Recht für alle, die Republik und der richtige Zustand der Menschheit folgt.“⁷ Diese Worte heben sich wohltuend ab von dem Unsinn, den man in der vielzitierten „Dialektik der Aufklärung“ über Kants Moralphilosophie lesen kann. Allerdings lässt sich die kantische Rechtslehre, wie jede Philosophie, auch missbrauchen. Das geschieht z. B. dann, wenn in der Legitimation militärischer Gewalt zur Abwehr von Menschenrechtsverletzungen durch die Führung eines Staates in Vergessenheit gerät, dass nach Kant die einzige rechtmäßige Gewaltanwendung zwischen Staaten diejenige zur Herbeiführung einer Weltfriedensordnung ist. Die heutigen Vereinten Nationen sind gewiss ein schwacher und unvollkommener Abglanz dessen, was ein Weltfriedensbund und ein Weltgerichtshof zu sein hätten, wer jedoch als selbsternannter Richter und Sachwalter vorgeblicher Weltbürgerrechte zur Umgehung, Schwächung oder gar Zerstörung der UNO beiträgt, kann sich nicht auf Kant berufen. Solche und andere Streitfragen, die sich an der kantischen Philosophie entzünden mögen, bewegen nur diejenigen, die zu wissen glauben, was sie diesem Lehrer der Menschheit zu verdanken haben.

 Horkheimer; Max: „Kants Philosophie und die Aufklärung“ (1962), in: ders., Vorträge und Aufzeichnungen 1949 – 1973, Gesammelte Schriften Bd. 7, S. 170.

Platon und die Kritische Philosophie In den Träumen eines Geistersehers (1766), einer Verspottung Swedenborgs, die zugleich eine mutwillige Satire auf eine bestimmte Art von Metaphysik ist, finden wir den ersten Hinweis auf Kants Kenntnis und Verständnis des Platonismus.¹ Dreißig Jahre vor seiner Abhandlung über den „vornehmen Ton“ in der Philosophie gestattet sich der Verfasser, in „scherzendem Tiefsinn“ (Mendelssohn) ein „Fragment der geheimen Philosophie, die Gemeinschaft mit der Geisterwelt zu eröffnen“ (TG, AA 02: 329.02– 03) vorzutragen, und er tut dies „im akademischen Tone“ des unkritischen Dogmatismus, den er ironisch der vernünftigen Urteilsenthaltung des Skeptikers in Sachen des Übernatürlichen und Übersinnlichen entgegensetzt: Es wird nachgerade beschwerlich, immer die behutsame Sprache der Vernunft zu führen. Warum sollte es mir nicht auch erlaubt sein im akademischen Tone zu reden, der entscheidender ist und sowohl den Verfasser als den Leser des Nachdenkens überhebt, welches über lang oder kurz beide nur zu einer verdrießlichen Unentschlossenheit führen muß. (TG, AA 02: 333.01– 05)

Entschließt man sich einmal, das vernünftige und zugleich Sokratische „Ich weiß nicht“ (TG, AA 02: 319.16) beiseite zu setzen, so kann man dreist etwa die metaphysische Hypothese aufstellen, „daß die menschliche Seele auch in diesem Leben in einer unauflöslich verknüpften Gemeinschaft mit allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe […]“ (TG, AA 02: 333.08 – 10), also „schon in dem gegenwärtigen Leben als verknüpft mit zwei Welten müsse angesehen werden“ (TG, AA 02: 332.16 – 17). Die Körperwelt und die Geisterwelt, denen der Mensch als Geist dann zugehören wird, werden von Kant in den Begriffen Wolffs und Baumgartens, aber auch unter Verwendung von Newtons allgemeiner Gravitationstheorie und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Grundlagen der Leibnizschen Monadologie beschrieben. Kant will diese metaphysische Hypothese, einen der „Träume der Metaphysik“, von denen schon im Titel der kleinen Schrift die Rede ist, auf eine originelle Weise stützen, indem er die Geisterwelt und die Verknüpfung der menschlichen Seele mit ihr als Erklärungsgrund für diejenige Erscheinung in uns vorschlägt, die man „das sittliche Gefühl“ genannt hat. Als  Der Titel meines Vortrags ist zu anspruchsvoll für das, worüber ich sprechen werde. Mir geht es im folgenden nur um die Beantwortung zweier Fragen: 1) Was versteht Kant gemäß den ihm vorliegenden Quellen unter Platonischer Philosophie, insbesondere unter der Ideenlehre Platons? 2) Was macht er daraus innerhalb seiner eigenen Philosophie? Das Ganze ist also ein Fragment einer größeren Abhandlung. https://doi.org/10.1515/9783110605327-019

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oberstes Prinzip der Moral ist der moral sense eine Art qualitas occulta, wenn man darauf verzichtet, seine Ursachen auszumachen. Kants spielerisch vorgetragener Vorschlag besteht nun darin, das sittliche Gefühl als Prinzip moralischer Gesetzgebung in Abhängigkeit von pneumatischen Gesetzen der Geisterwelt zu denken, als Erscheinung und Auswirkung der Geisterwelt und ihrer systematischen Einheit im Bereich der inneren Erfahrung des einzelnen Menschen: Daher entspringen die sittlichen Antriebe, die uns oft wider den Dank des Eigennutzes fortreißen, das starke Gesetz der Schuldigkeit und das schwächere der Gütigkeit, deren jedes uns manche Aufopferung abdringt und [die] doch nirgend in der menschlichen Natur ermangeln, ihre Wirklichkeit zu äußern. (TG, AA 02: 335.03 – 08)

Kants metaphysischer Traum besteht also in einem Ausflug in eine bloß widerspruchsfrei denkbare immaterielle Welt als Grund für die im sittlichen Gefühl empfundene Einschränkung der natürlichen Eigenliebe, aber schließlich wird diese Hypothese doch nicht im dogmatischen Ton akademischer Metaphysiker, sondern als eine Frage vorgetragen, die sich auf das Analogon von Newtons allgemeiner Gravitation in der körperlichen Welt zurückbezieht: Sollte es nicht möglich sein, die Erscheinung der sittlichen Antriebe in den denkenden Naturen, wie solche sich aufeinander wechselweise beziehen, gleichfalls als die Folge einer wahrhaftig thätigen Kraft, dadurch geistige Naturen ineinander einfließen, vorzustellen, so daß das sittliche Gefühl diese empfundene Abhängigkeit des Privatwillens vom allgemeinen Willen wäre und eine Folge der natürlichen und allgemeinen Wechselwirkung, dadurch die immaterielle Welt ihre sittliche Einheit erlangt, indem sie sich nach den Gesetzen dieses ihr eigenen Zusammenhanges zu einem System von geistiger Vollkommenheit bildet? (TG, AA 02: 335.23 – 32)

Indem Kant in spielerischer Weise der Moral ein metaphysisches Fundament verschafft, geht er nicht nur von dem in der Wolffschen Metaphysik gängigen Begriff der „geistigen Natur überhaupt“ aus, sondern findet das Prinzip der systematischen Verfassung der aus diesen geistigen Naturen gebildeten Geisterwelt in Rousseaus staatsrechtlichem Grundbegriff des allgemeinen Willens, der damit zu einem Einheit gebenden und weltkonstitutiven Ordnungsprinzip analog der Newtonschen Gravitation wird. Die so gedachten geistigen Naturen sind freie, d. h. selbsttätige Prinzipien ihrer Handlungen, die untereinander unmittelbar vereinigt sind und so „ein großes Ganzes ausmachen […], welches man die immaterielle Welt (mundus intelligibilis) nennen kann“ (TG, AA 02: 329.33 – 35). Man kann die durch die Gesetze des allgemeinen Willens vereinigte Geisterwelt so nennen,

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obwohl offenbar vor Kant niemand den „mundus intelligibilis“ so gedacht hat.² Denn dieser Begriff hat in der vorkantischen Philosophie eine offenbar ganz andere Bedeutung. Da ist zunächst die Baumgartensche Metaphysik. In deren Theologia naturalis, im Abschnitt über den Intellectus dei § 869 heißt es: Die Welt, in so ferne sie sinnlich vorgestellt wird, ist die sichtbare Welt, oder die Welt als ein Schauspiel der Sinnlichkeit betrachtet (mundus sensibilis, adspectabilis); in so fern sie aber deutlich vorgestellt wird, ist sie die Welt als ein Gegenstand des Verstandes betrachtet (mundus intelligibilis). In dem Verstande Gottes ist die Welt eine Welt in der letztern Absicht betrachtet.³

Das bedeutet also, (1) daß die Sinnen- und Verstandeswelt dieselbe Welt sind, jeweils als Gegenstand der Sinne oder als Gegenstand des Verstandes betrachtet, und (2) daß Gott nicht bloß eine deutliche, sondern die deutlichste Erkenntnis dieser einen Welt und aller ihrer Teile (Substanzen) hat. Es gibt hier also keine zwei Welten und deshalb auch keine Wirkung der einen auf die andere Welt. Die Auffassung der beiden Welten als zweier Aspekte derselben Welt hat Kant auch vor Augen, wenn er in der Kritik der reinen Vernunft sagt: Ich finde indessen in den Schriften der Neueren einen ganz anderen Gebrauch der Ausdrücke eines mundi sensibilis und intelligibilis, der von dem Sinne der Alten ganz abweicht […] Nach demselben hat es einigen beliebt, den Inbegriff der Erscheinungen sofern er angeschaut wird, die Sinnenwelt, sofern aber der Zusammenhang derselben nach allgemeinen Verstandesgesetzen gedacht wird, die Verstandeswelt zu nennen […]. (A 256/B 312)

Man wird annehmen müssen, daß eine ähnliche Kritik dieser Unterscheidung schon der Zweiweltenlehre der Träume zugrundeliegt (sicherlich aber ist es nicht dieselbe), eine Unterscheidung also, die schon im „Sinne der Alten“ gemeint ist, obwohl der Name Platons zu Recht nicht fällt. Nun kann Kant im Jahre 1765/66 durchaus den originalen Sinn der Unterscheidung zweier Welten als sensibler und intelligibler Welt, der auch seiner Inauguraldissertation von 1770, De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis zugrundeliegt, kennen, und er ist dabei auf Baumgartens Gebrauch dieser Begriffe nicht angewiesen. Eine hinreichende historische und sachliche Klärung läßt sich aus zwei Büchern gewinnen, die Kant entweder besaß oder nachweislich studiert hat. Das erste ist Ralph Cudworths Systema intellectuale  Allerdings spricht schon Baumgarten in seiner Metaphysica § 403 von einem „mundus intellectualis“, einer Geisterwelt als „mundus moralis“.  Ich zitiere die Übersetzung Georg Friedrich Meiers § 651. Bei Baumgarten § 869 heißt es nur: „Deus mundum hunc intelligibilem distinctissime cognoscit“.

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huius universi, die lateinische Übersetzung von The true intellectual system of the Universe (1678), die 1733 von Johann Lorenz Mosheim in Jena veröffentlicht und mit ausführlichen Kommentaren und Zusätzen versehen worden war. Das zweite ist Jakob Bruckers Historia critica philosophiae, deren erster Band 1742 in Leipzig erschienen war. Diese beiden Autoren, Cudworth einerseits und Brucker andererseits, sind zugleich die wichtigsten neuzeitlichen Protagonisten zweier entgegengesetzter Interpretationen der Platonischen Ideenlehre. Cudworth vertritt die erstmals bei Philon von Alexandrien belegbare Auffassung der Platonischen Ideen als Gedanken oder Begriffe Gottes, die wir auch bei Seneca, den Mittelplatonikern, Plotin, Augustinus und im Gefolge Cudworths bei Mosheim und Meiners, bei Tennemann, Schelling und Hegel finden. Bruckers Auffassung der Ideen als für sich existierender ewiger Substanzen, die nur durch reines Denken erkennbar sind, kann sich auf Aristoteles berufen und findet sich nach Brucker etwa bei Monboddo, Gedike und Plessing. Wer, wie Kant, diese beiden genannten Bücher kannte, war über alle damals ins Feld geführten Argumente und die lange Auslegungstradition bestens unterrichtet, er kannte den gelehrten Streit zwischen Mosheim und Brucker und konnte sich aus umfangreichen griechischen und lateinischen Zitaten bei beiden Autoren ein Bild von den Quellen und ihrer Interpretation durch die Jahrhunderte machen. Kant ist durch beide Traditionen in seinem Platonverständnis geprägt, seine Hauptquelle ist Brucker, aber daß dieser nicht seine einzige Quelle sein kann, folgt schon daraus, daß er von Platon als dem „erhabenen Philosophen“ (A 313/B 370) und auch sonst oft mit größter Hochachtung spricht, was mit dem feindseligen und herabsetzenden Ton, den Brucker Platon gegenüber anschlägt, ganz unvereinbar ist, aber in voller Übereinstimmung mit Cudworths und Mosheims Verehrung Platons steht. Wenn Kant also sagt, daß er sich in keine literarische Untersuchung [darüber] einlassen [wolle], um den Sinn auszumachen, den der erhabene Philosoph mit seinem Ausdruck [‚Idee‘] verband (ebd.),

so hat er entsprechende literarische Untersuchungen Bruckers und Mosheims und ihren Streit vor Augen. Gegen eine Platon-Kritik im Stile Bruckers hat Kant sich in starken Worten ausgesprochen: Nichts kann Schädlicheres und eines Philosophen Unwürdigeres gefunden werden, als die pöbelhafte Berufung auf vorgeblich widerstreitende Erfahrung, die doch gar nicht existieren würde, wenn jene Anstalten [der Staatserrichtung und Gesetzgebung] zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen würden […] (A 316/B 373)

Neben Cudworth und Brucker ist Mendelssohns Phädon eine wichtige Quelle für Kants Platonverständnis gewesen, und daß diese 1767 erschienene Schrift von

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entscheidender Bedeutung in der Entwicklung der Kantischen Moralphilosophie war, hat Klaus Reich in seiner Abhandlung Kant und die Ethik der Griechen von 1935⁴ gezeigt. Diese Abhandlung ist für das Thema Platon und Kant insgesamt von grundlegender Bedeutung. In einem Aufsatz von 1964, Die Tugend in der Idee. Zur Genese von Kants Ideenlehre, ⁵ hat Reich als weitere indirekte Quelle für Kants Platonverständnis Rousseaus kleine Schrift De l’imitation théatrale. Essai tiré des dialogues de Platon ⁶ aufgewiesen. Von Bedeutung ist dieser Aufsatz ferner durch seinen Hinweis darauf, daß Kants Verständnis der Platonischen Idee, wie das Verständnis Rousseaus und so vieler anderer in der Geschichte des Platonismus, durch Ciceros Verständnis eben dieser Platonischen Idee geprägt ist, für den sie weder ein Gedanke Gottes, noch eine für sich existierende ewige Substanz ist.⁷ Vielmehr sind Ideen für Cicero „Vorstellungen der menschlichen Vernunft“, also keine göttlichen, sondern „menschliche Gedanken“.⁸ Harold Cherniss hat seinerseits schon 1938 darauf hingewiesen, daß die Auffassung der Ideen als Gedanken des Menschen älter ist als die Auffassung der Ideen als Gedanken Gottes, da sich Belege für jene von Platon bekämpfte Auslegung seiner Ideenlehre schon bei Platon selbst und bei Aristoteles finden.⁹ Schließlich ist es für Kants Verständnis von Platons Ideenlehre bezeichnend, daß er sich in seinem Aufsatz Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie zutraut, die Unechtheit des 7. Briefes, der unter dem Namen Platons überliefert ist, zuversichtlich zu behaupten. Hier wird „Plato der Akademiker“ von „Plato dem Briefsteller“ (VT, AA 08: 398.12 u. 17– 18) strikt unterschieden. Der letztere ist ihm, nach dem, was er in der Schlosserschen Übersetzung des 7. Briefes gesagt hat, ein „Mystagoge“ und „Klubbist“, der „mit seiner vorgeblichen Philosophie vornehm tut“ (VT, AA 08: 398.32– 35) und darum auch nicht der echte Platon sein kann, sondern ein „Afterplato“, ein „Neuplatoniker“ (VT, AA 08: 399.16 u. 24), dessen „Theophanie […] aus der Idee des Plato ein Idol [macht], welches nicht anders als abergläubisch verehrt werden kann“ (VT, AA 08: 399 n.). Damit hat Kant behauptet, daß der Begriff, den der Schreiber des 7. Briefes von

 K. Reich: Kant und die Ethik der Griechen. Tübingen 1935; wichtige Modifikationen am Text dieser Abhandlung finden sich in der 1939 in Mind veröffentlichten englischen Übersetzung.  K. Reich: Die Tugend in der Idee: Zur Genese von Kants Ideenlehre. In: Gesammelte Schriften. Mit Einl. und Annot. aus dem Nachlaß hrsg. von Manfred Baum. Hamburg 2001, S. 306 – 313.  J.-J. Rousseau: De l’imitation théatrale. Essai tiré des dialogues de Platon. In: Oeuvres Complétes. Vol. 5, G. Gagnebin, M. Raymond (hrsgg.), Amsterdam 1995.  Vgl. dazu auch Paul Oskar Kristeller: Die Ideen als Gedanken der menschlichen und göttlichen Vernunft. Heidelberg 1989.  Kristeller, a.a.O., S. 8 f.  Vgl. Der Mittelplatonismus. Hg. v. Clemens Zintzen. Darmstadt 1981, S. 97.

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Platons Idee hat, einer Verfälschung der Platonischen Ideenlehre gleichkommt. Also muß sich Kant eine hinreichend genaue Kenntnis dieser Ideenlehre zugetraut haben, wenn er auch in der Behauptung der Unechtheit des 7. Briefes von Meiners abhängig sein mag.¹⁰ Ludwig Edelstein beruft sich noch 1966 für seine eigene Begründung der These von der Unechtheit des 7. Briefes auf Kant, und er fügt hinzu, daß die Gründer des Neuplatonismus und ihre späteren Nachfolger (wie Ficinus und Cudworth) die Philosophie des 7. Briefes schätzten, weil sie ihre eigene Lehre vorwegnahm. Kant jedenfalls glaubt, zwischen Platon und „diesem vorgeblichen Plato“ des 7. Briefes (VT, AA 08: 405 n.) eindeutig unterscheiden zu können. Die Quellen seiner Kenntnis Platons und des Platonismus, und hier insbesondere der seit 1770 so wichtigen Unterscheidung zweier Welten und der Ideenlehre, bei Cudworth/Mosheim und Brucker sind nun zu sichten. Was konnte Kant hier lernen? In einer langen Fußnote zur Philosophie Philons von Alexandrien, der als Eklektiker und Platoniker bezeichnet wird (640 ff.)¹¹, gibt Mosheim einige Auszüge aus Philons Schrift De opificio mundi, welche die auch nach heutigem Wissensstand wohl frühesten Belegstellen für die Auffassung der Platonischen Ideen als Gedanken Gottes und zugleich für die Unterscheidung einer Verstandes- und Sinnenwelt enthalten (647). Philon lehre dort, Gott habe lange bevor er zum Bau (constructio) des sichtbaren Weltkreises (orbis adspectabilis) schritt, eine denkbare oder erkennbare Welt gebildet (mundum formasse νοητόν seu intelligibilem), d. h. er habe eine Gestalt und ein Bild der Welt (speciem et simulacrum mundi), die er im Begriff war zu schaffen, in seinem Geist und Denken gezeichnet (mente atque cogitatione designasse). Dies erläutere Philon durch ein Beispiel aus dem menschlichen Bereich. Er vergleiche nämlich Gott mit einem kundigen Architekten (sapiente architecto), dem befohlen wurde, eine große und glänzende Stadt zu erbauen, und der sich vor allem anderen von diesem großen Werk ein Bild und Beispiel (imaginem et exemplum) in seinem Geiste bilde und sozusagen verfertige (mente sibi fingit et veluti fabricatur), und, wenn es an das Werk selbst gehe, dieses Beispiel, das er in seinem Geist eingeschlossen habe, beständig anschaue und berücksichtige. Dann zitiert Mosheim wörtlich aus dem Griechischen des Philon, dem er seine lateinische Übersetzung folgen läßt: Ganz auf dieselbe Weise, sagt Philon, muß man über Gott urteilen, der, sobald er beschloß, eine riesige Stadt (μεγαλόπολιν = urbem ingentem) zu gründen, zuerst ihre Formen (τύπους = formas) ausdachte (ἐνενόησε = concepit), aus denen er, nachdem er die denkbare Welt zu-

 Vgl. Ludwig Edelstein: Plato’s seventh letter. Leiden 1966, S. 119.  R. Cudworth: Systema intellectuale huius universi seu de veris naturae rerum originibus commentarii. Übers. Von J. L. Mosheim, 2 Bde. Jena 1733.

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standegebracht hat (κόσμον νοητὸν συστησάμενος = postquam intelligibilem mundum constituit), die wahrnehmbare Welt hervorbringt (ἀποτελεῖ τὸν αἰσθητὸν = sensibilem hunc condidit), wobei er sich jener als eines Vorbildes bediente (παραδείγματι χρώμενος ἐκείνῳ) = ad illius exemplar). (647)

Diese Stelle, die vom κόσμος νοητός und αἰσθετός und ihren lateinischen Äquivalenten mundus intelligibilis und sensibilis handelt, und für uns ebenso wie für Kant zu den ältesten Belegen für den Platonismus nach Platon gehört, kann also für Kant den „Sinn“ erläutern, in dem „die Alten“ zwei Welten unterschieden haben. Es handelt sich dabei offensichtlich nicht um den Gegensatz einer Geisterund einer Körperwelt, wie er in den Träumen und in der Inauguraldissertation im Gefolge der Leibniz/Wolffschen Metaphysik vorliegt, wohl aber um den einer geistigen oder Gedankenwelt und der sinnlich wahrnehmbaren materiellen Welt, der die erste als Vorbild und causa exemplaris zugrundeliegt. Für das Verständnis der Platonischen Ideen, das in der eklektischen Philosophie Philons herrschend ist, ergibt sich, daß sie die Bestandteile der Gedankenwelt Gottes sind. Philons Konzeption „de mundo νοητῷ seu intelligibili“ wird von Mosheim wiederum mit einem Zitat vorgestellt: Wie die im Architekten vorgezeichnete Stadt keinen äußeren Platz hatte (χώραν ἐκτὸς οὐκ εἶχεν = locum extra nullum habuit), sondern der Seele des Künstlers eingeprägt war (ἀλλ᾽ ἐνεσφράγιστο τῇ τοῦ τεχνίτου ψυχῇ = tantum impressa artificis animo), auf dieselbe Weise hat auch jene Welt aus Ideen (ὁ ἐκ τῶν ὶδεῶν κόσμος = ille quidem ex ideis constans mundus) keinen anderen Ort (τόπος = locum) als den göttlichen Verstand (θεῖον λόγον = DEI VERBUM), der dieses alles geordnet hat (τὸν ταῦτα διακοσμήσαντα = quod adornavit haec omnia). (647)

Damit ist klargestellt, daß für Philon die Ideen, die die intelligible Welt ausmachen, nur Gedanken des göttlichen Geistes sind. Ideen sind nach Cudworth dementsprechend „notiones […] aeternae, immutabiles et a sensuum imperio remotae“ (466), diese „notiones intelligibiles“ pflegten die Nachfolger des Parmenides und Pythagoras „ideas“ zu nennen, und sie glaubten nach Cudworth, daß sie in dem Verstand eines höchsten und höchstvollkommenen Geistes umfaßt und alle enthalten seien und von dort zu geringeren Geistern oder Seelen herabstiegen (ad inferiores mentes sive animos deferri). (ebd.)

Die Pythagoreer aber hätten diese Gedanken (notiones) Zahlen genannt. Gegen Brucker, der die Zahlen des Pythagoras und die Platonischen Ideen identifiziert hatte, wendet Mosheim nur ein, daß ihm zwischen „notiones seu ideas“ und Zahlen ein großer Unterschied zu herrschen scheine, daß also Zahlen keine Ge-

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danken seien. Brucker, der die fraglose Identifizierung von Platons Ideen mit Gedanken oder Begriffen für falsch hält, bezieht sich seinerseits auf diese Stelle (696 f.), wie wir noch sehen werden. Für Cudworth und Mosheim steht also fest, daß Platons Ideen nichts als „νοήματα, conceptus“ jenes vollkommensten Geistes sind, den manche Platoniker die zweite Hypostase genannt haben (661), Die Herkunft dieses Verständnisses der Ideen aus Plotin und die unerschütterliche Gewißheit der genannten Autoren, daß damit Platons Ideenverständnis getroffen sei, liegen hier auf der Hand. An anderer Stelle beruft sich Mosheim einfach auf den angeblichen Wortsinn von „idea“, um die auf Aristoteles zurückgehende Interpretation zu widerlegen. Das Wort idea selbst bedeutet einen Begriff (notionem) oder eine dem Geiste vorschwebende Gestalt (speciem menti obversantem), nicht aber eine wirklich bestehende Natur (naturam vere consistentem). (662)

Eine Idee, so verstanden, ist eine Absurdität. Mosheim gibt ein Beispiel dafür: Was eine Idee ist, weiß ich, und was ein Pferd ist, ist mir nicht unbekannt. Wenn also einer sagt, es habe von aller Ewigkeit her eine Idee des Pferdes gegeben, begreife ich, was dieser Mensch sagen will, ohne Mühe. Wenn er aber hinzufügt, daß sich diese Idee des Pferdes in ich weiß nicht welchen Räumen oder in einem mundus intelligibilis herumtreibe, lebe, für sich bestehe, so höre ich, daß Dinge, die völlig (toto genere) verschieden sind, verbunden werden […], und ich kann mir deshalb die Meinung eines solchen Menschen nicht begreiflich machen. (662)

Eine solche Auffassung der Ideen Platon zuzuschreiben hieße, den Menschen einen weitläufigen Stoff zum Gelächter und zum Spott zu liefern (vgl. 663). Kant konnte also bei Cudworth und Mosheim eine Kontroverse über das richtige Verständnis der Platonischen Ideenlehre finden, in der die seit dem Mittel- und Neuplatonismus dominierende Auffassung und die von Aristoteles begründete und von Brucker in gewissem Umfang erneuerte Interpretation sich schroff gegenüberstanden. Auf der anderen Seite ist Brucker seinerseits von mittel- und neuplatonischen Einflüssen nicht unabhängig, wenn er auch in den beiden Abschnitten Causa exemplaris und Natura idearum des Platonkapitels seiner Philosophiegeschichte überall auf die Texte Platons zurückgreift und sich bemüht, in seiner Interpretation hinter die neuplatonischen Entstellungen auf den historischen Platon selbst zurückzugehen. Das bedeutet auch, daß er die zuerst bei Philon antreffbare Zweiweltenlehre auf einen Platonischen Text zurückführen will. Er referiert eine Passage (517 B-C) aus dem Anfang des 7. Buches des Platonischen Staates, die an das Höhlengleichnis anschließt und es aus-

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deutet. Ich zitiere aus dem Lateinischen des ersten Bandes der Historia critica philosophiae (Leipzig 1742), von mir übersetzt. Ich glaube, daß im Bereich des Intelligiblen (in ordine ipso intelligibili – ἐν τῷ γνωστῷ) eine höchste Idee des Guten selbst (boni ipsius ideam supremam – ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα) existiert, die kaum gesehen werden kann: wenn sie aber gesehen wird, so muß man behaupten, daß sie für alles von allen rechten und guten Dingen die Ursache (causa – αἰτία) sei, da sie im sichtbaren Ort (in loco visibili – ἐν ὁρατῷ) das Licht erzeugt hat, und auch den Urheber des Lichtes, im Intelligiblen aber (in ipso vero intelligibili – ἐν νοητῷ) herrscht sie selbst und hat Wahrheit und Geist (veritatem et mentem – ὰλήθειαν καὶ νοῦν) hervorgebracht. (693 f.)

Bruckers anschließender Kommentar konnte also auch seinen Leser Kant davon überzeugen, daß die von ihm unterschiedenen zwei Welten ihre letzte Quelle bei Platon selbst haben: Man sieht hier den mundus sensibilis und intelligibilis einander gegenübergestellt und beide von der höchsten Ursache abgeleitet, die [Platon] für den Urheber alles Guten hält, weil er in der sichtbaren Welt nicht nur das Licht, sondern auch dessen Urheber, die Sonne, erzeugt hat, im mundus intelligibilis aber nicht nur von sich aus der Urheber der Wahrheit ist, sondern auch ihre Ursache, den Geist, wie eine intelligible Sonne hervorgebracht hat. (694)

Die Ideenlehre ist nach Brucker „Kopf und Angel“ der Platonischen Philosophie, ohne die ihre Metaphysik und Theologie, aber auch ihre Natur- und Moralphilosophie nicht bestehen kann. Brucker glaubt, daß nur der Name Idee, nicht aber die Sache Platons eigenem Geist entsprang, daß er sie vielmehr von den Pythagoreern übernommen habe, die sie „Zahl“ nannten.Wie die Zahlen verdankten die Platonischen Ideen ihre Existenz einer Emanation geistiger Dinge aus Gott, genauer aus dem göttlichen Geist. Diese Auffassung hält Brucker gegenüber der Mosheimschen Kritik aufrecht. Die Platonischen Ideen sind demnach nicht Begriffe der Seele (animi notiones), sondern ewige Vorbilder aller Dinge und für sich subsistierende Substanzen, die nicht darum „ideae“ heißen, weil sie bloß in unserem Geist existieren, sondern vielmehr, weil sie nur durch den Geist geschaut und erkannt werden können. Die Richtigkeit dieser Auffassung beweise schon allein der Platonische Parmenides. Obwohl also die Platonischen Ideen keine Gedanken oder Begriffe, weder Gottes noch der Menschen, sind, sind sie einerseits durch Gott hervorgebracht, als er die Vernunft aus sich entstehen ließ, und sie existieren andererseits auch weiterhin als entia intelligibilia in diesem seinem Geist. Darum spricht Platon nach Brucker manchmal dunkel so, als ob sie Begriffe (notiones et conceptus) des göttlichen Geistes seien, aber meistens beschreibt er sie als entia, die sich einer eigenen Substantialität erfreuen, die aber dennoch vom λόγος Gottes umfaßt sind. Ideen sind also von Gott ihrer Existenz nach getrennt, und man darf den Neu-

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platonikern nicht glauben, für die sie vom göttlichen Geist realiter nicht unterschieden sind, also nicht nur ihrem Ursprung nach (radicaliter, wie bei Platon), sondern auch formaliter vom Geist Gottes umfaßt werden (vgl. 698). Aber die genannte Zweideutigkeit bei Platon erklärt nach Brucker, warum es zwei Interpretationen der Platonischen Ideen gibt. Die richtige Auffassung, daß nach Platon die Ideen ihrer Substanz nach vom göttlichen Verstand getrennt sind, hat jedenfalls Aristoteles und seine Nachfolger zu Zeugen. Hat man dies nicht erkannt, wie Mosheim, so kann man nicht verstehen, wie Platon denken konnte, daß nicht nur das Bild (imago) und der allgemeine Begriff (notio universalis) des Pferdes, sondern auch die Essenz und die Form des Pferdes in Gott sind. Dennoch ist die Aristotelische Auffassung die richtige, denn Platons Absicht war, wie Aristoteles sagt, der Wissenschaft (scientiae) einen Ort zu bereiten. Damit es Wissenschaft gebe, bedurfte es ewiger Subjekte, die unveränderlich und allgemein waren und die allgemeine Natur ihrer jeweiligen Art in sich enthielten, sie der Materie eindrückten, damit das aus ihr entstünde, was der Demiurg des Timaios beabsichtigte. Die Ideen sind jedenfalls Objekte (objectum: 699) des göttlichen Verstandes und der Wissenschaft und sie sind in diesem göttlichen Intellekt als der Quelle ihrer geistigen Emanation, aber sie sind dennoch von Gott und seinem Intellekt verschieden und somit nicht bloß seine Gedanken und Begriffe. Am Ende dieser kurzen Skizze, die Brucker von der Platonischen Ideenlehre gibt, steht der Passus, den Kant in der Kritik der reinen Vernunft referiert (A 316/B 373): („Brucker findet es lächerlich, daß […]“) und dem er seine schneidende Replik entgegenstellt. Man kann also sicher sein, daß die von Brucker gegebene Skizze der Ideenlehre, inklusive der Polemik gegen Mosheim und auch die Darstellungen von Cudworth und Mosheim selbst Kant bestens bekannt waren. Er hatte damit eine so vollkommene historische Kenntnis von dem Kernstück der Platonischen Philosophie, wie man sie aus den besten Fachleuten seiner Zeit und deren die Jahrhunderte umspannender Gelehrsamkeit erwerben konnte. Kant hat gegen Schlosser erklärt, daß „die Belesenheit im Plato“, die ihm selbst fehlte, „nur zur Kultur des Geschmacks“ gehöre (VT, AA 08: 403.29 – 30), und damit keine Voraussetzung des Philosophierens sei. Aber seine Werke und Aufzeichnungen zeigen dennoch, daß seine sekundäre Bekanntschaft mit der Philosophie Platons für sein eigenes Philosophieren von einschneidender Bedeutung war.Wenn Kant also bei seinem ersten Auftreten in der Dissertation De mundi… und in allen späteren Schriften den Platonischen Terminus „Idee“ gebraucht, dann bedeutet er für ihn irgendein Musterbild (exemplar), das nur durch den reinen Verstand vorgestellt werden kann und das gemeinsame Maß für alles andere rücksichtlich seiner Realitäten ist, [also] die Vollkommenheit als Noumenon,

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als Gegenstand eines reinen Verstandes (MSI, AA 02: 395.33 – 396.02.).¹² (Übrigens bedeutet die perfectio phaenomenon oder Vollkommenheit als Gegenstand der Sinne bei Baumgarten nichts anderes als die Schönheit: Metaphysica § 662). Hier wird in den Begriffen der Baumgartenschen Metaphysik die Platonische Idee als Gegenstand genommen, und nicht als Gedanke oder Begriff, aber gleichzeitig als ein nur in einem sinnenfrei erkennenden oder denkenden Verstand (Gottes oder des Menschen) enthaltener Gegenstand, der sozusagen intentionale Gegenstand oder das ideatum eines reinen Vernunftbegriffes, welcher im Falle Gottes schöpferische, im Falle des Menschen praktische Kraft hat, nämlich als Richtmaß seiner Handlungen. Dieses a priori bestimmte gemeinsame Richtmaß der Vollkommenheit ist das, woran gemessen Dinge oder Handlungen nur mehr oder minder vollkommen sind, es selbst ist das maximum perfectionis. An dieser Stelle folgt Kants Bezugnahme auf Platon: Das Maximum der Vollkommenheit heißt heutzutage Ideal (ideale), bei Platon idea (quemadmodum ipsius idea reipublicae). (MSI, AA 02: 396.12– 13)

Der maximal vollkommene Staat, der nach Platon als Urbild (paradeigma) im Himmel aufgestellt ist, ist also ein individueller Gegenstand des Vernunftbegriffes vom Staat überhaupt, der alles enthält, was er sein muß, um seinem Vernunftbegriff zu entsprechen. Er existiert zwar nur in Gedanken und nicht in der geschichtlich wirklichen Welt, aber er ist kein bloßer Gedanke und seine Realität besteht in der Kausalität, die er in der sinnlich erfahrbaren Welt hat, wenn er das menschliche Handeln orientiert und anleitet. Dieser Sinn des Wortes „Ideal“ ist der Ciceronische der „idea“ oder „species“ etwa eines Redners oder edlen Mannes (vir bonus) im Denken des Menschen. Aber das schließt nicht aus, daß eine solche „Idee“ in Gott wirklich ist, weil sein Erkennen nicht diskursiv, sondern anschauend ist, also intellektuelle, d. h. spontane und zugleich produktive Anschauung eines Individuums. Sie ist von ihrem Gegenstande nicht verschieden, weil in Gott intuitives Erkennen, Wollen und Vollbringen zusammenfallen, also auch Idee und wirkliches Ideal ununterscheidbar sind. Kant spricht in der Dissertation De mundi… deshalb von der „reinen intellektuellen Anschauung, […] wie sie die göttliche ist, und die Platon die Idee nennt“ (MSI, AA 02: 413.15 – 16).Wegen der Aufnahme dieser Platonischen Konzeption in seine eigene Philosophie kann man den Kant nach 1770 als einen späten Platoniker bezeichnen. Freilich gibt es zwei Bereiche, in denen der kritische Kant Antiplatoniker war: in der Theorie der Mathematik und der mathematischen Naturerkenntnis einer Vgl. auch die Übersetzung von Klaus Reich: I. Kant: Über die Form und die Prinzipien der Sinnen- und Geisterwelt. Hamburg 1958, 29.

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seits und in der Metaphysik der Natur im engeren Sinne, sofern sie einen teleologischen Zugang zur Physikotheologie sucht, andererseits. Dagegen ist Kants Platonnachfolge im Bereich der Metaphysik der Sitten, also der Rechtsphilosophie und Ethik offenkundig. Schon die vage Bezugnahme auf den mundus intelligibilis in den Träumen zeugt von der Rolle, die der Platonismus in der Entwicklung seines moralphilosophischen Denkens gespielt haben muß, wenn auch das metaphysische Hypothesenspiel der Swedenborgschrift nicht mit Kants kritischer Ethik ab 1785 vereinbar ist. Kant hat mehrmals die Auffassung vertreten, daß Platons Ideenlehre das Ergebnis eines über seine Wissenschaft philosophierenden Mathematikers gewesen sei. In dieser irrigen Annahme ist Kant voll von Brucker abhängig, der Platon unter Berufung auf Aristoteles zu einem Pythagoreer macht und von ihm berichtet, daß er nicht nur Mathematik gelehrt, sondern auch vermittelst der von ihm erfundenen Methode der geometrischen Analysis das Problem der Würfelverdoppelung gelöst habe. So heißt es etwa in der Abhandlung über den Vornehmen Ton: Da wir […] mit unserem Verstande, als einem Erkenntnisvermögen durch Begriffe, das Erkenntnis nicht über unsern Begriff a priori erweitern können (welches doch in der Mathematik wirklich geschieht): so mußte Plato Anschauungen a priori für uns Menschen annehmen, welche aber nicht in unserm Verstande ihren ersten Ursprung hätten (denn unser Verstand ist nicht ein Anschauungs-, nur ein diskursives, oder Denkungsvermögen), sondern in einem solchen, der zugleich der Urgrund aller Dinge wäre, d. i. dem göttlichen Verstande, welche Anschauungen direkt dann Urbilder (Ideen) genannt zu werden verdienten. Unsere Anschauung aber dieser göttlichen Ideen (denn eine Anschauung a priori mußten wir doch haben, wenn wir uns das Vermögen synthetischer Sätze a priori in der reinen Mathematik begreiflich machen wollten) sei uns nur indirekt, als der Nachbilder (ectypa), gleichsam der Schattenbilder aller Dinge, die wir a priori synthetisch erkennen, mit unserer Geburt, die aber zugleich eine Verdunklung dieser Ideen, durch Vergessenheit ihres Ursprungs bei sich geführt habe, zu Teil geworden: eine Folge davon, daß unser Geist (nun Seele genannt) in einen Körper gestoßen worden, von dessen Fesseln sich allmählich loszumachen, jetzt das edle Geschäft der Philosophie sein müsse. (VT, AA 08: 391.11– 29)

In einer Fußnote wird dann sogar Platon bescheinigt, daß er sich die Grundfrage der Kritik der reinen Vernunft gestellt habe. Es heißt dort: Plato verfährt mit allen diesen Schlüssen wenigstens konsequent. Ihm schwebte ohne Zweifel, obzwar auf eine dunkle Art, die Frage vor, die nur seit kurzem deutlich zur Sprache gekommen: ‚Wie sind synthetische Sätze a priori möglich?‘ Hätte er damals auf das raten können, was sich allererst späterhin vorgefunden hat: daß es allerdings Anschauungen a priori, aber nicht des menschlichen Verstandes, sondern sinnliche […] gäbe, daß daher alle Gegenstände der Sinne von uns bloß als Erscheinungen, und selbst ihre Formen, die wir in der Mathematik a priori bestimmen können, nicht die der Dinge an sich selbst, sondern

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(subjective) unserer Sinnlichkeit sind, die also für alle Gegenstände möglicher Erfahrung […] gelten: so würde er die reine Anschauung […] nicht im göttlichen Verstande und dessen Urbildern aller Wesen als selbständiger Objekte [vgl. oben Brucker!], gesucht und so zur Schwärmerei die Fackel angesteckt haben. (VT, AA 08: 391 n)

Die in diesen Zitaten enthaltenen Hinweise auf die mathematische Naturerkenntnis (sc. Gott als Ursprung aller Dinge, indirekte Anschauung göttlicher Ideen in den Schattenbildern aller Dinge, die wir a priori synthetisch erkennen, die Formen der Sinnesgegenstände können mathematisch a priori bestimmt werden), also auf eine Erkenntnis a priori empirischer Gegenstände gehören nun freilich zu einem Problem, von dem Kant ausdrücklich sagt, daß es „bisher [d. h. vor Kant selbst] noch nicht aufgelöst, ja nicht einmal aufgeworfen worden sei.“¹³ Wir haben in der Tat im Bruckerschen Referat der Platonischen Deutung des Höhlengleichnisses gesehen, warum Platon hier kein Problem aufwerfen konnte. Denn ist die Idee des Guten, die bei Brucker stillschweigend und etwa bei Mendelssohn ausdrücklich mit Gott gleichgesetzt wird, zugleich Ursache aller Vernunftbestimmtheit in der Sinnen- und in der Verstandeswelt, dann ist sie auch Ursache der Übereinstimmung dieser beiden Welten, denn sie „hat Wahrheit und Geist hervorgebracht“¹⁴. Ist sie aber Ursache der Übereinstimmung der reinen Verstandeserkenntnis mit ihren sichtbaren und denkbaren Gegenständen in ihrer Erkanntheit, dann macht eine solche mystische Deduktion vernünftiger Welterkenntnis die Aufwerfung der Kantischen Frage allerdings unmöglich. Schließlich ist die Kantische Kritik des teleologischen Denkens in der Kritik der Urteilskraft ein vernichtender Schlag gegen die Physikotheologie und damit den naiven Platonismus. Denn Kant kritisiert dort die teleologische Erklärung der Natur als eines Systems besonderer Gesetze und der Naturzwecke als (wenn auch nur sehr entfernter) Analoga zu menschlichen Artefakten als eine bloß subjektiv notwendige Vorstellungsart der Natur, die fälschlich als objektiv gültig behauptet oder, wie in aller Physikotheologie, unterstellt wird. Denn alle (formale oder reale) Naturteleologie beruht ja auf der Vorstellung, daß es auch objektiv oder in den Augen Gottes eine (nach seinen göttlichen Absichten von ihm selbst gesetzte) Zweckmäßigkeit in der Natur geben könnte und wirklich gebe. Die Kritik an dieser Vorstellung basiert auf einer Selbsterkenntnis unseres menschlichen Verstandes als eines diskursiven, und sie verhindert damit eine jede naive Metaphysik Platonischen Typs, wie sie Kant noch in der Kritik der reinen Vernunft als akzeptabel hingestellt hat. Dort heißt es:

 Prol, AA 04: 375 n.  Platon: Rep. VI, 508E.

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[…] auch in Ansehung der Natur selbst sieht Plato mit Recht [!] deutliche Beweise ihres Ursprungs aus Ideen. Ein Gewächs, ein Tier, die regelmäßige Anordnung des Weltbaus (vermutlich auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich [!], daß sie nur [!] nach Ideen möglich sind. (A 317/B 374)

Der Aufstieg zur „architektonischen Verknüpfung“ der Weltordnung „nach Zwecken, d. i. nach Ideen“, wie sie im Timaios vorliegt, sei eine Bemühung, „die Achtung und Nachfolge“ [!] verdiene (A 318/B 375). Durch Kants Kritik in der Kritik der Urteilskraft wird diese Physikotheologie gegenstandslos, weil die sie fundierende Teleologie, infolge ihrer unauflöslichen Gebundenheit an die menschliche Diskursivität nicht zu deduzieren ist. Diese Unmöglichkeit einer Platonischen Physikotheologie beruht also nicht auf der Unsicherheit des Rückschlusses auf eine bestimmte (nämlich intelligente) Weltursache (wie bei Hume). Sie beruht vor allem nicht auf einer angeblichen Schwäche unserer Einsicht in die Natur der Dinge, sondern darauf, daß die teleologische Konzeption der Natur unvereinbar ist mit der Vorstellung eines schöpferischen Verstandes Gottes als eines anschauenden Verstandes. Für einen solchen intuitiven Verstand kann es nämlich keine Zwecke und keine Zweckmäßigkeit geben. Hier hebt der zu Ende gedachte Platonismus sich also selbst auf. Kants Platonnachfolge in der praktischen Philosophie, als dem einzigen Felde, in dem sich die Platonische Idee als notwendiges Bestandstück einer rationalen Bestimmung der Normen und Ziele menschlichen Handelns erweist, wäre das Thema einer eigenen umfangreichen Untersuchung. Ich begnüge mich hier mit dem Hinweis auf eine Passage in einem der spätesten Werke Kants, dem Streit der Fakultäten von 1798. Dort heißt es: Die Idee einer mit dem natürlichen Rechte der Menschen zusammenstimmenden Konstitution: daß nämlich die dem Gesetz Gehorchenden auch zugleich, vereinigt, gesetzgebend sein sollen, [also Rousseaus Platonisches Ideal] liegt bei allen Staatsformen zum Grunde, und das gemeine Wesen, welches, ihr gemäß durch reine Vernunftbegriffe gedacht, ein platonisches Ideal heißt (respublica noumenon), ist nicht ein leeres Hirngespinst, sondern die ewige Norm für alle bürgerliche Verfassung überhaupt und entfernt allen Krieg. (SF, AA 07: 90.21– 91.05)

Das ist also aus dem immerwährenden Paradeigma Platons bei Kant geworden: eine Vorstellung, ein Begriff der menschlichen Vernunft, dessen Gegenstand nicht in der Erfahrungswelt existiert und, wie alles Übernatürliche, notwendig unerkennbar ist, und der überhaupt nichts erkennbar Existierendes bedeuten kann, da in ihm ein bloßes Handlungsziel gedacht ist, dessen Ewigkeit nur darin besteht, jeweils dann das menschliche Handeln zu seiner Verwirklichung zu bestimmen, wann immer der Mensch der reinen Vernunft in ihm Gehör schenkt.

Objects and Objectivity in Kant’s First Critique 1 Objects in Transcendental Idealism Ever since Johann Georg Heinrich Feder published the Göttingen review of Kant’s first Critique in 1782, this book has been read as a specimen of transcendental idealism or even as a ‘system’ of transcendental idealism, and up to this day the characterization by Feder is quite common. For example, the best present account of Kant’s main work, by Henry Allison, goes under the title Kant’s Transcendental Idealism. An Interpretation and Defense. Garve’s review of the book, which was abridged by Feder, does not speak of a system of transcendental idealism. In particular, Garve does not make the comparison of Kant’s with Berkeley’s idealism, a comparison “which may have insulted [Kant and his followers] the most, but which I regret the least”,¹ as Feder tells us in his autobiography. Garve only briefly reports what Kant says about his transcendental idealism in the fourth Paralogism of the Critique. And this is in fact the first time in the Critique of Pure Reason that Kant himself uses this term. It would indeed be strange for a ‘system’ of transcendental idealism that its keynotion first shows up on page 369 and then almost disappears from the book. So, we need to look at the passages where Kant coins this term and examine them closely. When we look at the first mentioning of the term, we see that Kant uses it to make an important distinction. He says: “[O]ne would necessarily have to distinguish a twofold idealism, i. e., the transcendental and the empirical one.”² Then he proceeds: “I understand by the transcendental idealism of all appearances the doctrine [Lehrbegriff] that they are all together to be regarded as mere representations and not as things in themselves, and accordingly that time and space³ are only sensible forms of our intuition, but not determinations given for themselves or conditions of objects as things in themselves.” (A 369) Here we have the first of only two definitions of transcendental idealism to be found in the Critique. That this definition by Kant has been misunderstood since the

 Feder (1825: 119). His own words are: “welches wohl am meisten beleidigt haben mag, ich aber am wenigsten bereue.”  Note that the words after the comma are not given in the Guyer/Wood translation (Kant 1998).  Notice this order of time and space, which is strangely inverted in the Guyer/Wood translation (Kant 1998). https://doi.org/10.1515/9783110605327-020

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days of Garve and Feder only emphasizes the need to reflect on the meaning Kant wants this term to have. In order to get a better grip on the passages quoted above we need to concentrate on three aspects which we will now discuss. (1) First we have to take the context of this definition into account. Kant introduces it in a passage of the Transcendental Dialectic in which he criticizes a kind of rational psychology as part of a dogmatic metaphysics. Idealism is, accordingly, a metaphysical position, following from an inference to the unknown causes of given perceptions and their doubtful existence. This position is for Kant roughly identical to that of Descartes and he calls it ‘problematic’ or ‘sceptical’ idealism. This kind of idealism rests on the sober observation that unknown causes, inferred from given effects, are necessarily undetermined as far as their qualities and even their way of existence is concerned. In the case of perceptions as given effects, their cause may exist not in the perceived object, but in the perceiving subject, or in God (or in a genius malignus). Kant opposes this kind of (empirical) idealism to dualism. He understands dualism as the assertion of a possible certainty concerning the existence of bodies or objects of outer sense, using a Wolffian term. This term designates the ontological position of stating a duality of kinds of existing things in the world, bodies and spirits. Kant adapts this Wolffian term to his own purpose and redefines it. In this metaphysical perspective, dogmatic idealism amounts to the claim that only spirits exist. An idealist of the Cartesian type is thus not someone who dogmatically denies the existence of bodies as external objects of the senses, but is rather someone who claims that we can never be fully certain of their existence. They could be illusions, dreams, or fictions of some kind or other, i. e., they could be things whose existence consists only in being perceived by us. Idealism concerns the existence⁴ of perceived external objects as doubted or denied by metaphysicians who hold a certain position vis-à-vis the relation of the soul to other substances (be they bodies or souls). It is not an epistemological position, and Kant, as we shall see, does not intend to refute such a kind of idealism by presenting a deduction of the categories or a proof of the principles of the pure understanding. The epistemological or rather transcendental question about the a priori cognizability of objects does not deal with existing objects (whether internal or external) as such. This is one of the many things that Garve and Feder failed to understand in their reviews and they did not remain the only ones who did not recognize this.

 Dasein or Wirklichkeit.

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In the Guyer/Wood translation of Kant’s definition of ‘transcendental idealism’ the sequence of the key terms ‘time’ and ‘space’ is inverted (for whatever reason). However, Kant’s strange assertion that the ideality of all appearances or objects of the senses means to regard them altogether as mere representations, can only make any sense if we take all external and internal objects as objects of the inner sense, the form of which is time and which does not admit of spatial figures and spatially dimensioned objects. So time is superior to space, insofar as spatial objects can only be represented and made conscious through positing them in the inner sense and thereby submitting them to time and its relations. The direct objects of the inner sense, i. e., all appearances insofar as we can empirically become conscious of them, are representations in time (regardless whether they are merely states of mind or representations of objects in space). (2) The term “appearance”, as is well known, is defined by Kant as “the undetermined object of an empirical intuition” (A 20=B 34). This indeterminateness of an appearance is twofold. The first indeterminateness is an ontological one. The object, which is only an object in anticipation of its future determination as a phenomenon, is still undetermined as to its being either a substance or an accident. These two kinds of reality belong disjunctively to any full-fledged object. But only the understanding, in determining a given empirical intuition, can bring about the decision between substantiality or accidentality as the modes of existence belonging to an object of thought, which is at first given in empirical intuition. This also means that appearances of the inner sense, when determined, can only be states or accidents of an (unknown) substance, i. e., states of my mind or so-called representations of objects (including objects other than myself and myself as an object). There is a second indeterminateness of the appearances or sensibilia. They are also undetermined objects in the sense that they can become phenomena or determined objects by the understanding’s decision between representations (of which I can become conscious) as merely temporal states of my own mind (actually or possibly given in inner intuition) and other possible empirical objects that can only be represented as other than myself by referring their representations in my inner sense to a location in space. In the case of sensations, this presupposes not only space as a priori given in intuition, but also the formal intuition of particular objects as already having figure and extension qualifiable by the representational content of sensation. Mere appearances are not yet determined in regard to their belonging to time only, or to time and space. This, however, has nothing to do with their existence. Thus, determined objects of the senses, or phenomena, are always substances or accidents of substances, in time only or in both time and space. They get this determination through concepts (empirical and pure) of the understanding,

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supervening on their empirical intuitions given in time and space. But their being existing objects, distinct from ‘mere’ representations (in the sense of dreams and fictions of imagination), depends on two things. Firstly, it depends on the fact that there is an a priori proof of the necessary existence of something permanent in space and, secondly, on empirical laws of relating particular perceived things to other perceived things in the context of outer and inner experience of objects, which is ultimately governed by causality. Kant adds such a proof only to the second edition of the Critique in his refutation of skeptical (empirical) idealism, when he is challenged by misunderstandings such as Garve’s and Feder’s. So little is he concerned with idealism as a problem of transcendental philosophy when he first publishes his work. His main topic is the a priori cognizability of objects in mathematics and metaphysics, i. e., transcendental aesthetic and logic as such, not a particular problem of rational psychology as a part of dogmatic metaphysics. When Kant adds his Refutation of Idealism in the second edition of the Critique, he inserts it into the subchapter on the postulates of empirical thinking in general, i. e., into his definition and elucidation of our a priori cognition of possible, real (existing) and necessary objects of experience. This presupposes that the possibility of experience has been warranted by proofs a priori, which are not at all grounded on the assumption of real (existing) objects. Existing external objects distinct from ‘mere’ representations of the imagination are a problem that can only be solved on the basis of a theory which has already established the a priori possibility, i. e., the necessity, of the empirical cognition of objects. (3) The third problem in understanding Kant’s definition of transcendental idealism is raised by his opposing appearances as “mere representations” to “things in themselves” (A 369). The ambiguous term “mere representation” here cannot mean dreams or fictions for these would have to be contrasted with real, that is, existing, empirical objects in space, not with things in themselves. “Mere representations” must, therefore, mean appearances of the inner sense (or states of my mind) through which I can represent the sensible object in space and time regardless of the question whether these appearances are real or merely fictitious. The represented objects of the senses depend, among other things, on the functioning of my perceptual apparatus, but they could qualitatively totally agree with how things are independently of my subjective constitution, i. e., with things as they are in themselves (although nobody could explain how such an agreement could come to happen). Now, Kant’s claim that the represented objects are not objects as they are in themselves rests entirely and exclusively on the temporality and spatiality of these objects of my senses. It is thus not the case that they are mind-independent things in themselves and, in addition, in space and time. For they cannot be

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things in themselves because they are represented as being in time and space, and time and space themselves cannot be determinations, even less conditions, of things in themselves. This, of course, presupposes Kant’s proof of the a priori ideality of time and space in the Transcendental Aesthetic. There, it is shown that they are only sensible forms of our intuition and thus cannot belong to things in themselves. These proofs are totally independent of all considerations concerning the existence or non-existence of appearances as objects of the senses (which is the topic of idealism). We shall not go into these proofs themselves, but take them for granted. As conditioned by the subjective forms of our sensibility all undetermined objects of our senses, hence all appearances, can be called “mere representations”, in the sense that whatever objects represented by them depend on our sensible capacity to represent them, which in its turn can safely be inferred from their temporality and spatiality. Time and space in turn condition all qualitative and quantitative sensible determinations as well as the sensible relations between appearances. If this is conceded, then one can say what Kant actually says: all appearances (being “mere representations”) have to be regarded as not being things in themselves, which somehow could be cognized by making use of these appearances. Since Kant’s definition of transcendental idealism only reminds us of a fundamental result of the Transcendental Aesthetic, it does not provide anything new to the reader of the Critique. What is new is only his confrontation of this specifically Kantian version of idealism, resulting from his investigation into the a priori conditions for the cognition of objects as such (and therefore called a transcendental idealism), with the time-honored Cartesian psychological or empirical idealism as a metaphysical doctrine. In this respect, Kant claims that a transcendental idealism may well embrace a version of metaphysical dualism, conceding the existence of matter (cf. A 370, A 379) as independent of our representations of it without thereby taking it as a thing in itself. Matter, then, is an object of experience, the existence of which is in some sense not mind-dependent, since it is not a representation merely in time. However, since it is only possible as something spatial, it is first given as an appearance, which means as an undetermined object or mere sensible representation that can be determined through concepts of the understanding and thereby become a phenomenon or an object of external experience and, ultimately, of physical science. So far we have seen that for Kant a ‘real or existing thing’, a ‘thing in itself’, an ‘object of the senses’, and an ‘object of the understanding’ are four welldistinguished kinds of object. This means that objectivity, which characterizes an object as such, must be a fifth topic of investigation for him. But before dealing with objectivity we first need to turn to the second occurrence of the term ‘transcendental idealism’ within the Critique, which survived Kant’s rewriting of his

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work for its second edition. What is noteworthy is that all references to transcendental idealism in the Paralogisms, with which we were dealing so far, were deleted by Kant for the second edition. In Kant’s second and final edition of his main work, there are, apart from a heading, only two more sentences in which we find him using the term “transcendental idealism”. It is now understood as “the key to solving the cosmological dialectic” (A 490=B 518). Kant here indicates its role in the solution of the four cosmological antinomies, i. e., the apparently contradictory conclusions of reasoning about the world as a totality of objects of experience taken as given in itself. But this passage does not tell us what transcendental idealism means. Kant refers to what he has “sufficiently proved” (ibid.) in the Transcendental Aesthetic. And then he gives us his second definition of the “doctrine” of transcendental idealism: “Everything intuited in space or in time, hence all objects of an experience possible for us, are nothing but appearances, i. e., mere representations, which, as they are represented, as extended beings or series of alterations, have outside our thoughts no existence grounded in itself” (A 490 ff.=B 518 ff.). Thus, again, transcendental idealism follows directly from the proofs of the Transcendental Aesthetic about the nature of space and time. Empirical objects are nothing but appearances. As objects of the senses they are appearances, but as depending in their possible givenness on space and time as subjective conditions of their intuition, they are “nothing but” appearances and, therefore, cannot be confusedly represented things in themselves. In this passage, appearances are again “mere representations [bloße Vorstellungen]” that can only after their determination through the understanding be taken to be objects, i. e., phenomena, and as such be distinguished from their representations and also from “mere representations”, now in the sense of dreams and fictions. When these representations, all together given in inner sense, are themselves represented through the determining understanding “as extended beings” in space or “series of alterations” of substances in time and space, we get nothing more for the determination of their content as empirical objects than what is given to us in our senses. They are thus merely appearances thought as objects that cannot qualitatively differ from our empirical intuitions of them. If they are empirically cognized as existing outside of our mind and its representations, i. e., in space, they are still appearances (phenomena), objects whose determinations and existence as known or knowable by us depend on our cognitive faculties. This is what is

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meant by the somewhat misleading phrase “they have outside our thoughts no existence grounded in itself”.⁵ Of course, Kant does not mean here to say that extended objects or objective alterations of substances have no existence grounded in itself. For, how could any existence be grounded in itself? Not even a necessary being’s existence could be grounded in this existence. Nor can the “in itself’ mean that existence is some thing in itself. What Kant wants to say is: the existence of empirical objects, such as bodies in space and their temporal alterations, is for us grounded in the cognitive faculties of the mind and not grounded in these same things taken as things in themselves. Their appearance and existence is (firstly) grounded in our faculty of empirical intuition, including imagination. They thus exist as accidents or states of the representing mind (or the soul, its unknown substance). And this is also true of their existence as empirical objects in space, for space itself exists only in the mind. Whenever we represent their mind-independent existence as objects in space, this can only be grounded in the existing forms and activities of our mind, which employs the a priori form of the intuition of space, empirical concepts and the categories, ‘existence’ being one of these categories. All this cannot be grounded in things in themselves because (among other things) existence, let alone causality, or even mere possibility (in the sense of “reale Möglichkeit”⁶), cannot be safely attributed to things in themselves of which we have no cognition whatsoever. Thus empirical objects such as bodies and their alterations have no existence grounded in (or belonging to) things in themselves, which could somehow communicate to us that they exist. All this does, of course, not mean that there are no existing things in themselves underlying (as, perhaps, Leibniz’s aggregates of monads do) all empirical objects and our perception of them. On the contrary, our taking these objects as determined appearances indicates already that we take them as the appearances of something, which we necessarily think by means of the only tools for thinking objects available to us (i. e., the categories). But since there is, by definition, no pure and therefore no empirical intuition of objects in themselves, this application of the categories is in vain and only tells us how we think something in order to think it as an object. So we cannot even claim to have cognition of the mere possibility of things in themselves, since the “real possibility” of anything  We must excuse Guyer and Wood here, because even in German the phrase is hardly clear: “[…] sie außer unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben” (A 491=B 519).  See, e. g., the footnote on B XXVI. Kant calls this “reale Möglichkeit”, meaning the possibility of things as contrasted with that of concepts. But when we translate it as ‘real possibility’ we must avoid mistaking ‘real’ for ‘actual’, which would make the phrase nonsensical.

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means, for Kant, that it agrees with the formal conditions of experience (in accordance with intuition and concepts) (A218=B265). But, again, to say that we have no cognition of the possibility of things in themselves does not mean that they are impossible. This would imply that they could not consistently be thought. It only means that we cannot know anything about their real possibility or real impossibility, for our concept of them is a problematic one, and our ignorance of them is perfect. This concludes my discussion of the two definitions of transcendental idealism in Kant’s first Critique. So far we have only pointed at the relation between this doctrine and the Transcendental Aesthetic as well as to the way in which this relation determines the fourfold status of objects as appearances, phenomena, real things, and things in themselves. The Prolegomena, which is in large part directed against the Göttingen review, adds little to the two definitions I have quoted and discussed. Kant admits, however, that he himself has given the name “transcendental idealism” to his theory, but the context clearly shows that the “theory” he means is the one of the Transcendental Aesthetic (Prol, AA 04: 293 ff.). He insists that “idealism” in its received meaning is the doubting of the existence of things, in particular of these things taken as things in themselves. The doubting of the latter, he says, “never came into my mind” (ibid.). Kant’s own “so-called” idealism concerns “only the sensory representation of things, to which space and time above all belong” (ibid.; Hatfield’s translation⁷). In the case of space and time, Kant had not only doubted that things in themselves exist in space and time and that they appear to us as they are in themselves, but he had flatly denied even the possibility of this. He now also suggests to call his version of idealism “critical” idealism in order to prevent further misunderstandings of the term “transcendental”. The only material addition of the Prolegomena to the first Critique in respect of transcendental idealism is contained in three passages of the Appendix. In the first passage Kant says that his idealism “is solely for grasping the possibility of our a priori cognition of objects of experience, which is a problem that has not been solved before now, nay, has not even once been posed” (Prol, AA 04: 375 n.). This is a passage where indeed transcendental idealism is related to the main task of the whole Critique (not only to the Transcendental Aesthetic). But in another passage, shortly before the one just quoted, he insists that his version of idealism, although it “runs through my entire work, […] does not by far constitute the soul of the system” (Prol, AA 04: 374), contrary to Feder’s view of

 In Kant (2004).

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the entire Critique as a system of transcendental idealism. But when Kant here says that his transcendental idealism is solely a means for solving the as yet unsolved and even unposed problem of “our a priori cognition of objects of experience” in metaphysics, applied mathematics and theoretical physics, this looks like recommending it as a mere hypothesis. But the truth of such a hypothesis could not be asserted independently of its role in the explanation of a priori synthetic cognition. This reading is, however, ruled out by a third passage directed at Feder’s understanding of Kant’s intriguing idealism. “The idealism […] was taken up into the system [Lehrbegriff] only as the sole means for solving this problem [namely, the problem of the possibility of synthetic a priori cognition which, indeed, constitutes the soul of the system, M.B.] (although it then also received its ⁸ confirmation on yet other grounds)” (Prol, AA 04: 377; my italics). The “other grounds” clearly refer to Kant’s proof of the transcendental ideality of space and time in the Transcendental Aesthetic and its independent confirmation by the necessity to adopt this ideality in order to avoid the contradictions of the cosmological antinomies. In the Aesthetic he had already declared: “The second important concern of our transcendental aesthetic is that it not merely earn some favor as a plausible hypothesis, but that it be as certain and indubitable⁹ as can ever be demanded of a theory that is to serve as an organon.” (A 46=B 63, my italics) It is true that Kant’s entire doctrine of synthetic a priori cognition in mathematics, physical science, and metaphysics rests on the ideality of space and time, the result of his Transcendental Aesthetic. This ideality is proven from the nature of space and time and from our a priori intuition of them. Had Kant not done this, the whole system would move in a vicious circle. For if we had to accept the truth of the doctrine of the ideality of space and time only in order to be able to explain synthetic a priori cognition of objects, which in turn presupposes such ideality, we would be caught in a circle of explanation. The truth of Kant’s theory of synthetic a priori cognition rests on the truth of his theory that space and time are transcendentally ideal. This latter truth does not depend on its consequence, but is established and also confirmed independently “on yet other grounds”. Thus transcendental idealism as the theory of space

 In a draft version of this passage Kant had written “vor sich selbst” (“by itself” instead of “its”), which indicates that he wanted to distinguish the role of his idealism in solving the problem of synthetic a priori cognition from its role as a key to solving the cosmological dialectic, which he considered as a confirmation of his doctrine in the Transcendental Aesthetic (see VAProl, AA 23: 62).  Or, rather, “undoubted [ungezweifelt]”; Kemp Smith has “have […] freedom from doubt”.

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and time being merely subjective conditions of all our intuition can be what Kant calls an “organon”¹⁰ for the establishment of his transcendental logic.

2 Kantian Objectivity The main result of Kant’s transcendental idealism is not the claim that things as they are in themselves cannot be cognized by us and remain indeterminable X’s. This is an analytic, that is, trivial, truth following from his doctrine that all cognition requires intuitions of objects and the fact that all our intuitions are sensible. For, if this is sufficiently proven, then it follows that all objects that are by definition not objects of our sensibility, whether they be only objects of the senses taken as non-appearances or such objects that cannot at all be objects of our senses (i. e., God and perhaps other noumena), must then be noncognizable. The main result is rather that all objects that can be cognized, both empirically and a priori, cannot be things in themselves nor even resemble them. And since, according to the Transcendental Aesthetic, being in space and time or being in only one of them is an infallible criterion of being a mere appearance, neither all so-called secondary sense qualities of objects nor all primary ones (because they are only possible in space and time as forms of our sensible intuition) can determine things as to what and how they are in themselves. Now, since all this follows from Kant’s Transcendental Aesthetic, we may ask whether or not the nature of our understanding and our reason, which are investigated in Kant’s Transcendental Logic, provides us with additional arguments for the thesis that the objects of these intellectual faculties cannot be conceptually determined and cognized as they are in themselves. The metaphysical doctrine that deals with such a question and expounds the predicates of things in general taken as objects of intellectual cognition, is ontology. We all know that Kant lectured on Baumgarten’s version of Wolff’s ontology for several decades. In order to facilitate our understanding of Kant’s critique of this ontology, we have to ignore for a while that, in Kant’s view, Baumgarten did not properly make a distinction between ‘understanding’ and ‘reason’, that he took for granted that the understanding as a faculty of thought could also produce cognition of things and that the most general ontological concept for Baumgarten is ‘thing’ (ens) and not ‘object’ (as Kant would argue). It is also

 Note that Kant here uses the term “organon” in a modified sense of the Aristotelian tradition. Cf. A 61=B 86 and A 12=B 26.

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well known that Kant, in the chapter on Phenomena and Noumena, says that “the proud name of an ontology […] needs to be replaced by the modest one of a mere analytic of the pure understanding” (A 247=B 303; translation amended). This looks like an outright denial of the possibility of a science of things in general and a plea for its replacement by what Kant himself has called transcendental logic. Fortunately, we have the lecture notes by Mrongovius taken in 1782– 1783, in which we can see Kant arguing for his demand in a little more detail. Kant obviously refers to Baumgarten’s definition and treatment of ontology in §§4 ff. of his Metaphysica. “Ontologia [or Grundwissenschaft] est scientia praedicatorum entis generaliorum”.¹¹ In §5, Baumgarten adds that these more general predicates of the thing (entis) are “prima cognitionis humanae principia”.¹² We also have Georg Friedrich Meier’s translation of this book in which J.A. Eberhard comments that by “the thing” Baumgarten means the same as Wolff’s “das Ding überhaupt, oder sofern es ein Ding ist” and not a thing of a certain kind. Mrongovius reports¹³: In transcendental philosophy we consider not objects, but rather reason itself, just as in general logic we regard only the understanding and its rules. Thus transcendental philosophy could also be called transcendental logic. It occupies itself with the sources, the extent, and the boundaries of pure reason, without busying itself with objects. For that reason it is wrong to call it ontology . There we consider things already according to their general properties. Transcendental logic abstracts from all that; it is a kind of selfcognition. […] It thus concerns not the object but the subject – not things, but rather the source, extent, and boundaries of reason in its pure use, i. e., free of experience.¹⁴

If Kant said such things in his lecture, he has taken a short way from Wolffian ontology to transcendental logic, basically by comparison of his innovation, transcendental logic, with general logic, which is based on the subject’s self-cognition of its understanding’s necessary rules for thinking. Transcendental logic is not ontology but an investigation that must come before any theory of the general predicates of things to which thinking is applied. It deals only with the pure, non-empirical, use of reason in a critical way, asking for its justification by examining its sources, extent, and boundaries. However, taking this short way is not unwarranted. For to go from ontology to a transcendental analytic of the pure understanding means only to follow the lead implied in the task of ontology, i. e., to specify the “general properties” (i. e., general attributes) of things. In

   

“Ontology is the science of the more general predicates of the thing.” “First principles of human cognition.” Of course we have to take this for Kant’s words. Kant (1997: 116, emphasis added).

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doing so, we are looking for “praedicata” and that means concepts which are concepts of things as such, i. e., “insofar as they are things” (in Wolff’s words). In examining reason in order to find the concepts of thinghood, or rather of the objectivity of objects, we are taking only one more step higher on the ladder of the generalization of predicates of things which are objects of the understanding before they can be subsumed under ontological predicates such as Aristotle’s categories. This is in accordance with the scholastic search for transcendentals, namely predicates of the ens qua ens, which are presupposed for all the categories. The Kantian version of this move is: In ontology one speaks of things in general, and thus actually of no thing – one is occupied with the nature of the understanding for thinking of things – here we have the concepts through which we think things, namely, the pure concepts of reason – hence it is the science of the principles of pure understanding and of pure reason. But that was also transcendental philosophy, thus ontology belongs to it – one has never treated it properly – one treated things in general directly – without investigating whether such cognitions of pure understanding or pure reason or pure science were even possible. There [in ontology] I speak already of things, substances and accidents, which are properties of things that I cognize a priori. But I cannot speak this way in the Critique. Here I will say substance and accident are also found among the concepts that are a priori. How do I arrive at that? What can I accomplish with that? What is possibly cognized a priori of objects, insofar as they are substances?¹⁵

I have given these long quotations because they document, more than any other Kantian text I know of, how Kant sees his position vis-à-vis Wolffian (and scholastic) ontology, and how this position emerges from a critique of that ontology. One fundamental critique concerns the fact that pre-Kantian metaphysics (including Baumgarten’s ontology with the possible exception of Crusius) is not properly defined as the system of pure philosophy, i. e., of a priori cognition of things. In the particular case of ontology as dealing with the necessary predicates of all things, Kant’s lecture criticizes or even derides Baumgarten’s definition of ontology as follows: “We now begin the science of the properties of all things in general¹⁶ which is called ontology.” (Kant 1997: 140). This means that Kant wants to say: what is called “ontology” should be defined as Kant just defined it and not as Baumgarten did, namely as “scientia praedicatorum entis generaliorum”.¹⁷ Kant not only ignores Baumgarten’s use of the comparative “gener-

 Kant (1997: 114 ff.)  I would prefer to translate “Dinge überhaupt” as “things as such” for reasons that will presently become obvious.  Which in German would be “die Wissenschaft der allgemeineren Prädikate des Dinges”.

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aliorum”¹⁸ which means “the more general”, but he seems to attack his use of the term “general” tout court. The text proceeds: “Ontology is supposed to be [soll (…) seyn, i.e, is allegedly] the science that deals with the general predicates of all things, which are such predicates as are common to most things”. (ibid.) Baumgarten thus failed to realize that these predicates of things (in any ontology proper) must be strictly universal and not permit of any exception, as his “general” or “more general” predicates do. The text goes on: “[I]f the predicates are not universals , i. e. [predicates] which are common to all things, then one does not at all [gar nicht] know what ontology is.¹⁹ They must belong to all things […]. If I say general predicates, an exception still always occurs, and how far does it extend?”²⁰ This means that Kant told his students that Baumgarten did not at all know what ontology is and that his definition is seriously flawed. In what follows the text explains what the proper topic and task of ontology is according to Kant himself: One easily comprehends that it will contain nothing but all basic concepts and all basic propositions [i. e., principles] of our a priori cognition in general: for if it is to consider the properties of all things, then it has as an object nothing but a thing in general, i. e., every object of thought, thus no determinate object. Thus nothing remains for me other than the cognizing, which I consider. (The science that deals with objects in general will deal with nothing but those concepts through which the understanding thinks, thus of the nature of the understanding and of reason, insofar as it cognizes something a priori. – That is transcendental philosophy, which does not say something a priori of objects, but rather investigates the faculty of the understanding or of reason for cognizing something a priori; thus with regard to content it is a self-cognition of the understanding or of reason, just as logic is a self-cognition of the understanding and of reason with regard to form.[…]) ²¹

This concludes my lengthy quotations from Kant’s lectures on metaphysics, given shortly after the publication of the first Critique. The transition from “a thing in general” (belonging to the Wolffian tradition), to “every object of thought, thus no determinate object” as Kant’s interpretation of Wolff’s (but not exactly Baumgarten’s) sole topic in ontology, and Kant’s conclusion that ontology has to be transformed into a science of “cognizing”, i. e., of concepts through which the understanding thinks a priori, which requires an investigation of the nature of understanding and reason in their pure use analogous to formal  This could be due to Mrongovius.  I have changed Ameriks’ and Naragon’s translation of this sentence in order to come closer to Mrongovius’ German.  Kant (1997: 140).  Kant (1997: 140, my italics).

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logic–this step-by-step derivation of transcendental logic superseding traditional ontology can be found nowhere else in Kant’s published works, which may excuse my extensive use of Mrongovius’ notes. What one can learn from these passages is that the concepts of objects in general, which turn out to be Kant’s categories, are what constitutes the objectivity of objects of thought and cognition. However, if we take Kant’s metaphysical deduction of his categories for granted, we will still have to explain how the objectivity of objects, and which objectivity of which objects, depends on the nature of understanding and reason. Objects, for Kant, get their objectivity from the intuiting and thinking subject–so much seems to be certain. Kant’s revolutionary theory of intuition (which says that intuition is not reducible to concepts) and of pure sensibility (with its faculty of a priori sensible intuition of objects) was either forgotten or came under attack from his immediate followers and opponents. It is only in so-called German Idealism that the dependence of objects of cognition on the understanding, as far as their formal determinations are concerned, was called ‘idealism’. Kant, however, never did so. For him material idealism consisted in doubting the extra-mental existence of objects that were hypostatized representations, which he took as an unwelcome consequence of transcendental realism, the basis of which Kant had undermined by his proofs for the ideality of space and time. Transcendental realism took appearances and their subclass phenomena for things in themselves–however distorted their perceived determinations may have been. According to Kant, phenomena were thus falsely taken as given objects (in themselves). He however insists that, to the contrary, the objectivity of these objects, not the objects themselves, is a product of the human understanding. Objects are for Kant something in between representations and things in themselves, whose existence has to be granted but which could not even be doubted with sound arguments. They are certainly not impossible, since their general concept is free of contradiction; they are even postulated by reason as an intelligible (i. e., noumenal) substrate of appearances. Still they could never be cognized for lack of their intuition. But certainly they can be thought, and when they are thought they must be thought through the categories which are the only means available to us for thinking objects. These categories are also the only possible concepts through which we can think empirical objects or phenomena as such, i. e., as objects. These cognizable objects do not necessarily have to be real, i. e., existing, objects. They may be merely possible objects which are no less objective than real objects. In fact, the necessity (and universality) of the objectivity of objects can only be proved (if at all) with respect to possible objects (of experience). These are ontologically mere appearances in the stronger sense of phenomena. The objectivity of these objects rests not on these objects themselves, it is not a generalized common fea-

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ture of experienced objects. If the empirical objects owe their objectivity to the human understanding, this understanding can (of course) not arbitrarily distribute objectivity among appearances and thereby transform them into empirical objects. Our understanding, being discursive, can only think things whose empirical intuitions, that is, whose sensations conditioned by space and time, are given to it, prior to its thinking activity. But there are also formal conditions a priori for the thinking of objects. An object is a thing underlying, somehow, the representations of a representing subject. Whenever the understanding thinks an object corresponding to the formal a priori conditions governing intuition it must make use of the categories, which are formal concepts of objects of sensible intuition in general derived from the logical functions of the synthesis of concepts in judgements. To apply them to the manifold of a given sensible and empirical human intuition means to subsume this manifold under the universal concept of a (necessary) synthetic unity of a pure manifold of intuition which is contained in time.²² This is what Kant means when he says about his categories that the understanding “brings a transcendental content into its representations by means of the synthetic unity of the manifold in intuition in general, on account of which they are called pure concepts of the understanding that refer to objects a priori”,²³ i. e., before they are empirically given to us. The apriority of this reference to objects means that they can only be thought as objects of the understanding and of intuition through the subsumption of an empirically given manifold of intuition under these categories. This is how the objectivity of objects, which is constituted by subjecting their pure intuitive manifold to a synthesis of the pure understanding, precedes these empirical objects themselves. Now, one may ask why the understanding should do that in the first place, even if we concede that it can do that. Kant’s answer is that there is a certain ad hominem necessity to do that, because to the nature of our understanding intrinsically belongs its faculty of self-consciousness (or apperception). Not the subject tout court nor the understanding merely as a faculty of thinking (i. e., using concepts in representing things) is the principle of objectivity among its representations. Rather the subject’s apperception is this principle which makes the concept of an object of our cognition in general (and not only of thought) possible and even necessary. This connection, of apperception and objectivity, plays the main role in the synthetic or progressive procedure, which

 This is, of course, an allusion to Kant’s doctrine of transcendental schematism.  A 79=B 105; my italics. I replaced Guyer’s and Wood’s “pertain to” (for “gehen auf”) by “refer to”, which is what Kant means.

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Kant develops in the first part of the Transcendental Deduction of the Categories in the second edition of his Critique. But under the name of “consciousness in general” (Prol., AA 04: 304) apperception is also present in the analytic or regressive procedure, starting from an analysis of the possibility of experience, in the Prolegomena. In order to get an insight into this connection we need to turn to the Deduction itself. However, I can only briefly deal with the first of these expositions of the Kantian doctrine of objectivity, emphasizing its dependence on Kant’s new concept of apperception. Kant begins the Transcendental Deduction of the Categories in its B-version (§ 16) with a presupposition for which he does not argue but takes for granted, namely that I have representations of which I can be conscious as “my representations”. His argument starts with claiming that this (possible) consciousness necessarily implies a certain kind of self-consciousness, the consciousness “I think”. The simple reason for this is that the consciousness of representations as my representations means already that I am also conscious of the subject which has these representations, whom I call ‘I’. Of this ‘I’, I am conscious not only as the owner of its representations but also as the one who can think them, and this is the (possible) self-consciousness of the form ‘I think A’, ‘I think B’ etc. This way of analytic reasoning is by no means trivial. Firstly, self-consciousness or apperception was taken by Leibniz and Wolff as a particular kind of consciousness, namely, as the consciousness that comes about when the thinker himself happens to be the object of his consciousness. For Leibniz and Wolff, this consciousness depended on the distinctness of the consciousness of another object such as ‘A’ or ‘B’. Kant reverses this order of dependence. I cannot have the consciousness of ‘A’, ‘B’, etc. as my representations without having the consciousness of myself. Original apperception is thus presupposed in all consciousness of all my representations as mine. Therefore, Kant often speaks of apperception merely as consciousness. Secondly, we need to remember that the self of which I am conscious is not only the owner of representations but a thinking self. This means, for Kant, that it can think something (“etwas”) through its own representations. Were this not the case, then I could become conscious of all my representations as mine but I could not think some particular representation itself and a fortiori no object through it. There could be only two reasons for this. The first is that my representation would be formally impossible, i. e., it would be a concept implying a contradiction, which cannot be thought by any thinker. A second (more elementary) reason would be that I am not actually conscious of this representation, and thus I cannot think its content as a concept. A representation could well be mine, but for my consciousness it would be nothing, i. e., no given content or matter for consciousness and for thinking.

Objects and Objectivity in Kant’s First Critique

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So far we have only dealt with what Kant calls the analytic unity of apperception. This term means that in all possible consciousness like ‘I think A’, ‘I think B’ there is an identical element, namely the ‘I think…’, which is like a common concept or a mark that can be shared by many things. However, if I want to become conscious of the identity of apperception (or consciousness) itself in all particular consciousness of something else (such as the consciousness of ‘A’ or ‘B’), i. e., of its numerical and not only its conceptual unity, I must synthesize my representations (which as given before being thought can only be intuitions and their manifold), and I must be able to become conscious of this at least possible synthesis. Kant calls this new kind of self-consciousness, which arises from the consciousness of myself as the identical ‘synthesizer’ of all the manifold of given representations (of which each separately I may be conscious), the “synthetic unity of apperception”. Some (“irgendeine”²⁴) such synthetic unity of apperception is required, not for the possibility of the consciousness “I think”, but for the possibility of the consciousness of the identity of the “I think” in all possible manifold in a given and conscious intuition. I could become conscious of myself as the identical source of synthesis of the manifold of my intuitions if this synthesis were merely an arbitrary one, executed for instance by my composing imagination. Only “some” synthetic unity of apperception arising from “some” (necessarily possible) synthesis of representations is a requirement for the possibility of the consciousness of the identity of myself. Are there some particular acts of intellectual synthesis by the understanding (not by the imagination, which depends for its arbitrary acts of synthesis on some contingently given sensible matter), which are sufficient conditions of the synthetic unity of apperception and at the same time necessary acts of mere thinking? And if so, necessary in respect of what? This is the same question as: is there an objective synthetic unity of apperception, i. e., one that results from an act of synthesis by the understanding that every possible thinker must perform? Kant’s answer is that there is such an intellectual synthesis and that it can be found in general or formal logic. The logical form of, e. g., categorical judgements is itself a form of possible truths. For, in order to achieve truth in thinking, I must connect my concepts not arbitrarily or at random but according to the form of predication and say of some ‘S’ that it is ‘P’. Only then can my thought be in agreement (or disagreement) with its object. Thus the synthesis of predication is a synthesis that every thinker has to perform if his thinking is to have objective validity, i. e., show some kind of objectivity (namely logical objectivity). This is what Kant has in mind when he says that

 B 133.

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Objects and Objectivity in Kant’s First Critique

“[t]he logical form of all judgments consists in the objective unity of the apperception of the concepts contained therein” (B 140). The objective unity of apperception is, of course, a particular kind of synthetic unity of apperception, one that any thinker, concerned with objectivity in his thinking, has to take as a formal norm in combining his concepts (in view of a possible truth-value of the resulting combination) through which he can, at the same time, become conscious of the identity of himself as a thinking subject. This kind of apperception, however, is not one of this or that particular thinking subject at some particular time, but what Kant calls “apperception in general” or “consciousness in general” (B 143). Since the “I think…” of apperception is related to all representations as such of which I can be conscious (whether they be intuitions or concepts), the objective unity of apperception in respect of intuition (thought, as we shall see, in the category) will only be analogous to, but not the same as, that in connecting concepts in judgements. But the former will depend on the latter, because it is the thinking self and its self-consciousness (the “I think…”) that underlies all possible kinds of consciousness of representations. An object of intuition is something in whose concept the manifold of this given intuition is united. This is true of any object of intuition, even fictitious ones. But if a certain form of uniting the manifold of a given intuition were necessary, we could have objects of intuition that are formally the same for every discursively thinking being confronted with its particular manifold of intuition, that is to say, it would not be a merely private object. Now, the only possible kinds of combining the manifold of intuition, which are such that every discursive thinker has to perform them in thinking its corresponding object, will be those acts that, firstly, are required for every possible objective synthetic unity of (pure) apperception (not depending on arbitrary acts of synthesis performed on contingently given sense data) and that, secondly and therefore, are acts according to the forms of synthesis of concepts in judgements (which alone can have a truthvalue) about logical objects, but now applied to the manifold of a given sensible intuition. This means, to give an example, that those synthetic unities of a given sensible intuition (or intuitions of objects for every discursive thinking) are necessary in which this manifold is united as a manifold of accidents in a substance.²⁵ For this particular synthetic unity of intuitions (thought through a particular category) is the only one that corresponds to the relation of predicates to a subject, which in turn is a formal requirement for (categorical) judgements which every possible thinker, who wants to think objects through his concepts, must fulfill. He must fulfill this requirement in such a way that no other way of com-

 This is, of course, for any particular object only a necessary, not a sufficient condition.

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bining concepts can do (as far as the form of such combining is concerned) in order to be in necessary agreement with an object of thought in general. In the case of categorical judgements this means that infinitely many judgements of this form may be materially false in respect of their objects, but it can never be the case that their intuitable object is not a substance having accidents.²⁶ And objects of intuition are only possible as such if they are at least substances of accidents, which is not something that can be intuited in them but something which must be thought of them whenever they are thought as objects. This is how the objectivity of the objects of our cognitive faculties depends, in its very possibility, on the transcendental unity of apperception regarding all our representations.

Acknowledgments Many thanks to Drs. M.J.A. Romijn for his very competent help in the joint effort of transforming my spoken words into readable English. The remaining imperfections are, of course, mine.

References Feder, J. G. H. 1825. Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig: Schwickert. Kant, I. 1997. Lectures on Metaphysics. Trans. and ed. K. Ameriks and S. Naragon. Cambridge: Cambridge University Press. Kant, I. 1998. Critique of Pure Reason. Trans. and ed. P. Guyer and A. Wood. Cambridge: Cambridge University Press. Kant, I. 2004. Prolegomena to Any Future Metaphysics. Trans. and ed. G. Hatfield. Revised edition. Cambridge: Cambridge University Press.

 An example in general logic (in Kant’s sense) would be: I can mistake a tree for a man, but I can never be mistaken in assuming that it is an object of my judgement.

Ontologie und Transzendentalphilosophie bei Kant 1 Ihr Verhältnis in der Kritik der reinen Vernunft Kant hat am Ende der transzendentalen Analytik in der Kritik der reinen Vernunft als deren „Resultat“¹ festgehalten: daß der Verstand a priori niemals mehr [an Erkenntnissen] leisten könne, als die Form einer möglichen Erfahrung überhaupt zu anticipiren, und […] daß er die Schranken der Sinnlichkeit […] niemals überschreiten könne.²

Die „Form einer möglichen Erfahrung überhaupt“ ist nun gewiss nichts Empirisches. Da sie aber außer den Formen des reinen Verstandes (Begriffe und Grundsätze) auch die reinen Formen der sinnlichen Anschauung voraussetzt, so ist sie insgesamt nur die reine Form empirischer Erkenntnis von Gegenständen der Sinne (Erscheinungen), sofern nämlich zur Erkenntnis überhaupt von Gegenständen, außer Begriffen und ihrem Gebrauch in Urteilen, notwendig eine Anschauung gehört, in der uns Gegenstände gegeben werden können, und die bei uns allemal sinnlich ist. Folglich sind auch die Grundsätze des reinen Verstandesgebrauchs bloß Principien der Exposition der Erscheinungen, und der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doctrin zu geben (z. E. den Grundsatz der Causalität), muß dem bescheidenen [Namen] einer bloßen Analytik des reinen Verstandes Platz machen.³

Eben diese transzendentale Analytik endete ja mit dem System der Grundsätze des reinen Verstandes, darunter dem Grundsatz der Kausalität, und es ist kein Zweifel, dass Kant diesen Teil seiner transzendentalen Logik zusammen mit der ihm vorausgehenden transzendentalen Ästhetik, die ihm „zum Organon dienen“⁴ sollte, für denjenigen Teil seiner theoretischen Philosophie hielt, der an die Stelle der Ontologien treten sollte, die ihm in den Metaphysiksystemen Wolffs und seiner Schule (aber auch Crusius’) vorgegeben waren.    

KrV: B 303. Ebd. Ebd. KrV: B 63.

https://doi.org/10.1515/9783110605327-021

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Ontologie und Transzendentalphilosophie bei Kant

Allerdings ist die Kritik der reinen Vernunft bekanntlich nicht selbst eine Darstellung der Metaphysik, sondern nur deren Methodologie, und Kant hat mehrfach ein eigenes Lehrbuch der Metaphysik der Natur (als System der reinen theoretischen Vernunfterkenntnis aus Begriffen) angekündigt, das er aber nie geschrieben hat. Dass er aber diese künftige Metaphysik, ebenso wie die Metaphysiken seiner Gegner, mit einer Ontologie beginnen wollte, geht aus der Methodenlehre der Kritik selbst hervor. Dort heißt es: „Demnach besteht das ganze System der Metaphysik aus vier Haupttheilen: 1. Der Ontologie. 2. Der rationalen Physiologie. 3. Der rationalen Kosmologie. 4. Der rationalen Theologie.“⁵ Unter den Fragen, die sich aufdrängen, ist zumindest diese: Warum hat Kant an dem herkömmlichen Titel „Ontologie“ als dem der Wissenschaft von „allen Dingen überhaupt“⁶ bzw. „scientia entis in genere seu quatenus ens est“⁷, das will sagen: Wissenschaft vom Möglichen überhaupt, d. h. sofern es möglich ist, festgehalten? Eine vorläufige Antwort liegt schon in der Bestimmung des Inhalts, die Wolff seiner Ontologia auf das Titelblatt geschrieben hat: „qua omnis cognitionis humanae principia continentur“⁸. Die Bestimmungen des ens quatenus ens est sind nämlich schon bei Wolff (und in gewisser Weise schon bei Descartes, der den ersten Teil seiner Principia philosophiae (1644) „De principiis cognitionis humanae“ überschrieben hatte) in den Prinzipien der menschlichen Erkenntnis selbst gegeben, ohne dass Wolff auf die Idee gekommen wäre, seine Untersuchung dieser menschlichen Erkenntnisprinzipien Transzendentalphilosophie zu nennen. Dass Kant selbst eine Synonymie zwischen den Titeln Ontologie und Transzendentalphilosophie annahm, ergibt sich ebenfalls aus der Methodenlehre der Kritik. Dort heißt es über die im engeren Sinne „so genannte Metaphysik“, d. h. die Metaphysik der Natur, sie bestehe „aus der Transzendentalphilosophie und der Physiologie der reinen Vernunft“⁹. Man beachte, dass hier die rationale Kosmologie und die rationale Theologie nicht genannt werden, da sie nur „([…] scheinbare) philosophische Erkenntnis aus reiner Vernunft“¹⁰ enthalten. Von der Transzendentalphilosophie heißt es, sie betrachte nicht die allgemeinsten Bestimmungen der Dinge (des Seienden), sondern „nur den Verstand und Vernunft selbst in einem System aller Begriffe und Grundsätze, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, ohne Objecte anzunehmen, die gegeben wären (Ontolo-

 KrV: B 874.  Wolff, Christian: Vernünftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Halle 1720.  Wolff, Christian: Ontologia. Frankfurt/Leipzig 1736, § 1.  Ebd.  KrV: B 873.  KrV: B 869.

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gia)“¹¹. Also scheint sich auch die kantische Transzendentalphilosophie sive Ontologie zwar nicht mit Dingen überhaupt oder dem ens in genere, wohl aber indirekt mit „Gegenständen überhaupt“, nämlich hinsichtlich ihrer Erkennbarkeit a priori, zu beschäftigen, d. h. mit Objekten, die nicht als gegeben angenommen werden, sondern nur sofern sie als mögliche Objekte in den Bedingungen dieser ihrer Möglichkeit gedacht werden können. Dass aber Kant von einer Synonymie der Termini Transzendentalphilosophie und Ontologie zunächst einmal ausgegangen ist, das lässt sich aus dem Sprachgebrauch Wolffs, Baumgartens oder Crusius’ nicht erklären und auch nicht daraus, dass Kant im §12 der zweiten Auflage der Kritik gewisse Kenntnisse der thomistischen Transzendentalienlehre verrät, die er die „Transzendentalphilosophie der Alten“¹² nennt. Mir scheint die Herkunft dieser von Kant angenommenen Synonymie durch einen Aufsatz von Alexei N. Krouglov¹³ aufgeklärt zu sein. Kant hat dieses Verständnis von Transzendentalphilosophie bei Lambert¹⁴ und bei Tetens¹⁵ finden können. Aber es bedarf kaum der Erinnerung, dass Kants Begriff transzendental und sein eigener Begriff von transzendentaler Untersuchung bzw. Transzendentalphilosophie eine schlichte Gleichsetzung mit Ontologie verbietet. Der einfache Grund dafür ist eben, dass eine Untersuchung von Verstand und Vernunft selbst in ihren reinen Begriffen und Grundsätzen eine Untersuchung des erkennenden Subjekts und seines Vermögens zu synthetischer Erkenntnis a priori darstellt und nicht eine Untersuchung derjenigen Objekte, auf die sich diese Begriffe und Grundsätze beziehen sollen. Die kantische Transzendentalphilosophie, die die herkömmliche Ontologie ersetzen soll, handelt außerdem von spezifisch kantischen Begriffen und Grundsätzen des reinen Verstandes und der reinen Vernunft, von denen in der bisherigen Ontologie nicht die Rede war und nicht sein konnte. Aber übereinstimmend mit dieser vorkritischen Ontologie wird auch in Kants Transzendentalphilosophie/Ontologie, soviel wir annehmen dürfen, ohne dieses ungeschriebene Buch zu besitzen, von „Gegenstände[n] überhaupt […] ohne Objecte anzunehmen, die gegeben wären“¹⁶ die Rede sein müssen, wie es ähnlich in Wolffs Ontologie beim ens in genere seu quatenus ens est der Fall war, da es ebenfalls als ein bloß möglicher Gegenstand des Denkens angesehen wurde.

 KrV: B 873.  KrV: B 113.  Krouglov, Alexei N.: „Der Begriff ‚transzendental‘ bei J. N. Tetens“. In: Aufklärung (Hamburg) 17, 2005, 35 – 75.  Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Riga 1771.  Tetens, Johannes Nikolaus: Über die allgemeine speculativische Philosophie (1775). Hrsg.von W. Uebele. Berlin 1913 (Nachdruck).  KrV: B 873.

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Ontologie und Transzendentalphilosophie bei Kant

Auch die Wolffsche Kosmologie, die er eine transzendentale nannte, handelte von einer jeden möglichen Welt überhaupt, also von allen möglichen Welten als solchen, von denen unsere durch Gottes Willen wirkliche Welt nur ein privilegierter Einzelfall war. Man vergleiche damit Tetens‘ Über die allgemeine speculativische Philosophie im Abschnitt Notwendigkeit einer allgemeinen Grundwissenschaft, d. h. einer Ontologie: die transcendente Philosophie […] ist nichts als eine allgemeine Theorie, die an sich selbst keine wirkliche Dinge zum Gegenstande hat […] Sie hat mit wirklich vorhandnen Objecten nichts zu thun, und beschäftigt sich nur mit dem, was möglich oder nothwendig ist bey allen Arten von Dingen überhaupt. Allein so bald sie auf Erfahrungen angewendet wird; so entsteht durch sie die philosophische Einsicht in die Beschaffenheit der wirklich vorhandenen Dinge.¹⁷

Es ist hier nicht der Ort, auf die möglichen Beziehungen zwischen den Werken der vorkantischen Metaphysiker und der Genese von Kants Transzendentalphilosophie einzugehen. Ich verweise nur noch einmal auf die schon angedeuteten Unterschiede zwischen vorkantischer Ontologie und kantischer Transzendentalphilosophie. Die „Gegenstände überhaupt“, auf die sich Kants reine Begriffe und Grundsätze a priori beziehen, können nach Kant nicht dazu dienen, die Möglichkeit (oder gar die Wirklichkeit) dieser Gegenstände selbst, als in diesen Begriffen und Grundsätzen gegründet, zu erkennen. Kants Konzeption der realen Möglichkeit der Gegenstände und der objektiven Realität von Begriffen (und der Wahrheit von Grundsätzen) macht es unmöglich, diese Art von Möglichkeit der Dinge und diesen Objektbezug von Begriffen (bzw. Grundsätzen) mit ihrer jeweiligen Widerspruchsfreiheit gleichzusetzen, wie dies im dogmatischen Rationalismus geschieht. Und was die objektive Gültigkeit bzw. Wahrheit von Sätzen angeht, so kann sie, wenn sie synthetische Bestimmungen ihrer Gegenstände und nicht bloß Verdeutlichungen ihrer Begriffe bezwecken soll, ihrerseits nicht im Satz vom Widerspruch begründet werden. Was den Unterschied zwischen den logischen Prinzipien der Erkenntnis der Dinge und den Bedingungen ihrer realen Möglichkeit betrifft, also den Unterschied von dogmatischer und kritischer Transzendentalphilosophie, so besteht er mit einem Wort in der Anschauungsabhängigkeit aller reinen und empirischen Erkenntnis aller Gegenstände überhaupt. Transzendentalphilosophie im neuen, kantischen Sinne ist diese Philosophie, nicht weil sie sich mit Gegenständen überhaupt, sondern mit „unseren Begriffen a

 Tetens, Johannes Nikolaus: Über die allgemeine speculativische Philosophie (1775). A.a.O., 18.

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priori von Gegenständen überhaupt beschäftigt“¹⁸, die, jedenfalls als Kategorien, einen in ihrer Definition eingebauten Bezug auf das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung überhaupt haben, die bei uns nur sinnlich sein kann, aber entsprechend den auch ihrem Inhalt nach aus den Funktionen und Leistungen des reinen Verstandes entspringenden Kategorien, ebenfalls eine reine sein muss. Also handelt die Transzendentalphilosophie kantischer Provenienz von „unserer Erkenntnißart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt“¹⁹. Auch diese Erkenntnisarten a priori, also reine Verstandesbegriffe und reine Anschauungen, beziehen sich, und zwar a priori, auf Gegenstände überhaupt, die aber eben darum nicht als solche erkannt werden können, weil Begriffe, auch reine Verstandesbegriffe, nur von in der uns möglichen Anschauung gegebenen Gegenständen, also nur von Erscheinungen des äußeren und inneren Sinnes, nicht von nur denkbaren Gegenständen überhaupt, synthetische Erkenntnisse liefern können, und weil Anschauungen, auch reine Anschauungen, ohne Begriffe des Verstandes keinen Gegenstandsbezug haben, ein Gegenstand überhaupt aber, seiner Definition gemäß, nicht sinnlich angeschaut, sondern nur durch gewisse Begriffe gedacht werden kann, auf ihn also keine Anschauungen zum Zwecke seiner Erkenntnis bezogen werden können. Allenfalls können reine Anschauungen als formale Gegenstände (wie Raum und Zeit) und als entia imaginaria originaria, d. h. als eine Art von Nichts vorgestellt werden, folglich gibt es keine Erkenntnis von „Gegenständen überhaupt“ und somit keine Ontologie im Sinne Wolffs (oder Crusius’).²⁰ Wenn es aber dennoch eine Ontologie geben können soll, so müsste sie sich zumindest zweifach von der wolffischen unterscheiden: Sie müsste aus lauter nichtempirischen und nichtmathematischen synthetischen Erkenntnissen a priori bestehen, wenn diese sich in ihrer Möglichkeit begründen ließen, und sie müsste deshalb die Unterscheidung von reinen Begriffen und reinen Anschauungen als zu einer jeden möglichen synthetischen Erkenntnis a priori erforderlich zu Grunde legen, da nur anschaubare Gegenstände (empirisch oder) a priori erkannt werden können. Eine solche kritische Ontologie würde somit nicht mehr von bloßen „Gegenständen überhaupt“, sondern von den Bedingungen a priori möglicher Anschaubarkeit und darum Erkennbarkeit von Gegenständen handeln. Solche Gegenstände könnten also, unabhängig von ihrer Gegebenheit, nur mögliche Erscheinungen der Sinne sein, deren Inbegriff die Natur ist. Also wäre eine kritische Ontologie als der erste Teil einer kritischen Metaphysik der Natur eine

 KrV: A 11 f.  KrV: B 25.  Vgl. KrV: B 347.

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nichtempirische und systematische Doktrin von der „Natur überhaupt“²¹, d. h. von den Sinnen gebbaren Gegenständen der Erfahrung, sofern sie in ihrer gesetzlichen Verknüpfung allererst eine mögliche Natur ausmachen. Eine solche Ontologie könnte dann auch wieder Transzendentalphilosophie heißen.

2 Aus Kants Metaphysikwerkstatt Am 17. September 1787 schreibt Kant an seinen Halleschen Schüler Ludwig Heinrich Jakob, der ihn um Rat bei der Abfassung eines Metaphysik-Lehrbuches gebeten hatte: „Ich wünschte dass Sie ein kurzes System der Metaphysik vorläufig abzufassen versuchten, wozu ich vorjetzt einen Plan vorzuschlagen durch den Mangel an Zeit behindert werde.“²² Gleichwohl gibt Kant einige Ratschläge für die Abfassung einer Ontologie: Die Ontologie würde, ohne alle critische Einleitung, mit den Begriffen vom Raum und Zeit, nur so fern sie allen Erfahrungen (als reine Anschauungen) zu Grunde liegen, anfangen. Nachher folgen vier Hauptstücke, welche die Verstandesbegriffe enthalten, nach den vier Classen der Categorien, deren jede ihren Abschnitt ausmacht: alle blos analytisch nach Baumgarten behandelt, samt den Prädicabilien, ja den Verbindungen derselben mit Zeit und Raum, ingleichen, so wie sie fortgehen, unter einander, wie man sie im Baumgarten aufsuchen kann.²³

Was hier auffällt, ist, neben der zweimaligen Erwähnung des Baumgarten’schen Metaphysik-Handbuches als eines Vorbildes, das Zurückstellen der kritischen Einleitung in die Lehre von Raum und Zeit, deren Begriffe wie selbstverständlich den Anfang der Ontologie zu bilden haben, obwohl keine Metaphysik auf der Welt jemals damit angefangen hat. Sie sollen also weder als formale Anschauungen noch als Formen der sinnlichen Anschauung präsentiert werden, sondern nur als allen Erfahrungen zu Grunde liegende reine Anschauungen, vermutlich um die Möglichkeit der (synthetischen) Erkenntnis a priori (auch in der Mathematik) von Gegenständen möglicher Erfahrung erklären zu können. Dann sollten die vier Dreiergruppen der Kategorientafel folgen. Da Jakob gefragt hatte:

 Vgl. KrV: B 156; Prol, AA 04: 295, 318, 469, 470, 472, 473; MS, AA 06: 216.  Br, AA 10: 494.19 – 21.  Ebd.

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Muß jede Kategorie so viel untergeordnete Begriffe haben als die andre, u. wie muß ich die Kategorien selbst untereinander verbinden? Die der Relation mit denen der Relation oder die der Quantität mit denen der Relat. u. so gegenseitig?²⁴

so ist Kants Bemerkung: „samt den Prädicabilien, ja den Verbindungen derselben mit Zeit und Raum, ingleichen, so wie sie fortgehen, unter einander, wie man sie im Baumgarten aufsuchen kan“²⁵ wohl als etwas undurchsichtige Antwort auf diese Fragen zu verstehen. Wichtiger ist, dass Jakobs halbe Anfrage: „ferner weis ich noch nicht recht, wie ich mich der Vollst [än] digkeit der Tabelle versichren soll“²⁶, die sich nur auf die Kategorientafel beziehen kann, von Kant nicht beantwortet wird. Diese Frage gehört allerdings in ein vollständiges System der Transzendentalphilosophie,²⁷ das Kant sich wohl selbst vorbehalten wollte. Auch hinsichtlich der Grundsätze und ihrer Beweise sind Kants Erläuterungen nicht ganz eindeutig: „Zu jeder Categorie wird der synthetische Grundsatz (wie ihn die Critik 2te Edition vorträgt) nur so vorgetragen, wie die Erfahrung ihm immer gemäß seyn muß und so die ganze Ontologie durchgeführt.“²⁸ Offenbar ist die doktrinale Ontologie im Gegensatz zur Kritik nicht an den, im erkennenden Subjekt liegenden, Fähigkeiten und Vermögen, ihren Zuständen und Funktionen, interessiert, sondern an den Ergebnissen der subjektiven Handlungen, der Objekterkenntnis, welche nur eine Erkenntnis a priori von Gegenständen möglicher Erfahrung sein kann, deren Möglichkeit eben auf jenen Grundsätzen beruht. Die notwendige und vom Verstande bewirkte Übereinstimmung der Erfahrung mit dem „synthetischen Grundsatz“ ist eben jeweils das, an dem sich die Unentbehrlichkeit der kritischen Ontologie insgesamt für die Begründung der Möglichkeit der alltäglichen und wissenschaftlichen Erfahrung dartun lässt. Aber als Teil der Metaphysik, als eines Systems theoretischer Erkenntnisse a priori, ist die Ontologie nicht dazu da, Erfahrung zu ermöglichen oder mathematische und naturwissenschaftliche Erkenntnis, sondern den Boden zu bereiten für die „eigentliche“ Metaphysik, für die, dem Menschen unverzichtbare Erkenntnis des über die Grenzen der Erfahrung hinausliegenden Übersinnlichen, das durch eben dieselben Kategorien gedacht werden muss wie die Erfahrungsgegenstände, d. h. der Freiheit, der Existenz Gottes und der Unsterblichkeit der Seele²⁹. Da sich aber eine theoretische Erkenntnis dieses Übersinnlichen als a priori unmöglich erweisen lässt, so bleibt

     

Br, AA 10: 492.24– 28. Br, AA 10: 494.27– 29. Br, AA 10: 492.23 – 24. Vgl. KrV: B 27, 87. Br, AA 10: 494.29 – 32. Vgl. MAN, AA 04: 477.

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nur die praktische Erkenntnis dessen, was durch Freiheit sein soll, und der nicht unmöglichen Bedingungen seiner Realisierbarkeit in der Welt. Aber das geplante Lehrbuch der Metaphysik soll die Ergebnisse der Kritik nicht etwa ignorieren, sondern sie deren doktrinalem Gebrauch nur nachordnen: Nun kommt allererst die critische Betrachtung von Raum und Zeit als Form der Sinnlichkeit und der Categorien, nach ihrer Deduction; denn diese sowohl als jene kann nun allererst ganz wohl verstanden und die einzig mögliche Art, die Grundsätze, wie schon geschehen, zu beweisen, begriffen werden.³⁰

Die kritischen Erkenntnisse, die besagen, dass Raum und Zeit nur subjektive Formen der Sinnlichkeit sind, dass die Kategorien, von denen in ihrer transzendentalen Deduktion gezeigt wurde, dass sie nur Bedingungen der Objektivität der Erscheinungen sind, von nicht sinnlich anschaubaren Gegenständen keine Erkenntnisbedeutung haben und dass deren Grundsätze nur von Gegenständen möglicher Erfahrung gelten, weil die Möglichkeit der Erfahrung selbst auf ihnen beruht – all das ist jetzt Bestandteil einer neuen Ontologie, die zugleich Transzendentalphilosophie im kantischen Sinne ist. Mehr als vier Jahre später, in einem Brief an Jacob Sigismund Beck vom 20. Januar 1792, hat Kant seine Konzeption einer von ihm zu schreibenden Metaphysik leicht verändert: Ich habe mir sonst schon einen Entwurf gemacht in einem System der Metaphysik diese Schwierigkeit [das schweerste von der ganzen Critic […], nämlich die Analysis einer Erfahrung überhaupt und die Principien der Möglichkeit der letzteren, M. B.] umzugehen und von den Categorien nach ihrer Ordnung anzufangen (nachdem ich vorher blos die reine Anschauungen von Raum und Zeit, in welchen ihnen Objecte allein gegeben werden, vorher exponirt habe, ohne noch die Möglichkeit derselben zu untersuchen) […]³¹

Soweit stimmt dieser Entwurf mit dem Brief an Jakob überein. Auch was Kant dann über die Grundsatzbeweise sagt, stellt keine Abänderung, wohl aber eine Ergänzung, gegenüber dem genannten Brief dar: Kant will […] zum Schlusse der Exposition jeder Categorie, z. B. der Quantität und aller darunter enthaltenen Pradicabilien, sammt den Beyspielen ihres Gebrauchs, nun beweise[n]: daß von Gegenständen der Sinne keine Erfahrung moglich sey, als nur, sofern ich a priori voraussetze, dass sie insgesammt als Größen gedacht werden müssen und so mit allen übrigen;

 Br, AA 10: 494.32– 37.  Br, AA 11: 313.25 – 314.03.

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wobey dann immer bemerkt wird, daß sie uns nur als in Raum und Zeit gegeben vorgestellt werden.³²

Daraus folgert Kant nun aber eine kritische Bestimmung der Ontologie: „Woraus dann eine ganze Wissenschaft der Ontologie als immanenten Denkens d.i. desjenigen, dessen Begriffen man ihre objective Realität sichern kan, entspringt.“³³ Diese kritische Ontologie handelt also weder von Gegenständen überhaupt noch von der Erkenntnisart a priori von Gegenständen überhaupt, sondern als Wissenschaft des immanenten (im Gegensatz zum transzendenten, über die mögliche Erfahrung hinausgehenden) Denkens von solchen Begriffen von Objekten überhaupt, denen man dadurch objektive Realität an Gegenständen der möglichen Erfahrung sichern kann, dass man nachweist, die Möglichkeit der Erfahrung selbst beruhe auf ihnen, und also werden sie auch objektive Gültigkeit von den Gegenständen dieser Erfahrung haben. Gegenüber dem Brief an Jakob und der Kritik ergibt sich jetzt erst eine Abweichung von der Darstellungsweise der Ergebnisse einer solchen Selbstkritik der reinen Vernunft. Denn Kants geplante Metaphysik soll erst in der Darstellung des transzendenten Denkens in der Dialectik der reinen Vernunft (der Aufstellung ihrer Antinomien) […] zeigen, daß jene Gegenstände moglicher Erfahrung als Gegenstände der Sinne die Objecte nicht als Dinge an sich selbst, sondern nur als Erscheinungen zu erkennen geben und nun allererst die Deduction der Categorien in Beziehung auf die sinnliche Formen von Raum und Zeit als Bedingungen der Verknüpfung derselben zu einer möglichen Erfahrung vorstellig machen.³⁴

Was in der Kritik zur Bestätigung der in der transzendentalen Ästhetik erwiesenen transzendentalen Idealität von Raum und Zeit diente, die Antinomienlehre, soll also nach diesem Entwurf dasjenige sein, aus dem gefolgert werden kann, dass die Gegenstände möglicher Erfahrung die Objekte nur als Erscheinungen „zu erkennen geben“, und daraus soll sich erst ergeben, dass die Kategorien nur als „Bedingungen der Verknüpfung“ dieser Erscheinungen „zu einer möglichen Erfahrung“ deduziert werden können. Obwohl den Kategorien jedoch als „Begriffen Objecte überhaupt zu denken (die Anschauung mag von einer Form seyn welche sie wolle)“³⁵ keine solche Deduktion „in Beziehung auf die sinnlichen Formen von Raum und Zeit“³⁶ verschafft werden kann, will Kant nun ihren „auch über die     

Br, AA 11: 313.30 – 314.03. Br, AA 11: 314.03 – 05. Br, AA 11: 314.12– 18. Br, AA 11: 314.19 – 20. Br, AA 11: 314.16 – 17.

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Sinnengrentzen erweiterten Umfang […] ausmachen“, d. h. ihre Brauchbarkeit und Unentbehrlichkeit zum Denken übersinnlicher Gegenstände, obwohl schon jetzt feststeht, dass dieser erweiterte Umfang „kein Erkenntnis verschafft“³⁷, jedenfalls keine theoretische Erkenntnis. Kants in Briefen enthaltene Entwürfe zu einer ungeschriebenen Metaphysik sind nicht die einzigen Quellen, aus denen sich Aufschluss über das bei ihm bestehende Verhältnis von Ontologie und Transzendentalphilosophie gewinnen lässt. Gliederungen der Metaphysik, sowie Definitionen und Einteilungen ihrer Teile, finden sich mannigfach in den Nachschriften von Kants Metaphysikvorlesungen. Als besonders wertvoll in dieser Hinsicht erscheint mir die Metaphysikvorlesung Mrongovius (1782/83), die Kant kurz nach dem Erscheinen seiner ersten Kritik gehalten hat und die also früher als die beiden bisher zitierten Briefe zu datieren ist. Dies ist der einzige mir bekannte Text, in dem Kant seine Transzendentalphilosophie von Wolffs und Baumgartens Ontologie ausführlich abgrenzt. Kant bezieht sich offenbar auf Baumgartens Definition und Abhandlung der Ontologie in den §§ 4 ff. seiner Metaphysica: „Ontologia (Grundwissenschaft) […] est scientia praedicatorum entis generaliorum.“³⁸ Baumgarten fügt im §5 hinzu, dass diese allgemeineren Prädikate des Dinges (entis) „prima cognitionis humanae principia“³⁹ sind. Und in Georg Friedrich Meiers Übersetzung dieses Buches kommentiert J. A. Eberhard das Wort „entis“ an dieser Stelle als „das Ding überhaupt, oder sofern es ein Ding ist“⁴⁰ und nicht ein Ding besonderer Art. Dann heißt es bei Mrongovius: Wir erwägen in der Transzendental Philosophie nicht objecte, sondern die Vernunft selbst, so wie wir in der allgemeinen [Logic] nur den Verstand und seine Regeln betrachten. Man könnte also die Transcendental Philosophie auch Transcendentale Logic nennen. Sie beschäftigt sich mit den Quellen, dem Umfang und den Gränzen der reinen Vernunft, ohne sich mit den Objecten abzugeben. Daher ist es falsch, sie Ontologiam zu nennen. Da betrachten wir die Dinge schon nach ihren allgemeinen Eigenschaften. Transcendentale Logic abstrahirt von alle dem. sie ist eine Art von Selbst Erkenntniß. […] Sie geht also nicht aufs Object, sondern Subject – nicht auf Dinge, sondern den Quell, Umfang und Gränzen der Vernunft⁴¹ in ihrem reinen, i. e. Erfahrungsfreyen Gebrauch.⁴²

 Br, AA 11: 314. 21– 22.  Baumgarten, Alexander Gottlieb: Metaphysica. Halle 1779, 2 f.  Ebd.  Baumgarten, Alexander Gottlieb: Metaphysik. Übers. von G. F. Meier und Anm. von J. A. Eberhard. Halle 1783 (Nachdruck Jena 2004), 7.  V-Met/Mron, AA 29, 1,2: 756.01– 10; 15 – 17.  V-Met/Mron, AA 29. 1,2: 753.14– 15.

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Wenn Kant solche Dinge in seiner Vorlesung gesagt hat, dann hat er in ihr einen sehr kurzen Weg von der wolffischen Ontologie zur kantischen transzendentalen Logik genommen, und zwar im Wesentlichen dadurch, dass er seine neue transzendentale Logik mit der allgemeinen Logik verglich, die auf einer Selbsterkenntnis des Subjekts hinsichtlich der notwendigen Gesetze seines Denkens beruht. Transzendentale Logik ist nicht Ontologie, sondern eine Untersuchung, die einer jeden Theorie der allgemeinen Prädikate der Dinge vorher gehen muss, auf die das Denken angewandt wird. Sie handelt nur vom reinen, nichtempirischen Gebrauch der Vernunft und zwar in kritischer Absicht, indem sie nach seiner Rechtfertigung fragt und dabei die Quellen, den Umfang und die Grenzen der reinen Vernunft prüft. Aber dieser kurze Weg ist seinerseits nicht willkürlich. Denn von der Ontologie zur transzendentalen Analytik des reinen Verstandes gehen, heißt ja nur, dem Leitfaden folgen, der schon in der vermeintlichen Aufgabenstellung der Ontologie enthalten ist, nämlich, die „allgemeinen Eigenschaften“ der Dinge aufzusuchen. Wenn wir so vorgehen, halten wir nach Prädikaten Ausschau, d. h. nach Begriffen, die Begriffe von Dingen als solchen sind, also „in sofern sie Dinge sind“ (wie Wolff sagte). Indem wir die Vernunft einer Prüfung unterziehen, um die Begriffe der Dingheit, oder vielmehr der Objektivität der Objekte aufzufinden, steigen wir nur einen weiteren Schritt höher auf der Leiter der Verallgemeinerung der Prädikate der Dinge, die in Wahrheit nur die Gegenstände des Verstandes und seines Denkens sind, bevor sie unter ontologische Prädikate wie die Aristotelischen Kategorien subsumiert werden können. Das geschieht im Einklang mit der scholastischen Suche nach den Transzendentalien, nämlich den Prädikaten des ens qua ens, die bei allen Kategorien vorausgesetzt sind. Die kantische Version dieses Aufstiegs ist diese: In der Ontologie redt man von Dingen überhaupt, also eigentlich von keinem Dinge – man beschäftigt sich mit der Natur des Verstandes, sich Dinge zu denken – wir haben hier die Begriffe, durch welche wir Dinge denken, nehmlich die reine Vernunft Begriffe – mithin ist sie Wissenschaft von den principien des reinen Verstandes und der reinen Vernunft. Das war aber auch Transzendentalphilosophie, also gehört sie zu derselben – man hat sie nie gut abgehandelt – man handelte gleich von Dingen überhaupt – ohne zu untersuchen, ob gar solche reine Verstandes- oder reine Vernunft- oder reine Wissenschaftliche Erkenntniße möglich wären. In [der Ontologie] rede ich schon von Dingen, Substanzen und Accidenzen, das sind Eigenschaften der Dinge, die ich a priori erkenne. Aber in der Critik kann ich so nicht reden. Ich werde hier sagen, unter den Begriffen, die a priori sind, kommen auch die von Substanz und Accidenz vor. Wie komme ich dazu? Was kann ich damit ausrichten? Was ist möglich von den Objecten a priori zu erkennen, insofern sie substanzen sind?⁴³

 V-Met/Mron, AA 29.1,2: 752.

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Ontologie und Transzendentalphilosophie bei Kant

Ich habe diese langen Zitate wiedergegeben, weil sie, mehr als jeder andere mir bekannte kantische Text, dokumentieren, wie Kant seine Position gegenüber der wolffischen (und scholastischen) Ontologie ansieht und wie diese Position aus einer Kritik dieser Ontologie entsteht. Eine fundamentale Kritik betrifft die Tatsache, dass die vorkritische Metaphysik (einschließlich der Baumgartenschen Ontologie, aber mit Crusius als einer möglichen Ausnahme) nicht eigentlich als System der reinen Philosophie definiert ist, d. h. als Erkenntnis a priori der Dinge. Im besonderen Falle der Ontologie, die von den notwendigen Prädikaten aller Dinge handeln sollte, kritisiert (und verspottet) Kants Vorlesung Baumgartens Definition der Ontologie wie folgt: „Wir fangen itzt die Wissenschaft von den Eigenschaften aller Dinge überhaupt an, die man Ontologia nennt.“⁴⁴ Kant will damit sagen: was man „Ontologia“ nennt, sollte definiert werden, wie Kant sie gerade definiert hat und nicht so, wie Baumgarten es tat, nämlich als „scientia praedicatorum entis generaliorum“. Kant ignoriert nicht nur Baumgartens Gebrauch des Komparativs „generaliorum“ (vielleicht liegt das an Mrongovius), sondern er scheint seinen Gebrauch des Terminus „generalis“ selbst anzugreifen. Der Text fährt fort: „Ontologie soll die Wissenschaft seyn, die von den generalen prädicaten aller Dinge handelt, das sind solche praedicate, die den mehrsten Dingen gemein sind.“⁴⁵ Baumgarten hat also nicht beachtet, dass diese Prädikate der Dinge in einer eigentlich so zu nennenden Ontologie streng allgemein sein müssen und keine Ausnahme zulassen dürfen, wie es seine „generalia“ oder „generaliora“ tun. Dann heißt es weiter: sind die praedicate nicht universalia, i. e. die allen Dingen gemein sind, so weiß man gar nicht, was ontologie sei. Sie müßen allen Dingen zu kommen […] Wenn ich sage generale praedicate, so findt noch immer eine Ausnahme statt, und wie weit erstreckt sich die?⁴⁶

Das heißt also, dass Kant seinen Studenten erzählt hat, Baumgarten wisse überhaupt nicht, was Ontologie ist, und dass seine Definition deshalb fehlerhaft sei. Im folgenden Text erklärt Kant, was das eigentliche Thema und die Aufgabe der Ontologie sei: Man sieht leicht ein, dass sie nichts enthalten werden als alle Grund Begriffe und Grund Sätze unsrer Erkenntniß a priori überhaupt: denn wenn sie die Eigenschaften aller Dinge erwägen soll, so hat sie zum object nichts als ein Ding überhaupt, i. e. ieden Gegenstand des Denkens, also keinen bestimmten Gegenstand. Da bleibt mir also nichts als das Erkennen

 V-Met/Mron, AA 29.1,2: 784.  Ebd.  Ebd.

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übrig, das ich betrachte. (Die Wissenschaft, die von Gegenständen überhaupt handelt, wird von nichts als von den Begriffen handlen, durch welche der Verstand denkt, also von der Natur des Verstandes und der Vernunft, insoferne sie a priori etwas erkennt. – Das ist transcendental Philosophie, die nicht von den Objecten a priori etwas sagt, sondern das Vermögen des Verstandes oder der Vernunft a priori was zu erkennen, untersucht, sie ist also eine Selbst Erkenntniß des Verstandes oder der Vernunft dem Inhalt nach, so wie die Logic eine Selbst Erkenntniß des Verstandes und der Vernunft der Form nach ist.⁴⁷

Das war das letzte meiner langen Zitate aus Kants Metaphysikvorlesung, die kurz nach dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft gehalten wurde und deshalb als deren Kommentar geeignet ist. Der Übergang vom „Ding überhaupt“ (der Wolff-Tradition) zu „jeder Gegenstand des Denkens, also kein bestimmter Gegenstand“⁴⁸, d. h. zu Kants Interpretation von Wolffs einzigem Thema in der Ontologie, und Kants Schlussfolgerung, dass die Ontologie in eine Wissenschaft des Erkennens transformiert werden müsse, d. h. in eine Wissenschaft der Begriffe, durch die der Verstand a priori denkt, das erfordert eine Untersuchung der Natur des Verstandes und der Vernunft in ihrem reinen Gebrauche analog zur formalen Logik – diese Schritt-für-Schritt-Herleitung, der die traditionelle Ontologie ablösenden transzendentalen Logik, findet sich nirgends sonst in Kants veröffentlichten Werken. Was man aus diesen Textstücken lernen kann, ist, dass die Begriffe der Gegenstände überhaupt, die sich als kantische Kategorien herausstellen werden, nach Kant dasjenige sind, was die Objektivität der Objekte des Denkens und Erkennens in einem ganz neuen Sinne zu begründen hat.

3 Die dritte Analogie der Erfahrung und die Objektivität der Objekte Die dritte Analogie der Erfahrung in der Kritik der reinen Vernunft ist ein sehr geeignetes Beispiel von Kants transzendentaler Beweisführung für die Abhängigkeit der Objektivität von Objekten möglicher Erfahrung von den Begriffen des reinen Verstandes. Der „Grundsatz des Zugleichseins, nach dem Gesetze der Wechselwirkung, oder Gemeinschaft“ lautet in der von Kant ausdrücklich bevorzugten Version der zweiten Auflage: „Alle Substanzen, so fern sie im Raume als zugleich wahrgenommen werden können, sind in durchgängiger Wechselwirkung.“⁴⁹ Der Beweis für diesen Satz wird geführt, indem gezeigt wird, dass objektives Zu-

 Ebd. [Hervorhebung M.B.].  Ebd.  KrV: B 256.

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gleichsein von Substanzen, die subjektiv als zugleich wahrgenommen werden, nur erkannt werden kann, sofern gedacht wird, dass diese Substanzen in dynamischer Gemeinschaft stehen. Die Wahrnehmung des Zugleichseins dieser Substanzen ist kein ausreichender Grund für die Behauptung ihres objektiven Zugleichseins. Denn die Wahrnehmungen zweier zugleich existierender Dinge folgen einander. Zwar können diese Wahrnehmungen einander auch wechselseitig folgen, aber diese subjektive Folge der Wahrnehmungen ist, ebensowenig wie im Falle der Wahrnehmung von objektiver Sukzession und von Beharrlichkeit, ein zureichender Grund für eine Aussage über das objektive In-der-Zeit-sein des jeweils Wahrgenommenen. In allen drei Fällen steht mir nämlich nur die zeitliche Folge meiner Wahrnehmungen als Basis meiner Behauptung über das objektive Verhältnis der wahrgenommenen Objekte zur Zeit zur Verfügung. Im Falle des Zugleichseins von Objekten ist zwar die Umkehrbarkeit der Wahrnehmungsfolge ein subjektives Kriterium des objektiven Zugleichseins der wahrgenommenen Substanzen, aber es ist nicht hinreichend für die Behauptung, dass der Grund dieser Umkehrbarkeit genau das objektive Zugleichsein dieser Substanzen sein müsse. Denn der Grund könnte auch darin bestehen, dass das Wahrgenommene jeweils dann zu existieren beginnt, wenn ich es jeweils wahrnehme, dass es also in Wirklichkeit nacheinander existiert. Also kann ich aus der Umkehrbarkeit meiner subjektiven Wahrnehmungsfolgen nicht auf die Objektivität des Zugleichseins dieser Substanzen schließen. Wie sieht Kants Beweis für die Objektivität des wahrgenommenen Zugleichseins aus, und welche Rolle spielt dabei die Kategorie der Wechselwirkung? Wie bei den beiden ersten Analogien der Erfahrung spielt die Nichtwahrnehmbarkeit der Zeit eine wichtige Rolle. Könnte ich die Zeit selbst wahrnehmen, so wäre der Teil dieser Zeit, in dem beide Substanzen koexistieren, mit ihnen zu vergleichen und ihre Gleichzeitigkeit würde selbst wahrgenommen. Da die Zeit aber nicht wahrgenommen werden kann, so lässt sich auch die Identität desjenigen ihrer Teile, in dem beide Substanzen existieren, nicht durch Wahrnehmung sichern. Andererseits kann ich auf objektive Koexistenz nicht daraus schließen, dass beide Substanzen, als absolut beharrlich, die ganze unbegrenzte Dauer ihrer Existenz miteinander teilen. Damit wäre zu viel bewiesen, denn die Gleichzeitigkeit, um die es bei Gegenständen möglicher Erfahrung geht, muss selbst Gegenstand der Erfahrung sein können, was für die unbegrenzte Dauer von Gegenständen der Wahrnehmung nicht der Fall ist. Um von Erfahrungsobjekten sagen zu können, dass sie zugleich seien, „d.i., wenn das eine ist, das andere auch in der selben Zeit sei, und daß dieses nothwendig sei, damit die Wahrnehmungen

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wechselseitig auf einander folgen können“⁵⁰, muss ich sowohl ausschließen, dass sie zur Zeit ihres Wahrgenommenwerdens jeweils zu existieren beginnen als auch dass ihre Gleichzeitigkeit einfach aus ihrer Ewigkeit folgt. Das erste geschieht durch die Unterscheidung der Wahrnehmungen von ihren Objekten, das zweite durch die Unterscheidung der empirischen Erkenntnis der Gleichzeitigkeit der Bestimmungen der Substanzen von der transzendental begründbaren Beharrlichkeit ihrer Subsistenz. Aus der Unmöglichkeit, von der wechselseitigen Folge der Wahrnehmungen von Objekten auf die Gleichzeitigkeit der Existenz dieser Objekte zu schließen, folgt für Kant das Erfordernis eines Verstandesbegriffes „von der wechselseitigen Folge der Bestimmungen dieser außer einander zugleich existirenden Dinge“⁵¹. An die Stelle der unschematisierten Kategorie der dynamischen Gemeinschaft bzw. Wechselwirkung hat Kant hier das Schema dieser Kategorie gesetzt: Das Schema der Gemeinschaft (Wechselwirkung) oder der wechselseitigen Causalität der Substanzen in Ansehung ihrer Accidenzen ist das Zugleichsein der Bestimmungen der Einen mit denen der Anderen nach einer allgemeinen Regel.⁵²

Erst dann also, wenn Zugleichsein der Bestimmungen einer Substanz mit denen einer anderen Substanz als Folge einer objektiv geltenden allgemeinen Regel, also eines Gesetzes der wechselseitigen Kausalität im Verhältnis dieser Substanzen gedacht werden kann, kann man auch sagen, „daß die wechselseitige Folge der Wahrnehmungen im Objecte gegründet sei, und das Zugleichsein dadurch als objectiv“⁵³ anzusehen sei. Erst wenn die Substanzen wechselseitig ineinander Einfluss haben, ist ihr Zugleichsein als etwas Objektives durch umkehrbare Folgen von Wahrnehmungen und darauf gestützte Erfahrung erkennbar. Die Voraussetzung der objektiven Gültigkeit der schematisierten Kategorie der Wechselwirkung der Substanzen ist also notwendig für die Möglichkeit, durch Erfahrung objektive Gleichzeitigkeit ihrer Bestimmungen zu erkennen. Das liegt daran, dass die Möglichkeit der Erfahrung von objektiver Gleichzeitigkeit selbst durch die objektive Gültigkeit der Kategorie der Wechselwirkung bedingt ist. Also beruht die Objektivität des Zugleichseins von Gegenständen der Erfahrung auf derselben Bedingung, auf der auch die Erfahrbarkeit dieser Gegenstände beruht. So ist die Kategorie der Wechselwirkung als objektiv gültige die Bedingung der Möglichkeit der Unterscheidung der subjektiv umkehrbaren Folgen von Wahrnehmungen von

   

KrV: B 257 Ebd. KrV: B 183 f. KrV: B 257.

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ihrem Grund im Objekt. Die Kategorie der Wechselwirkung ist also ein originärer Begriff vom Objekt (einem objektiven Verhältnis von Substanzen), bzw. von koexistierenden Objekten, weil sie eine transzendentale Bedingung der Erkennbarkeit des Unterschiedes von subjektiven Wahrnehmungsfolgen vom Objekt dieser Wahrnehmungen ist. Das alles gilt hinsichtlich des In-der-Zeit-seins von Objekten der Wahrnehmung, sofern es einer Regel a priori des Verstandes unterworfen ist und erst dadurch als etwas Objektives gedacht werden kann. Die Kategorie der Wechselwirkung ist also ein ontologischer Grundbegriff von Objekten in der Zeit in ihrer Objektivität, und das heißt jetzt – so lautet die Pointe – in ihrer Unterscheidbarkeit von subjektiven Wahrnehmungen, und zugleich einer derjenigen Begriffe, die die Beziehbarkeit der Wahrnehmungen auf Objekte zum Zwecke von deren empirischer Erkenntnis erst ermöglichen. Allerdings muss hier die Besonderheit dieses transzendentalen Beweises (wie aller anderen) hervorgehoben werden. Der Grundsatz, dass alle Substanzen im Raum in durchgängiger Wechselwirkung stehen, kann nach Kant nicht Lehrsatz genannt werden, „weil er die besondere Eigenschaft hat, daß er seinen Beweisgrund, nämlich Erfahrung, selbst zuerst möglich macht und bei dieser immer vorausgesetzt werden muß“⁵⁴. Das heißt, die Gültigkeit des Grundsatzes beruht darauf, dass ohne diese Gültigkeit Erfahrung von objektiver Gleichzeitigkeit nicht möglich wäre. Wenn das Objekt der Wahrnehmungen, d. h. hier, das objektive Verhältnis von Substanzen im Raum, nicht durch die Kategorie der Wechselwirkung bestimmt wäre, dann wäre Erfahrung, d. h. wahrnehmungsgestützte Erkenntnis, von objektiver Gleichzeitigkeit nicht möglich. Ich denke hier also das Objekt der Erfahrung als von den Bedingungen seiner Erfahrbarkeit abhängig. Das macht einen guten Sinn, wenn das Erfahrungsobjekt nur eine Erscheinung ist, wie wir ohnehin schon wissen. Aber die entscheidende Frage ist doch: Warum soll Erfahrung denn möglich sein? Ist es nicht vernünftiger anzunehmen, dass Erfahrung nicht möglich ist, wenn ihre Möglichkeit einen so hohen Preis fordert? Worauf gründet sich die These von der Möglichkeit der Erfahrung? Sicherlich nicht auf ihrer Wirklichkeit, denn dann wären alle reinen, formalen Elemente der Erfahrung, Raum, Zeit, Kategorien, in ihrer Denkbarkeit von Empirischem abhängig, und da ein jeder Empirismus zum Skeptizismus führt, so wäre eine kritische Metaphysik unmöglich. Also muss die Möglichkeit der Erfahrung, die selbst nichts Empirisches ist, auf Gründen a priori beruhen. Was macht also die Möglichkeit der Erfahrung selbst zu einer Notwendigkeit? Die Antwort lautet: die synthetische Einheit der Apperzeption als eine objektive. Das ist das Thema der transzendentalen Deduktion der Kategorien, also ein anderes Thema.

 KrV: B 765.

Kant on Teleological Thinking and its Failures I Natural Ends The concept of purposiveness is fundamental for the understanding of human action. Rational action is always acting according to a (subjective) end; that is, according to concepts of the object of our will, which we intend to realize through our acting. Thus, our acting is a more or less purposive means for the realization of conceptually represented and anticipated consequences of actions, which Kant also calls the matter of the will. The intended object of willing and acting, i. e., the objective end, can be a product (like an artifact), a change of a given object, or a new state of the acting subject itself. In each case, the action is regarded by the agent as purposive in view of its intended consequence. In this common sense of purposiveness, not only rational actions are purposive for the intended end, but also things can be regarded as purposive in relation to other things if they are suited to generate or to preserve these things. But this property of things, which Kant calls “external” or “relative” purposiveness, obviously rests on the transposition of human rationality of action to the effects of nature or God. Since there is an obvious analogy with human action there seems to be no particular problem for theoretical philosophy or philosophy of nature implied in such a transposition. The question whether there can be products of nature, which “even if considered in themselves and without a relation to other things”¹ can be regarded as ends of this nature or “natural ends,” cannot be answered a priori. ² For the concept of nature, and of the things generated within it, implies not even a hint to purposiveness in any sense as a property of such natural things. But according to Kant, we are confronted with the empirical and therefore contingent factum brutum that there exist in nature plants and animals, which he calls “organized be-

 Immanuel Kant, Critique of the Power of Judgment 5:375, at 247 (Paul Guyer ed., Paul Guyer & Eric Matthews trans., 2000) [hereinafter Kant, Judgment]. I have used the 2000 Guyer and Matthews translation of the Critique of the Power of Judgment with modifications when necessary and as indicated in subsequent footnotes. Page references, e. g., 5:375, are by volume and page number to the Akademie edition and reproduced in the margins of the 2000 Guyer and Matthews translation. The second page number, e. g., 247, refers to the corresponding page in the 2000 Guyer and Matthews translation.  Id. https://doi.org/10.1515/9783110605327-022

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ings.”³ They are, according to Kant, the only natural products the possibility of which can only be conceived as that of ends of this nature. This means that plants and animals “first provide objective reality for the concept of an end that is not a practical end but an end of nature, and thereby provide natural science with the basis for a teleology […].”⁴ This amounts to the introduction of a particular kind of causality of nature “which one would otherwise be absolutely unjustified in introducing at all”⁵ if these plants and animals did not exist. This is the concept of “teleology” according to which one has to judge the causality of nature in generating these products, although nature in bringing about its effects cannot be regarded as acting in accordance with concepts of ends. The concept of a “natural end” is, therefore, an at least paradoxical, if not a contradictory, concept. If one proposes the thesis “that a thing is possible only as an end,”⁶ one wants to say “that the causality of its origin must be sought not in the mechanism of nature, but in a cause whose productive capacity is determined by concepts […].”⁷ In justifying such a claim, one relies on the alleged fact that the form of this thing cannot “be possible in accordance with mere natural laws […].”⁸ Rather, even empirical cognition of the cause and effect of things having such forms “presupposes concepts of reason,”⁹ as is the case with human action in accordance with concepts of ends. If the form of such a thing cannot be explained by empirical laws of nature, i. e., if this given form of a product of nature cannot be cognized as necessary under the natural conditions of its generation, this contingency of its form is, according to Kant, a ground for regarding the causality of its origin “as if it were possible only through reason; but this [reason] is then the capacity for acting in accordance with ends (a will); and the object which is represented as possible only on this basis is represented as possible only as an end,”¹⁰ in other words, as the object of a rational will. Such an assumption, however, is at first sight implausible vis-a-vis an object “that one cognizes as a product of nature,”¹¹ for our incapacity to cognize the form of such a natural product as a necessary consequence of the conditions

 Id.  Id. at  Id.  Id. at  Id. at  Id. at  Id.  Id.  Id.

5:376, at 247 (second emphasis added). 5:369, at 242. 5:369 – 70, at 242 (footnote omitted). 5:370, at 242.

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of its generation is, by itself, not yet a sufficient reason to judge it as “an end, hence a natural end […].”¹² In order to be justified in doing this, something more is required. This “something more” is expressed in Kant’s assertion: “a thing exists as a natural end if it is cause and effect of itself (although in a twofold sense) […].”¹³ For such a determination of the idea of a natural end relates to a kind of causality which cannot be connected “with the mere concept of a nature […].”¹⁴ Natural causality is a causality of causes that produce their succeeding effects without being able to be reciprocally produced by their effects. This is already ruled out by the direction of the sequence of times. If an effect should be able to produce its cause, it must be earlier (according to the temporal order) than its cause, instead of succeeding it. If a thing is to exist as cause and effect of itself, this reciprocity cannot obtain within the same kind of causality. This is indicated by Kant’s mentioning a twofold sense of cause and effect. By this he means that the inner causality of natural ends must be distinguished as efficient and final causality in order to give the “somewhat improper and indeterminate expression”¹⁵ of a thing “related to itself reciprocally as both cause and effect”¹⁶ a plausible sense. In any case, the concept of such a thing would transcend the concept of nature and its kind of causality if it were impossible to “ascribe an end to it.”¹⁷ Kant elucidates his new definition of a natural end (opposing it to a machine) by using the example of a tree, of which one can say in three respects that it generates itself and is as such cause and effect of itself: (1) A tree generates itself as far as the species is concerned. For the other tree that is generated is of the same species as itself. Since trees of the same species are effects and causes of other trees, the species “tree” preserves itself by unceasingly producing trees, and thereby producing itself.¹⁸ (2) A tree also generates itself as an individual. For what we call its growth equals a self-generation. “[T]he matter that it adds to itself with a quality peculiar to its species […] and develops itself further by means of material which, as far as its composition is concerned, is its own product.”¹⁹

       

Id. Id. at 5:370, at 243 (footnote omitted). Id. at 5:371, at 243. Id. at 5:372, at 244. Id. Id. at 5:371, at 243 (translation revised). See id. Id.

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(3) The parts of the tree also generate themselves indirectly, since the preservation of the one reciprocally depends on the preservation of the others, and they are in this way cause and effect of each other. This is true, for example, of the relation of the leaves as the parts of a tree to it as a whole. They “are certainly products of the tree, yet they preserve it in turn, […] and its growth depends upon their effect on the stem.”²⁰ And there is also the “self-help of nature in the case of injury in these creatures, where the lack of a part that is necessary for the preservation of the neighboring parts can be made good by the others […].”²¹ In exploiting this example one can grasp what it means that a natural product “yet at the same time [is to be cognized] […] as possible only as a natural end,”²² if something’s being a natural end means to “be related to itself reciprocally as both cause and effect […].”²³ Kant clarifies the peculiarity of such a teleological consideration of natural products in two steps: (1) In order to be a natural end, “its parts (as far as their existence and their form are concerned) [must be] possible only through their relation to the whole.”²⁴ This is a consequence of the thing’s being regarded as an end, i. e., as something whose concept “must determine a priori everything that is to be contained in it.”²⁵ If a thing is regarded in this way, namely, that it is conceived as possible only in this way, it is – however – merely regarded as a work of art. This means that it is considered as a “product of a rational cause distinct from the matter (the parts), the causality of which (in the production and combination of the parts) is determined through its idea of a whole that is thereby possible […].”²⁶ Thus, if one one-sidedly stresses the character of a natural end as an end, one gets as a result merely the product of a rational (i. e., divine or human) artist, e. g., a clock, and not a product of nature. (2) If one stresses the other side, that the natural end is to be a product of nature that nevertheless “contain[s] in itself […] a relation to ends”²⁷ but is without “the causality of the concepts of rational beings outside of it,”²⁸ then it is required “that its parts” are not combined by an artist according to the idea of a whole. Instead, the parts must “be combined into [the unity of] a whole by

        

Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id.

at 5:372, at 244. at 5:370, at 242 (translation revised). at 5:372, at 244. at 5:373, at 244– 45. at 5:373, at 245. (emphasis added). (emphasis added).

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being reciprocally the cause and effect of their form. For in this way alone it is possible in turn for the idea of the whole conversely (reciprocally) to determine the form and combination of all the parts […].”²⁹ The idea of the whole, understood in this way, is then not to be regarded as the concept of an artist who is through it the cause of his product, “but [merely] as a ground for the cognition [ratio cognoscendi] of the systematic unity of the form and the combination of […] the manifold [of the parts] for someone who judges it.”³⁰ In these determinations of a natural end, one can recognize Kant as a critic of the power of judgement: as a natural end only that natural product can be regarded which must be judged as a natural end without giving this judgement the validity of a cognition of the thing itself. Only a dogmatic thinker can misunderstand what must be judged as a natural end as a natural end which by itself, independently of this kind of judging, exists in nature. This corresponds exactly to the subjectivity of the judgement of taste. An object of perception is not judged as beautiful because it is beautiful in itself, rather only that object is beautiful, the judging of which is based upon a reciprocal promotion of the imagination and the understanding of the subject reflecting on the intuited form of the object, such that the resulting feeling of pleasure must be regarded as valid for all its aesthetic judges. Thus, in a natural end effective causes and final causes are united in a way that is only subjectively valid. If a body is to be judged as a natural end it is conceived as something whose “parts reciprocally produce each other, as far as both their form and their combination is concerned, and thus produce a whole out of their own causality […].”³¹ So far the parts are conceived as causae efficientes, without respect to a rational artifex, whose concepts would have causality. But in addition to the fact that the natural end must be so conceived, the “concept” of this whole “conversely, [could be] in turn the cause of it in accordance with a principle (in a being that would possess the causality according to concepts appropriate for such a product),”³² i. e., could contain its causa finalis of its production, as it would be in the case of a divine artifex or a craftsman. In sum, a natural end is conceived as such a natural product in which “the connection of efficient causes could at the same time be judged as an effect through final causes,”³³ if there were reasons to assume such a superhuman artifex after the model of the Platonic demiurge.     

Id. Id. Id. Id. Id.

(emphasis added). (footnote omitted) (emphasis added). (translation revised). (footnote omitted).

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This thought-experiment results in that determination of natural ends that remains when we avoid the fictions of a human or superhuman artist and, at the same time, avoid its ambiguous determination of a peculiar causa sui, i. e., of a being that relates to itself reciprocally as cause and effect. A natural end, then, is a natural product in which each part, just as it exists only through all the others, is also conceived as existing for the sake of the others and of the whole, i. e., as an instrument (organ), which is, however, not sufficient (for it could also be an instrument of art, and thus represented as possible at all only as an end as the parts of a clock); rather the part must be thought of as an organ that produces the other parts (consequently each produces the other reciprocally), which cannot be the case in any instrument of art, but only of nature, which provides all the matter for instruments (even those of art); only then and on that account can such a product, as an organized and selforganizing being, be called a natural end. ³⁴

This is Kant’s final determination of the “natural end” as a concept of the teleologically reflecting power of judgement, through which natural products must be thought of in relation to our human, discursive understanding. This is done without granting that an objective reality could be attributed to this concept, independent of its relation to our understanding.

II The Transcendental Principle of Purposiveness In his Critique of the Power of Judgment, Kant has introduced the concept of purposiveness not as a concept that is indispensable for reflection upon particular products of nature, but as a transcendental principle of the reflecting power of judgment regarded as an a priori legislative faculty.³⁵ Its legislation is, however, only an act of heautonomy, i. e., of its legislation for its own use in the ascent from the particular in nature to the universal, within the realm of empirical concepts and of particular empirical laws. The transcendental principle of the purposiveness of nature, in its particular laws for the reflecting power of judgment, asserts that these empirical laws are not – as is the case with the transcendental or strictly universal laws of nature – given a priori through the pure understanding, but nevertheless must have a systematic unity. Since our understanding, through its categories and principles, first makes possible a nature in general as a system of appearances in accordance with transcendental laws, one can express the legislating of the reflecting power of judgment in a popular manner like  Id. at 5:373 – 74, at 245 (translation revised).  See id. at 5:179, at 66.

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this: through it the principle is established that nature must in its particular and empirical laws, which are left undetermined by those strictly universal laws, be so regarded as “if an understanding (even if not ours) had likewise given them for the sake of our faculty of cognition, in order to make possible a system of experience […].”³⁶ This subjective purposiveness of nature for our faculties of cognition in their empirical use is what the reflective power of judgment assumes in its own favor. One can ask, then, in which sense this principle can be called a transcendental one and whether something like a transcendental deduction can be provided for it, through which this assumption can be justified. Under a transcendental principle, Kant, here, understands a principle “through which the universal a priori condition under which alone things can become object of our cognition at all is represented.”³⁷ Thus it is an ontological principle, but one that does not deal with possible things in general; instead it addresses the conditions of possible cognition of things through our human faculties of cognition. The principle of the purposiveness of nature for our faculties of cognition deals with “objects of possible empirical cognition in general”³⁸ and represents, as such, the universal condition a priori, but not of the possibility of our cognition of objects in general, rather, only of objects of our human experience. The totality of these objects is nature, “but not merely as nature in general, but rather as nature as determined by a manifold of particular laws.”³⁹ Accordingly, such a transcendental principle requires a transcendental deduction, but this cannot be established in the manner of the deduction of the categories and of the principles of their use. This is because the concept of the purposiveness of nature for our reflecting power of judgment is not a category, not a concept of the pure understanding of an object of intuition in general, which corresponds to the necessary forms of thinking. Instead of a proof of the objective validity of the concept of purposiveness, Kant only adduces the argument that the unity of nature, conceived according to this purposiveness, i. e., as a “unity of nature in accordance with empirical laws […] must […] necessarily be presupposed and assumed, for otherwise no thoroughgoing interconnection of empirical cognitions into a whole of experience would take place […].”⁴⁰ This is why “the power of judgment must […] assume it as an a priori principle for its own use that what is contingent for human insight in the particular (empirical) laws of nature nevertheless contains a lawful     

Id. Id. Id. Id. Id.

at 5:180, at 67. at 5:181, at 68. at 5:182, at 69. at 5:183, at 70.

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unity, […] in the combination of its manifold into one experience […].”⁴¹ It is already obvious that the concept of the purposiveness of nature for the reflecting power of judgment can have no objective validity and that nevertheless this principle is indispensable for this power of judgment. Although Kant in his introductions to the third Critique never gives an example for such a systematic unity of empirical laws of nature, we know from his other works and his Nachlass that Galileo’s law of falling bodies, Kepler’s laws of the movements of the planets around the sun, and Newton’s law of universal gravitation are for Kant the model of such a systematic unity of natural laws. Newton’s mutual attraction of masses, and his formula for the law of this attraction, is itself a particular empirical law from which, through mathematical transformation, the particular laws of Galileo and Kepler can be derived. In turn, one can say of these particular laws that they deal with a lawlikeness of the motions of bodies indicating in an as yet undetermined manner an unknown common cause of motion that, however, cannot be a priori determined out of the accelerated motions themselves. Galileo’s and Kepler’s laws are thus purposive for Newton’s dynamical world-system of moving forces, and they also have historically prepared Newton’s discovery. But only after this discovery can one say that these three laws together constitute a purposive unity, i. e., a lawlikeness of the logically contingent particular under a universal law, which is confirmed by the two particular laws but which itself is also merely contingent. Kant’s transcendental principle of purposiveness is, it is true, valid for nature in the manifold of nature’s empirical laws. However, Kant’s critical philosophy is neither a philosophy of science, be it biology or mathematical physics, nor of the progress of scientific cognition in the sense of Neo-Kantianism or Thomas S. Kuhn. Thus we are, as critical philosophers, admittedly “delighted (strictly speaking, relieved of a need) when we encounter such a systematic unity among merely empirical laws, […] even though we necessarily had to assume that there is such a unity […].”⁴² The only possible “deduction” of the concept of a purposiveness of nature for our power of judgment as a transcendental principle of object cognition consists, as we have seen above, just in the indication that “unity of experience (as a system in accordance with empirical laws),”⁴³ which is in itself contingent, “must still necessarily be presupposed and assumed, for otherwise no thoroughgoing interconnection of empirical cognitions into a whole of experience would

 Id. at 5:183 – 84, at 70 (second and third emphases added).  Id. at 5:184, at 71.  Id. at 5:183, at 70.

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take place […].”⁴⁴ Our transcendental principle is thus only a maxim of the the power of judgment for its own empirical use, a subjective principle originating from its “heautonomy.”⁴⁵ From this transcendental principle, Kant proceeds first to the “combination of the feeling of pleasure with the concept of the purposiveness of nature”⁴⁶ and then to “the aesthetic representation of the purposiveness of nature.”⁴⁷ Both of them underscore the subjectivity of this principle by exposing the sensible intuition of the human being and its faculty of feeling as that for which nature is to be purposive. The second connection established by Kant between his transcendental principle and its use in judging objects of nature is the one to “the logical representation of the purposiveness of nature.”⁴⁸ One can represent purposiveness in an object of experience out of an objective ground if one is attentive to the “correspondence of its form with the possibility of the thing itself, in accordance with a concept of it which precedes and contains the ground of this form.”⁴⁹ This kind of purposiveness relates the form of the object “to a determinate cognition of the object under a given concept […].”⁵⁰ In the use of the given concept for the cognition of an object “the business of the power of judgment in using it for cognition consists in presentation (exhibitio), i. e., in placing a corresponding intuition beside the concept […].”⁵¹ This is the business of the determinating power of judgment. It consists either in the construction or the schematization of the concept of the understanding in its theoretical use, which both are performed by the imagination, or in the technicallypractical use of the concept in which the imagination proceeds “as in art, when we realize an antecedently conceived concept of an object […].”⁵² In the case of the reflecting power of judgment, the presentation (Darstellung) of the concept is performed “through nature, in its technique (as in the case of organized bodies) […].”⁵³ But this only happens, “when we ascribe to [unterlegen] it[, i. e., nature,] our concept of an end for judging its product,”⁵⁴ that is, when we judge nature in such a way as if it would generate its products according to concepts. In this case           

Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id.

at at at at

5:185 – 86, at 72. 5:186, at 73. 5:188, at 75. 5:192, at 78.

at 5:192– 93, at 78. at 5:193, at 78. (footnote omitted).

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we represent “not merely a purposiveness of nature in the form of the thing, but this product of it is represented as a natural end.”⁵⁵ Here, again, Kant connects the transcendental principle of the “subjective purposiveness of nature in its forms, in accordance with empirical laws”⁵⁶ with the purposive constitution of objects within nature. Since we already attribute to nature, according to the transcendental principle, “as it were a regard to our faculty of cognition, in accordance with the analogy of an end […] we can regard […] natural ends as the presentation [Darstellung] of the concept of a real (objective) purposiveness […].”⁵⁷ And since this kind of purposiveness is judged by understanding and reason “in accordance with concepts,” Kant calls it “the logical representation of the purposiveness of nature.”⁵⁸ Now Kant is completely aware of the fact that to this kind of judging natural ends, in contrast to the aesthetic judgment of natural forms, no a priori ground at all can be given why there must be objective ends of nature, i. e., things that are possible only as natural ends, indeed not even the possibility of such things is obvious from the concept of nature as an object of experience in general as well as in particular […].⁵⁹

Natural ends are enigmatic facta bruta, the possibility of which we can only cognize out of their actuality. Thus Kant does not derive the judging of natural products as natural ends from his transcendental principle. He only adduces a kind of motive for this use of the reflecting power of judgment: [T]he power of judgment, without containing a principle for this in itself a priori, in order to make use of the concept of ends in behalf of reason, merely contains in some cases that come before it (certain products) the rule after that transcendental principle has already prepared the understanding to apply the concept of an end (at least as far as form is concerned) to nature.⁶⁰

Thus the “logical,” i. e., the teleological judging of natural things as natural ends is only an analogy to the principle of the formal and subjective purposiveness of nature for our faculties of cognition and not justified by it. Just as little justification is provided by the aesthetic judgment of natural things as beautiful objects.

     

Id. Id. Id. Id. Id. Id.

at at at at

5:193, at 79, 5:192, at 78. 5:193, at 79. 5:193 – 94, at 79.

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Although we thus must judge organized bodies as self-organizing systems “in accordance with the idea of an end of nature[,] […] [one] cannot adduce any fundamental principle from the concept of nature, as object of experience, that would warrant ascribing to it a priori a relation to ends […].”⁶¹ Nevertheless, experience proves that such natural products exist whose objective purposiveness we cognize “empirically” through “many particular experiences” and the “unity of their principle.”⁶² This is all that Kant says in justification of teleological judging. The inclination of human beings to judge nature according to concepts of ends has thus no theoretically cogent reasons and is presumably based on an interest of practical reason.

III Kant as a Critic of Teleological Thinking Kant has frequently pointed to the unavoidability of teleological thinking, particularly in the empirical cognition of so-called natural ends. In 1755, in his Universal History of Nature and Theory of the Heaven, and in 1790, in his Critique of the Power of Judgment, Kant seems to assert the same thing, namely, that the generation of our planetary system can be explained in accordance with mechanical laws, but “the generation of the single plant or a caterpillar from mechanical grounds [cannot] be distinctly and completely known by us.”⁶³ On a closer look, one can recognize the differences between the two denials of our ability to such cognition. In 1755, Kant says, “sooner […] the origin of the entire present constitution of the world can be cognized, than the generation of a single plant […] or a caterpillar can be […] cognized by us.”⁶⁴ After he has himself given the explanation of the heavenly structure, which was comparatively easy, it is a difficult future task to give a corresponding explanation for plants and animals. Thirty-five years later he writes: [I]t would be absurd for humans even to make such an attempt or to hope that there may yet arise a Newton who could make comprehensible even the generation of a blade of grass according to natural laws that no intention has ordered; rather, we must absolutely deny this insight to human beings.⁶⁵

 Id. at 5:194, at 80 (emphasis added).  Id.  Immanuel Kant, Universal Natural History and Theory of the Heavens 29 (W. Hastie trans., 1969) (1755) (translation revised).  Id. (translation revised).  Kant, Judgment, supra note 1, at 5:400, at 271 (citation omitted).

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This assertion of Kant is, in 1790, based on his theory of the possibility of pure and empirical cognition of objects through our understanding, which was not at Kant’s disposal in 1755. However, the impossible for humans is not in itself or objectively impossible. In nature itself, “if we could penetrate to the principle of [this] nature in the specification of its universal laws known to us,”⁶⁶ there could well “lie hidden [a] ground sufficient for the possibility of organized beings without the assumption of an intention underlying their generation”⁶⁷ (i. e., in the mere mechanism of nature). Thus we cannot say, that because we can cognize these things, i. e., organized beings, “only under the idea of ends[,] we would also be justified in presupposing that this is a necessary condition for every thinking and cognizing being, thus that it is a condition that depends on the object and not just on our own subject.”⁶⁸ Therefore, the proposition “there is a God”⁶⁹ (i. e., the conclusion of the argument from design) is “a proposition resting only on subjective conditions, namely those of a reflecting power of judgment appropriate to our cognitive faculties,”⁷⁰ which is, misleadingly, expressed “as objectively and dogmatically valid […].”⁷¹ Kant’s position with regard to the, for humans, unavoidable teleological way of thinking is that the assumption of the objective reality of natural ends, i. e., of organized natural products whose causality we can only cognize in accordance with “the idea of ends,” rests merely on the specifically human conditions of cognition. This is why “we cannot make any objective judgment at all, whether affirmative or negative, about the proposition that there is an intentionally acting being as a world-cause […] at the basis of what we rightly call natural ends […].”⁷² But what we can cognize is that we, and why we, in accordance with “our own nature […] absolutely cannot base the possibility of those natural ends on anything except an intelligent being […].”⁷³ But what is our own nature in respect of our specifically human faculty of cognition? Kant answers this question in sections seventy-six and seventyseven of his third Critique. Here we learn to understand why we cannot escape teleological thinking, and why this subjective unavoidability cannot ground any objective cognition of nature and of ourselves. However, these sections do

       

Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id.

at at at at at

5:399, at 270. 5:400, at 270. 5:399, at 270. 5:399 – 400, at 270. 5:400, at 271.

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not deal with an empirical (i. e., anthropological) cognition of the human faculties of cognition, rather they deal with the a priori principles of cognition “of a finite rational being in general,”⁷⁴ from which it follows that “we cannot and must not conceive [denken] otherwise.”⁷⁵ As his third example for a subjective necessity of human thinking, Kant adduces the “distinction” we find “between a natural mechanism and a technique of nature, i. e., a connection to ends in it […].”⁷⁶ This depends, he argues, on the peculiarity of our discursive understanding that it “must go from the universal to the particular […].”⁷⁷ Since every cognition consists either in bringing objects under concepts already available to us (as well as in determining the objects through these concepts), or in bringing objects of which we already have a concept under another concept (which we attribute to these objects as a common predicate), our determining power of judgment presupposes that the objects, which are to be determined, are all suited, i. e., purposive for this predication, although they differ in many respects from what is thought in their common predicate. Thus, all determining judgments presuppose a logical purposiveness of the particular for the universal under which the particular is to be subsumed. This purposiveness can itself not obtain if there is no universal law for the particular, i. e., a special rule in accordance with which the particular that is to be subsumed is not contingently but necessarily so constituted that it can be subsumed as a (particular) case under a higher (universal) law (as a casus datae legis). However, every particular contains something contingent in “regard to the universal,”⁷⁸ which is not already contained in the universal. This is also true of particular laws of nature, which are to stand, together with others, under higher natural laws (and, of course, under the transcendental laws of nature in general). Thus, they must have some kind of unity insofar as they are all cases of a common higher natural law. This “lawlikeness of the contingent” of the particular natural laws is their purposiveness as particular cases for being determined through a general law. Therefore, the deducibility (e. g., by mathematical transformation of equations) of the particular laws from more universal laws of nature is not logically warranted, i. e., cannot be established analytically from the concept of the object with which the general law is dealing, but rests exclusively on the logically contingent and yet lawlike agreement of the particular laws with their determining more universal laws of nature. Thus we have, at last, discovered the reason why     

Id. at 5:401, at 272. Id. Id. at 5:404, at 274. Id. Id.

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“the concept of the purposiveness of nature in its products is a concept that is necessary for the human power of judgment in regard to nature […].”⁷⁹ This transcendental principle of the reflecting power of judgment thus follows from the discursiveness of the human understanding, which means that it “must go from the universal to the particular […].”⁸⁰ This is true of concepts in relation to their objects and for (more) universal laws in relation to the particular laws under them. But this purposiveness of nature in its products and in their particular laws provides no objective determination of these objects themselves. It is only “a subjective principle of reason for the power of judgment […].”⁸¹ This principle is, in fact, merely a maxim, but it “is just as necessarily valid for our human power of judgment as if it were an objective principle.”⁸² After we have seen where the assumption of a subjective purposiveness of nature for our power of judgment comes from, Kant explains the possibility of the concept of a natural end likewise out of “a special character of our (human) understanding […].”⁸³ When we say about a natural product that it is a natural end, we think it through an “idea.” But the product itself is given in nature and this nature is then represented as if it had the causality of a being, which acts according to ends. The natural end is an object given in experience upon which one can reflect “according to that idea.”⁸⁴ Now the idea of a natural end presupposes “the idea of a possible understanding other than the human one,” “grounding” the natural end.⁸⁵ Thus one can say: “certain products of nature, as far as their possibility is concerned, must, given the particular constitution of our understanding, be considered by us as intentional and generated as ends, yet without thereby demanding that there actually is a particular cause”⁸⁶ that acts according to ends and is, therefore, an understanding. Why is there no necessity to make such an inference? It is because “another (higher) understanding than the human one might be able to find the ground of the possibility of such products of nature even in the mechanism of nature […].”⁸⁷ Thus, we must assume that our understanding is of a peculiar constitution, which is based on the fact that the particular, to be brought under universal con-

        

Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id.

at 5:405, at 275. (translation revised). at 5:405 – 06, at 275. at 5:406, at 275.

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cepts of the understanding, has a contingency for our understanding. “[F]or through the universal of our (human) understanding the particular is not determined, and it is contingent in how many different ways distinct things that nevertheless coincide in a common characteristic [Merkmal] can be presented to our perception.”⁸⁸ The discursiveness of our understanding as a faculty of concepts as common marks of the particulars given to it by nature is thus the cause for the logical contingency of the particular. But if we conceive of an understanding completely independent of sensibility and itself, by its own spontaneity, capable of intuition, then such an intuitive understanding would not have to “go from the universal to the particular and thus to the individual (through concepts) […].”⁸⁹ For such an understanding “that contingency of the agreement of nature in its products in accordance with particular laws for [our] understanding, which makes it so difficult for ours to bring the manifold of these [particular laws] to the unity of cognition, is not encountered […].”⁹⁰ This difficulty, and the contingency of the particular, is due to the fact that for our understanding, “the particular is not determined by the universal, and the latter therefore cannot be derived from the former alone […].”⁹¹ From this contingency, it follows that the agreement of the natural things with our power of judgment can only be represented by us as due to a kind of purposiveness of nature. The origin of this supposed purposiveness from our peculiar understanding becomes obvious when we conceive of another understanding in relation to which “we can represent that agreement of natural laws with our power of judgment, which for our understanding is conceivable only through ends as the means of connection, as necessary.”⁹² It is thus a property of our understanding “that in its cognition […] it must go from the analytical universal (of concepts) to the particular (of the given empirical intuition) […].”⁹³ If we want to cognize, for example, the cause of a natural product, we determine the pure concept of cause, given to us by our understanding, through an empirical intuition, which comes from our senses. The understanding thus determines nothing “with regard to the manifold of the empirical intuition”⁹⁴ through its concept. It “must expect this determination for the power of judgment from the subsumption of the empirical intuition […] under the con-

      

Id. Id. Id. Id. Id. Id. Id.

at 5:406, at 276. (footnote omitted). at 5:406 – 07, at 276. at 5:407, at 276. (translation revised).

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cept.”⁹⁵ But if we conceive of an understanding, which “is not discursive like ours but is intuitive,”⁹⁶ it will go “from the synthetically universal (of the intuition of a whole as such) to the particular, i. e., from the whole to the parts […].”⁹⁷ An intuitive understanding would thus cognize the product of nature as that particular, which becomes possible through the limitation of an underlying whole, just as particular spaces are cognized as possible through the limitation of the all-encompassing one whole of space. In the representation, i. e., in the idea of the intuitive understanding of a whole, “there is [thus] no contingency in the combination of the parts, in order to make possible a determinate form of the whole […].”⁹⁸ But if, as is true for our discursive understanding, the whole is composed from given parts, the resulting form of this whole is possible in very many ways. Our discursive understanding is “dependent on” the contingency of its composition of parts, because it “must progress from the parts, as universally conceived grounds [of possible wholes,] to the different possible forms [of wholes], as consequences, that can be subsumed under [them].”⁹⁹ Kant then confronts the whole, consisting of parts with the two kinds of understanding. When we represent a whole through our discursive understanding, we represent the “possibility of the whole as depending upon the parts […].”¹⁰⁰ But if we represent the way in which the intuitive understanding conceives of a whole, we represent “the possibility of the parts (as far as both their constitution and their combination is concerned) as depending upon the whole […].”¹⁰¹ However, since this “would be a contradiction in the discursive kind of cognition,”¹⁰² for which wholes depend on parts, such a dependence of the parts upon the whole according to the “peculiarity of our understanding”¹⁰³ can only be represented in such a way that not the whole itself, but “the representation of a whole [contains] the ground of the possibility of [the] form [of this whole] and of the connection of parts that belong to that [whole].”¹⁰⁴ With this last step of his argumentation, Kant has, indeed, given an explanation of teleological thinking in its subjective necessity from our discursive understanding:

 Id.  Id.  Id.  Id. (emphasis omitted).  Id. at 5:407, at 276 – 77.  Id. at 5:407, at 277.  Id.  Id. at 5:407– 08, at 277.  Id. at 5:408, at 277 (translation revised).  Id.

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But now since the whole would in that case be an effect (product) the representation of which would be regarded as the cause of its possibility, but the product of a cause whose determining ground is merely the representation of its effect is called an end, it follows that it is merely a consequence of the particular constitution of our understanding that we represent products of nature as possible only in accordance with another kind of causality than that of the natural laws of matter, namely only in accordance with that of ends and final causes […].¹⁰⁵

The teleological thinking applied to natural things is thus a subjectivly necessary consequence of the discursiveness of our cognition. After we have found this explanation by a kind of cognizing ourselves, we cannot assert that the “mechanical kind of generation”¹⁰⁶ of organized bodies is objectively impossible. From such a mechanical explanation “there arises no concept of a whole as an end, whose internal possibility presupposes throughout the idea of a whole on which even the constitution and mode of action of the parts depend, which is just how we must represent an organized body.”¹⁰⁷ However, since this kind of representing is only necessary for our discursive understanding it does not follow that the mechanical generation of such a body “is impossible […] for every understanding […].”¹⁰⁸ And since it is at least possible to consider the material world as mere appearance, we can conceive of “a supersensible real ground [of] nature, although it is unknowable for us”¹⁰⁹ through which nature as an object of the senses is determined in accordance with mechanical laws and at the same time as an object of reason that is determined “in accordance with teleological laws […].”¹¹⁰ This kind of reconciliation can be conceived without contradiction, but it also implies that nature as object of experience cannot be cognized as being determined “in accordance with teleological laws”¹¹¹ as objectively valid principles.

      

Id. Id. at 5:408, at 278. Id. Id. Id. at 5:409, at 278. Id. Id.

Metaphysik Kant versteht unter Metaphysik (ihrem aus der Aristotelischen Tradition stammenden Namen entsprechend, der die Absicht anzeige, vermittelst ihrer „über alle Gegenstände möglicher Erfahrung (trans physicam) hinaus[zu]gehen“, FM, AA 20: 316.26 – 27; vgl. 28: 381 f.; 28: 468; 28: 616; 29: 773) eine „jenseit der Erfahrung liegende […] Erkenntniß“ (Prol, AA 04: 265.20 – 21), die eben darum nur „Erkenntniß a priori, oder aus reinem Verstande und reiner Vernunft“ (Prol, AA 04: 266.01– 02) sein kann. Denn der vornehmste Zweck dieser Wissenschaft ist die „Erkenntniß eines höchsten Wesens und einer künftigen Welt“ (Prol AA 04: 271.14– 15; vgl. 28: 382 f.; 541; 618 – 620; 690 f.; 776; 821 [hier erweitert um „Freiheit“]; 29: 773), und diese Erkenntnis kann weder auf empirischen Prinzipien beruhen noch auf solchen reinen Verstandesprinzipien, die nur als Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrung objektive Gültigkeit haben. Die ersten in der KrV gegebenen Definitionen der Metaphysik lauten entsprechend: Metaphysik ist „ein System der reinen (speculativen) Vernunft“ (KrV A XXI) bzw. „eine[] ganz isolirte[] speculative[] Vernunfterkenntniß, die sich gänzlich über Erfahrungsbelehrung erhebt, und zwar durch bloße Begriffe“ (KrV B XIV). In den erhaltenen Fragmenten von Kants geplanter Beantwortung der Preisfrage der Berliner Akademie „Welches sind die wirklichen Fortschritte [der] Metaphysik […]“ (FM, AA 20: 255; ganzer Abs. 20: 255 – 332) unterscheidet er zwischen einer auf ihren „Endzweck“ gegründeten Definition der Metaphysik als „die Wissenschaft, von der Erkenntnis des Sinnlichen [d. h. dessen, „was Gegenstand der Erfahrung sein kann“,] zu der des Übersinnlichen durch die Vernunft fortzuschreiten“ (FM, AA 20: 316.31– 33) und einer Definition „nach dem Begriff der Schule“, nach welcher sie „das System aller Prinzipien der reinen theoretischen Vernunfterkenntniß [der Dinge] durch Begriffe“ bzw. „das System der reinen theoretischen Philosophie“ (FM, AA 20: 261.16 – 17; vgl. 20: 317) ist.Weitere wichtige Stellen: 1: 30; 1: 503; 2: 283; 2: 368; 2: 396; KrV A 841 / B 869; 4:362 ff.

Vorgeschichte und historischer Kontext In seiner ersten philosophischen Schrift, Wahre Schätzung (1747), schließt sich Kant dem Sprachgebrauch des Wolffianismus an, wenn er z. B. sagt, dass „[un-] sere Metaphysik […] in der That nur an der Schwelle einer recht gründlichen Erkenntniß“ (GSK, AA 01: 30.32– 34) stehe. Gegen Naturlehrer seiner Zeit insistiert er auf der Notwendigkeit einer metaphysischen Begründung der Naturerkenntnis (vgl. GSK, AA 01: 61). Die Mathematik müsse mit der Metaphysik verbunden https://doi.org/10.1515/9783110605327-023

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Metaphysik

werden, wenn sie auf die Natur angewandt werden soll (vgl. GSK, AA 01: 107). Kants Habilitationsschrift Nova dilucidatio (1755) handelt von den ontologischen Grundsätzen, dem Satz vom Widerspruch und dem Satz vom bestimmenden Grund, und entwickelt aus ihnen und anderen Prinzipien der metaphysischen Erkenntnis „fruchtbare Folgesätze“ (vgl. PND, AA 01: 410). Als Beispiel des Gebrauchs einer notwendigen Verbindung von Metaphysik bzw. Transzendentalphilosophie und Geometrie in der Naturphilosophie (vgl. VUE, AA 01: 473; 475; 480) legt er seine Monadologia physica (1756) vor. Dementsprechend hat Kant seit 1755 nach Lehrbüchern der Wolff-Schule (Baumgarten, Baumeister) Vorlesungen über Metaphysik gehalten, ohne an deren Metaphysik-Begriff Anstoß zu nehmen (vgl. TW, AA 01: 503). An dem grundsätzlichen Einverständnis mit dem Metaphysik-Verständnis der Leibniz-Wolffischen Schule ändern der neue ontologische Gottesbeweis und die veränderte Methode der Physikotheologie im Beweisgrund (1763) nichts, obwohl Kant nun von dem „bodenlosen Abgrund der Metaphysik“ (BDG, AA 02: 66.01) spricht und sich von wichtigen Positionen seiner Nova dilucidatio entfernt hat. Das zeigt sich an der Metaphysik-Definition in der Deutlichkeit (1764). Metaphysik ist hier, wie bei Baumgarten, „nichts anders als eine Philosophie über die ersten Gründe unseres Erkenntnisses“ (DU, AA 02: 283.13 – 14), während die „Ontologie“ wenig später (1765) als „Wissenschaft von den allgemeinern Eigenschaften aller Dinge“ (NEV, AA 02: 309.14) definiert und die empirische Psychologie, ebenfalls mit Baumgarten, als „metaphysische Erfahrungswissenschaft vom Menschen“ (NEV, AA 02: 309.02– 03) verstanden wird (vgl. Baumgarten, Metaphysica, 1757, § 1,1; § 4,2, §§ 504– 793). Allerdings betont Kant, dass die Metaphysik „die schwerste unter allen menschlichen Einsichten“ sei und behauptet sogar, dass „noch niemals eine geschrieben worden“ sei (DU, AA 02: 283.06 – 07). Die Philosophie sei nämlich noch auf der Suche nach der wahren Methode, durch die eine Metaphysik zustande gebracht werden kann, wodurch Kant seine Abkehr von Wolff und dessen Schule, insbesondere wegen deren (vorgeblicher) Nachahmung der Methode der Mathematik in der Philosophie zum Ausdruck bringt (vgl. DU, AA 02: 286). Stattdessen wendet sich Kant Newton zu, dessen empirisch-analytische Methode mit der echten Methode der Metaphysik im Grunde einerlei sei. So müsse man durch sichere innere Erfahrung diejenigen Merkmale der Dinge aufsuchen, „die gewiß im Begriffe von irgendeiner allgemeinen Beschaffenheit [einer Sache] liegen“ (DU, AA 02: 286.18 – 19), um auch ohne Kenntnis ihres ganzen Wesens viele Bestimmungen dieses Dinges herleiten zu können (vgl. DU, AA 02: 286). Noch weiter in der Kritik an Wolff und seiner Schule gehen die Träume (1766), in denen die Leibniz-Wolffische Metaphysik den haltlosen Spekulationen Swedenborgs gleichgestellt (vgl. „die erträumte Wissenschaft“, Br, AA 10: 70.21, und

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im Titel der Schrift „erläutert durch Träume der Metaphysik“) und die Metaphysik nunmehr definiert wird als „eine Wissenschaft von den Grenzen der menschlichen Vernunft“ (TG, AA 02: 368.01– 02). Diese Grenzen werden bestimmbar durch die Unterscheidung zwischen dem, was die Vernunft aufgrund von durch die Erfahrung (die ihrerseits Grenzen haben mag, vgl. BDG, AA 02: 72) gegebenen und zur Auflösung eines metaphysischen Problems erforderlichen data erkennen kann, und den vorgeblichen Einsichten, zu denen diese data fehlen und die deshalb nur skeptisch behandelt werden können (vgl. Br, AA 10: 70 f.). Ungeachtet Kants vernichtender Kritik an der zeitgenössischen Metaphysik gilt für sie „obiectiv erwogen“ dennoch, „daß sogar das wahre und dauerhafte Wohl des Menschlichen Geschlechts auf ihr ankomme“ (Br, AA 10: 70.27– 28). Einen völligen Neueinsatz zur Bestimmung der Metaphysik nach der Weise ihrer Erkenntnis und ihres Gegenstandes bringt die Dissertation De mundi von 1770. Die Metaphysik wird nun definiert als diejenige Philosophie, welche die ersten Prinzipien des Gebrauchs des reinen Verstandes enthält, „prima […] principia usus intellectus puri“ (MSI, AA 02: 395.16), wobei Verstand und Vernunft nicht unterschieden werden. Diese Neubestimmung richtet sich gegen die bloß logische Unterscheidung von sinnlicher qua verworrener (konfuser) und intellektueller qua deutlicher Erkenntnis bei Wolff und seiner Schule (vgl. MSI, AA 02: 394 f.) und beruft sich auf die aus der Antike stammende, im Platonismus und Skeptizismus übliche Unterscheidung der phaenomena und noumena, die auch dem Titel der Schrift in seiner Rede von sensibilia und intelligibilia zugrunde liegt. Diese neu definierte Metaphysik enthält keinerlei empirische Prinzipien mehr, sondern nur Erkenntnisse von apodiktischer Gewissheit (vgl. MSI, AA 02: 395; 409). Ihre Begriffe entstammen der Natur des reinen Verstandes selbst und werden aus den dem Geiste innewohnenden Gesetzen abstrahiert. Beispiele sind Möglichkeit, Wirklichkeit, Substanz, Ursache usw. (vgl. MSI, AA 02: 395). Sie gehören als allgemeine Prinzipien des reinen Verstandes in die Ontologie oder in die rationale Psychologie und führen auf ein Musterbild (exemplar), das als perfectio noumenon das gemeinsame Maß aller übrigen Dinge hinsichtlich ihrer Realitäten ist. In theoretischer Bedeutung ist dies das höchste Wesen (Gott), in praktischer Bedeutung die moralische Vollkommenheit (perfectio moralis). Somit gehört auch die Moralphilosophie zur Metaphysik als philosophia pura (vgl. MSI, AA 02: 395 f.), zu der die Dissertation selbst die scientia propaedeutica ist (vgl. MSI, AA 02: 395). In ihr werden die sinnenhafte und die intellektuelle Erkenntnis voneinander geschieden, um einen Einfluss der ersteren auf die letztere zu verhindern (vgl. DU, AA 02: 411), und innerhalb der intellektuellen Erkenntnis wird eine Abgrenzung des logischen vom realen Verstandesgebrauch vorgenommen, zu dem die Metaphysik gehört (vgl. DU, AA 02: 393 f.; 410 f.). Die Behauptung, dass dem System der Metaphysik eine Vorbereitungswissenschaft vorherzugehen ha-

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be, wird in der KrV aufrechterhalten, die insgesamt als „Tractat von der Methode“ der Metaphysik bezeichnet wird (KrV B XXII). Diese Übereinstimmung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dem Jahrzehnt zwischen diesen beiden Äußerungen Kants seine Rezeption dessen liegt, was er den „Angriff“ David Humes auf die Metaphysik genannt hat (Prol, AA 04: 257.14): „seit dem Entstehen der Metaphysik, so weit die Geschichte derselben reicht, hat sich keine Begebenheit zugetragen, die in Ansehung des Schicksals dieser Wissenschaft hätte entscheidender werden können“ (Prol, AA 04: 257.11– 14), wenn die Erkenntnis der überragenden Bedeutung dieses „Einwurf[s]“ (Prol, AA 04: 260.18) nicht am Unverständnis der Zeitgenossen gescheitert wäre. Hätte Hume seinen Einwand gegen die objektive Gültigkeit der im Begriff der Ursache gedachten notwendigen Verknüpfung der Existenz zweier Dinge verallgemeinert, so hätte dies zur Bestreitung der Möglichkeit von metaphysischer Erkenntnis überhaupt führen und Hume hätte sagen müssen, „es gebe überall keine Metaphysik und könne auch keine geben“ (Prol, AA 04: 258.09). Solange das verallgemeinerte „Humische[] Problem[]“ (Prol, AA 04: 260.36; vgl. 313) nicht gelöst war, musste man jedenfalls annehmen, „daß es überall noch keine Metaphysik gebe“ (Prol, AA 04: 257.04). Kants „Kritik der reinen Vernunft“ soll nach dem Verständnis ihres Autors die „Ausführung des Humischen Problems in seiner möglich größten Erweiterung“ (Prol, AA 04: 261.06 – 07) sein und damit den Weg zu einer künftigen Metaphysik als Wissenschaft eröffnen.

Philosophische Funktion 1 Kants Verhältnis zur Metaphysik Kants Definitionen der Metaphysik markieren einen radikalen Umbruch in der Geschichte dieser philosophischen Wissenschaft. In seiner KrVgeht es sowohl um eine Kritik der subjektiven Prinzipien jeder möglichen metaphysischen Erkenntnis als auch um eine künftige Neubegründung (eine „Wiedergeburt“, Prol, AA 04: 367.03) der Metaphysik als der einzigen aller (materialen Vernunft‐) Wissenschaften, die vollendet und der Nachwelt als ein geschlossenes, seinem Inhalt nach unvermehrbares und sogar unveränderliches System überliefert werden kann (vgl. KrV A XX; Prol, AA 04: 381 f.; KrV B XXIIIf.). Die KrV ist der Versuch, „das bisherige Verfahren der Metaphysik umzuändern“, ja „eine gänzliche Revolution mit derselben vorzunehmen“ (KrV B XXII).

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2 Metaphysik als Naturanlage und als Wissenschaft Allerdings unterscheidet Kant von der Metaphysik als Wissenschaft die Metaphysik als „Naturanlage“ (Prol, AA 04: 279.35; vgl. 362 ff.; 365), der die erstere ihre Existenz verdankt, wenn es sie gibt. „Metaphysik ist vielleicht mehr, wie irgend eine andere Wissenschaft durch die Natur selbst ihren Grundzügen nach in uns gelegt und kann gar nicht als das Product einer beliebigen Wahl, oder als zufällige Erweiterung beim Fortgange der Erfahrungen […] angesehen werden“ (Prol, AA 04: 353.27– 31). Das „Ding […], was Metaphysik heißt“ (Prol, AA 04: 362.29; vgl. 378) ist also, qua subjektive Anlage und bevor es ein System der Wissenschaft sein kann, eine anthropologische Konstante (vgl. Prol, AA 04: 362). Die Natürlichkeit der Anlage zur Metaphysik indiziert keinen Naturalismus in Kants Anthropologie.Vielmehr ist es nicht primär ein theoretisches, sondern ein moralischpraktisches Interesse der Menschenvernunft, das sie zur Metaphysik hintreibt. In den Vorlesungen der 90er Jahre heißt es dazu: „Metaphysik ist nothwendig. Ihr Grund ist die durch empirische Begriffe niemals zu befriedigende Vernunft. Die Vernunft findet weder in der Betrachtung der Dinge Befriedigung, noch im Felde der Erfahrung, d. h. in der Sinnenwelt. Die Begriffe von Gott und von der Unsterblichkeit der Seele, das sind die beiden großen Triebfedern, weshalb die Vernunft aus dem Felde der Erfahrung herausgegangen ist“ (V‐Met‐L2/Pölitz, AA 28: 541). Deshalb ist die Metaphysik „älter […] als alle übrige[n Wissenschaften] und würde bleiben, wenn gleich die übrigen insgesammt in dem Schlunde einer alles vertilgenden Barbarei gänzlich verschlungen werden sollten“ (KrV B XIV). Obwohl man also „von keiner einzigen bisher [als Wissenschaft] vorgetragenen [Metaphysik], was ihren wesentlichen Zweck angeht, sagen kann, sie sei wirklich vorhanden“ (KrV B 21), so ist sie doch „als Naturanlage (metaphysica naturalis) wirklich“ (ebd.): „so ist wirklich in allen Menschen, so bald Vernunft sich in ihnen zur Speculation erweitert, irgend eine Metaphysik zu aller Zeit gewesen und wird auch immer darin bleiben“ (ebd.; vgl. KrV B XXXI). Diese Naturgabe ist allerdings alles andere als segensreich, da die sich selbst überlassene, dogmatisierende und keiner Selbstkritik unterworfene natürliche Vernunft sich in Truggebilde verstrickt, d. h. einer natürlichen Dialektik unterliegt, die sie leicht in Verzweiflung an sich selbst treiben kann. Was aber die Geschichte der Metaphysik als Wissenschaft angeht, so steht sie „nach so viel Gewühl und Geräusch noch immer da, wo sie zu Aristoteles‘ Zeiten war“ (Prol, AA 04: 368.26 – 27), so dass man gerechterweise sogar sagen muss, „daß Metaphysik als Wissenschaft bisher noch gar nicht existirt habe“ (Prol, AA 04: 369.01– 02). Kant ist also so wenig der Meinung, dass seine KrV die Metaphysik als Wissenschaft vernichtet habe, als er vielmehr beansprucht, sie ihren Prinzipien und ihrem Systemaufriss nach, also

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als Wissenschaft, als erster ermöglicht zu haben. Er kündigt mehrfach ein auf die KrV gegründetes, durch sie „geläuterte[s]“ (KrV B XXIV) und bald erscheinendes System der Metaphysik an, das als theoretische Wissenschaft „Metaphysik der Natur“ heißen sollte, weil der Titel schon auf das Gegenstück einer „Metaphysik der Sitten“ Rücksicht nehmen, inhaltlich aber dem entsprechen sollte, was in der von Aristoteles bestimmten Tradition einfach „Metaphysik“ (oder ‚Hauptwissenschaft‘) hieß (KrV A XXI; vgl. KrV B XLIII; KU, AA 05: 170). Das Buch, das nach Kants Worten das erste Beispiel einer wissenschaftlichen Metaphysik hätte werden sollen, ist nicht erschienen. Dazu hat gewiss beigetragen, dass es zu der von Kant seit langem gewünschten Zusammenarbeit mit anderen Metaphysikern (wie Lambert, vgl. Brief vom 31.12.1765, Br, AA 10: 55; Brief vom 2. 9.1770, Br, AA 10: 97; Brief vom 13.10.1770, Br, AA 10: 103 f.; oder Mendelssohn, vgl. Brief vom 8. 4.1766, Br, 10: 71; vgl. KrV A XIXff.; FM, AA 20: 310; Prol, AA 04: 382.20 – 21, wo das geplante Gemeinschaftswerk „ein Lehrgebäude, wenn gleich nicht das meinige“ genannt wird) nicht gekommen ist. In seinen Briefen an Jakob (vgl. Brief vom 11. 9.1787, Br, AA 10: 493 ff.) und Beck (vgl. Brief vom 20. 1.1792, Br, AA 11: 313 ff.) hat Kant eine Skizze des Aufbaus eines nach seinen kritischen Regeln abgefassten Handbuches gegeben, und in seinen Metaphysik-Vorlesungen nach Erscheinen der KrV hat er mehrfach seine Überlegungen zu Inhalt und Form einer künftigen kritischen Metaphysik vorgetragen (vgl. V‐Met/Volckmann, AA 28: 363 – 367; V‐Met/Schön, AA 28: 470 f.; V‐Met‐L2/Pölitz, AA 28: 540 – 542; V‐Met/Dohna, AA 28: 616 – 618; 656; V‐Met‐K2/Heinze, AA 28: 776 f.; V‐Met/Mron, AA 29: 875; V‐Met‐K3/Arnoldt, AA 29: 956).

3 Die Möglichkeit metaphysischer Erkenntnis Kants Anspruch liegt seine Neubestimmung von Wesen und Aufgabe der Metaphysik als einer besonderen Art von Erkenntnis und Wissenschaft zugrunde, die er allererst in den Prolegomena und in der zweiten Auflage der KrV hervorhebt. „In der Metaphysik, wenn man sie […] für eine […] Wissenschaft ansieht, sollen synthetische Erkenntnisse a priori enthalten sein“ (KrV B 18), ja sie besteht, „wenigstens ihrem Zwecke nach aus lauter synthetischen Sätzen a priori“ (ebd.). Als Beispiel für einen solchen Satz nennt Kant die Aussage: „die Welt muß einen ersten Anfang haben“ (ebd.). Besteht aber die Metaphysik (im wesentlichen) nur aus synthetischen Erkenntnissen a priori aus bloßen Begriffen, so wird über ihre Möglichkeit als Wissenschaft mitentschieden, wenn sich die Frage beantworten lässt: „Wie sind synthetische Urtheile a priori möglich?“. Diese Frage, die die Wirklichkeit solcher Urteile in der reinen Mathematik und der reinen Naturwissenschaft voraussetzt, enthält nach Kant „die eigentliche Aufgabe der reinen

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Vernunft“ (KrV B 19). (Kant hat, wie gesagt, seine eigene Erkenntnis der entscheidenden Bedeutung dieser Frage auf Hume zurückgeführt.) Die „dogmatische[] Metaphysik“ (Prol, AA 04: 367.01; vgl. 379), die sich diese alles entscheidende Aufgabe nicht gestellt und sie schon gar nicht gelöst hat, wird darum von Kant „jene[] alte[] und sophistische[] Scheinwissenschaft“ (Prol, AA 04: 366.08) genannt, während er von der „wichtige[n] Aufgabe wie synthetische Sätze a priori moglich seyn“ (und der darin vorausgesetzten Unterscheidung synthetischer und analytischer Sätze) in einer Vorarbeit zu den Prolegomena sagen kann, dass sie „die Seele des ganzen Werks“, (VAProl, AA 23: 57.02– 03) nämlich der KrV als Untersuchung der Möglichkeit einer Metaphysik als Wissenschaft, ausmachten (VAProl, AA 23: 57.03 – 04). Diese Untersuchung selbst konnte allerdings nicht analytisch von einem Faktum metaphysischer Erkenntnis ausgehen, sondern musste die radikalere Frage stellen: „Ist überall Metaphysik möglich?“ (Prol, AA 04: 274.22) und sie synthetisch auf der Grundlage des nur erst „problematischen Begriff[s] einer solchen Wissenschaft“ (Prol, AA 04: 274.25 – 26) beantworten.

4 Metaphysik und Philosophie Metaphysik als Philosophie der reinen Vernunft und empirische Philosophie fallen beide unter den Begriff der Philosophie nach dem „Weltbegriff […], der das betrifft, was jedermann nothwendig interessirt“ (KrV A 839 Anm. / B 867 Anm.), weil es dabei um den Endzweck, „die ganze Bestimmung des Menschen“ (KrV A 840 / B 868) als solchen geht. Ein Philosoph ist, wie auch die Alten es sahen, „jederzeit zugleich und vorzüglich“ ein „Moralist[]“ (ebd.), ein Gesetzgeber der menschlichen Vernunft, der alles menschliche Verhalten auf diesen Endzweck bezieht. Dementsprechend wird die Philosophie von Kant eingeführt als „Gesetzgebung der menschlichen Vernunft“ (ebd.). Das gilt nicht nur für die praktische Philosophie, sondern auch für die theoretische, sofern Verstand und Vernunft schon in der überlieferten Ontologie als dasjenige gedacht werden, was die Prinzipien der Möglichkeit von Dingen überhaupt enthält. Kants Transzendentalphilosophie hat diese Konzeption revolutioniert, aber die Idee einer Gesetzgebung für den philosophischen Vernunftgebrauch aller Menschen beibehalten. Die Gegenstände dieses Vernunftgebrauchs und damit dieser Gesetzgebung sind nach Kant Natur und Freiheit (vgl. ebd.), die entsprechenden Gesetze sind das Naturgesetz und das Sittengesetz. Unter Natur ist „alles, was da ist“ und unter „Sitten […] das, was [durch Freiheit] da sein soll“ zu verstehen (ebd.). Die auf diesen Gesetzen beruhenden Systeme müssen „zuletzt“ „in einem einzigen philosophischen System“ (ebd.) vereinigt werden. Das ist ein Vorverweis auf die

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„praktisch-dogmatische“ Metaphysik (FM, AA 20: 311.17), deren Umriss Kant in seinen Vorarbeiten zur Beantwortung der Preisfrage der Berliner Akademie gezeichnet hat. Der Kantische Begriff der Metaphysik setzt erkenntnistheoretisch die Einteilung aller Philosophie in Erkenntnis aus reiner Vernunft und Vernunfterkenntnis aus empirischen Begriffen (empirische Philosophie) voraus. Die reine Philosophie ist allein das, was Metaphysik genannt werden kann. Angewandt auf die beiden Systemteile der Philosophie ergibt sich die Einteilung in Metaphysik der Natur und Metaphysik der Sitten, die von empirischer Physik und praktischer Anthropologie als den beiden Teilen der empirischen Philosophie zu unterscheiden sind. Der Einteilung der Metaphysik nach den Gegenständen der Philosophie, „Natur“ und „Sitten“, geht die genetische Differenzierung der „Philosophie der reinen Vernunft“ in Propädeutik (Kritik) und ausgeführtes System (Wissenschaft) (KrV A 841 / B 869) voraus, welche aber auch als Bestandteile der Metaphysik angesehen werden können.

5 Definition der kritischen Metaphysik Der neue Begriff der Metaphysik, der in der KrV zugrundegelegt wird, ist bestimmt als „[r]eine Vernunfterkenntniß aus bloßen Begriffen“ bzw. „reine Philosophie“ (Prol, AA 04: 469.21– 22). Sie ist demnach „ein System der Erkenntniß a priori aus bloßen Begriffen“ (MS, AA 06: 216.28). In der KrV selbst wird diese Wissenschaft definiert als „das System der reinen Vernunft [d. h. als] die ganze (wahre sowohl als scheinbare) philosophische Erkenntniß aus reiner Vernunft im systematischem Zusammenhange“ (KrV A 841 / B 869). Unter der „scheinbare[n]“ (ebd.) Erkenntnis ist nichts anderes als die von Wolff her bekannte Metaphysik, die aus Ontologie, Kosmologie, Psychologie und Theologie besteht, zu verstehen, die sich insgesamt in der KrV als unmöglich erwiesen hat. Die Idee der reinen Philosophie setzt die Einteilung aller reinen Vernunfterkenntnisse in die aus Begriffen und die aus der Konstruktion von Begriffen voraus, wobei die letzteren, die der Mathematik, aus der Betrachtung ausgeschlossen werden. Das System der philosophischen reinen Vernunfterkenntnis ist die reine Philosophie oder Metaphysik (vgl. KrV A 838 / B 866; KrV A 841 / B 869). Die Philosophie als Erkenntnis aus reiner Vernunft ist entweder „Propädeutik (Vorübung), welche das Vermögen der Vernunft in Ansehung aller reinen Erkenntniß a priori untersucht, und heißt Kritik“, oder „das System der reinen Vernunft (Wissenschaft) […] und heißt Metaphysik“ (KrV A 841 / B 869). Zur reinen Philosophie bzw. Metaphysik kann aber auch die Kritik gerechnet werden, denn

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diese ist als „die Untersuchung alles dessen, was jemals a priori erkannt werden kann, […] auch [als] die Darstellung desjenigen, was ein System reiner philosophischer Erkenntnisse […] ausmacht“ (KrV A 841 / B 869) selber reine philosophische Erkenntnis in Systemform. Das erklärt, warum Kant in einem Brief an Marcus Herz die KrV als die „Metaphysik von der Metaphysik“ bezeichnet hat (Brief vom 11.05.1781, Br, AA 10: 269.32– 33). Metaphysik (der Natur und der Sitten) als System und Kritik im Sinne vorausgehender Propädeutik „machen eigentlich allein dasjenige aus, was wir im ächten Verstande Philosophie nennen können“ (KrV A 850 / B 878). Diese Einbeziehung der Kritik in die Metaphysik steht nicht im Widerspruch zu der von Kant in den Prolegomena eingeschärften Unterscheidung zwischen der Kritik als einer „ganz neue[n] Wissenschaft“ (Prol, AA 04: 262.01; vgl. 279; Brief an Garve vom 07.08.1783, Br, AA 10: 340) von der Möglichkeit der Metaphysik und dieser selbst. Insofern kann die Kritik nicht als metaphysisches System angesehen werden. Denn die Entscheidung über das Stehen und Fallen der Metaphysik beruht für Kant auf einer nichtempirischen philosophischen Untersuchung ihrer Möglichkeit, einer „Critik einer a priori urtheilenden Vernunft“ (Brief an Garve vom 07.08.1783, Br, AA 10: 340.05 – 06), in der die metaphysischen Begriffe und Grundsätze auf ihre Gültigkeit als Erkenntnisse, die das System der Metaphysik bilden sollen, allererst geprüft werden. Nun ist die Idee einer solchen Metaphysik zwar so alt wie die spekulative Menschenvernunft (vgl. KrV A 842 / B 870). Da aber bisher die völlig a priori erzeugte philosophische Erkenntnis nicht von der nur a posteriori aus der Erfahrung entstandenen deutlich unterschieden wurde, konnte die „ächte Idee“ (KrV A 843 / B 871) der Metaphysik als einer besonderen Art von Erkenntnis in der bisherigen Geschichte der Philosophie nicht erfasst werden. Metaphysik kann erst jetzt, nach der Kritik, richtig als „ein System der Erkenntniß a priori aus bloßen Begriffen“ (MS, AA 06: 216.28) definiert werden. Kant spricht dabei von einem System, weil die Metaphysik qua Gegenstandserkenntnis nicht als Metaphysik überhaupt, sondern nur als Metaphysik der Natur oder als Metaphysik der Sitten wirklich sein kann. Kant setzt diese „ächte Idee“ der Metaphysik von der durch Baumgartens Metaphysik-Definition repräsentierten philosophischen Tradition ab. Sie lautet: „Metaphysik ist die Wissenschaft von den ersten Principien der menschlichen Erkenntniß“ (KrV A 843 / B 871; vgl. Baumgarten, Metaphysica, § 1). Nach Kant bezeichnet der Ausdruck „erste[]“ (ebd.) Prinzipien bloß den Vorrang in einer Reihe bzw. den Grad ihrer Überordnung gegenüber anderen, seien diese nun empirische oder Prinzipien a priori, d. h. sie werden nur so genannt, weil sie als allgemeinere Prinzipien höher stehen als die besonderen. Die darin liegende Unbestimmtheit macht den Unterschied der „ganz besondere[n] Art“ (KrV A 843 / B 871) der Erkenntnis a priori gegenüber der empi-

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rischen unkenntlich. Die Metaphysik muss als reine Wissenschaft durch die gänzliche Ungleichartigkeit ihres Ursprungs von den Erkenntnissen a posteriori aller übrigen (nichtmathematischen) Wissenschaften unterschieden werden. Ebenso ist sie abzugrenzen von der dem Ursprung nach mit ihr verwandten, der Erkenntnisart nach aber von ihr ganz verschiedenen mathematischen Erkenntnis. Die fehlende Abgrenzung von der Erkenntnis a posteriori und von der Mathematik hat nach Kant dazu beigetragen, dass die Metaphysik sogar bei Philosophen von Profession in Verachtung geriet (vgl. KrV A 844 / B 872).

6 Einteilung der kritischen Metaphysik Metaphysik als die systematische Einheit aller reinen Erkenntnis a priori aus Begriffen kann eingeteilt werden in einen praktischen Teil, der von dem, was durch menschliches Handeln geschehen soll, handelt, und einen spekulativen Teil, „der sich diesen Namen vorzüglich zugeeignet hat“, und den Kant „Metaphysik der Natur“ nennt (KrV A 845 / B 873; vgl. KrV A 842 / B 870). Sie handelt von allem, „so fern es ist“ (wie die Aristotelische Tradition), aber sie „erwägt“ es nur „aus Begriffen a priori“ (KrV A 845 / B 873). Diese Metaphysik der Natur („die im engeren Verstande so genannte Metaphysik“, ebd.) wird nun nach ihrem Bezug auf mögliche Gegenstände eingeteilt in: „Transscendentalphilosophie“ und „Physiologie der reinen Vernunft“ (ebd.). Der erste Teil entspricht dem, was herkömmlich „Ontologia“ genannt wird, handelt aber nicht wie diese von den allgemeinsten Bestimmungen der Gegenstände (des Seienden), sondern „betrachtet nur den Verstand und [die] Vernunft selbst in einem System aller Begriffe und Grundsätze, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, ohne Objekte anzunehmen, die gegeben wären“ (ebd.). Die Transzendentalphilosophie, die die Ontologia ersetzen soll, handelt also von Begriffen und Grundsätzen der reinen Vernunft, die sich auf „Gegenstände überhaupt“ (ebd.) nur beziehen, ohne dass die Möglichkeit dieser Gegenstände selbst als in diesen Begriffen und Grundsätzen gegründet angesehen würde, wie es bei der dogmatischen Metaphysik der Fall ist. Sie werden vielmehr gewonnen durch eine Betrachtung der Funktionen und Leistungen des Verstandes, der insofern reiner Verstand ist, als seine Gegenstände überhaupt nicht als gegebene vorausgesetzt werden. Die Transzendentalphilosophie stimmt insoweit mit der Ontologie überein, als sie von der Erkenntnis von Gegenständen überhaupt unabhängig von deren Gegebenheit (Existenz) handelt, widerspricht ihr aber darin, dass sie mit einer Differenz zwischen den logischen Prinzipien der Erkenntnis der Dinge und den Bedingungen ihrer realen Möglichkeit rechnet. Transzendentalphilosophie im neuen, Kantischen Sinne ist diese Philosophie, nicht weil sie sich mit Gegenständen über-

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haupt, sondern mit „unsern Begriffen a priori von Gegenständen überhaupt beschäftigt“ (KrV A 11 f.), bzw. „mit unserer Erkenntnißart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt“ (KrV B 25). Auch diese „Erkenntnißart“ (ebd.) ist zu beziehen auf Gegenstände überhaupt, von denen es aber als solchen keine Erkenntnis geben kann, wie die Kritik im Ergebnis lehrt. Der ebenfalls neue Begriff einer „Physiologie der reinen Vernunft“ bezeichnet eine Betrachtung der Natur als Inbegriff gegebener Gegenstände, entweder als unseren Sinnen gegebener Gegenstände oder „wenn man will, einer andern Art von Anschauung“ (KrV A 845 / B 873). Diese Naturbetrachtung ist rational, sofern sie Erkenntnis durch Vernunft ist, die entweder der Anschauung der Sinne bedarf oder selbst anschauen kann (vgl. ebd.). Nun wird die rationale Physiologie nicht nach ihren Gegenständen in physische und hyperphysische eingeteilt, sondern nach dem Vernunftgebrauch in immanente und transzendente, in beiden Fällen bezogen auf die Natur als Gegenstand der Erfahrung. Der immanente Vernunftgebrauch ist eine reine Naturerkenntnis, die in der Erfahrung angewandt werden kann. Der transzendente Vernunftgebrauch bezieht sich auf diejenige Verknüpfung der Gegenstände der Erfahrung, und damit der Natur, welche alle Erfahrung übersteigt. Dieser Vernunftgebrauch macht eine „transscendente Physiologie“ aus, und sie wird eingeteilt, sofern sie von einer inneren Verknüpfung der Erfahrungsgegenstände, ihrer Koordination, oder einer äußeren handelt, ihrer Subordination. Sie ist dementsprechend entweder Physiologie der gesamten Natur, „d. i. die transscendentale Welterkenntniß“ oder Physiologie „des Zusammenhanges der gesammten Natur mit einem Wesen über der Natur, d. i. die transscendentale Gotteserkenntniß“ (KrV A 846 / B 874). (Hier wird der Begriff „transscendental“ im Anschluss an seinen scholastischen bzw. Wolffischen Sinn gebraucht, ebd.) Die immanente Physiologie handelt von der Natur als „Inbegriff aller Gegenstände der Sinne, mithin so wie sie uns gegeben ist, aber nur nach Bedingungen a priori, unter denen sie uns überhaupt gegeben werden kann“ (ebd.), also in Abhängigkeit von den Formen unserer Sinnlichkeit. Entsprechend der Einteilung der menschlichen Sinne in die äußeren und den inneren handelt die immanente Physiologie von der körperlichen und der denkenden Natur. Die Metaphysik der körperlichen Natur heißt Physik, oder vielmehr (im Unterschied zur empirischen) rationale Physik, weil sie nur die Prinzipien a priori der körperlichen Natur enthält. Analog heißt die Metaphysik der denkenden Natur rationale Psychologie, aber nicht im Sinne Wolffs, da sie nur die Prinzipien a priori der empirischen Erkenntnis der denkenden Natur enthält, noch im Sinne der im Paralogismus-Kapitel der KrV kritisierten transzendentalen Psychologie. Das gesamte System der Metaphysik gliedert sich nach ihren Gegenständen in vier Hauptteile (vgl. Refl. 4851, AA 18: 09) (wobei der Begriff „rationale[] Physio-

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logie“ nunmehr eingeschränkt als immanente Physiologie verstanden wird und der Begriff „transscendente Physiologie“ als Oberbegriff entfällt, KrV A 846 / B 874): 1. Ontologie, die sich von der Wolffischen unterscheidet, erstens durch Einschränkung auf Erkenntnisse a priori von „Gegenstände[n] überhaupt“ (KrV A 845 / B 873), sofern solche Erkenntnisse in ihrer Möglichkeit begründbar sind, zweitens durch die Unterscheidung von Begriffen und Anschauungen a priori, wobei der Gegenstand der letzteren kein bloß denkbarer Gegenstand überhaupt sein kann. Nun können nur anschaubare Gegenstände (empirisch oder) a priori erkannt werden. Also handelt die kritische Ontologie von der „Natur überhaupt“ (KrV B 165; vgl. Prol, AA 04: 295; 318; 469; 470; 472; 473; MS, AA 06: 216), d. h. von den Sinnen gebbaren Gegenständen der Erfahrung, sofern sie in ihrer gesetzlichen Verknüpfung allererst eine mögliche Natur ausmachen. Eine Ontologie im Sinne Wolffs als Erkenntnis von allen Dingen überhaupt (d. h. sofern sie Dinge sind) ist hingegen unmöglich, und Ontologie wird darum vorzugsweise Transzendentalphilosophie genannt. 2. Rationale Physiologie, d. i. die Naturlehre der reinen Vernunft (eingeschränkt auf den immanenten Vernunftgebrauch zur Erkenntnis von Gegenständen der Sinne). Dieser Teil wird unterteilt in physica rationalis und psychologia rationalis (vgl. KrV A 847/ B 875). Die rationale Physik legt den empirischen Begriff eines Objekts der äußeren Sinne zugrunde, d. h. „den bloßen Begriff Materie (undurchdringliche leblose Ausdehnung)“ (KrV A 848 / B 876) und bestimmt diesen a posteriori gegebenen Begriff eines Gegenstandes der Sinne nach Prinzipien a priori, um diese Materie in einer Metaphysik der körperlichen Natur zu erkennen, die zugleich der Mathematik bedarf, da nur in ihr Gegenstände der empirischen Anschauung a priori oder in ihrer (realen) Möglichkeit erkannt werden können. Das ist die Aufgabe der „Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft“ (qua empirischer Physik). Entsprechend würde die rationale Psychologie den Gegenstand des inneren Sinnes, d. h. „den Begriff eines denkenden Wesens (in der empirischen inneren Vorstellung: Ich denke)“ (ebd.) zugrunde legen. Da aber der Gebrauch der Mathematik wie in aller eigentlichen Wissenschaft auch hier „ganz unentbehrlich“ wäre (KrV A 847 Anm. / B 875 Anm.), wird sich erweisen, dass eine Wissenschaft von diesem Gegenstande (wegen der Unanwendbarkeit der Mathematik und des Einflusses der Beobachtung auf den Gegenstand) nicht möglich ist. Folglich kann es metaphysische Anfangsgründe der empirischen Seelenlehre nicht geben. Die empirische Psychologie, die bei Wolff und Baumgarten einen Teil der Metaphysik ausmachte, wird von der kritischen Metaphysik „gänzlich ausgeschlossen“ (KrVA 848 / B 876). Der 3. und 4. Teil der Metaphysik, die rationale Kosmologie (die nicht nur, wie bei Wolff, Körper, sondern auch Seelen umfassen müsste) und die rationale

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Theologie, sind ihrerseits als (doktrinale) metaphysische Wissenschaften unmöglich (vgl. aber FM, AA 20: 281), denn beide handeln von einer Verknüpfung der Gegenstände der Erfahrung, welche alle Erfahrung übersteigt und gehören zu einer „transscendente[n] Physiologie“ (vgl. KrV A 846 / B 874), die keine theoretische Erkenntnis sein kann.

7 Die praktisch-dogmatische Metaphysik Im Kanon-Kapitel der transzendentalen Methodenlehre fragt Kant nach dem letzten Zweck des reinen Gebrauchs unserer Vernunft in spekulativer Absicht, d. h. nach den Aufgaben, deren Auflösung diesen Zweck ausmacht. Die reine theoretische Vernunft habe sich diese Aufgaben nicht willkürlich gestellt. Sie stammen vielmehr aus ihrer eigenen Natur als des Vermögens, das Unbedingte in der Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten zu denken. Sie sind insofern für sie als Vernunft (in ihrem transzendentalen Gebrauch) notwendig. Dass sie dabei aber nach einem dialektischen Grundsatze verfährt, nämlich dem, „wenn das Bedingte gegeben ist, so [ist] auch die ganze Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben“ (KrV A 307 f. / B 364; vgl. KrV A 322 / B 379; KrV A 332 / B 388 f.; KrV A 409 / B 436; KrV A 497 ff. / B 525 ff.; Refl., AA 18: 223), bedeutet nach Kant, dass sie nach ihm schließend in lauter Trugschlüsse und Widersprüche gerät. Dies darum, weil die Gegenstände in Raum und Zeit, auf die die Vernunft ihren Grundsatz anwendet, noch anderen Bedingungen ihrer Möglichkeit unterliegen als denen ihrer Denkbarkeit durch die Vernunft bzw. weil allgemein die Möglichkeit der Dinge (und erst recht ihre Existenz) nicht in der Denkbarkeit nach reinen Begriffen des Verstandes und der Vernunft aufgeht. Das Unbedingte, der eigentliche Gegenstand der reinen Vernunft und damit der „eigentlichen Metaphysik“ (FM, AA 20: 260.21– 22; vgl. 265; 277) kann nichts Sinnliches sein, denn dieses ist immer ein durch anderes Sinnliche in Raum und Zeit bedingtes, also muss es ein Übersinnliches sein, was immer es sonst sein mag. Da aber das Übersinnliche per definitionem kein Gegenstand der uns allein möglichen Anschauung sein kann und Erkenntnis von Gegenständen deren Anschauung durch uns erfordert, so kann und muss das Unbedingte durch unsere Vernunft zwar gedacht werden, bleibt aber als Übersinnliches für uns theoretisch unerkennbar. Also können die Aufgaben, deren Auflösung der letzte Zweck der reinen spekulativen Vernunft und damit der eigentlichen „Metaphysik der Natur“ (FM, AA 20: 293.07) ist, nicht gelöst werden. Denn „die Endabsicht, worauf die Speculation der Vernunft im transscendentalen Gebrauche zuletzt hinausläuft, betrifft drei Gegenstände: die Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes“ (KrV A 798/B 826).

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Da diese Gegenstände nicht nur auf ihre Weise jeweils ein Unbedingtes sind, sondern auch „das Übersinnliche […] in uns, über uns und nach uns“ (FM, AA 20: 295.05), so sind sie notwendig unerkennbar für uns. Aber selbst wenn wir die Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes erkennen könnten, so wäre „das bloß speculative Interesse der Vernunft“ daran „nur sehr gering“, weil man von diesen Erkenntnissen „doch keinen Gebrauch machen kann, der in concreto, d. i. in der Naturforschung, seinen Nutzen bewiese“ (KrV A 798 / B 826). Das Vernunftinteresse an der Auflösung dieser Aufgaben kann also kein theoretisches sein. „Diese [drei gedachten Probleme] selber aber haben wiederum ihre entferntere Absicht, nämlich, was zu thun sei, wenn der Wille frei, wenn ein Gott und eine künftige Welt ist. […] [S]o ist die letzte Absicht der weislich uns versorgenden Natur, bei der Einrichtung unserer Vernunft, eigentlich nur aufs Moralische gestellt“ (KrV A 800 f. / B 828 f.). Das ist es also, was wir uns als die letzte Absicht der Natur bei der Stiftung der „Metaphysik als Naturanlage“ (KrV B 22) unserer Vernunft denken können: die Orientierung des Menschen auf die Verfolgung des „höchsten Zweckes“ (KU, AA 05: 435.23) seiner moralisch-praktischen Vernunft. Dieser Endzweck der reinen praktischen Vernunft, das sogenannte höchste durch uns mögliche Gut in der Welt, gedacht als Glückseligkeit in Proportion mit der Sittlichkeit des Wollens des Menschen, ist nach Kant nur unter der Annahme der Freiheit des Willens, der Unsterblichkeit der Seele und des Daseins Gottes durch uns erreichbar. Da wir diese drei Gegenstände durch unsere spekulative Vernunft im theoretisch-dogmatischen Gebrauche (in welchem Beweise aus Gründen a priori geführt werden) nicht erkennen können, stellt sich jetzt das Problem, ob die Vernunft in einem anderen Gebrauch dazu berechtigt ist, auf die drei theoretisch unbeantwortbaren Fragen eine bejahende Antwort zu geben. Kants Lösung ist die praktisch-dogmatische Metaphysik, in der die Vernunftgesetzgebungen für die Natur und für das freie Handeln des Menschen zusammengeführt werden. Kant kündigt diese neue Art der Metaphysik in einem Brief an Kästner (1790) an, in dem er sagt, dass er „nur durch einen Umweg“, nämlich „nur durch die Verbindung der theoretischen Philosophie mit der Praktischen, zu eben demselben Ziele“ gelangen wolle, wie die „Leibnitz-Wolfische Philosophie“, welche „Absicht“ für jeden ersichtlich werde, wenn es ihm während seiner Lebenszeit noch gelinge, „die Metaphysik in einem zusammenhängenden Systeme aufzustellen“ (Br, AA 13: 278.24– 25). Ausgangspunkt ist dabei dasjenige Übersinnliche, das „als wirklich im Subject gegeben“ ist, die „Freyheit der Willkür“ (FM, AA 20: 292.09). Sie kann zwar als etwas Übersinnliches nicht theoretisch erkannt werden, wird aber durch das Bewusstsein des moralischen Gesetzes als wirklich verbürgt, da wir nicht durch es verpflichtet sein könnten, in bestimmter Weise zu wollen und zu handeln, wenn wir nicht das Vermögen hätten, uns durch die bloße Vorstellung dieses Gesetzes

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bei der Wahl unserer Maximen selbst zu bestimmen. Dieses übersinnliche Vermögen der freien Willkür hat ein Objekt, welches zwar gleichfalls in seiner Möglichkeit nicht theoretisch erkannt werden kann, aber qua Objekt des Wollens und Handelns a priori bestimmbar ist als der unbedingte Endzweck der reinen praktischen Vernunft. Dieser Endzweck, das seit der Antike so genannte „höchste Gut“ (vgl. FM, AA 20: 294.20 – 21), soll nicht nur durch unser Handeln unter dem moralischen Gesetz verwirklicht werden, er ist auch „der eigentliche Endzweck der Metaphysik“ (FM, AA 20: 292.13), die eben darum eine praktisch-dogmatische Metaphysik ist. Denn sie erkennt die (theoretischen) Bedingungen a priori der Möglichkeit dieses Unbedingten und Übersinnlichen in der (praktischen) Absicht seiner Erreichbarkeit durch unser freies Handeln, (welches kein Verfolgen beliebiger Zwecke, sondern ein durch das moralische Gesetz gebotenes Handeln ist), gehört aber nicht zur Metaphysik der Sitten, die die moralisch-praktischen Prinzipien dieses Handelns (seine Gesetze und Pflichten) erkennt, sondern zur Metaphysik der Natur als reiner theoretischer Vernunfterkenntnis dessen, was ist und sein muss, wenn der moralisch mögliche Endzweck der freien Willkür durch menschliches Handeln in der Welt wirklich werden soll. Die Bedingungen der praktischen Möglichkeit des höchsten Gutes sind nach Kant, außer der Freiheit der Willkür, das Dasein eines moralischen Gottes und die Unsterblichkeit der Seele. Der Widerspruch zwischen der theoretischen Unerkennbarkeit dieser übersinnlichen Gegenstände der Vernunft und der Notwendigkeit, die beiden letzteren um des höchsten Gutes willen anzunehmen, wird nun dadurch auflösbar, dass wir analog zur Zweckmäßigkeit der Natur, die wir auch nicht dogmatisch erkennen können, die aber ein von der Vernunft a priori gegebenes Mittel zur theoretischen Erkenntnis dieser Natur ist, eine moralische Zweckmäßigkeit der Welt (des Ganzen der Natur) zur Verwirklichung des moralisch bedingten Endzwecks des Menschen in ihr annehmen, nicht um sie besser zu erkennen, sondern um den Zweifel an der Ausführbarkeit des als Objekt der freien Willkür notwendigen „Unbedingten in der Reihe der Zwecke“ (FM, AA 20: 294.12) niederzuschlagen. Da der Fortschritt zu diesem übersinnlichen Endzweck der Vernunft zwar Pflicht ist, er selbst aber, was die Glückseligkeit und die zur Erreichung des vollkommen gesetzmäßigen Verhaltens erforderliche Dauer unserer Existenz betrifft, „nicht völlig in unsrer Gewalt“ ist, müssen wir uns in moralisch-praktischer Absicht „einen theoretischen Begriff von der Quelle, woraus [der Endzweck] entspringen kann, machen“, den wir, wie bei dem Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur, in die Objekte „hineinlegen“ (FM, AA 20: 294.31– 35). Eine solche unumgängliche „Theorie“ (FM, AA 20: 294.33) von dem „Übersinnliche[n] in der Welt (die geistige Natur der Seele)“ und dem Übersinnlichen „außer der Welt (Gott)“ (FM, AA 20: 292.32– 34) kann nicht zur Erkenntnis ihrer Objekte dienen, da sie übersinnlich sind. „Also wird diese Theorie nur in praktisch-dog-

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matischer Rücksicht Statt finden, und der Idee des Endzweckes auch nur in dieser Rücksicht hinreichende objective Realität zusichern können“ (FM, AA 20: 294.36 – 38). Damit sind die bloß subjektive Notwendigkeit und die Abhängigkeit der praktisch-dogmatischen Metaphysik von Begriffen, die, wie der Zweckbegriff, „jederzeit von uns selbst gemacht“ (FM, AA 20: 294.39 – 295.01) sind, deutlich ausgesprochen. Da es hier nicht darum gehen kann, „das übersinnliche Ding“ nach dem, „was es an sich selbst ist“ zu denken, bleibt als Aufgabe dieser Art von Metaphysik nur die Bestimmung dessen, „wie wir es zu denken, und seine Beschaffenheit anzunehmen haben, um dem praktisch-dogmatischen Object des reinen sittlichen Prinzipes, nämlich dem Endzweck, welcher das höchste Gut ist, für uns selbst angemessen zu seyn“ (FM, AA 20: 296.30 – 33). Wir kehren dabei die Richtung vom reinen sittlichen Prinzip zu dem ihm entsprechenden Objekt gleichsam um und fragen, „was“, jener Vernunftidee des höchsten Gutes gemäß, „für moralische Grundsätze der Handlungen [uns] obliegen“ (FM, AA 20: 297.05 – 06). Dies ist die Wiederholung der Frage aus der KrV: „was zu thun sei, wenn der Wille frei, wenn ein Gott und eine künftige Welt ist“ (KrV A 800/B 828). Die Antwort ergibt sich aus dem Sittengesetz als einer „schlechterdings nothwendigen praktischen, nämlich moralischen Regel“ (FM, AA 20: 297.37), die als solche von allen durch das ihr gemäße Handeln zu bewirkenden Zwecken abstrahiert. Wird aber der moralische Endzweck als zu bewirkender „Effekt“ vorausgesetzt und können wir uns diesen Effekt nur unter der freien Annahme der Existenz Gottes und unserer Unsterblichkeit als möglich denken, so ergeben sich daraus zwar keine anderen Pflichten als ohne diese Glaubensartikel, wohl aber ergibt sich, sozusagen in pädagogischer Absicht, eine „subjectiv-, und zwar praktisch-gültige, und in dieser Absicht hinreichende Belehrung, so zu handeln, als ob wir wüßten, dass diese Gegenstände wirklich wären“ (FM, AA 20: 298.28 – 30). Diese „Vorstellungsart“ unserer Handlungen, die „nur in moralischer Absicht nothwendig ist“, dient also nur dazu, „um dem, wozu wir so schon von selbst verbunden sind, nämlich der Beförderung des höchsten Gutes in der Welt nachzustreben, noch ein Ergänzungsstück zur Theorie der Möglichkeit desselben, allenfalls durch bloße Vernunftideen hinzuzufügen“ (FM, AA 20: 298.34– 37). So vorgestellt, ist das Handeln als Beförderung des höchsten Gutes nicht mehr nur moralisch geboten, sondern auch theoretisch aussichtsreich, da die Erreichung seines Endzweckes auch theoretisch als möglich gedacht werden kann. Die praktisch-dogmatische Metaphysik beschreibt also einen Kreis. Ausgehend „von der Freyheit als übersinnlichem, aber durch den Kanon der Moral erkennbarem Vermögen“ kehrt sie zu ihr zurück „in praktisch-dogmatischer, d. i. einer auf den Endzweck, das höchste in der Welt zu befördernde Gut, gerichteten Absicht […], dessen Möglichkeit durch die Ideen von Gott, Unsterblichkeit, und das von der Sittlichkeit selbst diktierte Vertrauen zum Gelingen dieser Absicht

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ergänzet, und so diesem Begriffe [des höchsten Gutes] objective, aber praktische Realität verschafft wird“ (FM, AA 20: 300.14– 21), indem es als durch freie Handlungen realisierbar gedacht wird. Das Glauben, als ein Fürwahrhalten in moralisch-praktischer Absicht, kann also selbst als ein Beitrag zur Verwirklichung dieser Absicht durch ein von ihr geleitetes Handeln aus Freiheit angesehen werden, „indem wir uns jene Objecte, Gott, Freyheit in praktischer Qualität, und Unsterblichkeit […] selbst machen und ihnen objective Realität freywillig geben, da […] von der Annahme derselben die Zurückwirkung auf die subjectiven Principien der Moralität und deren Bestärkung […] wiederum in der Intention moralisch ist“ (FM, AA 20: 298.37– 299.06). Die Metaphysik ist demnach nur als praktisch-dogmatische möglich. Sie ist auf das Übersinnliche gerichtet, das zwar theoretisch nicht einmal in seiner Möglichkeit erkannt werden kann, das aber als durch die Vernunft gedachter Gegenstand im Handeln des Menschen Kausalität haben kann, wenn er seiner eigenen reinen praktischen Vernunft folgt.

Literatur Ameriks, Karl: „The Critique of Metaphysics: Kant and Traditional Ontology“, in: Guyer, Paul [Hg.]: Cambridge Companion to Kant, Cambridge: Cambridge University Press, 1992. Baertschi, Christian: Die deutsche metaphysische Kantinterpretation der 1920er Jahre, Dissertation Zürich 2004. http://www.dissertationen.unizh.ch/2004/baertschi/abaertschi.html (April 2009). Brandt, Reinhard: „Kant als Metaphysiker“, in: Gerhardt, V. (Hg.): Der Begriff der Politik. Bedingungen und Gründe politischen Handelns, Stuttgart: Metzler 1990, 57 – 94. Fischer, Norbert (Hg.): Kants Metaphysik und Religionsphilosophie, Hamburg: Meiner 2004. Grier, Michelle: „Kant’s Critique of Metaphysics“, in: Zalta, Edward N. (Hg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2012 Edition), URL = http://plato.stanford.edu/archives/sum2012/entries/kantmetaphysics/.

Bemerkungen über den Skeptizismus bei Kant und Schulze I Als Johann Georg Heinrich Feder 1782 in seiner Rezension von Kants erster Kritik „[d]ies Werk […] ein System […] des transscendentellen Idealismus“¹ nannte und es mit dem Idealismus Berkeleys verglich, der ebenfalls die „Empfindungen als bloße Modifikationen unserer selbst“ ansah, konnte er wohl nicht vorher sehen, dass auch sein späterer Schwiegersohn Gottlob Ernst Schulze in seiner Kritik der theoretischen Philosophie von 1801 von der Kritik der reinen Vernunft sagen würde, sie enthalte das „System des transzendentalen Idealismus“² und Berkeleys Idealismus sei „nicht schwärmerischer, als […] der transzendentale Idealismus der Vernunftskritik, der den Stoff der Erfahrungs-Erkenntnisse aus dem Einflusse übersinnlicher Dinge an sich auf unsere Sinnlichkeit, die Form derselben aber aus einem aller Erfahrung vorhergehenden, und mithin doch auch hyperphysischen Wirken der Spontaneität des Gemüthes ableitet“.³ Diese übereinstimmenden Beurteilungen von Kants Vernunftkritik stellen also eine Art Konstante in einer Debatte über sie dar, wenn auch nach Schulze „der Streit, was denn eigentlich wohl der Sinn der Hauptlehren dieser Kritik sey, ob er gleich nunmehr schon fast zwanzig Jahre lang mit der größten Lebhaftigkeit geführt worden ist, noch nicht völlig beendigt“⁴ sei. Allerdings bleibt es unverständlich, warum Schulze auch Kants „Widerlegung des Idealismus“ aus der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft (1787) als gegen Berkeley gerichtet ansah, obwohl Kant deutlich gemacht hatte, dass sie den „problematischen“⁵ Idealismus Descartes’ widerlegen sollte, der in der ersten Auflage der Kritik am 4. Paralogismus auch der „skeptische Idealism“⁶ genannt und gleichfalls dem Descartes zugeordnet wurde. Dieser skeptische Idealismus ist nun das einzige Beispiel des Skeptizismus, mit dem die Metaphysikkritik der Kritik der reinen Vernunft sich 1781 eingehender

 So Kant über Feders Rezension in Kant, Immanuel, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, hg.v. Karl Vorländer, ND Hamburg, 1969, S. 167 (Prol, AA 04: 373.27– 28).  Schulze, Gottlob Ernst, Kritik der theoretischen Philosophie, Hamburg, 1801. Bd. 1, S. XXVII.  Ebd., Bd. 2, S. 548.  Ebd., Bd. 1, S. XXVII.  KrV B 274.  Ebd. A 378. https://doi.org/10.1515/9783110605327-024

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auseinandersetzt. Er gehört in die „reine“ oder „transzendentale“ Psychologie, die historisch auch in Wolffs und Baumgartens psychologia rationalis vorliegt. Die Widerlegung dieses Skeptizismus erfolgt (in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft) auf der Basis des transzendentalen Idealismus. Und in der Tat wird dieser transzendentale Idealismus dort, übrigens erstmalig im ganzen Werk, im 4. Paralogismus eingeführt: Ich verstehe aber unter dem transzendentalen Idealism aller Erscheinungen den Lehrbegriff, nach welchem wir sie insgesamt als bloße Vorstellungen, und nicht als Dinge an sich selbst, ansehen, und dem gemäß Zeit und Raum nur sinnliche Formen unserer Anschauung, nicht aber für sich gegebene Bestimmungen, oder Bedingungen der Objecte, als Dinge an sich selbst sind.⁷

Entsprechend heißt es über den transzendentalen Realismus, der ebenfalls durch seine Auffassung von Zeit und Raum definiert wird: „Diesem Idealism ist ein transzendentaler Realism entgegengesetzt, der Zeit und Raum als etwas an sich (unabhängig von unserer Sinnlichkeit) Gegebenes ansieht.“⁸ Entscheidend für die Widerlegung des „skeptischen“ Idealismus ist es nun, dass dieser als ein „empirischer“ Idealismus den transzendentalen Realismus voraussetzt. Kants These ist es nämlich, dass dieser Cartesische Skeptizismus sich als Folge eines transzendentalen Realismus zwangsläufig ergibt. Er gibt zwei Erklärungen für das Zustandekommen dieses skeptischen Idealismus, die ironischerweise von genau den Voraussetzungen ausgehen, welche Jacobis und Schulzes Annahme einer Affektion unserer Sinnlichkeit durch Dinge an sich entsprechen, obwohl Dinge an sich von diesen beiden Autoren im Gefolge Kants als unbestimmbare Gegenstände (= X) angesehen werden. (1) Die erste Erklärung lautet: Der transcendentale Realist stellt sich also [d. h. infolge seines transzendentalen Realismus bezüglich Zeit und Raum] äußere Erscheinungen (wenn man ihre Wirklichkeit einräumt) als Dinge an sich selbst vor, die unabhängig von uns und unserer Sinnlichkeit existieren, also auch nach reinen Verstandesbegriffen außer uns wären [und nicht nur im räumlichen Sinne]. Dieser transcendentale Realist ist es eigentlich, welcher nachher den empirischen Idealisten spielt und, nachdem er fälschlich von Gegenständen der Sinne vorausgesetzt hat, daß, wenn sie äußere sein sollen, sie an sich selbst, auch ohne Sinne, ihre Existenz haben müßten, in diesem Gesichtspunkte alle unsere Vorstellungen unzureichend findet, die Wirklichkeit derselben gewiß zu machen.⁹

 Ebd. A 369.  Ebd.  Ebd.

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Ein solcher empirischer Idealist und Skeptiker ist also nicht jemand, „der das Dasein äußerer Gegenstände der Sinne leugnet, sondern der […] schließt, daß wir ihrer Wirklichkeit durch alle mögliche Erfahrung niemals völlig gewiß werden können“.¹⁰ (2) Kants zweite Erklärung für den empirischen Idealismus ist kurz und bündig: [W]enn man äußere Erscheinungen als Vorstellungen ansieht, die von ihren Gegenständen, als an sich außer uns befindlichen Dingen in uns gewirkt werden, so ist nicht abzusehen, wie man dieser ihr Dasein anders, als durch den Schluß von der Wirkung auf die Ursache erkennen könne, bei welchem es immer zweifelhaft bleiben muß, ob die letztere in uns, oder außer uns sei.¹¹

Jacobis und Schulzes qualitätslose Dinge an sich als Ursachen der Affektion müssten also in ihrer von uns unabhängigen Existenz ebenfalls bezweifelt werden. Aus alledem ergibt sich, dass der skeptische Idealismus, der z. B. das Dasein der Materie bezweifelt, weil er es für unerweislich hält, eigentlich „ein Wohlthäter der menschlichen Vernunft“¹² ist. Denn er ficht „blos den Grund unserer Behauptung“ an und erklärt „unsere Überredung von dem Dasein der Materie, die wir auf unmittelbare Wahrnehmung zu gründen glauben, für unzureichend“.¹³ Seine „idealistische[n] Einwürfe“ ¹⁴ jedoch „treiben uns mit Gewalt“ in den transzendentalen Idealismus und lassen uns schließlich einsehen: „Wenn wir äußere Gegenstände für Dinge an sich gelten lassen, so ist schlechthin unmöglich zu begreifen, wie wir zur Erkenntniß ihrer Wirklichkeit außer uns kommen sollten, indem wir uns bloß auf die Vorstellung stützen, die in uns ist.“ Daraus folgt wider Erwarten eine Bestätigung der Lehre der Transzendentalen Ästhetik von der Idealität von Zeit und Raum und aller Erscheinungen in ihnen: „Also nöthigt uns der skeptische Idealism, die einzige Zuflucht, die uns übrig bleibt, nämlich zu der Idealität aller Erscheinungen zu ergreifen, welche wir in der transscendentalen Ästhetik unabhängig von diesen Folgen, die wir damals nicht voraussehen konnten, dargethan haben.“¹⁵ Der transzendentale Idealismus aller Erscheinungen, der sich als Lösung der Probleme des wohltätigen skeptischen Idealismus ergibt, besagt aber, dass „die äußeren Gegenstände [unserer Sinnlichkeit] […]

     

Ebd. A 368 f. Ebd. A 372. Ebd. A 377. Ebd. Ebd. A 378. Ebd. A 378 f.

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nicht für Dinge an sich selbst, sondern nur für Vorstellungen anzusehen“¹⁶ sind. Mit diesem Ergebnis hat sich der empirische und skeptische Idealismus selbst überflüssig gemacht. Wenn wir aber, mit Schulze und anderen, annehmen, dass der transzendentale Idealismus seinerseits widersprüchlich oder zirkelhaft begründet ist, so bleibt der Skeptizismus bezüglich der Existenz äußerer Erscheinungen als unabhängig von unserer Sinnlichkeit gegebenen Dingen an sich unüberwindlich. In der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft wird der materiale Idealismus nicht mehr mit dem Skeptizismus, d. h. dem sogenannten Außenweltskeptizismus, in Verbindung gebracht. Auf Descartes’ methodischen Skeptizismus, den er noch in den Prolegomena „sceptischen“¹⁷ Idealismus nennt, bezieht sich Kant nur noch als den „problematischen“¹⁸ Idealismus, der auch jetzt noch ausdrücklich gelobt wird: Er sei „vernünftig und einer gründlichen philosophischen Denkungsart gemäß; nämlich, bevor ein hinreichender Beweis gefunden worden, kein entscheidendes Urtheil zu erlauben“.¹⁹ Damit ist zwar das zetetische Verfahren der Skeptiker seit dem Pyrrhonismus beschrieben, aber Kant schreibt es hier nicht dem Skeptizismus zu und erwähnt es auch nicht als ein Beispiel der von ihm hoch geschätzten „sceptische[n] Methode“²⁰. Skeptizismus und skeptische Methode werden in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft erst innerhalb der Antinomienlehre, also der Kritik der transzendentalen Kosmologie eingeführt und definiert. Dort heißt es im Abschnitt „Antithetik der reinen Vernunft“: Diese Methode, einem Streite der Behauptungen zuzusehen, oder vielmehr ihn selbst zu veranlassen, […] um zu untersuchen, ob der Gegenstand [dieses Streits] nicht vielleicht ein bloßes Blendwerk sei, wonach jeder vergeblich hascht […]: dieses Verfahren, sage ich, kann man die sceptische Methode nennen. Sie ist vom Scepticismus gänzlich unterschieden, einem Grundsatze einer kunstmäßigen und scientifischen Unwissenheit, welcher die Grundlagen aller Erkenntniß untergräbt, um, wo möglich überall keine Zuverlässigkeit und Sicherheit derselben übrig zu lassen. Denn die sceptische Methode geht auf Gewißheit, dadurch, daß sie in einem solchen auf beiden Seiten redlich gemeinten und mit Verstande geführten Streite, den Punkt des Mißverständnisses zu entdecken sucht.

Diese Unterscheidung und Bewertung von skeptischer Methode und Skeptizismus findet sich an mehreren Stellen des kantischen Werkes. Als Protagonisten der

    

Ebd. A 378. Prol, AA 04: 375.25. KrV B 274. Ebd. B 275. Ebd. A 423/B 451 f.

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„scientifischen Unwissenheit“, die nach „scientifische[r] Methode“ ²¹ und zugleich „systematisch“ verfahrend herbeigeführt wird, nennt Kant am Ende der „Methodenlehre“ David Hume und stellt ihn dem „dogmatisch“ und „systematisch“ verfahrenden „berühmten Wolff“ gegenüber. Hume ging es also nicht um Gewissheit. Er „ergab sich gänzlich dem Scepticismus, da er einmal [im Falle der Kausalität] eine so allgemeine für Vernunft gehaltene Täuschung unseres Erkenntnißvermögens glaubte entdeckt zu haben“.²² Durch die „Kritik“ allein kann nach Kant „zuletzt auch dem Idealismus und Scepticismus, die mehr den Schulen gefährlich sind und schwerlich ins Publicum übergehen können, selbst die Wurzel abgeschnitten werden“.²³ Da der „Scepticism […] mit der ganzen Metaphysik kurzen Prozeß macht“²⁴, ist die Begründung der Metaphysik als Wissenschaft nur möglich, wenn der Hume’sche Skeptizismus und das Problem, auf das er sich ursprünglich stützte, eine befriedigende Auflösung gefunden haben. Deshalb kann die Kritik der reinen Vernunft auch als „Ausführung des Humischen Problems in seiner möglich größten Erweiterung“²⁵ angesehen werden. Hume war also nicht nur der „vielleicht […] geistreichste unter allen Sceptikern“ ²⁶, sondern er war auch „der vorzüglichste in Ansehung des Einflusses […], den das sceptische Verfahren auf die Erweckung einer gründlichen Vernunftprüfung haben kann“. Diese Anspielung auf Kants eigene Erweckung aus dem „dogmatischen Schlummer“, von dem die Prolegomena sprechen, findet sich schon 1781 in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Die Überwindung des Hume’schen Skeptizismus durch den transzendentalen Idealismus hat Kant in der Kritik der praktischen Vernunft (1788) auf prägnante Weise formuliert: Die „Kritik der reinen Vernunft“ wurde durch die „Humische Zweifellehre veranlasst“²⁷: [Ich] verfuhr […] in Ansehung der den Begriff der Causalität betreffenden Zweifel des schottischen Philosophen auf folgende Art. Daß Hume, wenn er (wie es doch auch fast überall geschieht) die Gegenstände der Erfahrung für Dinge an sich selbst nahm, den Begriff der Ursache für trüglich und falsches Blendwerk erklärte, daran that er ganz recht; denn von Dingen an sich selbst und deren Bestimmungen als solchen kann nicht eingesehen werden, wie darum, weil etwas A gesetzt wird, etwas anderes B auch nothwendig gesetzt werden müsse, und also konnte er eine solche Erkenntniß a priori von Dingen an sich selbst gar nicht

      

Ebd. A 856/B 884. Ebd. B 128. Ebd. B XXXIV Ebd. B XXXVI. Prol, AA 04: 261.06 ff. KrV A 764/B 792. KpV, AA 05: 52.35.

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einräumen. Einen empirischen Ursprung dieses Begriffs konnte der scharfsinnige Mann noch weniger verstatten, weil dieser geradezu der Nothwendigkeit der Verknüpfung widerspricht, welche das Wesentliche des Begriffs der Causalität ausmacht; mithin ward der Begriff in die Acht erklärt, und in seine Stelle trat die Gewohnheit im Beobachten des Laufs der Wahrnehmungen.²⁸

Mit diesem Gewaltstreich war das Hume’sche Problem der Deduktion des Begriffs der Ursache (auch für Hume selbst) nicht gelöst, sondern nur umgangen. Also blieb seine „Zweifellehre“ nach wie vor intakt. Humes Infragestellung der objektiven Realität des Begriffs der Ursache ist aber nur ein herausragendes Beispiel für den praktizierten Skeptizismus. Dessen allgemeine Definition und das wichtigste Beispiel seiner Anwendung findet sich in der von Jäsche herausgegebenen Kantischen Logikvorlesung. Dort heißt es: „Es giebt einen Grundsatz des Zweifelns, der in der Maxime besteht, Erkenntnisse in der Absicht zu behandeln, daß man sie ungewiß macht und die Unmöglichkeit zeigt, zur Gewissheit zu gelangen. Diese Methode des Philosophierens ist die skeptische Denkart oder der Skeptizismus.“²⁹Er finde in der Mathematik und Physik nicht statt, veranlasst sei er durch „rein philosophische“³⁰ Erkenntnisse, also die der Metaphysik. Aber nicht bloß gegen diesen oder jenen metaphysischen Satz, der als eine Wahrheit gehandelt wird, sondern gegen den Begriff der Wahrheit einer Erkenntnis überhaupt erhoben schon die antiken Skeptiker ihre Einwände, wie wir sie u. a. aus Sextus Empiricus kennen. Kant referiert ihr Hauptargument ausführlich in seiner Vorlesung: Wahrheit, sagt man, besteht in der Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem [sc. ihrem] Gegenstande. Dieser bloßen Worterklärung zufolge soll also mein Erkenntniß, um als wahr zu gelten, mit dem [sc. seinem] Object übereinstimmen. Nun kann ich aber das Object nur mit meinem Erkenntnisse vergleichen, durch das ich es erkenne. Meine Erkenntnis soll sich also selbst bestätigen, welches aber zur Wahrheit noch lange nicht hinreichend ist. Denn da das Object außer mir und die Erkenntnis in mir ist, so kann ich, immer doch nur beurtheilen: ob meine Erkenntniß vom Object mit meiner Erkenntniß vom Object übereinstimme. Einen solchen Cirkel im Erklären nannten die Alten Diallele. Und wirklich wurde dieser Fehler auch immer den Logikern von den Skeptikern vorgeworfen. […] Nur ist die Auflösung der gedachten Aufgabe [sc. einer allgemeinen Realdefinition der Wahrheit einer Erkenntnis] schlechthin und für jeden Menschen unmöglich.³¹

Dieser skeptische Einwand scheint also unwiderlegbar zu sein.

   

KpV, AA 05: 53.01– 15. Log, AA 09: 83.30 – 33. Log, AA 09: 84.21. Log, AA 09: 50.1– 18.

Bemerkungen über den Skeptizismus bei Kant und Schulze

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Aus diesem Überblick ergibt sich, dass Kant dem Skeptizismus in der Philosophie eine nur sehr begrenzte Rolle zuschrieb. Insbesondere der psychologische und materiale Idealismus Descartes’, den er gelegentlich den „skeptischen“ nannte, war für Kant nicht als „Außenweltskeptizismus“ interessant. Das geht schon daraus hervor, dass die in der zweiten Auflage der ersten Kritik neu formulierte Widerlegung des Idealismus keinen Bezug mehr zum Skeptizismus hat. Andererseits war Humes Skeptizismus und seine Verwerfung der Metaphysik als Konsequenz der Unauflöslichkeit des Kausalproblems sogar der Anlass zu Kants systematischer Inszenierung einer Selbstkritik der Vernunft. In ihr wird auch das Hume’sche Problem auf der Basis des transzendentalen Idealismus gelöst, dem nach Kant einzig gangbaren Weg, dem Skeptizismus zu entgehen. In einer Vorlesung aus dem Wintersemester 1782/83 (Metaphysik Mrongovius) heißt es sogar: „Etwas Ähnliches von Critic der reinen Vernunft fand sich bei David Hume, der aber darüber […] in wildesten und trostlosesten Skepticism verfiel, und das ging leicht an, weil er die Vernunft nicht ganz und gar studirte, sondern nur diesen oder ienen Begriff.“³²

II Gottlob Ernst Schulze hat schon in seinem Aenesidemus (1792) zeigen wollen, dass Humes Skeptizismus durch die Vernunftkritik Kants nicht widerlegt sei.³³ In seiner Kritik der theoretischen Philosophie (1801) ist er auf dieses Thema zurückgekommen: „Doch laßt uns jetzt noch genauer zusehen, wie weit wohl Humens Zweifel an der Realität der Begriffe von einer Causal-Verbindung durch die transscendental idealistische Bestimmung dieser Realität gehoben worden seyen.“³⁴ Bei dieser Untersuchung geht er von Kants wiederholten Behauptungen aus, dass der Beweis für den Satz „Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknüpfung der Ursache und Wirkung“³⁵, durch den zugleich die objektive Gültigkeit der Kategorie von Kausalität und Dependenz von Objekten der Erfahrung bewiesen werden soll, nicht direkt von diesen Gegenständen, sondern nur indirekt aus der Möglichkeit der Erfahrung dieser Gegenstände geführt werden kann. Schulze gibt diesen Gedanken Kants so wieder:

   

V-Met/Mron, AA 29: 781.34– 37. Vgl. dazu meinen Aufsatz Die Möglichkeit der Erfahrung bei Maimon und Schulze, s.u. S. 371 ff. Schulze, Kritik der theoretischen Philosophie, a.a.O., Bd. 2, S. 479. KrV B 232.

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Der Begriff von einer solchen Causal-Verbindung soll […] zur Möglichkeit der Erfahrung nöthig seyn, und relative auf den Verstand [soll] alles, was nur immer in der Erfahrung geschehen seyn mag, in Causal-Verbindung zueinander stehen müssen. […] Man […] sieht sogleich dieß ein, daß die vorgebliche Unentbehrlichkeit der Begriffe von einer CausalVerbindung zur Möglichkeit der Erfahrung diesen Begriffen noch lange nicht diejenige Realität verschafft, welche Hume dabey verlangte, wenn solche für etwas mehr, als für bloße Einbildungen gehalten werden sollen. Dieser Philosoph würde also gegen den Beweis der Realität jener Begriffe aus der Unentbehrlichkeit derselben zur Möglichkeit der Erfahrung erinnert haben: Findet dergleichen Unentbehrlichkeit wirklich statt, können wir aber gleichwohl die Realität dieser Begriffe mit keinem Datum in der sinnlichen Anschauung belegen und rechtfertigen; so folgt noch lange nicht, daß sie mehr als Einbildungen sind, sondern man muß alsdann von der genannten Erfahrung sagen, daß sie überhaupt auf Einbildungen beruhe, nichts als Einbildungen von objectiven Dingen, oder von objectiven Bestimmungen der Dinge liefere.³⁶

Zunächst ist hier zu beachten, dass Schulze nicht zwischen dem Beweis für die objektive Gültigkeit der Kategorien, der für sie alle in der „Deduktion der reinen Verstandesbegriffe“ geliefert wird, und dem Beweis für die Wahrheit des Kausalprinzips, der sich im Kapitel über die „Grundsätze des reinen Verstandes“ als zweite „Analogie der Erfahrung“ findet, unterscheidet. Sieht man einmal davon ab, so lässt sich das Argument Schulzes so wiedergeben: Wenn die Möglichkeit der Erfahrung von der Gültigkeit des Begriffs der Kausalverknüpfung abhängt, dann besagt das noch nicht, dass die Gegenstände dieser Erfahrung selbst durch Kausalität bestimmt sind. Die Kategorie der Kausalität könnte immer noch die bloß subjektive Realität einer Einbildung haben und diese Erfahrung könnte selbst nicht nur auf bloßer Einbildung beruhen, sondern sogar ihrerseits nur Einbildungen von Gegenständen und ihren objektiven Bestimmungen ermöglichen. Selbst wenn also der Begriff der Kausalität zur Möglichkeit der Erfahrung unentbehrlich wäre, könnte er dennoch von ihren Objekten nicht gelten und statt Erkenntnissen von ihnen in ihrer Kausalbestimmtheit nur deren Einbildungen ermöglichen. Denn die objektive Realität des Kausalbegriffs müsste sich, wie Schulze im Zitat oben festhält, durch ein „Datum in der sinnlichen Anschauung belegen und rechtfertigen“ lassen, was aber nach Hume und Kant nicht möglich ist, weil nach beiden eine Kausalverknüpfung Notwendigkeit enthält, die nicht wahrgenommen werden kann. Was Schulze hier implizit bestreitet, das ist die Gültigkeit des kantischen Satzes: „die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung“³⁷, von dem alle

 Schulze, Kritik der theoretischen Philosophie, a.a.O., Bd. 2. S. 481.  KrV A 158/B 197.

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Grundsatzbeweise Kants abhängig sind. Das bedeutet andererseits, dass für Schulze die Gegenstände der Erfahrung ganz unabhängig von ihrer Erfahrbarkeit eine Kausalverknüpfung aufweisen könnten. Bei Kant hingegen ist die Voraussetzung der Kausalverknüpfung einer Veränderung mit ihrer Ursache die notwendige Bedingung für die Unterscheidung von Veränderungen als objektiven Ereignissen von der bloß subjektiven Folge der Wahrnehmungen von diesen Ereignissen, die nur faktisch, also nicht notwendig, im wahrnehmenden Subjekt stattfindet. Nur wenn ein Ereignis als Wirkung einer Ursache und damit als notwendig gedacht wird, d. h. nur wenn es sich als durch die Setzung seiner Ursache nach Belieben jederzeit erzeugbar denken lässt, hat die Wahrnehmung eines solchen Ereignisses Objektivität und ist somit empirische Erkenntnis oder Erfahrung eines objektiven Ereignisses. Schulze hingegen nimmt mit Hume an, dass die kausale Bestimmtheit des Objekts, hier eines Ereignisses, nur durch ein „Datum in der sinnlichen Anschauung“ erkannt werden könnte, und da das nicht möglich ist, so bleibt die Objektivität dieser Kausalverknüpfung auf immer zweifelhaft, obwohl sie, wie er vorschlägt, auf ein Erklärungsbedürfnis des Menschen zurückgeführt werden kann, das seiner Vernunft entstammen soll. Ein zweites Beispiel der Verkennung der „theoretischen Philosophie“ Kants durch Schulze ist seine Darstellung von Kants Konzeption der Wahrnehmung, die große Gemeinsamkeiten mit Jacobis diesbezüglichen Auffassungen aufweist. Nach den Lehrsätzen der Vernunft-Kritik stehen die empirischen Wahrnehmungen in Ansehung ihres Stoffes, oder in Ansehung dessen, was in ihnen Empfindung ausmacht, in Beziehung auf Dinge an sich [als die, gemäß seinem dogmatischen Realismus, Wahrnehmungsobjekte gedacht werden müssen], d. h. in Beziehung auf ein Etwas, das unabhängig von den Wirkungen unserer Vorstellungskraft da ist, und den Grund der Entstehung jenes Stoffes dadurch ausmacht, daß es das Vorstellungsvermögen seiner sinnlichen Form gemäß (wozu die Anschauungen Raum und Zeit gehören,) afficirt, und zur Hervorbringung einer empirischen Anschauung von besonderer Qualität bestimmt. Was nun dieser übersinnliche [sic] Grund der empirischen Anschauungen an sich selbst genommen sey, sollen wir niemahls zu erkennen in Stande seyn. In Beziehung auf denselben sollen jedoch unsere sinnlichen Wahrnehmungen keinen bloßen Schein, sondern Erscheinungen ausmachen, die zwar bloße Vorstellungen in uns sind, aber doch auch zugleich wahrhaft existirende Objecte, allein gar nicht, wie sie an sich genommen, beschaffen sind, sondern [wie sie] immer nur unserer subjectiven Vorstellungsart gemäß, [sich] darstellen und zu erkennen geben.³⁸

Schulze ist sich zwar der Umstrittenheit dieser Darstellung der Kantischen Wahrnehmungslehre bewusst, aber er ist zuversichtlich, dass sie mit Kants Er-

 Schulze, Kritik der theoretischen Philosophie, a.a.O., Bd. 2, S. 505 f.

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klärung gegen Fichte übereinstimmt, nach welcher Kant „in jenem Lehrstücke dem Buchstaben nach verstanden seyn wolle“.³⁹ Allerdings steht Schulzes Darstellung im Dienste seiner Absicht, der kantischen Lehre einen Widerspruch nachzuweisen. Er insistiert darauf, daß sich dasjenige, was die Vernunft-Kritik von dem Ursprunge des Stoffes der Erfahrungserkenntnisse aus dem Einflusse der übersinnlichen Dinge an sich [sic] auf die passive Vorstellungsfähigkeit unsers Gemüthes sagt, mit denjenigen Lehren eben derselben, wodurch sich ihr System hauptsächlich von den Grundsätzen des Realismus in der Metaphysik unterscheidet, schlechterdings nicht will vereinigen lassen.⁴⁰

Denn nach der Transzendentalen Analytik rührt […] der Begriff von dem Objectiven lediglich aus dem Verstande her, und stützt sich ursprünglich bloß auf eine Synthesis, die der Verstand, als Spontaneität, an dem Mannigfaltigen in der Anschauung Gegebenen […] vorgenommen hat.“⁴¹ Nimmt man beide Lehren zusammen, so ergibt sich, „daß das Ding an sich, welches das Gemüth afficiren, und ihm den Stoff der empirischen Anschauungen liefern soll, nur etwas in einem Begriffe Vorgestelltes ausmache, dem nach der Einrichtung und den Gränzen unserer Erkenntnißfähigkeit kein eigentliches und objectives Seyn beygelegt werden darf, oder dessen Seyn gar nicht erkennbar ist.⁴²

Aber der Widerspruch erweist sich als noch schreiender: „Das so genannte Ding an sich, welches dem Stoffe der Erfahrungserkenntnisse zum Grunde liegen soll, sey [nach der Vernunftkritik selbst] ein bloßes Gedankenwesen, dessen (reale) Möglichkeit, wodurch es von einem Hirngespinste unterschieden ist, gar nicht einzusehen sey.“⁴³ Schulze hat sich durch diese Darstellung, in der die kantischen Unterscheidungen von Objektivität. Ansichsein, Realität und Wirklichkeit von Gegenständen willkürlich vermengt werden, redlich bemüht, die Rolle des Dinge an sich bei Kant so darzustellen, dass die jetzt erfolgende Diagnose jedem Leser einleuchtet: „Dieß ist nichts Geringeres, als ein Widerspruch, wovon sich sogar schwerlich ein ganz ähnliches Beyspiel in dem Systeme irgend eines Metaphysikers von einiger Bedeutung möchte nachweisen lassen. […] Gleichwohl will der Verfasser der Vernunft-Kritik von diesem Widerspruch, in welchen er bei seiner Speculation ger-

    

Ebd., S. 506 f. Ebd., S. 507. Ebd. Ebd., S. 508. Ebd.

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athen ist, gar nichts wissen“.⁴⁴ Und schließlich: „Wir dürfen also wohl annehmen, daß es mit diesem Widerspruch in den Speculationen eines Mannes, dem man die Fähigkeit, seine Gedanken auszudenken, und die Folgen, so wie auch die Uebereinstimmung derselben zu übersehen, doch wahrlich nicht wird gänzlich absprechen wollen [sic], eine ganz eigene Bewandtniß haben müsse.“⁴⁵ Und so begibt sich Schulze auf die Suche nach dem, was diesen Widerspruch wohl veranlasst haben mag. Die Suche ist die nach psychologischen Motiven für das Begehen eines so krassen Widerspruchs durch Kant. Nun liegt dieser Suche eine Darstellung der kantischen Lehre zu Grunde, die deutliche Anleihen bei der theoretischen Philosophie Thomas Reids und bei dem gleichfalls von Reid abhängigen Jacobi aufweist (vgl. auch dessen Jacobi an Fichte). Das Porträt, das Schulze von der kantischen Philosophie entwirft, weist gleichzeitig auf Schopenhauer voraus: Die eigenthümlichste Idee, welche dem in der Vernunft-Kritik aufgestellten Idealismus zum Grunde liegt, ist eigentlich die, daß alles für uns vorhandene Seyn, oder [sic] die Objectivität der Dinge aus dem Denken entstehe, und daß dasjenige, was ist [sic], eigentlich nur für den Verstand nach den besondern in ihm liegenden Begriffen etwas ist. Bey dieser Idee hält es aber der menschliche Geist nicht auf die Dauer aus, und nimmt man sie nach allen den Folgen, worauf dieselbe führt, so bleibt keine Wirklichkeit [sic] übrig, selbst nicht einmal die Wirklichkeit des Denkens, als eines objectiven [sic] Zustandes unsers Gemüthes, sondern was wir die innere und äußere Welt nennen, ist alsdann nur eine Summe mit einander verbundener Vorstellungen, deren ganze Wirklichkeit [sic] wiederum nur in einem Begriffe davon besteht.“⁴⁶

Hier verbindet sich offenbar Reids Polemik gegen Descartes’ und Lockes Vorstellungsphilosophie mit Jacobis Lamento über den Nihilismus in Fichtes Idealismus. Aber nun wird die menschenfreundliche Injektion des Dinges an sich in Kants Universum der Vorstellungen und Gedanken verständlich: Daß nun alles Seyn [sic] in einem Denken und bloß durch dasselbe bestehe, oder aus Begriffen des Verstandes hervorgehe, wie die Vernunft-Kritik lehrt, dieß ist eine Behauptung, in die sich der allgemeine Menschenverstand [meine Hervorhebung] nicht finden kann, und welche für ihn gar keinen Sinn hat, daher er sie auch nicht einmahl einer ernsthaften Aufmerksamkeit werth halten kann. Wenn hingegen angenommen wird, alle unsere Erkenntniß der Dinge bestehe zwar durch und durch aus Vorstellungen, und die Welt, welche ein unmittelbares Object unsers Bewußtseyns ausmacht, sey bloß eine Summe von Vorstellungen, die auf besondere Art durch die Spontaneität des Denkens mit einander verbunden worden

 Ebd., S. 510.  Ebd., S. 511.  Ebd., S. 512.

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sind, aber hinter [meine Hervorhebung] diesen Vorstellungen existire noch etwas für sich Bestehendes und Reales; so ist eine solche Lehre für den allgemeinen Menschenverstand [meine Hervorhebung], ob er gleich die Dinge in der Welt als Absoluta, und nicht als Relationen, die sich noch auf etwas hinter [meine Hervorhebung] ihnen Verborgenes beziehen, erkennt, schon weniger anstößig.⁴⁷

Das also ist des Pudels Kern, das gibt jedenfalls unter anderem „über den Widerspruch Aufschluß, in die sie [die Vernunftkritik] bey der Lehre von den übersinnlichen [sic] Dingen an sich, die unser Gemüth afficiren sollen, gerathen ist“.⁴⁸ Aber Schulze kennt als Vertreter eines common sense-Realismus auch die richtige Interpretation dessen, was Affektion bei Kant heißt, und bemüht sich erneut redlich, auch hier einen Widerspruch nachzuweisen. „Zu dergleichen Dunkelheiten, welche in der Vernunft-Kritik nirgends aufgeklärt werden, gehört ganz vorzüglich dasjenige, was dieselbe von der zu aller Erfahrung nöthigen Affection des Gemüthes, nicht nur [!] durch Dinge an sich, sondern auch noch [!] durch die Erfahrungsgegenstände selbst, sagt.“⁴⁹ Schulze ist also ein Vorläufer der Adickes’schen Theorie von der doppelten Affektion bei Kant. Denn gleichwie sie ganz bestimmt und deutlich lehrt, daß es Dinge an sich gebe, die dadurch, daß sie unsere Sinne afficiren, und Vorstellungen in uns hervorbringen, den Stoff zu allen Erscheinungen, aus deren Verbindung die Erfahrung bestehen soll, liefern; eben so bestimmt und ausdrücklich behauptet sie auch, daß die Erscheinungen selbst das Gemüth afficiren, und dadurch Empfindungen von sich erregen.⁵⁰

Den Widerspruch innerhalb der Kantischen Theorie der Erfahrung stellt Schulze alsdann mit vorbildlicher Deutlichkeit heraus: In wie fern aber die Vernunft-Kritik die empirischen Wahrnehmungen aus der Gegenwart und dem Einflusse der Erscheinungen auf die Sinnlichkeit, die Erscheinungen hingegen wiederum aus einer Synthesis jener Wahrnehmungen nach den Kategorien des Verstandes ableitet, erklärt sie eigentlich den Ursprung aller empirischen Erkenntnisse von Dingen für schlechterdings unmöglich. Denn nach ihr müssen ja Erscheinungen schon gegeben seyn, ehe noch empirische Anschauungen im Bewußtseyn entstehen können; allein empirische Anschauungen müssen gleichfalls nach eben derselben auch schon in uns vorhanden seyn, bevor es noch Erscheinungen geben kann, weil diese durch die Synthesis von jenen Anschauungen erst entstanden seyn sollen. Sie lehrt also: Das Daseyn der Erscheinungen sey eine Bedingung der empirischen Vorstellungen, und das Daseyn der empirischen An-

   

Ebd., S. 514 f. Ebd., S. 516. Ebd., S. 519. Ebd.

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schauungen sey wiederum eine Bedingung der Erscheinungen; was nichts als Widerspruch ist, indem das Bedingte nicht auch zugleich ein Grund der Bedingung seyn kann.⁵¹

Aber gegen dieses zweite Verständnis der kantischen Affektion spricht ein gewichtiger Grund. Jedenfalls konnte Kant nach Schulze die Voraussetzung von affizierenden Dingen an sich nicht „gänzlich aufgeben“.⁵² In dieser Erklärung des kantischen Festhaltens an dieser Lehre, ist deutlich eine Reprise von Reids theologischer Polemik gegen Lockes und seiner Nachfolger „way of ideas“ zu vernehmen: Denn es versteht sich wohl von selbst, daß wenn die Synthesis, welche unser Verstand an den empirischen Wahrnehmungen ausübt, alle Wirklichkeit erst erzeugt [sic], und wenn es außer der vom Denken des Verstandes abhängigen Wirklichkeit [sic] sonst gar keine weiter gibt, alsdann Religion auf bloßer Einbildung beruhen, und sich in ihren Fundamentallehren lediglich auf Producte unsers Denkens, die keine Gegenstände unserer Verehrung und Hoffnung seyn können, beziehen würde. Werden hingegen Dinge an sich als wirklich angenommen, und sogar den Erscheinungen, woraus Erfahrung bestehen soll, als Correlata derselben zum Grunde gelegt; so büßt zum wenigsten die Gedenkbarkeit der objectiven Existenz eines obersten moralischen Welturhebers, und der objectiven Fortdauer unserer Seele nach dem Tode durch die Herabwürdigung der ganzen Erfahrungswelt zu einem bloßen Geschöpfe [sic] des Verstandes aus Materialien der Sinnlichkeit nichts ein, und es kommt alsdann nur darauf an, ob sich Gründe ausfindig machen lassen, worauf der Glaube an jenen Urheber und an diese Fortdauer gestützt werden kann.⁵³

Bekanntlich hat sich nach Heinrich Heine der Menschenfreund Kant um seines Dieners Lampe willen auf die Suche nach solchen Gründen begeben. Damit kommt Schulze zu seiner Schlussdiagnose über den Autor Kant, dem er wie einem Patienten ein menschliches Verständnis entgegenbringt: Warum aber endlich der Verfasser der Vernunft-Kritik über den Widerspruch der in den Lehren derselben von dem Ursprung des Stoffes der Erfahrungserkenntnisse aus der Affection des Gemüthes durch übersinnliche [sic] Dinge an sich, und von der gänzlichen Untauglichkeit der Kategorien Existenz und Ursache zu einer Anwendung auf übersinnliche Dinge Statt findet, niemahls sich erklärt, oder wie solcher zu heben sey, gezeigt hat, sondern alles ignorirt, was darüber sowohl von manchen Verehrern, als auch von allen Gegnern seines transscendentalen Idealismus gesagt worden ist, davon läßt sich der Grund leicht einsehen. Um jenen Widerspruch zu vermeiden, muß nähmlich angenommen werden, entweder daß die Begriffe des Verstandes auch auf Objecte außer aller Erfahrung angewendet werden können, und der Mensch einer Erkenntniß des Uebersinnlichen fähig sey; oder daß

 Ebd., S. 520, Anm.  Ebd., S. 520.  Ebd., S. 520 f.

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den Erkenntnissen der Sinne gar kein Ding an sich zum Grunde liege, jene also auch keine Erscheinungen ausmachen. Die eine Annahme verändert aber das System der VernunftKritik in seinen wesentlichen Lehren eben so sehr, als wie die andere, und von dem Verfasser des Systems selbst darf man es natürlicher Weise wohl nicht erwarten, daß er dergleichen Veränderung damit vornehmen werde.⁵⁴

Mit der von mitmenschlichem Verständnis getragenen Feststellung dieses fundamentalen Widerspruchs in der kantischen Philosophie begnügt sich Schulze aber nicht. Er konstatiert fernerhin einen fatalen Zirkel in der Begründung wesentlicher Lehrstücke dieser Theorie. Wenn aber die Kritik der reinen Vernunft […] die Realität der Erfahrung der Materie nach, durch eine Chimäre, oder durch den Begriff von einem Dinge an sich, in Ansehung dessen sie selbst gesteht, daß seine Beziehung auf etwas objectiv und außer dem Denken Vorhandenes völlig ungewiß sey, begründet; so drehet sie sich hingegen bey der Begründung der Realität der Erfahrung, der Form nach, (d. h. in Ansehung der vorgeblich zur Erfahrung nothwendigen reinen Synthesis des Mannigfaltigen der Sinnlichkeit durch den Verstand) in einem Zirkel herum.⁵⁵

Mit diesem Vorwurf vervollständigt Schulze also seine Kritik der kantischen Erfahrungstheorie. Der Materie der Erfahrung nach enthält sie einen Widerspruch, der Form dieser Erfahrung nach begeht sie einen Begründungszirkel. Die Kritik der reinen Vernunft behauptet nach Schulze nämlich einerseits, daß den reinen Anschauungen Raum und Zeit, den Kategorien und den daraus herrührenden synthetischen Grundsätzen allererst durch ihre Beziehung auf mögliche und wirkliche Erfahrung Realität zugesichert werde. Nun leitet aber eben dieselbe […] alles Objective in der Erfahrung, und den Unterschied dieser von der bloß subjectiv gültigen Folge der Vorstellungen in der Einbildungskraft einzig und allein aus der Verbindung der Wahrnehmungen nach den reinen Begriffen des Verstandes ab; oder diese Verbindung ist nach ihr die eigentliche Quelle und Grundlage alles Objectiven in der Erfahrungserkenntniß. Mithin ist nach derselben der Grund der Realität der Erfahrung, oder des Unterschiedes dieser von bloßen Einbildungen, in den reinen Begriffen des Verstandes enthalten, denen gemäß empirische Anschauungen mit einander verbunden worden sind; der Grund der Realität der reinen Verstandesbegriffe aber darin befindlich, daß sie sich auf wirkliche oder mögliche Erfahrung beziehen, und dem in derselben Befindlichen entsprechen. Folglich leitet sie die Realität der reinen Vorstellungen aus der Beziehung dieser Vorstellungen auf Erfahrung, die Realität der Erfahrung aber wiederum aus demjenigen ab, was in ihr von jenen Vorstellungen befindlich ist.⁵⁶

 Ebd., S. 521 f.  Ebd., S. 522.  Ebd., S. 523 f.

Bemerkungen über den Skeptizismus bei Kant und Schulze

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Schulze belegt seine Diagnose eines solchen Zirkels⁵⁷ in der kantischen Erfahrungstheorie durch ein Zitat aus Kants „Methodenlehre“ der Kritik der reinen Vernunft, das sich auf das Kausalprinzip beziehen soll: „Dieser Zirkel in der Begründung der Realität dessen, was zur Form der Erfahrung gehören soll, ist sogar auch in der Kritik der reinen Vernunft selbst unverhohlen angegeben worden, wenn es darin S. 765 [der zweiten Auflage] heißt: ‚Der Grundsatz der Causalität hat die besondere Eigenschaft, daß er seinen Beweisgrund, nähmlich Erfahrung, selbst zuerst möglich macht, und bey dieser immer vorausgesetzt werden muß.“‘⁵⁸ In Kants Satz ist zwar vom „Grundsatz der Causalität“ nicht die Rede. Da aber kurz vorher der „Satz: alles, was geschieht, hat seine Ursache“⁵⁹ bei Kant angeführt wird, so liegt hier keine Verfälschung des Sinnes durch Schulzes Zitatmontage vor. Aber er hat Kants Behauptung nicht verstanden. Der Beweisgrund dafür, dass alles, was geschieht, Wirkung einer Ursache ist, besteht darin, dass die Möglichkeit der Erfahrung von allem, was geschieht, von der Voraussetzung abhängt, dass es als die notwendige Folge von einer vorhergehenden Ursache und also als durch beliebige Setzung einer solchen Ursache jederzeit erzeugbar gedacht wird (s.o.). Also haben alle Ereignisse entweder eine Ursache, oder sie sind keine möglichen Objekte einer Erfahrung. Auch hier findet sich keinerlei Zirkel bei Kant.

 Diese oft gestellte Zirkeldiagnose habe ich als auf Missverständnissen der kantischen Texte beruhend erörtert in meinem Beitrag: Kants ‚Möglichkeit der Erfahrung‘, s.u. S. 385 ff.  Schulze, Kritik der theoretischen Philosophie, a.a.O., Bd. 2, S. 524 Anm.  KrV A 737/B 765.

Die Möglichkeit der Erfahrung und die analytische Methode bei Reinhold Über Kants Kritik der reinen Vernunft sagt Reinhold in der Vorrede zu seinem Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (1789): „Noch nie ist wohl ein Buch, ein einziges ausgenommen, so angestaunt, bewundert, gehaßt, getadelt, verketzert, und – mißverstanden worden.“ (Th. Vorst. 12) Dieser für Kant vorteilhafte Vergleich seines Hauptwerks mit der Bibel steht am Anfang eines Versuchs, der umstrittenen und offenbar mißverständlichen Philosophie Kants neue Prämissen bzw. das Fundament zu verschaffen, durch die sie die verdiente allgemeine Anerkennung der Fachphilosophen und sogar der Menschheit insgesamt erhalten sollte. Daß die Kritik einer solchen Neubegründung bedarf, steht bei diesem Vorhaben allerdings fest. Aber Reinholds eigenständiger Versuch hat das gewünschte Ergebnis so wenig erreicht, daß er sich alsbald genötigt sah, den ersten Band seiner Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790) erscheinen zu lassen. Hier gibt er erneut Rechenschaft vom „Verhältniß der Theorie des Vorstellungsvermögens zur Kritik der reinen Vernunft“. Der Zweck dieses Versuchs, „die Prämissen der Kritischen Philosophie aufzustellen“ (Beitr. I 259), und damit die Absicht seines Verfassers sind bei Gegnern und Freunden Kants mißverstanden worden, deshalb die neue Erörterung. Sie soll zugleich zeigen, warum es notwendig war, die in der Kritik enthaltene „Wissenschaft des Erkenntnisvermögens“ (Beitr. I 264) auf einen „ersten Grundsatz“ und damit auf „einen allgemeingeltenden Grund“ (ebd.) zurückzuführen. Kant hat zwar den Begriff der Vorstellung überhaupt in der Kritik „nirgends entwickelt und bestimmt“ (Beitr. I 268) und ihn insofern „wirklich unbestimmt gelassen“ (Beitr. I 267), aber auch in ihm „nichts unrichtiges vorausgesetzt“ (Beitr. I 268). Auch wenn er es nicht ausdrücklich gedacht und gesagt hat, ist für Kant die Vorstellung „etwas […], das von Objekt und Subjekt im Bewußtsein unterschieden und auf beyde bezogen werden müsse“ (Beitr. I 269). Da er nicht die Absicht hatte, eine Theorie des Vorstellungsvermögens zu liefern, konnte er darauf verzichten, den Gattungsbegriff der Vorstellung zu entwickeln und auf seinen letzten Grund zurückzuführen. Kants oberster Grundsatz aller synthetischen Urteile, „ein jeder Gegenstand steht unter den notwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung“ (KrV B 197), ist nach Reinhold seltsamerweise „das oberste Gesetz der Erfahrung“ (Beitr. I 273) und setzt etwas voraus, was Kant offensichtlich nicht liefert, die richtige Theorie „des Vorstellungsvermögens“ (ebd.). Dieser Mangel ist gleichwohl kein Fehler, denn die Absicht der Kritik ist, ausweislich https://doi.org/10.1515/9783110605327-025

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ihres Titels, die Untersuchung der „Möglichkeit der Metaphysik, als einer angeblichen Wissenschaft des Übersinnlichen“ (Beitr. I 274). Die Kritik dieser vorgeblichen Wissenschaft aus reiner Vernunft und der Nachweis ihrer Unmöglichkeit waren dann vollendet, wenn gezeigt worden war, daß „nur von Erscheinungen, und von keinem Dinge an sich, objektive Erkenntnis möglich sey“ (Beitr. I 275). Zu diesem Zweck aber bedurfte es nur einer Bestimmung des Vermögens der reinen Vernunft und keiner allgemeinen und systematischen Theorie des Vorstellungs- oder des Erkenntnisvermögens. Nach dieser generellen Abgrenzung der neuen Elementarphilosophie von Kants Propädeutik der Metaphysik geht Reinhold unvermittelt zur Erörterung der Argumentationsstruktur in der ersten Kritik über: „Die Priorität [d. h. Apriorität] der Formen der Vorstellungen wird in der Kritik der reinen Vernunft aus der Nothwendigkeit dieser Formen; und diese aus der nur durch sie denkbaren Möglichkeit der Erfahrung bewiesen.“ (Beitr. I 278) Damit sind die Formen der sinnlichen Anschauung und reinen Verstandes- und Vernunftbegriffe bei Kant als etwas hypothetisch Notwendiges bezeichnet. Apriorität kommt ihnen kraft ihrer Notwendigkeit (und Allgemeinheit) zu, aber diese Notwendigkeit ist nur die einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit, einer conditio sine qua non, der Erfahrung. Wenn Erfahrung möglich sein soll, so gelten diese Formen der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft a priori von ihren Gegenständen. Da es also deren „Bestimmung“ (ebd.) ist, Erfahrung möglich zu machen, ist ihre Gültigkeit auch trivialerweise auf Gegenstände der durch sie ermöglichten Erfahrung eingeschränkt. Reinhold formuliert diese analytische Implikation so: „Aus dieser ursprünglichen Bestimmung jener Formen ‚die Erfahrung möglich zu machen‘ wird gezeigt, daß ihre objektive Realität auf Gegenstände der Erfahrung eingeschränkt sey.“ (Ebd.) Aus ihrer konstitutiven oder regulativen Funktion bei der Ermöglichung von Erfahrung wird also bei ihm ihre Definition: sie sind gar nichts anderes als notwendige Bedingungen der Erfahrung und haben deshalb ihre Geltung a priori von Gegenständen eben dieser Erfahrung. Die Abhängigkeit der Formen der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft von der Erfahrung, deren Möglichkeit sie begründen, führt bei Reinhold konsequent zu einer Diagnose der Kantischen Transzendentalphilosophie als eines radikalen Empirismus: „Die Erfahrung ist daher der eigentliche letzte Grund, das Fundament, über welchem das herrliche Lehrgebäude der Kritik der reinen Vernunft aufgeführt ist.“ (Ebd.) Genauer gesagt, wird die Erfahrung von Reinhold als etwas angesehen, das als Faktum den letzten Grund der Kantischen Philosophie bildet: „Die Vorstellung der Wahrnehmungen in einem gesetzmäßigen, nothwendig bestimmten Zusammenhang als Faktum angenommen, von welchem Kant wohl voraussetzen konnte, daß es ihm eingestanden werden würde, ist die Basis des Kantischen Systems.“

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(Beitr. I 278 f.) Diese Auffassung von der Erfahrung als einem Faktum, das von niemandem als den entschiedensten Skeptikern bezweifelt würde, ist im Versuch einer neuen Theorie des Vorstellungsvermögens noch nicht enthalten. Ich vermute, daß Reinhold sie aus Maimons Versuch über die Transcendentalphilosophie (1790) übernommen hat. Dort heißt es: Hr. K[ant] setzt das Faktum als unbezweifelt voraus, daß wir nämlich Erfahrungssätze (die Nothwendigkeit ausdrücken) haben, und beweiset hernach ihre [der Begriffe Substanz und Akzidens] objektive Gültigkeit daraus, daß er zeigt, daß ohne dieselbe(n) Erfahrung unmöglich wäre; nun ist aber Erfahrung möglich, weil sie nach seiner Voraussetzung wirklich ist, folglich haben diese Begriffe objektive Realität. Ich hingegen bezweifle das Faktum selbst, daß wir nämlich Erfahrungssätze haben, daher kann ich ihre [der Begriffe] objektive Gültigkeit auf diese Art nicht beweisen. (Werke II 186)

Maimon geht im Falle des Begriffs der Ursache sogar über den bloßen Zweifel am Faktum der Erfahrung hinaus: „Nun sage ich, man trift nirgends in der Wahrnehmung eine Folge, die nothwendig nach einer Regel ist, d. h. ich leugne das Faktum“ (Werke II 187). Und in einem undatierten Brief Maimons (vor dem 7. August 1791) an Reinhold heißt es: Kant legt in seiner Philosophie die Möglichkeit der Erfahrung überhaupt zum Grunde. Die Prinzipien der Transzendentalphilosophie haben nur als Bedingungen des Erfahrungsgebrauchs ihre Realität. Er sezt also Erfahrung als Faktum voraus. Ein Skeptiker aber, der Erfahrung selbst in Zweifel zieht, wird auch die Realität dieser Prinzipien bezweifeln. (Werke IV 213)

Wegen der Unsicherheit des Datums dieses Briefes ist es allerdings möglich, daß Reinholds Aufsatz „Über das Verhältniß …“ in den Beyträgen unabhängig von ihm geschrieben wurde. Jedenfalls sind sich 1791 Reinhold und Maimon darüber einig, daß die Wirklichkeit bzw. das Faktum der Erfahrung bei Kant den letzten Grund der objektiven Realität der Kategorien und der Wahrheit der Grundsätze des reinen Verstandes abgeben, indem sie nämlich die notwendigen Bedingungen der in der Wirklichkeit implizierten Möglichkeit der Erfahrung bilden. Reinhold hält also das „methodische Verfahren der Prolegomenen“ (Prol, AA 04: 275.06), das analytisch ist, für die eigentliche Methode der Begründung der Ergebnisse der Kritik. Das zeigt sich an der Erläuterung seiner These vom Faktum der Erfahrungserkenntnis durch den Vergleich mit der gleichfalls faktischen mathematischen Erkenntnis: „Die Beweise für die Priorität der Formen der Anschauungen aus der Nothwendigkeit und Allgemeinheit der mathematischen Sätze sind allerdings merkwürdig“ (Beitr. I 279), heißt es unmittelbar im Anschluß an die genannte These. Das ist offenbar eine Bezugnahme auf die sog. „transzendentale Erörterung des Begriffs vom Raum“ (KrV B 40) in der zweiten Auflage

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der Kritik. Hier wird aus der Wirklichkeit der synthetischen Erkenntnisse a priori in der Geometrie darauf geschlossen, daß die Vorstellung des Raumes eine a priori in uns angetroffene, mithin reine Anschauung sei. Da aber eine reine Anschauung nur als eine im Subjekt zugrundeliegende „formale Beschaffenheit desselben“, d. h. als „Form des äußeren Sinnes überhaupt“ (KrV B 41) gedacht werden kann, so ist damit aus dem Faktum der Geometrie erwiesen, daß der Raum nichts als die Form der äußeren Sinne ist. Die Argumentationsweise, deren sich Kant hier bedient, wird von ihm selbst erläutert. Zunächst wird vorausgesetzt, „daß wirklich dergleichen Erkenntnisse“, nämlich synthetische Sätze a priori, „aus dem gegebenen Begriffe herfließen“ (KrV B 40). Der gegebene Begriff ist der vom Raume als einer reinen Anschauung, und die Wirklichkeit der aus diesem Begriffe herfließenden Erkenntnisse ist die der geometrischen Erkenntnisse als Erkenntnisse vom Raum, dessen ursprüngliche Vorstellung nur reine Anschauung sein kann. Dies war auch das Resultat der „metaphysischen Erörterung“ des Begriffs vom Raum. Aber im Gegensatz zu dieser metaphysischen Erörterung wird dieses Resultat nun nicht durch einen Schluß aus der Apriorität, Substrathaftigkeit, Homogenität und aktualen Unendlichkeit des Raumes gewonnen, sondern durch einen Rückschluß aus der Natur geometrischer Erkenntnisse über den Raum und seine Eigenschaften in der Geometrie als synthetischer Urteile a priori. Sie bedürfen der Anschauung, um synthetisch, und der reinen Anschauung, um a priori, und das heißt jetzt: um apodiktisch sein zu können, was sie aber auch faktisch sind. Damit hat sich das Resultat der metaphysischen Erörterung bestätigt. In einem zweiten Schritt wird nun behauptet, daß solche synthetischen Erkenntnisse a priori von Objekten im Raum, die sich a priori anschauen und begrifflich bestimmen lassen, nur dann als möglich erklärt werden können, wenn in dem sie erkennenden Subjekt eine „formale Beschaffenheit“, von diesen Objekten „Anschauung zu bekommen, ihren Sitz hat“ (KrV B 41), wenn es also über eine reine „Form des äußeren Sinnes“ (ebd.) verfügt. Wenn dies die einzig mögliche Erklärung der Möglichkeit faktisch gegebener geometrischer Erkenntnisse von Gegenständen im Raum ist, so ist wiederum das Resultat bestätigt, das sich auch aus dem Resultat der metaphysischen Erörterung durch einen Schluß gewinnen ließ, nämlich, daß der Raum die Form der äußeren Sinne und damit auch aller Erscheinungen äußerer Sinne ist. Daß sich allein unter der Voraussetzung dieser „Erklärungsart“ des Raumbegriffs, d. h. nur bei Annahme dieser Raumdefinition, das Faktum geometrischer Erkenntnis von Objekten vor der empirischen Gegebenheit eben dieser Objekte in der äußeren Anschauung „verstehen“ läßt (KrV B 42), macht diese Erörterung zur „transzendentalen“. Denn wenn der Raum die Form der äußeren Sinne ist, dann kann neben der Möglichkeit der Geometrie auch „die Möglichkeit anderer synthetischer Erkenntnisse a priori eingesehen werden“ (KrV B 40). Zu diesen anderen syn-

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thetischen Erkenntnissen a priori von Gegenständen gehört z. B., daß alle Dinge als äußere Erscheinungen nebeneinander im Raum sind (vgl. KrV B 43). Die Argumentationsweise der transzendentalen Erörterung des Raumbegriffs ist, wie gesagt, ein Beispiel für das analytische methodische Verfahren, nach dem auch die Prolegomena ihre transzendentalen Erörterungen darstellen. „Analytische Methode […] bedeutet nur, daß man von dem, was gesucht wird, als ob es gegeben sei, ausgeht und zu den Bedingungen aufsteigt, unter denen es allein möglich“ (Prol, AA 04: 276 n). Diese aus der griechischen Mathematik stammende Methode des Beweisens¹ geht also von etwas zu Beweisendem aus, und zwar so, „als ob“ es eine wirkliche Erkenntnis sei, und sucht nach denjenigen schon als wahr erkannten und zugleich für es notwendigen Prämissen, aus denen es seinerseits durch einen Schluß abgeleitet und damit bewiesen werden kann. Diese analytische, oder besser: regressive Methode bedeutet also angewandt auf die Untersuchung der Möglichkeit der Metaphysik als Wissenschaft, daß man nicht direkt fragt: „Ist überall Metaphysik möglich?“ (Prol, AA 04: 274.22), sondern daß man sich auf der Suche nach dem, wodurch Metaphysik möglich werden könnte, auf etwas stütz[t], was man schon als zuverlässig kennt, von da man mit Zutrauen ausgehen und zu den Quellen aufsteigen kan, die man noch nicht kennt, und deren Entdeckung uns nicht allein das, was man wußte, erklären, sondern zugleich einen Umfang vieler Erkenntnisse, die insgesammt aus den nämlichen Quellen entspringen, darstellen wird (Prol, AA 04: 275.01– 05).

Das, was man schon als zuverlässig kennt und was man schon wußte, sind die reinen synthetischen Erkenntnisse der Mathematik und der reinen Naturwissenschaft. Die noch nicht bekannten Quellen dieser Erkenntnis sollen uns zugleich die Erklärung für die aus eben diesen Quellen stammende Metaphysik, als eines Inbegriffs spezifischer synthetischer Erkenntnisse a priori, liefern. Nach analytischer Methode gehen wir also von dem aus, von dem wir „mit Zuversicht sagen können, daß gewisse reine synthetische Erkenntniß a priori wirklich und gegeben sei“ (Prol, AA 04: 275.10 – 11), also vom Faktum der Mathematik und reiner Naturwissenschaft. Die besondere Frage nach der Möglichkeit der Metaphysik wird damit zur allgemeinen Frage nach der Möglichkeit der Erkenntnis aus reiner Vernunft, oder nach der Möglichkeit synthetischer Sätze a priori überhaupt. Da aber nach analytischer Methode jetzt die Fakten der Mathematik und reinen Naturwissenschaft zugrundegelegt werden, heißt die Frage nicht mehr: „Sind überhaupt synthetische Sätze a priori möglich?“, sondern: „Wie sind synthetische Sätze a priori möglich?“ (Prol, AA 04: 276.12) Diese berühmte Grundfrage der

 Vgl. J. Hintikka; U. Remes: The Method of Analysis, H.-J. Engfer: Philosophie als Analysis.

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Kritik, die „allgemeine Aufgabe der Transzendentalphilosophie“ (KrV B 73), gehört also in eine Darstellung derselben nach der regressiven Methode, die sich auch in der zweiten Auflage der Kritik findet und seitdem das Verständnis dieses Werkes beherrscht hat. In den Prolegomena wird diese Art der Fragestellung vorbereitet: Wir haben […] einige wenigstens unbestrittene synthetische Erkenntnis a priori und dürfen nicht fragen, ob sie möglich sei (denn sie ist wirklich), sondern nur wie sie möglich sei, um aus dem Prinzip der Möglichkeit der gegebenen auch die Möglichkeit aller übrigen ableiten zu können. (Prol, AA 04: 275.15 – 19)

Die Unbestrittenheit der synthetischen Erkenntnisse a priori in Mathematik und reiner Naturwissenschaft ist also nur in der regressiven Darstellungsweise, die aus der Wirklichkeit auf die Möglichkeit und von dort auf deren notwendige Bedingungen schließt, ein hinreichender Ausgangspunkt der transzendentalen Untersuchung. Nur wenn sich die Möglichkeit solcher Erkenntnisse a priori dartun läßt, ist die Kritik gegen die Einwände möglicher Skeptiker gegen die Faktizität und damit auch die Möglichkeit mathematischer und rein-naturwissenschaftlicher Erkenntnis gesichert. Was aber das methodische Verfahren der Kritik selbst betrifft, so ist Kant eindeutig in seiner Aussage, daß sie nach synthetischer oder progressiver Methode abgefaßt ist, was, wie wir gesehen haben, nicht ausschließt, daß einzelne Teiluntersuchungen in ihr das analytische Verfahren zur Bestätigung der nach synthetischer Methode gewonnenen Resultate befolgen. Kant sagt in den Prolegomena: In der Kritik der reinen Vernunft bin ich in Absicht auf diese Frage [nach der Möglichkeit der Metaphysik] synthetisch zu Werke gegangen, nämlich so, daß ich in der reinen Vernunft selbst forschte und in dieser Quelle selbst die Elemente sowol, als auch die Gesetze ihres reinen Gebrauchs nach Prinzipien zu bestimmen suchte. Diese Arbeit ist schwer und erfordert einen entschlossenen Leser, sich nach und nach in ein System hinein zu denken, was noch nichts als gegeben zum Grunde legt außer die Vernunft selbst und also, ohne sich auf irgend ein Factum zu stützen, die Erkenntnis aus ihren ursprünglichen Keimen zu entwickeln sucht. (Prol, AA 04: 274.27– 35)

Die Kategorien und die Grundsätze des reinen Verstandes sind also nur dann „nach Prinzipien“ zu bestimmen, und nicht als Implikate faktischer Erkenntnis zu gewinnen, wenn „nichts“ zugrundegelegt wird als der reine Verstand und die reine Vernunft selbst und in ihnen die „Quelle“ bzw. die „Keime“ synthetischer Erkenntnis a priori gesucht werden. Kant bestreitet also explizit, daß er sich „auf irgendein Factum“ gestützt habe, um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Metaphysik darzutun. Insbesondere aber hat er sich dabei nicht auf das Faktum der Erfahrung oder der Möglichkeit der

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Erfahrung als Grundlage gestützt, wie Reinhold und Maimon gemeinsam annehmen. Denn wenn das „Stehen oder Fallen der Metaphysik“ (Prol, AA 04: 276.21– 22) als eines Inbegriffs synthetischer Sätze a priori auf dem Spiel stand, konnten ihm dabei die Bedingungen der Möglichkeit faktischer Erfahrung als des Inbegriffs synthetischer Erkenntnisse a posteriori keine Stütze sein. Wenn auch gewisse Begriffe und Grundsätze a priori zu diesen Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung gehörten, so durften diese Bedingungen in ihrer objektiven Gültigkeit nicht davon abhängen, daß sie Erfahrung möglich machten. Denn sonst ergibt sich ein Zirkel in der wechselseitigen Begründung von Erfahrungsmöglichkeit und objektiver Realität von Begriffen und Grundsätzen a priori. Die Gültigkeit der Bedingungen beruht dann auf dem, was sie bedingen, und dieses, die Erfahrung in ihrer Möglichkeit, beruht ihrerseits auf der Gültigkeit der Bedingungen a priori, die sich damit absurderweise selbst begründen. Wenn es also keine von der Erfahrung selbst ganz unabhängige Begründung für die Möglichkeit der Erfahrung, und das heißt, für die Kategorien und Grundsätze gibt, dann kann die so unbegründbare Erfahrung nicht ihrerseits als faktische den Grund für die objektive Gültigkeit ihrer Bedingungen abgeben. Entweder also gibt es einen Grund a priori für die Einsicht in die objektive Gültigkeit der die Erfahrung begründenden Kategorien und Grundsätze, oder Erfahrung ist ihrerseits unbegründet und also nur scheinbar ein Faktum, wie Maimon erkannt hatte. Reinhold hat diese Zirkelhaftigkeit in der Begründung der Erfahrung als einen Fehler Kants angesehen und seinerseits nach einem Ausweg aus dieser Situation gesucht. Er fand ihn in einem anderen Faktum, dem Faktum des Bewußtseins, das der Satz des Bewußtseins zum Ausdruck bringen sollte. So stellt er seine eigene Theorie der Kantischen gegenüber als die eigentliche Wissenschaft des Vorstellungs- und damit auch des Erkenntnisvermögens: Die Priorität der Formen der Vorstellungen wird in der Theorie des Vorstellungsvermögens nicht [wie bei Kant] aus ihrer Nothwendigkeit [sc. als notwendiger Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung]; sondern diese aus jener, jene aber aus der Möglichkeit des Bewußtseins bewiesen. (Beitr. I 279)

Die Notwendigkeit der Formen der Vorstellungen soll also bei Reinhold aus ihrer Apriorität folgen, d. h. nicht mehr nur relativ auf die von ihnen ermöglichte Erfahrung bestehen, sondern eine Konsequenz aus der a priori durch das Vorstellungsvermögen selbst bestimmten Form der Vorstellung und damit aus der Möglichkeit des Bewußtseins sein. Der Beweis der „Priorität“ aller Formen der Vorstellungen besteht darin, daß gezeigt wird, „daß das Bewußtseyn überhaupt unmöglich wäre, wenn die hervorgebrachte Einheit des gegebenen Mannigfalti-

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gen, worin die Form der Vorstellung überhaupt besteht, nicht im bloßen Vorstellungsvermögen [d. h. a priori] bestimmt wäre“ (ebd.). Warum sollte nun aber das Bewußtsein selbst nicht unmöglich sein können, bzw. worauf gründet sich die Möglichkeit des Bewußtseins? Darauf gibt Reinhold zur Antwort: Das Bewußtseyn ist der eigentliche letzte Grund, das Fundament, über welchen die Theorie des Vorstellungsvermögens aufgeführt ist; die Unterscheidung und Beziehung der Vorstellung auf Objekt und Subjekt [worin das Bewußtsein besteht] als ein Faktum angenommen, das ich für allgemein geltend halte, ist die Basis meines Systems. (Beitr. I 280)

Die Möglichkeit des Bewußtseins als Ableitungsprinzip für die Apriorität der Vorstellungsformen ist ihrerseits Folge des Faktums des Bewußtseins, das als solches allgemein anerkannt und unbestritten ist. Damit kommen wir zu einer klaren Konfrontation: Kant nimmt zur Basis seines Systems das Faktum der Erfahrung, Reinhold macht das Faktum des Bewußtseins zur Basis seines Systems. Aber diese beiden Positionen sind nicht gleichrangig. Denn Erfahrung mochte bei Kant als Fundament der Deduktion der Vorstellungsformen „zum Zwecke der Kritik der Vernunft“ (Beitr. I 280) und zum Nachweis ihrer Unfähigkeit, übersinnliche Gegenstände oder Eigenschaften zu erkennen, ausreichen. Aber sie „kann durchaus nicht das Fundament derjenigen Deduktion abgeben, durch welche diese Formen in der Wissenschaft … des Vorstellungsvermögens […] aufgestellt werden müssen. Das Fundament jeder Wissenschaft als einer solchen muß sich durch einen Grundsatz ausdrücken lassen“ (ebd.), genauer, durch einen Grundsatz, der „der absolut erste Grundsatz und eben darum ein durchs bloße Bewußtseyn unmittelbar einleuchtender Satz seyn muß“ (Beitr. I 280 f.), wie es Reinholds Satz des Bewußtseins ist. Reinhold hat damit aus einem nach seiner Interpretation der Kritik in dieser vorhandenen Mangel, aus der Untauglichkeit ihres Fundaments zur Begründung einer Wissenschaft vom Vorstellungsvermögen, die Notwendigkeit seines eigenen Versuchs dargetan. Das Faktum der Erfahrung ist zur Begründung einer wissenschaftlichen Elementarphilosophie untauglich, weil es nicht durch das bloße Bewußtsein selbst einleuchtet. Der Kantische Begriff der Erfahrung, der nach Reinhold die Begriffe „der Vorstellung, der sinnlichen Wahrnehmung, der Gegenstände, des Zusammenhangs und der Nothwendigkeit“ (Beitr. I 281) als Bestandteile enthält, kann nach ihm auch durchaus nicht aus der Kritik „gezogen“ werden. Da er die Basis des Kantischen Systems ist, kann er nicht nur nicht auf dieses System gegründet, „sondern auch nicht einmal aus demselben ohne Cirkel erklärt werden“ (ebd.). Das heißt entweder nur, daß ein Zirkel in der Definition des Begriffs der Erfahrung droht, oder aber, daß die Erklärung der Möglichkeit der Er-

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fahrung aus den im erkennenden Subjekt liegenden Bedingungen ihrer Möglichkeit in den oben schon beschriebenen Begründungszirkel geraten muß. Sollte das letztere gemeint sein, so liegt hier eine Übereinstimmung mit Maimons KantInterpretation vor. Dieser hat in seinem Philosophischen Wörterbuch (1791) die „kritischen Skeptiker oder Kantianer“ so angeredet: Letztlich begehen Sie […] einen Zirkel im Erklären, indem Sie diese Formen [„von Ursache, Substanz, u. dgl.“, III 47] als nothwendige Bedingungen der Erfahrung, welche Sie als Faktum voraussetzen, denken, und wiederum die Erfahrung als Faktum voraussetzen, damit Sie die Realität dieser Formen beweisen können. (Werke III 48)

Hier besteht der Zirkel eindeutig darin, daß die notwendigen Bedingungen der Erfahrung in ihrer objektiven Gültigkeit durch eben diese Erfahrung begründet werden. Jedenfalls besteht hinsichtlich dieses von Maimon diagnostizierten Begründungszirkels zwischen Reinhold und Maimon insofern Einstimmigkeit, als sie beide der Meinung sind, Kants Begründung der objektiven Realität seiner Begriffe bzw. Grundsätze a priori erfolge auf regressivem Wege und unter Zugrundelegung der Erfahrung oder ihrer Möglichkeit. Daß ein solches Begründungsprogramm unhaltbar ist bzw. zum Skeptizismus einlädt, ist eine richtige Einsicht Reinholds. Gleichwohl hat er die von ihm vorgeschlagene Verbesserung dieses Begründungsprogramms nicht uneingeschränkt für sein Eigentum ausgegeben. Er sagt gegen Ende seines Beitrags „Über das Verhältniß…“: Ich glaube durch diesen Aufsatz denjenigen, von denen ich verstanden zu werden glücklich genug bin, gezeigt zu haben, daß die Theorie des Vorstellungsvermögens ein Versuch seyn soll, die eigentlichen und letzten Prinzipien, welche Kant bey dem meiner Überzeugung nach völlig gründlichen Fundamente, worauf er die Kritik der Vernunft gebaut hat, noch unentwickelt und unbestimmt voraussetzte, und bey dem Zustande, in welchem er die Philosophie gefunden hat, voraussetzen mußte, entwickelt und bestimmt anzugeben. (Beitr. I 333)

Demnach ist die auf den Satz des Bewußtseins gegründete Elementarphilosophie nichts als die Entwicklung und Bestimmung der eigentlichen und letzten Prinzipien Kants. Reinholds Theorie des Vorstellungsvermögens ist also nach ihrem Autor nur ein Versuch, Kant besser zu verstehen, als er sich selbst verstand. In der Tat wäre die Kritik als Traktat von der Methode und Untersuchung der Möglichkeit der Metaphysik ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn sie auf das Faktum der Erfahrung oder auf die darin implizierte Möglichkeit der Erfahrung gegründet wäre. Davon kann aber keine Rede sein. Andererseits aber ist es richtig, daß eine wirkliche Voraussetzung der transzendentalen Deduktion der Kategorien, des „Schwersten, das jemals zum Behufe der Metaphysik unternommen werden

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konnte“ (Prol, AA 04: 260.30 – 34), und damit auch der von ihr abhängigen Grundsatzbeweise zwar nicht, wie Reinhold meint, das Faktum des Bewußtseins ist, wohl aber die faktische Möglichkeit, sich seiner Vorstellungen bewußt zu werden. Insofern hat Reinhold in gewisser Weise recht, wenn er sagt, daß die ersten Grundsätze meiner Prämissen wirklich in der Kritik der Vernunft selbst zwar stillschweigend aber doch schlechterdings nothwendig vorausgesetzt werden; und daß kein einziger Fundamentalsatz dieses Werkes feststehen kann, wenn man ihm jene Grundsätze als seine Unterlage wegnimmt. (Beitr. I 336)

Zwar ist das unausgesprochene Fundament der Kategoriendeduktion nicht, wie Reinhold glaubt, sein Satz des Bewußtseins. Aber dieser Satz ist natürlich auch für Kant ein wahrer Satz, der eine wichtige Klarstellung des Sinnes enthält, in welchem Kant von Vorstellung spricht. Man kann sogar mit Reinhold und mit nur geringer Übertreibung sagen, daß die Kritik „auf allen Blättern die Unterscheidung der bloßen Vorstellung von dem bloßen Subjekte und dem bloßen Objekte“ (Beitr. I 338) voraussetzt, die nach ihm „ursprünglich nur durchs Bewußtseyn einleuchtet [und] älter ist als alle Philosophie“ (ebd.). Aber es ist sicher nicht richtig, daß diese Unterscheidung „vorzüglich“ die kritische Philosophie „begründen muß“ (ebd.). Eine solche Begründungsleistung hat Kant dieser im Bewußtsein unserer Vorstellungen liegenden Unterscheidung nicht zugemutet. Aber es ist wahr, daß Kant, der im § 15 zu Beginn der transzendentalen Deduktion und nur dort (innerhalb der Kritik) vom „Vorstellungsvermögen“ spricht, zu Beginn des § 16 vom Selbstbewußtsein als einer notwendigen Implikation allen Bewußtseins meiner Vorstellungen handelt und wenig später (§ 17) den Grundsatz der notwendigen oder transzendentalen oder ursprünglich synthetischen Einheit der Apperzeption den „ersten Grundsatz“ „für den menschlichen, Verstand“ (KrV B 139) nennt. Man muß annehmen, daß Reinhold im Ausgang von diesen Stellen zu seinem Satz des Bewußtseins als dem Fundament seiner Theorie des Vorstellungsvermögens gelangt ist² In seiner Behauptung, daß er in ihr nur von Voraussetzungen ausgeht, die bei Kant selbst stillschweigend gemacht werden, steckt also ein Stück Wahrheit. Aber er ruiniert seine Einsicht durch die gleichzeitige Annahme, daß Kant in seiner Kritik in einem analytischen Verfahren nur die notwendigen Bedingungen des vorausgesetzten Faktums der Erfahrung oder ihrer Möglichkeit erschlossen habe.

 Vgl. M. Bondeli: Anfangsproblem, 58 ff.

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In der Schrift Ueber das Fundament des philosophischen Wissens (1791) heißt es entsprechend: Die einzige Wissenschaft, deren Grundlegung die Kritik der Vernunft durch Entdeckung und Aufstellung ihres Fundaments auf dem analytischen Wege vollendet hat, ist die Metaphysik als Wissenschaft der Gegenstände möglicher Erfahrung. Zu einer Wissenschaft der Gegenstände keiner möglichen Erfahrung, z. B. der Substanz der Seele, des Weltalls, der Gottheit, hat sie nicht nur kein Fundament geben können, sondern ausdrücklich gezeigt, daß es kein solches Fundament geben könne (Fund. 67).

Sieht man einmal davon ab, daß Kant ausdrücklich erklärt hat, er sei in der Kritik der reinen Vernunft nach synthetischer oder progressiver Methode zu seinen Resultaten gelangt, und das von ihm beanspruchte ‚Fundament‘ (wie Reinhold es nennt) bestehe aus Elementen und Gesetzen „ihres [der reinen Vernunft] reinen Gebrauchs“ (Prol, AA 04: 274.30), die er „in der reinen Vernunft selbst“ als dem einzig Gegebenen gefunden und „nach Prinzipien“ bestimmt habe, „ohne sich auf irgend ein Factum zu stützen“ (Prol, AA 04: 274.33 – 34), sieht man einmal von all dem ab, so ist der Rest der Reinholdschen Zusammenfassung des Resultats der Kantischen Vernunftkritik im ganzen zutreffend. Nur ist es schwer verständlich, wie Reinhold übersehen konnte, daß dieses Resultat auf eine leere Tautologie hinausläuft, wenn es nur besagt, daß die als Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung definierten und sogar durch Analyse des Faktums der Erfahrung gewonnenen Begriffe und Grundsätze eben keine andere Wissenschaft als eine Wissenschaft von Gegenständen möglicher Erfahrung begründen können. Bedurfte es zur Erzielung dieses Resultats einer Untersuchung von über 800 Seiten? Und wenn die Urteilsformen und Kategorien durch eine Analyse der Form der Vorstellung überhaupt und damit der Grundstruktur des Bewußtseins gewonnen werden konnten, wie Reinhold selbst im Versuch zu zeigen versuchte, wie hängen die so begründeten Formen des Begriffs (d. h. der empirischen Begriffe) mit den Beweisen der notwendigen Wahrheit der Grundsätze des reinen Verstandes zusammen, die sich bei Kant wirklich auf die vorausgesetzte Möglichkeit der Erfahrung stützen? Dazu hat Reinhold ebensowenig etwas Befriedigendes gesagt wie zum Verhältnis der Kantischen transzendentalen Logik zur transzendentalen Ästhetik, ohne die die erstere gar keinen Sinn hat. Die fatale Abhängigkeit des Reinholdschen Verständnisses der Untersuchungen der Kritik von deren Darstellung in den Prolegomena ist auch aus der Fundament-Schrift klar ersichtlich. Dort heißt es über die Kritik der reinen Vernunft: „Sie ging […] von der Voraussetzung der Realität des Begriffes der Erfahrung als der nothwendigen Verknüpfung sinnlicher Wahrnehmungen und [!] von der vorausgesetzten Wirklichkeit der synthetischen Urteile a priori aus.“ (Fund. 135) Daß der Begriff der Erfahrung Realität hat, besagt eben, daß Erfahrung ein Fak-

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tum ist, und dieses Faktum findet sich hier friedlich neben der Wirklichkeit synthetischer Urteile a priori als die andere Voraussetzung der Vernunftkritik, die regressiv deren conditiones sine quibus non gefunden hat. Die Vergleichbarkeit dieser beiden einander entgegengesetzten Voraussetzungen wird dadurch gestiftet, daß Erfahrungsurteile ihrerseits, im Unterschied zu Wahrnehmungsurteilen, Begriffe a priori von notwendigen Verknüpfungen, die Kategorien also, als objektiv gültig voraussetzen. Es gibt demnach, wie es in den Prolegomena heißt, „wirklich […] reine synthetische Urteile a priori“ (Prol, AA 04: 277.03). Will man nun die Frage beantworten, wie sie möglich seien, so kann von ihrer Wirklichkeit ausgehend zu dem Grunde ihrer Möglichkeit auf dem analytischen Wege fortgegangen werden … Dies [fährt Kant fort] erleichtert das Geschäfte sehr, in welchem die allgemeine(n) Betrachtungen … von ihnen [den konkreten „Facta“] ausgehen, anstatt daß sie in synthetischem Verfahren […] aus Begriffen abgeleitet werden müssen (Prol, AA 04: 279.23 – 28).

Auf diese Weise kann das Vermögen der Vernunft, „etwas a priori zu erkennen, vermittelst der Tat selbst“ (Prol, AA 04: 280.12) erforscht und ausgemessen werden. Wendet man dieses Verfahren an, so muß man die Voraussetzungen ohne Beweis annehmen, denn das ist das einzig angemessene Verhalten zu Fakten als solchen. Nun hat aber schon Aristoteles gezeigt, daß man bei allen Beweisen zuletzt von unbewiesenen Voraussetzungen ausgehen müsse, die insofern etwas den Fakten ähnliches an sich haben, als ihre Wahrheit nur angenommen werden kann. Aber das, was nach Reinhold für Kant nur eine faktische Voraussetzung war, die Erfahrung und die synthetischen Urteile a priori, soll nun nach ihm selbst aus höheren und zugleich wahren Voraussetzungen ableitbar und damit beweisbar sein: „Der ohne eine solche Voraussetzung vorgenommene und ausgeführte Beweis desjenigen, was die Kritik voraussetzte, und voraussetzen mußte, ist der erste Schritt zur eigentlichen philosophischen Wissenschaft“ (Fund. 135). Aber wie bei jedem Beweis ist auch bei dem Reinholdschen letztlich von einer unbewiesenen Voraussetzung auszugehen: „Aber eben darum kann dieser Beweis [seinerseits] nicht geführt werden, ohne von einem Faktum auszugehen, und zwar – keinem solchen (wie zum Beyspiel die Erfahrung) welches sich nur durch Begriffe denken läßt, deren Merkmale selbst wieder der Zergliederung und des Beweises bedürfen“ (Fund. 136). Das Faktum des Bewußtseins liefert nun einen höchsten, unbeweisbaren Grundsatz, der „durchgängig durch sich selbst bestimmt ist“ (ebd.) und deshalb keiner Begründung seiner Wahrheit bedarf. Damit ist das Begründungsverfahren vollständig und Kants Problem der philosophierenden Vernunft gelöst:

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In der Wissenschaft des Vorstellungsvermögens, welche auf dem Satze des Bewußtseyns zuletzt gegründet ist, erscheinen dann unter den streng erwiesenen Lehr- und Folgesätzen die kantischen Begriffe von der Erfahrung und ihrer Möglichkeit und dem synthetischen Urteile a priori … in ihrer durchgängigen Bestimmtheit aufgestellt, und die Grundsätze der Kritik werden zu wissenschaftlichen Folgesätzen der Elementarphilosophie. (ebd.)

Abgesehen von der sonderbaren Gleichstellung von Begriffen und Grundsätzen und der Anwendung des Begriffs der durchgängigen Bestimmtheit auf Sätze und Begriffe ist diese Skizze des Verhältnisses der Kritik zur Reinholdschen Wissenschaft des Vorstellungsvermögens klar und durchsichtig. Der Grund dafür, daß Reinhold Kants Kritik die Befolgung der analytischen Methode unterstellt, liegt darin, daß er selbst gar keine andere Methode für durchführbar hält und für sich nur beansprucht, einen höheren Grundsatz als Kants synthetische Urteile a priori und in dessen regressiver Begründung ein höheres Faktum zugrundegelegt zu haben, als es Kant, jedenfalls dem expliziten Wortlaut seiner Kritik nach zu urteilen, gelungen war. Nach dem letzten Satz der Fundament-Schrift ist die philosophierende Vernunft nur dadurch zu befriedigen, daß sie zu einem „absolut letzten angeblichen Grund […] auf dem Wege ihres analytischen Fortschreitens […] gelangt“ (Fund. 138). Die analytische Methode hat bei der Auffindung eines absolut letzten Grundes das letzte Wort.

Literatur S. Maimon: Versuch über die Transcendentalphilosophie mit einem Anhang über die symbolische Erkenntnis. Jena 1790. K.L. Reinhold: Ueber das Fundament des philosophischen Wissens nebst einigen Erläuterungen über die Theorie des Vorstellungsvermögens. Jena 1791. K.L. Reinhold: Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens. Prag/Jena 1789. M. Bondeli: Das Anfangsproblem bei Karl Leonhard Reinhold. eine systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchung zur Philosophie Reinholds in der Zeit von 1789 bis 1803. Frankfurt /M. 1995. H.-J. Engfer: Philosophie als Analysis. Studien zur Entwicklung philosophischer Analysiskonzeptionen unter dem Einfluß mathematischer Methodenmodelle im 17. und frühen 18. Jh. Stuttgart-Bad Canstatt 1982. J. Hintikka; U. Remes: The Method of Analysis. Its Geometrical Origin and its General Significance. Berlin 1974.

Die Möglichkeit der Erfahrung bei Maimon und Schulze Der Streit um das richtige Verständnis der Kritik der reinen Vernunft reicht von der Garve-Federschen Rezension dieses Buches im Januar 1782 bis auf den heutigen Tag. Schon im August 1783 spricht Kant in einem Brief an Johann Schultz von der „Kränkung“, die es für ihn bedeute, „fast von niemand verstanden worden zu sein“¹. Auf die Frage, „welcher unter den Streitern wohl meine Schriften, wenigstens die Hauptpunkte derselben, wirklich versteht, wie ich solche verstanden wissen will“², hat denn auch Kant im Mai 1797 geantwortet, es sei eben jener Johann Schultz, der Verfasser der Prüfung der Kantischen Critik der reinen Vernunft, deren zwei Bände 1789 und 1792 erschienen waren. Seitdem hat dieser Streit nicht aufgehört, und auch heute noch besteht ein großer Teil der unübersehbaren Kant-Literatur aus Auseinandersetzungen darüber, wie die in jenem Buche dargestellte Philosophie dem Buchstaben und dem Geiste nach zu verstehen sei. Die Beschäftigung mit den erhaltenen Zeugnissen der frühen Kant-Rezeption durch die Philosophen seiner Zeit, für die Kant seine Schriften publizierte und deren Urteil ihm keineswegs gleichgültig war, ist in mehrfacher Hinsicht lehrreich. Zum einen sehen wir daraus, dass Kant durch die Neuigkeit dessen, was er vortrug, sein Publikum enorm überforderte. Die Wirkungsgeschichte insbesondere der Kritik der reinen Vernunft ist deshalb die Geschichte ihrer Missverständnisse. Andererseits haben die philosophischen Zeitgenossen Kants oft Kritik an seinem Werk geübt, die auf Probleme hinwies, die wirklich in ihm vorhanden sind und die nicht aus der Unfähigkeit seiner Leser resultierten, sich seiner Lehre zu bemächtigen. In vielen Fällen ist aber beides zugleich der Fall, und es ist die Aufgabe der heutigen Interpreten der Texte aus jener Zeit, über die historische Bedeutung der damaligen Kontroversen hinaus die Rezeption und Kritik Kants auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und damit die eigene Fähigkeit zu einem adäquaten Verständnis der Kantischen Texte unter Beweis zu stellen. Ich will das an einem Thema versuchen, das auch in der heutigen Kant-Literatur vielfach diskutiert wird, nämlich der Frage nach der Bedeutung und der Funktion der „Möglichkeit der Erfahrung“ in der ersten Kritik. Dabei gehe ich von den beiden Kant-Kritikern aus, die sich um das Jahr 1790 auf unterschiedliche, ja entgegengesetzte Weise zum Skeptizismus bekannten und Kants Kritizismus für durch diesen widerlegt hielten: Salomon Maimon und Gottlob Ernst Schulze.  Br, AA 10: 350.34– 35.  Br, AA 12: 367.29 – 31. https://doi.org/10.1515/9783110605327-026

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I Jeder Kant-Leser kennt die vielzitierten Worte aus der A-Deduktion der Kategorien und dem Kapitel über den ersten Grundsatz aller synthetischen Urteile: „Die Bedingungen a priori einer möglichen Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung“ (A 111, vgl. A 158/ B 197). Dieser Satz ist für Kant eine analytische Trivialität. Denn wenn Gegenstände als Gegenstände der Erfahrung definiert werden, dann müssen die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung zugleich die Bedingungen derjenigen Gegenstände sein, die nur relativ auf solche Erfahrung gedacht werden, im Übrigen aber unbestimmt bleiben. Gleichwohl hat man oft in diesem Satz den Ausdruck der sogenannten ‚kopernikanischen Wende‘ Kants gesehen. In gewisser Hinsicht ist das richtig. Denn ebenso wie der Begriff der Erscheinung als eines Gegenstandes der Sinne implizit eine Relation auf die Beschaffenheit und Funktionsweise dieser Sinne enthält und insofern den Gegenstand von ihnen abhängig macht, ist ein Erfahrungsgegenstand als solcher von den sinnlichen Bedingungen des Zustandekommens der Erfahrung abhängig. Aber die Behauptung der Abhängigkeit der Gegenstände von Begriffen und Urteilen a priori im Denken und Erkennen der Gegenstände geht weit darüber hinaus. Die empirische Erkenntnis der Gegenstände kann nur dann einen konstitutiven Beitrag zur Möglichkeit dieser Gegenstände leisten, wenn diese Gegenstände in ihrer Gegenständlichkeit vom Denken und Erkennen des Subjekts abhängig sind. Die ‚kopernikanische Wende‘ ist also gleichbedeutend mit einer ontologischen These, nämlich der, dass etwas nur dadurch ein möglicher Gegenstand der Erkenntnis für mich ist, dass es durch gewisse Begriffe des Verstandes gedacht und als Fall eines streng allgemeinen Naturgesetzes erkannt wird. Die Kantischen Kategorien sind demnach insofern transzendentale Bestimmungen der Gegenstände im Sinne der scholastischen Tradition, d. h. Bestimmungen, die einem jeden Gegenstand qua Gegenstand zukommen, als sie es ermöglichen, einen Gegenstand als Gegenstand, und das heißt jetzt als unterschieden von seinen im Subjekt liegenden Vorstellungen, zu denken oder zu erkennen. Da aber eine solche Abhängigkeit von Gegenständen vom menschlichen Verstande nicht für von unserem Erkenntnisvermögen ganz unabhängige Dinge an sich selbst gedacht werden kann, gilt sie nur für Erscheinungen des äußeren und des inneren Sinnes, die zugleich begrifflich bestimmt werden können, i. e. für Gegenstände möglicher Erfahrung. Maimons Interpretation der Kantischen Transzendentalphilosophie lässt sich am einfachsten einer Stelle aus seinem ersten Brief an Reinhold entnehmen:

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Kant legt in seiner Philosophie die Möglichkeit der Erfahrung überhaupt zum Grunde. Die Prinzipien der Transzendentalphilosophie haben nur als Bedingungen des Erfahrungsgebrauchs ihre Realität. Er sezt also Erfahrung als Faktum voraus. Ein Skeptiker aber, der Erfahrung selbst in Zweifel zieht, wird auch die Realität dieser Prinzipien bezweifeln.³

Die hier genannten „Prinzipien“ sind die Kantischen Kategorien und Grundsätze, die Maimon in einer für ihn charakteristischen Weise nicht unterscheidet. Da das Problem der objektiven Gültigkeit der Kategorien und Grundsätze das Problem der Rechtmäßigkeit ihres Gebrauches ist, die bei Kant einer Deduktion bedarf, spricht Maimon in Übereinstimmung mit Kant auch oft von der Beantwortung der Frage „Quid iuris?“. Nach Maimon setzt die Beantwortung dieser Frage die Lösung eines anderen Problems voraus, das er durch die Frage „Quid facti?“ ausgedrückt sieht. Das Faktum, von dem Kant nach Meinung Maimons ausgeht, ist die Tatsache, dass wir Kategorien wie die der Kausalität in der Alltagserfahrung und der empirischen Wissenschaft gebrauchen. Gemäß der in den Prolegomena gemachten Unterscheidung der empirischen Urteile in Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile enthalten Erfahrungsurteile als objektiv gültige Urteile Allgemeinheit und Notwendigkeit, sie implizieren also über die wiederholte Wahrnehmung ähnlicher Fälle hinaus eine notwendige Verknüpfung des Wahrgenommenen. Maimon sagt über die Verknüpfung der beiden oben genannten Fragen: „Herr Kant setzt das Faktum als unbezweifelt voraus, daß wir nämlich Erfahrungssätze (die Notwendigkeit ausdrücken) haben, und beweiset hernach ihre [der Kategorien, M. B.] objektive Gültigkeit daraus, daß er zeigt, daß ohne dieselbe Erfahrung unmöglich wäre; nun ist aber Erfahrung möglich, weil sie nach seiner Voraussetzung wirklich ist, folglich haben diese Begriffe objektive Realität. Ich hingegen bezweifle das Faktum selbst, daß wir nämlich Erfahrungssätze haben, daher kann ich ihre objektive Gültigkeit auf diese Art nicht beweisen“⁴. Maimon lässt Kant also wie folgt schließen: Die Möglichkeit der Erfahrung folgt aus ihrer Wirklichkeit. Das bedeutet, dass wir faktisch über eine Menge von Erfahrungssätzen verfügen, die eine notwendige Verknüpfung zwischen den „in Wahrnehmung gegebenen Subjekten und Prädikaten enthalten. Zum Beispiel das Feuer erwärmt den Körper“ (Versuch, 5). Da diese wirklichen Erfahrungserkenntnisse zu ihrer Möglichkeit der Kategorien bedürfen, um die in diesen Sätzen enthaltene Notwendigkeit zu begründen, ist die objektive Gültigkeit bzw. Realität

 Salomon Maimon, Streifereien im Gebiete der Philosophie, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. IV, hg.v. Valerio Verra, ND Hildesheim 1970, 213.  Salomon Maimon, Versuch über die Transzendentalphilosophie. Mit einem Anhang über die symbolische Erkenntnis und Anmerkungen, Berlin 1790, Darmstadt 1963, 186 (im Folgenden im Text zitiert als Versuch).

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der Kategorien durch die faktische Gültigkeit der entsprechenden Erfahrungssätze mitgesetzt. Maimon hält die Frage „Quid facti?“ auch deshalb für sehr wichtig für die Deduktion der Kategorien, weil durch die Wirklichkeit der besonderen Erfahrungen nicht nur die objektive Gültigkeit der Kategorien, sondern auch ihre „vollständige Aufzählung“ (Versuch, 71) begründet werden. Das würde bedeuten, dass Kant nach Maimon sich der Vollständigkeit seiner Kategorientafel dadurch hätte versichern können, dass er alle im Verstande liegenden Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung aufgesucht hätte. Was bedeutet nun Maimons Zweifel am Faktum der Erfahrung? Statt der objektive Notwendigkeit ausdrückenden Erfahrungsurteile verfügen wir nach Maimon nur über „bloß subjektive (aus Gewohnheit notwendig gewordene)“ Urteile (Versuch, 184), i. e. über Wahrnehmungsurteile im Sinne Kants, die Maimon aber in ihrem Zustandekommen gemäß der Analyse Humes versteht. Diese durch Induktion verallgemeinerten Wahrnehmungsurteile enthalten allerdings weder eine notwendige Verknüpfung von Wahrnehmungen noch setzen sie sie voraus. Da sie aber die einzigen empirischen Urteile sind, über die wir faktisch verfügen, kann Erfahrung im objektiven Sinne Kants keine Faktizität beanspruchen. So ist die Realität des Gebrauchs der Kausalitätskategorie in Wahrheit kein unbezweifelbares Faktum. „Wir sagen z. B. das Feuer erwärmt (macht warm) den Stein, welches nicht bloß die Wahrnehmung der Folge zweier Erscheinungen in der Zeit sondern die Nothwendigkeit dieser Folge bedeutet. Das spricht dafür, dass der Gebrauch der Kategorie bei wirklichen Gegenständen ein Faktum ist. Hierauf aber würde David Hume antworten: Es ist nicht wahr, dass ich hier eine nothwendige Folge wahrnehme; ich bediene mich zwar bei dieser Gelegenheit desselben Ausdrucks, dessen sich andere bedienen, allein ich verstehe darunter bloß die von mir so oft wahrgenommene Folge der Erwärmung des Steins auf die Gegenwart des Feuers, nicht aber die Nothwendigkeit dieser Folge. Es ist bloß eine Association der Wahrnehmungen, aber kein Verstandesurteil“ (Versuch, 72 f.). Gibt es aber solche Erfahrungssätze im Sinne Kants nicht, so entfällt auch die Basis für die Deduktion der Kategorien. Aus dieser Argumentation ist leicht zu ersehen, wie Maimon seine Kant-Interpretation gewinnt: Er nimmt Kants metaphysische Deduktion der Kategorien nicht ernst. Insbesondere glaubt er, dass die Kausalitätskategorie schon deshalb nicht aus der logischen Form des hypothetischen Urteils abgeleitet werden kann, weil diese eigentlich nicht in die formale Logik gehöre, sondern aus dem „Gebrauche bei wirklichen Gegenständen abstrahirt, und in die Logik übertragen“ (Versuch, 72) worden sei. Ferner beruht Maimons Argumentation auf der Darstellung des Deduktionsproblems in Kants Prolegomena, die nach analytischer Methode verfasst ist und von dem Faktum der reinen Naturwissenschaft und der reinen Mathematik ausgehend regressiv nach deren Möglichkeitsbedingungen

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fragt. In Anlehnung an die Prolegomena unterscheidet Maimon auch nicht zwischen den völlig verschiedenen Argumentationen in der Deduktion der Kategorien und in den Beweisen der transzendentalen Grundsätze. Schließlich fällt auf, dass der bei Kant zentrale Begriff der synthetischen Einheit der Apperzeption bei Maimon keine Rolle spielt, ja nicht einmal vorkommt. Ich habe mich im Vorstehenden vorwiegend an die ersten beiden Abschnitte des Versuchs über die Transzendentalphilosophie von 1790 gehalten, in dem Maimon seine Interpretation und Kritik der Kantischen transzendentalen Deduktion der Kategorien und Grundsätze zuerst dargelegt hat (die er in seinen späteren Schriften wiederholte und ausarbeitete), weil sie Kant im Manuskript vorlagen und er sich dazu geäußert hat. Bevor ich auf diese Antwort Kants eingehe, wende ich mich dem von Maimon erhobenen Zirkelvorwurf zu, durch den er das vermeintliche Scheitern der Kantischen Lehre von der objektiven Gültigkeit der Kategorien kennzeichnet. Im Philosophischen Wörterbuch von 1791 redet Maimon die Kantianer an: „Letztlich begehen Sie […] einen Zirkel im Erklären, indem Sie diese Formen [die Kategorien, M. B.] als nothwendige Bedingungen der Erfahrung, welche Sie als Faktum voraussetzen, denken, und wiederum die Erfahrung als Faktum voraussetzen, damit Sie die Realität dieser Formen beweisen können.“⁵ Der „Zirkel im Erklären“, von dem Maimon hier spricht, besteht also darin, dass die faktische Erfahrung durch die Kategorien als ihrer notwendigen Bedingungen erklärt wird, aber andererseits die objektive Gültigkeit dieser Kategorien durch die faktische Erfahrung begründet wird. Es ist allerdings auch möglich, dass „Realität“ an der zitierten Stelle nicht die objektive Gültigkeit der Kategorien bedeutet, sondern ihr Vorhandensein im Gemüt, das sich nach Maimon auch anders, nämlich durch das Gesetz der Ideenassoziation, erklären lässt. Aber auch in diesem Falle hätten wir einen Zirkel: Kategorien erklären Erfahrung, und Erfahrung erklärt die Kategorien. Wäre der Zirkel, der hier den „Kantianern“ vorgeworfen wird, in der Kritik der reinen Vernunft wirklich zu finden, so wäre der Kantische Beweisanspruch ad absurdum geführt. In Wahrheit findet sich der Zirkel aber nur in der Maimon’schen Rekonstruktion des Kantischen Gedankenganges. Eine eindeutige Formulierung des Zirkelvorwurfs findet sich in der Schrift Über die Progressen der Philosophie von 1793. Dort heißt es: „Die kritische Philosophie kann also […] nichts mehr thun, als zeigen, dass zur Möglichkeit der Erfahrung überhaupt, in dem Sinne[,] worin sie das Wort Erfahrung nimmt, allgemeine synthetische Grundsätze (z. B. Alles hat seine Ursachen u. d. g.) und

 Salomon Maimon, Philosophisches Wörterbuch oder Beleuchtung der wichtigsten Gegenstände der Philosophie, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. III, hg.v. Valerio Verra, ND Hildesheim 1970, 48.

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hinwiederum zur Realität (Beziehung auf ein Objekt) dieser Grundsätze, Erfahrung als Factum vorausgesetzt werden müsse. D. h. sie muß sich im beständigen Zirkel herumdrehen.“⁶ Hier hat Maimon eine entscheidende Veränderung am Zirkelvorwurf vorgenommen. Die Grundsätze sind jetzt notwendige Bedingungen der „Möglichkeit der Erfahrung“ in dem gekennzeichneten starken Sinne, in dem sie sich von Wahrnehmung unterscheidet. Umgekehrt ist die Wirklichkeit der Erfahrung notwendige Bedingung der objektiven Realität, d. h. der Wahrheit der Grundsätze. Auch in dieser Beschreibung eines Zirkels in der wechselseitigen Begründung von Erfahrung und transzendentalen Grundsätzen wird von der Herkunft des Kausalbegriffs aus der hypothetischen Urteilsform der reinen Logik völlig abgesehen und andererseits nicht erkennbar, dass Kant nirgends die Möglichkeit der Erfahrung aus ihrer Wirklichkeit gewinnt. Erst wenn er dies täte, entstünde von dieser Seite her der genannte Zirkel. Insbesondere gibt es bei Kant nicht die Erfahrung, dass es Erfahrung gibt. Aus dem Brief Kants vom Mai 1789, der die Antwort auf die im Versuch gestellten Fragen Maimons enthält, geht auch hervor, woher Kants Möglichkeit der Erfahrung ihrerseits ihren Ursprung und ihre Notwendigkeit hat. Auf die Frage Maimons nach der Rechtmäßigkeit der Annahme einer Zusammenstimmung des Mannigfaltigen der (reinen oder empirischen) Anschauungen mit dem Denken und Erkennen des Verstandes, wie sie in der Möglichkeit oder sogar schon im Begriff der Erfahrung gedacht wird, gibt Kant die Antwort, dass die Möglichkeit einer solchen Zusammenstimmung nicht a priori eingesehen werden könne. Gäbe es aber eine solche Übereinstimmung nicht, so würden alle Sinnesdaten „niemals Objekte vorstellen, ja nicht einmal zu derjenigen Einheit des Bewußtseins gelangen, die zur Erkenntnis meiner selbst (als Objekt des inneren) erforderlich ist. Ich würde gar nicht einmal wissen können, daß ich sie habe, folglich würden sie für mich, als erkennendes Wesen, nichts sein“⁷. Die a priori unerklärliche Zusammenstimmung ist also eine notwendige Bedingung von empirischer Selbsterkenntnis und empirischem Selbstbewusstsein. Um vermittelst der empirischen Anschauungen der Sinne, also durch Wahrnehmung, ein Objekt vorzustellen, ist das Bewusstsein der Einheit dieser sinnlichen Vorstellungen erforderlich. Eine solche Beziehung des Wahrnehmungsmannigfaltigen „auf die Einheit der Vorstellung ihres Objekts“ ist nur „vermittelst der synthetischen Einheit ihrer Apperzeption“ möglich⁸. Nur dadurch kann ich em-

 Salomon Maimon, „Über die Progressen der Philosophie“, in: ders., Streifereien, 73.  Br, AA 11: 52.03 – 08.  Br, AA 11: 52.13 – 14.

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pirisch etwas Objektives einschließlich meines eigenen Zustandes erkennen. Diese Erkenntnis ist aber die Erfahrung. Die Möglichkeit der Objekterkenntnis vermittelst der Wahrnehmung ist also gleichbedeutend mit der Möglichkeit, mir meiner durch Verbindung meiner bewussten Vorstellungen als desselben Subjekts bewusst zu werden. Die Möglichkeit der äußeren oder inneren Erfahrung wird sogar durch die Möglichkeit der synthetischen Einheit der Apperzeption notwendig gemacht. Denn „die synthetische Einheit der Apperzeption, durch welche allein das Mannigfaltige der Anschauung […] in ein vereinigtes Bewußtsein, zur Vorstellung eines Objekts überhaupt“ gebracht werden kann⁹, ist ihrerseits etwas notwendig Mögliches. Wird aber der der synthetischen Einheit der Apperzeption korrespondierende Begriff eines Objekts überhaupt durch das Mannigfaltige der empirischen und bewussten Anschauung, also der Wahrnehmung, bestimmt, so nennen wir diese Art der empirischen Objekterkenntnis Erfahrung. Die Möglichkeit der Erfahrung ist also ebenso notwendig wie die Möglichkeit der synthetischen Einheit der Apperzeption und steht deshalb vor aller wirklichen Erfahrung fest. Maimons Versuch, die Möglichkeit der Erfahrung auf ein Faktum zu gründen, steht also im Widerspruch zur Kritik der reinen Vernunft.

II Die Schrift Aenesidemus von Gottlob Ernst Schulze aus dem Jahre 1792 ist größtenteils eine Kritik an Reinholds Elementarphilosophie, aber sie enthält auch eine Auseinandersetzung mit Kants Kritik der reinen Vernunft, die allein uns hier interessieren soll. Als „Verteidigung des Skeptizismus gegen die Anmaßungen der Vernunftkritik“ scheint sie zunächst dasselbe Resultat zu haben wie Maimons Kritik an Kant. Aber Maimon hat ausdrücklich erklärt, dass er „den Skepticismus des Aenesidemus […] für vernunftwidrig und ungegründet“¹⁰ halte. In der Tat begründet Schulze seinen Skeptizismus auf eine dem Rationalismus Maimons ganz entgegengesetzte Weise, bei der der Empirismus Lockes und vor allem Thomas Reids als Vorbild gedient hat. Beide Kritiker Kants berufen sich allerdings auf den erneuerten Pyrrhonismus David Humes.

 Br, AA 11: 50.19 – 22.  Salomon Maimon, Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens. Nebst angehängten Briefen des Philaletes an Aenesidemus, Berlin 1794, ND Berlin 1912, 268.

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Nach Schulze kann ein System der Philosophie nur auf „die Erkenntnis des Ursprungs der Vorstellungen a priori und a posteriori“ gegründet werden.¹¹ Aus diesem Grunde ist also zunächst die Frage zu beantworten: „Ob eine Erkenntnis des Ursprungs unserer Vorstellungen a priori und a posteriori überall möglich sei“ (ebd.). Muss man nun bezweifeln, dass diese Frage schon beantwortet ist, so sind alle Versuche, ein System der Philosophie zu errichten, vorerst sinnlos. Die kritische Philosophie habe nun eine bejahende Antwort auf diese Frage gegeben und zudem behauptet, „dass sowohl in unserer Erkenntnis etwas a priori und durch das Gemüt Bestimmtes vorkomme, als dass auch dieses a priori Bestimmte die Form des a posteriori gegebenen Stoffes unserer Erkenntnis ausmache“ (Ae, 95). Bei der Prüfung dieser Behauptung auf ihre Begründetheit sei insbesondere darauf zu achten, ob die kritische Philosophie die Forderungen des Humeschen Skeptizismus erfüllt und seine Fragen bezüglich „der Gewißheit und des Gebrauchs des Satzes vom zureichenden Grunde und der Möglichkeit eines Überganges von den Vorstellungen in uns auf das Dasein und die positiven und negativen Beschaffenheiten der außer uns befindlich sein sollenden Dinge“ (ebd.) befriedigend beantwortet seien. Insbesondere sei also zu fragen, ob die Gründe hinreichend sind, aus denen Kant „das Dasein gewisser Formen unserer Erkenntnis a priori zu erweisen sucht“ (Ae, 96). Die Kantische Begründung erfolgt nun nach Aenesidemus in folgenden Schritten: (1) Es ist eine unabdingbare Tatsache, dass der Mensch Erfahrungserkenntnis besitzt. (2) Diese Erfahrungserkenntnis besteht „aus Anschauungen und Urteilen, oder aus solchen Wahrnehmungen, die in einer notwendig bestimmten, gesetzmäßigen und unabänderlichen Verbindung mit einander stehen“ (Ae, 123). (3) Die notwendigen synthetischen Urteile, die einen der Bestandteile unserer wirklichen Kenntnis ausmachen, können ihren Grund „nicht in der Erfahrung und außer uns“ (Ae, 124) haben, denn die Erfahrung kann uns nicht lehren, „daß etwas notwendig und allgemein immer so sei, als wie es von uns gewahrgenommen wird.“ (ebd.) (4) Also muss der Grund dieser Urteile „in uns selbst, und in den Grundbestimmungen unseres Gemüts enthalten sein. […] Die notwendigen und schlechterdings gemeingültigen synthetischen Urteile sind also Urteile a priori, die von aller Erfahrung unabhängig in uns da sind“ (ebd.).

 Gottlob Ernst Schulze, Aenesidemus oder über die Fundamente der von dem Herrn Professor Reinhold in Jena gelieferten Elementar-Philosophie, Berlin 1911, 56. Die Angabe der Seitenzahl erfolgt nach der Paginierung der Originalausgabe von 1792 (im Folgenden im Text zitiert als Ae).

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(5) Diese Urteile „enthalten die Form der wirklichen Erkenntnis empirischer Gegenstände, die durch unser Gemüt bestimmt ist“ (Ae, 125). Schulze fasst die Ergebnisse dieser Herleitung und damit Kants Theorie der Möglichkeit der Erfahrung so zusammen: „Die Erfahrung wird selbst erst durch die Gesetze der Möglichkeit einer Erfahrung, die in uns enthalten sind, bestimmt“ (ebd.). Diese formale Bestimmung einer wirklichen Erfahrung durch die Gesetze ihrer Möglichkeit sieht im Falle der Kategorie der Ursache so aus: Wir haben einen Begriff von einer Verknüpfung der Vorstellungen in unserem Verstande, und zwar in Urteilen überhaupt, und dieser Begriff besagt für uns: „Daß Vorstellungen in einer besonderen Art Urteilen als Grund in Beziehung auf eine Folge gehören, und [wir] sehen nicht allein die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit, alle Erscheinungen unter den Begriff der Ursache zu subsumieren, d. i. ihn zum Grundsatz der Möglichkeit der Erfahrung zu gebrauchen, vollkommen ein“ (Ae, 128). Indem Schulze die Kategorie der Ursache so zu einem subjektiv notwendigen Prinzip der Möglichkeit der Erfahrung macht, nimmt er diese Kategorie als etwas faktisch in uns Vorhandenes an, wobei es unklar bleibt, ob dieser Verstandesbegriff nur ein Begriff von einer Urteilsform, nämlich einer bestimmten Verknüpfung von Begriffen in hypothetischen Urteilen, oder ein Begriff von Gegenständen einer gegebenen sinnlichen Anschauung ist. Es ist auch nicht klar, warum Kant nach Schulze behaupten sollte, wir sehen „die Notwendigkeit, alle Erscheinungen unter den Begriff der Ursache zu subsumieren, […] vollkommen ein“. (Ae, 128) Ferner wird nicht zwischen dem Begriff der Ursache und dem Grundsatz der Kausalität sowie zwischen Deduktion und Beweis beider unterschieden. Schließlich wird nicht gesagt, inwiefern durch die Subsumtion der Erscheinungen unter den Begriff der Ursache die Möglichkeit der Erfahrung begründet werden soll. Trotz dieser eklatanten Mängel in der Wiedergabe der Kantischen Gedankengänge ist das Ergebnis von Schulzes Bestimmung der Funktion des Kausalbegriffs nicht falsch: Der Begriff der Ursache „ist ein zur bloßen Form der Erfahrung, und zur Möglichkeit derselben, als einer synthetischen Vereinigung der Wahrnehmungen notwendig gehörender Begriff“ (Ae, 128 f.). Aber angesichts der folgenden Erläuterungen der Rolle, die Begriff und Grundsatz der Kausalität bei der Ermöglichung von Erfahrung spielen sollen, ist es sehr zweifelhaft, ob Schulzes Worten eine richtige Einsicht entspricht. Vom Grundsatz der Kausalität heißt es nämlich, er betreffe „die besondere Art der Verknüpfung des Daseins der Wahrnehmungen in einer Erfahrung. Er geht daher auch nicht auf die synthetische Einheit in der Verknüpfung der Dinge an sich selbst, sondern der Wahrnehmungen, und zwar […] nicht in Ansehung ihres In-

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halts, sondern der Zeitbestimmung […] wenn die empirische Bestimmung der relativen Zeit objektiv giltig, mithin Erfahrung sein soll“ (Ae, 130). Sonderbarerweise handelt diese Erläuterung des Kantischen Gedankengangs im Beweis der zweiten Analogie der Erfahrung von einer Verknüpfung des Daseins der Wahrnehmungen statt des Wahrgenommenen, nämlich einer objektiven Veränderung unter den Erscheinungen. Um diese Ereignisse von den Dingen an sich und ihrer Verknüpfung zu unterscheiden, unterscheidet Schulze sie nicht von der subjektiven Folge der Wahrnehmungen im wahrnehmenden Subjekt. Also wird man annehmen müssen, dass auch die frühere Bestimmung des Begriffes der Ursache als zur Erfahrung als „synthetischer Vereinigung der Wahrnehmungen“ notwendig gehörender Begriff so verstanden werden musste: Ursache ist ein Begriff, durch den Wahrnehmungen als in einer Erfahrung vereinigt gedacht werden. Dann aber ist der Begriff der Kausalität im Grundsatz der Kausalität in dem Sinne ein Prinzip der Ermöglichung der Erfahrung, dass ohne ihn keine objektiv gültige „empirische Bestimmung der relativen Zeit“ im Dasein der Wahrnehmungen möglich ist. Auch hier bleibt zweideutig, ob es sich um eine Folge von Wahrnehmungen im wahrnehmenden Subjekt oder um ein objektives Ereignis, eine wahrgenommene Veränderung handelt, deren Erkenntnis vermittelst einer Wahrnehmungsfolge „Erfahrung“ heißen muss. Der Begriff der Ursache ist nach alledem nicht der Begriff eines sinnlich angeschauten Objekts in seiner Verknüpfung mit anderen Objekten, sondern ein in dem Sinne zur Möglichkeit der Erfahrung als notwendige Bedingung gehöriger Begriff, als in ihm eine Wahrnehmungsverknüpfung als objektiv gültige Zeitfolge von Wahrnehmungen gedacht wird, die zusammen eine Erfahrung ausmachen. Es ist bei dieser Schulzeschen Interpretation des Beweisgangs der zweiten Analogie nicht zu übersehen, dass hier nicht die objektive Kausalbestimmtheit von Ereignissen in der Zeit gemeint sein kann; auch wird hier nicht erkennbar, was eine „objektiv gültige“ „empirische Bestimmung der relativen Zeit“ von Wahrnehmungen heißen soll. Man kann nur vermuten, dass es eine solche Bestimmung der Abfolge von Wahrnehmungen unter dem Gesichtspunkt des ‚früher‘ und ‚später‘ bedeutet, die in allen wahrnehmenden Subjekten stattfindet. Diese Unklarheiten beruhen alle auf der Annahme, dass ein von der Wahrnehmung verschiedenes Objekt ein Ding an sich sein müsse, von dem das Kausalprinzip aber nicht gelten soll. Also kann das Kausalprinzip nur das Prinzip der Möglichkeit der Erfahrung als einer geregelten Folge von Wahrnehmungen im wahrnehmenden Subjekt selbst sein. Die Fehlerhaftigkeit dieser Kant-Interpretation steht außer Frage. Werfen wir, um das zu bestätigen, einen kurzen Blick auf das Kantische Original.

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Es handelt sich um die Stelle A 200 f./B 245 f. in der Kritik der reinen Vernunft, an der Kant seinen Beweis des Kausalprinzips, d. h. des Satzes vom zureichenden Grunde, in drei Sätzen kurz zusammenfasst: (1) „Dass […] etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer möglichen Erfahrung gehört, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung, ihrer Stelle nach, in der Zeit, als bestimmt, mithin als ein Objekt ansehe, welches nach einer Regel, im Zusammenhange der Wahrnehmungen jederzeit gefunden werden kann.“ Dieser erste Satz, die Minorprämisse des ganzen Syllogismus, besagt: Ich habe dann eine wirkliche Erfahrung von einem objektiven Ereignis, wenn ich es als etwas ansehen kann, das durch Wahrnehmung als etwas gefunden werden kann, das seiner Stelle in der Zeit nach bestimmt ist und das ich darum nach einer Regel im Zusammenhang meiner Wahrnehmungen von Objekten jederzeit finden kann. Dieses „Finden“ eines objektiven Ereignisses nach einer Regel in einer wirklichen Erfahrung ist die Umschreibung für ein Experiment, durch das ich jederzeit beliebig vermittelst des Setzens eines Ereignisses ein darauf folgendes Ereignis herbeiführen könnte, das ich dann als ein von mir gesetztes Objekt wahrnähme. (2) „Diese Regel aber, etwas der Zeitfolge nach zu bestimmen, ist: daß in dem, was vorhergeht, die Bedingung anzutreffen sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d. i. notwendigerweise) folgt.“ Diese Majorprämisse enthält die Regel, nach welcher ich in der Wahrnehmung dasjenige Ereignis finde, welches in einer bestimmten Zeitordnung zu anderen Ereignissen steht, nämlich das, was immer das Folgende zu einem vorhergehenden Ereignis ist: die Wirkung einer Ursache. Nur dann sind meine Wahrnehmungen die Erfahrung eines objektiven Ereignisses, wenn dieses Ereignis auf andere Ereignisse notwendig folgt, in denen seine Ursache, die Bedingung seines notwendigen Erfolgens, enthalten ist. (3) Conclusio: „Also ist der Satz vom zureichenden Grunde der Grund möglicher Erfahrung, nämlich der objektiven Erkenntnis der Erscheinungen, in Ansehung des Verhältnisses derselben in der Reihenfolge der Zeit.“ Damit ist gesagt: die Gültigkeit des Satzes vom Grund ist eine notwendige Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung als empirischer Erkenntnis von wahrgenommenen objektiven Ereignissen im Zeitverhältnis zu anderen Ereignissen im Unterschied zur bloß subjektiven und deshalb nur faktischen, d. h. zufälligen, Reihenfolge der Wahrnehmungen in mir. Fasst man den Beweis noch einmal zusammen, so besagt er: Erfahrung von Ereignissen als Objekten der Wahrnehmung ist nur möglich, wenn diese Ereignisse als Wirkungen von vorhergehenden Ursachen angesehen werden können, d. h. wenn das Kausalprinzip von ihnen gilt. Der Beweis für die objektive Gültigkeit des

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Kausalprinzips besteht also in dem Nachweis, dass es eine notwendige Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung ist. Wenn Erfahrung von Ereignissen möglich sein soll, so müssen sie Wirkungen vorhergehender Ursachen sein. Hier wird also eine Verknüpfung im Objekt der Erfahrung dadurch bewiesen, dass ohne diese Verknüpfung keine Erfahrung dieses Objekts möglich wäre. Es versteht sich von selbst, dass dieser Beweis nur von Objekten möglicher Erfahrung, sofern Erfahrung von ihnen möglich ist, gelten kann. Dabei wird von dem trivialen Satz Gebrauch gemacht, dass die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung von Objekten zugleich die Bedingungen der Möglichkeit dieser Objekte selbst in ihrer Erfahrbarkeit sind. Es ist nahe liegend, hier den Einwand zu erheben, dass dieser ganze Beweis für die Gültigkeit des Kausalprinzips von Objekten von der Prämisse abhängt, dass Erfahrung von Ereignissen möglich ist, nicht aber, dass wir wirklich Erfahrung davon haben. Kann man mit Grund voraussetzen, dass Erfahrung von Ereignissen möglich ist? Wenn man dies nicht, unabhängig von diesem Beweis, mit Grund voraussetzen kann, dann ergibt sich in der Tat ein Zirkel in der Begründung der Gültigkeit des Kausalprinzips und damit auch der Kategorie der Kausalität, dem Schulze nur dadurch entgeht, dass er das Kausalprinzip nur als Bedingung der Umwandlung von subjektiver Wahrnehmung in ebenso subjektive Erfahrung missversteht. Lassen wir das auf sich beruhen und fragen wir uns, ob der Zirkel in der Kantischen Begründung wirklich besteht, wie es Maimon behauptet hatte. Dieser Zirkel hätte jetzt folgende Gestalt: Die objektive Gültigkeit des Kausalprinzips ist Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung (wie soeben gezeigt wurde); aber die Möglichkeit der Erfahrung ist zugleich die Bedingung der objektiven Gültigkeit des Kausalprinzips, denn ohne den Bezug auf die Möglichkeit der Erfahrung lässt sich das Kausalprinzip als von Objekten gültige Erkenntnis gar nicht beweisen. Dieser Bezug ist der einer notwendigen Bedingung. Lässt sich das Kausalprinzip nur als solche notwendige Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung beweisen, die ihrerseits von seiner Gültigkeit abhängt, so haben wir nur eine wechselseitige Abhängigkeit. Wer die Gültigkeit der Erfahrung bestreitet, bestreitet zugleich die Gültigkeit des Kausalprinzips (siehe Maimon), und wer die objektive Gültigkeit des Kausalprinzips bestreitet, wie Hume, muss dann auch die objektive Gültigkeit von Erfahrung bestreiten (siehe wiederum Maimon unter Berufung auf Hume). Diesem Zirkel kann man nur dadurch entgehen, dass man die Möglichkeit der Erfahrung ganz unabhängig von der Gültigkeit des Kausalprinzips beweist, so dass man sich beim Beweis des Kausalprinzips darauf berufen kann, dass Erfahrung möglich sein muss. Nur wenn ein solcher Beweis schon vorliegt, kann man beim Beweis des Kausalprinzips von der allgemeinen Möglichkeit der Erfahrung als etwas Notwendigem ausgehen und dann den Beweis dadurch führen,

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dass man zeigt, dass die Gültigkeit des Kausalprinzips eine notwendige Bedingung für eine spezielle Art von Erfahrungen, nämlich die von Ereignissen, ist. Wenn Erfahrung überhaupt notwendig möglich ist, so ist auch die notwendige Bedingung erfüllt, unter der sie (in diesem besonderen Fall) möglich ist. Ist aber die Gültigkeit des Kausalprinzips eine solche notwendige Bedingung, so ist sie damit bewiesen. Kant begeht insofern keinen Zirkel in der Begründung des Kausalprinzips, als er die allgemeine Möglichkeit der Erfahrung in der transzendentalen Deduktion der Kategorien ganz unabhängig vom Kausalprinzip aus Gründen a priori beweist. Er zeigt dort, dass die Kategorien die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung sind. Aber diese Möglichkeit der Erfahrung ist durch Kategorien nur insofern begründet, als diese Kategorien diejenige objektive synthetische Einheit der Apperzeption enthalten, die um der analytischen Einheit des Selbstbewusstseins willen notwendig ist. Da aber die analytische Einheit der Apperzeption notwendig möglich ist, ist auch Erfahrung, d. h. empirische Erkenntnis von Objekten einer sinnlichen Anschauung, vermittelst der Kategorien notwendig möglich. Die Einheit des Selbstbewusstseins ist also der letzte Grund der objektiven Gültigkeit der Kategorien, inklusive der Kategorie der Kausalität. Nur weil ohne diese Gültigkeit der Kategorien von Erscheinungen keine objektive synthetische Einheit der Apperzeption eben dieser Erscheinungen möglich ist, gelten diese Kategorien von ihren empirisch gegebenen und als Objekte gedachten Objekten, d. h. von den Objekten einer möglichen Erfahrung und nur von diesen als solchen. Kehren wir zum Schluss zu Schulze zurück. Er will zeigen, dass Humes Skeptizismus durch die Vernunftkritik nicht widerlegt worden ist. Das gilt auch für Kants Erklärung der Möglichkeit der Erfahrung, die Schulze anhand des Begriffs und Grundsatzes der Kausalität analysiert hat. Dabei war eine Unklarheit hinsichtlich der Art und Weise, wie das Kausalprinzip nach Schulzes Verständnis Kants die Erfahrung möglich machen soll, übrig geblieben. Diese Unklarheit findet nun ihrerseits ihre Erklärung in den Ausführungen, die Schulze über Kants angebliche Begründung aller notwendigen synthetischen Urteile macht. Nach Schulze hat Kant die Lösung für das allgemeine Problem, „Wie notwendige synthetische Urteile in uns möglich sind?“ nur dadurch gefunden, „daß er den Grundsatz der Kausalität auf gewisse Urteile, die nach der Erfahrung in uns da sind, anwendet; diese Urteile unter den Begriff der Wirkung von Etwas subsumiert; und dieser Subsumtion gemäß das Gemüt für die wirkende Ursache derselben annimmt und ausgibt“ (Ae, 137). Demnach haben wir eine innere Erfahrung von in uns vorhandenen notwendigen synthetischen Urteilen, und Kant erklärt deren Existenz als Wirkung einer Ursache namens „Gemüt“. Da nun diese notwendigen synthetischen Urteile, wie z. B. das Kausalprinzip, „aus dem Gemüte und aus dem inneren Quell des

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Vorstellens herrühren und sich doch auf Gegenstände beziehen, schließt [Kant], daß diese Urteile nur die Form der Erfahrungserkenntnis ausmachen und erst durch Anwendung auf empirische Wahrnehmung eine Bedeutung erhalten“ (Ae, 137 f.). Die Erklärung der Existenz und objektiven Gültigkeit des Kausalprinzips und seiner Rolle bei der Ermöglichung der Erfahrung soll also in der Anwendung des Kausalprinzips auf das Gemüt und seine Inhalte bestehen, so dass das Kausalprinzip selber eine Wirkung des Gemüts als seiner Ursache ist. Es versteht sich, von selbst, dass Hume sich durch einen solchen unkritischen Gebrauch des von ihm in seiner Gültigkeit gerade bezweifelten Prinzips nicht widerlegt sehen kann. „Hume würde also von dem Verfasser der Vernunftkritik fordern, ihm erst Rede und Antwort darüber zu geben, mit welchem Rechte bei der Grundlegung der kritischen Philosophie eine Anwendung vom Satze der Kausalität gemacht worden sei, und wie diese Philosophie […] dazu komme, eine Begebenheit, nämlich das Dasein der notwendigen synthetischen Sätze in uns, für die Wirkung von einer davon verschiedenen Ursache […] zu halten“ (Ae, 138). Es ist nach dieser Art der Kant-Kritik mit Hilfe Humes und der darin enthaltenen Verteidigung des Skeptizismus sehr verständlich, dass Maimon urteilte: „Ich halte […] den Skepticismus des Aenesidemus […] für vernunftwidrig und ungegründet“¹².

 Salomon Maimon, Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens. Nebst angehängten Briefen des Philaletes an Aenesidemus, Berlin 1794, ND Berlin 1912, 268.

Kants „Möglichkeit der Erfahrung“ Julius Ebbinghaus zum Gedenken

Kants bekanntester Satz über die Möglichkeit der Erfahrung lautet: „die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung“ (A 158, B 197). Dieser verkürzte Satz wird gelegentlich sogar für den obersten Grundsatz aller synthetischen Urteile gehalten (Heidegger 1962, S. 143, 188), obwohl er nur eine analytische Trivialität ausspricht. Denn werden Gegenstände als Gegenstände der Erfahrung gedacht, so ist das, was die Möglichkeit ihrer Erfahrung überhaupt bedingt, zugleich auch Bedingung ihrer Möglichkeit als erfahrbarer Gegenstände, genauer: dieser Gegenstände in ihrer Erfahrbarkeit. Aber der Satz handelt in der Fortsetzung „und haben darum objective Gültigkeit in einem synthetischen Urtheile a priori“ von einer notwendigen Folge des „obersten Principium[s] aller synthetischen Urtheile“ (A 158, B 197). Nach diesem steht ein jeder Gegenstand unter den „nothwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung“ (ebd.), und da diese notwendigen Bedingungen die Kategorien sind, so ergibt sich daraus die notwendige objektive Gültigkeit oder Wahrheit derjenigen synthetischen Grundsätze a priori des reinen Verstandes, in denen die Gegenstände der empirischen Anschauung in einer möglichen Erfahrung (Erscheinungen) unter die Kategorien als Prädikate subsumiert werden. Das System der Grundsätze des reinen Verstandes besteht also aus Sätzen, in denen der oberste Grundsatz auf die jeweiligen Kategorien angewandt wird. Der Beweisgrund der Grundsatzbeweise ist aber in allen Fällen die Möglichkeit der Erfahrung der jeweils subsumierten Erscheinungen. Wenn von ihnen Erfahrung möglich sein soll, so müssen die Gegenstände dieser Grundsätze, also die jeweiligen Erscheinungen, als durch je verschiedene Kategorien bestimmt gedacht werden. Die Subsumtion der Erscheinungen unter ihre Kategorien, also der Grundsatz selbst, wird als wahr bewiesen, indem er als notwendige Bedingung für die Erfahrbarkeit der Erscheinungen, von denen er handelt, erkannt wird. Man kann von einem solchen Grundsatz des reinen Verstandes mit Kant sagen, „dass er seinen Beweisgrund, nämlich Erfahrung, selbst zuerst möglich macht und bei dieser immer vorausgesetzt werden muss“ (A 737, B 765). Daraus ergeben sich sogleich zwei Einwände gegen Kants Argumentation: (1) Wenn z. B. das Kausalprinzip nur als notwendige Bedingung der Erfahrbarkeit von objektiven Ereignissen als solchen gültig und erweisbar ist, und umgekehrt, Erfahrung in ihrer Möglichkeit von der vorausgesetzten Gültigkeit des Kausalprinzips abhängt, so ergibt sich ein Begründungszirkel, d. h. eine Diallele, die die skeptischen https://doi.org/10.1515/9783110605327-027

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Kants „Möglichkeit der Erfahrung“

Einwände Humes gegen die Beweisbarkeit des Kausalprinzips zu bestätigen scheint. (2) Wenn z. B. das Kausalprinzip den Beweisgrund für die Möglichkeit der Erfahrung von Ereignissen liefern soll, so ist doch zunächst einmal zu fragen, ob eine solche Erfahrung überhaupt möglich ist. Denn dass wir Erfahrung von Ereignissen wirklich haben, ist nur solange ein Argument für die Möglichkeit einer solchen Erfahrung, als man nicht danach fragt, warum wir glauben, solche Erfahrungen zu haben. Sollte aber danach gefragt werden, so wird man für die behauptete Wirklichkeit der Erfahrung Argumente anführen müssen, die nur darin bestehen können, Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung von Ereignissen anzugeben und zu zeigen, dass diese im gegebenen (wirklichen) Falle erfüllt sind. Natürlich kann man sich auch mit Strawson einfach auf „the metaphysical fact“ berufen, „that […] nothing, after all, really exists but our representations and experiences“ (Strawson 1966, S. 195, vgl. 198) und zugleich annehmen, dass Erfahrungen von Ereignissen dazu gehören. Zwar sind solche „representations“, „perceptions“ und „experiences“ im Sinne Berkeleys und Strawsons gewiss nicht das, was Kant unter Erfahrungserkenntnissen verstand. Nimmt man aber an, dass es solche zum Beispiel im Falle von Ereignissen objektiv gültigen Erfahrungssätze über sie gibt, so entfällt jeder Bedarf nach ihrer Begründung, ja es wird sogar zweifelhaft, ob es sinnvoll ist, die objektive Gültigkeit von Erfahrungsätzen für begründungsbedürftig zu halten. Es scheint also hinsichtlich der Möglichkeit der Erfahrung nur zwei Erklärungen geben zu können. Entweder sie folgt aus der Wirklichkeit der Erfahrung, von welcher Wirklichkeit wir empirische Kenntnisse haben. Das wäre eine bloße petitio principii. Oder die Möglichkeit der Erfahrung lässt sich a priori begründen, sie ist selbst nichts Empirisches. Dann kann sie zwar, wie in den Grundsatzbeweisen, als Beweisgrund für Grundsätze des reinen Verstandes, wie zum Beispiel das Kausalprinzip, dienen, aber nur dann, wenn diese Möglichkeit der Erfahrung selbst nicht als aus der Gültigkeit von Verstandesgrundsätzen folgend angesehen wird. Wie steht es also um die Möglichkeit der Erfahrung bei Kant? Warum ist sie „das, was allen unseren synthetischen Erkenntnissen a priori [einschließlich derer in der Mathematik] objective Realität giebt“ (A 156, B 195)?

1 Die Möglichkeit der Erfahrung in der Deduktion der Kategorien Von der Möglichkeit der Erfahrung spricht Kants zuerst im Übergang zur transzendentalen Deduktion der Kategorien (A 92, B 124), nach demjenigen Abschnitt

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dieses „Übergangs“ (A 92 f.), der gemäß der Vorrede A „allenfalls […] allein hinreichend sein kann“ (A XVII), damit die objektive Deduktion der reinen Verstandesbegriffe „ihre ganze Stärke bekomme“ (ebd.). Diese objektive Deduktion „bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes und soll die objective Gültigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen“ (A XVI). Diese Aufgabe und ihre Bewältigung gehören, wie Kant sagt, „wesentlich zu meinen Zwecken“ (ebd.). Diese Zwecke sind die „Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen“ im Sinne der „Bestimmung der Regeln und Gränzen seines Gebrauchs“, und sie sind ihrerseits die notwendigen Mittel zur Beantwortung der Kantischen „Hauptfrage“: „was und wie viel kann Verstand und Vernunft frei von aller Erfahrung erkennen?“ (ebd.) Es ist klar, dass in dieser Hauptfrage nicht nach der Möglichkeit der Erfahrung, sondern nach den Gegenständen und Grenzen nicht-empirischer Erkenntnis in Mathematik und Metaphysik gefragt wird. Dennoch lautet schließlich Kants Antwort auf diese Frage: nur die Möglichkeit der Erfahrung ist „frei von aller Erfahrung“ zu erkennen, und damit sind auch die Gegenstände dieser möglichen Erfahrung die einzigen Gegenstände, von denen wir eine (synthetische) Erkenntnis a priori haben können. So heißt es in der Zusammenfassung der Kategoriendeduktion in der zweiten Auflage: „[f]olglich ist uns keine Erkenntnis a priori möglich, als lediglich von Gegenständen möglicher Erfahrung“ (B 166). Damit ist natürlich noch nicht geklärt, wie „die Möglichkeit unserer Erkenntnis a priori von Gegenständen der Erfahrung“ (Prol, AA 04: 375 n) ihrerseits zu begreifen ist, und Kant behauptet sogar, dass dieses „ein Problem ist, das bisher noch nicht aufgelöset, ja nicht einmal aufgeworfen worden“ (ebd.). Die paradoxe Antwort auf die Hauptfrage folgt aus Kants neuem Begriff der Erkenntnis und aus der Voraussetzung, dass alle menschliche Anschauung sinnlich ist, ihre Gegenstände also Erscheinungen (sensibilia) sind: Es sind aber zwei Bedingungen, unter denen allein die Erkenntnis eines Gegenstandes möglich ist, erstlich Anschauung, dadurch derselbe, aber nur als Erscheinung gegeben wird; zweitens Begriff, dadurch ein Gegenstand gedacht wird, der dieser Anschauung entspricht. (A 92, B 125)

Anschauungen haben also für sich und ohne Begriff keinen Gegenstandsbezug; sie sind in diesem Sinne „blind“ (A 51, B 75), und da „Denken […] die Handlung [ist], gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen“ (A 247, B 304), so sind Begriffe, durch die ein Gegenstand ohne Anschauung gedacht wird, leere Begriffe von einem Gegenstand überhaupt. In Verbindung miteinander machen Anschauungen und Begriffe Erkenntnis nur von Erscheinungen möglich, und dass diese Erscheinungen bloße Erscheinungen und keine Dinge an sich sind, folgt aus der Bedingtheit ihrer Anschauungen durch Raum und Zeit, von denen

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Kant in der transzendentalen Ästhetik gezeigt hat, dass sie nur subjektive Formen der Sinnlichkeit des Menschen sind. Als Formen der Erscheinungen sind Raum und Zeit zugleich formale Bedingungen a priori der empirischen Anschauung aller Gegenstände in ihnen, die mit ihnen also notwendig übereinstimmen. Das ist die objektive Deduktion der „formalen Bedingungen der Sinnlichkeit“ (A 93, B 125). Sollte sich nun erweisen lassen, dass es „auch Begriffe a priori“ gibt, die „vorausgehen, als Bedingungen, unter denen allein etwas […] als Gegenstand überhaupt gedacht wird“ (ebd.), dann wäre „alle empirische Erkenntnis der Gegenstände solchen Begriffen nothwendigerweise gemäß, weil ohne deren Voraussetzung nichts als Object der Erfahrung möglich ist“ (A 93, B 126). Damit wäre auch eine objektive Deduktion dieser Begriffe gesichert. „[F]olglich wird die objective Gültigkeit der Kategorien als Begriffe a priori darauf beruhen, dass durch sie allein Erfahrung (der Form des Denkens nach) möglich sei.“ (ebd.) Und so wäre zugleich die Gültigkeit der Kategorien von den Gegenständen dieser Erfahrung bewiesen, sofern „nur vermittelst ihrer überhaupt irgend ein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann“ (ebd.). Mit Blick auf diese objektive Deduktion von Raum, Zeit, und Kategorien (die im letzteren Falle noch bevorsteht) resümiert Kant das gemeinsame Beweisprinzip: Die transzendentalen Deduktion aller Begriffe a priori hat also ein Principium, worauf die ganze Nachforschung gerichtet werden muss, nämlich dieses: dass sie als Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrung erkannt werden müssen, (es sei der Anschauung, die in ihr angetroffen wird, oder des Denkens). (A 94, B 126)

Die Objektivität dieser objektiven Deduktionen beruht darauf, dass gezeigt wird, dass die betreffenden Begriffe „den objectiven Grund der Möglichkeit der Erfahrung abgeben“ (ebd.), also insofern „nothwendig“ von den Objekten dieser Erfahrung gültig sind, weil ohne sie gar keine Objekte der Erfahrung gedacht werden können. Insbesondere im Hinblick auf den Begriff der Ursache und ihre Kausalität schärft Kant schon hier ein: „[o]hne diese ursprüngliche Beziehung auf mögliche Erfahrung, in welcher alle Gegenstände der Erkenntnis vorkommen, würde die Beziehung [dieser Begriffe] auf irgend ein Object gar nicht begriffen werden können.“ (A 94, B 126 f.) Neben diesen objektiven Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung nennt Kant im Vorblick auf die subjektive Deduktion der Kategorien (A 96 – A 130, und entsprechend B 129 – B 169) auch subjektive Bedingungen, nämlich „drei ursprüngliche Quellen (Fähigkeiten und Vermögen der Seele), die die Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung enthalten“ (A 94) und die auch „die subjectiven Quellen, welche die Grundlage a priori zu der Möglichkeit der Erfahrung aus-

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machen“ (A 97) genannt werden. Auch handelt der ganze Zweite Abschnitt der ADeduktion Von den Gründen a priori zur Möglichkeit der Erfahrung (A 95), die auch die subjektiven (!) „Bedingungen a priori […], worauf die Möglichkeit der Erfahrung ankommt, und ihr zum Grunde liegen“ (A 96) genannt werden. Durch diese Formulierungen ist es ausgeschlossen, dass die Möglichkeit der Erfahrung, von der Kant spricht, aus der Wirklichkeit dieser Erfahrung, also aus der Erfahrung als einem Faktum erschlossen wird. Die Möglichkeit der Erfahrung ist nichts Empirisches etwa in dem Sinne, wie man behaupten könnte, dass man aus Erfahrung wisse, dass es Erfahrung wirklich gibt. Obwohl Kant gewiss nicht an der Wirklichkeit der Erfahrung gezweifelt hat, hat er ihre Möglichkeit a priori begründen wollen und nicht aus ihrer Wirklichkeit gefolgert.¹ Wenn er also die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung erforschte, so konnten sie nur in einer transzendentalen Untersuchung gefunden werden, also in einer nichtempirischen Erkenntnis dessen, was a priori diese Möglichkeit begründet. Wenn aber die objektive und die subjektive Deduktion der Kategorien beide auf die Möglichkeit der Erfahrung als ihren Beweisgrund rekurrieren, wobei die subjektive Deduktion, da sie nicht zu den wesentlichen Zwecken Kants gehört (vgl. A XVII), auch wegfallen kann, wie es in den Prolegomena geschieht (in denen die Möglichkeit der Erfahrung aber weiterhin eine zentrale Rolle spielt), und wenn diese Möglichkeit der Erfahrung a priori eingesehen werden kann, so stellt sich erst recht die Frage nach dem Grunde, durch den sie selbst als notwendige erkennbar wird. Das aber heißt zu fragen, mit Beziehung worauf ist die Möglichkeit der Erfahrung etwas Notwendiges, also a priori Bestehendes, was macht sie notwendig? An dieser Stelle ist die Notwendigkeit der Kantischen Unterscheidung zwischen der objektiven und der subjektiven Deduktion der Kategorien einsichtig zu machen. Denn das Argument für die objektive Gültigkeit der Kategorien bestand in der objektiven Deduktion darin, dass sie objektiv gültig sind, weil sie die objektiven Bedingungen der dabei bloß vorausgesetzten Möglichkeit der Erfahrung seien. Aber warum sollte diese Möglichkeit bestehen, da bisher kein Argument dafür vorgetragen wurde? Natürlich gilt: wenn die Möglichkeit der Erfahrung vorausgesetzt wird, dann gelten auch ihre notwendigen objektiven Bedingungen, nämlich die Kategorien. Sie haben objektive Gültigkeit von allen möglichen Gegenständen der Erfahrung, auch wenn man aus dieser objektiven Deduktion nicht erfährt, wie diese Begriffe Erfahrung möglich machen und warum es gerade die Kategorien sind, die diese Rolle spielen. Diese Fragen werden erst in der sub-

 Ich habe die diesbezüglichen Verwirrungen in zwei Aufsätzen diskutiert: Die Möglichkeit der Erfahrung und die analytische Methode bei Reinhold (2004), s.o. S. 357 ff. und Die Möglichkeit der Erfahrung bei Maimon und Schulze, s. o. S. 371 ff.

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jektiven Deduktion (in den Versionen A und B) beantwortet, die damit ebenso einen Beweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien liefert, aber die Möglichkeit der Erfahrung nicht voraussetzt, sondern a priori begründet, also als notwendig erkennen lässt. Während also die objektive Deduktion nur schließt: wenn die Möglichkeit der Erfahrung besteht und wenn die Kategorien die objektiven Bedingungen dieser Möglichkeit sind, dann gelten die Kategorien von den durch sie erst möglichen Objekten, geht die subjektive Deduktion von der Möglichkeit der Apperzeption aus und zeigt auf, dass Erfahrungserkenntnis ad hominem notwendig möglich ist, wenn die Einheit dieser Apperzeption (in der B-Version) eine ursprünglich-synthetische und zugleich objektive ist, die für alle Wahrnehmungen in uns gilt. Wenn sich das zeigen lässt, so ist auch gezeigt, dass die Möglichkeit der Erfahrung zugleich für uns und unser Selbstbewusstsein notwendig und dennoch gegenüber den Kategorien und ihren Objekten „etwas ganz Zufälliges“ (A 737, B 765) ist. Geht man also von der Erfahrung als etwas Möglichem aus und setzt voraus, dass etwas Gegenstand möglicher Erfahrung ist, so lässt sich zeigen, dass die Kategorien für unseren diskursiven Verstand notwendig von diesem Gegenstand in seiner Erfahrbarkeit gelten. Das zeigen auch die Grundsatzbeweise. Aber diese Grundsatzbeweise setzen ihrerseits die Möglichkeit der Erfahrung bloß voraus und beweisen nur, dass zum Beispiel im Falle von Ereignissen eine objektive empirische Erkenntnis (Erfahrung) solcher Ereignisse ohne die dafür notwendige Annahme der Geltung der Kategorie von Ursache und Wirkung nicht möglich ist. Am Anfang der (subjektiven) Deduktion der Kategorien in A sagt Kant im Vorblick auf die nachfolgenden Erörterungen: [Die] Begriffe nun, welche a priori das reine Denken bei jeder Erfahrung enthalten, finden wir an den Kategorien, und es ist schon eine hinreichende Deduktion derselben, und Rechtfertigung ihrer objectiven Gültigkeit, wenn wir beweisen können: dass vermittelst ihrer allein ein Gegenstand gedacht werden kann. (A 96 f.)

Damit hat Kant den höchsten Gattungen des Seienden bei Aristoteles eine ganz neue Bedeutung verliehen. Kategorien gelten jetzt von ihren Objekten, weil ohne sie kein Gegenstand der Wahrnehmung gedacht werden kann, auf den sich diese Wahrnehmungen als auf etwas von ihnen Verschiedenes beziehen könnten. Das soll es also heißen, wenn Kant sagt, dass sie „a priori das reine Denken bei jeder Erfahrung enthalten“. In den Kategorien wird also nicht das Seiende als solches gedacht, sondern der Gegenstand der Erfahrung als solcher, um dessen objektive Erkenntnis vermittelst nur subjektiver und aufeinander folgender Wahrnehmungen es geht. Sollte sich also zeigen lassen, dass die Kategorien die Erfahrung in diesem Sinn „der Form nach auch allererst möglich machen“ (A 130), so haben

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diese Kategorien, trotz ihres subjektiven Ursprungs im reinen Verstande, nachweislich Gültigkeit von Objekten, die, wegen der Abhängigkeit ihrer Gegebenheit von unseren Sinnen, nur Erscheinungen sind. Am Ende der (subjektiven) Deduktion der Kategorien in der B-Auflage heißt es in § 26 entsprechend: „so sind die Kategorien Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung und gelten also a priori auch von allen Gegenständen der Erfahrung“ (B 161). Objektive und subjektive Deduktion der Kategorien haben in beiden Auflagen der Kritik dasselbe Beweisziel. Das heißt aber nicht, dass die Art, wie Kategorien Erfahrung ihrer Form nach a priori möglich machen, in den beiden subjektiven Deduktionen identisch ist. Beschränken wir uns auf die B-Deduktion. Hier heißt es im § 27, dass die Kategorien „die Gründe der Möglichkeit aller Erfahrung überhaupt [also nicht bloß meiner oder deiner Erfahrung] enthalten“ (B 167). Aber dann wird hinzugefügt: „[w]ie sie aber die Erfahrung möglich machen, und welche Grundsätze der Möglichkeit derselben sie […] an die Hand geben, wird das folgende Hauptstück […] das mehrere lehren“ (ebd.) Diese Stelle nötigt uns, das Wie der Ermöglichung der Erfahrung nicht nur in den beiden subjektiven Deduktionen der A- und B-Auflage zu unterscheiden, sondern auch auf den Unterschied zwischen der B-Deduktion und den Grundsatzbeweisen hinsichtlich dessen zu achten, wie die Möglichkeit der Erfahrung jeweils verstanden wird. Einen Hinweis auf das Verständnis der Möglichkeit der Erfahrung in der BDeduktion liefert das Resultat dieser Deduktion der Verstandesbegriffe in § 27 in knapper Zusammenfassung: Wir können uns keinen Gegenstand denken, ohne durch Kategorien; wir können keinen gedachten Gegenstand erkennen, ohne durch Anschauungen, die jenen Begriffen entsprechen. Nun sind alle unsere Anschauungen sinnlich, und diese Erkenntniß, sofern der Gegenstand derselben gegeben ist, ist empirisch. Empirische Erkenntniß aber ist Erfahrung. Folglich ist uns keine Erkenntniß a priori möglich, als lediglich von Gegenständen möglicher Erfahrung. (B 165 f.)

Zweierlei fällt sogleich in die Augen. (1) Auch diese subjektive Deduktion wird als Antwort auf die Frage angesehen, „was und wieviel kann Verstand und Vernunft, frei von aller Erfahrung, erkennen“ (A XVII). Diese Hauptfrage gehörte zur objektiven und wesentlichen Seite der Deduktion, die sich „auf die Gegenstände des reinen Verstandes“ (A XVI) bezieht und „die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori darthun und begreiflich machen“ soll. Also liefert auch die subjektive BDeduktion eine Antwort auf diese Frage der objektiven Deduktion in beiden Auflagen. (2) Die Erkenntnis a priori von Gegenständen, die nur als Erkenntnis a priori von Gegenständen möglicher Erfahrung möglich ist, ist nicht nur eine dem Gegenstandsbereich nach eingeschränkte Erkenntnis, sondern sie beruht ihrer

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Möglichkeit nach auf der Bestimmbarkeit a priori der Erscheinungen als Vorstellungen des inneren Sinnes durch Begriffe des reinen Verstandes, also auf den subjektiven Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung. Darüber heißt es im Kurzen Begriff dieser Deduktion: Sie ist die Darstellung der reinen Verstandesbegriffe […] als Principien der Möglichkeit der Erfahrung, dieser [Erfahrung] aber, als Bestimmung der Erscheinungen in Raum und Zeit überhaupt, – endlich dieser [Raum und Zeit] aus dem Princip der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperception, als der Form des Verstandes in Beziehung auf Raum und Zeit als ursprüngliche Formen der Sinnlichkeit. (B 168 f.)

Wenn also die Kategorien sich als Prinzipien der Möglichkeit einer Erfahrung erweisen sollen, die ihrerseits als Erkenntnis und das heißt als Bestimmung der Erscheinungen in ihrem Verhältnis zueinander und nach ihrer Stelle in Raum und Zeit überhaupt gedacht wird, also mit Bezug auf die Gesamtheit der Natur als Raum und Zeit erfüllender natura materialiter spectata, so reduziert sich die Lösung des Problems der Deduktion der Kategorien auf den Nachweis dessen, dass alle Erscheinungen der Natur, ihrer Verbindung nach, unter den Kategorien stehen, von welchen [somit] die Natur (bloß als Natur überhaupt betrachtet) als dem ursprünglichen Grunde ihrer nothwendigen Gesetzmäßigkeit (als natura formaliter spectata) abhängt. (B 165)

Insofern müsste dem Verstand das Vermögen zukommen, „durch bloße Kategorien den Erscheinungen [in Raum und Zeit] a priori Gesetze vorzuschreiben“ (ebd.). Dieser Wechsel in der Terminologie von den „Gegenständen möglicher Erfahrung“ zu „allen Erscheinungen der Natur ihrer Verbindung nach“ bezeichnet das Spezifische der subjektiven Deduktion der Kategorien, das u. a. darin besteht, den Nachweis der Gültigkeit dieser Kategorien nicht anhand der besonderen Objekte besonderer Kategorien zu führen, sondern von dem Kollektivobjekt Natur, und diese Natur ihrerseits nur als „Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit“ (ebd.) zum Problem zu machen. Es ist klar, dass Kant hier auf die „Grundsätze des reinen Verstandes“ anspielt, die zugleich die allgemeinen und transzendentalen Naturgesetze sind, und durch die Kategoriendeduktion vorbereitet werden. In der (subjektiven) B-Deduktion heißt das Problem der objektiven Gültigkeit der Kategorien inzwischen: „wie es zu begreifen sei, dass die Natur sich nach [den Kategorien] richten müsse, d. i. wie sie die Verbindung des Mannigfaltigen der Natur […] a priori bestimmen können“ (B 163). Kants „Auflösung dieses Rätsels“ (ebd.) lautet schließlich:

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Erscheinungen sind nur Vorstellungen von Dingen […] Als bloße Vorstellungen aber stehen sie unter gar keinem Gesetze der Verknüpfung, als demjenigen, welches das verknüpfende Vermögen vorschreibt. Nun ist das, was das Mannigfaltige der sinnlichen Anschauung verknüpft, Einbildungskraft, die vom Verstande der Einheit [seiner] intellectuellen Synthesis und von der Sinnlichkeit der Mannigfaltigkeit der Apprehension nach abhängt. Da nun von der Synthesis der Apprehension alle mögliche Wahrnehmung, sie selbst aber, diese empirische Synthesis, von der transzendentalen, mithin den Kategorien abhängt, so müssen alle mögliche Wahrnehmungen, mithin auch alles, was zum empirischen Bewusstsein immer gelangen kann, d. i. alle Erscheinungen der Natur, ihrer Verbindung nach unter den Kategorien stehen, von welchen die Natur (bloß als Natur überhaupt betrachtet) als dem ursprünglichen Grunde ihrer nothwendigen Gesetzmäßigkeit […] abhängt (B 164 f.).

Diese Zusammenfassung des (zweiten Teils des) Beweisgangs der B-Deduktion hat zwar den Vorzug der Verständlichkeit, ist aber nicht dazu geeignet, unmittelbar auch verständlich zu machen, inwiefern die Kategorien Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung sind und wie sie sich zu Raum und Zeit verhalten, die ihrerseits solche Bedingungen sind. Von beidem ist aber im Kurzen Begriff dieser Deduktion die Rede. Erfahrung, deren Möglichkeit durch die Kategorien begründet wird, ist hier definiert als „Bestimmung der Erscheinungen in Raum und Zeit überhaupt“ (B 168 f.). Demnach ermöglichen es die Kategorien, aus dem Mannigfaltigen der Erscheinungen in Raum und Zeit diejenigen als ein Objekt der Erfahrung bezeichnend vom bloß subjektiven Rest zu unterscheiden, die im Verhältnis zur Gesamtheit von Raum und Zeit eine a priori bestimmenbare Stelle in ihnen einnehmen, d. h. in einem a priori bestimmbaren konstanten Verhältnis zueinander stehen. Eine solche, empirische Objekterkenntnis ermöglichende selektive Anwendung der Kategorien auf Erscheinungen als bloßen Vorstellungen von Dingen setzt somit die reine formale Anschauung von Raum und Zeit als Gegenständen voraus, innerhalb derer den Erscheinungen ihre Verhältnisse und Positionen a priori angewiesen werden können, bei deren Nichtbesetzung die Erscheinungen ihren Status als bloß subjektive Wahrnehmungen im inneren Sinn behalten. Raum und Zeit werden als reine formale Anschauungen dadurch ermöglicht, dass sie selbst nicht mehr nur „als ursprüngliche Formen der Sinnlichkeit“ (B 169) fungieren, sondern (vermittelst der produktiven Einbildungskraft) als Quasiobjekte vorgestellt werden und damit als für die Erfahrung als Objektbestimmung notwendige Substrate der Erscheinungen, die in sich homogene und unendlich ausgedehnte Ganze (tota) sind (vgl. Reich 2001, S. 71). Die Vorstellung von Raum und Zeit als solchen den Kategorien gemäßen Quasiobjekten der Einbildungskraft (entia imaginaria originaria), also als angeschauten Individuen, ist Folge des Gedachtwerdens der Formen unserer Sinnlichkeit als synthetische Einheiten, bestimmt „aus dem Princip der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperception, als der Form des Verstandes“ (B 169), die auch

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allen reinen Verstandesbegriffen zugrundeliegt. Der zweite Teil von Kants Kategoriendeduktion beruht demnach auf dem Argument, dass die Apprehension des Mannigfaltigen in einer empirischen Anschauung, durch die Wahrnehmung möglich wird, den Formen a priori der sinnlichen Anschauung gemäß sein muss. Da nun Raum und Zeit als formale und reine Anschauungen durch synthetische Einheit und d. h. durch Verbindung bestimmt sind, so ist diese Verbindung „mit (nicht in) diesen Anschauungen zugleich gegeben“ (B 161) und als solche ihrerseits „a priori […] Bedingung der Synthesis aller Apprehension“ (ebd.) und damit aller Wahrnehmung der Erscheinungen. Da aber alle synthetische Einheit des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, wie alle Verbindung, der Synthesis und damit den Kategorien des Verstandes gemäß sein muss, so steht alle auf Wahrnehmung beruhende Erfahrung mittelbar unter den Kategorien als Bedingungen der Möglichkeit dieser Erfahrung. Somit ist also die These von der Abhängigkeit der Möglichkeit der Erfahrung von den Kategorien auf ein Argument gestützt, durch das das Bestimmtsein von Anschauungsformen zur synthetischen Einheit formaler Anschauung zum Angelpunkt wird. Wird nämlich diese synthetische Einheit auf die Kategorien zurückgeführt, so wird aus der Doppelnatur von Raum und Zeit ein Argument für die indirekte Abhängigkeit der Möglichkeit der Erfahrung von den Kategorien. D. h. aber, dass hier ein Grund dafür angeführt wird, dass die Möglichkeit der Erfahrung als a priori von reinen Verstandesbegriffen abhängig zu denken ist. Was ist dann der Grund a priori für die notwendige Möglichkeit der Erfahrung? Es ist das, was die Bestimmung der Erscheinungen in Raum und Zeit überhaupt, ihre Erkenntnis als Objekte, a priori möglich macht, also der Raum und die Zeit selbst, sofern sie nicht bloß ursprüngliche Formen der Sinnlichkeit, sondern zugleich den Kategorien entsprechende reine formale Anschauungen (notwendige Substrate der Erscheinungen als homogene und unendliche Ganze) sind, was sie sein müssen, wenn sie „aus dem Princip der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperception, als der Form des Verstandes“ (B 169) als Individuen bestimmt und damit objektiviert werden. Also ist das Vermögen der synthetischen Einheit der Apperzeption nicht nur „der Verstand selbst“ (B 134 n), sondern auch dasjenige, was die Übereinstimmung von Begriffen dieses Verstandes mit den sinnlichen Anschauungen, die zu jeder diskursiven Erkenntnis von Objekten überhaupt, einschließlich der Erfahrung, notwendig ist, möglich und sogar um der analytischen Einheit des Selbstbewusstseins willen notwendig macht.

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2 Die Möglichkeit der Erfahrung in den Beweisen der Grundsätze Die Grundsatzbeweise für die objektive Gültigkeit der Kategorien von ihren Gegenständen, den Erscheinungen in Raum und Zeit, unterscheiden sich zweifach von der transzendentalen Deduktion der Kategorien. Unter der gemeinsamen Voraussetzung, dass Kategorien nur von Erscheinungen und nicht von Dingen an sich gelten, geht es (1) um die notwendige und allgemeine Gültigkeit aller besonderen Kategorien von besonderen Erscheinungen, für die in der B-Deduktion nur Beispiele angeführt wurden; (2) wird in diesen Beweisen vorausgesetzt, dass es Erfahrung von solchen besonderen Erscheinungen gibt; der jeweilige Beweis beruht auf dem Nachweis, wie Erfahrung von dieser besonderen Erscheinung als objektive empirische Erkenntnis nur durch die vorausgesetzte Gültigkeit des Grundsatzes möglich wird. Also gilt der vorausgesetzte Grundsatz, insofern er die notwendige Bedingung für die Erfahrbarkeit seines Gegenstandes ist. Es ist klar, dass der seit Reinhold, Maimon, Beck und Tieftrunk vertretene oder erörterte Zirkelvorwurf ² hier ansetzen kann. Und es ist ebenfalls klar, dass dieser Vorwurf abgewehrt werden kann, wenn sich ein von der Beweisführung in den Grundsatzbeweisen unabhängiger Grund für die notwendige Möglichkeit der Erfahrung von Erscheinungen anführen lässt und damit für die Gültigkeit der Kategorien als derjenigen Begriffe, durch die allein Erscheinungen a priori als Objekte der Erfahrungserkenntnis gedacht werden können. Den letzteren Beweis haben wir im ersten Teil besprochen. Ich beschränke mich im Folgenden auf eine Erörterung des Beweises der zweiten Analogie der Erfahrung in seinem synthetischen Teil (A 199, B 244– A 202, B 247). Zuvor ist jedoch auf die Bedingungen der Anwendung der Kategorien auf Erscheinungen einzugehen, die Kant die Schemata der reinen Verstandesbegriffe nennt. Für den Grundsatz der Kausalität (den Kant auch den ‚Satz vom zureichenden Grunde‘ nennen kann: A 200, B 246) ist das entsprechende Schema das „der Ursache und der Kausalität eines Dinges überhaupt“ (A 144, B 183). Es ist „das Reale, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit etwas anderes folgt“ (ebd.). Das Gesetztwerdenkönnen einer Erscheinung, auf die zu allen Zeiten eine anderer Erscheinung folgt, entspricht also einer Übertragung der Ordnung der Zeiten in der einen Zeit „auf die Erscheinungen und deren Dasein“ (A 199, B 245), die dadurch erfolgt, dass der Verstand

 Vgl. Fußnote 1.

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jeder derselben als Folge eine, in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Teilen a priori ihre Stelle bestimmt, übereinkommen würde (ebd.).

An dieser Stelle rekurriert Kant auf die im Schema der Ursache schon enthaltene Konzeption des Experiments³, das heißt der beliebigen Setzung eines realen Zustandes (einer Substanz), durch die ich eine Wirkung (einen anderen Zustand) künstlich erzeugen kann, wobei ein solches Experiment auf der Annahme der hypothetischen Notwendigkeit der Wirkungen bei Aktualisierung ihrer Antezedenzbedingungen beruht. So verhält es sich auch mit Geschehnissen oder Ereignissen im Verhältnis zu bestimmten, aber dem Beobachter möglicherweise unbekannten, ihnen vorhergehenden Ereignissen. Daß also etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer möglichen Erfahrung gehört, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung, ihrer Stelle nach, in der Zeit, als bestimmt, mithin als ein Objekt ansehe, welches nach einer Regel im Zusammenhange der Wahrnehmungen jederzeit gefunden werden kann. (A 200, B 245)

Objektiv ist also meine Wahrnehmung eines Geschehnisses dann, wenn ich diese Wahrnehmung selbst erzeugen, also als etwas ansehen kann, das als Erscheinung ihrer Stelle in der Zeit nach a priori bestimmt ist. Dadurch kann ich sie als ein Objekt ansehen, „welches nach einer Regel im Zusammenhange der Wahrnehmungen jederzeit gefunden werden kann“, indem ich das Geschehnis selbst herbeiführen und damit wahrnehmbar und erfahrbar machen kann. Ereignisse als Objekte der Erfahrung müssen nicht selbst experimentell erzeugt und damit Gegenstände einer wirklichen Erfahrung werden. Aber sie sind nur dann objektive Ereignisse, wenn sie etwas sind, das experimentell erzeugt werden könnte, wenn die geeigneten Mittel dafür bereitstünden. Kant fährt fort: „[d]iese Regel aber, etwas der Zeitfolge nach zu bestimmen, ist: daß in dem, was vorhergeht, die Bedingung anzutreffen sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d. i. nothwendigerweise) folgt.“ (A 200, B 245) Wer immer ein Ereignis als zu einer bestimmten Zeit notwendig eintretend denkt, denkt es als Wirkung der Kausalität einer Ursache und zwar gemäß dem Schema dieser Ursache. Also ist der Satz vom zureichenden Grunde [bzw. der Grundsatz der Kausalität] der Grund möglicher Erfahrung [als solcher], nämlich der objektiven Erkenntnis der Erscheinungen, in Ansehung des Verhältnisses derselben, in Reihenfolge der Zeit. (A 200 f., B 246)

 Auf die Bedeutung der „Experimentalmethode“ für Kants Beweisführung hat Klaus Reich in seinen Marburger Vorlesungen der 60er Jahre aufmerksam gemacht.

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Damit ist der Grundsatz der Kausalität bewiesen. Er ist der Grund der Möglichkeit der Erfahrung, das heißt der objektiven empirischen Erkenntnis von Erscheinungen in Sukzession, die wir Ereignisse oder Begebenheiten nennen können, und die, wegen der Notwendigkeit in der Folge der jeweils späteren Phasen dieser Ereignisse, eine Zeitordnung aufweisen, die als eine geregelte Sukzession ihre Objektivität erst durch das Kausalprinzip hat, wodurch sie von der nur faktischen und also kontingenten Sukzession der Wahrnehmungen in mir unterscheidbar wird. Der Grundsatz des Kausalverhältnisses in der Folge der Erscheinungen gilt also für alle Gegenstände der Erfahrung, die Ereignisse sind, also eine zeitliche Sukzession ihrer Teile aufweisen, „weil er selbst der Grund der Möglichkeit einer solchen Erfahrung ist“ (A 202, B 247), nämlich einer objektiven Erkenntnis von solchen Ereignissen, von denen wir eine Wahrnehmung haben. Wie aber macht der Grundsatz diese besondere Erfahrung von besonderen Gegenständen möglich? Kant hat seinen Beweis in sechs Sätzen eigens kommentiert: (1) Nicht nur die mannigfachen Vorstellungen (empirischen Anschauungen), sondern auch die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, durch die sie apprehendiert und bewusst werden, ist jederzeit sukzessiv, „d. i. die Vorstellungen folgen in ihr jederzeit auf einander“ (A 201, B 246), unabhängig davon, ob das vorgestellte Objekt diese Zeitfolge aufweist (ein Ereignis ist) oder nicht (wie bei beharrlichen Gegenständen und Verhältnissen zwischen Gleichzeitigem). (2) Das bedeutet, dass die Vorstellungen zwar in der Einbildungskraft allemal aufeinander folgen, dass diese Folge aber „in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was folgen müsse) gar nicht bestimmt“ ist, „und die Reihe der einander folgenden Vorstellungen kann ebensowohl rückwärts als vorwärts genommen werden“ (A 201, B 246). Das betrifft die Inhalte der zeitlich immer aufeinanderfolgenden Vorstellungen in der apprehendierenden Einbildungskraft. (3) Diese Unbestimmtheit der Ordnung in der Reihe der aufeinanderfolgenden Vorstellungen besteht aber nur, sofern wir diese Vorstellungen als Gemütsbestimmungen betrachten, die ihrerseits durch die Einbildungskraft beliebig und sukzessive apprehendiert werden können. Ist aber diese Synthesis eine Synthesis der Apprehension (des Mannigfaltigen einer gegebenen Erscheinung), so ist die Ordnung im Objekt bestimmt, oder, genauer zu reden, es ist darin eine Ordnung der sukzessiven Synthesis, die ein Objekt bestimmt, nach welcher etwas nothwendig vorausgehen, und wenn dieses gesetzt ist, das andere nothwendig folgen müsse. (ebd.)

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Wird also das apprehendierte Mannigfaltige der Vorstellungen als das Mannigfaltige der Vorstellungen einer „gegebenen Erscheinung“ angesehen, dann ist die Reihenfolge der Vorstellungen nicht mehr dem Belieben der appehendierenden Einbildungskraft überlassen, sondern deren Ordnung ist „im Objekt bestimmt“, d. h. sie ist im Falle eines Ereignisses durch dieses selbst als Gegenstand der Vorstellungen bestimmt bzw. vorgeschrieben. Aber diese realistische Lesart wird sogleich korrigiert, denn das Ereignis ist kein Objekt, das unabhängig von seiner Vorgestelltheit im Subjekt gegeben und mit dessen Vorstellungen in Beziehung gesetzt werden könnte, etwa so, dass es der Einbildungskraft vorschreiben könnte, wie es zu apprehendieren sei. „Genauer zu reden“ ist also das Umgekehrte der Fall: wenn das Mannigfaltige einer gegebenen Erscheinung, also hier eines Ereignisses, apprehendiert wird, dann ist in dieser Apprehension der Vorstellungen „eine Ordnung der sukzessiven Synthesis, die ein Objekt bestimmt“. D. h. nur dasjenige an einer gegebenen Erscheinung ist Objekt, hier: Ereignis, dessen sukzessive Vorstellungssynthesis einer bestimmten Ordnung unterliegt, die nicht ins Belieben des vorstellenden Subjekts gestellt ist. Diese Ordnung in der Reihe der sukzessiv apprehendierten Vorstellungen bestimmt, dass „etwas nothwendig vorausgehen, und wenn dieses gesetzt ist, das andere nothwendig folgen müsse“. Es ist also die Ordnung, die dem Schema der Kategorie der Ursache und ihrer Kausalität entspricht, die jetzt als die das Objekt bestimmende Ordnung in der Reihe der apprehendierten Vorstellungen angesehen wird. Diese Ordnung ist nur dann durch ein objektives Ereignis bestimmt, wenn dieses Ereignis seinerseits etwas ist, das notwendig folgen, also erfolgen, muss, wenn etwas anderes, seine vorausgehende Ursache, „gesetzt ist“. Dies ist die Konzeption des Experiments, bzw. des Gedankenexperiments, angewandt auf die als willkürlich erzeugbar gedachte Vorstellungsfolge, die damit zugleich das Kriterium der notwendigen Verknüpfung der Erscheinungen in der Zeit erfüllt, durch die allein die in zunächst bloß subjektiven und faktischen Wahrnehmungsfolgen gegebenen Ereignisse als Objekte und deren Erkenntnis als Erfahrung angesehen werden können. (4) Die kriterielle Bedeutung des Schemas der Kausalitätskategorie, angewandt auf Vorstellungfolgen, wird durch Kants Gegenüberstellung von subjektiven Wahrnehmungen und Objekterkenntnissen, also Erfahrungen, erkennbar: Soll also meine Wahrnehmung die Erkenntnis einer Begebenheit enthalten, da nämlich etwas wirklich geschieht [und nicht bloß als ein Geschehen wahrgenommen wird, wie im Traum]; so muss sie ein empirisches Urteil sein, in welchem man sich denkt, daß die Folge bestimmt sei, d. i. daß sie eine andere Erscheinung der Zeit nach voraussetze, worauf sie nothwendig, oder nach einer Regel folgt. (A 201, B 246 f.)

Nur dadurch denke ich eine Begebenheit als ein Objekt, dass ich sie als Wirkung einer zeitlich vorausgehenden Ursache denke, durch die sie notwendig wird. Also

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denke ich nur dann ein Ereignis als Objekt, wenn ich es (prinzipiell, nicht faktisch) als experimentell erzeugbar denke. Es ist klar, dass Kants „empirisches Urteil“ dasselbe ist, wie das, was er in den Prolegomena als „Erfahrungsurteil“ vom „Wahrnehmungsurteil“ unterscheidet. (5) Damit ist auch klar, dass es nicht genügt, mir ein Ereignis gemäß dem Kausalprinzip als Wirkung einer vorhergehenden Ursache zu denken. Die Begebenheit muss als eine durch ein Experiment wirklich zu machende gedacht werden, um ein Objekt der Erfahrung zu sein. Widrigenfalls, wenn ich das Vorhergehende setze, und die Begebenheit folgte nicht darauf nothwendig, so würde ich sie nur für ein subjektives Spiel meiner Einbildungen halten müssen, und stellte ich mir darunter doch etwas Objectives vor, sie einen bloßen Traum nennen. (A 201 f., B 247)

„Traum“ ist hier als das somnium obiective sumptum, als „das Geträumte“ zu verstehen (cf. Baumgarten, Metaphysica. Halle 1757, § 91). Aber das „subjective Spiel meiner Einbildungen“ hat ebenfalls keine Objektivität, weil die Beliebigkeit der Reihenfolge der apprehendierten Vorstellungen ohne a priori bestimmte Ordnung sie zum Spielmaterial der Einbildungskraft und ihrer Fiktionen macht. (6) Schließlich fasst Kant seine Argumentation für die Gültigkeit des Kausalprinzips als einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung (objektiv gültigen Erfahrungsurteilen) von Begebenheiten zusammen: Also ist das Verhältnis der Erscheinungen (als möglicher Wahrnehmungen), nach welchem das nachfolgende (was geschieht) durch etwas Vorhergehendes seinem Dasein nach nothwendig, und nach einer Regel in der Zeit bestimmt ist, mithin das Verhältnis der Ursache zur Wirkung [, das im Kausalprinzip gedacht wird,] die Bedingung der objektiven Gültigkeit unserer empirischen Urteile, in Ansehung der Reihe der Wahrnehmungen [von Ereignissen], mithin der empirischen Wahrheit derselben, und also der Erfahrung. (A 202, B 247)

Damit hat Kant gezeigt, wie Erfahrung von besonderen Gegenständen einer besonderen Kategorie möglich und von subjektiven Wahrnehmungsfolgen unterscheidbar gemacht wird. Es ist dabei aber vorausgesetzt, dass es Erfahrungen von Ereignissen gibt, dass also die Möglichkeit der Erfahrung in diesem besonderen Bereich besteht. Die Frage, ob diese Voraussetzung berechtigt ist, wurde in allgemeinster Weise in der Deduktion der Kategorien beantwortet, indem gezeigt wurde, dass die Möglichkeit der Erfahrung äquivalent ist mit der notwendigen Möglichkeit einer objektiven synthetischen Einheit der Apperzeption in Bezug auf unsere Wahrnehmungen der Gesamtheit der Erscheinungen in Raum und Zeit.

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Schlussbetrachtung Wenn also die „Möglichkeit der Erfahrung“ ihrer „wesentliche[n] Form“ nach „in der synthetischen Einheit der Apperzeption aller Erscheinungen besteht“ (A 217, B 264), dann hat sie für den diskursiven Verstand des Menschen dieselbe Notwendigkeit, die dieser synthetischen Einheit der Apperzeption als solcher zukommt. Diese ist notwendig als Bedingung der analytischen Einheit der Apperzeption, d. h. desjenigen Bewusstseins, in dem „ich mir die Identität des Bewusstseins in diesen [allen meinen bewussten] Vorstellungen selbst vorstelle“ (B 133), also auch in meinen Wahrnehmungen aller Erscheinungen in Raum und Zeit. Wie ist es dann seinerseits zu erklären, dass diese ad hominem notwendige Möglichkeit der Erfahrung von Kant an einer viel interpretierten Stelle, die von den Beweisen der Grundsätze des reinen Verstandes handelt, als „etwas ganz Zufälliges“ (A 737, B 765) bezeichnet wird? Nun hatte Kant schon vorher mehrfach betont, dass die objektive Gültigkeit der Kategorien von ihren Gegenständen, den Erscheinungen, nicht direkt bewiesen werden kann. So hatte er von den Kategorien insgesamt am Ende ihrer objektiven Deduktion schon gesagt: Ohne diese ursprüngliche Beziehung auf mögliche Erfahrung, in welcher alle Gegenstände der Erkenntnis vorkommen, würde die Beziehung derselben auf irgendein Objekt gar nicht begriffen werden können. (A 94, B 126 f.)

Also ist schon hier nicht einzusehen, wieso nur die Möglichkeit der Erfahrung dasjenige Dritte sein könne, aus dem sich erkennen lässt, warum Kategorien von Erscheinungen objektive und allgemeine Gültigkeit haben sollten. Denn die uns mögliche Erfahrung ist ein sowohl gegenüber den reinen Verstandesbegriffen als auch gegenüber Gegenständen unserer sinnlichen Anschauung völlig heterogenes Drittes. Im speziellen Fall der Kategorie von Ursache und Wirkung ist die Möglichkeit der Erfahrung von Ereignissen etwas sowohl gegenüber diesen Gegenständen als auch gegenüber der besonderen Kategorie der Kausalität völlig Verschiedenes. So lässt sich zwar, wie wir gezeigt haben, beweisen, dass alle Ereignisse Wirkungen von vorhergehenden Ursachen sind, aber das ließ sich nur so beweisen, dass gezeigt wurde, wie die Möglichkeit der Erfahrung von Ereignissen als Objekten der Wahrnehmung von der Gültigkeit des Kausalprinzips von diesen Ereignissen selbst abhängt. Also bleibt „mögliche Erfahrung“ auch in diesem Falle „etwas“ gegenüber der Kategorie und ihrem Objekt „ganz Zufälliges“, das dennoch deren notwendige Verknüpfung ermöglicht. Eine andere Möglichkeit, die objektive Gültigkeit der Kategorie der Ursache und Wirkung zu beweisen, gibt es nach Kant nicht. Hinsichtlich der Möglichkeit der Erfahrung

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selbst lässt sich weiterhin zeigen, dass in ihr das Verhältnis der Formen der Sinnlichkeit, Raum und Zeit, zum Verstand und seiner ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption ein Verhältnis völliger Verschiedenheit ist, das aber ihrer für das empirische und reine Selbstbewusstsein notwendigen Harmonie nicht im Wege steht. Dass sich insbesondere das reine Mannigfaltige der Form der Zeit durch die produktive Einbildungskraft und in genauer Entsprechung zu den reinen Verstandesbegriffen der synthetischen Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen lässt (wie das Schematismuskapitel zeigt), dieses kontingente Faktum ist gleichwohl um der Möglichkeit der Erfahrung willen, die nichts anderes ist, als die Möglichkeit der synthetischen Einheit der Apperzeption aller Erscheinungen, subjektiv notwendig. So widerspricht die ad hominem bestehende Notwendigkeit der Möglichkeit der Erfahrung in keiner Weise dem, dass sie an sich selbst „etwas ganz Zufälliges“ ist.

Literatur Baum, Manfred (2004): „Die Möglichkeit der Erfahrung und die analytische Methode bei Reinhold“. In: Martin Bondeli/Alessandro Lazzari (Hrsg.): Philosophie ohne Beynamen. System, Freiheit und Geschichte im Denken Carl Leonhard Reinholds. Basel: Schwabe, S. 104 – 118 Baum, Manfred (2006): „Die Möglichkeit der Erfahrung bei Maimon und Schulze“. In: Konstantin Broese/Andreas Hütig/Oliver Immel/Renate Reschke (Hrsg.): Vernunft der Aufklärung – Aufklärung der Vernunft. Berlin: Akademie, S. 155 – 164. Ebbinghaus, Julius (1990): Gesammelte Schriften. Band 3. Bonn: Bouvier. Heidegger, Martin (1962): Die Frage nach dem Ding. Tübingen: Niemeyer. Reich, Klaus (2001): Gesammelte Schriften. Hamburg: Meiner. Strawson, Peter (1966): The Bounds of Sense. London: Methuen.

Nachweise Transcendental Proofs in the ‘Critique of Pure Reason’. In: P. Bieri, R.-P. Horstmann u. L. Krüger (Hrsg.): Transcendental Arguments and Science. Dordrecht 1978. 3 – 26. Erkennen und Machen in der ‚Kritik der reinen Vernunft‘. In: B. Tuschling (Hrsg.): Probleme der ‚Kritik der reinen Vernunft‘. Berlin/New York 1984. 161 – 177. The B-Deduction and the Refutation of Idealism. In: The Southern Journal of Philosophy. 25 (1986), 89 – 107. (Supplement-Vol. 1987) Kant on Cosmological Apperception. In: International Philosophical Quarterly. 29 (1989), 281 – 289. Der Aufbau der Deduktion der Kategorien, in: G. Funke, Th. M. Seebohm (Hrsg.): Proceedings of the Sixth International Kant Congress, The Pensylvania State University, 1985. The Center for Advanced Research in Phenomenology, Inc. and co-published with the University Press of America, Inc., Washington, D.C., USA 1989. 143– 156. Artikel „Kritik“. In: G. Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 20. Berlin/New York 1990. 65 – 77. Subjektivität, Allgemeingültigkeit und Apriorität des Geschmacksurteils bei Kant. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. 39 (1991), 272 – 284. Dinge an sich und Raum bei Kant. In: G. Funke (Hrsg.): Akten des Siebenten Internationalen Kant–Kongresses. Bd. 1. Kurfürstliches Schloß zu Mainz, 1990. Bonn 1991. 63 – 72. Kant on pure Intuition. – In: Ph. D. Cummins, G. Zoeller (Hrsg.): Mind, Ideas, and Objects. Essays on the Theory of Representation in Modern Philosophy. North American Kant Society Studies in Philosophy. Band 2. Atascadero, CA. 1992. 303 – 315. Metaphysik und Kritik in Kants theoretischer Philosophie. In: K. Held, J. Hennigfeld (Hrsg.): Kategorien der Existenz. Festschrift für Wolfgang Janke. Würzburg 1993. 13 – 30. Kants kritischer Rationalismus. Zur Entwicklung des Vernunftbegriffs nach 1770. – In: H. F. Fulda, R.-P. Horstmann (Hrsg.): Vernunftbegriffe in der Moderne. Stuttgart 1994. 184 – 198. Kant über mathematische Naturerkenntnis. In: H. J. Sandkühler (Hrsg.): Interaktionen zwischen Philosophie und den empirischen Wissenschaften. Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte zwischen Francis Bacon und Ernst Cassirer. Frankfurt am Main 1995. 95 – 104. Über die Kategoriendeduktion in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. In: H. Robinson (Hrsg.): Proceedings of the 8th International Kant Congress. Memphis, 1995. Volume I, Part 2. Marquette University Press. Milwaukee 1995. 467 – 482. Kants Raumargumente und die Begründung des transzendentalen Idealismus. In: H. Oberer (Hrsg.): Kant. Analysen – Probleme – Kritik. Bd. 2. Würzburg 1996. 41 – 63. Systemform und Selbsterkenntnis der Vernunft bei Kant. In: H. F. Fulda, J. Stolzenberg (Hrsg.): System der Vernunft. Kant und der deutsche Idealismus. Band 1. Architektonik und System in der Philosophie Kants.. Hamburg 2001. 25 – 40. Warum Kant? In: V. Gerhardt, R.-P. Horstmann u. R. Schumacher (Hrsg.): Kant und die Berliner Aufklärung. Akten des IX. Internationalen Kant-Kongresses. Bd. 1: Hauptvorträge. Hrsg. im Auftrag der Kant-Gesellschaft e.V. Berlin/New York 2001. 7 – 18. Platon und die kritische Philosophie. In: R. Adolphi, J. Jantzen (Hrsg.): Das antike Denken in der Philosophie Schellings. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003. 579 – 600.

https://doi.org/10.1515/9783110605327-028

404

Nachweise

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Personenregister Aristoteles 5, 84 f., 89, 96, 178, 229, 238, 251 f., 258 f., 262, 264, 266, 280, 327 f., 368, 390 Ast, F. 87 Bacon, F. 91, 99 Baumgarten, A.G. 88 – 90, 92 f., 169, 255, 257, 265, 278 – 281, 291, 294 f., 298, 300, 324, 331, 334, 342, 399 Bayle, P. 90 Beck, J.S. 2, 107, 121, 123, 133, 296, 328, 395 Berkeley, G. 5, 28, 47, 62, 144, 269, 341, 386 Biester, J.E. 167 Bodmer, J.J. 89 Breitinger, J.J 89 Brucker, J. 258, 260 – 264, 266 f. Buhle, J.G. 92 Cappel, L. 83, 86 Castiglione, G. 86 Cicero, M.T. 85, 259 Cohen, H. 184 Collingwood, R.G. 2 Crusius, Chr.A. 177, 220 f., 280, 289, 291, 293, 300 Cudworth, R. 257 f., 260 – 262, 264 Descartes, R. 62, 91, 100, 229, 270, 290, 341, 344, 347, 351 Diderot, D. 90 Dionysios Thrax 85 Eberhard, J.A. 244, 279, 298 Einstein, A. 1 f. Engels, F. 83, 97 – 99 Epikur 176 Eratosthenes 85 Eudoxos von Knidos 186 Euklid 4, 142, 184 f., 187, 227, 229 f. Euler, L. 219 – 221

https://doi.org/10.1515/9783110605327-029

Feder, J.G.H. 269 f., 272, 276 f., 341 Feuerbach, L. 98 Fichte, J.G. 95, 209, 233, 241, 350 f. Ficinus, M. 260 Fischer, K. 46, 123 Förster, J. Chr. 169 Foucher, S. 83 Frege, G. 1 Fries, J.F. 97 Galilei, G. 27 f., 181 f., 188 Garve, Chr. 269 f., 272, 331, 371 Gedike, F. 258 Gottsched, J.Chr. 86, 89 Hamann, J.G. 83, 94, 99 Hegel, G.W.F. 94 – 96, 98 f., 123, 147, 158, 163, 180, 214, 241, 248, 258 Heidegger, M. 62, 385 Herder, J.G. 83, 94 – 96, 147, 174, 180 Herz, M. 27, 93, 147, 175 f., 194, 232, 238, 247, 250, 331 Hobbes, Th. 26, 29 Home, H. 92 Horaz 85 Hume, D. 46, 49, 94, 99, 148 – 150, 152 f., 155, 165, 175 – 177, 180, 191, 195, 227, 241, 268, 326, 329, 345 – 349, 374, 377, 382 – 384, 386 Jacobi, F.H. 25, 46, 50, 231, 342 f., 349, 351 Jaesche, G.B. 346 Jakob, L.H. 123, 258, 294 – 297, 328 Keill, J. 186 f. Kepler, J. 312 Klopstock, F.G. 83 Kopernikus, N. 28 f., 39 Krates von Pergamon 85 Kuhn, Th. S. 312 Lambert, J.H.

222 – 224, 232, 291, 328

406

Personenregister

Leibniz, G.F. 61 f., 67 f., 125, 140, 174, 241, 247, 261, 275, 284, 324 Lessing, G.E. 83, 86 Lichtenberg, G.Chr. 210, 224 f. Lipsius, J. 85 Locke, J. 238, 241, 351, 353, 377 Maimon, S. 347, 359, 363, 365, 371 – 377, 382, 384, 389, 395 Malebranche, N. 171, 177 Marmontel, J.-F. 91 Marx, K. 83, 97 – 99 Meier, G.F. 90, 257, 279, 298 Mellin, G.S.A. 8, 215 Mendelssohn, M. 231 f., 241, 244, 255, 258, 267, 328 Monboddo, Lord (Burnett, J.) 258 Mosheim, J.L. 258, 260 – 262, 264 Newton, I. 28, 79, 156, 181 f., 184, 186 – 188, 241, 255 f., 312, 315, 324 Niethammer, F.I. 96 Opitz, M.

89

Parmenides 182, 261, 263 Pascal, B. 91 Philon von Alexandrien 258, 260 Platon 5, 27, 49, 84 f., 96, 157 f., 164, 168 f., 177, 182, 186, 246, 251, 255, 257 – 268 Plessing, F.V.L. 258 Plotin 258, 262 Plutarch 27 Politianus, A. 85 Popper, K.R. 167 Pythagoras 261 Reid, Th. 351, 353, 377 Reimarus, H.S. 83, 86 Reinhold, K.L. 233, 357 – 359, 363 – 369, 372, 377 f., 389, 395

Rousseau, J.J. 241, 245, 256, 259, 268 Russell, B. 1 Scaliger, J.J. 85, 88 Scheler, M. 2 Schelling, F.W.J. 95 f., 241, 258 Schleiermacher, F. 87, 241 Schlosser, F. Chr. 264 Schopenhauer, A. 351 Schultz, J. 193 f., 196, 210, 371 Schulze, G.E. 341 – 344, 347 – 355, 371, 377 – 380, 382 f., 389 Scioppius, G. 85 f. Seneca 258 Sextus Empiricus 169, 346 Shaftesbury, Earl of 88 f. Simon, R. 86 Spinoza, B. de 86, 163 Strabon 85 Strawson, P. 2 – 4, 53, 210 – 212, 386 Swedenborg, E. 255, 324 Tennemann, W.G. 258 Tetens, J.N. 291 f. Thomasius, Chr. 83 Tieftrunk, J.H. 395 Trendelenburg, A. 123 f., 128 – 130, 214 Ulrich, J.A.H. Vico, G.

64, 193

25 f.

Wernicke, Chr. 83, 89 Wolf, F.A. 87, 164 Wolff, Chr. 1, 164, 169, 222 f., 227 – 232, 234 f., 241, 247, 255, 278 – 281, 284, 289 – 291, 293, 298 f., 301, 324 f., 330, 333 f., 342, 345 Zöllner, J.F.

241