Kritische Gesamtausgabe: Band 14 Kleine Schriften 1786 - 1833 9783110896558, 9783110176582

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Kritische Gesamtausgabe: Band 14 Kleine Schriften 1786 - 1833
 9783110896558, 9783110176582

Table of contents :
Einleitung der Bandherausgeber
I. Historische Einführung
II. Editorischer Bericht
Kleine Schriften 1786–1833
Die Wasserfahrt (Vermutlich 1786)
Über das Testationsrecht (Vermutlich 1788/89)
Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit“ (1790/1792)
Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Vermutlich 1793)
Notizen zu Aristoteles: Politik (1793/94)
Notiz zu Adelung: „Über den Stil“ (Vor 1800)
Geometrie (Vermutlich 1800–1803)
Citationes Aristotelicae (Vermutlich 1802)
Erklärung gegen die Redaktion der Neuen Leipziger Literatur-Zeitung (1806)
Xenophon-Studien (Vermutlich 1806/07)
Bittschrift an Kaiser Napoleon (1808)
Anzeige (1808)
Botanisches Journal (1808/09)
Sprachphilosophische Untersuchungen (Vermutlich 1809)
Andenken an den Grafen Ludwig Moritz Achatius zu Dohna (1814)
Text zu Demokrit (1814/15)
An den Herrn Geheimenrat Schmalz. Auch eine Rezension (1815)
Aus Bengels Archiv (1815/16)
Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik. A und B (1816)
Über Heindorf und Wolf (1816)
Zu Aristoteles Ethik (1816/17)
Nachruf auf Friedrich Samuel Gottfried Sack (1817)
Gedankenheft 1817–1819
Plan zum Besten der Verwandten unsers Reformators, Doktor M. Luthers (1819)
Einige Worte über homiletische Kritik (Zum Ehrengedächtnis des weiland Hochwürdigen Herrn G. A. L. Hanstein) (1821)
Nachruf auf Caroline Gräfin zu Dohna (1825)
Erklärung des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift. Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein (1827)
Kleine Charadensammlung (Vor 1829)
Charaden (1829)
An die Redaktion der Staats-Zeitung (1831)
Erwiderung auf einen Artikel D. Steudels (1832)
Würdigung des Fürsten Radziwill (1833)
Aristoteles Metaphysik. Auszug
Exzerpt aus Aristoteles: Physik
Philosophische Sprache Aristoteles
Über einen Kupferstich
Beiträge aus „Der Preußische Correspondent“ (Juni bis September 1813)
Anhang
Nachschriften zu Vorträgen „Über den Stil“ (1791)
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Namensregister
Register der Bibelstellen

Citation preview

Friedrich Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe I. Abt. Band 14

W DE G

Friedrich Daniel Ernst

Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen herausgegeben von Hermann Fischer und Ulrich Barth, Konrad Cramer, Günter Meckenstock, Kurt-Victor Selge

Erste Abteilung Schriften und Entwürfe Band 14

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003

Friedrich Daniel Ernst

Schleiermacher Kleine Schriften 1786-1833

Herausgegeben von Matthias Wolfes und Michael Pietsch

Walter de Gruyter · Berlin · New York

2003

Dieser Band enthält eine C D - R O M mit Faksimiles des „Preußischen Correspondenten" Juni—September 1813.

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-017658-0 Bibliografische

Information

Der Deutschen

Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < h t t p : / / d n b . d d b . d e > abrufbar.

© Copyright 2003 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Rudolf Hübler, Berlin Satz: pagina G m b H , Tübingen Druck: Gerike G m b H , Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer G m b H , Berlin

Inhaltsverzeichnis

Einleitung der Bandherausgeber

IX

I. Historische Einführung 1. Die Wasserfahrt (Vermutlich 1786) 2. Über das Testationsrecht (Vermutlich 1788) . . 3. Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit" (1790/1792) 4. Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Vermutlich 1793) . . . 5. Notizen zu Aristoteles: Politik (1793/94) . . . . 6. Notiz zu Adelung: „Über den Stil" (Vor 1800) . 7. Geometrie (Vermutlich 1800-1803) 8. Citationes Aristotelicae (Vermutlich 1802) . . . 9. Erklärung gegen die Redaktion der Neuen Leipziger Literatur-Zeitung (1806) 10. Xenophon-Studien (Vermutlich 1806/07) . . . . 11. Bittschrift an Kaiser Napoleon (1808) 12. Anzeige (1808) 13. Botanisches Journal 1808 (1808/09) 14. Sprachphilosophische Untersuchungen (Vermutlich 1809) 15. Andenken an den Grafen Ludwig Moritz Achatius zu Dohna (1814) 16. Text zu Demokrit (Vermutlich 1814/15) . . . . 17. An den Herrn Geheimenrat Schmalz. Auch eine Rezension (1815) 18. Aus Bengels Archiv (1815/16) 19. Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik. A und Β (1816) 20. Über Heindorf und Wolf (1816) 21. Zu Aristoteles Ethik (1816/17) 22. Nachruf auf Friedrich Samuel Gottfried Sack (1817) 23. Gedankenheft 1817-1819

X XII XV XVII XIX XXI XXIII XXIV XXVII XXX XXXV XXXVII XLI XLV XLIX LI LV LVIII LXVIII LXX LXXII LXXIX LXXX LXXXII

VI

Inhaltsverzeichnis 24. Plan zum Besten der Verwandten unsers Reformators, Doktor M. Luthers (1819) XCI 25. Einige Worte über homiletische Kritik (Zum Ehrengedächtnis des weiland Hochwürdigen Herrn G. A. L. Hanstein) (1821) XCIX 26. Nachruf auf Caroline Gräfin zu Dohna (1825) . CH 27. Erklärung des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift. Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein (1827) . . CV 28. Kleine Charadensammlung (Vor 1829) CXIV 29. Charaden (1829) CXIV 30. An die Redaktion der Staats-Zeitung (1831) . . CXIX 31. Erwiderung auf einen Artikel D. Steudels (1832) CXXI 32. Würdigung des Fürsten Radziwill (1833) . . . . CXXVIII 33. Aristoteles Metaphysik. Auszug CXXXV 34. Exzerpt aus Aristoteles: Physik CXXXV1 35. Philosophische Sprache Aristoteles CXXXVII 36. Über einen Kupferstich CXXXIX 37. Beiträge aus „Der Preußische Correspondent" (Juni bis September 1813) CXLI a. Der „Preußische Correspondent". Die Gründungsphase (1812/13) CXLI b. Die Anfänge der Zeitung CXLV c. Schleiermacher als Redakteur des „Preußischen Correspondenten" CXLVIII d. Schwerpunkte von Schleiermachers Wirksamkeit als Redakteur CLVII e. Der Beginn der Zensurauseinandersetzungen . CLX f. Untersuchungen gegen Schleiermacher und dessen Verteidigung CLXIII g. Die Fortsetzung der Ermittlungen gegen Schleiermacher und die Schlußphase der Zeitung . . CLXXIV Anhang: Nachschriften zu den Vorträgen „Über den Stil" (1791) CLXXXI

II. Editorischer

Bericht Kleine Schriften

CLXXXV 1786-1833

Die Wasserfahrt (Vermutlich 1786) Über das Testationsrecht (Vermutlich 1788/89)

1 7

Inhaltsverzeichnis

VII

Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit" (1790/1792) 13 Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Vermutlich 1793) 19 Notizen zu Aristoteles: Politik (1793/94) 25 Notiz zu Adelung: „Über den Stil" (Vor 1800) 49 Geometrie (Vermutlich 1800-1803) S3 Citationes Aristotelicae (Vermutlich 1802) 69 Erklärung gegen die Redaktion der Neuen Leipziger Literatur-Zeitung (1806) 73 Xenophon-Studien (Vermutlich 1806/07) 79 Bittschrift an Kaiser Napoleon (1808) 87 Anzeige (1808) 93 Botanisches Journal (1808/09) 97 Sprachphilosophische Untersuchungen (Vermutlich 1809) . . IOS Andenken an den Grafen Ludwig Moritz Achatius zu Dohna (1814) 109 Text zu Demokrit (1814/15) 119 An den Herrn Geheimenrat Schmalz. Auch eine Rezension (1815) 125 Aus Bengels Archiv (1815/16) 177 Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik. A und Β (1816) 185 Über Heindorf und Wolf (1816) 213 Zu Aristoteles Ethik (1816/17) 223 Nachruf auf Friedrich Samuel Gottfried Sack (1817) 267 Gedankenheft 1817-1819 273 Plan zum Besten der Verwandten unsers Reformators, Doktor M. Luthers (1819) 303 Einige Worte über homiletische Kritik (Zum Ehrengedächtnis des weiland Hochwürdigen Herrn G. A. L. Hanstein) (1821) 309 Nachruf auf Caroline Gräfin zu Dohna (1825) 325 Erklärung des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift. Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein (1827) 329 Kleine Charadensammlung (Vor 1829) 339 Charaden (1829) 343 An die Redaktion der Staats-Zeitung (1831) 353 Erwiderung auf einen Artikel D. Steudels (1832) 359 Würdigung des Fürsten Radziwill (1833) 363 Aristoteles Metaphysik. Auszug 369 Exzerpt aus Aristoteles: Physik 3 77 Philosophische Sprache Aristoteles 383

Vili

Inhaltsverzeichnis

Über einen Kupferstich Beiträge aus „Der Preußische Correspondent" tember 1813)

391 (Juni bis Sep395

Anhang Nachschriften zu Vorträgen „Über den Stil" (1791)

503

Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis Namensregister Register der Bibelstellen

541 544 566 577

Einleitung der

Bandherausgeber

Der vorliegende Band vereinigt fünfzehn von Friedrich Schleiermacher1 zum Druck gegebene Texte, einhundertundsechs Beiträge aus der Berliner Tageszeitung „Der Preußische Correspondent" von 1813 sowie einundzwanzig Manuskripte, die kleinere, zumeist in sich geschlossene Ausarbeitungen, Vorstudien, Gedankensammlungen und Materialien verschiedener Art enthalten. Im Anhang werden Nachschriften zu Schleiermachers Vortragen „ Über den Stil" aus der Schlobittener Hauslehrerzeit mitgeteilt. Mit diesem Band wird zugleich die erste Abteilung der Kritischen Gesamtausgabe „Schriften und Entwürfe" abgeschlossen. Von den Druckschriften sind zu Lebzeiten Schleiermachers vier Texte separat, einer davon in einem Privatdruck, veröffentlicht worden, während alle anderen in zum Teil sehr entlegenen Zeitungen, Zeitschriften oder Sammelbänden publiziert worden sind. Lediglich drei Texte, die Streitschrift gegen Theodor Anton Heinrich Schmalz von 1815, die kritische Stellungnahme unter dem Titel „Über Heindorf und Wolf" von 1816 sowie die Gedenkrede auf Gottfried August Ludwig Hanstein von 1821, wurden in den Sämmtlichen Werken wieder abgedruckt. Schleiermachers Beiträge zum ersten Jahrgang des „Preußischen Correspondenten" sind mit Ausnahme eines einzigen Artikels bisher nicht erneut gedruckt worden. Abgesehen von einem Text aus den Jahren in Bar by, nämlich einem unter dem Titel „Die Wasserfahrt" überlieferten poetischen Versuch, werden alle Manuskripte in diesem Band erstmals aus dem Nachlaß veröffentlicht. Die Texte werden in chronologischer Anordnung geboten. Nicht datierbare Stücke stehen am Ende. Eine Ausnahme bildet der Komplex „Preußischer Correspondent", der wegen seiner spezifischen literarischen Gestalt die Reihe der im vorliegenden Band edierten Schriften beschließt.

1

Zitatnacbweise und Belegverweise ohne Angabe des Autors bezieben sich auf Friedrich Schleiermacher.

χ

Einleitung der Bandherausgeber

I. Historische

Einführung

Schleiermacher tritt mit den hier versammelten Schriften inmitten vielfältiger Bezüge auf. Die Texte, deren zeitlicher Rahmen mit den Jahren 1786 bis 1833 nahezu die gesamte Spanne seiner literarischen Wirksamkeit umfaßt, dokumentieren insofern den biographischen Werdegang Schleiermachers und die konzeptionelle Entfaltung seines Denkens. Die Drucktexte sind von Form und Inhalt her so unterschiedlich, wie es die Anlässe waren, die zu ihrer Entstehung geführt haben. Im einzelnen handelt es sich um zwei Einsendungen an Tageszeitungen, um einen von Schleiermacher mitunterzeichneten Appell an Kaiser Napoleon, um eine Erklärung zur Frage der Universitätszugehörigkeit der früheren Hallenser Professoren nach Schließung der Universität im Oktober 1806, um vier Nachrufe, um die fachliche Würdigung eines Kollegen, um eine Stellungnahme zu philologischen Fragen, um zwei polemische Entgegnungen, darunter die große Streitschrift gegen den Berliner Rechtswissenschaftler Schmalz, um einen Aufruf im Zusammenhang mit einer von Schleiermacher angeregten Unterstützungsinitiative für in Armut geratene Nachkommen Luthers, um einen ursprünglich als Brief verfaßten Text, in dem Schleiermacher gegen den wiederholt vorgebrachten Vorwurf Stellung bezieht, seine dogmatische Konzeption weise pantheisierende Tendenzen auf und schließlich um eine bereits zu Lebzeiten publizierte, später mehrfach erweitert nachgedruckte Sammlung von Charaden, jenen kleinen formvollendeten Rätseldichtungen, für die Schleiermacher unter seinen gebildeten Zeitgenossen bekannt war. Allen Texten gemeinsam ist, daß sie von Schleiermacher selbst, zum Teil namentlich, zum Teil ohne Namensnennung, zum Druck gegeben oder doch mit seiner ausdrücklichen Zustimmung gedruckt worden sind. Bei den Manuskripten handelt es sich um Notizen und Entwürfe, die Schleiermacher zu unterschiedlichen Zwecken während eines Zeitraumes von mehreren Jahrzehnten angelegt hat. Insgesamt vier Stücke stehen mit Akademievorlesungen in Zusammenhang, die Schleiermacher seit 1810 als Mitglied der Philosophischen Klasse der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gelesen hat. Sie werden hier als Ergänzung und Hintergrundmaterial zu den in KG A Hl 1 edierten Texten wiedergegeben.2 Zehn Manuskripte, 2

Siebe Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/11, Akademievorträge, ed. Martin Rößler unter Mitwirkung von Lars Emersleben, Berlin/New York 2002

Einleitung der Bandherausgeber

XI

darunter jene vier, beziehen sich auf antike philosophische Autoren; der Schwerpunkt liegt auf Studien und Sammlungen zu Aristoteles, doch widmete Schleiermacher sich auch Xenophon und Demokrit. Daneben werden fünf frühe Manuskripte, zum Teil zu staatstheoretischen Themen, sowie ein Geometrieheft, ein Botanikheft, eine Charadensammlung, eine Notizsammlung zu theologischen Rezensionen sowie eine gutachterliche Äußerung zu einem kunstgeschichtlichen Thema geboten. Schließlich enthält der Band eine umfangreiche Sammlung theologischer Gedanken, literarischer Notizen und Vorformulierungen zu Publikationsprojekten, die Schleiermacher, ähnlich seinen früheren „Gedankenheften" aus den 1790er Jahren und der Jahrhundertwendezeit, in den Jahren 1817 bis 1819 angelegt hat. Ein besonderer Stellenwert kommt in diesem Band den politischen Auseinandersetzungen zu, in die Schleiermacher seit den Jahren der französischen Besetzung Preußens verwickelt war. Hierauf beziehen sich mehrere kleinere Drucktexte, die sich bis in das Jahr 1831 erstrecken. Einen Schwerpunkt bilden jene Beiträge, die Schleiermacher während des Sommerquartals 1813 in seiner Eigenschaft als Redakteur und verantwortlicher Herausgeber für die in der Berliner Realschulbuchhandlung von Georg Andreas Reimer erscheinende Tageszeitung „Der Preußische Correspondent" verfaßt hat. Diese Texte sind gleichfalls von äußerster Unterschiedlichkeit. Sie reichen von kleinen Notizen, die einzelne militärische oder sonstige Ereignisse und Sachverhalte thematisieren, bis hin zu mehr grundsätzlichen politischen Stellungnahmen und Reflexionen. Das dramatische Jahr 1813 stellte im Blick auf die politische Thematik die größte Herausforderung dar. Schleiermacher gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem der hauptstädtischen intellektuellen Reformergruppe an, deren antinapoleonischer Patriotismus zugleich mit massiven Forderungen im Blick auf eine Reorganisation des eigenen Staates verbunden war. Die im vorliegenden Band enthaltenen Beiträge aus dem „Preußischen Correspondenten" zeigen Schleiermacher als einen engagierten Beobachter des Zeitgeschehens, der die Möglichkeiten politischer Publizistik zu nutzen wußte. Die Texte machen deutlich, in wie starkem Maße Schleiermacher sein Engagement in dieser Zeit unter politischen Gesichtspunkten gesehen hat. Die Edition ist hier wegen des besonderen literarischen Charakters der Texte vor einige Schwierigkeiten gestellt, auf die in der Einleitung ausführlich eingegangen wird.3 Schleiermacher hat in dem

3

Siehe unten

CXLVIII-CLVIl

Einleitung der

Bandherausgeber

Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 1813 zweiundfünfzig Ausgaben der Zeitung, bei viermaligem Erscheinen pro Woche, herausgegeben. In einem weiteren Sinne gehören alle diese Ausgaben in ihrem vollen Umfang in sein literarisches Werk, denn die redaktionelle Bearbeitung oblag während der drei Monate ihm allein. Dem Band liegt daher eine CD-ROM bei, die das Gesamtcorpus der von Schleiermacher als Herausgeber verantworteten Ausgaben in einem einfachen Reproduktionsverfahren zugänglich macht. Die anhangsweise abgedruckten Nachschriften zu Vorträgen, die Schleiermacher als Lehrer im Hause des Grafen Dohna-Schlobitten 1791 anhand von Johann Christoph Adelungs Werk „Über den Deutschen Styl" gehalten hat, ergänzen die bereits früher publizierten Manuskripte zu diesen Vorträgen. 1. Die Wasserfahrt (Vermutlich

1786)

Schleiermachers eigenhändiges Manuskript „Die Wasserfahrt" befindet sich unter der Nummer 234 im Schleiermacher-Nachlaß des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Es besteht aus einem Doppelblatt, das zu zwei Blättern von jeweils 18,6 cm Höhe und 11,5 cm Breite gefaltet ist. Die Ränder sind glatt geschnitten. Das Papier hat einen hellen, leicht gelblichen Farbton. Schleiermacher hat das erste Blatt beidseitig und von dem zweiten Blatt die Vorderseite engzeilig mit schwarzer Tinte beschrieben. Die Rückseite des zweiten Blattes ist unbeschrieben. Das Doppelblatt weist ein Wasserzeichen auf. Das Manuskript ist mit Fadenheftung in ein Doppelblatt eingefügt, das auf diese Weise einen Umschlag bildet. Das Umschlagblatt trägt die Aufschrift „Barbysche Papiere". Die vordere Seite des Umschlags hat eine Höhe von 20,3 cm und eine Breite von 11,7 cm, die hintere Seite eine Höhe von 20,3 cm und eine Breite von 13,5 cm. Die Papierqualität ist deutlich gröber als die des für das Manuskript verwendeten Schreibpapieres und weist einen grau-braunen Ton auf. An das Umschlagblatt angeheftet ist ein weiteres Doppelblatt von der gleichen einfacheren Qualität. Eine nachträglich von fremder Hand angebrachte Blattzählung mit Bleistift zählt das vordere Umschlagblatt als Bl. 1, die beiden Blätter des Manuskriptes als Bl. 2 und 3. Diese Zählung wird in der edierten Textfassung am Rand angegeben. Schleiermachers Text steht auf Bl. 2r bis 3v. Sowohl auf Bl. lr als auch auf Bl. 2r findet sich auf der linken oberen Ecke der Stempel „Litteraturarchiv Berlin". Auf Bl. lr ist eine ältere Signatur „A. 7. 22" vermerkt. Die Aufschrift des Umschlagblattes stammt von Schleiermacher. Sie deutet darauf hin, daß die Mappe

Einleitung der

Bandherausgeber

XIII

ursprünglich weitere Texte enthalten hat. Welche dies waren und wann Schleiermacher die Sammlung angelegt hat, läßt sich nicht sagen. Erstmals ist das Manuskript 1905 von E. Rudolf Meyer in seinem Buch „Schleiermachers und C. G. von Brinckmanns Gang durch die Brüdergemeine" publiziert worden.4 „Die Wasserfahrt" zählt zu den frühesten literarischen Texten, die von Schleiermacher überliefert sind.5 Die Datierung ergibt sich aus dem Studienaufenthalt im Seminarium der Herrnhutischen Brüdergemeine in Barby an der Elbe. Dieser Aufenthalt währte vom September 1785 bis zum April 1787.6 Vermutlich hat Schleiermacher das Manuskript im Herbst 1786 niedergeschrieben. Eine exakte Datierung kann nicht gegeben werden.7 Im vertrauten Umgang mit den Studiengefährten Johann Baptist von Albertini, dem engsten Freund und späteren Bischof der Brüdergemeine, mit Samuel Okely, Johann Jakob Beyer und dem in der „Nacherinnerung" erwähnten Emanuel Zaeslin8 widmete Schleiermacher sich intensiv seinen literarischen Interessen.9 Es wurde ein „philosophischer Club " zum Zwecke gemeinsamer Lektüre gebildet. Die in dem Kreis geführten Diskussionen wirkten sich auf Schleiermachers seelisches Befinden in dieser Zeit massiv aus. Über den Anfang seines Philosophierens berichtet er in einer im April 1794 verfaßten „Selbstbiographie": „So glücklich wir bei unserer gemeinschaftlichen Thätigkeit und dem Gefühle unserer Freundschaft waren, so unglücklich machte uns jeder Augenblick eines strengen Nachdenkens. Wir jagten immer noch vergeblich nach den übernatürlichen

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5

6

7 8 9

E. Rudolf Meyer: Schleiermachers und C. G. von Brinckmanns Gang durch die Brüdergemeine, Leipzig 1905, S. 213f. Die von Meyer gebotene Fassung ist bis auf wenige Einzelheiten zuverlässig; die originale Schreibweise der Überschrift „Die Wasserfarth " hat Meyer stillschweigend korrigiert. Früher ist nur ein geistliches Lied, das Schleiermacher als sechzehnjähriger Gymnasiast seiner Schwester unter der Überschrift „An Charlotte zum 31. Merz 1785" gesandt hat. Es ist abgedruckt in Kritische Gesamtausgabe, Bd. V/1, Briefwechsel 1774-1796, edd. Andreas Arndt und Wolf gang Virmond, Berlin/New York 1985, Nr. 27. Auf eine noch frühere weitere geistliche Lieddichtung, die aber nicht erhalten ist, weist Wolfgang Virmond hin: Rezension zu Hermann Patsch: Alle Menschen sind Künstler, Berlin/New York 1986, in: New Athenaeum / Neues Athenaeum 2 (1991), S. 185-190, hier 185. Zum Aufenthalt in Barby siehe Kurt Nowak: Schleiermacher. Leben, Werk und Wirkung (UTB für Wissenschaft 2215), Göttingen 2001, S. 26-31; Meyer: Schleiermachers und C. G. von Brinckmanns Gang 159-244. Siehe Meyer: Schleiermachers und C. G. von Brinckmanns Gang 211 Siehe unten 5,10-16 Zu den Genannten siehe die biographischen Angaben in KGA V/1, XXXVf (Albertini), XXXVIf (Beyer), XLVf (Okely) und LVI (Zaeslin).

XIV

Einleitung der Bandherausgeber

Gefühlen, und dem, was in der Sprache jener Gesellschaft [seil.: der Brüdergemeine] der Umgang mit Jesu hieß: die gewaltsamen Anstrengungen unserer Phantasie waren unfruchtbar, und die freiwilligen Hülfsleistungen derselben zeigten sich immer als Betrug. Bisher hatten wir uns in griechischen Versen getröstet, und das war ein herrliches solamen; nun aber wurde uns die Sache immer näher gelegt. Aber bald wendete sich das Blatt. Wir ruhten auf den Trophäen unseres allgemein verbreiteten philosophischen Ruhms, und fingen an zu philosophiren: die Vermehrung der äußern Freiheit schien auch unsere innern Fesseln zu lösen. Die elende Logik, die wir hörten, die eingeschränkte Leetüre, die wir genossen, und das Beispiel einiger älteren Kameraden, welche den Freigeist spielten, war es gewiß nicht, was unseren Untersuchungsgeist weckte: der Knoten des psychologischen Dramas war so fest geschürzt als möglich; er musste anfangen sich zu lösen, und er konnte sich nicht anders lösen, als wie es unseren innern Verhältnissen gemäß war. "10 Dies ist der Hintergrund, vor dem auch der Text „Die Wasserfahrt" verfaßt worden ist. Seine Niederschrift stellte gleichsam einen Akt innerer Selbstbefreiung gegenüber dem fachlich unzulänglichen, religiös mehr und mehr bedrückenden Klima im Seminarium dar. Er bildete eine jener Anstrengungen, mit denen der junge Schleiermacher sich „eine alternative Identität" aufzubauen suchteVon Lehrerseite erhielt weder Schleiermacher noch einer seiner Mitseminaristen eine verständige Begleitung. Dabei wäre eine solche pädagogische Betreuung wohl dringend erforderlich gewesen. Katastrophen blieben in der pietistischen Einrichtung nicht aus: So bekannte sich Okely, der nur wenige Monate später, im Mai 1787, starb, der Seminarleitung als gänzlich ungläubig, woraufhin er Barby am 3. Dezember 1786 verließ und in seine englische Heimat zu den Eltern zurückkehrte. Auch Schleiermacher selbst sah sich zunehmend in eine Konfliktsituation gedrängt: „Meine Begriffe gingen bald so weit von dem System der Brüdergemeine ab, daß ich nicht länger glaubte, mit gutem Gewissen ein Mitglied derselben bleiben zu können ... "12. Eine virtuelle Heimat eigener Art zeichnet dagegen die Beschreibung jener „Wasserfahrt", der Schleiermachers Text gewidmet ist.13 10

11 12

13

Selbstbiographie. Mitgetheilt von [Siegfried] Lommatzsch, in: Zeitschrift für die historische Theologie 21 [Neue Folge 15] (18S1), S. 135-145, hier 140f Nowak: Schleiermacher 29 Selbstbiographie 141. Zu Schleiermachers Zweifeln an der Herrnhutischen Version der Versöhnungs- und Erlösungslehre siehe besonders die Briefe an den Vater, Johann Gottlieb Adolph Schleyermacher, vom 21. Januar 1787 und vom 8. Februar 1787, in: KG A V/1, Nr. 53 und 54. Nach Meyer schildert der Text „eine Mondscheinfahrt über die Elbe den jenseits

Einleitung der

Bandherausgeber

XV

Von Elementen einer manirierten, am Stil empfindsamer Naturidyllik orientierten Schreibkultur nicht frei - worauf die „Nacherinnerung" selbstkritisch reflektiert -, gewährt sie aber dennoch einen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt des etwa Achtzehnjährigen, wie ihn sonst nur noch die Briefe aus der Zeit in Barby bieten.14 Im Freundeskreis scheinen Schleiermachers Niederschriften als Ausdruck gemeinsamen Erlebens geschätzt worden zu sein. In einem Brief Okelys aus Northampton an Albertini vom 23. März 1787 heißt es: „Ach mit welchem Geschmacke werd' ich im Schatten den Hölty lesen. Ich trag ihn immer in der Tasche.15 Nur der Gedanke an Dich wird mich manchmal unterbrechen. Aber ich verschiebe weder dieses noch die Lesung andrer geistreichen Dichter bis auf den Sommer. Ich lese diesen Dichter meines Herzens, so wie auch Deines, mit dem größten Geschmacke. ... Wie simpel, wie edel das Ganze! Lies doch, und empfinde mit mir, wenn Du kannst, folgende Stücke, außer den zu bekannten ... des Hölty, und wenn Du sie erhalten kannst, Zäslins und Schleiermachers empfindsame Beschreibungen. "16

2. Ober das Testationsrecht (Vermutlich

1788)

Unter der Signatur SN 128 wird im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften eine Sammlung undatierter, eigenhändiger Notizen und Entwürfe Schleiermachers mit verschiedenen Oberschriften aufbewahrt. Das Manuskript besteht aus vier Einzelblättern, die verschiedene Notizen zu staatsrechtlichen Themen enthalten (Bl. 1-4), einem Doppelblatt mit einem Entwurf Schleiermachers zur Frage einer naturrechtlichen Begründung des Testationsrechts (Bl. 5/6) und einem doppelt gefalteten, ineinander gelegten Bogen mit einem Fragment zur „Freiheitsschrift" (Bl. 7/8), die alle im vorliegenden Band ediert werden.17 Eine detaillierte Manuskriptbe-

14 15

16 17

einmiindenden Lepsgraben hinauf". „Alles an diesem Aufsatz ist lehrreich. Eine stille Fahrt, bei der der Naturgenuß durch Gesang gekrönt wird, ist dem Klub höchste Freude. Schleiermacher, der mit schweren Schulden Barby verließ, kann sich nicht oft eine solche Fahrt gönnen; aber gern verwindet er die paar Groschen gegenüber der hohen Freude, die ihn und Zäslin ganz unabhängig voneinander zu poetischen Schilderungen begeistert" (Schleiermachers und C. G. von Brinckmanns Gang 21 lf). Vgl. KG A V/1, Nr. 33-6S Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gedichte. Besorgt durch seine Freunde Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg und Johann Heinrich Voß, Hamburg 1783 KG A V/1, 68 f, hier: 69 (mit Faksimile: 70f) Vgl. unten 13-17 (Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit"), 19-24

XVI

Einleitung der

Bandherausgeber

Schreibung erfolgt jeweils gesondert bei der Einleitung zu den einzelnen Texten.18 Schleiermachers Überlegungen zum Testationsrecht befinden sich auf einem Doppelblatt (5/6) hellen, nachgedunkelten Papiers, das asymmetrisch gefaltet ist und eine Höhe von 16,5 cm und eine Breite von 9,7 cm bzw. 10 cm aufweist. Die Blätter sind mit schwarzer Tinte und ohne Rand beschrieben. Bl. 6r ist nur zu drei Vierteln beschrieben; Bl. 6v ist unbeschrieben. Die Ränder sind gerade geschnitten. Die Paginierung ist mit Bleistift von fremder Hand vorgenommen worden. Der Text hat keine Überschrift und beginnt mit „ Wenn auch nach dem Naturrecht ...". In der Mitte des Doppelblattes befindet sich auf der Innenseite eine durch seitliche Linien vom übrigen Text abgesetzte mathematische Formel. Über die Entstehungszeit von Schleiermachers Überlegungen zum Testationsrecht ist seinen Briefen nichts sicheres zu entnehmen, dennoch lassen sich einige begründete Vermutungen anstellen. Schleiermacher setzt sich in seiner Darstellung kritisch mit dem im März 1788 im „Teutschen Merkur" erschienenen Aufsatz „Ob die Testamente juris naturalis sind?"19 auseinander. Das Manuskript kann also frühestens im März/April 1788, als Schleiermacher noch Student an der Universität Halle war, abgefaßt worden sein. Der Duktus des Textes läßt vermuten, daß er in relativer zeitlicher Nähe zur Veröffentlichung des Bezugstextes entstanden ist; möglicherweise hatte Schleiermacher ihn ursprünglich zur Veröffentlichung in demselben Jahrgang der Zeitschrift vorgesehen.20 Zu einer Veröffentlichung des Beitrags in der von Christoph Martin Wieland (1733-1813) zwischen 1773 und 1789 herausgegebenen Zeitschrift „Der Teutsche Merkur" ist es jedoch nicht gekommen. Daß Schleiermacher sich 1788/89 mit naturrechtlichen Studien beschäftigte, bezeugen seine nicht erhaltenen Briefe über die Verbindlichkeit in den Verträgen, die er in Auseinandersetzung mit Theorien Moses Mendelssohns (1729-1786) vermutlich während seiner Hallenser Studentenzeit (1787-1789) entworfen hat.21

18 19

20 21

(Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis) und 25-48 (Notizen zu Aristoteles: Politik) Vgl. unten XVU-XIX, XIX-XXI und XXI-XXHI Der Aufsatz stammt aus der Feder des Dillenburger Justizrates und Vertreters der Spätaufklärung Karl von Knoblauch (1756-1794). Vgl. unten 9,20-24 Vgl. dazu Schleiermachers Brief an Carl Gustav von Brinckmann vom 9. Dezember 1789: „Was Dir - abgerechnet die Ideen von der jüdischen Gesezgebung - in Jerusalem nicht koscher scheint möchte ich sehr gern näher wissen. Ich besinne mich

Einleitung der

Bandherausgeber

XVII

Alternativ könnte der Text den „Philosophischen Versuchen" zugeordnet werden, mit denen Schleiermacher nach eigenen Aussagen zu Beginn der Drossener Zeit (1789/90) befasst war und die er zum Teil bereits während der Studienzeit projektiert hatte.22 Unter diesen Projekten finden sich jedoch, so weit sie bekannt sind, keine naturrechtlichen Themen, vielmehr behandeln sie vor allem praktisch-philosophische Fragen und sind durch die Auseinandersetzung mit der Philosophie Immanuel Kants geprägt.23 Eine Datierung des Manuskripts in die Hallenser Zeit, vermutlich in das Jahr 1788, erscheint daher wahrscheinlicher.

3. Entwurfsfragment

zu dem Text „Über die Freiheit"

(1790/1792)

Schleiermachers eigenhändiges, fragmentarisches Manuskript, das zu dem Textkomplex „Über die Freiheit" gehört, liegt unter der Überschrift „Drittes Kapitel" innerhalb einer Sammlung von kleineren Manuskripten unterschiedlichen Inhalts im Schleiermacher-Nachlaß des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften vor. Es wird dort unter der Nummer 128 aufbewahrt. Das Manuskript besteht aus einem Blatt, das von Schleiermacher sowohl nach der Höhe als auch nach der Breite gefaltet und zusammengelegt worden ist. Das gesamte Blatt hat eine Höhe von 34,3 cm und eine Breite von 20,6 cm. Durch das Zusammenfalten sind vier Viertelblätter entstanden. Das rechte obere Viertelblatt ist nicht mehr vorhanden; es scheint durch Schnitte entfernt worden zu sein. Durch Faltung liegt jetzt das obere linke Viertelblatt als erstes Blatt, das untere rechte Viertelblatt als zweites und das untere linke Viertelblatt als drittes Blatt. Diese Anordnung scheint ursprünglich zu sein. Sie ist von einem Archivar durch eine Blattzählung an den unteren Rändern festgehalten worden. Das erste Viertelblatt wird, unter Berücksichti-

22 23

nur auf einen Punkt; er betrift die Mendelssohn-Kleiniscbe Theorie vom Ursprung der Verbindlichkeit in den Verträgen. Hierüber hab' ich schon vor langen Zeiten einige Briefe aufgesetzt - sie ruhn mit ihren übrigen Gespielen. " (KG A V/1, Nr. 128, 235-240) Wilhelm Dilthey (1833-1911) hat diese Briefe in den „Denkmalen der inneren Entwicklung Schleiermachers", die er dem ersten Band seiner Darstellung des Lebens Schleiermachers beigegeben hat, der Hallenser Zeit zugewiesen (vgl. Wilhelm Dilthey: Leben Schleiermachers, Erster Band, Berlin 1870, darin: Denkmale der inneren Entwicklung Schleiermachers, erläutert durch kritische Untersuchungen, S. 1-146, hier 4). Vgl. dazu KGA V/1, Nr. 114,46-49 Vgl. dazu Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/1, Jugendschriften 1787-1796, ed. Günter Meckenstóck, Berlin/New York 1983, S. XVIIIf

XVIII

Einleitung der

Bandherausgeber

gung der weiteren Stücke von SN 128, als Bl. 7, das zweite Viertelblatt als Bl. 8 und das zu unterst liegende Viertelblatt als Bl. 9 gezählt. Die vorhandenen Viertelblätter haben eine Höhe von 17,2 (erstes Viertelblatt) bzw. von 17,5 cm, die Breite beträgt 10,5 cm (erstes Viertelblatt) bzw. 10,4 (zweites Viertelblatt) und 10,2 cm (drittes Viertelblatt). Die Ränder weisen eine rauhe, leicht wellige Kante auf. Das Papier hat einen hellen, bräunlichen Farbton. Nachdunklungen finden sich nur in geringem Maße. Schleiermacher hat das Blatt einseitig beschrieben. Bl. 7r ist vollständig, Bl. 8r nur im oberen Drittel mit schwarzer Tinte beschrieben. Die Schrift ist sehr engzeilig, stellenweise nahezu unlesbar und weist zahlreiche Abkürzungen sowie einige Korrekturen, eine Umstellung und eine Einfügung auf. Durch die nach Faltung des Blattes entstandene Anordnung ist es bedingt, wenn die Schrift- und Textausrichtung der beiden beschriebenen Viertelblätter jeweils zur Blattmitte hin zeigt. Quer über die vollständige Hälfte des Blattes findet sich auf der von Schleiermacher beschriebenen Seite eine von fremder Hand in großer Schrift aufgetragene Notiz „Albertine Marquise Reigs Gräfin von Finckenstein", darunter „verwittwete". Zu Schleiermachers Text weist diese Notiz keinen Bezug auf. Dies gilt auch für die umfangreiche Beschriftung der Blattrückseite. In großer, mit Bleistift ausgeführter Schrift finden sich hier auf Bl. 8v und auf Bl. 7v genealogische Notizen zur Dohnaschen Familiengeschichte, die nicht von Schleiermacher stammen. Auf Bl. 7ν steht außerdem eine Notiz „durch die in Finkenstein", die wohl von Schleiermacher stammt. Bl. 9r ist unbeschrieben. Das Gesamtblatt weist ein Wasserzeichen auf. Der Stempel „Litteraturarchiv Berlin" findet sich auf Bl. 7r auf der linken oberen Ecke sowie auf Blatt 8r unterhalb der letzten Textzeile. Inhaltlich gehört das Fragment zu einer Gruppe von Manuskripten aus der Zeit um 1790, in denen Schleiermacher sich intensiv mit der Freiheitsthematik auseinandergesetzt hat. Neben einem Text unter dem Titel „Freiheitsgespräch" von 178924 liegen ein Manuskript „Notiz zur Erkenntnis der Freiheit" aus der Zeit zwischen 1790 und 179215 und eine im gleichen Zeitraum entstandene umfangreiche Studie „Über die Freiheit"26 vor. Hinzu kommt die Abhandlung „Über den Werth des Lebens", die aus den Jahren 1792/93 stammt.27 Im Mittelpunkt all dieser Texte stehen Fragen der ethischen Zurechen24 25 26 27

KGA KGA KGA KGA

1/1, 135-164 1/1, 213-215 III, 217-356 Hl, 391-471; vgl. auch:

LXII-LXVI

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barkeit, der sittlichen Motivation, des moralischen Quietismus und des von Kant formulierten Freiheitsbegriffes.28 Das Manuskript „Über die Freiheit" (SN Nr. 133 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften) schließt ab mit einigen knappen Bemerkungen, die das dritte Kapitel der Abhandlung unter dem Titel „ Von der Freiheit als Prädikat des Zustandes" einleiten.19 Der in diesem Band edierte kleine Text dürfte das Fragment eines Entwurfes bieten, den Schleiermacher in seinem Manuskript SN 133 weiter ausgeführt hat. Er repräsentiert insofern ein Vorstadium jener Studie und wird wohl deshalb erhalten geblieben sein, weil er inhaltlich über den in SN 133 erreichten Stand der Gedankenführung hinausreicht. Zunächst entwickelt Schleiermacher, in zwei mit „1." gekennzeichneten Absätzen,30 die Grundbestimmtheit des menschlichen Daseins als gesellig. Den nächsten Schritt bildet die auch in SN 133 ausgeführte Entgegensetzung eines „Gesezes der Unterwerfung" und eines „Gesezes der Geselligkeit".31 Zu den weiteren Ausführungen des Manuskriptes liegen in SN 133 keine Parallelen vor. Die Überlegungen setzen ein mit einer Reflektion über die Unzulänglichkeit der „verschiedenen Definitionen der bürgerlichen Freiheit".32 Ein längerer Abschnitt handelt anschließend von der Differenziertheit, mit der das Gesetz auf die Handlungen im einzelnen angewendet werden kann.33 Die Überlegungen des letzten von Schleiermacher notierten Absatzes thematisieren das Verhältnis zwischen dem Gesetz und der individuellen Handlungsfreiheit sowie den theoretischen Status normativer Vorgaben für das Handeln des Einzelnen. 4. Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Vermutlich 1793) Schleiermachers Exzerpt von Immanuel Kants Aufsatz „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" ist Bestandteil eines Konvoluts von eigenhändigen 28 29 30 31 32 33

Vgl. KG A KG A 1/1, Vgl. unten Vgl. unten Vgl. unten Vgl. unten

1/1, XLIII-XLVII. LIIIf. LIV-LVIII 355f 15,2-14 15,6-14; siehe KGA Hl, 356,14-23 15,15; Schleiermacher hat diesen Abschnitt mit „3.J" 16,5-26

markiert.

XX

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Manuskripten Schleiermachers, das im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter der Signatur SN 128 geführt wird. Der Text steht auf einem Einzelblatt (Bl. 4) hellen, leicht nachgedunkelten Papiers im Oktavformat von 18,2 cm Höhe und 11,2 cm Breite. Das Blatt ist beidseitig mit brauner Tinte beschrieben und weist keinen Rand auf. Die beiden letzten Notate auf Bl. 4v sind mit schwarzer Tinte, aber von derselben Hand geschrieben. Im unteren Viertel des Blattes befindet sich eine Schreibübung von Schleiermachers Hand. Der Text ist undatiert und trägt keine Überschrift; er beginnt: „ Ueber den Saz, ...". Die Paginierung ist mit Bleistift von fremder Hand vorgenommen worden. Die Entstehungszeit des Textes kann aufgrund von Literaturbezügen und Verbindungen zu anderen Manuskripten Schleiermachers recht genau bestimmt werden. Schleiermacher bezieht sich auf zwei Aufsätze, die in der „Berlinischen Monatsschrift" erschienen sind. Der größte Teil der Notate setzt sich mit der Abhandlung Immanuel Kants „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis"34 auseinander, die im Septemberheft 1793 veröffentlicht wurde,3S der zweite Text erschien im Oktober 1793 unter dem Titel „Auch etwas über den Adel" und ist mit „Ξ. " unterzeichnet.36 Schleiermacher identifiziert den Verfasser mit Spalding, womit vermutlich Georg Ludwig Spalding (1762-1811), seit 1787 Gymnasialprofessor für griechische und lateinische Sprache in Berlin, gemeint ist, mit dessen Familie Schleiermacher seit seinem ersten Berliner Aufenthalt persönlich bekannt war.37

34

35

36

37

Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 22, Berlin 1793, S. 201-284; Gesammelte Schriften, Akademieausgabe, Bd. 8. Abhandlungen nach 1781, 2. Aufl., Berlin 1923, S. 273-313 Dies geht aus einem Brief des Herausgebers Johann Erich Biester (1749-1816) an Kant vom 5. Oktober 1793 hervor: „Endlich bin ich im Stande, mein Verehrungswürdigster Freund, Ihnen das neue Quartal der Beri Monatsschrift zuzusenden; u. ich thue es mit dem allerverpflichtetesten Dank für den treflichen Aufsatz im September. Er ist, Ihrem Willen gemäß, ungetheilt in einem Stücke abgedruckt. " (Kant: Gesammelte Schriften, Bd. 11. Kants Briefwechsel Bd. II: 1789-1794, 2. Aufl., Berlin/Leipzig 1922, S. 456,9-13) [Georg Ludwig Spalding:] Auch etwas über den Adel, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 22, Berlin 1793, S. 372-394 Vgl. dazu Dilthey: Leben Schleiermachers 197f. Die Verbindung mit der Familie Spalding muß Schleiermacher aber bereits vor seiner Zeit als Prediger an der Berliner Charité geknüpft haben, wie sein Brief an Graf Alexander zu Dohna vom 8. August 1794 zeigt: „Wenn Sie Brinkmann, Spalding oder sonst jemand sehn der mich kennt, so grüßen Sie herzlich ..." (KGA V/1, Nr. 271,67f).

Einleitung der Bandherausgeber

XXI

Die genannten Literaturbezüge weisen auf eine Abfassung des Manuskripts im Spätherbst 1793 hin, während Schleiermacher Schulamtskandidat im Gedikeschen Seminar in Berlin war (1793/94).38 Diese Annahme wird dadurch bestätigt, daß Schleiermacher in seiner lateinischen Abhandlung „Philosophia politica Piatonis et Aristotelis ",39 die er Anfang 1794 für die philologische Sozietät des Seminars verfaßt hat, auf die vorgenannte Abhandlung Kants verweist.40 Eine entsprechende Notiz findet sich bereits in Schleiermachers philologischen Anmerkungen zu seiner Übersetzung der Aristotelischen Politik, die er im Winter 1793/94 angefertigt hat.41 Die philologischen Anmerkungen enthalten darüber hinaus auch einen Hinweis auf Spaldings „Adel Idee".42 Daraus ergibt sich, daß die Abfassung des Textes wahrscheinlich gegen Ende des Jahres 1793, vermutlich im November / Dezember, im Zusammenhang mit Schleiermachers umfassenderen Studien zur Staatslehre erfolgte.

5. Notizen zu Aristoteles: Politik

(1793/94)

Unter den Signaturen SN 127 und SN 128 befinden sich im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mehrere Blätter mit eigenhändigen Notizen Schleiermachers zur Politik des Aristoteles. Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der heute unter verschiedenen Signaturen aufbewahrten Manuskripte erhellt sowohl aus formalen (Schriftduktus, Papierform) als auch aus inhaltlichen Gründen. Bei der Nachlaßnummer SN 127 handelt es sich um fünf einzelne Blätter hellen, stellenweise nachgedunkelten Papiers mit Wasserzeichen im Oktavformat. Die Blätter von ca. 18,5 cm Höhe und ca. 11,2 cm Breite sind an den Rändern unregelmäßig geschnitten und tragen verschiedene Überschriften (Bl. lr „Staatsformen", Bl. 2r „Staatsformen II", Bl. 3r „Einrichtungen im besten Staate", Bl. 4r „Revolutionen", Bl. 4v „Beurtheilung anderer Verfassungen", Bl. 5r „Definitionen"). Die Blätter sind mit schwarzer Tinte eng beschrieben und ohne Rand. Bl. 2r, 3r und 4r sind etwa zu zwei Dritteln, Bl. 4v und Sv nur im oberen Viertel beschrieben; Bl. 2v und 3v sind unbeschrieben. Das Manuskript ist undatiert; die Paginierung mit 38 39 40 41 42

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

unten XXII KG A 1/1, 499-509 KGA 1/1, 502,24f SN 151/2, Bl. 2 SN 151/2, Bl. 3

XXII

Einleitung

der

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Bleistift erfolgte von fremder Hand. Unten auf Bl. 1 ν findet sich ein mit Bleistift geschriebener Vermerk: „[lag beim Ms. Politik, nach S. 76]". Innerhalb des Konvoluts mit der Signatur SN 128 befinden sich drei Einzelblätter hellen, leicht nachgedunkelten Papiers mit Wasserzeichen im Oktavformat, die die Fortsetzung des Manuskripts SN 127 enthalten. Die Blätter (Bl. 1-3) sind beidseitig mit schwarzer Tinte beschrieben und ohne Rand; Bl. lv ist nur etwa zur Hälfte beschrieben. Die Blätter von ca. 18,5 cm Höhe und ca. 11,2 cm Breite weisen an den Rändern einen unregelmäßigen Schnitt auf. Bl. 1 r beginnt mit der Überschrift „Begrif, Zwek und Entstehung des Staats" und fährt fort „NB. Die ganze erste Entwikelung des Begriffs ...". Die Blätter 2r-3v tragen die Überschrift „Grundideen". Der Text ist undatiert; die Blattzählung stammt nicht von Schleiermachers Hand. Der historische und literarische Zusammenhang von Schleiermachers Notizen zur Politik des Aristoteles läßt sich relativ genau bestimmen. Schleiermacher war von September 1793 bis April 1794 Schulamtskandidat an dem von Friedrich Gedike (1754-1803) geleiteten Seminarium für gelehrte Schulen in Berlin.43 Im Rahmen seiner dortigen Verpflichtungen hat er in der Zeit von Ende Januar bis Mitte Februar 1794 eine lateinische Abhandlung zur Staatslehre des Aristoteles und des Piaton verfaßt.44 Als Vorarbeit zu dieser Untersuchung fertigte Schleiermacher in den Weihnachtsferien 1793/94 eine umfangreiche Übersetzung der Aristotelischen Politik nebst philologischen Anmerkungen an.45 Die systematisch geordnete Stoffsammlung zur Politik des Aristoteles und deren Vergleichung mit der Staatslehre Piatons bildete vermutlich das sachliche Gegenstück zu Schleiermachers philologischen Anmerkungen und ist wahrscheinlich parallel zu diesen oder kurz danach im Winter 1793/94 entstanden. Diese Vermutung wird durch verschiedene Hinweise im Manuskript selbst und aus dem Briefwechsel Schleiermachers gestützt. Schleiermacher hat bei seiner Übersetzung der Politik nachweislich den elften Band (Politik und Ökonomie, Frankfurt 1587) der von Friedrich Sylburg (1536-1596) besorgten Werkausgabe des Aristoteles benutzt.46 Die gleiche Ausgabe liegt der Stoffsammlung in SN 127 und SN 128 zugrunde, wie aus den Stellenangaben Schleierma43 44 45

46

Vgl. KGA 1/1, XXVIII-XXXI Vgl. KGA I/l, LXXII-LXXV Vgl. KGA I/l, LXXIVf. Dieser Text befindet sich heute im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft unter der Signatur SN 151/1-2. Vgl. KGA I/l, LXXV

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der

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XXIII

chers ersichtlich wird. Der Zusammenhang der Notizen mit der Übersetzung und den philologischen Anmerkungen wird auch durch eine Stelle im Manuskript selbst bestätigt, an der Schleiermacher sich auf eine Erläuterung in seinen philologischen Anmerkungen bezieht.47 Schließlich erwähnt Schleiermacher in einem Brief an Friedrich Schlegel (1772-1829) vom 8. August 1800 in Auseinandersetzung mit Schlegels Theorien zur Echtheit einzelner Platonischer Schriften eine frühere Beschäftigung mit der Politik des Aristoteles: „Aber lieber Freund die Νομοί! das ist mir eine harte Nuß. Bedenke dass sie das Zeugniß des ganzen Alterthums für sich haben, und lies ehe Du diesen Zweifeln Raum giebst die Politik des Aristoteles mit rechter Aufmerksamkeit. Ich habe leztere nur einmal in meinem Leben gelesen; aber wo ich nicht sehr irre fand ich überall die stärksten Andeutungen auf die Platonischen Νομούς."48 Die von Schleiermacher erwähnten Bezüge der Aristotelischen Darstellung auf die Platonischen Gesetze lassen sich im vorliegenden Manuskript durchgängig feststellen.49 Innere wie äußere Zeugnisse sprechen daher für eine Abfassung der Sammlung in zeitlicher Nähe zur Anfertigung der Obersetzung der Aristotelischen Politik im Winter 1793/94. Die hier erstmals edierten Notizen stellten vermutlich das Material für eine geplante, umfangreichere Vergleichung der Staatslehren des Aristoteles und des Piaton dar, als deren Eröffnung Schleiermachers lateinische Abhandlung „Philosophia politica Piatonis et Aristotelis" von 1794 gelten kann.50 6. Notiz zu Adelung: „Über den Stil" (Vor

1800)

Das titellose Manuskript liegt als Blatt 8 innerhalb des Bestandes 583 im Schleiermacher-Nachlaß des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften vor. SN 583 besteht aus insgesamt acht Blättern, wobei Bl. 1 bis 7 zwei fragmentarische Nachschriften zu Schleiermachers Schlobittener Vorträgen „Über den Stil" von 1791 enthalten. Diese Nachschriften werden, in Verbindung mit weiterem nachschriftlichen Material, im Anhang dieses Bandes ediert.51 In der Historischen Einführung zu ihnen wird auch auf die biographischen und inhaltlichen Sachverhalte eingegangen, die mit 47 4S

49 50 51

Vgl. unten 39,3f Kritische Gesamtausgabe, Bd. V/4, Briefwechsel 1800, edd. Andreas Arndt / Wolfgang Virmond, Berlin/New York 1994, Nr. 928,28-33 Vgl. z.B. unten 29,24f und 32,12f Vgl. KG A 1/1, LXXV Siehe unten 503-539

XXIV

Einleitung der

Bandherausgeber

den Vorträgen des jungen Hauslehrers im Schloß des Grafen Friedrich Alexander zu Dohna-Schlobitten zusammenhängen. SN 583, Bl. 8 bietet eine eigenhändige Niederschrift Schleiermachers aus dem thematischen Kontext dieser Vorträge. Das Blatt hat eine Höhe von 11,4 cm und eine Breite von 18 cm; es handelt sich um die Hälfte eines ursprünglichen Einzelblattes. Bl. 8 ist, wie alle anderen Blätter aus SN 583, an den Außenrändern fachmännisch und in neuerer Zeit restauriert worden. Schleiermacher hat sich schwarzer Tinte bedient. Das Blatt ist ungestempelt. Es dürfte von einem Archivar versehentlich den Nachschriften beigelegt worden sein. Die Datierung weist insofern Schwierigkeiten auf, als die Schriftzüge nicht völlig der Schreibweise des jungen Schleiermacher entsprechen. Neben den allerdings überwiegenden Anteilen der Jugendhandschrift finden sich Anzeichen der Erwachsenenhandschrift. In jedem Fall dürfte die Aufzeichnung vor 1800 erfolgt sein, da sich seither Schleiermachers Schrift nicht mehr nennenswert verändert hat. Es ist möglich, daß das Blatt ein Stadium in Schleiermachers Beschäftigung mit Fragen der Stilistik aus den späteren 1790er Jahren repräsentiert. Da allerdings die hier notierten Gedanken, wie auch die Vorträge "Über den Stil", sich eng an das 1789 erschienene Werk "Ueber den Deutschen Styl" (Erster Band. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage, Berlin 1789) von Johann Christoph Adelung anschließen, ist eher anzunehmen, daß das Blatt den Vorträgen zeitlich nahesteht. Schleiermacher hat hierzu umfangreiche Aufzeichnungen angefertigt, die aus dem Zeitraum 1790/91 stammen.52 Vermutlich ist SN 583, Bl. 8 eine entwurfsartige, vielleicht aus einer größeren Zahl ähnlicher Notizen erhaltene Niederschrift aus diesem Kontext.53

7. Geometrie (Vermutlich

1800-1803)

Schleiermachers eigenhändiges Manuskript mit dem Titel „Geometrie" befindet sich unter der Nummer 514/1 im Schleiermacher-Nachlaß des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Es besteht aus vier Doppelblättern, die jeweils zu zwei Blättern von ca. 21,3 cm Höhe und 17,5 cm Breite gefaltet sind. Nur die oberen Ränder der Doppelblätter sind glatt geschnitten. Die Außenseiten weisen eine etwas rauhere Kante auf. Die Unterseiten sind unbeschnitten mit einer leicht wellenförmigen, rauhen Kante. Das Pa52

53

Vgl. KG A l/l, 363-390, hier besonders 374,10; siehe auch die Historische Einführung zu diesen Aufzeichnungen: LIX-LXI1 Einen weiteren Entwurf bietet KGA 1/1, 357-361, siehe besonders 359,19

Einleitung der Bandherausgeber

XXV

pier hat einen hellen Farbton. Stellenweise, besonders an den Unterseiten, finden sich Nachdunklungen. Die Papierqualität entspricht nicht der der von Schleiermacher sonst zumeist verwendeten Schreibpapiere. Es ist von fester, etwas grober Beschaffenheit. Ähnliche Blätter hat Schleiermacher in anderen Fällen bisweilen als Umschlagblätter verwendet. Alle Blätter sind in der Mitte gefaltet. Die dadurch entstandene Faltkante diente bei der Beschriftung als Randmarkierung. Schleiermacher hat die Blätter 2 bis 5 jeweils auf der inneren Blatthälfte mit dunkelbrauner Tinte und fast korrekturfrei beschrieben. Auf den äußeren Blatthälften befinden sich insgesamt vierundzwanzig geometrische Figuren, eine (auf Bl. 3v) Anmerkung und eine allerdings nicht linear durchlaufende Absatzzählung. Blatt 1 trägt auf der Vorderseite die Titelaufschrift „Geometrie". Diese Überschrift kehrt auf Bl. 2r als erste Zeile noch einmal wieder. Bl. lv ist unbeschrieben. Unbeschrieben sind auch die Blätter 6 bis 8. Die Doppelblätter tragen Wasserzeichen. Eine nachträglich von fremder Hand angebrachte Zählung mit Bleistift zählt die Blätter 1 bis 5. Diese Blattzählung wird in der edierten Textfassung am Rand angegeben. Auf Bl. 2r findet sich auf der linken oberen Ecke der Stempel „Litteraturarchiv Berlin ". Dem Manuskript liegt im Schleiermacher-Nachlaß unter der Nummer 514/2 ein Notizblatt zur Geometrie bei, das nicht von Schleiermacher beschrieben worden ist. Es zeigt auf der Vorderseite eine geometrische Skizze, der ein erläuternder Text beigegeben ist. Die Rückseite trägt zwei Notizen, eine unterzeichnet mit „E. Thiel". Das Manuskript enthält keine Hinweise, die Rückschlüsse auf die Datierung erlauben. Es ist jedoch möglich, den Entstehungszeitraum in etwa einzugrenzen, wenn man ein weiteres Manuskript heranzieht, das gleichfalls Aufzeichnungen zur Geometrie enthält. Es handelt sich um das fünfte Gedankenheft (SN Nr. 144; von Dilthey als „Drittes Tagebuch" bezeichnet), in dem Schleiermacher in großer Zahl Überlegungen, Vorformulierungen und Beobachtungen verschiedenster Art notiert hat. Es ist von Günter Meckenstock in KG A 1/3 ediert und auf den Zeitraum Herbst 1800 bis (vermutlich) Sommer 1803 datiert worden.54 In dem Gedankenheft findet sich auf Bl. 10 eine längere geometrische Notiz,55 dazu am Rand eine geometrische Zeichnung, die den graphischen Figuren des Geometrieheftes 54

55

Gedanken V, in: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/3, Schriften aus der Berliner Zeit 1800-1802, ed. Günter Meckenstock, Berlin/New York 1988, S. 281-340; zu diesem Manuskript und seiner Datierung siehe auch: KG A 1/3, XCIII-XCVI, besonders XCV KGA 1/3, 298,11-299,2

XXVI

Einleitung der

Bandherausgeber

gleicht.56 Diese Parallele läßt sich erklären, wenn beide Manuskripte als zeitlich verwandt betrachtet werden. Das hier edierte Heft würde dann dem Zeitraum entstammen, in dem Schleiermacher auch jene Gedankensammlung angelegt hat. Schleiermacher hat sich in seinen frühen Jahren intensiv mit mathematischen und geometrischen Problemen beschäftigt57 Diese Studien waren von der Ausbildung seiner wissenschaftstheoretischen und ethischen Konzeption nicht unabhängig.58 Sowohl Schleiermachers Dialektik wie auch der komplizierte Schematismus der wissenschaftsund ethiksystematischen Entwürfe weisen strukturelle Analogien zu einer mathematisch-analytischen Sachverhaltsbeschreibung auf. Auf der anderen Seite verfolgte Schleiermacher mit seinen einschlägigen Studien auch ein originäres geometrisch-mathematisches Interesse. Im Hintergrund der Notizen zur Geometrie steht die Frage nach einer algebraischen Behandlung geometrischer Probleme. Erörtert werden anhand zahlreicher diskutierter Fälle die Phänomene von Verschiebungen von Parallelen und Drehungen geometrischer Figuren. Hinzu treten weitere Vorgänge - Stauchung, Streckung und Spiegelung -, durch die sich in der Ebene angeordnete geometrische Konstruktionen umformen und transformieren lassen 59 Schleiermacher operiert hier mit einem hohen Maß an Sachkunde und Gewandtheit. Wenn auch Zeugnisse für eine derart intensive Beschäftigung mit den Problemstellungen der Geometrie aus späterer Zeit nicht vorliegen, so könnte doch für die Interpretation der konzeptionellen und methodischen Struktur, die Schleiermacher etwa der Dialektik zugrunde legt, aus der Kenntnis dieses Aspektes seiner frühen Studien Gewinn zu ziehen sein. Es ist vielleicht nicht einmal zu weit gegriffen, wenn sogar, vermittelt über seine Schülerschaft, besonders den Mathematiker Hermann Grassmann (1809-1877), eine anregende Wirkung Schleiermachers auf die Entwicklung der geometrischen Theoriebildung selbst angenommen worden ist.60 56 57

58

59 60

Vgl. das Teilfaksimile von SN 144, Bl. 10 mit der Zeichnung: KG A 1/3, 340 Vgl. den Brief an Carl Gustav von Brinckmann vom 8. August 1789, in: KG A V/1, Nr. 121,116-124 Siebe hierzu die eingehenden Ausführungen von lnken Mädler: Kirche und bildende Kunst der Moderne. Ein an F. D. E. Schleiermacher orientierter Beitrag zur theologischen Urteilsbildung (Beiträge zur historischen Theologie 100), Tübingen 1997, S. 199-295 („Einheit in Bewegung. Der mathematische Funktionsbegriff als Schlüssel zum Verständnis eines theologischen Konstitutivums"), besonders 225-272. Frau Mädler hat im Anhang zu ihrer Studie eine vorläufige Transkription von Bl. 2r, 2v und 3r des Geometrieheftes geboten (Mädler: Kirche 369f). Alle drei Blätter sowie das Titelblatt (Ir) finden sich zudem als Faksimile-Reproduktion (371-374). Vgl. Mädler: Kirche 260 Vgl. Albert C. Lewis: An Historical Analysis of Grassmann's Ausdehnungslehre of

Einleitung der Bandherausgeber

8. Citationes Aristotelicae (Vermutlich

XXVII

1802)

Unter der Signatur SN 153 wird im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ein eigenhändiges Manuskript Schleiermachers mit der Überschrift „Citationes Aristotelicae" aufbewahrt, das eine Sammlung von Stellenangaben aus verschiedenen Schriften des Aristoteles enthält, in denen sich Anspielungen auf Platonische Werke finden. Das Manuskript umfaßt ein Einzelblatt wasserfleckigen und nachgedunkelten Papiers mit Wasserzeichen im Quartformat von 22 cm Höhe und 17,6 cm Breite. Der obere und rechte Rand sind gerade geschnitten, die übrigen Ränder sind unregelmäßig. Die Vorderseite ist etwa zu zwei Dritteln, ohne Rand, beschrieben; die Rückseite ist unbeschrieben. Das Manuskript ist undatiert und nicht paginiert. Der Text beginnt nach der Überschrift mit „De anima /...". Zur Datierung des Manuskripts lassen sich dem Briefwechsel keine eindeutigen Hinweise entnehmen. Aus dem Inhalt des Textes geht jedoch hervor, daß er in den Kontext von Schleiermachers Projekt einer Übersetzung des Piaton gehört, das er seit 1800 zunächst als Gemeinschaftsunternehmen mit F. Schlegel betrieb.61 Neben der eigentlichen Übersetzungsarbeit mußte in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Echtheit und Anordnung der Platonischen Schriften geklärt werden. Zu diesem Zweck untersuchte Schleiermacher, neben dem inneren Zeugnis der Platonischen Dialoge, die äußere Bezeugung Platonischer Schriften in der antiken Literatur, vor allem in den Werken des Aristoteles.62 Dabei kam es zu Differenzen

61 62

1844, Ph.D.-Dissertation, University of Austin/Texas 1975; Ders.: H. Grassmann's 1844 Ausdehnungslehre and Schleiermacher's Dialektik, in: Annals of Science 34 (1977), S. 103-162; F. Schleiermach er's Influence on H. Grassmann's Mathematics, in: Social History of Nineteenth Century Mathematics, Papers from a workshop held in Berlin July 5-9 1979, edd. by Herbert Mehrtens / Henk }. M. Bos / Ivo Schneider, Boston /Massachusetts 1981, S. 246-254 Vgl. dazu KGA 1/3, XCVIII-CVI „Dieses nun [seil.: die Bewährung einzelner Schriften als platonisch] kann doch zunächst auf keine andere Art geschehen, als wiederum durch Zeugnisse, und mit Riiksicht auf das Obige möchte sich zweifeln lassen, ob es für uns jetzt noch andere gültige Zeugnisse gebe, als die des Aristoteles. ... Das einzige nun was aus dieser Rathlosigkeit rettet, ist ein durch den größten Theil der ächten Schriften des Aristoteles sich hindurchziehendes System der Beurtheilung des Piaton, dessen einzele Theile jeder bei einiger Hebung leicht unterscheiden lernt. Wo wir also dieses mit Stellen aus unsern platonischen Schriften oder auch nur mit Ideen beschäftiget finden, die in denselben deutlich enthalten sind, da können wir mit Sicherheit schließen, dass Aristoteles diese Schriften als platonische vor Augen gehabt habe, sollte er auch, wie bisweilen geschieht, die Schrift selbst nicht namhaft machen, sondern nur

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zwischen Schleiermacher und Schlegel in der Beurteilung einzelner Platonischer Werke.63 Im Manuskript wird auf eine solche Differenz in der Beurteilung des Timäus angespielt,64 dessen zweiten Teil Schlegel für unecht erachtete. Schlegel teilte Schleiermacher seine Einschätzung des Timäus in einem Brief vom 20. April 1802 mit: „Du weißt ich habe im Timaeus immer viel Verwirrung gefunden, nämlich in der lezten Hälfte, und dieses daher erklärt, daß der Dialog offenbar nicht fertig sei, vielleicht also die lezte Hälfte nur erste Skizze sei, mit Doubletten, und in dieser Verwirrung jeder Art von Corruption desto ausgesetzter. - Aber bei einer neuen äußerst sorgfältigen Sichtung hab' ich gefunden daß der Schaden tiefer geht. In der That, wie soll diese Metamorphose der Elemente, die grobe Atomistik von den Triangeln als Hypothese zur Erklärung jener Hypothese, dabei die Spuren von Bekanntschaft mit der aristotelischen Philosophie, der Unmöglichkeit des leeren Raums und der quinta essentia, und endlich schon die ganze Humoralpathologie wie sollen sie vom Plato sein, da sie so ganz identisch mit dem sind was man Neuplatonisch nennt? - Das unstreitig Aechte scheint mir schon p. 336 (-339) ed. Bip. aufzuhören. "6S Schleiermacher hat Schlegels Theorie kritisch geprüft und eine entsprechende Notiz in seinem Heft „Zum Piaton"66 angefertigt: „Was Schlegel für unächt hält vom Timaeus muß angehn P. 339 bei der Stelle δει δε και τα δι' αναγκης perge denn das vorige von P. 336-339 hängt ja genau zusamen mit dem was im Phaidon von dem Verhältniß der Endursache zu dem natürlichen gesagt ist. Uebrigens werde ich die ganze Meinung wol nicht annehmen. "6? Unklar ist, ob Schleiermacher bei der Abfassung des Manuskripts die briefliche Mitteilung Schlegels bereits vorlag oder nicht. Im

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im Allgemeinen des Piaton oder des Sokrates erwähnen." (Piatons Werke von F. Schleiermacher, Bd. 1,1, Berlin 1804, S. 33f) Vgl. ζ. B. KGA V/4, Nr. 928,2-43 und Kritische Gesamtausgabe, Bd. V/5, Briefwechsel 1801-1802, edd. Andreas Arndt/Wolfgang Virmond, Berlin/New York 1999, Nr. 1008,12-59 und Nr. 1019,12-47. Rückblickend äußerte sich Schleiermacher darüber in einem Brief an Philipp August Boeckh (1785-1867) vom 18. Juni 1808: „Als ich ihm [seil.: F. Schlegel] bei seinen Verwerfungen die Citationen in unbezweifelten Aristotelischen Werken entgegenhielt, schien er über das chronologische und persönliche Verhältniß des Aristoteles zum Piaton entweder im dunkeln zu sein oder es à la Ast zu vernachlässigen. " (Briefwechsel mit Boeckh und Bekker, ed. Heinrich Meisner, Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin, Neue Folge 11, Berlin 1916, S. 30) Vgl. unten 71,3f KGA V/5, Nr. 1218,19-31 Vgl. KGA 1/3, 341-375 KGA 1/3, 359,3-7 (Nr. 56)

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letzteren Fall muß der Text vor Ende April oder Anfang Mai 1802 entstanden sein. Schleiermacher beschäftigte sich seit Dezember 1800, als Schlegel ihm erstmals eine Übersicht über sein System des Platon zukommen ließ, intensiv mit der Frage nach Echtheit und Abfolge der Platonischen Schriften,68 Die Formulierung im Manuskript deutet darauf hin, daß Schleiermacher zwar von Schlegels These der Unechtheit eines Teils des Timäus wußte, er die genaue Abgrenzung dieses Teils jedoch nicht kannte. Dies spricht dafür, daß der Text vor Eintreffen der brieflichen Mitteilung Schlegels, aber in zeitlicher Nähe dazu, wohl im Frühjahr 1802, verfaßt worden ist, als Schleiermacher noch in Berlin war. Die Notiz spielt vermutlich auf Schleiermachers gemeinsame Piatonlektüre mit Ludwig Friedrich Heindorf (1774-1816) an,69 mit dem er in den Jahren 1801/02 in Berlin regelmäßig philologische und sachliche Probleme der Obersetzung besprach.70 Diese Vermutung wird indirekt auch durch Schleiermachers Notiz in seinem Heft „Zum Piaton" gestützt, die bereits eine kritische Auseinandersetzung mit der These Schlegels voraussetzt.71 Als terminus ante quem muß in jedem Fall die Publikation des ersten Bandes der Piatonübersetzung (1804) gelten, in der sich Rückbezüge auf Schleiermachers frühere Notizen finden.72

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Vgl. Schleiermachers Brief an Friedrich Schlegel vom 10. Januar 1801: „Das einzige Angenehme, was ich Dir zu sagen weiß, ist, dass ich im Piaton bin und zwar mit Leib und Seele. Ich iiberseze am Phädrus, und lese auch waker drauf zu. Von dem ersten hoffe ich Dir noch diesen Monat die erste Ausgabe schiken zu können; von den Früchten des Anderen lässt sich so aus der Mitte heraus wenig sagen. " (KGA V/5, Nr. 1008,7-11) Vgl. unten Anm. zu 71,3 Vgl. dazu Schleiermachers Brief an Friedrich Schlegel vom 24. Januar 1801: „Ich lese jetzt alle Woche zwei Abende Plato mit Heindorf wobei die pünktlichste Kritik sehr heilig getrieben wird; es bekomt uns Beiden aber sehr gut." (KGA V/5, Nr. 1017,31-33) Die Notiz stammt wohl von Ende April / Anfang Mai 1802 (vgl. KG A 1/3, XCVII). In einem Brief vom 18. Juni 1808 berichtet Schleiermacher in der Rückschau über die Differenzen in der Beurteilung des Timäus an Boeckh: „Was den Timaeus betrifft, so hat er mir geschrieben, er sei von einer gewissen Stelle an (ich müßte erst seine Briefe nachsehn, um sie anzugeben) untergeschoben, weil von da an Ideen vorkämen, welche offenbar Aristotelisch wären. Ich zweifle aber, [daß er] damals wenigstens, in dieser Beziehung den Aristoteles durchlaufen hätte, um sicher zu sein, daß dieser nicht auch jenes untergeschobene Stükk anführe." (Briefwechsel mit Boeckh und Bekker 30) Vgl. unten Anm. zu 71,6-9 und 72,5f

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9. Erklärung gegen die Redaktion Zeitung (1806)

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der Neuen Leipziger

Literatur-

Schleiermachers Text ist erschienen im „Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung", Dritter Jahrgang, Jena / Leipzig 1806, Nr. 54 vom 28. Juni 1806, dort auf den Spalten 454 bis 456. Es handelt sich um einen Protest Schleiermachers gegen die fälschliche Zuschreibung des Buches „Ueber Offenbarung und Mythologie. Als Nachtrag zur Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft" an ihn, das 1799 ohne Autorennennung „Im Verlage der Königlichen Akademischen Kunst und Buchhandlung" in Berlin erschienen war. Diese Zuschreibung war zu Schleiermachers besonderem Verdruß im „Neuen Allgemeinen Intelligenzblatt für Literatur und Kunst zur N[euen] Leipziger] Lit[eratur] Zeitung" gleich zweimal erfolgt. Der erste Beitrag, in dem Schleiermacher als Verfasser des Buches genannt wurde, erschien am 15. März 1806. Er steht unter der Rubrikenüberschrift „Literarische Nachrichten" und hat folgenden Wortlaut: „... >Der Verf. der Schrift: über Offenbarung und Mythologie. Berlin 1799. (gr. 8) [Großoktav]< heisst es in unserer N. Lpz. L. Z. 1806. St. III. S. 41 >ist noch immer unbekannte Nicht doch, es ist Herr Prof. Fr. Schleiermacher in Halle. -"71 Bereits gegen diese kurze Nachricht hatte Schleiermacher, wie er in seiner „Erklärung" betonte, Widerspruch eingelegt. Eine Richtigstellung unterblieb jedoch. Statt dessen brachte die Zeitung am 3. Mai 1806 unter derselben Rubrik eine erneute Notiz, die wiederum Schleiermacher die Autorschaft beilegte: „... Wer ist der Verf. von der Schrift: über Offenbarung und Mythologie, als Nachtrag zur Rei. innerhalb den Gränzen der blossen Vernunft. Berlin 1799. gr. 8? Vergi, mit N. Lpz. L. Ztg. 1806. S. 41. >der noch immer unbekannte Verf. etc.< - Es ist Hr. Fr. Dan. Ernst Schleiermach er, ausserord. Prof. der Theol. und Philos, und Univ. Pred. zu Halle. Von demselben rührt auch die Schrift her: über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren V er ächtern. Beri. 1799. gr. 8. Jene Schrift ist in d. Rev. der Lit. 5ter Jahrg. (S. 505f.) beurtheilt. Der in beiden Artikeln enthaltene Selbstverweis geht auf eine Sammelbesprechung über „Literatur der Religionsphilosophie", die 73

74

Neues Allgemeines Lit[eratur] Zeitung, Neues Allgemeines Lit[eratur] Zeitung,

Intelligenzblatt für Literatur und Kunst zur N[euen] 13. Stück vom 15. März 1806, Sp. 202 Intelligenzblatt für Literatur und Kunst zur N[euen] 21. Stück vom 3. Mai 1806, Sp. 331

Leipz[iger] Leipz[iger]

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XXXI

am 6. Januar 1806 in der „Neuen Leipziger Literatur-Zeitung" unter dem Titel „Wissenschaftskunde" erschienen war.7S Hier heißt es innerhalb einer Aufzählung einschlägiger Titel: „... des noch immer unbekannten Verf.'s der Schrift: über Offenbarung und Mythologie, Berlin 1799., welche ebenfalls mehrere belehrende Recensionen veranlasst hat; ... "76 Nachdem Schleiermacher bis Ende Mai auf eine Korrektur gewartet hatte, verfaßte er seinen Text und sandte ihn der „Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung" ein. In dieser Zeitung hatte er bereits mehrfach publiziert,77 zudem war ihm der verantwortliche Redakteur, Karl Abraham Eichstädt, in dieser Zeit auch persönlich verbunden.78 Nachdem die Erklärung am 28. Juni 1806 erschienen war, reagierte die Leipziger Redaktion. Im 31. Stück des „Neuen Allgemeinen Intelligenzblattes" vom 5. Juli 1806 druckte sie den folgenden zweigeteilten Text:79 „Berichtigung und Erklärung. Der Concipient dieser Anzeige kann bestimmt versichern, daß Herr Schleiermach er nicht Verfasser des Buches über Offenbarung und Mythologie ist, wie in der Leipz. Lit. Zeit, behauptet wurde. Den Namen des wahren Verfassers bekannt zu machen, dazu fehlt die Erlaubniss. Dieser hatte wahrscheinlich, wie die meisten Recensenten, seine guten Gründe, sich nicht zu nennen. Dem Refer, hat er indess. noch folgendes zu publiciren erlaubt. >Der Verf. jenes Buches hat nicht, wie andre Schriftsteller, eine allgemein gültige, sondern nur seine subjective d. h. ihm wahre, menschliche und humane Ansicht der Offenbarung aufstellen wollen. Und er glaubt, dass weder die Bibel, noch die Menschheit Etwas dabey verloren habe. Denn die Bibel ist nach dieser Ansicht ein Werk ihrer eigenen Erziehung, der Selbsterziehung der Menschheit.< L. C. F. M. 75 76 77

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Neue Leipziger Literatur Zeitung, 3. Stück, 6. Januar 1806, Sp. 33—44 Neue Leipziger Literatur Zeitung, 3. Stück, 6. Januar 1806, Sp. 41 Es handelt sich um Rezensionen von Friedrich Wilhelm Joseph Schellings „Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums" (Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/4, edd. Eilert Herms / Günter Meckenstock / Michael Pietsch, Berlin/New York 2002, S. 461—484), von Johann Friedrich Zöllners „Ideen über National-Erziehung" (Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/5, Schriften aus der Hallenser Zeit 1804-1807, ed. Hermann Patsch, Berlin/New York 1995, S. 1-25) und von Johann Joachim Spaldings „Lebensbeschreibung" (KGA 1/5, 27-38). Vgl. Schleiermachers Briefwechsel mit Eichstädt, ed. Hermann Patsch, in: ZNThG/JHMTh 2 (1995), S. 255-302 und 3 (1996), S. 172 Neues Allgemeines Intelligenzblatt für Literatur und Kunst zur N[euen] Leipz[iger] Lit[eratur] Zeitung, 31. Stück vom 5. Juli 1806, Sp. 481 f. Die betreffende Ausgabe wird mit diesem Text eröffnet.

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Diese Berichtigung war uns schon zugekommen, als wir aus einer mit mehr Alarme als der kleine literarische Irrthum verdiente, geschriebenen Erklärung des Hrn. Prof. Schleiermacher im Int. Bl. der Jenaischen L. Ζ. N. 54. S. 454. sahen, dass wir auch von ihm früher mit einer schriftlichen Berichtigung jenes Irrthums beehrt worden waren. Bis itzt sind wir noch nicht im Stande genau anzugeben, wie und wo seine Zuschrift verloren gegangen ist. Aber das können wir versichern, dass sie nur deswegen nicht abgedruckt worden ist, weil sie sich unter den für das Int. Bl. bestimmten Papieren, welche die Redaction erhalten, nicht vorgefunden hat, dass die zweymal wiederholte, nun berichtigte, Angabe von einem und demselben Verfasser herrührt, dass dieser ausserhalb Sachsens, in sehr beträchtlicher Entfernung von uns und von Herrn Prof. Schleiermacher lebt, dass er nach unsrer Ueberzeugung gewiss bey Einsendung derselben keine andre Absicht hatte, als die, welche Freunde der Literatur - und er gehört zu ihren fleissigsten Bearbeitern - bey Aufsuchung und Bekanntmachung der Verfasser anonymer Schriften haben, das[s] wir für Berichtigung und Antikritiken noch nichts gefordert, wohl aber eingesandte Insertionsgebühren zurückgeschickt haben, endlich dass wir nichts angelegentlicher wünschen, als durch zuverlässige literarische Nachrichten den Werth und Credit unsers Int. Blattes fortdauernd so zu erhöhen, wie es der bisher erhaltene Beyfall eben sowohl als die Achtung für die Literatur fordert. D. Red. " Damit war der Schriftwechsel, sofern er in der Öffentlichkeit stattfand, beendet. In Schleiermachers Korrespondenz findet sich noch vereinzelt ein Niederschlag. Am 25. Juli 1806 urteilte Georg Ludwig Spalding in einem Brief an Schleiermacher über den „eigentümlich und nicht aus Gefälligkeit" geschriebenen Text des Freundes.80 Wegen der allgemeinen Verläßlichkeit des Leipziger Redaktionsstabes neigte Spalding dazu, „jene Erklärung durch den deus ex machina, den Briefverlust zwischen Halle und Leipzig, für wahr zu halten". „Das Gute" von Schleiermachers Einsendung bleibe, „daß es 80

Aus Schleiertnacher's Leben. In Briefen. Band 1-2, 2. Auflage, Berlin 1860; Band 3-4, edd. Ludwig Jonas / Wilhelm Dilthey, Berlin 1861-1863 (photomechanischer Nachdruck der Bände 1 und 2 nach der zweiten Auflage sowie der Bände 3 und 4: Berlin/New York 1974) (im folgenden abgekürzt zitiert als: Briefe 1-4), hier Briefe 4, 125-127, hier 126. Siehe schon Spaldings Brief an Schleiermacher vom 27.128. Februar 1803, in dem er die Frage gestellt hatte: „Sagen Sie mir (denn warum sollte ich Sie nicht danach fragen?) haben Sie geschrieben: Mythologie und Offenbarung? Ich habe das Buch nicht gesehen. Aber verstehe ich etwas von Physiognomie der Titel, so ist dieses da keiner von Ihrer Familie. Doch ich kann mich ja irren; und viele Leute wissen es ganz gewiß, es sei Ihr Werk" (Briefe 3, 335f, hier 335).

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einmal authentisch wird, Sie haben das Buch quaest. nicht geschrieben".81 Die Annahme von Schleiermachers Verfasserschaft bestand auch viel später noch, was vor allem daran lag, daß der tatsächliche Verfasser sich nicht zu seinem Werk bekannte. In der „Zugabe zu meinem Schreiben an Herrn Ammon" mußte Schleiermacher sich noch 1818 erneut mit der Falschzuschreibung auseinandersetzen. Christoph Friedrich Ammon hatte in seiner „Antwort auf die Zuschrift des Herrn Dr. F. Schleiermacher, ordentlichen oeffentlichen Lehrers der Theologie an der Universität zu Berlin, über die Prüfung der Harmsischen Sätze" (Hannover / Leipzig 1818) Schleiermacher als Verfasser des Buches von 1799 vorausgesetzt.82 Hiergegen verwahrte Schleiermacher sich: „ Und nun ist nur noch der Irrthum übrig. Herr Ammon schreibt mir eine Schrift zu >Ueber Offenbarung und Mythologie< die ich nicht nur nicht geschrieben, sondern bis jetzt auch noch nicht gesehen habe; und ich werde fast müssen die Verlagshandlung jenes Buches zu Hülfe rufen, um dies falsche Gerücht zu widerlegen. Denn ich habe schon einmal öffentlich sehr kräftig dagegen protestirt, als sie mir in der Leipziger Litteraturzeitung beigelegt wurde;...".83 Über den tatsächlichen Verfasser des Buches hat lange Zeit keine hinreichende Sicherheit bestanden. Es handelt sich um Johann Christian August Grohmann (1769-1847). Grohmann war im Erscheinungsjahr der Schrift als außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Wittenberg tätig84 Grohmanns Werk umfaßt Schriften zur Philosophie, Geschichtsund Religionstheorie, aber auch zur Pädagogik und Rechtstheorie, 81 n

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Briefe 4,127 Ammon: Antwort auf die Zuschrift 33f; vgl. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/10, Theologisch-dogmatische Abhandlungen und Gelegenheitsschriften, ed. Hans-Friedrich Trauisen unter Mitwirkung von Martin Ohst, Berlin/New York 1990, S. 198 KG A l/l 0, 114f. Siehe hier (11S f) auch die editorische Erläuterung zu einer weiteren Falschzuschreibung in: Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller. Angefangen von Georg Christoph Hamberger, fortgeführt von Johann Georg Meusel, 3. Aufl., Bd. X, Lemgo 1803 [ND: Hildesheim 1966], S. 582. Schleiermacher wird hier mit voller Namensnennung und der Angabe „seit 1802 Hofprediger in Stolpe" angeführt. Die Notiz ist erst in der Ausgabe von 1825 korrigiert worden (Bd. XX, 137). Zur Biographie siehe die näheren Angaben bei Matthias Wolfes: Grohmann, Johann Christian August, in: BBKL 21 (2003), S. 563-572. Ein Schriftenverzeichnis findet sich bei Hans Schröder: Johann Christian August Grohmann, in: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart. Im Auftrage des Vereins für hamburgische Geschichte ausgearbeitet, Zweiter Band, Hamburg 1854, S. 604-609, hier 606-609.

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daneben trat er als politischer Publizist und Kulturtheoretiker hervor. Ein besonderes Verdienst erwarb er sich im Kampf gegen die Todesstrafe.85 Philosophiegeschichtlich ist Grohmann, trotz des starken Einflusses Kants besonders auf die Schriften der Frühzeit,86 ein Einzelgänger geblieben. Im Mittelpunkt seiner Veröffentlichungen zur religionsphilosophischen Thematik steht der Offenbarungsbegriff87 In den ohne Namensnennung publizierten Schriften „Ueber die Offenbarung",88 „Kritik der christlichen Offenbarung, oder einzig möglicher Standpunkt, die Offenbarung zu beurtheilen" (Leipzig 1798) und vor allem in dem Buch „ Ueber Offenbarung und Mythologie. Als Nachtrag zur Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft" von 1799 geht Grohmann von der kritischen Position Kants aus, die er im einzelnen zu begründen sucht89 Hierin ist er zunächst mit Fichte einig, dessen gleichfalls anonym veröffentlichter Schrift „ Versuch einer Critik aller Offenbarung" (Königsberg 1792) „Ueber Offenbarung und Mythologie" in der Buchausgabe häufig beigefügt wurde. Mit Namensnennung hat Grohmann nur die religionsphilosophische Schrift „Über die höhere religiöse Überzeugung. Ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit" (Hamburg 1811) veröffentlicht. Belege dafür, daß er die Autorschaft für seine anonym publizierten religionsphilosophischen Schriften je für sich reklamiert hätte, sind bisher nicht bekannt geworden. In den namentlich gezeichneten Veröffentlichungen finden sich keine direkten Bezugnahmen auf diese Schriften als auf eigene Werke.

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Vgl. Über das Princip des Strafrechts, Karlsruhe 1832; Für die Abschaffung der Todesstrafe, Dresden 1833 Siehe besonders: Über das Verhältniß der Theorie zur Praxis, Leipzig 1796; Neue Beyträge zur kritischen Philosophie und insbesondere zur Logik, Leipzig 1796 Zum folgenden siehe Wolfes: Grohmann 567-569 sowie Elliot van Diller: Revelation and Mythology. Friedrich Schleiermacher versus Johann Grohmann, in: Crozer Theological Quarterly, edited by the Crozer Theological Seminary, 25 (Philadelphia 1948), S. 12-26 Annalen der Philosophie und des philosophischen Geistes 3 (Leipzig 1797), S. 719-744 Das Buch blieb in der zeitgenössischen Diskussion nicht unbeachtet. Die wichtigsten Besprechungen sind: [Anonymus:] Rezension zu „ Ueber Offenbarung und Mythologie", Berlin 1799, in: Erlanger Litteratur-Zeitung, Nr. 202 vom 14. Oktober 1800, Sp. 1609-1616 und Nr. 203 vom 15. Oktober 1800, Sp. 1617-1621; [Hld.:j Rezension zu „Ueber Offenbarung und Mythologie", Berlin 1799, in: Neuestes theologisches Journal, ed. Johann Philipp Gabler, Sechster Band, Viertes Stück, Nürnberg 1801, S. 337-357; Friedrich Koppen: Über Offenbarung in Beziehung auf Kantische und Fichtesche Philosophie, Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage, Lübeck/Leipzig 1802, S. 131-137.

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Immerhin macht die von der Leipziger Redaktion in ihrer Richtigstellung vom 5. Juli 1806 mitgeteilte Erklärung Grohmanns deutlich, daß ihm die Falschzuschreibung von „JJeber Offenbarung und Mythologie" an Schleiermacher bekannt gewesen ist. Aus Gründen, die von der Redaktion selbst angedeutet wurden, hielt er es nicht für angebracht, sich zu seinem Buch zu bekennen. Die Zuschreibung ergibt sich, wenn auch nicht mit ausschließender Sicherheit, auf zweierlei Weise. Zum einen liegen entsprechende Aussagen von zwei Weggefährten Grohmanns vor.90 Zum anderen enthält das Buch „Ueber Offenbarung und Mythologie" im Schlußteil Passagen, die in großer Nähe zu der 1798 in den mit Verfasserangabe versehenen „Neuen Beiträgen zur kritischen Philosophie und insbesondere zur Geschichte der Philosophie" veröffentlichten Abhandlung „Hauptpunkte der Kant'schen und Fichte'schen Philosophie" stehen.91 Überdies bezieht Grohmann sich in dem Buch von 1799 direkt und indirekt auf die „Kritik der christlichen Offenbarung" von 1798 92 Schleiermachers „Erklärung gegen die Redaktion der Neuen Leipziger Literatur-Zeitung" ist wieder abgedruckt worden in der Briefsammlung: Aus Schleiermach er's Leben. In Briefen. Vierter Band. Vorbereitet von Ludwig Jonas, herausgegeben von Wilhelm Dilthey, Berlin 1863, auf den Seiten 126 und 127 (Fußnote). Einen weiteren Abdruck bietet Hans-Friedrich Trauisen im Rahmen seiner editorischen Erläuterungen zu Schleiermachers „Zugabe zu meinem Schreiben an Herrn Ammon " von 1818 in Band Hl 0 der Kritischen Gesamtausgabe: Theologisch-dogmatische Abhandlungen und Gelegenheitsschriften, Berlin / New York 1990, hier auf der Seite IIS.

10. Xenophon-Studien

(Vermutlich

1806/07)

Im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften befindet sich unter der Signatur SN 192 ein eigenhändiges Manuskript Schleiermachers mit Notizen zu verschiedenen Werken des Xenophon. Das Manuskript umfaßt zwei gefaltete, ineinander gelegte Doppelblätter stellenweise nachgedunkelten Papiers mit Wasserzeichen im

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91 91

Johann Christoph Kröger: Johann Christian August Grohmann, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Fünfundzwanzigster Jahrgang 1847, Zweiter Theil, Weimar 1849, S. 491-501, hier 496; Schröder: Grohmann 606 (mit Hinweis auf die falsche Zuschreibung an Schleiermacher) Vgl. Ueber Offenbarung und Mythologie 256-269 Vgl. Ueber Offenbarung und Mythologie 243

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Quartformat. Die Seitenhöhe beträgt ca. 20,5 cm, die Seitenbreite etwa 17,5 cm. Durch Faltung ist ein ca. 6 cm breiter, äußerer Rand entstanden, auf dem sich an vier Stellen Notizen Schleiermachers finden. Die Blätter 1 und 2 sind mit schwarzer Tinte beschrieben, die übrigen Blätter sind unbeschrieben; Blatt 2v ist nur zu ca. zwei Dritteln beschrieben. Die Paginierung aufBl. 1 und 2 erfolgte mit Bleistift von fremder Hand, die restlichen vier Blätter sind unpaginiert. Die Seitenränder sind unregelmäßig, nur der obere Rand ist gerade geschnitten. Das Manuskript ist undatiert und trägt keine Überschrift; es beginnt mit den Worten „η. οτε εδοκει ημιν ...". Im Briefwechsel finden sich keine Hinweise auf die Abfassung des Manuskripts, so daß man für Vermutungen über seine Entstehungszeit auf das innere Zeugnis des Textes angewiesen ist. Das Manuskript enthält in der Hauptsache philologische Bemerkungen zu einzelnen Stellen aus Xenophons Schriften „Apologia Socratis", „Symposion" und „Oeconomicus" und gehört vermutlich in den Umkreis von Schleiermachers Piatonübersetzung.93 Bereits 1802 hatte Schleiermacher in diesem Zusammenhang notiert, daß er die „Apologie" und das „Gastmahl" des Xenophon noch genauer studieren müsse.94 Die verschiedenen Literaturbezüge des Textes weisen ihn jedoch einer späteren Zeit zu: Schleiermacher nimmt an einer Stelle auf Gedanken Bezug, die er im zweiten Teil des ersten Bandes seiner Piatonausgabe aus dem Jahr 1805 formuliert hatte.95 An einer anderen Stelle96 verweist er auf die Textausgabe des Gorgias von Ludwig Friedrich Heindorf, die ebenfalls im Jahre 1805 erschienen ist97 Dieses Datum muß als terminus post quem für die Abfassung des Manuskripts angesehen werden. Vielleicht kann die Entstehungszeit des Textes aber noch etwas genauer bestimmt werden: Schleiermacher gibt an zwei Stellen im Text98 einen Querverweis auf das zweibändige „Kritische Griechisch-Deutsche Wörterbuch" von Johann Gottlob Schneider (1750-1822), das er nach Ausweis des Rauchschen Auktionskatalogs in 2.ß. Auflage besessen hat.99 Die zweite Auflage dieses Werks erschien in den Jahren 1805/06,100 so daß sich das Jahr 1806 als frühest 93 94 95 96 97 98 99

100

Vgl. oben XXVII Vgl. KGA 1/3, 360,5f (Nr. 60) Vgl. unten Anm. zu 81,3 Vgl. unten 84,14f Piaton: Dialogi selecti, Bd. 2. Gorgias et Tbeatetus, ed. L. F. Heindorf, Berlin 1805 Vgl. unten 81,10 und 85,20 Vgl. Schleiermachers Bibliothek. Bearbeitung des faksimilierten Rauchschen Auktionskatalogs und der Hauptbücher des Verlages G. Reimer, ed. Günter Meckenstock (Schleiermacher-Archiv 10), Berlin/New York 1993, S. 265f Johann Gottlob Schneider: Kritisches griechisch-deutsches Wörterbuch beym Lesen

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XXXVII

möglicher Zeitpunkt für die Abfassung des Textes ergibt. Nimmt man die Bezüge auf die ersten Bände der Piatonausgabe und die Anspielung auf das Platonische Symposion101 hinzu, kann man vermuten, daß das Manuskript im Zusammenhang mit der Arbeit am vierten Band der Piatonübersetzung steht, die Schleiermacher im Winter 1806/07 vollendet hat.102 11. Bittschrift an Kaiser Napoleon

(1807)

Die von Schleiermacher mitunterzeichnete Bittschrift an Kaiser Napoleon ist zuerst im Januar 1808 im ersten Stück des dreizehnten Bandes des von Christian Daniel Voß herausgegebenen periodischen Werkes „Die Zeiten oder Archiv für die neueste Staatengeschichte und Politik ", dort auf den Seiten 104 bis 107, veröffentlicht worden. Die Unterschriften fehlen. Tageskalender Schleiermachers, die nähere Aufschlüsse zum Kontext geben könnten, liegen weder für das Jahr 1806 noch für 1807 vor. Die Bittschrift führt unmittelbar in die dramatischen Ereignisse hinein, denen Schleiermacher ausgesetzt war, als sich infolge der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt das französische Okkupationsheer der mitteldeutschen Territorien und Städte bemächtigte. Am 17. Oktober 1806, einen Tag nach der Kapitulation der Festung Erfurt, rückten französische Truppen Richtung Halle vor. Unter der Leitung des Generals Bernadotte wurden im Gebiet um die Stadt Halle zwölftausend preußische Soldaten, angeführt von dem Herzog Eugen von Württemberg, eingeschlossen.103 Der anschließende Kampf wurde mit äußerster Härte und Erbitterung geführt. Die preußischen Soldaten,

101 102

103

der griechischen profanen Scribenten zu gebrauchen, 2. Aufl., Bd. 1-2, Jena/Leipzig 1805-1806 Vgl. unten 82,24-83,2 Vgl. dazu Schleiermachers Bericht an Carl Gustav von Brinckmann vom Frühjahr 1807: „Ich habe diesen Winter fast nichts gethan als dem Gang der Dinge zusehn und an Berichtigung der öffentlichen Nachrichten und der heimlichen Gerüchte die Kritik üben. Nur ein Band Piaton ist fertig geworden, und außerdem hat meine Kritik weil sie einmal lebendig war eine kleine Ausflucht in das theologische Feld gewagt." (Briefe 4, 135) Der zweite Teil des zweiten Bandes der Werke Piatons erschien zur Ostermesse 1807, vgl. Wichmann von Meding: Bibliographie der Schriften Schleiermachers nebst einer Zusammenstellung und Datierung seiner gedruckten Predigten (Schleiermacher-Archiv 9), Berlin/New York 1992, S. 34 (1807/2). Zu Jean Baptiste Bernadotte, dem französischen Heerführer, der später im Krieg von 1813 als schwedischer Kronprinz Napoleons wichtigster militärischer Gegner wurde, vgl. nähere Angaben unten Anm. zu 403,20.

XXXVIII

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die teilweise innerhalb der Hallenser Stadtmauer postiert waren, leisteten heftigen Widerstand. Insgesamt betrug die Zahl der Toten und Verwundeten auf preußischer Seite annähernd fünftausend.104 Die Folge war die Besetzung der Stadt. Schleiermacher mußte Hausdurchsuchung und den Verlust von Teilen seiner allerdings spärlichen Habe hinnehmen. Ober diese Vorkommnisse liegen einige briefliche Zeugnisse vor, die deutlich werden lassen, daß Schleiermacher schon wenig später die Situation aus einer abgeklärten Perspektive betrachten konnte.105 Trotz der Einquartierung und der „Brutalität der Leute", der er ausgesetzt war, und ungeachtet der Gerüchte „von Plündern und Anstekken der Stadt", war Schleiermacher sogar imstande, seine wissenschaftlichen Arbeiten weiterzuführen.106 Von fataler Bedeutung allerdings war ein weiteres Ereignis. Auf kaiserlichen Befehl wurde die Universität am 20. Oktober 1806 geschlossen.107 Diese Entscheidung dürfte im wesentlichen auf das Verhalten der Studentenschaft zurückzuführen sein, die noch am Tage der Schließung aus der Stadt ausgewiesen wurde. Schleiermacher berichtete einige Wochen später: „Ihr wißt, daß Napoleon unsere Studenten vertrieben hat. Von der Ursache wissen wir noch immer nichts gewisses. Sie hatten ein paar Tage vor dem Einzüge der Franzosen, als frische Siegesnachrichten kamen, dem [preußischen] Könige ein Vivat und ihm ein Pereat gebracht; ja sie sollen das während seines Hierseins, als die Truppen auf dem Markte vive l'Empereur riefen, wiederholt haben, was freilich toll genug wäre. Es war hier ein Aufruf erschienen, zum Besten der Armee allerlei zu veranstalten, in welchem harte Ausdrücke gegen die Franzosen standen, und dieser war von der Universität mit unterzeichnet. Alles dies mag zusammen gewirkt haben."108 104

105 106

107

I0S

Einen Bericht von den Geschehnissen, deren Augenzeuge er als Gast in der Wohnung seines Freundes Henrich Steffens geworden war, gibt Schleiermacher in einem Brief an Georg Andreas Reimer vom 4. November 1806, in: Schleiermacher-Nachlaß 761/1, Bl. 65-66, hier 65r-65v; Druckfassung in: Briefe 2, 71 f, hier 71. Vgl. KGA I/S, XXIVf Es entstanden in dieser Zeit eine Fichte-Rezension (abgedruckt in KGA I/S, 119-152) und die Schrift „Ueber den sogenannten ersten Brief des Paulos an den Timotheos. Ein kritisches Sendschreiben an J. C. Gass" (zuerst separat: Berlin 1807; abgedruckt in KGA 1/5, 153-242). Vgl. die zeitgenössische Darstellung des Hallenser Universitätsprofessors Christian Daniel Voß: Schicksal der Stadt und Universität Halle, während des (letztern) Krieges, in: Die Zeiten oder Archiv für die neueste Staatengeschichte und Politik, ed. Christian Daniel Voß, Band 12, Zwölftes Stück, Halle 1807, S. 386-412; Band 13, Erstes Stück, Halle 1808, S. 91-115 (dort der Text der Bittschrift); Band 13, Drittes Stück, Halle 1808, S. 423-434. Brief an Ehrenfried von Willich vom 1. Dezember 1806, in: Briefe 2, 77-79, hier

Einleitung der Bandherausgeber

XXXIX

Für die Hallenser Professoren hatte die Ausweisung der Studenten - ausgenommen waren nur solche, die Verwandte in der Stadt besaßen - schwerwiegende Konsequenzen. Dies galt für Schleiermacher insofern in besonderem Maße, als er auf keinerlei Rücklagen oder ertragbringende Besitztümer zurückgreifen konnte. Mit der Suspendierung der für das Wintersemester angekündigten Vorlesungen entfiel die materielle Basis seiner Hallenser Existenz. Gehaltszahlungen wurden über Monate hinweg überhaupt nicht geleistet. Die drohende Notlage, in die nicht allein er, sondern die Professorenschaft der Stadt insgesamt geriet, bildet einen wichtigen Aspekt in der Vorgeschichte der Petition. Es ist derzeit nicht möglich, die Bittschrift präzise zu datieren, zumal das handschriftliche Original nicht vorliegt. Auch sind die genauen Entstehungsumstände und die Frage der Verfasserschaft noch ungeklärt. Ein erstes Gesuch um Wiedereröffnung richteten die Professoren unmittelbar nach Schließung der Universität an den Kaiser.109 Erneut wurden sie am 3. November vorstellig, gleichzeitig baten sie den preußischen Minister Haugwitz um Unterstützung. Ein drittes Schreiben richteten sie an den Generalgouverneur der eroberten Provinzen, Henri Jacques Guillaume Clarke, sowie an Bernadotte. Alle diese Eingaben blieben, ebenso wie die Fürsprache des preußischen Ministers Julius Eberhard Wilhelm Ernst von Massow, erfolglos; zum Teil wurden sie brüsk zurückgewiesen. Als Massow gegen Jahresende in Form einer an die französische Militärverwaltung adressierten Denkschrift erneut zugunsten der Universität plädierte und hiervon die Hallenser Professoren in Kenntnis setzte, entschlossen diese sich, ihrerseits noch einmal eine Bittschrift an Napoleon zu richten.110

109

77f. Vgl. die Schilderung der Vorgänge auf dem Hallenser Marktplatz durch Karl August Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, Zweite Auflage, Erster Theil (Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften, Erster Band), Leipzig 1843, S. 405. Siehe die Darstellung von Wilhelm Dilthey: Leben Schleiermachers, Erster Band, Aufgrund des Textes der 1. Auflage von 1870 und der Zusätze aus dem Nachlaß herausgegeben von Martin Redeker, Zweiter Halbband: 1803-1807, Kritische Neuausgabe des von H[ermann] Mulert in der 2. Auflage der Biographie (1922) mitgeteilten Nachlasses, Göttingen 1970, S. 192f Vgl. Dilthey: Leben Schleiermachers 1/2, 193. Zu Massows Eingabe vgl. Schleiermachers Brief an Joachim Christian Gaß vom 30. November 1806, in: Fr. Schleiermacher's Briefwechsel mit J. Chr. Gaß. Mit einer biographischen Vorrede, herausgegeben von Dr. W[ilhelm] Gaß, Berlin 1852, S. 56-59, hier 58; vgl. Schleiermacher als Mensch. Sein Werden und Wirken, [Band 2:] Sein Wirken. Familienund Freundesbriefe 1804-1834, in neuer Form mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Heinrich Meisner, Gotha 1923 (im folgenden abgekürzt zitiert als: Briefe ed. Meisner 2), S. 75f, hier 76. In beiden Editionen des Briefes

XL

Einleitung der

Bandherausgeber

Der von Christian Gottfried Schütz entworfene Text stieß allerdings wegen seines demütigen Tones auf Kritik, wobei sich insbesondere August Hermann Niemeyer und Schleiermacher ablehnend äußerten. Hierauf wurde eine zweite Fassung erstellt, die dann von den Professoren Johann Christian Kemme, Niemeyer, Theodor Anton Heinrich Schmalz, Schleiermacher und Schütz, nicht aber von Johann Christian Reil und Friedrich August Wolf unterzeichnet wurde.111 Aus dieser Abfolge, in Verbindung mit einer weiteren Eingabe, die der Magistrat der Stadt Halle am 4. Februar 1807 an den Gouverneur Clarke sandte,112 läßt sich die Bittschrift wohl auf den Februar 1807 datieren. Die Bemühungen der Hallenser Hochschullehrer blieben vergeblich. Napoleon hat sich auf keinerlei Entgegenkommen eingelassen. Zu stark war vermutlich die Befürchtung, daß eine ohnehin schon unruhige Universität, an der weit über eintausend Studenten eingeschrieben waren, die Konsolidierung seiner politischen und militärischen Machtstellung im unterworfenen Preußen gefährden könnte.113 Die Unterbindung des Lehrbetriebes bildete in dieser Lage das sicherste, wenn auch am meisten drakonische Instrument, um zu verhindern, daß sich die Universität zu einem Zentrum des Protestes oder gar des Widerstandes entwickeln konnte. Eine Reaktion auf die Petition ist bisher nicht bekannt geworden. Die offizielle Mitteilung über die Wiedereröffnung der Universität erfolgte erst am 29. Dezember 1807.114 Ein erneuter Abdruck der Bittschrift ist im Rahmen der stadtgeschichtlichen Darstellung von Carl Hugo Freiherr vom Hagen erfolgt: Die Franzosen in Halle 1806-1808, Halle an der Saale 1871, dort auf den Seiten 98 bis 100. Auch in diesem Druck fehlen die Unterschriften.

111

112 113

114

steht statt Massow der Name „Musäus", den Meisner (Schleiermacher als Mensch 380) auf den Schriftsteller Johann Karl August Musäus (1735-1787[!j) bezieht. Doch handelt es sich um einen Lesefehler. Vgl. Dilthey: Leben Schleiermachers 1/2, 193 mit den Angaben zu den Unterzeichnern; siehe auch Varnhagen: Denkwürdigkeiten des eignen Lebens. Erster Theil 414 Vgl. Dilthey: Leben Schleiermachers 1/2, 193 Nach Wilhelm Schräder: Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle, Band II, Berlin 1894, S. 568 (Anlage 48 C) hatte die Universität 1806 1.280 Studenten, darunter 473 Theologen. 1803 waren es 578 (260), 1804 796 (347) und 1805 944 (360) Studenten gewesen. Die Bevölkerungszahl für Halle lag in diesen ]ahren kontinuierlich bei etwa fünfzehntausend Einwohnern (vgl. Allgemeine Literatur-Zeitung. Intelligenzblatt, Nr. 14 vom 22. Januar 1806, Sp. 105f). Die "Wiederaufnahme der Vorlesungen wurde für einen Zeitpunkt sogleich nach Ostern 1808 in Aussicht gestellt. Die Studenten wurden entsprechend zurückgerufen.

Einleitung der Bandherausgeber

XL1

12. Anzeige (1808) Die gemeinsam mit dem Mediziner Ludwig Friedrich Froriep unterzeichnete, auf den 2. Februar 1808 datierte „Anzeige" ist in der Nummer 27 vom 16. Februar 1808 der „Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten", dort Spalte 7, erschienen. Der Text markiert Schleiermachers endgültige Abkehr von der Universität Halle.115 Im Hintergrund stand die nicht geklärte Frage des rechtlichen Status derjenigen Professoren, die sich infolge der im Oktober 1806 von der französischen Besatzungsmacht angeordneten Universitätsschließung aus der Saalestadt entfernt hatten. Die Regierung des neuen Königreiches Westphalen hatte am 2. Dezember 1807 dekretiert, eine Gehaltszahlung werde allein den „in loco befindlichen Professoren" gezahlt. Schleiermacher berichtete am 26. Januar 1808 an Carl Gustav von Brinckmann, daß man „nun ... von Cassel aus erklärt [habe], wer am lsten October [1807] nicht in Halle gewesen, solle provisorisch nicht als ein Mitglied der Universität angesehen werden, wodurch denn außer mir auch Wolf und Steffens, Loder, Froriep, Schmalz, Leute verschiedner Art von dort ausgefegt sind, so daß sich Halle nun auf einmal alles fremdartigen Stoffes entlediget, den es seit einigen Jahren eingesogen und nun ganz als das alte wieder auferstehen kann".116 Schleiermacher weigerte sich, auf eine Wiedereinsetzung anzutragen und damit faktisch in französische Dienste zu treten. Unmittelbar veranlaßt wurde die „Anzeige" durch einen Hallenser Korrespondentenbericht, der am 18. Januar 1808 in der „Allgemeinen Zeitung" erschien. In dem Bericht heißt es: „Deutschland. ... *Halle, im Saalkreis, 8 Jan. Alles ist hier voll froher Erwartung. Nicht blos unsre Halloren sind mit Pferd und Fahnen bei der Huldigung in Kassel beschenkt worden, sondern man sieht, daß es der neuen Regierung Ernst ist, uns die Drangsale, die wir vor allen andern Städten erfuhren, wieder vergessen zu machen. Erstlich soll unsre Stadt eine Departements- oder wenigstens Distriktsstadt werden. Zweitens wird eine grose [!] Porzellanfabrik hier errichtet, da die feine Thonerde, wodurch bis jezt die Berliner Fabrik bestand, in unsrer Nachbarschaft gefunden wird. ... Doch 115

1,6

Zum folgenden vgl. Hermann Patsch: Ein Gelehrter ist kein Hund. Schleiermachers Absage an Halle (mit einem neu entdeckten Schleiermacher-Text), in: Internationaler Schleiermacher-Kongreß Berlin 1984, ed. Kurt-Victor Selge, Teilband 1 (Schleiermacher-Archiv 1/1), Berlin/Netv York 1985, S. 127-137 Briefe ed. Meisner 2, lOOf, hier 100

XLII

Einleitung der Bandherausgeber

unser schönster Kranz bleibt die Universität, zu deren Kanzler und Rector perpetuus Herr Niemeyer117 ernannt wurde. Welch eine schöne Ausgleichung! Am ersten Pfingsttage 1807 in der Nacht traten zwei Offiziere in sein unverschlossenes Schlafzimmer, und kündigten ihm Verhaftung und Deportation nach Frankreich an. Gleichsam um jenen Schrek zu vergüten, traten, als er jezt in Kassel ruhig schlief, zwei Sekretärs früh um 2 Ohr zu ihm, und bestellten ihn früh um 8 Uhr zum Minister des Innern. Als er kam, sagte ihm der Minister: der König ernennt Sie zum Kanzler und beständigen Rektor der Universität. - Alle hier gebliebenen Professoren sind nun de facto bestätigt, und haben bereits seit dem 1 Okt. ihr Gehalt bekommen. Aber von den nach Berlin Ausgewanderten, als Schmalz, Wolf, Schleiermacher, Froriep, will man in Kassel nichts wissen, obgleich, wie es heißt, dringende Vorstellungen gemacht worden sind. Curt Sprengel118 hingegen bleibt gewiß der unsre. Auch die Literaturzeitung, die alle Stürme überstanden hat, bleibt hier, und wird mit erweitertem Plane fortgesezt werden. Die HH. Schütz119 und Ersch120 waren nie ausgewandert. ..."121 Weder Schleiermacher noch Froriep hatten irgendwelche Anstrengungen unternommen, ihr Anstellungsverhältnis aufrechtzuerhalten. Mit ihrem kurzen Text traten sie nicht bloß der Fehlinformation entgegen, sondern sie gaben gleichzeitig einem souveränen Amtsverständnis als Universitätsprofessoren Ausdruck. Die Anzeige stammt, wie der sogleich zitierte Brief an Brinckmann belegt, von Schleiermacher selbst. 1,7

August Hermann Niemeyer (1754-1828) war seit 1784 Professor der Theologie an der Universität Halle und seit 1785 zugleich einer der Direktoren der Franckeschen Stiftungen. Er gehörte zu Schleiermachers akademischen Lehrern. Niemeyer wurde tatsächlich, wie hier berichtet, neben vier weiteren angesehenen Einwohnern Halles im Mai 1807 auf Befehl Napoleons als Geisel nach Frankreich geschickt (vgl. dazu den Bericht Niemeyers: Beobachtungen auf einer Deportationsreise nach Frankreich im Jahr 1807, nebst Erinnerungen an denkwürdige Lebenserfahrungen und Zeitgenossen in den letzten fünfzig Jahren, Halle 1824). Eine ihm unmittelbar nach der Rückkehr angebotene Professur an der zu gründenden Berliner Universität schlug er aus.

ns

Kurt Polycarp Joachim Sprengel (1766-1833), seit 1795 Professor für Botanik an der Universität Halle Christian Gottfried Schütz (1747-1832), Philologe und seit 1785 Redakteur der „Allgemeinen Literatur-Zeitung"; Professor für Beredsamkeit zunächst in Jena (seit 1779), dann (seit 1804) in Halle Johann Samuel Ersch (1766-1828), Bibliothekar und zweiter Redakteur der „Allgemeinen Literatur-Zeitung". Nach Übersiedlung der Zeitung von Jena nach Halle im Oktober 1804 wurde Ersch zum ordentlichen Professor der Geographie und Statistik an der Hallenser Universität berufen. Allgemeine Zeitung, [Begründet und herausgegeben von Johann Friedrich Cotta], Nr. 18 vom 18. Januar 1808, S. 72

1,9

120

121

Einleitung der Bandherausgeber

XLIII

Auffällig ist der polemische Ton, der hier angeschlagen wird, denn die Konsequenz, die der Bericht des Hallenser Korrespondenten im Blick auf das Verhalten der Regierung unterstellt, war durch konkrete Schritte noch gar nicht bestätigt worden. Tatsächlich ist es etwa Henrich Steffens, als er nach eineinhalb Jahren des Umherirrens erneut Aufnahme in Halle suchte, keineswegs schwer gemacht worden, dort in seine alte Stelle einzutreten. Schon im Februar 1808 wurde er wieder im Lections-Katalog der Universität aufgeführt.122 Schleiermacher sah sich denn auch einiger Kritik von Kollegenseite ausgesetzt. Er verteidigte jedoch sein Vorgehen. Brinckmann gegenüber erklärte er: „Es schien mir nöthig mit recht klaren Worten und so sinnlich anschaulich als möglich zu sagen, wie jene [seil.: die westphälische] Regierung die Gelehrten behandelt; und niemand schien es so gut thun zu können als ich, von dem es unter Allen die mich überhaupt kennen, bekannt genug sein mußte, daß ich nicht saure Trauben schimpfte. Allgemein hat man freilich das Bild getadelt und es außer meinem Genre gefunden; indeß scheint mir doch der ganze Trumpf zu fehlen wenn ich es mir gestrichen denke. "in Gemeint ist die Schlußwendung, wonach ein wegen seiner „Wiedereinsetzung supplicirender" Gelehrter sich verhalte wie „ein Hund, der davon gelaufen", „zu seinem Herrn zurückgekrochen" komme und erwarte, „auf dem Bauche liegend, ob er werde geschlagen werden, oder freudig an ihm hinaufspringen" dürfe.124 Im Hintergrund dieser für Schleiermacher in der Tat ungewöhnlichen Formulierung steht daher nicht in erster Linie das gegen die abgewanderten Professoren gerichtete Vorgehen der Regierung, sondern die in jenem Bericht des Korrespondenten der „Allgemeinen Zeitung" ausgesprochene öffentliche Ablehnung der durch die Suspendierung der Universität betroffenen Hochschullehrer; sie vor allem empfand Schleiermacher als Demütigung. Deutlich wird an dieser Stelle allerdings auch seine Überzeugung von der notwendigen Freiheit des Gelehrten im Verhältnis zum Staat, die Schleiermacher nur wenige Wochen vor Niederschrift der „Anzeige" in den „Gelegentlichen Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn" entwickelt hatte.125

122

123

124 125

Siehe Steffens' Brief an Schleiermacher vom März 1808, in: Briefe 4, 151-154, hier 153 Brief an Carl Gustav von Brinckmann vom 1. März 1808, in: Briefe ed. Meisner 2, 101-103, hier 102 Vgl. unten 95,13-16 Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn. Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende, Berlin 1808 (Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/6,

XLIV

Einleitung der

Bandherausgeber

Der in der Aktion vom Januar 1808 neben Schleiermacher stehende Kollege ist Ludwig Friedrich [seit 1815: von] Froriep (* 15. Juni 1779; f 28. Juli 1847).126 Froriep war ein Sohn des Erfurter Theologieprofessors und späteren Bückeburger Superintendenten Justus Friedrich Froriep (1745-1800). Nach Medizinstudium und Promotion war er seit 1799 zunächst als Arzt tätig, bevor er 1801 Privatdozent an der Medizinischen Fakultät der Universität Jena wurde. Seine wissenschaftlichen Studien galten insbesondere der vergleichenden Anatomie und der Chirurgie, sein praktischer medizinischer Einsatz dem Entbindungswesen. 1804 nahm er einen Ruf nach Halle an, wo er ein privates Entbindungshaus errichtete. Im August 1807 gelang es Froriep, in Verbindung mit dem Hallenser Juristen Theodor Anton Heinrich Schmalz während einer Audienz dem nach Memel geflüchteten preußischen König die Notwendigkeit einer Ersatzgründung für die Universität Halle überzeugend vor Augen zu stellen, so daß der Monarch sich zur Einrichtung einer neuen Hochschule in Berlin entschloß. Als Folge der Auseinandersetzungen um die Hallenser Lehrstuhlinhaber nahm Froriep 1808 einen Ruf auf eine Professur für Chirurgie und Geburtshilfe an der Universität Tübingen an. 1816 entschloß er sich zum Wechsel nach Weimar, wo er, als Nachfolger seines Schwiegervaters, des Verlegers Friedrich Justin Bertuch,127 die mit umfangreichen publizistischen Aufgaben verbundene Leitung des „Landesindustrie-Comptoirs" sowie des Geographischen Instituts übernahm. Kontakte mit Schleiermacher sind über die gemeinsame Erklärung vom Februar 1808 hinaus nicht bekannt. Die „Anzeige" ist wieder abgedruckt worden in dem Aufsatz von Hermann Patsch: Ein Gelehrter ist kein Hund. Schleiermachers Absage an Halle (mit einem neu entdeckten Schleiermacher-Text), in: Internationaler Schleiermacher-Kongreß Berlin 1984, ed. Kurt-Victor Selge, Teilband 1 (Schleiermacher-Archiv 1/1), Berlin/New York 1985, Seiten 127 bis 137, hier auf der Seite 133.

126

127

Universitätsscbriften - Herakleitos - Kurze Darstellung des theologischen Studiums, ed. Dirk Schmid, Berlin/New York 1998, S. 15-100) Zu ihm vgl. W. Hain: Dr. med. Ludwig Friedrich v. Froriep, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Fünfundfünfzigster Jahrgang 1847, Zweiter Theil, Weimar 1849, S. 521-525; ADB 2 (1875), S. 552f Vgl. ADB 2 (1875), 552

Einleitung der Bandherausgeber 13. Botanisches Journal 1808

XLV

(1808/09)

Schleiermachers eigenhändiges Manuskript „Botanisches Journal 1808" befindet sich unter der Nummer SIS im Schleiermacher-Nachlaß des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Es besteht aus drei Doppelblättern, die jeweils zu zwei Blättern von 21,9 cm (Doppelblatt 1) bzw. 22,3 cm (Doppelblatt 2 und 3) Höhe und 18,1 cm Breite gefaltet sind. Alle Ränder weisen eine leicht rauhe Kante auf. Das Papier hat einen hellen, gelblichen Farbton. Die Ränder sind zum Teil nachgedunkelt. An einzelnen Stellen, besonders auf Bl. 3r, finden sich Verunreinigungen des Papieres. Das Papier ist von fester, leicht welliger Beschaffenheit. Alle Blätter sind in der Mitte zur Höhe gefaltet, wobei die Innenseiten jeweils etwa drei Fünftel (11,6 cm), die Außenseiten etwa zwei Fünftel (6,3 bis 6,5 cm) der Gesamtbreite einnehmen. Die dadurch entstandene Faltkante diente bei der Beschriftung als Randmarkierung. Schleiermacher hat die Blätter 2 (Vorder- und Rückseite) und 3 (Vorderseite) jeweils auf der inneren Seite mit schwarzer Tinte, bei insgesamt wenigen Korrekturen, beschrieben. Die Notierungen der mit 1 bis 17 gezählten Sätze (Bl. 2r und 2v) sowie der mit „1809" überschriebene Absatz auf Bl. 3r sind mit farbintensiver Tinte, die Sätze 18 bis 23 einschließlich der Überschrift „In Sagard" mit einer deutlich farbschwächeren, schwarz-bräunlichen Tinte geschrieben. Der Rand ist, mit Ausnahme der letzten Worte einer nachträglichen Ergänzung zu Satz 1 („zwischen langen und kurzen."), unbeschrieben.128 Gänzlich unbeschrieben sind Bl. 3v sowie die Blätter 4 bis 6. Bl. lr bietet die Titelüberschrift. Bl. lv ist gleichfalls unbeschrieben. Die Doppelblätter tragen Wasserzeichen. Eine nachträglich von fremder Hand angebrachte Blattzählung mit Bleistift zählt die Blätter 1 bis 3. Diese Blattzählung wird in der edierten Textfassung am Rand angegeben. Auf Bl. 2r findet sich auf der linken oberen Ecke der Stempel „ Litteraturarchiv Berlin". Schleiermacher hat die Aufzeichnungen vom 20. Mai und vom 11. Juni 1808 bei Wanderungen in der Umgebung von Berlin angefertigt. Die Eintragungen vom 27. Juni stammen von einem Aufenthalt auf Rügen, ebenso diejenigen vom 17. Juli. Dem Tageskalender für das Jahr 1808 (SN 437) lassen sich Angaben, die sich unmittelbar auf solche Wanderungen beziehen, nicht entnehmen. Immerhin ermöglichen die Eintragungen eine genauere Lokalisierung. Für den Mai liegen nur wenige Aufzeichnungen vor. Am 8. Mai hatte Schlei-

128

Siehe unten

99,5

XL VI

Einleitung der

Bandherausgeber

ermach er in der Berliner Domkirche zu predigen,129 am 15. in der Dreifaltigkeitskirche.130 Der 20. Mai, ein Freitag, der erste Tag, an dem die botanischen Beobachtungen notiert wurden (Nr. 1 bis 6), ist ohne Eintragung. Am 29. Mai stand Schleiermacher erneut auf der Kanzel der Dreifaltigkeitskirche.131 Am 12. Juni, einen Tag nach der botanischen Eintragung Nr. 7, predigte er in der Parochialkirche.132 Am 18. Juni teilt der Tageskalender die „Abreise nach Anclam" mit, wo Schleiermacher am Montag, dem 20., eintraf.133 Am 21. befand er sich in Greifswald, von wo er an diesem Tage nach Stralsund weiterreiste.134 Am 24. setzte er nach Rügen über. Mittags hielt er sich in Garz auf, wo es anscheinend eine „Confusion" gab.135 Am 26. Juni predigte er in der St. Marienkirche zu Poseritz. Am 27., dem Tag, an dem die Eintragungen Nr. 8 bis 10 vorgenommen wurden, reiste er nachmittags nach Rambin. Schleiermacher kehrte anschließend nach Poseritz zurück, wo er am 1. Juli „den Faust ausgelesen" hat.136 Am 9. Juli reiste er nach Sagard; dort hielt er am folgenden Tag eine Predigt.137 Am 12. befand er sich in Stubbenkammer, am 14. in Wiek. Am 15. wird ein „Spaziergang mit Jettchen" - Henriette von Willich erwähnt. Neben weiteren Urlaubsaktivitäten notiert Schleiermacher, daß er am 17. Juli, dem Tag der Eintragungen Nr. 11 bis 17, in Sagard zu predigen hatte. Diese Zeit war für Schleiermacher insofern von besonderer persönlicher Bedeutung, als er sich nur einen Tag später mit der gerade zwanzigjährigen Henriette, der Witwe seines Freundes Ehrenfried von Willich, verlobte. Das einschneidende Ereignis wird im Tageskalender mit der Notiz „Mit Jettchen in der Brunnen Aue" wiedergegeben.138 Die Eintragungen Nr. 18 bis 23 sind nicht datiert, doch wurden sie der Überschrift zufolge noch während des Aufenthaltes in Sagard notiert. Da Schleiermacher bereits am 19. nach Thiessow, Putbus und Poseritz fuhr und sich bis zum 22. in Poseritz aufhielt, bevor er dann am 23. nach Stralsund zurückkehrte, werden diese Eintragungen vom 17. oder 18. Juli stammen. Am 5. August 1808 traf Schleiermacher wieder in Berlin ein.139 Die Eintra129 130 131 132 133 134 ,3S 136

137 138 139

Tageskalender für das Jahr 1808, Bl. 14v Tageskalender 1808, Bl. lSv Tageskalender 1808, Bl. 16v Tageskalender 1808, Bl. 18v Tageskalender 1808, Bl. 18v Tageskalender 1808, Bl. 19v Tageskalender 1808, Bl. 19v Tageskalender 1808, Bl. 20v; Goethes „Faust" (Erster Teil) war zur 1808 bei Cotta in Tübingen erschienen. Tageskalender 1808, Bl. 20v Tageskalender 1808, Bl. 21v Tageskalender 1808, Bl. 23v („Rükkunft in Berlin")

Ostermesse

Einleitung der Bandherausgeber

XLVII

gung vom Folgetag, die ein Treffen mit dem Regierungsassessor Heinrich Karl Ludwig Bardeleben festhält,140 ruft in Erinnerung, daß Schleiermachers Aufenthalt auf Rügen seiner konspirativen Reise nach Königsberg vom August und September unmittelbar voranging. Die Aufzeichnungen im Tageskalender von 1809 (SN 438/1) für den 1. Februar, einen Mittwoch, an dem die letzte botanische Eintragung niedergeschrieben wurde, zeigen Schleiermacher in großer Aktivität. Er trägt sein dogmatisches Privatkolleg vor,141 erhält Besuche von Bardeleben und Reimer, wozu mittags noch Wilhelm von Humboldt hinzukommt, schreibt an einer Einleitung und ist nur „Abends zu Hause" in Ruhe.142 Weshalb er gerade an diesem Tag das Botanikheft fortführt und abschließt, ergibt sich nicht. Weitere Aufzeichnungen botanischer und vor allem auch geologischer Beobachtungen finden sich in dem Tageskalender für das Jahr 1808. Sie belegen in noch weit größerem Umfang das ausgeprägte Interesse Schleiermachers für naturkundliche Sachverhalte.143 Schleiermacher zeigt sich in dem Manuskript SN 514/1 als Naturbeobachter von großer botanischer Sachkunde, als bewanderter Florist. Er konnte hierin an eine lange und intensive Beschäftigung mit der Botanik anknüpfen. Einen ersten qualifizierten Unterricht erhielt er während des Aufenthaltes im Seminarium in Barby von September 1785 bis zum April 1787. Der dort für die Fächer Mathematik und Naturwissenschaften verantwortliche Lehrer, Johann Gottfried Cunow (1758-1824), vermochte es offenbar, durch Exkursionen und einen anschaulichen Unterricht die Seminaristen für das naturkundliche Studium zu begeistern.144 Die auch bei Schleiermacher geweckte

140 141

142 143 144

Tageskalender 1808, Bl. 23v Vgl. Schleiermachers Briefwechsel (Verzeichnis) nebst einer Liste seiner Vorlesungen, bearbeitet von Andreas Arndt und Wolfgang Virmond (Schleiermacher-Archiv 11), Berlin/New York 1992, S. 303f Tageskalender für das Jahr 1809, Bl. 5v Vgl. Tageskalender 1808, Bl. 64v. 65r-68r. 69v. 72r. 73v-76v. 77v-78v. 80v Vgl. Meyer: Schleiermachers und C. G. von Brinckmanns Gang 177f (zu Cunow). Siehe dort (171-173) auch die Wiedergabe eines Berichtes „Reise auf den Harz" vom Juli 1786. Nach Meyer würde kein unbefangener Leser des durch die Seminaristen selbst zusammengestellten Berichtes „vermuten, daß diese Reisenden alle Theologen seien; er würde glauben, daß Techniker, Botaniker, Historiker, Maler etc. sich zu dieser Studienreise vereinigt hätten. Und damit würde er das Richtige treffen; denn Barby wollte ja, daß seine Schüler, gemeinsam wurzelnd in einem Glauben, im übrigen möglichst vielseitig in verschiedenen Wissenschaften und Künsten sich heimisch machten; freilich stets nur so weit, daß sie jener Grundlage ihres Lebens nicht entwuchsen und zweitens stets bereit blieben, jene Sonderinteressen der einen einzigen Aufgabe unterzuordnen, dem Heiland Seelen zuzuführen" (173). Zu Cunow vgl. auch KGA V/1, Nr. 133,109 und Nr. 233,249.

XLVIII

Einleitung der

Bandherausgeber

Neigung zu einer wissenschaftlich fundierten Naturbeobachtung blieb dauerhaft bestehen. So erklärt sich, daß er schließlich über eine genaue und unter den Zeitgenossen nicht übliche Kenntnis der Pflanzenwelt verfügte. Auffällig ist, daß es Schleiermacher in seinen hier edierten Aufzeichnungen in erster Linie um die Feststellung von Abweichungen gegenüber der zu erwartenden pflanzlichen Situation geht. Daneben notiert er Unsicherheiten in der Bestimmung von Pflanzen. Insgesamt scheint Schleiermacher auch mit dem neuesten Stand der botanischen Fachliteratur vertraut zu sein. Charakteristisch für den kompetenten Umgang mit der botanischen Materie ist eine Eintragung, die Schleiermacher bei Beobachtung eines Exemplars des Brandkrautes notiert.145 Er betrachtet bei Phlomis herba venti, dem Brandkraut, die Blüte von außen nach innen fortschreitend. Zunächst beschreibt er die Krone mit ihren Lippen und Bartreihen, anschließend, im Innern der Blüte, die zweispaltige Narbe, das „stigma bifidum". Zwischen Krone und Stempel mit Griffel und Narbe liegen die Stamina, die Staubblätter. Jedes Stamen ist gegliedert in ein Filament, also den namengebenden „Staubfaden", und einen eigentlichen fertilen Teil, die Anthere. Sie besteht wiederum aus zwei Theken oder „Staubbeuteln" mit jeweils zwei Pollensäcken. Bei den Lippenblütlern, zu denen auch Phlomis gehört, stehen die beiden Theken (Staubbeutel), die die Anthere bilden, am Ende des Filaments entweder parallel oder aber - und zwar mehr oder weniger deutlich - auseinander spreizend, so daß die Anthere „zweilappig" erscheint. Mit der Formulierung „antherae bilobae" beschreibt Schleiermacher die an ihrem Ende „zweilappigen" Staubblätter, wobei er hier den Terminus „anthera" mit „Staubbeutel" gleichzusetzen scheint. Bemerkenswert ist Schleiermachers Eintragung in diesem Fall auch deshalb, weil es sich um einen komplexen, nicht leicht zu beschreibenden botanischen Sachverhalt handelt. Die Nachweise im Sachapparat zu den einzelnen botanischen Bezeichnungen werden nach dem folgenden, von Schleiermacher in seinem Manuskript erwähnten und, ausweislich des Rauchschen Auktionskataloges, in seinem Besitz befindlichenWerk gegeben: Caroli a Linné equitis Systema Vegetabilium secundum classes ordines genera species cum characteribus et differentiis. Editto decima quinta quae ipsa est recognitionis ab. Io. Andrea Murray institutae tertia procurata a C. H. Persson, Gottingae typis et impensis Io. Christ. Dieterich 1797 (abgekürzt zitiert als „Linné: Systema").146 Für die deutschspra-

,4S 146

Vgl. unten 100,12-17 Vgl. Schleiermachers Bibliothek, SB 1153; siehe dort auch SB 1152 und

1154

Einleitung der Bandherausgeber

XLIX

chigett Bezeichnungen, die ergänzend angeben werden, wird auf das Handbuch von Willdenow zurückgegriffen: Dr. Carl Ludwig Willdenow's Königl. Professors der Botanik und Naturgeschichte am Kollegien-Medico-Chirurgicum zu Berlin, u.s.w. Anleitung zum Selbststudium der Botanik, ein Handbuch zu öffentlichen Vorlesungen. Mit vier ausgewählten Kupfertafeln versehn und mit dem Bildniß des Herrn Verfassers geziert. Berlin 1804, bey Ferdinand Oehmigke dem Älteren (abgekürzt zitiert als „Willdenow: Anleitung").147 14. Sprachphilosophische

Untersuchungen

(Vermutlich

1809)

Im Nachlaß Schleiermachers im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften befindet sich unter der Signatur SN 125 ein eigenhändiges Manuskript mit „Frühen Aphorismen" zur Staatslehre. Der Text ist im Zusammenhang mit Schleiermachers Vorlesungen über die Lehre vom Staat durch Walter Jaeschke in KGA II/8 zum größten Teil bereits ediert worden.148 Schon Jaeschke hat jedoch darauf hingewiesen, daß die Niederschrift der Aphorismen am Ende von Bl. 5v abbricht und erst auf einem neuen Bogen in anderer Papierqualität fortgeführt wird (Bl. 7r).149 Der dazwischen liegende Text (Bl. 6r-v) ist in Reinschrift geschrieben und enthält einige sprachphilosophische Überlegungen. Das gefaltete, blau-grün getönte Doppelblatt hat eine Seitenbreite von 17,1 cm und eine Seitenhöhe von 21,2 cm. Das Blatt ist zweifach senkrecht gefalzt, so daß ein ca. 1 cm breiter Innenrand und ein ca. 6 cm breiter äußerer Rand entstehen, die beide unbeschrieben sind. Der obere Seitenrand ist gerade geschnitten, die übrigen Ränder sind leicht gezahnt. Der Text trägt keine Überschrift und beginnt mit „Die beiden Hauptgattungen der Sprache ...".

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Vgl. SB 2655; siehe auch SB 2656. Neben dem Linnéschen Werk befand sich ein weiteres botanisches Lehrbuch in Schleiermachers Bibliothek: Johann Friedrich Wilhelm Koch: Botanisches Handbuch zum Selbstunterricht für deutsche Liebhaber der Pflanzenkunde überhaupt und für Gartenfreunde, Apotheker, Forstmänner und Oekonomen insbesondere, nach Willdenow's Species plantarum entworfen, und mit einer durchgängigen Bezeichnung der richtigen Aussprache der lateinischen Pflanzennamen versehen von Johann Friedrich Wilhelm Koch, Prediger an der St. Johanniskirche in Magdeburg, Zweyter Theil: Die Pflanzen-Arten, Zweyte gänzlich umgearbeitete Auflage, Magdeburg 1808 (SB 2428). Vgl. Kritische Gesamtausgabe, Bd. II/8, Vorlesungen über die Lehre vom Staat, ed. Walter Jaeschke, Berlin/New York 1998, S. 3-32. Dort findet sich auch eine ausführliche Beschreibung des Manuskripts (vgl. KGA 11/8, XLf). Vgl. KGA II/8, XL-XLI

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Die beiden Seiten sind vollständig beschrieben. Unsicher ist, ob zu dem mittleren Doppelblatt (Bl. 5-6) ursprünglich eine Einlage gehörte, wie es bei den beiden anderen Doppelblättern des Manuskripts der Fall ist, und ob diese vielleicht den Beginn des sprachphilosophischen Textes enthielt.150 Der historische Ort der sprachphilosophischen Überlegungen Schleiermachers läßt sich aufgrund innerer und äußerer Beobachtungen annähernd genau bestimmen. Walter Jaeschke hat die dem Text vorangehenden und nachfolgenden „Frühen Aphorismen" über die Staatslehre mit Recht Schleiermachers Berliner Vorlesung über „die Theorie des Staates, seiner wesentlichen Bestandtheile, und Verrichtungen nach den in der Ethik mitgetheilten Principien" im Winter 1808/09 zugeordnet.1S1 Die Niederschrift der Aphorismen ist vermutlich erst im Nachgang zur Vorlesung erfolgt. Die Datierung in das Jahr 1809 bestätigt sich auch im Blick auf die sprachphilosophischen Überlegungen Schleiermachers, die sachlich seiner Vorlesung über „Die allgemeinen Grundsätze der Auslegungskunst" aus dem Winter 1809/10 nahe stehen. Vermutlich handelt es sich bei den knappen Überlegungen zu den Flexionsformen in SN 125 um ein Beispiel zur Illustration der hermeneutischen Grundsätze Schleiermachers,152 das er sich im Zuge seiner Ausarbeitungen notiert hat.153 Eine Datierung 150 151

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Vgl. KGA U/S, XLI Vgl. KGA II/8, XLI-XLIV. Jaeschkes These wird durch zwei Notizen in Schleiermachers Tageskalender für das Jahr 1808 bestätigt, die in die „Aphorismen" aufgenommen worden sind (vgl. Tageskalender 1808, Bl. 60r/v mit KGA 11,8, 9,18f. 10,4-11,1). „1 65. Das Gebiet der Parallelen ist die Analogie der ganzen Sprache, begränzt nach ihren Dialekten, Perioden, und Gattungen des Vortrags. ... 2. Man kann alle Sprachen in 3 Klassen abtheilen; a. solche, die eine reine Einheit der Formen darbieten, so daß man sie eben so gut als eine größere Einheit ansehn kann, als eigne Sprache, als auch als kleinere, Dialect, aber unvermischt geblieben unter einer größern. b. Solche, die aus einer Mischung mehrerer kleinern Stämme entstanden sich eine Zeitlang als ein Chaos von vielfältigen gleich geltenden Formen zeigen, und sich dann erst allmählig zur Bestimmtheit ausbilden. Schema: Griechisch ...In dieser sind 3 Perioden zu unterscheiden, die chaotische, der Uebergänge, und die ausgebildete. c. Solche, die erst auftraten, nachdem sie auch Sprachen von fremden Stamme in sich aufgenommen haben. Schema: Deutsch .../ I 66. In dem schwierigen Theil des formellen Elements muß man Partikel und Flexion nur als Ein Ganzes ansehn, und über dieses die Analogie vornehmen. " (Friedrich Schleiermachers „Allgemeine Hermeneutik" von 1809/10, ed. Wolfgang Virmond, in: Internationaler Schleiermacher-Kongreß Berlin 1984, Teilband 2, ed. Kurt-Victor Selge (Schleiermacher-Archiv 1,2), Berlin/New York 1985, S. 1269-1310, hier 1288) Vgl. dazu Schleiermachers Brief an Ehrenfried von Willich vom 13. Juni 1805: „Ich lese Hermeneutik und suche, was bisher nur eine Sammlung von unzusammenhängenden und zum Theil sehr unbefriedigenden Observationen ist, zu einer Wissenschaft zu erheben, welche die ganze Sprache als Anschauung umfaßt und in die

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des Manuskripts in das Jahr 1809 legt sich daher sowohl aus formalen wie aus inhaltlichen Gründen nahe. 15. Andenken an den Graf Ludwig Moritz Achatius zu Dohna (1814) Schleiermachers Nachruf ist zuerst im zweiten Jahrgang der Berliner Tageszeitung „Der Preußische Correspondent", Nr. 23 vom Freitag, dem 11. Februar 1814, dort auf den Spalten 7 und 8, und in der Beilage zu Nr. 26 vom Mittwoch, dem 16. Februar 1814, auf den Spalten 1 bis 3, erschienen. Es handelt sich um diejenige Zeitung, die Schleiermacher in den Monaten Juli, August und September 1813 selbst redaktionell betreut hat. Der vorliegende Text ist der einzige bekannte Beitrag Schleiermachers zum „Preußischen Correspondenten" im Jahre 1814. Von dem Nachruf ist 1814 in der Reimerschen Verlagsbuchhandlung, in der auch der „Preußische Correspondent" erschien, ein Separatdruck veranstaltet worden.154 Vermutlich hat es sich um einen Druck für Privatzwecke gehandelt, der nicht in den regulären Buchhandel gelangt ist. Vor 1945 hat sich ein Exemplar in der Staatsbibliothek zu Berlin befunden; gegenwärtig ist keines in Bibliotheksbesitz nachweisbar. Bei dem von Schleiermacher Gewürdigten handelt es sich um Ludwig Moritz Achatius Graf und Burggraf zu Dohna (* 8. September 1776; f 19. Januar 1814), den ältesten von Schleiermachers Zöglingen während der Hauslehrerzeit bei dem Grafen Friedrich Alexander zu Dohna-Schlobitten.155 Ludwig war ein um fünf Jahre jüngerer Bruder von Friedrich Ferdinand Alexander Graf Dohna, dem zeitweiligen preußischen Staatsminister.156 Zeugnisse für Schleiermachers

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innersten Tiefen derselben von außen einzudringen strebt. Natürlich ist der erste Versuch sehr unvollkommen, da ich hier so gar nichts vor mir habe, und besonders fehlt es mir an einer tüchtigen Masse von Beispielen und Belegen, da ich mir nie etwas zu diesem Zwecke notirt habe und auch nicht eher mit rechtem Erfolg sammeln kann, bis ich nicht das ganze System vor mir habe, was sich jezt erst während des Lesens ordnet. In Zukunft aber soll dies immer ein Nebenzweck bei meiner Leetüre sein ..." (Briefe 2, 26f). Vgl. Meding: Bibliographie 49 (Nr. 1814/-) Siehe Altpreußische Biographie. Herausgegeben im Auftrage der Historischen Kommission für west- und ostpreußische Landesforschung von Christian Krollmann, Band I, Königsberg 1941, S. 145f Zu Alexander Graf Dohna (* 29. März 1771; f 21. März 1831) vgl. Karl Otmar von Aretin: Dohna, Alexander Graf zu, in: NDB 4 (1959), S. 53; siehe auch die zeitgenössische Biographie von Johannes Voigt: Das Leben des Königlich-Preussischen Staatsministers Friedrich Ferdinand Alexander Reichs-Burggrafen und Grafen zu Dohna-Schlobitten, Leipzig 1833

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besondere Sympathie diesem Schüler gegenüber liegen schon aus der Frühzeit der Unterrichtstätigkeit im gräflichen Hause vor.157 Eine engere Verbindung hat sich jedoch, wohl weil Ludwig schon bald in den Militärdienst eintrat, nicht ergeben; auch ein Briefwechsel liegt nicht vor.158 Ludwig zu Dohna nahm an den militärischen Auseinandersetzungen der Befreiungskriegszeit als Offizier teil. Zu dem Vorfall, der schließlich auch seinen Tod nach sich zog und der in Schleiermachers Nachruf eine größere Rolle spielt, sei hier die Darstellung von Felix Eberty angeführt: „Als das noch von den Franzosen besetzte Danzig am 2. Jan. 1814 durch Hunger gezwungen wurde, sich den verbündeten Russen und Preußen zu ergeben, war es D., der es durchsetzte, daß die Festung nicht den Russen, sondern den Preußen übergeben wurde. Es kostete unendliche Mühe und Aerger, um den Verwüstungen einigermaßen Einhalt zu thun, denen das Land von den Russen ausgesetzt war. Dabei kam es zwischen D. und dem Herzoge Alexander von Württemberg, dem russischen Befehlshaber, zu so heftigen Reibungen, daß D. erkrankte und bald nachher am Nervenfieber starb. - Ihm ist es zu verdanken, daß die Russen verhindert wurden, sich Danzigs zu bemächtigen. Schwerlich hätten sie den wichtigen Schlüssel zur Weichsel jemals in Güte wieder herausgegeben. "159 Die Mitteilung vom Todesfall im „Preußischen Correspondenten" scheint auf Wunsch der Familie des Verstorbenen erfolgt zu sein. In einem Brief Alexander Graf Dohnas an seinen Bruder Wilhelm vom 14. Februar 1814- drei Tage nach Abdruck des ersten Teiles des Nachrufes - wurde der „Preußische Correspondent", neben der „Königsberger Zeitung", der „Schlesischen Zeitung" und der „Reichszeitung", ausdrücklich unter denjenigen Blättern genannt, in denen Nachrufe, und zwar „auf eine anständige Weise", erscheinen sollten.160 Schleiermacher wurde persönlich durch Familienmitglieder von dem Tode Ludwigs in Kenntnis gesetzt. Ein weiterer Brief des Grafen Alexander an Wilhelm vom 8. Februar macht deutlich, daß Schleiermacher zum engsten Freundeskreis der Familie zählte.161 Durch private Mitteilungen wird Schleiermacher auch jene Informationen über

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Siebe den Brief Schleiermachers an Heinrich Catel vom 17. Dezember 1790, in: KGA V/1, Nr. 149,129-136 Siehe hierzu KGA V/4, LXIIf Felix Eberty: Dohna, Ludwig Graf und Burggraf zu D., in: ADB 5 (1877), 309f Zitiert nach: Landwehrbriefe 1813. Ein Denkmal der Erinnerung an den Burggrafen Ludwig zu Dohna-Schlobitten, ed. Christian Krollmann (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreussens 9), Danzig 1913, S. 243f, hier 243 Landwehrbriefe 1813, 243

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Biographie und Umstände des Todes erhalten haben, die er in seinem Nekrolog verarbeitet hat. Zu dem Nachruf liegt ein briefliches Zeugnis vor, das sowohl für die näheren Umstände, unter denen der Text entstanden ist, als auch für einen textlichen Aspekt selbst von Bedeutung ist. Es handelt sich um ein Schreiben Schleiermachers an den Grafen Alexander. Dem ältesten Sohn des Hauses kam, seitdem er in der Regierung Altenstein / Dohna zu den maßgeblichen preußischen Reformpolitikern gehört hatte, für Schleiermachers politische Wirksamkeit eine zentrale Rolle zu.162 Über Dohna baute Schleiermacher eine nähere Verbindung zur Staats- und Verwaltungsbürokratie auf, wodurch die Voraussetzung dafür geschaffen wurde, daß er seit 1810 an den Arbeiten zu einer umfassenden Bildungsreform im Schul-, Hochschul- und Wissenschaftsbereich beteiligt war.163 Schleiermachers Berufung zum Mitglied der „ Wissenschaftlichen Deputation " von Berlin bei der Unterrichtsabteilung des preußischen Innenministeriums im Frühjahr 1810 und seine Ernennung zu deren Direktor am 26. März 1810 gingen auf Dohna zurück. Der für die Einschätzung des Nachrufes wichtige Brief stammt vom 12. März 1814. Er ist bisher lediglich an entlegener Stelle in einer von Christian Krollmann bearbeiteten Dokumentensammlung zur gräflich-dohnaschen Familie gedruckt worden.164 In der Sammlung von Schleiermachers Briefen an die Brüder Alexander und Wilhelm zu Dohna, die Justus Ludwig Jacobi 1887 herausgegeben hat, findet er sich aus unbekannten Gründen nicht.165 Das handschriftli162

Das Kabinett Altenstein/Dohna übernahm die Regierungsgeschäfte Anfang Dezember 1808 von dem entlassenen Freiherrn vom Stein. Nach zwischenzeitlicher Stagnation bedeutete dies die Fortführung der preußischen Reformpolitik. Die herausragende Tat dieser Regierung war die Gründung der Berliner Universität. Alexander Graf Dohna amtierte als Innenminister. Hemmend wirkte sich allerdings die Kontributionsverpflichtung gegenüber Frankreich aus, die den Staatshaushalt außerordentlich belastete. Auch blieb die zeitliche Befristung zu knapp, als daß eine tiefgreifendere Wirkung hätte erfolgen können. Die Regierung Altenstein/Dohna schied mit Hardenbergs Rückkehr in das Amt des Leitenden Ministers am 4. Juni 1810 aus.

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In einem Brief an die Verlobte, Henriette von Willich, vom 26. Januar 1809 äußerte Schleiermacher sich in folgender Weise zu dem soeben zum preußischen Minister ernannten Grafen: „Dohna nimmt sich, soviel ich erfahren kann, vortrefflich. Mich sezt er in rasende Bewegung; er möchte posttäglich die ausführlichsten Briefe von mir haben, und ich kann kaum anders als willfahren, da ich ihm über die Gegenstände der inneren Verwaltung schreiben kann, die für mich von dem höchsten Interesse sind" (zitiert nach: Briefe ed. Meisner 2, 210f, hier 210). Landwehrbriefe 1813, 244f Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna, herausgegeben von J. L. Jacobi, Halle 1887

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che Original liegt, wie auch die meisten Autographen der weiteren Schleiermacherschen Briefe an den Grafen, im Depositum Dohna im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin (Preußischer Kulturbesitz) vor.166Der Brief hat folgenden Wortlaut: „Noch kein Wort habe ich Ihnen gesagt, theuerster Graf, seit dem Tode unseres unvergesslichen herrlichen Grafen Louis. Wie ich ihn gefühlt habe und noch fühle, wissen Sie gewiß und werden durch mein Schweigen nicht irre daran geworden sein. Doch Sie wissen es auch nicht, denn niemand weiß es, auch Er selbst wußte es nicht, wie sehr ich ihn geliebt und verehrt habe. Sein Bild bleibt uns ein theuer trauriger Schatz, aber gewiß segensreich, stärkend, aufheiternd wie sein Leben es war. In dem kleinen Aufsatz, dessen Abdruck nach tausend Nachlässigkeiten und Verzögerungen endlich fertig ist,167 habe ich mehr Sie und die Ihrigen reden lassen, als selbst gesprochen, und daran gewiß sehr wohl gethan, das Herz war mir zu voll, die Zunge ganz gelähmt. Es ist, trotz meiner genauen Correctur, ein scheußlicher Druckfehler stehen geblieben, der es unmöglich macht, den Sinn zu errathen. S. 5 Z. 3 u. 4 soll es heißen, >auf irgend etwas in der Welt Verlaß seiAllgemeinen Anzeigers der Deutschem, und unter dem 10. December 1817 in Nr. 50 der >Nationalzeitung der Deutschem einen >Aufruf an die Verehrer des großen Kirchenvaters Dr. Martin Luth er Lutherische Jubelstiftungob nicht ein oder der andere Verehrer Luther's, der es kann und will, bey der Feyer des hehren evangelischen Jubelfestes die dankbare Erinnerung an Luther's hohe Verdienste um die Menschheit durch ein Geschenk an seine oben erwähnten, sämmtlich armen und zum Theil sehr hülfsbedürftigen Anverwandten zu bethätigen geneigt sey?< Ich erbiete mich, die ihnen zu reichenden frommen Gaben in Empfang zu nehmen, für deren beste Vertheilung nach dem Grade der Bedürftigkeit zu sorgen, und den edlen Gebern Rechnung darüber abzulegen. Gotha, den 10. Oct. 1817. R. Z. Becker."302 Aus Beckers Text wird deutlich, daß zumindest hier an die Einrichtung einer auf dauerhafte Förderung angelegten Stiftung noch nicht gedacht wurde. Daraus dürfte sich auch der von Schleiermacher eingenommene, in seiner Großräumigkeit zunächst vielleicht befremdliche Standpunkt erklären, denn jene von Becker favorisierte punktuelle Zielsetzung schien ihm für ein sachgerechtes Unterstützungsprojekt nicht angemessen zu sein. 301 302

Dies sind die von der Unterstützungsinitiative geförderten Knaben. Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Gotha, Nr. 276, Dienstags, den 14. 1817, S. 3117-3119

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In dem zweiten, auf den 8. Dezember 1817 datierten Aufruf ging Becker über seine ursprüngliche Idee weit hinaus. In einem Text unter dem Titel „An die Leser. Einladung zu einer schönen Nachfeyer des evangelischen Kirchen-Jubelfestes" bekräftigte er zunächst seine Bitte um Unterstützung.303 In der Fortsetzung heißt es dann: „Der Erfolg dieser Einladung übertraf nun bald meine Erwartung. Der erste eingehende Beytrag bestand in 24 Kronthalern, von einem edlen Manne in Frankfurt a M. Darauf folgten 106 Rthlr. von den zu einem Gedächtnißmahl vereinigten würdigen Gliedern der Universität Leipzig, und mehrere ansehnliche Gaben von Einzelnen und ganzen Gemeinden aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, wie aus den in Nr. 313304, 31730S und 328306 des allg. Anzeigers d. D. abgedruckten Empfangs-Anzeigen zu ersehen ist. Diese günstige Aufnahme meines Vorschlags brachte mich auf den Gedanken: daß es, wofern die Sammlung zu einer verhältnißmäßig großen Summe anwachsen sollte, nicht rathsam seyn möchte, solche ganz unter die zu betheiligenden Familien, etwa nach der Kopfzahl, als eine bald verzehrte und leicht vergeßliche Ergötzlichkeit zu vertheilen: sondern daß es besser wäre, den größern Theil davon für die Familie Luther zu einem bleibenden Andenken an ihren Ahnherrn, an das von uns erlebte und so allgemein und schön gefeyerte Jubelfest und an den christlichen Sinn der Beytragenden zu bestimmen. Zu diesem Zwecke schien mir das schicklichste Mittel zu seyn, das erst seit 16 Jahren durch den verschollenen Johann Georg Luther aus dem Besitz der Familie in frem103 304

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National-Zeitung der Deutschen, Gotha, 50. Stück, den 10. Dezember 1817, S. 981-984, hier 982 Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Nr. 313, Freitags, den 21. November 1817, S. 3541-3543. Becker berichtet hier unter dem Titel „Ein gutes Wort findet eine gute Statt" über den Erfolg seines Aufrufes. Im einzelnen werden sechzehn Einzahlungen aufgeführt. In diesem Text spricht Becker, in Verbindung mit seinem Plan, das „Luther'sche Stammhaus" in Möhra zugunsten der Familie zu erwerben, selbst von einer „Stiftung" (3542). Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Nr. 317, Dienstags, den 25. November 1817, S. 3581f. Unter der Überschrift „Fortsetzung der Beyträge" werden weitere dreizehn Einzahlungen registriert und der Vorsatz des Hauskaufes erneut bekräftigt. Tatsächlich: Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Nr. 330, Dienstags, den 9. December 1817, S. 3741f: „Fortsetzung des Verzeichnisses der für Luther's arme Seitenverwandte eingegangenen Beyträge". Im Anschluß an die Auflistung von zwölf neuen Einzahlungen heißt es hier: „Die Summe dieser Sammlung beläuft sich nun auf 458 Thlr. hiesiges Courantgeld. Meine Hoffnung, durch diese Geschenke ein bleibendes Andenken an das so würdig gefeyerte evangelische Kirchen-Jubelfest für die noch lebenden Seitenverwandten Luther's, durch Ankauf des luther'schen Stammhauses, oder wenigstens einiger, Martins- oder Luthers-Aecker zu benennenden Grundstücke zu Möhra, stiften zu können, wächst daher mit jedem neuen Beyträge, den ich empfange."

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de Hände gekommene luther'sche Stammbaus zu Möhra, in welchem der Kirchenvater Luther auf seiner Reise von Worms nach dem Schlosse Wartburg seine väterlichen Verwandten besuchte, wieder zu erkaufen, es dem würdigsten und kinderreichsten der jetzt lebenden Luther zu übergeben, und zu einem Fideicommiß [das heißt zu einem unveräußerlichen und unteilbaren Vermögen der Familie] zu machen, so daß auch bey dem künftigen 4ten Jubelfest der evangelischen Kirche noch ein Luther darin wohnen würde. Sollte die Erwerbung dieses Hauses nicht unter billigen Bedingungen zu bewirken seyn: so könnten einige Feldgüter zu Möhra für die dazu geeigneten Glieder der Familie erkauft und - etwa unter dem Namen Martin-Luthersoder Jubel-Aecker - unveräußerlich gemacht werden; noch besser, wenn beydes geschehen könnte. "30? Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Planes verfügte die von Becker verwaltete „Luthers-Casse" bereits über einen Gesamtbetrag von 487 Reichstalern aus sechsundvierzig Einzahlungen. Bekker Schloß seine Ausführungen mit folgenden Worten: „Ich lasse also mein Buch noch offen bis zum 31 sten des folgenden Monats Januar, und ziehe unterdessen über die bey der Ausführung dieses, so lange ein Luther am Leben seyn wird, fortdauernden Denkmahls unsers Glaubensvaters zu berücksichtigenden örtlichen und persönlichen Umstände nähere Erkundigungen ein."308 Die weitere Entwicklung des Unterstützungsprojektes lief zwar in eine andere Richtung, doch läßt immerhin auch Beckers zweite Stellungnahme deutlich werden, weshalb Schleiermacher in seinem Beitrag so entschieden auf einen Stiftungscharakter drängte und die ursprünglich ins Auge gefaßte Absicht, also die Förderung der Ausbildung jüngerer Familienmitglieder, in den Mittelpunkt stellte. Schleiermacher räumte dem Unternehmen einen hohen Wert ein. In einem Brief an Alexander Graf Dohna vom 27. November 1818 äußerte er sich sehr ausführlich zu dem Projekt. Die betreffende Passage lautet: „Aber schon länger habe ich mich in einer Angelegenheit an Sie wenden und um Ihre Unterstützung bitten wollen. Es hat sich am Reformationsjubiläum eine Gesellschaft in Thüringen zusammen gethan, um die Erziehung einiger von den noch vorhandenen Verwandten Luthers zu übernehmen, und auch einen kleinen Anfang gemacht, nämlich zwei Knaben einem in der Gegend von Rudolstadt neu entstandenen Erziehungsinstitut anzuvertrauen. Diese Gesellschaft hat sich auch an mich gewendet, aber ich habe ihr erwidert, ich

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National-Zeitung, National-Zeitung,

10. Dezember 10. Dezember

1817, 1817,

983 984

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könne mich nur lebhaft dafür interessiren, wenn die gute Absicht in einem größeren Umfange aufgefaßt würde. Ein würdiger Zweck schien mir nur der, die ganze Familie von Luthers Brüdern aus dem niederen Tagelöhnerstande, in dem sie größtentheils existiren, in den mittleren Bürgerstand durch eine zweckmäßige Erziehung und Fürsorge zu erheben, indem von diesem Stande aus es jedem Individuum leicht wird, wenn es besonders begabt ist, eine öffentliche Laufbahn einzuschlagen und sich eine geschichtliche Bedeutung zu verschaffen. In diesem Sinne habe ich versprochen wirksam zu sein. JJnd wenn man im Stande ist einen Fonds von 3000 Thaler jährlich zusammen zu bringen, so ist die Erreichung des Zwecks von dieser Seite mehr als gesichert. Ist die gegenwärtige Jugend, die aus acht Köpfen, glaube ich, besteht, im Bürgerstande zweckmäßig untergebracht und eingerechnet, so wird es hernach nur auf den Zuschuß zur gleichmäßigen Erziehung ihrer Kinder, auf Stipendien und dergleichen ankommen. In diesem Sinn nun bin ich für die Sache thätig, und wollte Sie fragen, ob Sie glauben in Preußen etwas dafür thun zu können? Es kommt vorzüglich darauf an, die Beiträge so viel als möglich sicher zu stellen, und das kann doch nicht besser geschehen, da eine Real-Sicherheit sich in den wenigsten Fällen leisten läßt, als wenn die Interessenten einer Provinz sich in eine Gesellschaft vereinigen, welche sich immer wieder zu ergänzen sucht. Dem Ausschuß einer solchen würden dann natürlich auch die Rechnungen mitgetheilt, und er würde zu der thätigen Fürsorge und Aufsichtsführung wenigstens mittelbar zugezogen werden können, welches aber sich leicht finden wird, wenn erst eine Wahrscheinlichkeit ist den ganzen Plan zu realisiren. Ich gedenke auch an Herrn v. Schön und an Merckel309 in diesen Tagen zu schreiben, so wie ich auch schon meine Holsteinischen Freunde gebeten habe, die Sache dort in Gang zu bringen. Sie sehen, ich will Deutschland in den äußersten Enden umfassen; aber das halte ich auch für das Beste um zum Ziel zu kommen. Deutschland ist etwas kernfaul, und man muß es von der Rinde aus behandeln und beleben. "310 An Joachim Christian Gaß, seinen in Breslau als Theologieprofessor wirkenden Freund, hatte Schleiermacher sich mit einer ähnlichen Nachricht schon Ende August 1818 gewandt. Dieser Brief bietet zugleich den einzigen bisher bekannten Datierungshinweis für seinen Text: „In Thüringen hat sich eine Gesellschaft zusammengethan, um ein Paar Abkömmlinge von Luthers Bruder zu erziehn. Ich wollte dies gern in etwas großes verwandeln, so daß alle Kinder dieser Familie so 309

310

Es handelt sich um die Oberpräsidenten der preußischen Provinzen Westpreußen und Schlesien. Schleiermachers Briefe an die Crafen zu Dohna 67f; Briefe ed. Meisner 2, 286f

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erzogen und ausgestattet werden könnten, daß sie in dem mittleren Bürgerstande ihren Plaz einnehmen, damit hernach ein jeder Talentvolle desto leichter eine wissenschaftliche oder sonst höhere Laufbahn einschlagen könne. Ein Fonds von 3000 Thalern jährlich würde das vollkommen leisten. Dieser müßte durch Subscription in den protestantischen Provinzen Deutschlands zusammengebracht werden, und die Subscribenten dann die Verwalter und den Erziehungsrath wählen. Nach Holstein und Preußen habe ich mich so eben gewandt, und möchte es zunächst durch Euch in Schlesien in Anregung bringen. Der Adel und die Kaufmannschaft müssen natürlich am meisten thun, und ich denke, die könntet Ihr beide wol zwekkmäßig bearbeiten. Ueberlege Dir die Sache und schreite dann baldigst zum Werke."311 Da Gaß anscheinend zunächst nicht reagierte, fragte Schleiermacher am 28. Dezember 1818 erneut nach: „Auch muß ich Dich fragen, ob ich Dir nicht in dem supponirten Briefe auch über die Luth er Stiftung gesprochen und Dich gebeten habe, mit Merckel zu bereden, ob sich nicht etwas erklekkliches in Schlesien dafür thun ließe. Habe ich es nicht, so will ich es nachholen, sobald Du mich dazu aufforderst. " Weitere Anhaltspunkte für einen eventuellen Fortgang des von Schleiermacher in Anregung gebrachten Unterstützungsprojektes liegen nicht vor. Vermutlich haben sich die weittragenden, organisationstechnisch viel zu aufwendigen Pläne, anders als jene regionale Hilfsmaßnahme für die beiden lutherischen Hirtensöhne, nicht umsetzen lassen. 25. Einige Worte über homiletische Kritik (Zum Ehrengedächtnis weiland Hochwürdigen Herrn G. A. L. Hanstein) (1821)

des

Schleiermachers Text unter dem Titel „Einige Worte über homiletische Kritik ", den er während einer Trauerfeier der Berlinischen Synode am 25. März 1821 vorgetragen hat, erschien innerhalb der siebzehnseitigen Broschüre „Zum Ehrengedächtniß des weiland Hochwürdigen Herrn G[ottfried] A[ugust] L[udwig] Hanstein, d. G[ottes] G[elahrtheit] Doktor, Königlich Wirklichen Ober-Consistorial-Rath, Propst zu Cölln an der Spree, Pastor der St. Petri-Gemeine, Ephorus des vereinigten Berlinisch-Cöllnischen Gymnasiums, Mitglied des Moderamens der Berlinischen deutsch-evangelischen Kreis-Synode, 311

Briefwechsel mit J. Chr. Gaß 154-157, hier 156f. In einer Anmerkung zu dem Brief erklärt der Herausgeber, Wilhelm Gaß, er finde „auf diesen Wunsch ... nur die kurze gelegentliche Antwort, daß G[aßj die Sache in die Hand nehmen wolle. Ob überhaupt etwas aus dem Unternehmen geworden ist, ist mir unbekannt" (157).

c

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Ritter des rothen Adler-Ordens zweiter Klasse etc. im Namen der Berlinischen Kreis-Synode. Berlin 1821. Gedruckt bei G. Reimer", dort auf den Seiten 3 bis 14. Auf Seite 3 findet sich ein Zwischentitelblatt, das den Text trägt: „Einige Worte über homiletische Kritik. Womit sich der öffentlichen Gedächtnißfeier anschließt die berlinische Synode".312 Der Satzspiegel beträgt 18,2 cm in der Höhe und 13,5 cm in der Breite; eine Seite hat fünfunddreißig Textzeilen. Neben der Schleiermacherschen Gedächtnisrede wird die Trauerfeier durch ein Gedicht dokumentiert, das, laut einem weiteren separaten Zwischentitelblatt (Seite IS) „Am Grabe unsers unvergeßlichen Hanstein im Namen der Berliner Synode" gesprochen worden war.313 Für dieses Gedicht liegen Hinweise auf eine Verfasserschaft Schleiermachers nicht vor. Es wird daher in der vorliegenden Edition im Sachapparat geboten314 Schleiermacher hat den Prozeß der Ausarbeitung seiner Rede durch mehrere Eintragungen im Tageskalender für das Jahr 1821 (SN Nr. 442) dokumentiert. Am 15. März heißt es: „Nach dem Coll [eg] Vorbereitung zum Hansteinschen Programm".315 Zum Folgetag hat Schleiermacher notiert: ,,V[or]M[ittag] ausgesezt um am Programm zu arbeiten".316 Zum 17. März findet sich folgende Eintragung: ,,N[ach]M[ittag] am Programm" 317 Gottfried August Ludwig Hanstein (* 7. September 1761, f 23. Februar 1821) war seit 1787 Pfarrer in Tangermünde.318 Hier begann 3,2

Siebe unten 313. Die erwähnte öffentliche Trauerfeier fand am 28. März statt. Siehe hierzu die Anzeige in: Spenersche Zeitung, Beilage zu Nr. 36 vom 24. März 1821, Sp. 1: „Hansteins Todtenfeier. Mit Allerhöchster Genehmigung wird Mittwochs, den 28sten d. M., Nachmittags von 4-6 Uhr, im hiesigen Königl. Dom zur Erinnerung an den Königl. Ober-Consistorial-Rath und Propst Hanstein eine musikalische Todtenfeier gegen Eintrittsgeld statt finden. Da diese Einnahme im Geiste unsers entschlafenen Freundes zunächst zur Unterstützung hülfsbedürftiger Jugend verwendet werden soll: so hat sich auch die hiesige, verehrte Sing-Akademie bereitwillig finden lassen, jene Feier unter der Leitung ihres Direktors, Hrn. Professors Zelter, durch Gesang und Orgelspiel wohlwollend zu veranstalten. ..." Siehe auch Spenersche Zeitung, Nr. 37 vom 27. März 1821, Sp. 14f. Die Anzeige findet sich auch in: Vossische Zeitung, Erste Beilage zu Nr. 36 vom 24. März 1821, Sp. 3; vgl. dort noch: Erste Beilage zu Nr. 37 vom 27. März 1821, Sp. 2f.

313

Einige Worte über homiletische Kritik 15-17 Siehe unten Anm. zu 324,13 Tageskalender für das Jahr 1821, BI. 13v Tageskalender 1821, Bl. 13v Tageskalender 1821, Bl. 13v Siehe O. von Ranke: Hanstein, Gottfried August Ludwig, in: ADB 10 (1879), 543-547. Vgl. auch das von Friedrich Philipp Wilmsen, dem Zweiten Prediger an der reformierten Parochialkirche, herausgegebene Gedenkbuch: Denkmal der Liebe

314 315 316 317 318

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er bereits, sich an der homiletischen Ausbildung von Pfarramtskandidaten zu beteiligen. Auf Vorschlag des Berliner Propstes Wilhelm Abraham Teller wurde Hanstein 1803 zum Oberdomprediger in Brandenburg an der Havel gewählt. Im November 1804 berief König Friedrich Wilhelm III. ihn zum Adjunkten und präsumtiven Nachfolger Tellers in dessen kirchlichen Ämtern. Als Teller unerwartet schon am 9. Dezember 1804 verstarb, wurde Hanstein zum Propst an der St. Petri-Kirche, daneben zum Superintendenten der Diözese Berlin und zum Mitglied des Oberkonsistoriums berufen. Nach der Auflösung des Oberkonsistoriums wurde er 1808 im Range eines Oberkonsistorialrates zum Mitglied der Sektion für Kultus und öffentlichen Unterricht im preußischen Innenministerium, der seit dem 1. September 1810 auch Schleiermacher angehörte, berufen. In seiner Pfarrtätigkeit war Hanstein überaus erfolgreich. Er zählte zu den beliebtesten Berliner Predigern,319 war - wiederum neben Schleiermacher - an der Einführung der Onion beteiligt und wirkte auch an der Schaffung des neuen Gesangbuches mit.320 Hansteins Engagement in Theologie und Kirchenpolitik entsprach einer aufklärungstheologischen Orientierung, der er zeitlebens verpflichtet blieb. Neben August Friedrich Wilhelm Sack und Johann Joachim Spalding repräsentierte vor allem Hansteins Förderer Teller diese theologische Richtung. In seiner Berliner Antrittspredigt bezeichnete Hanstein ihn als den „ Unvergeßlichen und Unersetzlichen, dessen Namen die protestantische Kirche mit ungeteilter Ehrfurcht nennt, an dem Berlin so viel hatte und so viel verlor, um den seine Freunde trauern, wie um den ersten Freund, die Armen klagen wie um den freundlichsten Wohltäter" 321 Schleiermacher stand Hanstein kritisch gegenüber. Schon anläßlich der Berufung zum Berliner Propst hieß es in einem Brief an Gaß:

3,9

320

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geweiht dem verewigten Propst Dr. Gottfried Aug. Ludwig Hanstein, von Freunden und Verehrern, Berlin 1821 sowie Adolf Parisius: Zur Würdigung der Persönlichkeit Gottfried August Ludwig Hansteins, in: JBrKG 18 (1920), S. 35-55. Weder im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin noch im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg sind Personalunterlagen zu Hanstein vorhanden. Besonders populär waren Hansteins Predigten aus der Zeit der Befreiungskriege, die auch im Druck erschienen: Die ernste Zeit. Predigten in den Jahren 1813 und 1814 gehalten, Magdeburg 1815; vgl. Walter Wendland: Gottfried August Ludwig Hanstein als patriotischer Prediger in Berlin, in: JBrKG 13 (1915), S. 88-118. Hanstein wurde am 10. Dezember 1817 gemeinsam mit Samuel Christian Gottfried Küster, Konrad Gottlieb Ribbeck, Georg Karl Benjamin Ritsehl, Schleiermacher und Friedrich Philipp Wilmsen in die Kommission zur Vorbereitung eines neuen Gesangbuches gewählt (vgl. KGA 1/9, CXII). Zitiert nach Wendland: Gottfried August Ludwig Hanstein 91

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„... ich habe H[anstein] in Berlin gehört und muß leider gestehen, daß mir lange nichts so ganz schiefes und verschrobenes vorgekommen ist; es machte mir ordentlich Schmerzen, der Rede bis zu Ende zu folgen, und im ersten Verdruß hatte ich große Lust, einen Brief darüber an ihn drukken zu lassen. Aber er steht nun einmal da, was kann es helfen, ihn in seiner Blöße darzustellen?"322 Voller Anerkennung äußerte Schleiermacher sich hingegen in seiner hier abgedruckten Ansprache über Hansteins Tätigkeit im Bereich der Pfarrerausbildung und der homiletischen Unterweisung. Seine einschlägigen publizistischen Beiträge seien „gewiß einem großen Theil derer, die jezt auf den evangelischen Kanzeln des nördlichen Deutschlands das Amt der Lehre verwalten, von mannigfaltigem Nuzen gewesen ",323 Hanstein war auf diesem Gebiet schon früh literarisch in Erscheinung getreten. Seit 1791 gab er die in Stendal gedruckten „Homiletisch-kritischen Blätter für Candidaten des Predigtamtes und angehende Prediger" heraus, die bis 1799 in neun Bänden erschienen. Daran schlossen sich die ebenfalls in Stendal verlegten „Neuen homiletisch-kritischen Blätter" an. Von ihnen sind in den Jahren 1799 bis 1812 insgesamt fünfundzwanzig Bände erschienen. Neben diesen Periodika veröffentlichte Hanstein in den Jahren 1813 und 1814 ein „Kritisches Jahrbuch der Homiletik und Ascetik". Die Gedächtnisrede „Einige Worte über homiletische Kritik" ist 1846 in Band 1/5 der Sämmtlichen Werken wieder abgedruckt worden: Friedrich Schleiermach er's sämmtliche Werke. Erste Abtheilung. Zur Theologie. Fünfter Band, Berlin 1846, dort auf den Seiten 463 bis 476. Auf diesen Abdruck beziehen sich die im vorliegenden Band auf dem Außenrand, ergänzend zur Angabe der Erstdruckpaginierung, stehenden Seitenzahlen. 26. Nachruf auf Caroline Gräfin zu Dohna Schleiermachers Nachruf stein,324 ist ohne Nennung Nachrichten von Staatstung"), Nummer 63 vom 322

323 324

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auf die Gräfin zu Dohna, geb. Finkendes Verfassernamens in den „Berlinischen und gelehrten Sachen" („Spenersche Zei16. März 1825, dort auf den Spalten 4 und

Brief an Joachim Christian Gaß vom 16. November 1805, in: Briefwechsel mit J. Chr. Gaß 34-39, hier 38 Siehe unten 323,29-31 Die Schreibweise des Familiennamens „Finkenstein" variiert; es ist auch „Finckenstein" gebräuchlich. Im folgenden wird einheitlich die von Schleiermacher bevorzugte Schreibweise verwendet.

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5, erschienen. Der Text trägt keine Titelzeile; die Eingangsangabe lautet „Schloß Finkenstein in Preußen, vom 2. März." Hinweise auf die Ausarbeitung des Textes finden sich im Tageskalender für das Jahr 1825 (SN Nr. 445) nicht. Dafür liegen ztvei Briefe Schleiermachers an Alexander Graf Dohna vor, die sich auf den Nachruf beziehen. In einem Schreiben vom 6. März 1825 heißt es: „ Gestern Abend, liebster Graf, erhielt ich Ihren Brief schon im Ausgehn begriffen Heute habe ich um 7 Uhr gepredigt325 und es ist meiner Frau Geburtstag, so daß ich noch nicht einen Augenblick frei gehabt habe, und doch wollte ich mich an einem solchen Tage den besuchenden Freunden nicht entziehen. Daher ist es mir nicht möglich Ihnen mit diesen Zeilen den Entwurf zu dem Zeitungsartikel zu schicken. Morgen aber unfehlbar werde ich die Sache in Ordnung bringen so gut ich kann. So hat denn dieses edle und reiche Leben schön und erhebend geendet, daß Ihnen Allen ein beruhigender und wahrhaft stärkender Eindruck davon zurückbleiben muß. Dafür ist ja Gott zu preisen, und Sie können Sich wenn auch nicht ohne tiefen Schmerz doch mit herzlicher Ergebung in seinen Willen fügen. An die Stelle der zeitlichen Erscheinung tritt ein tief Ihrer Seele eingeprägtes Bild auf welchem Sie oft verweilen werden, und an welches sich ein vielseitiger geistiger Verkehr mit der Verklärten anknüpfen wird. ... Wie sehr es mich erfreut und beglückt, daß die Selige auch meiner noch freundlich gedacht hat darf [d.i. muß] ich Ihnen wohl nicht sagen; und wenn sie in meinen Predigten den Ausdruck ihrer eignen christlichen Gesinnung gefunden hat, so ist das auch mir ein Segen, wie überhaupt mein Verhältniß mit Ihrem theuren Hause zu dem größten gehört dessen ich mich erfreue. ... Gott sei mit Ihnen. Von ganzem Herzen der Ihrige. Schleiermacher. "326 Schleiermacher hat jedoch nicht, wie der Brief nahelegen könnte, lediglich einen Entwurf zu dem Nachruf geliefert, sondern den gesamten Text geschrieben und ihn auch selbst zum Druck befördert. Dies geht aus einem zweiten Brief hervor, den Schleiermacher dem Grafen Dohna im Juni 1825 sandte und in dem er sich insbesondere über die ihn nicht ganz zufriedenstellende Gestaltung der Überschrift des Artikels ausspricht: „... Zunächst nun bin ich Ihnen noch eine Rechenschaft schuldig über den Zeitungsartikel. Meine Absicht war, daß er unter [der Nachrichtenrubrik] Berlin stehen sollte; allein Spener welcher sich 325

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Vgl. Meding: Bibliographie 307 (P 399); die Predigt ist abgedruckt in: Sämmtliche Werke, Bd. II/9, Homilien über das Evangelium des Johannes, in den Jahren 1825 und 1826 gesprochen, ed. Ad[olf] Sydow, Berlin 1836, S. 32-45. Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna 79f

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ganz freundlich immer gegen mich gezeigt hat meinte, da β das gegen allen Zeitungsgebrauch sei und meinte, das natürlichste sei die Aufschrift des Ortes. Ich fühlte wohl das nicht ganz passende davon, fürchtete aber ohne Aufschrift möchte sich der ganze Artikel ganz unter den gewöhnlichen Anzeigen verlieren; und da ich kein anderes Auskunftsmittel wußte, so verließ ich mich darauf, daß jedes gesunde Auge sehen würde daß die Abfassung von keinem Mitgliede der Familie herrühre, wogegen daß sie von mir sei jedem der meine mir ewig theuren Verhältnisse zu Ihrem Hause kennt sogleich wahrscheinlich ja gewiß werden müsse, sobald nur der Gedanke angeregt wird. Und so hoffe ich denn auch hier, daß das schiefe und nachtheilige sich bald verlieren, das wahre und gute aber bleiben wird. "327 Der Verstorbenen stand Schleiermacher seit seiner Hauslehrerzeit im Schlosse des Grafen Dohna-Schlobitten (Oktober 1790 bis Mai 1793) als der Mutter seiner Schüler nahe.328 Der Hausherr, Friedrich Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten,329 war der Ehemann Carolines. Beiden, dem Grafen und der Gräfin, war Schleiermacher vom Beginn seiner Tätigkeit im Schloß an in Respekt verbunden.330 Schleiermachers Text hat einen Teilnachdruck erfahren. Sein Nachruf bildet die Grundlage einer Würdigung der Verstorbenen, die im dritten Jahrgang des „Neuen Nekrologs der Deutschen" (Zweites Heft, Ilmenau 1827, dort auf den Seiten 13S3 und 1354) erschienen ist. Der im „Neuen Nekrolog" gebotene Text hat keine Verfasserangabe oder ein Namenskürzel. Schleiermachers Ausführungen sind redaktionell bearbeitet und um einzelne Passagen gekürzt, ansonsten aber ohne größere Eingriffe übernommen worden. Entfallen ist insbesondere der Hinweis auf die Religiosität und das „rege Interesse" der Gräfin „an acht evangelischer Freiheit".331 Eine zweite Quelle liegt dem Nachruf im „Neuen Nekrolog" nicht zugrunde. Sein Wortlaut ist folgender: „Gräfin zu Dohna, geborene Gräfin von Finkenstein, Obermarschallin. Gräfin zu Dohna, geborene Gräfin von Finkenstein, Obermarschallin. geboren den 23. October 1745, gestorben

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Scbleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna 80-83, hier 81. Der Brief ist nicht näher datiert. Vgl. hierzu Nowak: Schleiermacher 49f Friedrich Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (* 6. Juli 1741; f 8. April 1810); vgl. Altpreußische Biographie, Band I, 143f, DBA I 246, 131 und DBA II 283, llSf Vgl. den Brief an Heinrich [Henri] Catel, in: KGA V/1, Nr. 149,84-97 Siehe unten 327,13-18

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den 23. Febr. 1825. Ihr Geburtsort war Osterode in Preußen. Während ihr Vater im siebenjährigen Kriege im Felde stand, zog sie mit ihrer Mutter zu ihrem Onkel, dem Geheimen Kabinetsminister Grafen von Finkenstein und mit ihm darauf nach Magdeburg. Daselbst erhielt sie von dem von Berlin dahin gekommenen Hofprediger und Oberconsistorialrath Sack den Unterricht in der Religion, wodurch sie sich eine wahre Frömmigkeit aneignete. So entwickelte sich auch in dieser an Ereignissen merkwürdigen Zeit ihr Geist zu einer hohen Bildung, einem gediegenen Urtheil und einer hohen Stärke des Charakters, wodurch sie sich ihr ganzes Leben hindurch als eine höchst ausgezeichnete und bedeutende Frau auch unter den schwierigsten Umständen bewährt hat. - Mit Ablehnung aller freundlichen Anerbietungen durch welche man sie dem Kreise des königlichen Hofes zu erhalten wünschte, ging sie nach geschlossenem Frieden mit ihren Eltern nach Preußen zurück, wo sie 1769 mit dem Burggrafen zu Dohna-Schlobitten332 sich vermählte. Aus dieser Ehe entsproßten 12 Kinder. Nach 40jähriger glücklicher Verbindung wurde sie Wittwe und fand bei ihrer tiefen Trauer den besten Trost in dem Bewußtsein des Guten, was sie gewirkt und in dem Segen, der auf der treuen Erfüllung mütterlicher Pflichten ruhte. "333 27. Erklärung des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift. Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein (1827) Die „Erklärung des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift. Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein" findet sich in dem Buch: „Über das Ansehen der heiligen Schrift und ihr Verhältnis zur Glaubensregel in der protestantischen und in der alten Kirche. Drei theologische Sendschreiben an Herrn Professor D. Delbrück in Beziehung auf dessen Streitschrift, Phil. Melanchthon, der Glaubenslehrer, von D. K[arl] H[einrich] Sack, D. C[arl] I[mmanuel] Nitzsch und D. Fr[iedrich] Lücke. Nebst einer brieflichen Zugabe des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift", Bonn 1827, auf den Seiten 213 bis 216. 332

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Hierzu gibt der Herausgeber folgende Anmerkung: „Von ihm finden sich höchst rühmliche Lebensnotizen u. Portrait im Jahrbuch häuslicher Andacht für 1826. Halle, b. Rff, worin er als ein sehr frommer, vaterlandsliebender und tapferer Herr bezeichnet ist. d.H." Neuer Nekrolog der Deutschen, Dritter Jahrgang 1825, Zweites Heft, Ilmenau 1827, S. 13S3f

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Der hier edierte Text bildet ursprünglich ein Teilstück eines Briefes, den Schleiermacher am 22. September 1826 an den Bendorfer Pfarrer Karl August Groos gesandt hat. Eine Abschrift dieses Briefes liegt im Nachlaß von Wilhelm Dilthey (Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften) unter der Bestandsnummer 103 vor.334 Die Vorlage dieser Abschrift hat aber wohl nicht als Druckmanuskript gedient; ediert wird nach der Druckfassung von 1827. Bereits unter dem 4. August 1826 hatte Schleiermacher, nachdem Groos in einem anscheinend nicht erhaltenen Brief zunächst an ihn herangetreten war, mit einem ausführlichen Schreiben reagiert.335 Über das Verhältnis Schleiermachers zu seinem Korrespondenzpartner ist bisher wenig bekannt; auffällig ist immerhin die Freimütigkeit, mit der Schleiermacher sich hier zu verschiedenen theologischen und kirchenpolitischen Themen äußert und die die Unterzeile des Drucktextes „Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein" zu rechtfertigen scheint.336 Den Ausgangspunkt bildet zunächst die Agendenfrage, deren Lösung im August 1826 noch nicht absehbar war. Vielmehr konstatierte Schleiermacher hierzu in seinem Brief eine wahre „Demoralisation des geistlichen Standes".337 Über Friedrich Wilhelm III. heißt es: „Der König übrigens, glaube ich, würde keinen Augenblick anstehen, seiner Agende wenn es darauf ankäme auch die Union zum Opfer zu bringen. "33S Der Umstand, daß Groos im Rheinland wirkte, gab Schleiermacher Anlaß, sich über die kirchenrechtlichen und gottesdienstpraktischen Unterschiede auszusprechen, die zwischen den Berliner und Brandenburgischen Verhältnissen einerseits, denen in

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Nachlaß Wilhelm Dilthey 103; Bogenzählung 36-37. Es handelt sich um zwei Doppelblätter, davon sind sechs Seiten vollständig beschrieben. Bl. 4 trägt vorderseitig einige Bleistiftnotizen. Briefe 4, 352-357. Auch von diesem Brief liegt eine Abschrift im Dilthey-Nachlaß vor (Nachlaß Wilhelm Dilthey 103, Bogenzählung 33-35). Es handelt sich um zwei Doppelblätter und ein einzelnes Blatt; insgesamt sind neun Seiten beschrieben. Karl August Groos (* 16. Februar 1789; f 20. November 1861) war nach dem Studium in Marburg und Heidelberg seit 1821 Pfarrer im rheinländischen Bendorf. Von 1827 bis 1838 amtierte er als Militär-Oberpfarrer in Koblenz. 1838 übernahm er eine Pfarrstelle in Koblenz. Von 1843 bis zu seinem Tode war er als theologischer Konsistorialrat im Konsistorium der Rheinprovinz in Koblenz tätig (siehe Das evangelische Rheinland. Ein rheinisches Gemeinde- und Pfarrerbuch, im Auftrag der Evangelischen Kirche im Rheinland herausgegeben von Albert Rosenkranz, Band 2: Die Pfarrer (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 7), Düsseldorf 1958, S. 172; vgl. DBII 425, 305). Briefe 4, 353 Briefe 4, 353

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der Rheinprovinz andererseits bestanden. Seine aktuellen kirchenpolitischen Aktivitäten zusammenfassend, urteilte Schleiermacher gegenüber Groos, „daß die kirchliche Verwaltung in der bisherigen Weise nicht fortbestehen kann".339 Nachdem Schleiermacher schließlich auch über den Stand der Arbeiten für ein neues Gesangbuch berichtet hat, heißt es: „Von dem Ό elbrück'sehen Buche habe ich schon gehört aber zu Gesicht ist es mir nicht gekommen. Im voraus bin ich nicht gewiß etwas darauf zu sagen, wie ich denn überhaupt nur in öffentlichen Angelegenheiten gern als Kämpfer auftrete. Was meine Person betrifft, so liegen ja die Akten vor Augen, und wer danach schief urtheilen will, habeat sibi. Solcherlei Polemik zersplittert die Zeit entsetzlich und Nuzen ist selten dabei. "340 Die hier angesprochene Schrift des Bonner Philosophieprofessors Johann Friedrich Ferdinand Delbrück341 war kurze Zeit zuvor unter dem Titel „Philipp Melanchthon, der Glaubenslehrer. Eine Streitschrift" (Bonn 1826) als zweiter Teil von Delbrücks dreibändigem Werk „Christenthum. Betrachtungen und Untersuchungen" (1822/1826/1827) erschienen.342 Schleiermacher wurde direkt attackiert und seine dogmatische Lehrbildung einer scharfen Kritik unterzogen. Delbrück knüpfte an zahlreiche ähnliche Einwendungen gegen Schleiermachers theologisch-philosophische Konzeption an. Im Mittelpunkt stand der Vorwurf, die in der Glaubenslehre entfaltete Darstellung christlicher Frömmigkeit sei nicht, wie von Schleiermacher intendiert, aus Glaubenssätzen, sondern aus einer vorgeordneten philosophischen Theorie abgeleitet. Seiner Theologie komme insofern ein künstlicher Charakter zu; ihre Übertragung in den Bereich der kirchlich-theologischen Tradition sei gezwungen. Noch wichtiger und von größerer Brisanz war Delbrücks These, Schleiermachers Lehre von Gott sei durch eine Tendenz zur Entpersonalisierung Gottes geprägt, die in ihren theologischen Konsequenzen noch über Spinoza und Fichte hinausreiche. Mit dem Pantheismusvorwurf mußte Schleiermacher sich seit seinen Anfängen als religiöser Schriftsteller auseinandersetzen. Schon Schleiermachers Berliner Förderer, der Hofprediger Friedrich Samuel Gottfried Sack, hatte seine Ablehnung der Reden „ Über die Religion "

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342

Briefe 4, 3SS; vgl. KG A 1/9, Clllfund CXIIIf Briefe 4, 356 Delbrück (* 12. April 1772; f 21. Januar 1848) war seit 1818 Professor für Philosophie und schöne Literatur an der Universität Bonn; vgl. DBE 2 (1995), S. 474f. Der vollständige Titel lautet: Philipp Melanchthon, der Glaubenslehrer. Eine Streitschrift verfasset von Ferdinand Delbrück. Nebst einem Sendschreiben des Hrn. Oberconsistorialraths und Professors Dr. Augusti an den Verfasser, Bonn 1826.

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damit begründet, daß sie „eine geistvolle Apologie des Pantheismus", „eine rednerische Darstellung des Spinosistischen Systems" seien.343 Insofern verfügte Schleiermacher bereits über einen gewissen Erfahrungsschatz, als er auch die Glaubenslehre gerade in dieser Hinsicht einer zwiespältigen Rezeption ausgesetzt sah.344 Da der im vorliegenden Band edierte Brief die Thematik nur in gebrochener Perspektive reflektiert, sei auf die wichtigsten Passagen hingewiesen, in denen sich Schleiermacher an anderen Orten explizit mit dem Pantheismusvorwurf auseinandergesetzt hat. In der Einleitung zur Erstauflage der Glaubenslehre geht Schleiermacher hierauf im Kontext seiner frömmigkeitstheoretischen Überlegungen ein (Der christliche Glaube. Erste Auflage, § 15,5).345 Eine gegen seine Kritiker gerichtete Erörterung bietet eine ausführliche „Anmerkung" zur dritten Auflage der Reden „Uber die Religion" von 1821.346 Erneut widmet Schleiermacher sich im ersten seiner beiden Sendschreiben an Friedrich Lücke von 1829 dem mittlerweile fast schon zum Stereotyp der zeitgenössischen Kritik gewordenen Vorwurf,347 bis dann eine Passage in der Neubearbeitung der Glaubenslehre eine Art Schlußwort zum Thema bildet (§8. Zusatz 2).348 Das komplexe Anknüpfungsverhältnis, in dem die Schleiermachersche Gotteslehre zu Motiven der Philosophie Spinozas steht, wird mehr noch als in den entsprechenden Ausführungen der Erstauflage der Glaubenslehre in den „Anmerkungen" zur dritten Auflage der 343

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Brief Sacks an Schleiermacher von Ende 1800 / Anfang 1801, in: KG A V/5, Nr. 1005,26f Vgl. hierzu Hermann Mulert: Die Aufnahme der Glaubenslehre Schleiermachers, in: ZThK 18 (1908), S. 107-139; Ders.: Nachlese zu dem Artikel: Die Aufnahme der Glaubenslehre Schleiermachers, in: ZThK 19 (1909), S. 243-246 Der christliche Glaube nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Erster Band, Berlin 1821, S. 67-69 (Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/7.1, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1821/22), ed. Hermann Peiter, Berlin/New York 1980, S. S2-S4) Ueber die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Dritte vermehrte Ausgabe, Berlin 1821, S. 198-200 (Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/12, Über die Religion / Monologen, ed. Günter Meckenstock, Berlin/New York 1995, S. 145 f) Dr. Schleiermacher über seine Glaubenslehre an Dr. Lücke, in: Theologische Studien und Kritiken, Zweiten Bandes zweites Heft, Hamburg 1829, S. 277-281 (KGA 1/10, 329-332). Schleiermachers Antikritik richtet sich insbesondere gegen Delbrück. Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, Siebente Auflage, Erster Band, ed. Martin Redeker, Berlin 1960, S. 57f (siehe Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/13.1, Der christliche Glaube, ed. Rolf Schäfer, Berlin/New York 2003)

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Reden „Über die Religion" von 1821 deutlich. Schleiermacher setzt sich hier nicht nur mit kritischen Formulierungen des Antipantheisten Friedrich Heinrich Jacobi auseinander, sondern es begegnet in diesem Zusammenhang auch die für Schleiermachers Theoriebildung zentrale Differenzierung innerhalb des Gottesbegriffes erstmals in einem präzisen dogmatischen Verwendungszusammenhang. Danach müsse man, weil „es so schwer sei eine Persönlichkeit wahrhaft unendlich und leidensunfähig zu denken", „einen großen Unterschied machen ... zwischen einem persönlichen Gott und einem lebendigen". Allein der Begriff des „lebendigen Gottes" sei es, der „eigentlich vom materialistischen Pantheismus und von der atheistischen blinden Notwendigkeit" scheide.349 Schleiermachers Sichtweise wird noch heller beleuchtet, wenn man ein wichtiges briefliches Zeugnis heranzieht. In einem Schreiben an Alexander Graf Dohna vom 7. Januar 1823 erklärt Schleiermacher über die „pantheistische Denkungsart", „daß sie eine nothwendige [!] Ergänzung der Personification Gottes sei".350 Die hier ausgesprochene Forderung an die dogmatische Theorie markiert den Standpunkt, von dem aus Schleiermacher die Gotteslehre entfaltet hat. Schleiermachers Stellungnahmen hatten in keinem einzigen Fall den Effekt, die Kontrahenten von der Richtigkeit seiner Selbstwahrnehmung zu überzeugen. Vielmehr kam seinen Erklärungen nach Ansicht jener Widersacher selbst ein zweideutiger Charakter zu. Sie provozierten ihrerseits neue Einwände, und daher mag es auch verständlich sein, wenn Schleiermacher sich in dem hier abgedruckten Text wenig geneigt zeigt, sich in extenso zur Sache zu äußern. Von Schleiermachers theologischen Schülern und Nachfolgern ist sein Ansatz nicht weiterverfolgt worden. Ihnen war offensichtlich bewußt, auf welche philosophischen Wurzeln Schleiermacher sich an dieser für die dogmatische Gesamtkonzeption entscheidenden Stelle zurückbezog. Aber auch den Kontrahenten selbst, allen voran Delbrück, blieben die Zusammenhänge nicht verborgen. Delbrück hat seine kritischen Einwände 1827 im dritten Band seines „ Christenthums " erheblich erweitert und mit großem argumentativen Aufwand zu begründen gesucht. Die „Erörterungen einiger Hauptstücke in Dr. Friedrich Schleiermacher's christlicher Glaubenslehre" (Bonn 1827) - dies der Titel des einhundertneunzigseitigen 349

350

Vgl. KG A 1/12, 146; vgl. hierzu Julia A. Lamm: The Living God. Schleiermacher's Theological Appropriation of Spinoza, University Park / Pennsylvania 1996 Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna 77-79, hier 78. Schleiermacher bezieht sich bei dieser Äußerung ausdrücklich auf „die neue Ausgabe meiner Reden" von 1821.

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Bandes - wurden von Schleiermacher mit Verärgerung aufgenommen. Zumal die von Delbrück geäußerte Bitte, er möge dem Buch „ein Gastgeschenk " in Form einer Zugabe widmen, stieß bei ihm auf Unverständnis und Ablehnung.351 Immerhin kam es zwischen Oktober 1826 und August 1827 zu einem intensiven theologischen Briefwechsel' zwischen Schleiermacher und Delbrück.352 Diese Korrespondenz knüpft an die gegen Schleiermacher von Delbrück in seinem Melanchthon-Buch von 1826 erstmals erhobenen Vorwürfe unmittelbar an und stellt insofern die wichtigste Hintergrundquelle für die „Briefliche Zugabe" dar. Deren Zustandekommen soll zunächst geschildert werden. Wieder war es Karl August Groos, der sich, veranlaßt durch Delbrücks Kritik, an Schleiermacher wandte. Nachdem die drei gleichfalls angegriffenen Bonner Theologen Karl Heinrich Sack, Carl Immanuel Nitzsch und Friedrich Lücke - alle mit Schleiermacher durch eigene Schüler- oder Kollegenschaft in enger Verbindung stehend - gegen Delbrück Stellung zu beziehen im Begriffe waren, schienen Groos die Vorhaltungen auch von seiten Schleiermachers selbst nicht unwidersprochen bleiben zu können. Dieser jedoch wollte sich nach wie vor nicht auf einen öffentlichen Streit einlassen. Immerhin übersandte er Groos am 22. September 1826 in brieflicher Form eine zwar ausführliche, der Sache nach aber moderate Erklärung. Wie sich aus dem Brief selbst ergibt, wußte er zu diesem Zeitpunkt bereits von der geplanten „Gegenschrift" jener drei Theologen. Auch der Erwartung seiner „Bonnischen Freunde", er werde in der Streitsache „selbst auftreten", war Schleiermacher sich bewußt. Daher autorisierte er Groos dazu, sich „aus diesem Briefe heraus nehmen" zu lassen, „was ihnen [seil.: den drei Freunden] gut dünkt".353 Daraufhin brachte Groos die theologisch wichtigen Fassagen des Briefes in dem von Sack, Nitzsch und Lücke herausgegebenen Werk zum Abdruck. In diesem gegen Delbrück gerichteten Buch von 1827 stehen Schleiermachers Ausführungen unter der nicht von ihm stammenden Oberschrift „Erklärung des Herrn D. Schleiermacher über die ihn betreffenden Stellen der Streitschrift. Aus einem Briefe an einen Freund am Rhein" (213). Die Eingangspassage des Briefes ist, mit Ausnahme der Orts- und Datumsangabe, fortgefallen. Sie lautet: 351

352 353

Siehe Delbrücks Brief an Schleiermacher vom 12. August 1827, in: Briefe 4, 378-380, hier 379. Vgl. KG A 1/7.1, LII-LIV. Einige längere Passagen aus Delbrücks Schleiermacher-Buch sind abgedruckt in KG A 1/10, 504-533. Vgl. Briefe 4, 366-377 Brief Schleiermachers an Groos vom 22. September 1826, in: Briefe 4, 357-361, hier 361

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„Berlin, d. 22. Sept. 1826. Mein lieber Freund, als ich Ihren Brief durch Bessel erhielt und auch gleich beantwortete, hatte ich die Delbrück'sehe Schrift noch nicht gesehen und konnte Ihnen also nur aus einer sehr entfernten Wahrscheinlichkeit über das was mich darin betreffen sollte schreiben. Jetzt habe ich sie theils zu Hause theils auf der Reise gelesen und finde allerdings keine hinreichende Veranlassung etwas zu erwiedern. "3S4 Auch die gesamte Schlußpassage des Briefes ist fortgefallen. Sie lautet: „Mich nun hierüber beklagen, hieße doch eigentlich nur ihn [seil.: Delbrück] selbst beklagen, daß ihm dergleichen begegnen kann, und das will ich lieber in der Stille thun als öffentlich. Unsere Freunde in Bonn werden ja hoffentlich in ihrer Gegenschrift das άληθενειν έν άγάπτ] nicht aus den Augen sezen; und so gehalten, ist es gewiß unter den dortigen Umständen verdienstlich, zu zeigen daß unsere Kirche doch nicht auf Sand gebaut ist. Ueber die Delbrücksche Schrift selbst habe ich mich sehr gewundert, daß bei der scheinbaren Klarheit so eine entsezliche innere Verwirrung und bei so großen Zurüstungen so viel innere Nichtigkeit sein kann, und das bei einem Manne von so viel Talent! Sollten übrigens die Bonnischen Freunde etwas darüber sagen wollen, wie ich meinen Theil bei dieser Sache ansehe oder die etwanigen Erwartungen, ob ich nicht selbst auftreten würde, für mich beseitigen wollen: so lassen Sie sich, wenn es noch Zeit ist, aus diesem Briefe heraus nehmen, was ihnen gut dünkt. Großentheils unterweges habe ich das Buch gelesen und auch dieses geschrieben. - Ich schreibe vielleicht durch Sack wieder und schließe jetzt umsomehr, indem ich mich hintennach wundere, soviel über den guten Delbrück geschrieben zu haben. Indeß unterwegens hat man viel Zeit. Gott befohlen, von Herzen der Ihrige. "3SS Schleiermachers Entgegnung läuft darauf hinaus, von Delbrück eine präzise Beweisführung für die erhobenen Vorwürfe zu verlangen.356 In dieser Haltung sah er sich durch seine Bonner Mitstreiter bestärkt. Bemerkenswert ist auch die ausdrückliche Bezugnahme auf eine verteidigende Passage in August Detlev Christian Twestens „ Vorlesungen über die Dogmatik der Evangelisch-Lutherischen Kirche" (Erster Band, Hamburg 1826).357 354

356 357

Briefe 4, 357f Briefe 4, 360f. Die Reise, von der Schleiermacher hier spricht, hatte ihn, gemeinsam mit der Ehefrau, nach Göttingen geführt, von wo aus die beiden, begleitet von Ehrenfried von Willich, den Harz erwanderten (vgl. den Brief Henriette Schleiermachers an Ehrenfried von Willich vom 4. September 1826, in: Briefe 2, 418 und die dortige Anmerkung des Herausgebers). Vgl. unten 334,1-6; vgl. Briefe 4, 359 Vgl. unten 334,25-28; vgl. Briefe 4, 359

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Schleiermachers Delbrück-Kritik wurde durch persönliche Kontakte begleitet. So geht aus einem nicht näher datierten, aus Berlin abgesandten Brief an Joachim Christian Gaß vom Herbst 1826 hervor, daß Sack sich besuchsweise bei Schleiermacher aufhielt: „Sack aus Bonn ist hier und klagt sehr, wie man dort die Synodalverfassung lahmt, indem keine Erlaubniß ertheilt wird die Provinzialsynode zu versammeln. Sie sind dort beschäftigt Delbrück's Melanchthon zu widerlegen, der mit mir auch schlecht genug umgegangen ist. Ich habe mich aber doch an seiner Rhetorik sehr ergözt. "35S Am 11. November 1826 schrieb Schleiermacher an Ernst Moritz Arndt: „Gestern habe ich eine Gegenschrift der Triumvirn erhalten und heute einen großen Brief von Delbrück. Ich wollte nur, daß ich bald Zeit bekäme, ihm ordentlich zu antworten. "3S9 Der hier erwähnte, auf den 19. Oktober datierte Brief stellt Delbrücks unmittelbare Reaktion auf die Bonner Gegenschrift samt der brieflichen Zugabe Schleiermachers dar.360 Gegen die kritischen Bemerkungen Schleiermachers verteidigte Delbrück seine Vorgehensweise. Auch kündigte er die dann 1827 erschienene ausführliche Auseinandersetzung mit „einigen Hauptstücken" der Schleiermacherschen Glaubenslehre an. Die Zeit zu antworten, fand Schleiermacher erst zu Jahresbeginn 1827.361 Sein Brief vom 2. Januar ist noch einmal weit ausführlicher, als es die Zugabe schon gewesen war; daraus wird deutlich, wie sehr Schleiermacher zumindest im ersten Redegang des Schriftwechsels daran gelegen war, Delbrück auf sachlich fundierte Weise zu entgegnen. Zu seiner „Zugabe" bemerkt Schleiermacher hier, daß er selbst, „da ich das Blatt gedruckt las, fand ... ich hätte das wol stärker können hervortreten lassen, wie großes ich von Ihnen halte; für meinen Freund Groos war das freilich nicht nöthig. Schlecht nimmt sich nun doch einmal das flüchtige Blatt aus hinter den drei Sendschreiben, die jedes in seiner Weise gewichtig sind und trefflich. "362 Über sein Verhältnis zu Spinoza heißt es: „Ich habe den Spinoza seit ich ihn zuerst gelesen, und das ist nun fünfunddreißig Jahre her, aufrichtig bewundert und geliebt, aber sein Anhänger bin ich auch nicht einen einzigen Augenblick gewesen .. ,"363 Die in der „Brieflichen Zugabe" formulierte Frage, „welcher dogmatische Satz meiner Glaubenslehre etwas spinozistisches vorausseze", wird wiederholt. Im übrigen beruft

358 359 360 361 362 363

Briefe 4, 361f, hier 361 Briefe ed. Meisner 2, 341 f, hier 342 Der Brief ist abgedruckt in: Briefe 4, 366-371; vgl. KG A 1/12, Brief an Delbrück vom 2. Januar 1827, in: Briefe 4, 371-377 Briefe 4, 371 Briefe 4, 375

LIV-LVI.

Einleitung

der

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CXIII

Schleiermacher sich auf die Verteidigung, die Twesten und Lücke in ihren Beiträgen vorgetragen haben.364 Auf einen weiteren Delbrückschen Brief an ihn365 antwortete Schleiermacher am 22. August 1827. Ausdrücklich wird der Vorwurf abgewehrt, er habe Delbrück mit seiner Äußerung öffentlich zur Rechenschaft ziehen wollen: „Es ist keinesweges eine von jenen literarischen Fictionen daß meine Erklärung aus einem Briefe an einen Freund genommen sei, sondern es ist wirklich so und der Brief war ganz für ihn geschrieben, und so konnte wol keine Aufforderung an Sie darin enthalten sein. "366 Den Abschluß dieser Korrespondenz hielt Schleiermacher, ungeachtet des zudringlichen Tones, den die Briefe Delbrücks immer mehr annahmen, in versöhnlichen Wendungen: „ Wie weit wir auch auseinander gehen mögen, wir haben doch dasselbe gemeinsame Interesse, die Wahrheit, und dieselbe Methode sie zu fördern, die Liebe. Und unter diesem gemeinsamen Wahlspruch bin und bleibe ich in herzlicher Hochachtung der Ihrige. "367 Eingehend hat Schleiermacher sich dann noch einmal mit Delbrück im ersten Sendschreiben an Lücke auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Einwendungen, die Delbrück in seinem Schleiermacher-Buch „Erörterungen einiger Hauptstücke" von 1827 formuliert hat.368 Ober den Stand, den die Debatte hier erreicht, kam das Gespräch zwischen den beiden Kontrahenten nicht mehr hinaus. Nachdem Delbrücks Einwände in dem Sendschreiben an Lücke thematisiert worden waren, werden sie in der Neubearbeitung der Glaubenslehre explizit nicht mehr aufgegriffen. Überhaupt nimmt Schleiermacher dort auf Delbrück nur ein einziges Mal direkt Bezug, dies allerdings markant, indem er in einer Anmerkung zum Leitsatz von Paragraph 4 für die wirkungsgeschichtlich dominante Signatur seines Frömmigkeitsbegriffes den Nachweis einer terminologischen Übernahme aus Delbrücks „Erörterungen einiger Hauptstücke" gibt: „Für das in den folgenden Erläuterungen nicht selten vorkommende Wort schlechthinnig bedanke ich mich bei Herrn Prof. Delbrück. Ich wollte es nicht wagen, und habe keine Kunde, daß es schon anderwärts vorhanden gewesen. Nun er es aber gegeben, finde ich es sehr bequem, ihm im Gebrauch desselben zu folgen. "369 364 365 366 367 368 369

Briefe 4, 375 Brief vom 12. August 1827, in: Briefe 4, 378-380 Briefe 4, 380-383, hier 380 Briefe 4, 383 Vgl. KG A VIO, 330; siehe oben Anm. 347 Der christliche Glaube, ed. Redeker, Band 1, 23; vgl. Delbrück: niger Hauptstücke 47. 50. 64

Erörterungen

ei-

CXI ν

Einleitung der Bandherausgeber

28. Kleine Charadensammlung

(Vor 1829)

Schleiermachers eigenhändiges, titelloses Manuskript, das fünf Charaden enthält, befindet sich unter der Nummer 233/1 im Schleiermacher-Nachlaß des Archivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Es besteht aus einem Blatt von 19,5 cm Höhe und 12,3 cm Breite. Die Ränder sind glatt geschnitten. Das Papier hat einen hellen, insgesamt nachträglich leicht gebräunten Farbton. Im unteren Randbereich weist das Blatt einige Faltknicke auf. Schleiermacher hat die Vorder- und die Rückseite mit brauner Tinte beschrieben. Das Blatt weist kein Wasserzeichen auf. Auf der linken oberen Ecke findet sich der Stempel „Litteraturarchiv Berlin".370 Die Charaden sind von 1 bis S numeriert. Unterhalb von Nr. S findet sich ein Abschlußstrich, so daß es sich bei dem Manuskript nicht um ein Fragment handeln kann. Der Text ist in sorgfältiger, korrekturfreier Schrift ausgeführt. Dies deutet darauf hin, daß eine Abschrift vorliegt. In der umfangreichsten Sammlung handschriftlicher Charaden, dem in KGA 1/4 edierten Manuskript SN 232, finden sich auch diese fünf Texte, zudem sind sie in der gedruckten Sammlung von 1829 (Nr. 29 in diesem Band) enthalten.371 Datierungshinweise lassen sich den Gedichten nicht entnehmen. Allenfalls kann unterstellt werden, daß Schleiermachers dichterischgesellige literarische Produktivität einen urbaneren Hintergrund voraussetze, als ihn das Pfarrhaus im hinterpommerschen Stolp bieten konnte. Dies spräche dafür, das Charadenblatt in die Hallenser Zeit und somit auch zeitlich in die Nähe des Manuskriptes SN 232 zu weisen.

29. Charaden (1829) Schleiermachers Sammlung von Rätselgedichten ist 1829 in dem von Amadeus Wendt herausgegebenen „Musenalmanach für das Jahr 1830", dort auf den Seiten 262 bis 273, veröffentlicht worden.372 Der Band wurde von der Weidmannschen Buchhandlung in Leipzig ver370

371 372

Zu diesem Manuskript vgl. bereits Patsch: Alle Menschen sind Künstler 93 (Charadenblatt Hs F) Vgl. KGA 1/4, 1-26, hier 23-26 Amadeus Wendt (1783-1836) war seit 1811 außerordentlicher, seit 1816 ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Leipzig. Von 1829 bis zu seinem Tode amtierte er als Philosophieprofessor in Göttingen. Neben zahlreichen Werken

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legt und erschien im September 1829. Es handelt sich um eine Sammlung von siebenundzwanzig numerierten Charaden, die unter dem redaktionellen Titel „Charaden von Friedrich Schleiermacher" (Seite 262) steht. Die vorliegende Sammlung ist die einzige Druckfassung derartiger Rätseldichtungen Schleiermachers, die nachweisbar innerhalb seiner Lebenszeit veröffentlicht wurde.373 Der „Musenalmanach für das Jahr 1830" enthält neben den Schleiermacherschen Texten Gedichte von Adelbert von Chamisso, Heinrich von Kleist, August von Platen, Friedrich Schlegel und anderen Autoren. Der Text bietet kaum Anhaltspunkte für eine Datierung. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß die einzelnen Gedichte aus einem zusammenhängenden Zeitraum stammen. Schleiermacher hat bis in die zwanziger Jahre Rätselgedichte angefertigt.374 Allerdings liegt der zeitliche Schwerpunkt seiner poetischen Produktion deutlich früher. Für die Mehrzahl der im „Musenalmanach für das Jahr 1830" versam-

373

374

aus verschiedenen philosophischen Fachgebieten veröffentlichte er auch eine theologische Schrift unter dem Titel „Reden über Religion oder die Religion an sich und in ihrem Verhältnis zur Wissenschaft, Kunst, Leben" (Sulzbach 1813). 1816, 1825 und erneut 1829 gab Wendt Wilhelm Gottlieb Tennemanns „Grundriß der Geschichte der Philosophie für den akademischen Unterricht" in Neubearbeitungen heraus. Der „Deutsche Musenalmanach" erschien in Wendts Herausgeberschaft von 1830 bis 1832 in drei Jahrgängen. Vgl. ADB 42 (1897), 747-748; DBA 11350, 432-447; DBA II 1388, 259. Zu einzelnen Gedichten, die aufgrund von mündlicher Überlieferung schon vor 1829 in Taschen- und Rätselbüchern gedruckt und Schleiermacher zugeschrieben wurden, vgl. Patsch: Alle Menschen sind Künstler 142f. Im Falle von Schleiermachers Charaden hat insgesamt der mündlich erfolgende Tradierungsprozeß in großem Umfang Material über den Druckbestand hinaus beigebracht, doch ist seine tatsächliche Urheberschaft meist wenig sicher. Vgl. hierzu den vermutlich aus dem Jahr 1828 stammenden Brief an Wilhelmine Gaß, in: Briefe Schleiermachers an Wilhelmine und Joachim Christian Gaß. Mitgeteilt von Johannes Bauer, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 47 (Neue Folge 10) (1928), S. 250-278, hier 266f. Eine Charade, die Schleiermacher in seinem Tageskalender für das Jahr 1825 (SN 445) notiert hat, lautet: „Aus den ersten beiden sprühen / Funken hoch gen Himmel auf I Ungestalte Klumpen glühen / Harte Schläge fallen drauf. II Was hier sprüht und glüht zu finden / Steigt der kühne Mensch hinab I Zu des lezten tiefen Schlünden / Doch er findet oft sein Grab. II Ganzes dort im schönsten Thale / Still durchrieselt dich ein Bach / Und wol nicht zum leztenmale / Gabst du mir ein freundlich Dach" (mitgeteilt von Wolfgang Virmond in: Rezension zu Hermann Patsch: Alle Menschen sind Künstler 189). Eine Variante zur dritten Strophe lautet: „Das Ganze liegt im schönsten Thale / Still rieselt dort ein kühler Bach / Und, hoff ich, nicht zum leztenmale / Empfing mich ein befreundet Dach" (190). Zu erraten ist Schmiedeberg, der Name des Ortes, in dem Schleiermachers Bruder Karl lebte. Die Schlußzeile bezieht sich auf Schleiermachers Besuch dort im September 1825.

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melten Texte lassen sich hinlänglich sichere Datierungsangaben nicht ermitteln. In zwar nicht textidentischen, aber immerhin weitgehend ähnlichen Formen wird man jedoch eine Reihe von Stücken bis in die Hallenser Zeit (1804 bis 1807) zurückführen dürfen.375 Im Nachlaß befinden sich zwei Manuskripte, die geschlossene Sammlungen von Charaden enthalten. Zum einen handelt es sich um das in KGA 1/4 edierte Manuskript SN 232, das siebzehn Charaden enthält, darunter in leicht variierten Formen fünfzehn aus der Sammlung von 1829.376 Das zweite Manuskript SN 233/1 wird in diesem Band ediert377 Es enthält fünf Charaden, die sich, in wiederum leichten, mit den vorigen nicht übereinstimmenden Variationen, auch in der gedruckten Sammlung von 1829 finden. Der Almanachbeitrag von 1829 ist der älteste Druck einer Schleiermacherschen Charadensammlung. An ihn schließt sich eine komplizierte Überlieferungs- und Druckgeschichte an.378 Die Entwicklung verlief zunächst in zwei voneinander unabhängigen Bahnen. Der anonyme Herausgeber der 1883 in Berlin erschienenen umfassendsten Sammlung Schleiermach erscher „Räthsel und Charaden" gibt als seine Quellen zum einen ein „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen" (Leipzig 1825), zum anderen den Wendtschen Musenalmanach von 1829 an.379 Unbekannt ist, in welchem Verhältnis Schleiermacher selbst zu diesen beiden Veröffentlichungen gestanden hat. Nimmt man an, die Lieferung der Texte sei von ihm ausgegangen, dann muß man unterstellen, daß er „im letzten Jahrzehnt seines Lebens zweimal eine - und zwar merkwürdigerweise eine zu Zweidritteln identische - Sammlung seiner Charaden herausgegeben "3S0 hat. Probleme wirft die erstgenannte Charadensammlung Leipzig 1825 auf. Denn es ist mit Hilfe eines späteren, von Gustav Kühne veranstalteten Nachdruckes aus dem Jahre 1837381 sowie eines noch 375

376 377 378 379

380 381

Zu einem Einzelfall, in dem eine nähere Datierung möglich ist, siehe den Hinweis von Hermann Patsch: Du, Redner der Religion, Zeitgenössische Gedichte auf die „Reden", in: 200 Jahre „Reden über die Religion". Akten des 1. Internationalen Kongresses der Schleiermacher-Gesellschaft Halle, 14.-17. März 1999, herausgegeben von Ulrich Barth und Claus-Dieter Osthövener (Schleiermacher-Archiv 19), Berlin/New York 2000, S. 344-363, hier 344f. Die betreffende „Brautjungfer" Charade findet sich in der im vorliegenden Band edierten Charadensammlung SN 233/1 (siehe 342,21-31). KGA 1/4, 1-26, hier 23-26; siehe die Einzelnachweise unten im Sachapparat 341f Siehe dazu oben CXIV Vgl. die Ausführungen von Patsch: Alle Menschen sind Künstler 142-147 Schleiermacher's Räthsel und Charaden, Dritte vermehrte Auflage mit einem Anhange von Räthseln und Charaden Ph[ilipp] Buttmann's, Berlin 1883, S. 6 Patsch: Alle Menschen sind Künstler 144 F. Gustav Kühne: Friedrich Schleiermacher. Ein Lebensbild, in: Deutsches Ta-

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späteren Druckes382 möglich, den Bestand dieser Sammlung zu rekonstruieren und auch die Feststellung zu treffen, daß sämtliche Charaden, die in diesem Band von 1825 enthalten gewesen sein müssen, in allerdings veränderter Gestalt auch im Almanach von 1829 geboten worden sind. Nicht möglich hingegen ist es, den Druck selbst zu verifizieren. Die in dem kurzen Vorwort genannte Ausgabe ist bibliographisch nicht nachweisbar, und man wird vor die Frage gestellt, ob es sie überhaupt gegeben hat. Die Möglichkeit besteht, daß der Herausgeber seinen tatsächlichen Bezugsort nicht nennen konnte oder nicht nennen durfte.383 Auch auf der anderen Seite der Druckgeschichte, die ihren Ausgang von der Wendischen Ausgabe nahm, kam es mehrfach zum Wiederabdruck. 1851 erschien innerhalb der Reihe „Nationalbibliothek der Deutschen Classiker. Eine Anthologie in 100 Bänden" als Band 75 ein Schleiermacher-Auswahlband, der die Charadensammlung nach der Fassung des Musenalmanachs enthält: „Friedrich Schleiermacher. Mit einem Anhang: Wolfgang Menzel. Mit Biographien und Schleiermachers Porträt" (Hildburghausen und New York o.J. [1851]). Die Charaden finden sich hier auf den Seiten 162 bis 171. Auf der Grundlage dieser Ausgabe wurde 1852 als „Zweihundertundfünfzigstes Bändchen" in „Meyer's Groschen-Bibliothek der Deutschen Classiker für alle Stände" ein Schleiermacher-Band veröffentlicht: „Friedrich Schleiermacher. Mit Biographie" (Hildburghausen / New York [1852]).384 Die Charaden stehen hier auf den Seiten 78 bis 94. Aus unbekannten Gründen werden die ersten fünf Charaden der Wendischen Sammlung in der Reihenfolge 1,4, 5,2 und 3 geboten. Bis zum sechsundzwanzigsten Stück folgt die Reihe dann der des Musenalmanachs. Die letzte Charade fehlt. Zwei Jahre später veröffentlichte Ludwig von Lancizolle sein Buch „Ideen, Reflexionen und Betrachtungen aus Schleiermachers Werken" (Berlin, im Verlag von G. Reimer, 1854), in dem sich auf den Seiten 267 bis 274 ebenfalls eine Charadensammlung findet.

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schenbuch auf das Jahr 1838, herausgegeben von Karl Büchner, Berlin [1837], S. 3-60, hier 51-54 F. Gustav Kühne: Portraits und Silhouetten, Erster Theil, Hannover 1843, hier S. 32-34 Patsch: Alle Menschen sind Künstler 145f, vermutet, es habe sich um eine von Varnhagen gelieferte private Sammlung gehandelt. In diesem Band, der neben den Rätseldichtungen nur noch Auszüge aus den „Monologen " bietet - während der Band von 1851 auch die „ Weihnachtsfeier" und eine Predigt enthält - wird der Verfasser der „Biographischen Skizze" (Seiten 5-8) nicht genannt. Vermutlich handelt es sich ebenfalls um den Literaturkritiker Wolfgang Menzel (1798-1873).

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Einleitung der Bandherausgeber

Die Zusammenführung beider Linien fand statt, als 1874 ein namentlich nicht bekannter Sammler „Schleiermacher's Räthsel und Charaden " in einem Band vereinigte.385 Die Quellen bildeten die beiden Drucke von 1837 und 1854. Bei abweichenden Fassungen wird der Wendtschen Tradition der Vorzug gegeben. Die Ausgabe von 1874 erschien schon 1875 in zweiter „vermehrter" und 1883 in dritter, wiederum „vermehrter", das heißt um mündliches oder sonst unsicheres Überlieferungsgut angereicherter Form.386 Die Ausgabe von 1883 ist es, die, wie es heißt, auf „mehrseitig ausgesprochenen Wunsch" hin jene beiden Quellen nennt. Nach 1883 sind vergleichbare Sammlungen nicht wieder erschienen, bis Hermann Patsch 1986 das gesamte, sei es aus schriftlicher, sei es aus mündlicher Tradition überlieferte Material einer eingehenden Analyse unterzogen und sämtliche Texte in kritischer Edition gedruckt hat.387 Unter Verwendung der Ausgabe von 1829 ist Schleiermachers Beitrag zum „Musenalmanach" im Jahre 1984 als Faksimiledruck reproduziert worden in dem Band: Friedrich Schleiermacher zum 150. Todestag. Handschriften und Drucke, bearbeitet von Andreas Arndt und Wolfgang Virmond (Ausstellungsführer der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin. Band 11), Berlin / New York 1984, dort auf den Seiten 102 bis 111. Von dem gesamten „Musenalmanach für das Jahr 1830" hat 1985 die Weidmannsche Verlagsbuchhandlung in Hildesheim einen photomechanischen Nachdruck veranstaltet.

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Schleiermacher's Räthsel und Charaden, Berlin 1874 Zu den 1883 gedruckten, den gesicherten Materialbestand ergänzenden Texten gehören einige der populärsten „Schleiermacherschen" Rätseldichtungen. Darunter findet sich etwa folgendes Gedicht: „ Wir sind's gewiß in vielen Dingen, / Im Tode sind wir's nimmermehr; / Die sind's, die wir zu Grabe bringen, / Und eben diese sind's nicht mehr. / Denn, weil wir leben, sind wir's eben / Von Geist und Angesicht; / Und weil wir leben, sind wir's eben / Zur Zeit noch nicht" (Auflösung: Verschieden; vgl. Patsch: Alle Menschen sind Künstler 231). Auch ein Vierzeiler, dessen Auflösung „Vielleicht" ist, gehört hierher: „Mein Erstes ist nicht wenig, / Mein Zweites ist nicht schwer, / Mein Ganzes läßt dich hoffen, / Doch hoffe nicht zu sehr" (232). Patsch: Alle Menschen sind Künstler 209-221 Charaden)

(Texte) und 231-233

(Unautorisierte

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30. An die Redaktion der Staats-Zeitung (1831) Schleiermachers Text wurde unter dem wohl redaktionellen Titel „An die Redaction der Staats-Zeitung" in der „Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung", Nummer 95 vom 6. April 1831, dort auf der Seite 772, gedruckt. Oer Artikel erschien ohne besondere Rubrizierung. Von der in drei Spalten unterteilten Seite 772 nimmt er das untere Drittel der mittleren und das obere Viertel der dritten Spalte ein. Der Spaltenwechsel erfolgt hinter dem Wort „Fünftens" und vor den Worten „Gehöre ich ...".38S Weshalb Schleiermacher seinen kurzen Beitrag gerade an die Redaktion der „Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung" eingesandt hat, bleibt unklar. Ober Verbindungen zu dieser Redaktion ist nichts bekannt, und vorherige publizistische Kontakte haben nicht bestanden.389 Einen Wiederabdruck des Textes auf der Grundlage des Erstdruckes enthält die „Deutsche Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben",390 Vierter Jahrgang 1853, Nummer 38 vom 17. September, in dem auf den Seiten 305 und 306 stehenden Artikel „Ein Brief Schleiermachers", hier auf der Seite 306. Dieser Abdruck, der nach Ende des Schleiermach ersehen Textes in einer Schlußzeile mit dem Namenskürzel „K." (vgl. auch Seite III des Jahrganges) versehen ist, wird durch eine Erklärung des unbekannten Herausgebers über die Notwendigkeit einer Edition der Briefe Schleiermachers eingeleitet.391 Inhaltliche Ausführungen zu dem Text, die über die von Schleiermacher selbst gegebenen Informationen hinausgehen, finden sich in dieser Einleitung nicht. Der Text ist erneut gedruckt worden im zweiten Band der Briefausgabe „Aus Schleiermacher's Leben". In der Erstauflage des Bandes (Berlin 1858) findet er sich auf den Seiten 415 bis 417; die Zweitauflage (Berlin 1860; unveränderter Nachdruck: Berlin / New York 1974) bietet ihn auf den Seiten 445 bis 447. Gegenüber dem Originaldruck weist dieser Druck zahlreiche Abweichungen in der Orthographie auf. Insbesondere werden „tz" (in „Platz", „Grundsätze") m 389

390

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Siehe unten 356,9 Die Allgemeine Preußische Staats-Zeitung wurde 1819 auf Initiative des Staatskanzlers Hardenberg gegründet. Sie erschien unter wechselnden Titeln seit 1819 bis zum April 1945. Siehe Johann Caspar Struckmann: Staatsdiener als Zeitungsmacher. Die Geschichte der Allgemeinen Preußischen Staatszeitung (Kleine Beiträge zur Geschichte Preußens 1), Berlin 1981. Die im Verlag von Wiegandt und Grieben in Berlin erschienene Zeitschrift wurde von Karl Friedrich Theodor Schneider herausgegeben; ihre Begründer waren Julius Müller, August Wilhelm Neander und Carl Immanuel Nitzsch. Ein Brief Schleiermachers 305f

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zu „z", „seyn" zu „sein" verändert und auch die Kommasetzung den üblichen Gewohnheiten Schleiermachers angepaßt. Neu eingeführt ist eine Sperrung der Absatzzählung. Oer Artikel bietet eine Einleitung Schleiermachers sowie den Text eines Briefes, den Schleiermacher zunächst in französischer Sprache geschrieben und am 8. März 1831 an die Redaktion der französischen Zeitung „Messager des Chambres" gesandt hat.392 Die Abfassung des Briefes hat Schleiermacher in seinem Tageskalender für das Jahr 1831 (SN Nr. 451) ausdrücklich festgehalten. Zum 8. März heißt es: „Mein Brief an den Messager abgegeben ~".m Das französischsprachige Original des Briefes scheint nicht erhalten zu sein. Das handschriftliche Original der deutschsprachigen Fassung konnte bisher ebenfalls nicht aufgefunden werden. Eine Abschrift hiervon liegt im Nachlaß Heinrich Meisners vor.394 Die Textabschrift selbst und die Angabe von Adressat und Datum sind in verschiedener Tinte ausgeführt. Die Abschrift entspricht, bis auf einzelne kleinere Abweichungen, dem Abdruck des Textes im zweiten Band der Briefsammlung „Aus Schleiermacher's Leben". Alle Sperrungen, die sich nur in Briefe 2, nicht aber im Druck von 1831 (sowie dem von 1853) finden,

392

Der „Messager des Chambres" wurde in der deutschen Presse als „das ministerielle Blatt" (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Nr. 35 vom 4. Februar 1831, S. 290) oder als das Blatt, „welches ... seit einiger Zeit einen halbofficiellen Charakter gewonnen hat" (Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten, Nr. 6 vom 8. Januar 1831, Sp. 8), bezeichnet. - Vgl. Spenersche Zeitung, Nr. 27 vom 2. Februar 1831, Sp. 9: „Paris, vom 25. Januar. ... Der Mess, enthält einen langen Correspondenz-Artikel aus Berlin, der zum Theil Original, zum Theil aber auch in Paris selbst gemacht zu seyn scheint, und zu einer Art von Apologie für alles das dienen soll, was mitunter in seinen Blättern für Preußen Unangenehmes gesagt worden ist." Auf diesen Pariser Korrespondentenbericht könnte sich ein ungezeichneter, vielleicht vom Redakteur Samuel Heinrich Spiker stammender Artikel „Die wahre Freiheit" beziehen, in: Spenersche Zeitung, Nr. 38 vom 15. Februar 1831, Sp. 12-14, in dem, ohne näheren Bezug, kritisch über die auswärtige Berichterstattung zur Situation in Preußen Stellung genommen wird.

393

Tageskalender für das Jahr 1831, Bl. 20 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Nachlaß Heinrich Meisner. Bestand 117 [unpaginiert], 4 Bl. Die Materialien stammen aus Meisners Vorarbeiten für eine geplante, jedoch nicht zustande gekommene Ausgabe des Schleiermach ersehen Gelehrtenbriefwechsels. Es handelt sich um eine umfangreiche Mappe mit der Aufschrift „Schleiermacher, an [mit Bleistift korrigiert in: von] 5. 1824 - Schluß". Die Abschrift weist aufBl. 1 im Text und am unteren Rand jeweils die Bleistiftnotierung „Mulert 373" auf; vgl. Schleiermachers Briefwechsel (Verzeichnis) nebst einer Liste seiner Vorlesungen 162f. Dieser Hinweis bezieht sich auf den Abdruck des Briefes vom 8. März 1831 in der Ausgabe: Briefe Schleiermachers, ausgewählt und eingeleitet von Hermann Mulert, Berlin 1923, hier S. 373f. Mulert legt den Abdruck in Briefe 2 zugrunde.

394

Einleitung der Bandherausgeber

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begegnen auch hier, ebenso nahezu alle orthographischen Abweichungen der späten Druckfassung gegenüber der frühen. Daher liegt die Vermutung nahe, daß die Abschrift den Herausgebern der Briefausgabe vorgelegen hat oder ihrerseits auf deren Vorlage zurückgeht.

31. Erwiderung auf einen Artikel D. Steudels

(1832)

Schleiermachers Text erschien unter dem Titel „Erwiederung" in der „Allgemeinen Kirchenzeitung. Ein Archiv für die neueste Geschichte und Statistik der christlichen Kirche", Elfter Jahrgang 1832, Nr. 66 vom 26. April, auf der Seite S43. Der Tübinger Theologe Johann Christian Friedrich Steudel (* 25. Oktober 1779; f 24. Oktober 1837) stand bei Schleiermacher in hohem Ansehen. Steudel war, nach Jahren im Pfarrdienst, 1815 zum nebenamtlichen außerordentlichen Professor für Biblische Theologie an der Universität Tübingen und 1816 zum Ordinarius in der Philosophischen Fakultät berufen worden. Seit 1826 amtierte er - als Nachfolger Ernst Gottlieb Bengels - als ordentlicher Professor für Dogmatik und alttestamentliche Theologie. Er galt als Nestor der Evangelisch-theologischen Fakultät, war der theologische Hauptvertreter des Tübinger Supranaturalismus und Herausgeber der „Tübinger Zeitschrift für Theologie". Inspiriert durch Gottlob Christian Storr, richteten Steudel und weitere Tübinger Fakultätsmitglieder, darunter Friedrich Heinrich Kern und Christian Friedrich Schmid, ihre Frontstellung gegen den zeitgenössischen theologischen Rationalismus.395 Dies zog neben zum Teil erbittert ausgefochtenen theologischen Streitigkeiten auch diverse universitätspolitische Konflikte nach sich. Der Berufung Baurs an die Fakultät widersetzte Steudel sich allerdings erfolglos. Steudels theologische Konzeption war von einem offenbarungspositivistischen Grundzug geprägt. Dem Alten Testament, dem Steudel sich mit besonderer Intensität widmete, entnahm er einen mystisch-spekulativen Offenbarungsbegriff, den er in einer umfassend angelegten theologischen Systematik zur Entfaltung brachte.396 Den innerprotestantischen Unionsbestrebungen stand Steudel reserviert gegenüber. 395

396

Vgl. Ferdinand Christian Baur: Die Evangelisch-theologische Fakultät vom Jahr 1777 bis 1812, in: Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen, ed. Karl Klüpfel, Tübingen 1849 [ND: Aalen 1977], S. 216-247; siehe auch Steudels Schrift: Mein Verhältnis zu den Rationalisten und zu der Evangelischen Kirchenzeitung, Tübingen 1831 Vgl. Ueber die Haltbarkeit des Glaubens an geschichtliche, höhere Offenbarung

CXXII

Einleitung der

Bandherausgeber

Schleiermacher galt den Tübinger Theologen als Hauptgegner. Zwar ließ sich sein theologischer Standpunkt nicht über das Schema einer einfachen Entgegensetzung von Supranaturalismus und Rationalismus erfassen, und insofern entzog er sich der gängigen antirationalistischen Kritik. Dennoch sah Schleiermacher sich, vor allem nach dem Erscheinen der Glaubenslehre, heftigen Angriffen von Seiten der Tübinger Theologengruppe ausgesetzt. Bengel warf ihm Mystizismus und Pantheismus, Jakob Gottlieb Wurm einen oberflächlichen Gebrauch der Heiligen Schrift und seine reformierte Herkunft vor.397 Stein des Anstoßes war insbesondere die von Schleiermacher entwikkelte Gotteslehre, wie sie nicht erst in der Glaubenslehre, sondern bereits 1819 in der Abhandlung „Über die Lehre von der Erwählung; besonders in Beziehung auf Herrn Dr. Bretschneiders Aphorismen " konzipiert worden war.398 Einen unvoreingenommenen Zugang zu Schleiermachers dogmatischem Entwurf konnten die Kritiker dieser kleineren theologischen Studie kaum noch finden, als 1821 und 1822 das große dogmatische Werk „Der christliche Glaube nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt" erschien.399

397 391 399

Gottes, in Bezug auf neuere Angriffe dieses Glaubens, zur Beleuchtung der Consequent, des Sinnes, der Möglichkeit und des Bedürfnisses desselben. Einige Abhandlungen, Stuttgart 1814; Die Glaubenslehre der evangelisch-protestantischen Kirche, nach ihrer guten Begründung, mit Rücksicht auf das Bedürfniß der Zeit, kurz dargestellt, Tübingen 1830 [Zweite Auflage: Tübingen 1834]; Grundzüge einer Apologetik für das Christenthum. Auch als Nachtrag zu den dogmatischen Vorlesungen gegeben, Tübingen 1830 Vgl. Baur: Die Evangelisch-theologische Fakultät 398 Vgl. KG A 1H0, 145-222; siehe dort auch die Historische Einführung zu der Abhandlung: XLV-LXI Vgl. etwa den Bericht Friedrich Theodor Vischers: „Noch erinnere ich mich aus Steudels Vorlesungen über Dogmatik, wie er eines Tages gegen Schleiermacher, den Freiheitsläugner, in solchen Eifer gerieth, daß es stark im Katheder rumpelte; der eifrige Mann hatte irgend eine Leiste oder Brettchen in Stücke getreten" (Dr. Strauss und die Wirtemberger. Kritische Gänge, Tübingen 1844, S. 67). Einige größere Passagen aus Steudels Schrift „Die Frage über die Ausführbarkeit einer Annäherung zwischen der rationalistischen und supranaturalistischen Ansicht, mit besonderer Rücksicht auf den Standpunkt der Schleiermacherschen Glaubenslehre, beleuchtet von Dr. J. C. F. Steudel, aus Anlaß von der Schrift: Dr. H. A. Schotts Briefe über Religion und christlichen Offenbarungsglauben, Worte des Friedens an streitende Partheien" (Jena 1826) aus dem Jahre 1828 sind abgedruckt im Anhang von KG A 1/10, 559-569. Vgl. Steudels Abhandlung „Ueber das bei alleiniger Anerkennung des historischen Christus sich für die Bildung des Glaubens ergebende Verfahren", in: Tübinger Zeitschrift für Theologie, Zweiter Jahrgang, Erstes Heft, Tübingen 1830, S. 1-48. - Zu einem Besuch, den Schleiermacher Ende September 1830 in Tübingen unternahm, vgl. Carl E. Hester: Schleiermachers Besuch in Tübingen, in: Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte. Folge 1 (Werkschrif-

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Die Kontroverse, die den Hintergrund auch der hier abgedruckten „Erwiderung" bildet, verlagerte den theologischen Dissens auf die Frage der kirchlichen Bindung akademischer Theologie. Vorausgegangen waren die Auseinandersetzungen des sogenannten Hallischen Theologenstreites, auf den auch Schleiermachers Sendschreiben „An die Herren D.D. D. von Cölln und D. Schulz" Bezug nimmt. Schleiermachers Text war im ersten Heft des Jahrgangs 1831 der „Theologischen Studien und Kritiken" erschienen und löste sofort heftige Reaktionen aus.400 Der Sache nach ging es insbesondere um die Frage, welchen Einfluß „rationalistisch" eingestellte Theologen, wie die populären Hallenser Professoren Wilhelm Gesenius und Julius August Ludwig Wegscheider, auf die Studentenschaft ausübten. Kritisch wurde von lutherischer Seite auf die Lehrerfolge dieser Theologen hingewiesen und die Gefahr eines völligen Scheiterns in der akademischen Unterweisung der späteren Pfarramtsinhaber heraufbeschworen.401 Es kam zu Gegenschriften, in offiziellem Auftrag erstellten Berichten und königlichen Kabinettsanweisungen, in denen die Besetzung theologischer Lehrstühle ausdrücklich nur an solche Personen gestattet wurde, „von deren Anhänglichkeit an den Lehrbegriff der evangelischen Kirche ... Sie hinreichende Überzeugung gewonnen haben".402 Neben diesem ten des Universitätsarchivs Tübingen. Reibe 1: Quellen und Studien. Heft 6), Tübingen 1981, S. 127-144. Während dieses Aufenthaltes kam es am 29. September auch zu einer längeren Aussprache mit Steudel. Bei einer zweiten Begegnung wurde Schleiermacher von Steudel als Ehrengast in der Residenz des Stiftsephorus empfangen. Trotz aller Verbindlichkeit im persönlichen Umgang blieben die theologischen Gegensätze bestehen. Schleiermacher schilderte die Begegnung einige Monate später in einem Brief an Karl Heinrich Sack (26. März 1831): „Sehr erfreulich war mir in Tübingen Steudels Bekanntschaft zu machen. Wir sind einander zwar nicht näher gekommen in den Gedanken - er scheint sich vorzüglich in meine Freiheitstheorie nicht finden zu können, und ich konnte ihn nur versichern, daß dieß als etwas metaphysisches für meine Dogmatik eine bloße Nebensache sei aber mit dem Herzen glaube ich doch; wenigstens ich habe ihn sehr lieb gewonnen" (Briefe an einen Freund [Herausgegeben und erläutert von Faul Seifert], Weimar [1939], S. 33-36, hier 35; siehe auch den Bericht über das Treffen bei Carl Kapff: Lebensbild Sixt Carl von Kapff, Band 1, Stuttgart 1881, S. 187-189). Bedauerlich muß es scheinen, wenn Schleiermacher bei diesem Besuch in Tübingen sich zwar intensiv um Steudel und um den ihm gleichfalls kritisch gegenüberstehenden Philosophieprofessor Carl August Eschenmayer bemühte, von Ferdinand Christian Baur, seinem einflußreichsten Kritiker im neunzehnten Jahrhundert, jedoch kaum Notiz nahm. 400

401 402

Abgedruckt in KG A 1/10, 395-426. Zu den entstehungsgeschichtlichen Einzelheiten und der unmittelbaren Resonanz auf Schleiermachers Sendschreiben siehe dort: LXXXVIII-CXII. Vgl. KG A 1/10, LXXXIXf Kabinettsorder König Friedrich Wilhelms III. an den Minister der geistlichen, Un-

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folgenreichen Eingriff des preußischen Königs entwickelte sich eine wahre Flut öffentlicher Stellungnahmen. Vielfacher Protest entzündete sich an der Haltung der von Ernst Wilhelm Hengstenberg redigierten „Evangelischen Kirchen-Zeitung", in der im Januar 1830 Ernst Ludwig von Gerlachs Artikel „Der Rationalismus auf der Universität Halle" erschienen war. In diesem Artikel waren jene Vorwürfe gegen Gesenius und Wegscheider erhoben und die Gefahren für die Kirche zuerst beschworen worden.403 Zentrale Themen waren die Lehrfreiheit und die Bekenntnisbindung der Theologieprofessoren, die Rechtmäßigkeit, Nachschriften von Vorlesungen zu veröffentlichen, sowie auch die Rechte und Pflichten des Monarchen im Verhältnis zur evangelischen Kirche. Die Auseinandersetzungen wurden daneben durch vielfältigen lokalen kirchenpolitischen Konfliktstoff erweitert, so daß sich schließlich die Debatte über den gesamten protestantischen deutschsprachigen Raum erstreckte.404 Schleiermachers Verwicklung in den Streit wurde durch die Schrift „ Ueber theologische Lehrfreiheit auf den evangelischen Universitäten und deren Beschränkung durch symbolische Bücher. Eine offene Erklärung und vorläufige Verwahrung von D. Dan. v. Coelln und D. Dav. Schulz" (Breslau 1830) provoziert.405 Seine Entgegnung auf von Coelln und Schulz, die beide als Professoren an der Breslauer Theologischen Fakultät sowie als Konsistorialräte amtierten, stieß insgesamt auf wenig Zustimmung; auch aus Schülerkreisen wurde kaum Beifall signalisiert.406 Dafür reagierten die beiden Adressaten um so vehementer. Sie gaben ihrem Unmut über Schleiermachers, wie sie fanden, überzogene Kritik öffentlich in den „Zwei Antwortschreiben an Herrn D. Fried. Schleiermacher" (Leipzig 1831) Ausdruck. Indem sie sich mit Schleiermacher in der Forderung nach innerkirchlicher Lehrfreiheit einig wußten, sahen sie keinen Anhaltspunkt für seine Vorhaltungen in der Bekenntnisfrage. Schleiermachers Vision von einer evangelischen Kirchlichkeit ohne Normierung durch ein Lehrgesetz erschien ihnen als inhaltslos und realitätsfern. Neben zahlreichen weiteren Stellungnahmen, darunter auch einer Besprechung des Schleiermach ersehen Sendschreibens und der beiden Breslauer Antwortschreiben von Karl Rosenkranz in den

403 404 405 406

terrichts- und Medizinalangelegenheiten, den Freiherrn von Altenstein, September 1830 (zweite Order von diesem Tage), zitiert nach Schräder: der Friedrichs-Universität zu Halle II, 546 Vgl. KG A mo, LXXXIX Vgl. KG A 1/10, CXII Diese Schrift wird vollständig wiedergegeben in KG A 1/10, 486-503. Vgl. KG A 1/10, XCVII

vom 23. Geschichte

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„Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik ", dem kritischen Organ der Hegeischen Schule,407 entspann sich ein eigener Rezeptionszweig im südwestdeutschen Raum. Im einzelnen ist die Situation allerdings auch hier recht komplex. Die Entwicklung bis zu Schleiermachers „Erwiderung" an Steudel verläuft in vier Schritten. Am Anfang steht eine Bemerkung Steudels in seinem Artikel „ Ueber Rücktritt zum Lutherthum".40S Im Rahmen einer Kritik an Henrich Steffens' Rechtfertigungsschrift „Wie ich wieder Eutheraner wurde und was mir das Lutherthum ist" (Breslau 1831) führt Steudel eine heftige Attacke gegen den „Geist unsrer Zeit", der alles verflache und vergleichgültige. Dieser Geist bemeistere sich „selbst der hochgestellten Sprecher unsrer Kirche ..., also daß der Eine es als eine Sache von geringer Bedeutung betrachtet, was dem Geistlichen zu lehren und zu beten angemuthet werde, indem er ja der Ausflüchte genug bei der Hand haben werde, um das Angemuthete in seinem Geiste zu dem für sich Passenden umzudeuten; ... ",409 Steudel selbst macht deutlich, daß er diese Polemik auf Schleiermachers Sendschrift an von Coelln und Schulz bezogen wissen will. Eine Entgegnung auf diesen ungewöhnlich scharfen Angriff unternimmt eine am 13. Dezember 1831 ohne Namensnennung veröffentlichte Erklärung in der „Allgemeinen Kirchen-Zeitung" unter dem Titel „Sendschreiben an Herrn D. Friedr. Schleiermacher". Der Verfasser gibt sich als Autor des im selben Jahr in Stuttgart gleichfalls anonym erschienenen Buches „Begründung des Glaubens nach den Grundsätzen und im Geiste der Reformation" zu erkennen. Hier heißt es unter anderem: „Die Klage, welche über Sie gekommen ist, stellt sich mir dar gleich jener, welche die Gläubigen von der Pharisäersecte über Paulus erhoben. Wie dieser seine gläubig gewordenen Heiden nicht mit veralteten jüdischen Satzungen beschweren, sondern Freiheit des Geistes walten lassen wollte, so widerstanden Sie im Agendenstreite dem Formelnjoche, und forderten den Geist des Evangeliums, welches ist der Geist der Freiheit. Und wie Paulus, nachdem man sich lange gezankt hatte, den von Jakobus vorgebrachten Vergleich einging, so bequemten auch Sie Sich, nachdem durch Modificationen und offene Erklärungen die Freiheit der Gewissen - der Geist - als das Wesentliche anerkannt und gesichert war, den modificirten Formeln. Wie Paulus, um des Friedens willen, dem billigen Vorschlage des Jakobus beitrat, 407

408 409

Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1831, Nr. 49-51, Stuttgart/Tübingen September 1831), Sp. 388-398. 401-408; vgl. KGA 1/10, CIII-CV Tübinger Zeitschrift für Theologie 1831, Heft 3, S. 125-144 Tübinger Zeitschrift für Theologie 1831, 125f

(Juli-

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und auch, wo es darauf ankam, Aergerniß zu verhüten, der Speise vom Götzenopfer sich enthielt, und Andere ermahnte, deßgleichen zu thun, dennoch aber den Genuß solcher Speise als etwas den Gewissen Freistehendes erklärte, so nehmen Sie die Beschwerung der eingeführten liturgischen Formeln auf sich, lehren aber dabei beständig, daß das Wesentliche nicht die Formel an sich, sondern der Geist sei, der unter ihrer Hülle lebe. Wenn auch Paulus in der Folge von Seiten der pharisäisch Gesinnten, wegen der Freiheit, die er in Hinsicht der Satzungen lehrte, nicht ohne Anfechtung blieb, so sind die Beschuldigungen, welche ihm mit Bitterkeit genug mögen aufgerückt worden sein, längst verhallt, er aber mit seiner Lehre leuchtet fort und fort in ungefährdeter Höhe, ein Stern der Christenheit. ... Und wie kann er [seil.: Steudel] Sie des Indifferentismus in Glaubenssachen zeihen, da er weiß, wie Sie den Inhalt des Glaubens aus dem Consensus der heiligen Schrift und der kirchlichen Lehre zu ermitteln, und auf dem Katheder wie auf der Kanzel mit einer Bestimmtheit, wie nur Wenige, auszusprechen beflissen sind? Was kann denn und was darf ein Lehrer zur Beförderung einer Bestimmtheit in Glaubenssachen mehr thun, als dieses? Wird aber Ihr Ankläger vielleicht am Ende noch gar in die vorgebrachte Beschuldigung des Jesuitismus, sei es dem Worte oder dem Sinne nach, mit einstimmen gegen Sie, der Sie durch das offenste Hervortreten allein zu solchen Beschuldigungen Stoff bieten, der Sie Ihre innersten Mentalreservationen in einem öffentlichen Sendschreiben der ganzen Welt unter die Augen legen? Doch nein, solcher Abgeschmacktheit ist jener biedere Mann nicht fähig; mir scheint es, er sei es, er sei allein irre geworden an dem Tone der leichten unbepanzerten Arglosigkeit in Ihrem Sendschreiben, der so fremdartig anstoßend klingt in einer Welt, welche strengste und vorsichtigste Verwahrung gegen jede denkbare Mißdeutung zu Sitte und Pflicht machen will. "410 Wichtig für das Verständnis von Schleiermachers „Erwiderung" ist vor allem das biblische Beispiel, das dieses „Sendschreiben" bietet. Der Apostel Paulus widersetzte sich demnach seinen judaistischen Gegnern in der Frage der fortbestehenden Gültigkeit des mosaischen Gesetzes, fand sich dann aber bei konkreten Problemen des Gemeindealltages doch zu einer pragmatischen Kompromißlösung bereit. Gemeint waren Schleiermachers Haltung in der Frage des generellen Verhältnisses der Geistlichen zu der kirchenregimentlich in Kraft gesetzten Gottesdienstagende und seine mit dieser Haltung angeblich nicht zur Deckung zu bringenden Äußerungen im preußischen Agendenstreit.411 4,0 411

Allgemeine Kirchen-Zeitung, Vgl. KG A 1/10, CVIII

Nr. 197 vom 13. Dezember

1831, Sp.

1625-1627

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Steudel ließ mit seiner Antwort nicht lange auf sich warten. Schon am 15. März 1832 antwortete er in einem Artikel unter dem Titel „Bemerkungen zu dem Sendschreiben an Hrn. D. Friedr. Schleiermacher (A.K.Z. 1831. Nr. 197. S. 1625ff)".412 Zwar war Schleiermacher zwischenzeitlich in der sehr umfangreichen Einleitung zur Druckfassung seiner Augustana-Predigten auf das Problem der Bekenntnisbindung und Lehrfreiheit innerhalb der Kirche in aller Ausführlichkeit eingegangen.413 Doch hielt Steudel seine Vorbehalte aufrecht. Das von dem anonymen Verfasser aufgestellte biblische Analogon bestritt er; statt dessen erschien ihm Schleiermacher eher dem von Paulus in Gal 2,11-14 getadelten Petrus verwandt, dessen zweideutiges Verhalten Schleiermachers eigene Haltung vorbilde. Die zentrale Frage in der ganzen Auseinandersetzung war für ihn: „Ob in irgend einer Zeit es dahin kommen darf, daß das Bekenntniß von einem Symbole, welches Punkte, die wir nicht glauben, enthält, und Leitung einer Andacht in Worten und in einem Geiste, welchen wir nicht beipflichten, denjenigen Dingen beigezählt werden, über welche man so lange, bis es etwa besser kommt, sich kein Gewissen zu machen habe?"414 Steudel versäumt nicht, abschließend darauf hinzuweisen, daß sein bekenntnistreuer Biblizismus mit den derzeit geltenden Bestimmungen der württembergischen Landeskirche in genauem Einklang stehe. Diese Kontroverse und insbesondere die letzte Stellungnahme Steudels setzt Schleiermachers „Erwiderung" aus der „Allgemeinen Kirchen-Zeitung" vom 26. April 1832 voraus. Den Forderungen, die er hier gegenüber Steudel erhob, wurde von diesem in einer gleichfalls recht knappen Erklärung entsprochen: „Folgeleistung D. Steudel's gegen die Aufforderung D. Schleiermach er's in der Allg. Kirchenzeitung 1832. Nr. 66, S. 543".416 Den biblischen Vergleich will Steudel aufrechterhalten. Zwar könne man Schleiermachers Verhalten mit der Handlungsweise des Petrus nicht direkt vergleichen, doch bestehe die Übereinstimmung darin, daß Schleiermachers Verfahren dazu führe, Zweideutigkeit bei anderen zu rechtfertigen 417 Steudel konkretisiert 412

413

4,4

415 4.6

4.7

Abgedruckt in: Allgemeine Kirchen-Zeitung 1832, Nr. 43 vom 15. März, Sp. 34S-3S3 Predigten. Sechste Sammlung [Zwischentitel: Predigten in Bezug auf die Feier der Uebergabe der Augsburgischen Confession], Berlin 1831, S. III-XXXIV, hier: VIIXXXIII Steudel: Bemerkungen zu dem Sendschreiben 348; Schleiermachers Reaktion hierzu siehe unten 362,5-12 Steudel: Bemerkungen zu dem Sendschreiben 349-351; vgl. KG A 1/10, CIX Abgedruckt in: Allgemeine Kirchen-Zeitung 1832, Nr. 100 vom 26. Juni 1832, Sp. 811-815 Allgemeine Kirchen-Zeitung 1832, 26. Juni 1832, 811

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seinen Vorwurf, indem er das Verhältnis des Geistlichen zur agendarisch vorgeschriebenen Gebetspraxis anspricht. Sofern das Agendenformular der gemeindlichen Feier zugrunde gelegt wird, kann nach Steudel eine ehrliche Andacht dann nicht stattfinden, wenn der Geistliche nicht imstande ist, sich die vorgegebenen Gebetsformulierungen zu eigen zu machen418 Hierzu unterstellt Steudel Schleiermacher eine abweichende Meinung und beruft sich dafür auf dessen Ablehnung gesetzlich bindender Lehrvorschriften. Das Sendschreiben an von Coelln und Schulz und die Vorrede zu den Augustana-Predigten zeigen, so Steudel, daß Schleiermacher auch hier ein strategisches, rein zweckmäßig orientiertes Handeln nahelegt.419 Denn hinsichtlich der von evangelischen Geistlichen zu gebenden schriftlichen Zustimmung zu den Bekenntnisschriften läuft Schleiermachers Position nach Steudel letztlich darauf hinaus, daß diese Amtsträger, sofern sie nicht aus Gründen der theologischen Überzeugung zustimmen können, dann doch immerhin „die Unterschrift, wo die Behörde sie anmuthete", leisten sollten, und zwar „aus Rücksicht auf die äußeren bedenklichen Folgen, welche die Verweigerung der Unterschrift herbeiführen könnte".420 Hierauf hat Schleiermacher nicht mehr reagiert und die Kontroverse auch in keiner anderen Form weitergeführt. Schleiermachers „Erwiderung" ist erneut abgedruckt worden im Rahmen der Historischen Einführung von Hans-Friedrich Trauisen zu Band 1/10 der Kritischen Gesamtausgabe: Theologisch-dogmatische Abhandlungen und Gelegenheitsschriften, Berlin / New York 1990, dort auf den Seiten CIX und CX. 32. Würdigung des Fürsten Radziwill

(1833)

Schleiermachers titelloser Text wurde zuerst gedruckt in der Broschüre „Feier zum Gedächtniß Sr. Durchlaucht, des Herrn Fürsten Anton Radziwill in der Sing-Akademie am 29. April 1833" (Berlin 1833), hier auf den Seiten 3 bis 7. Es handelt sich bei diesem Druck um eine Privatveröffentlichung. Von ihm ist bisher nur ein Exemplar nachweisbar, das sich in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung, Sign.: Dr. 32 befindet.421 Das insgesamt fünfzehn Seiten umfassende Heft hat einen Satzspiegel von 16,6 418 419 420 421

Allgemeine Kirchen-Zeitung 1832, 26. Juni 1832, 813; vgl. KGA 1/10, CXf Vgl. Steudel: Folgeleistung 813f; KGA 1/10, CXI Steudel: Folgeleistung 815 Vorkriegssignatur: Mus D 4280; eine möglicherweise noch ältere Signatur lautet Mu 4757.

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cm in der Höhe und 9,2 cm in der Breite. Im Anschluß an die einleitende Würdigung des Verstorbenen werden die Texte der musikalischen Stücke angeführt, die während der Trauerfeier in der Singakademie erklangen. Im Schleiermacher-Nachlaß hat sich das eigenhändige Manuskript des Radziwill-Textes erhalten. Es wird im Archiv der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter der Nummer SN 112/1 aufbewahrt. Das Manuskript besteht aus zwei Blättern, deren Höhe 20,8 cm und deren Breite 17,0 cm beträgt. Der obere, der untere und der rechte Rand sind glatt geschnitten. Der linke Rand beider Blätter weist entweder herstellungsbedingt oder durch sorgfältigen Abriß eine leicht rauhe Beschaffenheit auf. Das Papier hat eine helle, leicht bläuliche Farbe; an den Rändern finden sich leichte Nachdunklungen. Bl. 2 weist auf der Rückseite eine stärkere Verunreinigung auf, die durch eine ausgelaufene Flüssigkeit bewirkt worden sein könnte und sich über eine Länge von 15 cm (bei ca. 0,5 bis 0,8 cm Breite) über einen großen Teil des Randes erstreckt. An einer Stelle am unteren Innenrand hat die Verunreinigung auch auf Bl. 1 übergegriffen. Beide Blätter sind nach der Breite zu gleichen Hälften und in der Höhe in einem Verhältnis von 11 cm Innenseite und 6 cm Außenseite gefaltet worden. Schleiermacher hat die Innenseiten mit schwarzer, nicht sehr farbintensiver Tinte beschrieben. Korrekturen finden sich nur in geringer Zahl. Wasserzeichen sind nicht vorhanden. Am unteren Rand von Bl. lr und 2r findet sich eine nachträglich von fremder Hand angebrachte Paginierung. AufBl. lr steht in der linken oberen Ecke der Stempel „Litteraturarchiv Berlin", daneben, mit blauem Stift geschrieben, eine ältere Signatur „A 7 24". Diese Altsignatur kehrt auf Bl. 2v in der Form „A. 7. 24" wieder. Der Text des Manuskriptes stimmt bis auf zwei Worte, die wohl vom Setzer verlesen sind, mit der Druckfassung überein.422 Der Druck enthält keine Autorenangabe. Schleiermachers Verfasserschaft, die wegen der Existenz des Manuskriptes ohnehin gesichert ist, wird durch Angaben im Tageskalender für das Jahr 1833 (SN 453) zusätzlich bestätigt. Die Feier selbst wird dort durch die Notiz „Abend die Radziwillsche Trauermusik" dokumentiert.423 Seinen eigenen Beitrag bereitete Schleiermacher zwei Tage zuvor, am 27. April 1833, vor; die Eintragung lautet: „Radziwillsches Vorwort".424

422 423 424

Siehe unten 367,14 und 19 Tageskalender für das Jahr 1833, Bl. 31 Tageskalender 1833, Bl. 31

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Schleiermachers Text ist Bestandteil seines langjährigen Engagements für die Berliner Singakademie, an deren musikalischem Leben er, zum Teil gemeinsam mit weiteren Mitgliedern seiner Familie, seit 1808 als Tenorsänger auch aktiv mitwirkte.425 Zwar wird man nicht annehmen können, daß Schleiermacher in seinen späteren Jahren noch regelmäßig an den Übungsstunden und Konzerten teilgenommen hat, doch blieb die Verbindung mit dem Chor der Singakademie und deren Direktor, Carl Friedrich Zelter, bis zuletzt bestehen.426 Hieraus dürfte sich auch, obgleich die Singakademie nicht in der Parochie der Dreifaltigkeitskirche lag, die Bitte an Schleiermacher ergeben haben, den bei der Trauerfeier den Teilnehmern im Druck ausgehändigten Gesangstexten ein Geleitwort in Form einer Trauerrede beizugeben. Gehalten hat Schleiermacher die Rede während der Feier, wie sich aus zeitgenössischen Berichten ergibt, nicht; es handelt sich um ein rein literarisches Werk. Anton Heinrich Fürst Radziwill wurde am 13. Juni 1775 in Wilna geboren; er starb am 7. April 1833 in Berlin.427 Er entstammte einem polnischen Fürstengeschlecht. Radziwill war aber auch ein Anverwandter des königlichen Hauses, da er sich am 17. März 1796 mit der Prinzessin Louise von Preußen, der Schwester des Prinzen August und des Prinzen Louis Ferdinand, vermählt hatte. Aus der Ehe gingen zwei Söhne und zwei Töchter hervor. Das Ableben des Fürsten war von einer ohnehin schon todesschwangeren Atmosphäre im fürstlichen Heim verdüstert. In einem Nachruf aus dem Jahre 1835 heißt es: „Ein finsteres Geschick scheint in diesem fürstlichen Hause zu walten, denn binnen wenigen Jahren gingen 2 erwachsene Söhne und eine sehr liebenswürdige Schwiegertochter, desgleichen eine geborene Fürstin Radziwill dem Vater voran. "42S 425

Vgl. [Martin Heinrich Lichtenstein:] Zur Geschichte der Sing-Akademie in Berlin. Nebst einer Nachricht über das Fest am fünfzigsten Jahrestage ihrer Stiftung und einem alphabetischen Verzeichniß aller Personen, die ihr als Mitglieder angehört haben, Berlin 1843; zu Schleiermacher hier S. 43. Als Eintrittsjahr wird in diesem Verzeichnis 1809 angegeben; vgl. aber Schleiermachers Selbstzeugnis in einem Brief an Henriette von Willich vom 27. November - 1. Dezember 1808 (hier: 30. November), in: Friedrich Schleiermachers Briefwechsel mit seiner Braut, herausgegeben von Heinrich Meisner, Gotha 1919, S. 224-231, hier 229.

426

Vgl- etwa Schleiermachers Brief an Zelter vom 24. Juni 1822, in: Walter Wendland: Zwei neue Schleiermacherbriefe, in: Die Christliche Welt 30 (1916), S. 382f, hier 383 sowie die Charade „An eine Schülerin Zelters" (gemeint ist wahrscheinlich Caroline Schulze), in: Patsch: Alle Menschen sind Künstler 219 Zur Biographie vgl. Robert Eitner: Radziwill, Anton Heinrich, in: ADB 27 (1888), 154f; Reinhold Sietz: Radziwill, Anton Heinrich, in: MGG 10 (1962), S. 1859f [Anonymus:] Fürst Anton Radziwill, kön. preuß. Stadthalter [!] in Posen, Staatsrath und Ritter des rothen Adlerordens, zu Berlin, in: Neuer Nekrolog der Deutschen,

427

428

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Über die Persönlichkeit des Fürsten heißt es in diesem Nachruf: „Keineswegs den Künsten nur als Mäcen, des Glanzes wegen, huldigend, war er ihnen als verehrter Jünger ergeben. In der Musik war er sogar Virtuos auf mehreren Instrumenten, und unter seinen Compositionen hat die zu den Osterchören des Götheschen Faust, bisher nur in Privatgesellschaften executirt, bei allen Kennern Ruf. Könnte seinen Compositionen eine allgemeinere Verbreitung zu Theil werden, so würde Fürst Radziwill zweifelsohne seinen Rang unter den gefeierten Componisten der deutschen Schule einnehmen. Denn wie er sich mit seinem Sinne für das Edle und Schöne dem größten Meisterwerke deutscher Poesie zugewendet, so hat er auch in seinen Compositionen es bewährt, daß Gluck, Händel, Mozart, Bach u. Beethoven die Schule bildeten, zu welcher er sich bekannte. "429 Für die Singakademie sei „der Verlust schmerzlich; sie verliert in dem Fürsten den mitwirkenden Theilnehmer und aufmunternden Gönner, der, weil er selbst Künstler war, eben so gern in die Kreise der Künstler hinabstieg, als er diese in die höhern und höchsten Kreise der Gesellschaft hinaufzog, ohne daß er jemals, bei der ihm eigenen Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit, nöthig gehabt hätte, sein wahrhaft fürstliches Wesen, oder seine künstlerische Begeisterung zu verläugnen. "4S0 Radziwill amtierte seit 181S als Statthalter des preußischen Königs in der Provinz Posen. Die Wintermonate verbrachte er meist in Berlin. Über die musikalische Ausbildung des Fürsten, die intensiv gewesen sein muß, ist bisher nichts Näheres bekannt geworden. Seine besonderen künstlerischen Qualitäten werden in dem angeführten Nachruf sowie in Schleiermachers Gedächtnisrede hervorgehoben. Bemerkenswert ist der Umstand, daß Chopin vor ihm spielte und ihm sogar eine Komposition, nämlich das Klaviertrio g-Moll (op. 8), widmete. Beethoven dedizierte ihm sein Werk „Zur Namensfeier" (op. IIS). Die Faustkomposition, aus der Stücke in der Trauerfeier vorgetragen wurden, entstand seit 1808. 1810 kam es zu einer ersten Aufführung in der Singakademie; im Folgejahr ließ auch Goethe sich daraus vortragen. Radziwill setzte die Bearbeitung bis in sein Todesjahr fort. Unter dem Titel „Composition zu Goethes Faust" ist das Werk erst 1835 posthum in Berlin gedruckt worden. Seither wurde es wiederholt in der Singakademie dargeboten und bis 1888 fünfundzwanzig Mal aufgeführt.431

429 430 431

Elfter Jahrgang 1833, Erster Theil. Mit einem Portrait, Weimar 183S, S. 244-246, hier 245 Fürst Anton Radziwill 245f Fürst Anton Radziwill 246 Nähere Angaben zur Entstehungs- und Aufführungsgeschichte siehe bei Sietz: Rad-

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Zu der Trauerfeier liegen ausführliche Berichte in den Berliner Tageszeitungen vor. Aus ihnen ergibt sich auch, daß der Text, der jenes Heft eröffnet, während der Gedenkveranstaltung nicht als Gedächtnisrede vorgetragen worden ist. Bei Schleiermachers Beitrag handelt es sich, wie auch schon die angeführte Tagebuchnotiz deutlich macht, um ein „Vorwort" zum Abdruck der Gesangstexte. Den Besuchern wurde die Broschüre vermutlich beim Betreten des Saales überreicht; über den Autor des Einleitungstextes blieben sie im Unklaren. Am detailliertesten schilderte die „Allgemeine Preußische StaatsZeitung" den Ablauf der Trauerfeierlichkeit. Der Berichterstatter benutzt dabei in seiner biographischen Schilderung Schleiermachersche Formulierungen, die nahezu wortgleich auch in den angeführten Nachruf im „Neuen Nekrolog" eingegangen sind. „Gedächtniß-Feier des Fürsten Anton Radziwill. Gestern beging die Sing-Akademie eine Feier zum Gedächtniß Sr. Durchlaucht des am 7ten d. M. verstorbenen Statthalters im Großherzogthum Posen, Fürsten Anton Radziwill. Die Vorsteherschaft hatte, so weit es der Raum gestattete, die zahlreichen Verehrer und Freunde des Verstorbenen aus den verschiedenen Kreisen der Gesellschaft eingeladen, und mit theilnehmender Wehmuth richteten sich Aller Blicke nach der Loge, in welcher sonst der Verewigte nie fehlte und wo diesmal die tiefbetrübte Familie, umgeben von den hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des Königl. Hauses, sich eingefunden hatte. Die Mitglieder der Sing-Akademie, der Königl. Kapelle und der philharmonischen Gesellschaft erschienen sämmtlich in Trauer, die sich diesmal nicht bloß als ein äußerliches Zeichen, sondern als ein tief gefühlter, innerer Schmerz über den unersetzlichen Verlust, der den Verein betroffen, kund gab. ... Die Feier begann mit dem Crucifixus von Lotti, welchem der Fürst, als der köstlichsten Perle in dem Rosenkranze christlicher Gesänge, mit einer so innigen Vorliebe zugethan war, daß er, so oft er nach längerer Abwesenheit die Akademie wieder besuchte, sich jedesmal gern mit diesem Gesänge von seinem, ihm vorangegangenen, Freunde Zelter empfangen ließ. - Es folgte hierauf das Requiem von Mozart und den Beschluß machten die von dem Fürsten selbst komponirten Oster-Chöre aus Göthes Faust, welche letztere zu der doppelt schmerzlichen Betrachtung veranlaßten, daß der herrliche Schatz reicher Compositionen, auf welche der Fürst die schönsten Muße-Stunden seines Lebens verwendete, den ziwill 1859 (zur Entstehung) und 1860 (zum Werk) sowie bei Dietrich FischerDieskau: Carl Friedrich Zelter und das Berliner Musikleben seiner Zeit. Eine Biographie, Berlin 1997, S. 116f

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der Bandherausgeber

CXXXIII

Freunden der Musik wohl schwerlich jemals wieder in solcher Weise geöffnet werden dürften, wie es in dem geselligen Kreise, welchen der Verewigte so gern um sich versammelte, geschah. Könnte diesen Compositionen eine allgemeinere Verbreitung zu Theil werden, so würde der Fürst Radziwill unbezweifelt seinen Rang unter den gefeierten Componisten der Deutschen Schule einnehmen. Denn wie er sich mit seinem Sinn für das Edle und Schöne dem größten Meisterwerke Deutscher Poesie zugewendet, so hat er auch in seinen Compositionen es bewährt, daß Gluck, Händel, Mozart, Bach und Beethoven die Schule bildeten, zu welcher er sich bekannte. Dadurch aber, daß er, als ein geborener Pole, sich mit so ausschließlicher Neigung dieser tiefsinnigen Dichtung ergab und in demselben Geiste musikalisch reproducirte, als der Dichter poetisch geschaffen, hat es sich aufs Neue bewährt, welche Macht und welchen Einfluß Deutsche Bildung rücksichtlich der Kunst in gegenwärtiger Zeit auszuüben vermag. - Für die Sing-Akademie ist der Verlust schmerzlich und fühlbar; sie verliert in dem Fürsten den mitwirkenden Theilnehmer und aufmunternden Gönner, der, weil er selbst Künstler war, eben so gern in die Kreise der Künstler herabstieg, als er diese in die höheren und höchsten Kreise der Gesellschaft hinaufzog, ohne daß er jemals, bei der ihm eigenen Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit, nöthig gehabt hätte, sein wahrhaft Fürstliches Wesen oder seine künstlerische Begeisterung zu verleugnen.432 Die Ausführung sämmtlicher Musikstücke war der Feier würdig, und als von geübter Hand auf des Fürsten eigenem Cello, dessen Bogen er so meisterhaft führte, ein sonst von ihm gespieltes Solo vorgetragen wurde, war es, als ob sein Geist auf den Schwingen der Harmonie vorüberzöge und die Seinen mit wohlwollender Nähe tröstete. Die Größe des Verlustes aber, so wie die einzige Beruhigung für solchen Schmerz, wüßten wir nicht in treuerem und wahrhafterem Worte auszusprechen, als es in der geistvollen Gedächtniß-Rede geschieht, die dem, bei der Feier ausgetheilten Requiem, vorgedruckt ist. >So langeunter uns noch leben werden die sich an dem feingebildeten Sinn, an dem geläuterten Geschmack dieses erlauchten Hauptes erquickt haben, die sich seiner sicheren Ausübung, seiner geistvollen Hervorbringungen erfreuen konnten, so lange werden auch diese theuren Erinnerungen ein Gemeingut unseres ganzen Vereins bleiben; und wenn durch solche begeisterte Ueberlieferung freilich auch der Schmerz über den Verlust noch lange nachschwingt, so 432

Zu dem voranstehenden Absatz, der stellenweise in den Nachruf im „Neuen Nekrolog" übernommen worden ist (siehe CXXXI), findet sich keine Parallele in Schleiermachers Text.

CXXXIV

Einleitung der

Bandherausgeber

wird auf der andern Seite das Andenken des theuern Fürsten auch um so länger fortwirken, um uns die richtige Erkenntniß unseres Ziels zu bewahren, unseren fortstrebenden Eifer rege zu halten, die Reinheit unserer Ausübung zu fördern, und vorzüglich auch unsere Wachsamkeit zu schärfen gegen das Verderben, welches von so vielen Seiten her sich in das reine Gebiet der Kunst einzuschleichen sucht.

Die Wasserfarth Für jedes Vergnügen das ich genieße gebührt der Vorsehung Dank, sey es ernster sey es lächelnder Art. Wenn ich in der Weltweisheit und tiefem Nachdenken über alles um mich her mich vergnüge und über alles forsche wo meine Kräfte hinlangen so ist sie es, der Urquell alles Guten, die meine Seele dazu tüchtig machte, sie ist es die mir das Fünkchen Verstand gab, das nun anfängt durchzubrechen, wenn ich an den Schönheiten der Natur mich weide, vom hellen Stern bis zum niedrigen verachteten Gräschen, so ist sie es die diese herrliche Natur bildete und die mir Empfänglichkeit für alle Schönheiten ihrer Schöpfung in die Seele legte. Was ist wol nächst dem Preise der Gottheit mehr meine Schuldigkeit, als meine Gedanken meinen Freunden mitzutheilen und ihnen nach dem Genuß noch die süße Erinerung vergangner Freuden zu erhalten. Ein Vergnügen dieser Nacherinnerung werth war das was wir jüngst Abends genoßen. Der eben volle Mond, der sich in dem nur erst wieder in seine Ufer zurükgetretnen Fluß bildete, der ganz heitere Himmel einiges kleine Gewölk in Westen ausgenommen das noch so eben ganz schwach von der untergegangnen Sonne geröthet wurde und also die Schönheit der Scene erhöhte, alles dies und die Furcht daß dies der lezte schöne Abend seyn möchte, lud uns zu einer Spazierfahrt auf dem Waßer ein. Der noch hoch angeschwollne Strom war glatt und von keinem Wind bewegt, nur vom Ruder geschlagen kräuselte er sich sanft, und wo wir fuhren da fuhren wir längs einer Säule von Mondglanz die schwankend auf den gekräuselten Wellen schwamm. Die fernen Wälder lagen in ehrwürdigem Dunkel, nur den nächsten Gegenden theilte der König der Nacht seinen Silberschein mit; mitten auf dem Strom sahn wir kaum erkennbar das Schloß und vor I demselben die rothen Feuer der im Hafen liegenden Schiffe - Als wir an den Bach kamen, der das Ziel unsrer Farth war, traten wir gleich beym Eintritt in ein ziemlich dichtes Gewebe hoher schon etwas herbstlicher Bäume, das der kühlem Abendluft den Zugang verschloß, wo aber doch der Mond imer durchscheinen und unsre Angesichter beleuchten konnte. Leicht schwebte der Kahn auf dem kla8 weide,] folgt (so ist sie e) 11 Gottheit] 0 h t 12 als] / 17 wieder] wied 17 zurükgetretnen] zrkgtretnen 18 Himmel] folgt (ohne Wolken) 19 untergegangnen] untggangnen 23 keinem] km

4

Die Wasserfahrt

ren Bach mit langsamer unmerklicher Bewegung so daß uns keine der schönen Parthieen entgieng die das Mondlicht bildete. Jede w a r neues Entzüken für uns. O Maler, die ihr der N a t u r Schönheit nachbildet, wollt ihr Lichtvertheilung lernen, geht beim M o n d in die Schule so besucht alle Abend wen er frei von neidischen W o l k e n am Himel prangt diesen Bach - Wahres reines Wonnegefühl durchströmte uns, denn was kan wol reineres Vergnügen seyn, als was uns die Gottheit in ihrer Schöpfung selbst vor die Augen gelegt hat. D a hörten wir, was unsre Freude voll machte, aus dem M u n d e eines angenehmen Sängers edler deutschen Barden Gesänge. W e r etwas wußte wo vom M o n d und über den M o n d gesungen worden der gab es an, aber singen wollte kein andrer, weil keiner mit unserm Sänger sich meßen konnte, so wurden wir hingerißen aus einer Begeistrung an die zweite bald durch warme frohe bald durch melancholische Gefühle bis die schnell verstrichne Zeit uns zurükzukehren nöthigte. D a fuhren wir den Bach wieder herunter und weideten uns noch zum Abschied an den herrlichen Mondscenen. Seht da rief einer wie er jene Silberweiden erhellt! Wie majestätisch liegt dort jene hohe Eiche in nächtlichem Dunkel, erwiederte ein andrer. O wie öfnet sich da eine freie Scene so herrlich nun scheint er nicht mehr durch Eichengrün ganz und voll steht er da und spiegelt sich im Wasser und erleuchtet die Bäume und den [bunten Ankerl und den K a h n . So fuhren wir in Vergnügen versunken den Bach hinunter und über den Strom. - O Vorsehung wünschte ich zähle viele solche Abende zu meinen Tagen hinzu, sie 3r sind wol I werth der Hize und Last des vorhergegangnen Tages, wol werth der paar Groschen die reichlich der arbeitsame Schiffer verdient. Du aber o M o n d , heiliges Gestirn, himmlischer König der N a c h t , Menschenfreund in allen Stimmungen der Seele begünstigst und beseligst Du den Menschen, thue auch mit mir so. W e n n ich mich in Deiner Gesellschaft von nüzlichen Arbeiten erhole, wenn ich meine Freuden durch Dein Anschaun krönen will, da leuchte freundlich auf mich herab, da zeige mir Gottes N a t u r in ihrem schönsten Licht, da gieße Freude in mein Herz wie heute, wenn ich aber gedrükt vor Dich hintrete und weine, wenn ich Dich zum einzigen Zeugen meinem geheimen Leiden mache, da gieß nicht Freude in meine Seele da scheine

1 Bewegung] Bwegg 4 Lichtvertheilung] Lichvertheilung 4 geht . . . Schule] über der Zeile mit Einfügungszeichen 7 Gottheit] 0 h t 13 zweite] 2. 14 melancholische] melanch. 15 zurükzukehren] zrkzkehren 16 herunter] herunt. 17 jene] korr. aus jener 18 erhellt] über der Zeile 23 Strom.] folgt (Denn das) 2 8 heiliges] h. 2 9 Menschenfreund] Menfreund 31 Deiner] D.r 33 Gottes] 0 e s 35 einzigen] einzg. 3 6 gieß] korr. aus gönn

5

Die Wasserfahrt

nicht so hell, da laß melancholisch Dein Licht auf mich herabdämmern und nähre die willkomne Schwermuth. Wenn aber - o schreklicher Fall! möchtest Du nie eintreten - wenn ich niedrig gehandelt, wenn ich die Menschheit entehrt und meine Seele herabgewürdigt habe und mich vor Dich wage, da verbirg Dein Antliz hinter dike finstre Wolken, daß Dein heiliges Licht nicht mich unwürdigen bescheine, daß ich niederfalle und mich dehmüthige und Besserung gelobe, dann tritt mitleidig hervor, gönne dem reuevollen Deinen Schein und sey Zeuge zwischen Jehovah und mir.

Nacherinnerung Ich will mich nur noch von dem Verdacht lassen, daß ich blos Zaeslin nachahmen oder mit ihm wetteifern wollte. Aber eh ich noch von seinem schönen Aufsaz etwas wußte war schon der Vorsaz fest und eh ich ihn gesehn hatte waren schon die Gedanken geordnet; so daß Zaeslins Arbeit keinen andern Einfluß auf mich gehabt hat als mich abzuschreken weil ich sah daß ich ihn nie erreichen würde -

4 Menschheit] Mheit 6 heiliges] h. 7 Besserung] Besserg 12 wetteifern] korr. aus wetteiferte 15 als] f 11 Emanuel Zaeslin (1767-1804), aus Basel stammend, Barby ein Studienfreund Schleiermachers (vgl. KG A V/1,

8 Deinen] D.n

war während LVI).

der Jahre

in

Über das Testationsrecht (Vermutlich

1788)

Wenn auch nach dem Naturrecht das Recht zu testieren unerweislich und unstatthaft wäre, und wenn diesem zufolge nach dem Tode eines Eigenthümers jeder erste Occupant der rechtmäßige Besizer desjenigen Theils meines Eigenthums wäre, welchen er etwa erhaschte, so würde doch der Staat ein ungezweifeltes Recht haben die schiklichsten Mittel zu erwählen um den hieraus nothwendiger Weise entspringenden unzähligen Unordnungen und Zwistigkeiten vorzubeugen und es wird unstreitig das beste seyn mir unter allen wahrscheinlichen oder möglichen dereinstigen Occupanten die Wahl zu laßen indem der Wille des sterbenden wenn gleich per hypothesin keine rechtliche Kraft, doch eine gewiße Autorität und Heiligkeit hat, und es wird wiederum das beste seyn daß, falls ich mich dieser mir gegebenen Befugniß nicht bediene und keine von denen Personen existiren, von welchen der Staat glaubt daß sie ein gewißes wahres Recht an mein Eigenthum haben, der Staat selbst weil dann doch ewiger Streit über das etwanige größere Recht oder die wahrscheinlichen Occupanten eines oder des anderen seyn würde mein Eigenthum übernimmt, und indem er damit Ausgaben bestreitet die sonst von meinen Mitbürgern aufgebracht werden müßten es unter dieselben ganz gleich vertheilt. M a n kann folglich die Frage ob das Testationsrecht im Naturrecht gegründet sei völlig unpartheiisch untersuchen und es geschieht also keinesweges blos um der Folgen willen daß ich es versuche die Gründe die ein Ungenannter im dritten Stük dieser Zeitschrift für das Nein vorgebracht hat zu untersuchen. | Sein Argument ist dieses, daß da mein Eigenthumsrecht mein Recht etwas zu besizen also auch zu veräußern sich nur auf dieses Leben erstrekt (indem ich desselben länger nicht fähig bin) die Wirkungen desselben sich auch nicht weiter hinaus erstreken dürfen. Hier nun finden zwei Fälle statt 1.) die Wirkungen dürfen nur da nicht erst anfangen oder

1 9 dieselben] dslben

2 9 dürfen] folgt (nicht)

2 3 f Vgl. [Karl von Knoblauch:] Ob die Testamente juris naturalis sind?, Der Teutsche Merkur, Bd. 16, Weimar 1788, S. 260-266. Der Beitrag ist mit den Initialen v. K. gezeichnet. 2 4 - 2 8 Vgl. [von Knoblauch]: „Mein Recht, mit meinen Gütern nach Willkühr zu schalten, und über sie etwas zu verfügen, hat mit meinem Leben, d. h. mit meinem physischen Vermögen, Eigenthum in dieser Welt zu besitzen und zu genießen, einerley Grenze. Wie sollten sich die Wirkungen dieses Rechts noch über die Grenzen des Lebens hinaus erstrecken können?" (Testamente 262)

10

Über das Testationsrecht

2.) sie dürfen auch nicht einmal alsdenn fortgehn wenn sie auch schon bei meinem Leben angefangen hätten. Lezteres scheint fast des Verfassers Meinung zu seyn indem er sich bei seinem Saz auf eine gewiße Verbindlichkeit beruft die ich gegen meine dereinstigen Occupanten haben soll ihnen ihre Rechte nicht zu schmälern. Diese vermeintlichen Rechte werden aber auch geschmälert bei jeder über meinen Tod sichtbarlich sich hinaus erstreitenden Verordnung, so daß ich dieser Verbindlichkeit zu folge zwar mein Eigenthum bei Lebzeiten veräußern, vertauschen, verkaufen verschenken kann aber diese Veräußerung ist nur gültig bis auf meinen Tod da dann um meiner Occupanten willen alles wieder auf den alten Fuß gesezt werden müßte. Mein Mitcontrahent würde also um der alsdenn erfolgenden schreklichen Verwirrung willen vom Vertrag mehr Schaden als Nuzen haben. Es würde also für jeden Eigenthümer unvortheilhaft also pflichtwidrig seyn mit einem andern solche Verträge einzugehn. Nun aber sezt die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft selbst solche Verträge voraus indem dadurch auf jedes Eigenthum gewiße Kosten gelegt wer6r den; diese Meinung also sezt wenn meine | Schlüße richtig sind die Unmöglichkeit der bürgerlichen Gesellschaft und kan also des Verfassers Meinung nicht seyn. Also muß es der Saz seyn den ich sub n ç 1. angeführt habe. Dieser aber würde nur die Form und nicht das Wesen des Testirens verändern; ich könnte in der Nähe meiner lezten Stunde eine Schenkung aufsezen und zwar mit solchen Bedingungen die mich wenn ich wieder aufkäme in den völligen Besiz restituirten. Aber auch diese Veränderung ist nicht nöthig da der ganze Saz das ganze Argument auf der falschen Voraussezung beruht daß all mein Recht aus erster Occupation herrühre und daß diese sich nur auf Lebenszeit erstreke. Wenn ich nun auch leztes, was doch auch noch 9 verschenken kann] verschenken 10 meinen] ra" . . . nöthig] korr. aus (findet) . . . (statt) 2 7 daß] ds

2 4 ich] folgt (stürbe)

25 ist

3 - 5 Vgl. [von Knoblauch:] „... so scheint es mir, daß die Sachen eines jeden durch den Tod des alleinigen Eigenthümers herrnlos (res nullius) werden, und daß folglich die Erste Bemächtigung (prima occupatio) für denjenigen, der sie unternimmt, abermals dieselbe rechtliche Wirkung haben müsse, welche sie für den vorigen Eigenthümer gehabt hat. Dieses Recht des neuen Occupanten kann nicht durch eine willkührliche Disposition des vorigen Eigenthümers aufgehoben werden, welche erst zu einer Zeit gültig werden könnte, da der Testirer - quia non-entis nullae sunt affectiones weder Fähigkeit noch Recht mehr hat, selbst zu besitzen, oder über etwas zu disponiren." (Testamente 264f) 2 1 - 2 4 Vgl. /von Knoblauch:] Testamente 263 2 6 - 2 8 Vgl. [von Knoblauch:] „Ich besitze ... meine Güter durch die Erste Bemächtigung (occupatio prima). Eben dieses Recht, welches ich durch diese erlangte, wird nach meinen Tode ein anderer erlangen, der sich meiner herrnlos gewordenen Sachen zuerst bemächtiget." (Testamente 262)

Über das

Testationsrecht

11

zweifelhaft ist gelten ließe so ist doch nichts erweislicher als daß schlechterdings gar nichts von einem erdenklichen Eigenthum sich blos auf Besiznehmung gründe, sondern daß Production oder welches hier auf eines hinausläuft Ammelioration imer mehr oder weniger 5 Theil dran haben.

Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit" (1790/1792)

Drittes Kapitel 1. Rechtfertigung der Benennung; das Gesez des Zustandes bestirnt die Art der Handlung, aber auch der Zustand kann als Reihe angesehn werden, coordinirt entstanden aus einer andern subordinirten wann ist er also frei in beider Riiksicht. 1.) Bestimmung des Inhalts. Das Gesez der Unterwerfung unter äussere Naturdinge läßt sich nicht als ein Zustand in Bezug auf Freiheit denken. Es afficirt nicht den Willen sondern nur dieses äussere Objektive Causalitätsvermögen, [ist nicht nurl für die äusseren Dinge und den Körper. Zustands Geseze für den Geist nur zufällig seltne Einwirkung. Also nur das Gesez der Geselligkeit. In doppelter Rüksicht als Wirkung des Gesezes bürgerlicher Zustand als Entstehung des Gesezes politischer Zustand; in beiden lebt man immer fort; bürgerliche Freiheit; politische Freiheit. 3.) Die verschiedenen Definitionen der bürgerlichen Freiheit sind unzulänglich a.) wenn alles erlaubt ist, was andern nicht schadet. Dies bestirnt blos den Umfang des Gesezes aber nicht Lmeinl Verhältniß zum Gesez, läßt sich verdrehn und ist völlig unzureichend. (Diese Erklärung rührt von der Meinung die bürgerliche Freiheit sei überhaupt desto grösser je weniger das Gesez bestirnt.) b.) Daß ich alles was durchs Gesez nicht bestirnt ist so thun kan wie ich will. - Dabei kan ich wenn alles bestirnt ist nur Sklave des Gesezes seyn. Unsre Erklärung gibt einen richtigen Mittelweg; das Gesez sieht die möglichen Fälle im allgemeinen voraus und bestirnt die Folgen eines jeden so genau es will läßt mir aber frei welchen von diesen Fällen ich I Drittes] Dritt korr. aus unleserlichem Wort 1 Kapitel] Kap 6 Gesez] Gsz 9 Causalitätsvermögen] Causalitäts vmög 9 äusseren] äuss 10 Körper.] Körper I I Gesez] Gsz 13 Zustand;] Zustand 14 Freiheit.] Freiheit 15 verschiedenen] verschied 16 Dies] korr. aus [Ein] 2 0 weniger] wenig 21 was] w s 2 1 Gesez] Gsz 21 Dabei] Dbei 2 3 richtigen] rchtg 2 4 voraus] vaus 2 4 Folgen] Folg 25 welchen] welch 2 Vgl. KGA 1/1, 355,9-11 6f Vgl. KGA 1/1, 355,12-17 9 Vgl. KGA 355,29-32 9 Vgl. KGA 1/1, 355,23-29 11 Vgl. KGA 1/1, 356,7-14 11-14 KGA 1/1, 356,14-23

1/1, Vgl.

16

Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit"

wählen will. (Erläuterung darüber aus dem vorigen Gespräch). Dies bestirnt die bürgerliche Freiheit im allgemeinen. Die G r ö ß e derselben wird durch den Umfang der Reihe bestirnt die durch das Gesez hervorgebracht wird. Es wird bei der Bedeutung von Reihen keine übertriebene mathematische Genauigkeit gefodert. - Jede Handlung gehört zu einem System wodurch eine gewiße Art unsers Daseyns befördert wird und in dem sie eigentlich geschieht. In diesem hat sie Folgen; sie macht mehrere Handlungen darin möglich von denen wiederum eine gemäß der Anwendung unsers Systems auf diese iFragel nun wirklich gemacht wird. Alle Handlungen eines solchen Systems machen also eine Reihe aus deren Glieder einander subordinirt sind in Absicht ihrer Möglichkeit coordinirt in Absicht ihrer Wirklichkeit. Beispiele von Heirath und Ergreifen einer Lebensart. W o die Wirklichkeit nicht aus dem Gesez entstanden ist, da ist die Handlung frei; w o nicht da ist sie necessitirt. Einschränkung nemlich nur in so fern sie |einl bürgerliches System Isezenl sollen mit Beispielen. Eine Handlung fängt also eine solche Reihe an, wenn sie materiell zum System gehört, formell aber nicht. U m also bürgerlich frei zu seyn muß ich eine jede durchs Gesez necessitirte Handlung auf alle nicht bürgerlichen zurükkomen welche nicht so ist; bin ich so lange necessitirt bis ich auf eine Handlung zurükkome welche nicht mein war, so bin ich nicht frei. Beispiel Aegypten w o die Geburt zum Stand bestirnte. - Die Grösse der Freiheit des Zustandes besteht darin daß ich bei jedem Theil des Systems auf eine freie Handlung zurükkomen kann, und also eine jede vorgeschriebene Reihe so klein sei als möglich. | 8r

Nicht Phantasie, sondern VerstandesZusammenhang der Realisirung fodert [eine] Erscheinung welche nicht so verbunden gewesen seyn würde ohne ein gewisses Wollen nach einer Regel; diese Regel m u ß nicht so allgemein seyn daß sie auf Zustand oder Vermögen sich beziehe und dabei doch groß genug um eine Reihe auszumachen, (was die allgemeine M o r a l i t ä t |hiervon| ausschließt ist dieses daß man bei derselben dieses Gesez imer als nicht erreicht ansehn m u ß hier aber es

I darüber] drüb 1 (Erläuterung . . . Gespräch)] mit Umstellungszeichen am Ende des Absatzes hinter wird 1 Gespräch)] Gespräch 2 bürgerliche] bürglche 2 Freiheit] Frht 2 allgemeinen] allgem 2 derselben] dselb 3 bestirnt] bstimt 3 Gesez] Gsz 3 f hervorgebracht] hvorgbracht 4 wird] wrd 8 Folgen] Folg I I machen] mach 1 3 Heirath] Herath 1 5 Gesez] Gsz 1 6 fern] fn 1 9 Gesez] Gsz 2 1 bin] b 2 2 Beispiel] davor (D G) 2 2 f Aegypten] Aegypt 2 3 Geburt] Gburt 2 4 bei] korr. aus dabei 2 5 f vorgeschriebene] korr. aus (R) 3 0 Vermögen] Vmög 3 3 derselben] dselb

Entwurfsfragment zu dem Text „Über die Freiheit"

17

imer als erreicht betrachtet, w e n n man es auch nicht findet.) Dieser Z u s a m m e n h a n g m u ß nun auf einer Idee beruhn und es scheint wieder einen Unterschied zu verursachen o b sich die Realisirung dieser Idee zu dem Z u s a m e n h a n g als Grund oder Folge verhält. D a s erste gibt ein 5 bedingtes S o l l e n innerhalb unsrer selbst bei dem w i r w e n n es angegangen ist nicht mehr frei zu seyn glauben das andre ein zur Erreichung von Endursachen [hinführendesl M ü s s e n ausser uns w o b e i wir alle Subjekte durch welche sich diese Reihe hindurchschlängelt als von uns genöthigt ansehn. Bei jenem halten wir den realen Z u s a m e n 10 hang der Ideenfolge für einen idealen der Verbindlichkeit. Beides sind Täuschungen weil die N o t h w e n d i g k e i t in der Reihe keine andre ist als die wir beim ersten Glied [abstrahirtenl.

4 verhält.] verhält 12 ersten] erst

5f angegangen] angegang

8 sich] s

12 wir] folgt (es)

Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (Vermutlich

1793)

Ueber den Saz, daß die Verbindung zur bürgerlichen Gesellschaft Zwek an sich sei, den jeder haben soll, und die Folgen die daraus wegen des supponirten Naturzustandes und der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft gezogen werden können. Ueber den Saz daß der Zwek der bürgerlichen Gesellschaft nur der rechtliche Zustand ist, über die Formel der Freiheit und die väterliche Regierung. Ueber die Ausnahme des Oberhaupts (desjenigen durch den allein der rechtliche Zwang ausgeübt werden kann) von der Formel der Gleichheit in Absicht der Zwangsrechte; weil wenn er subordin i « wäre die Reihe unendlich seyn müßte und wenn er coordinirt wäre es zwei geben müßte die einander nicht unrecht thun könnten. - Die executive Gewalt kann in Absicht auf die Materie eingeschränkt werden durch ihre ursprüngliche Constitution in Absicht der Form ist sie es schon so durch das Gesez. Also kann ihr freilich nicht verboten werden irgend eine drükende Anordnung aber wol jeder widerrechtliche Schritt, denn dasjenige was zur Aufrechthaltung der bürgerlichen Gesellschaft errichtet wird darf nicht selbst den Zwek derselben vernichten. Um zu beurtheilen ob das geschehen sei kann ein Tribunal Statt finden bei welchem jeder gefährdete sich beschweren kann. Ueber die Frage wer den Nachrichter halten soll. Ueber die Hülfsmittel welche die beiden französischen Constitutionen hierüber gefunden haben. 8 die] folgt (Formel) 17 widerrechtliche] korr. aus ge 23 französischen Constitutionen] franz. Constit.

2 2 wer] korr. aus d

l f Vgl. Kant: Gemeinspruch 232f; AK 8,289,9-23 5f Vgl. Kant: Gemeinspruch 233-235; Ak 8,289,23-290,15 6 Vgl. Kant: Gemeinspruch 235f; Ak 8,290,26-33 6f Vgl. Kant: Gemeinspruch 236f; Ak 8,290,33-291,15 8 - 1 3 Vgl. Kant: Gemeinspruch 237f; Ak 8,291,19-33 2 2 - 2 4 Schleiermacher spielt hier auf die erste bzw. zweite französische Verfassung vom 3. September 1791 bzw. vom 24. Juni 1793 an. Beide Verfassungsentwürfe sehen vor, daß die exekutive Gewalt dem Gesetz unterstellt ist; vgl. die Verfassung vom 3. September 1791, 2. Kapitel, 1. Abschnitt, Art. 3 und die Verfassung vom 24. Juni 1793, Art. 71 (vgl. Karl Heinrich Ludwig Pölitz: Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, Bd. 2. Die Verfassungen Frankreichs, der Niederlande, Belgiens, Spaniens, Portugals, der italienischen Staaten und der jonischen Inseln enthaltend, 2. Aufl., Leipzig 1833, S. 8. 27). Die Verfassung vom 3. September 1791 sieht für den Fall eines Vergehens von Vertretern der exekutiven Gewalt deren Anklage durch das „gesetzgebende Corps" vor dem „hohen Nationalgericht" vor (5. Kapitel, Art. 23, vgl. Pölitz: Verfassungen 16f).

22

Exzerpt aus Immanuel Kant: Ober den

Gemeinspruch

Ueber den Beweis daß kein besonderer Wille für gesezgebend gehalten werden kann aus dem Grunde weil jeder dem andern Unrecht thun kann. Ueber die Qualität dessen der sein eigner Herr ist, über den Unterschied dessen der ein opus und dessen der eine operam verfertigt; über die einzige Art wie sich die Ausschließung der Weiber rechtfertigen läßt. Ueber den Saz daß der Uebereinkunft sich mit der M a j o r i t ä t zu begnügen wieder ein Gesez zum Grunde liegen müßte und daß also zum ursprünglichen Gesez eine ganz allgemeine Harmonie erfodert werde. Ueber die allgemeine Verbindlichkeit zu gehorchen. Kant scheint hier zwei ganz verschiedene Fälle mit einander zu vermischen. Wenn das V o l k b l o ß seine Glükseligkeit einzubüssen in Gefahr ist, m u ß es wol gehorchen; wenn es aber seinen rechtlichen Zustand verlorn hat, so tritt seine ursprüngliche Verbindlichkeit ein eine solche Verbindung zu stiften worin dieser gesichert ist, und es gibt also de iure keine bürgerliche Ruhe als in einer solchen Verfassung wo es selbst den Oberhäuptern des Staats unmöglich ist den rechtlichen Zustand zu stürzen. Dazu gehört zweierlei 1.) es muß ein Revers gegen | die executive M a c h t stattfinden, zweitens es muß jedes einzelne Gesez unmittelbar auf allgemeiner Zusammenstimmung beruhn. Dies scheint Ifürl die neueste französische Verfassung zu seyn. Ueber die Infallibilität des Gesezgebers in der Frage o b ein Gesez mit dem Rechtsprincip zusammenstime. Der Irrthum ist freilich mo-

5 verfertigt;] verfertigt 6 die einzige] korr. aus den 8 der Uebereinkunft] der korr. aus die 13 Wenn] wenn 21 zweitens] zw. 23 französische] franz. 1 - 3 Vgl. Kant: Gemeinspruch 244f; Ak 8,294,11-295,5 4 Vgl. Kant: Gemeinspruch 245-247; Ak 8,295,14-22 4f Vgl. Kant: Gemeinspruch 246; Ak 8,295,24-36 8 - 1 1 Vgl. Kant: Gemeinspruch 248f; Ak 8,296,25-36 12f Vgl. Kant: Gemeinspruch 251 f; Ak 8,297,30-298,20 23f Vgl. die zweite französische Verfassung vom 24. Juni 1793, Art. 56-59: „56. Den Gesetzesvorschlägen geht eine Anzeige voraus. / 57. Nur 14 Tage nach erfolgter Anzeige kann die Discussion beginnen und das Gesetz provisorisch beschlossen werden. / 58. Der Entwurf wird gedruckt und an alle Gemeinden der Republik abgeschickt, unter der Aufschrift: Vorgeschlagenes Gesetz. / 59. Wenn in der, um eins größern, Hälfte der Departements, 40 Tage nach Einsendung des vorgeschlagenen Gesetzes, das Zehntheil aller regelmäßig von ihnen (den Departements) gebildeten Urversammlungen nicht reclamirt hat; so ist der Entwurf acceptirt und wird Gesetz." (Pölitz: Verfassungen 26) 25f Vgl. Kant: Gemeinspruch 253f; Ak 8,299,2-6

Exzerpt aus Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch

23

raiisch unmöglich aber physisch möglich entweder unfreiwillig wegen falscher subjektiver Maxime oder freiwillig um seine Privatgliikseligkeit auf Unkosten des ganzen zu vermehren. Ueber den Grund des unbedingten Verbotes des Aufstands (selbst wenn der Gesezgeber den ursprünglichen Vertrag verlezt) weil nemlich das Volk kein Recht mehr hat zu bestimmen, wie die Verfassung soll verwaltet werden ist schon oben das Hülfsmittel angegeben. Freilich kann weder das Volk noch das Oberhaupt entscheiden auf wessen Seite das Recht ist wenn eins von beiden Richter in seiner eigenen Sache seyn müßte, aber das Volk ist nicht Parthei sondern immer nur ein gefährdeter Theil des Volks und wenn man hier Theil und ganzes nicht unterscheiden wollte so bekomt man unendliche Verwirrung. Kant verwechselt auch hier den, der sich im Besiz der obersten Rechtspflege befindet mit dem Staatsoberhaupt wodurch er Anfangs nur die executive Gewalt zu bezeichnen schien, und freilich ohne diese beiden Gewalten zu trennen findet keine bürgerliche Verfassung statt. Ueber die Leugnung des Nothrechts, welche ich willig billige. Ueber die Einwendung daß das Volk nicht als gemeines Wesen, sondern nur als Rottirung dem Staatsoberhaupt entgegenwirken könne. Sie trift mein System nicht. Ueber Achenwalls Vertheidigung des Aufstandsrechts. Sie ist [irrthümlichl aus dem Grundsaz: daß das keine Regel seyn könne, was seiner Natur nach jeden Beweis von der Richtigkeit der Subsumtion eines Falles ausschließt. Ueber Spalding daß das Verweigertseyn von Stellen keine Beraubung sei. Es ist ein großer Unterschied ob dies vom Grundgesez verfügt sei - dagegen streitet eigentlich Kant nur - oder ob es eine subjektive Maaßregel der executiven Gewalt sei; dann gehört es zu den Dingen in welchen man sie nicht richten darf und nicht

4 unbedingten] unbedingt 5 Gesezgeber] Gszgeber 17 keine] k? 23 Grundsaz] Grsaz

8 kann] korr. aus könnten

4 - 7 Vgl. Kant: Gemeinspruch 2S4f; Ak 8,299,22-300,2 7 Vgl. oben 21,13-21 8 - 1 0 Vgl. Kant: Gemeinspruch 255; Ak 8,300,2-5 1 3 - 1 5 Vgl. Kant: Gemeinspruch 256f; Ak 8,300,15f 18 Vgl. Kant: Gemeinspruch 255-257; Ak 8,300,7-18 1 9 - 2 1 Vgl. Kant: Gemeinspruch 260f; Ak 8,302,27-38 22 Vgl. Kant: Gemeinspruch 257-259; Ak 8,301,1-30 26f Vgl. [Spalding:! „Ein Amt, welches Jemand noch nicht bekleidete und das ihm vom Staate nicht versprochen ward, kann er vielleicht durch seine Talente verdienen; aber niemals kann die Versagung desselben eine Beraubung, ein Eingrif in sein Recht heißen." (Adel 381) 2 8 Vgl. Kant: Gemeinspruch 239-241; Ak 8,292,19-293,24

24

Exzerpt

aus Immanuel

Kant:

Über den

Gemeinspruch

s t ö r e n m u ß . In E n g l a n d ist dieses n u r d e r F a l l - d a s O b e r h a u s a u s g e n o m m e n , jenes n i c h t . U e b e r S p a l d i n g s D e f i n i t i o n ü b e r h a u p t . M a n m u ß in die D e f i n i t i o n v o r n e m l i c h d a s n e h m e n w a s Z w a n g s r e c h t e , Privilegien, gegen d a s n u r s t r e i t e n die D e m o k r a t e n ; die A c h t u n g ist d o c h i m m e r 5 m e h r e t w a s willkiihrliches, v o n der g e m e i n e n M e i n u n g depend i r e n d e s . J e n e s ist die A u s z e i c h n u n g w e l c h e in C o n s t i t u t i o n e n a c c o r d i r t ist; dieses ist die die v o n d e n V o r u r t h e i l e n d e r M e n s c h heit a b h ä n g t u n d v o n d e r e x e c u t i v e n G e w a l t in i h r e n M a a ß r e geln m i t R e c h t b e n u z t w i r d . U e b r i g e n s g l a u b e i c h n i c h t d a ß d e r 10 a l t e R e i c h t h u m die H a u p t s a c h e ist, s o n d e r n d e r a l t e E i n f l u ß - bei Aristoteles w a r jener das untrügliche Mittel zu diesem.

1 England] Engl.

1 Oberhaus] Obhaus

11 Hauptsache] HSache

l f Die Mitglieder des sog. „Oberhauses" des englischen Parlaments gehörten diesem aufgrund ihres Adelsstandes an, während die Repräsentanten des sog. „Unterhauses" aus den Rittern, den Städten und Landschaften frei gewählt wurden (vgl. Friedrich Wilhelm Schubert: Die Verfassungsurkunden und Grundgesetze der Staaten Europa's, der Nordamerikanischen Freistaaten und Brasiliens, welche gegenwärtig die Grundlage des öffentlichen Rechtes in diesen Staaten bilden, Bd. 1. Grossbritannien und Irland. Nordamerikanische Freistaaten. Frankreich, Königsberg 1848, S. 70-73). Die freiheitlichen Grundrechte der englischen Bevölkerung gegenüber der königlichen Macht wurden in der „Declaration of Rights" vom 3. Februar 1689 erneuert (vgl. Schubert: Verfassungsur künden 113). 3 Vgl. ¡Spalding:] „Die Achtung, die ausschließliche Zulassung zu gewissen Aemtern und Ehren, bloß um der Geburt willen: dies mag eher zu einem allgemeinen und wesentlichen Charakter des Adels gerechnet werden. " (Adel 380f) lOf Vgl. [Spalding:! Adel 387-393 l l f Vgl. dazu Aristoteles: Politica 1292a,39-1293a,34, Politica et Oeconomica, ed. F. Sylburgius, Frankfurt am Main 1587, S. 105,20-108,4; ed. W.D. Ross, Oxford 1957, S. 120-123

Notizen zu Aristoteles: (1793/94)

Politik

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Manuskript SN 127, Faksimile (Orginalgröße) Blatt Ir

Staatsformen 1. Das Verhältniß der herrscher und beherrschten in R e p u b l i k e n wird dem ehelichen verglichen 1,8 und zwar in folgendem Moment: Natürliche Gleichheit, zufällige conventionale Erhebung des einen, die aber auch nach äußerer Auszeichnung strebt. 2. Der K ö n i g muß von den Unterthanen φύσει verschieden aber γενεί einerlei seyn; φύσις kann hier keine andere Bedeutung haben, als die oben angenommene der Grad der Vollendung 1,8. 3. Aristoteles will den S t a a t in P l a t o ' s G e s e z e n nicht in eine Klaße mit der Spartanischen sezen sondern meint die leztere sei aristokratisch: er meint auch er sei nicht wie Plato doch angekündigt aus Monarchie und Demokratie zusamengesezt, sondern nur aus Demokratie und Oligarchie. 4. Auch Aristoteles [nennt] die Spartanische Verfassung der er die Kretische und Karthagische beizählt die [ohn einsl beste. 11,4. 5. Es ist a r i s t o k r a t i s c h daß die ganze Instanz einem Collegio übergeben ist 11,9. Dies widerstreitet dem Plato welcher meint daß jeder Bürger Antheil am Gericht haben muß. Es scheint aber vorauszusezen daß Aristoteles die Richter für eine wirkliche Obrigkeit hält. ad 1. E i n t h e i l u n g a l l e r S t a a t s f o r m e n in 1.) die κατα το απλώς δίκαιον welche auf das Beste des beherrschten sehn und 2.) die ημαρτημεναι welche auf das beste eines gewißen herrschenden Theils 7 keine] k ?

9 Aristoteles] Aristot. davor (Plat)

14 Spartanische] Spart.

3 Vgl. Aristoteles: Politica 1259a,37-125%,10, ed. Sylburgius 19,19-20,2; ed. Ross 22. Die Kapitelzäblung Schleiermachers, die teilweise von der Einteilung der modernen Textausgaben abweicht, folgt der Ausgabe von Sylburgius. 6f Vgl. Aristoteles: Politica 1259b,14f, ed. Sylburgius 20,7f; ed. Ross 22 7f Vgl. Aristoteles: Politica 1259b,1-4, ed. Sylburgius 19,23-25; ed. Ross 22 9 - 1 3 Vgl. Aristoteles: Politica 1265b,26-1266a,14, ed. Sylburgius 36,9-37,7; ed. Ross 41f 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1265b,31-33. 1272b,26-30. 1273b,24-26, ed. Sylburgius 36,14f. 54,11-14. 56,25-27; ed. Ross 41. 61. 64. Die Darstellung der spartanischen, kretischen und karthagischen Verfassung gibt Aristoteles in den Kapiteln 9-11 des zweiten Buches seiner Politik (vgl. Politica 1269a,29-1273b,26, ed. Sylburgius 45,16-56,27; ed. Ross 51-64). 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1273a,17-20, ed. Sylburgius 55,10-13; ed. Ross 62 17f Vgl. z.B. Piaton: Nomoi 6,766d-768c, Opera, ed. Societas Bipontina, Bd. 8, Zweibrücken 1785, S. 280-284; Werke in acht Bänden, ed. G. Eigler, Bd. 8/1, Darmstadt 1977, S. 382-386

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Notizen zu Aristoteles:

Politik

sehn. III, 4. Der Grund ist aber hier nicht entwikelt, warum jene κατα το απλώς δίκαιον sind, und scheint also nur dem Plato, der den nemlichen Ausdruk braucht abgeborgt zu seyn; paßt auch nicht völlig zu Aristoteles Saz daß die Art der Composition das charakteristische des Staats sei; denn diese ist gar nicht einerlei mit dem Zwek. 6. Die Demokratie der Guten Art heißt πολιτεία und die Theilnahme an der höchsten Gewalt (το κυριοτατον) beruht auf der Waffenfähigkeit, weil die kriegerische Tugend die einzige ist wobei es das Volk zu einem Grad der Vollkommenheit bringen kann. III, 5. Hier trift Aristoteles wieder mit Piatos τιμοκρατια zusammen. ad 1. Die Anzahl des herrschenden Theils ist zufällig und beruht bloß darauf daß überall viel Arme und wenig Reiche sind. Der Charakter der O l i g a r c h i e ist also: Der Antheil der höchsten Gewalt hängt vom Reichthum ab. Der Charakter der D e m o k r a t i e : er hängt von der Armuth ab. 111,5. (Eine solche Demokratie wo dies gesezlich ist ist aber ein Widerspruch.) ad 1. D e r T h e i l u n g s g r u n d d e r S t a a t s f o r m e n ist dieser: daß Tugend Freiheit und Vermögen die Hauptbestandtheile des guten Lebens sind, und jede dieser Verfassungen entsteht je nachdem man glaubt daß eins von diesen ausschließend berechtige 111,8. Alle diese nun müßen schlecht seyn und auf diese Art ist auch die Aristokratie schlecht. Die Consequenz führt sobald man eines dieser Principien als ausschließend nimmt zur Tyrannei 111,8. ad 2. Die A l l e i n h e r r s c h a f t schikt sich nur für den, welcher außerordentlich an Tugend hervorragt 111,9. (Dies ist hier aus dem Theilungsgrund eben so deducirt, wie die politische Möglichkeit des Ostrakons). 9 einem] korr. aus etwa 10 Piatos] Aristoteles 11 des] korr. aus der 12 darauf] df 12 viel . . . Reiche] viel Reiche und wenig Arme 14 Charakter] Charakt. 15 Demokratie] folgt (ist ab) 18 Hauptbestandtheile] Hbestandtheile 1 Vgl. Aristoteles: Politica 1279a,17-21, ed. Sylburgius 71,4-8; ed. Ross 80 Ii Vgl. z.B. Platon: Politela 3,412d. 4,420b, Opera 6,314f. 327; Werke 4,262. 280 und Nomo*' 3,697d. 4,715b, Opera 8,148. 183; Werke 8/1,204-206. 252 4f Vgl. z.B. Aristoteles: Politica 1252a,1, ed. Sylburgius 1,3f; ed. Ross 1 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1279a,37-1279b,4, ed. Sylburgius 71,22-28; ed. Ross 80 10 Vgl. Piaton: Politeia 8,547e-548a, Opera 7,191f; Werke 4,650 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1279b,34~1280a,3, ed. Sylburgius 72,26-73,6; ed. Ross 82 20 Vgl. Aristoteles: Politica 1283a,14-1283b,8, ed. Sylburgius 81,8-82,11; ed. Ross 92f 24 Vgl. Aristoteles: Politica 1283b,13-27, ed. Sylburgius 82,16-28; ed. Ross 93f 26 Vgl. Aristoteles: Politica 1284a,3-11, ed. Sylburgius 83,17-25; ed. Ross 94f 27f Vgl. Aristoteles: Politica 1284a,17-33, ed. Sylburgius 84,2-16; ed. Ross 95

Notizen

zu Aristoteles:

Politik

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ad 2. Ein eingeschränkter König wie der Spartanische verträgt sich mit allen Staatsverfassungen weil er nicht die höchste Gewalt hat 111,11. ι ad 2. Die wahre A l l e i n h e r r s c h a f t ist die unumschränkte, und die Königswürde unterscheidet sich von der Tyrannis nicht durch das eingeschränkte, sondern durch das constitutionsmäßige. 111,10. ad 2. Der uneingeschränkte König muß so hervorragen, daß sein Beitrag zum guten Leben größer ist als der ganzen Menge; [eben! das auf Aristokratie 111,12. Die R a n g o r d n u n g d e r S t a a t s f o r m e n ist eben so wie in Piatos Politikos IV,2. Aristoteles führt auch den Plato an. 5. Nur z w e i V e r f a s s u n g e n v e r d i e n e n d e n N a m e n v o l l k o m m e n e , Monarchie und Aristokratie. Die andern sind Abarten, und diese Abarten kann man theilen in f e s t e r e diese sind oligarchisch und l a x e r e diese sind demokratisch IV,3. (Das beruht zum Theil auf 111,12 wo er aber die Monarchie fast ausgeschloßen hatte, hier nimt er sie wieder auf, und hütet sich wol zu bestimen, ob es möglich sei daß unter einem kultivirten Volk einer sich so auszeichne.) 6. D e m o k r a t i e und O l i g a r c h i e . Aristoteles glaubt die Sache zu verbeßern wenn er zwei Definitionen zusamenschmilzt, die g r o ß e A n z a h l der A r m e n ; die kleinere Anzahl der Reichen IV,4. (Doch hatte er oben erklärt, daß die Zahl eine natürliche und unvermeidliche Folge der Qualität wäre s. 111,5. Er verwirft auch die von Plato Leg III, 155 angeführte: Regiment der Freien ohne einen Grund anzuführen; freilich entstünde daraus das was er Republik nennt; aber Plato verstand auch unter dem Regiment der freien die gute Demokratie) 7 uneingeschränkte] uneingeschr. 2 6 daraus] darö 2 6 das] daß

11 Politikos] Polit.

2 2 A r m e n ] korr. aus R

3 Vgl. Aristoteles: Politica 1285a,3-16. 1285b,26-28, ed. Sylburgius 86,5-19. 88,6-8; ed. Ross 97f. 100 6 Vgl. Aristoteles: Politica 1285a,16-24, ed. Sylburgius 86,19-26; ed. Ross 98 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1288a,15-19, ed. Sylburgius 94,11-14; ed. Ross 107 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1289a,26-1289b,5, ed. Sylburgius 97,13-98,3; ed. Ross HOf 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1289b,5-9, ed. Sylburgius 98,3-7; ed. Ross 111. Aristoteles spielt hier an auf Piaton: Politikos 303a-b, Opera 6,1 OOf; Werke 6,548-550. 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1290a,24-29, ed. Sylburgius 100,2-7; ed. Ross 113 16 Vgl. Aristoteles: Politica 1287a,l-1288b,6, ed. Sylburgius 91,7-95,10; ed. Ross 103-108 2 2 Vgl. Aristoteles: Politica 1290a,30-1290b,20, ed. Sylburgius 100,8-101,7; ed. Ross 113-115 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1279b,34-1280a,6, ed. Sylburgius 72,26-73,9; ed. Ross 82 2 4 - 2 6 Vgl. Aristoteles: Politica 1290b,7-20, ed. Sylburgius 100,23-101,7; ed. Ross 114f 25 Vgl. Piaton: Nomoi 3,701a, Opera 8,155; Werke 8/1,214

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Notizen

zu Aristoteles:

Politik

Der E x i s t e n z i a l g r u n d der v e r s c h i e d e n e n V e r f a s s u n g e n ist die Verschiedenheit derer, welche sich zur Gesellschaft vereinigen IV,3. (Dieser Saz ist nicht motivirt). ad 6. A b s t u f u n g der D e m o k r a t i e je nachdem der allgemeine Antheil an der Regierung ausgedehnter oder eingeschränkter ist. IV,4 (Aristoteles giebt sich hier alle mögliche Mühe die vom Plato angenommene Abtheilung der gesezlichen oder bloß persönlichen Herrschaft zu verbergen, ob er sie gleich vom Grunde anwendet). ad 6. Die e l e n d e s t e Demokratie ist die, wo nichts durch Geseze, sondern alles durch Dekrete geschieht, Ursach derselben sind die Demagogen IV,4. ad 6. Bei einer ordentlichen Demokratie sind Geseze unvermeidlich weil die Landleute nur zu den nothwendigsten Versamlungen Muße haben IV,6. Dies hört erst dann auf wenn sie bezahlt werden. Die letzte gesezlose O l i g a r c h i e entsteht aus der erblichen, durch VerwandschaftsSystem und heißt Dynastie IV,6. ad 5. In der reinen A r i s t o k r a t i e coincidirt die bürgerliche Tugend ganz mit sittlicher IV,7. ad 5. Jeder Staat mit guten Gesezen trägt das Ansehn der A r i s t o k r a t i e IV,7. Dies komt daher weil er so eingerichtet seyn muß daß nur gute gewählt werden. 7. R e p u b l i k soll die Mischung von Freiheit und Reichthum, also Demokratie und Oligarchie seyn; Aristokratie die Mischung von Freiheit Reichthum und Tugend IV,8 (Dagegen habe ich zweierlei 1.) hatte Aristoteles selbst vorher gesagt, die Republik neigte sich nur deswegen zur Oligarchie weil die Reichen die Präsumption der Wolgesintheit für sich hätten, 2.) wenn die Tugend eine constitutionelle

4 allgemeine] allgem. 5 Regierung] Reg. 5 ausgedehnter] ausgedenhter 8 anwendet)] anwendet 9 w o ] korr. aus d 18 IV,7] VI,7 mit Einfügungszeichen über der Zeile 2 0 IV] VI 2 4 Reichthum] Reichth. 2 4 IV,8] VI,8 3 Vgl. Aristoteles: Politica 1289b,27-1290a,13, ed. Sylburgius 98,24-99,20; ed. Ross 112f 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1291b,30-1292a,6, ed. Sylburgius 104,3-18; ed. Ross 118f 6 - 8 Vgl. dazu Piaton: Politikos 294a-c, Opera 6,81f; Werke 6,522 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1292a,4-37, ed. Sylburgius 104,17-105,19; ed. Ross 119f 14 Vgl. Aristoteles: Politica 1292b,25-29, ed. Sylburgius 106,16-19; ed. Ross 121 14 Vgl. Aristoteles: Politica 1292b,41-1293a,10, ed. Sylburgius 107,2-11; ed. Ross 121f 16 Vgl. Aristoteles: Politica 1293a,30-34, ed. Sylburgius 107,28-108,4; ed. Ross 123 18 Vgl. Aristoteles: Politica 1293b,1-7, ed. Sylburgius 108,12-18; ed. Ross 123 2 0 Vgl. Aristoteles: Politica 1293b,7-18, ed. Sylburgius 108,18-28; ed. Ross 123f 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1293b,33f. 1294a,15-25, ed. Sylburgius 109,14f. 110,8-18; ed. Ross 124f 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1293b,38-1294a,9, ed. Sylburgius 109,19-110,3; ed. Ross 124f 2 7 - 1 Vgl. oben Anm. zu 30,18

Notizen

zu Aristoteles:

Politik

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Bedingung seyn soll, so muß sie auch äußerliche Kennzeichen haben. Dies ist die Klippe, woran Aristoteles Aristokratie immer scheitert.) | Staatsformen

II

ad 7. Die R e p u b l i k kann auf zweierlei Art entstehn aus Komposition und aus Neutralität IV,9 (die eine Art der Komposition ist aber ein Unding). Das Kennzeichen der Vortreflichkeit einer Republik ist wenn sie schillert, ibd. ad 2. Die T y r a n n e i unterscheidet sich auf zweierlei Art vom Königreich: durch die Gesezmäßigkeit, durch die Hinsicht auf den Zwek; lezteres ist der Hauptunterschied IV,10. ad 7. Die Aristokratie, so fern sie nicht außer der Sphäre des erreichbaren liegt, fällt mit der Republik zusammen. IV,11. ad 5. Die z w e i v o l l k o m e n e n V e r f a s s u n g e n liegen außer der Sphäre des erreichbaren IV,11. ad 7. D i e R e p u b l i k ist nur da bleibend, wo der Mittelstand größer ist, als die Extreme IV, 12. Der E x i s t e n z i a l g r u n d der verschiedenen Verfassungen ist das Verhältniß der hervorstehenden Qualität zur hervorstehenden Quantität IV,12. (der allgemeinste Ausdruk der Regel ist nicht angegeben). ad 7. Man muß sich vor dem heimlich theils Oligarchie theils Demokratie herbeiführenden Geseze hüten IV,13.

2 scheitert.)] scheitert. 3 II] korr. aus 3 4 ad 7.] über der Zeile 5 Komposition] Komp. 9 zweierlei] 2erlei 11 IV] korr. aus VI 13 IV] korr. aus VI 15 IV] VI 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1294a,35-1294b,13, ed. Sylburgius 110,28-111,17; ed. Ross 126 5f „Unter diese Art [sc. Neutralität] gehört auch die erste [sc. Komposition]: Dies erhellt sowol a priori weil es nicht möglich ist zwei wahre Eigentümlichkeiten zu vereinigen, denn die müßen einander ausschließen, als auch a posteriori aus dem gerichtlichen Beispiel dem alle andern hierin wol ähnlich seyn werden. Nemlich er hat hier zwei ganz verschiedene Dinge als eins angesehn: das Verfahren gegen den welcher Richter ist, und das Verfahren gegen den, welcher es nicht seyn will..." (SN 151/1, Bl. 67). 8 Vgl. Aristoteles: Politica 1294b,13-19, ed. Sylburgius 111,17-22; ed. Ross 126 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1295a, 7-22, ed. Sylburgius 112,21-113,5; ed. Ross 127f 13 Vgl. Aristoteles: Politica 1295a,31-34, ed. Sylburgius 113,14-17; ed. Ross 128 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1295a,25-31, ed. Sylburgius 113,9-14; ed. Ross 128 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1296b,38-40, ed. Sylburgius 117,19-21; ed. Ross 133 20 Vgl. Aristoteles: Politica 1296b,14-34, ed. Sylburgius 116,25-117,16; ed. Ross 132f 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1297a,14-1297b,l, ed. Sylburgius 118,5-119,2; ed. Ross 133f

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Notizen

zu Aristoteles:

Politik

ad 6. In der D e m o k r a t i e haben alle an der ganzen g e s e z g e b e n d e n G e w a l t Theil. Die verschiedenen Abstufungen beruhn darauf ob sie an allen Theilen derselben unmittelbar Theil nehmen, und ob außer der εκκλησία noch große Collegia dazu gehören. IV,14. In der O l i g a r c h i e besizen nur einige die gesezgebende Gewalt. Entweder alle privilegiis unmittelbar oder nur ein aus ihnen gewählter [Archont]; entweder gebunden durch Grundgeseze oder ungebunden IV, 14. ad 7. In der R e p u b l i k ist die gesezgebende Gewalt getheilt, so daß nur an Krieg, Frieden und ευθυνών alle unmittelbar Theil nehmen, das übrige Kollegien übergeben ist IV,14. ad 7. In der R e p u b l i k wird bei Ernennung der Obrigkeit Wahl und Loos verbunden, IV, 14 wie bei Plato in den Gesezen. ad 2. Das K ö n i g r e i c h gehört zur Aristokratie; die Tyrannei zur Oligarchie oder Demokratie V,10. ad 2. Die meisten T y r a n n e n sind Demagogen gewesen V,10. ad 2. eine sehr schöne Schilderung der K ö n i g s w ü r d e V,10. Die ungemäßigte O l i g a r c h i e u n d D e m o k r a t i e sind nur auseinandergegangene Tyraneien V,10 (Dies stimt also mit Plato bei den HauptVerfassungen zum Theil.) Aristoteles tadelt den Plato, daß er die Unterarten der Staatsformen nicht von einander absondert V,12. ad 6. Das Loos ist demokratisch s. mehr VI,2. Die lezte Demokratie ist ganz ohne Dauer VI,4 (wie Plato). | l f g e s e z g e b e n d e n ] über (höchsten,) 7 [Archontl] |Archt| 9 Republik] Republ. 14 K ö n i g r e i c h ] K ö n i g r . 2 0 HauptVerfassungen] HVfn. 2 4 Plato)] Plato 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1298a,9-33, ed. Sylburgius 120,17-121,9; ed. Ross 136f 8 Vgl. Aristoteles: Politica 1298a,35-1298b,5, ed. Sylburgius 121,11-20; ed. Ross 137 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1298b,5-11, ed. Sylburgius 121,20-25; ed. Ross 137f 13 Vgl. Aristoteles: Politica 1298b,8-11, ed. Sylburgius 121,22-25; ed. Ross 138 13 Vgl. z.B. Piaton: Nomoi 6,756b-758a, Opera 8,259-263; Werke 8/1,354-358 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1310b,2-4, ed. Sylburgius 151,18-20; ed. Ross 172 16 Vgl. Aristoteles: Politica 1310b,14-16, ed. Sylburgius 152,1-3; ed. Ross 173 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1310b,31-1311a,2, ed. Sylburgius 152,16-25; ed. Ross 173f 19 Vgl. Aristoteles: Politica 1312b,34-38, ed. Sylburgius 157,18-21; ed. Ross 179 19f Vgl. Piaton: Politeia 8,562a-566d, Opera 7,220-230; Werke 4,694-710 2 2 Vgl. Aristoteles: Politica 1316a,l-1316b,27, ed. Sylburgius 165,9-167,10; ed. Ross 188-191. Aristoteles greift hier auf Piaton: Politeia 8,S45c - 9,576b, Opera 7,187-248; Werke 4,644-738 zurück. 2 3 Vgl. Aristoteles: Politica 1317b,20f, ed. Sylburgius 169,22f; ed. Ross 193 24 Vgl. Aristoteles: Politica 1319b, 1-4, ed. Sylburgius 174,3-5; ed. Ross 199 2 4 Vgl. Piaton: Politeia 8,562a-564e, Opera 7,220-226; Werke, 4,694-704

Notizen zu Aristoteles:

Einrichtungen

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Politik

im b e s t e n

Staate

1. Es ist möglich die F r e u n d s c h a f t u n t e r dem g e h o r c h e n den T h e il zu vermindern 11,1. ad 3. Die einzige nüzliche Gemeinschaft des Eigenthums ist die freiwillige durch Freundschaft 11,2. 3. Durch die Platonische G e m e i n s c h a f t des E i g e n t h u m s fällt die Glükseligkeit des Gebens ganz weg. 4. Aristoteles will noch genauere Sorgfalt für die Bevölkerung so daß die Anzahl der Kinder bestirnt wird die jeder zeugen darf L. 11,4. ad 3. Aristoteles tadelt den Plato daß seine Gleichheit sich nur auf Grundstüke bezieht, ohne zu bedenken daß aller übrige Reichthum nach Piatos Einrichtung ein todtes Kapital ist L. 11,5. 2. Im besten Staat muß nothwendig M u ß e von den b l o ß n o t h w e n d i g e n Geschäften herrschen. 11,7 (Aristoteles sagt das wegen der mechanischen Künste, mit dem Sklaven in einem Rang in Absicht auf sein Geschäft. I ..). ad 3. Die G l e i c h m a c h u n g des V e r m ö g e n s hilft der Population auf gegen Sparta 11,7. E i n t h e i l u n g des L a n d e s in Staats und Privateigenthum VII,10. Jeder Bürger muß Land nahe an der Stadt und auch an der Grenze haben (Dies [borgt] er dem Plato ab ohne ihn zu nennen) VII,10. Keine Mauern zu leiden wie Plato ist zu antik VII,11. (αρχαιως) Der lezte Termin zum Kinderzeugen ist für den Mann 70 für das Weib 50 Jahr; die beste Heirathszeit 37 und 18. VII, 16. Die Anzahl der Kinder muß durchs Gesez bestirnt seyn VII,16. 4 ad 3] korr. aus 2 6 Gemeinschaft] Gemeinsch. 6 Eigenthums] Eigenth. 9 wird] folgt (so) 9 4] korr. aus 3 11 Grundstüke] Grstüke 15 mechanischen] mechan. 19 Privateigenthum] Privateigenth. 3 Vgl. Aristoteles: Politica 1262b,1-17, ed. Sylburgius 27,18-28,6; ed. Ross 30f 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1263a,29^0, ed. Sylburgius 29,25-30,7; ed. Ross 33f 6f Vgl. Aristoteles: Politica 1263b,6-14, ed. Sylburgius 30,14-21; ed. Ross 34 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1265b,6-12, ed. Sylburgius 35,20-26; ed. Ross 40 12 Vgl. Piaton: Nomoi S,744a-74Sb, Opera 8,239-241; Werke 8/1,328-330 12 Vgl. Aristoteles: Politica 1265b,21-23. 1266b,5-8, ed. Sylburgius 36,5-7. 38,7-10; ed. Ross 40f. 43 14 Vgl. Aristoteles: Politica 1269a,34-36, ed. Sylburgius 45,20-22; ed. Ross 51 14-16 Vgl. dazu Aristoteles: Politica 1260a,33-1260b,7. 1278a,2-13, ed. Sylburgius 22,4-17. 68,4-13; ed. Ross 24f. 77 18 Vgl. Aristoteles: Politica 1270a,37-39, ed. Sylburgius 48,10-12; ed. Ross 54 19 Vgl. Aristoteles: Politica 1330a,9-11, ed. Sylburgius 199,23f; ed. Ross 229f 21 Vgl. Piaton: Nomoi 5,745c-d, Opera 8,242; Werke 8/1,332 21 Vgl. Aristoteles: Politica 1330a,14-16, ed. Sylburgius 199,27-29; ed. Ross 230 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1330b,32-35, ed. Sylburgius 201,19-21; ed. Ross 232 24 Vgl. Aristoteles: Politica 1335a,7-11. 28f, ed. Sylburgius 211,19-22. 212,7-9; ed. Ross 244f 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1335b,22f, ed. Sylburgius 213,8f; ed. Ross 247

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Notizen zu Aristoteles: Politik

Nach dem 55. Jahr ist kein Kind mehr geboren worden VII, ib. Bis zum 7. Jahr ist die Erziehung häuslich VII, 17. Aber Einheit der Erziehung ist nothwendig weil der Zwek des Staats nur einer ist VIII, 1. Vier Theile des Unterrichts: Literatur, Gymnastik Musik, Mahlerei. VIII,3. Plato trennt die Literatur nicht von der Musik Der erste Unterricht ist die Gymnastik, VIII,3. Einschränkung der Musik VIII,6. |

Revolutionen 1. Unruhen entstehn theils vom V o l k aus, wenn das Vermögen zu ungleich, theils von den V o r n e h m e n aus wenn das Ansehn zu gleich ist 11,5. N a t ü r l i c h e G e s c h i c h t e d e r S t a a t s u m w a n d l u n g : Erst M o n a r c h i e des Talents unter unkultivirten Menschen; dann R e p u b l i k , als sie sich jenem gleich fühlten; dann bei zunehmendem Luxus O l i g a r c h i e , aus dieser Tyranei und zulezt Demokratie 111,11. (In dieser Reihe komt die eigentliche Aristokratie gar nicht vor; ein deutlicher Beweis daß Aristoteles sie nicht als eine wirkliche Verfassung ansah.) Die U e b e r g ä n g e aus einer Verfassung in die andre entstehn gewöhnlich nicht plözlich, sondern die Veränderung wird erst Constitutionen nachdem sie schon lange vorher in der Verwaltung und den Sitten vorhanden gewesen. IV,5. (Dies stimt ganz mit Plato's Revolutionslehre). Die R e v o l u t i o n e n entstehen im allgemeinen daher wenn der Antheil an der Regierung nicht nach der Voraussezung (υποληψις)

3 Zwek] korr. aus Ziel 6 Literatur] Literat. 16 Tyranei] Tiranei 23f Revolutionslehre)] Revolutionslehre 25 R e v o l u t i o n e n ] R e v o l u t . 2 6 Regierung] Reg. 2 6 (υποληψις)] (υποληψις 1 Vgl. Aristoteles: Politica 1335b,32-37, ed. Sylburgius 213,17-21; ed. Ross 247 2 Vgl. Aristoteles: Politica 1336a,41-1336b,2, ed. Sylburgius 215,2f; ed. Ross 249 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1337a,21-24, ed. Sylburgius 217,2-A; ed. Ross 252 6 Vgl. Aristoteles: Politica 1337b,23-25, ed. Sylburgius 218,llf; ed. Ross 253 6 Vgl. Platon: Politeia 2,376c-3,403c, Opera 6,237-296; Werke 4,152-234 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1338b,4-8, ed. Sylburgius 220,10-13; ed. Ross 256 8 Vgl. Aristoteles: Politica 1340b,33-1341b,18, ed. Sylburgius 226,5-228,6; ed. Ross 263-265 12 Vgl. Aristoteles: Politica 1266b,38-1267a,2, ed. Sylburgius 39,9-13; ed. Ross 44 16 Vgl. Aristoteles: Politica 1286b,8-22, ed. Sylburgius 90,4-17; ed. Ross 102 23 Vgl. Aristoteles: Politica 1292b,11-17, ed. Sylburgius 106,3-8; ed. Ross 120f 23f Vgl. oben Anm. zu 32,22

Notizen

zu Aristoteles:

Politik

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eines jeden eingerichtet ist. Mit andren Worten aus der reellen Ungleichheit (το ανισον) die der personalen nicht angemessen ist (τοις ανισοις ουκ αναλογον) V,1 (eine Definition der Mißgunst.) Die Revolutionen sind theils t o t a l e wo ein a n d r e s S y s t e m , theils partiale wo eine andre Abstufung des nemlichen Systems entstehn soll V,l. Der Staat wird gewöhnlich in die Streitigkeiten der Vornehmen verwikelt V,4 (Das ist das nemliche was Plato so ausdriikt: der regierende Theil müsse unter sich uneins seyn). Diejenigen erregen gewöhnlich Unruhe welche dem Staat eine neue Macht verschaft haben V,4 (Dann ist die reelle Ungleichheit der personellen nicht mehr angemessen.) Revolutionen werden entweder durch Gewalt oder List bewirkt oder durch beide in verschiedenen Perioden. V,4. Die D e m o k r a t i e verwandelt sich ehemals in Tyrannei; jezt in Demokratie der lezten Art oder in Oligarchie indem die Demagogen die Reichen zur Vereinigung zwingen V,5. Die O l i g a r c h i e entweder in Demokratie durch Uneinigkeit der Oligarchen, oder in Tyrannei durch einzelne ruinirte Subjekte; eine in sich einige ist sehr fest V,6. A r i s t o k r a t i e u n d R e p u b l i k gehen entweder in das über, wozu sie sich neigen oder in das entgegengesezte. V,7. Die Gefahr muß entfernt aber imer als nahe vorgestellt werden. V,8. ad 2. doppeltes Hülfsmittel der T y r a n n e n sich zu erhalten V , l l . Aristoteles tadelt Plato's Revolutionslehre als zu bestirnt in Absicht auf Ursach und Ausgang und daß es gar kein Verwerfen der Tyranei gebe als um den Cirkel voll zu machen in die beste Verfassung V,12. | 1 Mit] korr. aus mit 3 Mißgunst.)] Mißgunst. korr. aus VI 14 4] korr. aus 5

4 Revolutionen] Revolut.

11 V]

3 Vgl. Aristoteles: Politica 1301a,25-1301b,4. 1301b,26f, ed. Sylburgius 128,22-129,11. 130,1-3; ed. Ross 146f. 147f 6 Vgl. Aristoteles: Politica 1301b,6-26, ed. Sylburgius 129,12-130,1; ed. Ross 147 8 Vgl. Aristoteles: Politica 1303b,17-1304a,17, ed. Sylburgius 134,21-135,26; ed. Ross 153f 8f Vgl. Piaton: Politeia 8,545d, Opera 7,187f; Werke 4,644 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1304a,17-38, ed. Sylburgius 135,26-136,17; ed. Ross 154f 14 Vgl. Aristoteles: Politica 1304b,7-18, ed. Sylburgius 136,24-137,6; ed. Ross 155f 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1304b,20-1305a,15. 1305a,28-34, ed. Sylburgius 137,8-138,8. 138,20-25; ed. Ross 156f 2 0 Vgl. Aristoteles: Politica 1305b,l-1306a,12, ed. Sylburgius 139,3-140,21; ed. Ross 158-160 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1307a,20-27, ed. Sylburgius 143,13-19; ed. Ross 163 23 Vgl. Aristoteles: Politica 1308a,24-35, ed. Sylburgius 146,2-11; ed. Ross 166 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1313a,34-1315b,10, ed. Sylburgius 158,25-164,9; ed. Ross 181-187 27 Vgl. Aristoteles: Politica 1316a,l-1316b,27, ed. Sylburgius 165,9-167,10; ed. Ross 188-191

Notizen zu Aristoteles:

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Beurtheilung andrer

Politik

Verfassungen

1. In Sparta herrscht ein falsches Verhältniß gegen die dienende Klaße und auch gegen die Weiber welche Lykurg nicht gewinnen konnte 11,7. (Doch tadelt er den Plato über seine Einrichtung mit den Weibern bloß als Neuerung ob er gleich zugiebt, daß die Weiber die Hälfte des Staats sind 11,5). ad 1. Die h ö c h s t e O b r i g k e i t muß nie aus der armen Klaße genomen werden weil diese immer feil ist, gegen die Ephoren 11,7. 2. Aristoteles gesteht, daß in A t h e n die Seemacht die erste Ursach der völligen Demokratie gewesen. 11,10. 3. Piatos Grundsaz die Anzahl der Erbtheile unverändert zu erhalten hat schon Philolaus von Korinth Gesezgeber der Thebaner gehabt s. Aristoteles 11,10. |

Definitionen 1. S t a a t s v e r f a ß u n g ist eine gewiße Anordnung (τάξις) derer die den Staat bewohnen. 111,1. 2. B ü r g e r ist der welcher Theil hat an Gericht und Regierung (κρίσεως και αρχής). Dies wird hernach erweitert: derjenige der das Recht hat (εξουσία) Theil zu nehmen an den berathschlagenden und gerichtlichen Collégien. 111,1. 3. α ρ χ η in der Bedeutung von Obrigkeit theilt Aristoteles in διηρημενας und αορίστους. Die ersteren sind die eigentlichen αρχαι (administrative Gewalt, deren Geschäft und Zeit bestirnt ist) leztere der δικαστής und εκκλησιατης. Doch paßt diese Eintheilung nur auf Demokratien, denn in den übrigen ist auch die richterliche und beratschlagende Gewalt unter bestirnte Collégien vertheilt 111,1. Hier ist eine deutliche Spur von der Unterscheidung der drei Gewalten. 3 Klaße] folgt welche

3 Lykurg] Lyk. ; korr. aus A

4 Vgl. Aristoteles: Politica 1269a,36-1269b,39. 1270a,6-8, ed. Sylburgius 45,22-47,4. 47,10-12; ed. Ross 51-53 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1266a,34-36. 1269a,14-19, ed. Sylburgius 37,25-28. 45,3-7; ed. Ross 42. SOf 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1270b,6-10, ed. Sylburgius 48,18-22; ed. Ross 54f 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1274a,12-15, ed. Sylburgius 57,25-27; ed. Ross 65 12f Vgl. z.B. Piaton: Nomoi 5,740b-741e, Opera 230-234; Werke 8/1,316-322 14 Vgl. Aristoteles: Politica 1274b,2-5, ed. Sylburgius 58.2S-28; ed. Ross 66 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1274b,38, ed. Sylburgius 60,llf; ed. Ross 67 18f Vgl. Aristoteles: Politica 1275a,22f, ed. Sylburgius 61,Sf; ed. Ross 68 19-21 Vgl. Aristoteles: Politica 1275b,17-20, ed. Sylburgius 62,7-9; ed. Ross 70 22-25 Vgl. Aristoteles: Politica 1275a,23-26, ed. Sylburgius 61,6-9; ed. Ross 68 27 Vgl. Aristoteles: Politica 1275b,5-17, ed. Sylburgius 61,24-62,7; ed. Ross 69

Notizen

zu Aristoteles:

Politik

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Man sieht ferner wie Aristoteles Grundideen ihn beständig auch wider Willen zur Demokratie hinziehn. 4. Der S t a a t ist eine προς αυταρκειαν ξωης hinlängliche Menge von Bürgern, ibd. 5. αρετή - eben das was Plato das δίκαιον ist: Die sittliche Tugend ist nicht die bürgerliche Tugend, denn man kann ein guter Bürger seyn ohne das zu besizen was die sittliche, vollkommene (τελεία) Tugend ausmachte; die bürgerliche Tugend besteht in der Fertigkeit gut zu herrschen, und gut zu gehorchen; in sofern aber die Fertigkeit gut zu herrschen die sittliche Tugend erfodert (welches Aristoteles aber unentschieden läßt, und in der Folge sich mehr dawider erklärt) so ist sie zugleich die eigenthümliche (bürgerliche) Tugend des herrschenden Theils. 111,3. ad 1. S t a a t s v e r f a s s u n g ist die Anordnung des Staats und der höchsten Gewalt κυρίας αρχής 111,4. ad 3. ά ρ χ η Bedeutung Herrschaft. 1. die despotische auf das Beste des Herrschenden 2.) die häusliche und bürgerliche auf die des Beherrschten und nur per accidens auf die des Herrschers. Durch dieses Verhältniß per accidens entsteht die Herrschsucht 111,4. Dies stimt mit Plato daß jeder herrschende doch auf die Dauer seiner Herrschaft sähe. 6. ισον και δίκαιον. Das gleiche ist nur für gleiche gerecht und das Verhältniß im Staat muß nach dem Beitrag eines jeden zu dem Zwek des Staats sich richten. Dieser ist nicht das Wolleben, sonst hätte die Oligarchie recht, sondern das εΰ ζην 111,6. ad 6. Ein Vorzug bringt nur dann eine Ungleichheit hervor, auf welche bei Bestimmung des Rechts Rüksicht genommen werden muß, wenn der Gegenstand desselben etwas zum gemeinschaftlichen Geschäft beiträgt. 111,8. ad 2. B ü r g e r ist der welcher in die abwechselnde Gemeinschaft des Herrschens und Gehorchens da aufgenommen werden kann wo es auf ein gutes Leben abgesehen ist. 111,8. 16 Bedeutung] Bed. 16 despotische] desp. 18 nur] folgt (auf) accidens] ρ acc 25 Oligarchie] über (Demokratie)

18 u. 19 per

4 Vgl. Aristoteles: Politica 1275b,20f, ed. Sylburgius 62,9f; ed. Ross 70 13 Vgl. Aristoteles: Politica 1276b,31-35. 1277a,25-27. 1277b,16-30, ed. Sylburgius 65,7-11. 66,10-13. 67,9-22; ed. Ross 73. 75f 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1278b,8-11, ed. Sylburgius 69,17-20; ed. Ross 78 19 Vgl. Aristoteles: Politica 1278b,32-1279a,16, ed. Sylburgius 70,10-71,4; ed. Ross 79f 19-21 Vgl. z.B. Piaton: Politeia 7,519c521b, Opera 7,137-141; Werke 4,568-574 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1280a,7-1281a,10, ed. Sylburgius 73,10-75,27; ed. Ross 82-86 29 Vgl. Aristoteles: Politica 1283a,9-22, ed. Sylburgius 81,4-16; ed. Ross 91f 32 Vgl. Aristoteles: Politica 1283b,42-1284a,3, ed. Sylburgius 83,13-16; ed. Ross 94

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Notizen

zu Aristoteles:

Politik

7. Die P o l i t i k umfaßt nicht nur die Lehre vom Ideal sondern muß auch Regeln zum Verhalten in konkreten Fällen geben. - Auch hier streitet Aristoteles mit Plato ohne ihn zu nennen IV, 1, so wie er gleich darauf mit ihm übereinstimt ohne ihn zu nennen. ad 1. Die S t a a t s v e r f a ß u n g ist die L e b e n s a r t des Staats IV,11. Dies coincidirt sehr mit Plato's Maxime die Staatsverfassung nach Sv der I Sitte zu charakterisiren. ad 3. α ρ χ η in der Bedeutung Obrigkeit. Aristoteles gesteht daß es schwer ist sie genau zu definiren: am Ende sagt er: es sind diejenigen bürgerlichen Vorsteher, welche dazu gesezt sind etwas anzuordnen επιταττειν. IV, 15. |

ir

B e g r i f , Z w e k und E n t s t e h u n g des S t a a t e s NB. Die ganze erste Entwikelung des Begriffs aus den Elementen sollte gar nicht zu einer eigentlichen Definition führen, kann es auch unmöglich denn durch die Elemente unterscheidet sich πολις nicht von κωμη, durch die bloße Menge auch nicht, denn sonst müßte die α υ τ α ρ κ ε ι α welche der Charakter von πολις ist ein unendliches seyn, [von] Aristoteles selbst das Gegentheil behauptet. Sie wurde bloß vorgenommen um den Unterschied zwischen Sklaven und Freien, despotischer und bürgerlicher Herrschaft im voraus festzusezen. Vielleicht wollte er zugleich eine Stufenleiter der Bedürfniße und also der Geschichte der Gesellschaft zeichnen: Instinkt - Ehe; tägliches Bedürfniß - Haushaltung; ferneres Bedürfniß - Horde; εύ ζην (welches aber erst spät vorkomt) - Staat. 1. L. 1 cp. 2. Κοινωνία τελειος πάσης έχουσα πέρας της αυταρ-

4 darauf] df 5 IV] VI 7 Sitte] der Sitte ; über der Zeile Définit. 8 Bedeutung] Bed. 19 zwischen] zw22 Gesellschaft] Gesellsch. 24 vorkomt)] vorkomt 25 τελειος] mit Einfügungszeichen über der Zeile l f Vgl. Aristoteles: Politica 1288b,3S-1289a, 11, ed. Sylburgius 96,12-28; ed. Ross 109f 3 Vgl. Aristoteles: Politica 1288b,39f, ed. Sylburgius 96,16f; ed. Ross 109. Piaton entwirft seine Staatslehre am Bild des idealen Staates (vgl. Piaton: Politeia 2,367e-7,S41b, Opera 6,227-7,181; Werke 4,122-636). 3f Vgl. Aristoteles: Politica 1289a,11-13, ed. Sylburgius 96,28-97,2; ed. Ross 110 mit Piaton: Nomoi 6,751a, Opera 8,249; Werke 8/1,340 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1295a,40-129Sb,l, ed. Sylburgius 113,23; ed. Ross 129 6f Vgl. z.B. Piaton: Politeia 2,368e-369a. 4,427d-445e. 8,543a-9,576b, Opera 6,229f. 342-380. 7,183-248; Werke 4,124-126. 302-364. 638-738 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1299a,14f. 25-28, ed. Sylburgius 123,7f. 16-19; ed. Ross 139f 1 3 - 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1252a,24-1253a,l, ed. Sylburgius 2,5-3,17; ed. Ross 1-3 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1252b,28-30, ed. Sylburgius 3,11-13; ed. Ross 3

Notizen zu Aristoteles: Politik

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κειας aber hier nur vorläufig γινομένη μεν του ζην ενεκεν ουσα 0ε του ευ ζην. 2 . Der S t a a t i s t e h e r als der einzelne nemlich der vollendete einzelne s. Anm. 3. Die B e u r t h e i l u n g d e s g e r e c h t e n ist eine Anordnung des S t a a t s . Doch wird der Begriff der Gerechtigkeit nicht empirisch gemacht sondern nur die mögliche Entscheidung über die rechte Anwendung des Begriffs - Wenn es also vorher heißt η δικαιοουνη πολιτικόν L. 1,2. 4 . Aristoteles charakterisirt den a u ß e r b ü r g e r l i c h e n Z u s t a n d als die bewafnete Ungerechtigkeit; lezteres W o r t kann hier nichts andres heißen als das, was nicht sanktionirt ist: der S t a a t ist also ein Zustand, w o es keine Gewalt giebt (auch kein Vermögen; denn zu den Waffen rechnet er auch die Klugheit und Vollkomenheit) für den Willen des einzelnen L. 1,2. 5. Die b ü r g e r l i c h e H e r r s c h a f t wird [erst verglichen] durch die Herrschaft des Verstandes über die Begierden L. 1,3. V o n dieser Idee gehn Plato und Aristoteles aus, trennen sich aber gleich. Plato meint: es müße also entweder einen Menschen geben welcher nichts als Verstand, wenigstens in Rüksicht auf die festzusezenden Dinge nichts als Verstand sei (das sind seine Regenten in der Republik.) oder es müße gar kein Mensch die Herrschaft haben sondern ein todter Verstand, das Gesez. (Dies ist das Ideal von dem Begriff des Gesezes) Aristoteles 6 Doch] korr. aus Doh 7 rechte] korr. aus [di] aus welches 23 Begriff des Gesezes] B. d. G.

12 was] ws

19 welcher] korr.

3f Vgl. Aristoteles: Politica 1253a,25f, ed. Sylburgius 4,10f; ed. Ross 4 4 „Kp. 2. P. 1 v. 1 Osqs ότι μεν ούν ή πολις φνσει προτερον ή έκαστος δηλον... Eine Edition liest anfangs και φύσει και προτερον: das scheint auf den ersten Anblik einerlei zu seyn, ists aber im Grunde nicht. Die leztere Lesart besagt weit mehr, sie sagt schlechthin der Staat sei προτερον, das kann wenn es anders einen vernünftigen Sinn haben soll nichts anders heißen als: gehe in der Reihe der Menschen so weit hinauf als Du willst so wirst Du nie einen außerhalb des Staats finden. Diesen Saz widerlegt die Erfahrung; aber nicht deswegen ziehe ich die erste Lesart vor, sondern weil sie weit mehr an die eigentümliche Idee des Aristoteles sich anschließt. Sie besagt nemlich nicht daß der Staat eher sei als jeder einzelne, sondern nur eher als der vollendete einzelne, eher als der, welcher wirklich seine Natur d.h. seine vollkomne Bestimmung erreicht. Dahin paßt auch das vorhin angeführte Gleichniß von Hand und Fuß; nemlich wenn auch das Ganze aufgehoben wird so kann noch hand und fuß da seyn, aber außer ihrer Natur und Bestimmung, das ist was Aristoteles das όμωνυμον nennt." (SN 151/2, Bl. lf) 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1253a, 37-39, ed. Sylburgius 4,20-22; ed. Ross 4 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1253a,31-35, ed. Sylburgius 4,15-19; ed. Ross 4 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1254b,2-6, ed. Sylburgius 7,7-10; ed. Ross 7f 18-23 Vgl. dazu Piaton: Politikos 294a-301a, Opera 6,81-96; Werke 6,522-542 und Nomoi 9,874e-875d, Opera 9,47-49; Werke 8/2,240-242

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Notizen

zu Aristoteles:

Politik

hingegen meint durch eine auf gewiße Weise angeordnete gemeinschaftliche Berathschlagung schon das zu erlangen daß das Resultat ein Resultat des Verstands sei. 6. Die S t a a t s k u n s t ist die Herrschaft über freie und gleiche L. 1,4. Diese Definition läßt sich mit der vorigen vom Staat nur durch Kenntniß von Aristoteles moralischer Idee vereinigen. Nemlich die Vernunft herrscht über die Begierden nur indem sie die gleichmäßigen Rechte derselben anerkennt und vereinigt; bei Plato auf eine ganz andere Weise, darum weiß auch der von dieser Gleichheit nichts und giebt also auch den Beherrschten keinen Theil an der Gesezgebung. 7. Die G ü t e d e s S t a a t s steht nicht im graden Verhältniß mit der E i n h e i t desselben; eine zu große Einheit löst den Staat auf 2 , 1 . Dies gegen das Princip woraus Piatos Weibergemeinschaft gefloßen seyn soll. Diese hängt aber vornemlich von 2 Grundsäzen ab: a.) Eine jede Revolution entsteht aus der Uneinigkeit des herrschenden Theiles, ν darum muß | unter diesen so viel möglich Einheit des Willens herrschen b. ad 1. Der S t a a t unterscheidet sich von einem Β ü η d η i ß dadurch daß erster aus unähnlichen besteht, lezteres aus ähnlichen und also nur durch die Quantität stark ist 11,1. Die Staatsverfassung ist das eigentliche Wesen des Staats, denn der Staat besteht in einer gewißen Art der Gemeinschaft; wenn diese sich ändert, so ist der Staat nicht mehr der nemliche 111,2. ad 2. Die Bestimung des Menschen zur bürgerlichen Gesellschaft beruht nicht allein auf dem Bedürfniß der gegenseitigen Hülfe, doch ist diese der gewöhnlichste Zwek der bürgerlichen Gesellschaft 111,4. (Dieses stimt genau mit dem oben gesagten 1,1 γινομένη μεν του ζην, ουσα δε του ευ ζην). ad 1. Der Staat ist η του ευ ζην κοινωνία και ταις οικιαις και τοις γενεσι, ζ ω η ς τελείας χάριν και αυταρκους. Dabei komt es aber nicht auf das bloße Zusammenleben an, das betrift nur die Freundschaft (also auch nicht bloß auf die innere Sittlichkeit) sondern auf die 5 Definition] Def. 7 Vernunft] Vnft. 16 unter] über der Zeile B e g r i f , Z w e k und E n t s t e h u n g des S t a a t s 26 der bürgerlichen] über der Zeile Errichtung 31 Freundschaft] Frdschf. 32 Sittlichkeit] Sitk. 4f Vgl. Aristoteles: Politica 1255b,20, ed. Sylburgius 10,7f; ed. Ross 11 8f Vgl. dazu Piaton: Politeia 4,437b-444e, Opera 6,362-378; Werke 4,334-360 12 Vgl. Aristoteles: Politica 1261a,10-22, ed. Sylburgius 24,6-17; ed. Ross 26f 1 4 - 1 7 Vgl. z.B. Piaton: Politeia S,461e-462e, Opera 7,28-30; Werke 4,406-408 20 Vgl. Aristoteles: Politica 1261a,22-27, ed. Sylburgius 24,17-21; ed. Ross 27 23 Vgl. Aristoteles: Politica 1276b,1-4, ed. Sylburgius 64,8-11; ed. Ross 72 26 Vgl. Aristoteles: Politica 1278b,15-30, ed. Sylburgius 69,23-70,8; ed. Ross 78f 27 Vgl. oben 38,25-39,2

Notizen

zu Aristoteles:

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Handlungen κάλων πράξεων. 111,6. Dies muß also der M a a ß s t a b der bürgerlichen Gleichheit und Ungleichheit seyn ad 2. Die Entstehung einer Verfassung ist selten das Resultat einer gemeinschaftlichen Berathschlagung sondern die Uebermacht ist der Kampfpreis der streitenden Partheien I V , 1 1 . (Dies stimmt mit Plato). ad 1. Der S t a a t ist eine Gesellschaft ä h n l i c h e r W e s e n zur Erlangung des besten Lebens VII,8. (Diese dem vorigen widersprechende Definition macht er, weil er die eigentlichen Theile des Staats von den unentbehrlichen Hiilfsmitteln unterscheiden will). |

Grundideen 1. W e n n i m m e r d i e n e m l i c h e n h e r r s c h e n könnten, so wäre es besser; da aber alle der Natur nach gleich sind, so ist es auch gerecht daß alle am Herrschen gleichen Theil haben 11,1. 2. Die g l e i c h e V e r t h e i l u n g d e s V e r m ö g e n s kann zwar die erste Art der Revolutionen verhüten und diejenigen Ungerechtigkeiten welche aus der Begierde nach dem nothwendigen entstehn, aber nicht die weit größeren die aus der Begierde nach dem Ueberfluß entspringen. 11,5. 3. W o ein besonderer S t a n d d e r B e w a f n e t e n ist, da kann auch nur er allein die regierende Klaße seyn. 11,6. 4. Ein R i c h t e r dem ein Mittel erlaubt ist zwischen dem simpeln Verdammen oder Lossprechen ist eigentlich nur ein Schiedsrichter

11,6.

5. Es ist beßer kleine F e h l e r in d e r G e s e z g e b u n g stehn zu laßen, weil man durch ihre Verbeßerung weniger gewinnt, als man durch die Gewöhnung an Leichtsinn und Ungehorsam verliert. 11,6. 7. Das G e s e z h a t k e i n e a n d r e M a c h t sich Gehorsam zu

5 Plato)] Plato 1 Vgl. Aristoteles: Politica 1280b,29-1281a,8, ed. Sylburgius 75,9-25; ed. Ross 85 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1296a,27-32, ed. Sylburgius 115,28-116,4; ed. Ross 131 5 Vgl. Piaton: Nomoi 4,715a-b, Opera 8,183; Werke 8/1,252 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1328a,35-37, ed. Sylburgius 195,25f; ed. Ross 224 13 Vgl. Aristoteles: Politica 1261a,37-1261b,6, ed. Sylburgius 25,2-9; ed. Ross 27f 18 Vgl. Aristoteles: Politica 1267a,37-1267b,5, ed. Sylburgius 40,17-24; ed. Ross 45f 20 Vgl. Aristoteles: Politica 1268a,16-29, ed. Sylburgius 42,14-26; ed. Ross 47f 23 Vgl. Aristoteles: Politica 1268b,4-6, ed. Sylburgius 43,13-15; ed. Ross 49 2 6 Vgl. Aristoteles: Politica 1269a,14-18, ed. Sylburgius 45,3-7; ed. Ross 50f

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Notizen zu Aristoteles: Politik

verschaffen als die G e w o h n h e i t und diese hängt von der Länge der Zeit ab 11,6. Hier stimt also Aristoteles mit Plato. 8. Wenn ein Staat erhalten werden soll, so müßen a l l e T h e i l e in i h r e m Z u s t a n d zu b l e i b e n w ü n s c h e n ; daraus folgt einiger Antheil des Volks an der Regierung 11,7. 9. Man muß die würdigen zwingen die Staatsämter anzunehmen 11,7 wie Plato die Philosophen zwingt zu regieren. 10. Ein Staat muß eine f e s t e C o n s t i t u t i o n haben, welche nicht Faktionen und Revolutionen begünstigt oder veranlaßt (gegen Kreta 11,8). 11. Es können bisweilen außerordentliche Dinge in einem Staat nöthig seyn, aber sie müßen auch unter Gesezen stehen 11,10. 12. Es ist populärer und politischer die Zahl der Obrigkeitlichen Personen zu vermehren, und überall nöthig daß so viel möglich einer nicht mehrere Aemter hat. 11,9. Dies stimt mit Plato. ad 10. In der e r s t e n E i n r i c h t u n g d e s S t a a t s muß schon f ü r d i e b e s t ä n d i g e R u h e gesorgt werden; sie muß nicht von zufälligen prekären Hülfsmitteln abhängen 11,9. ad 1. Das H e r r s c h e n ü b e r g l e i c h e u n d f r e i e lernt sich nur durchs gehorchen 111,3. Dies stimt ganz mit Piatos Aeußerung daß die welche am besten zu gehorchen verstehn die besten Diener der Geseze sind, will aber nicht recht zu jener ersten Erklärung paßen, besonders da das Herrschen nicht selbst wie bei Plato ein bloßes Dienen ist. 11. Sklaven haben keinen Staat weil sie des ζην κατα προαιρεσιν und der Glükseligkeit unfähig sind. 111,6. 12. Die G l e i c h h e i t besteht in nichts anderem als in der gleichen Freiheit 111,6. 13. Sobald sich Menschen um eine g e m e i n s c h a f t l i c h e auf alles

6 Staatsämter] korr. aus [Staatsmänner]

10 8)] 8

18 II] korr. aus 2

2 Vgl. Aristoteles: Politica 1269a,20-22, ed. Sylburgius 45,8-10; ed. Ross 51 2 Vgl. z.B. Piaton: Nomoi 7,793a-d, Opera 8,330f; Werke 8/2,16-18 5 Vgl. Aristoteles: Politica 127Ob,21-26, ed. Sylburgius 49,3-8; ed. Ross 55 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1271a, llf, ed. Sylburgius 50,2f; ed. Ross 56 7 Vgl. Piaton: Politeia 7,519c-521b, Opera 7,136-141; Werke 4,568-574 10 Vgl. Aristoteles: Politica 1272b,1-15, ed. Sylburgius 53,17-54,1; ed. Ross 60f 12 Vgl. Aristoteles: Politica 1274b,2-26, ed. Sylburgius 58,25-59,19; ed. Ross 66f 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1273b,8-15, ed. Sylburgius 56,10-17; ed. Ross 63f 15 Vgl. z.B. Piaton: Politeia 2,370b-c, Opera 6,232; Werke 4,130 18 Vgl. Aristoteles: Politica 1273b,18-24, ed. Sylburgius 56,19-25; ed. Ross 64 2 0 Vgl. Aristoteles: Politica 1277b,8-13, ed. Sylburgius 67,2-6; ed. Ross 75f 2 0 - 2 2 Vgl. dazu Piaton: Nomoi 7,762e, Opera 8,273; Werke 8/1,372 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1280a,32-34, ed. Sylburgius 74,3-5; ed. Ross 83 27 Vgl. Aristoteles: Politica 1280a,11-25, ed. Sylburgius 73,13-25; ed. Ross 83

Notizen

zu Aristoteles:

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sich erstrekende G e s e z g e b u n g bekümmern, so ist bürgerliche Tugend und Laster ihr Augenmerk 111,6, sonst wäre der Staat nur ein durch Einheit des Orts sich auszeichnendes Bündniß, welches durch Sprachgebrauch widerlegt wird. NB NB NB | 14. Das e i g e n t l i c h e P r o b l e m der Politik ist: die höchste Gewalt so einzurichten, daß keiner sie sich zur Unterdrükung der übrigen zu Nuzen machen kann. 111,7. Eine bloße Herrschaft des Gesezes (ohne den Inhalt desselben zu bestimmen) scheint dem Aristoteles keine Auflösung zu seyn denn das Gesez selbst kann aus verfehlten Principien kommen. 15. Die M e n g e kann zum H e r r s c h e n in Masse recht gut seyn, weil da alle einzelnen Theilchen von Verstand und Tugend zusammenkommen 111,7. Die Unterscheidung des Antheils den die Menge eigentlich haben darf komt also doch nur aus dem moralischen Princip. Die M e n g e ist geschikt die Administration zu beurtheilen, weil sie wenn sie auch nicht der Arzt ist doch den Arzt gebraucht hat. ibid. Die M e n g e bekomt durch den Antheil an der berathschlagenden und richterlichen Gewalt keine zu große Macht, denn der Wichtigkeit der Sache ist auch die Menge des zusamenkomenden Verstands, und der Unbeträchtlichkeit jedes einzelnen, der geringe Antheil den jeder an der Ausübung dieser Gewalt hat angemessen 111,7. 16. Von dem Regenten muß nur dasjenige abhängen, was das Gesez nicht bestimmen kann. 111,7. Diese Abweichung vom Plato ist zwar bestirnt ausgedrükt, aber nicht hinlänglich motivirt denn die Schwierigkeit von der er sie ableitet war schon gelöst. 17. Tugend Freiheit und Vermögen tragen zur Existenz des Staats bei; Tugend und Geistesbildung παιδεία zum guten Leben 111,8 (Da das gute Leben der Zwek des Staats ist, so will Aristoteles soviel sagen: Moralische Fähigkeit, Freiheit und Eigenthum machen das gute Leben möglich; Tugend und Bildung machen es wirklich.) 1 bürgerliche] mit Einfügungszeichen 5 14.] über der Zeile Grundideen 31 wirklich.)] wirklich.

über der Zeile 4 Sprachgebrauch] korr. aus E 9 seyn] folgt (ds muß) 17 der] korr. aus s

2 Vgl. Aristoteles: Politica 1280b,5-13, ed. Sylburgius 74,15-22; ed. Ross 84 Aristoteles: Politica 1281a,11-39, ed. Sylburgius 75,28-76,24; ed. Ross 86f Aristoteles: Politica 1281a,42-1281b,7, ed. Sylburgius 76,27-77,6; ed. 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1281b,38-1282a,23, ed. Sylburgius 78,5-27; ed. 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1282a,24-41, ed. Sylburgius 78,28-79,16; ed. 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1282b,3-6, ed. Sylburgius 79,18-21; ed. 2 4 Vgl. z.B. Piaton: Politikos 292b-301a, Opera 6,77-96; Werke 28 Vgl. Aristoteles: Politica 1283a,16-26, ed. Sylburgius 81,9-19; ed. Ross

7 Vgl. 13 Vgl. Ross 87 Ross 88f Ross 89f Ross 90 6,516-542 92

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Notizen

zu Aristoteles:

Politik

ad 13. Eine gemeinschaftliche Gesezgebung findet nur zwischen denen Statt welche der Art und der Anlage nach (γενεί και δυνάμει) gleich sind 111,9. (δυναμις ist hier soviel als vorher φύσις.) Bei Aristoteles komt auch eine E i n t h e i l u n g d e r E i n r i c h t u n g d e s S t a a t s in πολιτεία und νομούς vor; er rechnet zu der lezten alles, was nicht die Organisation der höchsten Gewalt betrift 111,11. 18. Die u n u m s c h r ä n k t e H e r r s c h a f t d e s G e s e z e s ist beßer als die einer Person, weil die Person auch nicht alles einzelne bestimmen kann (gegen Piatos Politikos). 19. Die gesezgebende Macht der Person (βουλευτική) muß sich nur aufs einzelne beziehn, wo das Gesez nicht hinreicht 111,11. ad 19. Zur nöthigen g e s e z g e b e n d e n M a c h t der Personen schikt sich eine Mehrheit beßer als eine Einheit, weil sie nicht so leicht verdirbt 111,11. 20. Was für eine Staatsform die beste sei, das beruht auf dem Grade der Kultur des Volks 111,12. Wo lauter Dekrete sind, da ist keine Constitution IV,4. Aus einem bloß scheinbar Guten erwächst allemal endlich ein reelles Uebel IV,12. Dies ist eine gänzliche V e r w e r f u n g a l l e r P a l liative. Der Staat ist vollkomen, wenn seine Bürger vollkommen sind. Es fragt sich also, wie wird der Mensch vollkommen? VII,13. (Hier ist er ganz aus der Vergleichung mit dem Individuo herausgegangen). | 20. A c h t v e r s c h i e d e n e n o t h w e n d i g e T h e i l e des Staats IV,4. (Aristoteles stellt den Plato zur Schau mit seinen vier Handwerken und stellt ihm seinen Zwek ευ ζην entgegen ohne zu bedenken daß aller Anfang gering ist, und daß er selbst vom Staat gesagt hatte γι2 γενεί] korr. aus [και] 3 φύσις.)] φύσις. 8 einer] korr. aus eines ; folgt (einzelnen) 9 Politikos)] Politikos 1 1 Gesez] Gsz 16 III] korr. aus II 23 Vergleichung... herausgegangen)] unten auf 2r 2 4 20.] über der Zeile Grundideen

3 Vgl. Aristoteles: Politica 1284a,11-13, ed. Sylburgius 83,25-27; ed. Ross 95 3 Vgl. oben 27,6-8 6 Vgl. Aristoteles: Politica 1286a,2-4, ed. Sylburgius 88,19-21; ed. Ross 100 7-9 Vgl. Aristoteles: Politica 1286a,16-20, ed. Sylburgius 89,4-7; ed. Ross 101 9 Vgl. Piaton: Politikos: 293e-300a, Opera 6,81-94; Werke 6,522-540 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1286a,21-24, ed. Sylburgius 89,8-10; ed. Ross 101 14 Vgl. Aristoteles: Politica 1286a,24-1286b,l, ed. Sylburgius 89,11-26; ed. Ross 101 16 Vgl. Aristoteles: Politica 1288a,6-15, ed. Sylburgius 94,3-11; ed. Ross 107 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1292a,23-37, ed. Sylburgius 105,6-18; ed. Ross 119f 19 Vgl. Aristoteles: Politica 1297a,lOf, ed. Sylburgius 118,2f; ed. Ross 133 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1332a,3-32, ed. Sylburgius 204,11-205,6; ed. Ross 235f 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1290b,38-1291a,40, ed. Sylburgius 101,22-103,5; ed. Ross 115-117 2 7 - 1 Vgl. Aristoteles: Politica 1252b,29f, ed. Sylburgius 3,12f; ed. Ross 3

Notizen zu Aristoteles:

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νομενη του ζην ενεκα)[.] Von diesen sind nur reich und arm beständig entgegengesezt und unvereinbar - wie er den Bestandtheil arm herausbringt, das geht sehr wunderbar zu: er will imer das systematische erzwingen. 21. Die möglichen U n t e r a r t e n d e r S t a a t s f o r m e n müßen sich ergeben aus den verschiedenen möglichen Verbindungen der wesentlichen Theile IV,4. (wird aber hernach gar nicht aus diesem Princip, sondern ganz unwillkiihrlich abgeleitet.) (Die G ü t e einer Verfassung hängt ab von der Größe des Mittelstandes weil dieser am leichtesten der Vernunft gehorcht und am nächsten zum gliikseligen Leben gehört IV, 11.) Der S t a a t w i r d g e n a u m i t d e m I n d i v i d u o v e r g l i c h e n IV,11. (Dieses Princip hatte Aristoteles zur Bestimmung des politisch guten nicht mehr gebraucht und es scheint auch platonisch zu seyn IV). ad 20. Aus den 8 wesentlichen Theilen des Staats werden nun 3 herausgenommen und deutlich unterschieden: die g e s e z g e b e n d e G e w a l t , die v o l l z i e h e n d e περι τας αρχας, die r i c h t e r l i c h e . 20. Die b e r a t h s c h l a g e n d e G e w a l t hat auch Tod Verweisung und Confiskation unter sich, also ist sie nicht rein IV,14 20. In einem kleinen Staat muß man mehrere Geschäfte unter wenige vertheilen IV,15 (Widerspricht Plato komt aber aus einer einseitigen Ansicht her.) 20. Auch in der v o l l z i e h e n d e n G e w a l t haben die Staatsformen ihr eignes IV,15.VI,[8l. Drei verschiedene Elemente zu der Verschiedenheit der vollziehenden Gewalt. 1.) alle oder einige 2.) aus allen oder einigen 3.) gewählt oder geloost. IV,16. 2 unvereinbar] un- über der Zeile 10 Vernunft] Vnft. 11 IV] korr. aus 4 11 11.)] 11. ; korr. aus 12 13 11] korr. aus 12 IS IV] korr. aus unleserlichem Wort 2 0 14] korr. aus 11 22 Widerspricht] Widerspr. 23 her.)] her. 26 vollziehenden] vollzieh. lf Vgl. Aristoteles: Politica 1291b,7-11, ed. Sylburgius 103,11-14; ed. Ross 117 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1291b,14-30, ed. Sylburgius 103,16-104,3; ed. Ross 117f 7i Vgl. Aristoteles: Politica 1291b,30-1292b,10, ed. Sylburgius 104,3-106,3; ed. Ross 118-120 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1295b,1-39, ed. Sylburgius 113,23-115,3; ed. Ross 129f 13 Vgl. Aristoteles: Politica 1295a,34-1295b,l, ed. Sylburgius 113,17-23; ed. Ross 128f 16-18 Vgl. Aristoteles: Politica 1297b,37-1298a,3, ed. Sylburgius 120,4-11; ed. Ross 136 20 Vgl. Aristoteles: Politica 1298a,3-7, ed. Sylburgius 120,11-14; ed. Ross 136 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1299b,lf, ed. Sylburgius 124,2f; ed. Ross 140 22 Anspielung vermutlich auf Piaton: Politeia 2,369b-372c, Opera 6,230-236; Werke 4,126-138 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1299a,3-14, ed. Sylburgius 122,25-123,7; ed. Ross 139 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1322b,37-1323a,9, ed. Sylburgius 182,16-26; ed. Ross 208f 27 Vgl. Aristoteles: Politica 1300a,8-1300b,5, ed. Sylburgius 125,14-126,20; ed. Ross 142-144

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Notizen

zu Aristoteles:

Politik

20. Aristoteles sezt a c h t A r t e n v o n G e r i c h t e n fest. IV,17. Der A n t h e i l a n d e r S t a a t s v e r f a s s u n g muß keinen Gewinn bringen wenn man vor Revolutionen sicher seyn will V,8 (Dies folgt aus dem, was Aristoteles gleich Anfangs als die Entstehung der Herrschsucht angab). Dies ist auch das einzige Mittel eine Republik hervorzubringen, indem als dann nur die guten sich zur Verwaltung drängen, obgleich alle ein Recht dazu haben, ibid. In D e m o k r a t i e u n d O l i g a r c h i e ist der Staat in 2 Theile gespalten V,9. (Eben diese Behauptung von der Oligarchie tadelt Aristoteles am Plato V,12) VI,5. O l i g a r c h i e u n d D e m o k r a t i e bestehn nur dadurch daß sie nicht aufs höchste gespant werden V,9. Die F r e i h e i t als Zwek der Demokratie besteht theils in der Abwechslung des Herrschens und Beherrschtwerdens; theils in der Unabhängigkeit der Lebensart. VI,2. Auch das Regiment der Tugendhaften ist nur dann gerecht, wenn sie andern Rechnung ablegen. VI,4. Denn eine völlige Unabhängigkeit weiß das in jedem Menschen verborgene Böse nicht zu ertragen, (wie Plato). E i n t h e i l u n g d e r A e m t e r in nothwendige und mögliche. Zu den ersten: Polizei, Finanzen, Notariat, ένδεκα (lezte sollte kein besonderes Collegium [seynl) VI,8[;] die möglichen sind die militärischen. ι Die O b r i g k e i t , welche die V o l k s v e r s a m m l u n g e n z u s a m m e n b e r u f t und also die Berathschlagung lenkt ist die höchste VI,8. (Dies sind die βουλή, προβουλοι.) Die Priester werden auch zur Obrigkeit gerechnet. VI, 8. 9f (Eben . . . 5.] mit Einfügungszeichen 2 4 Die] über der Zeile G r u n d i d e e n

zwei Zeilen tiefer hinter V,9

12 aufs] fs

1 Vgl. Aristoteles: Politica 1300b,19-34, ed. Sylburgius 127,4-18; ed. Ross 144f 2-7 Vgl. Aristoteles: Politica 1308b,31-1309a,9, ed. Sylburgius 147,15-148,3; ed. Ross 168 4 Vgl. oben Anm. zu 37,19 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1310a,2-12, ed. Sylburgius 150,11-20; ed. Ross 171 10 Vgl. Aristoteles: Politica 1316b,6-14, ed. Sylburgius 166,20-27; ed. Ross 190 10 Vgl. Aristoteles: Politica 1319b,33-1320b,4, ed. Sylburgius 175,3-176,18; ed. Ross 200f 12 Vgl. Aristoteles: Politica 1310a,12-38, ed. Sylburgius 150,20-151,14; ed. Ross 171f 15 Vgl. Aristoteles: Politica 1317a,40-1317b,17, ed. Sylburgius 169,4-19; ed. Ross 193 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1318b,36-1319a,4, ed. Sylburgius 172,21-27; ed. Ross 197 18f Vgl. dazu Platon: Politela 2,358e-360d, Opera 6,209-213; Werke 4,98-102 22 Vgl. Aristoteles: Politica 1321b,12-1322b,6, ed. Sylburgius 179,8-181,17; ed. Ross 205-207 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1322b,12-17, ed. Sylburgius 181,22-27; ed. Ross 208 2 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1322b,17-25, ed. Sylburgius 181,27-182,6; ed. Ross 208

Notizen zu Aristoteles: Politik

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Die Aufsicht auf Kinder, Weiber, Spiele macht eine eigne Klaße aus, welche ich Censur nennen möchte. VI,8. Diejenigen w e l c h e s i c h im b e s t e n S t a a t befinden müßen auch durch die ihnen dadurch verliehenen Mittel das Beste thun können VII,1. (Also auch eine moralische Benuzung oder Tendenz des Staats; aber mehr negativ als positiv: sie müßen dadurch in Stand gesezt werden recht gutes zu thun, wenn sie nemlich wollen.) Dies wird noch mehr erläutert durch eine folgende Stelle: der g l ü k s e l i g ste S t a a t ist der, worin die schönsten Handlungen Stattfinden, ibid. Der S t a a t wird genau mit dem I n d i v i d u o v e r g l i c h e n VII,1 und 2, sowol was die gemeine Meinung als was die Wahrheit anbelangt. Die k r i e g e r i s c h e n E i n r i c h t u n g e n können nie der lezte Zwek der Gesezgebung seyn, weil die despotische Herrschaft über andre Staaten nicht der Zwek des Staats ist. D a s g l ü k l i c h s t e L e b e n des S t a a t s ist ein thätiges; es braucht aber nicht nothwendig ein äußerlich thätiges seyn VII,3. D e r S t a a t hat wie jedes organisirte Wesen ein gewißes M i t t e l m a a ß d e r G r ö ß e welche das maximum der Kraft ist VII,4. 30. Das maximum dieses Mittelmaaßes ist, daß es noch imer mit der nöthigen Leichtigkeit muß übersehn werden können. VII,4. (Dies gehört zu den A n f o r d e r u n g e n des G e s e z g e b e r s an d a s Schiksal.) ad 30. Das T e r r i t o r i u m muß παμφορος seyn VII,5, mit P ä s s e n versehn, a r r o n d i r t . ibid. ad 30. Der S t a a t d a r f am M e e r l i e g e n , wenn er nur den äußeren Handel einschränkt. VII,6 (Gegen Plato ohne ihn zu nennen.)

11 1] korr. aus 2 14 Herrschaft] Herrsch. aus Der 2 7 nennen.)] nennen.

15 des] korr. aus ist

16 D a s ] korr.

2 Vgl. Aristoteles: Politica 1322b,37-1323a,3, ed. Sylburgius 182,16-21; ed. Ross 208f 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1323a,17-19, ed. Sylburgius 183,8-10; ed. Ross 209 9 Vgl. Aristoteles: Politica 1323b,29-33, ed. Sylburgius 184,26-185,2; ed. Ross 211 11 Vgl. Aristoteles: Politica 1323b,29-36. 1323b,40-1324a,2. 1324a,5-13, ed. Sylburgius 184,26-185,4. 185,7-10. 185,12-19; ed. Ross 211f 1 3 - 1 5 Vgl. Aristoteles: Politica 1324b,2-1325a,10, ed. Sylburgius 186,15-187,28; ed. Ross 213-215 17 Vgl. Aristoteles: Politica 1325b,14-30, ed. Sylburgius 189,8-22; ed. Ross 216f 19 Vgl. Aristoteles: Politica 1326a,35-40, ed. Sylburgius 191,3-7; ed. Ross 219 2 1 Vgl. Aristoteles: Politica 1326b,22-25, ed. Sylburgius 191,28-192,1; ed. Ross 220 2 4 Vgl. Aristoteles: Politica 1326b,26-30, ed. Sylburgius 192,2-5; ed. Ross 220 25 Vgl. Aristoteles: Politica 1326b,39-1327a,10, ed. Sylburgius 192,12-22; ed. Ross 220f 2 7 Vgl. Aristoteles: Politica 1327a, 11^40, ed. Sylburgius 192,23-193,18; ed. Ross 221f 2 7 Vgl. Piaton: Nomoi 4,704d-705a, Opera 8,162f; Werke 8/1,222

Notiz zu Adelung „Über den Stil" (Vor 1800)

Lebhaftigkeit. Bei aller Leichtigkeit würde doch der andre gegen seinen Willen andre Gedankenfolgen einschlagen. Darum ist die Lebhaftigkeit nothwendig - die Einbildungskraft ist die HauptSache weil man nur durch diese auf Empfindung oder Verstand wirken kann; wirkt sie auf sich selbst so hat man Lebhaftigkeit im engen Verstand; wirkt sie auf den Verstand so hat man Zierlichkeit; wirkt sie auf die Empfindung so hat man das rührende. W a h l d e r W o r t e für den Verstand Metonymie Synekdoche zum Exempel. Der Schweiß des Landmanns; von einer Sonne zur andern. Der Krieg verheert Arbeit und Hoffnung, stille Schatten pflanzen. Die Unschuld wohnt in Dörfern. Die Thränen des Jammers - Das rauschende Feld voll Auferstehung - der Lorbeer erringen (blos zierlich) Synekdoche. Sein Auge wacht über uns. - nach alten Thalern schielen Empfindungen Lebhaftigkeit

1 gegen] gg l f seinen] sn 3 Einbildungskraft] Einbildungskr 3 HauptSache] HSache 4 Empfindung] Empf 8 zum Exempel] zE 12 Synekdoche] Synekd. 13 alten] alt 13 Thalern] Thaler 14 Empfindungen] Empf"

4 Vgl. Jobann Christoph Adelung: Ueber den Deutschen Styl. Erster Band. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage, Berlin 1789, S. 306 8 Metonymie (Namensvertauschung) bezeichnet den übertragenen Gebrauch eines Wortes oder einer Wendung für eine sachlich verwandte Bezeichnung (z.B. „groß und klein" für „alle"). 8 Bei der stilistischen Figur der Synekdoche wird ein Begriff durch eine verwandte, sachlich aber engere oder weitere Bezeichnung ersetzt. 11 Vgl. Adelung: Styl 1, 38 S 12 Vgl. Adelung: Styl 1, 386-388 13 Vgl. Adelung: Styl 1, 391f

Geometrie (Vermutlich

1800-1803)

[Abb. 1]

[Abb. 2] / / /

/>

Geometrie

|

Geometrie. Die niedere Geometrie hat es nur mit dem Geraden zu thun.

Wo der Kreis ist müssen die andern Curven auch sein. Er muß also in die höhere Geometrie verwiesen werden.

Die Haupterscheinung des Geraden ist die Ebene. Die Linie erscheint als Bestimmung der Ebene und der Punkt als Ort in der Linie.

Raum und Zeit müssen sich überall gegenseitig erklären. Daher erscheint die Linie als fixirte Bewegung des Punktes. Die Fläche als fixirte und bestirnte Bewegung der Linie.

Wo der bewegende Punkt seine Richtung ändert ist die Linie abgeschnitten durch eine andere. Dies ist also eine ganz einfache Anschauung.

Die Linie hat eine zwiefache Bewegung an einem Punkt und an einer Linie. Ersteres die in sich zurükgehende Bewegung lezteres die gleichlaufende Bewegung.

1. T h e o r e m . Diese beiden Bewegungen sind einander absolut entgegengesezt. 1. Die Linie AB bewegt sich an dem Orte C. Sie geht also von | Β nach D und A nach E wie D nach A und E nach Β und kehrt in sich

19 1.] am Rand 16-18 Siehe Abb. 1

21 Siebe Abb. 2

Geometrie

56

[Abb. 3)

[Abb. 4]

/ /

IAbb. 51

'ZX

I

^

[Abb. 6]

\r [Abb. 7]

A/b

Geometrie

57

selbst zuriik. Jeder Theil ihrer Bewegung ist ein Theil dieses Zuriikgehns. Sollte dies nicht sein und sie sich dennoch bewegen so müßte sie den Ort C verlassen. 2. Die Linie AB bewegt sich an der Linie DE. Die Linie D E kann angesehn werden als festgehaltene Bewegung der Linie AB um den Punkt C. Das Verhältniß beider Linien wird also bestimmt dadurch welcher Theil der in sich selbst zurükgehenden Bewegung die Bewegung BD und AE ist d.h. wie groß der Winkel bei C ist. Soll sich die Linie AB wirklich an der Linie ED bewegen so muß in ihrer Bewegung dieser Winkel derselbe bleiben d.h. wenn sie nach F gekomen ist muß DB noch derselbe Theil ihrer zurükgehenden Bewegung sein wie vorher sonst hätte sie sich um den Ort F bewegt und wäre also in jener Bewegung begriffen.

Alle Verhältnisse der Linien in ihrer Bewegung beruhn also auf den Winkeln. Da nun in der Geometrie nicht gezählt wird sondern nur verglichen so haben wir nur folgende Vergleichungspunkte. 1. unmittelbar. Wenn der Punkt Β bis nach A gekomen ist die Linie sich also wiederfindet; welches nothwendig die h a l b e B e w e g u n g ist. I Denn unterdeß ist auch der Punkt A nach Β gekomen, und beides zusammen macht die ganze Bewegung aus. A n m . Größer und kleiner als die halbe Bewegung ist nicht zu brauchen denn die Bewegung BDE erscheint nur als das kleinere auf der andern Hälfte als die Bewegung BE. 2. m i t t e l b a r . Die Viertelbewegung oder der r e c h t e W i n k e l , wo es gleichgültig ist ob ich die Bewegung ansehe als von A nach D gegangen oder von Β nach D. Also größer s t u m p f , kleiner spiz.

2. T h e o r e m . Die Winkel o und u sind gleich. Es erhellt schon aus der unmittelbaren Anschauung. Denn sie sind zugleich entstehendes Produkt derselben Bewegung. Es erhellt aber auch durch Vergleich denn beiden fehlt χ zur halben Bewegung.

6 Verhältniß] Vhltniß ßere) die 27 2.] am

14 Verhältnisse] Vhältnisse Rand

4 - 8 Siehe Abb. 3 9 - 1 3 Siehe Abb. 4 2 7 - 3 0 Siehe Abb. 7

22 denn die] denn das (grö-

1 7 - 2 0 Siehe Abb. S

2 4 - 2 6 Siehe Abb. 6

Geometrie

58

[Abb. 8]

[Abb. 9]

Ä χ

y

[Abb. 10]

ε [Abb. 11]

t

59

Geometrie

3. T h e o r e m . Die Winkel o und u sind gleich. Es erhellt unmittelbar aus der Construktion. Durch Vergleich ausgedriikt so o = p. ρ = u also o = u. Daher auch ρ + q eine halbe Bewegung, und q = x. 4. T h e o r e m . Wenn zwei sich schneidende Linien von einer dritten geschnitten werden so sind die Winkel o und u imer ungleich und umgekehrt. Denn wären sie gleich so wären AB und DE nur dieselbe Linie welche sich längß FG bewegt hätte. Aber der Punkt Η müßte unbewegt geblieben sein welches unmöglich ist. Also sind sie auch in Beziehung auf FG in rükgehender Bewegung anzusehn d.h. o und u sind ungleich. Z u s a z . Wenn o und u dann auch ρ und q. 8. T h e o r e m . Wenn zwei gleichlaufende Linien von einer dritten geschnitten werden sind o = u und umgekehrt. Denn wenn die Linien nicht gleichlaufend sein sollen so müssen sie sich bis zu einem gemeinschaftlichen Orte verlängern lassen. Und dann träte der vorige Fall ein. 1. Wenn o und u ungleich wären müßten die Linien auch in Beziehung auf FG in rükgehender Bewegung sein. Alsdann aber müßten sie sich auch irgendwo wieder schneiden. A n m . Dies gehört als ein besondres Theorem gleich nach den Wechsel [punktenl. 7. Wenn zwei Linien eine dritte so schneiden daß die Winkel o und u ungleich sind so schneiden die beiden Linien sich selbst einander. Denn die Linie AB sei durch Bewegung nach CD gekommen so kann es nicht eine gleichlaufende Bewegung längß EF gewesen sein; sondern wenn AB gleichlaufend nach G käme müßte sie CD in G schneiden. Also schneidet AB die CD an jedem Ort in EF irgendwo. Dies folgt aus folgendem. 5. Wenn zwei Linien sich schneiden und die eine bewegt sich an der anderen so schneiden sie sich immer aber immer an einem anderen Ort. 1 3.] am Rand 4 4.] am Rand 4 Theorem.] Theor. 8 geblieben] über Iverharrend] 12 8.] am Rand 2 0 f A n m . . . . Wechsel [punk tenl| am Rand 22 7.] am Rand 2 6 sie] korr. aus es 2 9 5.] am Rand 2 9 die] korr. aus sie 1 - 3 Siehe Abb. 8

4 - 1 1 Siehe Abb. 9

1 2 - 2 1 Siehe Abb. 10

22-28

Siehe Abb. 11

Geometrie

60

[Abb. 13]

-ay

61

Geometrie

Denn beide sind ins Unendliche zu verlängern und wenn eine sich an der andern bewegt fällt sie nie mit ihr zusammen und muß immer nur einen Punkt mit ihr gemein haben.

6. Wenn eine Linie sich an einer andern gleichlaufend bewegt, so bewegt sie sich auch gleichlaufend an jeder welche jene beiden in ihrem Schneidepunkt schneidet | denn soll sich AB an CD gleichlaufend bis G bewegt haben so ist o = u. Sollte nun dem ohnerachtet ρ ungleich sein q so müßten sich AB und ab irgendwo schneiden und dann könnte auch AB sich nicht an CD gleichlaufend bewegt haben. Z u s a z . Also auch an jeder welche die beiden Linien irgendwo schneidet; denn Iman] denke sich AB von D gekommen so hat es D C zuerst in G geschnitten. Dort schnitt aber auch EF die DC. Also schnitt sie D C und AB in ihrem Scheitelpunkt.

9. T h e o r e m . Wenn drei Linien einander schneiden so bilden die eingeschlossenen Winkel zusammen eine selbe Bewegung. Denn AB habe sich gleichlaufend längß AC bis C bewegt so hat sie sich auch gleichlaufend längß BC bewegt. Also o = u eben so ρ = q. Nun ist aber auch r = v. Also ρ + r + u = selbe Bewegung = ο + ν + q. Z u s a z . t = r + u. u = o. r = v. Also r + u = o + ν also t = o + v. Z u s a z . Ist also in einem Dreiek der eine Winkel = die Hälfte der selben Bewegung so sind die andern beiden auch die Hälfte der selben Bewegung. Z u s a z . Also sind in einem Dreiekk unmöglich zwei rechte Winkel. Dies erhellt auch so. Man soll über eine Linie ein Dreiekk mit zwei rechten Winkeln bauen. Man seze also CE auf AB rechtwinklig bei O. Ferner DF auf AB rechtwinklig bei v. So ist ν = F also F = o. Also EC und DF parallel auf AB also schneiden sie sich nirgends.

1 Unendliche] Unendl 4 6.] am Rand Theor. 2 0 der] korr. aus die

14 9.] am Rand

4 - 9 Siehe Abb. 12 Abb. IS

1 4 - 2 2 Siehe Abb. 14

1 0 - 1 3 Siehe Abb. 13

14

Theorem.]

2 3 - 2 7 Siehe

Geometrie

[Abb. 16]

¿j.1

a.

^

[Abb. 17]

63

Geometrie

Auf AB sey DE senkrecht. Sie kann sich nicht um den Punkt C bewegen, ohne daß das Stiik von ihr welches von C aus AB schneidet immer wachse. Denn es sei FG durch C mit AB gleichlaufend so ist DC in seiner Bewegung immer in Annäherung an FG. Denkt man sich DE mit FG zusammengefallen so schneidet es AB nirgends. Sein von C und AB eingeschlossenes Stiikk ist also eine gleichförmige Veränderung zwischen CE und einer unendlichen Größe. Dasselbe gilt wenn DE sich auf der andren Seite von CE nach Β bewegt. Z u s a z . Von einem Punkte auf einer Linie ist die Senkrechte die Kürzeste. A η m . Das Unendliche will nur sagen daß man [durchl diese Construction nicht auf die Parallele geführt wird; oder umgekehrt daß um DE in FG zu denken die Beziehung auf AB aufgegeben werden muß und DE angesehen als um FG sich bewegend. Z u s a z . Das Abnehmen von o und das Wachsen von C H ist gleichförmig. Also wenn auf beiden Seiten o gleich abgenommen hat ist auch C H gleich gewachsen. D.h. Wenn in einem Dreiek die Winkel an den Linien gleich sind, sind auch die daran liegenden Linien gleich.

Umgekehrt wenn in einem Triangel zwei Seiten gleich so sind auch die Winkel an der dritten Seite gleich. 1. Sollen die Seiten gleich sein so muß der Perpendikel in ihren Schneidepunkt innerhalb des Triangels fallen. Denn sonst ist die um die Spize bewegliche Linie | auf der gleichen Seite ihrer Bewegung also im Wachsen. 2. Wären die Winkel ungleich: so gäbe es doch auf derselben Seite des Perpendikels einen Winkel ρ = o. und die Seite CD wäre dann = CA könnte aber nicht gleich sein CB also würde CB nicht gleich CA. (Anm. Wenn AB auch gleich sein soll AC und CB so muß auch ρ = sein o und u. Also alle drei Winkel gleich welches nur bei einer bestimmten Größe der Winkel der Fall ist.

1 um] über (durch) 5 Bewegung] nach (Annäherung) 7f zwischen] zwisch 9 DE] korr. aus G 15 FG] über (AB) 15 werden] werd 23 Seiten] über (Winkel) 25 bewegliche] bewegl 1 - 2 0 Siehe Abb. 16 2 1 - 3 2 u. 6 5 , 1 - 9 Siebe Abb. 17 bezeichnet die Lot- oder Senkrechte.

23 Der Ausdruck

Perpendikel

Geometrie

65

Man sage ρ habe diese Größe nicht aber o = u und lasse AB sich gleichlaufend an CD bewegen, so werden AC und CB o und u immer gleich bleiben aber AB wird nie AC und AD gleich werden ohnerachtet es stätig ab und zunimmt.) Z u s a z . Wenn o und u gleich sind, sind auch AE und EB gleich. Denn auch das Abnehmen von o und das Wachsen von DA sind gleichförmig. Wenn also EB kleiner als AE so gäbe es einen Punkt D an welchem ED = AE an diesem müßte aber auch ρ = o sein. Dann aber kann nicht u = o sein.

Man verlängere den Schenkel eines Winkels, und mache die Verlängerung dem andren Schenkel gleich so entsteht aus ihrer Verbindung ein Winkel der halb so groß ist als der ursprüngliche. Denn u = ο + ρ und ο = ρ also u = o + o. A n m . Der zweite Fall vom Peripherie- und Center Winkel giebt sich wenn man diese zu sich selbst wendet indem man AB als Perpendikel ansieht auf einem gleichschenkligen Triangel von dem CD die eine Seite ist.

Wenn zwei excentrische Winkel gleichschenklig gemacht werden und beide Endpunkte des einen nun mit dem dritten verbunden so ist o = 1/2 u. Denn wenn u länger AC so ist χ + u = 2 (o + ρ) und χ = 2 ρ also u = 2 o.

In jedem Dreiekk steht dem größten Winkel die größte Seite gegenüber. Denn o sei der größte Winkel aber CD nicht die größte Seite: so ist entweder eine andre ihr gleich dann aber ist o nicht der größte Winkel, oder ein andrer ist größer.

4 zunimmt.)] folgt gestrichene Absatzmarkierung 5 AE] korr. aus AD 5 EB] korr. aus DB 6 Abnehmen] nach (Abneh) 16 gleichschenkligen] gleichschenkl 18 zwei] nach (von) 18 excentrische] korr. aus excentrischen 18 Winkel] korr. aus Winkeln 18 gleichschenklig] nach (einer) 18 werden] korr. aus wird 2 1 p)]

Ρ 1 0 - 1 3 Siehe Abb. 18

1 4 - 1 7 Siehe Abb. 19

2 3 - 2 7 u. 6 7 , 1 - 3 Siehe Abb.

20

Geometrie [Abb. 21]

[Abb.

Geometrie

67

Dies sei CB so verkleinere man CB bis CE = CD dann ist ρ = q. ρ aber ist auch = ο + ν also q = ο + ν also q > ρ gegen die Voraussezung. Zwei sich schneidende Linien werden in einer dritten geschnitten. Ihre Neigung kann nicht größer werden ohne daß das eingeschlossene Stiikk der schneidenden Linie auch größer wird. Denn AB ist mit dem Winkel zugleich entstanden, entsteht also mehr Winkel so entsteht auch mehr ab. Dasselbe gilt vom Abnehmen beider. Sind also drei Seiten gegeben so ist ein Dreiek völlig bestimmt.

Ist der Winkel o gegeben und sein einer Schenkel AB bestimmt, auch ein M a a ß von Β auf AD gegeben: so sind wenn dies nicht der Perpendikel auf AD ist zwei Dreiekke bestimmt: ein Stumpfwinkliges und ein Spizwinkliges. Denn zu beiden Seiten des Perpendikels sind in gleicher Entfernung die Linien gleich. Ist aber statt jener Länge eine bestimmte auf AD gegeben so ist Ein Dreiekk völlig bestimmt. Eben so wenn außer o und AB auch ρ gegeben ist denn dann ist auch der Punkt gegeben wo BE AD schneiden muß.

1 q.] q 4 Zwei] davor (In einem Dreiekk kann ein Winkel nicht wachsen ohne daß die gegenüberstehende Seite wächst.) 4 sich] s 11 bestimmt,] bestimmt 13 bestimmt:] bestimmt 14 Spizwinkliges.] Spizwinkliges 14 Perpendikels] Perp. 4 - 1 0 Siehe Abb. 21

1 1 - 1 9 Siehe Abb. 21

Citationes Aristotelicae (Vermutlich

1802)

Citationes Aristotelicae De a n i m a I , γ 3 8 3 Β . τον αυτόν δε τροπον και ο Τίμαιος φυσιολογει. [Kann Η.1 wissen ob diese Stelle in dem von Schlegel für unächt gehaltenen Theile steht. 5 i b d e m Η ωσπερ ενδεχομενον κατα τους Πυθαγορικους μυθους την τυχουσαν ψυχην εις το τυχόν ενδυεσθαι σωμα. Ob dies etwa auf den Phaidros geht und überhaupt auf die, im Plato Vorstellung der Seelenwanderung? Würde wol Aristoteles wenn er an die Pythagoreer unmittelbar gedacht hätte den Ausdruk Mythen gebraucht haben? io i b i d e m ε 3 8 7 A . λεγουσι δε τίνες μεριστην αυτήν είναι. Dies geht auf die Pythagoreer sowol als auf Plato; aber ungenannt. De a n i m a I I , ξ 3 9 3 Α. ουδ ει τις άλλος ούτως ειρηκεν: ως φερομενου του φωτός και γιγνομενου ποτε μεταξύ της γης και του περιέχοντος, ημας δε λανθανοντος. Dieser ει τις άλλος ist gewiß Platon, nur 15 weiß ich die Stelle nicht, wahrscheinlich Timaeus. 2 γ] korr. aus β 2 Aristoteles: De anima 406b,26, Opera, Bd. 1, Leiden 1S90, S. 383 B; ed. W. D. Ross, Oxford 1956 (Nachdruck 1986), S. 12 3 Anspielung vermutlich auf den Klassischen Philologen Ludwig Friedrich Heindorf, mit dem Schleiermacher in Berlin gemeinsam die Werke Piatons las und sie einer eingehenden philologischen Kritik unterzog (vgl. KGA V/5, Nr. 1017,31-33 und Nr. 1019,76-80). 3f Vgl. Piaton: Timaios 34a-36d, Opera 9,311-315; Werke 7,46-50. Friedrich Schlegel hatte Schleiermacher am 20. April 1802 brieflich mitgeteilt, daß er die zweite Hälfte des Timaios für unecht halte (ab Timaios 47e, Opera 9,339; Werke 7,82). Schleiermacher hat sich nach Erhalt des Briefes eine entsprechende Notiz in seinem Heft „Zum Piaton" gemacht, in der er Schlegels Theorie kritisch beurteilt (vgl. oben XXVIII). 5 Aristoteles: De anima 407b,21-23, Opera 1,383 H-384A; ed. Ross 15 6-9 Vgl. dazu Piaton: Phaidros 248c-e, Opera 10,324f; Werke 5,80-82. Schleiermacher nimmt im ersten Band seiner Piatonübersetzung auf diese Notiz Bezug: „Daß zunächst die Vorstellung des Piaton von der Seele als der selbstbewegenden Kraft nicht rein anaxagorisch ist, kann jeder aus dem Aristoteles Phys. VIII., 5. fg., und de Anima I, 2. u. 3. hinlänglich abnehmen, wiewohl Aristoteles auch hier vom Piaton meistens nur verdekt redet, und wo er ausführlich wird, sich nur auf den Timäos einlässt, ohne des Phädros oder der Gesetze besonders zu erwähnen. ... Das übrige möchte wohl nur aus den Mysterien zu erklären sein, wenn gleich Aristoteles den Gedanken, dass jedwede Seele in jedweden Körper wandern könne, pythagorische Fabeln nennt. " (Piatons Werke, Bd. 1,1, 377) 10 Aristoteles: De anima 411b,5, Opera 1,387A; vgl. ed. Ross 24 11 Vgl. z.B. Piaton: Politeia 4,435a-441c, Opera 6,357-371; Werke 4,328-348 12 Aristoteles: De anima 418b,21-23, Opera 1,393 A; ed. Ross 42 15 Vgl. dazu Piaton: Timaios 45b-d, Opera 9,334f; Werke 7,76

Ir

72

Citationes

Aristotelicae

De a n i m a Ι Ι Ι δ , 4 0 1 και ευ μεν οι λεγοντες την ψυχην είναι τοπον ειδών Dies geht wol entweder auf Plato oder die ältesten Akademiker. E u d e m . Ι Ι Ι , Ι . 1 3 0 Β. αυτη δε δι' εμπειριαν και το ειδεναι, ουχ ωσπερ Σωκράτης εφη τα δείνα αλλ' οτι τας βοήθειας των δεινών. Zweifelhaft ob auf Protagoras oder Laches. Wahrscheinlich das erstere. i b i d . 1 3 1 Α . αυτο γαρ τουναντίον εχει ή ως ωετο Σωκράτης, επιστημην οιομενος την ανδριαν είναι. Gewiß geht beides auf den Protagoras. M a g n . M o r a l . 1 , 2 1 ουδε Σωκράτης ορθώς ελεγεν επιστημην φασκων είναι την ανδριαν. - ibid. οιον τους συς ουκ αν τις ειποι ανδρείους δια το αμυνεσθαι. N i c o m . I I I , 7 P . 1 9 C αλλ' ενιοις και αί του σώματος, οις και επιτιμωμεν ρ. Dies geht offenbar auf die Rede des Protagoras im Protagoras. Nicom. III 9 P. 2 0 könnte man etwas auf Laches deuten. Am [meisten! Nie. 111,11 Ρ 2 1 F wo er daß die Thiere nicht tapfer sind aus [einer andern Bestimmungl herzuleiten sucht als weil die ανδρια eine επιστημη wäre. So auch Ρ 2 2 A wegen des ήττον εκ παρασκευής.

1 μεν] Q: δη 11,7

3 ΙΙΙ,Ι.] II, 1.

7 ή] ή

10 Σωκράτης] Q: Σωκράτης δε

13 111,7]

I Aristoteles: De anima 429α,27/, Opera 1,401 F; ed. Ross 70 2 Vgl. z.B. Platon: Phaidon 72e-76d, Opera 1,165-174; Werke 3,52-64 und Phaidros 249b-c, Opera 10,326f; Werke 5,84 3 Aristoteles: Etbica Eudemia 1229a,14-16, Opera, Bd. 2, Leiden 1590, S. 130 B; edd. R. R. Walzerl]. M. Mingay, Oxford 1991, S. 52f 5f Vgl. dazu Piaton: Protagoras 360c-d, Opera 3,190; Werke 1,212-214. „Die Stellen Eudem. II. cap. 1. und Nicom. II. cap. 7. beziehen sich höchst wahrscheinlich nur auf den Protagoras." (Piatons Werke, Bd. 1,1, 409) 7 Aristoteles: Ethica Eudemia 1230a,7f, Opera 2,131 A; vgl. edd. Walzer/Mingay 55 9 Vgl. Piaton: Protagoras 359b-361c, Opera 3,187-191; Werke 1,210-216 10 Aristoteles: Magna Moralia 1190b,28f, Opera 2,93H-94A; ed. F. Susemihl, Leipzig 1883, S. 29 I I Aristoteles: Magna Moralia 1191a,2f, Opera 2,94 A; ed. Susemihl 29 13 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1114a,22f, Opera 2,19C; ed. I. Bywater, Oxford 1894 (Nachdruck 1959), S. 51 15 Vgl. Piaton: Protagoras 323c-e, Opera 3,113f; Werke 1,120 16-19 „Nicom. III. cap. 9 und 11. ... könnte man vielleicht einiger besonderen Beziehungen wegen auf den Laches deuten." (Piatons Werke, Bd. 1,1, 409) 16 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1115a,17-32, Opera 2,20A-C; ed. Bywater 53f 16 Vgl. z.B. Piaton: Laches 191d-e, Opera 5,187f; Werke 1,256 17 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1116b,31-36, Opera 2,21 F; ed. Bywater 57f 18f Vgl. dazu Piaton: Laches 196c-197c, Opera 5,198-200; Werke 1,270-272 19 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1117a,20, Opera 2,22 A; ed. Bywater 58

Erklärung gegen die Redaktion der Neuen Leipziger Literatur-Zeitung (Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, Dritter Jahrgang, Nr. 54 vom 28. Juni 1806)

III. E r k l ä r u n g gegen

die

Redaction

der

N.

Leipz.

454

Lit.

Zeit.

Ein Intell. Blatt der N . Leipz. Lit. Z e i t , v o m M ä r z dieses J a h r e s , N o . 1 2 o d e r 1 3 , ich w e i ß nicht m e h r g e n a u , h a t m i c h m i t g r o ß e r Sicher5 heit als V f . einer Schrift a u s g e r u f e n , die ich nie g e s e h e n , v o n d e r ich k a u m den Titel vollständig kenne „ U e b e r O f f e n b a r u n g und M y t h o l o g i e e t c . B e r l i n 1 7 9 9 . " S o b a l d ich dieß, in d e n letzten T a g e n des April, gelesen, versicherte ich die R e d a c t i o n v o n d e m U n g r u n d dieser N a c h r i c h t , bittend u m baldigen W i d e r r u f . H o f f e n t l i c h io w a r d a m a l s eine z w e y t e Anzeige desselben Inhalts in N r . 2 1 v o m 3 M a y s c h o n a b g e d r u c k t , und m a n will m i t dieser W i e d e r h o l u n g nicht meiner eigenen A u s s a g e t r o t z e n , d i e ß m a l w i r d zugleich a n g e f ü h r t , w a s ich freylich selbst g e s a g t h a b e , und also J e d e r , den es interessirt, s c h o n w e i ß , ich sey a u c h V f . der R e d e n ü b e r d i e Religion. 15 B e r l i n 1 7 9 9 . W i r d a b e r | w o h l jene falsche N a c h r i c h t d a d u r c h glaublicher, d a ß ich in demselben J a h r e w i r k l i c h eine, w a h r s c h e i n l i c h

3f Neues Allgemeines Intelligenzblatt für Literatur und Kunst zur N.[euen] Leipz. [iger] Lit.[eratur] Zeitung gehörend. 13. Stück vom 15. März 1806, Sp. 202; siehe oben XXX 6f Ueber Offenbarung und Mythologie. Als Nachtrag zur Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft, Berlin 1799. Der Verfasser dieser anonym veröffentlichten Schrift ist Johann Christian August Grohmann (1769-1847), der im Erscheinungsjahr als außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Wittenberg tätig war. lOf Neues Allgemeines Intelligenzblatt für Literatur und Kunst zur Ν [euen] Leipz.[iger] Lit.[eratur] Zeitung gehörend. 21. Stück vom 3. Mai 1806, Sp. 331; siehe oben XXX 13 Zur Autorschaft der Reden „Über die Religion" von 1799, der Erstausgabe, der in der zweiten Jahreshälfte 1806 die zweite Auflage folgte, hat Schleiermacher sich öffentlich erstmals 1803 in der Vorrede zu seinen „Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre" bekannt (Berlin 1803, IV; KG A 1/4, 29). Er erklärt hier „... für diejenigen, welche in dem philosophischen Calculus nicht ungeübt sind, und dasjenige vergleichen wollen, was gelegentlich in den Reden über die Religion, noch mehr aber in den [gleichfalls ohne Namensnennung veröffentlichten] Monologen [Berlin 1800] angedeutet worden, seine Ideen auch hier schon deutlich genug niedergelegt zu haben". Siehe auch die am 29. April 1806, also zwei Monate vor der hier edierten Erklärung erschienene Rezension von Daniel Jenischs Buch „Kritik des dogmatischen, idealistischen und hyperidealistischen Religions- und Moral-Systems" (abgedruckt in: KG A I/S, 101-117, hier 116f), wo Schleiermacher sich gleichfalls zur Verfasserschaft bekennt. Der Selbstzuschreibung waren in der Tagesliteratur der Zeit mehrere Hinweise auf Schleiermacher als den Autor der „Reden" vorausgegangen; siehe hierzu die Hinweise in KGA 1/2, LXXVI und KGA 1/3, XXXV (vgl. auch KGA 1/12, VIII).

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Erklärung gegen die Redaktion

doch sehr verschiedene, Schrift über einen so nahe verwandten Gegenstand bekannt gemacht habe? und sollte nicht dieser Umstand dem Einsender selbst Zweifel erregt haben? D o c h zur Sache. Jetzt habe ich jene Blätter bis Ende M a y vor mir, und die Unwahrheit ist nicht widerrufen. Länger wird mir das Warten und Nachsehen langweilig, und ich erkläre also hier, „daß ich von jener Schrift: U e b e r O f f e n b a r u n g u n d M y t h o l o g i e , nichts weiß, und ihr Vf. nicht bin." Die Redaction der Leipz. Lit. Zeit, aber sehe zu, wie sie es rechtfertigen will, daß sie falsche Nachrichten zwar sorglos genug verbreitet, den authentischen Widerruf aber zurückhält. Durch solche N a c h lässigkeit verwirkt sie auf jeden Fall das Vertrauen des Publicums; hätten nun aber gar die Einsender irgend eine Absicht, so machte sie sich mitschuldig an einer niedrigen literarischen Klätscherey. Oder wäre etwa mein Brief nicht eingegangen? Das würde eine sehr unwahrscheinliche Behauptung seyn. Oder sollte ich Insertionsgebühren beygelegt haben? Denn freylich unter den achten, denen unentgeltliche Aufnahme verheißen wird, steht kein Artikel von Berichtigung! 456 solcher Unwahrheiten, welche das Int. Bl. selbst in Umlauf gesetzt hat. Aber ich meinte allerdings, dieser verstände sich von selbst. Oder glaubt die Redaction den Einsendern mehr als mir? Und freylich, der letzte ist sehr genau; er ist sogar meinem ganzen V o r n a m e n , den ich meines Wissens noch nie öffentlich zum Besten gegeben habe, F r i e d r i c h , D a n i e l , E r n s t , glücklich auf die Spur gekommen - welch ein Literator! - wogegen ich Armer nicht einmal N o . 1 2 oder 13 genau anzugeben weiß, und mir offenbar die M ü h e nicht geben will, noch einmal nachzusehen. Gut, er citire also seine Quellen - ich käme gern hinter den Ursprung der Unwahrheit - er führe seinen Beweis gegen mich! und da er das doch unmöglich vermag, so lasse er sich wohlmeinend sagen, daß er doch noch etwas behutsamer seyn m u ß in Bekanntmachung der Nachträge, die er etwa zusammenspürt zum Meusel, weil solche geringfügige Beschäftigungen nur durch Genauigkeit einen W e r t h erhalten, oder wenigstens unschuldig werden, und weil man dem Schriftsteller auf jeden Fall einen schlechten Dienst

14f Siehe hierzu oben XXXII 31f Gemeint ist das biographisch-bibliographische Werk „Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller". Begründet von dem Historiker und Philologen Georg Christoph Hamberger (1726-1773), erschien die erste Auflage in den Jahren 1767 bis 1774. Seit der dritten Auflage (1776-1778) wurde es von dem Historiker Johann Georg Meusel (1743-1820) fortgeführt. In der fünften Auflage (1796-1834) umfaßte das Werk dreiundzwanzig Bände. Zu Schleiermacher findet sich hier in Band XV (Lemgo 1811) eine längere Eintragung (S. 312f).

Erklärung gegen die Redaktion

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erweist, dem man ein Werk zuschreiben will, welches irgend einem Anderen zugehört. Halle, den 16 Junius. F.

Schleiermacher.

Xenophon-Studien (Vermutlich 1806/07)

Xenophon Apologia Socratis η . ο τ ε ε δ ο κ ε ι η μ ι ν lies ύ μ ΐ ν . ι - ι γ . ist s e h r s c h ö n f ü r m e i n e B e h a u p t u n g w e g e n d e s D a i m o n i o n ; b e s o n d e r s ιγ ε γ ώ δ έ τ ο ΰ τ ο δ α ι μ ό ν ι ο ν κ α λ ώ w o e r sich o f f e n b a r w i 5 d e r s p r i c h t w e n n es eine e i g n e S u b s t a n z b e d e u t e n k a n n . ιδ. D i e A r t w i e hier d a s v o m C h a r e p h o n v o r g e b r a c h t w i r d k l i n g t sehr verdächtig. ιη. ε ΰ δ α ι μ ο ν ε ΐ lies η ύ δ α ι μ ό ν ε ι . κ γ . n o t a n d u m d a ß die S e l b s t s c h ä z u n g d e s B e k l a g t e n ύ π ο τ ι μ α σ θ α ι io h i e ß - h a t s c h o n S c h n e i d e r . I m P i a t o n g e h ö r t es g e w i ß z u r N a c h a h m u n g d e s m i t d e m G e r i c h t s w e s e n sich u n b e k a n n t s t e l l e n d e n S o k r a t e s d a ß e r sich dieses W o r t e s n i c h t b e d i e n t . κ θ . H i e r ist die Stelle v o m A n y t o s , d a ß e r seinen S o h n in D i n g e n limerl a u f leinel L e b e n s w e i s e u n t e r r i c h t e n l a s s e . A l l e i n i c h h a t t e n o c h 15 eine a n d r e i m S i n n e .

1 Xenophon . . . Socratis] am Rand; folgt Ed. Thiem. W . 2 Xenophon: Apologia Socratis 8, Opera (gr. u. lat.), edd. E. Wells/K. A. Thieme, Bd. 4, Leipzig 1764, S. 412; Opera omnia, ed. E. C. Marcbant, Bd. 2, 2. Aufl., Oxford 1921 (ND 1958) 3 Vgl. Xenophon: Apologia Socratis 10-13, edd. Wells/Thieme 4,413f; ed. Marchant, Bd. 2 3 „...so wird unwidersprechlich deutlich, Sokrates habe die in der Anklage befindlichen Worte καινά δαιμόνια nicht substantivisch verstanden von einzelen göttlichen oder gottähnlichen Wesen die er eingeführt; sondern adjectivisch von Offenbarungen und Einwirkungen oder was man sonst will, höherer Wesen ... Also ist dem Sokrates des Piaton gar nicht eingefallen, unter diesem selbst von sich gerühmten ein besonderes Wesen weder selbst zu verstehen noch verstanden zu glauben; sondern nur eine besondere Wirkung oder Offenbarung des, oder eines unbestimmt welchen, höheren Wesens." (Piatons Werke, Bd. 1,2, Berlin 1805, S. 415f) 4 Xenophon: Apologia Socratis 13, edd. Wells/Thieme 4,414; ed. Marchant, Bd. 2 6 Vgl. Xenophon: Apologia Socratis 14, edd. Wells/Thieme 4,415; ed. Marchant, Bd. 2 8 Xenophon: Apologia Socratis 18, edd. Wells/Thieme 4,416; ed. Marchant, Bd. 2 9 Vgl. Xenophon: Apologia Socratis 23, edd. Wells/Thieme 4,419; ed. Marchant, Bd. 2 10 Vgl. Schneider: Wörterbuch, Bd. 2, 584 13 Vgl. Xenophon: Apologia Socratis 29, edd. Wells/Thieme 4,422; ed. Marchant, Bd. 2 14f Anspielung vermutlich auf eine Notiz im ersten Teil des zweiten Bandes von Schleiermachers Piatonübersetzung: „... denn es scheint fast mit dem zu streiten, was in der Xenophontischen Vertheidigung des Sokrates erwähnt wird, dass des Anytos Sohn zur Zeit jener Anklage noch ein unerwachsener Knabe gewesen ..." (Piatons Werke, Bd. 2,1, Berlin 1805, S. 509).

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Xenophon-Studien

Im Ganzen für sich ein ungemein schlechtes Opus und im Einzelnen voll solcher Verwirrung und Unordnung, die ich nicht einmal dem [Rec.l zutrauen kann.

Xenophon Symposion 1, 4. ίππαρχαις. Platon würde sich gewiß der Form ιππαρχην für ιππαρχον nicht bedient haben. Sollte sie etwa keine andre Autorität haben als diese Stelle so möchte ich unbedenklich ιππαρχοις corrigiren denn grade da im folgenden Wort die Composition einen ganz anderen Sinn hat wäre eine Verschiedenheit der Endung schiklicher. Sehr viel häufiger sezt Xenophon die Namen ohne Artikel, daß es einem der vom Plato kommt sehr [auffällt]. ibid 7. συνακολουθειν kann doch hier eigentlich nicht begleiten heißen da sie erst nach gemachter Toilette nachkamen. 3, 4. ή καλοκαγαθία p. So ist es wol unmöglich. Entweder διδάσκων, ή καλοκαγαθία εστίν η δικαιοσύνη. Oder διδάσκων, ή δέ καλοκαγαθία. 3, 5. και ήμων έκαστος lies υμών δκαστος. 3, 6. Unter ύπονοιας wird wol ganz bestimmt der verstekte allegorische Sinn verstanden. | ν 3,11. δηλών lies δήλον 7, 2. κεραμεικων ist gewiß falsch. Soll es leine Thönernel sein, so muß es κεραμειον heißen soll es sein, welche die Töpfer brauchen so wäre [nur] κεραμεοτικων recht. 8, 32.33. Ist hier Haß gegen einige Platonische Personen und Anspielung auf eine Stelle im Symposion? Dort aber kommt das vom 4 Xenophon Symposion] Xen. Symposion am Rand 5 1,] 1., 14 3] korr. aus 2 15 καλοκαγαθία] καλοκ. 15 δικαιοσύνη] δικ. 17 3] korr. aus 2 18 3] korr. aus 2 5 Xenophon: Symposion 1,4, edd. Wells/Thieme 4,414; ed. Marchant, 12 Vgl. Xenophon: Symposion 1,7, edd. Wells/Thieme 4,427; ed. Marchant, 14 Vgl. Xenophon: Symposion 3,4, edd. Wells/Thieme 4,442; ed. Marchant, 17 Vgl. Xenophon: Symposion 3,5, edd. Wells/Thieme 4,443; ed. Marchant, 18 Vgl. Xenophon: Symposion 3,6, edd. Wells/Thieme 4,443; ed. Marchant, 20 Vgl. Xenophon: Symposion 3,11, edd. Wells/Thieme 4,445; ed. Marchant, 21 Vgl. Xenophon: Symposion 7,2, edd. Wells/Thieme 4,479; ed. Marchant, 24 Vgl. Xenophon: Symposion 8,32f, edd. Wells/Thieme 4,490; ed. Marchant, 2 5 - 1 Vgl. Piaton: Symposion 178e-179b, Opera 8,178f; Werke 3,232

Bd. Bd. Bd. Bd. Bd. Bd. Bd. Bd.

2 2 2 2 2 2 2 2

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στρατοπεδον in der Rede des Phaidros vor, der Thebaner und Elaier erwähnt Pausanias nur ganz beiläufig, selbst tadelnd.

Xenophon Oeconomicus 1.12. ει δ' αΰ πωλοίη πρός τούτον. Eine ganz eigne Redensart wie πωλειν αρα τινα an Jemand etwas verkaufen, wie der Uebersezer es giebt. Allein der Sinn kommt auch so gar nicht heraus. Ich lese προς τοΰτο φ μή wenn er es verkauft gegen dasjenige was er [wieder! nicht brauchen kann. So hängt es mit dem επιοταθαι πωλειν zusammen und giebt die Schlußfolge. So kommt auch προς mit καταλλασσεθαι vor, wovon doch πωλειν nur eine Unterart ist. 1, 21. εφη ό Σωκρατες muß wol heißen 6φη, ώ Σωκρ. 2.2. pro οΰκουν lege ούκοΰν 2 . 3 . merkwürdiger Gebrauch von ευρισκειν: Ich glaube mein sämmtliches Vermögen würde beim Verkauf fünf Minen f i n d e n . 2, 5. Unausstehlich abgebrochen ist das απεφηνατο. Sehr leicht kann οΰν αύτω ausgefallen sein. 2, 7. μηχανασθαι χρήματα ein ganz eigner Ausdruk. 2,11. πώς τινί vielleicht πώς τίνι conf. Heind. 1,166. 2.13. αύτος όργανα. Sollte es nicht heißen αυτός ως 0ργανα[?] | 2,15. ήγαγον dieser Indicativ zwischen ηγησαιμην und δειξαιμι in ganz gleicher Construction und Bedeutung ist doch ganz sonderbar. Warum nicht άγάγοιμην das soviel ich mich erinnere anderwärts vorkomt. I στρατοπεδον] στρατοπ. 1 und Elaier] mit Einfügungszeichen am Rand 3 Xenophon Oeconomicus] Xen. Oeconomicus am Rand 5 Uebersezer] Uebers. I I Σωκρατες . . . Σωκρατες] Σωκρ. . . . Σωκρ. 11 heißen] hßen If Vgl. Platon: Symposion 182b, Opera 8,185f; Werke 3,242 4 Xenophon: Oeconomicus 1,12, edd. Wells/Thieme 4,273; ed. Marchant, Bd. 2 Sf Vgl. Xenophon: „Si quidem, ait, etiam vendere quis sciat." (Opera, edd. Wells/Thieme, 4,273) 11 Xenophon: Oeconomicus 1,21, edd. Wells/Thieme 4,276; ed. Marchant, Bd. 2 12 Xenophon: Oeconomicus 2,2, edd. Wells/Thieme 4,278; ed. Marchant, Bd. 2 13 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 2,3, edd. Wells/Thieme 4,278; ed. Marchant, Bd. 2 15 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 2,5, edd. Wells/Thieme 4,279; ed. Marchant, Bd. 2 17 Xenophon: Oeconomicus 2,7, edd. Wells/Thieme 4,280; ed. Marchant, Bd. 2 18 Xenophon: Oeconomicus 2,11, edd. Wells/Thieme 4,281; ed. Marchant, Bd. 2 18 Vgl. Platon: Dialogi IV. Lysis, Charmides, Hippias maior, Phaedrus, ed. L. F. Heindorf, Berlin 1802, S. 166 19 Xenophon: Oeconomicus 2,13, edd. Wells/ Thieme 4,282; ed. Marchant, Bd. 2 2 0 Xenophon: Oeconomicus 2,15, edd. Wells/ Thieme 4,283; ed. Marchant, Bd. 2

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3,1. ή δοξω lies f¡ δόξω 3, 2. όταν δέονται lies όταν δείονται 3, 3. έν χώρα an bestirntem Plaz. Gewöhnlicher ist sonst κατά χώραν; vielleicht hat hier das καταβεβληται die gewöhnliche Präposition verdrängt. 3, 4. και έθέλοντάς τε, ein gänzlich überflüssiges τε oder ein verseztes daß es nach εργάξεσθαι stehn sollte. 3, 7. Zu den Komödien mußte man sich also sehr früh des Morgens begeben. 3, 11. κακοποιει[.] Siehe oben 2,15 eben so ein Indicativ wo unmittelbar drauf in demselben Sinn und Structur der Optativ steht. Doch kann hier leicht κακοποιοί zu lesen sein. 3,14. ούδέν olovf.] Vergeblich hat sich der Editor mit einer Conjectur gequält. Siehe Piaton Gorgias gleich am Anfang ούδέν οίον τό αύτόν έρωτάω et ib. Heindorfens. ibid. και Άσπασιαν. Soll hier kein Anachronism sein so kann wol schwerlich Kritobulos der Sohn des Kriton sein. 4, 1. Και αυτός επιδείκνυε hier hätte ich die größte Lust zu lesen και αυτάς. Sonst fangen theils die beiden Hauptgegensäze zwischen επιδεικνυειν und διδάσκων συνωφελειν sehr unschiklich beide mit και αυτός an, theils fehlte der zweiten Hälfte des ersten Sazes και τους πραττοντας der rechte Gegensaz. 4, 3. κακοί die Lesart κακόν ist schlecht; κακώς aber wäre wol besser zu χρησθαι 4,13. ή ώρα του έτους habe ich ohne Gegensaz gegen eine andre ώρα noch nicht so bestimmt neben einander gesehen. 1 3,] 3.,

10 oben] ob.

14 Piaton Gorgias] Pt. Gorg.

1 Xertopkon: Oeconomicus 3,1, edd. Wells/Tbieme 4,285; ed. Marcbant, Bd. 2 2 Xenophon: Oeconomicus 3,2, edd. Wells/Thieme 4,285; ed. Marchant, Bd. 2 3 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 3,3, edd. Wells/Thieme 4,285; ed. Marchant, Bd. 2 6 Xenophon: Oeconomicus 3,4, edd. Wells/Thieme 4,286; ed. Marchant, Bd. 2 8 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 3,7, edd. Wells/Thieme 4,287; ed. Marchant, Bd. 2 10 Xenophon: Oeconomicus 3,11, edd. Wells/Thieme 4,289; ed. Marchant, Bd. 2 10 Vgl. oben 83,20-23 13 Xenophon: Oeconomicus 3,14, edd. Wells/Thieme 4,290; ed. Marchant, Bd. 2 13f Xenophon: „Forte κωλνόν τό έπισκοπ." (Opera, edd. Wells/Thieme 4,290) 15 Vgl. Platon: Dialogi selecti, Bd. 2, 5f; vgl. auch Piaton: Libri IV (gr.). Gorgias, Apologia Socratis, Charmides, Hippias maior. Scholarum in usum, ed. L. F. Heindorf, Berlin 1805, S. 4 16 Xenophon: Oeconomicus 3,14, edd. Wells/Thieme 4,290; ed. Marchant, Bd. 2 18 Xenophon: Oeconomicus 4,1, edd. Wells/Thieme 4,291; ed. Marchant, Bd. 2 23 Xenophon: Oeconomicus 4,3, edd. Wells/Thieme 4,291; ed. Marchant, Bd. 2 23 Xenophon: „Al. κακόν" (Opera, edd. Wells/Thieme 4,291) 25 Xenophon: Oeconomicus 4,13, edd. Wells/ Thieme 4,296; ed. Marchant, Bd. 2

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4 , 1 7 . πολεμικούς offenbar πολεμικός - Unmittelbar vorher 16 scheint Kyros der ältere gemeint zu sein, unmittelbar darauf der jüngere. Sollte hier nicht irgendwo ein Fehler sein? | 4, 20. αυτόν εφη; Ich sehe nicht ein, warum das εφη soll gelöscht 2v werden. Man muß sich nur nicht an die Leinfältigel Parenthese [lehnen! aber αύτω wäre zu wünschen statt αυτόν. 5, 4. αει εν ώρα p. Hier ist etwas was ich nicht verstehe und was auch der Uebersezer anders gelesen zu haben scheint. Kann das έν ώρα für sich allein soviel heißen als am frühen Morgen? 5, 9. ευμαρεια das seltene Wort heißt hier offenbar facilitas, opportunitas. 6 , 1 1 . ακουσειν σου ist offenbar falsch. Der angeführten Lesart ακουειν möchte ich aber den infinitiv aorist vorziehen. 6, 12. πάνυ âv hier scheint einige Verwirrung. Denn das βουλοιμην αν ούτως ακουειν muß wol zum folgenden gehören[:] ich möchte selbst dafür angesehn sein daß ich wünsche p. Das ούτως will es kaum anders zulassen. Schwerlich aber kann doch die ganze eigentliche Antwort in πάνυ άν liegen. 6, 17. τον Ισχομαχον[.] Wer ist dieser? 7, 3. εις αντιδοσιν καλωνται[.] Vide Schneider ad hoc verbum und doch glaube ich kaum daß hier ganz dasselbe kann gemeint sein, wenn es nicht bekannte Fälle dieser Art in Ischomachos Leben gegeben hat. 7, 17. εί μή πέρ γε kommt doch gewiß im Piaton nirgends vor. 1 16] mit Einfügungszeichen über der Zeile 13 infinitiv aorist] inf. aor. V. 20 hoc verbum] h. v. 22 Leben] Leb.

20 Vide]

1 Xenophon: Oeconomicus 4,17, edd. Wells/Thieme 4,297; ed. Marchant, Bd. 2 1 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 4,16, edd. Wells/Thieme 4,296; ed. Marchant, Bd. 2 2 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 4,18, edd. Wells/Thieme 4,297; ed. Marchant, Bd. 2 4 Xenophon: Oeconomicus 4,20, edd. Wells/Thieme 4,298; ed. Marchant, Bd. 2 4f Xenophon: „... et vox ίφη expungenda." (Opera, edd. Wells/Thieme 4,298) 7 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 5,4, edd. Wells/Thieme 4,301; ed. Marchant, Bd. 2 71 Xenophon: „Eadem illos, qui manibus suis laborant, exercendo magis robustos efficit: alios vero, qui cura sua colunt agrum, strenuos reddit, dum mane ipsos excitât, acriterque pergere cogit. Etenim et ruri, et in urbe semper quonis anni tempore quaedem actiones sunt opportunissimae." (Opera, edd. Wells/Thieme 4,301) 10 Xenophon: Oeconomicus 5,9, edd. Wells/Thieme 4,302; ed. Marchant, Bd. 2 12 Xenophon: Oeconomicus 6,11, edd. Wells/Thieme 4,309; ed. Marchant, Bd. 2 12f Xenophon: „Al. άκούειν" (Opera, edd. Wells/Thieme 4,309) 14 Vgl. Xenophon: Oeconomicus 6,12, edd. Wells/Thieme 4,309; ed. Marchant, Bd. 2 19 Xenophon: Oeconomicus 6,17, edd. Wells/Thieme 4,310; ed. Marchant, Bd. 2 20 Xenophon: Oeconomicus 7,3, edd. Wells/Thieme 4,312; ed. Marchant, Bd. 2 20 Vgl. Schneider: Wörterbuch, Bd. 1, 122 24 Xenophon: Oeconomicus 7,17, edd. Wells/Thieme 4,316; ed. Marchant, Bd. 2

Bittschrift an Kaiser

Napoleon

(Die Zeiten oder Archiv für die neueste Staatengeschichte und Politik, 13. Band, Erstes Stück, Januar 1808)

Sire! 104 E w . Kaiserliche Königl. Majestät haben es ihrer Weisheit gemäß gefunden, die auf unserer Universität Studirenden, während des Geräusches der W a f f e n , von hier zu entfernen. Es ist, in den ersten A u 5 genblicken uns nichts übrig geblieben, als diesem Befehle, welchen wir Ursach hatten, als eine kriegerische Polizeimaßregel zu betrachten, unbedingten Gehorsam zu leisten. Desto schmerzlicher w a r es uns, von E w . K . K . M a j . Ungnade gegen die Professoren dieser Akademie, durch den Kriegsminister, Prin10 zen von Neuchatel benachrichtigt zu werden und die Verwendungen des Ministers des öffentlichen Unterrichts v o n M a s s o w , b e i E w . K. 105 K. M a j . Generalgouverneur C l a r k e , ohne Erfolg zu sehen. Wir nehmen daher noch einmal zu E w . K . K . M a j . erhabenen Person unsere Zuflucht. W i r thun es, mit dem Muthe, welchen das Be15 wußtseyn, die uns gemachten V o r w ü r f e auf keine Weise verdient zu

2-4 Die Universitätsschließung war am 20. Oktober 1806 erfolgt. Die Studentenschaft wurde, ausgenommen solche Studenten, die Verwandte in der Stadt hatten, ausgewiesen. 8-10 Es handelt sich um Maréchal Louis Alexandre Berthier (1753-1815), einen der wichtigsten militärischen Weggefährten Napoleons. Berthier nahm in den Jahren von 1780 bis 1783 am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teil. Seit 1795 war er Divisionsgeneral und fungierte von 1796 bis 1814 an der Seite Napoleons als Generalmajor und Chef des Generalstabes sowie mehrfach, so auch 1807/08, als französischer Kriegsminister. 1804 ernannte der Kaiser ihn zum Marschall und 1806 zum souveränen Fürsten von Neufchatel; auch hatte er den Fürstentitel von Wagram inne. 1814 ging Berthier zu den Bourbonen über. Sein Tod am 1. Juni 1815 - Selbstmord oder Mord - blieb ungeklärt. 11 Julius Eberhard Wilhelm Ernst von Massow (1750-1816) wurde 1798 als Nachfolger Wöllners zum preußischen Staats- und Justizminister ernannt. Als solcher unterstanden ihm innerhalb der Regierung das Geistliche und das Oberschuldepartement; zugleich leitete er die katholischen Kirchenangelegenheiten. Eine starke Stellung übte Massow auch im Hochschulbereich aus, da ihm die Leitung der Oberkuratorien der Universitäten Duisburg, Frankfurt/Oder, Halle und Königsberg oblag. Als Justizminister leitete Massow die für die in den beiden letzten Teilungen an Preußen gefallenen polnischen Provinzen zuständige Regierungsabteilung. In den Jahren 1802/03 amtierte er überdies als Chefpräsident des Kammergerichtes. In den frühen Berliner Jahren war Schleiermacher bereits mit Massow in Kontakt getreten, da dieser den Armendirektorien in Berlin (der Trägereinrichtung des Charité-Krankenhauses) und Potsdam vorstand. Später war Massow auch als Kurator der Dreifaltigkeitskirche tätig; zu Massow vgl. ADB 20 (1884), S. 573; NDB 16 (1990), S. 362 12 Es handelt sich um Henri Jacques Guillaume Clarke (1765-1818), Duc de Feltre, Comte D'Hunebourg (siehe Index Biographiques Francais I 222, 98-149 und II 157, 12-14); vgl. Schleiermachers Brief an Carl Gustav von Brinckmann vom 22. Dezember 1806, in: Briefe 4, S. 128-130, hier 128.

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Bittschrift an Kaiser Napoleon

haben, und die Hoffnung eingiebt, auf Ew. Κ. Κ. M . Gerechtigkeit und den, den wissenschaftlichen Instituten überall bewiesenen, Schutz rechnen zu dürfen. Keinem von uns ist es in den Sinn gekommen, unsere Zuhörer zur Insurrektion, oder zu einem unanständigen Betragen, durch öffentliche Schriften aufzumuntern. W i r würden uns dadurch selbst bei unserm Könige, dem wir, als dem Wohlthäter unserer Akademie, eben so viele Dankbarkeit, als Ehrfurcht schuldig sind, verantwortlich gemacht haben und unserm Berufe, den wir bloß auf die Beförderung des W a h r e n und Guten beschränken, nach unserer innigsten Ueberzeugung, völlig untreu geworden seyn. N u r Uebelunterrichtete oder Uebelwollende können uns in ein so falsches Licht gestellt, oder die Gesinnungen eines treuen Patriotismus, welche Ew. Κ. K. M a j . in jedem Unterthanen achten, mit unwürdigen Aufwieglungen verwechselt, oder Schriften uns zugeschrieben haben, an welchen keiner von uns den geringsten Antheil hat. In diesem Bewußtseyn ist auch ein Jeder von uns, bereit zur Verantwortung, auf seinem Posten geblieben und beruft sich, in Betreff seines Verhaltens, seit der Ankunft der französischen Krieger, auf das Zeugniß der hier etablirten Autoritäten. Aber selbst in dem Falle, daß irgend eine Pflichtvergessenheit, oder 106 Unbesonnenheit, einzelner exaltir|ter Jünglinge Ew. K. K. M a j . Ungnade verdient haben sollte, so werden Sie nicht wollen: D a ß v i e l e H u n d e r t schuldlose, fleißige, wohlgesittete und in der Mitte, ihrer hier angefangenen Studien unterbrochene Jünglinge länger unbeschäftigt, in allen Provinzen umherirren und Gefahr laufen, auszuarten; D a ß so viele, bloß für die Gelehrsamkeit und ihren Beruf lebende M ä n n e r , von denen mehrere, durch die Bande der Wissenschaften, mit Frankreich verbunden sind, mit ihren Familien in die höchste Verlegenheit gerathen und ihre Salarien noch ferner entbehren; D a ß die wissenschaftlichen Institute, die klinischen, die naturhistorischen, die philologischen und andere Bildungsanstalten, welche hier vereinigt sind, in Stockung gerathen;

6 dem ... dem] den ... den 1 7 - 1 9 Die Besetzung der Stadt durch französische Truppen erfolgte unmittelbar im Anschluß an die heftigen Kämpfe vom 17. und 18. Oktober 1806, die selbst bereits zum Teil innerhalb der Stadtmauern stattgefunden hatten. 2 3 - 2 5 1806 hatte die Universität 1280 Studenten; vgl. Wilhelm Schräder: Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle. Band II, Berlin 1894, S. 568 (Anlage 48 C).

Bittschrift an Kaiser

Napoleon

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Daß unsere, an sich arme Stadt, durch die Entbehrung ihrer wichtigsten Nahrungsquelle, in die hoffnungsloseste Armuth versinke; Daß endlich Halle, unter allen gelehrten Anstalten Deutschlands die einzige sey, welche des Glücks entbehrte, ein Gegenstand Ew. Κ. Κ. M. Gerechtigkeit und Großmuth zu seyn. Und so bitten, so beschwören wir Ew. Κ. Κ. M., bei dem Bewußtseyn, der Reinheit unserer Gesinnungen - und wir wagen es hinzuzusetzen, bei den Ihnen heiligen Manen, des großen Königs, dessen Nahmen unsere Universität trägt und der sie, während seiner ganzen Regierung schätzte: | zu gestatten, daß die Studierenden, für deren Sitten und Betragen wir uns verbürgen, zurückkehren, die Vorlesungen wiederum ihren Anfang nehmen und die Landeskassen, zur Auszahlung der Salarien angewiesen werden. Mit tiefster Devotion etc.

11 schätzte] Kj schützte 9f Gemeint ist Friedrich II. (1712-1786), Namen Friedrichs-Universität zu Halle.

König von Preußen; die Universität trug den

Anzeige (Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 27 vom 16. Februar 1808)

Anzeige. Unterzeichnete wünschen, in Hinsicht ihrer, jede Mißdeutung eines Halle betreffenden Artikels in No. 18 der Allg. Zeitung zu vermeiden, und erklären deshalb, daß sie nicht den geringsten Schritt gethan haben, um, nach Wiederherstellung der Universität, ihre Anstellung in Halle zu erhalten. Wer könnte sich auch wol, um anderer Verhältnisse hier nicht zu erwähnen, der Ansicht fügen, ein Professor habe durch seine interimistische, bey den damaligen Behörden nachgesuchte Entfernung von einem Orte, wo er weder sein Geschäfft ausüben durfte, noch ihm die äußern Mittel des Lebens dargereicht wurden, rechtlich seinen Antheil an der nachher erfolgten Auferstehung der Universität verwirkt, so daß er nun erst, zurückgekehrt, wegen seiner Wiedereinsetzung suppliciren müsse. So kommt ein Hund, der davon gelaufen, zu seinem Herrn zurückgekrochen, und erwartet, auf dem Bauche liegend, ob er werde geschlagen werden, oder freudig an ihm hinaufspringen dürfen; ein Gelehrter, der nichts solches gesündiget, thut dergleichen nicht. Berlin, den lsten Februar 1808. Dr. L. F. Froriep. Dr. F. Schleiermacher.

2f Allgemeine Zeitung. [o.O., Begründet und herausgegeben von Johann Friedrich Cotta], Nr. 18 vom 18. Januar 1808, S. 72: „Deutschland. ... Halle, im Saalkreis, 8 Jan. ... Alle hier gebliebenen Professoren sind nun de facto bestätigt, und haben bereits seit dem 1 Okt. ihr Gehalt bekommen. Aber von den nach Berlin Ausgewanderten,als Schmalz, Wolf, Schleiermacher, Froriep, will man in Kassel nichts wissen, obgleich, wie es heißt, dringende Vorstellungen gemacht worden sind" (siehe den Text des Berichtes oben XLlf); vgl. auch Schleiermachers Brief an Carl Gustav von Brinckmann vom 26. Januar 1808, in: Briefe ed. Meisner 2, lOOf, hier 100 19 Ludwig Friedrich [seit 1815: von] Froriep (1779-1847) war seit 1804 Professor für vergleichende Anatomie und Chirurgie an der Universität Halle.

7

Botanisches Journal 1808 (1808/09)

Botanisches Journal 1 8 0 8 .

Ir

d. 2 0 . M a y 1.

2. 3.

4. 5. 6.

2r

Geranium robertianum examinirt. Ich konnte aber noch weder die rostra untersuchen noch quoad nectaria mellifera auffinden; einige bedeutende Unterschiede zwischen langen und kurzen. Cardamine pratensis und wahrscheinlich Sisymbrium nasturtium was ich aber wegen mangelnder Siliqua und der Unordnung in der sich die Genera bei Murray befinden nicht gewiß ausmachen konnte. Viola palustris examinirt Vicia sativa an den Nebenzeichen sehr deutlich erkannt, das Stigma barbatum aber nicht genau genug gesehen. Hottonia palustris. Eine Blume mit 6 Staubfäden.

d. 11. Juni 7.

Ophrys

o v a t a examinirt, jedoch ohne die Bulben gesehen zu

4 quoad] über (die) 4 auffinden;] auffinden auffinden 5 zwischen . . . kurzen.] am Rand

5 einige . . . Unterschiede]

über

3 Geranium robertianum: Stinkender Storchschnabel (vgl. Carl Ludwig Willdenow: Anleitung zum Selbststudium der Botanik, ein Handbuch zu öffentlichen Vorlesungen, Berlin 1804, 421f, Linné: Systema 656) 4 rostra: Fruchtschnabel 4 quoad nectaria

mellifera:

Honigdrüsen

5 Bezieht sich auf die Staubfäden der Pflanze

6 Cardamine pratensis: Wiesenschaumkraut (vgl. Willdenow: Anleitung 409, Linné: Systema 631) 7 Sisymbrium nasturtium: Brunnenkresse; heute: Nasturtium officinale (vgl. Willdenow: Anleitung 410, Linné: Systema 631) 7 Siliqua: Schoten 8 Caroli a Linné equitis Systema Vegetabilium secundum classes ordines genera species cum characteribus et differentiis. Editto decima quinta quae ipsa est recognitionis a b. Io. Andrea Murray institutae tertia procurata a C. H. Persoon, Gottingae typis et impensìs Io. Christ. Dieterich 1797 10 Viola palustris: Sumpfveilchen (vgl. Willdenow: Anleitung 180-182; Linné: Systema 845) 11 Vicia sativa: Saatwicke (vgl. Willdenow: Anleitung 443f, Linné: Systema 701) llf Stigma barbatum: behaarte Narbe 13 Hottonia palustris: Wasserfeder (Primelgewächs) mit üblicherweise fünf Staubfäden (vgl. Linné: Systema 201) 15 Ophrys ovata: Großes Zweiblatt (Orchideenart); heute: Listera ovata (vgl. Linné: Systema 856); diese Pflanze hat keine Wurzelknollen. 15 Bulben: Wurzelknollen

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haben. Ich habe die Pflanze zum ersten mal gesehen. Ohnweit des [Hofgangesl an der T a n n e und Allee.

d. 2 7 . Juni 8. 9.

O r c h i s b i f o l i a , die bekannte weiße wolriechende. O r c h i s l a t i f o l i a , mit dunkelrothen sehr häufigen Blumen und sehr deutlich an der Seite zuriikgebogenem labio. Alle Nebenkennzeichen genau zutreffend aber die Bulben nicht gesehen. 1 0 . Orchis maculata, wahrscheinlich, die Blumen blaßroth mit dunkelrother Zeichnung. Alle Nebenkennzeichen trefen zu bis auf caulis solidus.

d. 1 7 . Juli 1 1 . P h l o m i s h e r b a v e n t i . Gattungskennzeichen sehr genau. N u r wunderte mich daß in der Beschreibung der Art gar nicht gesagt ist daß die Blätter crenato serrât sind. Die F o r m traf sonst auch zu. Labium inferius trilobum der mittlem Lippe gezeichnet und mit zwei kleinen iBartreihen] an der Seite, die antherae bilobae, das stigma bifidum. 1 2 . Eine andere Pflanze, der vorigen sehr ähnlich nur mit anders gefärbter Blume, gelb nemlich und nur die mittlere Lippe der unteren Lippe violett würde ich für P h l o m i s N i ss o l i i halten, besonders wegen der fehlenden involucris, nur waren keine Radi6 deutlich] deutl.

16 bilobae,] bilobae

4 Orchis bifolia: Waldhyacitithe; heute: Piatanthera bifolia (vgl. Willdenow: Anleitung 495—497, Linné: Systema 851) 5 Orchis latifolia: Breitblättriges Knabenkraut; heute: Dactylorhiza majalis (vgl. Linné: Systema 853) 6 labio: Lippe 6f Bei dieser Pflanze sind Wurzelknollen vorhanden, jedoch nicht ausgeprägt; vermutlich hat Schleiermacher ein ausgezehrtes Exemplar gesehen. 8 Orchis maculata: Geflecktes Knabenkraut; heute: Dactylorhiza maculata (vgl. Linné: Systema 853f; Willdenow: Anleitung 496) 10 caulis solidus: fester Stengel 12 Phlomis herba venti: Brandkraut (vgl. Linné: Systema 576) 14 crenato serrât: Gekerbt bis gesägt 15 labium inferius: meint hier den unteren Lappen 16 Mit „antherae bilobae" bezeichnet Schleiermacher hier wohl zweilappige Staubblätter; siehe dazu oben XLVIII 17 stigma bifidum: zweispaltige Narbe 20 Phlomis Nissolii: Armenisches Brandkraut; heute: Phlomis armenica; var.: Subcordata (vgl. Linné: Systema 576) 21 involucris: Hüllblätter 21-1 Radialblätter: Tragblätter unterhalb der Teilblütenstände

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alblätter d a r a n . D e r Stengel geniculatus, o b s c u r u s t e t r a g o n u s setaceus. Z u Einem Geschlecht g e h ö r e n beide a u f jeden Fall. Die lezte h a t t e nur Eine verticilla terminalis. Die erste hatte vier linsenförmige Samen, an der zweiten k o n n t e ich n o c h keine sehen. Allein s o w o l labium inferius supra b i - d e n t a t u m als a u c h die interodia c a u l i n o r u m v o n denen die R e d e ist entscheiden fast für das genus G a l e o p s i s . A u c h labium superius s u b c r e n a t u m trifft zu. D a n n m ü ß t e die leztgenannte w o l L a d a n u m sein, die erste gewisser T e t r a h i t . 13. P o t e n t i l l a a r g e n t e a . 14. S p i r a e a U l m a r i a . 1 5 . E u p h r a s i a o f f i c i n a l i s , die a n t h e r a e spinosae v e r r a t h e n sich durch Festhalten der oberen Antheren. 1 6 . C a m p a n u l a latifolia? N u r flores solitarii wollen mir nicht r e c h t passen. Dagegen ist der Stengel g a r nicht [rundlich! und also a u c h wol nicht T r a c h e l i u m , a u c h die Blätter nicht petiolat. O b es eine aus der dritten Abtheilung ist k o n n t e ich n o c h nicht sehn aus M a n g e l an Kapseln. 1 7 . R a n u n c u l u s a q u a t i l i s untere [folia] f a d e n f ö r m i g flaccidens o h n e folia emersa peltata, ohne Kelch, 1 4 Staubfäden.

6 caulinorum] caulin. hobener Streichung peltata

8 leztgenannte] lezt über (erst) 8 Ladanum] mit aufge19 fadenförmig] fadenf. 20 folia emersa peltata] emersa

1 geniculatus: gekniet l f obscurus tetragonus setaceus: undeutlich vierkantig und borstig 2 Geschlecht meint hier: genus, Gattung 3 verticilla terminalis: endständiger Bliitenwirtel 3f linsenförmige Samen: gemeint sind Teil- oder sogenannte Klausenfrüchte 5 labium inferius supra bi-dentatum: oberseitig zweizähnige Unterlippe 5f internodia caulinorum: Sproßachsen der Stengel 7 genus meint hier: Gattung 7 Galeopsis: Stechender Hohlzahn (vgl. Linné: Systema 572) 7 labium superius subcrenatum: leicht gekerbte Oberlippe 8 Ladanum meint Galeopsis Ladanum (Ackerhohlzahn) 9 Tetrahit: Steckender Hohlzahn (vgl. Linné: Systema 572) 10 Potentilla argentea: Silberfingerkraut, ein Rosengewächs (vgl. Linné: Systema 513, Willdenow: Anleitung 346) 11 Spiraea Ulmaria: Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria) (vgl. Linné: Systema 507, Willdenow: Anleitung 337) 12 Euphrasia officinalis: Gemeiner Augentrost, auch: Milchdieb (vgl. Linné: Systema 586, Willdenow: Anleitung 397) 12 antherae spinosae: zugespitzte Staubbeutel 14 Campanula latifolia: Breitblättrige Glockenblume 14 flores solitarii: Einzelblüten 15 statt rundlich wäre zu erwarten: scharfkantig 16 Trachelium: Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) 16 petiolat: langstielig 19 Ranunculus aquatilis: Ranunkel (vgl. Linné: Systema 555, Willdenow: Anleitung 374-377) 19 flaccidens: schlaffzähnig 20 folia emersa peltata: an der Wasseroberfläche schwimmende schildförmige Blätter

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In Sagard 18. S t r a t i o t e s a l o ï d e s . Ich habe mehrere Sträucher aus dem Wasser gezogen und der Bau der Blume war durchaus derselbe. Aber auch mir scheinen die äußeren [Knospen] ohne Nectarien und die inneren ohne Stamina [vori Pistillen; die inneren waren auch in großer Anzahl und nirgend habe ich nur 6 gesehen. Daher bin ich auch der Meinung daß die Pflanze dioica ist und daß ich nur männliche Blüthen gesehen habe. 19. u. 20. S e r a p i a s l a n c i f o l i a und rubra, letztere sofern als erstere wahrscheinlich beide zu dem neuen genus Cymbidium ge3 hörig, welche in Muray noch nicht aufgenommen ist. In eben diese gehört wahrscheinlich noch eine dritte Pflanze (21) die ich fast zur Gattung O p h r y s rechnen müßte aber doch auch aus Mangel an bulbis nicht genau bestimmen konnte. 22. T h a l i c t r u m wahrscheinlich flavum oder minus. Gegen letzteres scheint zu sein daß die Blätter nicht recht rautenartig sind, und floribus cernuis nicht recht zu passen scheint. Sonst purpurascir- ten die Blätter freilich an der Spitze ein klein wenig und der Stengel war sehr dunstblau. Uebrigens hatten alle Blumen die wir durchzählten nur 14-16 Staubfäden. - Auch zu groß war die Pflanze, fast 2füßig, für minus. Der bloßen Beschreibung nach könnte man es auch für Thalictrum simplex halten denn die Blumen nutiren offenbar. 23. Yucca gloriosa. Ich möchte die Kapsel obtuse trigona trilocularis nennen, auf keine Weise hexalocularis und hexagona. panícula pallentissima, floribus pendulis. 5 Pistillen] Pistilen 17 floribus] flor. 2 2 Thalictrum simplex] simplex xalocularis] 61ocularis 2 6 pallentissima] palentissima

25 he-

2 Stratiotes aloïdes: Krebsschere (vgl. Linné: Systema 542f) 4 Nectarien: Nektardrüsen 5 Stamina: männliche Staubblätter 5 Pistillen: weibliche Stempel 7 dioica: zweihäusig 9 Serapias lancifolia: Langblättriges Waldvöglein; heute: Cephalanthera longifolia oder ensifolia (vgl. Linné: Systema 560) 9 Serapias rubra: Rotes Waldvöglein; heute: Cephalanthera rubra 10 genus meint hier: Gattung 10 Cymbidium: Es handelt sich um eine tropische Orchideengattung. 14 bulbis: Wurzelknollen 15 Thalictrum: Wiesenraute (vgl. Willdenow: Anleitung 273, Linné: Systema 549f) 15 Thalictrum flavum: Gelbe Wiesenraute 15 Thalictrum minus: Kleine Wiesenraute 17 floribus cernuis: mit ihren nickenden Blüten 17f purpurascieren: nachdunkeln 22 Thalictrum simplex: Schmalblättrige Wiesenraute 2 4 nutiren: nicken, neigen, schwanken kantig, dreifächrig 2 5 hexalocularis: 25 panícula: Rispe

24 obtuse trigona trilocularis: sechsfächrig 25 hexagona:

stumpfdreisechskantig

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1809 1. Febr. 1. Hyacynthus orientalis, die Pori werden leicht durch den Blumenstaub unscheinbar gemacht. Bei den gefüllten Varietäten hört das globosum auf. Dies ist aber wol nur Wirkung der ver5 änderten Corollen nicht aber daß sie aus einer andren Species entstanden wären. Aber ist denn nicht doch die Charakteristik der Species schlecht.

5 Corollen] Corolen 2 Hyacynthus orientalis: Gartenhyacinthe (vgl. Linné: Systema 357) gang zur Blütennarbe 4 globosum = involurum globosum; gemeint lich die kugelige Basis der Blütenkrone 5 Corollen: Blütenkronen

2 Porus: Einist wahrschein-

Sprachphilosophische (Vermutlich

Untersuchungen 1809)

Die beiden Hauptgattungen der Sprache verhalten sich freilich wie Einheit und Vielheit, nur so, daß in jeder beides ist, nur mit relativ entgegengeseztem Uebergewicht, und daß wiederholte Processe statt finden. So ist zB die Flexion im weitesten Sinne, wohin auch die Ableitung gehört ein wahres Erzeugen der Vielheit aus der Einheit der Wurzel ohne ursprüngliche Materie d. h. ohne daß dasjenige was die Vielheit darstellt, die Endsylben, als ein ursprünglich und unabhängig für sich bestehendes kann aufgestellt werden. Die Rede durch Hülfswörter dagegen ist atomistisch, ein bloßes Zusammenfügen, wo das die Einheit darstellende nicht für sich erscheint. Genau hängt also dieses zusammen mit dem ursprünglichen Dualismus in der Philosophie. Man kann sagen die lezte Gattung hat zu ihrem Princip die bloße Cohäsion, den Magnetismus, sie liegt also im Gebiet der Masse. Die erste hat zu ihrem Princip den Organismus und liegt im Gebiet des Geistes. Wie nun zwischen beiden der chemische Prozeß liegt so auch die dritte Sprachgattung durch Suffixe und Präpositionen. Und wie der chemische Prozeß zwiefach angesehen werden kann als | sich entwikelnd aus der Masse um den Organismus zu bilden dann aber auch als Zurüktreten des Organischen in die Masse so auch gewiß jene Sprachen je nachdem das für sich bestehen der Suffixen hervortretend ist oder nicht. Hierüber müssen noch vielfältige Untersuchungen angestellt, wo etwa Pronomina iPraepositionenl p. mehr als herausgetretene Endungen anzusehen sind. In einer recht durchgebildeten Sprache müssen alle Formationen sein. Dies ist gewiß der Vorzug des griechischen und deutschen vor dem Indischen, welches leztere mehr eine [Granitsprachel gewesen zu sein scheint. Der Artikel bildet einen Uebergang zum Bau durch Hülfswörter aber er ist im Griechischen nur losgerissene Endung. Flexion ist reines Erzeugen der Vielheit aus der Einheit. Je reiner sie ist, um desto mehr muß der Wohlklang dominiren weil nur durch Rüksicht auf ihn sowol die Wurzel als auch die größere persönliche Einheit der Sprache ihr Recht behält. Je mehr in der Flexion die strenge Analogie die Oberhand gewinnt über den Wohlklang um desto mehr tritt das mechanische in der Sprachbildung hervor. Das organisch erzeugte wird dann als bloße Vielheit angesehn und eine äußere Einheit hineingebracht. 2 daß] folgt (freilich) ergänzen werden

16 Praepositionen] Praeposit.

2 2 angestellt] wohl

zu

108

Sprachphilosophische

Untersuchungen

Es ist doch nicht übel im Deutschen, daß die tempora welche den Zusammenhang darstellen zur Flexionsformation gehören die aber welche allgemein hinstellen und berichten zur Auxiliarformation gehören.

2 darstellen] über (erzählen)

3 allgemein] allgem.

Andenken an den Grafen Ludwig Moritz Achatius zu Dohna (Der Preußische Correspondent, Nr. 23 vom 11. Februar 1814 und Beilage zu Nr. 26 vom 16. Februar

1814)

Andenken an den Grafen Ludwig Moritz Achatius zu Dohna (Mitgetheilt. ) Es kann nicht unbelohnend seyn, noch einige Worte hinzuzufügen zu 5 dem, was früher schon (s. Nr. 17) über diesen sehr allgemein bedaulf Ludwig Moritz Achatius Graf und Burggraf zu Dohna (1776-1814) war der älteste von Schleiermachers Schülern während seiner Hauslehrerzeit bei dem Grafen Friedrich Alexander zu Dohna-Schlobitten (Oktober 1790 bis Mai 1793). Schleiermacher hegte eine besondere Sympathie für den jungen Grafen (vgl. den Brief an Heinrich Catel vom 17. Dezember 1790, in: KGA V/1, Nr. 149), stand aber später nicht mehr in engerem Kontakt mit ihm. 5 Der Preußische Correspondent, Nr. 17 vom 31. Januar 1814, Sp. 3. Der Artikel, der wohl von dem Herausgeber der Zeitung, Achim von Arnim, stammt (vgl. Arnims Erklärung dort Sp. 7f, besonders 8), hat folgenden Wortlaut: „Königsberg, den listen Januar. Am 19ten Januar dieses Jahres starb zu Danzig im 37sten Jahre seines Alters an den Folgen des Lazarethfiebers der Graf zu Dohna, Königl. Oberst, Inspecteur einer Division der Ostpreußischen Landwehr, Commandant der Stadt und Festung Danzig, Ritter des Verdienstordens und des eisernen Kreuzes zweiter Classe. Sein Benehmen in den Feldzügen der Jahre 1794, 1806 und 1807 hatten ihm als Krieger Achtung und Vertrauen erworben. Nach dem Tilsiter Frieden verließ der Verewigte den Dienst, um in stiller Zurückgezogenheit sich der Sorge für die Angelegenheiten seiner Familie zu widmen. Mitten unter diesen friedlichen Beschäftigungen blieb mit besonderer Innigkeit stets der Wunsch in ihm lebendig, sobald der günstige Augenblick kommen würde, für die Sicherheit und Würde des Throns und für die Befreiung des Vaterlandes von fremder Willkühr zu kämpfen, mit dem Vorsatze, hierbei keine Aufopferung zu scheuen. Als im Januar des vorigen Jahres unter Leitung Sr. Excellenz des Generals von York sich die Landstände hier versammelten, um über die kräftigsten Maßregeln zu einer außerordentlichen Landesbewaffnung zu beratschlagen, nahm der Verewigte an diesen Verhandlungen ehrenvollen Antheil. Das Vertrauen, welches man in seine Einsicht und seinen Character setzte, berief ihn zur Stelle eines Inspecteurs der zu errichtenden Landwehr und bestimmte ihn dazu, das Gesuch der Ostpreußischen Stände um Genehmigung der Errichtung einer Landwehr und die Stiftung eines Nationalcavallerieregiments des Königs Majestät vorzutragen. Nachdem diese Genehmigung erfolgt war, und die bereits getroffenen Anordnungen zu einem Landesgesetz erhoben worden, bestrebte er sich in Verbindung mit andern würdigen Mitständen, das Gesetz auf das schleunigste und beste zur Ausführung zu bringen. Sein unabläßiges Bemühen war darauf gerichtet, in der ihm anvertraueten Landwehr den Geist mit vaterländischem und christlichem Heldenmuthe zu wecken und zu nähren, und darin mit seinem Beispiele voranzugehen. Inwiefern ihm dieses Bemühen gelungen ist, beweisen die Ereignisse der letzten Monathe, und gewiß wird in der braven Preußischen Landwehr jener Geist zugleich mit der Erinnerung an ihren ersten Anführer stets fortleben. Den Tod gefunden hat dieser als Opfer seiner Menschenfreundlichkeit und seines Treuen Eifers, die ihm obliegenden Pflichten ihrem ganzen Umfange mit gewissenhafter Strenge zu erfüllen. "

112

Andenken an den Grafen zu Dohna

erten, und Vielen höchst schmerzlich entrissenen treflichen M a n n gesagt ist. Sein Leben war so musterhaft, daß auch eine ausführliche Beschreibung desselben willkommen wäre, wie wir uns denn das Bild der Ausgezeichneten, die für das Vaterland starben, möglichst gegenwärtig erhalten sollten. Hier möchte ich nur einen Umriß desselben hinwerfen, an dem jeder, der ihm irgend nahe war, seine theuern Erinnerungen leicht anknüpfen könne, an dem aber auch jeder Fremde erkennen müßte, von wie hoher Liebenswürdigkeit der Entschlafene war, und wie natürlich er allen Guten die reinste Achtung abgewann. Sein ganzes Wesen war Frömmigkeit und Liebe; und weil es ihm mit beiden tiefer Ernst war, so wurde er in allen Verhältnissen, was er seyn mußte. Strenge und Milde waren in ihm jede so rein und beide so innig verbunden, wie man es nur bei den seltenen Gemüthern findet, deren sittlicher Ausbildung keine Gewalt der Leidenschaft und keine Unfähigkeit der Natur in den Weg tritt. Streng und sein ganzes Uebergewicht zusammennehmend gegen alles was sich dem Guten und Rechten entgegenstellte; w o es außer seinem Beruf lag dagegen aufzutreten - denn auch hiebei verließ ihn nicht seine hohe Bescheidenheit und Anspruchlosigkeit - da ehrte er sein Gefühl durch kalte Entfernung. Streng hielt er in seinem ganzen Kreise auf die kleinste Obliegenheit, ohne doch je sich und andere in die peinliche Gewissenhaftigkeit eines bloß todten Buchstaben hineinzubannen. Milde war er gegen alles was ihm als eine, wenn auch noch so fremdartige Eigenthümlichkeit entgegentrat, oder was sein reiner Sinn nur für Schwachheit erkannte. W e r ihn nicht ganz durchschaute oder nicht 8 eben so rein fühlen konnte als er, mußte oft über|rascht werden, wenn statt des gutmüthig sich hingebenden Menschen plötzlich der unerschrockene Streiter für das Rechte und W a h r e sich zu erkennen gab, oder statt der erwarteten strengen Beurtheilung die menschenfreundlichste Güte sich entwickelte. Eine ruhige Heiterkeit, die auch Andere so zu stimmen suchte, war der Grundzug seiner N a t u r ; hiemit und mit der einnehmendsten Freundlichkeit konnte es ihm nicht fehlen den W e g zu jedem Herzen zu finden. Er selbst schloß sich, sehr vorsichtig, außer den geliebten Seinen, nur Wenigen völlig auf. In vertrauten Augenblicken offenbarte sich in ihm ein leiser Z u g von W e h m u t h , ein tiefes Gefühl davon, wie wenig außerhalb des engsten Kreises der Liebe auf irgend etwas in der Welt Verlaß sey, wie wenig man auch 37 auf . . . Verlaß] OD: auch irgend etwas in der Welt Verlust 1 Zu den Umständen des Todes von Ludwig zu Dohna siehe unten Schleiermachers Darstellung 116,11-34. 37 Vgl. zu dieser Stelle Schleiermachers Brief an Alexander Graf Dohna vom 12. März 1814, in: Landwehrbriefe 1813. Ein Denkmal

Andenken an den Grafen zu Dohna

113

mit dem besten Willen ausrichte, wie sich überall das Schlechte einmenge und hervordränge. Damit vereinte sich in ihm auf die anmuthigste Weise das Talent des gutmiithigsten spottenden Scherzes, den er aber nirgends ausließ, wo eine Misdeutung auch nur von fern zu besorgen war. Mit dem treffendsten darstellenden Wiz der ihm zu Gebote stand, hat er gewiß nie jemandem weh gethan oder geschadet. Ein Haus ist gewiß von hohem Adel, in welchem solche Einzelnen aus Einem gemeinsamen Familiengeist, wie es hier der Fall war, emporblühen. Er wurde geboren 1 7 7 6 am 8. Sept. auf dem Schloß zu Schlobitten, und empfing seine Bildung im väterlichen Hause. Fern wie er war von allem persönlichen und andern Ehrgeiz, mit dem Gedanken der sich früh in ihm entwickelt hatte, daß die Krieger nicht in so ungeheuern Massen einen abgesonderten Stand bilden sollten, war es natürlich, daß er zu einer Zeit wo keine Aussicht war, in einem n o t wendigen Kriege dem Vaterland wahrhaft zu dienen und es zu verherrlichen, nicht eben mit entschiedener Vorliebe in den Kriegsdienst trat. Aber sobald er sich für diese Bestimmung entschieden hatte, machte er die Kriegskunst zu seinem Studium. Auch übersah er den Einfluß nicht, den der Dienst auf das Volk hat, und strebte durch die ihm eigene Mischung von Liebe und Strenge bei seinen Untergebenen Zucht und Ordnung aufrecht zu halten. 1 7 9 1 ward er in der Suite des Gen. L. v. Usedom angestellt; 1 7 9 4 machte er als Adjutant des G. L. Gr. v. Schwerin den Feldzug in Polen mit und zeichnete sich bei der Belagerung von Warschau aus. Im Jahr 1 8 0 4 vermählte er sich mit der Gräfin Amalia zu Dohna Reichertswalde. Leider hat diese höchst glückliche Verbindung nur 10 Jahr gewährt, und nicht ohne manchen herben Kummer; denn 4 Kinder entriß ein früher Tod den zärtlichen Eltern. Zwei Töchter sind der tiefbetrübten Wittwe hinterblieben. Die Befriedigung, die der Graf in diesem schönen ehelichen Leben fühlte, hinderte ihn nicht in dem Kriege von 1 8 0 6 und 7 mit voller Begeisterung Soldat zu seyn. - Er focht in dem 13ten Dragonerregiment bei

der Erinnerung an den Burggrafen Ludwig zu Dohna-Schlobitten, ed. Christian Krollmann (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreussens 9), Danzig 1913, S. 244f, hier 244: „Es ist, trotz meiner genauen Correctur, ein scheußlicher Druckfehler stehen geblieben, der es unmöglich macht, den Sinn zu errathen. S. 5 Z. 3 u. 4 soll es heißen, ,auf irgend etwas in der Welt Verlaß sei'." Nach dieser Korrektur erfolgt der textkritische Eingriff. Schleiermachers Stellenangabe scheint sich auf einen gleichzeitig veranstalteten privaten, heute verschollenen Separatdruck des Nachrufes zu beziehen. 15-18 Siehe hierzu Schleiermachers Brief an den Vater, ]. G. A. Schleyermacher, vom 10. Februar 1793, in: KG A V/1, Nr. 209,85-87 26 Amélie, geb. Burggräfin und Gräfin zu Dohna-Reichertswalde (1777-1863)

114

Andenken an den Grafen zu Dohna

dem Armeecorps des Gen. L. v. Rouquette, welches erst vor den Feind kam, als Preußen der Schauplatz des Krieges wurde. l

Bald trat er auf als Anführer einiger Schwadronen Kavallerie und einiger Compagnien Jäger, mit denen er nicht nur im Jan. 1 8 0 7 ein sehr rühmliches Gefecht bei Hagenau in der Gegend von Preußisch-Holland gegen einen überlegenen Feind bestand, den er warf und drei feindliche Officiere gefangen nahm; sondern so lange das Rouquettesche Corps zwischen der Passarge und Weichsel stand, führte er in dieser Gegend, wo er geboren und erzogen war, mit seinem Corps einen dem Feinde höchst beschwerlichen kleinen Krieg, indem er die überlegene französische Armee bald hie bald da unaufhörlich beunruhigte. Hiebei kam ihm die innige Anhänglichkeit der Bewohner des Oberlandes vorzüglich zu statten, welche er sich durch sein trefliches Benehmen ganz gewonnen hatte, und welche wol einsahen, wie sehr dieser kleine Krieg den Feind im Zaume hielt. Im Frühjahr 1 8 0 7 wurde das Rouquettesche Corps zur Vertheidigung von Danzig mit beordert. Der Graf zeichnete sich bei Ausfällen und bei der Vertheidigung rühmlichst aus. Als bei dem letzten Bombardement ein mit Pulver gefüllter Thurm in Brand gerieth, war er es und der bei Lützen gebliebene Graf Groeben, welche mit einigen ihrer Untergebenen das Pulver eiligst aus dem Thurm entfernten und Danzig aus einer großen Gefahr retteten. Sobald der Friede geschlossen war, hielt er es für seine Pflicht bei der Verringerung des Heeres denen Platz zu machen, die einer Anstellung in demselben mehr bedurften; er nahm seinen Abschied und zog sich auf das Land in den geliebten Familienkreis zurück. Der Feldzug hatte seinen Ruf begründet; die Ueberzeugung, daß was er unternähme recht seyn müsse und daß es werde verständig geleitet und besonnen ausgeführt werden, war so allgemein, und die Liebe und Achtung, die er genoß, so groß, daß er getrost die Provinz zu den kühnsten und größten Unternehmungen gegen die feindlichen Truppen, die noch immer darin hauseten, hätte auffordern können. Seine ländliche Ruhe wurde unterbrochen durch die Aufforderung, an der für unser ganzes Vaterland höchst merkwürdigen Ver2 wurde.] folgt auf neuer Zeile ( D e r S c h l u ß n ä c h s t e n s . ) 3 Bald] davor auf eigener Zeile Andenken an den Grafen Ludwig Moritz Achatius zu Dohna. ( B e schluß. ) 3 3 - 1 Die von Schleiermacher hier erwähnte Versammlung der ostpreußischen Stände trat erstmals am S. Februar 1813 in Königsberg zusammen. Während der Verhandlungen gelang es dem zu dieser Zeit in engem Kontakt mit dem russischen Kaiser stehen-

Andenken

an den Grafen zu

Dohna

115

Sammlung der p r e u ß i s c h e n Stände T h e i l zu n e h m e n . W i e v i e l er bei dieser Z u s a m m e n k u n f t w i r k t e ist vielen b e k a n n t , und erhellt s c h o n d a r a u s , d a ß m a n i h m ü b e r t r u g n a c h B r e s l a u zu reisen u n d die Bitte der Stände u m G e n e h m i g u n g der L a n d w e h r des K ö n i g s M a j e s t ä t v o r z u t r a g e n . Die Idee der L a n d w e h r h a t t e er in d e m h ö c h s t e n religiösen und p a t r i o t i s c h e n Sinne a u f g e f a ß t ; dies b e s t i m m t e a u c h w i e v o n selbst seine Stelle in derselben, u n d er h a t seine h ö c h s t e Idee in d e m lezten J a h r e seines L e b e n s in der herrlichsten W i r k s a m k e i t dargestellt, ja m a n k a n n ihn als einen vollendeten R e p r ä s e n t a n t e n derselben | a n - 2 sehn. H i e r e n t w i c k e l t e er sich als e c h t christlicher K r i e g s m a n n voll G l a u b e n und M i l d e , Stärke und H e l d e n m u t h . E r theilte m i t seiner Division alle B e s c h w e r d e n u n d G e f a h r e n in den T r a n c h e e n v o r D a n zig, m e h r e r e seiner Briefe bezeugen, w e l c h ' ein s c h ö n e s Gefühl er h a t te v o n seinem Einfluß a u f seine L a n d w e h r m ä n n e r , w i e glücklich er sich in d e m L e b e n m i t ihnen fühlte. W i e herzlich u n d v ä t e r l i c h seine Sorge für sie w a r , wie innig ihre V e r e h r u n g , d a r ü b e r ist n u r E i n e Stimme. Bei den für die U e b e r g a b e v o n D a n z i g e n t s c h e i d e n d e n G e fechten v o m 1 0 . u n d 1 1 . O c t o b e r befehligte der G r a f die p r e u ß i s c h e n und russischen T r u p p e n , die d a r a n Theil h a t t e n . A l l g e m e i n b e w u n dert w u r d e seine G e i s t e s g e g e n w a r t in der d r i n g e n d s t e n G e f a h r , die Richtigkeit seines Blicks, die Kräftigkeit seines Befehls, die z a u b e r i 12 alle] aber

den, bei der Ständezusammenkunft anwesenden Freiherrn vom Stein, den Landtag zu einer Entschließung zu bewegen, wonach die Provinz an einer von Rußland unterstützten Erhebung gegen Napoleon teilnehmen werde. Geleitet wurde die Versammlung von Ludwigs Bruder, dem als Generallandschaftsdirektor und Präsidenten des ständischen Ausschusses von Ostpreußen und Littauen amtierenden Alexander Graf Dohna (vgl. Johannes Voigt: Das Leben des Königlich-Preussischen Staatsministers Friedrich Ferdinand Alexander Reichs-Burggrafen und Grafen zu Dohna-Schlobitten, Leipzig 1833, S. 22-24, hier 22). in der Folge dieses Beschlusses und auf Vorschlag von Carl von Clausewitz wurde mit dem Aufbau einer Landwehr begonnen, der zwanzigtausend Mann angehören sollten. Bemerkenswert ist dieser in der gesamten preußischen Monarchie einzigartige Vorgang vor allem deshalb, weil der Beschluß zur Landesbewaffnung ohne Genehmigung König Friedrich Wilhelms III. getroffen wurde. Für die Mobilisierung des allgemeinen Widerstandes gegen die Besatzungsmacht war seine Wirkung beträchtlich (vgl. Adalbert Bezzenberger (Hg.): Urkunden des Provinzialarchivs in Königsberg und des Gräflich Dohnaschen Mayorots-Archivs in Schlobitten betreffend die Erhebung Ostpreußens im Jahre 1813 und die Errichtung der Landwehr, Königsberg 1894; Walter Grosse: Die Entstehung des Landwehrgedankens in Ostpreußen 1812/13, in: Leistung und Schicksal. Abhandlungen und Berichte über die Deutschen im Osten. Herausgegeben von Eberhard G. Schulz, Köln/Graz 1967, S. 297-302). Die von Schleiermacher erwähnte Entsendung Ludwig Graf Dohnas nach Breslau hatte den Zweck, die Zustimmung Scharnhorsts zu der von dem preußischen Landtag beschlossenen Errichtung von Landwehr und Landsturm einzuholen. Dies gelang auch, wenngleich nur gegen einige Widerstände Scharnhorsts. 12 Trancheen sind Laufgräben.

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Andenken an den Grafen zu Dohna

sehe Liebenswürdigkeit seiner Zuspräche. Bei dem Einzug in Danzig blieb er an der Spize seiner Landwehr, und erndtete vorzüglich die Freudensbezeugungen der gutgesinnten Einwohner. Aber auch den ehrenvollen und ausgezeichneten Posten eines Commandanten von Danzig war er nur gesonnen so lange zu behalten, als auch seine Landwehr da bliebe; mit ihr wollte er wieder weiter ziehn. Auch fühlt diese Landwehr sich wie verwaiset, alle seine Kriegsgefährten sind tiefgetroffen von seinem Verlust. Mehrere alte russische Officiere baten dringend daß man ihnen noch die Leiche zeigen möchte und haben unter heißen Thränen dabei gebetet. Die heilige Pflicht des Befehlshabers sich von dem Zustande der Kranken selbst zu überzeugen hatte er bisher immer ohne Nachtheil beobachtet. In den lezten Tagen des Decembers hörte er von den Leiden der Landwehrmänner in einem von den Franzosen eben übernommenen höchst schlecht eingerichteten und verpesteten Lazareth in Neufahrwasser. Er reitet in Begleitung eines Adjutanten und Staabschirurgus hin; ein blauer Dunst bedeckte die an den schrecklichsten Lazarethfiebern sterbenden, der Staabschirurgus muß dennoch zu jedem einzelnen Kranken hintreten und sich genau unterrichten, während auch der Graf trostreich mit jedem Unglücklichen spricht. Der Staabschirurgus bekömmt nach zwei Tagen die schwarzen Petechien, und ist nur mit Mühe gerettet. Bei dem Grafen brach das eingesogene Gift am 7. Jan. aus und zeigte sich am 9ten als ein Fleckfieber mit heftiger Gehirnentzündung. Am 14ten, als schon der Arzt den Umstehenden die Zeichen des nahen Todes ankündigte, trat plötzlich eine anscheinende Besserung ein. Der Arzt betheuerte, er habe nie einen so bestimmt im Sterben liegenden Kranken sich so erholen gesehen; die Natur arbeitete bis zum 17ten zur Widerkehr ins Leben hin. Leider verschwanden eben so unbegreiflich als rasch am 18ten alle guten Zeichen. Der Zustand verschlimmerte sich von Stunde zu Stunde und am 19. gegen 11 Uhr verschied er. Die lezten vier Tage war er bei 3 voller Besinnung, | und jedes Wort das er redete, trug das Gepräge seines liebevollen Wesens, seiner frommen Gemüthsruhe, seines ächten Heldenmuthes. Die allgemeine Theilnahme zeigte sich auf eine außerordentliche Weise bei seiner Bestattung. Er sollte nur vorläufig in Danzig still beigesetzt werden, es wurde aber durch die allgemeine Beeiferung das glänzendste militairische Leichenbegängniß, dem auch der Senat und 2 9 als rasch] OD: als 21 Hierbei handelt es sich um eine schwere Erkrankung, punktförmigen Hautblutungen auftritt.

die in Form von

kleinen,

Andenken an den Grafen zu Dohna

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die angesehnsten Kaufleute und Geistlichen folgten. Außer dem Landwehrprediger trat in der Pfarrkirche, als man nach der Gruft gehen wollte, noch ein ausgezeichneter Geistlicher aus der Gegend auf und hielt eine begeisterte Rede. Ueberall auf dem Wege von Danzig nach 5 Schlobitten ward die Leiche von den Behörden empfangen und begleitet. So gestaltete sich die Trauer um seinen Verlust wie eine Landestrauer; und mit diesem Eindruck, der auch die nochmalige Erwähnung des herrlichen Mannes in diesen Blättern am besten rechtfertigt, mögen diese Worte schließen; den tiefen Schmerz seiner An10 gehörigen sollen sie nur schweigend ehren. F. S.

Text zu (Vermutlich

Demokrit 1814/15)

Manuskript SN 189/3, Teilfaksimile (Orginalgröße) Blatt lr

Schon lange Zeit aber sehr unterbrochen auf mannigfaltige Weise beschäftigt mit dem Demokritos angeregt theils durch die Schwierigkeiten in der Geschichte (Verhältniß gegen Leucipp, Protagoras; erster Schüler des Zenon, über 40 Jahr jünger als Anaxagoras.) theils durch den Contrast der Geschichte und des Charakters mit der Wirkung (höchste Reife, Richtung aufs empirische und doch nichts historisches mitgebracht.) des grossen Ruhms mit der absoluten Willkührlichkeit der Hypothesen, die je mehr ins Einzelne hinein desto toller werden (ζ. E. das Aufsteigen der Bilder im Schlaf) theils durch die Schwierigkeit die compacten Urtheile der Alten zu Einem Ganzen zu verbinden indem sie1 ihn mit dem allerentgegengeseztesten zusammenbringen. Die Arbeit ist aber sehr weit aussehend. Von zwei Punkten aus, den Fragmenten und den Zeugnissen. Ueber jene in der philologischen Klasse. Beides auch wieder von einander abhängig. Gegenwärtig etwas zur Kritik jener sonderbaren Zeugnisse, nur aus gewissem Standpunkt. Das atomistische System kann nicht aus rein philosophischem Interesse ent| springen. Dieses ist [überwiegend! das an der Form des Denkens, es kommt auf Einheit und Vielheit zurük, entweder ursprünglich atomistisch des Gegensazes oder ursprünglich eleatisch und hebt α nemlich zu ß. (Demokrit 51 Leucipp 14.) 1

Plato, Pythagoras Protagoras Empedokles Anaxagoras

5 - 7 der Geschichte . . . mitgebracht.)] mit Einfügungszeichen am Rand 5 Charakters] Charakt 6 (höchste] ¡höchste 6f historisches] histor. 7 mitgebracht.)] mitgebracht. 7 Ruhms] am Rand Dion Emp 11 verbinden] vbinden 1 3 - 2 2 Die . . . Leucipp 14.)] mit Einfügungszeichen am Rand 14 philologischen] philolog. 2 0 Vielheit] Vieheit 21 atomistisch] at. 21 eleatisch] eleat. 2 2 nemlich] neml 2 2 Demokrit] D. 2 2 Leucipp] L. 24 Pythagoras] Pythag. 2 4 Protagoras] Protag. 2 4 Empedokles] Emped. 2 4 Anaxagoras] Anax. 3 Das Geburtsjahr Leukipps wird auf den Zeitraum 480/470 datiert, dasjenige Demokrits auf 460 v. Chr. 4 Vgl. Diogenes Laertios: De vitis philosophorum IX, 34 und 41, De vitis dogmatibus et apophthegmatibus clarorum philosophorum libri X, ed. M. Maibom, Amsterdam 1692, S. 569. 571; Vitae philosophorum, ed. H. S. Long, Oxford 1964 (ND 1966), S. 454,21^55,2. 457,22-24 2 2 Vgl. Demokrit-Notat SN 189/1, Nr. 51; Plutarch: Placito philosophorum 1,7, Omnium, quae exstant, operum, Bd. 2. Moralia, ed. G. Xylander, Prankfurt 1599, S. 881 D; Moralia, Bd. V/2,1, ed. J. Mau, Leipzig 1971, S. 67,7f 22 Vgl. Leucipp-Notat SN 93, Nr. 14; Plutarch: Placita philosophorum IV,8, Opera, Bd. 2, 899 E; ed. Mau 119,17-19

122

Text zu

Demokrit

(so Anaxagoras.) wie wunderlich nun auch die Einheit sei, [schadet! nicht. (Man könnte nur vertheidigen es sei Streben nach der Vielheit.) Hier sezt er aber zur Vielheit eine andre Vielheit. Keine Spur eines Systems von Gestalten. 2 Die Dinge seien Einheit und diese aufgelöst. So die Gegensäze zwischen Spiritualistischen und atomisten zu fassen. Allein der Verstand beruht bei der Vielheit nicht, um so weniger als auch kein bestimmtes Gesez ist für die Formation der Einheiten. Also fragt man woher so kann man sich ein dreifaches denken: technisches ethisches [derivativesl. Vom lezten zuerst. Nimmt man Leucipp an, so hat Democrit überhaupt wenig [erfunden!, aber wir müssen dann auf Leucipp zurükgehn: also beide als Eine Person. Eleatisch Hauptstelle (Leucipp 9) beweiset wenig nur in der Annahme des Leeren und des Nichtseienden. Vielleicht ausdrüklich Parmenidische Form gewählt. Freilich Simplikios Leucipp 7 aber Gegensaz und mei2r nend ein Entstandensein aus dem Alten. Auf dieselbe Spur führt | Sextus (Demokrit 17). Pythagoras so nur Aristotelische Combinationen (Leucipp 12.) Aber wol sehr mißverstanden wie dies überhaupt nicht Aristoteles' Stärke. 2

Das sagt Aristoteles ausdrüklich Leucipp 12,b. Was Aristoteles anführt Leucipp 9 sieht [zwar! aus wie ein philosophisches Interesse.

6 atomisten] atom. 6 Verstand] Vstand 9 denken:] denken I i i [erfunden!] am Rand Zweifel des Diog. L. gegen Leuc. X, 13 12 Leucipp] Leuc. 14 E l e a t i s c h ] am Rand; davor Kl 15 Leucipp] Leuc. 17 Freilich] Freil 17 Simplikios] Simpl. 17 Leucipp] Leuc. 18 dieselbe] dselbe 18 führt] folgt [Democr.l 18f Sextus] Sext. 19 Demokrit] Dem. 20 P y t h a g o r a s ] Pythag am Rand 21 so] iPythag] so 21 Leucipp] Leuc. 22 Aristoteles'] Aristot. 23 Das . . . Leucipp 12,b.] mit Einfügungszeichen am Rand 23 Aristoteles] Arist. 23 Leucipp] Leuc. 23f Was . . . Interesse.] am Rand 23 Aristoteles] Arist. 23 Leucipp] Leuc. 24 philosophisches] philos. 15 Vgl. den zweiten Nachweis zu Zeile 23 17 Vgl. Leucipp-Notat SN 93, Nr. 7; Simplikios: Commentarti in octo Aristotelis physicae auscultationis libros cum ipso Aristotelis textu, ed. F. Asulanus, Venedig 1526, S. 7r, Simplicii in Aristotelis Physicorum libros quattuor priores commentarla, ed. H. Diels, CAG 9, Berlin 1882, S. 28,4-15 19 Vgl. Demokrit-Notat SN 189/1, Nr. 17; Sextus Empiricus: Pyrrhoniae hypotyposes VII, 135-139, Opera, ed. ]. A. Fabricius, Leipzig 1718, S. 399f; Opera, Bd. 2. Adversos dogmáticos libros quinqué, ed. H. Mutschmann, Leipzig 1914 (ND 1984), S. 33f 21 Vgl. den ersten Nachweis zu Zeile 23 23 Vgl. Leucipp-Notat SN 93, Nr. 12b; Aristoteles: De caelo 303a,10-16; Opera 1,295D-E 23 Vgl. LeucippNotat SN 93, Nr. 9; Aristoteles: De generatione et corruptione 324b,35-325b,4, Opera 1,313 G-314C

Text zu Demokrit

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E m p e d o k l e s und A n a x a g o r a s Wie diese unter sich sehr häufig so auch unser mit beiden. Atome Ifertigenl die Elemente; am meisten wenn man Anaxagoras mit dazu nimmt - Fortsezung des Anaxagoras als ob man auf die wahren Hos monomien käme durch mechanische Theilung. Als ob durch diese die Qualität eher verloren ginge als die Gestalt - ήν δμου παντα δυνάμις. Schließt er sich wirklich an diese an ([Zeitenfolgel nicht dagegen) so hat Itechnischesl Interesse die Oberhand. Dagegen ist er abhold dem auf Erklären des organischen gerich10 teten weil es das zufälligste bleibt, alle teleologischen Tendenzen verwirft er aufs stärkste. (Aristoteles de generatione animalium II, 6) der sich darüber gegen ihn erklärt daß dies αει το άπειρον nur aus dem δια τι zu erklären sei.

1 E m p e d o k l e s und A n a x a g o r a s ] E m p e d o k l . u. A n a x a s . am Rand 3 man] m 3 Anaxagoras] Anax. 4 Anaxagoras] Anax. 7 [Zeitenfolge]] auch möglich iZerbrechungl 8 technisches] techn 9 organischen] organ. 10 teleologischen] teleolog. 12 Aristoteles] Aristot. 12 generatione animalium] gen. anim. 41 Gleichförmigkeit der Teile 13 Vgl. Aristoteles: „ Ού καλώς δέ λέγονσιν ούδέ τον διά τί τήν άνάγκην, δσοι λέγονσιν δτι οΰτως άεί γίνεται, και ταύτην είναι νομίξονσιν άρχήν tv αύτοΐς, ώσπερ Δημόκριτος ó Αβδηρίτης, δτι τον μέν άεί και άπειρον ούκ ëariv άρχή, τό δέ διά τί άρχή, τό δ'άεί άπειρον, ώστε τό έρωτάν τό διά τι περί των τοιούτων τινός τό ξητεΐν είναι φησι τον άπειρον άρχήν." (De generatione animalium 742b,17-23, Opera 1,663F)

F. S c h l e i e r m a c h e r an den

Herrn

Geheimenrath Schmalz. Auch eine

Recension.

Also nur mehr solcher Schmalz No.

2 . S.

Schriften. 11.

Berlin, in d e r

Realschulbuchhandlung im N o v b r .

1815.

6f Ueber des Herrn B. G. Niebuhrs Schrift wider die meinige, politische Vereine betreffend. Vom Geheimen Rath Schmalz, Berlin 1815: „Das Ausland mußte aber sehen, wie unsere Landesleute, - und ich habe erfreuliche Beweise, daß beide das gesehen haben, - daß eine Parthey keine bedeutende Männer zum Schutz haben könne, welche ich, der einzelne Mann (aber doch in einer Lage, worin ich des Terrains nicht ganz unkundig seyn kann), mit meines Namens Unterschrift öffentlich anzugreifen wage. Mit Glück habe ich angefangen durch Publicität zu vernichten, was Publicität sichrer vernichtet, als die Polizey, ehe denn ihre gesammelten Anzeigen zur Reife juristischer Beweise gediehen sind. Mit solchen Schriften, wie die Niebuhrsche, kömmt man eben mir dafür am besten zu Hülfe. ... Also nur mehr solcher Schriften! und gerade je Niebuhrischer, eben desto besser; dann werden auch leichtsinnige Menschen sich schämen, einer Sache zugethan zu seyn, welche so vertheidigt wird." (S. 11) Schmalz bezieht sich auf Barthold Georg Niebuhrs im Oktober 1815 erschienene Schrift „ Ueber geheime Verbindungen im preußischen Staat, und deren Denunciation" (Berlin 1815).

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Freilich ist es unangenehm von sich selbst öffentlich reden zu müssen, 3; 647 das fühle ich auch, denn auch die Veranlassung dieses Schreibens ist in mancherlei Hinsicht eine persönliche. Doch da fast jeder Schriftsteller dieß mehr oder weniger zu thun pflegt in Vorreden: so will ich 5 mich nicht sonderlich darüber grämen; zumal ich auch verhältniß1 Freilich] Dem Text steht auf zwei unpaginierten Seiten ein Druckfehlerverzeichnis voran. Es beginnt mit folgender Notiz: „Die nachstehenden Druckfehler, welche aus der Entfernung des Verf. vom Druckort (Dessau) entstanden sind, bittet man vor dem Lesen zu berichtigen, so wie die fast durchgängig fehlerhafte Interpunktion zu verbessern." 5-3 Theodor Anton Heinrich Schmalz: Berichtigung einer Stelle in der Bredow-Venturinischen Chronik für das Jahr 1808. Ueber politische Vereine, und ein Wort über Scharnhorsts und meine Verhältnisse zu ihnen, Berlin 1815, S. 3: „Es ist höchst unangenehm, von sich selbst öffentlich reden zu müssen; auch würde die Kränkung meiner Ehre in der Chronik des Herrn Venturini vom Jahr 1808 mich nicht bewegen, darauf zu antworten, wenn nicht in der Sache selbst ein allgemeines Interesse läge. " Auf den Seiten 4 bis 11 gibt Schmalz eine Darstellung des in jener Chronik geschilderten Sachverhaltes aus eigener Sicht. Den Schlußteil (Seiten 11 bis 16) widmet er einer Erörterung, die von der Behauptung ausgeht, auch derzeit bestünden geheime, politisch wirksame Gesellschaften. Schmalz bezieht sich auf folgende Passage in der Venturinischen Chronik: „Stein stiftete einen geheimen Orden unter dem Namen Tugendverein, wußte mehrere bedeutende Männer dafür zu interessiren, und gab zum Zwecke des Vereins an: Wiederherstellung und Erhaltung deutscher Redlichkeit, wie auch Ermunterung zum Patriotismus und zur Bürgertugend in den jetzigen Zeiten. Die Assimilationen des Ordens dehnten sich nicht nur durch die preußische Monarchie, sondern auch durch Westfalen, und vielleicht sogar durch das südliche Deutschland aus. Wichtige Erwerbungen für den Orden waren: Schill, der am 10 Decbr. nach Berlin kam, und sowohl mit dem vertriebenen Churfürsten von Hessen, als mit dem Herzoge von Braunschweig-Oels in weitaussehende Verbindungen trat; ferner Dörenberg, Oberster der königlich westfälischen Garde, und ein Gerücht nannte auch den Geheimenrath Schmalz, welcher aus Halle entwichen, jetzt zu Berlin privatisirte und auf bessere Zeiten hofte. Schills Feuergeist arbeitete sogleich zur Vorbereitung auf eine Unternehmung, die ihm im folgenden Jahre den Untergang brachte. Er kaufte im Geheimen Waffen an, elektrisirte die Gemüther seiner Untergebenen, während er in den Zirkeln der Residenz, wo alles ihm entgegen jubelte, unbefangen erschien, und unterhielt die lebhafteste Korrespondenz mit den Unzufriedenen in Westfalen, an deren Spitze Dörenberg stand, während Schmalz seine Addresse an die Preußen schrieb [siehe hierzu unten Anm. zu 152,35-153,1], die dazu bestimmt war, den Geist des Volks zu wecken und den Gang eines Plans vorzuzeichnen, der auf den glücklichen Erfolg der Entwikkelung der VolksKraft berechnet sein mogte. Wahrscheinlich zum Glücke für die preußische Monarchie, (wenn sie Monarchie bleiben sollte) wurde durch Unvorsichtigkeit eines gemeinschaftlichen Unterhändlers (des preußischen Assessors [Karl Wilhelm] Koppe), den französischen Behörden etwas von der Sache bekannt. Koppen ließ der Marschall Soult gefänglich nach Spandau führen, man bemächtigte sich seiner Papiere,

128

An den Herrn Geheimenrath Schmalz

mäßig kürzer abzukommen hoffe als Sie, der Sie Zehn Seiten fast Ihrer Sechszehn Seiten langen Schrift von Sich selbst haben reden müssen, Sie Armer! Wogegen Sie freilich auch die Kunst verstanden haben, auf Sechs Seiten das Herz und den Verstand wenn nicht Ihrer Leser überhaupt doch einiger Recensenten in Bezug auf das ganze 5 und fand einen Brief an den Fürsten von Sayn-Wittgenstein, der zwar keinesweges helles Licht über Steins Plane verbreitete, aber doch bewies, daß Verbindungen in Westfalen und Hessen angeknüpft werden sollten, die auf revolutionäre Absichten hindeuteten. Der Moniteur (8 Septbr.) machte den sonderbaren Brief, als ,ein Denkmal der Ursachen des Blühens und des Untergangs der Reiche!' bekannt, und das Journal de l'Empire lieferte Bemerkungen dazu, welche an und für sich schon geeignet waren, den preußischen Monarchen in die größte Verlegenheit, der Wahl zwischen Frankreichs rückkehrender Freundschaft, und der Entfernung eines allgemein geschätzten Ministers zu bringen. [Anm.: z.B. hieß es: so lange dieser Fürst von seinen alten Ministern umgeben ist, wird sein Kabinet kein Vertrauen einflößen. Es hatte ihn so geleitet, daß er alle Welt hinterging, und Herrn von Steins Brief zeigt, daß es noch dieselben Grundsätze hegte.] Inzwischen war auch von den französischen Behörden zu Berlin der Geheimerath Schmalz, wegen seiner Addresse an die Preußen, verhaftet worden, und man wollte unter seinen Papieren verschiedene Briefe gefunden haben, die bewiesen, daß er von bedeutenden Personen in Königsberg über politische Gegenstände zu schreiben aufgefordert sei. - Doch befahl Marschall Davoust, Schmalz wieder auf freien Fuß zu stellen, weil man in der That nichts der Strafe Würdiges in seinen Schriften entdeckt haben mogte. Dem verächtlichen berliner Telegraphen gab dieß jedoch erwünschte Gelegenheit, dem französischen Systeme große Lobreden zu halten, und die Raserei der preußischen Patrioten, die ihr Vaterland auf eine so thörigte Weise zu retten gedächten, zu höhnen." (Chronik des neunzehnten Jahrhunderts, Fünfter Band, 1808. Ausgearbeitet von Dr. Carl Venturini, herausgegeben von G[abriel] G[ottfried] Bredow, Altona 1811: Preußen im Jahre 1808, S. 395^437, hier 410-413; Schmalz zitiert den Text mit einigen Kürzungen: Berichtigung 3f) Die Notiz im „Berliner Telegraphen" lautet: „Gleich allen Schriften dieser Gattung, wodurch man die Menschen irre führt, indem man ihnen schmeichelt, war auch die Schrift des Herrn Schmalz voll von Ungereimtheiten und demagogischen Ideen. Die Wörter: Volk, Versammlung des Volks, öffentliche Freiheit, Gleichheit, Abschaffung der Privilegien, machten den Grund dieser Rapsodie [!]" (zitiert nach Schmalz: Berichtigung 4). - Schmalz hatte bereits frühzeitig von der ihn betreffenden Passage in der Venturinischen Chronik Kenntnis erhalten und noch in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Chronik-Bandes gegen die dort gegebene Darstellung protestiert. Zum Teil stimmen die Einwendungen mit jenen aus der Schrift von 1815 überein. Eine dem Chronik-Band auf einem unpaginierten Blatt beigefügte zweiseitige, auf den 20. Februar 1811 datierte und auf Mitteilungen von Schmalz beruhende Erklärung des Herausgebers Gabriel Gottfried Bredow lautet: „S. 410 und die f f . hat Hr. Dr. Venturini, unstreitig nach öffentlichen Nachrichten, die er vor sich hatte, auch Einiges über die Verhältnisse des Hrn. Geheimen Raths Schmalz erzählt, das um so mehr eine Berichtigung verdient, da ein Ausdruck eingeflossen oder anders woher entlehnt ist, den ein rechtlicher Mann, unter gewissen Umständen besonders, nicht gern von sich gebraucht sieht. Der Hr. Geh. R. Schmalz war bereits den 4. Sept. 1807 zu Memel als Professor an der in Berlin zu errichtenden Universität angestellt worden. Er ging darauf Ende Septembers nach Halle zurück, ordnete dort seine Angelegenheiten, und reiste nach öffentlich genommenem, 6 Wochen vorher bekannt gemachtem, dem französischen Intendanten selbst angekündigtem Abschiede, Anfangs Novembers 1807 von Halle ab, wo er noch jetzt ein Haus

Art den Herrn Geheimenrath

Schmalz

129

Bundeswesen und auf die Gefahren unserer Fürsten und unseres V a terlandes mit lakonischer Kunst zu befriedigen. Ich werde mehr R a u m und Zeit aufwenden müssen, um Ihnen zu zeigen, daß und w a r u m Sie mich nicht befriedigt haben. D o c h zur Sache. 5 A l s Ihre Schrift erschien über politische Vereine, w u r d e mir, der ich leider wenig lese, von so vielen Seiten zugesezt, ich müsse sie auch lesen, bis ich es endlich that. Lassen Sie mich es Ihnen gestehen, die Sache ließ mich ziemlich gleichgültig. Ich sagte mir, w a s für ein w u n derbares Gelüst muß doch der gute Schmalz gehabt haben, alte G e lo schich|ten von sich zu erzählen, daß er sich nun noch gegen jene 4 Chronik vertheidigt! Bredow ist todt, Venturini allein ist w o l weniger bedeutend, der ganze Band der Chronik ist gewiß schon ins Bücher- 648 brett gestellt, und von denen Wenigen, die ihn nicht vergessen haben, behaupten noch Einige diese, überhaupt nicht feindselig gemeinte, 15 Stelle sei durchgestrichen und Sie durch einen nachgesendeten Karton völlig gerechtfertiget. Ich konnte mir freilich denken, es ist schon et-

9 alte] so DV; OD:

alle

besitzt. Mithin kann von ihm mit Wahrheit und historischer Unparteilichkeit weder gesagt werden, er sei aus Halle entwichen, noch auch, er habe sich privatisirend auf gut Glück in Berlin aufgehalten. Dann mag wohl das Gerücht gewesen sein, Hr. Geh. R. Schmalz habe an dem Tugendverein Theil genommen: allein wahr ist es nicht. Und seine Addresse an die Preussen stand mit den etwaigen Zwecken jenes Vereins in keiner Verbindung: sie sollte die Gemüther der Unterthanen zur Annahme einiger Königlichen Verordnungen, als der neuen Städteordnung, der Abschaffung der Leibeigenschaft u. s. w. vorbereiten. Mit Schill und Dörenberg hat Hr. Schmalz nie in der geringsten Beziehung, noch weniger in Briefwechsel gestanden. Es freut Hrn. Venturini und mich, durch den Hrn. Geh. R. Schmalz selbst in den Stand gesetzt zu sein, diese Berichtigungen geben zu können. In einer Zeit, da hin und wieder gekränkte Selbstsucht und hinterlistige Parteiwuth jedes Streben, aufzuregen die innere Kraft und zur klaren Ansicht zu bringen was da ist und was da werden soll, verläumdet, und durch falsche Namen entstellt, ist es um so nothwendiger, daß der von böser Zunge schon Angetastete, von aller wahren Schuld gereiniget vor der Welt dastehe. Frankfurt, den 20. Febr. 1811. Bredow." 11 Gottfried Gabriel Bredow (geb. 1773), der die „Chronik des neunzehnten Jahrhunderts" seit 1808 herausgegeben hatte, war am 5. September 1814 gestorben. 11 Carl Heinrich Georg Venturini (1768-1849) gab die Bände 3 bis 5 der „Chronik", die Jahre 1806 bis 1808 umfassend (Altona 1809/1810/1811), heraus; zu ihm vgl. P. Zimmermann: Venturini, Karl, in: ADB 39 (1895), S. 607-611, besonders 610. 16-9 Vgl. Schmalz: „Als die Nachricht vom Tilsiter Frieden und der Abtretung der Länder über der Elbe nach Halle kam, schlug ich sofort der Deputation des Universitäts-Conciliums vor, [Johann Christian] Reil oder [Ludwig Friedrich] Froriep mit mir nach Memel zum Könige zu senden, und vorzustellen: ,Die Universität gehöre nicht zum Gebiete Magdeburgs; ihre Privilegien erklären sie zur allgemeinen Landes-Universität des Königlichen Hauses, und hätten ihre Verlegung an einen andern Ort ausdrücklich vorbehalten. Darum bäten wir Se. Majestät im Gefühl dankvollster Treue und Anhänglichkeit an Se. Majestät höchste Person, die Universität über die Elbe

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w a s , dessen sich ein M a n n gern r ü h m e n m a g , w e n n er, wie Sie, a m 1 0 . August n o c h keinen Gedanken h a t an eine neue Universität denn Sie wollten die Hallische mit M a n n und M a u s hieher versezen und er giebt sich nun d a r a n mit zwei Kollegen, die in demselben Falle sind, (denn nur der Großkanzler B e y m e hatte den Gedanken eher) 5 n o c h dazu an einem alten geliebten O r t , w o Sie Sich gewiß nicht i m m e r eingeschlossen haben a m Schreibtisch, den Plan zu besprechen, zu entwerfen und n a c h wiederholten Berathungen zu redigiren, und ist Anfangs O c t o b e r s c h o n wieder in Halle zurück. A b e r so schön und r u h m w ü r d i g es a u c h ist, wie k ö m m t es hieher zu den politischen V e r - io einen? U n d nun g a r begriff ich nicht, w a r u m Sie soviel W o r t e m a c h e n über den unbedeutenden V o r w u r f , Sie w ä r e n aus Halle entwichen und hätten in Berlin privatisirt. M e h r e r e Seiten in dieser d e m Besten des V a t e r l a n d e s gewidmeten und, wie das G e r ü c h t sagt, vielen F ü r sten zugesendeten Schrift, mit solcher n o c h dazu d u r c h V e r s p ä t u n g 15 a b s c h r e c k e n d g e w o r d e n e n Kleinigkeit angefüllt, das spannte mich a u f

4 nun daran] so DV; OD: nur dann abschmeckend

11 Sie] so DV; OD: das

16 abschreckend]

zu nehmen, wo kein Ort dafür schicklicher scheine, als Berlin. ' Die Deputation genehmigte dieß. Herr Froriep und ich reiseten ab, und am lOten August 1807 (heute vor acht Jahren) standen wir vor dem Monarchen mit unserer Bitte. Des Königs Antwort und eigentlichsten Worte waren: ,Das ist recht, das ist brav. Der Staat muß durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat.' Nur setzten Se. Majestät unmittelbar hinzu: Die Universität Halle über die Elbe nehmen, könne unangenehme Verwicklungen mit der westphälischen Regierung herbeiführen; es solle also vielmehr eine ganz neue Universität in Berlin gestiftet werden. Und dafür den vorläufigen Plan zu entwerfen, erhielten, unter der Direktion des Herrn Großkanzler Beyme, Herr Staatsrath Hufeland, Herr Froriep und ich den Auftrag. Als dieser von mir redigirte Plan dem Könige übergeben worden: wurde ich nicht nur sofort bei der neuen Universität angestellt, sondern erhielt auch durch eine Königliche Kabinetsordre den Befehl, mich so bald als möglich von Halle los zu machen, und nach Berlin zu begeben. Denn da die Universität bald nach der, damals noch nahe geglaubten, Räumung Berlins von den Franzosen gestiftet werden sollte: so sollte ich die O ertlichkeiten hier kennen lernen, um die ersten Einrichtungen, wie drei jähre nachher geschah, besorgen zu können. So kam ich Anfangs Oktober 1807 nach Halle zurück, um meine Aemter, vor allen das Ordinariat der juristischen Fakultät, niederzulegen; nahm von meinen Kollegen und Freunden Abschied, und reisete, von einigen der letzten eine Strecke begleitet, Anfang Novembers hierher. - Auch begann ich hier sofort Vorlesungen, zu denen sich einige meiner Hallischen Zuhörer und andere junge Männer einfanden. Sechs halbe Jahre hatte ich wirklich hier unausgesetzt gelesen, ehe die Universität eröffnet wurde, und im letzten halben Jahre hatten sich bereits zwei und zwanzig Studierende zu mir gesammlet. Dieß nennt die Chronik: aus Halle entweichen und in Berlin privatisirend auf bessere Zeiten hoffen. " (Berichtigung Sf)

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eine befremdende Weise ab. Von mir könnte man mit größerem Rechte sagen, ich sei aus Halle entwichen, weil ich meine Aemter nie anders niedergelegt habe, als durch eine Erklärung in den Hamburger Zei|tungen. Warlich, ich würde mir nichts daraus machen; denn je- 5 dermann weiß, wie es war, und wer jene Regierung nicht anerkennen wollte, er brauchte auch nicht seinen Abschied zu nehmen. Und, Bester, daß Sie h i e r in Berlin privatisirt haben, können Sie doch nicht läugnen! Es ist nicht das allerwiinschenswürdigste, ein privatisirender Gelehrter zu sein; aber wir beide müssen es doch nun einmal gewesen 649 sein. Auch ich wurde im Nov. 1 8 0 7 officiell befragt, ob ich der hier zu stiftenden Universität beitreten wollte, ging bald darauf hieher, hielt Vorlesungen und wurde durch ein Wartegeld unterstützt, was ich als reine Güte der Regierung anerkannte. Aber ich wüßte nicht, wie ich mich anders ausdrücken sollte, als daß ich während dieser Zeit privatisirt habe. Wollte ich sagen, ich wäre schon damals bei der Universität angestellt gewesen, die noch nicht existirte: so müßte ich eigentlich behaupten, die ganze übrige Universität sei hernach bei mir angestellt worden. - Wie mich dieß alles aber auch Wunder nahm, näher betrachtet fand ich die ganze Zusammenstellung künstlich genug. Sie wollten, warum, weiß ich noch nicht, über die politischen Vereine Lärm schlagen und wußten nicht mehr als einige Seiten zusammenzubringen. Das war zu wenig für eine Schrift, also füllten Sie den nöthigen Raum mit alten Geschichten! Dadurch gewannen Sie einen zwiefachen Vortheil. Diejenigen, die an der Deklamation über die politischen Vereine ein großes Interesse fanden, vergaßen bald die alten Geschichten, und wenn sie auf die Seitenzahl sahen, meinten sie, sie hätten doch einen Bogen voll Anklagen oder erwiesener Beschuldigungen gelesen. Wir wissen es ja, wie die meisten Leser lesen. Gab es aber gutmüthige Seelen, | die sich an diesem Haupttheil nicht er- 6 quicken konnten, denen war es sehr nahe gelegt, dieß nur für eine 1 Weise ab] so DV; OD: Weise 3f Vgl. Schleiermachers gemeinsam mit Ludwig Friedrich Froriep veröffentlichte „Anzeige", in: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 27 vom 16. Februar 1808, Sp. 7 (siehe oben 93-95) 1 0 - 1 3 Tatsächlich gehörte Schleiermacher schon seit dem 19. September 1807 zu den an die Universität zu berufenden Professoren (vgl. Max Lenz: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Band I, Halle an der Saale 1910, S. 81 und 123 (Anm. 2); Rudolf Köpke: Die Gründung der Königlichen Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin, Berlin 1860, S. 44). Die Übersiedlung von Halle nach Berlin erfolgte Ende Dezember 1807. Private Vorlesungen hielt Schleiermacher in Berlin - mit Ausnahme des Sommers 1808, als er sich in Königsberg aufhielt - in der Zeit von Januar 1808 bis Sommer 1810. Das erwähnte Wartegeld wurde aus einem Etat für die von Halle nach Berlin gezogenen Professoren finanziert.

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gelegentliche Ergießung zu halten, und die Vertheidigung gegen eine verrostete Anklage für die Hauptsache. Zu diesen lezten gehörte auch ich lange genug und begriff nicht, warum viele Leute soviel von diesem Bogen sprachen. J a auch jezt noch bin ich überzeugt, daß außer der ausländischen Zierde Ihrer Person und einem noch bunteren Schriftwechel, der einige Wochen der lesenden Welt die Zeit vertreibt und die Wirkung auf die Gemüthsstimmung, die sonst hätte entstehen können, wieder aufhebt, nichts daraus hervorgehen wird. Wie ich nun dieß bei mir festgestellt hatte, fing ich an mir Ihre 650 Schrift auf das schriftstellerische Verdienst anzusehn, und da nun das Aufsehn immer wächst, und der Erfolg immer glänzender wird, so eile ich, Ihnen meine in dieser Hinsicht gemachten Bemerkungen mitzutheilen, zum Behuf der nächsten Auflage nach Empfang dieses; und wenn ich diese Blätter zugleich auch unserm gemeinschaftlichen Freunde, dem Publicum, sende, so geschieht es, damit ich mich ausweisen kann, daß ich meines Theils nichts versäumt habe, um Ihre gekrönte Preisschrift der Vollkommenheit noch näher zu bringen. Und nun erlauben Sie mir, ohne weiteres mit dem Tadel anzufangen, damit der bessere Geschmack des Lobes der lezte bleibe. Sie wissen vielleicht nicht, daß ich bisweilen Vorlesungen halte über die allgemeinen Grundsätze der Auslegungskunst. Diese Kunst aber hängt in ihrer Anwendung nur gar zu sehr von der Art ab, wie die Kunst zu reden und zu schreiben ausgeübt wird. Daher bin ich 7 sehr darauf aus, | zu zeigen, wie bei guten Schriftstellern auch das 5 einem noch] so DV; OD: einem 5 Schmalz war, nachdem er kurz nach deren Erscheinen seine Broschüre dem König von Württemberg, Friedrich I., zugesandt hatte, mit dem Württembergischen Civilverdienstorden ausgezeichnet worden. Oer genaue Termin der Ordensverleihung ist nicht bekannt, er muß jedoch vor dem 27. Oktober 1815 liegen, an welchem Tage Schmalz von König Friedrich Wilhelm III. den Roten Adlerorden III. Klasse erhielt (zur Datierung vgl. Niebuhrs Brief an Gneisenau vom 29. Oktober 1815, in: Barthold Georg Niebuhr: Die Briefe Barthold Georg Niebuhrs, edd. D. Gerhard und W. Norvin, Bd. 2: 1809-1816, Das Literaturarchiv. Veröffentlichungen der Literaturarchiv-Gesellschaft zu Berlin, Zweiter Band, Berlin 1929, S. 644. Die Verleihung des preußischen Ordens wurde in der Öffentlichkeit sehr kritisch aufgenommen. Sie erfolgte unter Umgehung Hardenbergs, während der König sich noch in Paris befand, und wurde - etwa von Varnhagen - als Intrige gegen den Staatskanzler aufgefaßt. Noch 1883 war der Grund für die Auszeichnung Gegenstand einer Kontroverse zwischen Heinrich von Treitschke und Hermann Baumgarten; vgl. dazu Hans-Christof Kraus: Theodor Anton Heinrich Schmalz (1760-1831). Jurisprudenz, Universitätspolitik und Publizistik im Spannungsfeld von Revolution und Restauration, Frankfurt am Main 1999, S. 225-229. 20f Schleiermacher hatte im Wintersemester 1810/11 und im Sommersemester 1814 Vorlesungen über Hermeneutik gehalten.

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schwierige sich mit Sicherheit löset, die Fehler der schlechten aber die Auslegung erschweren, und wie man deshalb bei Zeiten darauf bedacht sein muß, Hülfsmittel und Ergänzungen von allen Seiten zusammenzusuchen. Lassen Sie sich nun gefallen zu hören, was ich in dieser Hinsicht in Ihrer Schrift gefunden habe. Bei Kleinigkeiten, den unrichtigen Gebrauch einzelner Wörter betreffend, will ich mich nicht aufhalten. Das Beste hat mir ohnehin schon Niebuhr weggenommen, das von der Begeisterung. Sie werden ihm freilich einwenden, Sie hätten hier ironisch gesprochen, und hielten natürlich die geizigen despotischen steifen Pedanten, die Sie S. 12 und 14. schildern, nicht für wirklich begeistert, sondern die hätten sich nur begeistert angestellt, eigentlich aber andere Bewegungsgründe gehabt. Wobei hatten doch jene Leute etwas zu befehlen, um alle die genannten Eigenschaften entwickeln zu können? M a n sollte aus den angeführten Zügen schließen, bei der Landwehr und beim Landsturm! Nun Zeit genug hat ihnen das gekostet, und zu verdienen war nichts dabei, weder Geld noch Ehre noch Orden, und vermeiden 651 konnte leicht jeder, etwas mit der Sache zu thun zu haben, der irgend in der Gesellschaft so stand, daß man ihm etwas müßte zu befehlen geben. M a n findet also hier nicht leicht versteckte Beweggründe und Absichten aus; und wenn Sie nun einen Gegensaz annehmen zwischen Begeisterung und Pflichtgefühl, eines von den beiden muß es doch fast gewesen sein bei diesen Leuten! Doch diese entgehen nun ihrem Schicksal nicht. Aber ich wollte nur, Sie hätten etwas deutlicher ausgesprochen, wie Sie | die wahre Begeisterung - denn an diese müssen 8 7f Vgl. Niebuhr: Ueber geheime Verbindungen 21 f und Schmalz: Berichtigung 14 lOf Vgl. Schmalz: „Wenn Jahrtausende aus den Teutschen nicht Ein Volk machen konnten, wenn von jeher Sachsen und Reich, Weifen und Weiblinger, Union und Ligue Teutschland zerrissen, so oft solche Art von Einheit zwischen Teutschen versucht wurde: so ist doch Geschichte und Pflicht von ihnen [seil.: den Mitgliedern geheimer Verbindungen] gleich gering geachtet; — ob vielleicht auch ihnen das Gouvernement einer Provinz, oder sonst eine Machtstelle zufallen möchte, und vor Allen ein reiches Einkommen." (Berichtigung 12) „Allein sie sagen nur sehr keck die Unwahrheit, wenn sie rühmen, daß sie die Preußische Nation begeistert hätten. Weder von solcher Begeisterung, noch von Begeisterung durch sie, war 1813 bei uns eine Spur." (Berichtigung 13f) „Und nun wollen jene den Ruhm des Volks sich zuliigen. Aber gar nichts thaten sie, ihr Geschrei wirkte nichts auf das Volk. Manche, welche das Gerücht zu ihnen zählte, nahmen sich vielmehr so ungeschickt, daß es nicht an ihnen lag, wenn der Eifer des Volks durch ihre Linkischheit nicht erstickt wurde. Sie sprachen von Freiheit, und ließen doch den armen gemeinen Mann gar despotisch an, wo sie etwas zu befehlen hatten; sie sprachen von dem großen Interesse, und spielten doch mit den armseligsten Pedanterien in ihren Anordnungen; sie sprachen von Opfern auf dem Altar des Vaterlandes, und behielten doch ihre eigenen Schärflein selbst. Wo sie mit steifem Ernste auftraten, da sähe das Volk wohl, daß sie nicht die Noth des Vaterlandes, sondern ihre eigene Würde fühlten." (Berichtigung 14f)

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Sie d o c h glauben, Sie m ü ß t e n denn ü b e r h a u p t an nichts Heiliges m e h r glauben - wie Sie d o c h diese unterscheiden v o n der falschen, zuerst d a m i t wir w ü ß t e n , wie wir uns in rechter E h r f u r c h t verhalten sollen gegen Ihre unbegeisternde M ä n n e r , S. 1 5 . „die es a m E n d e ausgerichtet h a b e n . " W i e leutselig müssen diese gewesen sein gegen den gemeinen M a n n und wie streng gegen die V o r n e h m e n ! wie g r o ß a r t i g in ihren Ansichten und A n o r d n u n g e n ! wieviel müssen sie gethan haben, o h n e zu thun als thäten sie e t w a s ! w e n n d o c h a u c h das zur falschen Begeisterung gehört, d a ß m a n bei jeder Kleinigkeit, jedem patriotischen Scherflein thut, als thäte m a n etwas besonderes! - N ä c h s t d e m aber ist a u c h sehr wichtig zu wissen, o b es Ihrer M e i n u n g nach eine w a h r e lobenswerthe Begeisterung giebt, u m Sie in der Abfassung Ihrer Schrift recht zu verstehen. O b es eine Begeisterung für das Gute giebt, und o b diese das H ö c h s t e bleibt, dessen der M e n s c h fähig ist, oder o b sie d o c h zu unruhig ist? o b sie einerlei ist mit d e m ruhigen kräftigen Pflichtgefühl oder d o c h n o c h verschieden d a v o n ? D o c h dies k ö n n t e uns in tiefsinnige U n t e r s u c h u n g e n verwickeln, für welche die A n w e n dung, die ich m a c h e n will, zu geringfügig ist. Es ist nemlich g a n z einfach nur diese. Die H a u p t s a c h e in Ihrer Schrift ist d o c h , darüber

4f Schmalz: „Wahrhaftig, wenn nicht andre, unbegeisternde Männer, es ruhig geordnet und ausgerichtet hätten; sie hätten es nicht gethan." (Berichtigung 15) 19-2 Schmalz: Berichtigung 11-16; die Eingangspassage lautet: „Der Bund selbst ist nachher gesetzlich aufgehoben. Aber es haben sich andre Verbindungen bald darauf in der Stille gebildet, vielleicht aus den Trümmern jener und der oben erwähnten andern; löblich, wenn für Befreiung des Vaterlandes von auswärtigen Unterdrückern; fluchwürdig, wenn dadurch Zwecke im Innern ohne des Königs Willen durchgesetzt werden sollen. Das Daseyn aber solcher Verbindungen verbreitet Furcht unter den Bürgern aller teutschen Lande, und erfüllt den rechtlichen Bürger der preußischen Staaten mit Unwillen. Von solchen Bünden gehen aus jene pöbelhaften Schmähreden gegen andre Regierungen, und jene tollen Deklamationen über Vereinigung des ganzen Teutschlandes unter Eine Regierung (in einem Repräsentativ-System, wie sie das nennen); eine Vereinigung, welcher von jeher der Geist aller teutschen Völker widerstrebte, für welche aber itzt die Anhänglichkeit an die besondern Dynastien durch Hohn und Aufwiegelung in jeder teutschen Brust niedergedrückt werden soll. Es charakterisirt sie leidenschaftliches Predigen unbedingten Tod-Hasses gegen Frankreich, doch verbunden mit den schmählichsten Beschuldigungen aller teutschen Regierungen (auch der preußischen wird nicht geschont, obwohl, wie sie sagen, sie deren Uniform bedürfen) [zu den in Klammern stehenden Worten siehe unten Anm. zu 172,3fj und dabei im bürgerlichen Leben ein steter Ausdruck herzlichster Verachtung aller, auch der ausgezeichnetsten Staatsmänner oder Gelehrten, welche nicht ihrer Meinung sind, jenen wird alle Einsicht, diesen alle Gelehrsamkeit abgesprochen, beide als Schwachköpfe, oder als Bösewichter verunglimpft; aber gar nicht mit der deklamirenden Heftigkeit, womit sie gegen Regierungen schreiben (vornehmlich wenn die Person im Lande ist), sondern mit stummen Achselzucken, mit vornehmen Lächeln, mit einzelnen nur halb angedeuteten Insinuationen, welche den zwiefachen Vortheil gewähren, daß sie desto tiefer verwunden, und zugleich den Verläumder in Sicherheit stellen. Mit Vergiftung der heiligsten

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sind nun alle Stimmen einig, jene schöne Tirade gegen die politischen Vereine, welche S. 11 beginnt. Wenn Ihnen nun die ganze Sache gewiß nicht aus müßiger Vielgeschäftigkeit hergekommen ist, noch aus 652 prunkender Eitelkeit, sondern aus einem guten Motiv, was ist nun dieses Pathos, diese Beredtsamkeit? ist sie Begeisterung oder Pflichtgefühl? Wir andern möchten es nicht gern für Begeisterung gelten 9 lassen, denn es scheint uns eher steif, pedantisch und thuend als thäte es etwas besonderes. Und Sie werden es doch schwerlich können für ruhiges und kräftiges Pflichtgefühl losschlagen, denn ruhig ist diese Empfindlichkeit nicht, und wäre die Tirade recht kräftig, so hätte sie nicht etwas verlegen und verwirrt die zehn Seiten voll Geschichten, die größtentheils nicht zur Sache gehören, mitgehn heißen, als ob sie mit denen zusammen mehr ausrichten würde! Sagen Sie, haben Sie nicht mit Ihrer etwas übel zusammenhängenden Rede von der Begeisterung und dem Pflichtgefühl es dem Leser sehr leicht gemacht, daß er, bedenkend, ruhig und kräftig sei das Gefühl für die Bürgerpflicht auch nicht immer, womit man zum Löschen eilt, sich den pathetischen beredten Kern Ihrer ganzen Schrift aus diesem Ihrem höchsten Symbol aller wahrhaft sittlichen Anstrengungen so erkläre, daß er, bei ihrem eigenen Beispiel bleibend, wenn man von dieser Beredtsamkeit redet und ihn fragt, was ist sie doch? dann antwortet: Wasser ist sie, was Hr. Schmalz in die Luft sprizt, aber nur beim blinden Feuerlärm, wie ihn die Polizei anstellt, um die Sprizen und die Sprizenleute zu 3 hergekommen] so DV; OD: hergenommen

8 können] so DV; OD: keinem

Sittlichkeit lehren sie, wirkliche besondere Pflichten ruchlos für erträumte allgemeinere, auch darum angeblich höhere, übertreten. "Wie vormals die Jakobiner die Menschheit, so spiegeln sie die Teutschheit vor, um uns die Eide vergessen zu machen, wodurch wir jeder seinem Fürsten verwandt sind. ... Teutschland wird groß und herrlich aufblühen, wenn die Fürsten es acht teutsch mit dem teutschen Bunde meinen, als mit einer heiligen Eidgenossenschaft, wozu gemeinsames Interesse sie wirklich verbindet, und was älteste und jüngste Erfahrung sie so deutlich lehrt. Aber diese Menschen wollen durch Krieg der Teutschen gegen Teutsche Eintracht in Teutschland bringen; durch bittern gegenseitigen Haß Einheit der Regierung gründen; und durch Mord, Plünderung und Nothzucht (letztere gar klärlich gepredigt) alt-teutsche Redlichkeit und Zucht vermehren. Eintracht in der Einheit, und Dauer in der Gründung ihrer Verfassungen, daran denken sie nicht. Sie wollen die neue Umwälzung, wollen keinen daurenden Zustand, wollen eigentlich überall nichts als sich selbst. Mäuler ohne Hände (oft ohne Kopf), haben immer Schmähungen ausgestoßen, weil sie keine Befehle auszusprechen hatten. Indessen hat Teutschland nicht Ursache vor ihnen zu zittern. Solche leidenschaftliche, oder gern leidenschaftlich scheinende, Menschen können nicht täuschen, und die Wahrheit ist nicht auf ihrer Seite. Nie sind die teutschen Gemüther unsers Volkes durch Declamationen bewogen; und ruhig Gründe auseinander zu setzen, die Gabe scheint jenen Schreibern gänzlich abzugehen; Bitterkeit und Rauhheit aber stoßen jeden Leser von ihren Flugblättern ab, welcher nicht zu ihnen gehört." (11-13)

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versuchen, und wo man lacht, wenn ein Vorübergehender Scherzweise naß wird. Solches Sprizen ist auch Bürgerpflicht, wenn einer dazu commandirt wird. Soll ich bei noch einem einzelnen Wort einen Augenblick verweilen: so ist mir die Gravidät aufgefallen, mir der Sie von Ihrer Er- 5 5 Gravidät] so DV; OD: Rarität 4 - 3 Vgl. Schmalz: „Im Herbst des Jahres 1808 kam ein achtungswerther Mann, Herr B..., itzt J. C. zu F... [es handelt sich um den Regierungsassessor Heinrich Karl Ludwig Bardeleben (1775-1852), der 1815 als Justiz-Commissarius und Justizrat in Frankfurt an der Oder tätig war], von Königsberg hierher und brachte mir die Nachricht, daß dort unter dem Namen eines sittlich-wissenschaftlichen Vereins der Bund geschlossen worden, welcher nachher unter dem Namen des Tugendbundes bekannt geworden ist. Er zeigte mir zugleich an, daß ich zum Direktor des Bundes für die Mark erwählt worden, und daß ich mit zwei Beisitzern, Herrn Kriegsrath von Ahlefeld [vermutlich Hans George von Ahlefeld[t]] und Herrn H. R. J[ochmus], die hiesige (sogenannte) Kammer stiften möchte. Ich gestehe, daß ich mit lebhafter Theilnahme diese Nachricht empfing. Der spanische Krieg war begonnen; Oesterreichs Rüstungen schon vom Gerücht verbreitet; der Brief des Herrn vom Stein an den Fürsten von 'Wittgenstein schien die Franzosen noch länger hier zurück zu halten; die Bedingungen ihres Abzugs lasteten furchtbar auf uns; wer hätte nicht mit Freuden daran gearbeitet, wie es der König befehlen würde, entweder stille Rüstungen vorzubereiten, oder durch plötzlichen Angriff der Unterdrücker dem Könige die Bahn zu brechen? Die ganze Mark war dazu bereit. Dieß waren meine Erwartungen von der Gesellschaft, die gestiftet war. Auch wußte ich, daß eine ähnliche Gesellschaft zu ähnlichen Zwecken, vorzüglich von Officieren, hier schon bestand. Mehrere derselben waren meine Freunde; ich hatte einige ihrer Unvorsichtigkeiten, zeitig warnend, gut gemacht; hatte ihnen nicht unwichtige Nachrichten mitgetheilt; und hatte nicht ohne Glück Uneinigkeiten unter ihnen beigelegt. So wenig sie das Daseyn der Gesellschaft, oder die Namen der Mitglieder mir verhehlten; so luden sie mich doch nicht zur förmlichen Theilnahme oder zu ihren Versammlungen ein. So gewiß sie wußten, daß sie in allem auf mich rechnen konnten, was auf Befehl des Königs gegen den auswärtigen Feind geschehen sollte; so gewiß wußten sie auch, daß ich nie dulden würde, was ohne des Königs Willen geschehen möchte. Und nachher, bei Schills Auszuge, zeigte sich wohl, daß man auch nicht scheute, selbst gegen des Monarchen Willen zu handeln. Das Statutenbuch jenes Tugendvereins nun nahm ich mit großen Erwartungen zur Hand. Aber jede Zeile stimmte diese Erwartungen und meine Freude herab. Die Weitschweifigkeit kleinlicher Organisations-Gesetze, welche sogar sehr umständlich einen bedeutungslosen Rang in den verschiedenen Sitzungen bestimmten, schien fast ein leeres Spiel. Aber vergebens suchte ich bestimmte Andeutung des Zwecks und seiner Grenzen. Ich sollte viel Patrioten anwerben, und konnte keinem eigentlich sagen, wozu? Zu meinem Widerwillen gegen alles unbestimmte Gutes-Stiften durch solche Vereine, kam auch die Furcht gefährlichen Mißbrauchs des unbestimmten Guten für bestimmtes Böse. Auch fand ich wirklich manches, was mir keinesweges gut schien; z.B. daß die Mitglieder genau die Staatsbeamten, vorzüglich die im Bunde, beobachten und nöthigen Falls denunciren sollten, eine geheime Fehmpolizei, welche nothwendig dem rechtschaffenen Manne die Unbefangenheit rauben muß, in Verwaltung seines Amts nur dem Willen seines Monarchen und seinem eigenen Gewissen zu folgen; dagegen ihn an Rücksicht auf das Gutfinden seiner Verbündeten fesselt. Darum erklärte ich mündlich den Herren von Ahlefeld und

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nennung zum Director des Tugendbundes für die Mark reden, als ob das eine wichtige Bedienung wäre, wozu eine hohe Behörde Sie befördert hätte. Denn von solchen Winkelsachen pflegt man sonst das Wort Ernennung, | und überhaupt diese genaue breite Förmlichkeit 10 nicht zu gebrauchen. Oder, fragt man sich, das ist wol Freimaurersprache? und der Maurer, für den der Orden die höchste Idee ist, 653 kann auch dem sonst verachteten Tugendbunde (verachtet schon deswegen, weil er sich ehrlich hat auflösen lassen!) weil er doch eben als geheime Gesellschaft ein Stiefbruder des Ordens ist, den Respect nicht versagen, den diese Familien-Uniform von Titeln einflößt! Dies bringt mich nun auf einen wichtigeren und allgemeineren Fehler, den Sie begangen haben. Ein ordentlicher Leser nemlich bringt zur Lesung alles mit und behält es immer vor Augen, was er anderwärts her schon vom Verfasser wissen kann; dann aber muß er auch hübsch darauf achten, was für Züge sich ihm aus der Schrift selbst offenbaren, damit beides zusammen gehe, und mit dem Verständniß der Schrift zugleich ein möglichst lebendiges Bild des im Schreiben begriffenen Mannes sich gestalte, wodurch allein das Lesen anschaulich wird und der Mühe lohnt. In beider Hinsicht nun finde ich, daß Sie Ihrem Leser große Blößen gegeben haben. Sie sind nemlich ein eifriger Freimaurer. Ich plaudere das nicht aus, denn Sie selbst haben es so wenig je Hehl gehabt, daß anderwärts zwar vielleicht einem bei Ihrem Namen zuerst einfällt, Hr. Schmalz ist ein Naturrechtslehrer, ein Jurist, ein Kameralist, da aber, w o Sie leben, jedem vor allen diesen Verdiensten zuerst dieses einfällt, Hr. Schmalz ist ein Freimaurer - ob ein begeisterter oder ein ruhiger, aber desto kräftigerer, das freilich liegt schon über die Kenntniß des Profanen hinaus. Da nun Ihre Schrift doch auch und vielleicht vorzüglich für | Berlin berechnet 11 ist, denn von hier aus muß doch gelöscht werden, was hier und in Koblenz und Köln brennen soll - so ist auch dieses fast die erste und gewisseste Kenntniß, die Ihr Leser von Ihnen mitbringt. Und sehen Sie nur, mir ist bange, der hochwürdige Orden wird es Ihnen schlecht danken, daß Sie Veranlassung geben, das auf ihn anzuwenden, was Sie von den Bünden sagen. Und dessen können doch wir durchaus profane Leser, die wir zu keiner geheimen Gesellschaft gehören, uns Ihnen gegenüber unmöglich enthalten. Denn wenn wir von geheimen 654 Gesellschaften reden hören, in wie fern sie etwas anrüchig sind, und

]..., daß ich aus jenen Gründen die Theilnabme an einer Gesellschaft ablehnen müsse, welche dem Königlichen Ansehen selbst gefährlich werden könnte. Herr von Ahlefeld fand sich durch meine Gründe bewogen, auch seinen Beitritt zu versagen." (Berichtigung 6-8) 7f Die Auflösung fand auf königliche Anweisung zum 31. Dezember 1809 statt.

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m a n nicht wissen kann, was gerade immer sich dahinter steckt, und m a n Ursache hat zu glauben, die großmüthigen und edeln auch unter den besseren Köpfen gingen darin etwas eng geschnürt: so ist uns der hochwürdige Freimaurerorden von allen Observanzen auch eine solche: und weder seine Geschichte erhebt ihn darüber, noch geben Sie für die Vereine, von denen Sie dieses sagen, besondere Kennzeichen an, die den Freimaurerorden nicht träfen. Ei, ei, das haben Sie schlecht bedacht! Stellen Sie uns das hübsch in der nächsten Auflage so - und wenn Sie auch ein Paar Seiten mehr schreiben müßten, aber stellen Sie es uns so, daß die Glorie Ihres verehrten Ordens und Ihre eigene nicht darunter leidet. Denn warum nötigen Sie doch den Leser fast sich zu wundern, nicht eben wie Sie als rechtlicher und verständiger M a n n jene Verbindung haben eingehen können - das ist er einmal gewohnt, und denkt, es steckt manchmal so ein Freimaurerschnupfen in der Luft, der den einen anfällt und den andern verschont; aber darüber muß er sich wundern, daß Sie als ein eifriger 12 M a u r e r und | besonnener M a n n eine so naive Beichte ablegen konnten, in geheimen Gesellschaften würden gar leicht die Großen und Besseren von den Schlechten und Kleineren geleitet und die Starken wären in den Händen der Schwachen. Also darum erfolgt immer so wenig daraus, wenn ein großer M a n n ein M a u r e r wird! Aber warum nöthigen Sie fast den guten Leser zu fragen, wie steht es nun mit unserm Freunde, dem Verfasser? und was sollen wir zu seiner Ehre glauben? daß er ein großer und guter ist, der geleitet wird leider, oder ein kleiner und geringer, der dafür aber leitet? daß er also anderer Pläne modificirt oder daß seine modificirt werden? Und wenn Sie hernach gar davon reden, was für Schriften von den Bünden ausgehn, und was für ein Betragen die Bündler beobachten gegen Gelehrte und Staatsmänner: so ist das freilich eine Stelle, die Sie auf jeden Fall noch 655 einmal bearbeiten müssen; Sie müssen den zu großen Fleiß und den gereizten T o n etwas verschmelzen, denn dieses erregt einen Verdacht, den Sie gewiß nicht erregen wollen, als o b Sie selbst oder ein Paar gute Freunde wären mit Achselzucken und Lächeln behandelt worden, und dieser falsche Verdacht schadet doch nothwendig dem Glauben an die reine Wahrheit Ihrer Tirade. Jezt aber meine ich vorzüglich nur dieses: wenn nun der Leser bedenkt, diese Schriften sind doch geschrieben und dieses Lächeln ist doch gelächelt worden von einzelnen Personen, und er fragt woher weiß denn nur Herr Schmalz, daß die Schriften ausgegangen sind vom Bunde, und daß das Lächeln die Personen cha2 6 Pläne] Plane 2 6 - 3 0 Vgl. Schmalz:

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12; siehe oben Anm. zu

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rakterisirt als Bündler? Wenn er nun auf die eine Vermuthung kommt, daß Sie bestimmte Nachrichten darüber haben, das Schreiben und das Lächeln sei im Bunde beschlossen gewesen: so wird er sehr 13 zudringlich werden. Neigt er sich aber auf die andere Seite, und glaubt, Sie haben das nur geschlossen: so wird er fragen, woraus? Wissen Sie etwa, wird er fragen, daß wer geschrieben hat, gerade der vom Bunde ernannte Bruder Schreiber, und wer gelächelt hat, grade der vom Bunde ernannte Bruder Lächler gewesen? Oder können Sie nachweisen, wird er fragen, daß dies Lächeln und dies Achselzucken mit den Zwecken des Bundes zusammenhänge, sei es nun mit den Constitutionsentwürfen, oder mit der gemeinschaftlich verspürten und gepflegten Lust zu einer guten Versorgung, welche Sie S. 12. u. 15 dem Bunde zuschreiben? Sie werden dann aber gestehen müssen, daß bis jezt, Gott sei Dank, die stumme, mimische Verläumdung noch nicht hinreicht, sich zu Aemtern und Ehren zu verhelfen oder Anderen heraus. Also wird er Sie doch zulezt in dem Loche fangen, Sie hätten es dem Bunde zugeschrieben, weil die Bündler es gethan. Und dann wird er Sie fragen: Wie nun? sollen wir auch dem hochwürdigen Orden alles zuschreiben, was einzelne Maurer schreiben und sagen und lächeln? und auch Ihre Schrift, die von dieser Folgerung nicht loszusprechen ist, sollen wir ihm die zuschreiben? und zur Zugabe alle 656 Großthaten der Freimaurer aus der Bonaparteschen Familie? Gewiß, Sie werden nicht glauben, und unser Freund, das Publicum, auch nicht, daß ich diese Folgerung mache. Denn ich habe gewiß auch viele Freunde und Bekannte, die Freimaurer sind, wiewol ich lieber wollte, sie wären es nicht. Aber S i e haben die Folgerung gemacht, und da ich der Verfahrungsart in Ihrer Schrift gern recht viel Menschen aufsäßig machen möchte, so mögen nun Ihre Brüder, die Freimaurer, | die ersten gewesen sein, und mögen es Ihnen mit mir vorwerfen, daß 14 Sie nicht besser in Gedanken gehabt, jedermann wisse, Sie seien ein Maurer, und werde daher auch an die Maurerei denken bei Ihren Worten.

3 beschlossen] beschlosseu

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Bruder Lächler] so DV; OD: Lächler Bruder

12f Vgl. oben Anm. zu 134,19-135,2; Schmalz: „Möchten aber die Zwecke solcher Bünde auch nicht so arg seyn; komme es auch nicht darauf an, die teutschen Regierungen mit Mißtrauen gegen einander zu erfüllen, oder allgemeine oder besondere Constitutionen gegen den Willen der Fürsten durchzusetzen; käme es etwa bloß darauf an, die bessern Köpfe zu vereinigen (und man erzeigt sich gern selbst die Ehre sich dazu zu rechnen), um sich und die ihrigen in die verwaltenden Aemter zu bringen: es bleibt doch unbegreiflich, wie rechtliche und verständige Männer solche Verbindungen eingehen können!" (Berichtigung 15)

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Dies sind also die schlimmen Gedanken, die Sie dem Leser erregen durch das, was er nothwendig zu Ihrer Schrift hinzubringt; was für Züge von Ihnen er sich aber aus Ihrer Schrift sammelt, das geht mir noch härter an, Ihnen zu sagen. W i r sehen nemlich zuerst daß Sie erstaunlich viel schlechte Leute kennen, solche, die Sie dafür halten, und solche, die es wirklich sind, und daß Sie von deren Verhältnissen und deren geheimen Treiben genau Bescheid wissen. Erst kennen Sie die Tugendbündler, die halten Sie für nicht sonderliche Leute, weil sie sich in dieser jämmerlichen Verfassung gefallen; dann kennen Sie jene andere Gesellschaft von Officieren S. 6. 7, die sich zanken und thörichte Streiche machen, und denen Sie, Guter, Z a n k und Unvorsichtigkeit wieder in Ordnung bringen müssen, und denen noch dazu gar nicht zu trauen ist, o b sie nicht auch gegen den Willen des Königs handeln wollen. Die spätem Bündler, von denen sie so viel sagen und noch mehr andeuten, kennen Sie doch auch, das müssen wir wenigstens hoffen, und die sind nun gar verrufen und schlecht, entweder Hochverräther oder Amtsschleicher. Aber die allerschlimmsten unter den schlimmen sind jene übelwollenden Staatsmänner S. 8., die Sie auch kennen, welche, absichtlich offenbar, Mißverständnisse könig657 licher Verordnungen nähren. Und leider für diesen schlechtesten Theil der schlechten Gesellschaft scheinen Sie eher noch einige Vorliebe zu 15 haben. W e n n es Leute |giebt, die sich auf irgend eine Weise vereinigen, um sich für Maaßregeln zu interessiren, welche der König noch nicht genommen hat, und von denen man also wenigstens glauben kann, sie wären jezt noch nicht in des Königes Willen: so kann das freilich unter gewissen Umständen schlimm sein, und die Leute gefährlich. Aber königliche Verfügungen, welche wirklich schon ergangen sind, und welche also die angesehenen Staatsdiener des Königes in seinem Geist und Sinn sollen ausführen helfen, oder ihre Entlassung

4 daß] so DV; OD: selbst 9 - 1 4 Vgl. oben Anm. zu 136,4-137,3 1 7 - 2 0 Vgl. Schmalz: „Um jene Zeit hatte ich den Auftrag von Königsberg erhalten, über die neuen Einrichtungen im Staate, namentlich die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Städte-Ordnung, die Gewerbefreiheit, gleiche Aufnahme bürgerlicher Officiere in die Armee u. s. w., etwas für das Publikum zu schreiben. Ich übernahm diesen Auftrag mit der großen Freude, welche ich selbst über diese Einrichtungen hatte. Für verständige und gebildete Leute schienen sie mir wahrlich keiner Anpreisung erst zu bedürfen. Aber schon walteten Mißverständnisse ob im Volke, welche ζ. B. in Schlesien die aufgehobene Frohndienste und Patrimonialgerichte deuteten; und zum Theil selbst durch Uebelwollende unter angesehenen Staatsbeamten genähret wurden. Darum glaubte ich wohl zu thun, eine Schrift recht eigentlich für das Volk zu schreiben, und jenen Mißverständnissen vorzubeugen, auf daß das Volk die Wohlthaten des Königs und zugleich das Ungerechte des Ungehorsams gegen die Gesetze und jeder Eigenmacht einsähe. " (Berichtigung 8)

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suchen, wenn sie jenes mit gutem Gewissen nicht können, diese zu mißdeuten oder Mißdeutungen derselben zu nähren, die noch dazu von der Art sind, daß sehr leicht aufriihrische Bewegungen daraus entstehen können, wie Sie denn solche ausdrücklich anführen, das ist für Staatsdiener, je angesehener desto schlimmer, ein Staatsverbrechen, und eine Vergehung viel ärger als alles, was Sie den Bünden nachsagen, in so fern Sie diesen nicht etwa den offenbaren Aufruhr Schuld geben. Damals, als der Feind noch im Lande war, konnte man vielleicht gegen diese Leute nicht anders wirken als durch Schreiben, und das war Ihre gute Absicht. Aber sobald der König zurückkam, mußten Sie gegen diese übelwollenden auftreten und sie anklagen. Und sollten diese Leute noch jezt etwa angesehene Staatsdiener sein: so wird die Anklage doppelt Ihre Pflicht zu einer Zeit, wo, wie wir hören, neue Einrichtungen und Verfassungen von manchen Seiten bevorstehen, die nicht immer, wie wir sehen, so schnell können ausgeführt werden, als man aus mancherlei Gründen eilen muß, sie bekannt zu machen, wo daher diese gefährlichen Menschen ihr böses Spiel zum größten Nachtheil des gemeinen Wesens vielfältig treiben können. Gewiß, | Lieber, wenn Sie uns hierüber nicht vollständig be- 16 ruhigen, daß diese Leute im Staatsdienst oder sonst in gesellschaftlichem Einfluß gar nicht mehr vorhanden sind, weder einzeln noch in geheimem Treiben zusammenhaltend, denn solche halten gewiß zu- 6S8 sammen, weil sie ein gemeinsames Interesse haben, oder wenn Sie im entgegengesezten Falle sie nicht angeben: so dürfen wir nicht glauben, daß ihre Vaterlandsliebe das rechte, ruhige und kräftige Pflichtgefühl ist, sondern wir müssen es für die schlechte Begeisterung halten, welche thut, als thue sie etwas Besonderes, und dann doch das rechte Scherflein, das sie darbringen sollte, zurückbehält! Und so begreife ich auch Ihre Recensenten gar nicht, die den M u n d voll nehmen von Ihren wichtigen Entdeckungen, dieser allerwichtigsten aber mit keiner Silbe erwähnen! die die Geseze aufrufen gegen ihre Bündler, von denen Sie doch noch nicht nachgewiesen haben, daß sie etwas schlechtes gethan hätten, sondern nur angedeutet, was sie etwa thun wollten oder könnten, nicht aber die Geseze aufrufen gegen diese, die schändliehe Verbrecher schon wirklich sind. Aber das scheint jezt Gebrauch zu werden, man ficht mit erschrecklichem Aufheben gegen Fantome, und bei den wirklichen klar ausgesprochenen Uebeln geht man vorbei. Der ehrliche Don Quixot ist zu gut, um hiermit verglichen zu werden. Er ficht freilich auch gegen Windmühlen, in der Meinung, es seien Riesen: aber obgleich solche Irrthümer selten ohne alle Unredlichkeit sind, wie sich denn die bei ihm auch nachweisen läßt: so ist doch alles zu wetten, hätte sich neben der Windmühle ein wirklicher Riese sehen lassen, so würden der tapferen Seele die Augen aufgegan-

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gen sein, er hätte dann gewiß die Windmühle für das erkannt, was sie 17 ist, und I seine leider gar gebrechliche Lanze dennoch eingelegt gegen den wirklichen Riesen. Wie wir nun aus dieser eingemischten Notiz soviel abnehmen müssen, daß Ihr patriotischer Eifer nicht gegen das am stärksten ausbricht, was ihn am tiefsten aufregen sollte, und daß also hier bei Ihrem viel stärkeren Ausfall gegen die viel weniger sträflichen Bündler noch ein anderer Antrieb Sie angespornt haben muß, oder dort ein anderer Sie zurückgehalten: so fehlt auch in dieser Schrift Ihrem Eifer 659 für das gemeine Wohl offenbar der rechte Grund, nemlich Ehrfurcht und Vertrauen gegen die Regierung. Denn höchst bedenklich sind Ihre Besorgnisse darüber, daß Ihre Bündler S. 11 Zwecke im Innern ohne den Willen des Königes durchsezen wollen, wovon ich doch wol wissen möchte, wie sie es anfangen sollten, oder wie Sie Sich hernach S. 15 bestimmter ausdrücken, Constitutionen gegen den Willen der Fürsten. Lassen Sie uns einmal diese Ausdrücke etwas näher betrachten, ob sie nicht, auf den preußischen Staat angewendet - und diese Anwendung können Sie nicht abläugnen, da in der ersten Stelle wenigstens ausdrücklich von dem Willen des Königs und also von hiesigen Vereinen die Rede ist - ob sie nicht die gröbste Beleidigung gegen den König und seine obersten Räthe enthalten! Der König hat mehr als 8 dort] so DV; OD: dai? 11-13 Vgl. oben Anm. zu 134,19-135,2 14-16 Vgl. oben Anm. zu 139,12f 21-2 Vgl. insbesondere die Scblußpassage des Ediktes über die Finanzen des Staates und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben vom 27. Oktober 1810. Demnach behielt der König es sich vor, „der Nation eine zweckmäßig eingerichtete Repräsentation, sowohl in den Provinzen als für das Ganze zu geben, deren Rath Wir gern benutzen und in der Wir nach unsern landesväterlichen Gesinnungen, gern unsern getreuen Unterthanen die Ueberzeugung fortwährend geben werden, daß der Zustand des Staats und der Finanzen sich bessere, und daß die Opfer, welche zu dem Ende gebracht werden, nicht vergeblich sind. So wird sich das Band der Liebe und des Vertrauens zwischen Uns und Unserm treuen Volk immer fester knüpfen" (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1810, Berlin [1811], S. 25-31, hier 31; nachgedruckt in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Herausgegeben von Ernst Rudolf Huber. Band 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803-1850. Dritte neubearbeitete und vermehrte Auflage, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1978, S. 44-46, hier 46). In der Folge bestätigte der König diese Erklärung mehrfach, zuletzt mit dem Verfassungsversprechen vom 22. Mai 1815; siehe dazu die von Wien aus gegebene „Verordnung über die zu bildende Repräsentation des Volks", in: Gesetz-Sammlung der Königlichen Preußischen Staaten 1815, Berlin [1816], S. 103; vgl. Thomas Stamm-Kuhlmann: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III., der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992, S. 413 und Reinhart Koselleck: Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848. Zweite, berichtigte Auflage, Stuttgart 1975, S. 213-216; siehe auch Ernst

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einmal das W o r t aussprechen lassen, er wolle seinen gesammten Staaten eine angemessene Verfassung geben. Wollen Sie nun etwa insinuiren, dies sei niemals des Königes Wille gewesen, sondern solche W o r t e seien ihm gegen seinen Willen durch Ueberredung abgedrungen worden von den Bündlern? Und der Fürst Staatskanzler, und mit | wem sonst von seinen höchsten Staatsbeamten der König dieses be- 18 rathen hat, sind die selbst Bündler? oder sind eben sie von den Bündlern gefangen und überlistet, und Sie, Theurer, hätten nur eher den M u n d öffnen sollen, um diese Schmach abzuwenden? Sie fühlen, wie beleidigend beide Voraussezungen sind. Aber so meinen Sie es vielleicht nicht, sondern so. Jene W o r t e sind allerdings der Wille des Königes gewesen, aber die Bündler wollten nun Einen bestimmten Constitutionsentwurf durchsezen ohne oder gegen den Willen des K ö niges. Ueberlegen Sie doch! die politischen Deutschheitsschreier, die Lächler, die Achselzucker, die steifen despotischen Pedanten, die Menschen, die keinen dauernden Zustand wollen, sondern nur die neue Umwälzung, ja die im Grunde nur jeder sich selbst wollen, die sollen je zahlreicher, desto einiger und desto gefährlicher einig sein über Einen und denselben Constitutionsentwurf? Würden Sie das wol 660 einem Andern glauben, und Sie wollen damit der Regierung und dem Volke bange machen? Aber woher wissen Sie denn nun, daß dieser Constitutionsentwurf der Bündler dem Willen des Königes entgegen ist? H a t der König schon einen Entwurf bei sich festgestellt, und die Commission, welche über die Principien berathen soll, ist nur zum Schein? Und wenn Sie nun diesen Plan kennen, woher kennen Sie denn den der Bündler? Sind Sie auch hier zu R a t h e gezogen worden? Und wenn Sie ihn kennen, warum denn statt alles dieses unbestimmten Geschreis zeigen Sie nicht recht gründlich seine Schlechtigkeit und machen so Sie allein die ganze Klike zu Schanden? Oder werden nicht auch andre M ä n n e r diese Weisheit haben, das Schlechte für schlecht zu erkennen, sobald es ihnen wirklich vor Augen | k o m m t , und vor- 19

Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band 1 : Reform und Restauration 1789-1830. Zweite verbesserte Auflage, Stuttgart/Berlin/Köln 1967, S. 302-304; Paul Haake: Der preußische Verfassungskampf vor hundert Jahren, München und Berlin 1921, S. 51-70. 5 Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822), preußischer Staatskanzler von 1810 bis 1822 2 3 - 2 5 Die Einsetzung einer Verfassungskommission ging auf Artikel 13 der Bundesakte des Deutschen Bundes zurück, wonach in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung in Kraft treten sollte. Tatsächlich verhinderte die Verzögerungstaktik des Königs aber, daß es zu regulären Beratungen kam. Ausdrückliche Direktiven an den Staatskanzler besagten zudem, daß einer zu bildenden preußischen Landesrepräsentation lediglich eine beratende Funktion im Gesetzgebungs- und Steuerbewilligungsverfahren zugestanden werde (vgl. StammKuhlmann: König in Preußens großer Zeit 413-420).

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züglich auch die R ä t h e des Königes? Ist es also nicht beleidigend für diese, daß Sie einen solchen Lärm vor der Zeit machen von dieser Gefahr, wenn Sie nemlich glauben, die Bündler wollen ihren Plan einschwärzen durch Ueberredung und Intriguen? Meinen Sie nicht, die Häupter der Staatsverwaltung müssen Ihnen böse werden darüber? Wahrlich sie müssen wol um so mehr, da sie lächeln und mit den Achseln zucken nun nicht mehr dürfen! Ich meines Theils glaube viel ehrerbietiger zu sein, wenn ich ganz ruhig bin, in der Ueberzeugung, diese Weidmänner werden den Fuchs schon hetzen, wenn er herauskommt aus dem Loch. Und auch Sie, können Sie doch hernach noch genug und viel wirksamer thun, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, als jezt! Aber das ist vielleicht alles nichts, und Sie werden mich fragen, o b Sie Sich denn nicht deutlich genug hätten merken lassen, daß hier von Ueberredung und Intrigue nicht die Rede sei, sondern von blankem, baaren Aufruhr, der geschmiedet werde? N u n , so recht deutlich steht es in Ihrer Schrift nicht, und ich hätte auch nicht geglaubt, daß dieser alberne, sinnlose W a h n , der anderwärts in Deutschland sich finden soll, 661 w o die Leute, wenn ein ehrlicher Preuße eingewandert k o m m t , neugierig fragen, o b denn die Revolution nicht bald ausbrechen werde, ich hätte nicht geglaubt, daß dieser hier bei uns vor- oder nachgesprochen würde. Aber Sie werden wol zulezt dieses angeben müssen als den Sinn Ihrer W o r t e , denn ich sehe nicht, was für einen vierten Sie könnten hinein erklären. Also vor dem bevorstehenden Aufruhr hätten Sie warnen müssen, und das werde doch keine Beleidigung sein gegen die 20 Regierung? Ich m u ß doch antworten | ja und das eine recht arge. Ich bin sehr weit davon entfernt, zu glauben, daß unsere höhere Polizei aus Besorgnissen vor Aufruhr eingesezt sei. Es ist allemal eine Schwäche einer Regierung, wenn sie Aufruhr fürchtet und glaubt, den leisen Spuren desselben aufpassen zu müssen. Diese Schwäche kann die Folge sein von bösem Gewissen, das hat Gott sei D a n k unsere Regierung nicht. Sie kann aber auch nach andern großen Krankheiten oder Unglücksfällen des Staates zurückgeblieben sein. Aber auch das ist nicht denkbar bei uns, deren äußere Unfälle alle geheilt sind durch die herrliche innere Kraft der Natur, durch das Vertrauen, wovon in jedem kritischen Zeitpunkt am meisten König und V o l k gegen einander erfüllt waren. Also unsere höhere Polizei ist d a z u gewiß nicht errichtet, sie ist als Vormünderin für die Treuherzigkeit des Volks eingesezt um fremdes Spionenwesen und überhaupt ausländischen Einfluß zu bewachen; aber müßte sie nicht dennoch jede Spur von Aufruhr merken, wenn welche da wären? Ist Ihnen gar nicht eingefallen, zu fragen, o b wol unser Polizeiministerium um Ihre Bündeleien weiß? kann es 6 sie] Sie 9 hetzen] so DV; OD: bergen zeiministerium] so DV; OD: Polizeiminister

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dem gefallen, daß Sie Sich öffentlich eine Entdeckung anmaßen, die ihm eigentlich gebührt? oder kann es ihm einerlei sein, ob seine Maaßregeln gestört werden durch ein lautes Geschrei, das höchstens nur zweckmäßig sein könnte in einem Staate, wo eine solche Anstalt ganz fehlte, oder wo sie mit den Feinden der innern Ruhe in einem sträflichen Bunde stände. Ich finde also nicht, daß Sie die gehörige Ehrerbietung gegen diesen Regierungszweig bewiesen haben durch Herausgäbe Ihre Schrift, die völlig zwecklos erscheint außer unter der Vorausezung, daß jene Behörde nicht ihre Schuldigkeit thue. Und was soll nun I gar die bewaffnete Macht sagen zu Ihrem Nothgeschrei, wenn der Sinn ist, es sollte etwas auf dem Wege des Aufruhrs gegen des Königes Willen ausgerichtet werden, durch eine handvoll Bündler, denn eine kleine Handvoll können es nur sein nach den Kennzeichen, die Sie angeben? Was soll dazu die Leibwache des Königes sagen, das ganze stehende Heer, die gesammte Landwehr? O weh! nun wachsen mir die Bündler auf eine furchtbare Art an! Denn wenn Sie es so gemeint haben: so weiß ich nicht, was diese alle und das gesammte Volk anders thun können, als lächeln und die Achseln zucken über Sie, den Gelehrten, den Staatsmann! Ein drittes aber, was ich aus Ihrer Schrift entnommen habe, thut mir auf der einen Seite fast am meisten leid, Ihnen zu sagen, und ist mir auf der andern am tröstlichsten, so daß ich es auch lediglich in dieser Hinsicht sage, um unsern Freund, das Publicum, zu beruhigen. Nemlich, man sieht klärlich, daß Sie davon, worauf eigentlich Ihre Beschuldigungen gehen, auch nicht das mindeste wirklich wissen. J a , wundern Sie Sich nicht, ich behaupte, ob es Bündler giebt, oder nicht, davon wissen Sie keine Silbe mehr als ich, oder - damit Sie nicht glauben, ich wolle einen schlechten Scherz machen, weil ich eben besonders viel davon wüßte - nicht mehr als alle diejenigen, die, ehe sie Ihre Schrift lasen, noch kein Wort von der Sache gehört hatten; und dies behaupte ich aus Ihrer Schrift erfahren zu haben. Denn vorher, das gestehe ich Ihnen gern, glaubte ich, Sie wüßten mehr davon. Sie reden doch von zwei Generationen politischer Vereine, zu der älte|sten gehören S. 6 der Tugendbund - wie Sie ihn auch nennen, Sie sollten aber hübsch sagen sittlich wissenschaftlicher Verein, zumal in jener Stelle, wo Sie von Ihrer Ernennung reden, wenn man so ernsthaft spricht sollte man eigentlich keinen Necknamen brauchen - und jene andere gleichzeitige Gesellschaft, welche Sie nicht benennen. Die zweite Generation S. 11 besteht aus den späteren Verbindungen, welche sich nach Auflösung des Tugendbundes sollen gebildet haben. Von der ersten Generation wissen Sie offenbar etwas, und dieses Wissen giebt sich deutlich zu Tage; 33f Vgl. oben Anm. zu 136,4-137,3

38f Vgl. oben Anm. zu

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von denen aber droht keine Gefahr. Denn der Tugendbund ist aufgelöset, und Sie geben ihm selbst nicht Schuld, daß er gegen das ergangene V e r b o t noch fortbestanden habe. Und die andere Gesellschaft m u ß wol auch aufgelöst sein, weil Sie von ihren T r ü m m e r n reden. Die Gefahr kann nur von dem drohen, was noch besteht, also von der zweiten Generation, und von der wissen Sie nichts. Dies geht aus der verschiedenen Art, wie Sie von beiden reden, ganz deutlich hervor. In Ihren Erzählungen vom Tugendbunde k o m m e n Zeit und O r t vor; in Königsberg ist er gestiftet, Hr. B. bringt Ihnen die Nachricht davon, noch ein H r . von A. und H r . J . werden genannt, der erstere ganz ausgeschrieben, Sie kennen die Statuten des Bundes, hier hat alles den Charakter eines wirklichen historischen Wissens und man thäte gewiß sehr unrecht, hier Ihre Zuverläßigkeit im mindesten zu bezweifeln. Aber eben so gewiß ist auch, daß Ihnen nichts Tadelnswerthes zur Kunde gekommen ist, was der Tugendbund begangen hätte; denn Sie halten ihm die Leichenrede nur über das Böse, was er hätte thun können. Eine andere gleichzeitige Gesellschaft hier | in Berlin, kennen Sie auch; Sie nennen zwar niemand, aber Sie sagen doch, daß Sie dazu gehörige Personen gekannt und mit ihnen in Verhältniß gestanden haben; Sie erwähnen auch keiner Statuten, aber Sie führen doch ihre edlen Z w e c k e an, und wer wird Ihnen nicht gern glauben. Aber hier ist auch die Grenze Ihres historischen Wissens, und das Reich der Vermuthung, dieses verführerische Labyrinth, geht an. Sie geben dieser Gesellschaft etwas nachtheiliges Schuld S. 7, und dies schon wissen Sie nicht mehr, sondern vermuthen es nur. M a n sieht das ganz deutlich an der völlig veränderten Weise des Ausdrucks. Vorher lautet alles ganz bestimmt ich und der, ich und die, und nun auf einmal ganz lose „hernach (bei Schills Auszuge) z e i g t e s i c h w o l , d a ß m a n s i c h n i c h t s c h e u t e " . Es zeigte sich, woran denn? wer scheute sich nicht? man! das liebe man! W a s wollen Sie uns eigentlich sagen? hat Schill mit zu dieser Gesellschaft gehört, und ist also auf ihren Impuls oder in ihrem Geiste ausgezogen? oder sind Mitglieder der Gesellschaft einer oder mehrere mit Schill gezogen? wenn Sie eines von beiden bestimmt wissen, warum bleiben Sie nicht in Ihrem erzählenden T o n ? Es ist ja kein Geheimniß mehr, wer mit Schill gewesen ist! und Sie brauchen ja nicht einmal jemand zu nennen, nur das Factum

29 scheute".] scheute. 23-29 Vgl. Schmalz: Berichtigung 7 30f Ferdinand Baptista von Schill (1776-1809) galt den Zeitgenossen als legendärer Freiheitsheld, nachdem er am 24. März 1809 mit einem Husarenregiment ausgezogen war, um eine allgemeine Aufstandsbewegung zu provozieren. Er starb im Straßenkampf in Stralsund. Siehe die näheren Angaben unten Anm. zu 435,1.

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bestimmt anzugeben. Allein, man kann recht deutlich sehen, wie dieses Ihnen gekommen ist an der Vermuthung, die schon vorangeht. Oder ist das mehr als Vermuthung, haben es Ihnen die Leute selbst gesagt, Lieber Schmalz, Du hättest wol Lust, in unsere Versammlungen zu kommen, aber sieh nur, es ist in der besten Meinung, daß wir Dich nicht einladen. Dich kennen wir als einen redlichen, getreuen | Unterthan. Du siehst nun wol aus dem, was wir Dir im Vertrauen 24 erzählen, daß wir es jezt aber auch recht gut mit dem Könige meinen; aber wir sind doch gar nicht sicher, ob wir es nicht auch einmal schlimm mit ihm meinen könnten, und wir haben viel zu viel Respect vor Deinem Gewissen, als daß wir es sollten irgend in Gefahr bringen wollen! Hat Ihnen diese Rede jemand geradezu gehalten, oder Ihnen ähnliches auch nur zu verstehen gegeben? W o l schwerlich. Also gestehen Sie nur, ob es nicht so zusammenhängt mit dieser Stelle: Lust hatten Sie in die Versammlungen dieser Gesellschaft zu kommen; denn in der Hoffnung, daß Sie würden zu ähnlichen Zwecken recht viel mitwirken können, empfingen Sie die Nachricht von Ihrer Ernennung zum churmärkischen Tugendbundsdirector mit lebhafter Theilnahme. Wer wird Sie auch deshalb tadeln? Nun theilten Ihnen diese Männer mancherlei mit, und luden Sie doch niemals ein. Das fällt 665 Ihnen auf, nicht eben angenehm; allein Sie sind discret und fragen nicht warum, gesonnen aber haben Sie wol allerlei, ob die Männer nicht doch noch manches haben möchten, was sie Ihnen nicht vertrauten. Nun zieht Schill aus; gewiß kannten manche von diesen Männern den Schill, vielleicht ist einer mit ihm gegangen oder ihm nach, und nun geht Ihnen das große Licht auf, daß die Männer halb treu waren und halb untreu, aber dennoch soviel Ehrfurcht hatten vor Ihrer ganzen Treue, daß sie Sie nicht in unmittelbare Berührung mit sich sezen wollten. Aber ich möchte wol behaupten, daß Sie unrecht haben, und daß Schills Auszug mit dieser Gesellschaft nichts zu thun gehabt hat. Ich glaube, ich kann das behaupten, denn mir will träumen, I Sie meinen dieselbe Gesellschaft, unter der ich mich auch öfter 25 befunden habe. Ich wollte mich freuen, wenn es mehrere gegeben hätte; und Sie vielleicht eine andere meinten. Auch habe ich freilich nie von Uneinigkeiten gehört, die Sie in dieser beigelegt hätten: aber ich glaube doch, daß Sie dieselbe meinen, weil ich weiß, daß manche Ihnen mancherlei erzählt haben, um wieder mancherlei von Ihnen zu erfahren, eine Unvorsichtigkeit, die Sie nicht sonderlich gut gemacht haben durch die Art, wie Sie ihrer erwähnen! Also dieser Zusammenhang, den Sie sich träumen zwischen Schill und jener Gesellschaft ist nur eine Vermuthung, und Sie können es mir immer glauben, eine falsche Vermuthung. Ich konnte ja darüber weggegangen seyn, wenn die Sache nicht rein wäre, und habe

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hierüber wirklich nur Sie und unsern Freund eines Besseren belehren gewollt. Und nicht wahr, ich habe nicht uneben erklärt, wie diese Vermuthung in Ihnen entstanden ist. Mit derselben Gewißheit nun, mit der ich dieses unmittelbar weiß, weiß ich lediglich aus Ihren eigenen Worten, daß alles, was Sie von der zweiten Generation von Vereinen sagen, nichts ist als Vermuthung. Denn wo Sie auf diese spätem kommen, geht nun alle Bestimmtheit 666 völlig aus. Sie sagen uns nicht, ob es Ein Verein ist oder wie viele, sondern wir müssen uns mit einem unbestimmten Pluralis begnügen, mit dem es Niemand genau nehmen kann: „andre Verbindungen" so redet jeder, der bloß vom Hörensagen redet. Sie geben keine Zeit an, 26 wann diese Vereine entstanden sind, als ein ebenfalls ganz | unbestimmtes „bald darauf"; Sie geben keinen Ort an, Sie nennen Niemand, sondern lassen nur das Gerücht nennen S. 14., Sie berufen Sich auf keine erzählende Freunde, Sie kennen keine Statuten, ja Sie sind zweifelhaft überhaupt über die Zwecke der Bünde und wissen nicht, ob sie löblich sind oder fluchwürdig, und auch über ihre Entstehungsart geben Sie S. 11. nur eine Vermuthung „vielleicht aus den Trümmern der beiden andern." Da Sie so lobenswürdig im Zuge waren ordentlich zu erzählen, wo Sie wirklich etwas wußten, von jenen Gesellschaften sowol als von Ihrer eignen Geschichte, warum verlassen Sie diese sichere Manier, die ihre Wirkung nicht verfehlen konnte, als weil Ihnen hier das Wissen ausgeht? Oder sollen wir glauben, Sie wüßten recht gut, in welcher Sizung des Bundes Arndt beauftragt worden sei, die bekannte Aufforderung zur Nothzucht zu schreiben, 1 und Görres seine Diatriben gegen die bairische Regierung? 2 Sie wuß27 ten das, aber Sie hielten | damit hinter dem Berge? Das können wir 667 nicht glauben, nachdem Sie uns so viele Kleinigkeiten, die uns sehr 1

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Sie sagen freilich nichts in Ihrer zweiten Schrift über diese Stelle, und haben sich auf Niebuhrs Ausforderung nicht gestellt damit. Vielleicht haben Sie sie also nicht gemeint? Nun dann substituiren Sie die andere Stelle, die Sie gemeint haben, oder cediren Sie die obige Frage an Ihren Recensenten, der wirklich und eingeständlich diese Stelle gemeint hat und mit den nicht sprachforschenden Soldaten in Reih und Glied steht. Warum soll ich die Namen nicht nennen, da Sie sie andeuten verständlich genug, einer ihrer Schildknappen in einer Zeitung sie noch zweimal unterstreicht, und ein dritter in einer andern Flugschrift sie sogar genannt haben soll. Entweiht sind sie also doch schon längst.

10 kann:] kann

16 Bünde] Bunde

2 6 Görres] Gerres

8 - 1 1 Vgl. oben Anm. zu 134,19-135,2 13f Vgl. oben Anm. zu 133,lOf 1 7 - 1 9 Vgl. oben Anm. zu 134,19-135,2 2 6 Gemeint ist Joseph Görres (1776-1848), der Herausgeber des „Rheinischen Merkur". 2 9 - 3 4 Niebuhr: Heber geheime Verbindungen 30f. Niebuhr fordert Schmalz hier auf zu erklären, ob die auf Seite 11 der ersten Schrift gegebenen Andeutungen sich auf Ernst Moritz Arndt beziehen. Auf diese Aufforderung ist Schmalz in seiner Niebuhr-Replik nicht eingegangen.

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wenig angehen, mit der größten Umständlichkeit erzählt haben. Was bringen Sie uns denn für Beweise, daß es Bünde wirklich giebt? Ich sehe immer nur zweierlei, die Schriften, Reden und Geberden gewisser Leute, Schriften, die wir Alle kennen, Reden und Geberden, die Sie gehört und gesehen haben, aber von denen Sie nirgend beweisen, sondern nur mit zuversichtlichem Ton aber leeren Worten behaupten, daß sie Bünde voraussetzen und von Bünden ausgehen. J a , wenn Sie uns erst bewiesen hätten, die Bünde wären da: so wollten wir Ihnen vielleicht glauben, die Schriften und Reden kämen von den Bünden her, so aber speisen Sie uns zu dürftig ab. Ihr zweiter Beweis ist die Furcht, welche durch das Dasein dieser Bünde in teutschen Landen erregt ist und der Unwille über sie. Die Furcht scheint wirklich da zu sein, denn wenn sie nicht schon da wäre, so könnte sie nicht so vergrößert worden sein durch Ihr Büchlein! Wenn die andern Kinder nicht furchtsam sind, so laufen sie nicht, wenn Einer schreit, das Gespenst kommt! Aber ist das Gespenst da, weil der schreit und die laufen? Mir scheint nichts weiter daraus zu folgen, als daß es ganz gut wäre, wenn ein Anderer käme und schrie Popanz, brächte die Kinder mit Gutem oder Bösem zum stehen, und zeigte ihnen die Lappen, woraus das vermeinte Gespenst zusammengesetzt ist. Der muthwillige Knabe, der es aufgestellt hat! er hat nur zu schlechte Lappen genommen, indem ich sie anfassen will, zerfallen sie in lauter Plunder und Zunder. Was meinen Sie, wenn ich Ihnen lieber noch einen Beweis liehe, daß wirklich so etwas besteht, | wie Sie suchen? Die erste Gene- 28 ration von Vereinen hat doch bestanden, und wenn so etwas einmal bestanden hat, wer kann wol glauben, daß es sich ganz auflöse? wer? der nur jemals die Süßigkeit des Geheimnisses gekostet hat! Der Tugendbund, ja der ist freilich durch ein Gesetz aufgelöset, und da Sie selbst ihm nicht Schuld geben ungehorsam gewesen zu sein, so ist von dieser Seite nichts mehr zu machen. Aber die andere Gesellschaft? wissen Sie denn wirklich, daß die auch in Trümmern ist, und daß nur 668 aus ihren Trümmern sich andre Verbindungen haben bilden können? Sollte die nicht noch bestehen? Nun, wenn Sie mich nicht verrathen, und wenn Sie nicht gleich Gesez, Wache und Strang rufen wollen: so will ich es Ihnen nur bekennen, sie besteht wirklich noch eben so, wie sie bestanden hat. Liebster Freund, wie hätte sie sich auch auflösen können? Man trat nicht hinein und nicht heraus, da war keine Aufnahme, keine Obern, keine Form, keine Statuten, die sie aufheben, keine Eide, die sie zurückschwören, keine Insignien, die sie verbrennen konnte, keine Papiere, die vernichtet werden mußten, damit sie nicht in Unrechte Hände kämen. Die Leute waren ja leider nur durch 2 2 indem] in dem

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Vaterlandsliebe und durch gegenseitiges Vertrauen verbunden und solch idealisches Gesindel ist entsezlich schwer auseinander zu bringen. Und so kommen sie denn noch immer zusammen, freuen sich, wenn ihnen etwas gefällt, klagen und schelten, wenn sie etwas verdrießt, sind wie Wielands Fische, große Messer von wann und wie, hättens gern besser und kriegens nie, und wenn sie so zusammenkommen, geschieht es auch so geheim, daß niemals einer dabei ist, der nicht hinein gehört. O b sie aber über einen Constitutionsentwurf ei29 nig sein | möchten, daran zweifle ich gar stark, und daß sie sich Aemter in die Hände gespielt hätten, weiß ich nicht; es müßte denn so zugegangen sein, daß sie durch eine besondre Liebe gestärkt sich auch besonders hervorgethan haben, jeder in seinem Fache, so daß man sie wol auszeichnen mußte. Dies verhält sich wirklich so, und es ist alles zu wetten, dieses ist das gewisseste, was Sie und ich über die Existenz von Bünden wissen. Aber solchem Bunde ist nur auch leider nichts anzuhaben. Oder sollen gleichgesinnte Menschen, die durch eine innere Nothwendigkeit sich zu einander hingezogen fühlen, nicht zusammenkommen, sich ihre Gedanken und Wünsche nicht mittheilen und läutern? Nein, eine solche Tirannei werden Sie mit allen ihren Warnungen, G o t t sei D a n k , bei uns nicht einführen. 669 Ist es nun aber wahr, daß Sie über diese Bünde nur Vermuthungen aussprechen, und daß wenigstens Ihre Schrift noch eine N u m m e r schlechter sein würde, wenn Sie etwas wüßten und hätten Sich doch nur so ausgedrückt, wie Sie thun: so lassen Sie uns einmal diese Vermuthungen besehen, o b sie nicht ganz schlecht begründet sind. Einige Leute lächeln und spötteln über angesehene M ä n n e r . W e r wagt denn das ohne einen besondern Rückhalt? Aeußerlich und öffentlich haben sie eben keinen besondern; also müssen sie einen geheimen haben! es giebt also einen Bund und sie sind Bündler. So etwas ungefähr steht bei Ihnen zwischen den Zeilen; aber so deutlich herausgesagt werden Sie es hoffentlich n i c h t f ü r das Ihrige anerkennen. - Einige Leute haben wunderliche, unausführbare, dem geschichtlichen Geiste des 30 deutschen Volkes ganz widerstrebende politische | Meinungen; diese sind, wenige individuelle Abweichungen ausgenommen, in Allen dieselben. Diese Meinungen kommen häufig zum Vorschein an ganz verschiedenen Orten; wie könnten sie wol so verbreitet sein, wenn es nicht einen Bund gäbe? - W e n n nur nicht die Meinung, daß es Bünde giebt und daß sie gefährlich sind, eben so wunderlich wäre und undurchführbar, und nicht eben so plötzlich zum Vorschein käme, jetzt 2 1 Bünde] so DV; OD: Leute

3 4 Allen] so DV;

OD:

Allem

5f Anspielung auf Christoph Martin Wielands Gedicht „Ein bürgerliches lied"; vgl. Sämmtliche Werke, Bd. 18, Leipzig 1796, S. 231 und 235

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in Ihrer Schrift, jetzt in Ihren hiesigen Recensionen, dann in der Hallischen, in der Jenaer, und zwar so schnell Schlag auf Schlag, und noch in ein, zwei, drei Schriften, sie werden nun gewiß aufschießen wie die Pilze im feuchten Wetter, gewiß es muß einen geheimen Bund geben gegen die Bündler oder gegen die Leute, die man gern dazu stempeln möchte, einen geheimen Bund, der Verfolgungen erregen will und Fehmgericht spielen; hin und her rennen sie und schreiben sich, und bezeichnen wer genannt werden soll und angegriffen, um Vertrauen und guten Namen gebracht, während jene Unschuldigen nur lächeln und Achseln zucken! - Sie sehen eines steht und fällt mit dem anderen; wenn nicht das leztere doch noch fester steht, denn dieses Gespenst, Sie können es nicht läugnen, hat wirklich schon etwas ange- 670 fangen, mit den Ketten zu klirren. - Aber die politischen Schriften, die sind Ihr stärkster Beweis! solche Schriften sezen Bünde voraus. Das scheint ungemein klar! es muß Ihnen über alles einleuchten nach dem Ton, den Sie dabei annehmen! Nur ich bin offenbar vernagelt und verstehe nichts davon. Wozu denn sezen solche Schriften Bünde voraus? um hervorgebracht zu werden, oder um verbreitet zu werden, oder um Gläubige zu finden? J a freilich, wenn Arndt | und Görres und 31 Andre, die Sie mögen im Hinterhalt haben, die Kunst verstanden hätten, durch den Bund hier Herrn Sack und dort Herrn Gruner zu Gouverneurs zu machen, die ihnen solche heillose Preßfreiheit gestatten, das wäre ein Kunststück! Aber die guten Thoren, wenn sie das konnten, vermöge der den Bund belebenden Lust zu besonders guten Versorgungen, warum haben sie selbst denn nicht einmal einen Titel, um die Blöße ihrer kurzen Namen zu verdecken? warum haben sie sich nicht selbst von Bundes wegen versorgt mit ein paar stattlichen Aemtern, sondern sind immer noch, was Sie nicht einmal auf sich kommen lassen wollen, eine kurze Zeit gewesen zu sein, nemlich privatisirende Gelehrte? ist das zu begreifen? Und was das geglaubt werden Ihrer Schriften betrifft: so scheint mir in meiner Einfalt, als ob die Wirksamkeit durch die Schrift, und die Wirksamkeit durch geheime Gesellschaften einander eher entgegengesetzt wären. Ich rede nicht von Ihnen, Sie sind ein großer Schriftsteller und ein großer Maurer, aber Ihre Schriftstellerei ist in einem andern Fache. Aber Arndt und Görres? - ich liebe sie beide, weil es frische lebendige liebenswürdige Menschen sind, gerade heraus und ohne Falsch. Alles beantworten 19 u. 36 Görres] Gerres 21 Johann August Sack (1764-1831) amtierte seit 1806 als Zivilgouverneur von Berlin; Justus Karl Gruner (1777-1820) war in der Besatzungszeit zunächst Berliner Polizeipräsident, später Leiter der Politischen Polizei in Preußen.

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und verantworten, was sie schreiben, möchte ich nicht; und unsere politischen Gedanken gehen vielleicht noch ziemlich weit auseinander. Aber warlich was sie zum Behuf ihrer Schriften mit geheimen Gesellschaften machen sollten, wüßte ich nicht. Soll Görres geheime Gesellschaft aus den Lesern des rheinischen Merkurs bestehn? Das wäre wirklich eine glänzende Idee. Oder aus denen, die ihm Materialien und Nachrichten zutragen? Nun, so hat wol auch der Hamburger Correspondent und der deutsche | Beobachter und der Oesterreichische jeder seine geheime Gesellschaft und am Ende auch Vossens Erben in Berlin! - Und Arndt? der sollte wol die Leute, die seine Schriften gelesen und schönes und gutes darin gefunden haben, in einen solchen Pferch zusammenspunden, und sie dort aufsagen und repitiren lassen! Eine solche Gesellschaft wäre ja Blei an den Füßen des muntern Wanderers, der, wenn er sich wo mit Menschen gestärkt und befreundet hat, seinen Stab wieder weiter zu sezen pflegt. Aber zum Verbreiten brauchen sie geheime Gesellschaften! dazu sind solche Verbrüderungen herrlich. Es ist wahr, Arndts Landsturm wäre nicht gelesen worden, wenn er nicht überall seine Logen gehabt hätte! und so ists auch mit dem Merkur! und wenn einer von beiden etwas schreibt, so sind flugs drei, vier Recensenten hinterdrein und flattern als Posaunenengel aus einer Zeitung in die andere, daß im Hui ganz Deutschland in Allarm gesezt ist und in Bewunderung, und es Freude und Ehrenbezeugungen regnet! Das ist ja alles klar, und wie ginge es zu bei dem mäßigen Verdienst, als durch geheime Gesellschaften! Sehen Sie, so kühn schweben Ihre Vermuthungen, und so fallen sie grade aus der höchsten Höhe zu der sie sich erhoben haben, auf Ihren eignen Kopf zurück. Allein Sie haben vielleicht Gründe, die Sie nicht anführen konnten; gewisse Anzeigen, gewisse Umstände, gewisse Thatsachen lassen schließen. — Nun ja, diese Sprache kennen wir, und dagegen kann niemand was sagen. Ich weiß aber doch eines. Ich will Ihnen aus Ihrer Schrift beweisen, daß wenn Jemand unfähig ist Thatsachen | zu combiniren, und was daran nicht sichtbar ist zu entziffern: so sind Sie es, Sie nemlich der G. R. Schmalz in dieser Schrift; sonst und anderwärts gelingt es Ihnen auch. Beweisen will ich es aus Ihrer Erzählung von Ihrer Verhaft4 Görres] Gerres

2 6 sie] so DV; OD: Sie

17 Ernst Moritz Arndt: Was bedeutet Landwehr und Landsturm?, Berlin 1813. Die Schrift wurde von Georg Andreas Reimer zu Beginn des Frühjahrsfeldzuges 1813 in einer Auflagenhöhe von fünfzigtausend Stück gedruckt und im Heer verteilt (vgl. Rudolf Müller: Geschichte von Arndts Schrift „Was bedeutet Landwehr und Landsturmi", in: Nord und Süd 123 (1907), S. 224-253). 3 5 - 1 Vgl. Schmalz:

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n e h m u n g d u r c h D a v o u s t . Sie m e i n e n n e m l i c h , d e r G r u n d derselben w ä r e n i c h t Ihre u n g e d r u c k t gebliebene A d r e s s e g e w e s e n , s o n d e r n Ihr V e r h ä l t n i ß z u m T u g e n d b u n d und die Schriften, w e l c h e Sie für diesen e m p f a n g e n . A u s w e l c h e n G r ü n d e n , Bester! weil zulezt der I n q u i r e n t a u c h n a c h d e m T u g e n d v e r e i n fragte? W i s s e n Sie d e n n n i c h t , w i e ein solcher, w e n n sein eigentliches G e s c h ä f t beendiget ist, n o c h ü b e r allerlei D i n g e a u f den S t r a u c h schlägt? M a n h a t g e q u ä l t u n d g e f r a g t ? D a s klingt sehr allgemein! W ä r e n b e s t i m m t e D e n u n c i a t i o n e n g e g e n Sie v o r h a n d e n g e w e s e n in Bezug a u f d e n T u g e n d b u n d , s o w ü r d e n Ihnen die w o l v o r g e l e g t w o r d e n sein. H ä t t e m a n g e w u ß t , d a ß Sie z u m D i r e c t o r e r n a n n t w o r d e n , s o w ü r d e m a n g e f r a g t h a b e n , w a s Sie als solcher g e t h a n , und Sie h ä t t e n Gelegenheit g e h a b t Ihre V e r t h e i d i g u n g zu verherrlichen d u r c h die A u s e i n a n d e r s e z u n g der l o b e n s w ü r d i g e n a n t i j a c o b i n i s c h e n Principien, a u s denen Sie die F u n c t i o n a b g e l e h n t . M e r k e n Sie w o h l , l o b e n s w ü r d i g nenne ich diese Principien im vollsten E r n s t ; n u r will ich nicht, d a ß m a n t h u e als t h ä t e m a n e t w a s b e s o n deres, w e n n m a n sie h a t ! - H ä t t e n also s o l c h e V e r h a n d l u n g e n s t a t t gefunden: s o w ü r d e n Sie uns w o l n a c h Ihrer l o b e n s w ü r d i g e n G e n a u „Mehrere Freunde, denen ich die Schrift [die „Adresse an die Preußen"] vorlas, billigten sie so sehr, daß sie mich durch Subscription in den Stand setzen wollten, viele tausend Exemplare allenthalben in die Hände des Volks zu bringen. Daß in dieser Schrift keine demokratischen Ideen ... enthalten waren; daß Volksversammlungen, Abschaffung der Privilegien und dergleichen weder in Worten, noch in dem Sinne der Schrift vorkamen, das darf ich wohl nicht versichern, da alle meine schriftstellerischen Arbeiten beweisen, mit welchem Eifer ich seit dem Beginn der französischen Revolution dem unseligen Unsinne stets entgegen zu arbeiten suchte, welcher von Frankreich über Teutschland sich verbreitete. Ich schickte die Schrift an den hiesigen Prediger Herrn Hochecorne, welcher von den Franzosen zu ihrem Censor bestellt war. Er dekretirte: sie könne vor der Hand nicht gedruckt werden, und sie wurde also auch nicht gedruckt. Gleichwohl hat Herr Hochecorne sie dem französischen Gouvernement denunciirt. Davoust war Gouverneur, und ich wurde unter dem Vorwande dieser Schrift verhaftet. Daß sie bloß der Vorwand war, daß französische Polizeikundschaft meine Ernennung zum Direktor des Tugendbundes in der Mark erfahren hatten, und Davoust nun von mir Kenntniß über den Bund erpressen, und durch Aufopferung meiner Andre abschrecken wollte, beweiset theils die Untersuchung selbst, theils andere Umstände." (Berichtigung 8f) „Aber der dritte und letzte Punkt der Untersuchung betraf nun den, wie [der Untersuchungsführer Oberst] Chariot aussprach, tu - gens verrin [Tugendverein] - da man aber nichts bei mir gefunden hatte, was diesen Verein betraf: so mußte man sich nach langem Quälen und Fragen am Ende mit meiner Erklärung begnügen, daß ich nicht Mitglied eines solchen Bundes sey, auch keinerlei Nachricht von ihm geben könne." (Berichtigung 10) Bei dem von Schmalz erwähnten Censor, Prediger „Hochecorne", handelt es sich um Friedrich Wilhelm Hauchecorne (1753-1825), der seit 1783 erster Prediger der Französisch-reformierten Gemeinde war; vgl. DBA I 457, 266f; II 484, 222-230; Evangelisches Pfarrerbuch für die Mark Brandenburg, Bearbeitet von Otto Fischer. Band IUI, Berlin 1941, S. 301; siehe auch Paul Czygan: Ueber die Zensur während der französischen Okkupation von Berlin und ihren Leiter, den Prediger Hauchecorne, in den Jahren 1806 bis 1808, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 21 (1908), S. 99-137.

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igkeit ein paar W ö r t c h e n davon gesagt haben, und wir dürfen nicht annehmen, daß Sie, um mit einigen Zeilen zu kargen, zu denen noch R a t h war auf den Bogen, Ihren Beweis sollten geschwächt haben. Das würde sich auch schlecht schicken für einen Juristen! Und eben so 34 wenn man wußte, | Sie hatten Papiere für den Tugendbund erhalten, und man hatte sie nicht bei Ihnen gefunden: so würde man wol gefragt haben, w o Sie mit diesen Papieren geblieben wären! und um so mehr wenn Sie R e c h t hätten, daraus daß Sie a m M o r g e n verhaftet worden nachdem Sie am Abend diese Papiere empfangen, zu schließen daß diese beiden Begebenheiten zusammenhingen! D a sind Sie in das trügerische post hoc ergo, propter hoc etwas grob hineingeplumpt, zumal Sie die Papiere durch einen Kurier erhielten, Kuriere 673 aber von den Franzosen nicht pflegten visitirt zu werden, wie die ganze Welt weiß und Herr Koppe selbst bezeugen wird. Also von den Papieren konnte der Marschall nur aus Ihrem oder Herrn J ' s Hause etwas wissen, und das schwerlich so schnell. Also bleibt die Schuld Ihrer Verhaftung auf der Adresse ruhen, und dagegen beweiset der Umstand nichts, daß Ihre Verhandlungen mit dem französischen Censor schon seit acht Tagen abgebrochen waren. Meinen Sie, daß Herr Hauchecorne alle T a g e dem Marschall berichtete, was in seinem Departement merkwürdiges vorgefallen war? D a muthen Sie den beiden M ä n n e r n , die sich zu sehr auf einander verlassen konnten, um eine so lästige Regel festzustellen, zuviel zu. Der Marschall mußte erst Herrn

4 schlecht schicken] so DV; OD: schicken 3 - 1 0 Vgl. Schmalz: „Daß nun der Bund die eigentliche Ursache meiner Verhaftung gewesen, beweiset auch der Umstand: Ich wurde verhaftet, acht Tage nach dem Decret des Herrn Hochecorne, daß meine Schrift nicht gedruckt werden könne; und vierzehn Tage, nachdem ich sie ihm zugeschickt hatte. Aber ehe es in Königsberg bekannt war, daß ich die Theilnahme am Bunde abgelehnt hätte, hatte man mir mit Gelegenheit eines Couriers ein Pack Schriften, den Verein betreffend, zugeschickt. Da ich mich nicht weiter berechtigt glauben konnte, sie zu lesen, hatte ich sie sofort, wieder versiegelt, an Herrn H. R. J[ochmus] geschickt. Etwa 12 Stunden nachher, Morgens um 6 Uhr am Uten November, wurde ich verhaftet, und meine Papiere genommen. Die Mitglieder des Bundes, welchen ich durch meine, allerdings pflichtmäßige, Verschweigung ihrer Namen wie ihres Bundes selbst vor der Davoustischen Untersuchung, einen nicht unbedeutenden Dienst geleistet hatte, haben diesen Dienst vergessen, aber meine abschlägliche Antwort auf ihre Wahl mir sehr übel genommen, und einige durch Verfolgung und kleine Cabalen mir sie zu vergelten gesucht." (Berichtigung lOf) 14 Gemeint ist der Regierungsrat und spätere Staatsminister Karl Wilhelm Koppe (1777-1837; vgl. DBA II 744, 234), der selbst in der Kontroverse um Schmalz mit einer Schrift hervortrat (Die Stimme eines preußischen Staatsbürgers in den wichtigsten Angelegenheiten dieser Zeit. Veranlaßt durch die Schrift des Herrn Geh. Raths Schmalz: Ueber politische Vereine, Köln 1815).

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Hauchecorne's Bericht haben, er mußte erst gehört haben v o n den Anstalten, die zu laut getroffen wurden, um Ihre Schrift auf eine außerordentliche Weise unter das V o l k zu verbreiten; dann ließ er Sie verhaften. Z u m Ueberfluß kann ich Ihnen das aus seinem eigenen M u n d e bezeugen. Sie wissen schon, ich mußte ja den kleinen Spaß hernach oft genug erzählen, daß er mich auch kurz vor seinem A b züge rufen ließ als eine „tête chaude et ardente" - schrecklich zu hören! aber neben mir | brannte zu meinem T r o s t eben so lichterloh 35 das H a u p t unseres Probstes Hanstein. D e m w a r f er die Predigt v o r , die er in Havelberg gehalten, eine noch viel ältere Geschichte als Ihre Adresse; aber der Marschall klopfte eben damals seine Papiere noch einmal aus und so k a m altes und neues aus diesem Schaz hervor. A l s ich ihm nun, um zu erfahren, ob er etwa einige N o t i z bekommen hätte von der Gesellschaft, deren Sie erwähnen, immer enger zu Leibe ging, w a s er denn von mir wüßte, und er sich immer nur auf seine Tablettes berief, entgegnete ich, ich begriffe eben nicht, w i e ich auf diese käme, denn ich w ä r e ein ohne alle öffentliche Wirksamkeit lebender auf seinem Studierzimmer emsiger Gelehrter, kurz ich sagte ihm grade heraus, ich w ä r e ein privatisirender Gelehrter, auf den es am wenigsten paßte, daß er sich an ihn halten wolle, w e n n die Regie- 674 rung, wie er sagte, Thorheiten beginge. Dies fing er gleich auf, und sagte: „ M a i s M r . Schmalz est aussi un h o m m e de lettres et p o u r t a n t " - aber nun k a m nicht etwa, hat er doch eine gefährliche geheime

3 Sie] so DV; OD: sie

5-156,5 Schleiermacher gehörte zu denjenigen Mitgliedern oppositioneller Gruppen, die im Oktober oder November 1808 bei Marschall Davoust denunziert worden waren. Mit ihm hatte auch den Berliner Propst Gottfried August Ludwig Hanstein (1761-1821) das gleiche Schicksal getroffen. Der Vorfall, der sich einige Zeit vor dem Tag des Abzugs der französischen Truppen aus Berlin, dem 27. November 1808, zugetragen hat, führte lediglich zu einer Warnung des Generals an die betroffenen Personen. Auch Schleiermacher konnte Davoust „eine gefährliche geheime Wirksamkeit" nicht nachweisen. In einem etwas später gegebenen Bericht schilderte Schleiermacher die Angelegenheit mit Humor: „... das Ganze war denn nichts, als daß er uns eine Rede hielt, wir wären notirt als hizige Köpfe und Unruhstifter und was weiter dahin gehört. Mir war das Ganze sehr spaßhaft; ich mußte noch den Dolmetscher abgeben bei den Andern und habe meine Rolle sehr ernsthaft gespielt" (Brief an Henriette von Willich vom 27. November 1808, in: Briefe 2, 173-175, hier 175). Es liegt ein französischer Bericht vom 19. Januar 1809 vor, der aus Berlin direkt an den Kaiser adressiert war und in dem neben anderen Personen auch die Namen von Schleiermacher und Hanstein aufgeführt werden (siehe den Abdruck in: Berichte aus der Berliner Franzosenzeit 1807 bis 1809. Nach den Akten des Berliner Geheimen Staatsarchivs und des Pariser Staatsarchivs, ed. Hermann Granier, Publikationen aus den Königlichen Preussischen Staatsarchiven 88, Leipzig 1913 [ND: Osnabrück 1969], S. 321f).

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Wirksamkeit, sondern ohne weiteres „et pourtant il a écrit un si mauvais pamphlet politique tout fait pour soulêver le peuple". Also das war es, was der M a n n an Ihnen hatte, und weshalb er Sie hatte verhaften lassen, um, wie er hernach sagte, Ihnen einen Schreck einzujagen. Sehen Sie, so falsch haben Sie sich dieses kleine Factum durch Ihre Combinationen ergänzt! Was sollen wir nun von den Combinationen halten, durch welche Sie Bünde und Bündler zusammenfolgern aus allerlei gar weit auseinander liegenden und gar wenig zusammengehörigen Zügen? Ich gar nichts, und ich hoffe niemand, der sich die Mühe genommen hat mit mir durch das lose unzusammenhängende Wesen Ihrer Schrift | sich hindurch zu arbeiten! O b es nun Bünde giebt oder nicht, darüber bin ich gar nicht dreist genug abzusprechen! aber wer darüber reden will, der sehe doch ja wol zu, daß er sich nicht um seinen kritischen Credit und guten Namen schreibe, wie wir leider fürchten müssen, daß Ihnen begegnet ist, indem Sie über eine Sache reden, von der Sie, wie sich bei genauerer Betrachtung zeigt, auch gar nichts wissen. Und hiemit nun ist mein Tadel Ihrer Schrift zu Ende, denn ich wüßte nun, nachdem ich dieses gesagt, nichts weiter daran auszusezen, und ich könnte mein L o b beginnen, wenn ich nicht hier eben noch etwas von mir selbst zu sagen für nöthig fände. Ich habe nemlich zu zeigen gesucht, daß Sie den Bünden nichts Böses factisch nachgewiesen, sondern nur gewarnt, und das kann aussehen wie eine Vertheidigung, und da man schon das Sprüchlein „qui s'excuse, s'accuse" auf eine gar wunderliche Weise in Anwendung gebracht, wer steht für die zweckmäßige Erweiterung, daß auch der, der Andere entschuldigt, sich selbst anklagt? Sie ist einleuchtend genug und gewiß oft angewendet in manchem kezerricherischen Verfahren. Nun sage ich selbst von einer Gesellschaft, in deren Mitte ich mich öfter befunden, das Gerücht hat auch mich oft und laut genug genannt, wie mir öfter ist erzählt worden; also hat gewiß schon mancher, und auch Sie vielleicht, bis hieher manchmal bei sich gedacht, „nun sieht man es ja noch viel klarer, als man es vorher schon wußte, daß er ein Bündler ist, ein Hauptbündler!" Was könnte ich mir also für eine bessere Gelegenheit wünschen, reinen Wein einzuschenken? M i t dem sittlich wissenschaftlichen Verein - um der Unkundigen willen seze ich hinzu, daß es, wie ich gehört, nur dieser ist, den man mit dem Necknamen Tugendbund im | Publicum bezeichnet. Meint aber jemand, denn man kann hier so wenig sicher seyn wie bei den Trivialnamen der Pflanzen, unter dem Namen Tugendbund eine andere Gesellschaft, so wüßte ich von diesem Tugendbunde gar nichts. - Also mit dem sittlich wissen14 kritischen . . . und] so DV; OD: Credit und kritischen kezerischen 3 6 Necknamen] so DV; OD: Vornamen

2 7 kezerricherischen] Kj

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schaftlichen Verein habe ich nicht mehr zu thun gehabt als Sie. Auch zu mir kam später, bald nach der Ankunft der ersten Truppen ein Herr B; ein anderer meines Wissens, als den Sie mit diesem Buchstaben bezeichnen, und schlug mir vor, die hiesige Kammer zu dirigiren. Ich entgegnete, es sei gegen meinen Grundsatz in irgend eine geheime Gesellschaft zu treten. Er meinte, jener Verein sei keine, die Regierung kenne sowol seine Mitglieder als seine Statuten und ich möchte diese doch wenigstens lesen. Ich las sie, und als er wiederkam, sagte ich ihm ungefähr was Niebuhr gesagt hat, der Verein werde auch in guten Händen immer etwas unbedeutendes bleiben, sollten sich aber einmal böse Hände seiner bemächtigen, so könne er seiner Natur und Einrichtung nach so gefährlich werden als der Jakobinerklub. Seitdem habe ich so wenig davon gehört, daß ich geglaubt hatte, er habe in Berlin nie bestanden. Daß vorher, als der Feind noch im Lande blieb, und der Friede täglich auf das frechste gebrochen wurde, Männer vorzüglich von militärischen Einsichten, welche wegen ihrer persönlichen Verbindungen glauben konnten, daß man auf ihre stille Thätigkeit für gewisse mögliche Fälle rechnete, daß diese sich zusammenthaten, um für eben diese Fälle dies und jenes vorzubereiten und ein- 676 zuleiten, das kann niemand anders als loben. Thaten sie es doch auf ihre Gefahr und war doch an keinen Misbrauch dabei auch nur als möglich irgend zu denken. Ich rechnete mirs zur Ehre, als sie mich in ihren Kreis | zogen, gewiß mehr um mir selbst einen erfreulichen Hai- 38 tungspunkt mehr zu geben, als daß sie viel von mir erwartet hätten. Denn wenn ich gleich ganz in ihrem Sinne war, so gestatteten mir meine Verhältnisse doch nicht, viel in diesem Sinne zu thun. Ich wage auch nicht, mich den Andern gleich zu stellen, da sie alle ohne Ausnahme, auch die nicht vorher schon Soldaten waren, hernach, als es wirklich galt für den König und die Befreiung des Vaterlandes, ihr Leben daran gewagt, und manche Theure es auch geopfert haben.

2f Vgl. oben Anm. zu 136,4-137,3 9 - 1 2 Vgl. Niebuhr: „Der Tugendbund war in Hinsicht seiner Verhältnisse zur Regierung, der er offen und wohlbekannt war, von der Art, daß ein rechtlicher Mann ohne seine Unterthanspflicht zu verletzen hineintreten konnte, wenn er sich überredete Heil davon zu erwarten. Er war wohlgemeint entworfen; nach dunkeln Gefühlen, die, halb und schief aufgefaßt, zu einem widersinnigen Machwerk verarbeitet waren, welches, weil unsere Nation treu und nicht phantastisch ist, in sich vergehen mußten; wohl aber, wenn es in dieser Hinsicht anders beschaffen gewesen wäre, zu sehr gefährlichen Dingen hätte führen können. ...Es war ein Staat im Staat entworfen, der, wenn er zum Leben gekommen wäre, die Regierung, sobald er gewollt, hätte abstreifen können: und daß eine so gefährliche Constitution so schlechterdings harmlos blieb, wie es notorisch der Fall war, das sollte unsre Allarmisten etwas beruhigen" (Ueber geheime Verbindungen 18); siehe auch Seiten 11 und 20; über die Gefahr der Radikalisierung patriotischer Geheimgesellschaften vgl. Seite S und öfter.

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Auch in einem äußeren Sinne kann ich nicht von Mitgliedschaft reden, da durchaus keine Form bestand, und es wirklich mehrere Personen gab, von denen ich nicht zu sagen gewußt hätte, ob sie Mitglieder waren oder nicht, weshalb ich denn auch diesen Ausdruk ganz vermeide. Das aber weiß ich, daß ich nie bei meiner Theilnahme an ihren Zusammenkünften auch nur das leiseste Gefühl gehabt habe, als handelte ich meinem Grundsaz entgegen, nie in eine geheime Gesellschaft zu treten. Glaubt jemand beweisen zu können, daß aus dieser freien und edlen Vereinigung hernach etwas anderes und verdächtiges 39 geworden sei, 3 der ist hiemit eingeladen | und aufgefordert, seinen Be677 weis zu führen. Ist jemand mit dem, was ich mich betreffend sage, nicht zufrieden, und meint, ich habe dennoch zu einer andern geheimen Verbindung gehört, gleichviel sei sie aus den Trümmern von dieser entstanden oder anders, glaubt jemand, mich sonst irgend eines verwerflichen politischen Treibens beschuldigen zu können, der fasse sich das Herz es endlich einmal so zu thun, daß ich mich vertheidigen kann. - Und nun genug von mir, und zu dem Lobe, das ich Ihnen schuldig bin nach dem Tadel. Ich lobe Sie nemlich darum, daß Sie es mir so leicht gemacht den Gehalt Ihrer Behauptungen zu sichten, und somit den geringen Werth Ihrer Schrift für die angeregte Sache zu zeigen. Denn das kommt daher, daß Sie ein Mann sind ohne Falsch. Nicht den höchsten Grad dieser Tugend wage ich Ihnen zuzusprechen, den gewiß nur wenige Menschen erreichen. Ich sage das frei, damit Sie desto sicherer sehen, was ich sage meine ich wirklich, und damit nicht wieder etwas für Ironie gehalten werde, was keine ist. Aber das schreibe ich Ihnen zu, nach meiner Kenntniß von Ihnen, die durch diese Schrift ist bestätigt worden, daß Sie keinen Willen haben zu hintergehen, und daß Sie irriges nur verbreiten und andre zum Irrthum verleiten können, nachdem Sie sich selbst hintergangen haben. Und so muß sich, auch ohne daß Sie es ausdrücklich wollen, nur weil Sie nichts dagegen vermögen, sehr bestimmt in Ihren Reden dasjenige, was Sie wissen, von dem trennen, was Sie nicht wissen. Ich bin wirklich überzeugt zu Ihrer Ehre, wenn ich gleich nicht begreife wie Sie dazu gekommen sind, 3

Ist einer aus dieser Gesellschaft dem Schill nachgegangen um das tolle Unternehmen minder gefährlich zu leiten, und hat seine ganze bürgerliche Existenz an die gute Absicht gesezt, ein paar hundert brave Männer, deren Kräfte in bessern Zeiten dem Staat noch nüzlich werden konnten, von einem eitlen Verderben zu retten, so verdient er nicht, und noch weniger eine Gesellschaft, die niemanden zwang und niemanden abhielt, die Beschuldigung, etwas gegen den Willen des Königs zu unternehmen. Ueberhaupt sollte das Schillsche Unternehmen nachdem der König es mit so bewundernswürdiger Weisheit behandelt, nicht beschwazt werden, sondern höchstens, in wie fern das lehrreich sein könnte, noch einmal geschichtlich dargestellt.

3 8 zu retten] retten

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aber sie waren gewiß selbst der Meinung Sie wüßten etwas über die Sache, Sie müßten sonst mehr | Künste angewendet haben, und wenn 40 Sie nicht im Stande gewesen wären, dem leeren Wahn jenen bestimmten Charakter der Wahrheit mitzutheilen, so würden Sie Sich wenigstens gehütet haben in Ihren andern Erzählungen den leztern so stark heraus treten zu lassen. Etwas hiebei hat wol die Lust gethan von sich selbst zu reden, wobei Genauigkeit wohl thut; aber wir wollen nicht 678 alles auf diese Rechnung schreiben. Sie mußten deklamatorisch reden, indem Sie über Nichts redeten, aber ohnerachtet Sie Sich vorher dazu anschicken, durch die Kleinheit der Gegenstände, die Sie in der Einleitung an uns vorbei führen, so kommen Sie doch nicht recht in Zug, um diese undeutsche, und auch Ihnen nicht eingeübte, große Trommel lange genug zu schlagen; und der Contrast zwischen der Erzählung und der bloßen Deklamation, zwischen den Thatsachen und den Vermuthungen fällt desto stärker auf, je eher man am Ende ist und wieder zur Besinnung kommt. Auch das, was Sie zum Schluß über den verewigten Scharnhorst sagen, gehört zu den Dingen, wovon Sie nichts wissen; und auch da sind Sie eben so ehrlich. Sie führen Eine Thatsache an, die wissen Sie also, daß er sich gewisser Personen BriefWechsel im Jahr 1 8 1 2 in Schlesien verbeten hat. Die Thatsache beweiset nichts. Das kann er grade damals gethan haben aus Vorsicht, 4 würden] so DV; OD: werden OD: näher

10 durch] so DV; OD: auch

15 eher] so DV;

16-20 Vgl. Schmalz: „Noch liegt mir das Andenken eines Verewigten am Herzen, welcher für den König und das Vaterland gefallen, welcher allen Freunden des Rechten und Schönen theuer ist, mir als nächster Verwandter und innigster Jugend- und BusenFreund unaussprechlich theuer. Scharnhorst, sagen sie, hätte diesen Bünden angehört, sey Stifter und Führer derselben gewesen; und viele Leute glauben das wirklich. Nicht einmal dem Tugendverein gehörte er an; vielweniger irgend einem andern. So entschlossener Feind er war dem Feinde des Vaterlandes und der Menschheit, so billigte er doch nicht einmal die Stiftung jenes ersten Vereins. Der so ruhig besonnene Mann hätte mit erhitzenden Köpfen sich verbunden? Der so verschlossene Mann hätte mit Unberufenen berathschlagt? Der so feste Mann hätte sich binden lassen durch die Meinung heimlicher Bündler? Er, welcher nicht bloß an der Majestät des Königs mit unerschütterlicher Treue, sondern auch grade an der Person des Königs mit so inniger Liebe und Ehrfurcht hing, Er hätte die Hand bieten sollen, das höchste Ansehen des Königs zu untergraben? Wahrlich, gegen den äußeren Feind hätte er ihrer vielleicht sich bedient (obwohl sie wohl wissen, wie er in Schlesien 1812 ihre Correspondenz verbat), aber ihren Planen für das Innere, oder ihren politischen Planen würde er sich mit aller Kraft widersetzt haben. Sein Kopf war zu kühl, und sein Herz zu warm, um in Plane einzugehen, welche mit poetischer Theaterkraft in die wirkliche Welt eingreifen sollten. Durch solch Treiben ging Frankreich, ging Europa zu Grunde, und die ersten Opfer waren grade die Besten unter denen, welche, es mit Begeisterung ergreifend, geglaubt hatten, es mit ihrer Kraft leiten zu können." (Berichtigung ISf) 2 1 - 3 Zum Verhält-

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weil er wol glauben mochte, in Schlesien sehr genau beobachtet zu seyn, oder weil er überhaupt wenig davon hielt, über geheime Dinge Briefe zu wechseln. Aber Sie führen nur dieses Factum an, und daß er die Stiftung des Tugendvereins nicht gebilliget; aber auch lezteres so obenhin, daß Ihnen niemand nachsagen kann, Sie hätten behauptet, dies von ihm selbst zu wissen; Sie können es eben so gut vom Hörensagen haben, | es kann auch nur eine Meinung sein. Ueber die Haupsache, ob er damals Bünde geleitet, helfen Sie Sich mit einem deklamatorischen Raisonnement. Also auch hier wieder dieselbe lobenswerthe Redlichkeit, denn wenn Sie unwahr sein sollten, wer konnte es Ihnen nachweisen? - Daß Sie aber an dieser Stelle mit einer gewissen Zuversicht von der Absicht der Bündler, das Ansehen des Königes zu untergraben und von ihren politischen Planen reden, worüber Sie Sich an der Hauptstelle noch ungewiß ausdrüken, das will ich Ihnen nicht als Unredlichkeit, nicht als Absichtlichkeit auslegen; es zeugt nur von Ihrer Anlage, sich etwas immer gewisser werden zu lassen, indem Sie davon reden; wie man Beispiele hat, daß Leute, was sie ganz selbst erdichtet hatten, zulezt wirklich glaubten durch das öftere Wiederholen. Wenn nun aber ein Feind von Ihnen, oder ein Unschuldiger, der nicht viel Kenntniß der Welt hat, weder mein Lob noch meinen Tadel wollte gelten lassen, sondern beides aus dem bloßen Dasein Ihrer Schrift widerlegend mir mit der Frage beschwerlich fallen sollte: „Wenn aber Herr Schmalz wirklich nichts wüßte von den spätem Bünden, auf die er loszieht, wie wäre er denn dazu gekommen, sich das in den Kopf zu sezen? es giebt ja doch so viele Ritterbücher noch nicht über den Gegenstand, sondern er fängt diese Literatur recht eigentlich erst an. Und wie ist er überhaupt auf den Gedanken gekommen, etwas darüber zu schreiben!" so werde ich wieder rein aus Ihrer Schrift, denn ich weiß sonst nichts davon, eine Hypothese aufstellen zu Ihrer Vertheidigung oder wenigstens Entschuldigung. Ich werde

3 führen] so DV; OD: fechten ben!"] schreiben!

10 sollten] wollten

15 zeugt] zeigt

2 9 schrei-

nis Scharnhorsts zum Tugendbund siehe auch Niebuhr: „Ich glaube mit ziemlicher Gewißheit sagen zu können, daß der Tugendbund den von einer ehrlichen Leidenschaft eingegebenen, und, wie Hr. Geh. R. Schmalz S. 16 selbst zu verstehen giebt, dem General Scharnhorst keineswegs unbekannten Verbindungen, welche die Abschaffung der französischen Tyrannei vorbereiten wollten, als Gesellschaft ganz fremd gewesen ist: obgleich der Zweck jener aberwitzigen Maschinerie gewiß auch nicht auf die entfernteste Art revolutionär, sondern Belebung der Nation war um das fremde Joch mit der Allgewalt moralischer Kraft zu brechen." (Ueber geheime Verbindungen 18f)

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sagen, mein guter Freund, Er selbst, unser Schmalz, hat sich das nicht überredet und Er selbst hat sich auch nicht zum Schreiben getrie|ben 42 sondern andre Leute. Aber da ich das nur als Vermuthung sage, so darfst du freilich von mir nicht fodern, daß ich sagen soll, wer die sind. Die Gründe meiner Vermuthung aber will ich dir sagen. Du siehst ja aus seiner Schrift, daß er eine große Leichtigkeit ja auch Neigung hat, fremde Gedanken sich zu eigen zu machen, sie durch und auszuarbeiten, zu Tage zu fördern und zu vertheidigen. Du siehst, ihm wird der Gedanke einer neuen Universität gegeben, und auf der Reise und ohnerachtet des Wiederstrebens so viele geliebte Kollegen, die er alle gehofft hatte mitnehmen zu können, nun im Stiche lassen zu müssen bei diesem veränderten Entwurf, in wenig Wochen ist der Plan fertig. Er bekömmt den Auftrag etwas zu schreiben, königliche Verordnungen, ich weiß nun nicht ob sie Alle genau nach seinem eigenen staatswirtschaftlichen System gemodelt waren; aber flugs 680 macht er sich darüber und schreibt seine Adresse. Wenn es nun poetische Köpfe giebt, in deren Fantasie allerlei Schreckgestalten spuken, - ich weiß nichts davon, aber das Gerücht sagt es, und nicht nur, sondern auch Niebuhr versichert es, und es könnte wol scheinen, als lukten sie schon hervor hinter der Coulisse und freuten sich, wie vortreflich ihr Schauspieler tragirt h a t - ; wenn es Leute giebt, die gern irrende Ritter ausschicken, um zum Schuz der armen verlassenen Fürsten und Völker gegen unschuldige Reisende ihre Lanze zu brechen und gegen Leidtragende, die nun endlich glauben, in Ruhe ihre Thränen weinen zu können über die Theuren, die sie verloren haben, gegen diese anzurennen, die Spizbuben aber auch unschuldiger und unbewußter Weise frei zu lassen und die ganze heilige Hermandad in Aufruhr zu bringen; wenn es Leute giebt, die gern | Anderer Hände ge- 43 brauchen, weniger um etwas aus dem Feuer zu holen, als um w o möglich in ihre politischen Scheiterhaufen hineinzuwerfen, auf wen sie es gemünzt haben: ist für diese solch ein Mann nicht ein unvergleichlicher Fund? und können sie ihn nicht haben, wenn es ihnen nur irgend gelingt, ihn zu überreden, die Gefahr sei wirklich da und sie meinten es wirklich gut? Denn dies beides müssen sie freilich daran 9 Universität] Unversität 10 Wiederstrebens . . . geliebte] so DV; OD: Widerstandes so vieler geliebter 2 0 lukten] dukten 25 Theuren] so DV; OD: Thränen 1 - 3 Vgl. Schmalz: Berichtigung 8, wo von „mehreren Freunden" die Rede ist; siehe oben Anm. zu 136,4-137,3 1 3 - 1 6 Vgl. oben Anm. zu 140,17-20 2 7 Das entstehende spanische Königtum erhob 1486 die Hermandad, die ursprünglich ein Städtebündnis in Kastilien zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit gewesen war, als „Heilige Hermandad" zu einer staatlichen Einrichtung, derer es sich in seinem Kampf gegen den regionalen Adel bediente.

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wenden, um ihn zu haben. - J a , anders als so weiß ich Sie freilich nicht zu entschuldigen über das unselige Machwerk als mit ihren eignen Worten! Sie starker sind wirklich in den Händen der Schwachen gewesen und von ihnen geleitet worden, und Ihre Plane sind wirklich modificirt worden durch Andere, wenn es nur Schwache sind, und nicht Schlimmere! Nun aber sei es auch genug von Ihrer Schrift, zumal ich noch ein Paar Worte anders mit Ihnen reden muß. Mich dünkt nemlich, Sie stehen vor mir und fragen mich, gesezt auch, ich sei dieser ganz der Ihrigen entgegengesezten Meinung, und halte Ihr Unternehmen für verfänglich und die Ausführung für mißlungen, ob es denn meines Amtes gewesen, mich in diese Sache zu mischen, und ob es mir geziemt, mich grade an Sie zu wenden und mir dem Geistlichen, grade auf diese Weise mit Ihnen zu verfahren? Nicht nur Sie werden so fragen, sondern gar sehr Viele; ich kenne diese Sprache schon. Diese Menschen, ich meine nemlich die, wer sie auch sein mögen, welche auch Sie aufgehezt haben und eingelernt, Menschen meiner Vermuthung nach, die gern Mißtrauen erregen und Andern üble Händel machen, Menschen, die, indem sie Feuer riefen, irgend ein verstecktes böses Spiel trieben, solche Men|schen machen immer bei ihren jämmerlichen und verruchten Unternehmungen Rechnung darauf, daß sie fast allein reden werden. Der eine schweigt, denken sie, weil man doch wieder antworten könnte und das seiner Würde entgegen wäre, der andere, damit man ihn nicht für parteiisch halte, der dritte, damit nicht der und jener sich beleidigt glaube. Soll dieser Vortheil immer gelten, der nur den Schlechten zu Gute kommt? Darf man schweigen? Mag man denken über Deutschlands Bestimmung, wie man will, wissen kann doch niemand, wie es in hundert oder zweihundert Jahren aussieht, und was die geschichtliche Entwicklung, die bisweilen Riesenschritte macht, herbeibringen wird. Ein Volk übrigens sind wir Deutschen schon lange gewesen, wenigstens seitdem es eine hochdeutsche Sprache giebt als Träger Einer gemeinsamen Bildung, nur Ein Staat sind sie nicht gewesen, und Sie scheinen diese beiden Begriffe auf eine ganz wunderliche Weise zu verwechseln. Mag man aber darüber denken, wie man will, keiner wird doch das läugnen wollen, daß die deutschen Staaten fest zusammenhalten müssen, damit das Verschlingungssystem von Westen her sich nicht wieder erneuere. Preu3 Sie starker] DV: sie starker; O D : Die Starken 11 mißlungen] so DV; OD: mißlungen jämmerlich 3 3 sie] Kj wir 3 3 Sie] so DV; OD: sie

4 ihnen] so DV; OD: Ihnen 2 2 sie] so DV; OD: Sie

3 7 - 7 Vgl. die ähnlichen Formulierungen in Schleiermachers vom 12. Juni 1813, in: Briefe 3, 428-431

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ßen nun ist der größte Staat im nördlichen Deutschland, an den die kleineren sich halten und dem sie vertrauen müssen. Wir haben uns gefreut, daß durch den lezten Krieg ein so bedeutender Fortschritt in dieser großen Angelegenheit geschehen ist, daß Preußen Veranlassung gehabt hat, zu zeigen, wie es jedes gemeinsame Interesse wahrnimmt, 682 das Wohl der kleinern Staaten im Auge hat und mit seinen großen Kräften mehr will als sich selbst schiizen und versorgen. Und dieses keimende Vertrauen, die theuer, aber nach unserm | Gefühl nie zu 45 theuer, erkaufte Frucht so großer und schöner Thaten soll vernichtet werden durch einige trübselige Schreier, welche einen unsinnigen Eifer anwenden, um Preußen darzustellen wie einen Vulkan, der jeden Augenblick anfangen kann zu toben, und aus dessen Nähe man sich entfernen muß. J a , wenn ihr ängstlichen Mitbürger eure Besorgnisse erledigen könntet durch Verhandlungen, die u n t e r u n s gepflogen würden, so wollten wir uns gern schweigend oder anders dazu hergeben. Aber bei dieser unglücklichen Publicität ist es nicht die theuerste Pflicht, daß recht viele Stimmen, namentlich die etwas gelten, könnte es sein aus allen Gegenden des Staates und aus allen Klassen der Gesellschaft, dagegen aufstehen, und dies Gewäsch Lügen strafen oder Verblendung? - Ein kühner Entschluß, gefaßt mitten in der Bedrängniß und in der Schmach, die wir fühlten, endlich auch an den großen Zug des Zerstörers als seine treuen Bundesgenossen gefesselt zu sein, schmilzt wie ein großer elektrischer Schlag König und Volk zusammen, von Einem Sinn und Geist, von Einem Verlangen zu Einer That durchdrungen, sind auf einmal vergessen die frühern vergebli7 schiizen] so DV; OD: schäzen

18 Gegenden] so DV; OD: Gegenständen

20-9 Schleiermacher bezieht sich auf die Ereignisse im Frühjahr 1813. Am 3. Februar erließ der König einen Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerabteilungen. Sechs Tage später folgte die Aufhebung aller Befreiungen von der Wehrpflicht. Am 12. Februar wurde die Mobilmachung angeordnet. Verhandlungen mit der russischen Militärführung führten am 27.US. Februar zum Bündnis von Kaiisch; der hier unterzeichnete Vertrag enthielt die Zusage für eine Restituierung Preußens in den Grenzen von 1806. Am IS. März zog der russische Kaiser in Breslau ein. Unmittelbar darauf, am 16. März, erklärte Preußen Frankreich den Krieg. Seinen breitenwirksamen Ausdruck fand der Entschluß zur militärischen Erhebung gegen die Besatzungsmacht in den Aufrufen und Verordnungen des März und April 1813. Am 17. März wurde der Aufruf „An mein Volk" verkündet, begleitet von einem Aufruf „An mein Kriegsheer" vom gleichen Tag, mit dem der König sich erstmals direkt an seine Soldaten wandte. Ebenfalls am 17. März wurde die „ Verordnung über die Organisation einer Landwehr" erlassen. Am 21. April folgte das Landsturmedikt (vgl. die Verordnung über die Organisation der Landwehr, in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1813, 36f; Verordnung über den Landsturm, in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1813, 79-89).

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chen Seufzer und Wünsche, alle kleine Zerspaltungen, die entstehen wollten aus abrathender Bedenklichkeit hier, aus gewaltsamen Voraneilen dort verschwinden, und im heiligen Vertrauen stehn König und Volk fest ineinander verschlungen da. Der König erklärt seine und seines Volkes Sache für Eins und unzertrennlich, und wer hat es nicht gefühlt, das sei nicht gewesen flüchtige Aufregung eines erhöhten Augenblicks, deren man sich halb schämt, wenn Ruhe und Besonnenheit zurückkehren, sondern es stand fest für immer, das fühlten 46 wir Alle! Und aus | der Ferne, nach seinem glänzenden Triumphzuge in jene unselige Stadt, die mit den schauderhaftesten Andenken mah683 nen muß an die Hölle auf Erden, an die Hölle im Herzen, die aus Zwietracht zwischen König und Volk hervorgeht, von da begrüßt der König mit königlichen und erhebenden Worten, voll desselben Gefühls einer unzertrennlichen Einigkeit und Liebe, die alten und die neuen Unterthanen. Er kehrt zurück, wie lang entbehrt, wie herzlich ersehnt; und das erste, was ihm entgegen kommt, soll nun sein jenes Argwohn erregende Nattergezisch, und mit höllischer Kunst soll ein dämpfender, verdunkelnder Flor gebreitet werden über die allgemeine Freude? und statt der herzlichen, im Gefühl großer Thaten und einer großen Zeit innigen Freudigkeit, womit Er das große Werk anheben wollte, alle Theile seines Reiches inniger zu verschmelzen unbeschadet ihrer Eigenthümlichkeit, sie mit einem noch kräftigern, lebendigem Gefühl der großen Einheit zu beglücken und durch freieren Umlauf und leichteren Gebrauch gemeinnüziger Weisheit und Einsicht das geistige Leben des Staates zu erhöhen, statt dessen soll das theure Haupt des Königes umwölkt werden durch geheime, nagende Sorge, ob seine großen und weisen Absichten nicht selbstsüchtige und zerstörungssüchtige Feinde haben in seinem Volk? Wenn dadurch, daß Zehn getreue Unterthanen sich schuldig stellten und mit dieser greulichsten aller Schulden belastet ihr Leben darböten, der Argwohn gänzlich beseitiget und für immer abgekauft werden könnte, daß unsere Geschichte nicht befleckt würde durch einen solchen dieser Zeit und dieser Thaten ganz unwürdigen Zustand - wie gern würden sie sich finden! Nun unmöglich ist, daß es so kann zu Ende gebracht werden, sollen sich nicht recht viel heitere zutrauliche Stimmen erheben, die jene zerreißenden Töne unhörbar machen? soll man nicht 2 Bedenklichkeit hier,] Bedenklichkeit, hier 6 das] dai? 8 es] so DV; OD: er 2 0 innigen] so DV; OD: inniger

6 sei] so DV; OD: sie

9 - 1 5 Zum Aufenthalt Friedrich Wilhelms III. in Paris nach der Einnahme der Stadt am 30. März 1814 und zu dem von Schleiermacher angesprochenen Aufruf an die Untertanen vgl. Stamm-Kuhlmann: König in Preußens großer Zeit 388-396

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die Geißel schwingen, um die Luft zu reinigen und den verpesteten Wahn wegzuwehen? - Wir haben in zwei Kriegen dem französischen conscribirten corrumpirten jakobinisirten Tyran|nen knechtischen 47 Heer ein Heer gegenübergestellt aus dem Kern des Volkes gebildet und dessen Tugend und Kraft darstellend, ein Heer, das größtentheils neu und ungeübt aber wie Minerva aus Jupiters Haupt hervorsprang, die Weisheit im Haupt, den starken Speer in der Rechten schwingend 684 und das versteinernde Schild des dem bösen Gewissen zugekehrten guten Gewissens vor der treuen Brust, ein Heer das durch wahrhaft fromme Tapferkeit bald siegreich jenen falschen Kriegsruhm hinter sich ließ, den leichtsinnige Lebensverachtung von wollüstigem Frevel und niedriger Raubgier eingegeben dem feindlichen Heere verschafft hatte, ein Heer, das durch Gehorsam und Zucht sich und das Volk ehrte, und das, wenn es gesiegt hatte, allen persönlichen Freuden und Früchten des Sieges heldenmüthig zu entsagen wußte, und gern entsagte, um nur nicht in die verhaßten Fußtapfen des Feindes zu treten; dieses Heer kommt nun zurück, denkt sich zu freuen der vaterländischen Fluren, der heimischen Liebe und Treue, und das erste, was es an der Grenze vernimmt, sind diese Schimpfreden auf das Volk, mit welchem es sich innig eins fühlt, als hege es einige Unsinnige so in seinem Busen, daß es in Gefahr stehe, von ihnen ins Verderben gestürzt zu werden? diese Zerrbilder auf unser Volk, die ihm eine Aehnlichkeit mit dem verhaßten französischen gewaltsam aufdringen wollen, als hegte es denselben Frevel in eben so unverständigem Gemüth, und dasselbe Gift in eben so ausgebranntem Herzen? Und diejenigen, die in fühlloser Herzenshärtigkeit unsern Lieben einen solchen Empfang bereiten, der ihnen die Heimkehr verbittert und ihnen auch die innere stille Freude des Herzens über den von Gott verliehenen Sieg verkümmert, die sollten wir gleichgültig gewähren lassen? J a wenn wir durch und durch ein fröhliches Volk wären, und jeder, der gemeinen Sache gewiß in Freude und Hoffnung die kleinlichen Quälereien leicht abschüttelte! J a wenn wir Alle schon seit langem innig in einander verwachsen wären, und jeder ein sicheres Gefühl hätte, wie viel | und wenig dies und jenes wirken kann im gemeinsa- 48 men Leben: dann dürfte man ja wol bei dem allen mit bedauerndem Stillschweigen vorübergehen! Aber wir sind zerstückelt gewesen, und

8 versteinernde] so DV; OD: vorstemmende 11 liei?] so DV; OD: wieß 12 verschafft] verschaft 16 verhaßten] so DV; OD: verlassenen 19 Grenze] so DV; OD: Prange 22 Zerrbilder] so DV; OD: Zornbilder 22 ihm] so DV; OD: ohne 23 dem] so DV; OD: der 24 als ... Frevel] so DV; OD: als Frevel 27 ihnen] so DV; OD: ohne 32 langem] langen 34 viel] so DV; OD: weit

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685 einander zum Theil entfremdet; wir haben neue Brüder bekommen, die sich noch nicht finden können in unser eigenthiimliches Wesen; und auch wir im Mittelpunkt des Staates, wir sind, seitdem wir aus der langen Starrsucht erwachten, durch jenen elektrischen Schlag noch nicht zur ruhigen Besinnung gekommen, das gesunde Kraftgefühl und das allgemeine gegenseitige Vertrauen muß sich erst allmählig sezen aus der unruhigen Bewegung. Darum wäre Stillschweigen Verrath! Flattern solche Unglücksraben auf, und wollen mit ihrem Gekrächze das Land erfüllen und die Grenzen; so stelle man ein lustiges Schießen an, jeder der etwas kann, lege seinen spizesten Pfeil auf den Bogen, suche sich seinen Vogel aus und hole ihn herunter; und ist es dann stille geworden, so mögen die richtigem und wohlgefälligem Töne die Luft erfüllen. Sie verstehen, ich meine jeder müsse es gerade so machen wie ich es gemacht habe, und ich hoffe viel Nachfolger zu finden wenn es Noth thut. Zu beweisen, daß es keine solche Bünde und keine solche Bündler giebt, wie soll man das anstellen wenn niemand mit bestimmten Angaben heraustritt, die man widerlegen kann? Also bleibt nichts übrig, als weil alles falsche gewiß auch schlecht ist, und wenn jemand etwas vorgiebt wohinter nichts ist, dieses sich auch muß nachweisen lassen, daß man sich über jede Flugschrift, die in diesem Sinn und Geist geschrieben ist, hermache, und zeige, wie gar schlecht und erbärmlich sie ist, wie stumpf und krizlich jede, auch sonst gute Feder, werden muß, sobald sie diesem feindseligen Unternehmen dient. Das habe ich nun versucht, an Ihrer Schrift zu zeigen; ich hoffe, es ist mir gelungen und der Pfeil ist nicht stumpf gewesen; und so muß und wird es bei jeder andern gelingen 49 und erreicht wird meine Hauptabsicht, abzuschrecken, daß solches Geschreibes nicht mehr werde, wenn noch ein Paarmal dasselbe geschieht. Wenn dieses nun nöthig und nützlich war, warum habe ich es gerade gethan? Diese Frage freilich brauchte ich ja nur Ihnen zurück686 zuschieben; aber da ich mich nicht scheue, sie zu beantworten, so ziehe ich dies vor. Zu jeder Handlung, die recht gethan werden soll, gehört ein innerer Beruf und eine äußere Veranlassung. Der innere Beruf ist hier nur der eines guten Bürgers, den ich eben auseinander gesezt, ein Beruf, der dem vorzüglich mag gegönnt bleiben, dem nicht 6 und] so DV;

OD: nur

8 ihrem] ihren

3 0 habe] fehlt in OD

1 Aufgrund des nach Abschluß des Krieges 1814 und 1815 erarbeiteten Vertragswerkes wurde das Königreich Preußen um die Provinzen Sachsen, Vorpommern, Posen, Westpreußen und Westfalen sowie die beiden Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Niederrhein, die wenig später zur Rheinprovinz vereinigt wurden, erweitert.

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vergönnt gewesen ist, etwas für das Vaterland zu thun, und den der vorzüglich ausüben mag, der, wenn es einmal auf reden ankommt, die Rede zu handhaben weiß. Die Veranlassung? Nun, Niebuhr schrieb vor Andern, weil grade ihn Niemand je beschuldiget hat, daß er an geheimen Verbindungen Theil gehabt. Gut! ich schreibe, weil ich sehr gut weiß, es ist eine weit verbreitete Meinung, ich habe recht tief in geheimen Gesellschaften gesteckt. Darum wünschten Viele, daß ich schreiben möchte, und darum habe ich es gethan; und um soviel zu thun als ich könnte für diesen Zweck, habe ich recht derb und tief in das Wespennest gestochen, dessen summende Bewohner jezt auszufliegen scheinen. Sollte ich auch diesen Beruf des guten Bürgers deshalb unerfüllt lassen, weil ich ein Geistlicher bin? Wenigstens der Ton, der scharfe spöttische Ton, die bittern, harten Worte, wird man sagen, ziemen dem Geistlichen nicht. O ich weiß, sie sagen das! sie wollen immer nur Milde und Schonung, aber keine harte Rede, und vorzüglich kein stechendes Wort vom Geistlichen, und dazu noch, ich weiß nicht welches unbekümmert sein um die Welt, als ob die Kirche, mit der er es zu thun hat, außer der Welt läge! Aber das liegt hinter mir, und niemand soll mich lehren, was dem Geistlichen ziemt. Haben Sie nie gehört von dem Otterngezücht der Pharisäer und Heuchler? ist das stachlige Wehegeschrei nicht zu ihren Ohren gedrungen über | die 50 verkehrte Art, die von Johannes sagte, er habe den Teufel, und von Jesu, er sei ein Fresser und Säufer und der Zöllner und Sünder Gesell? Kennen sie die Geißel nicht, die unmittelbar am Tempel geflochten wurde und geschwungen gegen die, welche das Heiligthum profanirten, und sind Eintracht und Vertrauen kein Heiligthum? - Mit dem Erlöser vergleicht er sich! werden sie nun schreien. J a wohl, s o muß 687 ich es! das muß meine Rechtfertigung sein; was für ihn nicht zu wenig milde war, für ihn nicht zu leidenschaftlich, das darf ich auch thun im ähnlichen Falle! Und haben sie den Apostel vergessen, der auch seine Gemeine betrübte und sich freute, daß die Betrübniß recht tief durchgedrungen war durch Mark und Bein? und haben sie Martin Luthers scharfe Stachelreden vergessen? und wenn ich einen geringem anführen soll, Göze's Polemik, die doch niemand ungeistlich schalt? ich

16 stechendes] so DV; OD: strafendes 20 Vgl. Mt 23,33 22Í Vgl. Mt 11,18.19 24-26 Vgl. }oh 2,15 30-32 Vgl. 2. Kor 7,8-10 34-2 Gemeint ist wohl Johann Melchior Goezes (1717-1786) vor Ostern 1778 erschienene Schrift „Etwas Vorläufiges gegen des Herrn Hofrats Leßings mittelbare und unmittelbare Angriffe auf unsere allerheiligste Religion und auf den einigen Lehrgrund derselben, die Heilige Schrift" (Hamburg 1778). Mit ihr äußerte sich der Hamburger Theologe und Hauptpastor, nachdem er zuvor in einigen Stücken seiner

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darf die wol anführen, denn ich besorge nicht sehr, daß Sie werden zum Lessing werden an mir. - N a c h solchen Beispielen finde ich es also sehr geistlich, diejenigen auch mit Skorpionen zu züchtigen, die in dieser Zeit solchen Unfug anrichten, Mißtrauen stiften wollen zwischen Völkern und Fürsten und leere Angebereien, wodurch nur das V o l k geschändet wird, zu den Fürstendienern hintragen, von denen manche sonst sehr achtungswerthe noch aus alten Zeiten für Argwohn a m meisten empfänglich sind. D a ß ich mir nun grade S i e ausgesucht habe vor allen Andern, die etwa schon gekommen sind, denn mir kann manches entgangen sein, oder noch kommen werden, das müssen Sie mir nicht verargen. Theils mochte ich mich mit dem ersten besten obscuren Unbekannten nicht einlassen schon deshalb, damit nicht die klatschlustige Welt irgend ein Geschichtchen wahr oder falsch auffinde und dann sage Rache hätte mich getrieben oder dies und das. Aber zwischen Ihnen und mir ist doch bis jezt nicht das mindeste aufzufinden, woran die liebe Welt so etwas knüpfen könnte. W i r haben als Collegen freundlich, ja wirklich theilnehmend | mit einander gelebt. Sie sind aus freier W a h l und Zuneigung mein Kirchkind geworden mit den Ihrigen, und der Welt bleibt k a u m eine andre W a h l übrig für ihr Urtheil über dieses Schreiben, sie m u ß es entweder für die leichtsinnigste, unmenschlichste Bosheit halten, oder für reinen Eifer um die Sache, der jede Rücksicht hintanstellt und keine Schonung kennt, und diese W a h l soll sie haben! Theils auch habe ich Sie gewählt einzeln, um ein klares Bild der Person immer vor Augen zu haben, Ihre Stellung im Staat und in der gelehrten W e l t ; das wohlwollende Verhältniß zwischen uns hat mir immer vorgeschwebt, und so ist mein Eifer gegen Sie ganz rein geblieben: ich habe Sie nicht ohne das wehmüthigste Gefühl betrübt, nur um Sie aufzuregen, daß Sie sehen möchten, wie wenig Sie Ihrer würdig erscheinen in dieser Richtung. M a n sehe nun auf die politischen Grundsäze über Staatsverfas-

6 hintragen] so DV; OD: zu tragen 3 0 nun] so DV; OD: nur

13 Welt] Writ

14 sage] so DV; OD: sogar

„Freiwilligen Beiträge zu den Hamburgischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit" (Januar 1778) die zweite Phase des Fragmentenstreites eröffnet hatte, erstmals in zusammenhängender Form gegen Lessing. Dieser reagierte in seinem seit April 1778 in einzelnen Stücken veröffentlichten „Anti-Goeze" (2. bis 7. Stück; April bis Mai 1778). Der Streit setzte sich in weiteren Schriften Goezes und Lessings fort. 3 0 - 2 Schleiermacher dürfte sich auf das „Handbuch der Staatswirthschaft" (Berlin 1808) beziehen. Dieses Werk ist von ihm im Zusammenhang mit seinen ersten staatstheoretischen Vorlesungen (Winter 1808/09 und Sommersemester 1813) intensiv rezipiert worden. Vermutlich kannte Schleiermacher Schmalz' Position auch aus einem Kolleg, das er im Winter 1808/09 parallel zu seinem eigenen Kolleg bei Schmalz gehört

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sung und Staatsverwaltung, zu denen Sie Sich bekannt haben und noch bekennen, denn ich glaube nicht, daß Sie sie geändert haben; man sehe auf den Ruhm reiner Vaterlandsliebe, den Sie Sich erworben haben, und auf den sittlichen Charakter der Unbefangenheit, der Of5 fenheit unter dem Sie bekannt sind, man sehe endlich auf Ihre schriftstellerische Laufbahn: in keiner Hinsicht erscheinen Sie hier Ihrer würdig. Das mußte ich Ihnen zeigen, und wie Sie Sich selbst eben so sehr zum Schaden gehandelt haben als der gemeinen Sache, gewiß nicht aus eignem Antrieb, sondern indem Sie fremden Eingebungen 10 Gehör gaben. Ich bin, wie bitter auch die Rede klingt, ohne Bitterkeit geblieben in meinem Herzen, mit der Liebe zu Ihrem Wohl. Und darum hege ich auch die Hoffnung, Sie werden von dieser Verirrung zurückkommen, und dann auch gewiß durch neue Verdienste den Ruf wieder heben, der sich jezt vielleicht verdunkelt hat, und die Gemü15 ther wieder gewinnen, die Sie Sich jezt entfremdet haben.

Nachschrift

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Nachdem das obige alles geschrieben war und sogleich sollte zur Drukerei geschikt werden, erscheint Ihre zweite Schrift. Diesen Vogel schieße ich nicht herunter! mag es ein Anderer thun, wenn es nöthig ist! Das 20 glaube ich aber kaum; denn er flattert so unstät und wunderlich, als ob er jeden Augenblik, ich weiß nicht wie bezaubert, von selbst zur Erde fallen wollte. Einiges nur muß ich doch bemerken. Zuerst danke ich 689 Ihnen für die Worte, die ich zum Motto genommen habe; es freut mich zu sehen, daß ich Ihnen ganz genehm handle, indem ich dieses 25 Schreiben bekannt mache! Dann muß ich es doch wohl, um allen Mißverstand zu verhüten, ausdrüklich sagen, daß Ihre Antwort an Niebuhr mich nicht veranlaßt hat, irgend etwas an meinem Schreiben zu ändern, vielmehr hat sie mich in dem meisten noch besonders be14 heben] so DV; OD: haben hat (vgl. den Brief an einen Ungenannten vom 27. Dezember 1808 (SchleiermacherNachlaß 769 H); siehe oben LX1 Anm. 190). Neben diesem Hauptwerk hatte Schmalz 1804 eine „Zweyte verbesserte Auflage" seines Buches „Das natürliche Staatsrecht" (zuerst: Königsberg 1794) herausgegeben; siehe auch: Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers. Ein Commentar über das reine Natur- und natürliche Staatsrecht, Königsberg 1798. 18 Ueber des Herrn B. G. Niebuhrs Schrift wider die meinige, politische Vereine betreffend. Vom Geheimen Rath Schmalz, Berlin 1815. Dies ist Schmalz' Antwort auf Barthold Georg Niebuhrs im Oktober 1815 erschienene Schrift „Ueber geheime Verbindungen im preußischen Staat, und deren Denunciation". Iii Vgl. oben Anm. zu 125,6f

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stärkt. Ich sagte zum Beispiel: Ihre Schrift w ü r d e n o c h eine N u m m e r schlechter sein als ich sie dargestellt, w e n n Sie wirklich e t w a s w ü ß t e n v o n jezigen Bündlern, und d o c h so schrieben. Sie merkten es meinen obigen W o r t e n gewiß an, d a ß mir e t w a s ahnete, ich wollte es Ihnen nur nicht auf den K o p f zusagen, sondern blieb bei der mildern V o r aussezung, Sie w ü ß t e n nicht m e h r als ich. A b e r s o v i e l ist es nicht mit Ihrem Wissen, d a ß ich irgend etwas v o n meiner Ansicht der Sache z u r ü c k n e h m e n m ö c h t e . D a s meiste ist d o c h wieder nur das Gerücht, Sie nennen uns die v o r n e h m e n Quellen, ein h o c h v e r e h r t e r Reisender, ein h o h e r F r e m d e r , und Sie protestiren auf das kräftigste gegen Ihre Verpflichtung, dem G e r ü c h t auf den G r u n d zu gehen. D a n n k o m m e n wieder einige kritische C o m b i n a t i o n e n , eine Schrift die es verbürgt, d a ß sie v o n einem Initiirten ist, untergeschobene Briefe, allerlei halb erzählte A n e k d o t e n - so weit, mein T h e u r e r , wissen Sie i m m e r n o c h nichts, und ich m u ß nur klagen, d a ß Ihnen, wie es denen zu gehn pflegt, die nicht haben, a u c h das g e n o m m e n wird, w a s Sie hatten, Sie unterscheiden jezt nicht m e h r die beiden Generationen v o n Vereinen, Sie wollen nicht m e h r wissen, d a ß die ältere sich aufgelöst, G o t t bew a h r e ! Sie rühren vielmehr alles so bunt als möglich durcheinander. W a r u m hat a u c h N i e b u h r so beschwerliche lahme Distinctionen er-

16 nicht] SW: nichts 1-3 Vgl. oben 150,21-25 9-14 Vgl. Schmalz: „Ein hochverehrter Reisender, ein Ausländer, erzählte mir im August dieses Jahres [d. i. 1815], als er auf seiner Reise durch Teutschland Berlin besuchte, wie das Gerücht solcher Bünde überall Haß und Mißtrauen gegen Preussen in ganz Teutschland aufrege, weil jene sich rühmten, in Preußen ihr Centrum unter dem Schutze bedeutender Männer zu haben. Ein hoher Fremder von einem teutschen Hofe bestätigte dieses, bey seinem hiesigen Aufenthalte. Um die nehmliche Zeit erhielt ich die Schrift ,Preußens rheinische Mark', in welcher Zweck und Daseyn des Bundes ganz schamlos ausgesprochen ist, von einem Initiirten, das verbürgt die ganze Schrift. Grade aber in den Tagen, in welchen sie hier erschien, wurden hier auch in mehreren Abschriften den Leuten Briefe zugesteckt mit dem allerschändlichsten Mißbrauche eines dem Vaterlande hochtheuren Namens, welche keine andre Absicht hatten, als gegen Männer in den höchsten Aemtern der Staatsverwaltung äußerste Erbitterung aufzureitzen. Die Unächtheit der Briefe hätte jedem Unbefangenen auffallen sollen: aber die heimliche Art der Verbreitung warf einen Schein von Wichtigkeit um sich, welcher doch manchen täuschte. Heißt es nun ,Cometen mit Kriegsläuften zusammenstellen' wenn ich das gleichzeitige Erscheinen jener schändlichen Schrift und dieser Briefe für Manöver einer Rotte von Schurken hielt?" (Ueber Niebuhrs Schrift 10). Schmalz bezieht sich auf Ernst Moritz Arndt: Über Preußens Rheinische Mark und über Bundesfestungen, [Frankfurt am Main] 1815 sowie auf Niebuhr: Über geheime Verbindungen 24. 20-1 Vgl. Niebuhr: Ueber geheime Verbindungen 8-13; zum Ausdruck „lahme Distinctionen" siehe Schmalz: „Das ist eine in der Anwendung sehr lahme Distinction, welche er [seil.: Niebuhr] zwischen Verein, Parthey und Secte macht. Name und Sache schwanken immer in einander

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sonnen zwischen Parthei, Sekte und Verein, daß Sie nur durch jene natürliche Verwirrung am besten zeigen | können, wie alles, alles 53 durcheinanderlaufe, so arg, daß sich der Schwindel fast dem Leser mittheilt. Aber nun kommt der Brief, der Eid, der Revers, die gehei- 690 men Namen! J a nun wissen Sie etwas, und ich werde ganz neugierig, wiewol mir ein Gedanke durch den Kopf läuft, daß dies etwas aussehe wie ein Orden, womit die Schulknaben spielen. Nun, daß nur meine Neugierde auch befriedigt wird, wenn die unterrichtete Behörde früh oder spät selbst etwas mittheilt, ich will nichts vegessen! daß nur aber alles was der Diensteifer dieser verehrten Männer ans Licht bringt, auch genau stimmt mit Ihren sechs bündlerischen Kennzeichen! Es ist dankenswerth, daß Sie sie so numerirt haben, wenn uns gleich etwas dabei verloren gegangen ist; wir wissen schon wo wir es einzuschalten haben. J a diese Zusammenstimmung fordere ich; sonst glaube ich doch nicht daß Sie das gewußt haben, wovon ich behaupte Sie wüßten es nicht. Und ehrlich gesagt, ich vermuthe nicht daß Sie es durchsezen. Denn ich denke so: Soll jeder Bündler alle sechs Kennzeichen haben? das geht doch wol schwerlich an! Es ist freilich viel, sehr viel collectirt worden in diesen Kriegesjahren, aber da so sehr viele collectirten, die notorisch keine Bündler sind, Frauen und auch ganz bedeutende Männer, und solche giebt es doch nicht unter den Bündlern, wie Sie versichern. Soll wirklich auch noch jeder Bündler collectirt haben und selbst nichts gegeben? Wollen Sie aber an einzelnen dieser Kennzeichen, den bedeutenden Männern warnend, die Bündler verrathen; so kann doch wol mancher besonnene Ansichten verunglimpfen, der kein Bündler ist, denn sonst könnten ihrer gar zu viel sein, und uns müßte wieder bange werden. Bedenken Sie nur, wenn das alles nicht recht rein heraus kommt, so sind Ihre Kennzeichen doch immer nur, was eben Niebuhr tadelt, persönliche Andeutungen, die eben so gut Personen treffen können, welche keine Bündler sind. hinüber und herüber. Was waren z.B. die Jacobtner? Und die Bonapartisten im Herbst 1814? Wenige Hauptverbundene, viele Partheinehmer, welche vorbereiteten, und endlich alle von der Secte bey dem Handeln zum Handeln fortgerissen. " (Ueber Niebuhrs Schrift 4 [Anm.]) 9-18 Vgl. Schmalz: „Ich hätte aber ehrenwerthe Männer in Verdacht gebracht? Gerade die habe ich von allem Verdacht gereinigt. Das verläumderische Geklätsche von mündlich nachhelfenden Erläuterungen, verdient keine Antwort. Gerade hier aber wäre es des Herrn N[iebuhr] Sache gewesen, Namen zu nennen - wie er von mir verlangt. Als Kennzeichen der Bündler (warum ist doch dies Wort so anstößig?) habe ich genau diese und nur diese angegeben: 1) Schmähung teutscher Regierungen unter Declamationen gegen Frankreich; 2) Streben nach Einheit der Regierung Teutschlands durch Krieg und Aufstand; 3) Verunglimpfung derer, welche besonnenere Ansicht der Dinge aussprechen; ferner noch 4) Despotisiren, wo solche Menschen einmal zu befehlen haben; 5) Spiel mit Pedanterieen in wichtigen Angelegenheiten; 6) Andre zu Opfern ermahnen, und denen sich selbst entziehn." (Ueber Niebuhrs Schrift 11)

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A b e r das hätte ich d o c h z u r ü c k n e h m e n müssen, d a ß Sie d u r c h Ihre Schrift g r a d e den höchsten Polizeibehörden nicht die g r ö ß t e A c h tung beweisen, da Sie ja der ganzen W e l t erzählen, d a ß Sie grade mit 691 den Polizeibehörden in Mittheilung v o n N o t i z e n stehen! Nein, ich k a n n a u c h das nicht! D e n n mir ist d o c h n o c h bange, Sie haben diese B e h ö r d e zu zeitig u n t e r b r o c h e n s c h o n durch Ihre erste Schrift und n o c h m e h r d u r c h die m e h r verrathende zweite! ich k a n n es nicht glau54 ben, | d a ß der Polizeibehörde dieses hin und her schreiben a n g e n e h m werden k a n n ! m a n k a n n nicht wissen, w a s bei solchen Gelegenheiten ans Tageslicht gezerrt wird! U n d ohne N u z e n für Sie! D e n n , lassen Sie m i c h diese kühne V e r m u t h u n g aussprechen, ich m ö c h t e alles wetten, d a ß zwischen den N o t i z e n , die diese M ä n n e r Ihnen gütig mitgetheilt und Ihren D e k l a m a t i o n e n und Kennzeichen nie ein realer Z u s a m m e n h a n g an den T a g k o m m e n wird. O d e r sollten Ihre sechs Kennzeichen wirklich s c h o n in dem Eide stehn und die V e r t r ö s t u n g e n auf ein G o u vernement, o d e r wenigstens auf ein reichliches E i n k o m m e n in dem Gegenrevers? U n d z w a r , w e n n a u c h nicht mit dürren W o r t e n gesagt, d o c h wenigstens etwas m e h r als klärlich gepredigt, denn das ist ja a u c h g a r zu wenig. Ferner bemerke ich, d a ß Sie nun in Ihrer zweiten Schrift S. 9 . wirklich schon in der Stille an die gutmüthigen Leser appelliren, wel5 noch] nvch 1-3 Vgl. oben 145,6-9 3f Vgl. Schmalz: „Doch zur Hauptsache. Daß die Ideen, der Zweck jener Bunde, ausgebreitet werden, gesteht Herr N. selbst, verbreitet sie selbst; und daß sie auf Wegen ausgebreitet werden, die nicht immer so am Tage liegen, glaube ich, glauben so viele verständige Männer aus gleich anzuführenden Gründen. Wenn ich nun strebe, diese an den Tag zu ziehen: so schreit Herr N.: ich hätte bei der Behörde denunciren sollen. Nun so stark er ist, im Wissen dessen, was nicht ist - weiß er, daß ich es nicht gethan habe? In meiner Schrift sind Worte (S. 12 derselben) von mir mit der Note: ipsissima verba begleitet. Sie sind aus dem Briefe, einem höchst merkwürdigen Briefe, eines ausländischen Bundesgenossen, der an einen hiesigen zu schreiben geglaubt hatte. Dieser Brief wurde mir mitgetheilt, mit der Bitte, ihn nach Lesung desselben, einer schon unterrichteten Behörde zuzusenden. Das ist auch geschehen. " (Ueber Niebuhrs Schrift 8f) Innerhalb der bereits oben in der Anm. zu 134,19-135,2 zitierten Wendung aus der Schmalzschen „Berichtigung" von 1815 („Es charakterisirt sie ¡seil.: die geheimen Verbindungen] leidenschaftliches Predigen unbedingten Tod-Hasses gegen Frankreich, doch verbunden mit den schmählichsten Beschuldigungen aller teutschen Regierungen (auch der preußischen wird nicht geschont, obwohl, wie sie sagen, sie deren Uniform bedürfen) und dabei im bürgerlichen Leben ein steter Ausdruck herzlichster Verachtung aller, auch der ausgezeichnetsten Staatsmänner oder Gelehrten, welche nicht ihrer Meinung sind") handelt es sich um die in Klammern stehenden Worte. 20-2 Vgl. Schmalz: „Was mich aber besonders bewogen habe, meiner Vertheidigung gegen die Bredowsche Chronik, den Zusatz gegen die Vereine zu machen? (Den Vorwurf daß man sich wichtig machen wolle, hat von jeher die Bosheit

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c h e die V e r t h e i d u n g g e g e n die C h r o n i k für die H a u p t s a c h e h a l t e n k ö n n e n ; d e n n die P o l e m i k g e g e n die V e r e i n e ist n u r ein Z u s a t z ! W i r k lich! Z i e h e n Sie Sich s c h o n jezt d a h i n t e r z u r ü c k , n a c h d e m e r s t E i n e r a u f g e s t a n d e n ist, d e r a n dieser D i a t r i b e k e i n E r g ö z e n g e f u n d e n h a t . 5 U n d i m m e r n o c h m e h r s o l c h e r S c h r i f t e n ? N u n G l ü c k z u ! W a s sich a b e r in I h r e r z w e i t e n S c h r i f t w i e d e r s e h r b r e i t m a c h t , n o c h m e h r als in d e r e r s t e n , d a s ist die A b s i c h t , n i c h t I h r e , s o n d e r n I h r e r S c h r i f t ! i c h f a h r e n o c h f o r t , beides z u u n t e r s c h e i d e n , o r d e n t l i c h h a r t n ä c k i g z u I h r e m V o r t h e i l ! die A b s i c h t , j e d e n , d e r e i n e V e r f a s s u n g w ü n s c h t ,

9 jeden] so DV; OD: jedem Männern gemacht, die ein Nützliches thaten, was ihr zuwider war.) " (Ueber Niebuhrs Schrift 9f) Es folgt ein Bericht über die vermeintlich untrüglichen Beweise für die Existenz geheimer Vereinigungen, die Schmalz zur Niederschrift des Schlußteiles (Seiten 11 bis 16) der „Berichtigung" veranlaßten. Anschließend heißt es: „Da schrieb ich jenen Zusatz, alle wohl vorausgesehene Schmähschriften und Schmähreden im Voraus verachtend, um an das Licht der Publicität ein Gezücht zu ziehen, was am Lichte stirbt, und nur im Finstern brütet. Und vor dem Auslande wollte ich uns von der Schmach reinigen, als ob bedeutende Männer bei uns solch Unwesen schützten." (Ueber Niebuhrs Schrift lOf) 9 - 3 Vgl. Schmalz: „Auch ist es nicht wahr, daß Teutschlands uralte Zertheilung durch den teutschen Bund mehr befestigt sey. Seit Jahrhunderten unter Kaiser und Reich, wie viel Bündnisse der Teutschen mit Auswärtigen gegen Kaiser und Reich! Vielmehr muß allen die Hoffnung einleuchten, daß Fürsten, welche eines Kaisers Oberherrschaft unwillig trugen, desto besser an einem freien Bunde hängen (gleich den Cantons der Schweiz), und erkennen werden, wie nöthig sie einander sind, wie wenig sie von einander, wie alles sie zu fürchten haben, wenn noch einmal das linke Rheinufer und ihre Eintracht verloren würde. - Und gesetzt ein Kaiser und Reich wären wirklich wünschenswerther, als der Bund, welcher Wahnsinn ist es dann, das Gute schmähen, weil das Bessere unmöglich ist? Ich möchte doch auch den Flan sehen, wie ein Kaiser zu constituiren sey, welcher mit Macht alle teutsche Völker zusammenhalten könnte, ohne die einzelnen Regierungen zu vernichten. Und wäre nicht jeder Teutsche ein unteutscher, meineidiger Verräther, welcher wünschen könnte, daß sein Fürst zum Pair würde? Vollends aber eine Republik! Die unseligen Schwätzer! Sie sind es, die Teutschland zerreißen, durch ihr gleißnerisches Klagen ..." (Ueber Niebuhrs Schrift 7f). „Nicht minder streben sie nach Constitutionen, welche die Macht der Fürsten vernichten sollen; wie heuchlerisch sie auch sonst sich stellen. Denn sie insinuiren tückisch genug: ,in einem Staate, wo die Souverainität ungetheilt dem Monarchen gehöre — sey kein Leben und keine Freiheit' ..., oder ist bey Herrn N. auch das nur absolute Unbehülflichkeit des Ausdrucks?" (Ueber Niebuhrs Schrift 8) Bei Niebuhr heißt es an der zitierten Stelle: „... und im Grunde kann in einem Staate, wo die Souverainität ungetheilt dem Monarchen gehöre, von einer politischen Parthei vernünftigerweise die Rede gar nicht seyn. Es mag aber damit so genau nicht genommen werden. Politische Partheien (im eigentlichen und im weiteren Sinn) müssen in jedem Staate entstehen, wo Leben und Freiheit ist; denn es ist unmöglich, daß sich lebendige Theilnahme nicht nach den individuellen Verschiedenheiten in ganz entgegengesetzte Richtungen, auch bei völlig gleicher Wahrheitsliebe und Redlichkeit, vertheile. " (Ueber geheime Verbindungen 9)

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durch den eingeschlichenen Zusaz, eine Verfassung, welche die M a c h t der Fürsten schwäche, als einen Hochverräther zu bezeichnen, um dadurch allen Wortwechsel über diesen Gegenstand zu hindern. Denn wer wird es darauf wagen wollen, daß er immer beweisen könne, die 692 Verfassung, die er meine, könne niemand für eine solche halten, welche die M a c h t der Fürsten schwäche. Es freut mich, daß mir diese Absicht so richtig geahnet und ich gerade diesen Punkt recht ausführlich berührt habe. Ich darf hierüber reden, denn nie habe ich, weder öffentlich noch im Gespräch, ein ungeduldiges W o r t hierüber verloren, vielmehr immer meine Freude an der Langsamkeit erklärt, womit die Regierung zu W e r k e geht, meine Ueberzeugung von der großen Weisheit und den behutsamen Vorbereitungen, deren es dazu bedürfen würde. Ich wiederhole es, diese übel verborgenen Insinuationen 55 dürfen die guten | Unterthanen unseres Königes nicht leiden, nicht leiden, daß Er, der eine Verfassung seinem Lande zu geben versprochen, als sein eigner Feind oder als von Feinden umringt dargestellt werde. Oder die Regierung dargestellt, als müßte sie die Furcht vor solchen denuncirenden Schriftstellern zu Hülfe nehmen, um sich etwa zu retten gegen zudringliche Forderungen, womit sie bestürmt würde! Wahrlich, es würde ihr und dem V o l k zur Unehre gereichen, wenn diese Meinung sich verbreitete. Eine Stelle aber, werden Sie vielleicht meinen, müßte ich doch wol nach Ihrer zweiten Schrift streichen in meinem Schreiben, die Hauptstelle nemlich, worin ich mein Gefühl ausspreche, daß man zu dieser Zeit am wenigsten so beunruhigende und verunehrende Reden verbreiten solle. Denn, Sie sagen es uns nun ja deutlich, Sie haben nicht das Ausland beunruhigt und das V o l k verunehrt, sondern gerühmt haben sie dieses und beruhigt jenes! Freilich, es klingt sehr ehrend daß die Bürger aller deutschen Lande sich fürchten vor den hirngespinstigen Unternehmungen einer verborgenen Klike, von der man damals noch nicht so bestimmt wußte, wie Sie uns jezt versichern, daß sie keinen einzigen bedeutenden M a n n an ihrer Spizze oder zu ihrem Schuze hat! Sehr beruhigend klingt es, wenn Sie dasselbe aufwiegelnde Treiben denunciren, durch welches Frankreich und Europa zu Grunde ging, und dessen erste Opfer die Besten werden von denen, die sich darin verwickeln! das klingt nicht als wenn 693 die ganze französische Revolution schon die Treppe herauf käme zu Ihnen, sondern ganz beruhigend klingt es! Ganz beruhigend vollends, daß Deutschland eben noch nicht Ursache habe zu zittern, wenn nur 1 0 vielmehr] so DV; OD: weil noch dem

2 2 - 2 6 Vgl. oben

162,22-166,29

1 6 sein] sein,

1 7 Oder] O der

2 9 den]

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die Fürsten es Alle ächt deutsch meinen mit dem deutschen Bunde! Dies alles zusammen, wenn man nur auf den Gebrauch der Redensart sieht, bedeutet gerade so viel als ob Sie gesagt hätten, lieben Leute, laßt euch doch ja nicht stören! Bündler giebt es zwar; aber es sind, ich weiß es genau, nur eine Handvoll elender Schwächlinge von Schreiern hier und am Rheine zerstreut, und wenn sie auch wirklich Revolutionen anrichten wollen und Gouverneurs werden, Fürsten absezen oder zu Pairs degradiren und Kaiser einsezen: so sind das ja, da die Leute gar keine bedeutende Verbindungen haben, nur lächerliche Reden, die Polizei ist ihnen schon auf der Spur und nächstens werdet ihr sie spazieren sehen, die einen in die | Zucht- die andern in die Narrenhäuser! Freilich Ihre Deklamation ist kein Berggekreise, sondern die ganz einfache gelegentliche Hinweisung auf das kleine Mauseloch, vor dem die Falle schon aufgestellt ist! und wenn nicht ein Reisender und ein Fremder bei Ihnen vorgesprochen hätte, so hätten wir das auch entbehren müssen und Ihre Vertheidigung gegen die Chronik ohne Zusaz bekommen. Schließlich muß ich Ihnen doch noch bekennen, daß ich die Niebuhrsche Schrift wirklich zweimal gelesen, zum zweitenmal, um mich in der freilich nicht für Alle gleich leichten, aber doch klaren Rede, in der man es mit bestimmten Ausdrüken zu thun hat, zu ergehen von der schwindelnden Verwirrung Ihrer zweiten Schrift! Und ich bin fast in Versuchung, sie noch einmal zu lesen, um recht zu begreifen, was Sie ja auch nicht begreifen, wie dem armen verrükten Manne, denn so nennen Sie ihn deutlich am Ende Ihrer zweiten Schrift, wie doch dem 2 3 sie] so DV; OD: Sie

24f Vgl. Schmalz: „Aus welch einem Gemiithe die [Niebuhrsche] Schrift hervorgegangen sey, spricht sich am deutlichsten auf ihrer S. 8 aus, wo Herr N. einem Gegner geradezu anwünscht, daß er verrückt werden möchte. Ich wünsche Herrn N. das Gegentheil." (Ueber Niebuhrs Schrift 15) Bei Niebuhr heißt es an der angegebenen Stelle im Blick auf einen mit Hilfe gefälschter Dokumente gegen ihn operierenden „ Verfasser": „Es läßt sich ihm keine angemessenere Strafe wünschen, als daß er in einen Gemüthszustand gerathe, worin er seine angeblichen Documente wirklich für ächt halte. " 2 5 - 2 Schleiermacher meint folgende Passage aus Niebuhr: „Ein weit bedeutenderer Gegenstand, den aber Herr Geh. R. Schmalz kaum berührt, ist die vielfach geäußerte Meinung von der nahen und unentbehrlichen Einführung repräsentativer Verfassungen. Diese gehört den Schriftstellern weniger an, und ihr Einfluß in dieser Hinsicht ist unbedeutend. Hier ist aber etwas, was, ohne im geringsten den Träumereien von geheimen Verbindungen nachzuhängen, die Regierungen und wohlgesinnte Patrioten ernst stimmen kann: wenigstens ihre Aufmerksamkeit fordert. Das ist gewiß, daß es unsern Schriftstellern an aller Anschauung des Staates und der Geschichte fehlt, sobald sie über diesen Gegenstand reden wollen; ja, man kann ohne Uebertreibung sagen, daß die Ideen unserer Politiker hierüber noch ungleich roher, oberflächlicher

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die g o l d e n e n W o r t e über die R e p r ä s e n t a t i o n g e k o m m e n sind, w e l c h e in der H a u p t s a c h e Ihre eigenen G r u n d s ä t z e e n t h a l t e n . N e h m e n Sie es i h m nur nicht übel, d a ß er sie geschrieben! es m u ß d o c h erlaubt sein, 694 w e n n m a n gegen Sie schreibt, nebenbei a u c h n o c h e t w a s a n d e r e s zu sagen. A u c h in m e i n e m Schreiben steht m a n c h e s o f f e n b a r und zwi- 5 sehen den Z e i l e n , w a s n i c h t w i d e r Sie ist. E s ließe sich n o c h m a n c h e s sagen ü b e r Ihre zweite Schrift; a b e r w o z u . D a ß sie leider Ihrer als S t a a t s k u n d i g e n , als R e c h t s g e l e h r t e n , als Schriftstellers u n d a u c h in allgemein m e n s c h l i c h e n Beziehungen n o c h weniger w ü r d i g ist als die erste, d a s w i r d , f ü r c h t e ich, ein ziemlich io allgemeines Urtheil sein. M ö c h t e n Sie ruhig g e n u g sein, es selbst zu fühlen, so k ö n n t e dies a m ersten Sie zu der U e b e r z e u g u n g bringen, d a ß Sie in g u t e r M e i n u n g einen Unrechten W e g eingeschlagen h a b e n , v o n d e m Sie besser t h u n w ü r d e n , je eher je lieber und u m jeden Preis umzukehren. is

und erträumter sind, als die der Häupter der ersten französischen Nationalversammlung, unter denen viele Geschäftsmänner, und doch auch manche sehr redliche Männer waren. Wer sich nicht mit Worten befriedigen läßt, sieht mit Wehmuth die Vermischung despotischer Ideen der Administration (von der die Freiheit weit mehr als von der Form der Gesetzgebung abhängt) mit der Panacee [von lat. panacea: Allheilmittel] von Volksrepräsentation ohne Basis in der Gesellschaft und ohne Vorschule für die Berufenen: er sieht mit Wehmuth auf die Zertrümmerung aller alten Einrichtungen, die nur deswegen unbrauchbar geworden waren, weil man sie so wenig begriff als vor vierzig Jahren die Schönheit unsrer alten Kunst, und die Größe unsrer alten Zeiten: hätte man sie begriffen, so bedurfte es nur sie zu reinigen und nach ihrem Grundbegriff herzustellen. Es ist eine traurige Nothwendigkeit neue Schöpfungen vornehmen zu müssen: das Zeitalter hat sich im Kriege rüstig gezeigt, aber zum Bilden ist es unfruchtbar und träg: und je dringender das Bedürfniß, um so schwerer ist die Abhülfe. Der Name der Freiheit ist vielen lieb geworden, aber wenige denken es sich, daß die Freiheit kein Stand des Genusses, sondern eine Mühseligkeit und Gefahr ist, wovon sie bisher nichts gewußt. Erst dann, wenn viele dies erkennen, und dennoch getrost sagen: auch so, und eben deswegen wollen wir dem Könige danken, der sie uns verleihen will: erst dann, wenn nur nicht wenige einsehen, daß alles theatralische einer Verfassung Nebensache, und der unsichtbare Grund das Wesen ist: - erst dann können wir unseren Nachkommen ihren Genuß verheißen. Inzwischen geht es auch hier nicht die Zeit zurückzuschieben: und über ihre Schwierigkeiten wehklagen, heißt sie verderben. Was zerstört ist, ist zerstört: und das hat eine höhere Gewalt, und die unwiderstehliche Gesammtmacht einer entsetzlichen Zeit gethan. Treue, Vaterlandsliebe, Sitten müssen und können das Neue, - wenn es sich auch nicht gleich aus dem Bedürfniß, und ihm entsprechend gestaltet, - durchdringen und begeistern. Und hier ist es Pflicht, nicht über Gefahren zu seufzen, - sondern zu lehren was wesentlich ist, und was Schein, - die Wohlgesinnten zu unterrichten, - den Thoren zeitig entgegen zu arbeiten." (Ueber geheime Verbindungen 26-28)

Aus Bengels Archiv (1815/16)

Aus Bengels Archiv Ersten Bandes Erster und Zweiter Theil

Recension von Planck Grundriß der theol. E n c y k l o p ä d i e . - p. 9 etwas über den für die neueste Schule wegfallenden Gegensaz 5 zwischen Naturalismus und Supernaturalismus und p. 11 ge2 Zweiter] Zw.

1 Ernst Gottlieb Bengel (1769-1826) war seit 1805 außerordentlicher Theologieprofessor an der Universität Tübingen; 1810 übernahm er eine ordentliche Professur für Kirchen- und Dogmengeschichte, die er bis zu seinem Tod innehatte. 1 Archiv für die Theologie und ihre neuste Literatur. Herausgegeben von D. Ernst Gottlieb Bengel, ord. Professor der Theologie und Superattendent des theologischen Seminariums in Tübingen. Erster Band. Tübingen, bei Christian Friedrich Osiander. 1816 [Ersten Bandes Erstes Stück, Tübingen 1815]. Das „Archiv" erschien von 1816 bis 1826. 3 Gottlieb Jakob Planck: Grundriß der theologischen Encyklopädie zum Gebrauche bei seinen Vorlesungen, Göttingen 1813; Rezension: Archiv für die Theologie und ihre neuste Literatur Hl, 1-16 (gez.: - g -) 3-5 Vgl. Archiv Hl, 8f: „In der Geschichte der Apologetik, die der Hr. Verf., wie schon bemerkt wurde, als den 1. Haupttheil der exegetischen Theologie aufführt, nimmt er besonders § 68. f auf das in den neusten Zeiten aufgestellte System eines supernaturellen Rationalismus Rücksicht, und bezeichnet sein Verhältniß zum Supernaturalismus, indem ers, eben weil die Differenz, die zwischen beiden zurückbleibe, noch höchst bedeutend sei, für sehr natürlich und sehr wohlthätig zugleich erklärt, daß auch das Princip des letztern noch Anhänger und Vertheidiger unter uns habe. Auch hier hätte Ree. sehr gewünscht, die Ansichten der neusten, aus der Identitätsphilosophie hervogegangenen theologischen Schule über Offenbarung überhaupt und christliche insbesondere, durch einige Züge angedeutet zu finden. Was jedoch in dieser Stelle vermisst wird, ist in der ersten Abthfeilung] der Geschichte der systematischen Theologie (§. 186-213.) vergütet, wo der Hr Verf. den nach der Ueberzeugung des Ree. unwidersprechlichen Saz aufstellt, daß für die neuste theologische Schule aller Unterschied zwischen Naturalismus und Supernaturalismus in Beziehung auf die Offenbarung völlig hinwegfalle, indem für sie Alles, in einem gewissen Sinne, Offenbarung und die Religion nichts als ein mit Selbstbewußtseyn verbundenes Anschauen Gottes oder der Wahrheit in Gott sei, womit sie wieder mit dem Begriff der Philosophie zusammenfalle (§. 208.)." 5-2 Vgl. Archiv Hl, 11: „Den Beschluß machte die sogenannte praktische Theologie, aber ausdrücklich nur als Anhang für diejenigen, die die Theologie mit dem besondern Zwecke, sich zu öffentlichen Religionslehrern zu bilden, studiren; eine Ansicht, die gewiß so lange gültig seyn muß, als nicht der Begriff der christlichen Theologie mit dem geistvollen Schleiermacher (gegen den Sprachgebrauch) dahin erweitert wird, daß sie der Inbegriff

lr

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gen meine Definition von Theologie wonach die Kunstregeln hineingehören und sie sich auf das Kirchenregiment bezieht. Dem Recensenten wird die Dogmatik eigentlich die ganze Theologie. Flatt über die Ueberzeugung Jesu von der Gewißheit und mo- 5 raiischen N o t w e n d i g k e i t seines Todes, mit Bezug auf Nitzsch Programm In der D o g m a t i k ist zu erwähnen Nitzsch Vernunftidee des Erlösers Recension von De Wette De morte Christi expiatoria. io

5f moralischen] moral.

7 Programm] Progr.

10 morte Christi] morte

aller derjenigen wissenschaftlichen Kenntnisse und Kunstregeln sei, ohne deren Anwendung ein christliches Kirchenregiment nicht möglich ist". Vgl. Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Befuf einleitender Vorlesungen entworfen, Berlin 1811 (KGA 1/6, 245-315): „5. Die christliche Theologie ist der Inbegriff derjenigen wissenschaftlichen Kenntnisse und Kunstregeln, ohne deren Anwendung ein christliches Kirchenregiment nicht möglich ist. 6. Dieselben Kenntnisse ohne diese Beziehung hören auf christliche zu sein, und fallen jede einer andern Wissenschaft anheim. 7. Die Mannigfaltigkeit der Kenntnisse ist der Leib, der Trieb zum Wohl der Kirche gesezmäßig wirksam zu sein, ist die Seele. 8. Wie jene Kenntnisse nur durch das Interesse am Christenthum zu dem Ganzen verknüpft werden, welches die Theologie bildet: so kann auch nur durch die Aneignung jener wissenschaftlichen Kenntnisse das Interesse am Christenthum zu der zwekmäßigen Thätigkeit gedeihen, durch welche die Kirche wirklich erhalten und weiter gebildet wird. " (KGA 1/6, 249f) 5f Carl Christian Flatt: Noch etwas über die Ueberzeugung Jesu von der Gewißheit und moralischen Nothwendigkeit seines Todes, in: Archiv 1/1, 17-45 7 Carl Immanuel Nitzsch: De mortis a Jesu Christo oppetitae necessitate morali, Wittenberg 1810/1811 8f Vgl. die auf Nitzsch bezogenen Ausführungen von Flatt: „Jesus war von der göttlichen Vorsehung nicht blos zum Religionslehrer, sondern zum Welt-Erlöser bestimmt Die Idee eines Welt-Erlösers liegt in der Vernunft selbst. Nach dieser Idee ist der Welt-Erlöser derjenige Mensch, der um seiner ausgezeichneten, ganz einzigen moralischen Vortrefflichkeiten willen von Gott dazu berufen ist, die Menschen von der innern und äussern Herrschaft des Bösen frey zu machen. Durch sein über allen Tadel erhabenes Beispiel muß er das Ideal der Gott wohlgefälligen Tugend der Menschheit anschaulich machen, um unter allen Völkern und in allen Zeitaltern den Sinn für die Moralität und Religiosität kräftig zu machen. Die Gottähnliche Vollkommenheit, die er vor den Augen der Welt darstellt, ist eigentlich die Ursache der Sündenvergebung, und das Unterpfand der göttlichen Gnade gegen die schuldigen und strafbaren Menschen (d. h. Gott vergibt die Sünden, Gott ist den Sündern gnädig, um sie zu der moralischen Vollkommenheit emporzuheben, welche der Welt-Erlöser durch sein Handeln und Wirken darstellt)." (Ueberzeugung Jesu 18f) Schleiermacher dürfte sich hier auf seine Dogmatikvorlesung vom Sommersemester 1818 beziehen, vgl. Arndt/Virmond: Schleiermachers Briefwechsel 313. 10 Wilhelm Martin Leberecht de Wette: De morte Jesu Christi expiatoria Commentatio, Berlin 1813; Rezension: Archiv 1/1, 46-63 (ungezeichnet)

Aus Bengels IV. V.-VII. VIII. IX. 5 X.

XI. XII. 10 XIII. XIV. XV.

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Archiv

R e c e n s i o n v o n V a t e r über M y s t i c i s m u s . Predigt Recensionen R e c e n s i o n v o n De W e t t e s Kritik der Israelitischen G e s c h i c h t e R e c e n s i o n v o n M e y e r Apologie des P e n t a t e u c h V e r s u c h ü b e r G a l 3 , 1 6 und Anfrage über Gal 3 , 1 9 . 2 0 M u ß verglichen w e r d e n indem ich es n o c h nicht gesehen habe. M e l a n c h t h o n s Leben Luthers v o n Z i m m e r m a n n Süskinds C h r o n o l o g i s c h e Standpunkte für die Apostelgeschichte. Z u vergleichen zu A c t und Gal. | Recension von Erbauungsbuch R e c e n s i o n v o n Fritzsche über den Pentateuch R e c e n s i o n v o n Kelle Prüfung der D e W e t t e s c h e n Kritik

1 Mysticismus.] Mystic.s.

3 Israelitischen] Israelit.

11 Recension] Recens.

1 Johann Severin Vater: Ueber Mysticismus und Protestantismus. Worte an junge Theologen gesprochen. Aus dem königsberger Archiv besonders gedruckt, Königsberg 1812; Rezension: Archiv Hl, 64-77 (gez.: - η -) 2 Predigten, im Jahr 1812 von Franz Volkmar Reinhard gehalten, nach dessen Tode herausgegeben mit einer kurzen Nachricht von den letzten Lebenstagen des Vollendeten, von J. G. A. Hacker, Sulzbach 1813; Rezension: Archiv 1/1, 78-83; Wilhelm Miinschers politische Predigten, Marburg 1813; Rezension: Archiv Hl, 83-87; Gemeinnütziges Magazin, für Prediger auf dem Lande und in kleinen Städten. Herausgegeben von Raymund Dapp. Siebenter Band. I. Stück, Berlin und Stettin 1814; Rezension: Archiv Hl, 87-90 (gez.: X.) 3 Wilhelm Martin Leberecht de Wette: Kritik der Israelitischen Geschichte. Erster Theil. Kritik der Mosaischen Geschichte, Halle 1807 (= Ders.: Beiträge zur Einleitung in das A.T., Halle 1807); Rezension: Archiv III, 90-112 (gez.: . d .) 4 Gottlob Wilhelm Meyer: Apologie der geschichtlichen Auffassung der historischen Bücher des Alten Testaments, besonders des Pentateuchs, im Gegensaz gegen die blos mythische Deutung des Leztern. Ein Beytrag zur Hermeneutik des A.T., Sulzbach 1811; Rezension: Archiv Hl, 113-123 (gez.:. d .) 5 Friedrich Steudel: Auch ein Versuch, die Stelle Gal. Ill, 16. zu erklären, nebst einer Anfrage über die Deutung von Gal. III, 19.20, in: Archiv 1/1, 124-143 8 Philipp Melanchthons Erzählung vom Leben D. Martin Luthers. Uebersetzt und herausgegeben von Friedrich Theophil Zimmermann. Mit Anmerkungen von von Villers. Nebst einer Vorrede von G. J. Planck (Mit Luthers Bildniß, nach einem Originalgemälde gestochen von Riepenhausen), Göttingen 1813; Rezension: Archiv 1/1, 144-155 (gez.: - g -) 9f Friedrich Gottlieb Süskind: Neuer Versuch über chronologische Standpunkte für die Apostelgeschichte und für das Leben Jesu [Teil I], in: Archiv Hl, 156-225 11 Johann Gottfried Pähl: Erbauungsbuch für christliche Familien, Gmünd 1814; Rezension: Archiv Hl, 225-227 (gez.: X.) 12 Christian Friedrich Fritzsche: Prüfung der Gründe, mit welchen neuerlich die Aechtheit der Bücher Mosis bestritten worden ist. Nebst einem Anhange über das Urevangelium, Leipzig 1814; Rezension: Archiv 1/1, 228-224 (gez.: . d .) 13 Karl Gottfried Kelle: Vorurtheilsfreye Würdigung der mosaischen Schriften, als Prüfung der de Wetteschen Kritik mosaischer Geschichte. Heft I. - als Prüfung der mythischen und offenbarungsglaubigen Bibelerklärung. Heft II. - als Beweis, daß dem ersten B[uch] Mos. eine einzige, wohl zusammenhängende, aber stark interpoline Urschrift zum Grunde liege. Heft III, Freyberg 1811; Rezension: Archiv 1/1, 244-290 (gez.: . d .)

lv

182

Aus Bengels

Archiv

Z w e i t e s Stük

I.

Beschluß der chronologischen Standpunkte

II. III. IV.

R e c e n s i o n v o n E i c h h o r n s E i n l e i t u n g Illt. B a n d e s I t e H ä l f t e R e c e n s i o n v o n Greiling biblische F r a u e n Recension von Geßners Predigten

V. Recension von H a a b hebräisch-griechische VI. VII. R e c e n s i o n v o n Sack und G l o c k e n t ö n e VIII.

Grammatik

R e c e n s i o n v o n Paulus O r a t i o de M o s e libertatis assertore

IX.

R e c e n s i o n v o n L o w t h S a c r a poesi edidit R o s e n m ü l l e r

X.

Recension v o n M a r h e i n e k e Symbolik l t Theils 3 Bände.

2 chronologischen] chronolog. bräisch-griechische] hebr. griech.

3 Einleitung] Einl. 9 edidit] edd.

4 biblische] bibl.

6 he-

1 Archiv für die Theologie und ihre neuste Literatur. Herausgegeben von D. Emst Gottlieb Bengel. Erster Band. Tübingen, bei Christian Friedrich Osiander. 1816 [Ersten Bandes Zweites Stück, Tübingen 1815] 2 Friedrich Gottlieb Süskind: Neuer Versuch über chronologische Standpunkte für die Apostelgeschichte und für das Leben Jesu (Fortsetzung und Beschluß), in: Archiv 1/2, 297-335 3 Johann Gottfried Eichhorn: Einleitung in das neue Testament. Dritter Band. Erste Hälfte, Leipzig 1812; Rezension: Archiv 1/2, 336-387 (ungezeichnet) 4 Johann Christoph Greiling: Die biblischen Frauen. Ester Theil, Leipzig 1814; Rezension: Archiv 1/2, 387-399 (gez.: +•) 5 Georg Geßner: Nikodemus, oder die Lehre Jesu vom geistigen Gottesreiche. Predigten, Zürich 1814; Rezension: Archiv 1/2, 399-405 (gez.: +.) 6 Philipp Heinrich Haab: Hebräisch-griechische Grammatik zum Gebrauch für das neue Testament, nebst einer Vorrede von Herrn F. G. v. Süskind, Tübingen 1815; Rezension: Archiv 1/2, 406-409 (ungezeichnet) 7 Karl Heinrich Sack: Werth und Reiz der Theologie und des geistlichen Standes. Reden an deutsche Jünglinge. Mit einer Vorrede von Oberkonsistorialrath Sack, und einem Zusaz zum Andenken an Ferdinand von Mauderode, Berlin 1814; Glockentöne. Erinnerungen aus dem Leben eines jungen Geistlichen, Elberfeld 1815; Rezension: Archiv 1/2, 409-423 (gez.: +.) 8 Heinrich Eberhard Gottlob Paulus: Oratio Mosen primum libertatis de publicis rebus publice secundum animi pie commoti sensa loquendi assertorem religiosissimum sistens, Heidelberg 1814; Rezension: Archiv 1/2, 423-434 (ungezeichnet) 9 Robert Lowth: De sacra Poesi Hebraeorum Praelectiones Academicae Oxonii habitae, ed. E. F. C. Rosenmüller, Leipzig 1815; Rezension: Archiv 1/2, 435^46 (gez.: - o - ) 10 Philipp Marheineke: Christliche Symbolik oder historischkritische und dogmatisch-komparative Darstellung des katholischen, lutherischen, reformirten und socinianischen Lehrbegriffes, nebst einem Abriß der Lehre und Verfassung, wie auch der übrigen occidentalischen Religionspartheyen, wie auch der griechischen Kirche. I. Theils 1. Band, Heidelberg 1810; 2. Band: Heidelberg 1810; 3. Band: Heidelberg 1813 [die Bände 1/1 bis 1/3 auch unter dem gemeinsamen Titel: Das System des Katholicismus in seiner symbolischen Entwickelung]; Rezension: Archiv 1/2, 447-509 (gez: - g-)

Aus Bengels Archiv XI. XII.

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Recension von Eberhard Urchristenthum. Recension von Niederere Feldpredigt

1 Der Geist des Urchristentbums. Ein Handbuch der Geschichte der philosophischen Cultur für gebildete Leser aus allen Ständen in Abendgesprächen herausgegeben von Johann August Eberhard. Zweyter Theil, Halle 1807; Dritter und lezter Theil, Halle 1808; Rezension: Archiv 1/2, 513-534 (gez.: - g -) 2 Johannes Niederer: Das Begeisternde des Rufs Gottes an die Vertheidigung des schweizerischen Vaterlandes. Eine Feldpredigt über Jesaja 49,8. Gehalten zu Biolay, am Sonntag nach Pfingsten, d. 28ten Mai 1815 vor dem Thurgauischen Bataillon von Rüpplin, Aarau 1815; Rezension: Archiv 1/2, 535-542 (ungezeichnet). Das zweite Stück des ersten Teiles von Bengels Archiv enthält auf den Seiten 543 bis 557 eine weitere Rezension (Heinrich August Schott: Epitome Theologiae Christianae Dogmaticae in unsum scholarum academicarum adornata, Leipzig 1811; gez.: - a -), die Schleiermacher nicht notiert hat.

Über die Scholien zur Nikomachischen A und Β (1816)

Ethik

Ueber die Scholien zur Nicomachischen Ethik. Eine Ausgabe ohne alle Nachricht über die Handschrift. Die Uebersezung des Felicianus soll nach Fabricius einem andren Codex folgen, welches zu vergleichen wäre. Die Angaben beider gehn auch aus einander, nach Fabricius so 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Manutius Eustratius Anonymus /Aspasius Anonymus Aspasius Michael Ephesius Eustratius Aspasius Aspasius Eustratius Eustratius

Felicianus Eustratius Eustratius Eustratius Eustratius Michael Ephesius Eustratius Aspasius Aspasius Eustratius Eustratius

Die Angabe des Felicianus über die 4 ersten Bücher ist offenbar falsch. Wenn nemlich unser 6. Buch wirklich von Eustratius ist so ist eher nur das erste von ihm. Denn er sagt, die Königin habe früher das erste von ihm gefordert und nun das sechste. Auch in der Uebersicht 1 Ueber] am Rand zwischen den Zeilen von fremder Hand 32 8 Manutius] Manut. 10 u. 11 Anonymus] Anonym. 12 Aspasius] korr. aus An 17 Eustratius] über (Aspasius) 19 Felicianus] Felic. 20 Eustratius] korr. aus Asp 21 eher] korr. aus nur 4 Eustratii et aliorum insignium peripateticorum commentarla in libros decern Aristotelis de moribus ad Nicomachum, una cum textu suis in locis adiectum, ed. P. Manuzio, Venedig 1S36; Eustratii et Michaelis et anonyma in Ethica Nicomachea commentarla, ed. G. Heylbut, CAG Bd. 20, Berlin 1892 (vgl. KGA 1/11, 221,13-15) 5 Aristoteles: Moralia Nicomachea, cum Eustratii, Aspasii, Michaelis Ephesii, nonnullorumque aliorum Graecorum explanationibus, a J. B. Feliciano latinitate donata, Paris 1543 5 Vgl. Johann Albert Fabricius: Bibliotheca graeca sive notitia scriptorum veterum graecorum, ed. G. C. Harles, Bd. 3, Leipzig 1793, S. 264 7 Vgl. Fabricius: Bibliotheca graeca 264-266 21f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 79v; ed. Heylbut 256,26-257,12 2 2 - 2 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 79v-80r; ed. Heylbut 257,12-258,30

188

Über die Scholien zur Nikomachischen

Ethik A

lv welche | das Prooemium von dem Fortschritt des Aristotelischen Werkes giebt, erwähnt er keiner Arbeiten von sich, welche er etwa ohne Veranlassung der Königin gemacht hätte. Allein ist unser 6. Buch wirklich vom Eustratius so ist unser erstes gewiß nicht von ihm. Denn dessen Verfasser sagt im Prooemium er 5 schreibe τίνος των μάλιστα λογού άξίων ή μας προς τούργον άνερεθίσαντος, καί τινα έκθέσθαι σαφήνειαν του πρώτου των Αριστοτέλους ήθικών νικομαχείων εντειλαμένου δ ούκ ήν παραιτεΐσθαι, διά το έν πολλοίς αναγκαίοις έυρεΐν αΰτον εύ ή μας έργασάμενον. So hätte er von der βασιλίς wenn sie auch nur eine iCyprierinl wäre nicht io geredet. Oder wollte sie beim ersten Buch verborgen sein, beim 6. aber nicht mehr: so würde darüber etwas vorgekommen sein. Welches wahrscheinlicher dem Eustratius zukomme ist aus diesen allein nicht abzunehmen, sondern die Analytika zu vergleichen.

Das 2. Buch fängt ohne alles prooemium an. (Verweiset auf das 6. 15 als ob ein Gegenstand dann sollte behandelt werden.) Keine christlichen Andeutungen. Hat auch den Text einzeln untermischt. O b es sich hernach von dem ersten unterscheidet?

Ueber die Differenz der Scholien des Felicianus drükt sich Harles sehr ungenau aus. Das zweite Buch ist von vorne herein anders als 20 unser griechisches. Stellenweise übereinstimmend (fol. 32.a Euripides Ir Geometrie) darauf indeß mehreres hinzufügend (zB | vorher schon fehlt im griechischen eine Berufung auf die Metaphysik). Dann schließt sich wieder an απο γαρ του £θους bis δυναμένη. - Gleich

9 πολλοίς] folgt (αυτόν) 14 Analytika] Analyt. 21 übereinstimmend] iibereinstimd. 21 Euripides] Eurip. 2 3 Metaphysik)] Metaphysik 6 - 9 Eustratii commentarla, ed. Manuzio Ir; ed. Heylbut 1,13-16 10 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 79v; ed. Heylbut 256,3 (vgl. KGA Uli, 227,2-6) 14 Vgl. KGA IUI, Anm. zu 227,27 15f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 33r; ed. Heylbut 125,29f 19f Vgl. Fabricius: „Felicianus ... in libros 2. 3. 4. duplicibus commentariis mutilis et divulsis, quae utcunque composuit, unde non mirum, eius versionem a graeco edito hinc inde dissidere, et quaedam interdum in illa addi, alios quoque subinde auctores commentariorum ad singulos libros denotari ...". (Bibliotheca graeca 264) 21f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 122,10-12 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 22f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 2 4 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 122,18-123,2

Über die Scholien

zur Nikomachischeti

Ethik

A

189

darauf hat das lateinische eine ganz eigene Auseinandersezung darüber „quot modis natura aliquid dicatur esse". D a s e r s t e B u c h . Im Eingang über die Begriffe der drei praktischen Disciplinen. Phocylides, Euripides angeführt; ό μέγας Διονύσιος welcher die £νωθες τω θεφ nenne άνθος τοΰ νου. Vorher Abraham Isaac und Jacob als Beispiele guter Oekonomien, Moses Josua Solon als Beispiele von Gesezgebern. - Christus angeführt ούδεις εισέρχεται προς τόν πατέρα ει μή δι' έμοΰ. - Hier werden anfangs fast die einzelnen Wörter erklärt: τό δοκεΐ δέ είπεν ώς κοινώς έπί τε τοΰ άληθοΰς καΐ τοΰ φαινομένου. fol. 7.a. Zu der Stelle διαφερει δ' ουδέν hat Felicianus einen Zusaz, jedoch eingeklammert das διωκειν betreffend. fol. 8.a. "Ενιοι δέ φοντο παρά τα πολλά ταΰτα άγαθά άλλο τι καθ' αύτό είναι heißt es Τοΰτο περί Πλάτωνος £οικεν είρήσθαι, δς τόν θεόν είναι τιθείς τό αυτοαγαθόν und meint er ziehe es bei den Haaren herbei den Plato zu tadeln; es gehöre gar nicht hieher, wo nur vom menschlichen Gut die Rede sei. fol. 8.b. zu εύ γαρ και Πλάτων ήπόρει wird nicht angeführt wo es steht. fol. 9.a. wo Hesiodus angeführt wird, sezt auch nur Felicianus und gewiß ex propriis hinzu „ex eo libro sumpta qui opera et dies inscribitur". fol. 9.b. zu Sardanap. βασιλεός δέ Περσών οΰτος, άνήρ θηλυμανής και άκόλατος, ου τών της τρυφής διηγημάτων τά τών παλαιών γέμει συγγράμματα, θηλυμανής ein poetisches Wort, nur aus der Anthologie aber viele solche wurden prosaisch. 18 ήπόρει] ηύπόρει

25f Anthologie] Anthol.

2 Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 40r 3f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lr-v; vgl. ed. Heylbut 1,9—4,8 4 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 1 r; vgl. ed. Heylbut 2,1 Of 4 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 1 ν; ed. Heylbut 3,10-12 4f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lv-2r; ed. Heylbut 4,37f 5f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lv; ed. Heylbut 4,3-S 6f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio lv; ed. Heylbut 4,5-7 7f Eustratii commentario, ed. Manuzio 2r; ed. Heylbut 6,19 9f Eustratii commentario, ed. Manuzio 2r-v; ed. Heylbut 7,3Sf 11 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 8r 13f Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1095a,26f, Opera 2,2 D; ed. Bywater 4 14f Eustratii commentario, ed. Manuzio 8r; ed. Heylbut 29,19f 1 5 - 1 7 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 8r; ed. Heylbut 29,23-28 18 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1095a,32, Opera 2,2 D; ed. Bywater 4 21f Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano lOv 2 3 - 2 5 Eustratii commentario, ed. Manuzio 9v; ed. Heylbut 35,19-21 25f Vgl. Anthologia Graeca 5,19, ed. F. Jacobs, Bd. 1, Leipzig 1813, S. 89; edd. P. Waltz/]. Gouillon, Bd. 2, Paris 1928, S. 28

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Über die Scholien zur Nikomachischen

Ethik

A

fol. 10.a. zu εί μή θέσιν διαφυλάττων werden Heraclitus welcher gesagt die εναντία wären Eins und Parmenides angeführt. - ibid. Den Unsinn von den encycliis hat Felicianus eben so. fol. 10.b. zu φίλους άνδρας. Er habe vielleicht weniger den Piaton gemeint, als die welche seine Lehre falsch verstanden (also ohne alle Ueberlegung daß das zur Zeit wo Aristoteles die Ethik schreiben konnte noch nicht der Fall war.) Dann folgt eine Auseinandersezung der Lehre des Piaton (έν οίς παραδίδωσι τόν περί τάγαθοΰ λόγον ohne auf bestirnte Bücher zu verweisen) und Vergleichung mit Aristoteles. Die εϊδη waren έν τη του δημιουργοί διανοία der κατ' αύτό in der ΰλη ersteres χαράττει (NB: όλότητει. - führt den Aristoteles 2f περί "ψυχή an. - Richtig unterschieden zwischen den Ideen | im Platonischen Sinn und den allgemeinen Begriffen wie sie aus der Abstraction entstehn. -) Den Zusaz bei Felicianus über die Dissertationen des Piaton und seiner Schüler vom αγαθόν klammert er selbst ein. fol. 12.b. wird dem Aristoteles Schuld gegeben er stritte σοφιστικώτερον gegen die Platonische Lehre vom Guten, (ibid. komt vor όντότης. - όμοταγές. -) fol. 13.b. Z u π ι θ α ν ώ τ ε ρ ο ν : Erst die συστοιχίας die er dem Pythagoras selbst zuschreibt. Dann Φησί δε Σπεύσιππον επακολουθήσαι αύτοΐς θεόλογον όντα παρ' Έλλησιν. fol. 19.a. wird angeführt des Galenos τέχνη μίκρά als Beispiel einer Abhandlung die ganz aus der Analyse einer aufgestellten Erklärung besteht. fol. 21.a. wird erzählt die Olympischen Spiele wären in Arkadien zu Ehren des Zeus gefeiert worden. 18 όμοταγές. -)] όμοταγές. 1 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1096a,2, Opera 2,3 A; ed. Bywater 5 lf Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lOr; ed. Heylbut 37,29f 2f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lOr; ed. Heylbut 37,32-38,3 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 12v 4 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1096a,13, Opera 2,3 B; ed. Bywater 6 4f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 10v; ed. Heylbut 39,35f 8 Eustratii commentarla, ed. Manuzio lOv; ed. Heylbut 40,lf lOf Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lOv; ed. Heylbut 40,24-27 11 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio llr; ed. Heylbut 41,8-10 12 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio llr; ed. Heylbut 41,10-14 12-14 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio llr; ed. Heylbut 41,16-37 14 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 13r 16 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 12v; ed. Heylbut 45,28-38 18 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 12v; ed. Heylbut 47,38 18 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 13r; ed. Heylbut 48,26. 49,5 19f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 13v; ed. Heylbut 50,35 20f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 13v; ed. Heylbut 51,15f 22 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 19r; ed. Heylbut 73,18-20 25 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 21r; ed. Heylbut 81,25f

Über die Scholien zur Nikomachischen

Ethik A

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fol. 22.a. Délos sei eine Insel mit einem Tempel und Orakel des Apoll, wo das Epigramm sei geschrieben gewesen. fol. 22.b. wo vom Ursprung der Gliikseligkeit die Rede ist wird der Platonischen Meinungen und Auseinandersezungen auf die Aristoteles anspielt nicht weiter besonders erwähnt. fol. 24.a. eine wunderliche Auseinandersezung darüber warum die Ileaden τά ήρωϊκά heißen. fol. 28.a. Ueber den Eudoxus keine Aufschlüsse, die nicht schon im Text lägen. i b i d . b. Bemerkt wie Aristoteles in zusammengesezten Werken recapitulire und ankündige. fol. 29.a. Die schon angeführte Erklärung von den exotericis. Die Uebereinstimmung des lateinischen mit dem griechischen in diesem Buch ist durchgängig; die wenigen kleinen Zusäze, alle eingeklammert rühren gewiß vom Uebersezer her.

D a s z w e i t e Buch Griechisch άνωνύμου ή ώστινες υπολαμβάνουσιν Ασπασίου Lateinisch „Eustratii, quam nonnulli Aspasio alii incerto auctori tribuni". Keine Spur von Christlichkeit in diesem Buch. Der lateinische Zusammenarbeiter des zweiten und dritten Buches scheint mir derselbe. In Paris soll Buhle ρ 296 ein Codex Scholien unter dem Namen des Aspasius enthalten. Zwei Drei und Vier σχόλια. 1 7 - 2 5 Griechisch . . . σχόλια.] am Rand ascribunt

18 Lateinisch] Lat.

19 tribunt] Q:

1 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 22r; ed. Heylbut 84,23f 3 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 22v; ed. Heylbut 86,25-87,24 6 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 24r; ed. Heylbut 92,10-16 8 Vgl. dazu Eustratii commentaria, ed. Manuzio 28r; ed. Heylbut 107,13-19 10 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 28v; ed. Heylbut 108,17-20 12 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 29r; ed. Heylbut 111,21-32 17 Eustratii commentaria, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut Anm. zu 122,1 18f Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 23 Vgl. Aristoteles: Opera omnia graece, ed. J. T. Buhle, Bd. 1, Zweibrücken 1791, S. 296 25 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 32r. 39r. SOr; ed. Heylbut 122,1. 141,1. 176,1

192

Über die Scholien zur Nikomachischeti

Ethik A

Merkliche Verschiedenheit von Anfang an. In einzelnen Säzen Uebereinstimmung. ZE τούτο φησι διότι και φύσεως δει[.] Nur daß dies im lateinischen richtig auf τό πλείστον allein bezogen ist. Gemeinschaftliche Anführung des Euripides. - Eigenthümlich dem lateinischen Anführung des Democritus, Auseinandersezung „quot modis naturâ aliquid dicatur esse", worin aber auch einzelnes zE όδόντων βλαστησις ή γενειών übereinstimmt. fol. 32.b. δτι μή φύσει ist im griechischen viel ausführlicher. Hier komt nun nach, was im lateinischen früher stand von Democritus und den Pythagoräern. | Die Vergleichung ist nicht leicht, weil der Text anders abgetheilt ist. Aber die Uebereinstimmung ist überall nur partiell. fol. 33.b. gemeinschaftlich die Verwunderung über die Platoniker, welche die Apathie als Platonisches Dogma einführen. Das Lateinische an dieser Stelle ungleich ausführlicher - vorzüglich darüber, ob nach Aristoteles ηδονη und λυπη die affectus maxime generales sind. Dann die Definition der Stoiker vom πάθος, die des Andronikus, des Boethius, dann zurük zum Piaton. fol. 34.a. wieder mehreres gleich. Anführung des Heraclitus δς λέγει χαλεπώτερον ηδονη μάχεσθαι ή θυμω. Dann kommt ein homerischer Vers ώστε πολύ γλυκίων μέλιτος καταλειβομένοιο άνδρών έν στήθεσσιν άέξται ήύτε καπνός den das lateinische schon oben an seiner eigenen Stelle hatte, hier aber auch wiederbringt, und den hier das griechische, wahrscheinlich nur durch Versehen eines Abschreibers dem Heraclitus zuschreibt. i b i d . b. am Ende des ersten Absazes hat wieder das griechische einen Zusaz den das lateinische ausläßt; gelehrtes enthält er aber 2 ZE] korr. aus Das 5 Anführung] korr. aus unleserlichem Wort 17 Definition] über (Theorie) 19 Heraclitus] folgt (und) 2 2 στήθεσσιν] Q: στήθεσι 22 den] denn 2 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 122,4 3 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 3f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 122,1 Of und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 5 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 5f Vgl. oben Anm. zu 189,2 6f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 123,12f 8 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 123,29-125,7 9 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 39v 13f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 33v; ed. Heylbut 127,7f und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 41v 15f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 42v 17f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 42v-43r 19f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 34r; ed. Heylbut 128,32f 21f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 34r; ed. Heylbut 129,1-3 2 2 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 42v 2 3 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 44r 2 6 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 34v; ed. Heylbut 129,3-5

Über die Scholien zur Nikomachiscken

Ethik A

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nichts. Hernach alles anders. Zu μετά δέ ταΰτα ähnliches; aber doch anders überarbeitet. fol. 35.b. gemeinschaftlich die Erzählungen von Milo. Im lateinischen wieder Zusäze. fol. 36.b. die Tabelle rührt wol wahrscheinlich vom Uebersezer her. fol. 37.a. nach κεκαινοτόμηται Αριστοτέλει hat der Lateiner einen Zusaz er habe doch die Bedeutung der Wörter geändert. fol. 37.b. Bei der Nemesis beide die Berufung auf die Rhetorik. Hernach aber anders. fol. 38.a. Bemerken beide Aristoteles habe im Homer der Kalypso zugeschrieben was die Circe sage. Unten führt der Lateiner die Verse an von der Callista und der Helena. Das Ende ähnlich. |

Das dritte Buch Das Griechische ist eine Sammlung von Scholien aus verschiedenen Quellen, die Rede in dem Styl der früheren. Der Lateiner hat diese Sammlung mit Zuziehung anderer in ein Ganzes verarbeitet. Dieser Verarbeiter ist also nicht der Uebersezer selbst. Keine Spur von Christlichkeit in keinem von beiden. Gelehrtes hat der Lateiner nichts eigenthümliches. G r i e c h i s c h dem ανώνυμος L a t e i n i s c h dem Eustratius, jedoch mit dem Bemerk sie werden von Andren einem unbekannten zugeschrieben. fol. 39.a. Fängt ähnlich an. Bei ϊσως für όμοίως beide Homer έπί

14-20 Das Griechische . . . eigenthümliches.] am Rand 1 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1105b,19, Opera 2,11 F; ed. Bywater 29 3 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 35 f ; ed. Heylbut 132,14-25 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 45v 5 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 48 r-v 6 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 49v 8 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 37v; ed. Heylbut 138,2 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 50v lOf Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 38r; ed. Heylbut 139,20f und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 52r 11 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 52r 21 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 39r; ed. Heylbut Anm. zu 141,1 21 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 53r 24-1 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 39r; ed. Heylbut 141,9f und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 53r

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Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik A

των Αίάντων. Aber der Lateiner führt die Stelle ausführlicher an. Beide Anführung der τοπικών. Der Lateiner bringt Socrates mit den dreißig an und ist ausführlicher. Der Lateiner führt auch hernach noch mehr entschuldigende Beispiele an. fol. 39.b. Beim Alcmaeon sieht man im griechischen deutlich daß hier mehrere Scholien gesammelt sind. Oben bei ϊσως schon. Dort verschmelzte es der Lateiner, hier übergeht er es nun ganz stellt auch den Alcmaeon hinter den Anaxarchus und Zenon; bringt auch den Achilles mit Anführung der Verse später an. fol. 40.a. Von der Anführung des Piaton (39.b.) an gehn Grieche und Lateiner von einander ab bis zum Aischylus w o sie dasselbe haben. fol. 40.b. ή δ ε ΐ ξ α ι β ο υ λ ό μ ε ν ο ς wieder zwei Scholien durch καί άλλως το ή δεΐξαι ρ. eingeleitet wo der Lateiner das eigentlich erklärende weggelassen hat, wahrscheinlich weil sich in diesem Scholion mehrere Stellen aneinander hängen die erst hernach folgen. fol. 40.b. scheint hernach im griechischen eine Aristotelische Stelle zu fehlen - ακροχειριξη vorher definirt. Nach dieser Stelle wieder ganz verschieden. fol. 41.a. Griechisch die λύπη sei auch eine επιθυμία nemlich ή έπί τη άκουσία των à τις όρέγεται. Denn das έξαίφνης sei auch εκουσιον. Beides nicht im Lateiner der hier mehr realia hat. Uebereinstimmend einen Bezug auf Plato. Gleich darauf gehn sie wieder auseinander und der Lateiner ist ausführlicher in Realien. fol. 41.b. sieht man wieder aus den Beispielen wie das lateinische aus dem griechischen bearbeitet ist. - Bei den genauen Wissenschaften führt der ausführlichere Lateiner außer der Geometrie auch die Grammatik an. 14 durch] korr. aus Idiel 2 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 39r; ed. Heylbut 141,17f und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 53v 3 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 53v-54r 4f Vgl. z.B. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano S4r-v 6 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 39v; ed. Heylbut 142,21-27 7 Vgl. oben 193,24-194,1 8 - 1 0 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano S4v 11 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 39v; ed. Heylbut 143,26f und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 55r 12f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 40r-v; ed. Heylbut 145,24-146,3 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano S6r 15 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 40v; ed. Heylbut 146,5 19 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 40v; ed. Heylbut 146,13f 21f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 41r; ed. Heylbut 148,1-4 23f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 41r; ed. Heylbut 148,8-10 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 57v 2 7 - 2 9 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 59 ν

Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik A

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Unten ist ein Scholion dasselbe, wo die Lesart angeführt wird δοξαι für έπιστημαι. | fol. 42.a. sieht man wieder das lateinische aus den distinkten Scholien zusammengearbeitet. fol. 43.a. Den Vers εκ των πόνων τοι τάγαθ' ανξεται βροτοις, so auch den Platonischen Kallikles und den Epicurus nimmt der Lateiner auch mit. - Auch die Berufung auf das folgende im Buch περί ήδονης. i b i d . Die grammatische Bemerkung über πονηρός nimt er auch auf wegen des Hesiodischen und Epicharmischen. i b i d . b . führt der Grieche den Isokrates an zu der Redensart προ έργου, nicht der Lateiner, das Homerische aber und Lucianische, wo eine ordentliche Stelle steht nimmt er mit. fol. 44.b. κοινοποιησας. Wieder einmal ein fast wörtlich übereinstimmendes Scholion, auch bezeugt durch eine Stelle am Rande. ibid. zu δύο γένη der Lateiner einen nicht unbedeutenden Zusaz. fol. 45.a. Am Anfang der Tapferkeit der Lateiner auch Zusäze. (Hier scheint auch im griechischen der Charakter einzelner Scholien weiter zu gehn.) Die Aehnlichkeit beider nimmt zu, wie auch im Griechischen das reale überhand nimmt. ibid. b. Aias als Beispiel mit den homerischen Versen in beiden, fol. 46.a. Doch wieder einzelne Scholien. Der Lateiner geht ganz ab. - Bemerkt daß er hier die Schaam eine Tugend nenne was er weder im zweiten noch im 4. Buch thue. - Vom Herodotos an theilt auch der Lateiner wieder ein. - Anführung des Laches und Protagoras. ibid. b. Anführung der Schlacht bei Kaironäa nach Cephissodoros Anaximenos Ephoros. - Die Römer sind θυμοειδεις und alle abend2 3 theilt] korr. aus unleserlichem

Wort

1 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 41v-42r; ed. Heylbut 150,10-23 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 59v-60r 5-7 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 61v 5 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 43r; ed. Heylbut 153,20f 7 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 61v 8f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 62r-v 10 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 43v; ed. Heylbut 156,6-8 l l f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 62v-63r 14 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 64v-65r 15 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 65r 16 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 65v-66r 2 0 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 45v; ed. Heylbut 163,5-9 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 66v 22f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 68r-v 23 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 68v 24f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 46r; ed. Heylbut 165,9-11 26£ Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 46v; ed. Heylbut 165,24-166,4 2 7 - 1 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 46v; ed. Heylbut 166,4f

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Über die Scholien zur Nikomacbischen

Ethik A

ländischen Völker. Der Lateiner wieder eine Reihe von Versen. Auch hernach bei ονοι άνδρεΐοι. fol. 47.a. Der Lateiner ausführlicher. fol. 47.b. hat der Sammler wieder späteres mit vorgenommen. Bemerkt, daß P i a t o n dem θυμοειδές einen andern Ort angewiesen als dem andern άλογον. Bei der σωφροσύνη von Anfang an der Lateiner mehr. Einzelnes übereinstimmend. fol. 48.a. fehlt dem Lateiner die Anführung des Buchs περί ερμηνειαν wol auch da die νοήματα wie hier πάθη genannt werden. Auch 4v die de anima daß άφή die κοινοτάτη αισθησις | wäre. ibid. b. Die Vergleichung der Aristotelischen Eintheilung mit der Epicuräischen hat der Lateiner auch, aber anders überarbeitet. Das Ende in beiden verschieden und beide schließen ohne Epilog.

Das vierte

Buch

G r i e c h i s c h bestimmt dem A s p a s i u s zugeschrieben. L a t e i n i s c h dem Eustratius mit Bemerkung sie werde von Andern einem unbekannten Autor zugeschrieben. Hieraus scheint hervorzugehn daß der andere Codex den Felicianus kannte nicht der Aldinische war. fol. 50.a. Ohne Einleitung beide. Weitschweifiger Anfang; übereinstimmend. Aber der Lateiner eine berichtigende Definition von χρήμα die im griechischen fehlt. a. hernach noch mehr über die Definition von ελευθεριοτης. b. Die Scholien auch hier sehr zu den einzelnen Ausdrüken, oft mikrologisch. Die μή λαμβάνοντες wären nicht δίκαιοι wobei Piaton de rep. in beiden. Der Lateiner wieder einen berichtigenden Zusaz. 13 Epicuräischen] Epicur.

18-20 Hieraus ... war.] mit Einfügungszeichen am Rand

1 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 69v 2 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 69v 3 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 70r-v 5f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 47 ν; ed. Heylbut 169,24-27 7 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 71v-73r 9f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 48r; ed. Heylbut 170,13f 10 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 48r; ed. Heylbut 170,12 lOf Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 48r; ed. Heylbut 171,13f 12f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 73r 16 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio SOr; ed. Heylbut, Anm. zu 176, lf 17 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 7Sv Iii Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 7Sv 24 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 76r 26f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio SOr; ed. Heylbut 178,9-13 und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 76v 27 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 76v-77r

Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik A

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fol. 50.b. Eine Berufung auf eine Stelle in den Scholien zum dritten Buch, die der Lateiner zweideutiger ausgedrükt hat, so daß sie auch auf den Text gehen kann. fol. 51.a. Der Lateiner Polyclet, Praxiteles und Myron angeführt, überhaupt ausführlicher. - Die Anführung des Theophrast bei Gelegenheit des Simonides haben beide. fol. 52.a. Die vielen Benennungen der άκολασία hat der Lateiner hier auch. Sie scheinen von einem herzurühren der nicht zum 3. Buch commentirt hat wohin sie eigentlich gehören. Eben so auch die Namen der ανελευθερια. fol. 52.b. Scheint sich im griechischen dieselbe Erklärung über den Unterschied zwischen έλευθερια und μεγαλοπρεπεια zwei mal zu wiederholen, das eine mal als zweite Erklärung ή ού τοΰτο λέγει. Also schon sehr abgeleitet. fol. 53.a. Daß der Ausdruk πάν τό δαιμόνιον erklärt wird und zwar δαιμόνιόν φησι ή δαίμονας τινας επιχωρίους κατά τινας νόμους πατρίους ή και τούς κατοιχομένους οΰτω φησι kann ein Anklang von Christlichkeit sein. Der Lateiner dasselbe etwas ausführlicher. | fol. 53.b. Das Scholion zu ώ σ π ε ρ o í Μ ε γ α ρ ε ί ς ist zwar gelehrt, aber nicht recht passend zur Sache. Der Lateiner läßt die Erwähnung des Susarion aus. Gleich darauf hat der Lateiner eine große Stelle der magnanimus sei contentus deorum honoref,] wo die μεγαλοψυχία anfängt, mit homerischen Versen cf. 83.b. auch hernach ausführlicher. i b i d . ganz unten zu φεύγειν παραπείσαντι hat der Lateiner eine Bemerkung über eine dreifache Verschiedenheit der Lesarten, wovon im griechischen keine Spur. 4 Praxiteles] Praxit. 5 Theophrast] Theophr. 8f herzurühren . . . gehören.] Hervorbebungs- oder Bearbeitungszeichen am Rand 8 zum] korr. aus d 11 dieselbe] dselbe 12 zwischen] zw5 12 έλευθερια . . . μεγαλοπρεπεια] έλευθ. . . . μεγαλοπρ. 13 zweite] korrigiert aus zweites 13 Erklärung] über (Scholion) 13f Also . . . abgeleitet.] am Rand 14 schon] korr. aus sehr 21 darauf] df 1 - 3 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 50v; ed. Heylbut 178,30f und Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 77v 4 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 78r 5f Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio Sir; ed. Heylbut 180,15-17 und Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 78v 71 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 79v 9f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 80r 13 Eustratii commentaria, ed. Manuzio 52v; ed. Heylbut 184,5 16f Eustratii commentaria, ed. Manuzio 53r; ed. Heylbut 185,20f 18 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 82r 20f Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 53ν; ed. Heylbut 186,10-14 2 1 - 2 3 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 83r-v 25f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomacbea, ed. Feliciano 84v

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Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik A

fol. 54.b. Bei der Thetis im lateinischen wieder mehr Verse, fol. 55.a. Zu ού πρός άλλον ζην der Grieche nicht nur eine Anführung der Politik sondern auch eine gute Erläuterung die dem Lateiner fehlen. i b . b . Bei der φιλοτιμία der Lateiner anfangs kürzer und läßt die Berufung auf das zweite Buch aus. Hernach viel ausführlicher mit unbestimmter Anführung des Plato. Bei der πραότης der Lateiner kürzer, läßt auch die Anführung Plato de rep. aus und die grammatische Bemerkung daß Aristoteles πραοτης und οργιλοτης nicht gemacht habe. fol. 56.b. zu τιμωρίας και κολασεως Bemerkung über die Lesart im griechischen die auch im lateinischen fehlt. i b i d . Bei den όμιλίαις fängt der Lateiner wieder etwas anders an. Der Lateiner andere Bearbeitung. Eben so bei der αλαζονεία, fol. 57.b. Bei der Ironie haben zum Socrates beide nichts, fol. 58.a. Zu βαυκοπαν. läßt der Lateiner gegen seine Gewohnheit das lyrische fragment aus. Vielleicht rührt das nur vom Uebersezer her dem es beschwerlich war. - Citirt wird Clitarchos ό γλωσσόγραφος welche Bestimmung der Lateiner auch ausläßt. Im lateinischen zu ευτραπελία eine etymologische Bemerkung die im griechischen fehlt, aber nur aus dem Text genomen ist. Daher unser griechisches nur sagt δια τι δε αυτήν ούτως καλεί αυτός τήν αίτίαν λέγει. Ueber die alte und neue Komödie haben beide nichts. | fol. 58.b. Bei der Schaam fängt der Lateiner eben so an, sezt aber doch einiges zu. Sonst hier viel Uebereinstimmung, auch der Schluß gleich.

3 Lateiner] Griechen 5 anfangs] mit Einfügungszeichen über der Zeile 8 Lateiner] folgt (anfangs) 13 etwas] mit Einfügungszeichen über der Zeile 13 an] folgt (ohne Berufung auf das zweite Buch) 14 Lateiner] Latei. 22f αυτήν . . . λέγει] Q: οΐιτως αύτήν όνομάξει τήν αίτίαν λέγει 1 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 86r 2f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio SSr; ed. Heylbut 190,4-7 Sí Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 5 S ν; ed. Heylbut 191,24 6( Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 88v 8f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio S6r; ed. Heylbut 193,19-21 9f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 56r; ed. Heylbut 193,17-19 l l f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 56v; ed. Heylbut 194,33-195,1 17 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio S8r; ed. Heylbut 200,9 18 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 58r; ed. Heylbut 200,12 2 0 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 93r 22f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 58r; ed. Heylbut 200,27f

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Ethik A

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Das fünfte Buch In beiden übereinstimmend dem Michael Ephesius zugeschrieben. έξήγησις[.] Anfang mit Montfaucon übereinstimmend. Das lateinische mit dem griechischen eben so genau übereinstimmend wie im ersten Buch. Mit nicht größeren Abänderungen als welche aus der Verschiedenheit der Abtheilung des Textes und der Freiheit des Uebersezers entstehn. fol. 62.a. unten zu έπεί δέ το ανισον ρ. hat der lateiner eine doppelte Uebersezung und Commentar den einen aus einer Paraphrase, die er nicht nennt. fol. 65.a. herrliche Beispiele zur Proportion Achilles Aias und νομίσματα ή und δ. fol. 66.a. Socrates soll gesagt haben βλαψαι μέν δύνανται, αδικησαι δ' ού. Die Platoniker nannten was der Seele schade αδικεισθαι was dem äußeren dagegen und dem Leibe βλαπτεσθαι. Ich glaube es ist umgekehrt. fol. 67.b. Die Pythagoräer (steht im Text) hätten das άντιπεπονθός zum Princip der Gerechtigkeit gemacht, wovon Aristoteles ausführlicher im ersten Buch der ήθικ. μεγ. gehandelt. fol. 71.a. Ueber die Frage vom φύσει und νόμω δίκαιον nichts historisches. Sondern nur daß indem Aristoteles das δίκαιον bei den Göttern läugne er auf den Piaton sehe, der es annehme. Auch hier nichts genaues. fol. 72.a. έν ταις πολιτείαις habe Aristoteles gezeigt welches die überall sich selbst gleiche beste Verfassung sei. 2f έξήγησις] mit Einfügungszeicben über der Zeile reinstmd. 5 - 7 Mit . . . entstehn.] mit Einfügungszeichen Text)] über der Zeile

3 übereinstimmend] übeam Rand 17 (steht . . .

2 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 59v; Michaelis Ephesii in librum quintum Ethicorum Nicomacheorum commentariam, ed. M. Hay duck, CAG 2213, Berlin 1901, Anm. zu 1,1 fund Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 94v 3 Vgl. Montfaucon: Bibliotheca Coisliniana 220 8 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1130b,lOf, Opera 2,34E; ed. Bywater 92 8 - 1 0 Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 98r l l f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 65r-v; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck, 22,11-23,16 13f Eustratii commentario, ed. Manuzio 66r; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 25,30f 14f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 66r; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 25,28f 1 7 - 1 9 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 67v; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 31,24-26; vgl. Aristoteles: Magna Moralia 1194a,29-1194b,1, Opera 2,97F-G ; ed. Susemihl 40 21f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 71r; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 47,16-18 24f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 72r; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 48,23-25

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i b i d . Auch bei δικαίωμα keine Spur des christlichen, sondern nur citirt δικαιώσει Κόρινθον ό Ζευς. fol. 72.b. Die aus den erhaltenen Erklärungen des dritten Buchs mitgetheilte Stelle ist nicht aus den griechischen Scholien auch nicht aus den lateinischen oder unserm Andronikos. Es soll aber auch gewiß keine wörtliche Anführung sein. fol. 7 5 . a . und 7 4 . b . έκών έκοϋσαν aus Euripides aber auf Bellerophon bezogen. Ist es nicht aus dem Orestes? fol. 7 5 . a . b . Von Glaucus und Diomedes hat der Lateiner wieder alle Verse. fol. 7 7 . a . N o c h einmal daß Piaton άρετή den Göttern beigelegt, Aristoteles nicht, mit Anführung einer Aristotelischen Stelle aber nur έν άλλοις und ich | weiß nicht, w o sie steht. fol. 7 9 . a . noch einmal Erwähnung des Plato daß bei ihm die δικαιοσύνη die ιδιοπραγια των της ψυχής μερών sei. F e l i c i a n u s eine Schlußbetrachtung aber a m Rande ihm selbst zugeschrieben wird. Das

sechste

Buch

In beiden ausschließend dem Eustratius zugeschrieben als έξήγησις (confer das frühere), fol. 8 1 . a . Erwähnung der Tonweisen. i b i d . b . will er die Ordnung aufklären; geht aber doch davon aus er müsse nachdem er von den praktischen Tugenden genug geredet 4 den] korr. aus dem 7 und 74.b.] mit Einfügungszeichen am Rand 9f fol. . . . Verse.] am Rand 16 Schlußbetrachtung] wohl zu ergänzen die 23 praktischen] prakt. 2 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 72v; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 49,13 3f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 72v; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 50,6-16 7f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 7Sr; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 58,27f und Eustratii commentarla, ed. Manuzio 74v; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 56,20f 9f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 126v 11-13 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 77r; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 66,4-9 13 Vgl. Aristoteles: Magna Moralia 1200b, 14f, Opera 2,103 F; ed. Susemihl 59 14f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 79r; Michael Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 72,5f 16f Vgl. Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 121r-122r; vgl. dazu KGA 1/11, Anm. zu 231,20f 19 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 79v; ed. Heylbut 256,lf und Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 122r 20 Vgl. oben 199,3 21 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 81r; ed. Heylbut 262,17-38 22-2 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 81v; ed. Heylbut 264,36-266,5

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nun von den theoretischen handeln, und erklärt nur, warum er die φρόνησις voranschicke. fol. 82.a. kommt auch όλότης vor, wie im ersten, was sich nach Schneider schon im Syrianus findet. i b i d . b. τω δέ πρωτω έ ν ι α ί α ν είναι την γνώσιν. Was heißt das Wort, wenn es nicht verdrukt ist? Felicianus iibersezt „unicam ac singularem", was sich wol bestätigt durch den Zusaz ώς αύτό τοϋτο ένί. fol. 84.a. σ υ ν ε ύ σ ε ω ς verstehe ich gar nicht[;] Felicianus iibersezt ,,consensio"[.] Soll σύννευσις heißen. - 86.b. πρακτικευεσθαι. fol. 87.a. beim Agathon. Es sieht aus wie ein einzelnes zugeschriebenes Scholion, ist es aber nicht, sondern geht in das ganze hinein. όντότης. fol. 89. τα τηδε sind σκιαΐ δια τό παρερχεσθαι, jeder Schatten aber άναφέρεται προς άρχέτυπον. fol. 92.b. Wenn die Weisen das θείον auch φρονιμον nannten, so geschehe es weil für διοικησις das αρχετυπον die οικονομική und πολιτική sei. - τ υ φ λ ω τ τ ε σ θ α ι passim - έπεξέλευσις für διήγησις. fol. 95.a. Zwischen der λογική ψυχή und der φύσις lägen noch ζωαί ^τεραι, εντελέχειαι αχώριστοι σωμάτων ob er die Seelen der Thiere meint, oder das θρεπτικόν geht nicht hervor. | i b i d . Die Bemerkung über den Phidias hat wol hervorgebracht 6v die im Text vorkomende Unterscheidung λιθουργός und ανδριαντοποιος. Beim Polyclet übersezt Felicianus έν τοις λίθοις durch „e metallo". 9 Felicianus] Felic. 10 Soll ... heißen] am Rand 14 f o l ] darüber fol 21 hervor] korr. aus unleserlichem Wort 24 übersezt] korr. aus unleserlichem Wort 24 Felicianus] Felician. 3 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 82r; ed. Heylbut 267,33 3 Vgl. oben 190,11 3f Vgl. Schneider: Wörterbuch, Bd. 2, 145 5 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 82v; ed. Heylbut 268,30 6f Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 12Sr 71 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 82v; ed. Heylbut 268,30 9 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 84r; ed. Heylbut 274,4 10 Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 127r 10 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 86v; ed. Heylbut 284,38 11 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 87r; ed. Heylbut 287,1-10 12f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 87v; ed. Heylbut 289,26f 14f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 89r; ed. Heylbut 294,16f 16-18 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 92v; ed. Heylbut 308,19-23 18 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 93 ν; ed. Heylbut 311,36 18 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 94v; ed. Heylbut 316,23 19f Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 95r; ed. Heylbut 317,32-35 22 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 95r; ed. Heylbut 318,28f 23f Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 95r; ed. Heylbut 319,16-21; vgl. dazu KGA 1/11, 226,3-6 24f Aristoteles: Moralia Nicomachea, ed. Feliciano 139v

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Über die Scholien zur Nikomacbischen

Ethik A

fol. 95.b. Die θεολογία wäre die erste Wissenschaft als περί τ ά άρχικώτερα των όντων, die ούσία wäre erst das dritte κ α τ ά τους περι Πλάτωνα und ihnen gefiele nicht daß Aristoteles sage, die Mathematik sei περί τ α έξ άφαιρέσεως. ibid. M a r g i t e s . Dessen erwähnt auch Clemens aber auf den beruft sich Eustratius nicht. fol. 96.b. bemerkt er sage oft δέ statt γαρ. fol. 9 8 . a . Piatons Heroen und Dämonen als übermenschlich erwähnt. Auch daß die "Ελληνες den Weltkörpern eigne Seelen gäben. Z u Anaxagoras und Thaies keine Anekdoten. fol. lOO.b. eine Variante πολυπράγμονες und φιλοπράγμονες. fol. 1 0 1 . b . Die Geometrie gehe auf ακίνητα μεγεθη, die Astronomie auf κινούμενα. fol. 1 0 3 . b . αίσθητικόν πνεΰμα wird das sinnliche Wahrnehmungsvermögen genannt. fol. 1 0 4 . b . zu πραττειν μεν ταχυ, βουλευεσθαι δέ βραδέως. Dieses Sprichworts bediene sich auch I s o c r a t e s εν ταΐς πρός Νικοκλέα ύποθηκαις. fol. 11 O.a. Demosthenes angeführt. - ε ύ ό δ ω σ ι ς . fol. I l l .b. Piatonis Timaios. fol. 1 1 3 . b . Thucydides. fol. 1 1 6 . a . Daß Socrates gesagt die Tugenden seien επιστημαι. Weiter nichts geschichtliches.

10 Anaxagoras] Anaxag. 16 1 0 4 . b . ] 2 0 Piatonis] davor ( T h u c y d i d e s . )

105.a.

20 111] korr.

aus

113

1 - 4 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 95v; ed. Heylbut 320,18-22 5 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 95v; ed. Heylbut 320,36-321,IS 5 Vgl. Clemens von Alexandreia: Stromata 1.4.25,1, Opera quae exstant, ed. J. Potter, Bd. 1, Venedig 1757, S. 329f; ed. O. Stählin, GCS 15, Leipzig 1906, S. 16 7 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 96v; ed. Heylbut 325,15f 8f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 98r; ed. Heylbut 329,23-30 11 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio lOOv; ed. Heylbut 339,35-340,4 12f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lOlv; ed. Heylbut 345,8-13 14f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 103v; ed. Heylbut 352,17 16 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1142b,4f, Opera 2,46 C; ed. Bywater 123 1 6 - 1 8 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 104v; ed. Heylbut 355,6f 19 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio llOr; ed. Heylbut 378,21-26 19 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 112v; ed. Heylbut 388,16 20 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lllv; ed. Heylbut 385,6f 21 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 113v; ed. Heylbut 393,1-5 22 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 116r; ed. Heylbut 403,4

[Über die Scholien zur Nikomachischen

Ethik B]

E u s t r a t i u s weiß nicht ob die Nicom. an den Sohn des Aristoteles oder an einen andern gerichtet ist. Er kennt auch die Eudemia als an einen gewissen Eudemos. (schreibt εύδημεια.) Zu N i c o m . 1,3. έν τοις έγκυκλίοις. Eustratius 1 ^] φασί τόν Αριστοτέλην επη τινά έκθέσθαι έπιτηδές κατά τινα άριθμόν συμποσούμενα έν έτέρα και έτέρα θέσει και τάξει, ών έκάστη άπό τοΰ αύτοΰ τε ήρχετο, και εις τό αύτό κατέληγε, διό και έγκύκλια ταΰτα ώνόμασεν, οις ήμεΐς μέν ουκ ένετύχομεν, είσί δέ οΐ περί τούτων Ιστόρησαν. i b i d . 11. Εν τοις ήρωϊκοΐς δέ είπε περί Πριάμου, τό μέν διά τό κρείττω είναι "Ομηρον των λοιπών ποιητών, οΐ περί Πριάμου γεγράφασιν έν έπεσιν έκτεθεικότες τήν ποίησιν· τό δέ διά τό τα περί αύτοΰ ίστορηθέντα τοις ποιητάϊς ώς τά έν μυθοΐς είρημένα ποιητικοΐς άλληγορεΐσθαί τε και άνάγεσθαι. ή ϊσως ήρωικά λέγεται άπλώς τά περί ήρώων λεγόμενα, ήρωας δέ έκάλουν οί παλαιοί τους παρ "Ελλησιν εύγενεΐς και άγαθούς έν ταΐς πράξεσι. i b i d . 12. Δοκεΐ δέ και Εΰδοξος. - Φιλόσοφος ό Ενδοξος. Ούτος τήν ήδονήν έπαινών pp. i b i d . 13. θεωρητέον δή τώ πολιτικώ και περί ψυχής. Auch unser Scholiast hiebei nicht die leiseste Berufung auf die Bücher de anima. Nachzusehn ist aber noch ob in diesen die Frage berührt ist, ob das λογικόν und das αλογον zwei άχώριστα wären, die sich verhielten wie das κοίλον und κυρτον. 1

fol. 10.a

4 εύδημεια.)] εύδημεια.

25 fol. 10.a] am Rand

2 - 4 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio lv; ed. Heylbut 4,17-21 5 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1096a,3, Opera 2,3 A; ed. Bywater S 5 - 1 0 Eustratii commentario, ed. Manuzio lOr; ed. Heylbut 37,32-36 11 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1100a,7f, Opera 2,6F; vgl. ed. Bywater 15 11-17 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 24r; ed. Heylbut 92,10-16 18 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1101b,27, Opera 2,8 C; ed. Bywater 20 18f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 28r; ed. Heylbutl07,12f 20 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1102a,23, Opera 2,8F; ed. Bywater 21 2 2 - 2 4 Vgl. dazu Eustratii commentarla, ed. Manuzio 29v; ed. Heylbut 112,2-36

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Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik Β

i b i d . i b i d . Λέγεται δέ περί αύτης καί έν τοις έξωτερικοΐς λόγοις άρκούντως ενια, καί χρηστέον αύτοΐς. Eustratius[:] Των άριστοτελικών συγγραμμάτων τα μεν προς τους κοινώς άκροωμενους της αύτοΰ διδασκαλίας έκδέδοται έν ταΐς κοιναΐς διατριβαις άναγινωσκόμενα καί προς τους αύτοΰ μαθητάς άμέσως διασαφούμενα, τα δέ κατ' ιδίαν πρός τινας εξωθεν προσπεφώνται, εκαστον αυτών προς Εκαστον τών ζητούντων τοις ζητουμένοις πράγμασιν ίκείως έκτεθειμένον. έκεΐνα μεν ούν άκροαματικά όνομαζόμενα έστιν, έπεί ώς ειρηται πρός τούς κοινώς άκροωμένους γεγένηται, ταύτα δέ έξωτερικά, διότι τούτων έκαστον πρός τινα ξητήσαντα γέγραπται Εξω της κοινής άκροάσεως. Ohne irgend ein Beispiel, und ohne zu sagen ob er solche kenne oder nicht. Die Scholien des ersten Buches haben keine Art von Schluß, und die lv des zweiten keine | Art von Anfang. Doch werden sie in der Ueberschrift einem andern, einem Anonymus oder dem Aspasius zugeschrieben. II. Buch fol. 32.a. ώς και Ευριπίδης φησιν άλλ' έμπειρια εχει τι λέξαι τών νέων σοφώτερον. fol. 33.b. διό θαυμάσειέ τις δν τών Πλατωνικών τούς τήν άπάθειαν εισάγοντας. Eben so ist es am Ende des zweiten und Anfang des dritten Buches, welches jedoch die Ueberschrift gradezu άνωνύμον benennt. - Offenbar aber ist der S c h o l i a s t d i e s e s 3. B u c h e s weit besser als der des ersten: er geht verständiger in die Sachen hinein sezt die Aristotelischen Anführungen aus einander, und führt selbst ohne Veranlassung Beispiele an. Auch dieses Buch endet ohne Schluß. Und eben so fängt das v i e r t e ohne Prooemium an[.] - Wo auf Simonides angespielt wird klärt er nichts auf, und weiß nur von ihm aus Theophrast. Doch führt er an, die λύπη εύλογως nannten die Stoiker συστολή. Bei der ανελευθερια führt er eine Menge nuancirter Benennungen aus dem gemeinen Leben an. - Bei der μεγαλοπρεπεια zu καί 17-20 II. . . . εΙσάγοντας.] am Rand derselbe) 31 ανελευθερια] ανελευθ.

17 Buch] B. 27 Wo] davor (Nicht mehr 32 gemeinen] gern0

lf Aristoteles: Ethica Nicomachea 1102a,26f, Opera 2,8 F; ed. Bywater 21 2 - 1 1 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 29r; ed. Heylbut 111,21-28 14-16 Vgl. oben 191,17 17f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 32r; ed. Heylbut 122,lOf 19f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 33P; ed. Heylbut 127,7f 22 Vgl. oben 193,21 27i Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio Slr-v; ed. Heylbut 180,15-25 29Í Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 51r; ed. Heylbut 180,14f 31f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 52r; ed. Heylbut 182,15-29 3 2 - 2 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 53v; ed. Heylbut 186,8-20

Über die Scholien zur Nikomachischen

Ethik Β

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κωμωδοΐς χορηγών kommen doch mehrere Anführungen würdig des 3. Scholiasten. Am Ende notirt er daß er von der αιδώς doch geredet hat und die νέμεσις übergeht. - Es mag doch wol derselbe sein mit dem vorigen. Das fünfte Buch fängt mit einem prooemium an. - f. 61.a. ή γαρ ηθική και ή πολιτική τω σκόπω διαφέρουσι μόνω. έπεί άμφοτέραις περί άρετής ή πραγματεία, άλλα τη μέν ηθική ένός έκάστου διά των άρετών ή ευταξία και εύσταθία σκοπός, τη δέ πολιτική ή τής πόλεως; welches nicht recht Aristotelisch ist. ibid. zu έν δε δικαιοσύνη συλλήβδην ρ - ή δέ παροιμία Θεόγνιδός έστιν ώς Θεόφραστος φησιν έν τω πρώτω Περί ήθών· έν δέ τω πρώτω των ήθικών ώς φωκυλίδης αύτοϋ μέμνηται. και ουδέν θαυμαστόν και φωκυλίδην αύτω και θεόγνιν χρήσασθαι. fol. 72. Zu λέγω δέ έκούσιον μέν ώσπερ και πρότερον εϊρηται sagt er, da hievon im 3. Buch geredet worden so wolle er έκ τών έκεΐσε γεγραμμένων τοις έξηγηταΐς σχολίων έτι σωξομένων das nöthige beibringen. Woraus man deutlich sieht, daß er nicht derselbige ist. Zum Euripideischen Vers im lezten Kap. wird nichts beigebracht, fol. 77. ó μέν οΰν Πλάτων άρετήν είναι έν τοις θεοΐς. Αριστοτέλης δέ ούκ άποδέχεται τό δόγμα, φάσκων έν άλλοις (wo?) έάν ή άρετή μετρητή (μετρεΐ) και τάττει τά πάθη, έστι δέ έν θεοις άρετή, έσονται έν αύτοΐς και τά πάθη. Sonst ist mir nichts merkwürdiges aufgefallen. Uebrigens scheint der Commentar in einem beschränkten Sinne nicht übel, er geht genau in die gramatischen Auseinandersezungen hinein. Ohne Schluß. | Das s e c h s t e B u c h beginnt mit einem prooemium an die βασιλίς θεοσεβής, wird wieder dem Eustratius zugeschrieben, und der Verfasser sagt auch die Königin habe früher von ihm einen Commentar über das erste Buch verlangt, und nun über das sechste. Da er nun auch in dem Abriß den er von dem Fortschritte des Aristotelischen 21 Etm] davor (|και|) 3f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 59r; ed. Heylbut 204,12-16 5 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 59v; Michaelis Ephesii in librum quintum Ethicorum, ed. Hayduck 1,3-16 5 - 9 Eustratii commentaria, ed. Manuzio 61r; ed. Hayduck 6,16-29 10 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1129b,29f, Opera 2,33 H; ed. Bywater 91 1 0 - 1 3 Eustratii commentaria, ed. Manuzio 61r; ed. Hayduck 8,11-14 14 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1135a,23, Opera 2,39A; ed. Bywater 104 15f Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 72v; vgl. ed. Hayduck 50,6-9 18 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1136a,13f, Opera 2,39 G; ed. Bywater 106 1 9 - 2 2 Eustratii commentaria, ed. Manuzio 77r; vgl. ed. Hayduck 66,6-9 2 0 Vgl. oben Anm. zu 200,13 26f Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 79v80r; ed. Heylbut 256,3-258,30 2 7 Vgl. Eustratii commentaria, ed. Manuzio 79v; ed. Heylbut 256,lf 2 7 - 2 9 Vgl. oben Anm. zu 187,21f 2 9 - 1 Vgl. oben Anm. zu 187,22-188,2

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Über die Scholien zur Nikomacbischen

Ethik Β

Werkes giebt keiner andern Arbeiten von sich erwähnt: so ist klar daß Eustratius keines von den zwischenliegenden Büchern commentirt hat. - Nur scheint mir hieraus noch nicht zu folgen daß unser erstes Buch vom Eustratius ist; vielmehr unwahrscheinlich daß dieses sollte ganz ohne Anrede an die βασιλις gewesen sein. Also wäre die Aehnlichkeit beider recht genau zu untersuchen. Auf den ersten Anblik gleich erscheint das sechste gehaltreicher und ausführlicher. Auch wird fol. 82.b. das β. περί ψυχής citirt. - fol. 83.b. fängt eine große Diatribe, daß es unnatürlich sei das άλογον herrschen zu lassen mit den Worten an εμοί γάρ τηλος ένστηναι πρός τους λαλοΰντας τά μάταια καί έγκαυχωμένους τοίς πάθεσιν und schließt f. 8 4 . b . mit einer Schmähung auf den Ψευδοπροφήτην. - öv άραβες και αιγύπτιοι και πέρσαι . . . προφήτη ν έαυτών καί νομοθέτη ν κηρύττουσιν. fol. 87.a. zu dem Verse des Agathon im 2. Kap. keine gelehrte Bemerkung. - fol. 89.a. zu cp. 3 έν τοις άναλυτικοΐς - καί των ύστέρων άναλυτικών άπαρχόμενος. - fol. 90.a. zu Cap. 4 πιστεύομεν δέ καί περί αύτών καί τοις εξωτερικοϊς λόγοΐς sagt er λαβών ώς όμολογούμενον τό 'έτερα είναι άλλήλων τήν ποίησιν καί τήν πρδξιν, βεβαιοϋται τοϋτο έκ τής κοινής ύπολήψεως, καί λέγει πιστήν είναι τήν τούτων διαφοράν, έξ ών άπαντες περί αύτών κοινώς ύπολαμβάνουσιν άνθρωποι, έξωτερικούς δ' όνομάξει λόγους, ους Εξω τής λογικής παραδόσεως κοινώς τά πλήθη φασί. confer die schlechte Erklärung im ersten Buche. fol. 95.a. zu οίον Φειδίαν λιθουργόν σοφόν cap 7 läßt er sich vernehmen ούτος γάρ λιθοξόος ύπάρχων καί μιμήσεις πραγμάτων έν λίθοις ποιούμενος, τήν δυνατήν άκρίβειαν έν τοις λίθοις γίνεσθαι περί τάς παρ' αύτοϋ γινομένας έπιδείκνυται μιμήσεις ζώων σχήματα μιμούμενος καί φυτών καί άλλων τινών pp. fol. 95.b. zu Ομηρος εν τώ Μαργείτη cp 7 heißt es[:] παράγει δ' εις 15 3] korr. aus 4

22f confer ... Buche.] am Rand

8 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 82v; ed. Heylbut 268,If lOf Eustratii commentario, ed. Manuzio 83v; ed. Heylbut 272,13f l l f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 84v; ed. Heylbut 277,5-13 12f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 84v; ed. Heylbut 277,7f 14 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 87r; ed. Heylbut 286,36-287,10 15 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1139b,27, Opera 2,43 E; ed. Bywater 116 15f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 89r; ed. Heylbut 294,35 16f Aristoteles: Ethica Nicomachea 1140a,2f, Opera 2,43 E; ed. Bywater 116 17-22 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 90r; ed. Heylbut 298,26-31 23 Vgl. oben Anm. zu 191,12 24 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1141a,10, Opera 2,44 G ; ed. Bywater 119 25-28 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 96r; ed. Heylbut 319,15-19 29 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1141a,14, Opera 2,44G; ed. Bywater 119 29-5 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 95v; ed. Heylbut 320,36-321,1

Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik Β

5

ιο

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μαρτυρίαν του είναι τον ολως σοφόν έτερον παρά τόν τινά σοφόν και τινά ποίησιν μαργίτην όνομαζομένην όμήρου· μνημονεύει δ' αύτης ού μόνον αυτός Αριστοτέλης έ ν τ ω π ρ ώ τ ω π ε ρ ί π ο ι η τ ι κ ή ς , άλλα και 'Αρχίλοχος καί Κρατίνος και Καλλίμαχος έν τοις έπιγράμμασι καί μαρτυποϋσιν είναι Ό μ ή ρ ο υ το ποίημα. fol. 9 6 . a . αί γαρ άρχαί των έπιστημών είς τρία διαιρούνται, άξιώματα, υποθέσεις αιτήματα. Darauf wird Ptolemaios [ angeführt 2υ so wie fol. 9 8 . b . ό χαιρωνεύς Πλούταρχος, fol. lOO.b. zu διό καί Εύριπίδης cp 9 - καί τον τραγικόν Ε υ ρ ι π ί δ η ν παράγων είς μαρτυρίαν ούτωσί λέγοντα έν τω φ ι λ ο κ τ ή τ η . fol. 1 1 5 . b . zu διόπερ φασί πάσας τάς άρετάς φρονήσεις είναι- καί Σωκράτης τη μέν όρθώς έξήτει Cap 13 heißt es[:] καί τον παρά Πλάτωνα Σωκράτην είς μέσον αγει έν τη πολιτεία pp. Wiewol nun die Vorrede nur einen Commentar zu diesem Buch ankündigt, so schließt es doch ohne irgend einen Epilog. Das S i e b e n t e B u c h fängt mit einer Einleitung an. Der Charakter von vorn herein schlichter, der Text auf eine wunderliche Weise mit untergemischt. - Im dritten Kapitel über Sokrates gar nichts, nicht einmal daß es aus dem Piaton ist. Das vom σοφιστικός λόγος ψευδόμενος scheint er gar nicht verstanden zu haben. fol. 1 2 3 . a . όμοίως δέ καί τά αφροδίσια ήδέα ε ί σ ί καί άναγκαΐα τοις £χουσι λιθίτιν νόσον ή νεφρίτιν. fol. 124.a. Zu Σ ά τ υ ρ ο ς ό φ ι λ ο π ά τ ω ρ ε π ι κ α λ ο ύ μ ε ν ο ς cp [6] erklärt er. Οΰτος γαρ έρών τίνος κόρης καί προς την μοιχείαν τον έαυτοΰ πατέρα εύρών Σώστρατον συνεργοΰντα τοσούτον έκ τότε τόν έαυτοΰ πατέρα έφίλησεν, ώστε καί του πατρός τελευτήσαντος έαυτόν κατεκρήμνισε. fol. 124.b. Zu der Stelle von den unnatürlichen Gelüsten cp [6] ή Λαμία γυνή τις ήν περί τόν Πόντον, ήτις διότι άπώλετο τά ούκεΐα 5 τό] folgt (έπί)

12 έζήτει] έζήται

13 Σωκράτην] korr. aus Σωκρατήν

6ί Eustratii commentarla, ed. Manuzio 96r; ed. Heylbut 321,29f 7 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 96r; ed. Heylbut 322,4f 8 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 98v; ed. Heylbut 331,32-3S 9 Vgl. Aristoteles: Etbica Nicomachea 1142a,2, Opera 2,45 F; vgl. ed. Bywater 121 9f Eustratii commentarla, ed. Manuzio lOOv; ed. Heylbut 340,4f l l f Aristoteles: Ethica Nicomachea 1144b,17-19, Opera 2,48D; vgl. ed. Bywater 129 12f Eustratii commentario, ed. Manuzio llSv; vgl. ed. Heylbut 400,30f 14f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 79v; ed. Heylbut 256,26-257,12 16 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 117v; ed. Heylbut 407,3-408,11 19f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 119v-120r; ed. Heylbut 414,21-26 21f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 123r; ed. Heylbut 423,25-27 23 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1148a,34-1148b,l, Opera 2,52 C; ed. Bywater 138 24-27 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 124r; ed. Heylbut 426,23-26 2 8 - 1 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 124v; ed. Heylbut 427,38-40

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Über die Scholien zur Nikomachischen

Ethik Β

τέκνα τά των άλλων γυναικών βρέφη ήσθιεν. Paßt weder genau zu der Stelle noch sieht es aus wie dichterische Tradition, sondern Behufs der Erklärung erdacht. Ferner ό δέ φάλαρις λέγεται φαγείν τον έαυτοΰ παίδα, und και ό Ξέρξης ό των Περσών βασιλεύς μανείς ί-φαγε τήν έαυτοΰ μητέρα κρεουργήσας. - έσθίειν κ α ρ β ώ ν α ς . Das bemerkt schon Spanheim daß diese Scholien auch nicht können vom Aspasius sein. fol. 127.b. zu ό Θεοδέκτου φιλοκτήτης pp einige Notizen aber sehr allgemein; ich weiß nicht ob einige Worte als Fragment zu nehmen sind. Hernach aber vom Xenophantus weiß er gar nicht ob der auf das Lachen geht, oder ob er auch ist von der Schlange gebissen worden. fol. 130.a. Beim Uebergang zur ήδονή nur Geschwäze über den πολιτικός. fol. 131.a. ein weit ausgeführtes Beispiel vom Kräzigen der die Kochhize liebt. Ist der Mann ein Arzt? So auch 134b am Ende bei den μελαγχολικοις. Das Buch schließt ohne ohne irgend einen Epilog. Das A c h t e B u c h fängt an mit dem Text ohne alle Einleitung. Die Erklärung nimmt hier Rüksicht auf die φίλια welche in der Tafel als eine μεσοτης angeführt ist zwischen κολακία und έχθρα; aber ohne der Stelle zu erwähnen. Nur daß hier statt 'έχθρα steht ανώνυμός τις διάθεσις οίον άγροικότης τις. - Den Empedocles übergeht er. fol. 137.a. eine Definition der Freundschaft εύνοια έν αντιπεπονθόσιν μή λανθάνουσα. fol. 141.a. ζητήσαι δ' άν τις περί των καθ' ύπεροχήν φιλιών πότερον έν τοις είρημένοις εϊδεσι γίνεται ή άλλα τινά φιλίας εϊδη ταΰτα εστι. λέγει δέ και Ε ϋ δ η μ ο ς και Θ ε ό φ ρ α σ τ ο ς ότι καί καθ' 2 dichterische] dicht.

16 Arzt?] Arzt.

2 4 Freundschaft] Frdschft.

3f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 124v; ed. Heylbut 428,4 4f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 124v; ed. Heylbut 428,1 Of 5 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 124v; ed. Heylbut 428,13 5 - 7 Vgl. KGA Uli, Anm. zu 232,20-22 8 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomacbea 1150b,8f, Opera 2,54 C; ed. Bywater 144 10 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 127v; ed. Heylbut 437,9-13 13f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 130r; ed. Heylbut 444,26—445,4 15f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 131r; ed. Heylbut 447,40-448,6 16 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 134v; ed. Heylbut 459,1-10 2 0 Vgl. Aristoteles: Ethica Eudemia 1221a,7, Opera 2,122 E; edd. Walzer/Mingay 26 22f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 136r; Aspasii in Ethica Nicomachea quae supersunt commentarla, ed. G. Heylbut, CAG 19/1, Berlin 1889, S. 158,lf 23 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1155b,6f, Opera 2,59 B; ed. Bywater 157 24f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 137r; Aspasii in Ethica Nicomachea 163,12f, ed. Heylbut 2 6 - 1 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 141r; Aspasii in Ethica Nicomachea, ed. Heylbut 178,1-4

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υπεροχήν φιλίαι έν τοις αύτοΐς γίνονται ρ. O b dies in unserer Eudemischen | steht? Das Buch schließt wenigstens mit den Worten και περί μέν τούτων τάδε μοι ε'ίρηται. Das N e u n t e Buch wird in der Ueberschrift wieder dem Eustratius zugeschrieben. Es hat ein Prooemium (worin auch vorkommt διώρίσται τ ω Αριστοτέλει έν τ ω δευτέρω των μεγάλων ηθικών,) welches den Inhalt des Achten Buchs in kurzem recapitulirt. Gleich Anfangs fol. 145.a. ώς ó μέγας Βασίλειος εν τ ω θεολόγφ κάκεΐνος έν τω μεγάλω Βασιλείφ. Als Beispielsnamen kommen vor erst Polemarchos und Antisthenes beim Loskaufen; dann bei der διάλυσις της φιλίας Lysias der Redner und Phaedrus. fol. 151.a. τό πολυκέφαλον, ώς φησί Πλάτων, θρέμμα τήν επιθυμίαν. fol. 152.a. ώς αυτός Αριστοτέλης έν άλλοις λεγει. Von der εΰνοια einiger Griechen gegen Dareios den sie nie gesehn und von der er nichts weiß. Die Stelle steht ich weiß nicht gleich in welcher Ethik. fol. 153.b. Ueber die Anführung des Epicharmos etwas nicht befriedigendes und wahrscheinlich verdorbenes. Ueber die Anführung der Phoenissen vorher wird als über etwas bekanntes weggegangen. fol. 158.a. Zu οταν δ' ό δαίμων εΰ διδω τί δει φίλων sagt er τό δ' pp. έστιν έκ του Ό ρ έ σ τ ο υ τοϋ Εύριπίδου. fol. 160.a. Erwähnung der Pythagoräischen Systoichien. Das Buch schließt mit ώδε μέν ούν πεπλήρωται τό Ί ω τ α των ήθικών Νικομαχείων καί αί είς αυτό σχολίαι.

23 Pythagoräischen] Pythag. 3f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 145r; Aspasii in Ethica Nicomachea, ed. Heylbut 186,29 5 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 145r; ed. Heylbut, Anm. zu 461,If 6 - 8 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 14Sr; ed. Heylbut 461,3-462,11 6f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 14Sr; ed. Heylbut 461,13f 9f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 145r; ed. Heylbut 462,19f 11 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 147v-148r; ed. Heylbut 471,19-32 llf Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 149r; ed. Heylbut 475,7-12 13f Eustratii commentario, ed. Manuzio 151r; ed. Heylbut 483,2f 15 Eustratii commentario, ed. Manuzio 152r; ed. Heylbut 486,15 1 5 - 1 7 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 152r; ed. Heylbut 486,15-18 17 Vgl. Aristoteles: Magna Moralia 1212a,4-6, Opera 2,113 G; ed. Susemihl 95 18f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 153v; ed. Heylbut 492,12-18 20 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1167a,33, Opera 2,70G; ed. Bywater 188 21 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1169b,7f, Opera 2,72 G; ed. Bywater 193 21f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 158r; ed. Heylbut 508,21f 23 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 160r; ed. Heylbut 515,22-24 24f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 163v; ed. Heylbut 528,30f

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Über die Scholien zur Nikomachischen Ethik Β

Das z e h n t e Buch dem Eustratius zugeschrieben fängt an mit einem prooemium bemerkt daß es καππα überschrieben wurde, der Hauptinhalt angeführt. Plotinus angeführt. fol. 165.a. zu Εΰδοξος μεν οΰν τήν ήδονήν τάγαθον φετο είναι bemerkt er wie die Platoniker durch τ' oder durch αύτο die ειδητικάς άρχάς zu bezeichnen pflegtenf,] von Eudoxus aber, und wie er als ein Platoniker habe können die ήδονη für das άγαθόν halten kommt nichts weiter vor. i b i d . b . φύσιες ζώων άδίδακτοι, ώς θειος 'Ιπποκράτης εϊρηκεν. Etwas weiter hin wo Platon angeführt hat weiß er auch gar nichts belehrendes beizubringen. fol. 166.b. S p e u s i p p o s dessen im Text nicht erwähnt wird habe gelehrt daraus daß die λύπη ein κακόν sei folge nicht daß die ήδονή ein αγαθόν sein müsse; denn Ein Uebel sei auch dem andern entgegengesezt. - fol. 167.b. wird εύ τω τρίτω των φυσικών angeführt. E b e n da s. Die Widerlegung die ηδονή sei keine γενεσις gelte dem Piaton. fol. 175.a. Zu dem Eselsspruch des Heracleitos sagt er το δέ λεγόμενον υπό της λέξεως Ηρακλείτου του Έφεσίνου και έμοΰ πολίτου, το όνους σύρματ' άν έλέσθαι μάλλον ή χρυσόν. σύρματα τον χόρτον Ηράκλειτος λέγει. Sollte also nicht dieses Buch von Michael Ephesius sein[?] [ fol. 177.a. και διττόν αύτόν (seil, τόν εύδαίμονα βιον) ίνα μέν τον έκ ψυχής και σώματος, φ και το ει> ξήν και εύδαιμονεΐν έν τω κατά τάς άρετάς ζήν ειπεν έν τ ο ι ς μ ε γ ά λ ο ι ς ή θ ι κ ο ΐ ς ώς και έν τω πρώτω τώνδε βιβλίω. i b i d . οΰθ' ό παις (sc. ευδαίμων) ώς έν τ ο ι ς μ ε τ ά τ ώ ν η θ ι κ ώ ν είπε. - i b i d . b . ή τε πρακτική (sc. άρετή) ή και ήθικήν και 1 dem . . . zugeschrieben] am Rand mit Einfügungszeichen er 13 daraus] darö 2 7 (sc. εύδαίμων)] sc. ευδαίμων

10 wo] wohl zu ergänzen

1 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 164r; ed. Heylbut, Anm. zu 529,1 l f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 164r; ed. Heylbut 529,2-24 2 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 164r; ed. Heylbut 529,3 3 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 164r; ed. Heylbut 529,21 4 Aristoteles: Ethica Nicomachea 1172b,9, Opera 2,76A; ed. Bywater 200 5f Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 165r; ed. Heylbut 533,12-24 9 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 165v; ed. Heylbut 534,17 10 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 166r; ed. Heylbut 536,14f 1 2 - 1 5 Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 166v; ed. Heylbut 539,2-5 15 Eustratii commentario, ed. Manuzio 167v; ed. Heylbut 542,6 16f Vgl. Eustratii commentario, ed. Manuzio 167v; ed. Heylbut 542,37-543,3 1 8 - 2 1 Eustratii commentario, ed. Manuzio 175r; ed. Heylbut 570,21-23 2 3 - 2 6 Eustratii commentario, ed. Manuzio 177r; ed. Heylbut 576,26-29 271 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 177r; ed. Heylbut 577,25 2 8 - 2 Eustratii commentario, ed. Manuzio 177v; ed. Heylbut 578,14-16

Über die Scholien zur Nikomacbischen

Ethik Β

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πολιτικήν oí έκ του περιπάτου καλοϋσιν, ol γαρ Πλατωνικοί έτέρας είναι λέγουσι τάς πολιτικός των ηθικών. fol. 179.a. ούκ αύταρκής οΰτε ή άρετή μόνη πρός εύδαιμονίαν. και δέδεικται τοΰτο τ ω έ ξ η γ η τ η Ά λ ε ξ ά ν δ ρ ω έν τ ι ν ι τ ω ν αύτοΰ μονοβιβλίων. fol. 180.b. Τινές μέν Θεόγνιδός φασιν είναι τήν γνωμήν ταύτην, οί δε Σώλωνος. Es ist aber in dem Text, wie er hier steht, keine andre Gnome als άνθρωπον δντ άνθρώπινα φρονεΐν, was wol von keinem von beiden sein kann. fol. 182.b. ότι δε ένέργεια θεοΰ και μακαριότης έν θεωρίςχ και ού πράξει δέδεικτος μέν φιλοσόφως έν τω Λ των μετά φυσικά τά· δείκνυσι δέ και νυν ένδόξως. fol. 186.a. führt er die Politik an. Es schließt mit einem Epilog; aber doch nur als Scholion εις τό κάππα so daß man nicht schließen kann derselbe habe alle Zehn commentirt.

3-5 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 179r; ed. Heylbut S84,1-3 6f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 180v; ed. Heylbut 591,14 7 Vgl. Aristoteles: Ethica Nicomachea 1177b,32, Opera 2,81 B; ed. Bywater 214 10-12 Eustratii commentarla, ed. Manuzio 182v; ed. Heylbut 597,23-25 13 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 186r; ed. Heylbut 610,8f 14 Vgl. Eustratii commentarla, ed. Manuzio 189r; ed. Heylbut 620,15-20 14f Eustratii commentarla, ed. Manuzio 189r; ed. Heylbut 620,15

Buttmann und Schleiermacher

über

Heindorf und Wolf.

Berlin 1816. In der Realschulbuchhandlung.

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