Kirche und Friedenspolitik nach dem 11. September 2001: Protestantische Stellungnahmen und Diskurse im diachronen und ökumenischen Vergleich - Kontexte, Neue Beiträge zur historischen und systematischen Theologie, Band 38 9783767570948

Die geopolitischen Veränderungen nach dem Ende des Kalten Krieges und durch den auf die Terroranschläge des 11. Septembe

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Kirche und Friedenspolitik nach dem 11. September 2001: Protestantische Stellungnahmen und Diskurse im diachronen und ökumenischen Vergleich - Kontexte, Neue Beiträge zur historischen und systematischen Theologie, Band 38
 9783767570948

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Kirche und Friedenspolitik nach dem 11. September 2001
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
0 Einleitung
1 Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik
2 Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen
3 Die Kirche und der Frieden
4 Weltkriege, Nachkriegszeit und „Kalter Krieg“
5 Nach der deutschen Wiedervereinigung
6 Die Anschläge des 11. September 2001
7 Der Krieg in Afghanistan
8 Die Irak-Krise
9 Der Irak-Krieg
10 Resümee
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Register

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Kontexte. Neue Beiträge zur historischen und systematischen Theologie Begründet von Johannes Wirsching Herausgegeben von Bernd Oberdorfer

Band 38

Bernd Kirchschlager Kirche und Friedenspolitik nach dem 11. September 2001 Protestantische Stellungnahmen und Diskurse im diachronen und ökumenischen Vergleich

Die Umschlagabbildung zeigt eine Tomahawk Block IV Cruise Missile (Testflug vom 10. November 2002, Foto US Navy). Die Bibelzitate folgen der Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Edition Ruprecht Inh.Dr.R.Ruprecht e.K. Postfach 1716, 37007 Göttingen – 2007 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG.

Layout: mm interaktiv, Dortmund Satz: Bernd Kirchschlager Umschlag: klartext, Göttingen Druck: buch bücher dd-ag, Birkach ISBN: 978-3-7675-7094-8

Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................9 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6

Einleitung..................................................................................11 Eingrenzung des Themas ............................................................................... 12 Leitfragen ............................................................................................................ 13 Stand der Forschung ........................................................................................ 14 Beitrag dieser Arbeit zur Forschung............................................................ 19 Arbeitsschritte.................................................................................................... 20 Methodik ............................................................................................................. 22

1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.4 1.5

Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik ..............................23 Zum Begriff Politik........................................................................................... 23 Geschichtliche Erfahrungen der Kirche mit der Politik........................ 24 Altes Testament................................................................................................. 25 Neues Testament............................................................................................... 28 Frühes Christentum und Mittelalter ........................................................... 32 Luthers Zwei-Reiche-Lehre ............................................................................ 33 Kritik an der Zwei-Reiche-Lehre Luthers .................................................. 36 Der moderne Staat............................................................................................ 37 Das Wächteramt der Kirche .......................................................................... 40 Ursachen der Spannungen im Verhältnis Kirche/Politik...................... 42 Überschneidung und Abgrenzung der Bereiche...................................... 43

2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.5 2.6

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen ...........................45 Der Begriff kirchliche Äußerung.................................................................. 45 Legitimation der politischen Äußerungen der Kirche ........................... 45 Aus der Sicht des Staates ................................................................................ 46 Aus der Sicht der Kirche................................................................................. 46 Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche ........................................................ 47 Geschichte des Begriffs.................................................................................... 47 Kritik am Öffentlichkeitsanspruch der Kirche......................................... 49 Absender und Empfänger kirchlicher Äußerungen ............................... 51 Ziele kirchlicher Stellungnahmen ................................................................ 54 Der richtige Zeitpunkt kirchlicher Äußerungen ...................................... 55

6

Inhaltsverzeichnis

2.7 2.8 2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.3

Medien und Methoden kirchlichen Redens.............................................. 57 Gefahren kirchlicher Äußerungen ............................................................... 58 Die Denkschriften der EKD........................................................................... 59 Geschichte und Begriff .................................................................................... 59 Themen und Stil der Denkschriften............................................................ 60 Wirkung der Denkschriften ........................................................................... 62

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3

Die Kirche und der Frieden .......................................................63 Zum Begriff Frieden........................................................................................... 63 Die Rede vom Frieden in der Bibel ............................................................. 64 Altes Testament................................................................................................. 64 Neues Testament............................................................................................... 67 Spätantike und Mittelalter: Lehre vom gerechten Krieg ....................... 70 Augustin............................................................................................................... 71 Thomas von Aquin........................................................................................... 71 Reformation und frühe Neuzeit.................................................................... 73 Luther: Verteidigungskrieg ist gerecht ....................................................... 73 Calvin: Unbedingter Gewaltverzicht ........................................................... 75 Frühe Neuzeit: ius ad bellum ............................................................................ 76

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

Weltkriege, Nachkriegszeit und „Kalter Krieg“ ........................81 Die beiden Weltkriege ..................................................................................... 81 Die deutsche Teilung ....................................................................................... 84 Die Bedrohung durch Atomwaffen.............................................................. 85 Die Heidelberger Thesen von 1959 ............................................................. 86 Die EKD-Denkschrift von 1981 .................................................................... 89 Die Erklärung des Reformierten Bundes von 1982 ................................ 92 Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR................................. 93

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Nach der deutschen Wiedervereinigung ....................................97 Die „Orientierungspunkte“ von 1993/94 ................................................... 97 Die Kundgebung der EKD-Synode von 1993 .........................................100 Der Kosovo-Krieg von 1999 .........................................................................101 Das römisch-katholische „Hirtenwort“ von 2000...................................109 Die „Zwischenbilanz“ von 2001..................................................................114

6 6.1

Die Anschläge des 11. September 2001 .................................... 117 Reaktionen aus der Politik ...........................................................................117

Inhaltsverzeichnis

7

6.2 6.3 6.4 6.5

Kirchliche Äußerungen im Protestantismus ...........................................118 Stellungnahmen aus dem katholischen Bereich.....................................125 Stimmen aus der Theologie .........................................................................128 Spätere Bewertungen .....................................................................................131

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.7.1 7.7.2 7.8

Der Krieg in Afghanistan......................................................... 137 Politische Situation.........................................................................................137 Reaktionen von Kirchenführern.................................................................138 Die EKD-Synode im November 2001 .......................................................147 Die bayerische Landessynode im November 2001................................152 Weitere Landessynoden ................................................................................158 Die römisch-katholische Kirche ..................................................................162 Stellungnahmen christlicher Organisationen .........................................165 Evangelische Arbeitskreise...........................................................................165 Katholische Verbände ...................................................................................167 Spätere Bewertungen .....................................................................................169

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.6 8.7 8.8

Die Irak-Krise.......................................................................... 175 Politische Situation.........................................................................................175 Äußerungen des EKD-Ratsvorsitzenden Kock.......................................177 Stellungnahmen des Rates und der Synode der EKD..........................181 Äußerungen der Gliedkirchen ....................................................................186 Westdeutsche Landeskirchen ......................................................................186 Die Kirchen in den neuen Bundesländern ..............................................194 Die römisch-katholische Kirche ..................................................................200 Der Vatikan ......................................................................................................200 Bischofskonferenzen.......................................................................................202 Katholische Organisationen.........................................................................205 Einzelne Diözesanbischöfe...........................................................................210 Internationale Zusammenschlüsse.............................................................214 Andere kirchliche Stimmen .........................................................................216 Kritik und Unterstützung aus der Politik.................................................225

9 9.1 9.2 9.2.1

Der Irak-Krieg ......................................................................... 227 Gemeinsame Erklärungen führender Kirchenvertreter ......................227 Äußerungen aus den Landeskirchen.........................................................230 Landesbischöfe aus den neuen Bundesländern .....................................230

8

Inhaltsverzeichnis

9.2.2 9.2.3 9.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.5 9.6

Landesbischöfe aus dem Westen Deutschlands.....................................233 Stellungnahmen von Landessynoden........................................................237 Äußerungen des Rates der EKD ................................................................240 Aus der Ökumene...........................................................................................243 Die römisch-katholische Kirche ..................................................................243 Internationale Zusammenschlüsse.............................................................245 Weitere kirchliche Äußerungen..................................................................247 Spätere Bewertungen .....................................................................................251

10 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.3

Resümee .................................................................................. 255 Äußerungen der Kirchen als Chance und Gefahr.................................255 Ergebnisse der Untersuchungen.................................................................258 Protestantismus ...............................................................................................258 Katholizismus...................................................................................................261 Ausblick .............................................................................................................262

Abkürzungen ..................................................................................... 265 Literaturverzeichnis .......................................................................... 267 Quellen............................................................................................................................267 Forschungsliteratur......................................................................................................270 Stellungnahmen aus der Politik ...............................................................................280 Kirchliche Stellungnahmen im 21. Jahrhundert .................................................281 Zeitungsartikel und Rundfunkinterviews .............................................................298 Register ............................................................................................. 303

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2007 von der PhilosophischSozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Mit dem Verhältnis von Kirche und Politik hatte ich mich bereits in den 90er-Jahren als Journalist für Tageszeitungen und kirchliche Zeitschriften beschäftigt. Die erste Anregung zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung bekam ich im Hauptseminar „Ethische Themen im Religionsunterricht“ von Prof. Dr. Godwin Lämmermann, der dankenswerterweise auch als Gutachter im Promotionsverfahren agierte. Mit ökumenischen und friedenethischen Fragen kam ich als Mitarbeiter von Prof. Dr. Bernd Oberdorfer in den aus Forschungsmitteln der Universität Augsburg finanzierten Projekten „Ansätze, Probleme und Zieloptionen ökumenischer Dialoge“ sowie „Kontinuität und Wandel in der deutschen protestantischen Friedensethik seit dem 11.9.2001“ in Kontakt. Diese Vorarbeiten wurden in das größere, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte, Projekt „Christliche Friedensethik seit dem 11.9.2001. Kirchliche Stellungnahmen und theologische Diskussionen zum ‚war on terror’ im ökumenischen Vergleich“ eingebracht. Dem Projektleiter, Prof. Dr. Oberdorfer, danke ich für die Gelegenheit zur selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit, die intensive Betreuung meiner Dissertation und die Erstellung des Gutachtens. Meinem Kollegen Marcus Beck, der diese Arbeit Korrektur lesend begleitet hat, verdanke ich wertvolle inhaltliche Anregungen. Sehr hilfreich waren die Diskussionen mit den Studentinnen und Studenten in den Seminaren „Einführung in die Sozialethik“, „Luthers Theologie“, „Kirche und Staat“, „Friedenserziehung“, „Kirche im Nationalsozialismus“, „Politische Ethik der Reformatoren“ und „Friedensethik“, die ich in den Jahren 2004 bis 2007 an der Universität Augsburg geleitet habe. Für Druckkostenzuschüsse danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Der herzlichste Dank gilt meiner Frau Gabi für den liebevollen Beistand während der Jahre meines späten Studiums und meiner Promotion. Landsberg am Lech, im September 2007 Bernd Kirchschlager

„Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen ...“ (Jesaja 52,7)

0 Einleitung „Die Kirchen wollen nicht selbst Politik machen, sie wollen Politik möglich machen.”1 Dieser Satz findet sich in der Einleitung zum gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland von 1997. Er beschreibt treffend den Charakter der heutigen kirchlichen Äußerungen zu politischen Fragen. Noch zu Beginn der Moderne waren solche Stellungnahmen nicht selbstverständlich. Mit der Parole „Silete theologi in munere alieno!”2 leitete der Jurist Albericus Gentilis die Wende vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Völkerrecht ein. Die Theologen und mit ihnen die Kirchen schwiegen aber auch in den folgenden Jahrhunderten nicht, sondern äußerten sich ausführlich zu weltlichen Angelegenheiten. Dietrich Bonhoeffer etwa forderte und praktizierte sogar die aktive Einmischung in politische Dinge. Er „sprach davon, dass er als Pastor nicht nur die Pflicht habe, die Opfer des wild gewordenen Mannes zu trösten, der sein Auto in einer bevölkerten Straße wie ein Rasender fahre, sondern dass er auch versuchen müsse, ihn zu stoppen“3. Das berichtet Gaetano Latmiral, 1943 in Tegel inhaftierter italienischer Offizier, über die Antwort Bonhoeffers im Hof des Wehrmachtuntersuchungsgefängnisses, als er von einem anderen Häftling gefragt wurde, warum er als evangelischer Pfarrer sich an einer Verschwörung beteiligt habe. Ähnliche Fragen beschäftigen heute noch häufig die Vertreter der Kirche. Und die meisten entscheiden sich wie Bonhoeffer dafür, in die Welt der Politik einzugreifen. So hat der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Mark Hanson, der sich durch seine Kritik an der IrakPolitik von US-Präsident George W. Bush hervorgetan hat, ebenfalls nicht vor, zu weltlichen Dingen zu schweigen – im Gegenteil. Nach seiner Wahl im Juli 2003 sagte er in einem epd-Interview: „Meine Kritik an dem Krieg und sei4 nen Folgen wird nicht verstummen.“

1 2 3 4

Gemeinsame Texte 9 (1997), S. 7 Schmitt 1950, S. 92 Latmiral: Brief an Leibholz vom 6. März 1946, zitiert nach Bethge 1967, S. 955 epd-Basisdienst vom 27. Juli 2003, in: epd-Doku 34/03, S. 68

12

Einleitung

0.1 Eingrenzung des Themas Diese Arbeit soll Stellungnahmen der Kirchen zur Friedenspolitik nach dem 11. September 2001 behandeln. Mit „Kirche“ ist hier vornehmlich die von einer soziologisch orientierten Kirchentheorie als Institution definierte verfasste Kirche im deutschen Protestantismus gemeint. Darunter fallen neben den Landeskirchen auch Zusammenschlüsse wie die EKD, die VELKD oder der Reformierte Bund. Da die Statements der Kirchen von Amtsträgern herausgegeben und verantwortet werden, sind damit auch Ratsvorsitzende, Landesbischöfe, Generalsuperintendenten und Präsides gemeint. Es soll aber 5 auch die von der Ekklesiologie als „Versammlung aller Gläubigen“ verstandene Gemeinschaft mit „Kirche“ gemeint sein, so dass auch Stellungnahmen und Diskussionsverläufe von Synoden, christlichen Verbänden und Arbeitsgruppen als kirchliche Äußerungen verstanden werden. Dahinter steht der Gedanke aus der EKD-Denkschrift Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen von 1970, dass für die Kirchlichkeit einer Äußerung nicht die Person des Autors, sondern „allein deren Schrift- und Sachgemäßheit“6 entscheidend ist. Auch auf einzelne Christen kann dieses Kriterium zutreffen. Deshalb werden bisweilen auch Einzelstimmen zum Thema berücksichtigt. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem deutschen Protestantismus, doch sollen zum besseren Verständnis der Eigenheiten der protestantischen Äußerungen vergleichend auch Statements aus dem Bereich der römischkatholischen Kirche und von internationalen kirchlichen Zusammenschlüssen untersucht werden. Die zeitliche Abgrenzung des Themas stellt der 11. September 2001 dar, denn seit den Terroranschlägen in den USA und dem danach ausgerufenen war on terror steht auch die friedensethische Diskussion in den Kirchen vor ganz neuen Herausforderungen, die bereits durch die geopolitischen Veränderungen seit dem Ende des „kalten Krieges“ ausgelöst wurden. In Frage steht, ob die in Zeiten der wechselseitigen atomaren Bedrohung der Militärblöcke in West und Ost entwickelten friedensethischen Konzepte noch leistungsfähig sind angesichts global auftretenden nichtstaatlichen Terrors. Dabei stehen vor allem Kontinuität und Veränderung in den kirchlichen Äußerungen seit 2001 im Focus. Gefragt wird insbesondere nach Interferen-

5 6

CA, Art. 7 EKD 1970, S. 58

Leitfragen

13

zen zwischen politisch-kulturellem Hintergrund und der Wirkmächtigkeit religiöser und theologischer Traditionen.

0.2 Leitfragen Den Untersuchungen der kirchlichen Stellungnahmen liegen folgende Leitfragen zugrunde: Sind die kirchlichen Äußerungen von einer Unsicherheit im Urteil geprägt, die aus einem Mangel an einer aktuellen protestantischen Friedensethik resultieren? Beeinflusst emotionale Betroffenheit bei geringem zeitlichen Abstand zwischen terroristischen bzw. kriegerischen Handlungen und den kirchlichen Stellungnahmen die Objektivität letzterer? Sind die in großer zeitlicher Nähe abgegebenen Stellungnahmen einzelner kirchlicher Amtsträger nicht so reflektiert wie spätere Äußerungen kirchlicher Gremien? Hat die politische Mehrheitsmeinung in Deutschland Auswirkungen auf die kirchlichen Äußerungen (beispielsweise die Haltung der rot-grünen Bundesregierung zu den Militäreinsätzen in Afghanistan und im Irak)? Folgen die Kirchen in ihren Stellungnahmen den von den Massenmedien vorgegebenen Themen und Meinungstendenzen? Gibt es angesichts der unterschiedlichen friedensethischen Traditionen signifikante Differenzen zwischen lutherischen und reformierten Stellungnahmen, wie es schon in den frühen 80er-Jahren während der sog. „Nachrüstungsdebatte“ der Fall gewesen war? Lassen sich innerhalb der EKD Unterschiede zwischen den grundsätzlich stärker pazifistisch geprägten Kirchen in der ehemaligen DDR und den Kirchen in den alten Bundesländern feststellen? Dokumentieren die Diskussionen und Kundgebungen der Synoden im Vergleich mit den Äußerungen von Bischöfen und Kirchenleitungen deutlich andere Akzentsetzungen? Gibt es eine diachrone – vielleicht sogar inhaltlich kohärente – Entwicklung von den kirchlichen Äußerungen zum Kosovo-Krieg über die Stellungnahmen unmittelbar nach dem 11. September 2001 und zum von den USA ausgerufenen war on terror bis hin zu den Diskussionen um den Irak-Krieg? Ist dabei eine Tendenz der Ablehnung militärischer Interventionen erkennbar? Ist diese Veränderung von den Kirchen systematisch hinreichend begründet worden?

14

Einleitung

Neigt die Synode der EKD dazu, die Meinung des Rates der EKD zu bestätigen und sogar wortwörtlich zu übernehmen? Sind die Äußerungen der Landessynoden inhaltlich deutlicher als diejenigen der EKD-Synode? Geben Amtsträger der Evangelischen Kirche in ihren verschiedenen Funktionen unterschiedliche Stellungnahmen ab? Werden in den kirchlichen Diskussionen und Verlautbarungen die Kriterien der Lehre vom gerechten Krieg vollständig übernommen und auch als solche gekennzeichnet? Zeigt sich die traditionelle lutherische Institutionentreue bei der Beurteilung aktueller Konflikte in dem Wunsch nach einer Verrechtlichung der Anwendung militärischer Gewalt? Wird die Forderung nach einem UN-Mandat für militärische Interventionen durch andere Kriterien überlagert?

0.3 Stand der Forschung Beim diachronen Vergleich kirchlicher Stellungnahmen kann auf zahlreiche Veröffentlichungen zum sog. Kosovo-Krieg zurückgegriffen werden, den die NATO 1999 gegen die Bundesrepublik Jugoslawien geführt hat. Die Äußerungen der evangelischen Kirchen zu diesem Konflikt sind am umfassendsten von Gerhard Arnold dokumentiert worden.7 In seiner Monographie dazu hat Michael Haspel die These vertreten, dass die evangelische Friedensethik beim ersten Krieg auf europäischem Boden seit dem Ende des Kalten Krieges versagt habe. Insbesondere hätte der Einsatz militärischer Gewalt durch die NATO nach den von der EKD selbst in den Orientierungspunkten von 1994 aufgestellten Kriterien nicht als legitim beurteilt werden dürfen. Um eine Humanitäre Intervention – wie oft von Kirchenvertretern behauptet – habe es sich der Sache nach gar nicht gehan8 delt. Die vorliegende Arbeit hat aktuelle Diskussionen in Kirche und Theologie im 21. Jahrhundert zum Gegenstand, die bislang nur teilweise wissenschaft7

8

Arnold, Gerhard: Die evangelische Kirche und der Kosovo-Krieg, in: KJ 126.1999.2, Gütersloh 2001; vgl. auch Buchbender, Ortwin & Arnold, Gerhard: Kämpfen für die Menschenrechte. Der Kosovo-Konflikt im Spiegel der Friedensethik (Schriften der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation Bd. 25), Baden-Baden 2002 Haspel, Michael: Friedensethik und Humanitäre Intervention. Der Kosovo-Krieg als Herausforderung evangelischer Friedensethik, Neukirchen-Vluyn 2002

Stand der Forschung

15

lich aufgearbeitet sind. Bisher veröffentlichte wissenschaftliche Aufsätze zur Friedensethik nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 befassen sich mit zeitlich oder thematisch eng eingegrenzten Fragestellungen. Eine ausführliche Analyse einer größeren Anzahl von kirchlichen Stellungnahmen war den Autoren schon aus Zeitgründen nicht möglich. Eine erste Zusammenstellung und Analyse der Diskussionsbeiträge unmittelbar nach dem 11. September 2001 bietet Matthias Engelke9. Er analysiert die kirchlichen Stellungnahmen in den ersten drei Monaten nach den Anschlägen und legt dabei den Schwerpunkt auf die EKD-Synode und den EKDRatsvorsitzenden Manfred Kock. Er kommt zum Fazit, dass der mit der EKD-Schrift Schritte auf dem Weg des Friedens von 1994 erreichte Konsens, dass der Einsatz militärischer Gewalt nur als ultima ratio erlaubt sei, von der EKDSynode und von kirchenleitenden Verantwortlichen gebrochen worden sei. Wilfried Härle weist auf die notwendige Verbindung des Friedens mit dem Begriff der Gerechtigkeit hin, denn ohne diesen Inhalt sei Frieden nur in negativer Form vorhanden, nämlich als bloße Abwesenheit von Krieg. Den von der NATO geführten Kosovo-Krieg des Jahres 1999 versteht er jedoch im Gegensatz zum vorherrschenden Forschungskonsens als Polizeiaktion, mit 10 der verfeindete Gruppen auseinander gehalten worden seien. Wolfgang Lienemann weist auf einen methodischen Mangel der kirchlichen Stellungnahmen hin. Da der Kampf gegen Terroristen nicht mit einem Krieg gleichgesetzt werden könne, dürfe man diesen auch nicht mit den Kriterien beurteilen, die auf reguläre Kriege angewendet würden. Um gegen den Bruch von UN-Resolutionen durch den Irak vorgehen zu können, rät er zu einem Beschluss des Sicherheitsrats über militärische Maßnahmen.11 Den betonten Handlungsverzicht, also eine Philosophie des Lassens, hat Marco Hofheinz in der Weigerung Deutschlands, am Irak-Krieg teilzunehmen, erkannt. Er beschreibt Friedenstiften aus reformierter Sicht als „Geltenlassen“, als freie Selbstzurücknahme zugunsten anderer Geschöpfe.12 9

10 11 12

Engelke, Matthias: Offene Wunden – Offene Fragen – Offene Probleme. Kirchliche Stellungnahmen in den ersten drei Monaten nach dem 11. September 2001, in: Uwe Trittmann (Hg.): „What we’re fighting for ...“. Der 11. September 2001 und die Folgen. Ausgewählte Beiträge zur Friedensethik und Sicherheitspolitik, Iserlohn 2002, S. 85-140 Härle, Wilfried: Wenn Gewalt ethisch geboten ist. Das Vorgehen der USA und die christliche Vorstellung vom „gerechten Frieden“, in: Zeitzeichen 3 (2002), Heft 2, S. 30-33 Lienemann, Wolfgang: Eine Frage des Rechts. Unter welchen Bedingungen ein Angriff auf den Irak theologisch legitim ist, in: Zeitzeichen 3.2002.11, S. 11-14 Hofheinz, Marco: Friedenstiften als kirchliche Praktik. Impulse aus reformierter Tradition für eine theologische Friedensethik in ökumenischer Verantwortung, in: ZEE 49.2005.1, S. 40-57

16

Einleitung

Johannes Christian Koecke kommt zu einer äußerst positiven Beurteilung der Stellungnahmen des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz zum Irak-Konflikt, indem er sie als „aus sich heraus stringent und folgerichtig“ beurteilt. Die Kirchen hätten signalisiert, dass sie um die politische Komplexität des Themas wüssten.13 Mit dem Begriff des präemptiven Krieges in der Nationalen Sicherheitsstrategie des Weißen Hauses hat sich Thomas Hoppe befasst und kommt zu dem Schluss, dass dieser Begriff inhaltlich so stark erweitert ist, dass er die präventive Gewaltanwendung mit umfasst und somit unzulässig ist.14 Ganz klar für die Anwendung der bellum-iustum-Lehre spricht sich Manfred Spieker aus: Sie ist seiner Meinung nach weiterhin nicht nur gültig, sondern auch geeignet, um die Frage nach der Legitimität einer militärischen Intervention zu beantworten. Die Politik könne in der Regel nicht zwischen einem großen Gut (Frieden) und einem großen Übel (Krieg) wählen, sondern müsse sich im Dilemma zwischen zwei Übeln für das kleinere entscheiden. 15 Die Kontamination der Lehre vom gerechten Krieg mit dem mittelalterlichen Kreuzzugsgedanken und des sich im Krieg ausdrückenden Strafgedankens weist Gerhard Beestermöller nach und konstatiert eine schwere Hypothek für den friedensethischen Anspruch der bellum-iustum-Lehre.16 Aus der Perspektive einer Kriegsächtungsethik kommentiert er den Krieg gegen den Irak. In einer dynamischen Interpretation der Tradition der Lehre vom gerechten Krieg im Rahmen einer von Kant inspirierten Präliminarethik kommt er zu dem Schluss, dass die Errichtung eines Weltrechtszustandes nötig ist, da weder die Vereinten Nationen noch die USA über die legitime Autorität verfügten, Gewalt als Polizeiaktion anzuwenden.17 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der Politologe August Pradetto, der beklagt, dass die Vereinten Nationen „zumindest partiell zu einem In13

14 15 16

17

Koecke, Johannes Christian: Die Kirchen und der Irak-Konflikt. Text der Reihe Argumente der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 10. Februar 2003, in: epd-Dokumentation 13/03, S. 36-40 Hoppe, Thomas: Gewaltprävention statt Präventivkriege. Die Lehren des Irakkriegs und das Bischofswort zum „Gerechten Frieden“, in: HerKorr 57.2003.5, S. 227-231 Spieker, Manfred: Der Krieg gegen Saddam Hussein. Zur Ethik des Irak-Konflikts, in: NOrd 57.2003.3, S. 164-180 Beestermöller, Gerhard: Die humanitäre Intervention – Kreuzzug im neuen Gewand? Ein Blick auf die gegenwärtige Diskussion im Spiegel der thomanischen Lehre vom gerechten Krieg, in: ders. (Hg.): Die humanitäre Intervention – Imperativ der Menschenrechtsidee? Rechtsethische Reflexionen am Beispiel des Kosovo-Krieges. Stuttgart 2003, S. 141-169 Ders.: Krieg gegen den Irak – Rückkehr in die Anarchie der Staatenwelt? Ein kritischer Kommentar aus der Perspektive einer Kriegsächtungsethik, Stuttgart 2002

Stand der Forschung

17

strument der Legitimationsbeschaffung für die Politik der USA und in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt“ wurde.18 Mit aktuellen Entwicklungen in der protestantischen Friedensethik befasst sich Wolfgang Huber in einem Aufsatz. Er diskutiert dabei über eine Rückkehr der Lehre vom gerechten Krieg und gewichtet die Argumente für eine Lehre vom gerechten Frieden.19 Zusammenfassend plädiert er für die Präzisierung und Fortentwicklung der Lehre vom gerechten Frieden und nennt dafür zwei Gründe: Zum einen benenne sie schon im Namen das Ziel und den Maßstab aller Politik, nämlich den Frieden. Zum anderen betone der komplexe Begriff Gerechter Friede die Zusammengehörigkeit und Interdependenz von Frieden, Recht und Gerechtigkeit. Die Kriterien der bellum-iustum-Lehre könnten innerhalb des neuen Paradigmas rekonstruiert und insofern aufbewahrt werden. Ungereimtheiten in den kirchlichen Stellungnahmen zum Irak-Krieg hat Ulrich H. J. Körtner ausgemacht und begründet dies damit, dass das Konzept vom gerechten Frieden nur eine Neuformulierung der Lehre vom gerechten Krieg sei. Diese dürfe aber aus Rücksicht auf divergierende friedensethische Grund20 positionen innerhalb der EKD nicht so genannt werden. Körtners Kritik an einer Tabuisierung der Gewaltandrohung durch die Kirchen in einem ORFInterview21 beantwortet Meinrad Schneckenleithner mit dem Hinweis auf den Charakter von Gewaltandrohung nicht als Schritt zu einer friedlichen Lösung des Konflikts, sondern als „erpresserische Kriegsvorbereitung“22. In einer Argumentationshilfe zur Friedensarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland23 setzt sich Ulrich Frey mit der friedensethischen Diskussion auseinander und kommt unter anderem zu dem Schluss, dass eine Auseinandersetzung mit der Neu-Interpretation der US-amerikanischen „Just and Limited War-Theorie“ nötig sei – orientiert an den Kriterien der Lehre vom gerechten Krieg, aber interpretiert nach Maßgabe der modernen säkularen 18 19 20 21 22

23

Pradetto, August: Die Vereinten Nationen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, Anhängsel der USA?, in: Sicherheit und Frieden 20.2002, S. 9-18 Huber, Wolfgang: Rückkehr der Lehre vom gerechten Krieg? Aktuelle Entwicklungen in der evangelischen Friedensethik, in: ZEE 49.2005.2, S. 113-130 Körtner, Ulrich H. J.: Notorisch ausgeblendet. Das Konzept vom Gerechten Frieden weist zu viele Ungereimtheiten auf, in: zeitzeichen 4.2003.5, S. 14-16 Körtner, Ulrich H. J.: Krieg und Moral. Friedensethik in Zeiten des Krieges (8. April 2003), in: http://science.orf.at/science/koertner/72305 Schneckenleithner, Meinrad: Die Kirchen und der Irakkrieg 2003 – Zu einer Kritik von Ulrich Körtner, in: Aigner, Thomas et al.: Festschrift zum 75. Geburtstag von Heinrich Fasching, St. Pölten 2004, S. 516-520 Evangelische Kirche im Rheinland (Hg.): Ein gerechter Friede ist möglich (November 2005), in: http://www.ekir.de/ekir/dokumente/ekir2006-01-11-friedensethik-A4_1105.pdf

18

Einleitung

Bedingungen zur Durchsetzung des internationalen Rechts und der Menschenrechte. Hans-Richard Reuter beschäftigt sich in einem Vortrag mit der Rechtsbindung militärischer Gewalt und kommt zu dem Schluss, dass nur dann aus dem Krieg eine Polizeiaktion werden könne, wenn die Lücke zwischen Recht (der UN) und Macht (der USA) geschlossen werde.24 Einen Aufsatz zur Sicht der christlichen Ethik auf den gerechten Frieden steuert Reuter zum Band von Jean-Daniel Strub und Stefan Grotefeld bei, der den gerechten Frieden zwischen Pazifismus und gerechtem Krieg verortet.25 Probleme bei der systematischen Entwicklung und Anwendung von Kriterien zur ethischen Beurteilung von Kriegen hat Michael Haspel zehn Jahre nach den Orientierungspunkten im Jahr des Irak-Krieges mehrfach beschrieben.26 Als Gründe dafür nennt er strukturell bedingte Informationsdefizite bei Vertretern der EKD und der Landeskirchen. Nach seinen Beobachtungen ergibt sich für die Kirchen im Rückblick aus der einhelligen Ablehnung des Irak-Krieges quasi ex contrario die Zustimmung zu den vorherigen Kriegen im Kosovo und in Afghanistan. Mit der vermeintlich richtigen Positionierung im Irak-Konflikt können aber laut Haspel die Mängel in der Beurteilung des Kosovo- und Afghanistan-Krieges nicht behoben werden. Er fordert, die protestantische Friedensethik müsse von einem theologischen Verständnis des gerechten Friedens ausgehen, das eine vorrangige Option für die Gewaltfreiheit und die Verwirklichung umfassender Menschenrechte einschließe. Obwohl auch Haspel zu der Auffassung kommt, dass die unilaterale Anwendung militärischer Gewalt der sog. Koalition der Willigen gegen den Irak 24

25 26

Reuter, Hans-Richard: Die Militärintervention gegen den Irak und die neuere Debatte über den „gerechten Krieg“ (Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Der Krieg im Irak – Hintergründe und Perspektiven“ am 21.07.2003 an der Universität Münster) Strub, Jean-Daniel & Grotefeld, Stefan (Hg.), Der gerechte Friede zwischen Pazifismus und gerechtem Krieg, Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer Verlag 2007, S. 7-22 Haspel, Michael: Gerechter Frieden und Menschenrechtsschutz – Überblick und kritische Anmerkungen zur friedensethischen Diskussion in der Evangelischen Kirche. Tagung von EKD und Church of England. Evangelische Sozialakademie Friedewald (28. – 31. August 2003), in: epd-Doku 41/03, S. 14-30; ders.: Die neuen Kriege und der gerechte Friede. Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven evangelischer Friedensethik, in: Lernort Gemeinde 21.2003.3, S. 18-21; ders.: Evangelische Friedensethik nach dem Irakkrieg. 10 Jahre Orientierungspunkte für Friedensethik und Friedenspolitik der EKD, in: ZEE 47.2003.4, S. 264-279; ders.: Evangelische Friedensethik nach dem Irak-Krieg, in: Rundbrief 1/2004 des Forums Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche Baden, S. 7-9, in: http://www.ekiba.de/ images/FFERundbrief_0104.pdf; ders.: Wann ist der Einsatz militärischer Gewalt ethisch gerechtfertigt? in: a. a. O., S. 9f., in: http://www.ekiba.de/images/ FFERundbrief_0104.pdf

Beitrag dieser Arbeit zur Forschung

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ethisch nicht gerechtfertigt und völkerrechtswidrig war, stellt er fest, dass das kategorische Urteil in der evangelischen Kirche im Vergleich mit den Kriegen im Kosovo und in Afghanistan wenig überzeugend war – unter anderem deswegen, weil der Modus der Kriegsführung (Einsatz von Bodentruppen und geringere Verluste unter der Zivilbevölkerung) im Fall Irak weniger zu beanstanden gewesen sei. Zu den erfreulichen Entwicklungen in der friedensethischen Diskussion zum Irak-Krieg zählt Haspel die Wahrnehmung der Kirchen in der medialen Öffentlichkeit als global player. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Konflikten sei es den Kirchen gelungen, nicht nur gemäß nationalstaatlichen Strukturen zu agieren, sondern selbst Akteurin in einer transnationalen Öffentlichkeit zu werden. In einem Band zur Friedensethik in der transatlantischen Debatte, den er 27 zusammen mit Gerhard Beestermöller und Uwe Trittmann herausgegeben hat, zeigt Haspel Perspektiven für die Weiterentwicklung von Kriterien zur Prüfung der legitimen Anwendung militärischer Gewalt auf. Er fordert eine umfassende Menschenrechtstheorie, die vom Vorrang grundsätzlicher Rechte (Sicherheit, Subsistenz, Freiheit) ausgeht, spricht das Problem der internationalen Verteilungsgerechtigkeit an und stellt den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und der Institutionalisierung von internationalem Recht her.

0.4 Beitrag dieser Arbeit zur Forschung Diese Arbeit kann auf den genannten Forschungsarbeiten aufbauen, soll sie aber in mehrfacher Hinsicht weiterführen: Durch die Einbettung der aktuellen Stellungnahmen in eine Theorie des Verhältnisses von Kirche und Staat und der politischen Äußerungen der Kirchen sowie in einen geschichtlichen Abriss der Verhältnisses von Kirche und Frieden sollen die aktuellen friedensethischen Äußerungen aus ihrem historischen Kontext heraus verstanden werden. Der interkonfessionelle und ökumenische Vergleich von kirchlichen Stellungnahmen soll zum einen die Diskussionen im deutschen Protestantismus schärfer profilieren, zum anderen dazu beitragen, die konfessionelle, kulturelle und situative Bedingtheit der jeweiligen Äußerungen wahrzunehmen. Somit soll ein Beitrag zu einer präziseren Beschreibung der Interdependenzen von 27

Beestermöller, Gerhard; Haspel, Michael & Trittmann, Uwe (Hg.): „What we’re fighting for …“ – Friedensethik in der transatlantischen Debatte (Beiträge zur Friedensethik Bd. 36), Stuttgart 2006

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Einleitung

religiösen und kulturellen Faktoren bei der Deutung von Konflikten geleistet werden. Die Einbeziehung synodaler und anderer innerkirchlicher Diskussionsprozesse, akademisch-theologischer Beiträge und massenmedialer Rezeption soll eine breitere und differenziertere Wahrnehmung innerkirchlicher Kommunikationen und durch diese Kontextualisierung auch ein besseres Verständnis der Genese, Funktion und Wirkung kirchlicher Stellungnahmen ermöglichen. Insbesondere durch die große Bandbreite und Quantität der einbezogenen Texte aus unterschiedlichen Kommunikationssystemen soll eine inhaltlich differenzierte und hermeneutisch reflektierte Beschreibung der überaus komplexen Situation friedensethischer Stellungnahmen im deutschen Protestantismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts erreicht werden. Sie soll fruchtbar gemacht werden für die Weiterentwicklung des normativ-friedensethischen Diskurses unter den veränderten geopolitischen Bedingungen.

0.5 Arbeitsschritte Zum besseren Verständnis des Umstands, dass sich die Kirche zu politischen Fragen äußert, soll zunächst das Verhältnis von Kirche und Politik beleuchtet werden. Dies geschieht im ersten Kapitel vornehmlich anhand der geschichtlichen Erfahrungen der Kirche mit der Politik von biblischer Zeit bis heute. Ein großer Raum wird hier Luthers Zwei-Reiche-Lehre eingeräumt, die für das lutherische Verständnis von Kirche und Staat entscheidend ist. Anschließend wird im zweiten Abschnitt der Charakter politischer Äußerungen der Kirche, insbesondere Legitimation, Ziele und Methoden, beschrieben. Ein eigener Unterabschnitt wird der Form der Denkschriften gewidmet. Eine Zäsur für die Stellungnahmen der Kirchen waren die Kriege am Ende des 20. Jahrhunderts auf dem Balkan. Nicht mehr die Gentechnologie oder die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften standen jetzt im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Frieden. Der größte Teil der Dissertation beschäftigt sich deshalb mit den Stellungnahmen der Kirchen zur Friedenspolitik. Die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington am 11. September 2001 haben das nach dem Ende des „Kalten Krieges“ gewachsene Sicherheitsgefühl der Menschen weltweit empfindlich beeinträchtigt. Dadurch kam das Thema der globalen Friedenssicherung, das mehr als zehn Jahre lang in der öffentlichen Diskussion vernachlässigt wurde, wieder mehr in den Blick. Die Kirchen sind auf

Arbeitsschritte

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diesem Sektor eine wichtige Stimme in der engagiert geführten politischen Diskussion geworden. Dass die Stellungnahmen der evangelischen Kirchenvertreter zum IrakKrieg so eindeutig ausgefallen sind, hat viele überrascht, denn der Protestantismus kann in Deutschland nicht auf eine lange pazifistische Tradition zurückblicken. Auch der Afghanistan-Krieg von 2001 war noch recht ambivalent kommentiert worden. Es soll deshalb in dieser Arbeit versucht werden, die politischen Äußerungen der Kirche zum Frieden aus ihrem historischen Kontext heraus zu verstehen. Zu diesem Zweck wird im dritten Kapitel ein geschichtlicher Abriss zum Christentum in seinem Verhältnis zu Krieg und Frieden gegeben. Er beginnt zu biblischen Zeiten, behandelt Augustin und Thomas von Aquin, Luther und Calvin und endet in der frühen Neuzeit. Da die beiden Weltkriege und der „Kalte Krieg“ eine radikale Änderung im Verhältnis der Kirche zum Frieden darstellten, wird dieser Zeit ein eigener Abschnitt gewidmet. Dieses vierte Kapitel behandelt die deutsche Teilung, die Debatte um die Atomwaffen, die Heidelberger Thesen von 1959 sowie die EKD-Friedensdenkschrift von 1981 und die Erklärung des Reformierten Bundes von 1982. Weil es im Westen und Osten Deutschlands eine ganz unterschiedliche kirchliche Entwicklung gab, wird auch der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR beschrieben. Die Situation nach der deutschen Wiedervereinigung beschreibt das fünfte Kapitel, in dem es zuerst um die sog. „Orientierungspunkte“ von 1993/94, eine friedensethische Veröffentlichung des Rates der EKD, die sich dann 1999 im Kosovo-Krieg in der Praxis bewähren musste. In das „lange Jahrzehnt“ zwischen Wiedervereinigung und den Terroranschlägen von 2001 fielen auch noch das Hirtenwort der katholischen Bischöfe und die sog. „Zwischenbilanz“, eine weitere friedensethische Veröffentlichung der EKD. Erst nach dieser Vorbereitung sollen in den Kapiteln 6 bis 9 die wichtigsten der zahlreichen kirchlichen Äußerungen nach dem 11. September 2001 dargestellt und abschließend vor dem Hintergrund der zuvor angesprochenen theoretischen Konzepte über politische Stellungnahmen bewertet werden. Um einen repräsentativen Überblick über die Diskussion zu bekommen, wurden über tausend kirchliche Stellungnahmen zum war on terror recherchiert und analysiert. Dazu zählen Äußerungen des Rates und der Synode der EKD, der Landesbischöfe und der Landessynoden, kirchlicher Organisationen und Gruppen sowie von Einzelpersonen. Zum ökumenischen Vergleich wurden in die Untersuchung auch die Stellungnahmen des Papstes, der katholischen Bischöfe und von Laienorganisationen aufgenommen.

22

Einleitung

0.6 Methodik Zur Auswahl der Texte ist zu sagen, dass alle verfügbaren offiziellen Erklärungen übergeordneter Kirchenverbände wie EKD, VELKD, Reformierter Bund und Deutsche Bischofskonferenz aufgenommen wurden. Das betrifft auch die Stellungnahmen der jeweiligen Vorsitzenden und Synoden. Bei den Landeskirchen und kirchlichen Organisationen wurden unter den zahlreichen Texten diejenigen ausgewählt, die die Meinung der jeweiligen Kirche oder Institution am treffendsten wiedergeben. Bei der einzelnen Darstellung wird zum einen die Grundaussage des Textes herausgearbeitet. Zum anderen werden vor allem solche Aussagen erwähnt, die im Vergleich zu den bisher bekannten kirchlichen Äußerungen neue Aspekte einbringen. Als Kriterien zur Bewertung der Texte werden die in der „Denkschriften-Denkschrift“ der EKD von 1970 angesprochene 28 „Schrift- und Sachgemäßheit“ sowie die Konsistenz der Äußerungen derselben Personen oder Gremien im diachronen Vergleich verwendet. Da die Stellungnahmen stark vom Fortgang des weltpolitischen Geschehens geprägt sind, werden sie auch einem synchronen und ökumenischen Vergleich unterzogen.

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EKD 1970, S. 58

1 Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik 1.1 Zum Begriff Politik Um das Verhältnis von Kirche und Politik klären zu können, muss man sich zuerst mit dem Begriff Politik auseinander setzen.1 Das Wort ist griechischen Ursprungs (politikh&) und umfasst alles, was sich auf die po&lij bezieht, die Gemeinschaft der Vollbürger.2 Der Mensch als zw?~on politiko&n verwirklicht im Verhältnis zu anderen seine menschliche Bestimmung. Die klassische aristotelische politische Theorie unterscheidet oi/koj als Haus, in dem man sich des Überlebens willen zusammenfindet, von der po&lij, in der es um das sittlich gute Leben geht.3 Von dieser anthropologischen Sicht des Politikbegriffs hat sich die Neuzeit – angefangen bei Machiavelli – gelöst, wenngleich auch heute noch zwischen öffentlicher und privater Sphäre unterschieden wird. Trotzdem kann man eine „zunehmende politische Penetration aller Lebensbereiche“4 feststellen. Politik ist in der Moderne vor allem an Macht orientiert. Deshalb definiert Max Weber Politik als „Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung“.5 Politik wird heute „als Subsystem verstanden, dessen spezifische Funktionen, v. a. gesamtgesellschaftliche Entscheidungen und deren Umsetzung (Implementation), primär mit Hilfe des ‚Mediums’ Macht geschehen“6. Politik umfasst „dasjenige menschliche Handeln und Verhalten, jene mitmenschlichen Beziehungen und Prozesse und diejenigen sozialen Gruppen, Bewegungen und Institutionen, die primär an der Macht orientiert sind“7. Um das Wesen der modernen Politik zu erfassen, bietet es sich an, von der Sprache auszugehen, die im Mutterland des Parlamentarismus gesprochen wird. Im Englischen wird zwischen polity, policy und politics unterschieden. Hornby definiert polity als „form or process of government; society as an organized state”.8 In der ersten – formalen – Dimension geht es also um die Regelung politischen Handelns durch ein Normengefüge, etwa durch die 1 2 3 4 5 6 7 8

vgl. Flechtheim 1961, Sp. 435-438; Narr & Starke 1992, Sp. 1258; Münkler 1997, S. 1f. vgl. Pfeifer 2000, S. 1024 vgl. Aristoteles 1958 (4. Jh. v. Chr.), S. 1-30 Münkler 1997, S. 2 Weber 1972 (1921), S. 822 Narr & Starke 1992, Sp. 1258 Flechtheim 1961, Sp. 435 Hornby 1981, S. 645

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

Verfassung. policy ist für ihn „plan of action, statement of aims and ideals, esp one made by a government”9. Diese Dimension bezieht sich also auf inhaltliche Zielsetzungen, die Art und Weise, wie gesellschaftliche Probleme durch die Politik bearbeitet werden. politics schließlich definiert Hornby als „the science or art of government”10. Hier wird Politik vor allem als Tagespolitik verstanden: Es geht um das Austragen von Interessenskonflikten und um das Bemühen um eine Konsensbildung. Ebeling sieht die Aufgabe der Politik in erster Linie in einer Schutzfunktion, „um die Gesellschaft vor der Willkür des Einzelnen, aber auch den Einzelnen vor der Willkür gesellschaftlicher Gruppen in Schutz zu nehmen, also einen komplizierten menschlichen Lebensprozess in seiner Polarität von Gesellschaft und Individuum gegen Störungen zu sichern und optimale Lebens11 bedingungen zu schaffen”. Politisches Handeln sei im Gegensatz zum Glauben aber beschränkt auf das durch Menschen Machbare. In politischer Hinsicht werde der Mensch nur begrenzt erfasst. Andererseits erhebe der Staat Anspruch auf jeden Menschen, der nicht von politischen Pflichten befreit werden könne, „zumindest nicht ohne belangt zu werden vom Polizisten, vom Steuerkommissar, vom Richter oder wie sonst”12. Die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Glaubenden hingegen sei grundsätzlich freiwillig. Unter einem politischen Problem kann man im engeren Sinne ein solches verstehen, das mit spezifisch politischen Mitteln gelöst werden sollte. Im weiteren Sinne kann es sich aber auch um ein Problem handeln, das das Politische betrifft, dennoch aber mit politischen Mitteln allein nicht gelöst werden kann.

1.2 Geschichtliche Erfahrungen der Kirche mit der Politik „Ein unpolitisches Christentum gibt es also gar nicht“13. Diese These von Martin Honecker soll im folgenden Kapitel mit einem Gang durch die Geschichte untermauert werden. Das „schwer entwirrbare Ineinander“14 von Kirche und Politik hängt zuallererst mit dem Wesen der Religion zusammen. Religion hat immer eine soziologische Seite und überlagert sich deshalb mit der Politik, die sich mit der Gestaltung der Gemeinschaft beschäftigt. Zum 9 10 11 12 13 14

a. a. O., S. 644 a. a. O., S. 645 Ebeling 1975a, S. 600 ibid. Honecker 1999, S. 244 Goldammer 1961, Sp. 444

Geschichtliche Erfahrungen der Kirche mit der Politik

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anderen war Religion schon immer mit Herrschaft und Macht verbunden, was in älterer Zeit in sakralen Herrschaftsformen zum Ausdruck kam. Alle frühen Hochkulturen kennen das sakrale Königtum. Zum Beispiel gibt es bei den Mongolen den Dschingis Khan, (Sohn Gottes), für die Chinesen ist der Kaiser der „Sohn des Himmels“.15 Auch in den sumerischen Stadtstaaten, die als Wiege der Zivilisation gelten können, ist das Religiöse mit dem Politischen identisch.16 Die Theokratien werden von einem Priesterkönig geleitet, der alle politische Macht in sich vereint. In Ägypten waren die Pharaonen politische Herrscher und wurden zugleich als Götter verehrt. Mit der ägyptischen Geschichte ist die Entstehung Israels eng verbunden. 1.2.1

Altes Testament

Bei der Suche nach dem Ursprung des Verhältnisses von christlicher Kirche und Politik muss man in der hebräischen Bibel beginnen. Dort „überschneiden der Bereich des öffentlichen, politischen Lebens und der Bereich von Religion und Kultus einander nicht nur, sondern sie kommen miteinander zur Deckung”17. Dennoch gibt es zwei verschiedene Tendenzen im Alten Testament, weshalb Stendebach zu dem Urteil kommt: „Die Stellung des Alten Testaments zur politischen Macht, zu Herrschaft und Staat, ist seltsam zwiespältig.“18 Während Israel in der Anfangszeit eine Gesellschaft freier Grundbesitzer war, galt der König im Alten Orient als Vertreter einer Gottheit auf Erden. Der Ursprung der politischen Existenz des Volkes Israel wird in der Führung von JHWH aus Ägypten in der Exoduserzählung gesehen. Israel wird zum Volk durch das geschichtliche Handeln JHWHs. „Exodus und Landnahme sind auch in der Christentumsgeschichte fortwirkende politische Motive.“19 Später handelten die Propheten politisch, indem sie für die Wahrung der Verfassung Israels und für die Freiheit der unteren Stände eintraten. Sie maßen Staat und Königtum an der Kongruenz mit dem Willen JHWHs. Als Beispiel für das Verhältnis von Staat und Propheten soll hier Amos dienen, dessen Botschaft schonungslos die sozialen Missstände seiner Zeit offen gelegt und der mit seinem Prophetenwort ein Gottesbild gezeichnet hat, das die Zeitgenossen sicher nicht gern hören wollten. Deshalb gerät Amos in der Erzählung Am 7,10-17 in Konflikt mit einem Vertreter des Staates, dem 15 16 17 18 19

vgl. Schipperges 1997, S. 457 vgl. Rohls 1999, S. 17f. Huber 1973, S. 616 Stendebach 1997, S. 17 Honecker 1997, S. 6

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

Tempelpriester Amazja. Gleich mit dem ersten Wort seiner Botschaft an König Jerobeam II. erweist sich der Priester als Repräsentant des Staates: „Verschworen hat sich gegen dich Amos mitten im Haus Israel.“20 Mit dem Begriff Verschwörung werden üblicherweise im Alten Testament Umsturzversuche und Revolutionen bezeichnet, zum Beispiel diejenige des Heerbannführers Jehu in 2Kön 9,14: „Da verschwor sich Jehu, der Sohn Nimschis, gegen Joram.” Dass mit der Wendung Verschwörung in Verbindung mit einem Propheten eine äußerste Gefahr für den König verbunden ist, dürfte im Nordreich des 8. Jahrhunderts nur zu gut bekannt gewesen sein. Die Dynastie, der Jerobeam II. angehörte, war ja selbst durch Jehu mit Hilfe eines Propheten aus der Gruppe Elisas an die Macht gekommen (2Kön 9). Die präpositionale Wendung „mitten im Haus Israel” stellt eine sprachliche Parallele zur dritten Vision in 7,8 dar: „Da sprach der Herr: Sieh, ich bin dabei, Zinn mitten in mein Volk hineinzulegen.” Wenn Amazja den Propheten Amos als äußerste Gefahr für den König sieht, so ist mit dem „Haus Israel” der Staat bedroht. Die tödliche Gefahr durch JHWH betrifft jedoch das Volk. Mit der Begründung des Sprechverbots für Amos in Bet-El, „das ist Königsheiligtum, 21 und es ist Staatstempel” , zeigt Amazja, was an der Kultstätte in Bet-El nicht stimmt. Noble erklärt das so: „Because it is completely under the control of the monarchy, its affairs are conducted in accordance with the requirements of national politics rather than religious propriety, with the consequence that those whom Yahweh has commissioned to prophesy are forbidden to speak there.”22 Durch seine Meldung an König Jerobeam und seine Charakterisierung des Amos als Aufrührer wird Amazja „vollends zum Erfüllungsgehilfen staatlicher Autorität in Religionsfragen gemacht”23. Auch der Rat des Priesters an Amos, in sein Heimatland Juda zu flüchten, ist laut Jeremias von staatlichem Interesse geleitet. Es sei „der Versuch, die Gefährdung des Staates so schnell wie möglich zu beseitigen. Nicht an Bestrafung des Amos liegt Amazja, sondern an politischer Ruhe für das Nordreich Israel.”24 Amos lebt – im Gegensatz zum staatlichen Priester Amazja – nicht von seiner prophetischen Tätigkeit. Er ist Bauer mit verschiedenen Einnahmequellen: Er besitzt Rinder und Kleinvieh und veredelt Maulbeerfeigen, die in der Nähe seines Heimatortes Tekoa im Südreich gut gedeihen.25 Viel ent20 21 22 23 24 25

Am 7,10b. Alle Amos-Texte nach der Übersetzung von Jeremias 1995 (ATD 24,2) Am 7,13 Noble 1998, S. 429 Werlitz 2000, S. 241 Jeremias 1995, S. 109 vgl. Am 1,1

Geschichtliche Erfahrungen der Kirche mit der Politik

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scheidender als die wirtschaftliche Unabhängigkeit ist aber die auf JHWH zurückgeführte Autorität des Redens Amos’. Laut Jeremias wird der erzählte Konflikt damit auf eine andere Ebene gehoben: „Nicht Amazja – Amos lautet dieser Konflikt, sondern Jerobeam II. bzw. der Staat und Jahwe stehen einander gegenüber.”26 Amazja stellt sich mit seinem Befehl an Amos, nach Juda zu flüchten, gegen JHWH, denn dem steht eine Anweisung Gottes entgegen: „Auf, sprich als Prophet zu meinem Volk Israel!”27 Über das weitere Geschick des Amos wird in Am 7,10-17 nichts berichtet. Hält man Spekulationen, jener Teil des Textes sei einmal vorhanden gewesen und im Laufe der Überlieferung ausgefallen, für abwegig, dann bleibt dafür nur eine einleuchtende Erklärung: Dem Autor der Geschichte ging es gar nicht um die Darstellung einer Episode aus dem Leben des Amos, sondern ausschließlich um die damit vermittelte Botschaft. Mit dieser Absicht passt der Text genau an die Stelle des Visionszyklus zwischen dritter und vierter Vision. Er fungiert als Erklärung für das in den vorangehenden drei Visionen 28 angesagte Schicksal Israels und bereitet die vierte Vision vor. Die Angehörigen der Oberschicht des Landes und mit ihnen auch die vom Staat eingesetzten Priester haben sich im sozialen Bereich gegen den Willen Gottes gestellt und dies in ihrem Hochmut nicht bemerkt. Deshalb wird ihnen das Gericht angesagt. Die letzte und entscheidende Verfehlung Israels besteht darin, dass die staatlichen Organe einen Propheten daran gehindert haben, das Wort Gottes im Volk zu verbreiten. Dadurch wurde nicht nur unmöglich gemacht, dass das prophetische Wort die Schuld Israels schonungslos aufdeckt; der Staat hat sein Volk auch noch um einen Anwalt seiner Interessen bei JHWH gebracht. Das wird durch die Stellung von 7,10-17 im Visionenzyklus deutlich. Während Amos in den ersten beiden Visionen noch als Fürsprecher bei JHWH erfolgreich ist und der Herr Mitleid mit seinem Volk bekommt, kündigt Gott in der dritten Vision schon an: „Sieh, ich bin dabei, Zinn mitten in 29 mein Volk Israel hineinzulegen.“ Auch Amos’ Rolle wandelt sich im Visionszyklus deutlich. Während er am Anfang Gott noch bittet: „Herr Jahwe, vergib doch! Wie soll Jakob bestehen? Er ist doch so klein!“30, verkündet der Prophet in 7,17 dem Volk das Unheil: „Israel aber muss zwingend ins Exil, fort von seinem Boden.” Dieser Rich26 27 28 29 30

a. a. O., S. 110 Am 7,15 vgl. Am 7,1-8 Am 7,8 Am 7,2

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

tungswandel in den Worten Amos’ wird direkt im Anschluss an die Amazjaerzählung von Gott selbst konsequent weiterverfolgt. In der vierten Vision ist JHWHs Entscheidung über Israel und damit über das staatliche Gemeinwesen unumstößlich geworden: „Das Ende ist gekommen zu meinem Volk Israel. Ich kann nicht länger schonend an ihm vorübergehen!“31 Amos erweist sich hier als Prototyp eines Menschen, der dem Wort Gottes gegenüber den weltlichen Machthabern Gehör verschafft. Seine Autorität bezieht er direkt von Gott, was ihn in Konflikte mit den Vertretern des Staates bringt. 1.2.2

Neues Testament

Im Neuen Testament ist das Verhältnis zwischen Glauben und Politik verschieden definiert. Jesus Christus hat zwischen dem Reich Gottes und der Welt der Politik unterschieden. „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist!“32, antwortet er auf die Frage der Pharisäer nach der Steuer. Er scheidet die göttliche Sphäre deutlich von der weltlichen. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt”33, sagt er im Verhör vor Pilatus. Sein Denken ist damit ebenso wie später das des frühen Christentums von apokalyptischen Vorstellungen geprägt. Während beispielsweise die alttestamentlichen Propheten noch glaubten, das Reich Gottes würde in dieser Welt aufgerichtet, lehrten die Apokalyptiker im 2. und 1. Jahrhundert vor Christus, dass der vorhandene Äon dermaßen vom Bösen geprägt ist, dass die irdische Welt von Gott total verwandelt werden muss und an ihre Stelle ein neuer Äon, eben das Reich Gottes, tritt.34 Im Gegensatz zu den Apokalyptikern blieb die Welt für Jesus Christus jedoch – trotz der Macht des Bösen – die gute Schöpfung Gottes. Das neue Reich kann jedoch nur von Gott aufgerichtet werden und nicht von den Menschen. Dies kommt im Gleichnis von der selbst wachsenden Saat zum Ausdruck.35 Wenn die Menschen mit Gewalt gegen das Böse vorgehen, gefährden sie auch das Gute.36 31 32 33 34 35

36

Am 8,2b Mt 22,21par. Alle Bibeltexte außer Amos in der Übersetzung nach Luther 1999 (11984) Joh 18,36 vgl. Schnübbe 1989, S. 12f. Mk 4,26f.: „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.“ vgl. das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen Mt 13,24-30. Als die Knechte ihren Herrn fragen, ob sie das Unkraut ausreißen dürfen, antwortet er: „Nein! Damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte.“

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Auch in der Bergpredigt rät Jesus seinen Anhängern, das Böse nicht zu vergelten.37 Diese fünfte Antithese muss nicht als Widerspruch zur Tora gelesen werden. Sie kann auch „hinter der notwendigen und vorausgesetzten legalistischen Interpretation eine neue, tiefere Verstehensebene erschließen“38. Der Rat muss im Kontext der gesamten Bergpredigt gelesen werden. Hintergrund ist die Rede vom Reich Gottes. Deshalb beginnt die Bergpredigt auch mit den Seligpreisungen.39 Dem Übel nicht zu widerstreben bedeutet daher, keine Vergeltung zu üben. Zum neuen Sein, das Gott den Menschen schenkt, gehört auch der Verzicht auf Vergeltung. Jesu Lehre erregte Ärgernis bei Juden und Römern. Das hatte religiöse und politische Gründe. Bei ersteren steht die Gesetzeskritik Jesu im Mittelpunkt. Beleg hierfür kann der erste Tötungsbeschluss der Pharisäer unmittelbar nach einer Heilung am Sabbat sein.40 Als wichtigster politischer Grund kann die Tempelkritik Jesu genannt werden, denn vom Tempel hing der Status der Lokalaristokratie ab. Deshalb zog Jesus „als möglicher politischer Unruhefaktor die Feindschaft der Lokalaristokratie auf sich“41. Als Hauptursache für die Verurteilung zum Tod kann nicht die Gesetzeskritik, sondern die Angst vor den Folgen des politischen Wirkens Jesu angesehen werden: „Jesus wurde hingerichtet, weil der Jerusalemer Magistrat oder ein Teil befürchtete, er könnte Unruhen auslösen, denen die Römer nicht zusehen würden.“42 Jesu Rede von Königsherrschaft Gottes 43 konnte als Konkurrenz zur Herrschaft des römischen Kaisers ausgelegt werden. Als eine Revolution im Innern kann man die Umkehrung der Verhältnisse in der basilei/a tou~ qeou~ deuten: Bisher unterprivilegierte Gruppen wie Zöllner und Prostituierte bekommen dort einen angesehenen Platz.44 „Jesu Entscheidung, alle diese verachteten Teilgruppen des Volkes, den ‚Am-Haarez’, in das Volksganze zu integrieren, ist ebenso eine politische Entscheidung wie die

37

38 39 40 41 42 43 44

Mt 5,39f.: „Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel.“ Wick 1996, S. 170 z. B. Mt 5,9: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Mk 3,6: „Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten alsbald Rat über ihn mit den Anhängern des Herodes, wie sie ihn umbrächten.“ Theißen & Merz 2001, S. 407 Burchard 1987, S. 54f. Lk 10,9b: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“ Mt 21,32b: „Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr [sc. die Hohenpriester und Ältesten des Volkes].“

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

Entscheidung der Pharisäer, den Am-Haarez auszugrenzen.“45 Wenngleich die basilei/a tou~ qeou~ auch kein politisches Reich im weltlichen Sinne ist, so ist sie doch „eine religiöse Erwartung mit politischer Relevanz. … Sie delegitimiert die gegenwärtige Verteilung von Macht und Besitz.“46 Auch die Messianität Jesu stand in einem politischen Zusammenhang. Weil auch politische Herrscher Palästinas eine Rolle als Messias für sich beanspruchten47, trat Jesus als Messias in Konkurrenz mit Herrschern seiner Zeit. Anders als heute war in der Antike die Vorstellung, dass Gott selbst oder sein Stellvertreter den Staat regierten, ein vertrauter Gedanke. Deshalb kommt Burchard zu dem Schluss: „Das Reich Gottes, das Jesus wollte, war auch eine politische Sache.“48 Berger hält es für wahrscheinlich, dass Jesus als Königsprätendent hingerichtet wurde: „Jesus war damit der Verletzung der alleinigen Majestät des römischen Kaisers schuldig erklärt worden. Er starb somit als politischer Aufrührer.“49 Die neuere Forschung legt den Schwerpunkt ihrer Interpretation von Jesu Wirken nicht auf den Ausspruch „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“50, sondern auf den Satz, der auf die nächste Frage im Verhör folgt: „Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll.“51 Entscheidende Aussagen über das Verhältnis von Christen und Staat sind im Brief des Paulus an die Römer gemacht. Die Begründung einer Staatslehre durch dessen 13. Kapitel wäre aber eine Überinterpretation des paulinischen Textes. Während die traditionelle römisch-katholische Auslegung das Kapitel über die staatliche Ordnung naturmetaphysisch interpretiert, findet das Luthertum darin den Beleg für die Einsetzung des Staates durch Gott. Eine dämonologische Deutung sieht in der in Röm 13,1 beschriebenen „Gewalt“ eine Engelsmacht. Karl Barth bezieht den Staat in einer christologi52 schen Deutung in die Königsherrschaft Christi mit ein.

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48 49 50 51 52

v. Jüchen, S. 42 Theißen & Merz 2001, S. 251 vgl. 1.Makk 14,14f. über den Makkabäerführer Simon: „Und er sprach Recht im Land und schützte alle Armen unter seinem Volk gegen Gewalt und bestrafte alles Unrecht und vernichtete die Gottlosen. Dem Heiligtum gab er neuen Glanz und ließ noch mehr heilige Geräte anfertigen.“ Burchard 1987, S. 33 Berger 2001, S. 17 Joh 18,36 Joh 18,37 vgl. Honecker 1995, S. 308

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Wird Röm 13,1-7 im Sinne eines absoluten Gesetzes verstanden, so kann man daraus Argumente gegen jede Revolution ableiten.53 Bei der Auslegung der Stelle ist zu beachten, dass Paulus unmittelbar davor die Gedanken aus der Bergpredigt aufnimmt. Er mahnt: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“54 Daraus folgt, dass Paulus den Geist der Bergpredigt und staatliches Handeln nicht als unvereinbare Gegensätze sieht. Er sieht den Staat als notwendig an, um in der Welt dem vorhandenen Bösen zu wehren. Aus der Aussage, man müsse sich vor der staatlichen Gewalt „nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke“55 ergibt sich, dass die hier gemeinte staatliche Gewalt als Dienerin Gottes für das Gute steht. Der in der modernen Diskussion wichtige Spezialfall des Unrechtsstaates wird von Paulus nicht angesprochen. Die Antwort auf dieses Problem kann nicht exegetisch, sondern nur systematisch gegeben werden. Es liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Paulus’ Anweisung aus dem ersten Vers, „jedermann sei untertan der Obrigkeit“56, dann eingeschränkt wird, wenn der Staat die ihm von Gott aufgegebene Aufgabe, für das Gute einzustehen, verfehlt. Pohle meint sogar, dass der Staat dann seinen Anspruch auf Gehorsam verliere, wenn er die Grenzen seines staatlichen Wirkens dadurch überschreitet, indem er mehr beansprucht, „als zur je ausreichenden Wahrung des Gemeinwohls erforderlich ist“57 Er folgert daraus: „Das ‚Verbindlichkeitsverhältnis’ zwischen ihm und ‚Jedermann’ ist dann gestört. Das muss den Widerspruch des ‚Jedermann’, besonders aber der Christen hervorrufen. Je nach Ausmaß der Störung kann die Gehorsamsverpflichtung gemindert oder aufgehoben sein.“58 Dieser Gehorsam bezieht sich – ungewöhnlich als Einschub in Paulus’ christlicher Paränese – auf jedermann, also auch auf Nichtchristen. Nach dem Kapitel 12 über das Leben der Glaubenden als ein Leben aus dem Geist wird der Christ „nun sehr ungnädig angefasst und abrupt auf jedermanns Niveau herabgezogen“59.

53

54 55 56 57 58 59

Röm 13,1f: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes.“ Röm 12,17 Röm 13,3 Röm 13,1 Pohle 1984, S. 175 ibid. Walker 1966, S. 12

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

1.2.3

Frühes Christentum und Mittelalter

Das Gegenüber von Kirche und Staat – ein „Grundthema der abendländischen Geschichte“60 – ist so alt wie die Kirche selbst; verstanden sich die Christen doch als Bürger der ewigen Polis, die keine religiöse Gemeinschaft, sondern ein politisches Reich ist.61 In der noch nicht erlösten Welt standen die ersten Christen dem römischen Staat fremd gegenüber, wurden von den Machthabern unterdrückt und sahen angesichts der Naherwartung des Weltendes auch gar keine Notwendigkeit, sich politisch zu engagieren. Das Fehlen der Wehrpflicht ersparte den frühen Christen die Auseinandersetzung mit dem Problem des Krieges. Ihren Frieden suchten sie nicht auf Erden, wo die pax Romana galt, sondern im nahenden Himmelreich. Das änderte sich erst langsam, als ihnen die Parusieverzögerung bewusst wurde. „Dennoch blieb, ja vertiefte sich zunächst im Verlauf der ersten 50 bis 60 Jahre des 3. Jahrhunderts die Kluft zwischen Christen und Staat, zwischen Christen und spätantiker Gesellschaft durch die stetig wachsende Zahl der Christen und 62 ihrer Gemeinden.“ Ganz auf den Kopf gestellt wurde das Verhältnis der Christen zur Politik mit der konstantinischen Wende zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Kaiser Konstantin wurde Christ und die Bischöfe gehörten zum Hofstaat. Kaiser und Könige empfingen nun ihr Amt von Gottes Gnaden durch die Kirche, die ihrerseits die staatliche Macht zur Bekämpfung von Heiden und Juden in Anspruch nahm. „Aus der Distanz von Politik und Glaube wurde das Bündnis, die Symphonie, der Einklang von Kirche und Staat”63, beschreibt Honecker die einschneidende Änderung im Verhältnis von Kirche und Staat. Der Glaube wurde herrschaftsstabilisierend. Das „Kartell zwischen Kirche und politischer Macht”64 führte zur Ideologisierung politischer Herrschaft und zur Machtorientierung der Kirche. Augustin unterschied in seinem Werk De civitate Dei zwischen civitas Dei und civitas terrena bzw. diaboli. Er verteidigte darin die Kirche als den irdischen Teil der civitas Dei gegen Vorwürfe der Bürger der civitas terrena, das Christentum sei schuld am Fall Roms im Jahre 410, weil die alten Götter die Westgoten unter Alarich zur Strafe für den Abfall zum Christentum geschickt hätten. Als in beiden Bereichen vorkommende Größe nennt Augustin die 60 61 62 63 64

Hesse 1987, Sp. 1546 vgl. Phil 3,20a: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel.“ Grasmück 1989, S. 7 Honecker 1998, S. 15 Huber 1999, S. 104

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Liebe, denn er unterscheidet die beiden Handlungsmotive amor Dei und amor sui. Anders als die zwei Äonen, von denen im Neuen Testament die Rede ist, bestehen beide civitates bei Augustin nebeneinander und folgen nicht aufeinander: „Fecerunt itaque ciuitates duas amores duo, terrenam scilicet amor sui usque ad contemptum Dei, caelestem uero amor Dei usque ad contemptum sui.“65 Wer den Stolz und die irdische Macht liebt, der gehört dem Reich des Teufels an. Im Mittelalter wurde ebenfalls ein dualistisches Weltverständnis vertreten. Man sprach von dua imperia, duo gladii, dua lumina, duae familiae und von duae civitates.66 Die Lehre Augustins wurde aber modifiziert, beispielsweise von dem Scholastiker Gabriel Biel, der in seiner Schrift Canonis misse exposito – von der zweiten Vaterunserbitte „Dein Reich komme“ ausgehend – das Reich Gottes erklärt und in der vierten von sieben Bedeutungen im Gegensatz dazu das Reich des Teufels benennt: „Duo quidem sunt regna in mundo commixta, dei scilicet et diaboli.“67 Biel bestimmt hier nicht zwei verschiedene Regierungsweisen, sondern zwei verschiedene Gemeinschaften mit verschiedenen Herrschern. 1.2.4

Luthers Zwei-Reiche-Lehre

Die Vermischung von Politik und Glaube bildet den Hintergrund von Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre, die eine weit zurückreichende Tradition hat.68 Deshalb ist Luthers Lehre für Honecker „keine absolute Neuschöpfung, sondern Aktualisierung theologischer Tradition“69. Die Rede von den zwei Reichen nimmt Motive apokalyptisch-theologischer Geschichtsdeutung des Alten Testaments auf, denen zufolge dem Gottesvolk ein endzeitliches Friedensreich verheißen ist.70 Demnach wird Gott die gegenwärtigen Reiche vernichten und ein neues Reich errichten.71 In der Geschichte der Christenheit war die immer wieder auftretende Spannung zwischen dem radikalen Gewaltverzicht und der in der Bergpredigt geforderten Feindesliebe einerseits und dem 65 66 67 68 69 70 71

Augustin 1955 (426), S. 451 vgl. Lau 1962, Sp. 1946 Biel 1966 (1499), S. 99 vgl. Lienemann 1996, Sp. 1409f. Honecker 1987, Sp. 4114 vgl. Mi 4,6: „Auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich ...“ vgl. Dan 2,44: „Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben.“

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

Gehorsam gegenüber der Ordnungsmacht des Staates andererseits Anlass dafür, zwischen zwei Arten von göttlichem und menschlichem Handeln in der Welt zu differenzieren. Der Unterschied von Luthers Lehre zu der traditionellen ist, dass bei Luther Gott in beiden Reichen herrscht, wenn auch auf verschiedene Weise. Aktueller Anlass von Luthers Äußerungen zum Verhältnis von Kirche und Staat ist das Verbot von Herzog Georg von Sachsen, Luthers Übersetzung des Neuen Testaments zu verkaufen. Darauf antwortet er 1523 mit seiner Schrift Von weltlicher Oberkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei. Luther verbittet sich die Einmischung des Herzogs in Glaubensfragen und entwickelt seine Zwei-Reiche-Lehre. Damit entspricht er auch einer Bitte des Bruders seines Landesherrn, dem Fürsten Johann von Sachsen, ihm einen scheinbaren Widerspruch zwischen zwei Bibelworten zu erklären. Es handelt sich um die schon angesprochene Stelle in der Bergpredigt (Mt 5,39f.) und eine Passage 72 im Römerbrief des Paulus, mit denen sich jeweils eine pazifistische und kriegerische Haltung begründen lässt. Luther unterschied in seiner Schrift Von weltlicher Oberkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei zwischen dem Reich Gottes zur rechten Hand, in der Christus durch das Wort herrscht, und dem Reich zur linken Hand, in dem der Kaiser mit dem Schwert regiert. Luther entwirrte mit dieser Unterscheidung die vielfach miteinander verbundenen geistlichen und weltlichen Interessen: „Darumb muß man dise beyde regiment mit vleyß scheyden und beydes bleyben lassen: Eyns das frum macht, Das ander das eusserlich frid 73 schaffe und bösen wercken weret.” Ebenso begründete er in der Zwei-ReicheLehre seine Forderung, die Kirche müsse auf weltliche Macht verzichten: „Was sind denn die priester und Bischoffe? Antwort: Ihr regiment ist nicht eyn uberkeytt odder gewallt, sondern ein dienst und ampt.”74 An dieser Stelle lässt sich die Intention Luthers ablesen, den Staat vor kirchlicher Bevormundung zu befreien. Die Zwei-Reiche-Lehre setzt die politischen und kirchlichen Verhältnisse des 16. Jahrhunderts voraus. Ob der Christ Bürger in beiden Reichen ist und daher auch in beiden Ordnungen Verantwortung trägt, ist umstritten. Heckel, der bezeichnenderweise vom „Irrgarten der Zweireichelehre“75 spricht, vertritt in seinen Arbeiten zur Rechtslehre Luthers einen physischen Reichsbegriff. Es sind zwei 72 73 74 75

Röm 12,19b: „Denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): ‚Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.’“ Luther 1523: WA 11, S. 252,12f. a. a. O., S. 271,11f. Heckel 1957, Titelseite

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Körperschaften, die in ständigem Kampf miteinander stehen: „Beide Reiche sind geistliche Größen, die aber ihre Verkörperung auf Erden finden, einerseits in der ‚Kirche der Gläubigen’, andererseits in dem ‚Reiche der Welt’. Dort regiert als Haupt Christus nach seiner Menschheit, hier der Teufel als ‚Fürst dieser Welt’. Zwischen beiden Reichen, dem regnum ecclesiae und dem regnum mundi, tobt ein erbitterter und ununterbrochener Kampf.“76 Der Christ kann demnach nur Bürger des Reiches Gottes zur Rechten sein, obwohl er auch in der Welt des Reiches des Satans lebt. Die zweite Auslegungsart einer funktionalen Deutung wurde zuerst von Törnvall, später von Althaus77 und Lau78 vertreten. Törnvall bekannte sich 1947 zur Regimentenlehre, der zufolge Gott die Welt in zwei Regimenten leitet, womit nicht zwei Reiche, sondern zwei verschiedene Arten und Weisen der Regierung der Welt durch Gott gemeint sind. Das geistliche Regiment wird auf Erden durch die Kirche ausgeübt, das weltliche durch den Staat. Törnvall unterscheidet streng zwischen den beiden Regimenten: „Zwar ist das weltliche Regiment gewiss auch ein Regiment Gottes, so dass es von Gott regiert wird, aber auf der anderen Seite hat es nichts mit dem Seelenheil und dem ewigen Leben zu schaffen, und deshalb hat Gott es der menschlichen Vernunft unter79 worfen. Es muss daher seine eigenen Gesetze und sein eigenes Wesen haben.“ 80 Der Christ ist nach dieser Auffassung „Bürger zweier Reiche“ . Da das Wort Reich aber durch die moderne Unterscheidung von Reich und Regiment bereits eine Auslegung impliziert, sollte man vielleicht besser von einem „Bürger unter zwei Regimenten“81 sprechen. Der Christ besteht dann aus Christperson und Weltperson. Törnvall unterscheidet die beiden Seinsweisen folgendermaßen: „Einerseits ist er Christperson. Als solche ist er eine Person für sich selbst und sonst für niemand, d. h. in seiner Eigenschaft als Christperson wird der Mensch als nur vor Gott verantwortlich betrachtet. (...) Der selbe Mensch, der als Christperson bezeichnet werden kann, ist gleichzeitig auch Weltperson, d. h. er steht zugleich in einem weltlichen Stand als Vater, Mutter, Sohn, Tochter usw. oder verwaltet ein Amt als Fürst, Richter, 82 Priester, Dienstbote usw.“ Die Aufforderung Jesu aus der Bergpredigt, die 76 77 78 79 80 81 82

Heckel 1956, S. 40 vgl. Althaus 1957, S. 40-68 vgl. Lau 1962, Sp. 1945-1949 Törnvall 1947, S. 40 Luther 1539: WA 39II, S. 81,32f.: „Ergo subjectus Deo est Christianus per fidem et Caesari per corpus.“ Ohlig 1974, S.163 Törnvall 1947, S. 166

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

Jünger sollten dem Übel nicht widerstehen83, gilt nach Luthers Auslegung von Mt 5-7 nur der Christperson, nicht der Weltperson: „So komen wir nu mit solchem unterscheid auff den text und gehen durch alle diese stück, nemlich das ein Christ sol keinem ubel widderstehen, widderumb eine welt person sol allem ubel widderstehen, so fern sein ampt gehet.“84 1.2.5

Kritik an der Zwei-Reiche-Lehre Luthers

Als problematisch bezeichnet Lohse schon den Begriff Zwei-Reiche-Lehre, den Karl Barth gebildet hat. Der Sinn der Unterscheidung zwischen zwei Reichen oder zwei Regimenten ist es laut Lohse, zwischen der Existenz des Menschen coram Deo und coram mundo zu unterscheiden. Für wichtig hält er es, „dass zum Reich der Welt keineswegs nur die Obrigkeit oder der Staat gehört, sondern schlechterdings alles, was zur Erhaltung und Fortführung des Lebens in der Welt notwendig ist”85. Die Unterscheidung zwischen beiden Reichen oder Regimenten entspreche der Distinktion zwischen Gesetz und Evangelium. Nicht anwendbar ist die Zwei-Reiche-Lehre nach Thielicke auf den totalen Staat, weil dieser „die Identität mit dem von Luther gemeinten Weltreich aufgegeben hat”86. Althaus warnt vor falschen Vorstellungen, die aus der Rede von „zwei Reichen“ erweckt werden könnten, es handle sich um zwei konkurrierende Ordnungen: „Indessen Christi Reich ist, ethisch gesehen, hier auf Erden nicht eine Ordnung der Verhältnisse, sondern eine Haltung der Personen.“87 Ebeling bezeichnet die Unterscheidung von Welt und Gott, von Diesseits und Jenseits, als „theologische Fundamentalunterscheidung”88, in der eine Gefahr liege: Sie drohe zu einer Gegensätzlichkeit von Größen zu werden, die einander ausschließen. Eine Eliminierung dieser Unterschiede freilich überwinde das Problem nicht: „Ein falsches Reden von zwei Welten, von Diesseits und Jenseits ... wird durch das Schlagwort von der einen Wirklichkeit jedenfalls nicht theologisch zur Wahrheit gebracht, wenn nicht an dieser einen Wirklichkeit die Unterscheidung aufgewiesen wird, die jene Ausdrücke in Wahrheit meinen.”89 Ebeling verweist hier auf die Unterscheidung, die in der 83 84 85 86 87 88 89

Mt 5,39: „Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ Luther 1532: WA 32, S. 393,37-39 Lohse 1995, S. 335 Thielicke 1953, S. 67 Althaus 1957, S. 47 Ebeling 1975a, S. 599 ibid.

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Bibel getroffen wird: „Denn nicht sieht der Herr auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.”90 Überwunden werden kann die Gegensätzlichkeit von christlichem Glauben und politischem Handeln nach Meinung Ebelings, „wenn wir den gemeinsamen Bezugspunkt im Auge haben: den bedrohten Menschen”91. Karl Barth hat mit seiner Theologie von der Königsherrschaft Christi einen Gegenentwurf zur Zwei-Reiche-Lehre erarbeitet. Demnach ist Jesus Christus Mittelpunkt von konzentrischen Kreisen. Um ihn herum ist als innerer Kreis die Kirche angeordnet, darum wiederum als äußerer Kreis der Staat. Damit wird symbolisiert, dass auch der Staat zum Herrschaftsbereich Christi gehört.92 Die Christen sind gefordert, im staatlichen Bereich analog zu ihrem Handeln im kirchlichen Bereich zu agieren. Die Christengemeinde – die Kirche – existiert aber „im Schutz der Bürgergemeinde“ – des Staates. Man kann die Königsherrschaft aber auch als Ergänzung der Zwei-ReicheLehre ansehen – nämlich dann, wenn man die Gemeinsamkeiten beider Reiche in der Ausrichtung auf Gott sieht. „Die Lehre von der Königsherrschaft Jesu Christi erinnert daran, dass diese Unterscheidungen nicht zur Trennung in verschiedene Bereiche führen dürfen, sondern dass danach zu fragen ist, 93 wie im Vorletzten das Letzte zeichenhaft vorscheint.“ Barths Ansatz muss man nicht im Gegensatz zu Luthers Lehre sehen. Jüngel sieht darin „eine – allerdings höchst eigenständige – Entwicklung des reformatorischen Ansatzes der Zwei-Reiche-Lehre“94. Richtig verstanden werden kann die Zwei-ReicheLehre laut Honecker nur, „wenn man sie nicht als Trennung zwischen zwei Bereichen (Gottesreich-Weltreich) interpretiert, sondern als Einübung in die Unterscheidung zweier Bezüge, welchen der Mensch als solcher (nicht nur der glaubende Christ!) Verantwortung schuldet“95. 1.2.6

Der moderne Staat

Die Reformation führte auch zu einem neuen Bündnis zwischen Kirche und Staat, denn die Leitung der Kirche in den reformatorischen Gebieten wurde den weltlichen Landesherrn übertragen. Aufgrund des Augsburger Religionsfriedens von 1555 konnten diese bestimmen, welcher Konfession ihre Unter90 91 92 93 94 95

1. Sam 16,7 Ebeling 1975a, S. 599 vgl. Barth 1989 (1946), S. 54 Haarbeck 1984, S.355 Jüngel 2000a, S. 176 Honecker 1987, Sp. 4122

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

tanen angehören sollten. Das änderte sich erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch das – aber nicht überall eingeführte – System der konfessionellen Parität. Eine Erscheinung der Neuzeit war andererseits auch der weltanschaulich neutrale Staat in Europa, in dem die Bürger Glaubens- und Gewissensfreiheit besitzen. Im 20. Jahrhundert ergibt sich ein anderes Bild. Die Kirche mischt sich wieder in die Politik in Deutschland ein. Der englische Historiker Jonathan R. C. Wright findet das ganz bemerkenswert: „One of the striking features of the history of the German Protestant Church in the 20th century is the extent 96 to which it is political history.” Die politisch neutrale Haltung der Kirche änderte sich vor allem durch die Entstehung des totalitären Staats, der den Menschen ganz beanspruchte und die Kirche für politische Zwecke instrumentalisierte. Angesichts dieser Eingriffe des Staates in die Kirche hat die Barmer Theologische Erklärung, die während des sog. „Kirchenkampfes“ 1934 als die „magna charta”97 der Bekennenden Kirche verabschiedet wurde, in ihrer fünften These die Unterscheidung der Aufgabe des Staates vom Auftrag der Kirche eingeschärft: Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maße menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden.98

Die Bejahung des Staates ist für die Christen also immer mit der Erinnerung an die Aufgabe verbunden, mit der der Staat von Gott betraut wurde. Die Barmer Erklärung wehrt den Totalitätsanspruch des Staates ab und betont: Für das Heil ist allein die Kirche zuständig. Trotz dieser klaren Aussagen gibt es auch in der Nachkriegszeit zahlreiche Bestrebungen der Kirche, „den eigentlich 96 97 98

Wright 1995, S. 63 Nicolaisen 1998, Sp. 1112 Burgsmüller & Weth 1983, S.38

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zuständigen Instanzen den richtigen, einzig möglichen politischen Weg zu weisen”99. Hüffmeier mahnt in diesem Zusammenhang, „dass kirchliche Verkündigung (Erinnerung) dem Staat kaum etwas zumuten kann, was sie nicht vorher und zunächst einmal an die eigene Adresse gerichtet hätte.“100 Huber kritisiert den einseitigen Blick der Barmer Erklärung auf das Gegenüber der Kirche zum Staat: „Dass Christen in ihren Berufen, in ihren Familien und auf viele andere Weisen am Leben der Gesellschaft teilnehmen, tritt überhaupt nicht in den Blick.”101 Dazu ist zu bemerken, dass der Hauptautor der Barmer Thesen, Karl Barth, selbst aktiv in die Politik eingegriffen hat. Am 26. Januar 1915 war er der Sozialdemokratischen Partei des Kantons Aargau beigetreten. Im Brief an seinen Freund Eduard Thurneysen vom 5. Februar 1915 erklärte er seinen Schritt damit, „dass der Glaube an das Größte die Arbeit und das Leiden im Unvollkommenen nicht aus- sondern einschließt“.102 Nach Wendland umfasst die eschatologische Bestimmung des Menschen auch den Leib. An diesem Punkt setze ein seit alters her erörtertes sozialethisches Grundproblem ein: Wie verhält sich die ewige Bestimmung des Menschen zu seiner zeitlichen Wohlfahrt? Hat es die Kirche nur mit der Verkündigung und Seelsorge zu tun oder soll sie sich auch um die irdische Wohlfahrt kümmern? Anders als viele Pietisten haben sich die großen Kirchen der Neuzeit dafür entschieden, die Fürsorge für das ewige Heil mit der Fürsorge für das zeitliche Wohl des Menschen zu verbinden, welches „in sozialer Gerechtigkeit, im Frieden unter den verschiedenen Gesellschaftsschichten, in einem geordneten Staatswesen, das Verbrechen niederhält und be103 kämpft, zu erblicken wäre” . Die Evangelische Kirche in Deutschland hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Öffentlichkeitsarbeit immer weiter verstärkt. In zahlreichen Erklärungen, Kundgebungen oder Denkschriften behandelt die EKD politische und gesellschaftliche Fragen. Sie hat die Kontakte mit dem Staat durch das Amt des Bevollmächtigten des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland geradezu institutionalisiert. Dessen Aufgabenbereich lässt sich „am ehesten mit der Tätigkeit eines Botschafters vergleichen“104. Wurzel dieser Entwicklung sind die Erfahrungen der Kirche in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933 bis 1945. „Damals hatte man erlebt und 99 100 101 102 103 104

Honecker 1998, S. 17 Hüffmeier 1988, S. 73 Huber 1999, S. 108 Barth 1966 (1915), S. 33 Wendland 1968, S. 74f. Kalinna 1987, Sp. 1584

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

erlitten, wohin mangelnde oder hinausgeschobene Mitverantwortung für die Dinge dieser Welt oder unkritisches Vertrauen auf eine ‚Obrigkeit’ führen”, heißt es in der Denkschrift Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen der EKD von 1970.105

1.3 Das Wächteramt der Kirche Als eine ganz spezifische Funktion der Kirche gilt das Wächteramt. Die Verwendung des Ausdrucks reicht bis zum Buch des Propheten Jeremia zurück: „So spricht der Herr: Tretet hin an die Wege und schaut und fragt nach den Wegen der Vorzeit, welches der gute Weg sei, und wandelt darin, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele! Aber sie sprechen: Wir wollen’s nicht tun. Auch habe ich Wächter über euch gesetzt: Achtet auf den Hall der Posaune!”106 Unter dem Stichwort des Wächteramtes nimmt die Kirche ihren Öffentlichkeitsauftrag und ihre Weltverantwortung in einer spezifischen, zugespitzten Situation wahr. Sie hält sich für befugt, ein Wächteramt hinsichtlich der öffentlichen Ordnung auszuüben „insofern als die Kirche in Ausübung ihres Verkündigungsauftrages in jener mittelbaren Weise Fragen des politischen Bereichs einer Beurteilung unterziehen muss”107. Die Kirche fühlt sich „von ihrer Einsicht in das Ziel der Welt her berufen, bestimmte Grenzen des staatlichen Ermessens bei der Machtausübung aufzuzeigen”108. Notwendig ist dieses Wächteramt der Kirche vor allem wegen der Sündenverflochtenheit der Welt der Schöpfung. Dieses Wächteramt ist geradezu notwendigerweise auch ein eminent politisches Amt: „Indem die Kirche Jesu der Welt uneingeschränkt Gottes Willen bezeugt, übt sie den Dienst des Hirten und Wächters aus, wird ihre Predigt zur ‚politischen Predigt’.“109 Zu konkreter Aktion aufgerufen wird das kirchliche Wächteramt, „wenn Gottes Gebote in systematischer und totaler Verachtung der ethischen Prinzipien verletzt werden und durch Machtmissbrauch, Rechtsverdrehung, Menschenverachtung und antichristliche Ideologien eine Herrschaft der Ungerechtigkeit aufgerichtet und damit ein politisches Anti-Ethos konstituiert wird“.110 Speziell dann, wenn „das Menschsein des Menschen, dessen Men105 106 107 108 109 110

EKD 1970, S. 46 Jer 7,16f. Pirson 1987, Sp. 2279 ibid. Künneth 1954, S. 575 a. a. O., S. 578

Das Wächteramt der Kirche

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schenrechte, insbesondere seine Freiheit des Bekennens, ernstlich und derart in Gefahr sind, dass das Schweigen zu diesem Zustand direkt und unmittelbar der Verleugnung des christlichen Glaubens gleichkäme”111, habe die Kirche die Aufgabe, mit einem eindeutigen „Nein” ihren Herrn zu bekennen. Diese Situation wird auch als Status confessionis bezeichnet. Je nach Lage kann dieses Nein zugleich „eine Skala positiver Möglichkeiten mit einem breiten Spielraum freisetzen”112. Vor der Tendenz, das Wächteramt der Kirche im Öffentlichkeitsauftrag aufgehen zu lassen, warnt Schlaich. Die Kirche sollte sich nicht auf jenes Nein beschränken, sondern am Ausbau des sozialen Rechtsstaats ständig mitarbeiten, „um so eine Entwicklung zum Unrechtsstaat schon im Ansatz zu unterdrücken”113. Den Begriff des Wächteramts hält die EKD selbst für problematisch, „wenn er das Verhältnis von Kirche und Staat nur als statisches Gegenüber umschreibt und den Eindruck erweckt, als werde nur nach draußen zu einer verlorenen Welt geredet”114. Dieses Unbehagen über das Wächteramt der Kirche kommt noch schärfer bei Oechslen zum Ausdruck. Ihm ist sogar „bang vor diesen Wächtern, die sich ‚bestellt’ wissen auf die Mauern der Kirche. Allzu viele Stellungnahmen habe ich gelesen, gehört und sogar mit verabschiedet. Wahrlich, wir haben manchmal Tag und Nacht nicht mehr geschwiegen. Wir sind sehr redselig – zum Fenster hinaus. In unseren Stellungnahmen zeigt sich eine Kirche, die kaum über sich selbst wacht, aber besorgt ist um das, was draußen ge115 schieht.“ Das stellvertretende Reden für andere sei aber „immer die Ausnahme, nur im Notfall erlaubt und geboten“.116 Wirkliche Wächter seien „Leute, die auch ihren eigenen Glauben kritisch wahrnehmen. Sie werden die Ideologien der Unfreiheit und der manipulierten Schuldgefühle aufdecken, das Moralin in den eigenen Worten erkennen“117.

111 112 113 114 115 116 117

Schlaich 1995, S. 157 EKD: „Denkschriften-Denkschrift“ 1970, S. 50 Schlaich 1995, S. 158 EKD: „Denkschriften-Denkschrift“ 1970, S. 50 Oechslen: SoBl Nr. 44 vom 4. November 2001, S. 2 ibid. ibid.

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

1.4 Ursachen der Spannungen im Verhältnis Kirche/Politik Ebeling nennt in seinem Aufsatz Kirche und Politik drei Gründe, warum das Verhältnis von Kirche und Politik heute zum Gegenstand der Zwietracht geworden sei. Da ist zum einen das schlechte Gewissen der Kirche, die immer noch von „dem einstigen Bündnis mit den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen“118 profitiere und sich durch religiöse Rechtfertigung des Bestehenden oder durch Rückzug in die Privatsphäre und in die Innerlichkeit mitschuldig gemacht habe an argen politischen und sozialen Zuständen. Deshalb sei es nicht verwunderlich, wenn das Pendel nun ins Gegenteil ausschlage: „Von apolitischer zu politischer Theologie bzw. von konservativ-politischer oder auch nationalistisch-politischer zu progressivpolitischer Theologie”119. Mit einem solchen Gegenschlag sei aber nicht gewährleistet, „dass sich die grundsätzlichen theologischen Fehler nicht unter anderer Flagge wiederholen”120. Als weitere Ursache des schwierigen Verhältnisses von Kirche und Politik nennt Ebeling das allgemeine politische Unbehagen. Die Atmosphäre sei bestimmt durch hochgradige Spannungen „zwischen einer unverarbeiteten grauenhaften Vergangenheit, deren Schuld weiterschwärt, auch wenn man sich richtend davon distanziert, und einer vielleicht noch grauenhafteren Zukunft, gegen die man Utopien verschwört”121. Der dritte Grund ist für Ebeling die Krise des christlichen Glaubens. Die überlieferte Sprache von Kirche und Frömmigkeit verliere den Kontakt mit der Erfahrung und greife ins Leere. „Sogar in den ethischen Grundfragen schwinden alte Selbstverständlichkeiten”, klagt er. Das Religiöse überhaupt sei einem rapiden Schwund ausgesetzt. Der Anschein völliger Religionslosigkeit konkurriere „mit unzähligen Symptomen von Religionssurrogaten”122. Nach Honecker ist die Relativierung des Politischen eine Aufgabe des modernen Christentums: „Zur Relativierung des Politischen trägt auch Ideologiekritik an Vorstellungen politischer Legitimationstheorien bei. Der christliche Glaube entmythisiert und entfatalisiert politische Forderungen (eschatologischer Vorbehalt, Bonhoeffers Unterscheidung von Vorletztem und Letztem). Theologische Ideologiekritik richtet sich auch gegen eine politische

118 119 120 121 122

Ebeling 1975a, S. 595 ibid. ibid. ibid. a. a. O., S. 596

Überschneidung und Abgrenzung der Bereiche

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Instrumentalisierung und Verfremdung religiöser Symbole wie Versöhnung und Befreiung.“123 Ein weiteres Feld von Spannungen sind die politischen Aktivitäten der einzelnen Christen, die in unserer pluralistischen Gesellschaft beileibe nicht immer in dieselbe Richtung laufen müssen. „Wer als Christ politisch handelt, muss sich nicht automatisch einer bestimmten Partei zuwenden“, gibt Johannes Rau zu bedenken. „Aber auch Christen in der gleichen Partei haben ja keineswegs immer die gleiche Haltung zu politischen Grundfragen.“124 Für ganz normale Reaktionen der Politik auf kirchliche Äußerungen spricht sich Gerhard Schröder aus: „Aber wenn sich die Kirchen zu Wort melden, müssen sie natürlich auch damit rechnen, dass man ihnen widerspricht, wenn man anderer Meinung ist.“125 Unterstützung einer Partei sei nicht Aufgabe der Kirchen: „Sie haben die Aufgabe, auf der Basis ihrer Wertvorstellungen Politik kritisch zu begleiten.“126

1.5 Überschneidung und Abgrenzung der Bereiche Freilich gibt es heute einige Felder der Gesellschaft, in denen Kirche und Staat in gleichem Maße tätig sind und in denen es Überschneidungen zwischen den beiden Bereichen gibt. Da ist zum einen die Präsenz der Kirche in der Schule zu nennen. Man denke nur an die Streitfälle um die Kruzifixe in bayerischen Klassenzimmern oder um das staatlich eingeführte Fach LER (Lebenskunde – Ethik – Religion) in Brandenburg.127 Auch bei der Besetzung von Lehrstühlen für Evangelische Theologie in staatlichen Universitäten gibt es ein Mitwirkungsrecht der Kirchenleitungen. Andere Bereiche sind die Seelsorge in staatlichen Hoheitsbereichen (Bundeswehr, Polizei, Justizvollzugsanstalten) oder auch die Stellung der Diakonie im Sozialsystem des Staates. Viele christliche Prinzipien sind heute zum Allgemeingut geworden, zum Beispiel Nächstenliebe, Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit, Friede. Dennoch führen einige Autoren spezifisch christliche Beiträge zum politischen und gesellschaftlichen Leben an. Dies kann nach Schlaich bereits in der Analyse des jeweiligen Sachverhalts liegen, der oft durch Interessenlagen, Vorurteile und Zielvorstellungen verstellt werde: „Christen hoffen darauf, 123 124 125 126 127

Honecker 1997, S. 19 Rau 1997, S. 400 Schröder: SoBl Nr. 13 vom 31. März 2002, S. 9 ibid. vgl. Bundesverfassungsgericht: PM Nr. 62 vom 11. Juni 2001

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Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik

dass ihnen der Glaube immer wieder neue Sichtweisen eröffnet.”128 Die „Demokratie-Denkschrift” der EKD von 1985 macht die Unterschiede zwischen politischer Überzeugung und christlichem Glauben deutlich: „Die Kirche begleitet den Staat in seinem Auftrag und die Christen in ihrer politischen Existenz; aber sie tritt nicht an die Stelle des Staates und nimmt den Christen nicht ihre Verantwortung als Bürger ab.”129 Die „Denkschriften-Denkschrift” von 1970 nennt biblische „Haltungsgrundlagen”130 wie beispielsweise den Liebes-, Dienst- und Versöhnungsgedanken im Eintreten für den Nächsten. Daraus ergeben sich für den Christen spezielle Richtlinien als Entscheidungshilfen, die man in der ökumenischen Diskussion auch als „mittlere Axiome”131 bezeichnet. Die Versöhnung wiederum gibt die Möglichkeit der Befreiung von Interessenszwängen. „Der vernünftige Gebrauch des politischen Amts ist reine Selbstentäußerung”132, meint Duchrow, denn der Träger eines Amtes stehe unter der ständigen Versuchung, dieses zu missbrauchen. Nur derjenige, der seinen Stand in Gott habe, könne dieser Belastung voll standhalten. Fähigkeit zu „befreiender Selbstkritik”133, die den Christen auszeichne, fehle in unserer Gesellschaft häufig. Einen einzigartigen Dienst kann die Kirche nach Scheuner leisten, weil unter allen Einrichtungen unserer Zeit allein sie es vermag, „den Blick auf den ganzen Menschen, in der Tiefe und Würde seiner humanen Existenz zu eröffnen”134. Das soll im folgenden Kapitel anhand einer theoretischen Darlegung zu den kirchlichen Äußerungen zu politischen Fragen nachvollzogen werden.

128 129 130 131 132 133 134

Schlaich 1995, S. 156 EKD 1985, S. 45 dies. 1970, S. 70 ibid. Duchrow 1983, S. 551f. Huber 1991, S. 637 Scheuner 1972, S. 252

2 Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen 2.1 Der Begriff kirchliche Äußerung Die Prädikation kirchlich muss nach Ebeling sowohl als Hinweis auf die sich äußernde Instanz als auch auf die sachliche Orientierung der Äußerung verstanden werden. Insofern ist kirchlich nicht identisch mit christlich. Während die christliche Äußerung jedem einzelnen Christen und Gruppen von Christen zusteht, muss eine kirchliche Äußerung „als Funktion einer kirchlichen Instanz erkennbar sein: normalerweise eines Amtsträgers oder eines geordneten Gremiums”1. Für das protestantische Verständnis lässt sich jedoch weder Amtscharisma noch Autorisierung durch Menschen für die Autorität kirchlicher Äußerungen ins Feld führen, „sondern allein die Übereinstimmung der Äußerung selbst mit dem Grund christlichen Glaubens”2. Honecker meint, man solle gar nicht versuchen, in sachlicher Hinsicht zu unterscheiden „zwischen dem, was die Kirche und dem was die Christen zu sagen haben”3. Die Kirche sei ja nichts anderes als die Gemeinschaft der Glaubenden. Und die einzelnen Christen könnten – vom Glauben her gesehen – nichts anderes sagen als offizielle kirchliche Gremien.

2.2 Legitimation der politischen Äußerungen der Kirche Ausgangspunkt für die Begründung von politischen Äußerungen der Kirche ist die Tatsache, dass die Kirche ein geschichtliches Faktum ist, sich also in der Welt eingerichtet hat. Die äußere Kirche manifestiert die geistliche Kirche. Davon ausgehend, kommt Ohlig zu zwei Feststellungen: „Erstens ist jede politische ‚Aktivität’ der Kirche formal ein Verkündigungsgeschehen. (...) Zweitens vermittelt die Kirche in ihrer politischen Sendung inhaltlich Wahrheit [sic!] der Offenbarung.“4 Die Kirche nimmt mit ihren politischen Äußerungen also immer mit ihrer ganz spezifisch kirchlichen Eigenschaft am politischen Leben teil.

1 2 3 4

Ebeling 1975b, S. 616 ibid. Honecker 1998, S. 13 Ohlig 1974, S. 148

46

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

2.2.1

Aus der Sicht des Staates

In einer demokratischen Gesellschaft ist es selbstverständlich, dass sich auch die Kirche zu politischen Fragen wertend und urteilend äußern kann. Das Recht der Kirche zu öffentlichen Äußerungen ist dem Wesen nach ein überstaatliches Recht. Es ist aber auch im Einklang mit der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, und zwar mit dem Grundrecht der Religions-, Glaubensund Gewissensfreiheit. In Artikel 4 Absatz 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.”5 Artikel 4 des Grundgesetzes verbietet dem Staat zwar eine Identifikation mit einer Religion, er verbietet ihm aber auch, die christliche Religion zur Privatsache zu erklären. Die weltanschauliche Neutralität des Staates „besagt nicht, dass der Staat, wie es kirchenfeindlich-laizistische Auffassung folgerte, dazu verpflichtet ist, die Kirche aus dem Öffentlichen Leben auszuschalten und in der Öffentlichkeit den Staat auf die nichtreligiöse Weltanschauung verbindlich festzulegen”6. Die Kirche ist vielmehr nicht anders zu behandeln als andere große Verbände. Weil das heutige Verfassungsrecht einen säkularen Staatsbegriff voraussetzt, kann der Öffentlichkeitsanspruch der Kirche gar nicht in die staatliche Rechtsordnung einbezogen sein. Pirson präzisiert: „Nicht der Öffentlichkeitsanspruch selbst, sondern die sich im Öffentlichkeitsanspruch abzeichnende gesellschaftliche Relevanz der Kirche kann in der staatlichen Rechtsordnung zum Ausdruck kommen.”7 2.2.2

Aus der Sicht der Kirche

Während die Legitimation der Kirche zu öffentlichem Reden aus staatlicher Sicht ein recht problemloses Bild ergibt, so wird die Sache aus kirchlicher Sicht wesentlich unklarer. Honecker meint, dass es diesbezüglich zu „keiner letztlich vollbefriedigenden und endgültigen Antwort”8 gekommen sei. Lohff bemängelt an der Denkschriften-Denkschrift der EKD die fehlende sachliche Konsistenz: „Die Denkschrift über die Denkschriften spricht eindeutig hinsichtlich der von ihr abgelehnten Positionen, sie spricht ambivalent hinsichtlich der von ihr selbst vertretenen Positionen.”9 Abgelehnt werde die Zwei5 6 7 8 9

GG Art. 4 (1) Honecker 1976, S. 42 Pirson 1987, Sp. 2281 Honecker 1976, S. 46 Lohff 1973, S. 663

Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche

47

Reiche-Lehre, sofern sie Reich der Welt und Reich Christi auseinanderreiße. Der Kirchenbegriff der Denkschrift schwankt nach Lohffs Auffassung „zwischen einer unmittelbaren Inanspruchnahme christlicher Identität, die sich als Auftragsgewissheit versteht, und einem Verständnis der Kirche als gesellschaftlicher Gruppe mit eigenen Interessen”10. Nach Ansicht der EKD beruht die Legitimation der Kirche, sich zu politischen und gesellschaftlichen Fragen zu äußern, auf dem „umfassenden Verkündigungs- und Sendungsauftrag ihres Herrn”11. Der so genannte Missionsbefehl in Mt 28,19f. lautet: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch bis an der Welt Ende.”12 Gollwitzer sieht die Christen durch diesen Auftrag unbestreitbar zu den Menschen gesandt. Er erinnert an die besondere Bedeutung des Wortes Welt im Johannesevangelium, wo der Kosmos vor allem als Menschenwelt verstanden werde.13 Wenn Gott der Herr über das ganze Leben und nicht nur über einen religiösen Sonderbereich sein wolle, so müsse „das Interesse der Kirche grundsätzlich sich auf alle Lebensbereiche erstrecken”14. Beim Eintritt in eine politische Welt geschehe also nicht ein Austritt aus dem Reich Christi. Für Gollwitzer ist deshalb „der Bereich der Politik samt der Verwaltung der Macht grundsätzlich als ein Bereich unter der Herrschaft Jesu Christi, nicht außerhalb von ihr, gekennzeichnet”15.

2.3 Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche 2.3.1

Geschichte des Begriffs

Die Formel vom Öffentlichkeitsauftrag der Kirche ist in der Nachkriegszeit zum häufig gebrauchten Schlagwort für das enge Verhältnis zwischen Kirche und Staat geworden. Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche ist in der biblischen Tradition fest verankert. Neben dem schon erwähnten Missionsbefehl in Mt 10 11 12 13

14 15

ibid. EKD: „Denkschriften-Denkschrift“ 1970, S. 49 Mt 28,19f. Joh 14,27b: „Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.“ Joh 15,18: „Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat.“ Joh 16,33: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Gollwitzer 1976, S. 44 a. a. O., S. 15

48

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

28,19f. kann noch der Auftrag der Kirche aus dem 2. Korintherbrief des Paulus erwähnt werden, der Welt von der in Christus geschehenen Versöhnung Zeugnis abzulegen: „So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“16 Auch durch den Versöhnungsauftrag ergeht „die Weisung an die Christen, ihr Leben als versöhnte Menschen in Mitmenschlichkeit zu gestalten“17. Der Glaube vor Gott und die Werke vor der Welt gehören zusammen. Dies veranlasst die Kirchen zu karitativer, sozialer und politischer Betätigung18. Huber differenziert hier aber. Er sieht im Missionsbefehl keinen Öffentlichkeitsanspruch der Kirche begründet, sondern nur einen „Öffentlichkeitsanspruch des Evangeliums bzw. Jesu selbst, den die Kirche zu vertreten und in dessen Dienst sie sich zu stellen hat“19. Van Oyen nennt den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche „Erwählung, Ausgrenzung anderer Möglichkeiten absoluter Zugehörigkeit, Erweckung zu einem absoluten Sein“20. Der Öffentlichkeitsanspruch der Kirche in Deutschland wurde besonders in der Zeit des sog. Kirchenkampfes deutlich. Der Begriff taucht erstmals 1939 in der Schrift Der Öffentlichkeitsanspruch des Evangeliums von de Quervain auf.21 Schon in der Barmer Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche vom 31. Mai 1934 ist in der zweiten These die Rede von „Gottes kräftige[m] Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.”22. Der Auftrag der Kirche folgt also aus dem Öffentlichkeitsanspruch des Evangeliums und ist „vor allem die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, die Proklamation von Gottes universalem Heilshandeln und -willen, so wie die Jünger Jesu ihren Herrn verstanden haben, als sie sich bald nach dem Osterereignis beauftragt wussten, Jesu Worte und Wunder aller Welt zu verkünden“23. Im „Sein und Tun Christi offenbart sich Gott, schafft er sich seine Öffentlichkeit 16 17 18 19 20 21 22 23

2. Kor 5,20 EKD: „Denkschriften-Denkschrift“ 1970, S. 50 vgl. Schlaich 1995, S. 146 Huber 1973, S. 619 van Oyen 1960, Sp. 1565 de Quervain 1939, Titelseite Burgsmüller & Weth 1983, S. 35 Mikat 1988, Sp. 144

Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche

49

und qualifiziert er die Welt als seine Welt.”24 Der Öffentlichkeitsauftrag ist im Übrigen kein Privileg der Kirche, sondern er hat seine Entsprechung in der Öffentlichkeitsbedeutung anderer gesellschaftlicher Gruppen und Verbände. Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland fand der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche noch keinen verfassungsrechtlichen Niederschlag. Eine staatsrechtliche Positivierung bekam der Terminus Öffentlichkeitsauftrag erstmals in der Präambel des Niedersächsischen Kirchenvertrages vom 19. März 1955, dem sog. Loccumer Vertrag. Der Vertrag ist geschlossen „in Übereinstimmung 25 über den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen und ihre Eigenständigkeit” . Ursprünglich war in der Loccumer Formel in einem staatlichen Entwurf die Wendung „unter Anerkennung des Öffentlichkeitsanspruchs der Kirchen” vorgesehen. Die Verhandlungsentwicklung zeigt nach Meinung von Conrad „eine Tendenz von der Betonung einer einseitigen Anerkennung eines kirchlichen Anspruchs durch den Staat hin zu einer Zusicherung der beiderseitigen Übereinstimmung über den kirchlichen Öffentlichkeitsauftrag”26. Die Loccumer Formel wurde anschließend in alle neueren Kirchenverträge zwischen den einzelnen Bundesländern und den evangelischen Kirchen übernommen. Die Problematik der teils synonymen Verwendung der Begriffe Öffentlichkeitsauftrag und Öffentlichkeitsanspruch spricht Huber an. Er nennt es „eine sonderbare Verkehrung der Maßstäbe”27, wenn in Verträgen zwischen Staat und Kirche vom Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, in theologischen Texten dagegen von ihrem Öffentlichkeitsanspruch die Rede ist: „Denn allein der umgekehrte Sprachgebrauch ist sachlich zu begründen; der Staat vermag allein den Anspruch der Kirche auf öffentliche Wirksamkeit anzuerkennen; die Kirche vermag vor ihrem Selbstverständnis allein einen Auftrag zu öffentlichem Wirken zu rechtfertigen.“28 2.3.2

Kritik am Öffentlichkeitsanspruch der Kirche

Die theologische Ableitung des Öffentlichkeitsanspruchs ist nicht unumstritten. Bei den Einwänden wird „teils auf die spezielle Funktion des kirchlichen Amtes abgehoben, dem kein politisches Mandat zukomme, teils auf die Eigengesetzlichkeit der weltlichen Ordnungen und auf die Unterscheidung des weltlichen Regiments vom Regiment im Reiche Christi, teils auf die Unter24 25 26 27 28

Schlaich 1995, S. 143f. Conrad 1964, S. 15 ibid. Huber 1973, S. 621 ibid.

50

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

scheidungen zwischen Person und Struktur, zwischen den Einzelnen als Christen und Bürgern und der Kirche, teils auf die Innerlichkeit und individuelle Heilsbedeutung des Evangeliums.“29 Politiker kritisieren oft die Einmischung der Kirchen in Fragen des politischen Alltags. „Was der Kirche nicht gut tut, sind konkrete politische Handlungsempfehlungen in Detailfragen“30, sagt etwa der CSU-Europapolitiker Ingo Friedrich. Er lehnt kirchliche Äußerungen zum Betrieb eines Kernkraftwerkes oder zur Staatsbürgerschaft ab und weist der Kirche eine eingeschränkte Zuständigkeit für das Politische zu: „Ihre Aufgabe ist es nicht, Politik zu machen. Aufgabe der Kirche ist es, zu mahnen, das Gewissen zu schärfen, für gegenseitiges Verständnis zu werben und gute Entwicklungen zu unterstützen.“31 Die Herleitung aus einem umfassenden Verkündigungsverständnis ist von Honecker kritisiert worden. Seiner Meinung nach gehört zur Verkündigung die Verkündigungssituation. Für die ethische Argumentation in kirchlichen Stellungnahmen könne dies nicht gelten, denn diese solle „gerade nicht einfach situationsbezogen sein, sondern Grundeinstellungen und Grundlagen klären”32. Später kritisiert Honecker auch die Argumentation in der „DenkschriftenDenkschrift”: „Es finden sich unterschiedliche Lieblingsideen, Leitvorstellungen und Belege aus bisherigen kirchlichen Erklärungen; in dieser Hinsicht ist diese Denkschrift ein Musterbeispiel für einen Gremientext, in den unterschiedliche Meinungen eingehen und aus dem man dann auch je nach Bedarf recht Unterschiedliches, ja Gegensätzliches herauslesen und zitieren kann.”33 Huber ordnet die Öffentlichkeitsarbeit der Paraklese zu. Weil die Christen in der endzeitlichen Spannung zwischen dem Sterben des alten und dem Auferstehen des neuen Menschen lebten, müssten sie ständig dazu aufgerufen werden, das Leben der neuen Schöpfung bis in ihre leibliche Existenz hinein zu realisieren. „Dieses Aufrufen, diese Paraklese gehört also zu den wichtigsten Vollzügen in der Kirche als Leib Christi.”34 Den Leib Christi interpretiert Huber als „kommunikatives Team Christi”35. Ebeling präzisiert das Verhältnis von Kirche und Politik: „Die Sache des christlichen Glaubens ist nicht Politik. Wohl aber schärft der christliche Glaube die Mitverantwortung für Politik.”36 29 30 31 32 33 34 35 36

Schlaich 1995, S. 146 Friedrich 1997, S. 102 ibid. Honecker 1977, S. 140 Honecker 1984, S.249 Huber 1973, S. 126 ibid. Ebeling 1975a, S. 593

Absender und Empfänger kirchlicher Äußerungen

51

Die Kirche kann sich gar nicht einer politischen Wirkung enthalten, denn sie „strahlt auf jeden Fall auch in die Gesellschaft politisch aus, durch politische Stellungnahme oder Abstinenz ...”37. Eine scheinbar unpolitische Haltung kann „verheerende politische Folgen haben ..., indem dadurch die Tendenzen zur Zementierung des Bestehenden ... befördert werden”38. Pirson mahnt, darauf zu achten, „dass die Autorität der Kirchen nicht partikularen politischen Zielsetzungen dienstbar gemacht wird”39. Eine Stellungnahme zu politischen Problemen fällt aber nur dann in die Kompetenz offizieller kirchlicher Instanzen, „wenn es sich um eine Äußerung handelt, die sich notwendig aus dem Verkündigungsauftrag ergibt. (...) Es muss sich um einen Notdienst handeln, der durch einen politischen Missstand und Notstand herausgefordert ist.”40 Die EKD setzt sich von einer Einschränkung ihrer Äußerungen ab. Der umfassende Verkündigungsauftrag dürfe sich nicht „auf jene Sonderfälle beschränken, in denen ein eindeutiges ‚Nein’ der Kirche geboten ist”41. Aufgrund der in Christus geschehenen Versöhnung der Welt mit Gott ergehe die Weisung an die Christen, ihr Leben als versöhnte Menschen in Mitmenschlichkeit zu gestalten. Das schließe auch die Aufgabe ein, „gemeinsam nach Bedingungen für eine rechte Ordnung des menschlichen Zusammenlebens in der jeweiligen Gegenwart zu suchen”42. Die folgenreichsten gesellschaftlichen Entwicklungen geschehen heute zumeist so, dass sie keine Gelegenheit geben, ein eindeutiges „Nein” angesichts von klaren Unrechtssituationen zu sagen. Diese Situationen seien häufig die Folge einer komplizierten Entwicklung, die keinen einfachen Weg zurück offen lasse. Deshalb müsse die Kirche die Entwicklungen „mitdenkend begleiten und dabei deutlich machen, wie christliche Verantwortung zu ihrer Korrektur und Beeinflussung wahrgenommen werden kann”43.

2.4 Absender und Empfänger kirchlicher Äußerungen Nicht nur kirchenamtliche Organe wie Kirchenleitungen oder Synoden geben politische Erklärungen ab. Auch Kirchentage, Akademien, freie kirchliche Gruppen oder sogar einzelne Christen mit und ohne kirchenamtliche Funkti37 38 39 40 41 42 43

a. a. O., S. 594 Ebeling 1975b, S. 620 Pirson 1987, Sp. 2280 Ebeling 1975b, S. 618 EKD: „Denkschriften-Denkschrift“ 1970, S. 50 ibid. a. a. O., S. 51

52

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

on äußern sich öffentlich zu gesellschaftlichen und politischen Fragen. Das ruft in einer Gesellschaft, in der Parteien und Interessenverbände verbindliche Stellungnahmen durch ihre Funktionäre abgeben, Irritationen hervor. Die EKD stellt deshalb 1970 fest: „Die geistliche Legitimität kirchlichen Redens kann deswegen nicht in erster Linie von der verbandsrechtlichen Bevollmächtigung der Redenden abhängig sein. Nicht selten haben sich in der Kirchengeschichte einzelne Menschen ohne jeden amtlichen Auftrag als die eigentlich legitimen Sprecher der Kirche erwiesen.”44 Deshalb müsse man bei kirchlichem Reden immer zuerst nach dem rechten Inhalt des Gesagten und nicht nach der amtlichen Legitimation der Redenden fragen. Nach Darstellung von Duchrow ist der Mensch ein cooperator Dei, also ein Mitarbeiter Gottes in der Wortverkündigung, in der Politik, der Wirtschaft und in der Hilfe für andere.45 Ganz klar sagt es die „DenkschriftenDenkschrift” der EKD von 1970: „Entscheidend für die Kirchlichkeit einer Äußerung ist allein deren Schrift- und Sachgemäßheit, die sich im Vollzug bewähren und erweisen muss.”46 Dies birgt laut Honecker aber auch Unsicherheiten in sich. Er verweist auf den Aspekt, dass die Denkschrift von 1970 keine Instanz benennen könne, die „offiziell für die Evangelische Kirche Deutschlands in letzter Vollmacht die Kompetenz politischen Redens hätte”47. Das Problem sei für die evangelische Kirche nicht, dass ihr die Gesellschaft die Berechtigung zu Stellungnahmen abspreche, „sondern, dass diese Berechtigung von innen her, von Kirchenmitgliedern in Frage gestellt wird”48. Außerdem sei weder das Kriterium der Sachgemäßheit noch das der Schriftgemäßheit „als solches zureichend präzis”49. Unterschieden wird von der EKD aber zwischen Äußerungen kirchenrechtlicher Art und solchen mit Verkündigungscharakter. Wo sich die Kirche als Verband unter Verbänden im Rechts- und Geschäftsverkehr äußert, ist es für die Rechtsverbindlichkeit dieser Äußerungen durchaus entscheidend, ob sie von den zuständigen Organen verantwortet wird. Anders verhält es sich bei den kirchlichen Äußerungen, die im Rahmen des der Christenheit gegebenen geistlichen Auftrages erfolgen. Jene Äußerungen bestimmen sich in guter lutherischer Tradition allein danach, ob die Äußerung schrift- und sachgemäß und darin überzeugend ist. 44 45 46 47 48 49

a. a. O., S. 57 vgl. Duchrow 1983, S. 512ff. EKD 1970, S. 58 Honecker 1976, S. 48 ibid. Honecker 1984, S. 251

Absender und Empfänger kirchlicher Äußerungen

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In der Denkschrift Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen stellt die Kammer für soziale Ordnung klar: „Ebenso wenig wie die Predigt eines Bischofs authentischere und verbindlichere Auslegung des Evangeliums ist als die Predigt eines Gemeindepfarrers, ebenso wenig ist eine kirchliche Äußerung zu gesellschaftlichen und politischen Fragen allein deshalb authentischer und verbindlicher als die Stellungnahme eines Gemeindekreises oder einzelner Christen, weil sie von einer Kirchenleitung oder einer Synode verabschiedet worden ist.”50 Die Kirche spreche hier rechtlich unverbindlich, weil sie ihren Mitgliedern nicht ex cathedra eine lehramtliche Entscheidung vorschreiben könne. Sachlich spreche sie dagegen verbindlicher, weil ihre Äußerung zum Anspruch des Evangeliums in Beziehung stehe. Die Adressaten könnten die Rede „als mit dem Gebot Gottes und gewissenhaft angewandter Vernunft übereinstimmend”51 annehmen oder als nicht übereinstimmend ablehnen. Wer sind nun diese Adressaten der kirchlichen Äußerungen? Die „Denkschriften-Denkschrift” der EKD geht davon aus, dass kirchliche Äußerungen „zunächst auf eine innerkirchliche Klärung und Besinnung”52 zielen. Das sei schon deshalb erforderlich, weil sich auch auf dem Feld der Ethik neue theologische Einsichten entwickelten und angesichts der raschen Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten die überlieferten Vorstellungen allein nicht mehr genügen könnten. Diese innerkirchliche Zielsetzung sei deshalb wichtig, „weil das Wirksamwerden kirchlicher Äußerungen wesentlich davon abhängt, dass sie von den Gemeinden aufgenommen ... werden”53. Diesen Anspruch sieht Schröer nicht verwirklicht. Nach seiner Meinung haben die Denkschriften „in der Regel kaum die Ebene der Gemeindediskussion erreicht”54. Sie blieben Material bestimmter Foren, etwa der Akademien, der Erwachsenenbildung und der Experten und Verbände. Die Stellungnahmen leisten aber auch einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion. In der Denkschrift von 1970 ist das so formuliert: „Sie versuchen, die Bewusstseins- und Meinungsbildung zu beeinflussen, vergessene oder verdeckte Zusammenhänge zur Sprache zu bringen und vor allem Denkanstöße zu vermitteln.”55 Diese Anregungen können auch die Ebene der Kirchengemeinden erreichen, wie später anhand der friedensethischen Stellungnahmen erläutert wird.56 50 51 52 53 54 55 56

EKD 1970, S. 59 a. a. O., S. 59 a. a. O., S. 65 a. a. O., S. 59 Schröer 1981, S. 496 EKD 1970, S. 65 s. u. S. 11 ff.

54

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

2.5 Ziele kirchlicher Stellungnahmen Die Kirche maßt sich mit ihren Äußerungen kein politisches oder staatliches Amt an. Die 5. These der Barmer Theologischen Erklärung verwirft „die Beanspruchung staatlicher Würden und Aufgaben seitens der Kirche”57. Kirchliche Verlautbarungen liefern auch kein Rezept für politisches Wirken. Was sollen kirchliche Äußerungen zur Politik also bewirken? Diese Frage hängt eng mit der Frage zusammen, als was eine kirchliche Äußerung zu verstehen ist. Wollen sie der Politik sagen, was zu tun ist, dann wäre das eine Art „politisches Lehramt”58. Wollen sie Kritik üben an dem, was die Politik falsch gemacht hat, dann wäre das ein „Auftrag zur Gerichts- und Mahnrede”59. Natürlich haben kirchliche Stellungnahmen ein ganz spezifisches Profil, mit dem sie sich von Äußerungen anderer gesellschaftlicher Gruppen absetzen. Nach Auffassung der EKD von 1970 sollen kirchliche Beiträge zur Auflockerung und Überwindung verhärteter Fronten beitragen. Das sei deshalb nötig, weil „alle gesellschaftlich etablierten Gruppen zur ideologischen und moralischen Selbstrechtfertigung neigen und (...) das offene Gespräch selbst unter Gutwilligen immer wieder unter dogmatischen Vorurteilen theologi60 scher oder politisch-weltanschaulicher Art leidet” . Was dem einzelnen Christen bei der politischen Mitsprache besonders schwer fällt, ist „das Aushalten des Wissens um sein Nichtwissen”61. Darin liegt aber auch eine Chance, nämlich die, „dass man auf vorschnelles Urteilen verzichtet, ein Ohr für die Gegenstimmen hat, sich vor pauschaler Parteilichkeit hütet und den Mut hat, die mangelnde Kompetenz sich selbst und vor andern einzugestehen”62. Eine falsche Erwartung sei es, dass sich aus dem christlichen Glauben mit Notwendigkeit bestimmte politische Konsequenzen ergeben. Indem sich kirchliche Äußerungen an den einzelnen Christen wenden, fordern sie ihn auf, seinen Glauben im politisch-gesellschaftlichen Bereich zu bewähren. Dabei will die Kirche aber auch Hilfestellung geben, weil „in der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit oft nur gemeinsames Handeln die erforderlichen Veränderungen bewirken kann”63. Das ganz spezielle Ziel kirchlicher Verlautbarungen ist jedoch ein theologisches: Die Kirche tritt am 57 58 59 60 61 62 63

Honecker 1980, Sp. 121 Honecker 1998, S. 13 ibid. EKD 1970, S. 65 Ebeling 1975a, S. 607 ibid. EKD: „Denkschriften-Denkschrift“ 1970, S. 66

Der richtige Zeitpunkt kirchlicher Äußerungen

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eindrücklichsten dadurch in Erscheinung, dass sie „in ihrer eigenen Existenz den Indikativ des Evangeliums zur Darstellung bringt und eben dadurch der Welt bezeugt, dass Gottes Reich im Kommen ist.“64

2.6 Der richtige Zeitpunkt kirchlicher Äußerungen Einigkeit herrscht in der theologischen Diskussion darüber, dass die Kirche mit politischen Äußerungen sparsam umgehen soll. „Die Kirche hat Wichtigeres zu sagen als unverbindliche Meinungen zu Tagesfragen”, meint Ebeling.65 Raiser warnt, dass kirchliches Reden „nicht zu jeder Zeit und nicht zu jedem in der Öffentlichkeit verhandelten Thema angebracht ist”66. Er fordert stattdessen: „Die Dringlichkeit des sozialethischen Bezugs muss einsichtig sein”67. Nicht politisch optieren darf die Kirchenleitung nach Ebeling in Fragen, die innerhalb demokratischer Grenzen kontrovers sind. Hauptaspekt politischer Verantwortung, wie sie dem Glauben gemäß ist, sei „das Eintreten für die in irgendeiner Hinsicht Unrecht Leidenden”68. Eine Grenze legitimen Redens vom Gegenstand her lässt sich nach Schlaich nicht ausmachen: „Der Öffentlichkeitsauftrag erstreckt sich auf alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche.”69 Dabei gehe es aber nicht um eine „Allzuständigkeit” der Kirche, sondern um eine Mitverantwortung. Um so mehr sei es im Einzelfall „eine Sache des Augenmaßes, ob und wann die Kirche reden darf und soll; die sachliche Dringlichkeit und die Fähigkeit zu schrift- und sachgemäßem Reden im jeweiligen Kontext sind abzuwägen”70. Eine prinzipielle zeitliche Beschränkung kirchlichen Redens lässt nach Auffassung der EKD von 1970 der Verkündigungsauftrag nicht zu. Im Sinne dieses Auftrags habe die Kirche zu jeder Zeit zu reden. Zum gleichen Ergebnis gelange, wer es für selbstverständlich halte, dass sich die Kirche in der modernen Gesellschaft am Prozess der Meinungs- und Willensbildung beteilige. Wegen des Wandels gesellschaftlicher Verhältnisse und Strukturen haben die kirchlichen Stellungnahmen eine begrenzte zeitliche Reichweite. Deshalb müsse die 71 Kirche ihr Wort immer wieder überprüfen und gegebenenfalls wiederholen. 64 65 66 67 68 69 70 71

Jüngel 2000b, S. 309 Ebeling 1975a, S. 609 Raiser 1987, Sp. 477 ibid. Ebeling 1975a, S. 609 Schlaich 1995, S. 154 a. a. O., S. 155 vgl. EKD 1970, S. 43-76

56

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

Einen sehr hohen Anspruch formuliert die „Denkschriften-Denkschrift” der EKD zum rechten Zeitpunkt der Äußerungen: „Die Kirche darf mit ihrem Wort nicht zu spät kommen, soll jedoch andererseits vermeiden, hinsichtlich der Analyse, der Beurteilung der Situation, der wissenschaftlichen Fundierung und dem Maß an erreichter theologischer Klarheit Unausgereiftes zu sagen.”72 Im Einzelfall hänge das „Wann” kirchlicher Äußerungen von ihrem „Warum” ab. Als Faustregel nennt die EKD für das Finden des Kairos: „Die Kirche darf und soll reden, wenn sie sich durch konkrete Inanspruchnahme oder durch ihre Beurteilung der Lage aufgefordert sieht. Sie muss spätestens reden, wenn Schweigen nicht möglich ist, ohne schuldig zu werden.”73 Von den Christen werde erwartet, dass sie sich fortlaufend um Informationen über den Prozess der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung bemühen und „hinhorchen, wann und wo die Stunde des Redens gekommen ist”.74 Das ist aber noch keine Gewähr dafür, dass der Kairos getroffen wird: „Freilich garantiert dieses [die kontinuierliche Beobachtung] mitnichten, dass kirchliche Äußerungen rechtzeitig zum lösenden Wort werden.”75 Selbstkritisch bemerkt die EKD-Denkschrift: „Oft genug haben dort, wo die Kirche hätte reden müssen, andere früher oder besser geredet. Keinesfalls dürfen kirchliche Verbandsinteressen eine Dringlichkeit suggerieren, die der dienenden Haltung der Kirche für die Welt widerspricht.”76 Ein äußerst negatives Urteil über das momentane Verhalten der Kirche zur Politik fällt Gremmels: „Nichts charakterisiert das gegenwärtige Verhältnis von ‚Politik’ und ‚Religion’ besser als der Versuch, in Ausnahmesituationen sich theologisch ent-alarmisierend um jeden Preis zu verhalten.“77 Er nennt Wenn-Annahmen und Dann-Konsequenzen als Vorgeschichte politischen Eingreifens der Kirche. „In ihrer gegenwärtigen Verfassung scheint protestantische Religion die Kraft eingebüßt zu haben, sich auf Vorgeschichten möglicher Ernstfälle einzulassen.“78

72 73 74 75 76 77 78

a. a. O., S. 67f. a. a. O., S. 68 ibid. Honecker 1975, S. 75 EKD 1970, S. 69 Gremmels 2001, S. 25 a. a. O., S. 26

Medien und Methoden kirchlichen Redens

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2.7 Medien und Methoden kirchlichen Redens Die Erfüllung des Öffentlichkeitsauftrags geschieht zuallererst in der Predigt, in der Gemeinde und Kirche. „Der Auftrag der Kirche wird offenbar im Gottesdienst”, sagt Honecker.79 Dieser ist öffentlich, denn er ist für jeden zugänglich. Außerdem wird die Versöhnungs- und Heilsbotschaft auch außerhalb der Kirchen gepredigt, zum Beispiel in Rundfunkgottesdiensten. Kirchentage, Akademien und die kirchliche Presse sind ebenfalls Formen kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit. Ferner zählen zum öffentlichen Wirken der Kirche der Religionsunterricht, die theologischen Veranstaltungen an den Hochschulen und die Mitwirkung der Kirche in staatlichen Gremien. Die Verkündigung geschieht aber nicht allein verbal, sondern auch durch öffentlich sichtbares Handeln, etwa durch karitative Tätigkeit wie in der Diakonie. Pirson zählt die Verkündigung im privaten Bereich nicht zum öffentlichen Handeln: „Verkündigung, die sich als Angebot an die gesamte Welt zu richten hat, kann nicht in zulänglicher Weise durch private Mitteilung an zufällig erreichbare 80 Personen geschehen; sie muss jedermann vernehmbar gemacht werden.” In der „Denkschriften-Denkschrift” der EKD wird die Methode kirchlichen Redens zu gesellschaftlichen Fragen so erläutert: Die Ergebnisse des Suchens nach den Bedingungen für eine rechte Ordnung des menschlichen Zusammenlebens wird die Kirche der Gesellschaft in Form „gewissenhafter vernünftiger Argumentation”81 vermitteln. Damit soll der Mensch angeregt werden, „in einer bestimmten Richtung weiterzudenken und zu handeln, um die stets verbesserungsbedürftige Ordnung menschlichen Zusammenlebens fortzuentwickeln”82. Die kirchlichen Äußerungen sollen „als Ratschlag dialogischer Beitrag im Prozess der Entscheidungsbildung sein”.83 Die Leser sollen schon durch die Art der Darstellung in den Denkprozess einbezogen werden, bei dem „eine Entscheidung nur im Hin und Her zwischen theologischen und durch Sachanalyse geleiteten Erwägungen gewonnen” wird.84 Bei ihren Äußerungen muss die Kirche eine Gratwanderung zwischen Anpassung und Distanz vollbringen. Ausgangspunkt für jeden Dienst der Kirche in der Welt ist ja das „unbedingte Gegenüber des Evangeliums zu jedweden Theorien und

79 80 81 82 83 84

Honecker 1998, S. 25 Pirson 1987, Sp. 2278 EKD 1970, S. 50 ibid. a. a. O., S. 64 a. a. O., S. 72

58

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

Praktiken”.85 Dennoch verlangt weltliche Mitverantwortung der Kirche auch „Zeitgebundenheit, Konkretion, Parteinahme, Argument, andernfalls eine weltliche Welt nicht zuhört und nicht verstehen kann”.86

2.8 Gefahren kirchlicher Äußerungen Schwierigkeiten beim Umsetzen des Öffentlichkeitsauftrags der Kirche sieht Honecker schon bei den beiden erwähnten Kriterien der Schrift- und Sachgemäßheit. Beiden mangle es an Eindeutigkeit. Bekanntermaßen würden politische Entscheidungen nicht immer unter dem Gesichtspunkt ihrer Sachgemäßheit getroffen, sondern „unter dem der politischen Opportunität, ihrer Bedeutung für die Machtsicherung, Machterweiterung oder Machtgewinnung”.87 Es sei ein Aberglaube, davon auszugehen, dass es in der politischen Auseinandersetzung stets besonders sachgemäß, vernünftig und rational zugehe. Noch härter urteilt Honecker über das Kriterium der Schriftgemäßheit: „Dieses Kriterium scheint schlicht für eine theologische Beurteilung kirchlicher Äußerungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen nicht brauchbar zu sein.“88 Die Schrift bedürfe der Auslegung, mahnt Honecker: „Unter Berufung auf die Autorität des Heilswortes sind aber mitnichten zugleich zeitbedingte ethische Forderungen oder damalige Deutungen politischer Geschehnisse für die Gegenwart verbindlich zu machen.”89 Dem stimmt Ebeling zu, der das Kriterium der Schriftgemäßheit durch das der Christlichkeit ersetzt: „Für die inhaltliche Ausrichtung kirchlicher Äußerung ist deren Christlichkeit konstitutiv. Es scheint problematisch zu sein, durch den Gesichtspunkt der Kirchlichkeit den Spielraum christlicher Äußerung in irgendeiner Hinsicht einzuschränken.“90 Honecker schildert mit einem anschaulichen Bild, welche Gefahren kirchliche Äußerungen außerdem in sich bergen: „Der Grat, auf dem die Kirche mit ihren politischen Worten wandelt, ist schmal, und die Abgründe, zur rechten und zur linken, in die die Kirche hinein abstürzen kann, sind tief und unauslotbar.”91 Dennoch dürfe die Kirche nicht den Fehler machen, aus 85 86 87 88 89 90 91

Böckenförde 1989, S. 212 Schlaich 1995, S. 159 Honecker 1976, S. 51f. a. a. O., S. 52 ibid. Ebeling 1975b, S. 617 Honecker 1998, S. 18

Die Denkschriften der EKD

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Angst vor Fehlern zu schweigen. Ebenso solle die Kirche nicht dem Gesetz der modernen Mediengesellschaft folgen, nach dem nur der Lautstärkste, der die lautesten Schlagzeilen produziert, gehört wird: „Nichtsagendes und Lautstärke können aber doch nicht die eigentliche Botschaft der Kirche sein, auch wenn manchmal dieser Eindruck entsteht.”92 Honecker stellt deshalb eine Regel auf: „Christen sollten als Christen deshalb vom Glauben her nur dann etwas zur Politik sagen, (...) wenn sie auf eine meta-politische Dimension hinweisen können, auf etwas, das vor alle Politik und jenseits aller Politik Herzen zu bewegen und Gewissen anzusprechen vermag.”93

2.9 Die Denkschriften der EKD 2.9.1

Geschichte und Begriff

Zu komplexeren, aktuellen politischen Fragen äußert sich die EKD meistens in der Form von Denkschriften. Die Denkschriften nehmen den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche in der Form von Studien, Gutachten oder Thesenreihen wahr. Diese Stellungnahmen sind mit Argumenten begründet. Die EKD hat mit den Denkschriften die Tradition von Martin Luthers Sendschreiben aufgenommen, die ja ebenfalls Schreiben an Öffentlichkeit oder Obrigkeit waren. Bedeutende Denkschriften sind Jan Amos Comenius’ Angelus pacis zu den Friedensverhandlungen von Breda im Jahre 1667 und Johann Hinrich Wicherns Studie Die innere Mission der deutschen evangelischen Kirche von 1849.94 Zur Zeit des Kirchenkampfes gab es Protestschriften, zum Beispiel die von der „Vorläufigen Kirchenleitung” der Deutschen Evangelischen Kirche im Mai 1936 an Hitler gerichtete Schrift gegen die Entchristlichungspolitik.95 Historisch überliefert sind die Bedeutungsgehalte der Denkschriften „als eines Erinnerungs- bzw. Reflexionsmemorandums, als einer Eingabe an staatliche Instanzen und als der Abhandlung einer gelehrten Körperschaft”.96 Die Denkschriften werden vom Rat der EKD verantwortet und von einer Kammer oder von einer vom Rat berufenen Kommission verfasst. Kirchenrechtlich sind die Kammern gemäß Artikel 22 II der Grundordnung „kirchen92 93 94 95 96

ibid. a. a. O., S. 19 vgl. Albrecht 1999, Sp. 665 vgl. Hauschild 1999, S. 895 Albrecht 1999, Sp. 664

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Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

eigene, rechtlich unselbstständige Einrichtungen ohne Vertretungs- und Leitungsaufgaben, die nicht in den kircheneigenen Behördenaufbau eingegliedert sind. Sie haben also weder Organqualität noch sind sie kirchliche Amtsstellen.”97 Sachverständige gehen dort mit Distanz zu den Tagesaufgaben Fragen von politischer Bedeutung nach. Zurzeit gibt es fünf Kammern der EKD: Kammer für öffentliche Verantwortung, Kammer für soziale Ordnung, Kammer für publizistische Arbeit, Kammer für kirchlichen Entwicklungsdienst und Kammer für Bildung und Erziehung. Die Kammern gelten als ein „schwieriges Kapitel in der Struktur der EKD”.98 Der Grund dafür ist, „dass sich positivierte Regelungen weder über Aufgaben und Befugnisse noch über konkrete Zusammensetzungen und Arbeitsweise oder Amtsdauer und Rechtsqualität dieser Einrichtungen finden und nicht für ausreichende Publizität gesorgt ist”.99 Die EKD ist kirchenrechtlich durch Artikel 20 der Grundordnung100 von 1948 dazu ermächtigt, „Worte” zu verfassen. Diese Funktion ist jedoch eigentlich ausdrücklich den Organen der EKD vorbehalten, und zwar in erster Linie der Synode101, aber auch dem Rat der EKD, der „Kundgebungen erlassen (kann), wenn die Synode nicht versammelt ist”.102 Die Synode hat laut Brunotte vor allem die Verantwortung für den äußeren Bestand der EKD und ihre innere Entwicklung.103 Das Erlassen von Kundgebungen hängt eng mit dem Recht zusammen, Fragen des kirchlichen Lebens zu erörtern.104 In einer Denkschrift wird „im Genus wissenschaftlicher, nicht pastoraler Rede“105 Stellung genommen und dabei auf Pro und Contra politischer Probleme eingegangen. 2.9.2

Themen und Stil der Denkschriften

Mit der Reihe der seit 1962 veröffentlichten Denkschriften ist die Evangelische Kirche stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten als durch andere Aufgaben. Hitzige Diskussionen über das Recht und die Form der Kirche zu diesen öffentlichen Stellungnahmen lösten vor allem die erste Denkschrift zur „Eigentumsbildung in sozialer Verantwortung” von 1962 und 97 98 99 100 101 102 103 104 105

Braune 1976, S. 135 a. a. O., S. 131f. a. a. O., S. 132 Grundordnung (GO) der EKD, jeweils zitiert nach Brunotte 1954 vgl. Art. 23 II GO Art. 29 I GO vgl. Brunotte 1954, S. 224 vgl. Art. 23 II GO Raiser 1978, S. 11

Die Denkschriften der EKD

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die so genannte Ost-Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn” von 1965 aus. Diese öffentliche Diskussion mündete in eine metareflexive Denkschrift, die sich 1970 quasi in eigener Sache mit den Denkschriften an sich befasste und deshalb auch kurz „Denkschriften-Denkschrift” genannt wurde. Die Kammer für soziale Ordnung – und nicht die eigentlich zuständige Kammer für öffentliche Verantwortung – der EKD verfasste diese Denkschrift Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen. Darin wird zur Legitimation der öffentlichen Stellungnahmen der Kirche eine doppelte Begründung herangezogen: Der Verkündigungsauftrag und die Teilnahme der 106 Kirche am Dialog aller gesellschaftlichen Kräfte. Inzwischen sind rund 90 Denkschriften zu vier großen Themenblöcken entstanden: Frieden und Menschenrechte, Soziale Ordnung und Staat, Ehe und Familie sowie Bildung und Erziehung. Mittlerweile sind die kirchlichen Äußerungen so zahlreich geworden, dass es schon wieder Kritik daran gibt. Raiser nennt es „eine missliche Folge dieses Vorgangs, ... dass die EKD seitdem vielfach mit diesen Arbeiten so identifiziert wird, als erschöpfe sich ihre Leistung und Bedeutung für die evangelische Christenheit in der Produktion von Denkschriften”.107 Im Unterschied zur Enzyklika der römisch-katholischen Kirche ist die Denkschrift kein Dokument einer lehramtlichen Autorität und auch keine authentische Interpretation des Glaubenszeugnisses. „Vielmehr bleiben Entstehung und Rezeption von Denkschriften auf die freie christliche Einsicht angewiesen, der sie sich verdanken und deren Stärkung sie verpflichtet sind.”108 Gollwitzer sieht den Christen zwar zur Entscheidung und zum Ermessen in der jeweiligen Situation freigegeben. Er sei aber nicht seiner eigenen Willkür und dem Anspruch der Situation preisgegeben: „Er hat Orientierung für sein Handeln durch sein Hören auf die Stimme seines Herrn, die zu ihm dringt durch das Zeugnis der Bibel vom Willen dieses Herrn in Evangelium und Gebet.”109 Ziel der Denkschriften ist es nicht, die Meinungsbildung zu aktuellen Themen mit unbestreitbaren Aussagen abzuschließen. Sie wollen die Meinungsbildung vielmehr anregen, verzichten daher auf einen deduktiven Argumentationsstil und auf bloße Proklamation. „Denkschriften argumentieren, indem sie Gründe und Gegengründe darlegen nach den Grundsätzen des partnerschaftlichen Dialogs”, definiert Echternach.110 106 107 108 109 110

vgl. EKD 1970, S. 43-76 a. a. O., S. 9 Albrecht 1999, Sp. 665 Gollwitzer 1976, S. 15 Echternach 1980, Sp. 235

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2.9.3

Kirchliche Äußerungen zu politischen Fragen

Wirkung der Denkschriften

Mangels empirischer Untersuchungen ist schwer einzuschätzen, wie die Denkschriften der EKD auf die Öffentlichkeit wirken. Honecker unterscheidet zwischen Erfolgen, Bedeutung und eigentlicher Wirkung. Wenn man von der Auflagenhöhe ausgeht, dann war die „Ostdenkschrift“ von 1965 mit weit über 300000 Exemplaren der größte Erfolg. Bedeutsam hingegen war nach Honecker vor allem die „Eigentumsdenkschrift“ von 1962, weil sie das Zeitalter der Denkschriften eröffnet hat. Die politischen Wirkungen werden seiner Meinung nach weithin überschätzt. Denkschriften hätten weder Aktienkurse steigen lassen, Bauern zu anderen Produktionsweisen gebracht oder eine veränderte Ostpolitik ausgelöst. Politische Entwicklungen seien nämlich zu komplex und zu vielschichtig, als dass Denkschriften monokausal als Wirkursachen angesehen werden könnten. Dennoch seien sie nicht wirkungslos: „Sie können vorhandene Trends verstärken oder schwächen, sie können katalysa111 torisch, versachlichend wirken.” Kirchliche Kreise haben mehrfach gefordert, die Legitimationsbasis der Denkschriften dadurch zu verbreitern, dass sie vor ihrer Veröffentlichung auch der Synode der EKD zur Zustimmung vorgelegt werden. Dagegen spricht nach Raiser „nicht nur der dann unvermeidlich eintretende Zeitverlust mit der Folge, dass der richtige Augenblick der Veröffentlichung versäumt wird, sondern noch mehr die Sorge, dass dann inhaltlich an die Stelle klarer, wenn schon bestreitbarer Aussagen zu politisch aktuellen Fragen weit112 hin nur noch Kompromiss- und Leerformeln treten würden”. Ein weiteres Beispiel für eine Denkschrift mit großer Außenwirkung ist die „Friedensdenkschrift“ von 1981. Sie wurde mehrfach durch kirchliche Äußerungen ergänzt. Darauf wird in den Kapiteln 4 und 5 eingegangen.113

111 Honecker 1984, S. 244 112 Raiser 1987, Sp. 478 113 vgl. u. S. 75-77, 83-86, 102-105

3 Die Kirche und der Frieden 3.1 Zum Begriff Frieden Das Wort Frieden hat viele Bedeutungen und macht dadurch „eine alle Bedeutungsinhalte umfassende ‚Definition’ ... unmöglich“1. Frieden kann negativ als „Abwesenheit von Kampf und Krieg“, positiv als „Sicherheit, Wohlergehen und Harmonie“2 umrissen werden. Schon etymologisch umfasst er die beiden Aspekte der „Existenzsicherung und der Existenzentfaltung“3, denn das althochdeutsche Verbalabstraktum fridu bedeutete einen „Zustand der Schonung, des Wohlwollens“4. Es stammt von der mit indoeuropäischem tu-Suffix ergänzten Wurzel fr . Dieses Adjektiv bedeutete „unabhängig, unbeschränkt“5. An diesen Gedanken schließt Galtungs Unterscheidung von statischem Frieden als Erhaltung des status quo und dynamischem Frieden als Entwicklungsprozess einer sozialen Rechtsordnung an.6 Picht bestimmt Frieden als Gegenbegriff zu Not: „Definiert man Frieden als einen Weltzustand, in dem die Menschheit biologisch existieren kann, so ist der Gegensatz zum Frieden nicht mehr der Krieg, sondern die Not: die physische Not von Menschen, die um ihr Existenzminimum kämpfen müssen, und die unendliche Kette von seelischen und moralischen Nöten, die mit dieser physischen Not verbunden sind. Wir sind dann gezwungen, den Frieden innerhalb einer Weltgesellschaft in Kategorien der sozialen Gerechtigkeit zu beschreiben.“7 Der Frieden ist aber auch ein religiöser Terminus. Als „religiöser Zustand der Ruhe in Gott“8 ist er geradezu der Grundwert aller Religionen. Die Fragen der politischen Ethik finden in der Beurteilung des Krieges ihre „schärfste Zuspitzung“9. Der Frieden wiederum ist „eine eminent politische Kategorie und jede Erklärung über Friedenswille, Friedensabsicht und Friedensgesinnung muss sich über politische Bedingungen und Ziele erklären, die sie verfolgt“10. Nach Sternberger ist der Friede sogar „die politische Kategorie 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Schwerdtfeger 1986, Sp. 1372 Schmidt-Leukel 2000, Sp. 359. Reuter 2000, Sp. 365 Pfeifer 2000, S. 375 a. a. O., S. 372 vgl. Galtung 1975, S. 32-36 Picht 1971, S. 27 Gensichen 1982, S. 599 Schweitzer 1961, Sp. 438 Rendtorff 1983, S. 137

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Die Kirche und der Frieden

schlechthin. (...) Der Friede ist der Grund und das Merkmal und die Norm des Politischen, dies alles zugleich.“11. Deshalb soll sich diese Arbeit nach ihrem allgemeinen theoretischen Teil nun den Äußerungen der Kirche zu einem speziellen Feld des Politischen zuwenden: dem Frieden.

3.2 Die Rede vom Frieden in der Bibel Unser heutiges Verständnis von Frieden unterscheidet sich von dem, was Frieden in der Bibel meint. Dennoch ist es nötig, sich mit der biblischen Rede vom Frieden zu beschäftigen, weil oft auf den Frieden im Alten oder Neuen Testament verwiesen wird, bisweilen auch die Unterschiede der Wortbedeutung nicht wahrgenommen werden. Lienemann sieht trotz der Mannigfaltigkeit der Rede vom Frieden zwei fundamentale Zusammenhänge in der Bibel: Den einen in der „unlösbaren doppelten Beziehung auf Gott und auf die Menschenwelt“, den anderen, „insofern eine heilvolle Gesamtordnung ... ge12 meint ist“. 3.2.1

Altes Testament

Das hebräische Wort MwOl#$f (šalôm), das in der hebräischen Bibel 237-mal vorkommt,13 ist vom Verb Mlf#f$ gebildet. Es hat die Bedeutung: unversehrt sein oder etwas heil machen. Dementsprechend bedeutet MwOl#$f als Substantiv das Ganz- oder Heilsein. In den meisten Bibelstellen ist mit MwOl#$f das Ganzsein einer Gemeinschaft gemeint.14 Westermann sieht das „Heilsein oder Ganzsein oder Intaktsein einer Gemeinschaft“ als Hauptbedeutung von Frieden im Alten Testament.15 Eine noch weitere Bedeutung betont Otto, wenn er MwOl#$f definiert als „lebensförderlichen Zustand in der Gemeinschaft von der Familie bis zu Volk und Völkerwelt, die segensreiche Interaktion zw. Mensch und Natur sowie die Versöhntheit zw. Gott und Mensch“16. Der Friedensbegriff trägt so ontologische Züge: „Nur wenn Frieden herrscht, ist die Welt im eigentlichen Sinne Welt, und nur in dieser ihrer Eigentlichkeit ermöglicht die Welt wahres Le-

11 12 13 14 15 16

Sternberger 1961, S. 18 Lienemann 1986, Sp. 1376 vgl. Stendebach 1995, Sp. 14 Ps 72,3: „Lass die Berge Frieden bringen für das Volk.“ Westermann 1969, S. 148 Otto 2000, Sp. 359f.

Die Rede vom Frieden in der Bibel

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ben.“17 Aufgrund dieser Bedeutungsvielfalt ist MwOl#$f schwer zu übersetzen. Frieden kommt der Bandbreite sehr nahe, kann sie aber nicht ganz erfassen. Die häufigste Verwendung von MwOl#$f im Alten Testament ist der Gruß, der oft mit „Friede sei mit dir“ übersetzt wird.18 Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass MwOl#$f oft mit einer Erkundigung nach dem Befinden einhergeht – etwa bei Josefs Begegnung mit seinen Brüdern in Ägypten.19 Gefragt wird im MwOl#$f -Gruß „nach dem Heilsein, das alles umfasst, was zum heilen Leben gehört: Gesundheit, Wohlbefinden, Glück, Intaktsein der Gemeinschaft, Beziehung zu den Angehörigen und Befinden der Angehörigen, und was noch dazu gehört, dass alles in Ordnung ist“20. Die Sorge kann dabei dem Vieh21 oder der Stadt22 gelten. Sogar nach dem MwOl#$f des Krieges wird gefragt.23 Oft wird MwOl#$f auch mit tyrIb@; (berit) verbunden,24 weil ein Bundesschluss Frieden bewirkt.25 MwOl#$f meint im Alten Testament meistens den gegenwärtigen Zustand des Heilseins, etwa im Friedensgruß26 oder im Friedenswunsch27. Als „Zustand der Konfliktfreiheit ... zw. Mensch und Mensch, Mann und Frau, Stadt und Stadt, Volk und Volk“28 wird MwOl#$f auch in der rabbinischen Literatur so verstanden. Dort begegnet das Wort häufig im Zusammenhang mit der Tora.29 Der Begriff Frieden wird im Gegensatz zu heute im Alten Testament meistens nicht als Gegensatz zum Krieg gebraucht. Nur in einer Sonderbedeutung deckt sich MwOl#$f mit unserem modernen Verständnis von Frieden, nämlich dann, wenn das Heilsein der Gemeinschaft durch den Krieg so schwer gefährdet ist, dass dieser zum Gegensatz des Friedens wird.30 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Schmid 1982, S. 605 vgl. Ri 6,23 und 1. Sam 23,6 Gen 43,27: „Er aber grüßte sie freundlich und sprach: Geht es eurem alten Vater gut, von dem ihr mir sagtet?“ Westermann 1969, S. 155 Gen 37,14: „Geh hin und sieh, ob’s gut steht um deine Brüder und um das Vieh.“ Jer 15,5: „Wer wird sich denn deiner erbarmen, Jerusalem? … Wer wird denn kommen und fragen, ob es dir gut geht?“ 2. Sam 11,7: „Und als Uria zu ihm kam, fragte David, ob es mit Joab und mit dem Heer und mit dem Krieg gut stünde.“ vgl. Weinfeld 1973, Sp. 785 Jos 9,15a: „Und Josua machte Frieden mit ihnen und schloss einen Bund mit ihnen, dass sie am Leben bleiben sollten.“ Ri 19,20a: „Der alte Mann sprach: Friede sei mit dir! Alles was dir mangelt, findest du bei mir.“ 1. Sam 29,7: „So kehre nun um und zieh hin mit Frieden, damit du nicht tust, was den Fürsten der Philister nicht gefällt.“ Avemarie & Wiese 2000, Sp. 364 vgl. Thießen 1982, S. 611 Koh 3,8: „… Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.“

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Die Kirche und der Frieden

Generell ist Frieden im Alten Testament kein Gegenbegriff zum Krieg, weil es sich beim Krieg um zeitlich und räumlich begrenzte Kämpfe handelte. Westermann nennt das Eingreifen der Großmächte als den Zeitpunkt, ab dem Krieg als Zustand erfahren wurde: „Erst damit entstand in Israel allmählich eine Ablehnung und Verneinung des Krieges als solchen, die aus langem Leiden erwuchs, und damit eine Sehnsucht nach wirklichem Frieden und einem gesicherten Friedenszustand.“31 Der Begriff wird im AT aber nicht nur präsentisch, sondern auch futurisch gebraucht. Am häufigsten kommt dies vor, wenn die Schriftpropheten von den Heilspropheten reden, die einen falschen Frieden verheißen.32 Diese „falschen“ Propheten verheißen dem Volk trotz seiner zahlreichen Vergehen ein gutes Schicksal. Dagegen verwahrt sich zum Beispiel Jeremia: „Da sprach ich: Ach, Herr HERR! Siehe, die Propheten sagen ihnen: Ihr werdet das Schwert nicht sehen und keine Hungersnot bei euch haben, sondern ich will euch beständigen Frieden geben an diesem Ort. Aber der HERR sprach zu mir: Diese Propheten weissagen Lüge in meinem Namen.“33 In der Verkündigung der Schriftpropheten kommt MwOl#$f – mit Ausnahme von Jeremia – erst ab dem Exil vor, zum Beispiel bei Deuterojesaja.34 Der Begriff Frieden wird hier theologisiert, denn der verheißene Frieden ist das durch Gott bewirkte Heil. Das Gericht ist nun vollzogen und ein Neuanfang möglich. Der Übergang wird bei Jeremia deutlich, dem JHWH vor dem Exil gebietet: „Du sollst auch in kein Hochzeitshaus gehen, um bei ihnen zu sitzen zum Essen und zum Trinken. Denn so spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Siehe, ich will an diesem Ort vor euren Augen und zu euren Lebzeiten ein Ende machen dem Jubel der Freude und Wonne, der Stimme des 35 Bräutigams und der Braut.“ Im späteren Teil des Prophetenbuches gibt JHWH Jeremia dagegen den Auftrag: „Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.“36 Grund dafür ist der MwOl#.37 31 32

33 34

35 36

Westermann 1969, S. 164 Jer 6,13: „Denn sie gieren alle, Klein und Groß, nach unrechtem Gewinn, und Propheten und Priester gehen alle mit Lüge um und heilen den Schaden meines Volks nur obenhin, indem sie sagen: ‚Friede! Friede!’ und ist doch nicht Friede.“ Jer 14,13f. Jes 52,7: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!“ Jer 16,8f. Jer 29,5f.

Die Rede vom Frieden in der Bibel

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In den Messias-Weissagungen der Schriftpropheten wird das Wort MwOl#$f in Verbindung mit einem erwarteten König verwendet, der die endzeitliche Friedensordnung JHWHs bringen soll. Als ar-šalôm wird der Messias bei Jesaja bezeichnet.38 Später beschreibt Jesaja den Messias als Reis aus dem Stamm Isais, das ein Friedensreich bringt.39 Sacharja bietet bereits nachexilische Vorstellungen eines Friedenskönigs, der auf einem Esel reitet.40 Dieses Bild wird von allen vier Evangelisten aufgegriffen und beim Einzug in Jerusalem auf Jesus projiziert.41 3.2.2

Neues Testament

Bei den Synoptikern wird ei0rh&nh (eirene) in Verbindung mit der Erscheinung Jesu verwendet: Einmal bei Lukas bei der Ankündigung von Jesu Geburt durch den Engel42, zum anderen in allen vier Evangelien beim schon erwähnten Einzug Jesu auf einem Esel in Jerusalem43. Der Friede im Neuen Testament ist somit der „Inbegriff des mit Christus verbundenen Heilsgesche-

37 38 39

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vgl. Jer 29,11 Jes 9,5: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ Jes 11,1.6f.: „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. (…) Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder.“ Sach 9,9: „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füller der Eselin. (…) Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern (…).“ Mt 21,1-5: „Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): ‚Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.’“ Lk 2,13f.: „Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Mt 21,1-5; Mk 11,1-11; Lk 19,28-40; Joh 12,12-16.

68

Die Kirche und der Frieden

hens“44. ei0rh&nh taucht in den synoptischen Evangelien 19-mal in nicht einheitlicher Bedeutung auf.45 Im Sinne des heutigen negativen Friedensbegriffs wird ei0rh&nh verwendet, um den Gegensatz von Krieg46 oder die äußere Sicherheit47 zu bezeichnen. Am Ende der Episode von der großen Sünderin48 oder der Heilung einer blutflüssigen Frau49 wird den Geheilten Friede zugesprochen. Die wörtliche Wiederholung lässt darauf schließen, dass die Redewendung im jüdischen Kontext bekannt war. Zwar ist die Grußformel durch die häufige Verwendung abgestumpft, für Jesus bedeutet der Abschluss einer Heilung für den geheilten Menschen den Beginn des Friedens. Diese Bedeutung entspricht der weiteren alttestamentlichen von šalôm. Ähnlich verhält es sich mit den Seligpreisungen Jesu: „Indem Jesus Kranke heilt und Sündern vergibt, ist das Reich Gottes, der shalom, schon Gegenwart. (…) Von daher kann die Seligpreisung ‚Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen’ (Matthäus 5,9) nur bedeuten: Die, die durch das Heil, das Reich Gottes, beschenkt worden sind, sind 50 gerufen, Taten der Liebe zu tun, Frieden unter den Menschen zu stiften.“ In 51 der siebten Seligpreisung der Bergpredigt wird denen, die Frieden stiften, „die Aufnahme in die volle Gemeinschaft mit Gott als Gabe der sich nahenden Gottesherrschaft zugesagt“52. Dort und in den Aussendungsreden kommt der auch im Alten Testament vorkommende futurische und theologische Aspekt mit herein, denn die Jünger sind im Auftrag des Herrn ausgesandt. Darin wird deutlich, dass das Reich Gottes schon angebrochen ist.53 Ambivalente Aussagen gibt es bei Jesu Reden zur Friedfähigkeit. Während er in der Bergpredigt zur Gewaltlosigkeit rät54, sagt er in der Ansage kommen44 45 46

47 48 49 50 51 52 53 54

Körtner 1999, S. 179 vgl. Hasler 1992, Sp. 958 Lk 14,31f.: „Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit zwanzigtausend? Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden.“ Lk 11,21: „Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden.“ Lk 7,50: „Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!“ Lk 8,48: „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!“ Schnübbe 1992, S. 30 Mt 5,9: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Delling 1982, S. 614 Lk 10, 5f.: „Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht zuerst: Friede sei diesem Hause! Und wenn dort ein Kind des Friedens ist, so wird euer Friede auf ihm ruhen.“ Mt 5,38b: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“

Die Rede vom Frieden in der Bibel

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der Verfolgungen zu den Jüngern: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“55 Diese Widersprüche sind aufzulösen, wenn man bedenkt, dass Jesus Friedensfähigkeit oft als Konfliktfähigkeit interpretierte. Das Schwert ist als Symbol für Entzweiung zu deuten, nicht für Gewalt. Der in der christlichen Gemeinde erlebte Friede wird als Gegensatz zum politischen Frieden wahrgenommen, „wie ihn das Imperium Romanum mit militärischer Gewalt sichert“56. Der Unterschied zum weltlichen Frieden wird besonders im Johannes-Evangelium deutlich, demzufolge Jesus seinen Frieden so beschreibt: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.“57 Zentraler Punkt der johanneischen Friedenskonzeption ist die Zusage des Auferstandenen an seine Jünger: „Friede sei mit euch.“58 In der Apostelgeschichte wird das Wort ei0rh&nh auf die Beilegung eines Konflikts unter den Israeliten bezogen59, kann aber auch die ungestörte Entfaltung der Kirche meinen60. Der Friede Gottes ist in Jesus zu erkennen: „Er [Gott] hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.“61 Ganz vom alttestamentlichen Reden vom Frieden setzt sich Paulus ab, in dessen Briefen die meisten Belege zum Stichwort Frieden zu finden sind.62 Das liegt aber auch daran, dass ei0rh&nh in jedem Brief im Eingangssegen vorkommt: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“63 Paulus macht deutlich, dass der Urheber des Friedens Gott ist, den er als „Gott des Friedens“64 bezeichnet. Er ordnet dem Begriff des Friedens den der Freude65, der Gerechtigkeit66 und der Versöhnung67 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

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Mt 10,34 Wengst 2000, Sp. 360 Joh 14,27 Joh 20,19b Apg 7,26: „Und am nächsten Tag kam er [sc. Mose] zu ihnen [sc. den Israeliten], als sie miteinander stritten, und ermahnte sie, Frieden zu halten.“ Apg 9,31: „So hatte nun die Gemeinde Frieden in ganz Judäa und Galiläa und Samarien und baute sich auf und lebte in der Furcht des Herrn und mehrte sich (…)“ Apg 10,36 vgl. Wortkonkordanz zur Lutherbibel 1984, Stuttgart 2001, S. 242f. Röm 1,7b, vgl. 1.Kor 1,3; 2.Kor 1,2; Gal 1,3; Phil 1,2; 1.Thess 1,1 Röm 15,33 Röm 15,13: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ Röm 14,17: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.“

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Die Kirche und der Frieden

zu. Frieden ist für Paulus der umfassende Ausdruck für das neue Sein des Menschen.68 Damit erhält der Friede durch den Kreuzestod Christi seine eschatologische Ausrichtung, die für die paulinischen Briefe charakteristisch ist. ei0rh&nh erscheint hier als Resultat der Rechtfertigung des Menschen durch Gott. Dass ei0rh&nh bei Paulus nicht präsentisch zu verstehen ist, fasst Stuhlmacher in folgende These: „Der christologisch-antizipatorischen Struktur der paulinischen Theologie entsprechend, bezeichnet auch die von der Versöhnung her definierte ‚eirene’ ein Sein in eschatologischer Bewegung.“69 In den nachpaulinischen Briefen ist die auf Christus konzentrierte Heilsordnung das wichtigste Thema. Im nicht von Paulus verfassten Epheserbrief kann man noch den paulinischen Sinn vom Frieden als Gemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen erkennen: „Denn es ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft: Durch das Opfer seines Leibes hat er abgetan das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen, damit er in sich selbst aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache und 70 die beiden versöhne durch das Kreuz.“

3.3 Spätantike und Mittelalter: Lehre vom gerechten Krieg Nachdem den Christen durch das Edikt des Kaisers Konstantin 313 die volle religiöse Freiheit zugestanden wurde und die Synode von Arles ein Jahr später den Kriegsdienst für Christen nicht nur erlaubt, sondern geradezu empfohlen hatte, musste erstmals in der Geschichte des Christentums auch über die persönliche Beteiligung der Christen an militärischen Handlungen nachgedacht werden. Zuvor stellte sich diese Frage angesichts des prinzipiellen Pazifismus nicht. Systematisch geklärt wurde das Verhältnis der Christen zur Gewalt erst einige Jahre nach der im Jahr 410 erfolgten Plünderung Roms durch Alarich.

67

68 69 70

Röm 5,10: „Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind.“ Röm 5,1: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“ Stuhlmacher 1970, S. 37 Eph 2,14f.

Spätantike und Mittelalter: Lehre vom gerechten Krieg

3.3.1

71

Augustin

In seinem Werk De civitate Dei greift der Kirchenvater Augustin das Konzept des „gerechten Krieges“ auf, das ihm aus seiner Cicero-Lektüre bekannt war. Die heute oft zitierte Lehre vom gerechten Krieg geht auf Augustins Unterscheidung zwischen gerechtem und ungerechtem Krieg in diesem Werk zurück. Im 19. Kapitel heißt es: „Sed sapiens, inquiunt, iusta bella gesturus est. Quasi non, si se hominem meminit, multo magis dolebit iustorum necessitatem sibi extitisse bellorum, quia nisi iusta essent, ei gerenda non essent, ac per hoc sapienti nulla bella essent.”71 Dass für Augustin der Weise wegen der Notwendigkeit gerechter Kriege trauert, zeigt, dass die Lehre vom gerechten Krieg nicht der Rechtfertigung des Krieges diente. Sie entstand in einer Zeit, in der der Krieg als ein unvermeidliches Übel betrachtet wurde. Die Regeln des gerechten Krieges wollten dessen Schrecken und Grausamkeiten in Grenzen halten. Die Lehre vom bellum iustum war gewissermaßen ein „Kompromiss zwischen christlichem Pazifismus und der Realität der Friedlosigkeit“72. Dabei bediente sich Augustin bei Philosophen der griechisch-römischen Antike: Von Platon übernahm er die These, dass nur das Ziel des Friedens einen Krieg rechtfertige, von Cicero das römische Verständnis des Krieges als Rechtskrieg, der wie ein Strafprozess Unrecht sühnt. 3.3.2

Thomas von Aquin

Thomas von Aquin systematisierte Augustins Lehre und verarbeitete sie in seinem Traktat von der Liebe im Kapitel Klugheit. Er nennt drei Merkmale eines gerechten Krieges, legitima potestas, causa iusta und recta intentio: „Erstens die Vollmacht des Fürsten, auf dessen Befehl hin der Krieg zu führen ist. Denn es ist nicht Sache der Privatperson, einen Krieg zu veranlassen. (...) Zweitens ist ein gerechter Grund verlangt. Es müssen nämlich diejenigen, die mit Krieg überzogen werden, dies einer Schuld wegen verdienen. (...) Drittens wird verlangt, dass die Kriegführenden die rechte Absicht haben, nämlich entweder 73 das Gute zu mehren oder das Böse zu meiden.“ Wie bei Augustin, so wird auch bei Thomas deutlich, dass die Lehre vom gerechten Krieg defensiv gemeint ist. Er betont: „Da aber die Sorge für die öffentliche Ordnung den Fürsten anvertraut ist, ist es auch ihre Sache, die öffentliche Ordnung der ihnen unterstehenden Stadt oder des Königreiches oder 71 72 73

Augustin 1955 (426), S. 672 Honecker 1995, S. 413 Thomas von Aquin 1966 (13. Jh.), S. 83-85

72

Die Kirche und der Frieden

einer Provinz zu schützen. Und wie sie diese erlaubterweise mit dem Schwert gegen die inneren Unruhestifter verteidigen, indem sie die Übeltäter bestrafen – gemäß Röm 13,474 (…) –, so ist es auch ihre Aufgabe, mit dem Schwert des Krieges die öffentliche Ordnung gegen äußere Feinde zu schützen.“75 Weil Augustins und Thomas’ Lehre in erster Linie das Ziel verfolgt, den Krieg zu verhindern bzw. zu begrenzen, ist die Übersetzung des Konzepts vom bellum iustum mit „Lehre vom gerechten Krieg“ nicht unproblematisch, da durch diese Wortwahl die Unterstellung leichter fällt, der Lehre gehe es um eine Rechtfertigung des Krieges. Spieker schlägt deshalb als Übersetzung „Lehre von der gerechten Verteidigung“76 vor. Zwei Probleme, die schon in Augustins Lehre vom bellum iustum enthalten waren, nennt Honecker. Da ist zum einen die Kriegsschuldfrage. Da sich ja nur eine Partei auf einen gerechten Grund berufen konnte, musste eine Seite die Schuldige sein. Augustin neigte dazu, „den Verlierer als Schuldigen zu betrachten, der zu bestrafen ist und sein Unrecht wieder gutzumachen habe“77. Der Kriegsausgang wurde somit zu einer Art Gottesurteil. Das andere Problem, das sich aus Augustins Lehre ergibt, ist die Kreuzzugsidee. Die Bekämpfung von Heiden und Ketzern war für ihn eine causa iusta. Das erlaubte nachfolgenden Generationen, sich sogar bei einem Präventivkrieg aus Kreuzzugsmotiven auf Augustin zu berufen. Honecker nennt als moderne Erscheinung den Befreiungskrieg als „vergleichbares Phänomen zur Kreuzzugsidee“78. Auch bei Thomas findet man eine Rechtfertigung des Kreuzzuges, wenn er die Legitimität von Ritterorden mit den Kriterien für den gerechten Krieg verbindet und sich dabei auf den Psalter beruft: „Deshalb wird den Fürsten im Psalm 82(81),4 gesagt: ‚Rettet die Armen und befreit den Dürftigen aus der Hand des Sünders.’“79 Beestermöller stellt deshalb zu Thomas fest: „Kreuzzugsdoktrin und Lehre vom gerechten Krieg fallen in eins.“80 Dies begründet er damit, dass bei Thomas als Ergebnis eines Analogieschlusses eine Art Interventionsbefugnis einzelner Fürsten gegeben sei: „So wie daher die christlichen Fürsten gegen einen der ihren vorgehen dür-

74 75 76 77 78 79 80

Röm 13,4: „Denn sie [die Obrigkeit] ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst.“ Thomas von Aquin 1966 (13. Jh.), S. 84 Spieker 2000, S. 6 Honecker 1995, S. 413 a. a. O., S. 414 Thomas von Aquin 1966 (13. Jh), S. 84 Beestermöller 2003, S. 146

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fen, wenn er versagt, so missbrauchen sie auch ihr Amt nicht, wenn sie gegen nichtchristliche Fürsten einschreiten, wenn diese in ihrem Amt versagen.“81 Auch die Idee des gerechten Friedens wird im Mittelalter entwickelt, jedoch im vollen Bewusstsein, dass er „unter irdischen Bedingungen immer unvollkommen bleiben muss“82. Mit dem ewigen Landfrieden von 1495 – vorbereitet schon durch den sächsischen Provinziallandfrieden von 1084 – begann die Überwindung des mittelalterlichen Fehdewesens. Hierin liegt eine Voraussetzung für Luthers „Hochschätzung des zeitlichen F[riedens] als höchsten Guts auf Erden, in dem alle anderen zeitlichen Güter eingeschlossen sind“83.

3.4 Reformation und frühe Neuzeit 3.4.1

Luther: Verteidigungskrieg ist gerecht

Die mittelalterliche Lehre vom gerechten Krieg wurde von den Reformatoren weiterentwickelt. Martin Luther geht in seiner Schrift Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei von 1523 nur beiläufig auf das Thema Krieg ein. Auf die Frage, ob Untertanen ihrem Fürsten in den Krieg folgen sollen, antwortet er: „Ist aber der widderpart deynes gleychen oder geringer als du oder frembder uberkeyt, ßo solltu yhm auffs erst recht und frid anbieten, wie Mose die kinder Israel leret. Will er denn nicht, so gedenck deyn bestes unnd were dich mitt gewallt gegen gewallt, wie Mose das alles feyn beschreybt Deutro: .20.“84 Luther sieht es als Pflicht an, Kriegsdienst zu leisten. Implizit kommt aber auch an dieser Stelle das Kriterium des gerechten Krieges zur Anwendung, denn Luther verneint die Frage, ob man einem Fürsten selbst dann folgen soll, wenn er Unrecht habe: „Denn wider recht gepuert niemant zuo thun, Sondern man muß Gotte (der das recht haben will) mehr gehorchen denn den menschen.“85 Ausführlicher behandelt er das Thema in seiner Schrift Ob kriegsleutte auch ynn seligem stande seyn kuenden von 1526: Das man nu viel schreibt und sagt, wilche eine grosse plage krieg sey, das ist alles war. Aber man solt auch daneben ansehen, wie viel mal groesser die plage 81 82 83 84 85

a. a. O., S. 149 Zenkert 2000, Sp. 363 Strohm 2000, Sp. 361 Luther 1523: WA 11, S. 277,5-9. Vgl. 5.Mose 20,10: „Wenn du vor eine Stadt ziehst, um gegen sie zu kämpfen, so sollst du ihr zuerst den Frieden anbieten.“ a. a. O., S. 277,29-31. Vgl. Apg 5,29: „Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

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ist, der man mit kriegen weret. Ja, wenn die leute frum weren und gerne fride hielten, so were kriegen die grösseste plage auff erden. Wo rechenstu aber hin, das die welt boese ist, die leute nicht wollen friede halten, rauben, stelen, todten, weib und kind schenden, ehre und gut nemen? Solchem gemeinen aller welt unfriede, dafur kein mensch bleiben kuende, mus der kleine unfride, der 86 do krieg odder schwerd heist, steuern.

Luther betont aber, dass nur ein Verteidigungskrieg gerecht sein kann: „Nicht, das es billich sey krieg anzufahen nach eins iglichen tollen herren kopff. Denn das will ich fuer allen dingen zuvor gesagt haben: Wer krieg anfehet87, der ist unrecht.“88 Er rät dem Christen: „Harre, bis not und muessen koempt, on lust und willen!“89 In diesem Punkt setzt er sich von Augustin ab, der auch einen Präventivkrieg unter bestimmten Voraussetzungen als gerecht ansah.90 Bei Martin Luther gilt es zu bedenken, dass es bei ihm eine explizite Lehre vom gerechten Krieg nicht gibt. Er schreibt zu konkreten Ereignissen seiner Zeit und zu Kriegen, die vor allem in Hinsicht der Waffen den heutigen nicht vergleichbar sind. So zieht Hermann Kunst folgende Schlussfolgerungen für die Militärseelsorge: „Eine Reihe der Grundeinsichten Martin Luthers bleiben auch für uns belangvoll und verlangen die Prüfung bei der uns heute aufgegebenen Beratung der Gewissen. Es wäre aber unerträglich, wenn in der Christenheit nach Hiroshima und Nagasaki über den Krieg im simplen 91 Rückgriff auf Äußerungen Martin Luthers gelehrt würde.“ Ebenso muss auch die im 16. Artikel der von Melanchthon formulierten Confessio Augustana von 1530 enthaltene Erlaubnis für die Christen, rechtmäßig Kriege zu führen, im historischen Kontext gesehen werden. Dort heißt es: „Von der Polizei (Staatsordnung) und dem weltlichen Regiment wird gelehrt, dass alle Obrigkeit in der Welt und geordnetes Regiment und Gesetze gute Ordnung [sind, die] von Gott geschaffen und eingesetzt sind und dass Christen ohne Sünde in Obrigkeit, Fürsten- und Richteramt [tätig] sein können, nach kaiserlichen und anderen geltenden Rechten Urteile und Recht sprechen, Übeltäter mit dem Schwert bestrafen, rechtmäßig Kriege führen (iure

86 87 88 89 90 91

Luther 1526: WA 19, S. 626,15-22 nhd. anfängt Luther 1526: WA 19, S. 645,8f. a. a. O., S. 645,24f. s. o. S. 7 Kunst 1968, S. 81

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bellare), [in ihnen mit]streiten, kaufen und verkaufen, auferlegte Eide leisten, Eigentum haben, eine Ehe eingehen [können] usw.“92 Der Text bestätigt Luthers Auffassung, Christen sollten kein weltabgewandtes Leben – etwa im Kloster – führen, sondern sich im weltlichen Beruf bewähren – auch im Dienst der weltlichen Obrigkeit. Wie das iure bellare zu verstehen ist, darauf weist Klaus Grünwaldt in einer von der Bischofskonferenz der VELKD herausgegebenen Lutherischen Stellungnahme hin: Im Kontext des Artikels hat die Wendung iure bellare, militare verschiedene Funktionen. Sie leitet an, erstens die Welt in der Spannung von ‚schon’ und ‚noch nicht’ realistisch wahrzunehmen. Wir haben mit der Sünde zu rechnen. Es gibt Gruppenegoismus und Konflikte. Diese werden faktisch oft als Krieg ausgetragen, obwohl dies nicht zwingend ist. Zweitens legitimiert der Artikel das weltliche Handeln der Christen in Regierung, Wirtschaft und Familie. Ihr Tun steht unter einem grundsätzlichen Ja Gottes. Recht und Ordnung, begrenzte Macht und disziplinierte Gewalt werden bejaht. Drittens ist die vornehmste Funktion von iure bellare, die Anwendung von Gewalt zu begrenzen. Dies leistet die Anspielung auf die Lehre vom gerechten Krieg, die eine Reihe von Kriterien anbietet: Erst wenn diese alle erfüllt sind, ist es erlaubt (liceat), einen Krieg zu führen. Trotzdem ist viertens der Krieg weiterhin ein Übel, nicht ‚gerecht’, aber Fürst und Soldat können mit getröstetem Gewissen (‚ohne Sün93 de’’) daran teilnehmen.

3.4.2

Calvin: Unbedingter Gewaltverzicht

Auch die reformierte Tradition kennt die Denkfigur des „gerechten Krieges“. Dieser Klassifikation zugeordnet wird der Verteidigungskrieg in zwei reformierten Bekenntnisschriften: Im Anglikanischen Artikel XXXVI von 1552/62 heißt es: „Christianis licet ex mandato Magistratus arma portare, et iusta bella adminstrare.“94 Der Begriff „gerechter Krieg“ kommt auch im Erlauthaler Bekenntnis von 1562 vor: „Bellum legitimum ut publicam irae divinae vindictam approbamus. Suscipitur iustum bellum pro gloria Dei defendenda et vindicanda.“95 Auch für die Reformierte Kirche gilt die ultima ratio als Entscheidungskriterium, ob ein Krieg geführt werden darf: Die Obrigkeiten sollten „nicht eine geringfügige Sache zum Anlass nehmen, ja, auch einen gebotenen Anlass nicht annehmen, wofern sie nicht die äußerste Not dazu 92 93 94 95

Pöhlmann 2000, S. 71 Grünwaldt 2005, S. 23 Anglikanischer Artikel XXXVI (1552/62), in: Müller (1903): BSRK 520,32 Erlauthaler Bekenntnis (1562), in: Müller (1903): BSRK 357,6f.

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zwingt.“96 Calvin meint, die Christen müssten die Forderungen Ciceros übertreffen: „Denn wenn wir doch viel mehr leisten müssen, als jener Heide (Cicero) gefordert hat, der da verlangte, der Krieg sollte als das Suchen nach Frieden erscheinen (Von den Pflichten I, 23), so müssen wir sicherlich zuvor alles versuchen, ehe wir die Entscheidung mit den Waffen herbeiführen.“97 Die Reformatoren betonten, dass der Krieg nur Mittel der Selbstverteidigung gegen schweres Unrechtsein darf, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Ziel eines gerechten Krieges müsse ein gerechter Frieden sein. Alles Friedenshandeln steht „in der Klammer der Allwirksamkeit Gottes“98. Den Christen empfiehlt Calvin den unbedingten Gewaltverzicht. Sogar Gegenwehr sollen sie nicht leisten, wie aus Calvins Brief an die verfolgte Hugenottengemeinde in Aix-en-Provence aus dem Jahr 1561 hervorgeht: „Wenn wir nun aber dem Bösen mit Waffengewalt widerstehen, so hindern wir Gott, uns zu helfen.“99 Hofheinz hat reformatorische Friedensethik beschrieben, indem er Barths Bild des „eilenden Wartens“ näher bestimmt: „Friedenstiften als ‚GeltenLassen’ des uns zuvorgekommenen und zuvorkommenden Friedens Gottes in Jesus Christus vollzieht sich – mit K. Barth gesprochen – in der Dialektik des eilenden Wartens. Dieses umschreibt weder das passiv-quietistische ‚Hände-inden-Schoß-Legen’ noch das titanisch-promethische ‚Wir-stellen-den-Frieden-neuher’. Als aktive eschatologische Erwartung des gekommenen Friedensstifters 100 lässt sich der Handlungscharakter des Friedensstiftens bestimmen.“ 3.4.3

Frühe Neuzeit: ius ad bellum

Bei den normativen ethischen Kriterien des legitimen Einsatzes militärischer Gewalt nach dem von Hugo Grotius im 17. Jahrhundert in seinem Werk De Jure Belli ac Pacis angeregten modernen Völkerrecht kann man zwei Bereiche unterscheiden.101 Im ius ad bellum, das durch die Lehre vom gerechten Krieg bestimmt ist, werden die Gründe festgelegt, die über die Rechtfertigung der Anwendung militärischer Gewalt entscheiden. Im ius in bello sind die Kriterien für die Art und Weise der Gewaltanwendung selbst zusammengefasst. 96 97 98 99 100 101

Calvin: Institutio (1559) IV,20,12,1043 ibid. Link & Siller 2000, Sp. 362 Calvin: Brief vom 1. Mai 1561, in: Lebenswerk in seinen Briefen, Dritter Band, S. 1119 Hofheinz 2005, S. 52f. Grotius 1678, 3. Buch, Kap. 1: „Et qui bellum gerant, & quibus ex causis belligerare liceat vidimus. Sequitur, expendamus quid quantumque in bello liceat, & quibus modis.“

Reformation und frühe Neuzeit

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Dieses Kriterium wurde schon früher in der Forderung nach einem debitus modus verwirklicht, die in der spanischen Spätscholastik entwickelt wurde. Anlass dafür war die Erfindung des Schießpulvers und der Feuerwaffen. Hier soll nur das für kirchliche Stellungnahmen wichtige ius ad bellum ausführlich dargestellt werden.102 Nach dem „Maximal-Typ“103 der Lehre, in der bereits bei Augustin und Thomas von Aquin vorhandene Kriterien übernommen werden, müssen sechs Bedingungen erfüllt sein: Causa iusta: Ein gerechter Grund kann nach der Theorie des gerechten Krieges in drei Fällen vorliegen: „to protect the innocent from unjust attack, to restore rights wrongfully denied, or to reestablish a just order.“104 Daraus ergibt sich zum einen der Fall der Selbstverteidigung eines Staates gegen eine Aggression. Für den zweiten Fall kommen Revolutionen oder Befreiungskämpfe, durch die eine gerechte Ordnung wiederhergestellt wird, in Frage. Der letzte Fall ist die Intervention von außen. Mögliche Anlässe dafür sind die Gefährdung des Weltfriedens bzw. der internationalen Sicherheit oder schwere Menschenrechtsverletzungen. Für letzteren Fall hat Haspel aus dem vor allem in den USA geführten Diskurs der Just-and-limited-war-Theorie sechs Prinzipien entwickelt, die für einen gerechtfertigten Einsatz militärischer Gewalt gegeben sein müssen: Komprehension (umfassendes Menschenrechtskonzept), Konsens (der Staatengemeinschaft), Konsistenz (widerspruchsfreier Fall), Kohärenz (Zusammenhang mit ähnlichen Fällen), Kontinuität (Weiterführung früheren 105 Handelns) und Kollaboration (Zusammenarbeit vieler Staaten). Legitima potestas: Der Forderung, Gewalt an eine legitime bzw. kompetente Autorität zu binden, kam besonders in der mittelalterlichen katholischen Naturrechtslehre große Bedeutung zu. Deshalb nennt sie Thomas von Aquins Summa Theologica bei der Frage nach dem erlaubten Krieg an erster Stelle.106 Von der Kirche autorisierte Kriege – z. B. Kreuzzüge – waren natürlich eo ipso gerechte Kriege. Auch Juristen sprechen von der „völkerrechtliche[n] Autorität einer potestas spiritualis“107. Im Falle der Selbstverteidigung kann die legitime Autorität der angegriffene Staat oder ein Nothelfer sein. Im Befreiungskampf wird eine vom Volk gestützte Bewegung als legitim angesehen, um einen „genuinen Volksaufstand“108 zu begründen. In diesem Fall darf 102 103 104 105 106 107 108

vgl. Honecker 1995, S. 411-416; Mayer 1999, S. 291-313 und Haspel 2002, S. 92-145 Müller 1996, S. 16 Childress 1978, S. 436 vgl. Haspel 2002, S. 99-106 vgl. Thomas von Aquin 1966 (13. Jh.), S. 83 Schmitt 1950, S. 90 Kreß 1999, S. 3081

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die Regierung nicht von außen unterstützt werden. Bei der Intervention in einem souveränen Staat durch Dritte ist die Beurteilung schwieriger. Es wird diskutiert, ob in solchen Fällen die Mandatierung durch den Sicherheitsrat nötig ist oder ob auch einzelne oder verbündete Staaten legitim militärisch eingreifen dürfen. Mayer betont, dass zur kompetenten Autorität auch die Fähigkeit gehöre, „den jeweiligen Militärapparat zu kontrollieren, weil nur so moralische Verantwortung überhaupt ausgeübt werden kann“109. Folglich könnten die Vereinten Nationen nicht als legitime Autorität gelten. Recta intentio: Schon vor Beginn eines militärischen Eingreifens muss klargestellt werden, wie durch den Einsatz von Gewalt Frieden ermöglicht wird. Alle militärischen Maßnahmen dürfen nur das Ziel haben, den sie rechtfertigenden Kriegsgrund zu beseitigen. Ultima ratio: Die Prämisse für eine legitime Militäraktion als äußerstes Mittel setzt voraus, dass mindere Mittel – falls vorhanden – genutzt wurden. Dabei ist die ultima ratio nicht nur rein zeitlich zu verstehen. Es handelt 110 sich vielmehr um „the last viable alternative” , also um das letzte aussichtsreiche Mittel. Childress kommentiert auch den causa iusta aus dieser Perspektive: „These obligations cannot, however, be overridden if there are other ways of achieving the just aim short of war.“111 Allerdings stellt sich die Frage, ob man angesichts der verheerenden Folgen eines jeden Krieges überhaupt von ratio sprechen kann. Die beiden nächsten Kriterien werden bei der Prüfung eines Krieges auf seine Rechtmäßigkeit oft nicht angeführt, weil sie schon zum ius in bello tendieren. Debitus modus: Vor der Anwendung von Gewalt ist zu prüfen, ob diese Maßnahme verhältnismäßig ist. Dabei sind die unmittelbaren und langfristigen Folgen der Militäraktion abzuwägen, etwa die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen, die Beeinträchtigung internationaler Institutionen wie der UN und die Gefahr einer Eskalation. Selbst bei einer „guten Absicht“ könnte der Krieg also bei unangemessenen Mitteln nicht mehr gerecht sein. Aussicht auf Erfolg: Der Einsatz militärischer Gewalt ist sinnlos, wenn keine Aussicht auf Erfolg besteht. In diesem Fall ist der Krieg auch dann nicht gerechtfertigt, wenn alle anderen genannten Gründe des bellum iustum vorliegen. 109 Mayer 2000, S. 294 110 Fixdal & Smith 1998, S. 286 111 Childress 1978, S. 436

Reformation und frühe Neuzeit

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Nicht einig waren sich die Ausleger der Lehre, ob immer alle oder nur einzelne Kriterien zutreffen müssen, um einen Krieg als rechtmäßig zu bewerten. „Was diese Lehre vom gerechten Krieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Misskredit gebracht hat, war der Jahrhunderte lange Missbrauch einzelner Kriterien zur Rechtfertigung ganz egoistischer Kriegsziele.“112

112 Planer-Friedrich 2002, S. 3

4 Weltkriege, Nachkriegszeit und „Kalter Krieg“ 4.1 Die beiden Weltkriege Der Krieg wurde seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon im Protestantismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als legitimes Mittel der Politik angesehen. Für den Theologen und Lutherforscher Emanuel Hirsch war kein Staat ohne Krieg denkbar: „Der Staat in seinem Verhältnis zu andern Staaten ist von uns begriffen als unabhängige Macht, die ihre Lebensnotwendigkeiten selber schützt, der Krieg somit als Anwendung dieser Macht zum Zwang gegen diejenigen auswärtigen Mächte, die diesen Lebensnotwendigkeiten sich entgegenstellen.“1 Hirsch nannte den Krieg sogar ein „notwendiges Stück der göttlichen Schöpfungsordnung“2. Ein extremes Beispiel für diese Haltung ist die Aussage des Theologen Wilhelm Herrmann, der in seiner Ethik von 1904 schreibt: „Es ist nicht wahr, dass der Krieg das absolut Unchristliche sei. (…) Der Krieg an sich ist weder christlich noch unchristlich, weder sittlich noch unsittlich. Er ist in einer bestimmten geschichtlichen Lage die unabweisbare Aeusserung der in der Kulturbewegung zu einem politischen Leben entwickelten Menschennatur.“3 Historisch wird für diese Haltung die enge Verbindung der Landeskirchentümer mit den Territorialstaaten, später die nationalprotestantische Bindung der Kirchen an das hohenzollerische Reich verantwortlich gemacht.4 Honecker sieht als Ursprung der protestantischen Kriegsmythologie „die Befreiungskriege, Macht- und Kampfvorstellungen des deutschen Idealismus – bei Hegel und Fichte, aber auch bei den patriotischen Predigten Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers“.5 Zu Beginn des Ersten Weltkriegs trat bei Vertretern von Kirche und Theologie des deutschen Protestantismus die religiöse Überzeugung hinter die nationale Begeisterung zurück. Lediglich einzelne Anhänger der Friedensbewegung empfanden den Kriegsausbruch als Katastrophe. Für die meisten Kirchenvertreter gilt jedoch, dass „die politischen Stellungnahmen von Theologen während des Ersten Weltkriegs sich im Allgemeinen nicht außerhalb des Rahmens bewegen, der auch für andere Vertreter der bürgerlichen Intelligenz 1 2 3 4 5

Hirsch 1922 (11920), S. 95 ibid. Herrmann 1904, S. 200 vgl. Tödt 1970, S. 159f. Honecker 1995, S. 415

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Weltkriege, Nachkriegszeit und „Kalter Krieg“

kennzeichnend ist.“6 Emanuel Hirsch kritisierte 1920 den Pazifisten als „Schmarotzer, der die Segnungen des deutschen Staats genoss und sich seelisch vom ihm losgelöst hatte“7. Er setzte bei jedem Staatsbürger Verständnis für den Krieg voraus: „Indem er für sich selbst den Frieden und die Sicherheit des Daseins und Wirkens begehrt, will er, (...) dass der sein Dasein umhüllende und ihm freies sinnvolles Schaffen erst gewährende Staat sich selber behaupte.“8 Dieses bellizistische Erbe lebte auch in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg im Protestantismus weiter. Neue Gefahren für den Weltfrieden wurden in Deutschland ignoriert und unterschätzt – gerade auch in der Kirche, die von einer „Kurzsichtigkeit auf diesem Felde“9 nicht freigesprochen werden kann. Ein neues Friedensverständnis entwickelte die Kirche erst unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs mit seinen noch größeren Zerstörungen. Der kriegsbereite Nationalismus wurde unter der NS-Herrschaft noch gesteigert. Das traditionelle evangelische Obrigkeitsverständnis trug viel dazu bei, „dass viele Deutsche 1933 Hitler als den begrüßten, der der ungeliebten Demokratie ein Ende bereitete“10. Der so genannte Kirchenkampf zwischen den regimetreuen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche wurde bei Kriegsbeginn 1939 ausgesetzt und ein innerkirchlicher „Burgfrieden“ vereinbart.11 Der neu gegründete Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche nahm eine loyale Haltung zur Hitler-Regierung ein. Eine Aufbruchstimmung wie 1914 gab es aber 1939 nicht. „Vielmehr bestimmte große Nüchternheit die allgemeine Mentalität, auch zumeist die theologischen Aussagen.“12 Lediglich einzelne bedeutende deutsche Protestanten engagierten sich im 1914 gegründeten pazifistischen ökumenischen „Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen“, so etwa Friedrich Siegmund-Schultze oder Dietrich Bonhoeffer. In der Erklärung von Eisenach-Avignon verurteilte der Weltbund den Krieg als Mittel der Konfliktlösung: „Wir glauben, dass der Krieg als eine Einrichtung zur Beilegung internationaler Streitigkeiten unvereinbar ist mit dem Geist und der Art Christi und deswegen auch unvereinbar ist mit dem 13 Geist und der Art seiner Kirche.“ 6 7 8 9 10 11 12 13

Huber 1970, S. 210 Hirsch 1922 (11920), S. 94 ibid. Wilkens 1987, Sp. 1003 Schweitzer 1983, S. 127 vgl. Mehlhausen 1994, S. 64 Hauschild 1999, S. 899 zitiert nach Dam 2001, S. 236

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Dietrich Bonhoeffer, der 1930/31 am Union Theological Seminary in New York studierte, wurde durch den calvinistischen Theologen Jean Lasserre pazifistisch geprägt. 1936 schrieb Bonhoeffer: „Der christliche Pazifismus, den ich noch kurz vorher (...) leidenschaftlich bekämpft hatte, ging mir auf einmal als Selbstverständlichkeit auf.“14 Die Schwäche des Weltbundes war „die auch von Bonhoeffer angemahnte unzureichende theologische Begründung seiner Friedensinitiativen“15. Bonhoeffer forderte von der Kirche konkrete politische Aussagen: „Das Evangelium wird konkret bei dem Hörenden, das Gebot wird konkret durch den Verkündigenden.“16 Als „typische Bonhoefferfrage“17 bezeichnet Heinz Eduard Tödt die Diskussion, ob die Kirche konkrete Gebote mit derselben Sicherheit wie das Evangelium verkündet. Daraus folge, dass die Kirche nicht allgemein sagen könne, es solle eigentlich kein Krieg sein, „sondern sie sollte konkret sagen können: geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg“18. Der sich während des Zweiten Weltkriegs bildende Ökumenische Rat der Kirchen stellte noch während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland Überlegungen über einen dauerhaften Frieden an. Bei der Gründungsversammlung des Rates in Amsterdam im Jahr 1948 wurde die bekannte Formel „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ geprägt.19 Der Kriegsbegriff der Amsterdamer Norm muss jedoch in ihren historischen Zusammenhang eingebettet verstanden werden. Es ging damals um die neue Gefahr eines atomaren Krieges, der wegen der unvorstellbaren Auswirkungen abgelehnt wurde.20 Nicht grundsätzlich verworfen wird von den Kirchen in Amsterdam dagegen ein konventioneller Krieg, „wenn das Recht zur Geltung gebracht werden soll“.21

14 15 16 17 18 19 20 21

Bonhoeffer: Brief an Elisabeth Zinn, 27. Januar 1936, in: Bonhoeffer 1996, S. 113 Raiser 2001, S. 10 Bonhoeffer: Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit, Vortrag am 26. Juli 1932, in: Bonhoeffer 1994, S. 332 Tödt 1982, S. 95 Bonhoeffer: a. a. O., S. 333 vgl. Huber 1982, S. 637 vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen 1948 a. a. O., S. 156

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4.2 Die deutsche Teilung Der Nationalprotestantismus verschwand nach dem Ende des NS-Regimes nahezu vollständig, denn seine Quellen waren vertrocknet. „Ihre Wasser wurden durch die Vermischung mit germanischen Dreingaben vergiftet und ungenießbar.“22 Nach dem Zweiten Weltkrieg kam so im deutschen Protestantismus eine friedensethische Debatte in Gang. Im Mittelpunkt stand jedoch zunächst die deutsch-deutsche Frage nach der Teilung. Die EKD-Synode am 24. April 1950 in Berlin-Weißensee appellierte an die Politiker, „dass sie nicht in einen Krieg willigen, in dem Deutsche gegen Deutsche kämpfen. Wir legen es jedem auf das Gewissen, zu prüfen, ob er im Falle eines solchen Krieges eine Waffe in die Hand nehmen darf.“23. Die Legitimation von Kriegen schlechthin wurde damit noch nicht in Frage gestellt. Man konnte sich aber nicht mehr so einfach auf Paulus berufen, der im Brief an die Römer laut Luther-Übersetzung fordert: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.“24 Ob die Regierungen der beiden deutschen Staaten bzw. die ihnen übergeordneten Machtblöcke NATO und Warschauer Pakt als solche Obrigkeit interpretiert werden konnten, war höchst umstritten. Haspel beurteilt die Entwicklung im Protestantismus nach 1945 negativ: „Unter Verdrängung der Schuld der nationalsozialistischen Verbrechen wurde die Frage nach der legitimen Partizipation an Kriegen und damit der Legitimität des Krieges selbst als individuelle Gewissensentscheidung in einem Konflikt 25 zwischen partikularstaatlicher und gesamtnationaler Loyalität angesehen.“ Nach Lienemann ist das Ergebnis der Auseinandersetzungen nach 1945 zweigeteilt: „Eine einmütige Warnung vor einer deutschen Remilitarisierung kommt nicht mehr zustande, und innerhalb der evangelischen Kirchen wird die Frage, ob eine Wiederaufrüstung politisch notwendig oder zweckmäßig sei, als ‚im Glauben’ unterschiedlich beantwortbar verstanden.“26

22 23 24 25 26

Rendtorff 1999, S. 40 EKD: Synode 1950, zitiert nach Rausch & Walther 1978, S. 25 Röm 13,1 Haspel 2002, S. 38 Lienemann 2000, S. 92

Die Bedrohung durch Atomwaffen

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4.3 Die Bedrohung durch Atomwaffen Erst die atomare Aufrüstung führte zu einer neuen Diskussion über die Lehre vom gerechten Krieg. Der bisher erreichte friedensethische Kompromiss der evangelischen Kirche, der für die Protestanten sowohl Wehrdienst als auch dessen Verweigerung achtete, galt nun nicht mehr. 1956 wurde die Frage, ob ein mit Atomwaffen geführter Krieg gerecht sein kann, verneint. Die Rüstung mit Atomwaffen dagegen wurde nicht als unchristlich verworfen, falls sie der Verhinderung eines Atomkriegs dient und die Zeit zu konstruktiver Arbeit am Frieden nützt. Die elf Thesen aus der Untersuchung „Atomzeitalter – Krieg und Frieden“ der Evangelischen Studiengemeinschaft wurden zur Grundlage der Militärseelsorge der Bundeswehr. Darin heißt es unter anderem: „Der Weltfriede wird zur Lebensbedingung des technischen Zeital27 ters“ und „Der Krieg muss in einer andauernden und fortschreitenden Anstrengung abgeschafft werden.“28. Die für protestantische Stellungnahmen typische Offenheit der Entscheidung kommt in These 11 zum Ausdruck: „Nicht jeder muss dasselbe tun, aber jeder muss wissen, was er tut.“29 Durch die neue atomare Komponente des Krieges kam es zu einer Neuorientierung in der protestantischen Friedensethik: „Die nationalprotestantische Anerkennung der vermeintlichen Staatsraison als oberstes Entscheidungskriterium ist durchgehend fallengelassen worden.“30 Als verbindlichstes oberstes Ziel wurde der Friede anerkannt – und zwar „nicht der regional begrenzte Friede als Abwesenheit militärischer Gewalt, sondern der Weltfriede“31. Das heißt jedoch nicht, dass sich die deutschen Protestanten nun einig waren in der Beurteilung der atomaren Rüstung. Wie in der Politik, wo die These „Nie wieder Krieg“ mit Adenauers Westannäherung konfligiert, gibt es auch in der Kirche unterschiedliche Meinungen. Die Synode der EKD in Spandau am 30. April 1958 bringt die Spannung zwischen prinzipiellem Pazifismus, Nuklearpazifismus und einer etatistisch-legalistischen Position zum Ausdruck: „Die unter uns bestehenden Gegensätze in der Beurteilung der atomaren Waffen sind tief. Sie reichen von der Überzeugung, dass schon die Herstellung und Bereithaltung von Massenvernichtungsmitteln aller Art Sünde vor Gott ist, bis zu der Überzeugung, dass Situationen denkbar sind, in denen in der Pflicht zur Verteidigung der Widerstand mit gleichwertigen Waffen vor Gott 27 28 29 30 31

Howe 1959, S. 226 a. a. O., S. 227 a. a. O., S. 235 Tödt 1970, S. 164 Körtner 1999, S. 175

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verantwortet werden kann. Wir bleiben unter dem Evangelium zusammen und mühen uns um die Überwindung dieser Gegensätze.“32 Auf jeden Fall war die Drohung mit Atomwaffen eine Zäsur, die auch Folgen für die Lehre vom gerechten Krieg hatte. Für viele Theologen war sie auf den Atomkrieg nicht mehr anwendbar, etwa für Helmut Gollwitzer: „Er hat keine Chancen mehr, bellum iustum zu sein, sondern nur mehr entfesselte Vernichtungsaktion, die die gegnerische, aber schließlich auch die eigene Bevölkerung als Liquidationsmaterial behandelt, mit dem kollektiven Mord auch den kollektiven Selbstmord einkalkuliert und auch unbeteiligte Völker 33 in die Verwüstung einbezieht.“

4.4 Die Heidelberger Thesen von 1959 Zur Grundlage protestantischer Friedensethik wurden die Heidelberger Thesen von 1959. Sie waren von Militärbischof Hermann Kunst initiiert und von einer Kommission der Evangelischen Studiengemeinschaft erarbeitet worden. Zunächst hatten sie keinen kirchenamtlichen Charakter. Erst in der „Friedensdenkschrift“ von 1981 wurden sie offiziell rezipiert. Die Heidelberger Thesen begründen ihr Nein zum Krieg im atomaren Zeitalter politisch und theologisch. In der V. These heißt es: „Der Weg zum Weltfrieden führt durch eine Zone der Gefährdung des Rechts und der Freiheit, denn die klassische 34 Rechtfertigung des Krieges versagt.“ Erst in den Erläuterungen zur fünften Heidelberger These wird das Prinzip der „Lehre vom gerechten Krieg“ angesichts der atomaren Aufrüstung, die für die Kriegsgegner die Gefahr der gegenseitigen Vernichtung brachte, verworfen: „Wir sehen nicht, wie dieses Prinzip [sc. der Lehre vom gerechten Krieg] auf den Atomkrieg noch angewandt werden kann. Er zerstört, was er zu schützen vorgibt.“35 Das Standardkriterium der Verhältnismäßigkeit der Güter für einen gerechten Krieg ist demnach nicht mehr gegeben. Die Heidelberger Thesen unterschieden jedoch zwischen Bereithaltung und Einsatz von Atomwaffen. Ersteres wurde als kriegsverhütende Drohung legitimiert, letzteres verworfen. Gollwitzer, der selbst an den Heidelberger Thesen mitgearbeitet hat, kam 1957 – also zwei Jahre vor deren Veröffentlichung – zur Folgerung, dass ein Nuklearkrieg nie gerecht sein kann: „Man muss sich den Charakter der ABC32 33 34 35

EKD: Synode 1958, zitiert nach Honecker 1995, S. 417f. Gollwitzer 1960, Sp. 71f. Heidelberger Thesen 1959, in: EKD 61984 (1981), S. 82 a. a. O., S. 83

Die Heidelberger Thesen von 1959

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Waffen, wie es soeben geschehen ist, nur nüchtern klarmachen, um sofort den tiefen Unterschied zu erkennen, in dem sie zu den früheren Waffen stehen, vor allem aber zu den Waffen derjenigen Zeiten, in denen die Stellung der Kirchen zum Kriege ausgearbeitet worden ist, und ebenso zu erkennen, dass keiner der Gründe, die früher für einen pflichtgemäßen Waffengebrauch angeführt wurden, für diese neuen ‚Waffen’ noch zutrifft.“36 Er beschritt jedoch einen anderen Weg. Er verwarf die bellum iustum-Lehre nicht: „Die Überlegungen dieses Aufsatzes sind bewusst angestellt unter der Voraussetzung der bisherigen theologischen Begründung für die Teilnahme des Christen an Gewaltanwendung und Krieg. Sie stellen diese Basis nicht in Frage, sondern wollen zeigen, dass gerade von ihr, wenn sie aufrichtig und nicht nur heuchlerisch bezogen wird, die gleichen Gedanken, die bisher jene Teilnahme ermöglichten, sie nun unmöglich machen.“37 Aus theologischen Gründen halten die Heidelberger Thesen den Pazifismus für anerkennenswert, obwohl er früher – beispielsweise in Form der Friedenskirchen – von den herrschenden Kirchen verurteilt worden ist und noch in den 80er-Jahren äußerst umstritten war. So urteilt beispielsweise Rendtorff 1982 in einem Vortrag vor dem Politischen Club der Evangelischen Akademie Tutzing: „Ein unbedingter und radikaler Pazifismus negiert die staatliche und politische Friedensaufgabe insgesamt.“38 Die politische Dimension der Friedensfrage werde auch vom Nuklearpazifismus verdrängt, weil „er sich fast gar nicht dazu äußert, wie denn sonst mit den Konflikten umgegangen werden soll, die letztlich die Wurzel der Probleme sind.“39 In der Erklärung zu These VII heißt es dagegen: „Die Schrecken der Atomwaffen sind so groß, dass wir es als unbegreiflich empfinden müssten, wenn sich ihnen gegenüber ein Christ nicht wenigstens ernstlich prüfe, ob der Verzicht auf sie, ohne Rücksicht auf die Folgen, nicht unmittelbar verständliches göttliches Gebot ist.“40 Gleichzeitig äußern die Heidelberger Thesen aber auch Verständnis für die atomare Rüstung, so in These VIII: „Die Kirche muss die Beteiligung an dem Versuch, durch das Dasein von Atomwaffen einen Frieden in Freiheit zu sichern, als eine heute noch mögliche christliche Handlungsweise anerkennen.“41 Die Befristung dieses Wegs des Friedensschutzes wird in den Erläute36 37 38 39 40 41

Gollwitzer 1957, S. 27 a. a. O., S. 48 Rendtorff 1983, S. 139 ibid. Heidelberger Thesen 1959, in: EKD 61984 (1981), S. 85 a. a. O., S. 86

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rungen betont: „Es muss nur unbedingt feststehen, dass sein [des Weges des Friedensschutzes durch Atomwaffen] einziges Ziel ist, den Frieden zu bewahren und den Einsatz dieser Waffen zu vermeiden; und dass nie über seine Vorläufigkeit eine Täuschung zugelassen wird.“42 Honecker interpretiert das noch nicht temporal, sondern qualitativ, denn „ein allgemeiner Verzicht auf Waffen, auch auf Atomwaffen, wäre ein zu großes Risiko. Recht und Freiheit könnten auf unabsehbare Zeit verloren gehen“43. Die beiden Möglichkeiten des Wehrdienstes und des Waffenverzichts sind nach These VI für evangelische Christen nebeneinander möglich, ja sie ergänzen einander sogar: „Wir müssen versuchen, die verschiedenen, im Dilemma der Atomwaffen getroffenen Gewissensentscheidungen als komplementäres Handeln zu verstehen.“44 Damit war nicht nur „eine Duldung des Unversöhnbaren, sondern ... Komplementarität im Sinne von Ergänzung“45 gemeint. Auch in der anschließenden innerkirchlichen Diskussion wurde der ursprünglich aus der Physik stammende Gedanke der Komplementarität auf die Frage von Wehrdienst und Kriegsdienstverweigerung angewandt. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag von 1967 wurde die Formel „Friedensdienst mit und ohne Waffen“ geprägt.46 Faktisch ist der Waffenverzicht laut Demke jedoch als „nachrangiges Komplement verstanden worden“.47 Die unterschiedlichen Auffassungen über den Friedensbeitrag der Christen wurden ab Ende der 70er-Jahre im deutschen Protestantismus von einer Reihe von Gruppierungen öffentlich kontrovers vertreten.48 Die Aktion Ohne Rüstung leben wandte sich 1978 gegen jede Rüstung und jeglichen Dienst an der Waffe. Sie sah im Verzicht auf kriegerische Gewalt den „speziellen politischen Beitrag der einzelnen Christen und der christlichen Kirchen“.49 Die bekannte Losung „Frieden schaffen ohne Waffen“ wurde von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste erstmals im Mai 1980 verwendet. Sie war nicht nur auf den Bereich der Waffen beschränkt, sondern meinte auch private Formen des Unfriedens. Die Aktion vertrat im Unterschied zu anderen Gruppen die Meinung, dass die Abrüstung nur in einem langfristigen Prozess erreichbar sei.

42 43 44 45 46 47 48 49

a. a. O., S. 87 Honecker 1995, S. 419 Heidelberger Thesen 1959, S. 84 Honecker 1995, S. 419 vgl. Friedensdenkschrift 1981, in: EKD 61984, S. 36 Demke 2001, S. 23 vgl. a. a. O., S. 41-44 Friedensdenkschrift 1981, S. 41

Die EKD-Denkschrift von 1981

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Als Gegenbewegung dazu formierte sich 1980 der Arbeitskreis Sicherung des Friedens, der sich für eine militärische Sicherung des Friedens ausspricht. Die Evangelisch-Katholische Arbeitsgruppe Schritte zur Abrüstung versuchte ab 1981 einen Handlungskonsens der verschiedenen christlichen Gruppen zu erreichen. Grundlage des Konzepts waren der Verzicht auf neue Atomwaffen und das Verbot von Rüstungsexporten. Die auch in den Religionsunterricht eingehende kritische Friedenserziehung versuchte, den Grundwiderspruch zwischen dem Wunsch nach Überwindung der Friedlosigkeit und der durch die Abschreckung auf Dauer eingerichteten Wehrhaftigkeit „einsehbar und 50 bearbeitbar“ zu machen. In die durch die Heidelberger Thesen geprägte Zeit der 1960er-Jahre fällt auch der Beginn der deutschen Friedensforschung. Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) begann 1966 als erste wissenschaftliche Institution in Deutschland damit, „in syst[ematischer] Absicht Probleme des Friedens unter den Bedingungen der Gegenwart zu erforschen“51.

4.5 Die EKD-Denkschrift von 1981 Die Denkschrift Frieden wahren, fördern und erneuern der EKD von 1981 erschien zu einem Zeitpunkt, als sich die Rüstungsspirale wieder stärker zu drehen begann. In fünf Kapiteln werden die weltpolitische Situation beschrieben und die kirchlichen Positionen dazu dargestellt. Der Frieden wird als politische Aufgabe begriffen: „Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern ist das Gebot, dem jede politische Verantwortung zu folgen hat. (...) In der Zielrichtung christlicher Ethik liegt nur der Frieden, nicht der Krieg.“52 Die Denkschrift von 1981 relativiert die Aussage der These VIII von 1959, in der es hieß: „Die Kirche muss die Beteiligung an dem Versuch, durch das Dasein von Atomwaffen einen Frieden in Freiheit zu sichern, als eine heute noch mögliche christliche Handlungsweise anerkennen.“53 Zwei Jahrzehnte später betont die EKD dazu: „Allein, diese Handlungsweise ist nur in einem Rahmen ethisch vertretbar, in welchem alle politischen Anstrengungen darauf gerichtet sind, Kriegsursachen zu verringern, Möglichkeiten gewaltfreier

50 51 52 53

Bäumler 1986, Sp. 1385 Solms 1986, Sp. 1387 Friedensdenkschrift 1981, S. 50 Heidelberger Thesen 1959, a. a. O., S. 86

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Konfliktbewältigung auszubauen und wirksame Schritte zur Senkung des Rüstungsniveaus zu unternehmen.“54 Die Position der Heidelberger Thesen zum gerechten Krieg wird in der Denkschrift noch weiter verallgemeinert. In ihr wird nach „Konzepten der Friedenssicherung jenseits der Abschreckung“55 gesucht. Demnach gilt nicht nur das bellum-iustum-Prinzip nicht mehr, sondern die ganze Lehre ist hinfällig: „Die Kriterien der überlieferten Lehre vom gerechten Krieg sind auf den Atomkrieg nicht mehr anwendbar. Die Voraussetzungen, unter denen die Regeln des Kriegsvölkerrechts in diesem Jahrhundert entwickelt wurden, haben sich so verändert, dass die Befolgung dieser Regeln nicht mehr zu erwarten ist.“56 Rendtorff weist auf ganz pragmatische Gründe hin, warum die bellum-iustum-Lehre im Nuklearzeitalter nicht mehr gelten könne: Sie sei „systematisch an Kriegsführung orientiert. Die Strategie der Abschreckung ist dagegen eine Theorie dezidierter Kriegsverhinderung.“57 Die Lehre vom gerechten Krieg ist unter Lutheranern keineswegs unumstritten. Der Disput geht auf den Artikel 16 „Von der Polizei (Staatsordnung) und dem weltlichen Regiment“ der im Wesentlichen von Philipp Melanchthon verfassten Confessio Augustana zurück, in dem es heißt, „dass Christen ohne Sünde ... Übeltäter mit dem Schwert bestrafen, rechtmäßig Kriege führen (iure bellare) ... [können].“58 Eine Studienabteilung des Lutherischen Weltbundes kommt 1992 zu dem Ergebnis, dass mit dem Ausdruck iure bellare die Lehre vom gerechten Krieg gemeint sei.59 In Anerkennung der Tatsache, dass auch begrenzte Kriege nicht gerecht sein könnten, solle jedoch besser von „schrecklicherweise nötigen oder unvermeidlichen Kriegen“60 gesprochen werden. Pöhlmann dagegen schreibt in einer Fußnote zur CA-Ausgabe: „Nicht gerechte Kriege, sondern rechtmäßige, nach den damaligen Rechtsvorstellungen legitime Kriege sind gemeint.“61 Ebenso versteht auch Reuter CA XVI nicht als bellum-iustum-Lehre, sondern als Rechtfertigung für die individuelle Beteiligung von Christen am Kriegsdienst nach dem geltenden Recht: „Das lutherische Bekenntnis enthält somit keine Lehre vom gerechten Krieg, sondern stellt die rechtmäßige (‚iure’) Kriegführung und den Militär54 55 56 57 58 59 60 61

Friedensdenkschrift 1981, S. 60 Lienemann 2000, S. 110 Friedensdenkschrift 1981, S. 35 Rendtorff ²1991, S. 203 Lutherisches Kirchenamt: Die Bekenntnisschriften 42000 (1986), S. 71 vgl. Mortensen 1993, S. 13f. a. a. O., S. 24 Lutherisches Kirchenamt: Die Bekenntnisschriften 42000 (1986), S. 71

Die EKD-Denkschrift von 1981

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dienst in die spannungsreiche Perspektive einer Ethik der Rechtsbefolgung: strikte Befolgung des Rechts, aber unter Vorbehalt des in Gottes Wort gebundenen Gewissens.“62 Die beiden letztgenannten Positionen sind dem Text angemessener, weil sie die Intention Melanchthons verstehen, die ja in CA XVI schon sprachlich eindeutig zum Ausdruck kommt: Nicht das Adjektiv rechtmäßige, das sich auf das Substantiv Kriege bezöge, hat er verwendet, sondern das Adverb rechtmäßig, welches das Verb führen näher bezeichnet. In ihrer Denkschrift geht die EKD weit über die lutherischen Positionen hinaus. Ziel ist nicht die Begrenzung des Krieges, sondern seine Abschaffung: „Das Drohen mit Krieg ist keine verantwortbare Politik. Die politische Aufgabe ist es, Gewaltdrohung durch Friedenspolitik zu überwinden.“63 Der der Denkschrift in der damaligen Diskussion vorgeworfene Mangel, sie habe sich nicht hinreichend mit der waffentechnologischen Entwicklung befasst,64 gereicht ihr aus heutiger Sicht zum Vorzug, denn sie ist durch ihre Konzentration auf das Politische überzeitlich und zukunftsweisend. Mit dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung fiel die Friedensdenkschrift mitten in den Beginn der Friedensbewegung, der auch christliche Gruppen wie Ohne Rüstung leben, Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und Pax Christi angehörten.65 Diese christlichen Teile haben die Friedensbewegung maßgeblich geprägt, „schufen Glaubwürdigkeit und machten die F[riedensbewegung] koalitionsfähig für andere gesellschaftliche Gruppen“66. Schon 1981 hat die EKD den Frieden nicht nur im Sinne einer Abwesenheit von Krieg definiert. Sie geht in der Denkschrift auch auf die Ursachen der Friedensbedrohung ein: „Aber der Friede ist heute nicht allein von Waffen bedroht, sondern auch durch soziale und ökonomische Spannungen und weltweite Ungerechtigkeiten.“67

62 63 64 65 66 67

Reuter 1994, S. 86 Friedensdenkschrift 1981, S. 55 vgl. Rendtorff 1983, S. 144 vgl. Orth 2000, Sp. 366 Moltmann 1986, Sp. 1384 Friedensdenkschrift 1981, S. 51

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4.6 Die Erklärung des Reformierten Bundes von 1982 Der Reformierte Bund reagierte auf die Diskussion in der EKD um die atomare Aufrüstung 1982 mit der Erklärung Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche. Moderator Hans-Joachim Kraus erläuterte im Vorwort den Grund der Veröffentlichung: „Problematische ‚Ausgewogenheit’, Zweideutigkeit und Unentschlossenheit in der Evangelischen Kirche in Deutschland haben dieses Sondervotum herausgefordert.“68 Das Moderamen des Reformierten Bundes machte in These II die Friedensfrage zu einer Bekenntnisfrage: „Durch sie ist für uns der status confessionis gegeben, weil es in der Stellung zu den Massenvernichtungsmitteln um das Bekennen oder Verleugnen des Evangeliums geht.“69 Der Begriff des status confessionis wurde in der Reformationszeit vorwiegend in dogmatischen Fragen gebraucht, da viele ethische Fragen als Adiaphora galten. Weil Atomwaffen zerstörten, was sie zu verteidigen vorgäben, heißt es in These V: „Ihnen gilt von Seiten der Christen ein aus dem Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer, Versöhner und Erlöser gesprochenes bedingungsloses ‚Nein!’, ein ‚Nein ohne jedes Ja’.“70 Ein bisheriges Adiaphoron – die Stellung der Kirche zum Krieg – durfte nach Ansicht des Reformierten Bundes jetzt nicht mehr aufrechterhalten bleiben. In den Erläuterungen zu These V wird erklärt, wie diese Position in der praktischen Politik umgesetzt werden soll. Das Moderamen rät zu einseitigen Abrüstungsschritten: „Dieses ‚Nein ohne jedes Ja’ gilt uneingeschränkt nicht erst für die Anwendung, sondern schon für den Besitz solcher ‚Waffen’. Wir wissen, dass ein solches ‚Nein’ mühsam in politisches Handeln umgesetzt werden muss und dass seine Realisierung nur durch einen schwierigen Prozess der Abrüstung denkbar ist. Aber mit der politischen Umsetzung kann nicht länger gewartet werden. Zu ihrer Ermöglichung müssen wir bereit sein 71 zu einseitigen, überlegten, aber nichtsdestoweniger radikalen Schritten.“ Ein prinzipieller Pazifismus wurde mit der Erklärung des Reformierten Bundes nicht zum Ausdruck gebracht. Abgelehnt wird ja lediglich der Einsatz von Massenvernichtungsmitteln und nicht der Krieg an sich. Die lutherische Kirche reagierte dennoch ablehnend auf die Stellungnahme des Moderamens. In einem Kommuniqué betonte die Kirchenleitung der VELKD, dass es mehr als nur einen möglichen Weg zum Frieden gebe und dass politische Entscheidungen keine Bekenntnisfrage sein könnten: „Die Kirche steht und 68 69 70 71

Reformierter Bund 1982, S. 4 a. a. O., S. 6 a. a. O., S. 9 a. a. O., S. 27

Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR

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fällt mit ihrem Bekenntnis zu Jesus Christus. (...) Allein im Glauben an ihn entscheiden sich Heil oder Unheil der Menschen.“72 Der Rat der EKD formulierte es in seinem Kommuniqué noch schärfer: „Das Bekenntnis zu Jesus Christus wird missbraucht, wenn es zur Entscheidung über offene politische Wege verwendet wird. Verantwortlich denkende und handelnde Christen werden in Gewissensnot gebracht.“73 Im Bereich der Reformierten Kirche wird die Erklärung von 1982 auch heute noch gerne zitiert, zum Beispiel von Peter Bukowski, dem Moderator des Reformierten Bundes. Im Zusammenhang mit seiner Kritik an den Drohungen des französischen Präsidenten Jacques Chirac mit Atomwaffen sagt Bukowski im Januar 2006, es sein „eine Schande“, dass im Europa des 21. Jahrhundert dieser nun 24 Jahre alte Text „traurige Aktualität“ gewinne.74

4.7 Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR In Spannung zur Position der EKD steht in den 80er-Jahren aber nicht nur der Reformierte Bund, sondern auch der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Gravierend sind die Differenzen bei der Haltung der Kirchen in Ost und West zur atomaren Abschreckung. Die Friedensdenkschrift der West-Kirchen von 1981 knüpft bei diesem Thema an die Position von 1959 an: „Die Kirche muss auch heute, 22 Jahre nach den ‚Heidelberger Thesen’, die Beteiligung am Versuch, einen Frieden in Freiheit durch Atomwaffen zu sichern, weiterhin als eine für Christen noch mögliche Handlungsweise anerkennen (vgl. Heidelberger These VIII). Deshalb hat die Kirche Achtung und 75 Verständnis für diejenigen, die in der Bundeswehr Dienst leisten.“ Ganz anders die Position der Kirchen in der DDR. Eine „Absage an Geist und Logik der Abschreckung“76 wird auf der Tagung der Synode des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR 1982 in Halle formuliert. Diese Position der Bundessynode wird theologisch begründet: „Neue Waffensysteme sollen den atomaren Erstschlag ermöglichen; neue Strategien suchen seinen Erfolg zu sichern. Diese Bedrohung allen Lebens durch eine übersteigerte Rüstung fordert unseren Glauben heraus. Wenn wir sie stillschweigend hinnehmen, geraten wir in Widerspruch zu Gott dem Schöpfer, denn sein Auf72 73 74 75 76

Wischnath 1984, S. 439 a. a. O., S. 441f. Schmidt 2006, S. 4 Friedensdenkschrift 1981, S. 60 BEK: Beschluss der Bundessynode in Halle (28. September 1982), S. 94

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trag verpflichtet uns zur Bewahrung der Schöpfung und schließt das Recht zu ihrer Zerstörung aus. Deshalb geht es hier um Gehorsam oder Ungehorsam gegen Gott.“77 Im Bericht der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL) vor der Bundessynode in Halle 1982 wird die Wirkung des atomaren Wettrüstens auf die junge Generation thematisiert: „Die Resonanz, die der Ruf nach Vertrauen findet, ist sicherlich auch in der Ahnung begründet, dass die relative militärische Stabilität auf einem Mechanismus beruht, der in Wirklichkeit außerordentliche Gefahren in sich birgt und Angst erzeugt. Vor allem unter jungen Menschen macht sich deshalb ein Gefühl der Beklommenheit breit. Viele sind unruhig geworden und suchen nach einem Ausweg. Vertrauen wird als eine Alternative zur Abschreckung empfunden. Die Forderung, ganz neue Wege zu beschreiten, kann nicht einfach als gefährliche 78 Schwärmerei und Vereinfachung abgetan werden.“ Damit wird deutlich, dass die Kirchen an den Sorgen und Nöten der Menschen teilnehmen wollen und diese in ihren politischen Stellungnahmen berücksichtigen. Mit Erkenntnissen aus dem Bereich der Psychologie analysiert die KKL die Folgen, die eine Logik der gegenseitigen Abschreckung für die Menschen im geteilten Deutschland hat: Diese Logik wird nicht so sehr durch aggressive politische Zielstellungen belebt, als vielmehr durch den im System gegenseitiger Abschreckung liegenden Zwang, immer neue Ängste zu erzeugen. Angst und Angsterzeugung wirken heute als irrationale, das Blickfeld der Vernunft einengende Triebkräfte des Rüstungswettlaufes. Während Angst beim Tier Schutzreaktionen auslöst, kann nicht mehr instinktgebundene Angst beim Menschen dazu führen, dass er noch gar nicht existierende Gefahren in seiner Vorstellung vorwegnimmt, um für die Abwehr solcher phantasierter Gefahren seine Vorkehrungen zu treffen. Eine von Ängsten gesteuerte Vorstellungskraft kann schließlich bewirken, dass der Mensch sich in einer irrealen Welt bewegt und die wirklich drohenden Gefahren vernachlässigt. So werden über der Spannung zwischen ‚Ost und West’ die Gefahren, die aus dem Wohlstands-Armutsgefälle entstehen, vernachlässigt, das Gewicht der ökologischen Fragen übersehen. Unsere Situation hat heute Züge einer solchen seelischen Krankheit. Dass dies vor allem junge Menschen spüren, dass sie aus diesem Kreislauf des Unheils ausbrechen wollen, ist nicht nur verständlich, sondern verheißungsvoll und verdient volle Aufmerk79 samkeit.

77 78 79

ibid. BEK, KKL: Bericht vor der Bundessynode in Halle (28. September 1982), S. 102 a. a. O., S. 103

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Der „Absage an Geist und Logik der Abschreckung“ von Halle folgt auf der Bundessynode ein Jahr später in Potsdam ein „Nein zur Praxis der Abschreckung“.80 Ganz konkret wird 1983 vorgeschlagen, „ein Abkommen abzuschließen über das Einfrieren der Erprobung, Herstellung und Stationierung von Kernwaffen und ihrer Trägersysteme auf den gegenwärtigen Stand (Nuclear Freeze)“81. Einen gewaltigen Unterschied zu den Synoden der westdeutschen EKD bildete nicht nur der Inhalt der Synodenbeschlüsse des ostdeutschen BEK, sondern auch die Kontinuität, mit der das Thema Frieden jedes Jahr auf der Tagesordnung der Bundessynoden stand. Dabei haben die Synodalen „nie die außenpolitische Dimension der Friedensfrage aus dem Blick verloren“82. Wie im Westen, so gingen auch in der DDR die einzelnen Landeskirchen mit ihren Beschlüssen oft voran, so etwa die Synode der Kirchenprovinz Sachsen, die schon 1981 den Vorschlag machte, als ersten Schritt einer vertrauensbildenden einseitigen Abrüstung die sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen zurückzuziehen.83 In den letzten Jahren der DDR wird diese pazifistische Position von den Ost-Landeskirchen weiterentwickelt und zum Abschluss der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Dresden 1989 noch vor der Wende auch formuliert. Hier wird erstmals in der friedensethischen Diskussion in Deutschland der Begriff des „Gerechten Friedens“ eingeführt und dadurch betont, dass Gerechtigkeit die Voraussetzung für Frieden ist. Im ersten Ergebnistext der Ökumenischen Versammlung wird das biblisch begründet: „Denn nach biblischem Verständnis schafft 84 Gottes Gerechtigkeit wirklichen Frieden (Röm 5,1 ), und das ist der Grund für die auch die Schöpfung umgreifende Hoffnung (Röm 8,19.2185); sodann bringt menschliche Gerechtigkeit Frieden und verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung hervor. Auch von der Schöpfung her ließe sich das Ganze darstellen: denn der Gesamtzusammenhang von Schöpfung, Erhaltung und Vollendung umfasst auch Gerechtigkeit und Frieden.“86 Daraus folgt eine 80 81 82 83 84 85

86

BEK: Beschluss der Bundessynode in Potsdam (19. September 1983), S. 146 a. a. O., S. 144 Zander 1989, S. 275 vgl. EKPS, Synode: Beschluss zur „Friedensproblematik“ 1981, S. 265 Röm 5,1: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“ Röm 8,19.21: „Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. (…) Denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.“ Ökumenische Versammlung 1989, S. 30

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eindeutige politische Handlungsoption: „Der Rüstungsaufwand in Ost und West ist schon darum unverantwortbar, weil er das Brot der Armen verschlingt.“87 Gerechtigkeit stellt sich nach Meinung der Kirchen in der DDR auch als innergesellschaftliche Aufgabe dar: „Die bedrohte Menschheit als ganze braucht Formen menschlichen Zusammenlebens, die dem gemeinsamen Überleben dienen. Auf der Suche danach sind soziale und ökonomische Modelle nötig, die mehr Gerechtigkeit und zugleich Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger verwirklichen. Um dieser Hoffnung heute näher zu kommen, bedarf auch der in der DDR existierende Sozialismus einer Umgestaltung.“88

87 88

a. a. O., S. 34 a. a. O., S. 37

5 Nach der deutschen Wiedervereinigung 5.1 Die „Orientierungspunkte“ von 1993/94 Anfang der 90er-Jahre musste sich die protestantische Friedensethik neu orientieren, denn die „Friedensdenkschrift“ von 1981 war stark auf den Ost-WestGegensatz zugeschnitten. Der EKD-Text Schritte auf dem Weg des Friedens. Orientierungspunkte für Friedensethik und Friedenspolitik – erstellt 1993 von der Kammer für öffentliche Verantwortung und veröffentlicht 1994 – ist keine umfassende Friedensdenkschrift. Die Orientierungspunkte haben eine situationsbezogene Funktion. In ihnen wurde ein Konsens zwischen den unterschiedlichen Positionen der nun wieder vereinten westlichen und östlichen Landeskirchen zur militärischen Gewalt gefunden. Dabei konnte bei der Friedensdenkschrift von 1981 angeknüpft werden, wo eine umfassende Verantwortung der Kirche für den Frieden postuliert wird: „Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern ist das Gebot, dem jede politische Verantwortung zu folgen hat. Diesem Friedensgebot sind alle politischen Aufgaben zugeordnet. In der Zielrichtung christlicher Ethik liegt nur der Frieden, nicht der Krieg. Das Friedensgebot ruft auf zur Beja1 hung des Lebens auch und gerade in Situationen des Konflikts.“ Die drei wesentlichen Punkte des friedensethischen Konsenses hebt der damalige EKD-Ratsvorsitzende Klaus Engelhardt in seinem Vorwort zu den Orientierungspunkten hervor: 1.

2.

3.

1 2

Die Bewahrung, Wiederherstellung und Förderung des Friedens muss nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation konsequent als eine Aufgabe der Völkergemeinschaft beschrieben und auf eine internationale Ordnung des Friedens unter der Herrschaft des Rechts bezogen werden. Vorrang bei der Erfüllung dieser Aufgabe haben Wege und Mittel, die auf den Einsatz von Gewalt und die Ausübung von Zwang so weit wie möglich verzichten. Darum ist es vordringlich, die Leistungsfähigkeit nicht-militärischer Instrumente zur Bewältigung von Konflikten und zur Sicherung des Friedens zu prüfen und politisch zu nutzen und diese Instrumente zugleich weiterzuentwickeln und zu stärken. Der Einsatz militärischer Gewalt zur Wahrung des Friedens und zur Durchsetzung des Rechts stellt eine äußerste Erwägung und Maßnahme (ultima ratio) dar. Es muss darüber gewacht werden, dass der Grenzfall wirklich Grenzfall bleibt.2

Friedensdenkschrift 1981, S. 50 EKD: Orientierungspunkte 1993/94, S. 4f.

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Nach der deutschen Wiedervereinigung

Die Orientierungspunkte von 1993/94 fordern von der Politik eine Orientierung auf den Frieden hin und ersetzen die „Lehre vom gerechten Krieg“ durch eine „Lehre vom gerechten Frieden“, dessen Voraussetzung der „Aufbau einer Ordnung des Friedens und der Gerechtigkeit“3 ist. Frieden bedeutet hier nicht mehr nur Abwesenheit von Gewalt, sondern eine „rechtlich verfasste internationale Friedensordnung“4. Durch Übernahme des Ziels einer „vorrangigen Option für die Gewaltfreiheit“5 aus der Ökumenischen Versammlung der Kirchen der DDR von 1989 ist die Grundhaltung der EKD zum Frieden so deutlich wie nie zuvor. Als „eindeutiger und unhintergehbarer Ertrag“6 bleibt, dass dieses Ziel Voraussetzungen aller weiterer Diskussionen zur Friedensethik ist. Dennoch wird militärische Gewalt nicht ausgeschlossen: „Dementsprechend sehen wir es nicht als einen grundsätzlichen Widerspruch zu einer christlichen Friedensethik, vielmehr als eine notwendige, wenn auch nicht vorrangige Konkretion an, militärische Mittel zur Wahrung des Friedens und zur Durchsetzung des Rechts bereitzuhalten und notfalls anzuwenden.“7 In einem „Katalog von Bedrohungsszenarien“8 nennt der Text unter anderem verdeckt schwelende Konflikte um die Rechte von Minderheiten, die Bereitschaft zu archaischer Gewaltanwendung, die Domestizierung der Anwendung militärischer Gewalt, die Gefahr der nuklearen Potentiale, die Rüstungsproduktion und die sozialen Ungerechtigkeiten im Nord-Süd- bzw. West-Ost-Wirtschaftsgefälle.9 Das Papier knüpft an die Barmer Theologische Erklärung an und betont, dass der Staat die Aufgabe habe, „unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen“10. Als Voraussetzung für die Anwendung von militärischer Gewalt werden einige Kriterien genannt, die aus der Theorie des gerechten Krieges bekannt sind11 – jedoch nicht in systematischer Weise zur Beurteilung jeder militärischen Gewalt. Ein Teil der Kriterien ist lediglich zur Beurteilung von Humanitären Interventionen angeführt. Zur Verwirrung trägt bei, dass schließlich für den Einsatz militärischer Gewalt die Verhinderung eines größeren Schadens als „alleinige Rechtfertigung“ angeführt wird.12 Obwohl dieser EKD-Text die Kriterien der „Lehre vom 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

EKD: Orientierungspunkte 1993/94, S. 23 a. a. O., S. 26 a. a. O., S. 15 Haspel: Referat in der Ev. Sozialakademie Friedewald (28.-31. August 2003), S. 15 a. a. O., S. 16 Delbrück 2003, S. 169 vgl. EKD: Orientierungspunkte 1993/94, S. 10f. a. a. O., S. 16 vgl. a. a. O., S. 14-18 a. a. O., S. 17

Die „Orientierungspunkte“ von 1993/94

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gerechten Krieg“ anführt, setzt er sich explizit von dieser Lehre ab. Auf die rhetorische Frage, ob die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg wiederbelebt werden solle, gibt der Text die Antwort: „Dies ist keineswegs der Fall.“13 Dieser Lehre sei „aus guten Gründen der Abschied gegeben worden“.14 Die Staatengemeinschaft hatte nach den Erfahrungen zweier Weltkriege die Verantwortung für die Erhaltung des Friedens aus der Kompetenz der souveränen Einzelstaaten herausgelöst und der Organisation der Vereinten Nationen übertragen. In der UN-Charta wird in Artikel 2 (4) die Anwendung von militärischer Gewalt ausdrücklich verboten: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder An15 wendung von Gewalt.“ Als einzige Ausnahme wird in Artikel 51 das als Notwehrrecht ausgestaltete individuelle oder kollektive Selbstverteidigungsrecht anerkannt: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur Selbstverteidigung.“16 Die Charta sieht militärische Sanktionsmaßnahmen gegen Staaten vor, die dieses Gewaltverbot verletzen.17 „Daraus folgt im Hinblick auf den Krieg ein recht rigoroses Regime, eher ein ius contra bellum als ein ius ad bellum.“18 In der EKD-Erklärung Schritte auf dem Weg des Friedens wird diese Rechtsnorm der UN-Charta in gewisser Weise durch die häufige Bezugnahme auf die Lehre vom gerechten Krieg überlagert. Das widerspricht dem Geist der UN-Charta, deren umfassendes Gewaltverbot eine klare Absage an ein ius ad bellum darstellt. Delbrück sieht sogar die Gefahr, dass „die bellum-iustum-Lehre als eine metajuristische Instanz auftritt und damit die positivrechtlichen Schranken des Chartarechts für die Anwendung militärischer Gewalt aushe19 belt“ . Andererseits besteht aber schon in der UN-Charta eine Spannung zwischen dem Ziel der Gewaltvermeidung und dem Menschenrechtsschutz, der in der Formulierung „Achtung vor den Menschenrechten“20 in Art. 1 (3) noch vor dem erst in Art. 2 (4) angeführten Gewaltverbot steht. 13 14 15 16 17 18 19 20

a. a. O., S. 18 a. a. O., S. 19 UN-Charta Kap. I, Art. 2 (4), in: Schätzel 51971, S. 20 UN-Charta Kap. VII, Art. 51, a. a. O., S. 32 vgl. UN-Charta Kap. VII, Art. 42, a. a. O., S. 30 Kreß 1999, S. 3078 Delbrück 2003, S. 170 UN-Charta Kap. I, Art. 1 (3), a. a. O., S. 20

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Dass der Konflikt zwischen diesen beiden Zielen erst Anfang der 90erJahre auch in der aktuellen Politik spürbar wurde, lag am Ende des Ost-WestGegensatzes durch die „Wende“ von 1989. Zuvor scheiterte über 40 Jahre lang eine Intervention der UN in eine der Einflusssphären der beiden Großmächte am Vetorecht von USA und Sowjetunion. Die in der UN-Charta vorgesehene Möglichkeit von militärischen Sanktionen zur Durchsetzung des Menschenrechtsschutzes war nun nicht mehr rein theoretischer Natur. Als große Schwierigkeit sollte sich erweisen, dass „für die Abwägung zwischen dem Prinzip der Gewaltfreiheit und dem Prinzip der Gerechtigkeit … keiner21 lei konkrete Kriterien benannt [werden]“ .

5.2 Die Kundgebung der EKD-Synode von 1993 Als zweites maßgebendes Leitungsorgan neben dem Rat äußerte sich 1993 auch die Synode der EKD. Auf ihrer Tagung im November in Osnabrück verabschiedete sie eine Kundgebung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Friedensverantwortung. Sie stimmt in wesentlichen Punkten mit dem Beitrag des Rates überein, setzt aber „deutlich andere Akzente“22. So wird die Bandbreite der Meinungen unter den Synodalen ausdrücklich betont: Die einen sagen, dass die vorrangige Option für Gewaltfreiheit den Grenzfall des Einsatzes militärischer Gewalt nicht ausschließt. Denn der Schutz der Opfer von Gewalt kann die Präsenz und den Einsatz militärischer Gegengewalt notwendig machen. Die anderen (die „prinzipiellen Pazifisten“) widersprechen dem Einsatz militärischer Mittel unbedingt. Sie machen geltend, dass Gewalt auch als Gegengewalt und im Dienst der Lebensbewahrung Leben zerstört, dass es positive Beispiele für deeskalierende, friedensfördernde militärische Interventionen kaum gibt und dass der Grenzfall – gesteht man ihn erst einmal zu – faktisch zum Normalfall wird.23

Die Kundgebung versucht beide gegensätzlichen Positionen zu berücksichtigen, indem sie betont: „Beide, die vorrangige wie die unbedingte Option für Gewaltfreiheit führen aber zusammen in die tätige Verantwortung dafür, dass... der Grenzfall militärischer Einsätze wirklich Grenzfall bleibt.“24 Bei der Beurteilung der Legitimität militärischer Gewalt greift die Kundgebung mit Bezug auf das Ziel einer internationalen Eingreiftruppe auf den Beg21 22 23 24

Haspel: Referat in der Ev. Sozialakademie Friedewald (28.-31. August 2003), S. 16 Delbrück 2003, S. 170 Kundgebung 1993, in: EKD 2001, S.42 ibid.

Der Kosovo-Krieg von 1999

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riff der ultima ratio aus der bellum-iustum-Lehre zurück: „Nur im Rahmen eines solchen Anliegens, die Anwendung militärischer Gewalt konsequent und umfassend zu monopolisieren und auf den Grenzfall der ultima ratio einzugrenzen, ist die Drohung mit und der Einsatz von militärischer Gewalt ethisch noch vertretbar.“25 Hier setzt sich die Kundgebung der Synode von den Orientierungspunkten des Rates ab, wo es zum Militäreinsatz heißt: „Die ‚vorrangige Option für die Gewaltfreiheit’ ist nicht so zu verstehen, als seien solche Mittel prinzipiell ausgeschlossen.“26 Die Synode fasst die Bedingungen für Gewalt enger.

5.3 Der Kosovo-Krieg von 1999 Der am 24. März 1999 durch Luftangriffe der NATO gegen Jugoslawien begonnene Kosovo-Krieg führte zu intensiven Diskussionen in der EKD und den Landeskirchen.27 Kontrovers behandelt wurden zwei Fragen: Hat die NATO mit ihren nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligten Luftschlägen gegen das Völkerrecht verstoßen? Wurden die Kriterien des gerechten Krieges erfüllt? In den Stellungnahmen kirchlicher Amtsträger zeigte sich Uneinheitlichkeit. Während die Äußerungen unmittelbar nach Kriegsbeginn meist positiv waren28, wurden sie später differenzierender bis ablehnend. Als Beispiel hierfür kann der Berliner Bischof Wolfgang Huber gelten, der im Oktober 1998 in einem Rundfunkinterview im SWR die angekündigten NATO-Luftangriffe „unter Hinweis auf die schwersten Menschenrechtsverletzungen der serbischen Seite an den Kosovo-Albanern sogar gerechtfertigt“29 hat. Auf die Frage, ob er einen Militärschlag befürworte, antwortete Huber: „Ich glaube, dass man ... den äußersten Notfall nicht mehr ausschließen kann, dass um der Abwendung der Gewalt willen dann auch Gewalt nicht nur angedroht werden muss, ... sondern sie dann auch einsetzen muss. Das ist eine bittere Lektion, die wir im verfallenen [sic!] Jugoslawien haben lernen müssen. Dass man aus Gründen, die ich verantwortungspazifistisch nenne, also um Frieden zu erreichen, der so gewaltsam gestört worden ist, dann tatsäch30 lich auch Gewalt anwenden muss.“ In seinem Wort an die Landessynode 25 26 27 28 29 30

a. a. O., S. 46 EKD: Orientierungspunkte 1993/94, S. 16 vgl. Arnold 2001, S. 636; Buchbender & Arnold 2002 Auch Völkerrechtler beurteilten den Angriff nicht nur negativ. Bruno Simma bezeichnet am 24. März 1999 in der SZ (S. 5) das Vorgehen der NATO als „lässliche Sünde“. Arnold 2001, S. 639, Anm. 4 Huber: SWR-Interview am 16. Oktober 1998, zitiert nach KJ 1999.2 (2001), S. 305

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von Berlin-Brandenburg im April 1999 – nach Beginn der Luftschläge – war von dieser Rechtfertigung nichts mehr zu spüren: „Miteinander sind wir aber von tiefem Zweifel daran erfüllt, ob Kriegseinsätze der NATO gegen das, was im Kosovo geschieht, ein geeignetes und vertretbares Mittel sind. Je länger diese Einsätze dauern, desto größer wird auch die Ratlosigkeit.“31 Auch der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock macht in seinen Stellungnahmen eine Entwicklung durch. Im Oktober 1998 schließt er, ebenfalls in einem SWR-Interview, militärische Gewalt nicht aus: „Nachdem diese Bedrohung [sc. durch Atomwaffen] im Moment in den Hintergrund getreten ist, sieht es ja so aus, dass offenbar solche Konflikte wie im Kosovo oder vorher in Bosnien von Ausmaßen sind, dass man doch auch auf so etwas wie eine ultima ratio, sagt man, kommt, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als auch mit militärischen Mitteln zu einer Befriedung wieder zu führen. Ich selber neige auch dazu, dass es, sag ich mal, nicht als letzte, aber als äußerste Möglichkeit eine solche Lösung geben können muss, vor allem, weil die Mög32 lichkeit ihrer Anwendung auch verhandlungsfördernd sein kann.“ Noch in seiner Stellungnahme zum Beginn der Kampfhandlungen äußert er Verständnis für die Luftangriffe: „Nichts zu tun, würde jedoch bedeuten, in anderer Weise schuldig zu werden.“33 Das Argument der unentrinnbaren Schuld benutzt Kock auch in seinem Brief an die Gemeinden der rheinischen Kirche: „Es gibt keine eindeutige Lösung. Die Verstrickung in die Gewalt ist zu tief, als dass jemand saubere Hände oder eine makellose Gesinnung behalten könne.“34 Solche Verweise auf die Schuldverstrickung des Menschen wirken hilflos und rufen Kritik hervor – etwa die Vermutung, dass sie „vornehmlich nur dazu dienen, die eigene kirchliche Ratlosigkeit zu verbrämen“35 Im weiteren Verlauf des Krieges schwenkt Kock auf eine kritischere Haltung gegenüber militärischer Gewalt um. So räumt er in seiner Pfingstbotschaft 1999 ein: „Mittlerweile erkennen jedoch auch anfängliche Befürworter der militärischen Intervention gegen Jugoslawien, dass weder das Ende der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo als ursprüngliches Kriegsziel,

31 32 33 34 35

Huber: Wort des Bischofs. Landessynode am 15. April 1999, in: epd-Doku 19/99, S. 8 Kock: SWR-Interview am 3. Oktober 1998, zitiert nach KJ 1999.2 (2001), S. 297 Kock: Zum Beginn der Kampfhandlungen gegen Jugoslawien (25. März 1999), in: epdDoku 19/99, S. 1 Kock: Brief an die Gemeinden und Kirchenkreise (16. April 1999), in: epd-Doku 19/99, S. 16 Buchbender & Arnold 2002, S. 208

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noch dass Frieden und Versöhnung gewaltsam in kurzer Zeit zu erzwingen sind. Sie können nur das Ergebnis geduldiger Verhandlungen sein.“36 Im Bericht vor der EKD-Synode 1999 in Leipzig sieht Kock die Entwicklung kirchlicher Positionen im Verlauf des Krieges als Spiegel für die Stimmung der gesamten Öffentlichkeit: „In den Tagen unmittelbar vor Beginn der NATOLuftangriffe, also Ende März, standen wir unter dem Eindruck der schrecklichen Gräueltaten, der Nachrichten über Vertreibung, Morde und Massaker, die von serbischer Seite an der kosovo-albanischen Bevölkerung begangen worden waren. (...) In dieser Situation ist einer ganzen Reihe von leitenden Kirchenleuten der Beginn der NATO-Militäraktionen wie eine Befreiung aus ohnmächti37 ger Lähmung vorgekommen.“ Er bedauert, dass Bischöfe trotz ihrer friedensethischen Grundüberzeugung als Kriegsbefürworter wahrgenommen worden seien. Selbstkritisch fügt er hinzu, man habe sich „von den durch die Medien transportierten Argumentationsmustern nicht deutlich genug distanziert“.38 Deutlicher äußert sich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK) zu den kirchlichen Stellungnahmen zu den Luftangriffen der NATO gegen Jugoslawien: „Die ‚Orientierungspunkte’ hatten aber im Verlauf des Kosovo-Krieges 1999 keine orientierende Kraft, nicht einmal für die Verlautbarungen aus dem Raum der evangelischen Kirchen. Die Mehrheit der veröffentlichten Meinung hat die kirchlichen Stellungnahmen geprägt, nicht die Maßstäbe der ‚Orientierungspunkte’“.39 Die EAK wendet sich entschieden gegen die moralisch-emotionale Rechtfertigung von militärischer Gewalt und fordert stattdessen: „Gerade die evangelischen Kirchen müssen aus der Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen heraus an die Brüchigkeit und an den oft betrügerischen Charakter moralischer Rechtfertigung erinnern. Sie müssen sich gegen diese Art von Plausibilisierungsversuchen wehren und jede Form von Kreuzzugsideologie ablehnen. Aufgabe der Kirche ist, das Gebot der Feindesliebe (Mt 5,44)40 zur Geltung zu bringen und jeder Entwürdigung von Menschen entgegenzutreten.“41 In dem Zusammenhang ist es interessant, dass der Kosovo-Krieg in manchen Veröffentlichungen mit dem Begriff des Kreuzzuges in Verbindung gebracht wurde, so etwa von Schirrmacher schon im Titel seines Buches Der westliche Kreuzzug.42 36 37 38 39 40 41 42

Kock: Pfingstbotschaft (23. Mai 1999), in: epd-Doku 23/99, S. 2 Kock: Bericht des Rates der EKD (7. November 1999), in: epd-Doku 48/99, S. 6 ibid. EAK: Stellungnahme zur Friedensverantwortung vom 26. März 2001, S. 1 Mt 5,44: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.“ EAK: a. a. O., S. 1 Schirrmacher 1999, Titel: „Der westliche Kreuzzug“

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Im Kosovo-Krieg zeigte sich auch, dass die Orientierungspunkte keine Orientierung für konkrete Fälle bieten. Die EKD konnte sich nicht auf ein eindeutiges Votum einigen. „Da die positiven Rechtsnormen für die Beurteilung nicht ausreichten und ethische Prinzipien nicht hinreichend expliziert waren, wurde zu moralischen Gefühlen und Stimmungen Zuflucht genommen“, urteilt Haspel.43 Das Kirchenamt der EKD sah sich sogar veranlasst, am 30. April 1999 eine Art Argumentationshilfe herauszugeben – mit dem Titel „Was bei friedensethischen Überlegungen und Äußerungen zum Kosovo-Krieg zur Beachtung empfohlen wird“. Darin wird zwar der friedensethische Konsens nach der Überwindung der Ost-West-Konfrontation gewürdigt44. Gleichzeitig wird aber zur aktuellen Situation betont: „In der evangelischen Kirche gibt es derzeit keine übereinstimmende friedensethische Beurteilung des Kosovo-Krieges.“45 Dies wird aber nicht als Mangel wahrgenommen: „So sehr auch unter Christen einheitliche Antworten auf diese Fragen angestrebt werden, so sehr gilt, dass, wie die gegenwärtige Erfahrung lehrt, Christen auf diese Fragen mit guten Gründen unterschiedliche Antworten geben können.“46 Die EKD-Synode im November 1999 in Leipzig beurteilt das anders und fordert die Erarbeitung einer neuen Friedensdenkschrift.47 Das Kirchenamt der EKD lehnt dieses Ansinnen jedoch ab. Es fürchtet, dass der in den Orientierungspunkten gefundene friedensethische Kompromiss wieder in Frage gestellt würde. Oberkirchenrat Eberhard Martin Pausch, Geschäftsführer der Kammer für Öffentliche Verantwortung, sieht ebenfalls keine Notwendigkeit einer neuen Friedensethik. Er hält den Kosovo-Krieg angesichts der in den Orientierungspunkten von 1993/94 genannten Kriterien für illegitim und kritisiert die zahlreichen kirchlichen Stellungnahmen als „schwankend, unklar, unbestimmt“.48 Auch der Rat lehnt am 11. Dezember 1999 die Ausarbeitung einer neuen Friedensdenkschrift ab. Er beauftragt stattdessen das Kirchenamt zu erläutern, -

43 44 45 46 47 48

warum die vom Rat 1994 unter dem Titel „Schritte auf dem Weg des Friedens“ veröffentlichten „Orientierungspunkte“ auch in der gegenwärtigen Situation eine tragfähige friedensethische Grundlage bilden, warum deshalb kein Auftrag zur Erarbeitung einer neue Friedensdenkschrift gegeben wird,

Haspel 2002, S. 71 Kirchenamt der EKD 30. April 1999, in: epd-Doku 26a/99, S. 8 a. a. O., S. 9 ibid. vgl. KJ 1999.2 (2001), S. 354 Pausch 2001, S. 17

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-

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wie jedoch die derzeit virulenten friedensethischen, friedenspolitischen und völkerrechtlichen Fragen auf andere Weise bereits angegangen werden und in Zukunft verstärkt aufgenommen werden sollen.49

Für eine „Weiterarbeit“ an der neuen Fragestellung spricht sich dagegen der Reformierte Bund aus.50 Auf der 58. Hauptversammlung vom 30. März bis 1. April 2000 in Dresden wird das Moderamen gebeten, insbesondere an folgenden Fragestellungen zu arbeiten: 1.

2.

3. 4. 5.

Welchen theologischen Stellenwert haben die Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Souveränität der Nationalstaaten? Und wie ist die Unterscheidung von polizeilicher und militärischer Gewalt genauer zu fassen? Wie kann die UNO gestärkt werden, das Mandat wirkungsvoller auszuüben, Frieden zu erhalten bzw. Frieden wiederherzustellen in gewalttätigen oder bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen? Welchen Beitrag können Kirche und Theologie bei der Erarbeitung von Strategien zur Krisenprävention und -intervention leisten? Welche Möglichkeiten gibt es, die bestehenden Friedensdienste (...) zu unterstützen und das Konzept eines zivilen Friedensdienstes umzusetzen? Wie könnte eine Friedensethik auf dem Hintergrund der seit 1992 verän51 derten Situation aussehen?

Bedford-Strohm analysiert den Kosovo-Krieg mit den Kriterien des gerechten Krieges und hält ihn diesen zufolge für nicht gerechtfertigt.52 Er argumentiert, dass schon das Kriterium der legitima potestas nicht erfüllt gewesen sei, denn als solche könne nach dem Völkerrecht „nicht die NATO oder irgendein Einzelstaat, sondern allein die UNO, vertreten durch den UNOSicherheitsrat“53 angesehen werden. Auch Pausch hält an den Kriterien der Lehre vom gerechten Krieg fest, handelt sie aber unter der Überschrift „humanitäre Interventionen“ ab.54 Haspel wendet dagegen ein, dass eine „Lehre vom gerechten Frieden“ mehr umfassen müsse als Kriterien der legitimen Anwendung militärischer Gewalt: „Sie müsste eine Theorie der Menschenrechte und der internationalen Gerechtigkeit explizit beinhalten. Dies ist wohl im Rahmen (nicht nur) der EKD-Friedensethik bislang nicht geleistet.“55 49 50 51 52 53 54 55

KJ 1999.2 (2001), S. 354 Anm. 185 vgl. Schaefer 2000, S. 157-159 a. a. O., S. 159 vgl. Bedford-Strohm 2001, S. 215-221 a. a. O., S. 215 vgl. Pausch 2001, S. 23f. Haspel 2002, S. 72

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Einen Schritt in diese Richtung macht Wilfried Härle, Vorsitzender der für die Friedensethik zuständigen Kammer der EKD, wenn er 2002 die Begriffe Frieden und Gerechtigkeit als notwendigerweise zusammengehörig erklärt: „Frieden ohne Gerechtigkeit ist gar kein Frieden, sondern allenfalls Abwesenheit von Krieg.“56 Fragwürdig ist jedoch, dass Härle die NATOLuftangriffe aus großer Höhe mit einer Polizeiaktion gleichsetzt: „Es wurde weder gegen ein Land oder ein Volk Krieg geführt, noch erfolgte der Einsatz von Soldaten und militärischen Mitteln gegen Feinde. Eher handelte es sich um eine Polizeiaktion mit militärischen Mitteln, um verfeindete Parteien auseinander zu halten, gegenseitige Übergriffe und somit Vertreibungen und Massaker zu verhindern.“57 In Wirklichkeit kam es aber erst nach Beginn der Luftangriffe zu Massenvertreibungen. In einer früheren Veröffentlichung zum Golfkrieg 1991 hatte sich Härle gegen den Begriff „gerechter Krieg“ gewandt und stattdessen als Alternative vorgeschlagen: „Theologische und moralische Rechtfertigung der Benutzung militärischer Gewalt“58. Für den Golfkrieg kam Härle zu dem Schluss, dass wegen erheblicher Unsicherheiten in der Beurteilung des Vorgehens der Allianz gegen den Irak von der Kirche weder eine Rechtfertigung noch eine Verurteilung des Krieges gefordert werden hätte können: „Die Kirche hatte diesbezüglich kein Urteil abzugeben, jedenfalls kein kategorisches, allenfalls ein hypothetisches.“59 Vor einer „Remilitarisierung der internationalen Friedenspolitik“ warnt Körtner schon 1999, zwei Jahre vor den Terroranschlägen von 2001. Er kritisiert im Hinblick auf den Kosovo-Krieg den Begriff der „humanitären Intervention“, der nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass es sich „um militärische Aktionen handelt, deren Ziele, nicht aber deren Mittel humanitär sind“60. Als entscheidende Frage in einer Zeit weltweit zunehmender Konflikte nennt der SPD-Politiker Erhard Eppler die folgende: „Wie verhindere ich Gewalt, wie beuge ich ihr vor, und wenn dies nicht gelingt, wie zähme und bändige ich Gewalt, und im äußersten Fall: Wie breche ich Gewalt?“61 Dass jede Reaktion auf die Vorgänge im Kosovo mit Schuld verbunden ist, betont Richter: „Im Kosovo-Konflikt behält niemand saubere Hände – ob wir nun aktiv eingreifen oder passiv zuschauen.“62 Der Politikwissenschaftler Berndt befürchtet, „dass 56 57 58 59 60 61 62

Härle 2002, S. 32 a. a. O., S. 30 Härle 1991, S. 38 a. a. O., S. 46 Körtner 1999, S. 391 Eppler 1999, S. 393 Richter 1999, S. 17

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die Staatenwelt, mit der NATO als Speerspitze, wieder auf dem Weg zum Gesetz des Dschungels ist“63. Er sieht den Begriff des „gerechten Kriegs“ negativ: „Das strategische Konzept der NATO macht das Völkerrecht zum Steinbruch für alle möglichen Interventionsgründe. Es fördert die Rückkehr zum Faustrecht in den internationalen Beziehungen und zum Konzept vom ‚gerechten Krieg’, das mit der Gründung der UNO ein für alle mal gebannt werden sollte.“64 Hier wird die bellum-iustum-Lehre nicht in ihrer Absicht Kriege zu begrenzen gesehen, sondern nur in ihrer falschen Interpretation zur Legitimierung von Gewalt. Gerade die Erfahrungen auf dem Balkan sind für viele Theologen ein Grund dafür, Gewalt doch als erlaubtes Mittel zu betrachten: „Bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen darf eine an das Völkerrecht gebundene Intervention als ‚ultima ratio’ (letztes Mittel) nicht ausgeschlossen werden“, so Lienemann. „Denn eine wirksame und dauerhafte Völkerrechtsordnung braucht das Mittel legaler Sanktionen gegen Rechtsbrecher.“65 Kritisch werden die kirchlichen Stellungnahmen zum Kosovo-Krieg in einigen unierten Landeskirchen gesehen. So beklagt das Forum Friedensethik der Evangelischen Landeskirche in Baden, dass „viele Falschinformationen den Kriegsbeginn und Verlauf in der Öffentlichkeit zu legitimieren versuchten“66. Davon seien auch die kirchlichen Äußerungen beeinflusst worden. Das kritische Potential früherer grundsätzlicher kirchlicher Äußerungen sei in diesem Konflikt „vergessen und nicht als Begrenzung und Bestreitung des Rechts der militärischen Intervention zur Geltung gebracht“67 worden. Gerügt werden vom Forum Friedensethik auch die häufig anzutreffenden Verweise auf das unvermeidliche Schuldigwerden im politischen Handeln: „Der christliche Hinweis ... wurde missbraucht zur einfachen Selbstrechtfertigung der Politik“68. In der Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien im Juli 2001 geht das Forum Friedensethik sogar noch einen Schritt weiter und ruft die Kirchenmitglieder zum aktiven Eingreifen in den politischen Entscheidungsprozess auf: „Unsere Mitchristen in der badischen Landeskirche bitten wir, ihren demokratischen Einfluss geltend zu machen, auf Abgeordnete einzuwirken und in jeder geeigneten Form den in der Bevölkerung vorhandenen Widerstand gegen einen Mazedonieneinsatz der Bundeswehr zu verstärken.“69 63 64 65 66 67 68 69

Berndt 1999, S. 29 ibid. Lienemann 2001, S. 23 EKiBa, Forum Friedensethik: Erklärung zum Kosovo-Krieg vom 7. Juli 2000 ibid. ibid. EKiBa, Forum Friedensethik: Gegen einen Militäreinsatz in Mazedonien (14. Juli 2001)

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Erst 2001 äußert sich der Friedensausschuss der Evangelisch-reformierten Kirche zum Kosovo-Konflikt und bedauert dies auch ausdrücklich: „Im Frühling 1999 haben wir aus Ratlosigkeit geschwiegen. Unser Auftrag ist, nicht zu schweigen, sondern eindeutig zu reden und in der Nachfolge Jesu Christi die Friedensverantwortung der Kirche wahrzunehmen. in diese Verantwortung stellen wir die Ehrfurcht vor dem Schöpfer des Lebens und das Vertrauen auf den Gott des Friedens allen anderen Interessen voran.“70 Als Grund für das Schweigen nennt der Text die für Deutschland ganz neue Situation: „Im April 1999 waren deutsche Soldaten erstmals seit 1945 wieder an einem Kriegseinsatz beteiligt. Sie waren Teil der Streitmacht, die im sogenannten Kosovo-Konflikt Jugoslawien bombardiert hat, um – wie es heißt – eine ‚humanitäre Katastrophe’ – zu verhindern. Die NATO – und mit ihr die Bundeswehr – setzte sich dabei über die Charta der Vereinten Nationen, das Völkerrecht und das Grundgesetz hinweg. Auf diese Situation waren die Kirchen 71 und mit ihnen viele Christinnen und Christen nicht vorbereitet.“ Der Friedensausschuss der Evangelisch-reformierten Kirche nennt hier Gründe, die auch für Schweigen oder Fehleinschätzungen anderer kirchlicher Äußerungen gelten mögen. Die Schuld daran wird auch einer Fehlinformation durch die Politik gegeben: „Die Verantwortlichen in der Politik behaupteten, keine andere Wahl zu haben als militärisch anzugreifen. Der deutschen Bevölkerung wurde die Vorstellung vermittelt, dass der Krieg als letztes Mittel zur Rettung der albanischen Volksgruppe im Kosovo unumgänglich sei. Ein großer Teil der Bevölkerung schloss sich der Auffassung an, Kontrolle und Eingrenzbarkeit der Luftangriffe seien möglich. Einige protestierten, andere schwiegen 72 aus Ratlosigkeit und Entsetzen.“ Dass auch in einer Kirche, in der pazifistische Ansichten eine lange Tradition haben, zu einem Kriegseinsatz geschwiegen wurde, lässt sich mit dem von den Medien gezeichneten undifferenzierten Bild des Konflikts, andererseits aber auch mit der Deklarierung des Militärschlags als „humanitäre Intervention“ erklären. Dass erst die Erfahrungen mit den Folgen einer derartigen Intervention deren Bewertung möglich gemacht hat, sagt der reformierte Text ganz klar aus: „Damals haben uns die Ereignisse überrascht und eine große Verunsicherung hervorgerufen. Heute stellen wir fest, dass durch den Einsatz militärischer Gewalt Menschenrechte verletzt, 73 Lebensgrundlagen zerstört und Konflikte verschärft wurden.“ Angesichts der 70 71 72 73

Friedensausschuss der Evangelisch-reformierten Kirche 2001, S. 1 ibid. ibid. ibid.

Das römisch-katholische „Hirtenwort“ von 2000

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schon vor den Terrorangriffen des 11. September zu erkennenden Neuausrichtung von NATO und Bundeswehr formuliert der Friedensausschuss deshalb als Paradigma für künftige kirchliche Äußerungen: „Zur Friedensverantwortung der Kirche gehört, militärische Gewaltanwendung auch als äußerstes Mittel (ultima ratio) zur Durchsetzung des Rechts abzulehnen. Denn beim Einsatz militärischer Gewalt werden Menschenrechte, die geschützt oder wiederhergestellt werden sollen, zwangsläufig gebrochen. Unrecht wird mit Unrecht, Terror mit Terror bekämpft. Schutz von Menschenrechten durch Krieg ist ein Widerspruch in sich. Krieg ist in jedem Fall Menschenrechtsverletzung und muss als 74 solche geächtet werden.“ Auf ein gutes Resultat der Diskussion um den Bundeswehreinsatz auf dem Balkan weist Walther hin: „Wenn der Prozess der Desillusionierung, der sich gegenwärtig im Zusammenhang mit der Kosovokrise vollzieht, die Folge hat, dass wir uns wieder auf das Gewissen besinnen, dann übt er wenigstens eine positive Wirkung aus.“75

5.4 Das römisch-katholische „Hirtenwort“ von 2000 Im Bereich der römisch-katholischen Kirche beschäftigt sich neben den deutschen Bischöfen mit einem Hirtenwort auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in einem über die Tagesaktualität hinausgehenden Grundsatzpapier mit den Lehren aus den Ereignissen auf dem Balkan. Im Februar 2000 gibt der Ständige Arbeitskreis im Sachbereich 2 „Politische Grundsatzfragen“ mit Zustimmung des ZdK-Präsidiums ein Thesenpapier mit dem Titel Humanitäre Intervention? Rechtsethische Überlegungen heraus. „Alle geschichtliche Erfahrung lehrt, dass in Krisen nur durch grundsatzfestes und entschlossenes Handeln menschliches Leid begrenzt oder besser verhindert werden kann“, heißt es in der Einleitung: „Und die Grundsätze sind rechtzei76 tig und vom akuten Handlungsdruck entlastet zu bestimmen.“ Bei der rechtsethischen Legitimation der Nothilfe benutzt das ZdK eine Argumentationsfigur, die schon Luther77 verwendete: „Persönlich darf man sich durchaus zur Gewaltlosigkeit entscheiden und ungerechtfertigte Gewalt ohne Gegenwehr ertragen. Schwieriger ist schon die Frage zu beantworten, ob man selbst dort ein moralisches Recht auf Gewaltlosigkeit hat, wo sich die Gewalt auf 74 75 76 77

a. a. O., S. 2 Walther 1999, S. 22 ZdK, Generalsekretariat: Thesenpapier (24. Februar 2000), S. 3 s. o. S. 73f.

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Personen richtet, für die man Schutzverantwortung trägt, deutlich etwa für die eigenen Kinder.“78 Unstrittig sei deshalb der Grundsatz: „Wer jemandem beisteht, der sich in Not wehrt, begeht kein Unrecht, sondern eher derjenige, der die Hilfe in Not verweigert. Die soziale Fortsetzung der Notwehr, die Nothilfe, ist eine rechtsmoralisch unstrittige Praxis.“79 Die Nothilfe für Opfer ungerechter Gewalt knüpft das ZdK jedoch an strenge Bedingungen: 1. Der Anlass bzw. Zweck der humanitären Nothilfe muss rechtens sein; 2. die „Antwort“ auf den Anlass muss rechtens sein; 3. Gleiches gilt für die Nothilfeleistenden, den Träger der Intervention; 4. die Art und Weise der Durchführung muss ebenso rechtens sein. Und alle vier Bedingungen sind gleichermaßen zu erfüllen. Kein noch so legitimer Zweck erlaubt ein minder legitimes Mittel. Wer sich in den Dienst von Recht und Gerechtigkeit stellt, erwirkt ohne Zweifel keine Lizenz zum Unrecht. Selbst dem, der gegen Verbrechen wider die Menschlichkeit einschreitet, ist nicht alles erlaubt. Das generelle Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist in jedem Falle zu beachten.80

Bei den Lehren, die aus dem Versuch einer humanitären Antwort auf die Gräuel im Kosovo zu ziehen sind, formuliert das ZdK einen Gedanken, der auch später in der Diskussion um den Irak-Krieg wieder eine Rolle spielen wird: „Man bereite die Zeit danach vor und helfe vor allem beim Aufbau einer Rechtsordnung und einer Bürgergesellschaft mit. Den Aufbau primär wirtschaftlich zu verstehen, wäre nämlich ein ökonomistisches Missverständnis.“81 Den Gedanken der Gewaltvermeidung verfolgt auch das Hirtenwort Gerechter Friede der katholischen deutschen Bischöfe weiter, wenn es dort heißt: „Ein Krieg beginnt nie erst, wenn geschossen wird; er endet nicht, wenn die Waffen schweigen. Wie er längst vor dem ersten Schuss in den Köpfen und Herzen von Menschen begonnen hat, so braucht es lange Zeit, bis der Friede in den Köpfen und Herzen einkehrt.“82 Es bedürfe „des Dialogs, damit der Frieden in die Herzen und Köpfe der Menschen einkehren kann“83. Das Bischofswort ist anders als die Orientierungspunkte ein Gesamtentwurf der Friedenslehre, der das Hirtenwort Gerechtigkeit schafft Frieden von 1983 erneuert. Die bellum-iustum-Lehre war dort ausdrücklich bestätigt worden. Im älteren Hirtenbrief standen der biblische und der sozialethische Teil recht unverbun78 79 80 81 82 83

ZdK, Generalsekretariat: Thesenpapier (24. Februar 2000), S. 5 a. a. O., S. 6 a. a. O., S. 8 a. a. O., S. 24 Deutsche Bischofskonferenz 2000, S. 63 Nothelle-Wildfeuer 2003, S. 189

Das römisch-katholische „Hirtenwort“ von 2000

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den nebeneinander. „Die biblische Friedenslyrik und die harte Atomraketenkasuistik ergänzten sich nicht gerade gegenseitig.“84 Der Text von 2000 vermeidet die Begriffe bellum iustum und gerechter Krieg, doch er steht in deren Tradition, wie auch die meisten neueren Veröffentlichungen von römischkatholischen Theologen. So rechtfertigt Spieker den Kosovo-Krieg mit dieser Lehre: „Der Angriff der Nato auf das Regime Milosevic war ein bellum iustum. Er war ein Einsatz militärischer Mittel zum Schutz einer Minderheit.“85 Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, äußerte sich bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Friedenswortes in diesem Sinne: „Sie können schon am Titel erkennen, dass die Aufgabe heute umfassender gesehen wird als es in der herkömmlichen Friedenslehre der Kirche, die gerne mit dem Begriff ‚Lehre vom Gerechten Krieg’ versehen wurde, der Fall war, wenngleich die ethischen Grundlinien erhalten bleiben.“86 Das Hirtenwort von 2000 begründet den als Leitthema vorgegebenen gerechten Frieden aus der biblischen Friedensbotschaft, entfaltet dann eine sozialethische Struktur des gerechten Friedens und stellt schließlich die Aufgaben der Kirche für die Arbeit am gerechten Frieden dar. Die Friedensarbeit der Kirche siedelt das Hirtenwort im zivilgesellschaftlichen Raum an und „löst sich damit entschieden von der traditionellen Fixierung auf den Staat und die zwischenstaatliche Politik“.87 Die Aufgaben der Kirche sieht die Bischofskonferenz darin, Quelle gerechten Friedens, Kraft der Versöhnung und Anwältin der Gerechtigkeit zu sein. Während der Friedensbegriff der Orientierungspunkte noch „stark auf den Sicherheitsbegriff fokussiert ist“88, gibt das Hirtenwort der „Konfliktnachsorge als Konfliktvorbeugung“89 Raum. Eine angemessene Vergangenheitsbewältigung wird als Voraussetzung für die Friedenssicherung angesehen: „Sich von Schuld der Gewalt befreien zu wollen, ohne der Wahrheit die Ehre zu geben, jeder Versuch, einfach einen Schlussstrich unter das Vergangene zu ziehen, beleidigt die Opfer.“90 Das Bischofswort wird von der Politik positiv aufgenommen. „Es ist schwer, ein Friedenswort zu kommentieren, das keine politischen Feinde hat“91, so der Politologe Andreas Hasenclever bei einem Vortrag in der Ka84 85 86 87 88 89 90 91

Lohfink 2002, S. 53 Spieker 2000, S. 13 Lehmann: Statement bei der PK am 11. Oktober 2000 Stobbe 2001.3, S. 235 Reuter 2001, S. 292 Deutsche Bischofskonferenz 2000, S. 63 a. a. O., S. 68 Hasenclever 2002, S. 47

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tholischen Akademie in Frankfurt am Main. Der Friedensforscher Dieter S. Lutz hebt das neue Paradigma des gerechten Friedens hervor: „Der Wert dieser Studie liegt aber darin, dass sie sich mit besonderem Nachdruck der Gewaltprävention widmet.“92 Von der rot-grünen Regierung, aber auch aus der oppositionellen CDU kommt Lob für die Veröffentlichung.93 Obwohl Hasenclever die Aussagen der Bischöfe „zu Gewaltvermeidung und Gewaltüberwindung in und zwischen Nationen weitestgehend für begründet und überzeugend“94 hält, sieht er das Hauptproblem des Hirtenbriefs darin, „dass die Bischöfe die Verstrickungen der Kirche in die menschliche Leidens- und Unterdrückungsgeschichte nur am Rande und höchst selektiv erwähnen“95. Die Liste der Konflikte, in denen „führende Repräsentanten des römischen Katholizismus offenkundig auf der falschen Seite standen und unschuldige Menschen in Tod und Verzweiflung trieben, … macht deutlich, dass die Kirche, so wie wir sie kennen, salopp gesprochen zwei Naturen hat, die nicht nur unversöhnt nebeneinander stehen, sondern von denen eine, nämlich die dunkle Seite der Kirchengeschichte, verdrängt wird. Genau dieses Verhalten kennzeichnen die deutschen Bischöfe bei anderen zu Recht als Anfang von 96 neuen fatalen Fehltritten.“ Zu einer akademischen Kontroverse führt die Analyse von Beestermöller, der eine Spannung zwischen den beiden ersten Teilen des Hirtenworts, der biblisch-theologischen Grundlegung und der politischen Ethik, konstatiert: „Die beiden Teile führen also auch auf der normativen Ebene zu miteinander in Konflikt stehenden Konsequenzen.“97 Das anfangs aufgezeigte Leitbild des gerechten Friedens fordere ein hohes Maß an Moralität in der Politik: „Die setzt deren Moralfähigkeit voraus.“98 Im ersten Teil werde aber die menschliche Gewalttätigkeit als etwas so Mächtiges gezeichnet, dass sie nur durch die Androhung größerer Gewalt an ihrem Ausbruch gehindert werden könne. „Mit der Anthropologie, die das Dokument im ersten Teil zeichnet, kommt man gewiss nicht über ein krudes realpolitisches Verständnis von Politik hinaus, und ganz sicher nicht zu dem Leitbild des gerechten Friedens, das Gerechter Friede im zweiten Teil hochgemut entwirft.“99 Stobbe sieht das in einer Replik auf 92 93 94 95 96 97 98 99

Lutz 2001, S. 34 vgl. Hasenclever 2002, S. 47 a. a. O., S. 50 a. a. O., S. 51 a. a. O., S. 51f. Beestermöller 2001, S. 184 ibid. ibid.

Das römisch-katholische „Hirtenwort“ von 2000

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Beestermöller anders: „Die Aussageabsicht der Bischöfe läuft mithin eindeutig nicht darauf hinaus, die Allgegenwart der Gewalt in der Welt durch die sündenbedingte Unfähigkeit des Menschen zum Guten zu erklären.“100 Vielmehr komme es ihnen darauf an, „unmissverständlich klarzustellen, dass die Erlösungsbotschaft nur recht verstanden werden kann, wenn sie auf diese bedrückende Wirklichkeit bezogen wird, folglich die Rede von der Gewaltfreiheit keine bloße Randfrage christlicher Lehre und christlichen Lebens betrifft, sondern in deren Zentrum führt.“101 Zusammenfassend lobt Stobbe das Hirtenwort: „Kein lehramtlicher Text hat bislang entschlossener und nachdrücklicher die Gewaltproblematik mit der Botschaft des Evangeliums verknüpft und ihren Zusammenhang in politische Aufgabenstellungen zu übersetzen versucht. Indem es den Geist der Gewaltfreiheit als unabdingbare Grundbedingung christlichen Handelns herausarbeitet, die selbst noch bei der Anwendung von Gewalt respektiert werden muss, überbrückt das Hirtenwort den Gegensatz von christlich motivierter Realpolitik und strengem Pazifismus.“102 Die größten Neuerungen gegenüber dem älteren Bischofswort sind im Abschnitt „Zur Problematik bewaffneter Interventionen“ enthalten. Hier werden die Kriterien der bellum-iustum-Lehre – wenn auch nicht explizit so benannt – auf den Fall der humanitären Interventionen übertragen. Die Pflicht zur Gewaltlosigkeit wird eingeräumt, aber mit einer anderen Pflicht konfrontiert: „Das Ziel, Gewaltanwendung aus der internationalen Politik zu verbannen, kann auch in Zukunft mit der Pflicht kollidieren, Menschen vor fremder Willkür und 103 Gewalt wirksam zu schützen.“ Die Anwendung von Gegengewalt komme „überhaupt nur als ultima ratio in Betracht“104 – wieder ein Begriff aus der bellum-iustum-Lehre. Diese Stelle interpretierend, warnt der katholische Militärbischof Walter Mixa davor, „sich einer legitimierten militärischen Intervention als eines normalen politischen Instruments neben anderen zu bedienen oder sich sogar daran zu gewöhnen“.105 Der Abschnitt zu den bewaffneten Interventionen enthält aber auch deutliche Schwächen. Das UN-Mandat als völkerrechtlich legitimes Mittel der Gewaltanwendung wird vergessen, wenn als „einzige Ausnahme“106 für militärische Gewalt der Fall der Notwehr eines Staates und der Nothilfe durch Dritte 100 101 102 103 104 105 106

Stobbe 2001.6, S. 403 ibid. a. a. O., S. 409 Deutsche Bischofskonferenz 2000, S. 84 ibid. Mixa: Vortrag in der Katholischen Akademie Hamburg am 20. Januar 2001 a. a. O., S. 84

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angeführt wird. Zudem wird der von der NATO gegen Jugoslawien geführte Krieg im Kosovo 1999 fälschlicherweise unter die „UN-Aktionen“ eingereiht.107 Problematisch ist auch der Gewaltbegriff, wie er von den Bischöfen verwendet wird. Bei der Erklärung des Leitbildes des gerechten Friedens wird beklagt, die Welt stecke „auch dann voller Gewalt, wenn es keinen Krieg gibt. Verhältnisse fortdauernder schwerer Ungerechtigkeit sind in sich gewaltgeladen und gewaltträchtig“108. Die daraus resultierende Legitimität jeder Gegengewalt bedeutet eine „Entgrenzung des Gewaltbegriffs“109. Das steht im völligen Gegensatz zu der Intention der Schrift, die der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Franz Kamphaus, bei der Vorstellung des Friedenswortes so formulierte: „Was die deutschen Bischöfe für nötig erachten, ist nicht weniger als ein tiefgreifender Bewusstseinswandel im Geist der Gewaltlosigkeit. Si vis pacem, para pacem.“110

5.5 Die „Zwischenbilanz“ von 2001 Der 1993/1994 in den Orientierungspunkten veröffentlichte protestantische friedenspolitische Ansatz wird von der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung in dem Text Friedensethik in der Bewährung. Eine Zwischenbilanz von 2001 auch angesichts des Kosovo-Krieges als „tragfähig und überzeugend“ angesehen.111 Deshalb knüpft die Zwischenbilanz von 2001 auch an die älteren Veröffentlichungen an. Nach einigen Hinweisen zu Veränderungen in der friedenspolitischen Lage wird im bezeichnenderweise „Unterstreichungen und Verdeutlichungen“112 genannten Kapitel auf die Friedensdenkschrift von 1981 und auf die Orientierungspunkte von 1993/94 Bezug genommen. Anders als die Vorgängertexte betont die Schrift von 2001 aber die Rolle der zivilen Konfliktbearbeitung vor, in und nach Konflikten: „Für den Einsatz militärischer Gewalt werden im aktuellen Konfliktfall kurzfristig hohe Summen aufgewendet, die für die Konfliktvorbeugung, die Maßnahmen der Konfliktschlichtung und die Konfliktnachsorge auch nicht annähernd zur Verfügung stehen.“113 Es werden Gemeinsamkeiten mit der römisch-katholischen Friedensethik herausgestellt: 107 108 109 110 111 112 113

vgl. a. a. O., S. 85 a. a. O., S. 36 Spieker 2001, S. 470 Kamphaus: Statement bei der PK am 11. Oktober 2000 EKD: Zwischenbilanz 2001, S. 66 a. a. O., S. 67 a. a. O., S. 71

Die „Zwischenbilanz“ von 2001

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„... stimmt die Evangelische Kirche in Deutschland ausdrücklich mit dem neuen römisch-katholischen Friedenswort ‚Gerechter Friede’ überein.“114 In der Zwischenbilanz von 2001 werden aber auch Probleme angesprochen, die es Anfang der 90er-Jahre noch nicht in diesem Ausmaß gegeben hat. Grund dafür sind die Erfahrungen mit dem Kosovo-Krieg, für den ja schwere Menschenrechtsverletzungen des Regimes von Slobodan Milosevic gegen die Volksgruppe der Kosovo-Albaner als Rechtfertigung verwendet wurden. Angesprochen wird das Problem der humanitären Intervention, womit das militärische Eingreifen mit dem Ziel der Durchsetzung der Menschenrechte gemeint ist. Die EKD-Kammer stellt hier klar, „dass dieser Begriff in der Gefahr steht, beschönigend zu wirken und politisch missbraucht zu werden. Es sollte klar beim Namen benannt werden, mit welchem Mittel, nämlich der Anwendung bewaff115 neter Gewalt, hier Hilfe geleistet werden soll.“ . Die Zwischenbilanz nimmt auch Bezug auf die Kritik an der Argumentation vom Gebrauch militärischer Gewalt als ultima ratio. Der Text rügt, bei dieser Kritik sei „nicht immer klar zu erkennen, ob die Anwendung militärischer Gewalt generell als ein untaugliches Mittel beurteilt oder ob lediglich eine strengere Fassung der friedensethischen Kriterien, mit der die Entscheidung für die Anwendung militärischer Gewalt wirkungsvoller einzugrenzen ist, angestrebt wird“116. Die uneinheitlichen Beurteilungen des Kosovo-Krieges in der Diskussion in der evangelischen Kirche resultierten nach Ansicht des EKD-Textes von 2001 daraus, dass die in den Orientierungspunkten enthaltenen Kriterien „nicht immer konsequent angewandt und deutlich vernehmbar und [sic!] in die politische Urteilsbildung eingebracht wurden“117. Was stattdessen von kirchlicher Seite zur Beurteilung des Kosovo-Krieg zu sagen wäre, verrät der Text allerdings nicht. Im Ausblick am Ende des Textes kommt ein weiteres Kriterium des ius ad bellum in den Blick, nämlich die vernünftige Aussicht auf Erfolg: „Viele Anzeichen deuten allerdings darauf hin, dass die Veränderung der politischen Verhältnisse heute zu einer Situation geführt hat, in der faktisch der Einsatz militärischer Gewalt durch eingeschränkte Erfolgsaussichten charakterisiert ist.“118 Dies klingt nach einer eindeutigen Absage an militärische Gewalt, weil ein Kriterium des gerechten Krieges nicht erfüllt werden könne. Im übernächsten Absatz wird aber deutlich, dass das keineswegs so gemeint war: „Militärische Fähigkeiten sind auch in Zukunft keineswegs ent114 115 116 117 118

a. a. O., S. 70 a. a. O., S. 75 a. a. O., S. 74 a. a. O., S. 66 a. a. O., S. 90

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behrlich. (...) Im Blick auf die Konfliktherde der Welt gibt es eine Reihe von Beispielen, an denen deutlich wird, dass ohne das Dazwischengehen bewaffneter Gewalt dem Hass, der Zerstörung und dem Morden überhaupt nicht Einhalt geboten werden könnte.“119 Dass die NATO-Angriffe ohne Mandatierung durch den Weltsicherheitsrat erfolgten und die Gefahr der Unterhöhlung geltenden Völkerrechts in sich berge, wird aber nur referierend als Meinung von nicht näher bezeichneten „kritischen Stimmen“120 aufgeführt. Das rügt auch Haspel: „Aber eine konkrete Urteilsbildung hinsichtlich des Krieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien findet nicht statt, geschweige denn eine Systematisierung und Konkretisierung der Kriterien. Vielmehr werden die alten Probleme perpetuiert.“121 Haspel sieht hinsichtlich der Kriteriendiskussion keinen Fortschritt gegenüber 1993/1994 und prophezeit, dass „bei den nächsten Konflikten mit einer ähnlichen Konfusion zu rechnen ist“.122 Als Haspel den Text seines Buches im Juni 2001 abschließt, weiß er noch nicht, dass sich die weltpolitische Lage durch die Terroranschläge des 11. September 2001 in New York und Washington grundlegend ändern sollte. Auch der EKD-Text von 2001 wird vor den Terroranschlägen des 11. September verabschiedet. In seiner Sitzung am 7. und 8. September 2001 gibt der Rat der EKD den Text zur Veröffentlichung frei. Der Ratsvorsitzende Manfred Kock schreibt jedoch am 25. September eine Vorbemerkung, in der er auf die neue Situation eingeht. Er betont, dass der vor dem 11. September verfasste Text auch nach den Terroranschlägen seinen Wert behalte. Zwar sei eine neue friedenspolitische Situation entstanden. „Doch die Gefährdungen des Friedens werden auch in der Zukunft nicht ausschließlich, vielleicht nicht 123 einmal vorrangig, terroristischer Natur sein.“ Weil die Konsequenzen der Ereignisse des 11. September 2001 nicht absehbar seien, hält es Kock „erst recht für geboten, sich zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Zwischenbilanz zu beschränken“124. Diese Einschätzung hielt Kock und andere Kirchenvertreter natürlich nicht davon ab, sich ausführlich zu den Terroranschlägen und den infolgedessen durchgeführten Militäroperationen zu äußern.

119 120 121 122 123 124

a. a. O., S. 91 a. a. O., S. 81 Haspel 2002, S. 74 a. a. O., S. 76 EKD: Zwischenbilanz 2001, S. 61 ibid.

6 Die Anschläge des 11. September 2001 6.1 Reaktionen aus der Politik Am Vormittag des 11. September 2001 werden in den USA Terroranschläge bislang nicht bekannten Ausmaßes verübt. Selbstmordkommandos entführen Passagiermaschinen und steuern sie in die Zwillingstürme des World Trade Centers von New York und in das Pentagon in Washington.1 Über 3000 Menschen sterben. Noch am selben Abend kündigt US-Präsident George W. Bush Maßnahmen gegen die Urheber der Anschläge an. Dabei benutzt er bereits den Ausdruck war against terrorism: „America and our friends and allies join with all those who want peace and security in the world, and we stand together to win the war against terrorism.“2 Bush verbindet seine Kriegsankündigung gleich im nächsten Satz mit religiösen Momenten: „Tonight, I ask for your prayers for all those who grieve, for the children whose worlds have been shattered, for all whose sense of safety and security has been threatened. And I pray they will be comforted by a power greater than any of us, spoken through the ages in Psalm 23.”3 In seiner Radioansprache vom 15. September spricht der Präsident von einem geplanten „comprehensive assault on terrorism”4. Den Verantwortlichen für die Anschläge wirft er vor, einen Krieg zu führen: „Those who make war against the United States have chosen their own destruction.“5 Auch in seiner Rede vor dem Kongress am 20. September wiederholt Bush seine Kriegsankündigung gegen den Terrorismus: „Our war on terror begins with al Qaeda, but it does not end there. It will not end until every terrorist group of global reach has been found, stopped and defeated.”6 Bundeskanzler Gerhard Schröder versichert die USA in seiner Regierungserklärung am 12. September 2001 vor dem Bundestag der vollen Unterstützung Deutschlands: „Ich habe ihm [sc. dem US-Präsidenten Bush] auch die uneingeschränkte – ich betone: die uneingeschränkte – Solidarität Deutschlands zuge1 2 3 4 5 6

vgl. Blätter 46.2001.11, S. 1284f. Bush: Statement by the President in His Address to the Nation, 11. September 2001 ibid., vgl. Ps 23,4: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Bush: Radio Address of the President to the Nation, 15. September 2001 ibid. Bush: Address to a Joint Session of Congress and the American People, 20. September 2001

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Die Anschläge des 11. September 2001

sichert.“7 Die Terroranschläge bezeichnet der Kanzler als „Kriegserklärung gegen die gesamte zivilisierte Welt“8. Auf mögliche Schritte gegen den Terror geht Schröder nur recht allgemein ein: „Wir müssen nun rasch noch wirksamere Maßnahmen ergreifen, um dem Terrorismus weltweit den Nährboden zu entziehen. Es hat zu gelten: Wer Terroristen hilft oder sie schützt, verstößt gegen alle fundamentalen Werte des Zusammenlebens der Völker.“9 Über diese Maßnahmen äußert sich auch der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1368 am 12. September 2001 wenig konkret: „The Security Council (...) expresses its readiness to take all necessary steps to respond to the terrorist attacks of 11 September 2001, and to combat all forms of terrorism, in accordance with its responsibilities under the Charter of the United Nations.”10 In der Resolution 1373 vom 28. September 2001 wird das Recht auf Selbstverteidigung betont: „The Security Council, … reaffirming the inherent right of individual or collective self-defence as recognized by the Charter of the United Nations (…) expresses its determination to take all necessary steps in order to ensure the full implementation of this resolution, in accordance with its responsibilities under the Charter.”11 Völkerrechtler legen die Resolutionen als Autorisierung von Gewaltanwendung gegen Länder aus, von denen die terroristische Bedrohung ausgeht: „Die ausdrückliche Erwähnung des Rechts der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung ... muss aber dahin interpretiert werden, dass der Sicherheitsrat dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechende Verteidigungsmaßnahmen gegen die Urheber der terroristischen Akte für rechtmäßig hält.“12

6.2 Kirchliche Äußerungen im Protestantismus In einer ersten Reaktion auf die Anschläge bringt der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock noch am 11. September 2001 „Fassungslosigkeit und Entsetzen“13 zum Ausdruck. In der kurzen Stellungnahme kommen keine politischen Bewertungen vor. Kock gibt stattdessen dem Gebet als spezifisch christlicher Antwort auf die drängenden Fragen der Stunde großen Raum: „Wir 7 8 9 10 11 12 13

Schröder: Regierungserklärung vom 12. September 2001 ibid. ibid. UN Security Council: Resolution 1368, 12. September 2001 UN Security Council: Resolution 1373, 28. September 2001 Frowein: FAZ Nr. 215 vom 15. September 2001, S. 10 Kock: PM vom 11. September 2001

Kirchliche Äußerungen im Protestantismus

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richten unsere Klage zu Gott, wir beten für die Opfer und ihre Angehörigen. Wir beten um den Frieden. Wir beten für die politisch Verantwortlichen, die in diesen Stunden vor schweren Entscheidungen stehen.“14 Die kirchliche Äußerung besteht hier nicht in politischen Ratschlägen, sondern im Thematisieren des Gebets. In der Kanzelabkündigung, die er in seiner Eigenschaft als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) am 12. September erlässt, geht Manfred Kock einen Schritt weiter als in seiner Äußerung vom Vortag als EKD-Ratsvorsitzender. In der Stellungnahme, die in allen Gottesdiensten der 823 rheinischen Gemeinden verlesen wird, ruft der Präses zum Gebet auf – 15 für Opfer, Angehörige, Rettungskräfte und Politiker. Er bedenkt jedoch auch die Folgen für den interreligiösen Dialog, die aus pauschalen Vorwürfen gegen den Islam erwachsen können: „Untaten wie diese bringen neues Unrecht hervor. Wer auch immer hinter diesen Greueltaten steht, widerstehen Sie allen Versuchen, die allein den Islam als Weltreligion für diese Terroranschläge verantwortlich machen. Gewalttäter, die ihre Taten religiös oder ideologisch begründen, irren. In Wahrheit sind sie den Götzen der Gewalt und des Fanatismus und des Hasses verfallen. Stärken Sie alle Menschen, die sich für Vernunft und Verständigung einsetzen. Suchen Sie das Gespräch, damit 16 die Gräben des Hasses nicht noch tiefer werden.“ Der rheinische Landeskirchenrat Jörn-Erik Gutheil wird einen Tag später im Brief des Düsseldorfer Landeskirchenamtes an die Ausschüsse, Ämter und Einrichtungen der EKiR noch konkreter: „Es besteht die Gefahr, das Bekenntnis zum Islam und einen gewaltbereiten Fundamentalismus im islamischen Umfeld in Eins zu setzen. (...) Als Christen dürfen wir uns nicht davon anstecken lassen, wenn jetzt gedanklich wie sprachlich ‚aufgerüstet’ wird. In allem Erschrecken über das Geschehen in New York und Washington darf auf terroristische Gewalt und Hass nicht mit gleicher Münze zurückgezahlt werden. Unser Auftrag ist es vielmehr, entschlossen dafür einzutreten, dass jeglicher Form des Terrors der Boden entzogen wird. Unsere Werte bleiben 17 Weltoffenheit, Toleranz und Gerechtigkeit.“ Dem Anspruch an eine kirchliche Äußerung, sich für Versöhnung und Völkerverständigung einzusetzen, werden diese Texte der EKiR im besonderen Maße gerecht.

14 15 16 17

ibid. vgl. Kock: Kanzelabkündigung vom 12. September 2001 ibid. Gutheil: Brief vom 13. September 2001

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Dass diese Worte in dieser Situation sehr angemessen sind, zeigen Berichte über Reaktionen in Deutschland auf die Anschläge. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 14. September 2001: „Die Bilder der jubelnden Palästinenser, die in den Straßen tanzten und Süßigkeiten verschenkten, um die Terroranschläge zu feiern, haben weltweit Empörung hervorgerufen. Sie haben auch die Gefühle der Deutschen polarisiert und die latente Fremdenfeindlichkeit hierzulande verstärkt.“18 Nadeem Eliyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, berichtet von Bombendrohungen, Beschimpfungen per Post, Telefon und E-Mail.19 Er distanziert sich deutlich von den Terroranschlägen. „Wer auch immer die Hintermänner dieser blutigen Tat sind“, erklärt er, „beim Islam können sie keine Rechtfertigung für ihre Tat finden.“20 Beim zentralen Gedenkgottesdienst am 14. September in Düsseldorf setzt der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock ein klares Zeichen und nennt Eliyas „einen muslimischen Freund“21. In seiner Predigt sagt Kock: „Wir sind hier, um die Kraft zu bitten, allen Versuchen zu widerstehen, den Islam als Weltreligion für diese Terroranschläge verantwortlich zu machen.“22 Das Fehlen „vieler islamischer Stimmen des Entsetzens“23 in den Medien beklagt dagegen Pfarrer Albert Schäfer für den Leitungskreis des Forums Friedensethik der Evangelischen Landeskirche in Baden und warnt: „Es darf nicht wieder geschehen wie beim Kosovokrieg, dass die Öffentlichkeit mit falschen bzw. übersteigerten Darstellungen manipuliert wird.“24 „Eine Besinnung tut Not im Blick auf das Verhältnis der Religionen“25, meint dazu der württembergische Bischof Gerhard Maier. „Es muss uns als christlichen Kirchen klar sein, dass wir das Stadium der Höflichkeitsdialoge verlassen müssen. Das betrifft neben der jüdischen Religion vor allem den Islam. Zu einem ernsthaften Dialog gehört die Differenzierung. Man muss das Verbindende und ebenso das, was uns trennt, in gleicher Offenheit aussprechen können.“26 Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) betont in ihrer ersten Stellungnahme am 11. September 2001 die Hoffnung, die sich aus dem 18 19 20 21 22 23 24 25 26

SZ Nr. 212 vom 14. September 2001, S. 12 vgl. ibid. ibid. SZ Nr. 213 vom 15. September 2001, S. 10 FAZ Nr. 215 vom 15. September 2001, S. 7 Schäfer: Erklärung für den Leitungskreis des FFE der EKiBa vom 15. September 2001 ibid. Maier: Erklärung auf der Landessynode Württemberg von 22.-25.Oktober 2001 ibid.

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Evangelium ableitet. Oberkirchenrat Hans Helmut Köke, Stellvertreter des Kirchenpräsidenten, schreibt: „Wir erkennen unsere Ohnmacht. Als Christen setzen wir dennoch unsere Hoffnung auf die friedensstiftende Kraft des Evangeliums von Jesus Christus. Christus hat uns mit seinem Leben und Sterben Mut gemacht, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen und ermutigt, für den Frieden in der Welt einzutreten. Wir beten, dass die Saat der Gewalt nicht aufgeht, und die Hoffnung auf Frieden in der Welt nicht zerbricht.“27 Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier spricht nach der Sitzung des Landeskirchenrats der Lippischen Landeskirche am 12. September 2001 von einer „Gewalt, die alle Hemmungen verloren hat, die willkürlich mordet und die Grundlage der Zivilisation bedroht“28. Jede Eskalation von Hass, Gewalt und Gegengewalt sei „der Nährboden für diesen Ungeist“29. Deshalb bittet er „bei allem weiteren Vorgehen um Maß und Vernunft“30. Auf religiöse Begründungen geht Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, in einem Bittgottesdienst für die Attentatsopfer am 13. September 2001 ein: „Wer meint, auch nur ein einziges Menschenleben mit Berufung auf Gott töten zu können, missbraucht Gottes Namen!“31 Gleichzeitig warnt er vor einer Eskalation von Gewalt, die auf Dauer nicht mehr zu steuern sei: „Angesichts der unfassbaren Geschehnisse mag es schwer fallen, besonnene und klare Gedanken zu fassen. Aber es wird notwendig sein, um die Welt bewohnbar zu halten.“32 Auf die Bibel bezieht sich auch der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich, der als Propst von Jerusalem sechs Jahre lang Erfahrungen in einer von Gewalt geprägten Region gemacht hat: „Von der biblischen Botschaft her ist es ganz eindeutig, dass Rache und Vergeltung für den Christen keine tolerierbaren Verhaltenweisen sind. (...) Ich bin der festen Überzeugung, dass es gerade in dieser Situation auch politisch und rational unklug wäre, Vergeltung zu üben. Meine Erfahrung zeigt, dass Vergeltung nur neue Vergeltung und Rache nur neue Rache hervorrufen und damit die Spirale der Gewalt 33 anheizen.“ Im Ökumenischen Gottesdienst am 14. September 2001 in München warnt Landesbischof Friedrich davor, es sich zu einfach zu machen und 27 28 29 30 31 32 33

Köke: PM vom 11. September 2001 Noltensmeier: Stellungnahme vom 12. September 2001 ibid. ibid. Hein: Bittgottesdienst vom 13. September 2001 ibid. Friedrich: epd-Interview am 12. September 2001

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übt damit bereits deutliche Kritik an den Reden von US-Präsident Bush: „Seit Dienstag zerfällt die Welt nicht in ein Reich des Guten und eines des Bösen. Es gibt keine unüberwindbare Scheidelinie zwischen westlicher Welt und islamischer Welt. (...) Der Riss zwischen Gut und Böse geht durch jeden einzelnen Menschen hindurch. Ja, liebe Gemeinde – wir haben ihn alle in uns. Christen. Muslime. Juden. Buddhisten. Gläubige und Ungläubige. Und wir spüren diesen Riss tief in unserem Inneren, weil die eine Stimme in uns lautstark nach Rache und Vergeltung ruft, die andere aber leise zu Vorsicht, Be34 sonnenheit und zur Feindesliebe mahnt.“ In einem Zeitungsbeitrag mahnt Landesbischof Friedrich: „Wir sollten den Dialog verstärken und verhindern, dass in Deutschland eine antiislamische Stimmung aufkommt. (...) Vor dem Islam müssen wir Christen keine Angst haben, aber vor Fundamentalisten.“35 Mit einer sehr ausgewogenen Stellungnahme meldet sich am 22. September 2001 die Synode der Nordelbischen Kirche zu Wort. Sie drückt ihre große Sorge über Stimmen aus, „die der Rache und Vergeltung das Wort reden“36, und richtet einen Appell an die Bundesregierung, „ihren ganzen Einfluss geltend zu machen, dass der Gewalt gegenüber Unschuldigen nicht mit neuer Gewalt begegnet wird, der wiederum viele Unschuldige zum Oper fallen würden“37. Abgelehnt wird von den nordelbischen Synodalen auch die Kategorisierung der Welt durch US-Präsident Bush: „Wer sich hinreißen lässt, diese Welt einzuteilen in Gut und Böse, setzt die Logik der Attentäter fort. Stattdessen gilt es, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen. Nur so kann dem Terror der Boden entzogen werden.“38 Gegen eine Vergeltung und eine uneingeschränkte Solidarität mit den USA wendet sich der Bundesvorsitzende der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK), Christoph Demke: „Dadurch wird der Terror gesteigert werden. (...) Müssen wir das auf uns nehmen, als Zeichen der Solidarität? (...) Die demonstrative Solidarität mit den USA hat einen positiven Sinn nur darin, Amerika zu vergewissern, dass es aus Gründen der Selbstachtung und Weltgeltung einen Vergeltungsschlag 39 nicht nötig hat.“ Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) äußert sich ähnlich: „In der sprach- und hilflosen Wut und Trauer über den Anschlag bitten wir alle, 34 35 36 37 38 39

Friedrich: Predigt am 14. September 2001 Friedrich: SoBl Nr. 38 vom 23. September 2001, S. 7 NEK, Synode: Erklärung vom 22. September 2001 ibid. ibid. Demke: Schreiben an die Mitglieder der EAK vom 17. September 2001, S. 2

Kirchliche Äußerungen im Protestantismus

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die nun politische und militärische Verantwortung tragen, dass sie ihre Reaktionen nicht durch die Suche nach Vergeltung bestimmen lassen, wie es das Wort von der ‚Kriegserklärung’ nahelegt.“40 Weil eine Eskalation der Gewalt nicht im Interesse von Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit sei, bittet die ASF „alle Menschen, denen diese Werte am Herzen liegen, sich bei allem Schmerz und allem berechtigten Zorn für differenzierte und abgewogene Entscheidungen und zivile Reaktionsformen einzusetzen. nur so können wir dem Terror etwas entgegensetzen und dem Frieden dienen.“41 Johannes Triebel, Bayerns Landeskirchlicher Beauftragter für den interreligiösen Dialog und Islamfragen, warnt vor einer pauschalen Verurteilung der Muslime: Es verbiete sich, „dass wir die Muslime bei uns für diesen Terror mitverantwortlich machen.“42 Er spricht sich auch gegen eine vorschnelle Übersetzung von Jihad mit „heiliger Krieg“ aus: „Vielmehr meint Jihad zunächst ‚Einsatz für den Glauben’, der durch eine aufrichtige Glaubensüberzeugung und treuen Gehorsam, durch die Ermutigung zum Guten und die Zurückweisung des Bösen ... seinen Ausdruck findet.“43 Einfach dürfe man es sich mit dem Komplex „Heiliger Krieg“ nicht machen, warnt Horst Hirschler, ehemaliger Landesbischof von Hannover: „Die zumeist eilfertig geäußerte Auffassung, dass es sich hier nur um eine fehlgeleitete Religiosität handle, und dies eine Beleidigung von Millionen friedfertiger Muslime sei, wird dem Problem des Heiligen Krieges’ sowohl im Islam wie auch in der Bibel, im Alten Testament und der Geschichte der Christenheit keineswegs gerecht.“44 Toleranz werde oft falsch verstanden: „Wer aus berechtigter Sorge um ein tolerantes Miteinander der Religionen die problematischen Seiten der Gottesbilder verharmlost, schadet diesem toleranten Miteinander. Tolerare heißt, sich gegenseitig in seiner jeweiligen Andersartigkeit soweit es möglich ist, zu erdulden. Das ist anstrengend.“45 Die evangelische Kirche erwägt aber andererseits eine kritischere Haltung zum Islam. „Die Islambeauftragten unserer Kirche dürfen nicht mehr arglos sein. Sie müssen auch die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stärker nutzen als bisher“46, sagt Rolf Koppe, Auslandsbischof der EKD. Gleichwohl dürfe man 40 41 42 43 44 45 46

ASF: Erklärung vom 12. September 2001 ibid. Triebel: SoBl Nr. 38 vom 23. September 2001, S. 5 ibid. Hirschler 2001, S. 14 ibid. FAZ Nr. 225 vom 27. September 2001, S. 4

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den Islam nicht mit dem Terror identifizieren, denn der Islam sei „im Grunde friedlich“47. Auch Gruppen lose zusammengeschlossener Christen äußern sich zu den Terroranschlägen. Ein Beispiel dafür ist die Erklärung der Teilnehmer am Gottesdienst in der Stephani-Kirche in Bremen am 16. September 2001. Nach dem Ausdruck der Trauer über das Geschehen in den USA wird vor Militärschlägen als Reaktion darauf gewarnt: „Uns erfüllt mit Sorge, dass der Ruf nach Vergeltung laut und lauter wird. Wenn Vergeltungsschläge auch Unschuldige treffen, entsteht neues Unglück, neues Unrecht.“48 Die Suche nach Verbrechern sei legitim, heißt es in der Erklärung: „Wird aber Vergeltung zum Hauptziel erklärt, steht zu befürchten, dass das Ziel der Gerechtigkeit und des Friedens verfehlt wird und statt dessen sich Unrecht und Unfriede ausbreiten. Deshalb warnen wir vor solchen Schritten.“49 Religiöse und feministische Frauen erklären in einem FrauenKirchenManifest zur aktuellen Lage der Welt: „US-Amerikanerinnen sprechen sich ... gegen den Rachefeldzug ihrer Politiker aus. (...) In Israel und Palästina, wie auch im ehemaligen Jugoslawien, haben Frauen über Jahre hinweg bewiesen, dass der gemeinsame Einsatz für ein friedliches Zusammenleben auch über tiefe Gräben und Grenzen hinweg möglich ist.“50 Zu einem interreligiösen Treffen von Christen, Muslimen und Juden kommt es am 21. September 2001 auf Einladung von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin. In der Bewertung des war on terrorism werden dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Religionsführern deutlich.51 Während der EKD-Ratsvorsitzende Kock seine Skepsis gegenüber einem Militärschlag betont, hält der Stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Heinrich Mussinghoff (Aachen), einen „militärisch gestützte[n]“ Kampf gegen den Terrorismus für erlaubt. Nadeem Elyas vom Zentralrat der Muslime äußert die Sorge, es könne durch einen Vergeltungsschlag zu einem „Flächenbrand“ kommen. Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, betont dagegen, die USA hätten bislang besonnen reagiert.

47 48 49 50 51

ibid. Erklärung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Gottesdienst in der Stephani-Kirche in Bremen am 16. September 2001 ibid. Leistner et al.: FrauenKirchenManifest vom November 2001 vgl. SZ Nr. 219 vom 22. September 2001, S. 8

Stellungnahmen aus dem katholischen Bereich

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6.3 Stellungnahmen aus dem katholischen Bereich Der Vorsitzende der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, enthält sich – wie der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock – am Tag der Anschläge jeder politischen Äußerung. „Aus der Tiefe, rufen wir, Herr zu dir“52, zitiert er in einem Schreiben an den Vorsitzenden der Amerikanischen Bischofskonferenz den sechsten Bußpsalm53. Der Kardinal versichert Anteilnahme: „Voller Erschütterung übermitteln Ihnen die deutschen Bischöfe und alle Gläubigen ihre Bestürzung über die verbrecherischen Anschläge auf zivile und politische Gebäude Ihres Landes.“54 Auch Lehmann spricht das Gebet als christliche Reaktion auf die Geschehnisse an: „Unser Schreien und unser Schweigen tragen wir vor Gott. Er segne Sie und alle in diesen Stunden unvorstellbarer Schmerzen. Im Gebet mit Ihnen verbunden, Ihr Karl Kardinal Lehmann.“55 Zum Gebet ruft der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, „alle Menschen guten Willens“56 auf: „Beten wir besonders für die Politiker und Verantwortungsträger um Weisheit und Augenmaß, damit sie diese schwere Krise zum Wohl aller Menschen bewältigen. Bemühen wir uns, in unseren Familien und unserer nächsten Umgebung Gedanken des Friedens und der Besonnenheit zu vermitteln.“57 Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, warnt vor einer Vergeltung: „Vergeltungsschläge, die auf Menschen zielen, die mit dem Terror und seiner Unterstützung nichts zu tun haben, sind Unrecht – gleich von wem sie begangen werden. Rache, Hass, Vergeltung dürfen keinen Platz haben.“58 In einer Pressekonferenz am 20. September 2001 in Freising betont er aber auch die ermutigenden Folgen der Terroranschläge: „Ich weiß, dass in ganz Bayern die Menschen jetzt zusammengerückt sind, dass sie sich neu auf christliche Tugenden besinnen.“59 Wetter nimmt bei seinen Ausführungen über die Reaktionen auf die Terroranschläge eine Differenzierung zwischen Rache- und Strafaktionen vor. Er lehnt Rache und Vergeltung eindeutig ab: „Rache fragt letztlich nicht nach Schuld. Weil sie Unschuldige trifft, setzt sie eine Reihe von gegenseitigen 52 53 54 55 56 57 58 59

Lehmann: Schreiben an die Amerikanische Bischofskonferenz vom 11. September 2001 Ps 130,1 Lehmann: a. a. O. ibid. Erzbistum Köln: PM 9/2001 ibid. Wetter 2001, S. 219 Wetter: PK vom 20. September 2001, S. 2

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Vernichtungsaktionen in Gang. Sie kann nicht zum Frieden führen.“60 Strafaktionen befürwortet der Erzbischof dagegen: Davon zu unterscheiden sind aber Strafaktionen. Sie haben das Ziel, die Täter von weiteren Terrorakten abzuschrecken. Es wäre sicher das geeignetste Mittel, Terroristen zu fassen, vor ein internationales Gericht zu stellen und zu bestrafen. Kann dies aber nicht erreicht werden, so müssen politische und auch militärische Strafaktionen nach ihrer Wirkung mit Sorgfalt auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Es darf auf keinen Fall zu Exzessen kommen. Würden solche Maßnahmen dieses Ziel überschreiten und würden Unschuldige getroffen, würde das nur eine Eskalation provozieren.61

Nicht geklärt wird in Wetters Stellungnahme das Problem, wie sichergestellt werden kann, dass durch die genannten militärischen Strafaktionen keine Unschuldigen getroffen werden. Dadurch würde die Maßnahme ja wieder in Wetters Kategorie der Rache fallen und müsste von ihm abgelehnt werden. Im Gegensatz zu anderen Kirchenführern äußert sich Erzbischof Wetter auch noch zu einer in der politischen Diskussion eher vernachlässigten Frage, nämlich zum Religionsprivileg. Darunter versteht man, dass der Staat bei Vereinen mit religiöser Zielsetzung nicht von der Verfassungsfeindlichkeit ausgeht und diese Vereine daher nicht so streng überwacht werden wie andere. Wetter meint, dass durch die Rede von Religionsprivileg bei vielen Menschen der Eindruck erweckt werde, in unserer Rechtsordnung gebe es aufgrund einer Religionszugehörigkeit bestimmte Vorteile oder Privilegien 62 gegenüber anderen, die keiner Religion angehörten. Nicht nur deshalb, sondern auch aus innenpolitischen Gründen, spricht sich Wetter gegen das Religionsprivileg aus: „Ein solches ‚Privileg’, das Straftaten aus der Verdeckung durch eine Religionsgemeinschaft heraus begründet, ist nicht zu rechtfertigen. In der Einstellung zur Grundordnung unseres Staates kann es in unserem Land für niemanden ein ‚Privileg’ geben, mit Hilfe dessen er sich außerhalb dieser Grundordnung stellen könnte.“63 Das Präsidium der Organisation pax christi beklagt schon wenige Tage nach den Anschlägen den Verlust von Besonnenheit und politische Weitsicht: „Wir beobachten eine Art von Trauer um den Verlust von Sicherheiten und haben Sorge, dass dabei die konkrete Anteilnahme mit den Opfern zu kurz kommt. Es darf nicht sein, dass unsere Sicherheit an Symbolen von Macht 60 61 62 63

a. a. O., S. 4 ibid. vgl. a. a. O., S. 5 ibid.

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und Geld festgemacht wird und Angst in Gewaltbereitschaft umschlägt.“64 Bedauert wird in der Erklärung auch, dass die Bekämpfung des Terrorismus die Frage nach dessen Ursachen weitgehend ausklammert: „Wo aber die Überwindung von sozialen Ungerechtigkeiten, Verelendung und Armut nicht gelingt, können die dadurch erlebten Demütigungen und Ausgrenzungen zur Begründung terroristischer Handlungen missbraucht werden.“65 Dem oft zu hörenden Ruf nach Vergeltung zu widerstehen ist nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Reinhard Marx, die vordringliche politische Aufgabe in den Tagen nach den Terroranschlägen: „Ein Handeln aus dem Bedürfnis nach Rache ist weder moralisch akzeptabel noch Ausdruck politischer Klugheit. Es widerspricht sowohl den im Rahmen der UNO festgelegten völkerrechtlichen Normen als auch den Prinzipien christlicher Moral und läuft Gefahr, den eingetretenen Schaden 66 nur zu vergrößern.“ In diesem Zusammenhang empfiehlt Marx, auf die Sprache zu achten: „Die mittlerweile in Politik und Medien gängige Rede von ‚Krieg’, ‚Feldzug’, ja gar ‚Kreuzzug’, die es zu führen gelte, bildet eine unverantwortliche und verfälschende Verzerrung.“67 Um den internationalen Terror zu bekämpfen, empfiehlt Justitia et Pax politische Schritte: „Zu ihnen gehört eine Bekämpfung der organisierten Kriminalität, besonders dort, wo sie mit Terrorismus in Verbindung steht. Von nicht geringerer Bedeutung ist das langfristige Bemühen um eine durchgreifende Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen in den ärmeren muslimisch geprägten Ländern. Armut und Elend führen leicht zu Entwurzelung und Perspektivlosigkeit und verstärken oftmals die Anziehungskräfte des 68 Terrorismus gerade auf junge Menschen.“ Unter das Motto „Interreligiöser Dialog als Same des Friedens“ hat der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Giovanni Lajolo, seine Rede beim Foundation Dinner des Internationalen Clubs Berlin am 1. Dezember 2001 in Berlin gestellt: „Es ist notwendig, zu unterscheiden zwischen der großen Mehrheit der Gläubigen der einzelnen Religionen, die gewöhnlich normale, gottergebene und friedliebende Menschen sind, und den im Vergleich zu ihr wenigen – aber leider nicht nur vereinzelten – Fanatikern, die einige Aussagen ihres Glaubens aus ihrem Kontext herauslösen, nicht in grö-

64 65 66 67 68

pax christi: Erklärung des Präsidiums vom 17. September 2001 ibid. Marx: PM vom 19. September 2001 ibid. ibid.

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ßeren historischen Zusammenhängen sehen und sie nicht entsprechend in das heutige Leben übertragen.“69 Besorgnis über die moslemfeindlichen Reaktionen in Deutschland drückt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, in einem Brief an den Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, aus: „Es darf jetzt nicht zu einer pauschalen Verurteilung muslimischer und arabischer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland kommen.“70 Statt Gräben des Hasses auszuheben, sei von allen Seiten Besonnenheit und Dialogbereitschaft erforderlich, mahnt Meyer. Dabei dürfe die Grenzziehung „nicht zwischen den drei monotheistischen Religionen verlaufen, sondern zwischen dem Respekt vor der unbedingten Würde des menschlichen Lebens und einem politisch motivierten Fundamentalismus, der sich der Religion bediene“71.

6.4 Stimmen aus der Theologie „Mit Waffengewalt ist nichts zu wagen“, möchte der Neutestamentler Klaus Berger dem US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush sagen. „Das ist einfach der Kern des ganzen Neuen Testaments und auch der ganzen Religionsgeschichte, aus der es kommt.“72 Den Begriff der Apokalypse für die Anschläge in New York und Washington möchte er allerdings relativieren: „Ich war mir aber dabei darüber im Klaren, dass nach christlichem Verständnis Apokalypse etwas ist, das die Schrecken hinter sich lässt, und dass nach dem Schrecken das große Freudenmahl gefeiert wird, die große Hochzeit, das himmlische Jerusalem, also eine menschenfreundliche Großstadt. Das ist eigentlich der Ausgang der Apokalypse für Christen, nicht der Schrecken.“73 Auf die Bedeutung der Gerechtigkeit für den Frieden geht Dorothee Sölle in einem „Zwischenruf“ zu den Ereignissen des 11. September 2001 ein: „Aufstehen für den Frieden heißt heute Aufstehen für die Gerechtigkeit, die die Grundbedingung für Frieden ist. Die Globalisierung von oben ist ein barbarisches System der Verelendung der Mehrheit der Menschen und der Zerstörung der Erde. Wir brauchen eine andere wirtschaftliche Globalisierung. Von unten.

69 70 71 72 73

Lajolo: Tischrede am 1. Dezember 2001 ZdK: PM vom 19. September 2001 ibid. Berger: Interview mit Hanno Gerwin am 25. September 2001, S. 3 a. a. O., S. 1

Stimmen aus der Theologie

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Im Interesse der Erde, im Interesse der Ärmsten.“74 Sölle kritisiert Bundeskanzler Schröders Ausspruch von der „Kriegserklärung gegen die gesamte zivilisierte Welt“75: „Aber ist es möglich die Reichen mit dem steinernen Herzen als ‚zivilisiert’ und die Verelendeten als ‚unzivilisiert’ zu bezeichnen? (...) Unser fleischernes Herz weiß doch, zumindest manchmal, wie es um die verelendete Welt steht. Und wir ahnen vielleicht, was angesichts dieser barbarischen Katastrophe verlangt wird. Es ist nicht militärische Vergeltung, sondern eine Kurskorrektur unserer Lebensweise, ein Überprüfen der Werte, die unser Handeln bestimmen, ein Eingeständnis eigener Schuld am Leiden, am Elend, an der Demütigung derer, die in uns ihre Feinde sehen.“76 Dass das Motiv der Gerechtigkeit auch falsch eingesetzt werden kann, verdeutlicht der katholische Theologe Heinrich Beck, indem er vor einem oft in Anspruch genommenen „Menschenrecht auf Selbstverteidigung“ warnt: „‚Selbstverteidigung’ ist dem Begriff nach nämlich keineswegs identisch mit ‚Vergeltung’. Denn diese nimmt als Motiv die ‚Gerechtigkeit’, genauer: eine ‚Strafgerechtigkeit’ für sich in Anspruch, indem sie dem Verursacher eines Übels das gleiche Maß an Übeln zufügt (‚Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn’) – wobei aber die Gefahr besteht, (…) dass das ‚gerechte Maß’ überschritten und eine Spirale weiterer Vergeltungsakte und gegenseitiger Verletzungen ausge77 löst wird.“ Gegen die immer wieder zu lesende Gleichsetzung des Begriffs Dschihad mit einem „Heiligen Krieg“ wehrt sich – ebenso wie Johannes Triebel von der bayerischen Landeskirche78 – der Islamforscher Udo Tworuschka: „Der Wortstamm g-h-d verweist auf einen entschlossenen, geistigen, gesellschaftlichen Einsatz. (…) Dschihad bedeutet weder ‚Krieg führen noch ‚töten’.“79 Die Aufrufe von Osama Bin Laden zum globalen „Heiligen Krieg“ stehe in der Tradition extremer „islamistischer Bewegungen“ der Vergangenheit: „Es ist an der Zeit, dass islamische Persönlichkeiten unter Hinweis auf den Koran noch viel eindrücklicher als bisher Bin Laden und seine Gefolgsleute als unislamische Terrorgruppe anprangern und auch maßgebliche islamische Kreise über die Tagespolitik hinaus von dieser Einschätzung überzeugen.“80

74 75 76 77 78 79 80

Sölle 2001, S. 7 s. o. S. 11 Sölle 2001, S. 6 Beck 2002, S. 64 s. o. S. 12 Tworuschka 2001, S. 22 a. a. O., S. 23

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Vor einer „Dschihad-Falle“ warnt Bernard Haykel in einem Zeitungsbeitrag schon am 25. September 2001 und fordert eine neue Außenpolitik: „So könnte man bin Laden in der Gemeinschaft der Moslems isolieren und den gemäßigten Moslems wieder zu einem Platz auf der Mitte der Bühne verhelfen.“81 In der Folge der Terroranschläge haben Zukunftsprognosen Hochkonjunktur. Auch der Zukunftsforscher Matthias Horx entwickelt Szenarien, wie sich die Welt in Folge des war on terror verändern könnte. Er nennt vier Möglichkeiten: Djihad Age, Globalisierung Plus, Die Große Separation und Security Age.82 Wie sich die Kirchen an diese Entwicklungen anpassen könnten, hat Gereon Vogel-Sedlmayr dargestellt: Er spricht – je nach Richtung der Entwicklung – von „Bekenntnissituation“, „Kristallisationszentren für soziale Wärme“, „Vertiefung der christlichen Sozialethik“ oder „ökologischen Nischen für die Opfer“.83 Vor anderen Herausforderungen sieht Jürgen Moltmann die Christen: „Was seit dem 11. September über uns gekommen ist, ist die terroristische Reaktion eines radikalen Flügels des islamistischen Fundamentalismus gegen die Grundvoraussetzungen der modernen Welt, gegen ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften in einer gemeinsamen Zivilgesellschaft.“84 Er nennt drei Grundbedingungen, die Religionsgemeinschaften in der modernen Welt anerkennen müssten: „Die Trennung von Kirche und Staat oder von Religionsgemeinschaft und Zivilgesellschaft, die Anerkennung der individuellen Religionsfreiheit und die Anerkennung der Würde und der Menschenrechte der Frau.“85 Der moderne Islam habe dies akzeptiert. Dagegen stelle der islamische Fundamentalismus eine gewaltsame Reaktion gegen die drei Grundbedingungen der modernen Welt dar. Auf jeden Fall sei das „ungeklärte Verhältnis von Religion zur Gesellschaft als Gesprächsthema erster Ordnung“86 nach Deutschland zurückgekehrt, so Michael Naumann in der Zeit. Dass der von Politikern befürchtete Antiislamismus nach den Terroranschlägen nicht ausbrach, liege daran, dass „die Bürger ihrer eigenen Religion mehrheitlich indifferent gegenüberstehen“.87 Jan Ross tritt in derselben Ausgabe der Vorstellung eines fanatisierten Islam in Deutschland entgegen: „Am Ende bleibt aber doch der Eindruck, dass sich 81 82 83 84 85 86 87

Haykel: SZ vom 25. September 2001, S. 17 vgl. Horx 2001 vgl. Vogel-Sedlmayr 2002, S. 166f. Moltmann 2001, S. 43 ibid. Naumann: Die Zeit vom 19. Dezember 2001, S. 1 ibid.

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junge Muslime hierzulande in der Regel nicht viel mehr für Religion interessieren als Jugendliche sonst und dass sich in den Moscheen – ebenso wie in den Kirchen – die alten Leute versammeln. Die Grundströmung ist nicht Islamisierung, sondern Säkularisierung.“88 Der Wiener Theologe Ulrich H.J. Körtner hält Äußerungen von Christen wie z. B. von Auslandsbischof Koppe89 über das wahre Wesen des Islam jedoch für gefährlich: „Doch bergen gerade solche wohlmeinenden Versuche in sich neues Konfliktpotential, weil sie nicht gegen die Überheblichkeit gefeit sind, eine fremde Religion besser verstehen zu wollen als diese sich selbst versteht.“90

6.5 Spätere Bewertungen Der Lutherische Weltbund erinnert am ersten Jahrestag des Anschlags, am 11. September 2002, an die Ursachen der Gewalt: „Die Wurzeln weltweiter Unsicherheit liegen nicht im Fehlen wirtschaftlicher und militärischer Macht, sondern in nicht überwundenem Hass, unbeachteter Entfremdung und wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten. Die Anstrengungen, den Terrorismus zu bekämpfen, können keinen Erfolg haben, noch nicht einmal innerhalb ihres eigenen selbstbeschränkten Zielbereichs, wenn dieser Hass nicht verwandelt, die Entfremdung nicht überwunden und keine Fortschritte hin 91 zu wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit gemacht werden.“ Eine „Allianz unter dem Regenbogen der drei Schwesterreligionen Judentum, Christentum und Islam“92 soll nach den Worten des Braunschweiger Landesbischofs Friedrich Weber den Allianzen des Terrors eine Allianz für den Frieden gegenüberstellen. Die gemeinsame Tradition der drei monotheistischen Religionen sei so reich, dass es möglich sein müsse, eine Allianz zu gründen, „die die Verschiedenheit der Religionen nicht verleugnet und dennoch Perspektiven des Miteinanders ermöglicht“93. Weber hat das Bild es Regenbogens gewählt, denn man erkenne „hinter den vielen verschiedenen Farben des Regenbogens das eine Licht der Sonne, das die Farben hervor-

88 89 90 91 92 93

Ross: Die Zeit vom 19. Dezember 2001, S. 4 s. o. S. 123 Körtner 2003, S. 121 Lutherischer Weltbund: Erklärung des Rates am 11. September 2002 Weber: Gedenkgottesdienst am 11. September 2002 in Braunschweig ibid.

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bringt und ihnen ihre Existenzberechtigung gibt, ohne sie zu vermischen in einen braunen Farbbrei“94. Von der Gefahr, dass alle Religionen den Frieden wollen und der Friede dabei zerbricht, spricht Klaus Nagorni in seiner Predigt im christlichjüdischen Gottesdienst in Bad Herrenalb am 25. November 2001: „Auch die großen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam verweisen immer wieder auf ihre Friedensverkündigung. Und sind doch verstrickt in vielerlei Konflikte – in Jerusalem wie in Belfast oder in Sarajewo.“95 Er verweist auf die Vorstellung des Neuen Testaments, dass sich die messianische Erwartung nicht in einem machtvollen Sieg des Guten über das Böse erfüllt: „Nicht im Aufeinanderprallen zweier Welten. Sondern in einer sensiblen Neuordnung der Welt. Das, was da ist, ist nicht schlechthin zu verwerfen. Sondern aus seiner Zweckentfremdung in einen neuen, sinnvollen Gebrauch zu nehmen, aus seiner ‚Verrücktheit’ in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.“96 Mit der Bedeutung der Religionen für die Anschläge des 11. September beschäftigt sich die Kammer der EKD für Entwicklung und Umwelt in einer ein Jahr nach den Terrorakten veröffentlichten Studie zu gewaltsamen Konflikten. „Die aktuelle Bedeutung von Religion und von Religionsgemeinschaften in diesen Auseinandersetzungen ist auch bei jenen bewusst geworden, die den Faktor Religion bislang unterschätzt haben“97, stellt die Studie fest. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Religionen per se weder Ursache für Gewalt noch friedensstiftend sind: „Religiöse Identität kann bei der Gruppenbildung von Konfliktparteien eine wichtige Rolle spielen, Religion kann zur Legitimierung von Gewalthandlungen missbraucht werden. Aber ebenso können Religionen und Religionsgemeinschaften ein wichtiges Potential zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens und zur Versöhnung entfalten. Ob Religionsführer in Konfliktsituationen sich für versöhnendes und friedensstiftendes Handeln einsetzen, oder ob sie selbst zur Konfliktpartei werden, ist auch eine Herausforderung für den ökumenischen und den interreligiösen Dialog 98 der Partnerkirchen in Nachbarländern, in Europa und Amerika.“ In diesem Sinne äußert sich auch Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen: „Applying the criteria of their own quest for unity, Christians respect the other religions. They know that the ‚New Law’ of the spirit of charity encourages acceptance and does not 94 95 96 97 98

ibid. Nagorni: Predigt am 25. November 2001, S. 1 a. a. O., S. 2f. EKD, Kammer für Entwicklung und Umwelt: Studie vom 30. September 2002, S. 4 a. a. O., S. 32

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exclude legitimate diversity. They know that they have in common with the other religions the weapon of prayer to implore peace.“99 Beim ökumenischen Gedenkgottesdienst im Mainzer Dom am ersten Jahrestag der Anschläge kommen auch die Vertreter von Islam und Judentum zu Wort. Nadeem Elyas, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, fordert, Lehren aus der Katastrophe zu ziehen: „Keine Religion ist vor Missbrauch gefeit. Hass und Fanatismus vermögen aus jeder edlen Lehre eine vernichtende Waffe zu gestalten. Schuld sind die Vorurteile und die Verallgemeinerungen, die manchen die blinde Zerstörung als gerechte Handlung erscheinen lassen. Schuld sind nicht die Religionen und die Lehren, sie sind vielmehr Opfer. Schuld ist die Erziehung zum Hass und Fanatismus. Schuld sind die Ungerechtigkeiten auf der Erde, die den Boden für 100 Terrorismus und Gewalt bereiten.“ Elyas bringt den auch im christlichen Diskurs aufgenommenen Aspekt der fehlenden Gerechtigkeit ein: „Schuld sind aber auch die von der Ersten Welt hingenommene und zum Teil verursachte Unterdrückung vieler Völker, ihre politische Entmündigung und wirtschaftliche Verelendung.“101 Im Grußwort von Paul Spiegel, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, wird die Ursache des Terrors im Hass von islamischen Fundamentalisten gegen den Westen gesehen. Kritisiert wird, man habe sich der Illusion hingegeben, das Problem im Nahen Osten lokal eingrenzen können. „Diese gefährliche Illusion ist mit dem 11. September zerborsten. Die Erfahrungen dieses Tages haben unseren Blick für die Dimension der Gefahr geschärft, die uns von Seiten eines zum Äußersten entschlossenen Fundamenta102 lismus droht.“ Betont wird von Spiegel, dass Israel, die USA und der ganze Westen Zielscheibe des islamistischen Terrors sei: „Sein aus Arroganz und Minderwertigkeitsgefühlen gemischter Hass wendet sich ja mit seiner Brutalität nicht nur gegen Amerika oder Israel, sondern gegen alles, was westlich ist.“103 Im Gegensatz zu dieser klaren Abgrenzung der beiden Seiten im laufenden Konflikt steht Spiegels versöhnliches Ende seiner Rede: „Damit der Unfriede, der ja idealer Nährboden für Hass und Fanatismus ist, überwunden werden kann, braucht es mehr als Panzer und Raketen. Es braucht die Bereit99 Kasper: Erklärung vom 7. Januar 2002 100 Elyas: Ansprache beim Ökumenischen Gottesdienst am 11. September 2002 in Mainz, in: epd-Doku 40/02, S. 9f. 101 ibid. 102 Spiegel: Grußwort beim Ökumenischen Gottesdienst am 11. September 2002 in Mainz, in: epd-Doku 40/02, S. 11 103 ibid.

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schaft zwischen den Menschen, zwischen Völkern und Kulturen, aufeinander zuzugehen, miteinander – wie bei dieser Konferenz – ins Gespräch zu kommen und im Anderen nicht nur den Fremden, sondern auch den Mitmenschen zu erkennen.“104 Die Verantwortung der Religionen für den Frieden auf der Welt betont der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, in seiner Predigt beim ökumenischen Gedenkgottesdienst im Mainzer Dom am 11. September 2002: „Solche furchtbaren Ereignisse führen uns vor die Majestät Gottes und zwingen uns dazu, für den Frieden unter den Religionen einzutreten. Denn ohne diesen Frieden der Religionen wird es keinen Frieden auf der Welt geben. (...) Der 11. September zeigt, dass die Aufgabe der theologischen Religionskritik nicht nur die Christenheit betrifft. Niemand darf mehr zu Kreuzzügen aufrufen, aber niemand sollte auch mehr sagen dürfen, dass Israel aus religiösen Gründen ausgelöscht werden müsste, und dass der Kampf gegen die israelische Regierung ein heiliger Krieg genannt werden dürfte. In keinem Land der Welt darf es aus religiösen Grün105 den eine neue Apartheid geben.“ Über das Problem, dass viele Menschen den religiösen Wahn Einzelner mit den Religionen insgesamt gleichsetzen, macht sich der Mainzer Bischof Karl Lehmann Gedanken: „Aber nicht bei wenigen Menschen kommt auch der Verdacht hoch, solche Gewalttätigkeiten wären am Ende und insgesamt ein Ausbruch und ein Ausdruck eines religiösen Wahns, den die Religionen ohnehin immer über die Menschheit gebracht hätten. Es wäre nun höchste Zeit, dass mit der Religion eben auch der religiöse Wahn ausstirbt und ver106 schwindet.“ Die Christen wüssten um „verhängnisvolle Verstrickungen in das Böse und um Schuld oder wenigstens Mitschuld, die daraus erwachsen sind“, räumt der Kardinal ein und nennt als Beispiele Zwangsmissionen, erzwungene Taufen und die Kreuzzüge.107 Was Christen aktiv tun können, zählt er im Ökumenischen Gottesdienst ein Jahr nach den Terroranschlägen auf: „Es geht also nicht bloß um das geduldige Erleiden, sondern um das aktive Tun des Guten. Dieses äußert sich im Vermeiden von Rache und im Dienst am Frieden, zu dem auch die schon seit Jahrzehnten geforderte Revision einer Welthandelsordnung und eine Befriedung des Nahen Orients und seiner Konflikte gehören. Wir sollen die Gerechtigkeit in Gottes Hand legen. 104 ibid. 105 Steinacker: Predigt im Ökumenischen Gottesdienst am 11. September 2002 in Mainz, in: epd-Doku 40/02, S. 6 106 Lehmann: Bistumszeitung Glaube und Leben (Oktober 2001) 107 ibid.

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Das Gute setzt sich am Ende durch, jetzt aber sind wir gefordert, Unrecht nicht mit Unrecht zu vergelten, wie die Weisheitsliteratur mit der ganzen Bibel immer wieder fordert.“108 Den Gedanken der Gerechtigkeit nimmt der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock auf. Ein Jahr nach den Anschlägen schlägt er eine „Anti-ArmutsKoalition“109 vor. Den Dialog von Christen und Moslems nach den Terrorakten beurteilt Kock positiv: „Gut sind die vielen nachbarschaftlichen Begegnungen. Dabei lernen auch wir Christen, wieder mehr von unserem Glauben zu entdecken: das ist wichtig für einen ehrlichen Dialog. In der Islamischen Charta, veröffentlicht vom Zentralrat der Muslime, gibt es Ansätze, an die sich positiv anknüpfen lässt. Die Frage bleibt natürlich, ob das Bekenntnis der Charta zum Grundgesetz und zu den Menschenrechten nur aus der Minderheitenposition heraus zu verstehen ist oder ob es grundsätzlichen Charakter hat. Hier müssen wir deutlicher fragen, als wir es in der Vergangenheit getan haben. Da muss noch von Seiten der islamischen Verbände Klarheit 110 geschaffen werden.“ Nicht nur von christlichen Kirchen, sondern auch von Politikern werden muslimische Vereinigungen in Deutschland gedrängt, sich vom fundamentalistischen Terror zu distanzieren. Davon, dass die gewünschten Statements von Muslimen kamen, war selten zu lesen. Dass dies nicht am guten Willen, sondern an strukturellen Problemen liegen mag, vermutet Johannes Triebel, Landeskirchlicher Beauftragter für den interreligiösen Dialog und Islamfragen in Bayern: „Viele entsprechende Äußerungen wurden von den Medien wenig oder gar nicht wahrgenommen. Andere Verlautbarungen schienen nicht deutlich genug zu sein. Diese Beobachtung verdeutlicht wieder einmal die Tatsache, dass es im Islam keine zentrale Stelle gibt, die für alle Muslime sprechen könnte. Lokale, wenig spektakulär vorgebrachte Erklärungen gehen 111 dann leicht im (publizistischen) Alltagsgeschäft unter.“ Eine Beobachtung, die in schwächerem Maße auch auf die evangelische Kirche zutrifft. „Wirtschaftsegoismus, politisches Machtstreben, schwerste Verdächtigungen der einander gegenüberstehenden Lebensgewohnheiten und Kulturen“112 nennt der katholische Militärbischof Walter Mixa als Ursachen für die gegenwärtige Lage. Er erinnert an die Überwindung der Spannungen des Kal108 Lehmann: Predigt im Ökumenischen Gottesdienst am 11. September 2002 in Mainz, in: epd-Doku 40/02, S. 7f. 109 Kock: Die Welt vom 31. Oktober 2002, S. 4 110 ibid. 111 Triebel 2002, S. 279 112 Mixa 2002, S. 211

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Die Anschläge des 11. September 2001

ten Krieges: „Wie das Konzept der Entspannung im Ost-West-Konflikt mit dazu beitrug, die scheinbar ausweglose Situation der akuten nuklearen Bedrohung einer atomaren Hochrüstung auf beiden Seiten zu überwinden, so könnte u. a. analog dazu unter dem Oberbegriff ‚umfassende Gewaltprävention’ ein ähnlicher Ausweg aus den kriegerischen Konstellationen der Gegenwart gefunden werden.“113 Einen neuen Aspekt des Weges zum Frieden bringt Michael L. Fitzgerald, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, zur Sprache. In seiner Botschaft zum Ende des Ramadan 2002 weist er den Religionen eine bedeutende Rolle bei der Bewahrung des Friedens zu: „In dieser Hinsicht ist die Erziehung ein Bereich, wo die Religionen einen besonderen Beitrag zu leisten haben. Wir sind in der Tat überzeugt, dass die Wege zum Frieden über die Erziehung führen. Dank dieser letzteren ist die Person fähig, 114 ihre eigene Identität und auch die des anderen zu erkennen.“ Das spezifische Profil der hier behandelten kirchlichen Stellungnahmen ist der Aufruf zu Dialog und Versöhnung und die Warnung vor Vergeltung. Damit setzen sie sich deutlich von den Statements aus der Politik ab und werden dem Anspruch der „Denkschriften-Denkschrift“ der EKD von 1970 gerecht, zur Überwindung verhärteter Fronten beizutragen.115 Gerade in der politisch aufgeheizten Atmosphäre, in der Religion und Politik argumentativ vermischt werden, tragen die Kirchenvertreter zur Beruhigung der Diskussion bei. Die Tatsache, dass nach 9/11 die Kirchen von so vielen Menschen wie selten aufgesucht werden, beweist die Bedeutung der kirchlichen Worte. Dass die Äußerungen aus dem kirchlichen Bereich so positiv wirken, liegt aber sicher zum Großteil auch daran, dass die Anschläge des 11. September 2001 keine große Bandbreite an Reaktionen ermöglichen. Anders verhält es sich mit den politischen und militärischen Maßnahmen, die auf die Terroranschläge folgen. Das führt die christliche Friedensethik in schwierige Dilemmata, wie die Kapitel 7 bis 9 zeigen werden.

113 a. a. O., S. 214 114 Fitzgerald: Botschaft zum Ende des Ramadan, 25. November 2002 115 s. o. S. 54

7 Der Krieg in Afghanistan 7.1 Politische Situation Die NATO stellt am 2. Oktober 2001 fest, dass die Terroranschläge als bewaffneter Angriff nach Artikel 5 des NATO-Vertrages anzusehen sind und erklärt erstmals in ihrer Geschichte den sog. „Bündnisfall“. NATO-Generalsekretär George Robertson betont in seinem Statement nach der Sitzung des Nordatlantikrates: „I want to reiterate that the United States of America can rely on the full support of its 18 NATO allies in the campaign against terrorism.”1 Auch die Mehrheit der Völkerrechtler kommt zu der Auffassung, dass der terroristische Angriff auf die USA einem Angriff einer feindlichen Macht auf ein Bündnismitglied gleichkommt und somit alle NATOMitglieder zum Beistand verpflichtet sind.2 Am 7. Oktober beginnen die USA und Großbritannien mit den angekündigten Luftangriffen auf Militäranlagen und Trainingslager der Terrororganisation Al Qaida in Afghanistan. Die Bombardierung von Städten wie Kabul, Kandahar und Jalalabad fordert auch zahlreiche zivile Opfer.3 Die Bundesregierung steht 2001 voll hinter den Militärschlägen der USA und Großbritanniens. Bundeskanzler Gerhard Schröder betont in seiner Regierungserklärung vom 11. Oktober 2001 besonders, dass die Militärschläge von den Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats gedeckt seien: „In dieser Situation wird von Deutschland aktive Solidarität und verantwortliches Handeln erwartet und auch geleistet, eine Solidarität, die sich nicht in Lippenbekenntnissen erschöpfen darf. (...) Bei den gezielten Militärschlägen, die im Augenblick von den Vereinigten Staaten und Großbritannien durchgeführt werden, haben unsere amerikanischen und britischen Freunde deshalb nicht nur unsere uneingeschränkte Solidarität verdient. Diese Militärschläge stehen – das kann gar nicht oft genug betont werden – völlig im Einklang mit der Beschlussfassung des Weltsicherheitsrates über die Anwendung legitimer 4 Selbstverteidigung, also mit den Resolutionen 1368 und 1373.“ Darauf beruft sich das Bundeskabinett auch in seinem Beschluss am 7. November 2001, in dem es Soldaten der Bundeswehr für den war on terror zur 1 2 3 4

Robertson: Statement vom 2. Oktober 2001 vgl. etwa Frowein: FAZ Nr. 215 vom 15. September 2001, S. 10 vgl. Blätter 46.2001.12, S. 1412 Schröder: Regierungserklärung vom 11. Oktober 2001

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Der Krieg in Afghanistan

Verfügung stellt: „Deutschland beteiligt sich an einer Koalition aus zahlreichen Staaten der Welt, die dem Aufruf des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gefolgt sind. (…) Der Einsatz militärischer Mittel ist unverzichtbar, um die terroristische Bedrohung zu bekämpfen und eine Wiederholung von Angriffen wie am 11. September 2001 nach Möglichkeit auszuschließen.“5 Der Bundestag stimmt am 16. November dem Antrag der Bundesregierung zu, den Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Vertrauensfrage verbindet.6 Bereitgestellt werden sollen bis zu 3900 Soldaten: ABC-Abwehrkräfte, eine Einheit zur Evakuierung Verwundeter, Spezialkräfte, Lufttransportkräfte, Seestreitkräfte und Unterstützungskräfte.7 Der Auftrag und das Einsatzgebiet der Bundeswehr sind so allgemein formuliert, dass der Bundestag sein vom Grundgesetz geschütztes Recht der Kontrolle der Regierung8 aus der Hand gibt. Die Verknüpfung des Bereitstellungsbeschlusses mit der Vertrauensfrage zeigt, wie von der politischen Führung hier in einer Sachfrage Druck auf die Bundestagsabgeordneten ausgeübt wird, die doch nur ihrem Gewissen unterworfen sein sollen.9 Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung folgert aus der geänderten deutschen Innen- und Außenpolitik nach dem 11. September 2001: „Der Kampf gegen den Terror hat offensichtlich auch in Deutschland die Maßstäbe verformt und die Republik verändert.“10

7.2 Reaktionen von Kirchenführern Scharfe Kritik an der „unkritischen Haltung“11 Deutschlands gegenüber dem Militäreinsatz der USA üben die lateinamerikanischen Kirchen. Das berichtet der EKD-Auslandsbischof Rolf Koppe nach einer Reise nach Argentinien, Uruguay und Paraguay. „Wir müssen die Stimmen aus den Schwesterkirchen in aller Welt sehr ernst nehmen“12, resümiert Koppe. Seiner Meinung nach zögen die USA die politischen Folgen eines langen Militäreinsatzes nicht 5

6 7 8 9 10 11 12

Bundesregierung: Antrag auf Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA, 7. November 2001, S. 1 vgl. Schröder: Rede vor dem Deutschen Bundestag am 16. November 2001 vgl. Deutscher Bundestag: Beschluss vom 16. November 2001, S. 1 vgl. Hesselberger, S. 235 vgl. GG Art. 38 (1) Jaberg: FR Nr. 209 vom 9: September 2002 EKD: PM vom 17. Oktober 2001 ibid.

Reaktionen von Kirchenführern

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ausreichend ins Kalkül. Der Auslandsbischof verwendet Bundeskanzler Schröders Ausdruck von der „uneingeschränkten Solidarität“13 mit den USA in einem anderen Zusammenhang und fordert: „Vor allem den Opfern von Gewalt und Krieg muss die Sorge und die uneingeschränkte Solidarität der Kirchen gelten.“14 In Deutschland sind die kirchlichen Äußerungen gemäßigter. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich unterscheidet bei seinem Bericht als Catholica-Beauftragter vor der Generalsynode der VELKD im Oktober 2001 in Bückeburg zwischen den Militäraktionen gegen den Terrorismus und einem Krieg. Er beruft sich auf die Zwei-Reiche-Lehre und die sich daraus ergebende Rolle des Staates: „Die vornehmste Aufgabe des Staates ist der Schutz seiner Bürger vor dem Bösen und den Bösen. Das ist sein Recht, aber auch seine Pflicht. In diesem Sinne kann das Vorhaben der internationalen Staatengemeinschaft unsere grundsätzliche ethische Zustimmung finden. (...) Der Terrorismus hat derartige Ausmaße des Bösen, dass es auch entsprechende Mittel zu seiner Bekämpfung braucht. Worauf die Kirchen freilich achten müssen, ist, dass sich gezielte Aktionen gegen Verbrecher nicht zu einem Krieg gegen ein ganzes Volk oder eine Region ausweiten. Hier gilt ein 15 deutliches Abstandsgebot, denn ‚Krieg darf um Gottes willen nicht sein’.“ Wesentlich differenzierter äußert sich der Landesbischof in einem theologischen Aufsatz im Dezember 2001 zum Kampf gegen den Terrorismus. Er wiederholt zwar seine Einschätzung, „dass Terroristen bekämpft werden müssen, um die Menschen zu schützen“.16 Friedrich artikuliert aber auch Unsicherheiten: „Zugleich haben viele von uns, auch ich, ein wachsendes Unbehagen: Ist es recht, was da nun von Seiten der internationalen Staatengemeinschaft geschieht? Ist es mit den Menschenrechten zu vereinbaren? Und: Ist das vor Gott zu verantworten? (…) Das ist das wirkliche Dilemma, dass wir aus unserem Glauben heraus keine eindeutige Option haben. Es gibt nicht den richtigen Weg, zu dem wir als Kirche den Politikern raten können.“17 Die Generalsynode der VELKD schließt sich am 20. Oktober 2001 in Bückeburg der Stellungnahme der Bischofskonferenz vom Vortag an, die sie sogar wörtlich übernimmt. Darin werden militärische Schritte indirekt befürwortet, denn nach der Forderung, „den humanitären Organisationen so13 14 15 16 17

s. o. S. 13 ibid. Friedrich: Bericht auf der VELKD-Generalsynode, 20.-23. Oktober 2001, in: epd-Doku 44/01, S. 48 Friedrich: nachrichten 12/2001, S. 382 a. a. O., S. 382f.

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fort zu ermöglichen, Hilfsgüter nach Afghanistan zu schaffen“18, heißt es: „Militärische Aktionen müssen demgegenüber zurückstehen.“19 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Militäraktionen möglich sind. Dass weder die Generalsynode noch die Kirchenleitung der VELKD eine Erklärung gegen die Militäraktion in Afghanistan abgegeben haben, hat in den lutherischen Kirchen zu so heftiger Kritik geführt, dass sich der Leitende Bischof der VELKD, Hans Christian Knuth zu einer Erklärung unter dem Titel „Die Kirche macht keine Politik“ veranlasst sieht. Um das Schweigen der VELKD zur Bombardierung Afghanistans zu erklären, bemüht auch er das Herzstück des lutherischen Glaubens, die Zwei-Reiche-Lehre: In einer recht verstandenen Zwei-Reiche-Lehre ist jeder Christ gehalten, in seinem Bereich so zu handeln, wie er es angesichts von Schrift und Bekenntnis vor Gott und seinem Gewissen verantworten zu können glaubt. Die Rollenverteilung in der Gesellschaft kann jedoch nicht so gehen, dass die einen die Probleme zu lösen haben und die anderen die Moral für sich reklamieren. Im Gegenteil: Im lutherischen Verständnis einer Berufsethik, die jedem seine Gott gegebene Aufgabe im Reich der Welt zuweist, ist mündigen und verantwortungsvollen Fachleuten auch in der Politik zugetraut, dass sie vor Gott und ihrem Gewissen verantworten, was sie tun. Es ist eben nicht ein Gegensatz von Kirche und Welt gedacht, in dem Gott in der Kirche herrscht und außerhalb nicht. Sondern Gott herrscht durch beide ‚Regimente’, das geistliche und das weltliche.20

Dass diese „Rollenverteilung“ die Kirche bei konkreten aktuellen Ereignissen wie dem Afghanistan-Krieg in Schwierigkeiten bringt, zeigt sich im nächsten Abschnitt aus Knuths Erklärung: Das darf natürlich nicht zu einer unkritischen Haltung z.B. gegenüber den Regierenden in der augenblicklichen Situation oder gegenüber den Wissenschaftlern in der Gentechnik oder wo auch immer führen. Aber zunächst ist davon auszugehen, dass in ihrem Bereich gut informierte Menschen verantwortungsvolle Entscheidungen fällen. Als Privatperson kann ich natürlich jederzeit meine christlich motivierte Kritik und Anregung einbringen. Und als Kirche(n) haben wir immer Anwalt der Schwachen zu sein. Direkt in die Politik einzugreifen ist allerdings nach diesem Verständnis nur legitim, wenn der ‚status confessionis’ berührt ist, wenn es also direkt um das Eintreten für das Be21 kenntnis geht, wenn der Kern des Christlichen betroffen ist. 18 19 20 21

VELKD: 5. Tagung der 9. Generalsynode in Bückeburg (20. Oktober 2001), S. 2 ibid. Knuth: VELKD-Info #98 vom 12.12.2001, S. 2 ibid.

Reaktionen von Kirchenführern

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Alles direkte Eingreifen der Kirche in die Politik hält Knuth deshalb für eine „unangemessene Klerikalisierung der Politik“22. Ebenso ist nach Meinung des Leitenden Bischofs der VELKD aber auch einer „Politisierung der Kirche“ zu wehren. Als Beispiel nennt er den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, der in der Zeit des sog. Kalten Krieges von einem „Kampf des Guten gegen das Böse“ gesprochen habe.23 Kurze Zeit später wird diese dualistische Rhetorik vom aktuellen US-Präsidenten George W. Bush aufgegriffen.24 Warum im Fall des Afghanistan-Krieges für die lutherische Kirche der status confessionis nicht erreicht ist, erklärt Knuth mit einem Blick zurück auf die Nachrüstungsdebatte zu Beginn der 1980er-Jahre.25 Auch damals hielt die VELKD den status confessionis für nicht gegeben – im Gegensatz zur Reformierten Kirche. Knuth: „Der theologische Grund ist, dass für die Reformierten (ganz ähnlich übrigens wie für die römisch-katholische Kirche) Ordnungsfragen und damit auch sozialethische Fragen das Kirchesein der Kirche ausmachen. In lutherischer Tradition ist die Verkündigung des Evangeliums und die Darreichung der Sakramente der Grund der Kirche. Und nur wenn der berührt ist, ist der Status confessionis erreicht.“26 Die Bedeutung des status confessionis ist hier sehr eng ausgelegt, denn dann dürfte die Kirche durch politische Stellungnahmen nur sehr selten direkt ins politische Geschehen eingreifen. Um ihre von Knuth angesprochene Rolle als „Anwalt der Schwachen“ auszufüllen, hat die Kirche aber geradezu die Pflicht, zu tagesaktuellen politischen Fragen nicht zu schweigen, sondern zu sprechen. Die Stellungnahmen aus dem Bereich der Reformierten Kirche sind eindeutig politisch. In der Feiertagsansprache zum Reformationstag 2001 in der Deutschen Welle und im Leitartikel in der Lausitzer Rundschau erklärt der aus reformierter Tradition stammende Cottbuser Generalsuperintendent Rolf Wischnath seine Haltung mit der Kreuzestheologie: „Und so können wir am Reformationstag eben auch dies erkennen – am Kreuz, an dem ein Gewaltloser hängt: Es gibt keinen Glauben an Gott, auf den man sich berufen kann zur 27 Rechtfertigung von Gewalt und Verbrechen.“ Dies bezieht er nicht nur auf die Terroranschläge des 11. September, sondern auch auf die militärischen Reaktionen darauf: „Und ebenso setzen Bomben, die auch die Bevölkerung treffen, den Terror fort, auch wenn sie als ‚Kampf gegen den Terror’ gerechtfertigt wer22 23 24 25 26 27

a. a. O., S. 3 vgl. ibid. s. u. S. 17 s. o. S. 88f. ibid. Wischnath: Ansprache zum Reformationstag 2001, S. 16

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den. Es sind Menschen, die unter den Bomben sterben: unter den lebenden Flugzeug-Bomben der Terroristen und unter den toten Präzisionsbomben der High-Tech-Waffen. Mit dem Unterschied von Glaubensweisen an den einen Gott lassen sich weder Terror noch Bomben rechtfertigen.“28 Der Landessuperintendent der Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz in Leer, Walter Herrenbrück, nennt in einem differenzierten Aufsatz in der Zeitschrift [email protected] zwei Wege für seine Kirche, ihren Auftrag der Friedensverantwortung wahrzunehmen. Der eine – eher pazifistische – Ansatz geht davon aus, dass der von Gott geschenkte Frieden den Frieden zwischen Mensch und Mitmensch ermöglicht: „Daraus folgt, dass diesem Frieden, der höher ist als alle Vernunft, eine vernünftige Praxis des Friedens im Alltag der Welt entsprechen muss. Eindeutig, ja: einseitig ist Gewaltfrei29 heit zu propagieren als Weg des Friedens und zum Frieden.“ Die Denkfigur der ultima ratio wird hier bewusst abgelehnt, entsprechend der Zwei-ReicheLehre strikt zwischen Staat und Kirche unterschieden: „Die Realität des Bösen, die Notwendigkeit, (polizeiliche) Gewalt anzuwenden und den Schwachen zu schützen, wird nicht geleugnet; aber es ist nicht die Aufgabe der Kirche, zu zeigen, wie viel Gewalt erlaubt ist, sondern: wie viel Gewaltverzicht erwünscht und geboten ist und welche Bedeutung die Versöhnung für das Zusammenleben der Menschen haben kann.“30 Der zweite Weg, den die Kirche in Wahrnehmung ihrer Friedensverantwortung einschlagen kann, hat seinen Ausgangspunkt in der fünften Barmer These: „Zur Ausübung von Gewalt darf auch gehören die Anwendung militärischer Gewalt – und zwar nur im äußersten Notfall und als äußerste Möglichkeit (ultima ratio), wenn alle anderen Mittel zur Konfliktbewältigung ohne Ergebnis geblieben sind. Militärische Gewalt darf sich nicht gegen Menschen richten, sondern gegen das, was der oder die Gegner an militäri31 schen Mittel[n] einsetzen wollen und was unschädlich zu machen ist“ Gemeinsam sei beiden friedensethischen Ansätzen, dass sie vom Leitbild des gerechten Friedens ausgingen. Deshalb kommt Herrenbrück bei beiden Wegen zum selben Ergebnis: „Nimmt die Kirche das Friedensgebot Jesu und sein Friedenszeugnis ernst, muss sie zum Krieg in Afghanistan nein sagen, auf die gewaltfreien – gewaltfreieren – Mittel verweisen, die der Bekämpfung des Terrorismus – im Sinne eines gerechten Friedens – besser entsprechen und 28 29 30 31

ibid. Herrenbrück 2001, S. 18 ibid. ibid.

Reaktionen von Kirchenführern

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sich dafür einsetzen.“32 Zu dem den Kirchen oft gemachten Vorwurf einer Appeasement-Politik nimmt der reformierte Landessuperintendent auch Stellung: „Auch wenn zuzugeben ist, dass Gewaltverzicht allein den Terrorismus nicht verhindert, so gilt das Umgekehrte in noch größerem Maße: Dass Krieg und Gewalt nur Rechtfertigung des Krieges und Gegengewalt erzeugt und dass dadurch ein (national oder religiös begründeter) Solidarisierungseffekt der Gutwilligen mit den weniger Gutwilligen erzeugt wird, der gerade vermieden werden soll, will man das Böse wirklich eindämmen.“33 Als andere Möglichkeiten, auf die Terroranschläge des 11. September zu reagieren, nennt Herrenbrück: -

-

die Austrocknung der Finanzquellen; die genaue Feststellung der Verbrechen des Terrorismus (wie sie am 11. September erkennbar geworden sind) mit dem Ziel der Erhebung der Anklage und dem Einsatz des internationalen Strafgerichtshofs; die Gefahrenabwehr durch Absprachen der Völkergemeinschaft in der UNO; die Bildung von Bündnissen gegen den Terrorismus; die Anwendung der Geheimdiplomatie und der Geheimdienste bzw. der Kooperation der Geheimdienste in den verschiedenen Ländern; Entwicklungshilfe, als Kampf um mehr Gerechtigkeit für die armen Länder, um jedem möglichen Terrorismusgedanken und jedem Terror den Nährboden zu entziehen; und nicht zuletzt die Bereitschaft zu langfristiger Planung und zu Unschuldige schonenden Aktionen, statt kurzfristig arrangiertem Bombardement.34

Der Landessuperintendent der Evangelisch-reformierten Kirche geht hier über die Unverbindlichkeit anderer kirchlicher Äußerungen hinaus, indem er nicht nur Militäraktionen ablehnt, sondern konkrete politische Mittel nennt, die stattdessen einzusetzen wären. Diese sind teilweise aber recht idealistisch formuliert. Der internationale Strafgerichtshof wird von den USA nicht anerkannt, weshalb er für die Situation nach dem Terrorangriff auf die USA ein schlechtes Beispiel ist. Absprachen in den Vereinten Nationen setzen eine stärkere politische Macht der Weltgemeinschaft voraus, die derzeit nicht in Sicht ist. Auch der Generalsekretär des Reformierten Weltbundes, Setri Nyomi, gibt eine sehr politische Stellungnahme ab. In seiner Weihnachtsbotschaft 2001 geht er vor allem auf die Kinder ein, die unter Kriegen leiden: „In Afghanistan werden Kinder auf beiden Seiten, der der Nordallianz und der der Tali32 33 34

a. a. O., S. 19 ibid. ibid.

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ban, in die Kriegshandlungen verwickelt. Für diese Kinder gibt es keinen Frieden in diesem Advent – und sie erhalten noch nicht einmal die Möglichkeit, mit Werten aufzuwachsen, die zu einem Frieden führen könnten.“35 Nyomi weist darauf hin, dass Frieden für Christen mehr ist als die bloße Abwesenheit von Krieg: „Der RWB hat in der Vergangenheit wiederholt Stellung bezogen zu den Ungerechtigkeiten in Ökonomie und Ökologie. Und solange große Teile der Weltbevölkerung unter dem ökonomischen Neoliberalismus leiden und wir unsere ökologischen Ressourcen plündern, solange bewegen wir uns weg von einem Frieden auf Erden.“36 Moderator Peter Bukowski warnt die Kirche davor, dass sie „die von den Politikern zu führende Diskussionen lediglich noch einmal verdoppelt“37. Bei der Hauptversammlung des Reformierten Bundes im Juni 2002 in Nürnberg macht er Vorgaben für die Aufgabe der Kirche: „Hingegen wird sie das, was bei den so genannten realpolitischen Erwägungen aus dem Blick zu geraten droht, in Erinnerung bringen: die vorrangige Option für den Frieden eben und dass man sich an Krieg nicht gewöhnen darf und dass auch im Kampf gegen den Terrorismus der Zweck nicht die Mittel heiligt, dass es auch nicht in Ordnung ist, wenn militärische Mobilmachung zügiger voranschreitet als das Sperren der Terroristen-Konten, und wie schnell und problemlos die Staatengemeinschaft das Geld für Krieg zusammen hat und wie zögerlich und vergleichsweise spärlich sie die Mittel aufbringt, die für humanitäre Hilfen und den Aufbau gerechterer Strukturen vonnöten sind – der Frieden braucht uns als Lobbyisten, damit die Politik nicht einseitig von solchen betrieben wird, die 38 den Krieg wie selbstverständlich als Mittel der Politik einplanen.“ Der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock bringt in einem Interview der taz seine Unsicherheit über die politische Bewertung zum Ausdruck. Auf die Frage, ob es denn richtig sei, dass die Bundesregierung Soldaten nach Afghanistan schicke, antwortet er: „Ich kann es nicht sicher sagen, weil ich nicht weiß, was die Soldaten machen sollen, und ich weiß nichts über den Krieg als das, was uns die Propaganda mitteilt.“39 Vergeltung sieht er nicht als Motivation des militärischen Vorgehens der USA an: „Vergeltung ist hier nicht das Ziel. (...) Erklärtermaßen geht es darum, Terrorismus zu bekämpfen, der die Menschheit bedroht.“40 Den Terminus des bellum iustum lehnt Kock ab: „Krieg ist nie ge35 36 37 38 39 40

Nyomi: Weihnachtsbotschaft 2001, S. 20 ibid. Bukowski: Bericht vor der Hauptversammlung am 14. Juni 2002, S. 26 ibid. Kock: taz vom 9. November 2001 ibid.

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recht, sondern ein äußerstes Mittel, um ein größeres Übel abzuwenden. Wenn man schon Krieg führt, muss er wenigstens die Voraussetzung schaffen, dass Frieden sich entwickeln kann. Aber die Kategorie des gerechten Krieges stammt aus dem Mittelalter. Wir dürfen sie nicht wieder hervorholen.“41 Gegen eine kriegerische Sprache wendet sich der badische Landesbischof Ulrich Fischer: „Wir brauchen nicht nur eine Verhältnismäßigkeit der Mittel, sondern auch eine Verhältnismäßigkeit der Sprache. Denn Worte haben ihre Langzeit- und Nebenwirkungen. Sprache prägt das Bewusstsein. Wer leichtfertig von ‚Krieg’, ‚Feldzügen’ oder gar ‚Kreuzzügen’ redet, erzeugt in den Köpfen Vorstellungen, die letztlich nicht mehr beherrschbar und nicht politisch steuerbar sind.“42 Als Nährboden für Gewalt und Terror nennt der Bischof auch die beiden symbolträchtigen Gebäude, die Ziel der Anschläge waren: „Das steinerne Herz einer ausschließlich auf ökonomische Gewinne zielenden Wirtschaftsordnung und das stählerne der Militärmacht sind ohne Mitgefühl für die Nöte und das Elend von Menschen.“43 Auf einer späteren Tagung befasst sich Fischer besonders mit der Vergeltung des Bösen. In Bezugnahme auf das 12. Kapitel des Römerbriefes („Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“44) fordert er den Ausstieg aus der Gewaltspirale: „Wenn wir uns für alles rächen wollten, was wir als Böses erfahren, dann würde uns der Blick auf das Böse ganz gefangen nehmen.“45 Das sei schwierig, denn das Prinzip Vergeltung stecke tief in den Menschen: „Wir meinen, es hänge unsere Ehre daran, dass wir den anderen heimzahlen, was sie uns angetan haben. Aber wenn der Teufelskreis des Bösen unterbrochen werden soll, dann müssen wir uns von solchen Vorstellungen trennen. Auch ein Vergeltungsschlag ist eine böse Tat, weil er Menschen vernichtet, die ein Recht auf Leben haben.“46 An die Menschen in Afghanistan erinnert der Bischof von KurhessenWaldeck, Martin Hein, bei der Christvesper 2001: „Von einem fanatischen Regime schon ruiniert, mussten dieses Land und seine Bevölkerung erneut einen Krieg über sich ergehen lassen. Wie lange wird es dauern, bis dort nach Jahrzehnten des Unfriedens endlich der Frieden eine Chance bekommt!“47 41 42 43 44 45 46 47

ibid. Fischer: Wort an die Gemeinden (24. Oktober 2001), S. 49 ibid. Röm 12,21. Vgl. Röm 12,18f.: „Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habe mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes.“ Fischer: Predigt vom 20. Oktober 2002, S. 2 ibid. Hein: Weihnachtspredigt am 24. Dezember 2001

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Der Krieg in Afghanistan

Eine ganz klare Stellungnahme gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan gibt die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann ab: „Außerhalb der NATO hat m. E. die Bundeswehr kein Aktionsgebiet. Hier sehe ich keine Legitimationsmöglichkeit.“48 Im Gegensatz zu anderen Kirchenvertretern nennt Käßmann auch Mittel, mit denen der Terror nichtmilitärisch bekämpft werden kann: „Das Abbrechen der Geldströme. Eine Unterbindung des Drogenhandels. Ein internationales Abkommen gegen den Waffenhandel. Konsequentes Eingreifen gegenüber solchen, die auch in unserem Land Hass schüren. Rasterfahndung. überzeugender und wirksamer Einsatz für Gerechtigkeit. Die Lösung von Konflikten wie in Israel und Palästina. Ressourcen für Prävention und Mediation.“49 Überwindung von Gewalt bedeute auch, den Nährboden aus Armut, Unterdrückung und Unbildung zu entziehen. In diesem Zusammenhang mahnt die Bischöfin zu Investitionen gegen die Armut: „Mich erschüttert es doch, dass 12 Milliarden US-Dollar ad hoc bereitgestellt werden können für einen Militäreinsatz, während es uns nicht gelingt, zu verhindern, dass weiterhin 24000 Kinder pro Tag an Hunger sterben.“50 Aus der Lippischen Landeskirche kommt dagegen eine um Neutralität bemühte Stellungnahme von Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier, die es offen lässt, ob der Militärschlag notwendig ist oder nicht: „Verbrechen müssen bestraft werden. Die Aufgabe des christlichen Zeugnisses ist es aber nicht, politisch möglicherweise notwendige Aktionen religiös zu überhöhen.“51 Gleichzeitig räumt Noltensmeier ein, dass eskalierende Gewalt „Leiden und Sterben Unschuldiger nach sich zieht“52. Als Grund für die unentschiedene Haltung nennt der Lippische Landesbischof Informationsmängel: „Zugleich wissen wir nicht, welche geheimen Informationen politisch Verantwortliche haben.“53 Noltensmeier nennt bei seiner auch in der Zeitschrift [email protected] veröffentlichten Beurteilung des Afghanistan-Einsatzes ein Kriterium aus der Lehre vom gerechten Krieg: „In der Sorge um Recht und Frieden findet die Anwendung staatlicher Gewalt ihren Auftrag und ihre Grenzen. Es kann nicht um Vergeltung oder Rache gehen. Gewaltanwendung ist nur ein letztes Mittel.“54

48 49 50 51 52 53 54

Käßmann: Vortrag in Beverstedt vom 13. November 2001, S. 3 a. a. O., S. 4 ibid. Noltensmeier: Stellungnahme vom 8. Oktober 2001 ibid. ibid. ibid.

Die EKD-Synode im November 2001

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7.3 Die EKD-Synode im November 2001 Die Luftangriffe in Afghanistan und die Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr beim war on terror sind in vollem Gange, als die EKD-Synode vom 4. bis 9. November 2001 in Amberg tagt. Das eigentliche Schwerpunktthema der Synode, „Globale Wirtschaft verantwortlich gestalten“55, ist dadurch in den Hintergrund gedrängt. Zu Beginn der Synode diskutiert man noch nichtöffentlich. Im Rat der EKD und in den synodalen Gruppen wird sich „richtig gefetzt“56, wie die Frankfurter Rundschau unter Berufung auf Sitzungsteilnehmer berichtet. Im Rat soll der Magdeburger Bischof Axel Noack mit seiner Forderung nach einem „Nein ohne Wenn und Aber“ zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan ohne Unterstützung geblieben sein.57 Der Ratsvorsitzende Manfred Kock bringt die heftige Diskussion in vorsichtigen Worten zum Ausdruck: „Es wird sichtbar, dass es unter uns zu unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Urteilen über die jetzt nötigen politischen Entscheidungen kommt.“58 Fünf Stunden lang ringt man schließlich am 8. November im Plenum um eine gemeinsame Haltung zum Krieg in Afghanistan. Gefunden wird jedoch kein Konsens, sondern nur ein unverbindlicher Beschluss, den die große Mehrheit trägt. „Ein tiefer Riss teilt die Synode der EKD“59, stellt die Frankfurter Allgemeine fest. Dieser Riss verlaufe nicht wie in den 70er- und 80erJahren zwischen „Links“ und „Rechts“, sondern zwischen Ost und West. In der Tat ist in den Kirchen der neuen Bundesländer die pazifistische Grundhaltung besonders groß, hatte doch die Friedensbewegung der DDR ihre Heimat in der Kirche. So wundert es auch nicht, dass ein Antrag, „Nein“ zum Militäreinsatz in Afghanistan zu sagen, aus einem Kreis um den Cottbuser General-Superintendenten Rolf Wischnath kommt, auch wenn dieser 60 selbst aus dem Westen stammt. Die 14 Synodalen berufen sich auf Bonhoeffers Aussage, die Kirche sollte im Kriegsfall eindeutig Stellung beziehen,61 und fordern von der EKD: „Unsere Kirche kann nach der Forderung Bonhoeffers zu keiner anderen Schlussfolgerung kommen als zu sagen: ‚Geht nicht in diesen Krieg!’“62 Die Synoda55 56 57 58 59 60 61 62

epd-Doku Nr. 47/01, S. 1 FR Nr. 260 vom 8. November 2001, S. 2 vgl. ibid. ibid. FAZ Nr. 262 vom 10. November 2001, S. 4 vgl. dazu Wischnath et al.: Antrag vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 14-17 s. o. S. 8 Wischnath et al.: a. a. O., S. 16

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len begründen dies mit „fünf Grundkriterien und Prüfsteine[n]“63, die aus der Lehre vom gerechten Krieg bekannt sind: Militärische Gewalt sei nur als ultima ratio zulässig, was hier nicht der Fall sei. Ein weiteres Ziel müsse Friede und Koexistenz mit dem Feind sein. Die Taliban sollten nach Maßgabe der USA aber unter allen Umständen vernichtet werden. Die heftigen Bombardements der Städte ließen die Vertretbarkeit der Kriegsmittel zweifelhaft erscheinen. Auch das Kriterium der legitimierten Obrigkeit sei in Frage gestellt, weil die USA keinen Krieg erklärt hätten. Schließlich bestehe die Gefahr, dass der internationale Terror durch den Krieg in Afghanistan verstärkt werde und somit die Kriegsschäden größer seien als das umstrittene Rechtsgut. Zum Schluss der Erklärung erinnern die Synodalen an die bisherigen Äußerungen der EKD: „Auch die EKD hat unter Berufung auf das Bekenntnis zu Jesus Christus jeden Einsatz militärischer Gewalt dem Friedens- und Mäßigungsgebot unterstellt und – wo immer möglich – die Gewaltlosigkeit als die dem Christen allemal vorrangig zu Gebote stehende Handlungsma64 xime bestimmt.“ Dennoch wird dieser Antrag mit großer Mehrheit abge65 lehnt. Wischnath beklagt später in einem Beitrag für das Deutsche Pfarrerblatt, die Synode habe damit „die entscheidenden friedensethischen Kriterien preisgegeben ..., die sie seit 1945 in West und Ost selbst entwickelt hatte. Es wird dies eine kirchengeschichtliche Niederlage zu nennen sein.“66 Er bedauert, „dass es auf der EKD-Synode bis auf die Ausnahme einer Synodalen offenkundig keine prinzipiell pazifistische Stimme mehr gibt, die laut wird, um der Gewaltlosigkeit Jesu im Blick auf militärische Gewalt zu folgen.“67 Der nach kleineren Änderungen mit deutlicher Mehrheit (sieben Gegenstimmen) angenommene und damit zur Kundgebung erhobene Antrag des Ausschusses für Kirche, Gesellschaft und Staat unterscheidet sich schon semantisch vom Papier der 14 Synodalen. Während dieses vom „Krieg der USA“68 spricht, ist in der Kundgebung vorsichtiger von „militärischen Aktionen“ oder vom „militärischen Vorgehen“ die Rede.69 Die Kundgebung zur Friedenspolitik in der gegenwärtigen Situation beruft sich auf die Friedensdenkschrift von 1981 und die erst kurz zuvor veröffentlichte Zwischenbilanz von 2001 und betont, dass militärische Gewalt nur als ultima ratio angewandt werden dür63 64 65 66 67 68 69

a. a. O., S. 15; vgl. dazu a. a. O., S. 14-17 a. a. O., S. 16 vgl. Plischke: epd-Basisdienst vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S.11 Wischnath 2002, S. 81 ibid. Wischnath et al.: Antrag vom 8. November 2001, S. 15 EKD-Synode: Kundgebung vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 13

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fe.70 Bei der Bewertung des konkreten Falls kommt die Kundgebung aber zu keiner einheitlichen Linie: „Aus diesen Grundsätzen, Wahrnehmungen und Zweifeln ziehen wir unterschiedliche Konsequenzen.“71 In der Kundgebung finden sich Meinungen beider Lager der Synode wieder. Die pazifistische Stellungnahme wird sogar strukturell vorgezogen: Die einen halten die erkennbaren Schadensfolgen des militärischen Vorgehens und die darüber hinaus verbleibenden Zweifel für so gewichtig, dass sie den eingeschlagenen Weg und seine Fortsetzung entschieden ablehnen. Sie verweisen dabei darauf, dass die in unseren friedensethischen Grundsätzen genannten Bedingungen, unter denen eine Kriegsführung überhaupt nur gerechtfertigt werden kann, im Falle Afghanistans nicht oder nicht ausreichend gegeben sind. Das gilt besonders von der Frage nach der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel. (...) Andere wiederum halten dieses militärische Vorgehen trotz aller Bedenken für vertretbar. Sie lassen sich dabei von folgenden Erwägungen leiten: Ein kategorischer Verzicht auf militärisches Vorgehen gegen das Talibanregime gewährt der Terrororganisation Al Qaida einen sicheren Ort. (...) Militärische Mittel allein reichen zur Bekämpfung des Terrorismus nicht aus, nicht-militärische aber 72 auch nicht: Gewaltverzicht verhindert Terrorismus nicht.

Die Synodalen „folgten dem vielfach erprobten EKD-Prinzip des ‚Sowohl-alsauch’“73, kritisiert Götz Planer-Friedrich diese Unverbindlichkeit. Als ein „klares Zwar-Aber“74 wird die Kundgebung treffend in der Süddeutschen Zeitung bezeichnet. Ein Absatz aus dem Alternativantrag der 14 Synodalen wird in die Kundgebung der Synode jedoch übernommen: Über politische und militärische Einschätzungen mögen wir auch in der Kirche unterschiedlicher Ansicht sein. Bei aller Differenz in unserer Sichtweise und bei allem Zwiespalt, der auch unserer Einschätzung anhaftet, bleibt es doch unstrittig: Auch die EKD hat unter Berufung auf das Bekenntnis zu Jesus Christus jeden Einsatz militärischer Gewalt dem Friedens- und Mäßigungsgebot unterstellt und – wo immer möglich – die Gewaltlosigkeit als die dem Christen allemal vorrangig zur Verfügung und zu Gebote stehende Handlungsmaxime bestimmt. Schon deswegen gilt: Die ultima ratio militärischen Handelns muss ultima ratio bleiben.75

70 71 72 73 74 75

vgl. ibid. ibid. a. a. O., S. 13f. Planer-Friedrich 2001, S. 39 SZ Nr. 259 vom 10. November 2001, S. 9 EKD-Synode: Kundgebung vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 14

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Der nächste Satz aus dem Abschnitt des Alternativantrags fehlt freilich in der Kundgebung: „Sie [die ultima ratio militärischen Handelns] ist in diesem Krieg derzeit nicht gegeben.“76 Für eine protestantische Stellungnahme ungewöhnlich ist, dass in der Kundgebung keine einzige Bibelstelle zitiert wird. Einen Bezug zur theologischen Tradition gibt es nur einmal – und der ist unvollständig. Bei der Begründung der Behauptung, es sei „kein grundsätzlicher Widerspruch zu einer christlichen Friedensethik, vielmehr eine notwendige, wenn auch nicht vorrangige Konkretion, militärische Mittel zur Wahrung des Friedens und zur Durchsetzung des Rechts bereit zu halten und notfalls anzuwenden“77, wird aus der V. These der Barmer Theologischen Erklärung nur der Halbsatz zitiert, der staatliche Gewalt legitimiert: „dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maße menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen.“78 Die restlichen Worte der V. Barmer These79 werden ausgelassen. Auch Verweise auf die anderen Barmer Thesen fehlen. In der Kundgebung der Synode vermisst man einen Hinweis auf die Zusammenhänge von Terrorismus und Globalisierung. Gerade im Hinblick auf das Schwerpunktthema „Globale Wirtschaft verantwortlich gestalten“ hätte sich dies angeboten. Ein zentraler Satz aus der Kundgebung findet sich auch im Bericht des Rates der EKD, den Präses Manfred Kock zu Beginn der Synode vorträgt: „Auch könnte das Risiko einer Eskalation der Gewalt reduziert werden, wenn militärische Aktionen kein ‚Angriff’, ‚Gegenschlag’ oder ‚Vergeltungsschlag’ einer einzelnen Nation sind, sondern eine Maßnahme der Strafverfolgung und der Ge80 fahrenabwehr durch die Völkergemeinschaft.“ Im Ratsbericht sind die Zweifel daran, ob die militärischen Mittel zum Erreichen der angestrebten Ziele taugen, wesentlich stärker herausgestellt. Die Bedenken seien – so der Ratsvorsitzende Kock – „aufgrund der seit dem 7. Oktober andauernden Angriffe der USA und ihrer Verbündeten auf Afghanistan nicht geringer geworden – im Gegenteil. Über die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung werden wir im Unklaren gelassen.“81 Kock sieht die Gefahr, dass die Gewalt weltweit zunimmt: 76 77 78 79 80 81

Wischnath et al.: Antrag vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 16 EKD-Synode: Kundgebung vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 12 ibid. s. o. S. 38 a. a. O., S. 13 und Kock: Bericht des Rates der EKD vom 4. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 19 Kock: Bericht des Rates der EKD vom 4. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 19

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„Die Saat der religiös getarnten Fanatiker ist ausgestreut und droht jetzt aufzugehen.“82 In einer Erklärung zur Halbzeit der Synode stellt der EKDRatsvorsitzende Kock kritische Fragen zum Militäreinsatz in Afghanistan: „Kann das terroristische Netzwerk überhaupt wirkungsvoll mit militärischen Mitteln bekämpft werden? Können die Täter und ihre Helfershelfer auf diese Weise dingfest gemacht werden, ohne noch mehr Leid zu erzeugen, unschuldige Opfer zu treffen und neuen Terror zu produzieren?“83 Diese Zweifel sind in die Kundgebung der Synode von Amberg nur in abgeschwächter Form eingegangen. Es zeigt sich hier wieder die bereits beim Kosovo-Krieg zu Tage getretene Eigenheit protestantischer Stellungnahmen, trotz gemeinsamer friedensethischer Grundsätze nicht zu einer einheitlichen Bewertung der Konsequenzen zu kommen. Dies gibt Präses Kock in einem epd-Interview auch unumwunden zu, bedauert es aber nicht: „Wir stimmen in unseren friedensethischen Grundsätzen weitgehend überein, ziehen daraus 84 im Einzelfall aber zuweilen unterschiedliche Konsequenzen.“ Einige Synodalen hätten sich jedoch durchaus gewünscht, dass Bonhoeffers Forderung nach einer klaren Stellungnahme zum Krieg verwirklicht worden wäre – und zwar durch eine Ablehnung des Militäreinsatzes. So verlangt etwa Monika Schnaitmann ein eindeutiges und „unbequemes Wort“ gegen den Militäreinsatz und den Verzicht auf „Sowohl-als-auch-Stellungnahmen“.85 Beate Besser wünscht sich eine evangelische Stimme, die „einfach nur Nein sagt“86. Andererseits kommt in der in den Konsequenzen offenen Kundgebung auch die protestantische Toleranz zum Ausdruck, etwa wenn Minderheitenmeinungen innerhalb der Synode gleichberechtigt dargestellt werden, oder wenn die Entscheidung für oder gegen einen Einsatz der Bundeswehr den Bundestagsabgeordneten anheim gestellt wird: „Die in dieser Sache notwendige Gewissensentscheidung kann niemandem abgenommen werden. Die Freiheit, sie zu treffen, muss für den Einzelnen gewahrt sein.“87

82 83 84 85 86 87

ibid. Kock: Erklärung vom 6. November 2003, in: epd-Doku 47/01, S. 20 Kock: Interview mit epd-Basisdienst vom 7. November 2003, in: epd-Doku 47/01, S. 58 vgl. Plischke: epd-Basisdienst vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S.11 ibid. EKD-Synode: Kundgebung vom 8. November 2001, in: epd-Doku 47/01, S. 14

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7.4 Die bayerische Landessynode im November 2001 Auch die bayerische Landessynode, die vom 25. bis 30. November 2001 in Erlangen tagt, kommt zu keiner einheitlichen Empfehlung. Die Diskussion in dieser Gliedkirche soll ausführlich behandelt werden, weil sie als exemplarisch für den Entscheidungsfindungsprozess in Landeskirchen gelten kann und außerdem umfassend dokumentiert ist. Bayerns Landesbischof Johannes Friedrich gibt schon in seiner einleitenden theologischen Stellungnahme die Richtung vor: „Das ist das wirkliche Dilemma, dass wir aus unserem Glauben heraus keine eindeutige Option haben. Es gibt nicht den richtigen Weg, zu dem wir als Kirche den Politikern raten können. Die politisch Verantwortlichen müssen aus ihrer Einsicht heraus eine vernünftige Entscheidung treffen, mit der sie ihren Auftrag erfüllen, aber sie müssen sich darin dessen bewusst sein, sich so oder so schuldig zu machen, ob sie nun deutsche Soldaten zur Bekämp88 fung des internationalen Terrorismus bereitstellen oder dies verweigern.“ Friedrich mahnt jedoch die Christen, Verantwortung zu übernehmen, und bezieht sich dabei auf Luthers Zwei-Reiche-Lehre: „Daher ist es für ihn [Luther] unmöglich, das Reich der Welt sich selbst zu überlassen oder es der Verselbständigung preiszugeben.“89 Damit schließt Friedrich die militärische Option nicht aus. Aus der Lehre vom gerechten Krieg folgert er: „Es gibt für mich keinen Zweifel daran, dass Terroristen bekämpft werden müssen, um die Menschen zu schützen.“90 Der Kriegsverlauf in Afghanistan bereite ihm aber „ein wachsendes Unbehagen“.91 Friedrichs Rede enthält auch eine Formulierung, die eine Ausstiegsklausel aus der neutralen Haltung zum Krieg darstellt: „Nicht hinnehmbar ist es allerdings, wenn sich neben dieses Ziel des Schutzes der Menschen auch andere Ziele einschleichen. Wenn sich herausstellt, dass andere Kriegsziele verfolgt werden, müssen wir gegebenenfalls unser Urteil ändern.“92 In der Aussprache der Landessynode übt Rainer Oechslen heftige Kritik an Friedrichs Interpretation der Zwei-Reiche-Lehre: „Sie wollen mit Ihrer Interpretation der Zwei-Reiche-Lehre, Herr Landesbischof, nicht nur zurück in die 50er-Jahre, sondern in die 20er-Jahre. Sie haben einen Diskussionsstand uns dargeboten, der etwa erreicht war vor dem Amtsantritt Ihres Vorgängers Hans Meiser. Etwa Hermann Bezzel hätte so reden können, wie Sie 88 89 90 91 92

Friedrich: Theologische Stellungnahme vor der Landessynode, 25.-30. November 2001, in: Information der bayerischen Landessynode Nr. 26, S. 5 ibid. ibid. ibid. ibid.

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gestern geredet haben. Wir haben doch inzwischen gelernt, dass die ZweiReiche-Lehre keine Zwei-Bereiche-Lehre ist.“93 Der Synodale Hans-Gerhard Koch hat dagegen etwas anderes aus der Rede herausgehört: „Ich habe die Ausführungen des Herrn Landesbischofs eigentlich nicht so verstanden, dass er eine völlig überholte Version der alten Zwei-Reiche-Lehre vertreten hat und ich habe sehr deutlich gehört, dass er gesagt hat, dass der Auftrag Gottes sich in beiden Regimenten – deshalb rede ich auch lieber von der ZweiRegimenten-Lehre – verwirklicht.“94 Was der Auftrag Gottes in der konkreten Situation des AfghanistanKrieges ist, darüber wird bei der Synodaltagung stundenlang gerungen. Dem Entwurf des federführenden Ausschusses für Gesellschaft und Diakonie für ein Wort der Synode, in dem der Militärschlag nicht abgelehnt wird, stehen die Alternativanträge 46 und 47 gegenüber, die eine Verurteilung des Krieges vorschlagen. Der Ausschuss für Grundfragen des kirchlichen Lebens macht sich den – auf der Synode noch modifizierten – Antrag 46 der Münchner Dekanin Ursula Seitz zu eigen, in dem der Militäreinsatz in Afghanistan eindeutig abgelehnt wird: 1.

2. 3.

4.

Die Landessynode der Evang.-Luth. Kirche in Bayern distanziert sich von der Bombardierung Afghanistans, insbesondere von dem Einsatz von Streubomben. Sie missbilligt den Einsatz der Bundeswehr, solange die kriegerischen Handlungen andauern. Sie hält stattdessen ein verstärktes Engagement bei der Suche nach nicht militärischen Mitteln der Terrorbekämpfung und erweiterte Hilfsmaßnahmen für die notleidende Bevölkerung Afghanistans für erforderlich. Sie befürchtet eine Ausweitung des Krieges auf weitere Länder, die mögli95 cherweise Terroristen beherbergen, und sagt dazu nein.

Der Synodale Günther Beckstein, CSU-Politiker und bayerischer Innenminister, kritisiert das Papier massiv: „Es erscheint mir wie ein Papier des Minderheitenflügels beim Grünen-Parteitag.“96 Seiner Meinung nach hat der Militäreinsatz in Afghanistan weitere Terroranschläge verhindert: „Wer sagt: Nein zu Terroranschlägen, muss nach menschlichem Ermessen gleichzeitig akzeptieren, dass es zu massiven weiteren Terroranschlägen gekommen wäre, wenn

93 94 95 96

ELKB: Landessynode in Erlangen (29. November 2001), S. 125 a. a. O., S. 126 Seitz: Antrag zum Krieg in Afghanistan (Neuformulierung vom 29. November 2001), gleichzeitig Antrag des Ausschusses für Grundfragen ELKB: Landessynode in Erlangen (29. November 2001), S. 122

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man eben nicht Militär eingesetzt hätte.“97 Antragstellerin Ursula Seitz ist ganz anderer Meinung: „Ich kann es nicht glauben, … dass die Bombardierung von Städten Terroranschläge verhindern soll. Im Gegenteil – ich befürchte, sie werden sie verschärfen und vermehren.“98 Damit begründet sie, dass ein Kriterium aus der Lehre des gerechten Krieges – die Zielerreichung – nicht gegeben sei. Als zweites Kriterium, das nicht erfüllt sei, nennt sie die Verhältnismäßigkeit der Mittel: „Es nützt ja nichts, wenn wir fordern, dass allein das militärische Potential des Gegners zerstört werden darf. Wir erleben doch, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass unschuldige Zivilisten in großer Zahl getötet worden sind.“99 Auch die Münchner Dekanin, die sich ausdrücklich auf Jesu Gebot des Gewaltverzichts beruft, rechtfertigt ihr Votum also mit Argumentationsfiguren der bellum-iustum-Lehre. Als zweite Alternative bringen die drei Synodalen Kirsten Jörgensen, Martin Hoffmann und Rainer Oechslen als Antrag 47 die Erklärung des Vorstands der Gesellschaft für Evangelische Theologie ein. Darin verlangen die Unterzeichner einen „sofortigen Abbruch der Militäraktionen“100. Argumentiert wird von zwei unterschiedlichen Positionen aus: Von den ethischen Überzeugungen der christlichen Tradition her sehen wir uns zu diesem Appell veranlasst, weil sowohl vom Standpunkt eines christlichen Pazifismus her, als auch von dem Maßstab der traditionellen Kriterien des ‚gerechten Krieges’ die gegenwärtigen Maßnahmen militärischer Gewaltanwendung nicht zu rechtfertigen sind weil die zivilen Opfer in der Region schon jetzt jedes hinnehmbare Maß bei weitem übersteigen weil der Einsatz heimtückischer Waffen wie Streubomben nicht nur jetzt unschuldiges Leben grausam tötet, sondern auch in der Zukunft für lange Zeit unverantwortliche Risiken für die Zivilbevölkerung mit sich bringt weil in keiner Weise erkennbar ist, dass die völkerrechtlich legitimen Ziele, die angestrebt werden, durch die gegenwärtigen Militärmaßnahmen erreicht werden können weil die Militärmaßnahmen immer mehr Menschen einem gewaltbereiten Islamismus zutreiben und die Entwicklung eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen zunehmend erschweren 97 98 99 100

a. a. O., S. 121 a. a. O., S. 124 ibid. Gesellschaft für Evangelische Theologie: Erklärung zum Krieg in Afghanistan (1. November 2001), gleichzeitig Antrag 47 der Synodalen Kirsten Jörgensen, Martin Hoffmann und Rainer Oechslen zur Synodaltagung in Erlangen (29. November 2001)

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weil sie die Gefahr zukünftiger terroristischer Gewaltakte eher erhöhen als vermindern weil sie nichts dazu beitragen, durch die Verminderung von Armut und Ungerechtigkeit den Nährboden für Fanatismus und Gewaltbereitschaft 101 auszutrocknen.

Oechslen betont bei der Synodaltagung, dass der von ihm mit unterzeichnete Antrag nicht ins pazifistische Lager einzuordnen sei: „Ich möchte bemerken, dass dieser Antrag keine absolut pazifistische Position vertritt, sondern eine – man könnte sagen – verantwortungspazifistische Position, die durchaus die politische Realität ins Auge fasst.“102 Michael Schibilsky wendet sich gegen eine Zuordnung einzelner Positionen in der Landessynode zu politischen Lagern. Man solle nicht fragen: „Was für taktische Manöver sind das? Was für eine große Koalition oder Nichtkoalition? Ich sehe das nicht so. Sondern ich sehe, dass hier unter völlig veränderten Gesichtspunkten argumentiert wird und wir gegenseitig große Unsicherheiten haben: Was lässt sich jetzt noch genauso sagen, wie wir es bisher gesagt haben?“103 Angesichts dieser Unsicherheiten fühlt sich die Mehrheit der Synodalen vom Papier des Ausschusses für Gesellschaft und Diakonie am besten aufgehoben. Der Antrag 46 (Ursula Seitz und Grundfragenausschuss) wird mit 28:59 Stimmen bei sechs Enthaltungen abgelehnt, der Antrag 47 (Jörgensen, Hoffmann und Oechslen) mit 24:60 Stimmen bei zehn Enthaltungen. Um den letztlich angenommenen Antrag des Ausschusses für Gesellschaft und Diakonie kommt es aber noch zu Diskussionen über einige Änderungsanträge. Etwa wird es abgelehnt, konkret den Einsatz von Streubomben zu verbieten. Hier haben einige Synodale Bedenken, ob sich die Synode nicht zu sehr in militärische Fachfragen einmischt. „Ich glaube, wir haben relativ wenig militärische Sachverständige“, gibt Günther Beckstein zu bedenken. „Aber ich würde eindringlich davor warnen, dass wir uns auf einzelne militärtechnische Fragen einlassen und andere, die wahrscheinlich sehr viel gefährlicher 104 sind, dann weglassen, weil sie im Moment nicht angesprochen werden.“ Die Gegenposition vertritt Bernhard Schiefer: „Ich finde, die Streubomben sind eine besondere Art von Kampfmittel, die geeignet sind, in besonderer Weise die Zivilbevölkerung zu schädigen, weil sie die Gegend verminen.“105 Erfolg

101 102 103 104 105

ibid. ELKB: Landessynode in Erlangen (29. November 2001), S. 124 a. a. O., S. 130 a. a. O., S. 133 ibid.

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mit einem Änderungsantrag hat Schiefer dagegen mit der Forderung, „keine Ausweitung des militärischen Einsatzes auf weitere Staaten“106 zuzulassen. Im Wort der Synode, das auf der Grundlage des Papiers des Ausschusses für Gesellschaft und Diakonie verabschiedet wird, wird auf die Kundgebung der EKD-Synode Bezug genommen und besonders betont, dass militärische Gewalt „nur als ultima ratio (äußerste Möglichkeit) und nur im unbedingt erforderlichen Umfang“ zulässig sei. Bekämpft werden dürfe „allein das militärische Potential der Gegner“. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass „ein solches Eingreifen im Rahmen und nach den Regeln der Vereinten Nationen 107 erfolgt“ . Angesichts des Militäreinsatzes in Afghanistan setzt sich die Landessynode für folgende Ziele ein: -

Begrenzung militärischer Maßnahmen und Schutz der Zivilbevölkerung, keine Ausweitung des militärischen Einsatzes auf weitere Staaten, Entwicklung international koordinierter und wirksamer Terrorprävention, Einrichtung und Stärkung eines Internationalen Strafgerichtshofs und internationaler Polizeikräfte, Stärkung der politischen und diplomatischen Vermittlungsfunktion der Bundesrepublik Deutschland, wie sie am Beispiel der Afghanistankonferenz in Bonn erkennbar geworden ist, Engagement für einen gerechteren Welthandel, Wiederaufstockung der Entwicklungshilfe und Verstärkung humanitärer Hilfeleistungen, Intensivierung und Qualifizierung des interreligiösen Dialogs auch mit Muslimen und Abbau von Fremdenfeindlichkeit, Schaffung einer internationalen Friedensordnung, in der gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Toleranz weltweit verwirklicht werden kann.108

Die unverbindliche Haltung der Landessynode zur militärischen Gewalt wird später von der landeskirchlichen Oppositionsgruppe Bündnis 2008 kritisiert: „Beim Afghanistan-Krieg war die kirchliche Position sehr schwammig und keineswegs eindeutig“, so deren Sprecher Martin Hoffmann. Es stelle sich die Frage, ob sich die Kirche „stärker an der Mehrheitsmeinung als am Evangelium orientiere“109. Keinen größeren Dissens, sondern nur ein Ringen um einzelne Formulierungen gibt es zum Antrag des Ausschusses für Weltmission und Ökumene, der nach den Worten seines Vorsitzenden Fritz Schroth einen ganz anderen Charakter hat: „Dieses Wort ist ein seelsorgerliches Wort, ist nach innen gerich106 107 108 109

a. a. O., S.134 a. a. O., S. 266 ibid. SoBl Nr. 7 vom 16. Februar 2003, S. 12

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tet. Es ist die Frage des Umgangs mit dem Islam und was daraus folgt. Und schließlich noch zu den Diskussionen zu den Welthandelsbeziehungen.“110 Aus diesem Grund einigt sich die Synode schließlich auch auf die Überschrift Bitte an die Gemeinden anlässlich der Terroranschläge111. Ohne Gegenstimmen wird dieser Antrag schließlich angenommen. Darin werden die Gemeinden darauf hingewiesen, dass sich durch die Erschütterung der Menschen durch die Terroranschläge des 11. September auch neue Möglichkeiten ergeben: „Die durch den Terror verstärkt gestellten Fragen nach dem Grund der Kraft und dem Sinn unseres Lebens sind zugleich eine Chance, den Menschen innerhalb und außerhalb unserer Gemeinden in Seelsorge, Unterricht und Verkündigung die elementaren Grundlagen unseres Glaubens wieder zu verdeutlichen und nahe zu bringen, dass allein der Dreieinige Gott ‚Schutz und Schirm vor allem Ar112 gen, Stärke und Hilfe zu allem Guten’ ist (Konfirmationssegen).“ Eingegangen wird auch auf die interreligiösen Kontakte mit dem Islam: „Wir wissen, dass die in unserem Land lebenden Muslime sich zum größten Teil deutlich vom Terror distanziert haben. Wir ermutigen die Gemeinden, die bestehenden Verbindungen zu dialogbereiten Muslimen und Moscheevereinen weiter zu pflegen und neue Kontakte aufzubauen, um so die Integration zu fördern und das bisher schon Erreichte nicht zu gefährden.“113 In dem Papier wird auch auf die Folgen der Globalisierung und den Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit hingewiesen: „Zugleich haben die Terroranschläge und die nachfolgenden Diskussionen erneut daran erinnert, dass durch die Art der Welthandelsbeziehungen die ohnehin armen Länder benachteiligt werden und sich damit die Schere zwischen Armut auf der einen Seite und Reichtum auf der anderen Seite im internationalen Bereich weiter öffnet. Wir bitten mit Nachdruck alle Verantwortlichen in Kirche, Gesellschaft und Politik, die Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe mit diesen Ländern zu intensivieren und die dafür notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um so einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Gewalt 114 und Terror zu leisten.“ Bedauerlich ist, dass dieses Papier nicht – wir ursprünglich vorgesehen – die Überschrift Ergänzende Erklärung der Landessynode zu den Konsequenzen aus den Terroranschlägen trägt, denn so wäre ihm ein größeres Gewicht zugekommen.

110 111 112 113 114

ELKB: Landessynode in Erlangen (29. November 2001), S. 136 a. a. O., S. 141 a. a. O., S. 266 ibid. ibid.

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7.5 Weitere Landessynoden Die Landessynode Anhalts kann sich bei ihrer Tagung im November 2001 nur zu einer indirekten Verurteilung des Krieges in Afghanistan durchringen: „Wir teilen die Ansicht, dass die Terroristen durch ordentliche Gerichte verurteilt werden müssen.“115 Dass die Militärschläge der von den USA und Großbritannien geführten Koalition nicht die Zustimmung der Synode finden, wird auch aus einer zweiten Formulierung deutlich: „Die Landessynode unterstützt alle diplomatischen und politischen Bemühungen, den Krieg zu beenden und bereits jetzt an einer gerechten Nachkriegsordnung zu arbeiten.“116 Wenn der Krieg beendet werden soll, ergibt sich daraus im Umkehrschluss nicht unbedingt die Unzulässigkeit des Krieges. Unmissverständlicher wäre es aber gewesen, die Synode hätte dies eindeutig formuliert. Ähnlich äußert sich auch die rheinische Landesynode, die zwar den Krieg als „untaugliches Mittel“117 gegen Terrorismus bezeichnet, die Militärschläge gegen Afghanistan aber nie explizit verurteilt. Dennoch ergibt sich dies indirekt aus der Forderung, den „Einsatz von Militär in Kriegs- und Bürgerkriegsregionen mit dem Ziel der Stabilisierung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse und der Wiederherstellung einer stabilen und funktionsfähigen staatlichen Ordnung“ unter das Mandat der Vereinten Nationen zu stellen.118 Als angemesseneres Mittel gegen den Terror schlägt die rheinische Synode den Kampf gegen die Armut vor: „Unser Bekenntnis zu Jesus Christus fordert uns auf, in uneingeschränkte Solidarität mit den Armen für eine gerechtere Welt für alle einzutreten. Erst durch eine ‚AntiArmutskoalition’ kann dem Terrorismus wirksam der Nährboden entzogen werden.“119 Im Gegensatz zu anderen kirchlichen Stellungnahmen werden auch die innenpolitischen Folgen von 9/11 thematisiert: „Gesetzesverschärfungen und Grundrechtseinschränkungen mit dem Ziel, dem berechtigten Bedürfnis der Menschen, unbedroht zu leben, Rechnung zu tragen, müssen die Grenzen der Verhältnismäßigkeit unbedingt achten. Alle Verantwortlichen sind aufgefordert, das Klima im Zusammenleben verschiedener Gruppen unserer Gesellschaft nicht durch Verdächtigungen gegenüber Minderhei-

115 116 117 118 119

Landeskirche Anhalts: Beschluss der Landessynode vom 16./17. November 2001 ibid. EKiR: Beschluss der Landessynode vom 10. Januar 2002, S. 2 vgl. a. a. O., S. 2f. a. a. O., S. 1

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ten und Andersdenkenden zu vergiften und eine unvertretbare Militarisierung des Denkens und der Sprache zu vermeiden.“120 Der Bremische Kirchentag betont in seiner Sitzung am 28. November 2001, dass es unter den Christen unterschiedliche Ansichten zum Afghanistan-Krieg gibt: „Die Botschaften, Gebete und Bitten von Muslimen und Christen haben den Krieg in Afghanistan nicht aufhalten können. Viele Christen sind darüber verzweifelt und sie fordern einen sofortigen Stopp des Krieges. andere stimmen in großem Zweifel und Bedrückung einem begrenzten Militäreinsatz in Afghanistan zu. Aber auch sie hoffen, wünschen und fordern, dass dieser Krieg die so dringend notwendigen humanitären Hilfs121 maßnahmen für die afghanische Bevölkerung nicht verhindern darf.“ Diese Formulierung wird der Bandbreite von Meinungen in der Christenheit gerecht, indem die Differenzen offen angesprochen werden. Die Erklärung geht jedoch mit einer wichtigen Forderung, die auch Kritik an Deutschland enthält, über die momentane Situation hinaus: „Terrorismus lässt sich nicht mit Krieg besiegen. Es bedarf ziviler Mittel, einen gerechten Frieden aufzubauen, der dem Terrorismus jedweden Nährboden entzieht. Wir vermissen dafür die gleiche Entschlossenheit der USA, Deutschlands und ihrer Verbündeten, wie 122 sie jetzt bei diesem Militäreinsatz zu Tage tritt.“ Wie der gerechte Friede aufgebaut werden soll, wird vom Bremischen Kirchentag auch angedeutet: „Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich als ein Nährboden des Terrorismus muss durch eine wirksame Armutsbekämpfung und durch gerechtere Handlungsbedingungen überwunden werden. Es gilt, die Weltwirtschaft so zu verändern, dass auch arme Länder eine Chance erhalten und dies, ohne den westlichen Lebensstil übernehmen zu müssen.“ Die Westfälische Landessynode im November 2001 bekräftigt „das Friedenszeugnis der Kirche, dass langfristig nur der Weg der Gerechtigkeit zum 123 Frieden führt“ . Die Synode beauftragt die Kirchenleitung, „die neue friedensethische Herausforderung aufzugreifen und der Landessynode 2002 ein Positionspapier vorzulegen“.124 Jedoch werden bereits eindeutige inhaltliche Vorgaben gemacht: „Die ökumenische Dekade zur Überwindung von Gewalt verpflichtet uns als Evangelische Kirche von Westfalen, Strategien und Instrumente nichtmilitärischer Konfliktbearbeitung zu verstärken.“125 120 121 122 123 124 125

a. a. O., S. 3 Kirchentag der Bremischen Evangelischen Kirche am 28. November 2001 ibid. 2. Tagung der 14. Westfälische Landessynode vom 11. bis 16. November 2001, S. 52 ibid. ibid.

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Bei der Tagung im November 2002 spricht Präses Manfred Sorg von der Verletzbarkeit der hochkomplexen Dienstleistungsgesellschaften: „Sie sind nicht alleine mit der Drohung von militärischen Gegenschlägen zu schützen. Demokratische Rechtsstaaten bedürfen zur inneren Sicherheit und Stabilität eines Bürgersinns. Sie brauchen die innere Zustimmung der Menschen, die in ihnen leben.“126 Zudem regt Sorg einen „Dialog der Kulturen“ an: „In diesem Dialog sind wir als Kirche besonders gefordert. Initiativen, Kontakte und Begegnungen zwischen Christen und Muslimen in unserer Landeskirche gilt es weiter zu festigen und auszubauen.“127 Das Positionspapier Frieden durch Recht und Gerechtigkeit, das der Ausschuss für Frieden und Friedensdienste der Westfälischen Landessynode vorlegt, gehört zu den umfangreichsten und reflektiertesten Texten der deutschen Landeskirchen. Der erste Abschnitt des dreiteiligen Papiers beschreibt die neuen friedenspolitischen und friedensethischen Herausforderungen. Beklagt werden darin die neue Form des internationalen Terrorismus, die Kommerzialisierung und Entstaatlichung von Gewalt sowie die Veränderung des strategischen Konzepts der NATO. In diesem Zusammenhang wird auch die deutsche Außenpolitik kritisiert: „Auch Deutschland hat im Zuge dieser Entwicklung seine langjährige militärische Zurückhaltung aufgegeben und beteiligt sich jetzt verstärkt an militärischen Aktivitäten, was im Gegenüber zum sicherheitspolitischen Selbstverständnis der Bundesrepublik der Nachkriegszeit einen gravierenden Wandel in der Grundorientierung bedeutet. Problematisch ist im Einzelfall die Legitimation durch nationale Rechts128 grundlagen.“ Auch die Medien werden kritisiert: „Mit ihrer Hilfe wird nicht nur informiert, sondern zunehmend auch im Sinne bestimmter militärischer Interessen und Optionen manipuliert, indem Wirklichkeit nur sehr fragmentarisch oder verfälscht wiedergegeben wird bzw. aufgrund von Zensur wiedergegeben werden kann.“129 Pazifistische Positionen würden zunehmend umgedeutet und instrumentalisiert: „In der öffentlichen Auseinandersetzung wird dabei der Eindruck erweckt, als habe im 21. Jahrhundert nur noch ein ‚Pazifismus’ Berechtigung, der die Anwendung militärischer Gewalt einschließt bzw. aus-

126 Sorg: Bericht des Präses bei der 3. Tagung der 14. Westfälischen Landessynode (11. bis 14. November 2002), S. 13 127 a. a. O., S. 14 128 Evangelische Kirche von Westfalen: Positionspapier des Ausschusses für Frieden und Friedensdienste (November 2002), S. 85 129 a. a. O., S. 86

Weitere Landessynoden

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drücklich rechtfertigt.“130 Das Papier unterscheidet hier nuanciert zwischen zwei verschiedenen Arten des Pazifismus: „Demgegenüber ist zu betonen, dass ein verantwortlicher Pazifismus sich konsequent um eine Politik friedlicher, gewaltfreier zwischenstaatlicher Konfliktaustragung mit dem Ziel der Aufrichtung einer Rechtsordnung bemüht, ohne deshalb mit einem so genannten radikalen Gesinnungspazifismus identisch zu sein.“131 Gerade die in Politik und Gesellschaft zunehmende Bereitschaft, militärische Konfliktlösungsstrategien zu akzeptieren, erfordere „ein pazifistisches Korrektiv, das sich selbst als reale Alternative und politische Kraft versteht“132. Dabei verweist das Papier auf die schon 1990 von Huber und Reuter vorgenommene Unterscheidung zwischen „organisatorischem Pazifismus“ und „Gesinnungspazifismus“.133 Im zweiten Teil seines Positionspapiers, der sich mit Grundlagen und Zielperspektiven christlichen Friedenshandelns befasst, weist der Ausschuss der Westfälischen Landeskirche auf die umfassende Bedeutung von Gottes Frieden hin: „Der unlösbare Zusammenhang von Frieden und Recht führt über den Horizont individueller Ethik hinaus und zielt ab auf die Veränderung von gesellschaftlichen und globalen Strukturen. Diesen Schalom, der auch die Unversehrtheit der ganzen Schöpfung mit einschließt, gilt es zu 134 135 suchen und ihm nachzujagen (Ps 34,15 ).“ Der Text verweist darauf, dass die Kirchen während der Blockkonfrontation zwischen Ost und West immer wieder gegen Geist, Logik und Praxis der Abschreckung mit atomaren Massenvernichtungsmitteln Einspruch erhoben hätten. Mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges müsse die Kirche „neu darüber nachdenken, wie auf die gegenwärtigen Herausforderungen angemessen reagiert und das eigene friedensethische Bekenntnis profiliert werden kann“136. Abschließend nennt das westfälische Positionspapier zehn aktuelle Leitlinien für das christliche Friedenshandeln. Neben aus anderen Stellungnahmen bekannten Forderungen wie der nach Gerechtigkeit, einer „prima ratio“ gewaltfreien Handelns und genauen Kriterien für den Fall der „ultima ratio“ kommen auch neue Gesichtspunkte in den Blick. So wird nach den ethischen 130 131 132 133 134 135

ibid. ibid. ibid. vgl. Huber & Reuter 1990, S. 110-113 Ps 34,15: „Lass ab vom Bösen und tu Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!“ Evangelische Kirche von Westfalen: Positionspapier des Ausschusses für Frieden und Friedensdienste (November 2002), S. 87 136 a. a. O., S. 88

162

Der Krieg in Afghanistan

Konsequenzen für den Soldatenberuf in einer nach Auftrag und Wehrstruktur veränderten Bundeswehr gefragt und konkret angeregt, „herauszuarbeiten, in welchen Fällen ein Recht oder auch die Pflicht zur ‚situativen Kriegsdienstverweigerung’ gegeben ist“137.

7.6 Die römisch-katholische Kirche Papst Johannes Paul II. weist in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2002 darauf hin, dass der Friede ein „Werk der Gerechtigkeit und der Liebe“138 ist. Dennoch heißt er begrenzte Militäraktionen gegen Terroristen für gut: „Es besteht daher ein Recht auf Verteidigung gegen den Terrorismus. Es ist ein Recht, das sich wie jedes andere bei der Wahl sowohl der Ziele wie der Mittel an moralische und rechtliche Regeln halten muss. Die Identifikation der Schuldigen muss entsprechend bewiesen werden, weil die strafrechtliche Verantwortung immer personal ist und daher nicht auf die Nationen, Ethnien und Religionen, denen die Terroristen angehören, ausgedehnt werden kann.“139 Im September 2001 hatte die Frankfurter Allgemeine noch „Meinungsunterschiede im Vatikan“140 diagnostiziert und als Beleg unterschiedliche Äußerungen von Papst Johannes Paul II. und Vatikansprecher Navarro-Valls angegeben. Während der Papst bei einer Reise nach Kasachstan das Gastgeberland für den Verzicht auf das sowjetische Atomwaffenarsenal und die dahinter stehende pazifistische Überzeugung lobt141, hebt der Direktor des vatikanischen Presseamtes nur wenige Stunden später das Recht auf Selbstverteidigung hervor: „Wenn jemand der Gesellschaft eine schwere Verletzung zugefügt hat und die Gefahr besteht, dass er weitere schlägt, dann hat der verantwortliche Führer einer Nation sicher das Recht, das Prinzip der Selbstverteidigung anzuwenden, auch wenn die notwendigen Mittel Angriffswaffen sind.“142 Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, betont demgegenüber die Bedeutung des Friedens für den christlichen Glauben. Der Weltfriedenstag 2002 mit seinem Leitwort Ohne Vergebung gibt es keinen Frieden verfolge den Zweck, „die katholischen Christen zu ermutigen, sich auf die 137 a. a. O., S. 92 138 Johannes Paul II.: Botschaft des Heiligen Vaters zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2002, in: Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising 2002.2, S. 10 139 a. a. O., S. 12 140 Fischer: FAZ Nr. 226 vom 28. September 2001, S. 7 141 vgl. ibid. 142 ibid.

Die römisch-katholische Kirche

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Grundfragen des Friedens und die Friedenshoffnung des Evangeliums zu besinnen. (…) Die Gedanken von Vergebung und Versöhnung, die im Zentrum des christlichen Glaubens stehen, sind solche Grundlagen unseres Friedensdenkens.“143 Hinter dem abgrundtiefen Hass der Terroristen des 11. September stünden zweifellos auch „Unversöhntheiten, die weder mit militärischen noch mit politisch-pragmatischen Mitteln überwunden werden können und die den Gewalttätern immer neuen Zulauf verschaffen“144. Lehmann nennt in diesem Zusammenhang die seit Jahrzehnten andauernden Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern und das „schwierige und belastete Verhältnis zwischen der muslimischen Welt und dem stark christlich mitgeprägten Westen“145. Kardinal Lehmann unterstützt dennoch die Entscheidung von Bundesregierung und Bundestag, sich militärisch am war on terror zu beteiligen: „Wir bejahen die Solidarität mit den Vereinigten Staaten, die das Opfer brutaler terroristischer Anschläge geworden sind und sich – ebenso wie andere Länder – vor der Gefahr weiterer Terrorakte sehen. Wir anerkennen, dass sich Deutschland den Verpflichtungen, die unser Land innerhalb des Nordatlantischen Bündnisses eingegangen ist, in der Stunde der Gefahr nicht entziehen 146 darf.“ Die Bischofskonferenz gibt jedoch keine Zustimmung für die gesamte Dauer des Militäreinsatzes: „Wir halten es in dieser Lage für unabdingbar, dass die deutsche Regierung und das Parlament den weiteren Verlauf der militärischen Aktionen regelmäßig auf seine Verantwortbarkeit hin überprüft.“147 Lehmann lässt aber keine Zweifel daran, dass militärische Gewalt nur ultima ratio sein kann und das Ziel der Bischöfe der Frieden ist. Damit schließen die Kriterien an die bisherigen friedensethischen Aussagen der römisch-katholischen Kirche an: „Jeder Einsatz militärischer Mittel – auch der völkerrechtlich legitimierte – bleibt demnach ein Übel. (...) Unser Gebet gilt dem Frieden.“148 Zu einem solchen Friedensgebet lädt Papst Johannes Paul II. am 24. Januar 2002 nach Assisi ein. Es soll eine „gemeinsame Antwort der Weltreligionen auf die großen Nöte und Ängste unserer Zeit, insbesondere auf Krieg und

143 144 145 146

Lehmann 2002, S. 10 ibid. ibid. Lehmann: Erklärung zur möglichen Beteiligung von Soldaten der Bundeswehr an militärischen Operationen gegen den internationalen Terrorismus, 8. November 2001 147 ibid. 148 ibid.

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Der Krieg in Afghanistan

Terror sein“149. Der Münchner Erzbischof Friedrich Wetter setzt auf die Kraft des Gebets und des Fastens in der Adventszeit und ruft zum 14. Dezember 2001 die Gläubigen dazu auf, innezuhalten: „Wenn alle, die an Gott glauben, den Willen Gottes tun, behalten Terror und Krieg nicht das letzte Wort, bleibt die Hoffnung auf eine menschliche Zukunft lebendig, kann das Werk des Friedens gelingen.“150 Auch der Regensburger Bischof Manfred Müller kommt in seinem Weihnachtsgottesdienst zu der Aussage, „militärische Mittel alleine“ genügten langfristig nicht. Ohne „Gerechtigkeit und inneren Frieden, ohne Frieden mit sich selbst, ja letztlich ohne Frieden mit Gott“ gebe es keinen wahren Frieden.151 Ein Jahr später bringt der neue Regensburger Oberhirte Gerhard Ludwig Müller einen ähnlichen Gedanken vor: „Weltliche Macht kann nicht den Frieden bringen, sondern allenfalls einen vorübergehenden Waffenstillstand.“152 Diesen Zustand vergleicht der Bischof mit der pax romana zu Zeiten des Kaisers Augustus. Zu einer positiven Bewertung der Militäraktion gegen Afghanistan kommt der Apostolische Nuntius in Deutschland, Giovanni Lajolo, in seiner Ansprache beim Empfang des Bundeskanzlers für das Diplomatische Korps am 19. Dezember 2001: „Das rasche Handeln hat sich in der außerordentlich breiten und – ich möchte sagen – fast universalen Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika konkretisiert. Und dieses Solidarität ist nicht bei pflichtgemäßen Sympathiebezeugungen stehengeblieben, sie hat vielmehr in einer umfassenden Vereinbarung im Kampf gegen den Terrorismus und auch in einer militärischen Aktion unter aktiver Teilnahme verschiedener anderer Staaten Gestalt angenommen – mit dem Ziel, die für die Terrorakte Verantwortlichen dingfest zu machen und diejenigen zu bestrafen, die ihnen Unter153 schlupf und Hilfestellung gegeben haben.“ Zu fragen ist, warum der Vertreter des Vatikans mit keinem Wort auf die Folgen der Militärschläge für die Zivilbevölkerung in Afghanistan eingeht.

149 150 151 152 153

Wetter: Aufruf zum Fasten- und Friedensgebet am 14. Dezember 2001 ibid. Tautz: PM vom 25. Dezember 2001 Tautz: PM vom 25. Dezember 2002 Lajolo: Ansprache am 19. Dezember 2001

Stellungnahmen christlicher Organisationen

165

7.7 Stellungnahmen christlicher Organisationen 7.7.1

Evangelische Arbeitskreise

Vor einer „Nibelungentreue“ Deutschlands gegenüber den USA warnt Christoph Demke, der Bundesvorsitzende der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für die Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK). „Der deutsche Beitrag muss sich an der Seite der USA auf die diplomatische Vorbereitung der künftigen Lösung der Machtfrage in Afghanistan konzentrieren, damit es zu einer Beendigung der Militärschläge kommt. Diese Beendigung ist aus humanitären und politischen Gründen geboten“, fordert er. Er sieht auch in der Zwischenbilanz der EKD „allen Grund, um von einer weiteren Steigerung der Militäraktionen abzuraten und einer deutschen Beteiligung daran zu 154 widersprechen“. Ähnlich äußert sich das Forum Friedensethik (FFE) der Evangelischen Kirche in Baden. Die Kritik der 13 Thesen des Memorandums trifft jedoch nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die EKD: „Der in den Kirchen über lange Zeit aufgebaute Konsens einer ‚vorrangigen Option für Gewaltfreiheit’ und das Postulat des „Gerechten Friedens’ geht in einem friedensethischen Dammbruch verloren. Der Gedanke der ‚ultima ratio’ legitimiert erneut den Krieg als Mittel der Politik. Kirchliche Stellungnahmen büßen ihre Kraft zu einer Begrenzung von Gewalt ein und werden von den politi155 schen Akteuren ignoriert.“ Die öffentlich genannten Kriegsgründe für Afghanistan hält das FFE für vorgeschoben: „Die Interessen an dortigen Ölvorkommen sind schon länger bekannt. Die USA haben in der Vergangenheit verschiedene Bürgerkriegespartien unterstützt, zuletzt auch die jetzt bekämpften Taliban.“156 Zwei Monate später weist das Forum Friedensethik der badischen Landeskirche bei einer Studientagung auf die Folgen des Afghanistan-Krieges hin: „Die ohne Respekt vor dem Völkerrecht durchgezogene Gewaltaktion hat ihrerseits in der ganzen Welt Gewalttäter ermutigt. (...) Amnesty International berichtet darüber, dass in vielen Ländern die Menschenrechte unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung mehr denn je missachtet werden.“157

154 155 156 157

Demke: PM vom 24. Oktober 2001 EKiBa, FFE: Aufruf zum Thema „Krieg als Mittel der Politik“ (Mai 2002) ibid. EKiBa, FFE: Erklärung der Teilnehmer der Studientagung am 6. Juli 2002, S. 1

166

Der Krieg in Afghanistan

Kritik an den Reaktionen aus der Friedensbewegung übt eine Organisation, die selbst dazu zählt. In einer Erklärung der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) heißt es: „In der Folge des 11.9. war allerdings insbesondere in Teilen der Friedensbewegung eine Tendenz zu verzeichnen, die sehr schnell von der Solidarität mit den Opfern sich fortbewegte zu einer deutlichen Kritik an der Politik der USA. Dies wurde in sehr deutlicher Weise auf der zentralen Demonstration am 13.10. in Berlin [erkennbar], wo kein einziges Transparent an die Opfer des Anschlags erinnerte. Auffallend war auch, dass die deutlich antisemitische Signatur der Anschläge wie auch der Kommentare von Osama bin Laden weder in der Friedensbewegung noch in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielte. Beide Unterschlagungen scheinen uns 158 sehr kritikwürdig.“ Bezüglich des Militäreinsatzes in Afghanistan räumt die ASF unterschiedliche Meinungen im eigenen Lager ein, „die von einer Befürwortung des Einsatzes bis zu einer Ablehnung reichen“159. Gemeinsam sei den Positionen jedoch, „dass sie die Art und Weise der Unbedingtheit und Alternativlosigkeit und der Ungebrochenheit, mit der der militärische Einsatz … betrieben wird, kritisieren“160. Ein Griff zu den Waffen stelle immer die Folge eigenen Versagens dar. „Konkret sollte dies heißen, dass sowohl Russland wie auch die USA inklusive der NATO-Bündnisstaaten, also auch Deutschland, zunächst ihre Politik der letzten 25 Jahre auf eigenes Versagen hin befragen müssten. Ein Versagen, das folgenreich für den afghanischen Staat, aber auch für die westlichen Staaten und die islamischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion war. Hat doch die Destabilisierungspolitik der USA unter Zustimmung der NATO-Staaten im Verein mit Pakistan in Richtung auf die Sowjetunion die Taliban erst groß werden lassen und die Reaktion, also der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan vor 22 Jahren das Land in der 161 Folge verheert.“ Kritische Anmerkungen zu deutschen Politik macht ASF-Geschäftsführer Christian Staffa: „Mich beunruhigt auch die einem Kritikverbot gleichkommende Aufforderung zu ‚uneingeschränkter Solidarität’ und der Versuch, sich mit einer Kriegsbeteiligung von der Geschichte loszulösen und ‚erwachsen’ zu werden. Abgesehen davon, dass die Loslösung nicht gelingen wird, scheint mir dies das Gegenteil von Erwachsensein zu symbolisieren.“162 158 159 160 161 162

ASF: PM vom 19. Dezember 2001 ibid. ibid. ibid. Staffa: Editoral vom Dezember 2001

Stellungnahmen christlicher Organisationen

7.7.2

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Katholische Verbände

Einen Appell, für ein sofortiges Ende der Kriegshandlungen in Afghanistan einzutreten, richtet der Geschäftsführende Vorstand von pax christi am 30. Oktober 2001 an die Bundesregierung: „Wer Anfang Oktober die Militäraktionen noch für ‚maßvoll’ und ‚verantwortbar’ gehalten hat, erfährt jetzt aus immer mehr Medienberichten, welche furchtbaren Schäden angerichtet werden: Deutschland muss gegen die weitere Bombardierung protestieren, die Wohngebiete, Versorgungseinrichtungen, Lager von Hilfsorganisationen getroffen hat, gegen Streubomben, die viele zivile Opfer fordert [sic!] und vermintes Land zurücklassen, gegen die ungeheure Verschärfung des Flücht163 lingselends.“ Ähnlich äußert sich die Delegiertenversammlung der deutschen Sektion von pax christi drei Wochen später: „Wir erheben Einspruch gegen den Einsatz der Bundeswehr, weil Krieg ein untaugliches Mittel gegen terroristische Anschläge darstellt. (…) Der Einsatz der militärischen Mittel war und ist unverhältnismäßig. Streu- und Benzinbomben sind völkerrechtlich geächtet. Eine nicht bekannte und nicht genante Zahl von zivilen Opfern ist zu beklagen. Dies erzeugt neue Hass- und Rachegefühle.“164 Die Erklärung von pax christi bewertet den Bundeswehreinsatz auch unter historischen Gesichtspunkten: „Dieser Kriegseinsatz ist der vorläufige Höhepunkt einer in den fünfziger Jahren begonnenen Remilitarisierung Deutschlands. Wiederholt wurden unter dem Druck aktueller Ereignisse neue und erweiterte Formen von Militäreinsätzen durchgesetzt.“165 Gedanken macht sich pax christi in diesem Zusammenhang auch über den Begriff der Sicherheit: „Sicherheitspolitik wird einseitig von den reichen Staaten des Nordens her definiert, die sich für den zivilisierten Teil der Welt halten. Innenpolitisch geht dies einher mit zunehmend restriktiven Maßnahmen zur Inneren Sicherheit. Nötig ist ein erweitertes Verständnis von Sicherheit im Sinne des Rechts aller Menschen auf ein Leben in Würde und ohne Not.“166 Gegen die antimuslimische Stimmung in Deutschland wehrt sich der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer: „Wer dem gerechten Frieden dienen will, muss die Menschen und die Völker einen wollen“, sagt er vor dem Hauptausschuss des ZdK am 12. Oktober 2001. „Diese Einheit erwächst nur aus der Gemeinsamkeit in der Viel163 164 165 166

pax christi: Erklärung des Geschäftsführenden Vorstands am 30. Oktober 2001 pax christi: Beschluss der Delegiertenversammlung (16.-18. November 2001) ibid. ibid.

168

Der Krieg in Afghanistan

falt. Daher müssen wir die anderen Kulturen und Religionen achten. Wer jetzt den Islam für die Verbrechen der Terroristen verantwortlich macht und muslimische Mitbürger beleidigt oder angreift, trägt zu der Kluft bei, die jetzt die Welt zu spalten droht, und vergisst, dass auch das Christentum für Kriege und terroristische Akte missbraucht worden ist.“167 Das aus dem Hirtenwort von 2000 bekannte Schlagwort vom gerechten Frieden benutzt Meyer in seiner Rede noch in einem zweiten Zusammenhang: „Es gibt keinen gerechten Frieden, so lange Menschen hungern und ihrer Rechte beraubt werden. Elend und Unrecht sind der Nährboden für Hass und Verblendung, die zu Terror und Krieg führen.“168 In seiner kurzen Stellungnahme gibt Meyer einige Denkanstöße, die über die tagespolitischen Fragen hinaus wirken. Er muss aber auch feststellen, dass Sätze, die ihren Sinn erst im Zusammenhang mit der ganzen Rede offenbaren, in der Presse oft sinnentstellend dargestellt werden. Die Schlagzeilen in einigen Zeitungen sagen, Meyer habe die Bombenangriffe auf Afghanistan als notwendige Strafe für die Täter bezeichnet. Das ist jedoch eine unzulässige Verkürzung des betreffenden Redeabschnitts, der folgenden Wortlaut hat: Die terroristischen Anschläge vom 11. September waren ein Angriff auf die Würde und das Leben jedes Menschen. Wer für sich das Recht in Anspruch nimmt, unschuldige und unbeteiligte Menschen anzugreifen und zu ermorden, um damit politisch oder religiös motivierte Ziele zu erreichen, greift die ganze Menschheit an. Darum ist entschlossenes Handeln mit allen dafür erforderlichen Mitteln einschließlich militärischer Gewalt nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig, um die Täter und die Verantwortlichen zu bestrafen und die Wiederholung solcher Verbrechen zu verhindern. Mit folgenlosen Gesten, die vor allem Ausdruck eigener Angst sind und im Grunde nur dazu dienen, uns selbst ein gutes Gewissen vorzutäuschen, werden wir der Herausforderung 169 nicht gerecht.

Meyer wiederholt diesen Teil seiner Erklärung vor der ZdK-Vollversammlung am 23. November 2001 und betont, er stehe nach wie vor uneingeschränkt „zu den Formulierungen wie zu den Proportionen des Textes“.170 Als Kern der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit bezeichnet der ZdK-Präsident die Frage: „Ist es berechtigt, auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren, um dadurch weitere Gewalt zu verhindern?“171 Dazu nimmt Meyer eine eindeutige Positi167 168 169 170 171

Meyer: Erklärung vor dem ZdK-Hauptausschuss am 12. Oktober 2001 ibid. ibid. Meyer: Rede vor der ZdK-Vollversammlung am 23. November 2001 ibid.

Spätere Bewertungen

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on ein, die radikaler ist als die der meisten kirchlichen Äußerungen: „Wer erklärt, auf Gewalt müsse unter allen Umständen verzichtet werden, sollte offen sagen, dass er gegen Mord und Vergewaltigung keine anderen Mittel einsetzen will als Geld und gute Worte. Eine solche Haltung entlarvt sich selbst als unverantwortlich, sobald sie nicht abstrakt auf ferne Gegenden, sondern auf uns selbst, unser Land angewendet wird. Gegen die Absichten jener, die so etwas fordern, dient diese Haltung nicht dem Frieden, sondern gibt Gewaltverbrechern freie Bahn.“172 Mit dieser Aussage will Meyer jedoch keinen Persilschein für den Krieg gegen Afghanistan ausgestellt haben: „Auch wer militärische Aktionen in Afghanistan für unausweichlich hält, kann sehr wohl fragen, ob Art und Ausmaß der Bombardements zu rechtfertigen sind. Wichtig ist vor allem, nach dem politischen Konzept zu fragen, das jeder militärischen Aktion erst ihren Sinn gibt und ihre Grenzen setzt.“173

7.8 Spätere Bewertungen Beim ökumenischen Gedenkgottesdienst am 11. September 2002 im Berliner Dom wünscht sich der Berliner Bischof Wolfgang Huber eine „Achse des Friedens“ als Reaktion auf die Anschläge in den USA: „Denn auch der Frieden lässt sich in einer globalisierten Welt nur noch global sichern.“174 Huber kritisiert auch den Krieg in Afghanistan: „Dass Gewalttäter vor ihren irdischen Richter kommen, ist dabei dringlich zu wünschen. Doch der gewaltsame Tod von Zivilisten ruft immer Ohnmacht und Leere hervor – bei dem Bauern, der in Afghanistan seine Angehörigen im Bombenhagel verlor, ebenso wie in New York.“175 Diese Aussage steht in Spannung zu einem Zeitschriftenbeitrag Hubers aus dem Januar desselben Jahres. Darin spricht der Bischof zwar davon, dass die Ausübung von Gewalt immer bedeute, sich mit Schuld zu beladen, zieht aber eine andere Schlussfolgerung: „Freilich kann auch Tatenlosigkeit Schuld bedeuten. Wenn wir im Herbst 2001 endlich darauf aufmerksam wurden, was seit Jahr und Tag unter der Herrschaft der Taliban in Afghanistan geschah, ist die Rückfrage unausweichlich, warum Gegenmaßnahmen unterblieben, wie sie auch in Tschetschenien, in 176 Kambodscha, in Ruanda oder an anderen Orten unterblieben sind.“ 172 173 174 175 176

ibid. ibid. Huber: Predigt am 11. September 2002 im Berliner Dom, in: epd-Doku 40/02, S. 13 ibid. Huber: ZEE 46.2002.1, S. 5

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Der Krieg in Afghanistan

Der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock gibt in einem Zeitungsinterview im September 2002 Unsicherheiten in der Bewertung zu: „In Afghanistan ist mir nicht klar, was mit dem Krieg erreicht werden sollte. Die al-Qaida sind nicht besiegt.“177 Dabei erklärt er auch die Unterschiede bei seinen Bewertungen der militärischen Gewalt in Jugoslawien und in Afghanistan: „Ich habe in Bosnien Frauen kennen gelernt, die im Krieg gequält und vergewaltigt worden sind. Nach den Gesprächen hatte ich das Gefühl, dass der internationale Militäreinsatz vermutlich die einzige Möglichkeit war, ihr Elend zu beenden. Aber Angriffe sind letztlich noch nicht die Lösung.“178 Im Ratsbericht auf der Synode im November 2002 in Timmendorfer Strand sieht sich Kock durch den Kriegsverlauf in Afghanistan in seinem Urteil von 2001 bestärkt, wenn er auch vorsichtig formuliert: „Wenn vor Jahresfrist unsere Bedenken gegen ein militärisches Vorgehen groß waren, so scheinen sie im Rückblick eher gerechtfertigt als ausgeräumt.“179 Er beklagt die Folgen des Krieges für die Menschen in Afghanistan: „Der Versuch, die Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 dingfest zu machen und ihr unmittelbares Umfeld zu bekämpfen, hat weitere Tausende unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert.“180 Kock übt deutliche Kritik am Umgang mit gefangenen Al-Qaida- und Talibankämpfern auf dem USMilitärstützpunkt Guantanamo, wenn er sich auch auf andere Autoritäten beruft: „Gegen sie wurde bisher weder eine Anklage erhoben noch wird ihnen hinreichend rechtlicher Beistand gewährt. Das ist nach Auffassung vieler internationaler Menschenrechtsgruppen mit der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen.“181 Der katholische Militärbischof Walter Mixa nennt in einem Vortrag an der Offiziersschule des Heeres in Dresden im Februar 2002 Bedingungen für den Einsatz militärischer Gewalt: „Militärische Einsätze selbst müssen – sofern sie unverzichtbar sind – präzise auf unterschiedliche Zielsetzungen ausgerichtet werden. Müssen gewaltsame Mittel verwandet werden, sind sie auf das absolut Notwendige zu begrenzen. Der praktische Respekt vor den Grundsätzen und Regeln des humanitären Völkerrechts ist gegenüber dem Gegner auch ein Zeichen dafür, dass er als ‚iustus hostis’ (Carl Schmitt) angesehen wird. Auch das ist Voraussetzung für einen Friedensschluss, der am Schluss aller militärischen

177 178 179 180 181

Kock: SZ Nr. 214 vom 16. September 2002, S. 42 ibid. Kock: Bericht des Rates der EKD vom 3. November 2002, in: epd-Doku 47/02, S. 12 ibid. a. a. O., S.12f.

Spätere Bewertungen

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Operationen stehen muss. Darüber hinaus gilt immer der Grundsatz, dass kein noch so guter Zweck ethisch unerlaubte Mittel heiligen kann.“182 In den Kirchen kommen die Diskussionen über den Krieg erst so richtig in Gang, als Verluste unter der afghanischen Zivilbevölkerung von den Alliierten als „Kollateralschäden“ abgetan werden.183 Die Vorbereitungen eines Kriegs im Irak rufen weit mehr Protest hervor als der Krieg in Afghanistan, obwohl auch dort unschuldige Menschen Opfer von militärischer Gewalt wurden. Bischof Wolfgang Huber bedauert dies in einem Interview ausdrücklich: „Es ist erschreckend, dass wir im Blick auf die Opfer an Menschenleben dazu neigen, mit zweierlei Maß zu messen. Christen dürfen das auf keinen Fall zulassen.“184 Für militärische Gewalt setzen sich auch Theologen ein, die ihre Wurzeln in der Friedensbewegung haben. So kommt der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Markus Meckel bei der Beurteilung des internationalen Terrorismus zu dem Schluss: „Gewiss ist diesem nicht nur militärisch zu begegnen! Doch glaubt jemand, dass es ohne den Einsatz militärischer Gewalt geht?“185 Harte Kritik an den kirchlichen Stellungnahmen übt die SPD-Bundestagsabgeordnete Margot von Renesse in einem Zeitschriftenbeitrag. Sie bezeichnet viele Äußerungen kirchlicher Würdenträger als „entweder herzlich banal oder realitätsfern oder anmaßend und einseitig“186. Die Verlautbarungen zur Bundestagsentscheidung zum Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan enthielten zwar eine Fülle von Richtigkeiten, doch: „Freiheit, Verantwortung vor dem eigenen Gewissen und die Pflicht zur eigenständigen Urteilsbildung sind dort leider nicht das Thema. Die uralte christliche Erfahrung, dass Tun wie Unterlassen der Menschen immer mit dem Risiko des Versagens verbunden sind, bedarf für die Kirchen anscheinend keiner Erwähnung. Dabei ist es genau dies, was politisch Handelnden jetzt gesagt wer187 den müsste.“ Dieses Urteil ist so pauschal nicht richtig, denn es gibt sehr wohl kirchliche Stellungnahmen, in denen genau dies erwähnt wurde.188 Interessant ist die Erwartung, die die Politikerin an die Kirchen hat: „Ihr Kerngeschäft ist die Kenntnis menschlicher Schwäche und Unsicherheit. Die Entscheidungsträger ebenso in ihrer Freiheit wie in ihrer Bindung an ihr 182 183 184 185 186 187 188

Mixa: Vortrag am 7. Februar 2002 vgl. RM Nr. 7 vom 13. Februar 2003, S. 29 Huber: Interview mit der Berliner Zeitung am 13. Februar 2003 Meckel 2002, S. 51 von Renesse 2002, S. 56 a. a. O., S. 57 z. B. Landesbischof Friedrich vor der bayerischen Landessynode im November 2001

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Der Krieg in Afghanistan

Gewissen zu respektieren und dabei ihre Furcht vor Versagen mit zu tragen, wäre nun geboten.“189 Der Reformierte Bund setzt sich in seiner Hauptversammlung vom Frühjahr 2002 ausführlich mit dem war on terror auseinander und verabschiedet eine differenzierte Stellungnahme. Dabei wird auf die bisherigen Erklärungen zur Friedensverantwortung der Kirche von 1982190 und 2000191 verwiesen, in denen der Einsatz militärischer Mittel zur Regelung von Konflikten abgelehnt worden war.192 Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sieht die Hauptversammlung mit großer Sorge, dass „die Absicht, diesen Kampf vor allem mit militärischen Mitteln zu führen, zunehmend die Oberhand gewinnt“193. Klare Worte findet der Reformierte Bund gegen die vor allem von US-Präsident Bush verwendete religiöse Begründung des Krieges: Diesem Kampf die religiöse Gestalt eines „Kampfes zwischen Gut und Böse“, gegen eine „Achse des Bösen“ oder gar eines „Kreuzzuges“ zu verleihen, verbiete „der Glaube an die durch Jesus Christus bezeugte und geschehen[e] Versöhnung Gottes mit seiner Welt und allen in ihr lebenden Menschen“194. Kritik übt die Hauptversammlung gegen die Art der Kriegführung: „Auch darf der Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht in Kriegen gegen Staaten bestehen, die der Verbindung mit demselben bezichtigt werden, wobei Tod und Verwundung Tausender unbeteiligter Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, als unvermeidbar in Kauf genommen werden.“195 Der gesamte zweite Teil der Erklärung des Reformierten Bundes besteht aus einem Appell an die Bundesregierung, die dem von der US-Regierung nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 proklamierten war on terror ja zumindest am Anfang eine „uneingeschränkte Solidarität“ zugesagt hat. Die Hauptversammlung bittet die Bundesregierung eindringlich, -

189 190 191 192 193 194 195

den von ihr betonten Vorrang politischer statt militärischer Lösungen bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ernst zu nehmen und die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der AntiTerror-Allianz bei eventuell bevorstehenden Militäreinsätzen gegen weitere Staaten zu verweigern,

von Renesse 2002, S. 57 „Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche“ 59. Hauptversammlung des Reformierten Bundes vom 30.3.-1.4.2000 in Dresden s. u. S. 9 f. u. 10 Reformierter Bund: Erklärung der Hauptversammlung (Juni 2002) ibid. ibid.

Spätere Bewertungen

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ihr Eintreten für einen Abbau der Armut in der Welt – als einer wesentlichen Voraussetzung für Frieden zwischen den Völkern – zu konkretisieren und ihren Einfluss in internationalen Organisationen wie der Weltbank und dem IWF geltend zu machen – u. a. für die Einführung der TobinSteuer –, um auch auf diesem Wege zu einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und Entlastung der unter wirtschaftlicher Abhängigkeit und unbezahlbaren Schulden leidenden Staaten zu gelangen, den von ihr immer wieder angemahnten politischen statt militärischen Lösungen zwischenstaatlicher oder innerstaatlicher Konflikte Nachdruck zu verleihen und Waffenlieferungen in davon betroffene Spannungsgebiete nicht zuzulassen, hingegen – wie bereits im Jahre 1990 auf der Weltkonvokation in Seoul verlangt – zur „Verwurzelung in einer Kultur der aktiven und lebensfreundlichen Gewaltfreiheit“ den Aufbau eines wirksamen zivilen Friedensdienstes zu fördern, in Konsequenz ihrer Ächtung von Massenvernichtungsmitteln und in Übereinstimmung mit dem Internationalen Gerichtshof, der 1996 das Drohen mit und den Einsatz von Atomwaffen für völkerrechtswidrig erklärte, die NATO zu einer Strategieänderung zu bewegen, die einen noch immer für legitim erachteten Erstschlag beim Einsatz von Atomwaffen ausschließt – eingeschlossen ist hierbei auch die Ablehnung der angeblich neuen Nuklearstrategie der USA, „handlichere“ Atomsprengköpfe mit reduzierter Nebenwirkung zu entwickeln und gegebenenfalls gegen die sog. Schurkenstaaten einzusetzen, sich zum Erreichen gewaltfreier angemessener Lösungen internationaler und nationaler Konflikte unablässig für eine Stärkung der Autorität der Vereinten Nationen und der Europäischen Union einzusetzen, die sicherstellt, dass Gewaltausübung nicht mehr als Ausdruck des Rechts des Stärkeren, sondern nur noch zur Stärkung des Rechts erlaubt oder auch gebo196 ten sein darf.

Bemerkenswert ist an dieser Erklärung die Konsequenz, mit der die bereits 1982 und 2000 vorgegebene friedensethische Linie der neuen Situation angepasst wird. Die bereits auf dem Höhepunkt der Nachrüstungsdebatte formulierte Ablehnung von Atomwaffen wird auch in der veränderten politischen Situation beibehalten und bekräftigt. Die Bundesregierung wird hier in die Pflicht genommen, über ihre Mitgliedschaft in der NATO auf die Nuklearstrategie der USA einzuwirken. Um gewaltfreie Lösungen von Konflikten zu erreichen, kommt nicht nur der Hinweis auf die Stärkung der UN, sondern – entsprechend deren neuer Rolle nach dem Zusammenbruch des Ostblocks – auch der Europäischen Union. Wohltuend von anderen politischen Stellung196 ibid.

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Der Krieg in Afghanistan

nahmen, die kurzfristige Lösungen anbieten, hebt sich die reformierte Erklärung dadurch ab, dass sie das Thema Gerechtigkeit als langfristige Maßnahme gegen Gewalt thematisiert und dabei auch konkrete Vorschläge wie eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung oder eine Entschuldung der armen Länder macht. Da es zum Irak-Konflikt wesentlich mehr kirchliche Stellungnahmen gibt als zu Afghanistan, soll dem Thema auch in dieser Arbeit ein breiterer Raum zugestanden werden. Weil die Äußerungen vor und nach Beginn der Kampfhandlungen sich deutlich unterscheiden, wird zwischen der Irak-Krise (Kapitel 8) und dem Irak-Krieg (Kapitel 9) differenziert.

8 Die Irak-Krise 8.1 Politische Situation In seiner Rede zur Lage der Nation am 29. Januar 2002 nennt US-Präsident George W. Bush neue Ziele für den war on terror: Nordkorea, Iran und Irak. Er prägt den Ausdruck der Achse des Bösen: „States like these, and their terrorist allies, constitute an axis of evil, arming to threaten the peace of the world.”1 Bei der Rede in der Militärakademie in West Point am 1. Juni 2002 macht Bush deutlich, dass er die Welt in Gut und Böse einteilt: „We are in a conflict between good and evil, and America will call evil by its name. By confronting evil and lawless regimes, we do not create a problem, we reveal a problem. And we will lead the world in opposing it.”2 Bush macht auch klar, dass die USA künftig eine andere militärische Strategie verfolgen werden, nämlich die eines präemptiven Handelns3: „Yet the war on terror will not be won on the defensive. We must take the battle to the enemy, disrupt his plans, and confront the worst threats before they emerge. In the world we have entered, the only path to safety is the path of action. And this nation will act. (...) And our security will require all Americans to be forward-looking and resolute, to be ready for preemptive action when necessary to defend our liberty and to defend our lives.”4 Der angedrohte Irak-Krieg wird in Deutschland zum Wahlkampfthema. Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt schon im August 2002, dass Deutschland sich an einem Krieg gegen den Irak nicht beteiligen werde. In einem ARD-Interview sagt er: „Ich denke, dass wir, wenn es jetzt über militärische Interventionen geht, zurückhaltend sein sollten. Das bedeutet, dass Deutschland sich daran nicht beteiligen wird.“5 Auch in seiner Haushaltsrede im Bundestag am 13. September 2002 wiederholt Schröder diese Einstellung: „Meine Argumente gegen eine militärische Intervention bleiben bestehen. Es 1 2 3

4 5

Bush: State of the Union Address, 29. Januar 2002 Bush: Graduation Speech at West Point, 1. Juni 2002, S. 3 Den Unterschied zwischen präemptivem und präventivem Handeln erklärt Kamp (2002, S. 20): „Von einem präemptivem Angriff spricht man, wenn dieser vor einer unmittelbar zu erwartenden gegnerischen Angriffshandlung stattfindet. Als präventiv gilt eine Kriegshandlung hingegen, wenn sie lediglich auf der Annahme beruht, dass in der nächsten Zeit mit einer militärischen Offensive des Gegners zu rechnen ist.“ Bush: Graduation Speech at West Point, 1. Juni 2002, S. 3 Schröder: ARD-Interview am 9. August 2002, S. 4

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Die Irak-Krise

bleibt ebenfalls klar: Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer militärischen Intervention nicht beteiligen.“6 Obwohl der Irak am 17. September einwilligt, die UN-Waffeninspekteure wieder ins Land zu lassen, ermächtigen am 10. und 11. Oktober 2002 beide Kammern des Kongresses den US-Präsidenten dazu, militärische Gewalt gegen den Irak anzuwenden.7 Eine Abstimmung im Weltsicherheitsrat verzögert sich aufgrund von Differenzen zwischen den USA und Frankreich darüber, ob der Sicherheitsrat wegen einer Verletzung der neuen Resolution vor einem Militärschlag erneut einen Beschluss fassen muss. Am 8. November beschließt der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1441 einstimmig den erneuten Einsatz von Waffeninspektoren und warnt den Irak vor ernsthaften Konsequenzen, falls das Land nicht kooperiere: „The Security Council (...) recalls, in that context, that the Council has repeatedly warned Iraq that it will face serious consequences as a result of its continued violations of its 8 obligations.“ Der irakische Außenminister Sabri erklärt am 13. November in einem Brief an UN-Generalsekretär Annan, Irak werde die Resolution 1441 bedingungslos akzeptieren und stellt fest, der Irak besitze gar keine Massenvernichtungswaffen. Die Rüstungskontrolleure nehmen am 27. November ihre Arbeit im Irak wieder auf. Dennoch stationieren die USA in der Golfregion immer mehr Soldaten.9 Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Goslar betont Bundeskanzler Schröder am 21. Januar 2003, „dass Deutschland einer UN-Resolution, die einen Krieg gegen den Irak legitimieren würde, nicht zustimmen werde“10. Bei den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages am 23. Januar erklären Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, dass alles versucht werden müsse, die Resolution 1441 mit friedlichen Mitteln durchzusetzen. Am 27. Januar legt der Chef der UN-Waffeninspekteure, Hans Blix, seinen Zwischenbericht vor. Deutschland fordert mehr Zeit für die Arbeit der Inspektoren. Während sich acht europäische Regierungschefs11 in einer gemeinsamen Erklärung am 30. Januar hinter US-Präsident Bush und gegen die 6 7 8 9 10 11

Schröder: Rede zum Finanzplan des Bundes, 13. September 2002, S. 1f. vgl. Blätter 47.2002.12, S. 1413 UN Security Council: Resolution 1441, 8. November 2002 vgl. Blätter 48.2003.1, S. 4f. Bundesregierung: Chronologie der Politik im Irak-Konflikt, 20. März 2003, S. 3. Deutschland war damals nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsauschusses Tony Blair (Großbritannien), Silvio Berlusconi (Italien), José Maria Aznar (Spanien), José Manuel Durão Barroso (Portugal), Peter Medgyessy (Ungarn), Leszek Miller (Polen), Anders Fogh Rasmussen (Dänemark) und Vàclav Havel (Tschechien)

Äußerungen des EKD-Ratsvorsitzenden Kock

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deutsch-französische Friedensinitiative stellen, geben Deutschland, Frankreich und Russland am 10. Februar eine Stellungnahme heraus, in der es heißt: „Es gibt noch eine Alternative zum Krieg. Der Einsatz von Gewalt kann nur ein letztes Mittel darstellen.“12 Nach einem zweiten Bericht von Blix vor dem Weltsicherheitsrat am 14. Februar spricht sich die Bundesregierung für die Verlängerung der Waffeninspektionen aus. Weltweit kommt es zu Beginn des Jahres 2003 zu Massenprotesten mit Millionen Teilnehmern gegen den drohenden Irak-Krieg. In Deutschland sind es im Februar die größten Friedensdemonstrationen seit dem NATODoppelbeschluss zur atomaren Nachrüstung 1983. So demonstrieren am 15. Februar in Berlin eine halbe Million Menschen gegen den Krieg und gegen US-Präsident Bush. Bei den Demonstrationen und in der politischen Diskussion wird Kritik an der Unterstützung des Regimes von Saddam Hussein 13 durch den Westen in den 80er-Jahren geübt. Am 24. Februar legen Frankreich, Russland und Deutschland dem UNSicherheitsrat ein Memorandum vor, das feststellt: „Bislang sind die Bedingungen für den Einsatz von Gewalt gegen den Irak nicht erfüllt.“14 Der Resolutionsentwurf Spaniens, Großbritanniens und der USA, der feststellt, dass der Irak seine letzte Chance versäumt habe, kommt nicht zur Abstimmung, weil Frankreich und Russland ihr Veto ankündigen.15 Obwohl der Irak Anfang März mit der Verschrottung seiner Raketen vom Typ Samud 2 beginnt, setzt US-Präsident George W. Bush dem irakischen Machthaber Saddam Hussein am 18. März ein Ultimatum: Er soll binnen 48 Stunden das Land verlassen. Am 20. März 2003 beginnen die USA und Großbritannien mit Luftangriffen auf Bagdad.16

8.2 Äußerungen des EKD-Ratsvorsitzenden Kock Schon vor den Beschlüssen des US-Kongresses und des UN-Sicherheitsrats äußert sich der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock mehrfach in Interviews zu einem möglichen Angriff auf den Irak. Bereits am 21. August 2002 lehnt er in einem epd-Gespräch einen Angriff auf den Irak ab: „Ein Krieg gegen den Irak – erst recht ohne UN-Mandat – wäre ein Rückschlag für den gesamten 12 13 14 15 16

Blätter 48.2003.3, S. 372 vgl. SoBl Nr. 8 vom 23. Februar 2003, S. 7 u. Sponeck & Zumach 2003, S. 14f. u. 108 f. Blätter 48.2003.4, S. 506 vgl. a. a. O., S. 505f. vgl. Blätter 48.2003.5, S. 517

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Die Irak-Krise

Mittleren Osten. Ich halte es für eine Illusion, dass man dadurch Saddam Hussein auf Dauer abhalten könnte, schreckliche Waffen zu entwickeln. Einen Krieg zu beginnen, nur um die irakische Regierung abzulösen, wäre eine Katastrophe, vor allem für die irakische Bevölkerung.“17 Ein Teil dieser Argumentation ist verwirrend. Es bleibt unverständlich, warum ein Krieg, dessen Ziel ja die Beseitigung von Saddam Husseins Regime ist, ihn nicht an der Entwicklung von Waffen hindern soll. Das Regime im Irak wurde ja gestürzt und Saddam hingerichtet. Dass ein Krieg nur dann eine Katastrophe für die irakische Bevölkerung wäre, wenn er mit dem Ziel des Machtwechsels begonnen würde, ist ebenfalls eine befremdliche Feststellung Kocks. Eine sprachlich unpräzise Formulierung bei der mündlichen Rede ist hier nicht anzunehmen, weil die Redaktionen von Agenturen und Printmedien nach Interviews mit höher gestellten Persönlichkeiten diesen den Text üblicherweise vor dem Abdruck noch zur Autorisierung vorlegen. In einem Zeitungsinterview legt sich der EKD-Ratsvorsitzende im September 2002 erneut auf eine Position gegen den Irak-Krieg fest: „In der IrakFrage bin ich klar gegen einen Militärschlag. Es gibt aus friedensethischer Sicht dafür keine Rechtfertigung. Außerdem kann er einen Krieg im gesam18 ten Mittleren Osten auslösen.“ Gründe für diese Prognose gibt Kock nicht an. Er sagt auch nicht, wer in diesem vorhergesagten Krieg gegen wen kämpfen soll. Dass es nach den Angriffen gegen den Irak nicht zu einem Krieg im gesamten Mittleren Osten kam und Kocks Einschätzung somit falsch war, zeigt, dass Kirchenvertreter vorsichtiger mit Vermutungen sein sollten. Präziser äußert sich Kock beim Irak-Forum der Evangelischen Kirche im Rheinland im Oktober 2002: Er spricht sich gegen einen Krieg „unabhängig vom Votum der Völkergemeinschaft“19 aus: „Wie viele in unserer Kirche habe ich persönlich einen solchen Krieg für ethisch nicht vertretbar gehalten und davor gewarnt, sich an einem solchen Krieg zu beteiligen.“20 Aus diesen Äußerungen kann man schließen, dass Kock einen Irak-Krieg ohne UN-Mandat auf jeden Fall ablehnt. Ob er einen Angriff mit Billigung des Sicherheitsrats für vertretbar hält, lässt er offen. Großes Aufsehen erregt Kock am 4. Februar 2003 mit einem Interview in der Stuttgarter Zeitung. In zahlreichen Medien wird verkürzt transportiert, Kock

17 18 19 20

Kock: epd-Interview am 21. August 2002, in: epd-Doku 40/02, S. 51 Kock: SZ Nr. 214 vom 16. September 2002, S. 42 Kock: Eröffnungsstatement beim Irak-Forum der EKiR am 2. Oktober 2002, in: epd-Doku 44a/02, S. 4 ibid.

Äußerungen des EKD-Ratsvorsitzenden Kock

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habe US-Präsident Bush einen „Fundamentalisten“ genannt.21 Kock sieht sich sogar genötigt, die Medien zu bitten, ihm dieses „missverständliche, ungeeignete und abgenutzte Wort“22 vom Fundamentalismus nicht immer weiter vorzuwerfen. Man muss das Interview genau lesen, um zu einer angemessenen Beurteilung zu kommen. Nachdem Kock beklagt, es gebe „offensichtlich in den konservativen Kirchen der Südstaaten starke fundamentalistische Kräfte“23, die sich auf eine religiöse Argumentation für den Irak-Krieg einließen, wird er gefragt, ob er George W. Bush als religiösen Fundamentalisten bezeichnen würde. Seine vollständige Antwort: „Wie seine persönliche Religiosität ist, weiß ich nicht. Der Präsident ist offenbar ein frommer Mann. Aber eine Politik, die mit einer solchen Sprache und einem solchen Bewusstsein formuliert wird, kann ich nur als fundamentalistisch bezeichnen. Manche meinen zwar, er nutze diese Argumentationsfigur nur, um Machtpolitik zu betreiben. Ich sehe aber in seinen Äußerungen die verschiedenen Motivationen unentwirrbar miteinander 24 verbunden: Machtpolitik und religiöse Begründung.“ Kock betont auch in diesem Interview, dass er keinen bedingungslosen Pazifismus vertrete: „Ich kann mir grundsätzlich Notlagen vorstellen, die Militärschläge rechtfertigen – aber nicht im Blick auf den Irak. Dieses Land ist doch seit dem Golfkrieg von 1991 eminent geschwächt. Sein militärisches Potenzial wurde um etwa zwei Drittel verringert. Ich halte den Irak heute nicht für eine so ernsthafte Bedrohung, wie sie uns vor Augen gemalt wird.“25 Hier versteigt sich Kock in politische Aussagen, die er nicht belegen kann. Bei der Beurteilung des Afghanistan-Krieges war er noch wesentlich vorsichtiger.26 Heftige Kritik an der US-amerikanischen Außenpolitik übt Kock am 16. Februar 2003 in einem Interview mit SWR2: „Das ist genau für mich im Moment die große Schwierigkeit, dass ich sehe, hier ist ein Paradigmenwechsel durch Bush eingeleitet. Nämlich Krieg, militärische Gewalt ist wieder ein normales Mittel der Politik. Das, was nach Gottes Willen nicht sein soll, was man allenfalls als äußerste und auch immer mit Schuld verbundene Möglichkeit dann schließlich hinzunehmen bereit war, das wird sozusagen jetzt als Unterstützung einer politischen Forderung benutzt, und es ist letztlich wieder ein 27 Rückfall in die Kanonenboot-Politik der Vergangenheit.“ Hier beurteilt Kock 21 22 23 24 25 26 27

vgl. RM Nr. 7 vom 13. Februar 2003 ibid. Kock: Stuttgarter Zeitung vom 4. Februar 2003, S. 2 ibid. ibid. s. o. S. 14 Kock: SWR2-Interview vom 16. Februar 2003, S. 3

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Die Irak-Krise

politische Aussagen der US-Regierung mit theologischen Argumenten. Dabei greift er interessanterweise auf ein Kriterium der bellum-iustum-Lehre zurück, die ja in den neueren EKD-Verlautbarungen als veraltet angesehen wird. In einem Referat beim 12. Berliner Theologischen Gespräch des Evangelischen Arbeitskreises der CDU am 11. März 2003 trägt Kock seine Haltung in systematischer Weise vor. Er zitiert die Formel „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ von 1948, die Forderung „Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern ist das Gebot, dem jede politische Verantwortung zu folgen hat“ aus der Friedensdenkschrift von 1981 und die Aussage „Der Leitbegriff des gerechten Friedens dient ... als Wegweiser für alle künftigen Schritte auf dem Weg des 28 Friedens“ aus der Zwischenbilanz von 2001. Für den Fall der ultima ratio bezieht er sich auf die Charta der Vereinten Nationen. Er betont jedoch: „Eine religiöse, jedenfalls eine christliche Legitimation für Kriege gibt es nicht.“29 Über die Attentate vom 11. September 2001 sagt Kock, „dass hier ein religiöser Wahn am Werke war, eine Haltung, die vielfach als gewaltbereiter Fundamentalismus bezeichnet wird“30. Der Ratsvorsitzende nennt als Beispiele für religiös motivierte Gewalt die Kreuzzüge christlicher Päpste im Mittelalter, die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Rabin durch einen jüdischen Attentäter 1995 und die Zerstörung der Moschee von Ayodhya 1992. Mit seiner Sorge um diesen gewaltbereiten religiösen Fundamentalismus erklärt Kock seine Äußerungen über US-Präsident Bush: „Es war gewiss missverständlich, im Blick auf die Rede des amerikanischen Präsidenten zur Lage der Nation von ‚Fundamentalismus’ zu sprechen, weil damit all jene sich beleidigt fühlen, die ihre Arbeit mit täglichem Gebet beginnen und im festen Glauben an ihre geistliche Wiedergeburt stehen. Ich habe aus den meiner Äußerung folgenden Protesten gelernt, dass ein Begriff wie ‚Fundamentalismus’, für sich genommen 31 jedenfalls, zu einer sachlichen Diskussion ungeeignet ist.“ Kock zeigt hier eine Fähigkeit zur Selbstkritik, die sich von Äußerungen anderer Kirchenführer auf politischem Gebiet angenehm abhebt. Auf einer Reise in die USA erfährt der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock Unterstützung für den Antikriegskurs der deutschen Protestanten. Bei einem Treffen in Washington geben europäische Kirchenführer gemeinsam mit US-Bischöfen eine Erklärung ab, in der der Krieg als „Ursache von un-

28 29 30 31

vgl. Kock: Referat beim Evangelischen Arbeitskreis der CDU am 11. März 2003, in: epdDoku 13/03, S. 28 ibid. ibid. a. a. O., S. 29f.

Stellungnahmen des Rates und der Synode der EKD

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ermesslichem Leid“32 bezeichnet wird. Zu den Unterzeichnern gehören auch Jim Winkler von der United Methodist Church aus den USA und Reverend Al McDonald als Vertreter der britischen Kirchen.33 Bei einem Besuch im Libanon gibt Kock gemeinsam mit dem Patriarchen der Armenischen Apostolischen Kirche, Aram I., eine Stellungnahme ab, in der sich beide Kirchenführer klar gegen den Irak-Krieg aussprechen: „War cannot establish justice, peace and reconciliation. Rather it creates more problems with far reaching repercussions.“34

8.3 Stellungnahmen des Rates und der Synode der EKD Der Rat der EKD begrüßt am 6. September 2002 ausdrücklich die bisherigen Äußerungen seines Vorsitzenden Manfred Kock35 und übernimmt wortwörtlich Teile aus Kocks epd-Interview vom 21. August 2002: „Ein Krieg gegen den Irak – erst recht ohne UN-Mandat – wäre ein Rückschlag für alle Stabilitätsbemühungen im Mittleren Osten. Einen Krieg zu beginnen, nur um die irakische Regierung abzulösen, wäre eine Katastrophe.“36 Man kann aus diesem Satz herauslesen, dass der Rat generell gegen einen Irak-Krieg ist. Möglich wäre aber auch, den Satz so zu interpretieren, dass der Rat nur gegen einen Angriff ohne UN-Mandat ist. Unklar bleibt – wie bei Kocks Interview – auch in der Ratserklärung, welche Katastrophe gemeint ist und ob die Aussage nur für den Fall gilt, dass das Ziel des Krieges ein Regimewechsel ist. Es ist bedauerlich, dass sich der Rat in dieser kurzen Stellungnahme, die nicht unter großem Zeitdruck abgegeben wurde, so unklar äußert. Unklarheiten gibt es auch im Beschluss der EKD-Synode zwei Monate später in Timmendorfer Strand. Dieser Text nimmt auf die Erklärung des Rates vom 6. September Bezug und wiederholt die genannte Einschränkung: „Die Synode lehnt einen Angriff gegen den Irak mit dem Ziel, Saddam Hussein 37 aus dem Amt zu drängen, ab.“ Einige Absätze später wird im Beschluss der Synode ein Irak-Krieg aus anderen Gründen abgelehnt: Die Synode bezieht sich auf die Kundgebung der Synode von 2001 und erinnert insbesondere daran, dass militärische Gewalt nur dann angewendet werden darf, wenn 32 33 34 35 36 37

vgl. EKD: PM vom 27. Februar 2003 ibid. Kock & Aram I.: Joint Declaration vom 9. Februar 2003 vgl. EKD: PM vom 6. September 2002 ibid., vgl. o. S. 112 EKD: Beschluss der Synode vom 7. November 2002

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Die Irak-Krise

gewährleistet ist, dass „ein solches Eingreifen im Rahmen und nach den Regeln der Vereinten Nationen erfolgt.“38 Damit ist eine andere Voraussetzung für den rechtmäßigen Einsatz militärischer Gewalt genannt als zuvor. Am Ende des Beschlusses bietet die EKD-Synode noch eine dritte Möglichkeit der Verneinung des Krieges. Sie stellt sich „an die Seite all der Kirchen in den Vereinigten Staaten von Amerika, die ihre Regierung nachdrücklich aufgefordert haben, von den Kriegsplänen gegen den Irak Abstand zu nehmen“39. Das klingt nach einer generellen Ablehnung des Irak-Krieges. Im Beschluss der Synode 2002 sind also drei sich widersprechende Angaben über die Beurteilung des Irak-Krieges gemacht. Damit vergrößert die Synode die durch die Ratserklärung entstandene Verwirrung um die protestantische Position noch. Besser wäre es gewesen, entweder klare, sich nicht widersprechende Kriterien zu formulieren oder nach dem Muster der Kundgebung von 2001 („Die einen ...“, „Andere wiederum ...“) Meinungsunterschiede der Synodenmitglieder 40 explizit darzustellen. Dem Beschluss der Synode muss man auch noch mangelnde Aktualität bescheinigen. Die Tagung fand vom 3. bis 8. November 2002 statt. Es war am Tag des Beschlusses, am 7. November, bekannt, dass der Weltsicherheitsrat am kommenden Tag eine Entscheidung zu den Waffeninspektionen im Irak fällen werde. In der Tat erging am 8. November, dem letzten Tag der Synode, die UN-Resolution 1441.41 Auch wenn die Synode diese Entscheidung wegen der Zeitverschiebung nicht mehr berücksichtigen konnte, so wäre doch ein Hinweis darauf nötig gewesen. Der UN-Sicherheitsrat wird aber im Synodenbeschluss überhaupt nicht erwähnt. Der Anspruch aus der „DenkschriftenDenkschrift“ der EKD von 1970 über den rechten Zeitpunkt kirchlicher Äußerungen42 wird hier verfehlt. Dort war ein hoher Anspruch formuliert worden: „Die Kirche darf mit ihrem Wort nicht zu spät kommen, soll jedoch andererseits vermeiden, hinsichtlich der Analyse, der Beurteilung der Situation, der wissenschaftlichen Fundierung und dem Maß an erreichter theologischer Klarheit Unausgereiftes zu sagen.”43

38 39 40 41 42 43

ibid. ibid. s. o. S. 14 s. o. S. 17 s. o. S. 56 EKD, Kirchenkanzlei (Hg.): Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen. Eine Denkschrift der Kammer für soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland („Denkschriften-Denkschrift“), Gütersloh 1970, S. 67f.

Stellungnahmen des Rates und der Synode der EKD

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Im Ratsbericht vor der Synode im November 2002 in Timmendorfer Strand macht der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock deutlich, welche Kriterien er zur Anwendung präventiver Selbstverteidigung für notwendig hält: „Wenn überhaupt, dann darf diese nur in Situationen in Betracht gezogen und angedroht werden, in denen ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Hierfür bestehen im Fall des Irak keine verlässlichen Anhaltspunkte.“44 Kock stellt sich die Frage, ob die Androhung von Gewalt gegen den Irak nicht die Schwelle für die Rechtfertigung von Waffengewalt überhaupt herabsetze: „Dies hätte auch Bedeutung für die Zukunft: Konsequenz wäre eine Aushöhlung des Aggressionsverbotes und damit eine Schwächung dessen, was wir schützen wollen. Der Aufruf zur Einhaltung von UN-Charta und UNResolutionen wird erheblich entkräftet, wenn der Aufrufende selbst die UNCharta nur selektiv anwendet.“45 Eine wesentlich differenziertere Erklärung als im September 2002 gibt der Rat der EKD am 24. Januar 2003 ab. Zu diesem Zeitpunkt streben die weltweiten Proteste gegen den bevorstehenden Irak-Krieg ihrem Höhepunkt zu. Zunächst fällt bei der Ratserklärung auf, dass sie schon durch den einleitenden Satz den Status einer vorläufigen Stellungnahme bekommt: „In großer Übereinstimmung mit den anderen christlichen Kirchen in Deutschland und in der Welt lehnen wir beim gegenwärtigen Sachstand aus ethischen wie aus 46 völkerrechtlichen Gründen einen Angriff auf den Irak ab.“ Diese Formulierung lässt dem Rat noch Spielraum, zu einer anderen Bewertung zu kommen, sollte es neue Informationen geben. Die Erklärung vergisst auch nicht zu erwähnen, dass die Politik Saddam Husseins und sein Streben nach dem Besitz von Massenvernichtungsmitteln die „Hauptwurzel des gegenwärtig sich zuspitzenden Konflikts sind“47. Bei der Beurteilung eines möglichen Angriffs auf den Irak bezieht sich der Rat der EKD auf das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen. Die Bibel wird bei der Argumentation nicht zitiert, aus der theologischen Tradition nur der Grundsatz „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“48. Hinweise auf die Lehre des gerechten Krieges werden vermieden – auch semantisch. Dass militärische Gewalt für Christen nur als ultima ratio in Betracht kommt, wird jedoch als Schlussfolgerung aus einem Satz über das Verhalten der USA im UN-Sicherheitsrat deutlich: „Wer jedoch von der An44 45 46 47 48

Kock: Bericht des Rates der EKD vom 3. November 2002, in: epd-Doku 47/02, S. 13 ibid. EKD: PM vom 24. Januar 2003, in: epd-Doku 7/03, S. 4 ibid. ibid.

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drohung zur Ausübung militärischer Gewalt übergehen will, schuldet dem Weltsicherheitsrat und der Weltöffentlichkeit den Nachweis, dass sämtliche anderen Versuche, die Resolution der Vereinten Nationen durchzusetzen, endgültig versagt haben.“49 Das Schwierige an dieser Position ist, dass angesichts der veränderten Bedrohung der Beweis des Scheiterns der nichtmilitärischen Versuche möglicherweise erst dann geführt werden kann, wenn die Waffen, die die Bedrohung darstellten, eingesetzt werden. Der Rat der EKD lässt in seiner Erklärung nicht den Rückschluss zu, dass ihm bewusst ist, wie komplex der Sachverhalt ist. Walter Laqueurs Artikel „Elf Gründe gegen einen Irak-Krieg und warum man trotzdem angreifen muss“50, zeigt deutlich, dass sich viele Pro- und Contra-Argumente finden lassen. Das hätte die Ratserklärung zumindest andeuten können, ohne damit eine eigenständige Position aufzugeben. Die EKD hat mit ihren unpräzisen Äußerungen Vertreter des politisch rechts stehenden kirchlichen Lagers geradezu zu Kritik eingeladen. So erklärt Gerhard Arnold in der Publikation Sicherung des Friedens denn auch zu den Stellungnahmen der EKD: „Die jetzigen Erklärungen sind nicht nur sprachlich unpräzis und inhaltlich sehr dürftig ausgefallen, sie ließen auch von der Komplexität der gegenwärtigen Probleme nichts erkennen. Vielleicht gerade deshalb konnten sie sich klar für eine einzige Option aussprechen, für den 51 Verzicht auf eine US-Intervention.“ Als ein in der öffentlichen Diskussion nicht genanntes ethisches Dilemma nennt Arnold ein Jahr später in der Zeitschrift Evangelische Verantwortung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU und CSU die Bündnissolidarität. Er erinnert daran, wie im Kosovo-Krieg 1999 argumentiert wurde: „Das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit Deutschlands im europäischen und NATO-Rahmen nehme Schaden, wenn sich unser Land nicht an der humanitären Intervention beteilige.“52 In der Irakkrise begegnet dieses Argument „de facto in abgewandelter Form: Was war höher zu bewerten, die Bedenken gegen die Kriegspläne der USA und anderer europäischer Staaten oder das wohlverstandene europäische und deutsche Eigeninteresse an weiterer US-Hilfe für die Sicherheit Europas?“53. Bischof Wolfgang Huber verwendet die Ratserklärung, um den Kritikern einer angeblich politisch machtlosen Gesinnungsethik der Kirchen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er plädiert dafür, sich von dem von Max Weber 49 50 51 52 53

ibid. Laqueur: Die Welt vom 20. August 2002, S. 6 Arnold 2002, S. 15 Arnold 2003, S. 10 a. a. O., S. 11

Stellungnahmen des Rates und der Synode der EKD

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1919 erstmals angedachten Gegensatz von Gesinnungs- und Verantwortungsethik zu verabschieden: „Diese Entgegensetzung verleitet offenkundig zu dem Missverständnis, dass Gesinnungsethiker sozusagen aus Prinzip verantwortungslos seien. Mit dem anderen Vorwurf, dass Verantwortungsethiker notwendig gesinnungslos seien, geht man in der Regel vorsichtiger um.“54 In seiner Stellungnahme zum Kosovo-Krieg hatte Huber dies noch anders gesehen und ein Ja zum Krieg als äußerstem Notfall als „verantwortungspazifistisch“ bezeichnet.55 Huber rügt jetzt, die vermeintliche Verantwortungslosigkeit heutiger Gesinnungsethiker werde darin gesehen, dass sie die Augen vor der Gefahr verschlössen, die von Saddam Hussein ausgehe. „Dem Leitungsorgan der Evangelischen Kirche in Deutschland wird man das freilich nicht unterstellen dürfen“56, urteilt Huber. Schließlich habe der Rat der EKD die Politik des Diktators ausdrücklich als Hauptwurzel des Konflikts bezeichnet. Auf die Erklärung des Rates der EKD beruft sich die Bischofskonferenz der VELKD in einer Erklärung am 10. März 2003. Sie stellt fest, dass sich gegenüber der Situation im Januar nichts geändert habe, und gibt wortgleich die Ratserklärung wieder.57 Am Ende werden die Gemeinden gebeten, „alle Argumente sorgfältig zu prüfen“58 und zur Fortsetzung der Friedensgebete aufgerufen. Auch der Leitende Bischof Hans Christian Knuth hält sich aus der Politik heraus und verfolgt damit weiter seine Linie aus dem AfghanistanKrieg, als er jedes direktes Eingreifen der Kirche als „unangemessene Klerikalisierung der Politik“ bezeichnet hatte.59 In einem Beitrag für das Magazin zeitzeichen erläutert er allerdings Luthers Lehre vom gerechten Krieg. Hier stoße man auf eine „theologisch klare und leidenschaftliche Ablehnung jeder Kriegsverherrlichung“60.

54 55 56 57 58 59 60

Huber: FAZ Nr. 39 vom 15. Februar 2003, S. 35. s. o. S. ibid. vgl. VELKD: PM vom 10. März 2003, in: epd-Doku 13/03, S. 24f. ibid. s. o. S. 1 Knuth 2003, S. 11

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Die Irak-Krise

8.4 Äußerungen der Gliedkirchen 8.4.1

Westdeutsche Landeskirchen

Die Stellungnahmen aus den Landeskirchen sind zum Großteil schon von Anfang an differenzierter und klarer als die der EKD vom 6. September 2002. Auch wird in ihnen oft ein Bezug zur Bibel bzw. zur theologischen Tradition hergestellt. Während die EKD-Synode in ihrer Kundgebung lediglich für sich selbst feststellt, man würde für den Frieden beten61, rufen die Landeskirchen oft explizit zu Friedensgebeten auf.62 Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich warnt schon im März 2002 vor der Formel von der Achse des Bösen: „Die Bezeichnung ‚des Bösen’ verteufelt und stigmatisiert ein ganzes Volk und trägt damit eher zum Hass bei als zum Frieden.“63 Auch gegen militärische Gewalt im Irak spricht sich Friedrich aus: „Anders, als dies bei Afghanistan der Fall war, gibt es im Blick auf den Irak nach allem, was ich heute weiß, keinen hinreichenden Grund für ein analoges Vorgehen.“64 Friedrich wünscht sich eine „Lösung auf intelligentem Weg ohne Krieg“65 Als Beispiel aus der Bibel nennt er 1.Sam 17, den Kampf Davids gegen Goliath: „So, erzählt die Bibel, wurde die Gefahr beseitigt, der Krieg aber vermieden. Und die Menschen – Soldaten wie Zivilisten – blieben am Leben – bis auf den Provokateur.“66 Dass er damit nicht zur Tötung Saddam Husseins aufrufen will, macht Friedrich in einem Zeitschriftenbeitrag deutlich: Als Möglichkeit nennt er – wenig konkret –, Saddam Hussein ins „Exil zu schaffen oder anderweitig zu entmachten“67. In seinem Bericht vor der bayerischen Herbstsynode in Kempten bekräftigt Friedrich diese Haltung und erklärt auch, warum er bei früheren Militäraktionen eine andere Position eingenommen hatte: „Denn hier [sc. im Irak] liegt eine völlig andere Situation vor als in Afghanistan vor einem Jahr: Anders als nach dem 11. September geht es dort meiner Meinung nach nicht deutlich um eine Bekämpfung des Terrorismus oder die Verhinderung eines weiteren Anschlages wie dem des 11.9., sondern um eine vorgebliche Präven61 62 63 64 65 66 67

EKD: Beschluss der Synode vom 7. November 2002 vgl. z. B. Evangelische Kirche im Rheinland: Kundgebung vom 10. Januar 2003 und Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche: Erklärung vom 22. Januar 2003 Friedrich: SoBl Nr. 12 vom 24. März 2002, S. 10 ibid. Friedrich: nachrichten 2/2003, S. 36 ibid. Friedrich: SoBl Nr. 3 vom 19. Januar 2003, S. 9

Äußerungen der Gliedkirchen

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tion, deren Notwendigkeit nicht eindeutig belegt ist. Ein Krieg gegen den Irak zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Bedrohung für die Entwicklung im gesamten Mittleren Osten. Man würde in Kauf nehmen, dass die Region dort destabilisiert würde.“68 Nach einem Besuch in den USA im März 2003 kritisiert Landesbischof Friedrich erneut die Wortwahl von US-Präsident George W. Bush: „Er benutzt eine religiöse Sprache und argumentiert stark mit biblischen Worten.“69 Mit dem biblischen Weltbild habe Bushs Einteilung der Menschen in Gut und Böse jedoch nichts zu tun. Die bayerische Landessynode beschließt – anders als bei der militärischen Intervention in Afghanistan ein Jahr zuvor – keine Stellungnahme. Der Synodale Stephan Bergmann, Berichterstatter des Ausschusses für Gesellschaft und Diakonie, begründet dies damit, dass die Lage im Irak und die internationalen Begleitumstände „keineswegs so eindeutig“70 seien wie im Fall Afghanistan oder Jugoslawien. Außerdem gebe es bereits ein Votum der Synoden von EKD und VELKD: „Wir hätten uns als fünftes oder zehntes Rad am Wagen geäußert und das meiste nur – entschuldigen Sie den saloppen Ausdruck – nachbeten können.“71 Bergmann hat keine Zweifel, dass sich auch die bayerische Synode zu diesem Zeitpunkt mit großer Mehrheit gegen einen Angriff auf den Irak aussprechen würde. Eine neue Situation entstünde jedoch dann, „wenn Saddam Hussein den UN-Inspektoren Schwierigkeiten macht und es am Ende die UN wären, die einen Krieg gegen ein unmenschliches Regime beschlössen.“72 Diese Argumentation ist nicht schlüssig, denn ein Jahr zuvor hatte sich die bayerische Landessynode auch geäußert, obwohl die EKD-Synode schon ein Statement zum Thema abgegeben hatte. Gerade weil die Begleitumstände im Falle Irak nicht so eindeutig waren, hätten die bayerischen Gläubigen vielleicht gern ein Votum ihrer Landessynode gehört. Die Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche stellt in ihrer Erklärung vom 28. September 2002 zunächst auf die Erfahrungen der ökumenischen Partner im Nahen Osten ab und beklagt, wie politisch instabil die Lage dort ist: „Es ist für uns unvorstellbar, dass ein Krieg gegen den Irak, zumal ein Präventivkrieg, in einer derartig spannungsgeladenen Region zur 73 Lösung dieser Probleme beitragen kann.“ Bei den Argumenten gegen den 68 69 70 71 72 73

Friedrich: Wort des Landesbischof bei der Landessynode in Kempten (24.-28. November 2002), S. 22 Nürnberger Nachrichten vom 7. März 2003 Bergmann: Bericht vor der Landessynode in Kempten (24.-28. November 2002), S. 131 ibid. a. a. O., S. 132 NEK: Erklärung vom 28. September 2002, in: epd-Doku 44a/02, S. 22

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Krieg berücksichtigt die Nordelbische Synode auch theologische Gründe: „Die Vorstellung, das Böse könne durch Krieg vernichtet werden, widerspricht der biblischen Sicht der Welt und des Menschen. (...) Ohne die Perspektiven einer zukünftigen Friedensordnung würde die Region weiter destabilisiert ... und darüber hinaus der notwendige christlich-jüdisch-muslimische Dialog auf lange Zeit unmöglich gemacht.“74 Die Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers nennt als Orientierungshilfe für Christen zwei Bibelstellen: das Tötungsverbot des Dekalogs und das Gebot der Feindesliebe Christi.75 Daraus leiten die Synodalen aber keinen grundsätzlichen Pazifismus ab: „Wir wissen aber auch, das es Situationen gibt, in denen um der Menschen willen militärisches Handeln geboten ist. Wir bezweifeln, dass diese Situation gegenwärtig gegeben ist.“76 Näher begründet wird dieser Zweifel aber nicht. Immerhin wird aber der Bundesregierung eine konkrete Handlungsempfehlung gegeben: Sie solle sich für die Stärkung „einer wirksameren Durchsetzung des Völkerrechts“77 einsetzen, womit offenbar die Waffeninspektionen im Irak gemeint sind. Der badische Landesbischof Ulrich Fischer kritisiert das fehlende Mandat der Vereinten Nationen für einen Irak-Krieg: „Es muss eine Instanz geben, die von allen Nationen anerkannt wird und die dann als ultima ratio einen Krieg erklären darf, wenn alle anderen Vermittlungsversuche versagt haben. Aber nur dann! Diese Instanz kann allein die UNO sein. Durch die Kriegsandrohung ernennt Präsident Bush die USA zu einer Weltmacht, die sich 78 über internationales Recht erhebt.“ Der Lippische Landeskirchenrat stellt sich – anders als sein Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier bei der Diskussion um die Angriffe auf Afghanistan79 – eindeutig auf die Seite der Kriegsgegner. „Wir warnen vor einem einseitigen Militärschlag gegen den Irak“80, heißt es in einer Erklärung zum Jahrestag der Anschläge des 11. September. In der Stellungnahme ist nichts mehr von Noltensmeiers Unsicherheit der politischen Bewertung zu spüren: „Wir betonen erneut, dass gewaltlose Maßnahmen den Boden für friedliche Versöhnung bereiten. Kriegerische Aktionen bieten der Gewalt einen neuen Nährboden, sie nehmen das Leiden Unschuldiger in Kauf. Es droht eine 74 75 76 77 78 79 80

ibid. vgl. EVLKA: Wort der Landessynode (26.-29. November 2002) ibid. ibid. Fischer: Wort des Landesbischofs an die Gemeinden vom 20. Januar 2003 s. o. S. 14 Lippischer Landeskirchenrat: Erklärung vom 11. September 2002

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nicht mehr zu kontrollierende Eskalation.“81 Auch Noltensmeier selbst äußert sich am 17. März 2003 und argumentiert dabei nicht nur theologisch, sondern auch politisch. Er schränkt sein Nein gegen den Irak-Krieg jedoch zeitlich ein: „Ein Angriff gegen den Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt widerspricht aber offenkundig der politischen Logik. Er wäre ohne überzeugende moralische Rechtfertigung und möglicherweise auch ohne völkerrechtliche Basis. Er trüge zur gefährlichen Destabilisierung der Region bei. Er würde Unversöhnlichkeit schüren und das Klima zwischen den ‚Kulturen’ vergiften.“82 Gerade die Gründe, die er für sein Nein nennt, machen die Begrenzung seiner Aussage auf den „gegenwärtigen Zeitpunkt“ unverständlich. Der seltene Fall, dass eine Landeskirche die Stellungnahme einer Kirchengemeinde übernimmt, tritt in Bremen ein. In der 114. Sitzung des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche am 27. November 2002 wird beschlossen: „Der Kirchentag macht sich die ‚Stellungnahme der St. StephaniGemeinde in Bremen zur Diskussion über eine US-amerikanische Militärak83 tion gegen den Irak’ zu eigen.“ Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, bei ihrer ablehnenden Haltung zu einer Militäraktion im Irak zu bleiben, denn diese sei nicht mit dem Völkerrecht vereinbar: „Die US-Regierung hat im Nahen Osten weitreichende wirtschaftliche Interessen, und sie ist davon überzeugt, dass sie das Böse bekämpfen und ausrotten müsse. Dabei neigt sie dazu, dasjenige böse zu nennen, was den eigenen Interessen entgegensteht.“84 Mit Blick auf die christlichen Werte warnt das Papier: „Wir Menschen sind in Versuchung, uns an die Stelle Gottes zu setzen, wenn wir uns selbst für gut und gerecht halten, das Böse in anderen Menschen, Ländern und Systemen verorten, Menschenleben opfern, um selbst absolute Sicherheit zu erreichen.“85 Den Blick über die aktuellen Konflikte hinaus lenkt die Bremische Landeskirche bei ihrem Kirchentag im Frühjahr 2004. Dabei begrüßt sie in einer Erklärung, dass im Entwurf der EU-Verfassung die Förderung des Friedens als ein wesentliches Ziel der EU betont werde.86 Mit Sorge stellt sie jedoch fest, dass wichtige Einzelbestimmungen des Verfassungsentwurfs im Kontrast zu einer friedensethischen Grundorientierung stünden. Der Artikel über die 81 82 83 84 85 86

ibid. Noltensmeier: Brief an die Kirchenvorstände vom 17. März 2003 114. Sitzung des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche am 27. November 2002 Bremische Evangelische Kirche: 114. Sitzung des Kirchentages am 27. November 2002 ibid. Verfassungsvertrag für Europa vom 29. Oktober 2004: Art. I-3 (1)

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Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik lege mit der Formulierung „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“87 quasi die Aufrüstung als Verfassungspflicht fest.88 Daher übermittelt der Kirchentag an Bundeskanzler und Außenminister folgende Erklärung: „Angesichts einer künftigen EU-Verfassung, die sowohl Ansätze zur Militarisierung als auch Chancen der zivilen Konfliktschlichtung bietet, appelliert der Kirchentag an die Bundesregierung, sich europäischen Militarisierungstendenzen zu widersetzen und entschieden auf den Vorrang ziviler Kriegsprävention und Friedensgestaltung hinzuarbeiten.“89 „Als Christinnen und Christen treten wir ohne Abstriche für die Überwindung von Gewalt ein“90, stellt die Goslarer Propsteisynode in der Landeskirche Braunschweig zu Beginn eines Aufrufs am 19. Februar 2003 fest. Sie wendet sich gegen die fundamentalistische Einteilung der Staaten in gute und böse, richtet aber einen konkreten Appell an die Vereinten Nationen: „Jedoch halten wir die Weltgemeinschaft, insbesondere die UNO, für verpflichtet, nüchtern und ohne solche Zuschreibungen alle Anstrengungen zu unternehmen, um zuklären, ob im Irak Massenvernichtungsmittel hergestellt oder gelagert werden, und dies gegebenenfalls energisch zu stoppen.“91 Wie bei den meisten kirchlichen Stellungnahmen, so fehlen auch hier praktische Vorschläge, durch welche Maßnahmen die Forderungen umgesetzt werden sollen. Konkreter wird die Goslarer Synode am Ende des Aufrufs, als die Bürger der Region zu Aktivitäten aufgefordert werden. Sie werden ermutigt, „ihre demokratischen Möglichkeiten für die Bewahrung des Friedens einzusetzen, indem sie zum Beispiel demonstrieren, Leserbriefe schreiben und ihre Politiker unnachgiebig für eine entschiedene Friedenspolitik zu gewinnen suchen“92. Bemerkenswerterweise wird mit einem Zitat am Ende der Stellungnahme nicht ein Protestant, sondern Papst Johannes Paul II. zitiert: „Krieg ist niemals ein unvermeidbares Schicksal, er ist immer eine Niederlage für die Menschheit.“93 Die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland initiiert in der Zeit des drohenden Irak-Krieges die Kampagne „Aufstehen für Frieden und Gerechtigkeit“ und stellt Texte, Plakate, Postkarten, Aufkleber, Banner und 87 88 89 90 91 92 93

a. a. O., Art. I-41 (3) vgl. Bremische Evangelische Kirche: 117. Sitzung des Kirchentages (26./27. Mai 2004), S. 9 ibid. Goslarer Propsteisynode: Aufruf vom 19. Februar 2003 ibid. ibid. ibid.

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Windlichter zur Verfügung.94 Der Ratsvorsitzende Manfred Kock dankt den Gemeindegliedern später für ihr Engagement, ihre Gebete und für die „Einladung an Gläubige anderer Religionen“.95 In ihrer Kundgebung vom 10. Januar 2003 stellt die rheinische Synode das spezifisch Kirchliche heraus: „Die Kirche ist dazu berufen, Zeugnis von der versöhnenden und friedensstiftenden Kraft Gottes zu geben. Die Bibel stellt den untrennbaren Zusammenhang von Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung in den Mittelpunkt des Friedenshandelns. Ein gerechter Friede wurzelt im Respekt vor dem anderen Menschen, der Anerkennung seines Rechts auf Leben und Entfaltung.“96 Von der Gefahr, die vom Irak ausgeht, und vom mangelnden Respekt des irakischen Machthabers Saddam Hussein gegen sein eigenes Volk und Nachbarländer wie Iran und Kuwait ist nicht die Rede. Der EKDRatsvorsitzende Manfred Kock, zugleich Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, verantwortet mit dieser Erklärung eine Stellungnahme, die politisch wesentlich einseitiger ist als die Erklärung des EKD-Rates, die zwei Wochen später veröffentlicht wurde.97 Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, nimmt in seiner Predigt im ökumenischen Friedensgottesdienst am 21. Februar 2003 in Fulda auf die biblische Tradition Bezug: „Nach dem Zeugnis der Bibel geht es nicht um die Frage des ‚gerechten Krieges’ und wie wir ihn begründen, sondern wie ein ‚gerechter Friede’ ermöglicht und erhalten werden kann.“98 Er warnt davor, sich bei Kriegsvorbereitungen auf Gott zu berufen oder den Krieg sogar religiös zu verklären.99 Ganz in der reformierten Tradition des prinzipiellen Pazifismus steht der Brief, den Landessuperintendent Walter Herrenbrück am 30. Januar 2003 an alle Pastoren und Mitarbeiter der Evangelisch-reformierten Kirche schreibt. Gleich im ersten Absatz geht er auf die Folgen für die Zivilbevölkerung ein: „Die Sorge wächst. Ein Krieg droht. Ein Krieg gegen ein Land, das nur wenige von uns kennen. Ein Krieg gegen einen Diktator, der sich vermutlich am besten und am längsten gegen die Wirkung des Krieges schützen kann. Anders als die 100 Kinder im Land. Anders als die wehrlosen Frauen und Männer.“ Herrenbrück räumt zwar die Gefahr durch das irakische Regime ein, spricht sich 94 95 96 97 98 99 100

vgl. EKiR : PM vom 23. Januar 2003 Kock: An die Kirchengemeinden und Kirchenkreise der EKiR am 18. März 2003 EKiR: Kundgebung vom 10. Januar 2003 s. o. S. 181f. Hein: Predigt am 21. Februar 2003 vgl. ibid. Herrenbrück: Brief vom 30. Januar 2003, S. 1

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aber für – leider nicht näher benannte – gewaltlose Maßnahmen aus: „Wenn Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt, dann ist die Gefahr, die davon ausgeht, gewiss groß – aber nicht so groß, als dass sie sich nicht durch politische Mittel und durch die Solidarität der Friedliebenden in aller Welt eindämmen ließe.“101 Obwohl er eine Militäraktion gegen den Irak kategorisch ablehnt („Ein Angriffs-Krieg gegen den Irak lässt sich nicht rechtfertigen!“102), enthält sein Brief einen Satz, der eine militärische Lösung doch nicht ganz ausschließt: „Solange UN-Waffeninspektoren im Irak sind, muss doch nicht geschossen und gebombt werden!“103 Daraus könnte man schließen, dass geschossen und gebombt werden dürfe, sobald die Inspektoren das Land verlassen haben. Dass der Landessuperintendent das nicht so gemeint hat, wird im zweiten Teil des Schreibens deutlich – etwa, wenn er betont, „dass wir unser Erschrecken darüber zum Ausdruck bringen, wie nun doch wieder der Krieg zum Mittel der Politik werden soll: ein Krieg, der vorgibt, Tyrannen zu verjagen und nebenbei die Zerstörung von Land und Leuten bewirkt.“104 Fünf Quellen des Terrorismus nennt der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, in seiner Rede vor dem Forum zum Irak am 16. Dezember 2002 in Berlin: 1.

2. 3. 4. 5.

Der Nahostkonflikt muss gelöst werden, ich empfinde es als einen verhängnisvollen politischen Fehler, dass sich die Bush-Administration um die Lösung der Palästina-Frage nicht mehr zu kümmern scheint und sich einseitig auf die Politik von Ministerpräsident Sharon festgelegt hat. Der Dominanzanspruch des Westens muss überprüft werden. Wir wissen im Westen weder ökonomisch noch religiös immer alles besser. Das Armutsgefälle in der Welt, besonders auch in den islamischen Ländern, muss durch eine vernünftige Entwicklungspolitik verringert werden. Die blockierten Gesellschaften der islamisch-arabischen Welt müssen in sich durchlässiger, d.h. demokratischer werden. Das alles geht nicht ohne Selbstkritik der Religionen auf das in ihnen selbst liegende Gewaltpotential, denn einen Frieden in der Welt wird es ohne Frieden der Religionen nicht geben.105

Kontraproduktiv sei in diesem Zusammenhang insbesondere Bushs Einteilung der politischen Welt mit den theologischen Begriffen von gut und böse. Steinacker erinnert daran, dass diese Klassifizierung nicht aus der Bibel 101 102 103 104 105

ibid. ibid. ibid. a. a. O., S. 2 Steinacker: Rede vor dem Forum zum Irak in Berlin am 16. Dezember 2002, S. 6f.

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stamme, sondern aus dem Religionssystem der Gnosis, deren Einsicht in den Kampf zwischen Gut und Böse die Fähigkeit verleihe, sich eindeutig auf die Seite des Guten zu schlagen: „Derjenige Gläubige, der weiß, dass das Böse in der Welt zwar da ist, er es aber überwinden kann, fühlt sich darum unter gewissen Umständen auch an die moralischen Bedingungen dieser vergehenden Welt nicht mehr gebunden, denn er hat durch seine Erkenntnis die Strukturen der Welt bereits hinter sich gelassen. Dies vermittelt ein beständig gutes Gewissen.“106 Steinacker verweist auf das Buch Stolz auf unser Land des linken Intellektuellen Richard Rorty, in dem dieser gefordert habe, ein wahrer Patriot müsse Gott als Handlungsmaxime durch Amerika ersetzen. Steinacker folgert daraus: „Im Klartext heißt das: Ein Amerika, das als Summum bonum Gott überstrahlt, entbindet die in seinem Namen handelnden Personen von jeder Verpflichtung auf eine Moralität, die sich an anderen Maßstäben orientiert, als am Wohl Amerikas selber.“107 Dieses Prinzip finde sich in der gegenwärtigen Politik des US-Präsidenten wieder: „Der Methodist Bush scheint bei persönlich rigider Moralität und Frömmigkeit diesem gnostischen – also nicht christlichen – Weltbild zu folgen, und es in aktuelle Politik umzusetzen. Damit steht er nicht allein, sondern wird enthusiastisch unterstützt vom Fundamentalismus freikirchlicher Gruppen vor allem im Süden der Vereinigten Staaten.“108 Zur Unterscheidung skizziert Steinacker kurz die christliche Vorstellung von Gut und Böse mit Bezug auf Luthers Lehre: „Das Christentum meint, das Böse gehe durch jeden Menschen hindurch. Kein Mensch ist nach biblischer Überzeugung nur gut. Luther bezeichnet gerade den gerechtfertigten Menschen als ‚simul iustus et peccator’, als gerecht und Sünder zugleich.“109 Ein grundsätzliches Problem bei den Äußerungen von Gliedkirchen spricht der Oldenburger Bischof Peter Krug in seinem Bericht vor der Synode an: „Die Synode einer Kirche in der Größe Oldenburgs ist überfordert, zu den drängenden weltpolitischen Fragen in aller Tiefe und Breite Stellung zu nehmen. Dafür haben wir keine Fachkräfte, und selbst wenn wir sie hätten, würden wir schnell an dieselben Grenzen stoßen, an denen sich verschiedene Interessen mit missionarischem Eifer scheinbar unversöhnlich gegenüber 110 stehen."

106 107 108 109 110

a. a. O., S. 4 Steinacker, a. a. O., S. 5 ibid. a. a. O., S. 6 Krug: Bericht vor der 46. Synode in Oldenburg am 14. November 2002

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Um solche Wissensdefizite abzubauen, veranstaltet die Evangelische Kirche im Rheinland am 2. Oktober 2002 in Düsseldorf ein sog. Irak-Forum, bei dem international anerkannte Fachleute zu Wort kommen. Hans von Sponeck, von 1998 bis 2000 Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe im Irak, weist in seinem Vortrag auf das Problem der Wissenslücken in Deutschland hin: „Das Wissen der deutschen politischen Parteien über den Irak und seine Situation ist ungenügend. Die erste Priorität für einen Beitrag zu diesem schwierigen Thema ist es, dass man sich Sorge um das Wissen macht. Es gibt eine sehr geschickte, ganz bewusste und sehr systematische Falschdarstellung aus der amerikanischen Regierung über den Irak, seine Massenvernichtungswaffen, seine Beziehung zum Terrorismus und die Gründe für die humanitäre Situation im Land. Nur wer die Fakten kennt, kann der 111 Falschinformation entgegentreten. Wir müssen lernen, es besser zu wissen.“ Energisch wendet sich von Sponeck gegen kriegerische Mittel im IrakKonflikt: „Für einen Präventivkrieg, einen Angriffskrieg, darf es in unserem Land keine Unterstützung geben. Dazu gehört auch das Blockieren der Benutzung deutscher Anlagen, deutschen Luftraums, keine Überflugrechte.“112 Dass es andere Mittel gibt, betont auch der Potsdamer Militärdekan Horst Scheffler in seinem Beitrag auf derselben Tagung: „Vorrangig ist die gewaltfreie Prävention zur Überwindung von Ungerechtigkeit und damit zur Vermeidung von Anlässen zur Gewalt (‚prima ratio’).“113 8.4.2

Die Kirchen in den neuen Bundesländern

Die Landessynode Sachsens warnt davor, „in der militärischen Auseinandersetzung den einzig möglichen Weg zur Durchsetzung der UN-Resolutionen zu sehen“, bietet aber als Alternative nur vage „friedliche Konfliktlösungen“114 an. Konkret wird die Synode, wenn es um das Gebet geht. Sie bittet „Kirchgemeinden im Gebet um Frieden, Gerechtigkeit und Achtung der Menschenwürde im Irak nicht nachzulassen. In die Gebete sollen insbesondere diejenigen eingeschlossen werden, die in den nächsten Tagen und Wochen Entscheidungen zur Durchsetzung internationalen Rechts zu treffen haben.“115 Eine gemeinsame Erklärung mit ihrer Partnerkirche in den USA, der protestantischen United Church of Christ (UCC), gibt die Kirchenprovinz Sachsen 111 112 113 114 115

von Sponeck: Irak-Forum der EKiR (2. Oktober 2002), S. 14 ibid. Scheffler: Irak-Forum der EKiR (2. Oktober 2002), S. 21 Evangelisch-Lutherische Landessynode Sachsens: Erklärung im Januar 2003 ibid.

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heraus. In der von Conference Minister John Deckenback und Bischof Axel Noack unterzeichneten Erklärung wird daran erinnert, dass die UN-Charta Präventivkriege „kategorisch ausschließt“116. Krieg sei keine Antwort auf Bedrohungen: „Dauerhafte Sicherheit ist immer gemeinsame Sicherheit. Und diese Sicherheit lässt sich nicht durch militärische Erfolge schaffen. Krieg schürt neuen Hass. Und neu entfachter Hass wird zu neuem Terrorismus führen. Der Terror kann die ganze Welt mit seinem Schrecken überziehen.“117 Eine von der Arbeitsgruppe Friedensethik erarbeitete und von der Landessynode im November 2002 beschlossene Erklärung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg geht in ihrer differenzierten Betrachtung des Friedensthemas weit über den aktuellen Anlass hinaus. Nach einer Bestandaufnahme zu den Kriegen des zurückliegenden Jahrzehnts schlägt die Synode vor, „dass in einer immer weiter zusammenwachsenden Welt die Völker und Staaten sich zu einer gemeinsamen Rechtsordnung bekennen müssen. Unser Friedenshandeln muss der Stärkung und Weiterentwicklung einer solchen 118 Rechtsordnung dienen.“ Als wichtiger Schritt dazu wird die Anerkennung eines internationalen Gerichtshofes zur Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit genannt. Weil Einrichtungen wie die UN oder die OSZE gestärkt werden sollten, hält es die Berliner Synode für notwendig, „Teilbereiche politischer Macht und Entscheidungsbefugnisse seitens nationaler Regierungen an die internationalen Organisationen zu delegieren“119. Außerdem bräuchten die Vereinten Nationen „eigene, personell und materiell gut ausgestattete Einsatzkräfte, die bei Bedarf zur Friedenssicherung und zur Durchsetzung einer internationalen, demokratisch legitimierten Rechtsordnung“120 zur Verfügung stünden. Daraus ergibt sich, dass die Synode nicht grundsätzlich gegen den Einsatz militärischer Gewalt ist, diese nur an bestimmte Bedingungen knüpft, etwa an eine Mandatierung durch den UNSicherheitsrat. Auf nationalem Sektor fordert die Synode eine veränderte Aufgabenbeschreibung für die Bundeswehr: „Sie darf nur zum Einsatz kommen, wenn alle zivilen Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung ausgeschöpft sind bzw. zivile Kräfte in ihrer Tätigkeit geschützt werden müssen oder wenn durch einen frühzeitigen Einsatz der Ausbruch von Kampfhandlungen ver121 hindert werden kann.“ Bischof Huber nennt im November 2002 vor der 116 117 118 119 120 121

Deckenback & Noack: Erklärung vom 18. Januar 2003 ibid. EKBB: Beschluss der 11. Synode vom 16. November 2002, S. 1 a. a. O., S. 2 ibid. a. a. O., S. 3

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Landessynode das Ergebnis von Luthers Auslegung der Bergpredigt als Leitlinie evangelischer Friedenethik: „Gerne Frieden zu schaffen und militärische Gewalt in der Hand einer dazu legitimierten Autorität allein als äußerste Notwehr zum unmittelbaren Schutz von Land und Leuten anzusehen.“122 Bei der 12. Synode im Januar 2003 wird die Synode von BerlinBrandenburg ganz konkret und ruft sogar die Gemeindeglieder auf, sich aktiv gegen den drohenden Irak-Krieg zu engagieren: „Erhebt eure Stimme gegen den Krieg und beteiligt euch an gewaltfreien Protesten.“123 Der Text thematisiert die Gefahr, die sowohl vom Regime Saddam Husseins als auch von „der massiven Aufrüstung in der Region durch die Regierung der USA“124 ausgeht. Bei der Beschreibung von Lösungen aus der konkreten Krise bleibt die Synode aber vage: „Die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten bleiben aufgerufen, geeignete, nicht kriegerische Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Irakbeschlüsse zu ergreifen.“125 Welche das sein sollen, wird nicht erwähnt. Die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung sind bis unmittelbar vor Kriegsbeginn in den christlichen Kirchen noch spürbar. „Wir beten auch dafür, dass diplomatische Bemühungen in Gang kommen und Erfolg haben, die Konflikte mit nichtkriegerischen Maßnahmen zu lösen“126, sagt Propst Karl-Heinrich Lütcke mit Blick auf die Konfliktherde Irak und Israel in der Friedenandacht am 20. Januar 2003 in der Berliner Kaiser-WilhelmGedächtniskirche. An derselben Stelle spricht Berlins Bischof Wolfgang Huber am 10. Februar 2003 von einem Dilemma der Politik: „Wer der Gewalt mit Gewaltverzicht begegnet, läuft Gefahr, dass er die Gewalt, die er nicht stoppen kann, gewähren lässt. Wer aber der Gewalt mit Gegengewalt entgegentritt, läuft Gefahr, dass er den Teufelskreis des Todes weiter voran127 treibt.“ Huber nennt als Ursache des Irak-Konflikts das „Bemühen von Saddam Hussein, über Massenvernichtungswaffen zu verfügen. In der Hand eines Diktators sind solche Waffen ein unkalkulierbares Risiko für unsere Welt.“128 Dass Huber hier falsche Behauptungen der US-Regierung transportiert, hätte er spätestens seit dem Irak-Forum der EKiR vom Oktober 2002

122 123 124 125 126 127 128

Huber: Rede vor der 11. Synode der EKBB am 13. November 2002, S. 1 EKBB: Beschluss zum Thema Irak auf der 1. Tagung der 12. Synode am 18. Januar 2003 ibid. ibid. Lütcke: Friedensandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 20. Januar 2003 Huber: Friedensandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 10. Februar 2003 ibid.

Äußerungen der Gliedkirchen

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wissen müssen.129 Auf sicherem Boden bewegt sich Huber, wenn er vor der Begeisterung für moderne Kampftechnik warnt: „Uns wird eine Faszination für die Technik der modernen Kriegsführung vermittelt, als sei es ein Computerspiel, das immer wieder neu begonnen werden kann. Aber täuschen wir uns nicht: Das, was uns als Supertechnik vor Augen geführt wird, bringt tausendfachen Tod.“130 In einem Zeitungsinterview spricht sich Bischof Huber drei Tage später gegen einen Irak-Krieg aus und begründet dies mit Argumenten, die aus der Lehre vom gerechten Krieg bekannt sind: „Militärische Gewalt ist nur als äußerstes Mittel vertretbar. Es muss dafür einen zwingenden Grund geben. Der Schutz der Zivilbevölkerung und die Angemessenheit der Mittel müssen beachtet werden. Und man muss erwarten können, dass die Verhältnisse, die bei einem solchen Krieg herauskommen, besser sind als der Zustand, den man jetzt hat. Wenn man diese Kriterien auf die jetzige Kriegsplanung gegen den Irak anwendet, komme ich zu dem Ergebnis, dass sie nicht erfüllt sind. Dieser Militärschlag würde den Charakter eines Präventivkrieges haben. Und 131 der lässt sich ethisch nicht rechtfertigen.“ Obwohl Huber hier eindeutig die Kriterien der bellum-iustum-Lehre anwendet, distanziert er sich von dem Begriff des gerechten Krieges: „Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts haben uns gelehrt, dass wir von den Vorstellungen von einem gerechten Krieg Abschied nehmen müssen. Die Anwendung von Gewalt gegen Menschen ist niemals gerecht.“132 Huber kommt hier zu einer anderen Bewertung der militärischen Gewalt als vor dem Kosovo-Krieg, als er sie noch befürwortete.133 Wiederum bei einer Friedensandacht in der Berliner Kaiser-WilhelmGedächtniskirche hofft Huber noch am 24. Februar 2003 auf eine friedliche Lösung der Irak-Krise: „Und dennoch atmen wir auf, wenn politisch Verantwortliche anerkennen, dass auch einem Diktator gegenüber andere Handlungsweisen möglich sind als die Gewalt, die ja in Wahrheit gar nicht ihn trifft, sondern Menschen wie dich und mich.“134 Der Berliner Bischof stellt den Kriegsvorbereitungen der USA und Großbritanniens die Vorkehrungen des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes gegenüber, die Medikamente für betroffene Menschen bereitstellen. Er bemüht sich darum, Vorwürfen einer antiamerikanischen Haltung zu begegnen: „Bei aller Kritik an einem 129 130 131 132 133 134

s. o. S. 19 Huber: Friedensandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 10. Februar 2003 Huber: Berliner Zeitung vom 13. Februar 2003 ibid. s. o. S. 10 f. Huber: Friedensandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 24. Februar 2003

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Militärschlag betone ich immer wieder, die Ursache für den Konflikt liegt nicht bei der amerikanischen Regierung, sondern in dem Bemühen Saddam Husseins, über chemische, biologische und vermutlich auch nukleare Waffensysteme verfügen zu wollen.“135 Eine Bewertung des ABC-Waffen-Arsenals anderer Staaten gibt Huber nicht ab. Einen bemerkenswerten E-Mail-Disput unternimmt der Berliner Bischof Wolfgang Huber mit Richard Land, dem Sprecher der Southern Baptist Convention, der mit mehr als 16 Millionen Mitgliedern größten Kirche in den USA. Dieser hatte zuvor den Irak-Krieg auch für einen Christen für vertretbar gehalten. In einem deutschsprachigen Zeitungsbeitrag beurteilt er den Irak-Krieg nach den Kriterien der bellum-iustum-Lehre und kommt zu dem Schluss: „Einen gerechten Krieg zu führen ist ein Akt christlicher Nächstenliebe. Das Ziel ist, die von Gott auferlegte Pflicht des Staates zu erfüllen. Das Böse muss bestraft und in Schranken gehalten, das Gute belohnt werden. Die Politik der BushRegierung gegenüber Saddam Hussein passt in das Konzept eines gerechten 136 Krieges. Die Zeit für Gewalt ist gekommen.“ Land beruft sich in seiner Argumentation sogar auf Dietrich Bonhoeffer: „Der Theologe Bonhoeffer wollte den Dienst an der Waffe verweigern. Doch die Hybris des Diktators [sc. Hitler] brachte ihn dazu, sich an Umsturzplänen und einem Attentatsversuch zu beteiligen.“137 Land verkennt dabei, dass es bei Bonhoeffer nicht um einen Krieg, sondern um Gewaltanwendung gegen eine Person ging. Gegenüber Huber begründet Land das Recht der USA auf einen preemptive strike gegen den Irak mit den Waffen des Gegners: „Wenn man es aber mit Massenvernichtungswaffen zu tun hat, kann man nicht auf ‚rauchende Waffen’ warten. Denn eine noch rauchende Waffe ist eine, die bereits abgefeuert wurde, die Tod und Zerstörung verbreitet hat. Es reicht, dass die Waffe geladen, gespannt und auf uns gerichtet wurde. Wenn das der Fall ist, haben wir 138 das Recht zu verhindern, dass die Waffe auch noch abgedrückt wird.“ Da ist der deutsche Bischof, damals noch nicht EKD-Ratsvorsitzender, ganz anderer Meinung: „Das Vorhandensein einer realen Bedrohung rechtfertigt nicht selbst schon die Anwendung von Gewalt.“139 Er mailt über den Atlantik, dass nicht nur prinzipielle Pazifisten einen Präventivkrieg gegen den Irak ablehnten: „Auch diejenigen, welche die Möglichkeit eines Militäreinsatzes

135 136 137 138 139

ibid. Land: RM Nr. 7 vom 13. Februar 2003, S. 28 ibid. Huber & Land: eMail-Disput der Deutschen Welle vom Februar 2003, S. 2 ibid.

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als letztes Mittel nicht ausschließen würden, tun es – er würde den Anforderungen der Lehre vom ‚gerechten Krieg’ widersprechen.“140 Land antwortet mit einer recht eigenwilligen Bibelauslegung: „Das Ziel der Bibel ist nicht Frieden – es ist Gerechtigkeit. Jesu Ziel ist nicht Friede, es ist Gerechtigkeit.“141 Der Reverend begründet auch die Todesstrafe mit einem Verweis auf die Bibel – auf das 13. Kapitel des Römerbriefs: „Die Bibel sagt, dass Gott der Obrigkeit aufgetragen hat, Übeltäter zu bestrafen und diejenigen zu belohnen, die das Rechte tun. Daher habe ich das Recht, von der Obrigkeit zu erwarten, dass sie Sie dafür tötet, dass Sie meine Frau getötet haben. Ich glaube, dass die Todesstrafe dafür angemessen wäre.“142 Diese Sichtweise aus einem konstruierten Kriminalfall unter Privatpersonen überträgt der Baptist auch auf den Umgang unter Staaten: „Ich glaube, es gibt einfach zu viele Christen, die sich in das hineinsteigern, was man als ‚vorwegnehmende Versöhnung’ bezeichnen könnte. Sie glauben, dass ein Feind immer versöhnt werden kann – dass er eigentlich ein netter Typ ist. Damit unterschätzt man völlig die Macht des Bösen. Saddam Hussein ist böse.“143 Huber thematisiert in seiner Replik die in Lands Ausführungen sichtbar gewordene Diskrepanz zwischen Frieden und Gerechtigkeit: „Ihre Überlegungen ... sind offensichtlich nicht bestimmt von dem Ziel eines gerechten Friedens, sondern von dem Gegensatz zwischen Frieden und Gerechtigkeit. Doch was für eine Gerechtigkeit ist das? Offensichtlich die Gerechtigkeit der Rache, der Vergeltung.“144 Hier werden zwei verschiedene theologische Auffassungen von Gerechtigkeit offenbar: Zum einen bei Land die distributive Gerechtigkeit, die sich „in der gerechten Zumessung von Lohn und Strafe“145 durch Gott als Richter erweist und die den jungen Mönch Martin Luther so beunruhigt hatte. Zum anderen bei Huber die von Luther nach seinem sog. reformatorischen Durchbruch als Gabe Gottes verstandene iustitia Dei, durch die die Menschen von Gott gerechtfertigt werden.

140 141 142 143 144 145

ibid. a. a. O., S. 3 ibid. ibid. a. a. O., S. 4 Schwarz 1998, S. 42

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8.5 Die römisch-katholische Kirche 8.5.1

Der Vatikan

In einer viel beachteten Rede beim Neujahrsempfang im Vatikan spricht sich Papst Johannes Paul II. eindeutig gegen den Irak-Krieg aus: „Non à la guerre! Elle n’est jamais une fatalité. Elle est toujours une défaite de l’humanité.“146 Zum ersten Mal in der Kirchengeschichte verurteilt ein Papst nicht ganz abstrakt den Krieg schlechthin, sondern einen speziellen Krieg.147 Gleich im nächsten Satz nennt Johannes Paul II. die Maßnahmen, die seiner Meinung nach zur Entschärfung der Irak-Krise anzuwenden sind: „Le droit international, le dialogue loyal, la solidarité entre États, l’exercice si noble de la diplomatie, sont les moyens dignes de l’homme et des nations pour résoudre leurs différends.“148 Obwohl der Papst also Völkerrecht, Dialog, Solidarität und Diplomatie als menschenwürdige Mittel zur Lösung von Streitigkeiten ansieht, schließt er den Krieg als ultima ratio nicht aus – dann aber entsprechend der Aussagen der UNCharta: „La guerre n’est jamais un moyen comme un autre que l’on peut choisir d’utiliser pour régler des différends entre nations. Comme le rappellent la Charte de l’Organisation des Nations unies et le Droit international, on ne peut s’y résoudre, même s’il s’agit d’assurer le bien commun, qu’à la dernière extrémité et selon des conditions très strictes, sans négliger les conséquences pour 149 les populations civiles durant et après les opérations.“ Johannes Paul II. erinnert auch an die Bevölkerung des Irak, der „terres des prophètes“150, die schon von einem zwölf Jahre andauernden Embargo entkräftet sei.151 Das ist ein Hinweis, den man in vielen anderen kirchlichen Stellungnahmen vermisst. 146 Johannes Paul II.: Rede vom 13. Januar 2003, in: L’Osservatore Romano Nr. 10, 13./14. Januar 2003, S. 7. „Nein zum Krieg! Er ist niemals ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit.” 147 vgl. Bahr 2005, S. 1118 148 Johannes Paul II.: a. a. O. „Das internationale Recht, der ehrliche Dialog, die Solidarität zwischen Staaten, das noble Metier der Diplomatie, sind die Methoden, die des Menschen und der Nationen zur Beilegung ihrer Differenzen würdig sind.“ 149 ibid. „Krieg ist niemals ein Mittel wie andere, das man wählen könnte, um Differenzen zwischen Völkern zu regeln. Wie uns die Charta der Organisation der Vereinten Nationen und das internationale Recht erinnern, kann man – selbst wenn es darum geht, das Gemeinwohl sicher zu stellen – nur dann auf einen Krieg zurückgreifen, wenn es sich um das allerletzte Mittel handelt, und unter Befolgung sehr strenger Bedingungen, ohne die Folgen für die Zivilbevölkerung während und nach der Militäraktion zu vernachlässigen.“ 150 ibid. 151 vgl. ibid.

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Die Rede des Papstes unterscheidet sich von den meisten anderen kirchlichen Äußerungen dadurch, dass er darin nur beiläufig auf den Irak-Krieg zu sprechen kommt. Es sind nur wenige Sätze in der Rede, die sich auf dieses Thema beziehen. Sie werden in den Medien häufig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Das lässt ein Spezifikum der Worte des Papstes außer Acht, das die Zeit so beschreibt: „Seine Gestalt und Lehre sind ein Gesamtkunstwerk, wo alles mit allem zusammenhängt, die ‚fortschrittliche’ Politik mit der ‚reaktionären’ Moral, der Gewaltverzicht und der Lebensschutz.“152 Johannes Paul II. stellt sein „Nein zum Krieg“ in den Zusammenhang mit dem „Nein zum Tod“ beim Schutz des ungeborenen Lebens und dem „Nein zum Egoismus“ bei der Globalisierung.153 Im Angelusgebet am 16. März 2003 stellt Johannes Paul II. seine Friedensbotschaft erneut in einen religiösen Kontext: „Ohne Bekehrung der Herzen gibt es keinen Frieden.“154 Er stellt jedoch auch einen Zusammenhang mit historischen Erfahrungen her: „Ich gehöre der Generation an, die den zweiten Weltkrieg erlebt und überlebt hat, und habe daher die Pflicht, allen jungen Menschen, all jenen, die jünger sind als ich und diese Erfahrung nicht gemacht haben, zu sagen: ‚Nie wieder Krieg!’“155 Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Giovanni Lajolo, stellt das Thema Frieden in den Mittelpunkt seiner Ansprache, die er in seiner Eigenschaft als Doyen des diplomatischen Korps beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten am 15. Januar 2003 in Berlin hält. „Die Welt braucht keinen neuen Krieg“, stellt er klar. „Sie braucht vielmehr vervielfältigte Bemühungen, die Kriege, die zurzeit geführt werden, zu beenden – oft vergessene Kriege, die aber unbarmherzig viele unschuldige Opfer fordern. Die Welt braucht ein erneuertes Engagement, um die Voraussetzungen für einen geordneten Frieden 156 zu schaffen – in vielen Ländern der Erde, besonders in Afrika.“ Lajolo thematisiert die deutsche Präsidentschaft im Weltsicherheitsrat ab Februar 2003: „Das ist für alle ein Grund der Hoffnung, weil wir wissen, dass Ihre Regierung, Herr Bundespräsident, nach den Bestimmungen des Grundgesetzes (Artikel 26157) in der Fortführung einer Tradition, die auf schon mehr als ein halbes 152 153 154 155 156 157

Ross: Die Zeit Nr. 5 vom 23. Januar 2003, S. 4 vgl. Johannes Paul II.: Rede vom 13. Januar 2003, S. 11 Johannes Paul II.: Angelusgebet am 16. März 2003 ibid. Lajolo: Ansprache beim Neujahrsempfang es Bundespräsidenten am 15. Januar 2003 Art. 26 GG: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

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Jahrhundert zurückblickt, sehr stark zugunsten des Friedens engagiert ist, wie es auch unmissverständlich im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung von Herrn Bundeskanzler Schröder bestätigt wurde.“158 8.5.2

Bischofskonferenzen

Im römisch-katholischen Bereich werden auch gemeinsame Erklärungen von Bischöfen herausgegeben. So trifft sich das Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae (CCEE) im Oktober 2002 in Sarajevo zur Vollversammlung. Dabei richten die Bischöfe einen Friedensappell an die Politik: „Die führenden Politiker in Europa und der Welt haben die Pflicht, die Allgemeinheit gegenüber jeglicher Bedrohung für den Frieden zu schützen. Diese Pflicht müssen sie umsetzen im Rahmen des Internationalen Rechts und der moralischen Normen – mit allen gewaltlosen Mitteln, die zur Verfügung stehen.“159 Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen verweist auch auf den Katechismus der römisch-katholischen Kirche, der Lehre, dass „alle Bürger und Regierungen dazu verpflichtet sind, Krieg zu vermeiden. Der Mut zu glauben, dass das Böse nicht durch etwas ebenfalls Böses besiegt werden kann, ist unabdingbar.“160 Die Deutsche Bischofskonferenz beschäftigt sich in ihrer Herbst-Vollversammlung Ende September in Fulda nur am Rande mit der Irak-Krise. Im Pressebericht im Anschluss an die Tagung äußert sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, sehr vorsichtig zur politischen Situation im Nahen Osten. Der Kardinal wählt die Frageform, um auf die möglichen Folgen einer Militäraktion hinzuweisen: „Würde ein Krieg gegen den Irak nicht aller Wahrscheinlichkeit nach eine Unzahl von zivilen Opfern fordern? Und droht er nicht, schwerwiegende politische Verwerfungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten nach sich zu ziehen und die Ablehnung des Westens in der arabi161 schen und muslimischen Welt zu vertiefen?“ Die Situation der Unsicherheit wegen der vermuteten Produktion von Massenvernichtungswaffen im Irak rechtfertigt zwar nach Ansicht der Bischöfe ein „entschiedenes Vorgehen der Staatengemeinschaft“162. Gleichzeitig drängen sie „nachdrücklich“ darauf, einen Krieg zu vermeiden, ohne Alternativen dazu zu nennen. 158 159 160 161

ibid. CCEE: PM zur Vollversammlung vom 6. Oktober 2002 ibid. Lehmann: PE von der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 30. September 2002 162 ibid.

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Am 20. Januar 2003 gibt die Deutsche Bischofskonferenz eine eigene Erklärung zum Irak-Konflikt ab, die etwas ausführlicher ist als die Stellungnahme der EKD163, sich inhaltlich aber nicht wesentlich davon unterscheidet. Im Gegensatz zur Rede des Papstes und zur Presseerklärung von der HerbstVollversammlung am 30. September 2002 beschäftigt sich diese Erklärung aber ausschließlich mit dem Thema Irak. Auch die Bischöfe bemühen sich um Ausgewogenheit, indem sie die Gefahr des Irak für den Frieden thematisieren: „Ein Staat, der mehrfach den Frieden mit den Nachbarländern gebrochen und dessen Regierung den brutalsten Gewalteinsatz gegen die eigene Bevölkerung nicht gescheut hat, stellt ein Risiko für die internationale Ordnung dar, das die 164 Weltgemeinschaft nicht ignorieren darf.“ Deshalb wird ausdrücklich bejaht, dass Druck auf den Irak ausgeübt wird: „Insoweit eine politische Strategie letztlich auf die Vermeidung eines Krieges zielen muss, kann dabei unter Umständen das Mittel der Drohung sittlich erlaubt sein.“165 Bei der Beurteilung des Krieges wenden die Bischöfe das aus dem Hirtenwort Gerechter Friede von 2000 bekannte Kriterium der ultima ratio an.166 Aus dieser Schrift übernimmt die Bischofskonferenz wortwörtlich die Bewertung des Krieges: „Krieg ist immer ein schwerwiegendes Übel. Er darf darum überhaupt nur im Falle eines Angriffs oder zur Abwehr schlimmster Menschheitsverbrechen, wie eines Völkermords, in Erwägung gezogen werden.“167 Die Bischöfe argumentieren hier auf dem Stand des Jahres 2000, denn sie erwähnen mit keinem Wort die Anschläge des 11. September 2001 und den daraufhin ausgerufenen war on terror. Sie bleiben eine Antwort auf die drängende Frage schuldig, was die Vereinten Nationen unternehmen sollen, wenn der Weltsicherheitsrat zu dem Schluss kommt, der Irak habe erneut gegen die UN-Resolutionen verstoßen. Nicht differenziert genug ist die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz auch in ihrer Ablehnung des Präventivkriegs. Mit Bezug auf die Diskussion der vergangenen Wochen heißt es: „Ein präventiver Krieg ist eine Aggression, und er kann nicht als gerechter Krieg zur Selbstverteidigung definiert werden. Denn das Recht auf Selbstverteidigung setzt einen tatsächlichen oder einen unmittelbar bevorstehenden Angriff voraus, jedoch nicht nur 168 die Möglichkeit eines Angriffs.“ Dieser Satz zeigt, dass die Bischöfe die 163 164 165 166 167

s. o. S. 181f. Deutsche Bischofskonferenz: Erklärung zum Irak-Konflikt vom 20. Januar 2003, S. 5 ibid. s. o. S. 111 Deutsche Bischofskonferenz: Erklärung zum Irak-Konflikt vom 20. Januar 2003, in: epdDoku 7/03, S. 5; vgl. Hirtenwort 2000, S. 84 168 ibid.

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Nationale Sicherheitsstrategie der USA – die sog. Bush-Doktrin vom September 2002 – nicht genau gelesen haben. Dort ist nämlich nicht vom präventiven Krieg, sondern vom präemptiven Krieg die Rede: The United States has long maintained the option of preemptive actions to counter a sufficient threat to our national security. The greater the threat, the greater is the risk of inaction – and the more compelling the case for taking anticipatory action to defend ourselves, even if uncertainty remains as to the time and place of the enemy’s attack. To forestall or prevent such hostile acts by our adversaries, the United States will, if necessary, act preemptively. The United States will not use force in all cases to preempt emerging threats, nor should nations use preemption as a pretext for aggression. Yet in an age where the enemies of civilization openly and actively seek the world’s most destructive technologies, the United States cannot remain idle while dangers gather.169

Im Strategiepapier des Weißen Hauses wird also nicht ein präventiver Krieg befürwortet, der auf einen bloßen Verdacht hin geführt werden kann, sondern nur die Möglichkeit eines präemptiven Krieges eingeräumt, der „unter dem Aspekt der unmittelbaren Gefahrenabwehr“ steht.170 Die durchaus nicht leicht zu fassenden Unterschiede zwischen präventivem und präemptivem Krieg hätte die Bischofskonferenz thematisieren können. Dies hat beispielsweise der Völkerrechtler Thomas Bruha auf der Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll im März 2003 getan: „In fragwürdiger Ausdehnung des nicht minder fragwürdigen Konzepts ‚präemptiver Kriege’ (pre-emptive wars) wird die allgemein für rechtmäßig gehaltene Selbstverteidigung gegen einen unmittelbar bevorstehenden bewaffneten Angriff auf unakzeptable Gefährdungssituationen 171 ausgedehnt.“ Als eine gefährliche Begriffserweiterung sieht auch der katholische Sozialethiker Thomas Hoppe die Strategie des präemptiven Kriegs: „Mit dem Begriff ‚präemptiv’ wird ein Vorgehen bezeichnet, das in einen unmittelbar bevorstehenden oder bereits begonnenen gegnerischen Angriff gewissermaßen ‚hineinläuft’ und nur noch dessen Folgen für den Angegriffenen abzumildern sucht. Eine solche Handlungsweise ist nicht von vornherein völkerrechtswidrig – im Unterschied zu präventiver Gewaltanwendung, die einer erst künftig möglicherweise bedrohlichen Situation vorzubeugen sucht. Der Präemptionsbegriff der Nationalen Sicherheitsstrategie erweist sich jedoch

169 Bush: The National Security Strategy of the United States of America, 17. September 2002, S. 15 170 Kamp 2002, S. 20 171 Bruha: Vortrag in der Evangelischen Akademie Bad Boll am 28. März 2003, in: epd-Doku 16/03, S. 24

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als so stark erweitert, dass er der Sache nach präventive Gewaltanwendung mit umfasst.“172 Dass die Bischöfe stattdessen den von Bush nicht in Bezug auf militärische Aspekte verwendeten Begriff präventiv verwenden, offenbart Defizite auf dem politischen Sektor. Damit befinden sie sich aber in guter Gesellschaft. Selbst der Völkerrechtler Dietrich Murswiek spricht von der amerikanischen „Präventivkriegsstrategie“173. Er kommt zu dem Schluss: „Die Bush-Doktrin ist völkerrechtswidrig. Aber sie ist darauf angelegt, neues Völkerrecht zu schaffen. Vor dem Hintergrund der nationalen Sicherheitsstrategie könnte der Krieg gegen den Irak der erste Schritt dazu sein.“174 Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz ist der Meinung, dass die Vereinten Nationen sich bereits in Richtung einer Erlaubnis für den Präventivschlag bewegt haben: „Die Veränderungen in der internationalen Sicherheitslandschaft fordern unabweisbar auch das Bekenntnis zur wirksamen Prävention. Das internationale Recht muss dies anerkennen, wie dies im Übrigen schon mit den UN-Resolutionen nach dem 11. September und der Entscheidung der NATO, den Bündnisfall festzustellen, eingeleitet worden ist. Wirksame Prävention 175 schließt auch die militärische Option ein.“ 8.5.3

Katholische Organisationen

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) äußert sich wenige Tage nach der Bischofskonferenz in ähnlicher Weise wie die Bischöfe. Das ZdK thematisiert die Sorge vor dem Krieg und bezeichnet die Politik Saddam Husseins als „weltweite Bedrohung des Friedens“176. Die Drohung der Vereinten Nationen mit militärischen Mitteln sei deshalb „mit vollem Recht“177 erfolgt. Das ZdK räumt damit im Gegensatz zu anderen kirchlichen Äußerungen die politische Tatsache ein, dass das Regime in Bagdad sich nur durch militärische Drohungen der USA zur Wiederaufnahme der 1998 abgebrochenen Waffeninspektionen bewegen hatte lassen. Das ZdK beruft sich ebenfalls auf das Kriterium der ultima ratio und folgert daraus: „Daher darf der Entschluss dazu auch nicht von einer einzelnen 172 Hoppe 2003, S. 8 173 Murswiek: Vortrag in der Universität Freiburg am 10. Februar 2003, in: NJW 56.2003.14, S. 1014 174 a. a. O., S. 1018 175 Scholz: Die Welt vom 12. März 2003, S. 8 176 Zentralkomitee der deutschen Katholiken: Erklärung vom 24. Januar 2003 177 ibid.

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Macht, sondern er muss von den durch die UN-Satzung dafür vorgesehenen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft gefasst werden.“178 Die einstimmige Verabschiedung der UN-Resolution zum Irak hatte Hans Joachim Meyer, der Präsident des ZdK, schon am 22. November 2002 vor der ZdK-Vollversammlung als „Zeichen der Handlungsfähigkeit“179 gewertet. Kritik hatte Meyer an der rot-grünen Bundesregierung geübt. Weder Koalitionsvertrag noch Regierungserklärung enthielten konkrete Aussagen über einen deutschen Beitrag zur Lösung des Konfliktes. Die Aussage „Deutschland wird sich an einem Krieg gegen den Irak nicht beteiligen“ werde Saddam Hussein nicht daran hindern, Massenvernichtungswaffen einzusetzen.180 Mit dieser Behauptung übernimmt Meyer ungeprüft die Behauptungen der „Koalition der Willigen“ über die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. Heute wissen wir, dass es solche nicht gegeben hat. Diese Aussage ist auch deshalb unverständlich, weil Meyer selbst noch zwei Monate zuvor die Existenz von Massenvernichtungsmitteln im Irak als nicht gesichert angesehen hatte. Vor dem Hauptausschuss des ZdK hatte Meyer argumentiert, eine entsprechende Urteilsbildung über die politischen Strategien könne erst erfolgen, wenn es „Beweise dafür gebe, dass von diesem 181 Staat eine Bedrohung mit Massenvernichtungswaffen ausgehe“ . Die Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, wiederholt Meyer noch einmal am Tag vor dem Kriegsausbruch. „Offenkundig ist auch, dass vom Irak eine Bedrohung mit Massenvernichtungsmitteln ausgeht“, schreibt der ZdK-Präsident. „Diese Bedrohung kann jedoch durch das entschlossene Handeln der Weltgemeinschaft unter Kontrolle gehalten werden.“182 Was er sich unter entschlossenem Handeln vorstellt, verrät Meyer leider nicht. Wie viele Amtsträger vor ihm weiß er jedoch, was nicht zu tun sei: „Jedenfalls besteht jetzt keine Notwendigkeit, militärische Mittel gegen diese Gefahr einzusetzen.“183 Unklar bleibt, warum Meyer gegenüber seinen Äußerungen zum Afghanistan-Krieg184 eine Kehrtwendung macht. Die Deutsche Kommission Justitia et Pax, eine Art „Runder Tisch“ der international tätigen römisch-katholischen Einrichtungen in Deutschland, weitet in ihrer Erklärung den Blick vom Irak auf den gesamten Mittleren Osten: 178 179 180 181 182 183 184

ibid. ZdK: PM vom 22. November 2002 vgl. ibid. ZdK: PM vom 13. September 2002 ZdK: PM vom 19. März 2003 ibid. s. o. S. 168f.

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„Eine militärische Auseinandersetzung könnte … schwerwiegende politische Verwerfungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten nach sich ziehen und die Ablehnung des Westens in der arabischen und muslimischen Welt vertiefen.“185. Als eine Ursache für die Krisen im Nahen und Mittleren Osten nennt die Stellungnahme den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, „dessen Fortdauer zur Stärkung mancher Despotie in dieser Region beiträgt und selbst dem Diktator Saddam Hussein zeitweise Sympathien zugetrieben hat.“186 Zu Recht – wie sich mittlerweile herausgestellt hat – moniert die Kommission das Fehlen einer „überzeugende[n] Perspektive dafür, „wie und mit welchen politischen Kräften nach dem Ende selbst eines auf Irak begrenzbaren Kriegs eine grundlegende Reform des dortigen politischen Systems erreicht werden könnte“187. Damit gehört die Kommission Justitia et Pax zu den wenigen kirchlichen Stimmen, die sich schon vor Beginn des IrakKrieges über die Folgen für die Region nach Ende des Krieges Gedanken machen. Auch das Problem der Weiterverbreitung von Kernwaffen spricht die Kommission an: „Zu befürchten ist eher, dass ein Angriff auf den Irak das Streben nach Massenvernichtungsmitteln allenthalben noch stimulieren könnte, weil dem Argument, dass man sich nur durch solche Waffen vor Militärinterventionen schützen könne, mehr Überzeugungskraft zugebilligt würde. Ein Krieg gegen den Irak wäre daher zur Verringerung des Proliferations188 risikos nur sehr begrenzt wirksam, möglicherweise sogar kontraproduktiv.“ Eindeutig gegen einen Irak-Krieg bezieht die deutsche Sektion von pax christi in mehreren Erklärungen Stellung. Schon im März 2002 warnt der Geschäftsführende Vorstand vor kriegerischen Maßnahmen gegen den Irak und veröffentlicht ein Forderungspaket an die Bundesregierung. Darin heißt es, Berlin solle sich „für die Zulassung neutraler Waffeninspektoren“ und „für eine gezielte Aufhebung des Embargos gegen den Irak“ einsetzen.189 Beim Ergreifen politischer Maßnahmen müsse Deutschland „eine führende Rolle übernehmen“.190 Zum ersten Jahrestag der Anschläge des 11. September zieht das Präsidium von pax christi eine Bilanz der militärischen Reaktionen: „Gegen diese terroristischen Handlungen sind militärische Reaktionen wirkungslos; die unauffällig in den Gesellschaften lebenden potenziellen Attentäter werden so 185 186 187 188 189 190

Deutsche Kommission Justitia et Pax: Erklärung vom 20. Oktober 2002 ibid. ibid. ibid. pax christi: Erklärung des Geschäftsführenden Vorstands vom 20. März 2002 ibid.

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nicht unschädlich gemacht. Zudem ist es verwerflich, zur Verfolgung der Täter privatisierter Gewalt Kriege gegen Staaten zu führen und damit deren Bevölkerung zu Opfern zu machen.“191 Die USA und ihre westlichen Verbündeten müssten sich fragen lassen, „ob denn der weltweite Anti-Terror-Krieg gegen die ‚Achse des Bösen’ etwas anderes ist als ein politisches Vehikel zur militärischen Durchsetzung von Macht- und Wirtschaftsinteressen im globalen Maßstab“192. Besonders die monotheistischen Religionen seien nun zum Dialog herausgefordert: „Christen, Juden und Muslims können durch ihre Dialogbereitschaft deutlich machen, dass ihre Religionen einen gemeinsamen Ursprung haben und Frieden und Gerechtigkeit die Grundlagen für das Zusammenleben der Menschen bilden.“193 Auch politische Maßnahmen gegen der Terror benennt pax christi: „Im Rahmen der Vereinten Nationen muss das Völkerrecht weiter entwickelt werden, um die internationale Strafverfolgung von Terrorverbrechen zu verbessern (zunächst durch internationale Polizeikräfte und den Internationalen Strafgerichtshof). Die Staaten der Europäischen Union brauchen eine eigene angemessene Strategie zur Bekämpfung der Terrorursachen, die geprägt ist von ziviler Konfliktbearbeitung, ökonomischer Entwicklung, ökologischer Klugheit und interkulturellem Dialog; auch sollten sie mehr Initiativen zur 194 Lösung regionale Konflikte entwickeln, die derzeit Terror hervorrufen.“ Hier wird mit der Transformation von Militär- in Polizeiaktionen eine wichtige Grundlage zur Überwindung des Krieges genannt. Die rechtlichen Grundlagen wären mit der UN-Charta jedoch schon gegeben. Was den Vereinten Nationen fehlt, ist das, was den derzeit einzigen Hegemon der Welt, die USA, ausmacht: Macht. Dieser Weltmacht fehlt jedoch ohne Beschluss des UNSicherheitsrats das Recht, Militäraktionen durchzuführen. Die Delegiertenversammlung von pax christi nennt im November 2002 konkrete Gefahren eines Waffengangs gegen den Irak: „Es vergrößert die Gefahr eines regionalen Krieges, in dessen Folge Atombomben und Massenvernichtungsmittel zum Einsatz gelangen können. Auch die technologisch hochwertigen Raketen der US-amerikanischen Armee werden nicht verhindern können, dass im Falle eines Angriffs der Irak seine Waffen zum Gegenschlag auf Israel einsetzen wird. Diese Ausweitung des Nahost-Konfliktes bedeutet gleichfalls die 191 192 193 194

pax christi: Erklärung des Präsidiums vom 9. September 2002 ibid. ibid. ibid.

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unmittelbare Gefahr einer Vertreibung der Palästinenser.“195 So pessimistisch die Erklärung in Bezug auf die Kriegsfolgen ist, so optimistisch beurteilt sie das Verhältnis Deutschlands zu den USA nach der Ablehnung des Krieges durch die Bundesregierung: „pax christi begrüßt daher die Haltung der Bundesregierung gegen einen Krieg am Golf und sieht darin keine Beschädigung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Im Gegenteil: Das Erstarken der USamerikanischen Friedensbewegung und ihre wachsende internationale Resonanz verdeutlichen, dass ein politischer Meinungsumschwung in den USA eingetreten ist und dass es gelingen kann, die Kräfte des Friedens auch innerhalb der transatlantischen Gemeinschaft so zu stärken, dass der bevorstehende Krieg und weiteres Unheil verhindert werden können.“ Als Argument gegen den Irak-Krieg bemüht pax christi-Generalsekretär Reinhard J. Voß bei der Friedensdemonstration am 15. Februar 2003 in Berlin die jüngere europäische Geschichte: „Unrecht und Ungerechtigkeit werden nicht durch Krieg überwunden, sondern durch geduldige politische Arbeit, durch Proteste und Friedensdienste, durch Verhandlungen und Konferenzen. ‚Wandel durch Annäherung’ hat Europas Spaltung überwinden helfen. Und die Friedensbewegungen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, der auch Berlin durchteilte, haben Vertrauen aufgebaut und eine gewaltfreie Revolution der 196 Verhältnisse ermöglicht.“ Der Präsident von pax christi, Heinz Josef Algermissen, Bischof von Fulda, richtet ein Grußwort an die Friedensdemonstranten: „Wir alle dürfen es nicht zulassen, dass sich die Menschen an den Gedanken eines unvermeidbaren Krieges im Irak gewöhnen. Der internationale Druck auf das Regime des Saddam Hussein ist gewiss auch ohne Krieg möglich.“197 Konkrete Vorschläge für künftige Militäreinsätze macht die Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im April 2002. Militärische Interventionen aus Gründen der Humanität macht das Papier von einigen Bedingungen abhängig. In dieser Liste tauchen einige Kriterien der Lehre vom gerechten Krieg in modernisierter Form wieder auf: -

Die Entscheidung über eine Intervention zugunsten der Nothilfe für Gruppen der Bevölkerung der Staaten, die unter den Folgen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen zu leiden haben, muss den VN vorbehalten bleiben. Dabei muss es sich um eine außergewöhnliche und sehr

195 pax christi: Erklärung der Delegiertenversammlung vom 3. November 2002 196 Voß: Auftaktrede zur Friedensdemonstration am 15. Februar 2003 in Berlin 197 Algermissen: Grußwort zur Friedensdemonstration am 15. Februar 2003 in Berlin

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ernste Notsituation in einem Staat oder zwischen Staaten handeln, dessen Machthabern auf andere Art und Weise als mit militärischen Mitteln nicht Einhalt geboten werden kann. Die intervenierende Macht darf kein besonderes Eigeninteresse an der Situation haben. Der Schutz der Menschenrechte muss das Ziel sein und es dürfen keine verdeckten politischen oder wirtschaftlichen Gründe hinzukommen. (…) Aus friedensethischer Perspektive steht die intervenierende Macht in der Pflicht, unverzüglich nach der Beendigung Folgen und Auswirkungen für die notleidende Bevölkerung rasch und umfassend zu lindern. Dabei ist darauf zu achten, dass Wiederaufbau und humanitäre Hilfe zur Befriedung und Stabilität beitragen. Bedingungen für eine vertretbare militärische Intervention müssen völkerrechtlich verankert werden, um zu verhindern, dass Staaten oder Staatenbündnisse den Einsatz militärischer Mittel selbst legitimieren.198

-

-

-

Der erste Punkt in der Aufzählung ist unnötig, denn der Fall der Nothilfe für bedrohte Bevölkerungsgruppen ist in der UN-Charta ja bereits abgedeckt und müsste deshalb nicht eigens vom Sicherheitsrat entschieden werden. Auch für den Einsatz deutscher Streitkräfte legt der BDKJ Bedingungen vor, damit die Politik nicht in einen Automatismus von militärischen Einsätzen gerate: „Ein Einsatz der Bundeswehr unter dem Mandat der VN sollte zukünftig von einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag getragen werden. Über die konkreten Einsätze ist mit 2/3 Mehrheit zu entscheiden.“199 8.5.4

Einzelne Diözesanbischöfe

Keine politische, sondern eine theologische Erklärung gibt der Münchner Erzbischof Friedrich Wetter kurz vor Kriegsbeginn ab. Bei der in Freising tagenden Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz thematisiert er die Frage vieler Menschen nach dem Sinn ihres Betens um den Frieden. So fragten jetzt viele, ob Gott denjenigen, die einen Krieg auslösten und nicht die Einsicht teilten, dass jeder Krieg eine Niederlage für die Menschheit sei, in den Arm fallen werde.200 Dieses Geheimnis könne in rein menschlichen Dimensionen nicht aufgelöst werden: „Gott wird es lösen, wie er das Geheimnis des Kreuzes Jesu an Ostern aufgelöst hat.“201 Menschen 198 199 200 201

BDKJ: Beschuss der Hauptversammlung (25.-28. April 2002), S. 6 a. a. O., S. 7 vgl. Erzbistum von München und Freising: PM vom 13. März 2003 ibid.

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dürften immer mit Gottes Herrschaft und Führung rechnen, sie könnten ihn aber „nicht wie irdische Faktoren in ihr Kalkül einbeziehen“202. Was Menschen für den Frieden konkret tun können, das sagt Wetter in der Christmette 2002: „Wenn sich Völker auf einen Krieg vorbereiten, machen sie mobil. Eine Mobilmachung ist heute dringend nötig, aber nicht für einen Krieg, sondern für den Frieden, und zwar weltweit. Die ganze Welt muss mobil machen für den Frieden. Was wir brauchen, ist nicht nur eine Globalisierung der Wirtschaft, sondern viel mehr noch eine Globalisierung des Friedens.“203 Der katholische Militärbischof Walter Mixa reist Ende Januar 2003 für zehn Tage in die USA und besucht dort stationierte Bundeswehrsoldaten und ihre Familien. „Mit der Friedensbewegung habe ich nie viel zu tun gehabt“, sagt Mixa in einem Interview nach seiner Rückkehr nach Deutschland. Dennoch findet er klare Worte gegen den drohenden Irak-Krieg: „Es erregt mich schon, wie selbstverständlich vom Krieg geredet wird, wie unüberlegt Präsident George Bush mit einem atomaren Schlag droht. Das schafft keinen Frieden, das macht den Dialog mit der arabischen Welt auf Jahrzehnte unmög204 lich.“ Bei seinen Gesprächen habe er zwei Tendenzen in den USA wahrgenommen. Zum einen habe es erstmals seit 30 Jahren zwei große Friedensdemonstrationen gegeben, die aber in Medien und Politik kaum zur Kenntnis genommen worden seien. Zum anderen gebe es ein wachsendes patriotisches Bewusstsein: „Da kommt so etwas wie alter Pioniergeist durch, dass viele Amerikaner ihr Land als engagierte Kraft gegen einen Diktator wie Saddam Hussein und seine ABC-Waffen … sehen.“205 Zwei Tage später vergleicht Mixa in einem Vortrag bei der Clausewitzgesellschaft die Situation mit der Kuba-Krise 40 Jahre zuvor, die die Welt an den Rand eines Atomkrieges geführt habe: „Auch heute sind die Perspektiven für den Frieden düster. Ich nenne nur die Stichworte Balkan, Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Es droht die Gefahr, dass wir den Glauben daran verlieren, dass es wirklich in der Möglichkeit des Menschen liegt, Krieg strukturell zu überwinden.“206 Die Frage, ob die Geschichte für einen wirklichen Frieden offen sei oder nicht, sei keineswegs akademisch und belanglos: „Eine Politik, die sich an der strukturellen Überwindung des Krieges ausrichtet, kommt zu anderen normativen Vorgaben als jene, die sich mit Krieg als einer bleibenden Wirklichkeit abgefunden hat, 202 203 204 205 206

ibid. Wetter: Predigt in der Christmette 2002 im Liebfrauendom München Mixa: SZ vom 4. Februar 2003, S. 9 Mixa: KNA-Interview vom 4. Februar 2003 Mixa: Vortrag bei der Clausewitzgesellschaft am 6. Februar 2003, S. 1

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oder ihn gar als unverzichtbares Instrument verantwortlicher Politik betrachtet.“207Am selben Tag nennt Mixa vor Militärseelsorgern und Kommandeuren in Beilngries eine Alternative zum Militäreinsatz: Die Waffeninspektionen durch die Vereinten Nationen sollten weitergehen: „Vergessen wir bitte nicht, dass durch die erste UN-Inspektion nach dem Golfkrieg mehr irakische ABCWaffen und Trägersysteme abgerüstet wurden als im Golfkrieg vernichtet werden konnten. Auch aus dieser Überlegung ergibt sich ein Vorrang für nicht-militärische Maßnahmen, sofern sie Aussicht auf Erfolg verheißen.“208 Inhaltlich stark auf die Erklärung des Papstes stützt sich der Bischof von Münster, Reinhard Lettmann. „Krieg bedeutet immer eine Niederlage der Menschheit“209, zitiert er Johannes Paul II. Im Soldatengottesdienst am 13. Februar 2003 in Münster urteilt er sehr vorsichtig über die politische Lage: „Die Notwendigkeit zum militärischen Handeln ist nach allem, was die internationale Öffentlichkeit weiß, nach unserer Überzeugung zur Zeit nicht erkennbar, auch wenn die Situation im Irak weiterhin äußerste Wachsamkeit verlangt und die glaubwürdige Bereitschaft zum militärischen Handeln unmissverständlich erkennbar bleiben muss.“210 Auf Äußerungen eines früheren Papstes weist der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hin: Auf die Enzyklika Johannes XXIII. Pacem in terris, in der unter dem Eindruck des Kalten Krieges und der Kuba-Krise Gedanken zu einer Kultur des Friedens dargelegt sind. „Ja, im Hinblick auf die wachsende Kriegsgefahr in der Golf-Region ist die Botschaft dieser Enzyklika aktueller denn je“, so Meisner.211 Auf die Notwendigkeit einer gerechten Weltordnung zur Terrorprävention macht der Hildesheimer Bischof Josef Homeyer in einem Friedensgottesdienst aufmerksam: „Wer Interventionen begrenzen oder ausschließen will, muss tragfähige internationale Strukturen und Instrumente schaffen, die Konflikte friedlich regeln können; der muss letztlich Konzepte der Gerechtigkeit vorlegen, die allen Menschen die gleichen Lebenschancen gewährt.“212 Eine politische Einschätzung seiner Bischofskollegen gibt der Trierer Oberhirte Reinhard Marx im September 2002 ab: Die deutschen Bischöfe seien zwar „keine radikalen Pazifisten, aber doch sehr gewaltkritisch“213. Marx 207 208 209 210 211 212 213

a. a. O., S. 2 Mixa: Vortrag vor Militärseelsorgern und Kommandeuren am 6. Februar 2003, S. 6 Lettmann: Predigt am 13. Februar 2003, S. 1 a. a. O., S. 2 Meisner: Predigt am 30. Januar 2003, S. 1 Homeyer: Predigt am 6. Februar 2003, S. 2 Bistum Trier: PM vom 26. September 2002

Die römisch-katholische Kirche

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selbst spricht sich klar gegen den Irak-Krieg aus: „Der Einsatz von Gewalt, selbst wenn er dazu dient ein größeres Unrecht zu verhindern und im Moment vielleicht auch notwendig erschein, bleibt doch immer ein Übel.“214 Friedensstiftend seien nicht Kriege, sondern „eine gerechtere Gestaltung der Globalisierung und die Erhöhung der Entwicklungshilfen“.215 Wie sein Münchner Bischofskollege Wetter, so fordert auch Marx eine „Mobilmachung für den Frieden“216 und ruft die Gläubigen zum Handeln auf: „Als Christen sollten wir an der Spitze einer neuen Bewegung für den Frieden stehen.“217 Auf die grundsätzliche Problematik kirchlicher Stellungnahmen zum IrakKrieg geht der Mainzer Bischof Karl Lehmann in einem Beitrag der Bistumszeitung ein: „Wir sind keine Politiker und keine Militärexperten. (…) Deshalb kommt alles darauf an, dass man die ethische Grundproblematik genauer herausarbeitet.“218 Bei der Beschreibung, wie sich Kirchenvertreter äußern sollen, bleibt Lehmann allerdings vage: „Hier bedarf es, zumal in der politischen Auseinandersetzung und besonders in Wahlkampfzeiten, aber auch in der öffentlichen Berichterstattung großer Disziplin und einer klugen Offenheit, die man freilich nicht mit Unentschiedenheit verwechseln darf. Den schmalen Weg dazwischen zu finden, ist die Kunst des Politischen und des Politikers.“219 Einen Monat später kann man eine politische Stellungnahme Lehmanns in derselben Zeitung mit diesen Maßstäben messen. Darin grenzt er die Kirche nach zwei Richtungen ab: „Freilich, die Kirche darf dann nicht für eine radikalpazifistische Position vereinnahmt werden. Sie darf sich aber auch nicht instrumentalisieren lassen für die Unerstützung eins Krieges, der – wie gesagt – ein schwerwiegendes Übel darstellt.“220 Dazwischen liegt für Lehmann die Notwendigkeit, eine Drohkulisse aufzubauen und als letzte Möglichkeit eine militärische Intervention „nicht von vornherein und für immer auszuschließen“221. Eine Gefahr sieht der Kardinal, dass die Drohkulisse eine Eigendynamik entfalten könnte und „dass ein vorbeugender Krieg (‚Präventivkrieg’) vom Zaun gebrochen wird, der nur im Fall schlimmster Mensch-

214 215 216 217 218 219 220 221

ibid. ibid. Marx: Interview vom 10. Januar 2003, S. 1 ibid. Lehmann: Glaube und Leben vom Februar 2003 ibid. Lehmann: Glaube und Leben vom März 2003 ibid.

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heitsverbrechen, wie z. B. Völkermord, erwogen werden darf“222. Hier liegt eine begriffliche Ungenauigkeit vor, die leicht große Verwirrung stiften kann. Einen Präventivkrieg lehnen die Kirchen nämlich unisono ab. Mit der Umschreibung seines Falls von „Präventivkrieg“ hat Lehmann aber deutlich gemacht, dass er wohl eigentlich eine militärische Aktion meint, die im allgemeinen Sprachgebrauch unter „humanitäre Intervention“ firmiert.

8.6 Internationale Zusammenschlüsse Zu einer bemerkenswerten Friedensinitiative kommt es auf Anregung des EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock am 5. Februar in Berlin: Vorwiegend protestantische und orthodoxe Führer von Kirchen aus Europa, dem Nahen Osten und den USA223 treffen Bundeskanzler Gerhard Schröder und geben eine gemeinsame Erklärung gegen den drohenden Irak-Krieg heraus. Darin wird bedauert, „dass die mächtigsten Nationen dieser Welt Krieg wieder als ein akzeptables Mittel der Außenpolitik betrachten. Dies schafft ein internationales Klima der Furcht, Bedrohung und Unsicherheit.“224 Insbesondere die Ziele eines Irak-Krieges können die Kirchenführer nicht akzeptieren: „Ein präventiver kriegerischer Angriff als Mittel, um die Regierung eines souveränen Staates auszuwechseln, ist unmoralisch und stellt eine Verletzung der UN-Charta dar.“225 Auch diese kirchliche Äußerung leidet an mangelnder Konkretheit. So wird gefordert: „Den Menschen im Irak muss die Hoffnung gegeben werden, dass es Alternativen sowohl zu Diktatur als auch zu Krieg gibt.“226 Worin diese Alternativen bestehen, sagen die Kirchenführer aber nicht. Ein Aufruf zum Protest gegen den Krieg kommt bei dem Treffen nicht zustande: „Einige würden gerne zu weltweiten Protestaktionen aufrufen, anderen ist dies zu politisch.“227 Die Erklärung der Kirchenführer ist dennoch politisch einseitig ausgefallen. Sie erwähnt – im Gegensatz zu den oben erwähnten Erklärungen der evangelischen und römisch-katholischen Kirche in 222 ibid. 223 u. a. Manfred Kock (EKD), Konrad Raiser (Ökumenischer Rat der Kirchen), Keith Clements (Konferenz Europäischer Kirchen), Nuhad Daoud Tomeh (Middle East Council of Churches), Bob Edgar (National Council of Churches, USA). Auffallend ist, dass Kirchenvertreter aus den kriegsbefürwortenden Ländern England und Spanien fehlen. 224 Verantwortliche aus europäischen Kirchen: Aufruf vom 5. Februar 2003, in: epd-Doku 7/03, S. 54 225 ibid. 226 ibid. 227 SoBl Nr. 7 vom 16. Februar 2003, S. 7

Internationale Zusammenschlüsse

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Deutschland – mit keinem Wort die Bedrohung, die vom Regime Saddam Husseins ausgeht. Angesichts der politisch vorsichtigen Erklärung des EKDRates vom 24. Januar 2003, in der ein Angriff auf den Irak lediglich als „derzeit nicht zu rechtfertigen“ bezeichnet wird,228 ist es nicht verständlich, wie der EKD-Ratsvorsitzende Kock innerhalb von zwei Wochen seine Unterschrift unter zwei so unterschiedliche Stellungnahmen setzen konnte. Mit der politischen Einseitigkeit bieten die Kirchenführer Angriffsflächen, die von der konservativen Presse und Politik auch sofort genutzt werden. Die Frankfurter Allgemeine fordert am 8. Februar 2003 die Kirchen auf: „Anstelle im Namen Gottes Politik zu machen, sollten sie Politik in Verantwortung vor Gott und den Menschen machen.“229 Johannes Christian Koecke von der KonradAdenauer-Stiftung hält in einer Analyse am 10. Februar 2003 den Kirchenführern vor, alte Klischees zu pflegen: „Mit dieser Erklärung, die unter dem Schirm des Ökumenischen Rates der Kirchen und ihrem Generalsekretär Konrad Raiser steht, haben die in diesem Verbund zusammengeschlossenen Kirchen den Eindruck bestätigt, den sie auch während des Kalten Krieges abgegeben haben. Schon damals lag für sie die Hauptverantwortlichkeit für Wettrüsten und Kriegsgefahr bei der NATO und den USA. Sie haben sich 230 damit jeglicher Chance begeben, politisch ernst genommen zu werden.“ Die Erklärung der Kirchenführer leidet aber auch an mangelnder Konkretheit. Sie stellt fest: „Es sind noch nicht alle friedlichen und diplomatischen Mittel ausgeschöpft worden, um den Irak zu zwingen, den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu folgen.“231 Welche Mittel dies sind, wird aber nicht genannt. In dieser Stellungnahme zeigt sich die Schwierigkeit des richtigen Zeitpunkts kirchlicher Äußerungen. Gerade ein Text, der eine gemeinsame Erklärung mehrerer Personen darstellt, ist oft das Ergebnis längerer Konsultationen. Auf aktuelle Ereignisse kann damit nicht mehr reagiert werden. Insofern ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Kirchenführer ungeschickt gewählt, denn am selben Tag tritt in New York der UN-Sicherheitsrat zusammen, um über den Irak zu debattieren. Dabei beschuldigt US-Außenminister Colin Powell den Irak, Sprengköpfe mit biologischen Waffen zu verstecken und mit der Al Qaida 232 zusammenzuarbeiten. Auf Powells Auftritt vor der UN, der an diesem Tag

228 229 230 231

s. o. S. 18 Deckers: FAZ Nr. 33 vom 8. Februar 2003, S. 1 Koecke: Text der Reihe Argumente vom 10. Februar 2003, in: epd-Doku 13/03, S. 40 Verantwortliche aus europäischen Kirchen: Aufruf vom 5. Februar 2003, in: epd-Doku 7/03, S. 55 232 vgl. Blätter 48.2003.4, S. 388

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die Top-Meldung aller Medien war, kann die Erklärung der Kirchenführer nicht mehr eingehen und wirkt daher veraltet. Eine ausgewogenere Erklärung gibt der Exekutivausschuss des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) wenige Tage nach der Stellungnahme der Kirchenführer ab. Es heißt zwar einleitend, der Ausschuss des ÖRK schließe sich „uneingeschränkt“ diesem Statement an233, im weiteren Verlauf der Stellungnahme erklärt der Exekutivausschuss jedoch ausdrücklich, dass er „die Verletzung der Grundrechte und Grundfreiheiten im Irak durch die irakische Regierung verurteilt und diese auffordert, dafür Sorge zu tragen, dass die bürgerlichen und politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte einschließlich der religiösen Rechte aller Bürger und Bürgerinnen des Landes uneingeschränkt geachtet werden“.234 Damit schützt sich die Erklärung vor dem Vorwurf der Einseitigkeit und kann die US-amerikanische und britische Regierung aufrufen, „sich einer einseitigen präventiven Militärintervention zu enthalten“235. Die Kirchen werden vom ÖRK ermutigt, „auch weiterhin jegliche Politik der nationalen Sicherheit, die präventive Militärinterventionen als legitime Selbstverteidigung betrachtet, zu kritisieren und in Frage zu stellen, weil sie gegen die Grundsätze und den Geist der UN-Charta verstößt“236.

8.7 Andere kirchliche Stimmen Vorschläge für Reaktionen der Kirchen kommen auch von einzelnen Christen oder Funktionsträgern. So fordert Kirchenrat Hermann Wagner einen „möglichst weit angelegten Gottesdienst-Predigt-Boykott an Ostern“237. Verwirklicht wird als hörbares Zeichen der Kirchen gegen den Krieg Ende Januar 2003 ein tägliches fünfminütiges Glockenläuten um 17.55 Uhr.238 Als „immer noch nötig und möglich“ bezeichnet Albert Schäfer vom Forum Friedensethik der EKiBa am 20. Januar 2003 die Verhinderung des Krieges, der vor allem folgende Gefahr berge: „Da würde das preisgegeben, was es herzustellen oder zu erhalten gilt: eine Bindung an internationales

233 234 235 236 237 238

vgl. ÖRK: Erklärung des Exekutivausschusses, 18. - 21. Februar 2003, in: epd-Doku 13/03, S. 25 a. a. O., S. 26 ibid. ibid. Wagner: SoBl Nr. 3 vom 19. Januar 2003, S. 18 vgl. SoBl Nr. 5 vom 2. Februar 2003, S. 1

Andere kirchliche Stimmen

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Recht und die Bewahrung der unschuldigen Bevölkerung.“239 Schon im Juli 2002 kommt aus Baden grundsätzliche Kritik an den kirchlichen Stellungnahmen. Hans-Georg Dittrich, Mitglied des Leitungskreises des Forums Friedensethik, konstatiert eine „schleichende Änderung der Haltung der offiziellen Kirche zum Krieg“240 seit dem Kosovo-Krieg. Aufgabe der Kirchen sei es eigentlich, wie Familienpädagogen den Regierenden ins Gewissen zu reden. „Aber wie wollen die Kirchen die Bundesregierung und die Bundestagsabgeordneten ermahnen, wenn sie bereits in ihren kirchlichen Aussagen dem Krieg als ‚Mittel der Politik’ das Tor der ‚ultima ratio’ öffnen.“241 Dies führe zu einem Kompromiss zwischen dem Anspruch Christi an unser Handeln und der öffentlichen Meinung. Dittrichs Befürchtung: Der Kompromiss werde sich immer mehr in Richtung eines Rechtes des Stärkeren entwickeln. Mit den Behauptungen der Kriegsbefürworter, man müsse dem irakischen Diktator Saddam Hussein die Massenvernichtungsmittel aus der Hand schlagen, setzt sich Wilhelm Wille in einem Internet-Beitrag der Evangelischen Landeskirche in Baden auseinander. Er erinnert an die Resolution Nr. 678 des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 1991, der die Entwaffnung des Iraks im Kontext eines von Massenvernichtungsmitteln freien Nahen Ostens fordere. „Hat jemand davon gehört, dass Israel seine Atombomben verschrotten 242 soll?“ , fragt Wille und folgert aus dem erwarteten Nein auf diese Frage: „Kann die arabische Welt dann glauben, dass es hier mit rechten Dingen zugeht – um Völkerrecht und Frieden Krieg geführt werden muss?“243 Die eigentlichen Beweggründe für den Irak-Krieg beschreibt Wille so: „In Wirklichkeit geht es einmal um den Angriff auf die irakischen Ölreserven. Außerdem will die amerikanische Regierung die Landkarte des nahen Ostens neu zeichnen, um auf diese Weise den letzten Rest von arabischem Widerstand gegen die amerikanische Vorherrschaft zu eliminieren und die Region nutzen zu können als Aufmarschgebiet für den nächsten Krieg gegen den Iran.“244 Die friedensethischen Aktivitäten bleiben auch in der badischen Landeskirche weiterhin im Forum Friedensethik gebündelt. Zu einer Institutionalisierung der Friedensarbeit innerhalb der Landessynode kommt es nicht. Ein Antrag von Albert Schäfer im Namen des Leitungskreises des Forums Friedensethik, einen Ausschuss für Friedensfragen einzurichten, findet in der 239 240 241 242 243 244

Schäfer: Kommentar vom 20. Januar 2003 Dittrich: Kommentar vom 15. Juli 2002 ibid. Wille: Glaube aktuell vom 17. Januar 2003, S. 1 ibid. a. a. O., S. 1f.

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Die Irak-Krise

Synode keine Mehrheit. Stattdessen wird ein Papier des Hauptausschusses beschlossen, in dem die Fachgruppe „Konziliarer Prozess“ gebeten wird, „friedensethische Fragen zu bedenken und ihre Überlegungen über den Beirat der Synode zuzuleiten“245. Der Synodale Helmut Krüger, Mitglied des Hauptausschusses, mahnt, eine „Inflation unterschiedlichster Verlautbarungen zu vermeiden“246. Demgegenüber prophezeit der Synodale Dirk-Michael Harmsen, Mitglied des Forums Friedensethik, dass durch die Delegation der Probleme in die Fachgruppen „Äußerungen der Landessynode zu den dort behandelten Fragen noch weniger aktuell sein werden“247. Gegen den Krieg wendet sich auch eine kirchliche Organisation, die in der Zeit des sog. „Kirchenkampfes“ unter der NS-Herrschaft entstanden ist. Die Bayerische Pfarrbruderschaft erklärt, ein Krieg sei „tiefster Ausdruck menschlicher Sündhaftigkeit“.248 Für mehr Toleranz bei den friedensethischen Stellungnahmen spricht sich der ehemalige Leiter des internationalen Versöhnungszentrums Coventry, Pfarrer Paul Oestreicher, aus: „Wir sollten es uns nicht zu leicht machen mit Parolen, sondern auch auf die Argumente der anderen Seite hören.“249 Als „eigenartig romantisch“250 bezeichnet Militärbischof Hartmut Löwe die meisten kirchlichen Erklärungen. Bei der 48. Gesamtkonferenz Evangelischer Militärgeistlicher, die wenige Tage vor Kriegsausbruch in Bayreuth stattfindet, beklagt er, dass diese Stellungnahmen nur selten den Schnittpunkt zwischen Sehnsucht und Realität träfen. Kirchenleute dürften zwar den Krieg nicht legitimieren. Manche Kirchentexte könnten jedoch so gelesen werden, als sei Gottvertrauen alleinige Antwort auf den weltweiten Terrorismus. Doch hier seien Menschen gefragt: „Für die weltliche Sicherheit muss mit weltlichen Mitteln 251 gesorgt werden. Nicht mit Engeln. Sondern mit Polizisten und Soldaten.“ Der deutschen Politik gab er den Hinweis, dass es „zwischen Allmacht und Ohnmacht“252 noch andere Wege gebe. Anders seine Mahnung an die Vereinigten Staaten: „Amerika kann auf seine globale Rolle nicht verzichten. Aber die Welt gehört Amerika nicht. Selbstüberhebung wäre fatal. Hochmut kommt vor dem 245 246 247 248 249 250

Landessynode der EKiBa, 2. Sitzung der 10. Landessynode (12. April 2003), S. 63 ibid. a. a. O., S. 64 ibid. SoBl Nr. 7 vom 16. Februar 2003, S. 11 Löwe: Predigt bei der 48. Gesamtkonferenz evangelischer Militärgeistlicher in Bayreuth (10. März 2003), S. 18 251 a. a. O., S. 20 252 ibid.

Andere kirchliche Stimmen

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Fall. Nicht einmal die gewaltigen militärischen Potenziale verheißen Dauer. Die Welt gehört Gott, niemandem sonst.“253 Die Rolle der Kirchen in Friedensfragen sieht der Militärbischof differenziert: „Die Kirchen haben keine politische Macht. Das ist gut so. Aber sie müssen in den großen Fragen von Krieg und Frieden ihre Überzeugungen einbringen und mithelfen, um gelegentlich eine besonnene Politik möglich zu machen. Dafür müssen sie auf ihre Unabhängigkeit bedacht sein, ihr eigenes Wort sagen, christlich und politisch argumentieren.“254 Und er wird noch deutlicher: „Friedenssehnsucht ist gut und nötig. Aber der reale politische Friede braucht mehr Kopf als Bauch. Das weiterhin zur Gewohnheit gewordene Bekennen in der Friedensfrage bleibt folgenlos, wenn es die tatsächlichen Gegebenheiten nicht wirklich zur Kenntnis nimmt und auf sie konkret eingeht.“255 Der Theologe Marco Hofheinz nennt die Weigerung der rot-grünen Bundesregierung, am Irakkrieg teilzunehmen als Beispiel für eine Philosophie des Lassens als „Nicht-Gegenstand“256 der Friedensethik: „Den betonten Handlungsverzicht gilt es vielmehr neu als konstitutives Element (friedens-)ethischen Handelns zu entdecken. (…) Die freie Selbstzurücknahme zugunsten anderer Geschöpfe umschreibt eine praktische Form der Einstimmung in Gottes Schöpfungs- und Versöhnungshandeln. Friedenstiften als „Gelten-Lassen“ beschreibt Hofheinz daher mit Karl Barth als „in der Dialektik des eilenden Wartens“257 vollzogen. „Dieses umschreibt weder das passiv-quietistische ‚Hände-inden-Schoß-Legen’ noch das titanisch-promethische ‚Wir-stellen-den-Frieden-neuher’. Als aktive eschatologische Erwartung des gekommenen Friedensstifters lässt sich der Handlungscharakter des Friedensstiftens bestimmen.“258 Der Ethiker Wolfgang Lienemann weist auf die in den aktuellen Diskussionen oft vergessene Vorgeschichte des Irak-Konflikts hin: „Im Falle des Irak sind zweifellos in Friedenszeiten enorme Versäumnisse begangen worden. Amerikanische Regierungen haben die Aufrüstung des Irak gefördert, solange es darum ging, ein Gegengewicht zum Iran zu schaffen.“259 Seit dem zweiten Golfkrieg 1991 werde Saddam Hussein jedoch „dämonisiert und als Verrückte[r] oder

253 ibid. 254 Löwe: Bericht bei der 48. Gesamtkonferenz evangelischer Militärgeistlicher in Bayreuth (10. März 2003), S. 5 255 ibid. 256 vgl. Hofheinz 2005, S. 40 257 a. a. O., S. 52 258 ibid. 259 Lienemann 2002, S. 12

220

Die Irak-Krise

Monster hingestellt“260. Die These der USA, der Irak unterstütze Terroristen, kann nach Lienemann nicht als Rechtfertigung für einen Krieg genommen werden: „Vor allem sind aber Zweifel an der Meinung geboten, dass die Bekämpfung terroristischer Vereinigungen einem ‚Krieg’ gleichkomme und in Analogie zu einem rechtmäßigen Krieg beurteilt werden könne.“261 Lienemann unterstützt nachdrücklich die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten Chirac, erneut ein UN-Mandat für unabhängige Inspektionen zu erlassen. Wenn dabei dem Irak ein Bruch der UN-Resolutionen nachgewiesen werden sollte, könne der Sicherheitsrat militärische Maßnahmen beschließen: „In diesem Falle trüge eine militärische Intervention nicht den schwerwiegenden Makel eines – mit der Idee einer völkerrechtlichen Friedensordnung und dem System der UN unvereinbaren – Präventivkrieges.“262 Um dem Unilateralismus der USA entgegenzuwirken, wünscht Lienemann sich eine „möglichst exklusive Interventionskompetenz der UNO“263, worunter er aber kein weltweites Gewaltmonopol versteht, das ja von der UN-Charta nicht gedeckt wäre. Zu einer Kontroverse zwischen Theologen kommt es durch eine Veröffentlichung des Wiener Sozialethikers Ulrich Körtner auf der ORF-Homepage „ORF ON Science“ vom 8. April 2003. Er bezieht sich auf einen Aufsatz des Soziologen Karl Otto Hondrich in der Neuen Zürcher Zeitung, der in der These gipfelt, die Hegemonialmacht USA garantiere den Weltfrieden: „Die Welt ist UShegemonial verfasst, weil es eine Ordnung ohne Gewalt nicht gibt; weil es eine Gewaltordnung ohne Hegemonie nicht gibt und weil es keinen andern Hegemon gibt, der die Vielfalt, die Widersprüche und die Träume der Welt so sehr in sich vereint wie die Vereinigten Staaten. Wer von ihrer Hegemonie nichts wissen will, der kann die Hoffnung auf Weltfrieden begraben.“ Vor dem Hintergrund dieser Behauptung kritisiert Körtner die Position der Kirchen im IrakKonflikt deutlich: „Bemerkenswert ist aber die Selbstsicherheit und Einseitigkeit, mit der die EKD und andere Kirchen bereits in der Phase der Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Irakkonflikts schon die bloße Drohung mit militärischer Gewalt kritisiert haben, obwohl diese doch durchaus in der 264 Logik des Kapitels VII der Charta der Vereinten Nationen (ChVN) lag.“ In einer Replik wehrt sich der katholische Theologe Meinrad Schneckenleithner, Generalsekretär von Pax Christi Österreich, gegen diese Abqualifizierung der kirchlichen Stimmen: „Wahrscheinlich, so muss man zunächst konstatieren, fiel 260 261 262 263 264

ibid. a. a. O., S. 13 ibid. ibid. Körtner (8. April 2003), S. 5

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im Fall des Irak die politische Analyse und moralische Bewertung der Vorkriegssituation bzw. des Kriegsszenarios durch die EKD und viele UN-Staaten einfach anders aus als jene Körtners. Muss man deshalb gleich andere Meinungen als einseitig und selbstsicher qualifizieren?“265 Ein weiterer Vorwurf Körtners an die Adresse der Kirchen betraf deren Kritik an Gewaltandrohung: „Dass die Hoffnung auf eine vermeintlich friedliche Lösung, deren Erfolgsaussichten mehr als fraglich waren, auf der Androhung von Gewalt beruhte, wurde kirchlich tabuisiert und somit der ethischen Reflexion entzogen. Mehr als ein hilfloser Appell an den Irak, mit den Vereinten Nationen zu kooperieren, war der Stellungnahme der Kirchenführer nicht zu entnehmen.“266 Schneckenleithner rügt diese Äußerung Körtners deutlich: „Hier werden die Fakten verschoben. Die ständige Androhung von Gewalt durch die US-Regierung (z.B. Intervention auch ohne UN-Resolution!) wurde von vielen nicht als Schritt zu einer friedlichen Lösung interpretiert, sondern als erpresserische Kriegsvorbereitung. Der Vorwurf, die Kirchen hätten ein gewaltkritisches Tabu installiert und damit eine ethische Reflexion unterbunden, ist ebenfalls unverständlich. Körtner überschätzt oder übertreibt einerseits die Möglichkeiten der Kirchenleitungen, ein Tabu zu errichten, andererseits ist der Text Körtners – er ist ja selbst evangelischer Theologe und Kirchenmitglied – der beste Gegenbeweis zu dieser These: Sein Text ist eine Reflexion, die dieses Tabu offensichtlich nicht kennt und in der Sache zu einer anderen Meinung 267 kommt.“ Hier kann man exemplarisch mögliche Auswirkungen der Kirchlichkeit von Stellungnahmen im protestantischen Bereich studieren. Körtner kritisiert die kirchliche Tabuisierung eines Themas, hebt durch seine eigenen Äußerungen, die ja auch als kirchliche Stellungnahme gelten können268, dieses – von ihm als solches gewertete – Tabu auf. Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) setzt sich am 24. Oktober 2002 in einem ausführlichen Statement ihres Geschäftsführers Jan Gildemeister mit den Argumenten für den Krieg gegen den Irak auseinander. Rechnung tragen müsse man dem Argument der US-Regierung, die Menschenrechtssituation im Irak müsse verbessert werden, räumt die AGDF ein, zieht jedoch einen anderen Schluss: „Dringend verbessert werden müssen aber auch die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse im Irak, die sich auf Grund der von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen in den letzten 265 266 267 268

Schneckenleithner 2004, S. 516 Körtner (8. April 2003), S. 6 Schneckenleithner 2004, S. 518 s. o. S. 45

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zehn Jahren massiv verschlechtert haben. Das irakische Volk hat wahrlich genug gelitten. Es braucht keine neuen Zerstörungen, sondern das Ende der Sanktionen, Hilfen zum Wiederaufbau und neue Schritte zum kulturellen Austausch.“269 Für das zweite Argument für den Krieg, die Gefahr durch irakische Massenvernichtungsmittel, gebe es keine schlüssigen Beweise. Deshalb plädiert die AGDF für eine Rückkehr der Waffeninspektoren: „Dabei gibt es Anzeichen, dass die irakische Regierung eher bereit ist, UN-Inspekteure –allerdings ohne unter ihnen befindliche Spione nationaler Regierungen – zuzulassen, als einen Krieg zu riskieren.“270 Beim dritten Argument, der „angeblichen Verstrickung des Irak in den so genannten ‚islamistischen’ Terrorismus“271, sei unabhängig von der Verifizierung deutlich geworden, „dass Krieg kein geeignetes Instrument im Kampf gegen den Terror in seinen aktuellen, höchst komplexen Erscheinungsformen“272. Zu den Veränderungen, derer es zur Überwindung des Terrorismus bedürfe, zählt die AGDF: „Ein mittelfristiger Abzug der USPräsenz aus der Region und damit das Ende der Unterstützung autoritärer Regime, die Einstellung der Waffenlieferungen und ein Schuldenerlass für die verarmten Länder der Arabischen Liga. Im Zuge aller genannten Maßnahmen könnte auch dem Terrorismus der Nährboden entzogen werden. Gerechtigkeit und Frieden bekämen eine Chance, die arabische und die islamische Welt würden endlich einmal gleichberechtigt und mit Respekt behandelt werden.“273 Der Bundesregierung rät die AGDF, keinerlei Unterstützung für den Irak-Krieg zu gewähren, etwa die ABC-Spürpanzer aus Kuwait und die Seefernaufklärer vom Horn von Afrika abzuziehen und Überflugrechte im deutschen Luftraum zu verweigern.274 Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) sagt am 22. Januar 2003 in einer ausführlichen Grundsatzerklärung „Nein“ zum Krieg. Nach einem Bezug auf die in den vergangenen Stellungnahmen der EKD entwickelte Idee eines gerechten Friedens wird die Bedeutung der UN betont: „Die Stärkung des internationalen Rechts und ein auf die Vereinten Nationen gestütztes System globaler gemeinsamer Sicherheit, das auf größtmöglicher sozialer Gerechtigkeit, dem Schutz der Menschenrechte und der Demokratie aufbaut, ist die 275 Konkretion des gerechten Friedens.“ Die ASF erinnert daran, dass der UN269 270 271 272 273 274 275

AGDF: Statement vom 24. Oktober 2002 ibid. ibid. ibid. ibid. vgl. ibid. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste: Grundsatzerklärung vom 22. Januar 2003, S. 1

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Sicherheitsrat als „Inhaber des internationalen Gewaltmonopols“276 darüber entscheiden könne, ob militärische Gewalt angewendet werden dürfe. Generell sei aber bei der friedensethischen Meinungsbildung „zuerst die Frage zu beantworten, wie viel menschliches Leid durch einen Krieg hervorgerufen wird und welche politischen Folgen er hat.“277 Als Alternative zum Krieg nennt die ASF die Waffeninspektionen der Vereinten Nationen: „Wir dringen darauf, dass sie erfolgreich abgeschlossen werden können und unterstreichen, dass solche Inspektionen in allen Staaten stattfinden sollten, die Massenvernichtungswaffen besitzen oder schnell herstellen können.“278 Kritisiert wird auch von der ASF die religiös konnotierte Wortwahl der Kriegsbefürworter: „Erschreckend ist das Ausmaß sich ständig steigernder ideologisierter Propaganda aus dem Köcher religiös-kultureller Chiffren ..., die die Suche nach friedlichen Konfliktlösungen diffamiert und blockiert.“279 Als eine Art Gegenbewegung zur pazifistisch orientierten ASF kann man den christlichen Arbeitskreis Sicherung des Friedens ansehen. Er gibt den Gelben Briefdienst heraus, dessen Chefredakteur Hans-Heinz Schneider im Juli 2003 kirchlichen Gruppen vorwirft, sich mit der politischen Linken zu verbünden. Er schreibt, man könne „die ganze Strömung auch als eine generelle PolitikVerweigerung auffassen, wären da nicht die immer wieder neuen mit wohlbekannten alten Personen geschlossenen Aktionsbündnisse zur Weltverbesserung, gegen die Globalisierung, gegen NATO, Bundeswehr und natürlich die USA – die jüngste, in ihrer Undurchsichtigkeit erfolgreiche und sehr potente Bewegung ‚attac’ vereint erneut linke Strategen, autonome Gruppen, Gewerkschaftsjugend und natürlich evangelische Kirchenkreise. Endlich hat die frustrierte Linke wieder ein großes Thema, mit dem sie die Massen in Bewegung bringen kann. Sie sucht die Massenbasis aber für andere Ziele als nur 280 den Frieden.“ Auch den führenden Kirchenvertretern in Deutschland wirft er Einseitigkeit vor: „Es darf doch nicht übersehen werden, dass einseitiges politisches Engagement der kirchlichen Oberen Andersdenkende in den Gemeinden zu Außenseitern werden lässt. An den Rand gedrängt und von politisierenden Pfarrern enttäuscht, haben viele Tausende vorwiegend konservativ-lutherische Christen die Landeskirchen verlassen.“281 Schneiders Stellungnahme ist jedoch ebenfalls politisch einseitig. Er sieht die Politik von US276 277 278 279 280 281

a. a. O., S. 2 ibid. a. a. O., S. 3 a. a. O., S. 5 Schneider 2003, S. 9 a. a. O., S. 7f.

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Präsident Bush positiv: „Dem Präsidenten ist nach dem 11. SeptemberAttentat mehrfach bescheinigt worden, dass er besonnen und maßvoll reagiert hat; er hat keine einzige Hetzrede gehalten.“282 In der Tat hat durch die Drohung der US-Regierung gegen den Irak „das Interesse an der christlichen Friedensbewegung rasant zugenommen“.283 Beim Jahrestreffen der bundesweit vernetzten Friedensgebetskreise im September 2002 in Ulm bezeichnet es der Referent für Friedensfragen der ökumenischen Aktion Ohne Rüstung leben, Paul Russmann, als „ermutigend für die Friedensbewegung, dass sich gegenwärtig gut die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland gegen einen Krieg gegen den Irak ausspricht“.284 Die Lehre vom gerechten Krieg nennt er eine „überholte Denkfigur“285. In den Kirchen entsteht „in Windeseile eine neue Friedensbewegung“286. 220 Universitätstheologen rufen in einem öffentlichen Appell zu Protesten auf: „Beteiligen wir uns und beteiligen Sie sich an den entsprechenden Demonstrationen und Kampagnen, zu denen christliche und andere Friedensgruppen und -bewegungen in nächster Zeit auffordern! Unüberhörbar muss aus den christlichen Reihen – gemeinsam mit den Gleichgesinnten aus den anderen Weltreligionen – der Ruf zu vernehmen sein: ‚Krieg darf um Gottes willen nicht sein!’“287 Auch in den Vereinigten Staaten demonstrieren im Herbst 2002 Zehntausende von Kriegsgegnern.288

8.8 Kritik und Unterstützung aus der Politik „Mit ihrer Beurteilung des Militärschlages gegen den Irak sind sich Kirchen und die christliche Friedensbewegung so einig, dass kein Blatt zwischen sie passt“289, heißt es im Februar in einem Zeitungskommentar. Das fordert natürlich den Widerspruch konservativer Politiker heraus. So rügt etwa der kirchenpolitische Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Kues: „Im Moment machen es sich die christlichen Kirchen zu einfach.“290 Sie 282 283 284 285 286 287 288 289 290

a. a. O., S. 7 SoBl Nr. 38 vom 22. September 2002, S. 17 ibid. ibid. Seiterich-Kreuzkamp: Publik-Forum 2003.3, S. 16 Biser et al.: Aufruf von 220 Theologen vom 7. Februar 2003 vgl. SoBl Nr. 44 vom 3. November 2002 Taubert: SoBl Nr. 7 vom 16. Februar 2003, S. 3 Kues: SWR-Interview am 9. Februar 2003

Kritik und Unterstützung aus der Politik

225

berücksichtigten zu wenig, „in welcher Entscheidungsnot sich christliche Politiker“291 befänden. „Antiamerikanismus“ werfen gar einige christliche Politiker den Kirchen vor – so die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und FDPKirchensprecherin Marita Sehn.292 Friedbert Pflüger, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, beruft sich auf Luther, um den militärischen Druck auf Saddam Hussein zur rechtfertigen: „Die Schuld wäre nach Luther aber größer, überließe man seinen Mitmenschen wehrlos dem gewaltsamen Zugriff eines Angreifers. Beim Druck der UNO auf Saddam geht es genau darum: um die Verteidigung der Prinzipien des Völkerrechts und um die Sicherheit der Bürger in Israel, Europa und den USA vor zukünftigen Angriffen mit Massenvernichtungswaffen.“293 Die Bürger im Irak, deren Sicherheit ja durch Angriffe der USA gefährdet wird, werden hier nicht erwähnt. Unterstützung für die Position der Kirchen kommt im Januar 2003 von unerwarteter Seite: Der evangelische CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, in seiner Zeit als Münchner Kreisverwaltungsreferent als Hardliner berüchtigt, spricht sich in einem Zeitungsbeitrag gegen einen Angriff auf den Irak aus: „Tatsache ist, dass die Inspekteure der UN bisher keine Beweise für einen massiven Verstoß des Irak gegen die Vorgaben des Weltsicherheitsrates gefunden haben. Es ist abwegig anzunehmen, dass, was bei der Suche am Boden nicht gefunden wird, durch Bombardements aus 10000 Meter Höhe zerstört werden kann. Was zerstört und geopfert wird, sind die Dörfer und 294 Städte des Landes. Und eine Unzahl von Menschenleben.“ Anfang März besucht Gauweiler Bagdad und übergibt eine Friedensbotschaft des bayerischen Landesbischofs Johannes Friedrich „An die Christen in Bagdad“ an den chaldäischen Patriarchen von Babylon, Raphael I. Bidawid.295 Auch der ehemalige CDU-Generalsekretär und Bundesminister Heiner Geißler, der 2003 den Politischen Club der Evangelischen Akademie Tutzing leitet, votiert gegen einen Angriff auf den Irak: „Es gibt aber keinen vernünftigen Grund, warum die erfolgreiche Arbeit der Inspektoren jetzt abgebrochen werden sollte. Dies ist der Ansatzpunkt für den berechtigten Protest gegen die amerikanische Regierung.“296 Aus diesen Äußerungen ist erkennbar, dass Politiker, die derselben Partei bzw. Fraktion angehören, selbst unter Berufung auf

291 292 293 294 295 296

ibid. vgl. Seiterich-Kreuzkamp: Publik-Forum 2003.4, S. 22 Pflüger: Die Welt vom 7. Februar 2003 Gauweiler: SoBl Nr. 3 vom 19. Januar 2003, S. 5 vgl. SoBl Nr. 11 vom 16. März 2003, S. 6 und SoBl Nr. 12 vom 23. März 2003, S. 18 Geißler: SoBl Nr. 9 vom 2. März 2003, S. 6

226

Die Irak-Krise

biblische und theologische Traditionen zu völlig unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der aktuellen politischen Fragen kommen können. Die Übereinstimmung zwischen den Kirchen und der rot-grünen Bundesregierung ist aber nicht nur in der aktuellen Frage des Irak-Krieges sichtbar. Auch die Grundsätze der deutschen Außenpolitik unter Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer erinnern stark an die in Kapitel 3 dargestellten friedensethischen Schriften der EKD. Exemplarisch kann dies an der Rede des Vortragenden Legationsrates im Planungsstab des Auswärtigen Amtes, Martin Eberts, dargestellt werden, die dieser im August 2003 in der Evangelischen Sozialakademie Friedewald hält. Dabei gibt der Diplomat eine Kurzbeschreibung der Prinzipien deutscher Außenpolitik ab: Die Prinzipien und handlungsleitenden Motive unserer Außenpolitik lassen sich in Kurzform wie folgt zusammenfassen (gewissermaßen die zehn Gebote der Außenpolitik): Deutsche Außenpolitik ist Politik für Frieden, europäische Integration, transatlantische Partnerschaft, Sicherung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und einen auf Gerechtigkeit und Verrechtlichung internationaler Beziehungen bauenden Mulitlateralismus. Deutsche Außenpolitik bleibt zudem auf besonderer Weise der Sicherheit Israels verpflichtet. Außenpolitik als Sicherheitspolitik muss vor allem die Sicherheit unserer Bürger umfassend gewährleisten. Dabei bedeutet Sicherheitspolitik aber nicht nur den Einsatz militärischer Mittel. Vielmehr geht es hier um einen sehr weit gefassten Sicherheitsbegriff, der der Konfliktprävention und dem Krisenmanagement unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden außenpolitischen Instrumente – politischer, wirtschaftlicher, kultureller, umweltbezogener Art – auf jeden Fall 297 Priorität einräumt.

Oberkirchenrat Paul Oppenheim, Referent für Nord- und Westeuropa im EKD-Kirchenamt, fasst die Verwandtschaft der Friedenethik zwischen deutscher Politik und evangelischer Kirche im Rückblick auf die Tagung von EKD und Church of England in Friedewald so zusammen: „Im Verlauf der Tagung sollte sich eine auffallend große Übereinstimmung zwischen der Ausrichtung der deutschen Außenpolitik und den friedensethischen Zielvorstellungen der EKD herausstellen.“298

297 Eberts: Vortrag in der Evangelischen Sozialakademie Friedewald (28.-31. August 2003), S. 8 298 Oppenheim: Bericht über die Tagung in der Evangelischen Sozialakademie Friedewald (28.-31. August 2003), S. 4

9 Der Irak-Krieg 9.1 Gemeinsame Erklärungen führender Kirchenvertreter Bereits am Tag des Kriegsausbruchs, am 20. März 2003, wenden sich die christlichen Kirchen in Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit. „Dieser Krieg ist Ausdruck des Scheiterns der Politik“1, erklären Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, der EKDRatsvorsitzende Manfred Kock und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), Walter Klaiber. Die drei Kirchenführer äußern Verständnis für die Verletzung des Sicherheitsgefühls der USA, empfinden den Krieg aber – in wörtlicher Übereinstimmung mit Papst Johannes Paul II. – als „Niederlage der Menschheit“2. In politisch wohlausgewogenen Worten tadelt die Erklärung das Regime in Bagdad und anerkennt die politischen Werte der kriegführenden Nationen USA und Großbritannien. Dennoch meldet sie Widerspruch gegen den Krieg an: „Denn wir sehen keine ethische oder völkerrechtliche Rechtfertigung für ihn.“3 Die Kirchenführer blicken aber auch nach vorne und erinnern die Konfliktparteien an die Pflicht, „die Zivilbevölkerung während der Kampfhandlungen soweit wie nur irgend möglich zu schonen“4. Sie rufen dazu auf, alle Mittel der Politik auszuschöpfen, um dem Krieg ein rasches Ende zu bereiten. Auch in dieser ausgewogenen Stellungnahme wird wieder der interreligiöse Dialog angesprochen: „In dieser Stunde zeigt sich auch erneut die Bedeutung des Gesprächs mit unseren muslimischen Nachbarn vor Ort und in der Welt.“5 Auf nationaler Ebene gibt es auch gemeinsame Erklärungen der christlichen Konfessionen, die auch als äußeres Zeichen für Fortschritte in der Ökumene gedeutet werden können. Am weitesten gediehen ist die konfessionsübergreifende Zusammenarbeit in Niedersachsen und Bremen, wo alle evangelischen und katholischen Bischöfe der Landeskirchen und Diözesen dieser beiden Bundesländer schon am Tag des Kriegsausbruchs einen gemeinsamen Aufruf zum Friedensgebet veröffentlichen. Darin wird zuerst das Gefühl des Scheiterns ausgedrückt: „Nun ist zu unserem Entsetzen eingetreten, was viele durch Diplomatie und durch Gebete zu verhindern gehofft 1 2 3 4 5

Lehmann, Kock & Klaiber: Erklärung vom 20. März 2003, in: epd-Doku 13/03, S. 63 ibid., s. o. S. ibid. ibid. ibid.

228

Der Irak-Krieg

hatten. Die Sehnsucht nach Frieden, die Hoffnung auf ungeteilte Solidarität, das Eintreten für Gerechtigkeit sind im Irak und weltweit verdunkelt. Wir alle sind gescheitert: Politik und Militär, die Verantwortlichen in den USA und im Irak, in der UNO und ihren Mitgliedsnationen.“6 Dieses Scheitern ist für die Bischöfe Ausgangspunkt für ein Anrufen Gottes und zum Gebet. Dabei denken die Unterzeichner an die Opfer auf beiden Seiten der Kriegsparteien: „Deshalb beten wir für die Zivilbevölkerung im Irak, im Nahen und Mittleren Osten, die mit Krieg konfrontiert ist. Wir beten für die verwundeten und sterbenden Soldaten auf allen Seiten. Wir beten mit den Müttern, Vätern und allen Angehörigen, die in Angst und Trauer sind.“7 Das Gebet ist für die Bischöfe die Verbindung zu den Angehörigen anderer Religionen: „Wir wissen uns in unserem Gebet um Frieden auch in Gemeinschaft mit Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens in unserem Land. Solches Gebet kann ein Zeichen sein für weltweite Solidarität und den Anspruch der Gerechtigkeit, die uns zur Umkehr zum Frieden befähigt und ermutigt.“8 Aus Bremen kommt am Tag des Kriegsausbruchs noch eine eigene gemeinsame Stellungnahme der evangelischen und katholischen Kirche, die vom Schriftführer in der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor LouisFerdinand von Zobeltitz und Propst Ansgar Lüttel von der Katholischen Kirche Bremen verfasst wurde. „Für diesen Krieg gibt es keine Gründe, die vor einer christlichen Friedensethik bestehen könnten“, heißt es. „Deswegen waren und sind sich Christen aller Konfessionen einig in ihrem Nein zu die9 sem Krieg.“ Die Bremer Kirchenvertreter beteuern ihre Gegnerschaft zu Saddam Hussein: „Auch wir wünschen uns, er solle seine Macht aus der Hand geben. Der Krieg ist dazu aber ein untaugliches Mittel.“10 Ein taugliches Mittel wird in der kurzen Erklärung aber nicht genannt. Eine gemeinsame Erklärung der evangelischen und katholischen Bischöfe kommt am 20. März 2003 auch in Baden-Württemberg zustande. Sie ist wesentlich politischer als der Text aus Niedersachsen und Bremen, denn gleich zu Beginn steht eine eindeutige Bewertung: „Angesichts der Ereignisse im Irak erneuern wir unsere Ablehnung dieses Präventivkrieges. Dieser Krieg ist eine Brüskierung der UNO und der völkerrechtlichen Vereinbarungen.“11 Die Bischöfe aus dem Südwesten nehmen eindeutig Partei („Wir stehen nicht auf 6 7 8 9 10 11

Käßmann et al.: Aufruf zum Friedensgebet (20. März 2003) ibid. ibid. Zobeltitz & Lüttel: Erklärung vom 20. März 2003 ibid. Fischer et al.: Gemeinsame Erklärung der Kirchen Baden-Württembergs (20. März 2003)

Gemeinsame Erklärungen führender Kirchenvertreter

229

Seiten derer, die Krieg führen.“), wollen das aber nicht als „Ausfluss einer antiamerikanischen Haltung“ verstanden wissen. Sie setzen sich in differenzierter Weise dafür ein, nicht „den Irak“ als böse anzusehen: „Es ist uns in dieser Situation wichtig, im Irak zwischen einem verbrecherischen Regime und dem Volk zu unterscheiden.“12 Ohne Namen zu nennen, erbeben sie „Einspruch und Protest dagegen, dass mit religiöser Sprache und einem entsprechenden ‚Sendungsbewusstsein’ kriegerische Handlungen legitimiert werden sollen“13. Auch der katholische und der evangelische Militärbischof wenden sich in einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit. „Die Kirchen haben vor diesem Krieg gewarnt. Er widerspricht ihren friedensethischen Überzeugungen“, schreiben Walter Mixa und Hartmut Löwe. „Wir Militärbischöfe sehen die Not der leidenden Menschen und beten für ein rasches Ende der Kriegshandlungen.“14 Als „unmoralisch, rechtswidrig und unklug“15 verurteilt ÖRK-Generalsekretär Konrad Raiser den von den USA, Großbritannien und Spanien eröffneten Krieg und mahnt: „Kriege können nicht gewonnen werden, nur der Frieden.“16 Die Erklärung des Weltkirchenrates versäumt es, auf die Bedrohung des Friedens durch den Irak hinzuweisen. Sie ruft lediglich „alle Konfliktparteien einschließlich des Irak auf, an ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte im Rahmen des humanitären Völkerrechts festzuhalten“17. Die Stärke dieser Stellungnahme ist es, dass sie auf mögliche Folgen für das Verhältnis der Religionen hinweist: „Die Tatsache, dass die einzige Supermacht zusammen mit ehemaligen europäischen Kolonialmächten beschließt, im Alleingang gegen ein Land mit muslimischer Mehrheit vorzugehen, ist politisch gefährlich, kulturell unklug und übersieht die zunehmende Bedeutung von Religion und Kultur für die politische Identitätsbildung vieler Menschen. Wir befürchten, dass dieser Krieg Klischees bedienen und verstärken wird und dass er in vielen Teilen der Welt das Bild eines 18 Westens festigen wird, der von Kolonialismus und Kreuzzügen geprägt ist.“

12 13 14 15 16 17 18

ibid. ibid. Mixa & Löwe: Wort der Militärbischöfe vom 21. März 2003 Raiser: Erklärung des Weltkirchenrates vom 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 5 a. a. O., S. 7 a. a. O., S. 6 ibid.

230

Der Irak-Krieg

Raiser erinnert angesichts der Angst um den Frieden unter Hinweis auf Jes 54,10 daran: „Gott vergisst sein Volk nicht.“19 Die Kommission der katholischen Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) wendet sich am 27. März in einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit, die die Religionen aus dem Krieg heraushalten will: „Dieser Konflikt ist kein Konflikt zwischen Religionen, und der Name Gottes darf nicht angerufen werden, um Krieg und Gewalt zu rechtfertigen.“20 Ausdrücklich gelobt wird das humanitäre Engagement der EU: „Dieser Einsatz für die Opfer des Krieges ist ein wichtiger Schritt für eine gerechte Ordnung in der Region.“ Die Bischöfe lenken den Blick aber auch auf den Konflikt im Heiligen Land. Sie ermutigen die EU, „ihre Bemühungen zu intensivieren, um eine dauerhafte Lösung für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu finden“.21 Als Lösung für die Krisenherde der Welt favorisiert die COMECE ein System der „Global Governance“, in dem die Vereinten Nationen eine zentrale Rollen spielen müssten. Damit Europa hier seine Verantwortung wahrnehmen könne, seien „gute und auf gegenseitigem Respekt beruhende Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika“22 wesentlich. Wie dies angesichts der tief greifenden Differenzen wichtiger europäischer Staaten wie Deutschland und Frankreich mit den USA in der Irak-Frage umgesetzt werden soll, wird nicht erwähnt.

9.2 Äußerungen aus den Landeskirchen 9.2.1

Landesbischöfe aus den neuen Bundesländern

Enttäuscht vom Kriegsausbruch zeigt sich der Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Axel Noack: „Auch vielfältiger Protest rund um den Erdball hat es nicht vermocht, die Vereinigten Staaten von ihrem unbeirrbaren Plan, den Krieg zu wollen, abzubringen. Das Recht des Stärkeren scheint über die Stärke des Rechts zu triumphieren.“23 Er nennt es jedoch „ein kleines Zeichen der Hoffnung, dass es nicht gelungen ist, die meisten Mitglie19

20 21 22 23

ibid., vgl. Jes 54,10: „Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ COMECE: Frühjahrsvollversammlung in Brüssel (27.-28. März 2003) ibid. ibid. Noack: PM vom 20. März 2003

Äußerungen aus den Landeskirchen

231

der des Sicherheitsrates durch Druck oder Versprechungen zu einer Ja-Stimme für diesen Krieg zu bewegen“24. Wichtig ist Noack, dass die Vereinten Nationen nicht völlig geschwächt aus diesem Prozess hervorgehen: „Denn wir wissen doch, zu einer Monopolisierung der Gewalt, zur Bindung der Gewalt an das Recht, gibt es letztlich keine ethisch gerechtfertigte Alternative.“25 Auch der anhaltinische Kirchenpräsident Helge Klassohn sorgt sich um die Einhaltung internationalen Rechts: „Wir halten daran fest, dass die internationale Rechtsordnung und die Organisation der Vereinten Nationen für die Wiederherstellung und die Bewahrung eines gerechten Friedens zwischen den Völkern der Welt weiter gestärkt werden muss.“26 Sein Ratschlag für die westlichen Politiker: „Demokratien begegnen dem Terror, der Gewaltherrschaft, dem Verbrechen nicht mit Rache und Vergeltung, sondern mit dem gemeinsamen Einsatz ihrer Bürgerinnen und Bürger für das Recht, für die Gerechtigkeit und den Frieden, so wie es Gottes Wort sagt.“27 Auf die konkrete Situation im Kampf gegen den Terror angewandt heißt das für Klassohn: „Terroristische Verbrecher müssen einer gerechten Strafe zugeführt werden. Daran besteht für uns kein Zweifel. Aber der schreckliche Mechanismus von Schlag und Gegenschlag, Hass und Rache, Gewalt und Zerstörung kann nur in einem auf Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität gegründeten Frieden überwunden werden.“28 Der Kirchenpräsident nennt hier Merkmale, die den synkategorematischen Begriff des Friedens näher bestimmen. Der Thüringer Landesbischof Christoph Kähler freut sich in seinem Bericht vor der Landessynode über die vielen Friedensaktivitäten in Thüringen: „Unsere Gemeinden aber haben durch eine Vielzahl von Aktionen und schönen Zeichenhandlungen, eine unüberschaubare Zahl von Andachten und Kerzenprozessionen ihre Angst, Wut und Trauer ausgesprochen. (…) Die verschiedenen Formen des Nachdenkens und des Protests zeigten auch, wie lebendig die Tradition der Friedensgebete in der Thüringer Landeskirche nach 29 wie vor ist.“ Kähler vergleicht die Situation aber nicht nur mit der jüngeren Vergangenheit, sondern auch mit der frühen und mittleren Phase der DDR: „Wir haben zu anderen Zeiten andere Kriege, wie den Kampf der Sowjets in Afghanistan oder die militärische Niederschlagung des Prager Frühlings bei weitem nicht so offen und nicht so offensiv debattieren können. Dagegen 24 25 26 27 28 29

ibid. ibid. Klassohn: PM vom 20. März 2003 ibid. ibid. Kähler: Bericht bei der 2. Tagung der 10. Landessynode am 3. April 2003

232

Der Irak-Krieg

wurden und werden Militäraktionen wie in Somalia oder dem Krieg im Kosovo gründlich untersucht und ethisch bewertet, auch durch evangelische Theologen. Und dies ist nötig, da wir Lebensfragen unseres Volkes und der Gemeinschaften, in denen es steht, nicht allein der Beurteilung von Politikern und Politologen überlassen können und wollen.“30 Aus Mecklenburg-Vorpommern kommen deutliche Worte gegen den IrakKrieg. „Wir wissen uns mit all denen verbunden, die den Krieg als Mittel zum Durchsetzen politischer Ziele in heutiger Zeit ablehnen“31, sagt Mecklenburgs Landesbischof Hermann Beste, der auch die umstrittenen Kriegsziele anspricht: „Die Kämpfe um den Irak machen erneut deutlich, wie zerbrechlich und gefährdet eine internationale Ordnung ist, wenn Machtinteressen die Oberhand gewinnen.“32 Der Pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit geht am selben Tag in einer Rundfunkansprache auf die Frage ein, wie Gott zu diesem Krieg stehe: „Gott liebt das Recht. Er wird es zu seiner Zeit wieder aufrichten, auch wenn es zurzeit am Boden liegt. Wir brauchen uns nicht zu ängstigen. Wer glauben kann, hofft gegen die Machthaber auf Gott, den Herrn der Geschichte.“33 Als einen „Bruch des Rechts“34 bezeichnet der Berliner Bischof Wolfgang Huber den Irak-Krieg bei einem ökumenischen Bittgottesdienst am 20. März 2003 im Berliner Dom.35 Er zitiert den Psalmvers „Dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen“36 und fordert eine Annäherung an einen gerechten Frieden. Huber betont, er verkenne die Verbrechen und die Gefährlichkeit Saddam Husseins nicht und sagt ganz klar: „Die Ursache des Irak-Konflikts liegt im Bemühen von Saddam Hussein, über Massenvernichtungswaffen zu verfügen.“37 Dennoch sei dieser Krieg falsch: „Um einen Diktator zu stürzen, hat sich die Völkergemeinschaft vom Völkerrecht entfernt. Weil er das Recht bricht, so scheint es, braucht das 30 31 32 33 34 35

36 37

ibid. Beste: Erklärung vom 20. März 2003 ibid. Abromeit: Ansprache am 20. März 2003 Huber: Predigt am 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 10 Die Landeskirche in Berlin-Brandenburg ist eine „West-Ost-Kirche“ und hat mit dem ehemaligen Heidelberger Professor Wolfgang Huber einen stark in westlichen kirchlichen Traditionen verwurzelten Landesbischof. Weil sie nach der Wiedervereinigung aus einem kleineren westlichen (West-Berlin) und einem größeren östlichen Teil (Ost-Berlin und Brandenburg) zusammengefügt worden ist und sie auch geographisch zum Osten Deutschlands gehört, wird sie in dieser Arbeit im Kapitel der ostdeutschen Kirchen geführt. Ps 85,11 Huber: a. a. O., S. 11

Äußerungen aus den Landeskirchen

233

Recht nicht geachtet zu werden. Aber auf Rechtsbruch mit Rechtsbruch zu antworten, ist kein Weg zum Frieden.“38 Ausgewogen und in einer kirchlichen Stellungnahme besonders wichtig ist Hubers Kritik an der Verwendung religiöser Sprache zur Rechtfertigung von Gewalt: Saddam Hussein hat heute morgen von einem ‚heiligen Krieg’ gesprochen. Ich halte seinen Umgang mit der Religion für genauso zynisch wie sein Handeln überhaupt. Dass er Menschenleben aufs Spiel setzt, um die eigene politische Macht und den damit verbundenen Reichtum zu erhalten, hat gewiss mit Heiligkeit in keinem Sinn dieses Wortes irgendetwas zu tun. Aber wenn Präsident Bush auch im Blick auf diesen Kriegsgang darum bittet, Gott segne Amerika – God bless America –, klingt darin ein Ton mit, als seien die Vereinigten Staaten von Amerika auf besondere Weise auserwählt, am Segen Gottes stärker Anteil zu haben als irgend ein anderes Land. Gottes Segen aber ist nicht parteilich; er gilt allen Menschen gleich. Er lässt sich nicht nur für die eigene Sache 39 in Anspruch nehmen, er lässt sich nur mit anderen teilen.

9.2.2

Landesbischöfe aus dem Westen Deutschlands

Bayerns Landesbischof Johannes Friedrich erinnert beim Friedensgebet im Münchner Dom an die große Einigkeit der christlichen Kirchen in der Friedensethik und an die Last der Politiker: „Die Kirchen sind sich einig: Es gibt nie eine biblisch-theologische Rechtfertigung für den Krieg. Es gibt, zumal im Zeitalter von Massenvernichtungswaffen, keinen gerechten Krieg. Krieg soll um Gottes willen nicht sein. Wer zum Mittel des Krieges greift, trifft eine einsame Entscheidung und lädt eine sehr hohe Verantwortung und Schuld auf sich.“40 Die Inanspruchnahme Gottes für diesen Krieg rügt der Bischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein: „Mit Gott lässt sich dieser Krieg nicht begründen. Das ist ein Missbrauch seines Namens! Wir widersprechen jedem, der sich in diesem Krieg auf Gott beruft. Wer sich auf Gott beruft, beruft sich auf den Frieden.“41 Hein kritisiert das „Unrechtsregime“ im Irak, findet mit Bezug auf einen Psalmspruch aber auch klare Worte gegen die Politik der Bush-

38 39 40 41

ibid. ibid. Friedrich: Ansprache vom 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 13 Hein: Predigt am 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 15

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Der Irak-Krieg

Regierung: „Die Torheit scheint um sich gegriffen und sich der Mächtigen in den USA bemächtigt zu haben.“42 Der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Peter Steinacker, kritisiert die religiöse Sprache auf beiden Seiten: „Der amerikanische Präsident hat immer wieder religiöse Sprache benutzt, um sein politisches Handeln zu begründen: von einer ‚Achse des Bösen’ war die Rede, auch von ‚Kreuzzügen’. So als könne man gut und böse unter verschiedenen Nationen aufteilen und damit Kriege, Leid, Tod und Flucht legitimieren. Dabei geht doch das Böse durch uns alle, durch jeden Menschen hindurch.“43 Im Krieg der USA gegen den Irak nehme aber Saddam Hussein keineswegs die Rolle des David ein, der gegen den bösen Goliath kämpfe: „Auch der Menschenverächter Saddam Hussein benutzt religiöse Sprache. Aber sie dient allein seinem Machtinteresse. Saddam ist nicht David, sondern ein skrupelloser Tyrann, ein Machtmensch von besonderer Grausamkeit.“44 Den Blick auf die eigene Schuld am Krieg richtet der rheinische Vizepräses Nikolaus Schneider: „Wir sind in Westeuropa und Amerika in Schuldstrukturen eingebunden. Unser Lebensstil gehört mit zu den Triebfedern, die den Teufelskreis von Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Armut und Gewalt in Bewegung halten. Unsere Länder profitieren von der Ökonomie des Krieges. Auch unsere Firmen waren daran beteiligt, den Diktator in Bagdad mit Raketen, mit biologischen und chemischen Kampfstoffen auszurüsten. Das brachte Gewinne, Steuern – auch Kirchensteuern. Unsere Versuche, richtig aufzustehen für Frieden und Gerechtigkeit, sind oft nur halbherzig oder haben einen 45 zu kurzen Atem.“ Solche selbstkritischen Worte über das Fehlverhalten des Westens im Vorfeld des Irak-Krieges hört man in diesen Tagen von deutschen Kommentatoren selten. Die Hannoveraner Landesbischöfin Margot Käßmann spricht sich deutlich gegen eine Instrumentalisierung der Religion für den Krieg aus: „Es ist an der Zeit, dass Religionen sich nicht mehr verführen lassen, Gewalt zu legitimieren. Religion sollte Faktor der Konfliktentschärfung sein und nicht Konflikte verschärfen.“46 Sie denkt in ihrer Stellungnahme über den Irak-Krieg hinaus: „Ja, der Irak muss abrüsten. Aber die ganze Welt muss abrüsten! 42 43 44 45 46

ibid., vgl. Ps 85,9: „Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten.“ Steinacker: Predigt im Friedensgottesdienst in der Marktkirche Wiesbaden, 23. März 2003, S. 17 ibid. Schneider: Ökumenisches Friedensgebet am 21. März 2003 in Duisburg Käßmann: PM vom 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 12

Äußerungen aus den Landeskirchen

235

Warum werden denn all diese A-, B- und C-Waffen entwickelt? Warum gehören die USA, Russland, Frankreich, England und Deutschland der traurigen Hitliste der größten Waffenexporteure an und klagen dann, dass diese Waffen angewendet werden?“47 Käßmann erinnert an die Verheißung in der Offenbarung des Johannes, dass Gott alle Tränen abwischen werde48, und folgert daraus: „Für Christinnen und Christen bedeutet das: wir setzen uns dafür ein, dass Tränen und Leid schon hier und jetzt überwunden werden als Spur des Reiches Gottes.“49 Lippes Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier spricht sich ebenfalls gegen eine religiöse Begründung für den Krieg aus: „Das elende Machwerk des Krieges taugt nicht dazu, religiös verbrämt zu werden.“50 Er beklagt nicht nur die unschuldigen Opfer des Krieges, sondern auch die Verschwendung finanzieller Mittel, die andernorts wieder zu Opfern führe: „Wir klagen, dass Zerstörung die Länder verwüstet, dass Milliarden aufgeboten werden für den Krieg und später für den Aufbau dessen, was eben zerstört wurde, Unsummen, die gebraucht würden, den Armen gerecht zu werden, die Hungernden zu sättigen, den Kranken zu helfen, den sozialen Pflichten menschlichen Lebens nachzukommen.“51 Der württembergische Landesbischof Gerhard Maier sorgt sich in seiner Ansprache vor der Frühjahrssynode in Stuttgart schon um die Zeit nach dem Krieg: „Was kommt danach? Entsteht daraus ein Hass, vielleicht auch religiös motivierter Hass, der auf lange Sicht keinen Frieden mehr möglich macht? Was kommt, wenn der Irak tatsächlich eine neue Regierung erhält? Was wird zum Beispiel aus den Minderheiten wie den Kurden oder den Christen?“52 Maier nimmt deutlich politisch Stellung, indem er US-Präsident Bush vor Kritik in Schutz nimmt: „Es darf nicht verschwiegen werden, dass Saddam Hussein eine unberechenbare Bedrohung darstellte und seine Waffen lange Zeit den Inspektionen entzog, über alle Resolutionen der UNO hinweg. Wer ihn jetzt einfach zum Opfer und aus dem amerikanischen Präsidenten die Verkörperung des Bösen macht, der setzt sich selbst ins Unrecht und entzieht sich der Verantwor-

47 48 49 50 51 52

ibid. Offb 21,4: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Käßmann: a. a. O., S. 12 Noltensmeier: Predigt am 21. März 2003 ibid. Maier: Ansprache bei der Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in Stuttgart am 28. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 14

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Der Irak-Krieg

tung für den Frieden, die wir alle haben.“53 Weil Maier es versäumt, auch auf den Missbrauch des Religiösen durch US-Präsident Bush einzugehen, erhält seine Stellungnahme eine Einseitigkeit, die sie zum konservativen Gegenpart der Erklärung von ÖRK-Generalsekretär Raiser54 macht. Weniger politisch und mehr kirchlich ist die Stellungnahme von Hans Christian Knuth, dem Leitenden Bischof der VELKD. Unter Berufung auf Dietrich Bonhoeffer fordert er angesichts des Kriegsausbruchs „Beten und das Tun des Gerechten“55. Er verdeutlicht auch, was das bedeutet: „Besser als Entrüstung, Vorwürfe und Anklagen gegen andere ist das Gebet zu Gott, um Frieden und Überleben der Menschen im Irak, um Sicherheit, Geborgenheit, Einheit der Menschen auf diesem wunderschönen Planeten Erde.“56 Aktiv werden sollten Christen beim Beseitigen der Ursachen von Unfrieden: „Wir werden Frieden nicht ohne Toleranz und aktiven Minderheitenschutz erhalten können, auch gegenüber Kulturen, die uns im Westen fremd und überholt erscheinen. Die Menschen wollen nicht überall auf der Welt in den Sog der technisch-industriellen Welt des Westens geraten. Sie wollen ihre eigenen kulturellen Identitäten und Profile erhalten, und die führenden Nationen müssen das akzeptieren, soweit es sich mit Menschenrechten verträgt.“57 Auch zum Streit um die Demonstrationen gegen den Irak-Krieg gelingt dem Leitenden VELKD-Bischof eine ausgewogene Stellungnahme: „Wir werden bei uns den Frieden nur bewahren können, wenn wir nicht vorschnell den Anderen unterstellen, dass sie moralisch minderwertig seien. Das gilt jetzt vor allem im Blick auf Kritiker und Befürworter der amerikanischen Regierung. Es ist ein furchtbares Dilemma, eine tragische, immer von Schuld belastete Entscheidung, wie man einen Diktator, der Massenvernichtungsmittel produziert, am wirksamsten in seine Schranken weist. Ob Frieden schaffen mit oder ohne Waffen – ohne Schuld ist keine der Positionen zu verwirkli58 chen.“ Am Ende seiner Stellungnahme kommt Knuth dann – ganz im Gegensatz zu seinen Worten zum Afghanistan-Krieg59 – doch zu einer politischen Bewertung: „Schließlich müssen wir alles dafür tun, dass dieser Krieg sich nicht ausweitet. Es gilt gerade jetzt, die UNO zu stärken, den Riss durch Europa zu heilen, die neue Gemeinsamkeit mit Russland als Chance zu er53 54 55 56 57 58 59

ibid. s. o. S. 22 Knuth: Schleswig-Holsteinische Zeitung vom 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 7 ibid. a. a. O., S. 8 ibid. s. o. S. 139

Äußerungen aus den Landeskirchen

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greifen.“60 Auch auf politisch-ökonomische Aspekte weist Knuth hin: „Man stelle sich einmal vor, wir hätten rechtzeitig das Geld für den Krieg in Schulen, Krankenhäuser, Wirtschaftsbetriebe und Kirchen investiert. Wie anders könnte unsere Welt aussehen. Nichts ist wertvoller als der Friede auf Erden. Nichts ist teurer als der Krieg.“61 Warum der Knuth zum Irak-Krieg politisch Stellung nimmt, obwohl er eine solche Äußerung zum Afghanistan-Krieg noch als „unangemessene Klerikalisierung der Politik“62 abgelehnt hatte, erklärt er nicht. 9.2.3

Stellungnahmen von Landessynoden

Zur Zeit der Frühjahrssynoden ist der Irak-Krieg in vollem Gange. In kurzen Stellungnahmen bringen die Synodalen in einigen Landeskirchen doch wieder neue Aspekte in den Blick. Auf die völkerverbindende Kraft des Friedensgebets weist die thüringische Landessynode hin: „Aus der Friedensbotschaft des Evangeliums ist ein weltweites Netzwerk erwachsen, in das die christlichen Kirchen der USA und Großbritanniens genauso eingebunden sind wie die im Irak.“63 Das Synodenwort geht aber auch auf ganz praktische Alltagsprobleme ein: „Angesichts der ungebrochenen Bilderflut aus vorderster Kriegsreihe bitten wir die Eltern: Lasst Eure Kinder vor dem Fernseher nicht allein!“64 Das „sofortige Ende der Kampfhandlungen“65 fordert die Landessynode Mecklenburgs. Sie bekräftigt die nach dem Zweiten Weltkrieg formulierte Überzeugung des ökumenischen Rates der Kirchen: Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein. Eigens geht die Erklärung der Synode auf die Darstellung des Krieges in den Medien ein: „Vielfach werden durch die Darstellung in den Medien die Menschenwürde und die Wahrheit verletzt.“66 Nach stundenlanger kontroverser Diskussion verabschiedet die bayerische Landessynode im Frühjahr 2003 – anders als bei der Herbstsynode 200267 – eine Erklärung gegen den Krieg im Irak. Unter den 15 Gegenstimmen ist 60 61 62 63 64 65 66 67

Knuth: Schleswig-Holsteinische Zeitung vom 20. März 2003, in: epd-Doku 15/03, S. 9 ibid. s. o. S. 140 Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen, Landessynode (4. April 2003), in: epd-Doku 16/03, S. 35 ibid. Evangelische-Lutherische Kirche Mecklenburgs, Landessynode: Stellungnahme vom 6. April 2003 ibid. s. o. S. 180f.

238

Der Irak-Krieg

auch die des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU), der sich für den Einsatz von Gewalt in bestimmten Situationen ausspricht: „Ohne den Einsatz militärischer Gewalt durch die USA wären wir nicht von Hitler befreit, ohne die Androhung militärischer Gewalt durch die USA wären wir russische Provinz.“68 Einige Synodalen wenden sich wie Herta Küßwetter gegen den politischen Charakter der Erklärung: „Dieses Papier ist ein politisches Papier, ein Politikum, aber kein oder nicht nur ein Friedensappell. Und ich finde, solch ein Papier können und sollten wir nicht herausgeben. (…) Wir stehen mit den Amerikanern und den Engländern in einer christlichen Wertegemeinschaft und genau diese christliche Wertegemeinschaft ist das Ziel von Terroristen und islamischen Gruppen. Und ich denke, wir sollten uns sehr gut überlegen, ob wir angesichts dieser Situation solch ein Papier verfas69 sen.“ Die meisten Synodalen teilen diese Bedenken aber nicht. Starken, lang anhaltenden Beifall vermerkt das Protokoll nach der Rede von Martin Geiger, der als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs intensiv für die Erklärung wirbt: „Ziel der Politik muss es auch immer sein, sich um Menschen zu bemühen. Und es muss unser Ziel bleiben, nicht nur als Kirche, sondern im Auftrag der Kirche, uns, die Menschen, die Gesellschaft, dazu zu bringen, in der Politik mitzureden. (…) Ich sehe es schon als unsere Aufgabe und als unsere Pflicht an, gerade in einer solchen Situation uns zu äußern, auch wenn wir nicht die politische Macht haben und auch wenn ein solches Papier nicht 70 alles das ausdrücken kann, was wir wollen.“ Es setzt sich schließlich der vom Ausschuss für Gesellschaft und Diakonie erarbeitete Entwurf mit einigen Änderungen durch. Dessen Vorsitzender Stephan Bergmann wirbt vor den Synodalen engagiert dafür, ein Wort der Synode zu verabschieden: Gerade die Kirchen und darunter ganz besonders auch unsere Kirche, genießen an der Spitze der neuen Friedensbewegung auch jetzt noch das Vertrauen der Kriegskritiker. Gottesdienste und tägliche Friedensforen haben einen Zulauf, wie schon lange nicht mehr. Und im Gebet wird auch nicht nachgelassen. In unruhigen, beängstigenden Zeiten suchen eben viele Menschen nach Vergewisserung in der Gemeinschaft und erinnern sich dabei oft ihrer Kirche und dabei auch ihrer Rituale als Rettungsanker. (…) Was folgt für uns, wenn wir diese Woge des Vertrauens, vor allem seitens der Jugend, nicht verebben lassen wollen? Um glaubwürdig zu bleiben, dürfen wir auch jetzt nicht [mit] dem Gebet nachlassen, müssen zumindest für [ein] ra68 69 70

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern: Landessynode in Würzburg (1.-5. April 2003), S. 120 a. a. O., S. 122 a. a. O., S. 127

Äußerungen aus den Landeskirchen

239

sches Ende der Kriegshandlungen, für einen schnellen Frieden beten, dürfen weder die Menschen im Irak noch die Soldaten vergessen und vor allem auch nicht die kleinste Schadenfreude wegen des schleppenden Kriegsganges empfinden. Um das Vertrauen, das uns jetzt als Kirche entgegen gebracht wird, nicht wieder zu verspielen, sollten wir allerdings auch nicht beim Nein zum Krieg verharren, sondern wir sollten positiv sagen, wofür wir stehen, weshalb wir so sind, wie aktuell für uns das Evangelium auch in dieser Frage ist. Die oft von uns viel beschworene Wertefrage, der Kitt für unsere Gesellschaft, wann könnte die Verständigung darüber angekündigter sein als jetzt. Deshalb müssen wir wohl endlich auch unsere protestantische friedensethische Positionierung, siehe dazu auch unsere Erklärung zum Jugoslawien- und Afghanistan71 Krieg, vorantreiben.

Im Wort der Synode wird gleich zu Beginn nicht nur der Irak-Krieg, sondern auch die Anschläge des 11. September und das bisherige Regime im Irak verurteilt: „Der Krieg gegen den Irak erschüttert uns ebenso wie die terroristische Gewalt vom 11. September 2001 in den USA. Das menschenverachtende Regime von Saddam Hussein rechtfertigt diesen Angriffskrieg jedoch weder völkerrechtlich noch ethisch.“72 Die Bewertung der Militäraktion der USA als „Angriffskrieg“ gibt der Stellungnahme eine deutlich politische Qualität, weil sie ja die Einstufung des Krieges durch US-Präsident Bush als „preemptive war“ verneint. Wie von Bergmann gefordert, enthält das Wort der Synode neben dem Nein zum Krieg auch positive Formulierungen einer Friedensethik: Dafür treten wir ein: Weltgemeinschaftspolitik in den UN statt Machtstreben und Alleingänge aktive Vermittlung statt Wegschauen bei Konflikten für eine Erziehung zum Frieden und gewaltfreie Konfliktbearbeitung für einen kritischen Umgang mit den Medien für eine politische Ordnung unter Wahrung kultureller und religiöser Identität religiöser Dialog zwischen Christen und Muslimen als gleichberechtigten Partnern Solidarität mit jetzt besonders gefährdeten christlichen Minderheiten in 73 islamischen Ländern

Die bayerische Landessynode würdigt in ihrem Papier auch das Engagement junger Menschen gegen den Krieg. Dies wurde in der Aussprache von einigen 71 72 73

a. a. O., S. 119 a. a. O., S. 163 ibid.

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Der Irak-Krieg

Synodalen ausdrücklich gefordert, zum Beispiel von Stefan Lipfert: „Die Jugend wartet hier eindeutig auf eine Ansprache von Seiten der Synode. Es sind Jugendliche dafür bestraft worden, dass sie in der Schulzeit demonstriert haben, sie haben einen Schulverweis mitnehmen müssen, usw. Das sind auch viele Dinge, wo man sagt: Da wäre es gut, wenn deutlich die Jugend angesprochen wird.“74 Mit großer Mehrheit wird diese Anregung aufgegriffen. Im Wort der Synode heißt es schließlich: „Für uns ist es ein Hoffnungszeichen, dass gerade auch die Jugend aufsteht gegen diesen ungerechtfertigten Krieg.“75 Auch schon an die Zeit nach dem Krieg denkt die bayerische Synode: „Wir unterstützen die Hilfsaktionen im Irak – trotz unserer Kritik am Krieg. Für uns selbst ziehen wir die Konsequenz, noch rechtzeitiger und noch entschiedener unsere Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen, Terror und Kriege weltweit zu erheben.“76 Ein erstaunlicher Sinneswandel, bedenkt man, dass sich die Synode vor dem Irak-Krieg gar nicht dazu äußern wollte.77

9.3 Äußerungen des Rates der EKD Auf der ersten Tagung der 10. Synode der EKD im Mai 2003 in Leipzig zieht der Ratsvorsitzende Manfred Kock eine friedensethische Bilanz des IrakKriegs. Er wehrt sich gegen Vorhaltungen, die Position der EKD habe sich angesichts des relativ kurzen Krieges als falsch erwiesen: „Doch wer daraus nun schließen wollte, der Erfolg heilige die Mittel und alle ethischen Bedenken seien damit erledigt, der irrt sich ebenso wie die, die fordern, unser Widerspruch gegen diesen Krieg müsse nun zurückgenommen werden. Der Rat der EKD hat sich mit guten Gründen gegen diesen Krieg ausgesprochen.“78 Kock wehrt sich gegen den Vorwurf des Antiamerikanismus, der ihn von verschiedenen Seiten traf: „Es ist nicht antiamerikanisch, wenn die EKD zusammen mit ihren Partnerkirchen in den USA einmütig diesen Krieg ablehnt.“79 Wenn er als Ergebnis seiner USA-Reise feststellt: „Kaum eine der amerikanischen Kirchen war für diesen Krieg“, dann übertreibt er jedoch und schadet seiner Glaubwürdigkeit, denn mit der Southern Baptist Convention 74 75 76 77 78 79

a. a. O., S. 130 Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern: Wort der Landessynode zum Krieg im Irak (5. April 2003), S. 163 ibid. s. o. S. 179f. Kock: Bericht des Rates der EKD auf der Synode in Leipzig, 23. – 25.Mai 2003, in: epdDoku 23/03, S. 9 ibid.

Äußerungen des Rates der EKD

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hat sich ja die mitgliederstärkste US-amerikanische Kirche hinter Bushs Kriegskurs gestellt.80 Der Ratsvorsitzende fordert, es müssten „andere politische Möglichkeiten gefunden werden, Diktatoren in Schach zu halten und sie dazu zu bringen, die Menschenrechte zu achten“81. Kock weitet den Blick vom Irak auf andere Unrechtsregime: „Noch immer werden – auch von den USA – Gangster an der Spitze anderer Staaten geduldet, solange sie nützlich erscheinen und obwohl sie ihr Volk nicht weniger drangsalieren als einst Saddam Hussein.“82 Dieser Hinweis ist wichtig und steht einer kirchlichen Äußerung, die ja stets die Menschen im Blick haben soll, gut an. Kock blickt aber nicht nur zurück, sondern nennt auch handlungsleitende friedensethische Kriterien für die Zukunft: 1.

2.

3.

4.

80 81 82

Der Einsatz militärischer Gewalt darf nur im äußersten Notfall erwogen werden, d.h. wenn alle anderen Möglichkeiten der Konfliktlösung oder der Gefahrenabwehr nichts helfen. Für die Bekämpfung des Terrors sind militärische Mittel kontraproduktiv, soweit ihr Einsatz beim Unterlegenen die Verwendung terroristischer Gewalt sogar noch fördert. Die Androhung und Ausübung von Gewalt zur Verteidigung oder Wiederherstellung von Recht und Frieden müssen sich an den Rahmen des internationalen Rechts halten. Krieg kann und darf nicht zu einem normalen Instrument nationaler Außenpolitik werden. Der präventive Einsatz militärischer Gewalt, wie er von manchen jetzt gutgeheißen wird, destabilisiert mittel- und langfristig den internationalen Frieden. Die Charta der Vereinten Nationen verpflichtet ihre Mitgliedstaaten dazu, ihre Konflikte grundsätzlich friedlich beizulegen. Das Völkerrecht ist dahingehend zu prüfen und weiterzuentwickeln, dass zwischenstaatliche Institutionen gestärkt und mit wirksamen Instrumentarien ausgestattet werden, um Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Durchsetzung zu verhelfen. Dazu gehört auch die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Kirchen bleiben dem Ziel des gerechten Friedens verpflichtet. Die Christenheit, besonders die christlichen Kirchen in Europa, haben in Jahrhunderte langen Lernprozessen begriffen, dass es keine heiligen Kriege geben kann und darf. Meine persönliche Kritik gilt daher jeglicher religiöser Legitimierung von Kriegen. Ich halte die Begriffe ‚Dschihad’ und

Land: RM Nr. 7 vom 13. Februar 2003, S. 28 Kock: a. a. O., S. 9 ibid.

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Der Irak-Krieg

‚Gotteskrieger’ für ebenso problematisch und unangemessen wie die Kate83 gorie ‚crusade’ oder das Modell des ‚gerechten Krieges’.

Kock spricht damit Kriterien an, die angesichts der Veränderungen der internationalen Bedrohungsszenarien bei künftigen friedensethischen Äußerungen der Kirchen beachtenswert sind. Die Liste ist ein Beleg dafür, dass ein neuer friedensethischer Grundsatztext notwendig ist. Am 1. August 2003 legt die EKD Richtlinien zum Umgang mit anderen Religionen vor. Die Kammer für Theologie der EKD betont in ihren Theologischen Leitlinien die Bedeutung des demokratischen Staatswesens für den Dialog zwischen den Religionen: „In diesem Raum können sich die Religionen begegnen und den Dialog untereinander führen, ohne dass sie sich ge84 genseitig ihr Lebensrecht streitig machen dürfen.“ Der Text zieht aber auch eine klare Trennlinie zwischen Christentum und nichtchristlichen Religionen: „Zur Achtung von Menschen anderer religiöser Überzeugung gehört es außerdem, ihren Überzeugungen zu widersprechen, wenn man Grund hat, sie nicht zu teilen, und es Anlass gibt, dem Ausdruck zu geben. Aber auch wenn Übereinstimmungen entdeckt und Gemeinsamkeiten wahrgenommen werden, ist es nicht geraten, sie aus dem jeweiligen religiösen Überzeugungszusammenhang zu abstrahieren und als theoretische oder praktische Übergänge zwischen den Religionen auszugeben. (...) Die Idee einer der christlichen Ökumene vergleichbaren ‚Ökumene der Religionen’ ist deshalb als Irrweg an85 zusehen.“ Mit diesen Aussagen kommt die EKD der Erklärung Dominus Iesus des Vatikans sehr nahe86, die zu einer starken Abkühlung der ökumenischen Beziehungen der beiden christlichen Kirchen geführt hatte.87

83 84 85 86 87

Kock: a. a. O., S. 10 EKD: Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen. Theologische Leitlinien (1. August 2003), in: epd-Doku 33/03, S. 15 a. a. O., S. 14 vgl. Kongregation für die Glaubenslehre: Dominus Iesus, 2000 vgl. u. a. Kock: PM vom 5. September 2000; Drobinski: SZ Nr. 205 vom 6. September 2000, S. 5; Schmoll: FAZ Nr. 207 vom 6. September 2000, S. 9

Aus der Ökumene

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9.4 Aus der Ökumene 9.4.1

Die römisch-katholische Kirche

Gegen Resignation wendet sich der Erzbischof von München und Freising, Friedrich Wetter: „Gerade im Krieg müssen Gedanken des Friedens gedacht werden, muss für den Frieden gebetet, muss für den Frieden gearbeitet werden.“88 Eine Woche später weist der Kardinal bei einer Pressekonferenz zum Abschluss der Bayerischen Bischofskonferenz in Freising auf weitere Gesichtspunkte des Irak-Krieges hin, etwa auf die 75 Milliarden Dollar, die der Krieg kosten werde: „Da ist die kritische Frage angebracht, weshalb für einen militärischen Einsatz fast fraglos und reibungslos solche Riesensummen zur Verfügung stehen, während für humanitäre Aufgaben und Maßnahmen der Entwicklungsarbeit um Bruchteile solcher Summen oft genug mit nur geringem Erfolg gefeilscht werden muss.“89 Er bittet darum, Aktionen der kirchlichen Hilfswerke für die Menschen im Irak zu unterstützen. Ausdrücklich weist Wetter darauf hin, dass in diesen Tagen sehr viele ganz junge Menschen gegen den Krieg demonstrieren: „Sie spüren, dass es um ihre Zukunft geht, nicht nur hier in Deutschland. Es geht um eine Welt, in der Gerechtigkeit und Frieden gesichert, Spannungen abgebaut, Tyrannei und Unrecht beseitigt werden. Dies kann nur geschehen durch Versöhnung und Verzicht auf Gewalt.“90 Ganz anders werden die Friedensdemonstrationen von Hans Joachim Meyer, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), gesehen: „In Deutschland haben die großen Demonstrationen nicht nur einen unbedingten Willen zum Frieden gezeigt, sondern leider auch offenbart, wie weit verbreitet die Neigung zur Realitätsverweigerung und zum apolitischen Schwarz-Weiß-Denken ist. Was wir dringend brauchen, ist eine ebenso selbstbewusste wie realistische Definition der politischen Rolle Deutschlands in und mit der Europäischen Union. Das schließt Kritik an 91 amerikanischer Regierungspolitik nicht aus, wohl aber Antiamerikanismus.“ Meyer zeigt hier selbst eine Neigung zum – zuvor von ihm kritisierten – Schwarz-Weiß-Denken, denn obwohl eine Abgrenzung zwischen Kritik an US-amerikanischer Politik und Antiamerikanismus schwierig ist, zeiht er deutsche Friedensdemonstranten pauschal letzterer. In seiner Stellungnahme 88 89 90 91

Wetter: Stellungnahme zum Ausbruch des Krieges im Írak am 20. März 2003 Wetter: PK am 27. März 2003, S. 2 a. a. O., S. 3 Meyer: Bericht zur Lage bei der ZdK-Vollversammlung am 9. Mai 2003

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Der Irak-Krieg

zeigt sich auch, dass der ZdK-Präsident Handlungsweisen der Demonstranten bewusst missversteht. So bezeichnet er englischsprachige Plakate bei den Friedensdemonstrationen als „hemmungslose Lust zur Kopie des American way of life“92. Dabei wäre es durchaus eine plausible Erklärung, dass die Demonstranten damit über Fotos in Zeitungen auch die Bevölkerung der USA erreichen wollen. Eine andere Form des Protests empfiehlt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann: Der Mainzer Kardinal lädt zum Gebet des Kreuzweges und des Rosenkranzes ein: „Zeiten des Krieges sind nicht Zeiten großer Worte. Seit Jahrhunderten nehmen dann Gläubige den Rosenkranz in die Hand und im wiederkehrenden Gebet des Ave Maria finden Traurigkeit, Schmerz und die österliche Hoffnung ihre Sprache. Kriegsnot bewirkt Sprachlosigkeit. Deshalb sollen in Tagen des Krieges unsere Kirchen ‚offene Kirchen’ sein. Der gebetete Kreuzweg lässt uns die bedrückende 93 Sprachlosigkeit überwinden.“ Der katholische Militärbischof Walter Mixa, Oberhirte des Bistums Eichstätt, zeigt sich am Tag des Kriegsausbruchs bedrückt: „Wir haben vor diesem Moment gebangt und bis zuletzt gehofft, dass sich militärische Aktionen noch vermeiden lassen. Dies war nicht der Fall, und nun müssen wir alles Streben darauf richten, durch unser Gebet und unsere Solidarität den unschuldig Betroffenen nahe zu sein und Gottes Bestand zu erbitten.“94 Drei Wochen nach Kriegsbeginn übt Mixa deutliche Kritik an der Kriegsberichterstattung des deutschen Fernsehens: „Insbesondere der deutsche Fernsehjournalismus zeigt sich gegenüber diesem Krieg – so weit ich es wahrgenommen habe und um es vorsichtig auszudrücken – als sehr hilflos. Oft ersetzt Gesinnung in einer schlimmen Weise die Sachkenntnis, die einfach notwendig wäre, um die Bilder, die auf den Zuschauer einbrechen, in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen: auch wer gegen diesen Krieg ist, muss wis95 sen, wie er funktioniert.“ Den Blick auf andere Kriegsgebiete lenkt Papst Johannes Paul II. in seiner Osterbotschaft 2003: „Frieden im Irak! Mit Unterstützung der Völkergemeinschaft mögen die Iraker zu Protagonisten des solidarischen Wiederaufbaus ihres Landes werden. Frieden in den anderen Regionen der Welt, in denen vergessene Kriege und schleichende Konflikte Tote und Verwundete zwi92 93 94 95

ibid. Lehmann: Gebetsinitiative Kreuzweg und Rosenkranz, 21. März 2003 Mixa: Aufruf des Bischofs von Eichstätt am 20. März 2003 Mixa: Interview in der Neuen Bildpost vom 10. April 2003

Aus der Ökumene

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schen dem Schweigen und dem Vergessen eines nicht geringen Teils der öffentlichen Meinung hervorbringen! Mit tiefem Schmerz denke ich an den Weg der Gewalt und des Blutes, der im Heiligen Land an kein Ende zu kommen scheint. Ich denke an die tragische Situation, in der sich nicht wenige Länder des afrikanischen Kontinents, der nicht sich selbst überlassen werden darf, befinden. Ich habe sehr wohl die Spannungsherde und die Anschläge auf die Freiheit des Menschen im Kaukasus, in Asien und in Lateinamerika präsent, Weltregionen, die mir gleichermaßen teuer sind.“96 9.4.2

Internationale Zusammenschlüsse

Auch Keith Clements, Generalsekretär der Conference of European Churches (CEC), einer Gemeinschaft von 126 orthodoxen, protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirchen, verurteilt den Krieg: „In particular, we do not believe that all possible efforts have been made to find an alternative to war, and we regret that the UN weapon inspections team was not allowed to complete its task in Iraq.“97 Er stellt jedoch weitergehende politische Forderungen an die Mitgliedsstaaten der EU: „As Europeans, concerned about the political differences that have emerged in recent weeks, we must also urge the member states of the European Union to seek a more united approach to the problems of the wider world and to do all they can to ensure humanitarian aid to Iraq and the building of stability in the Middle East as a whole.“98 Ein noch weiterer Bogen wird bei der 12. Vollversammlung der Conference of European Churches (CEC) im Juni 2003 in Trondheim geschlagen. Der Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten spricht in seinem Bericht die im religiösen Erbe wurzelnden Konflikte an: „Häufig wird die Religion als Grund für die Probleme der Welt dargestellt. Als religiöse Gemeinschaften müssen wir zu einer friedlichen Lösung dieser Probleme beitragen.“99 Sorgen macht sich die Konferenz wegen der schlechten Wirtschaftslage im Mittleren Osten, sieht im Ergebnis des Irak-Krieges aber eine Chance: „Trotz dieser Hoffnungslosigkeit stellt der Fall des Regimes von Saddam Hussein und die daraufhin erfolgten Schritte zur Belebung des Friedensprozesses im Mittleren Osten einen Hoffnungsschimmer für eine so bedrängte Region dar. Doch 96 97 98 99

Johannes Paul II.: Osterbotschaft vom 20. April 2003 Clements, Keith: General Secretary of CEC on war on Iraq (20. März 2003) ibid. CEC: Bericht des Ausschusses für öffentliche Angelegenheiten, 12. Vollversammlung in Trondheim, 25. Juni – 2. Juli 2003, in: epd-Doku 31/03, S. 17

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Der Irak-Krieg

nur, wenn ein echt partizipatorisches politisches System entwickelt wird, in dem die ethnischen und religiösen Gruppierungen des Irak vertreten und beteiligt sind, kann im Irak eine dauerhafte und nachhaltige Nachkriegsregelung erreicht werden.“100 Als einzigartig in der Kirchengeschichte bewertet beim KEK-Treffen der Osloer lutherische Bischof Gunnar Staalsett die Einigkeit zwischen Orthodoxen, Protestanten und Katholiken zum Irak-Krieg. Zugleich sieht er aber in der Unterstützung der Bush-Regierung durch „fundamentalistischevangelikale Christen“ einen neuen Riss in der Haltung von Christen zum Einsatz von militärischer Gewalt.101 Bei der Vollversammlung gibt es aber auch eine ablehnende Stimme zum Nein der europäischen Kirchen zum IrakKrieg. Anna Jacobsone von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands wirft der Friedensbewegung unter Hinweis auf die Sowjetdiktatur und das Hitler-Regime vor, ihre Proteste hätten „allein die USA und Großbritannien als Ziel gehabt, nicht jedoch einen der schlimmsten Diktatoren“102. Das ist ein Vorwurf, der einige kirchliche Stellungnahmen aus Deutschland, die ausdrücklich auf die Gefährlichkeit von Saddam Hussein hingewiesen hatten, nicht trifft. Einen eindringlichen Appell, den Krieg zu beenden, richten die Verantwortlichen der christlichen Kirchen im Irak an die Entscheidungsträger der kriegführenden westlichen Staaten: „Habt Mitleid mit den Leiden aller Iraker, denen Medikamente und alles Lebensnotwendige fehlen! Hört auf, Raketen und Bomben zu schicken, und setzt euch stattdessen zum Dialog an einen 103 Tisch!“ Dieser von Weihbischof Shlemon Warduni vom Chaldäischen Patriarchat von Bagdad übermittelte Text steht unter dem unmittelbaren Eindruck der Kriegsauswirkungen. Er begründet die Bitte nach dem Schweigen der Waffen mit Gottes Willen und wirft den Politikern der angreifenden Staaten Egoismus vor: „Hört auf die Stimme Gottes, der seinen Kindern die Liebe, die Geschwisterlichkeit und die Vergebung gebietet! Werdet nicht zu Auslösern von Zerstörung und Blutvergießen! Vergrößert nicht die Zahl der Waisen, Verstümmelten und Witwen nur um eurer persönlichen und egoisti104 schen Interessen willen!“

100 101 102 103

a. a. O., S. 19 vgl. epd-Basisdienst vom 29. Juni 2003, in: epd-Doku 31/03, S. 63 ibid. Warduni: Erklärung von Verantwortlichen der christlichen Kirchen im Irak (27. März 2003) 104 ibid.

Weitere kirchliche Äußerungen

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9.5 Weitere kirchliche Äußerungen Bereits einen Tag nach Ausbruch des Irak-Krieges veröffentlicht der Leitungskreis des Forums Friedensethik der EKiBa eine Stellungnahme, in der der Einsatz militärischer Gewalt beklagt wird: „Die USA haben, unterstützt von wenigen sogenannten Willigen einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak vom Zaun gebrochen.“105 Das Forum Friedensethik unterstützt mit seinem Nein nach eigenen Worten auch die „politische Vernunft bei ihrer notwendigen Suche nach den gebotenen gewaltfreien Instrumenten zur Herstellung eines gerechten Friedens. Denn hier hat sich der Krieg in seiner klassischen Form als Mittel der Politik zurückgemeldet, allerdings heute mit Waffensystemen geführt, die wegen ihrer Kosten nur Supermächten zu Verfügung stehen und neue Terroranschläge provozieren werden.“106 Weil gegen die einzig verbliebene Supermacht USA keine anderen Mittel gebe, „bleibt nur der Gehorsam gegenüber dem Gebot Jesu als einzige politisch vernünftige Alternative“107. Die Mittel ziviler Konfliktbearbeitung der Vereinten Nationen seien „längst nicht ausgeschöpft worden“108, bedauert Christoph Demke, Bundesvorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK), kurz nach Kriegsbeginn. Er fordert, aus der diplomatischen Krise der Weltordnung politische Konsequenzen zu ziehen: „Verbesserung und Verfeinerung der Sanktionsmechanismen der UN und nachhaltiges gemeinsames Durchsetzen eindeutiger UNO-Beschlüsse“.109 Die Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema „Recht auf Krieg oder Pflicht zum Frieden“ findet drei Tage nach Kriegsbeginn im Irak statt. Dabei lehnt auch Militärbischof Hartmut Löwe, der pazifistische Äußerungen bisher oft kritisiert hatte, den Angriff der USA ab. Dadurch sei „ohne Not von vornherein und systematisch“110 der Ruf der Vereinten Nationen ruiniert worden. Der Leiter des Politischen Clubs der Akademie, Heiner Geißler, nennt eine gerechte Weltwirtschaftsordnung als wirksames Mittel gegen den weltweiten Terrorismus, denn es seien „die Armutsviertel und

105 106 107 108 109 110

EKiBa, Forum Friedensethik: Erklärung des Leitungskreises vom 21. März 2003 ibid. ibid. Demke: Stellungnahme vom 23. März 2003 ibid. epd-Basisdienst vom 22. März 2003, in: epd-Doku 16/03, S. 21

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Der Irak-Krieg

Elendsquartiere vieler Länder, wo Osama Bin Laden noch in den Köpfen und Herzen vieler Menschen lebt“111. An die nächsten Kriege denkt schon Erhard Eppler. Bei deren Verhinderung gibt er Europa eine entscheidende Rolle. Man müsse aber auf die Vereinten Nationen setzen: „Wer mit der gesetzlosen Gewalt fertig werden will, braucht eine solide Rechtsgrundlage. Die ist nur über die UN zu haben. Asymmetrische Kriege der Hegemonialmacht produzieren den Terror, und der Terror dient zum Vorwand für neue Kriege. Und so fort. Rache für die Rache für die Rache.“112 Auf die Folgen des Krieges für die tägliche seelsorgerische Arbeit weisen die bayerischen evangelischen Gefängnispfarrer hin. In einer Resolution der Konferenz evangelischer Pfarrer an den bayerischen Justizvollzugsanstalten wird eine „Untergrabung unserer Arbeit im Gefängnis“113 beklagt. Das Ziel sei es, bei den Gefangenen für Versöhnung zu werben und sie vor einer gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen abzuhalten. „All das, wofür wir uns bei Gefangenen einsetzen, wurde von dem Präsidenten der USA ad absurdum geführt.“114 Ihre strikte Linie gegen den Krieg setzt pax christi auch bei den Stellungnahmen zum Irak-Krieg fort. Schon einen Tag vor Beginn der Bombardements reagiert die Vereinigung auf die Ankündigungen von US-Präsident Bush, den Irak anzugreifen und verurteilt den Militäreinsatz: „Der jetzt vorgesehene Angriff geschieht unter Bruch des Völkerrechts, verstößt gegen das Grundprinzip des Gewaltverbots, und ein Mandat der UN für eine Intervention liegt nicht vor.“115 Ausdrücklich begrüßt pax christi die Haltung der Bundesregierung, an einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu arbeiten. Sie fordert aber, die Nichtbeteiligung an diesem Krieg durch konkrete Entscheidungen zu bekräftigen, indem Berlin „das Bundeswehrpersonal aus den AWACS-Aufklärungsflugzeugen abzieht, da diese nicht nur dem Schutz des NATO-Territoriums dienen, sondern auch in die Angriffsplanungen für den Irak eingebunden sind; die Einheiten der Fuchs-Spürpanzer aus Kuwait zurückholt und die Überflugrechte bundesdeutschen Gebietes für Angriffe auf 116 den Irak nicht gewährt“ . Damit spricht pax christi bereits am Tag vor dem

111 112 113 114 115 116

SoBl Nr. 13 vom 30. März 2003, S. 4 SoBl Nr. 14 vom 6. April 2003, S. 3; vgl. dazu auch Münkler 2002, S. 11 a. a. O., S. 11 ibid. pax christi: PM vom 19. März 2003 ibid.

Weitere kirchliche Äußerungen

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Kriegsbeginn Probleme an, die in anderen kirchlichen Stellungnahmen zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle spielen. Ebenfalls an Tag nach Kriegsbeginn äußert sich die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF). Deutlich wird hier ein „Bruch des Völkerrechts unter Führung der USA“117 diagnostiziert. Gleichwohl warnt die ASF vor einem Ende der Kooperation zwischen Europa und den USA: „Gleichwohl haben die Vereinten Nationen in den letzten Wochen durch ihr Festhalten an den Völkerrechtlichen Kriterien für den Umgang innerhalb der Staatengemeinschaft deutlich machen können: Die einzige Alternative ist eine Weiterentwicklung des Völkerrechts. Es zeigte sich aber auch, dass UNO und Europa keine Alternative zur Integration der USA in diesen Prozess haben. Wir warnen indes vor jeder Form der europäischen Selbstgenügsamkeit und Überheblichkeit. Eine solche Überheblichkeit ist gerade auch mit Blick auf die Verdienste der USA um das Völkerrecht und den Aufbau der Demokratie in Europa und insbesondere in Deutschland fehl am Platz. Stattdessen muss der transatlantische Dialog auf allen Ebenen vorangetrieben werden, um der zunehmend unilateralistischen Politik der US-Regierung entgegenzuwirken. ASF führt diesen Dialog auf der Ebene der Kirchen und anderer Partnerorganisationen seit Jahrzehnten und muss doch eingestehen, dass es einer In118 tensivierung bedarf.“ Kommentiert wird von der ASF auch die innenpolitische Diskussion in Deutschland: „Erforderlich ist eine kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Versagen der Mittel des politischen Streits, aus dessen bitterem Ergebnis nun keine parteipolitischen Manöver abgeleitet werden sollten. Es ist nicht die Stunde der Selbstgewissheit, sondern der Nachdenklichkeit. Es ist auch nicht die Stunde des Schwarz-Weiß-Denkens, sondern der Differenziertheit. In diesem Zusammenhang betrachten wir mit Sorge, dass in der öffentlichen Debatte immer wieder oberflächliche Vergleiche mit der Vorkriegszeit des NS-Regimes zur Begründung eines Einsatzes gegen den Diktator Saddam Hussein herangezogen werden. Wir halten diese Vergleiche für verfehlt. Sie dienen für gewöhnlich eher der Mobilisierung von Emotionen als 119 der notwendigen Schärfung der Analyse.“ Einen Appell an die Bundesregierung richtet die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) eine Woche nach Kriegsausbruch: „Die Kooperation für den Frieden fordert die Bundesregierung auf, sofort jegliche 117 ASF: Erklärung vom 21. März 2003 118 ibid. 119 ibid.

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Der Irak-Krieg

Unterstützung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen den Irak zu beenden und sich im UN-Sicherheitsrat für eine Verurteilung der USA und ihrer Verbündeten einzusetzen.“120 Konkret fordert die AGDF, „alle Bundeswehreinheiten aus der Region abzuziehen, die AWACS-Soldaten der Bundeswehr zurückzurufen und US-amerikanischen und britischen Streitkräften sämtliche Überflug- und Nutzungsrechte zu verweigern.“121 Nicht nur die Bush-Administration versucht in plakativen Reden die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Auch bei den Kriegsgegnern gibt es Veröffentlichungen, die auf die Wirkung von starken Worten in den Medien setzen. Der evangelische Pfarrer Jürgen Fliege, bekannt aus Fernseh-Talkshows, hat in einer evangelischen Wochenzeitung einen zwei Seiten langen offenen Brief an George W. Bush geschrieben. Er hält dem US-Präsidenten die zehn Gebote vor und urteilt: „Bruder Bush, mit Verlaub: Sie haben sie alle gebrochen. 122 Alle mit einem Schlag.“ Aufgrund der religiösen Rechtfertigung des IrakKrieges ordnet der deutsche Pfarrer den amerikanischen Präsidenten per Ferndiagnose einer niederen Stufe der religiösen Entwicklung zu. Dabei hält er sich nicht an die klassischen Stufen nach Oser/Gmünder oder Fowler123, sondern prägt eine eigene Bewertung: „Es ist eine Religiosität, die auf dem Niveau eines Kindergebetes stehen geblieben ist. Genauer gesagt: das spirituelle Niveau eines präpubertären Menschen.“124 Mit einem genauen Blick in die kirchlichen Traditionen analysiert dagegen Oliver Weidermann die religiösen Motive von Präsident Bush. Fündig geworden ist er im dritten Jahrhundert, als Mani im Gebiet des heutigen Iran aus Elementen verschiedener Religionen einen „religiösen Eintopf“ 125 zusammengemischt habe. Dieser Manichäismus mit seiner streng dualistischen Einteilung der Welt in Gut und Böse lasse sich in der „neokonservativen Frömmigkeit“ von George W. Bush wiederfinden, etwa in Bushs Einteilung der Welt in die „Koalition der Willigen“ und die „Achse des Bösen“.126

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AGDF: PM vom 27.März 2003 ibid. Fliege: SoBl Nr. 17 vom 27. April 2003, S. 4 vgl. Büttner & Dieterich 2000, S. 103-152 Fliege: a. a. O., S. 5 Weidermann: Glaube aktuell vom 24. März 2003 ibid.

Spätere Bewertungen

251

9.6 Spätere Bewertungen Schon nach wenigen Monaten wird deutlich, dass die von den USA als Kriegsgrund genannten Massenvernichtungswaffen im Irak nicht existieren. Das wird in vielen kirchlichen Stellungnahmen angeprangert, zum Beispiel vom Eichstätter Bischof Walter Mixa: „Gleichzeitig muss ehrlich festgestellt werden, dass mit der Drohkulisse von angeblich todbringenden Waffenarsenalen im Irak für einen Krieg geworben wurde.“127 Berlins Bischof Wolfgang Huber entfernt sich in seiner Predigt am Karfreitag, 18. April 2003, etwas vom aktuellen Krieg und weitet den Blick in die Vergangenheit des Irak. Auch in dieser Zeit habe es Opfer gegeben, „die das irakische Regime wie die Politik der wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Regime im letzten Jahrzehnt schon gefordert haben. Hatten wir die 500000 Kinder überhaupt im Sinn, die in den vergangenen Jahren ohnmächtige Opfer dieses Konflikt wurden – ein angemessenes Opfer, wie eine amerikanische 128 Politikerin sogar dazu erklärte?“ In einem Zeitungsinterview betont Huber, dass ihm auch einen Monat nach Kriegsbeginn noch Zweifel bleiben, was richtig gewesen wäre: „Ich sehe nicht nur den hemmungslosen Jubel, sondern auch hemmungsloses Plündern. Ob ein anderer Weg, ohne Blutvergießen, zum Ziel geführt hatte, kann nun niemand mehr sagen. Schon deshalb bleiben Zweifel. Zweifel bleiben auch, ob die Rede von der Gewalt als äußerstem Mittel jemals mehr sein wird als eine leere Hülse, beliebig verwendbar. Insofern sind meine Zweifel gewachsen, 129 meine Zweifel am Menschen, auch an mir selbst.“ Auch die instabile Lage in der Region ist Anlass für kirchliche Kritik. So sieht sich der westfälische Präses Manfred Sorg in den ein Jahr zuvor erhobenen Forderungen im Positionspapier der Landeskirche bestätigt: „Angesichts der fortschreitenden Destabilisierung des gesamten Nahen und Mittleren Ostens stellt sich die friedensethische und friedenspolitische Herausforderung mit zunehmender Dringlichkeit.“130 Ein Jahr später stellt sein Nachfolger Alfred Buß beim Kirchentag 2004 fest: „Kriege zu führen scheint einfacher zu sein als Frieden zu schaffen. Krieg ist und bleibt ein ethisch verwerfliches

127 128 129 130

Mixa: Silvesterpredigt 2003 Huber: Predigt am Karfreitag, 18. April 2003, in Berlin Huber: Interview in Die Zeit Nr. 17 vom 16. April 2003, S. 51 Sorg: Bericht vor der 4. Tagung der 14. Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen (10.-14. November 2003), S. 26

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Der Irak-Krieg

wie auch untaugliches Mittel zur Lösung von Konflikten.“131 Er weist auf eine Folge des war on terror in vielen Ländern der Erde hin: „Dem ‚Krieg gegen den Terror’ fallen mehr und mehr die Freiheits-, Sozial- und Entwicklungsrechte zum Opfer. (…) Auch in Deutschland sind die Konsequenzen bereits spürbar: die Verschärfung zahlreicher Sicherheitsgesetze, die deutliche Ausweitung der Rechte der Geheimdienste sowie die Einschränkungen für Migranten und Migrantinnen.“132 In einer sehr ausführlichen Erklärung nimmt der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zum „widerrechtlichen Präventivangriff auf den Irak“133 Stellung. Er „verurteilt die Menschenrechtsverletzungen des vorangegangenen Regimes“134, bekräftigt aber seine Überzeugung, „dass der Krieg gegen Irak unmoralisch und unklug war und dass er gegen die Prinzipien der UN-Charta verstoßen hat“135. Der Zentralausschuss „begrüßt die mutige Haltung aller Mitgliedskirchen und insbesondere der Kirchen in den USA, in Großbritannien und Australien, die diesen Krieg ablehnen und unermüdlich für den Frieden arbeiten“136. Kritik übt das Gremium nicht nur an den Besatzern, sondern auch an den Vereinten Nationen. Es zeigt sich „bestürzt über die Beschlüsse, die der UN-Sicherheitsrat nach dem Krieg gegen den Irak fasste und in denen er von einer zeitlichen Befristung der Besatzung absah, den Vereinten Nationen ein ambivalentes Mandat erteilte und die Besatzungsmächte zur Rechts- und Finanzverwaltung des Irak befugte; diese Beschlüsse dürften die Rolle der Vereinten Nationen als wichtigstem Garanten des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beein137 trächtigen.“ Angesichts des Terroranschlags am 11. März 2004 in Madrid konstatiert Oberkirchenrat Olaf Grobleben auf der Synodaltagung in Oldenburg ein Weniger an Sicherheit: „Der islamistische Terror sieht sich durch den IrakKrieg bestärkt. Der Krieg gegen den Terrorismus und gegen die Achse des Bösen hat wohl die Welt nicht sicherer, sondern unsicherer gemacht.“138 Grobleben übt in diesem Zusammenhang auch Kritik am neuen Konzept der 131 Buß: Bericht vor der 1. Tagung der 15. Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen (15.-19. November 2004), S. 38 132 ibid. 133 ÖRK-Zentralausschuss: Sitzung in Genf (26. August bis 2. September 2003), S. 9 134 ibid. 135 ibid. 136 a. a. O., S. 9 137 ibid. 138 Grobleben: Referat auf der Synodaltagung in Oldenburg am 26.November 2004, S. 4

Spätere Bewertungen

253

Bundeswehr, das Verteidigungsminister Peter Struck am 13. Januar 2004 vorgestellt hatte: „Nein, Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt. Selbst von so genannter antizipatorischer Selbstverteidigung war schon die Rede. Rettung von bedrohten Bürgern aus Gefahrenlagen bis hin zur Kriegführung gegen Staaten, die weder die Bundesrepublik noch einen ihrer Bündnispartner angegriffen haben: Die Bundeswehr hat Aufgaben in einem breiten Fächer unterschiedlicher Konfliktszenarien. (…) Führt nicht die Bezeichnung Verteidigungspolitische Richtlinien hier in die Irre?“139 Die Evangelische Kirche von Westfalen hat im Rahmen der ökumenischen „Dekade zur Überwindung von Gewalt. Kirche für Frieden und Versöhnung“ im Jahr 2005 gemeinsam mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Lippischen Landeskirche mit dem Schwerpunktthema „Frieden denken – Frieden machen. Kriege haben keine Chance!“ die globalen friedenspolitischen Herausforderungen aufgenommen.140 Nach Ansicht von Hans-Richard Reuter konnte für ein Selbstverteidigungsrecht der USA gegen den Irak weder moralisch noch rechtlich argumentiert werden: „Bei Kriegsbeginn stellte der militärisch und ökonomisch weitgehend entmachtete Irak keine unmittelbare Bedrohung für die amerikanische Supermacht dar. Die Verbindung zu Al Qaida ist ebenso unbewiesen wie unwahrscheinlich. Die Behauptung, der Irak besitze einsatzfähige Massenvernichtungswaffen, konnte in der letzten robust abgestützten Inspektionsphase nicht belegt werden und erweist sich heute deutlich genug als vorge141 schoben.“ Somit habe der Irak-Krieg die Welt nicht sicherer gemacht – im Gegenteil: „Die Ausdehnung des Selbstverteidigungsrechts auf ein originäres ius ad bellum defensionis gegen Schurkenstaaten dürfte die zahlreich verbliebenen unter ihnen in der Auffassung bestärken, dass sie sich nur durch Nuklearwaffen wirklich schützen können.“142 Auch der Sturz des Diktators Saddam Hussein rechtfertige nicht die Intervention: „Das wünschenswerte Ziel der Beseitigung von struktureller Unterdrückung und Tyrannei muss – soweit es die Anwendung von Waffengewalt einschließt – den Bürgern des betreffenden Staates überlassen bleiben.“143 Der erste Jahrestag des Kriegsbeginns ist für pax christi Anlass, eine kritische Bilanz zu ziehen: „Heute ist Gewissheit: Die Weltöffentlichkeit wurde 139 a. a. O., S. 3 140 vgl. Sorg: Bericht vor der 2. Tagung der 15. Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen (31. Oktober – 3. November 2005), S. 53 141 Reuter: Vortrag von 21. Juli 2003, S. 14f. 142 a. a. O., S. 15 143 ibid.

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Der Irak-Krieg

von der US-amerikanischen Regierung vorsätzlich getäuscht. Der Irak war nicht im Besitz der Massenvernichtungswaffen, die ihm zur Last gelegt wurden. Die US-Administration beanspruchte einseitig ein Recht auf Präventivkrieg und setzte dieses im Dienste ihrer strategischen Interessen durch. Dabei wurden in unerträglicher Weise religiöse Vorstellungen und Begriffe zur Rechtfertigung dieses Krieges missbraucht.“144 Die Lage im Irak ein Jahr nach Kriegsbeginn analysiert pax christi so: „Der Sturz des Diktators Saddam Hussein führte zu einem Machtvakuum, auf das die Alliierten keine überzeugende politische Antwort geben konnten. Militärische Stärke vermochte den Diktator zu stürzen; den Aufbau demokratischer Strukturen beförderte sich nicht. Hilfe suchend muss sich heute die US-amerikanische Regierung an die internationale Staatengemeinschaft wenden, der sie zu Kriegsbeginn mit machtpolitischer Arroganz begegnete.“145 Am Ende des dritten Kriegsjahres zieht das Präsidium von pax christi eine ernüchternde Bilanz: „Der Irak ist zwar von einer Diktatur befreit, aber noch nicht befriedet worden, im Gegenteil: Er ist zu einer Rekrutierungs- und Trainingsstätte für Terroristen verschiedenster Prägungen geworden.“146 Dennoch fordert pax christi den Abzug der ausländischen Invasionstruppen unter US-amerikanischer Führung: „Ihr Kredit aufgrund der Diktatorenvertreibung ist durch Folterpraktiken, Arroganz und Unsensibilität weitgehend aufgebraucht, und die Gewalttaten terroristischer Gruppen können sie offenbar nicht verhindern.“147

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pax christi: Stellungnahme des Präsidiums vom 18. März 2004 ibid. pax christi: Erklärung des Präsidiums vom 30. Januar 2006 ibid.

10 Resümee 10.1 Äußerungen der Kirchen als Chance und Gefahr Die Terroranschläge des 11. September 2001 und der noch andauernde war on terror haben die Kirchen mehr als bei anderen politischen Fragen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sicher wird den Kirchen beim Thema Frieden mehr Kompetenz zugebilligt als etwa in wirtschaftlichen Debatten. Diese Einschätzung wird von einer Meinungsumfrage auf diesem Gebiet gestützt. Das Institut Infratest dimap veröffentlichte im Mai 2003 die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage „Religion – Politik – Gesellschaft“.1 Demnach gab es bei der Frage „Sollen die Kirchen zu diesem Thema Stellung nehmen?“ in den ureigensten Feldern der Kirchen große Zustimmungsraten. Auf den ersten Plätzen lagen die Kategorien Achtung der Menschenrechte (92 %), Krieg und Frieden (87 %) und Sterbehilfe für unheilbar Kranke (85 %). Es folgten die Bereiche Schutz von Ehe/Familie durch den Staat (72 %), Zusammenleben mit hier lebenden Ausländern (67 %), Forschung an menschlichen Embryonen (61 %), Zulässigkeit von Abtreibung (61 %), Fragen der Arbeitslosigkeit (53 %) und Zuwanderung von Ausländern (52 %). Mehr Ablehnung als Zustimmung gab es lediglich auf zwei Gebieten: Sozial- und Gesundheitsgesetzgebung (42 %) und Fragen der Wirtschaftsordnung (34 %). Allerdings macht die Umfrage auch den geringen Stellenwert der kirchlichen Stellungnahmen deutlich. 81 Prozent der Befragten gaben an, sie nicht zur Meinungsbildung herangezogen zu haben. 60 Prozent konnten sich nicht an eine kirchliche Stellungnahme aus der jüngsten Zeit erinnern. In diesem Zusammenhang muss man bedenken, dass zum Umfragezeitpunkt im Dezember 2002 in den Medien die Diskussion um einen möglichen Angriff der USA auf den Irak in vollem Gange war und sich auch die Kirchen dazu schon ausführlich geäußert hatten. Erst wenige Wochen zuvor war der angedrohte Irak-Krieg ein wichtiges Thema der EKD-Synode in Timmendorfer Strand gewesen. Die Aufmerksamkeit, die den Kirchen zuteil wurde, hängt natürlich mit dem breiten Raum zusammen, der den Ereignissen nach dem 11. September 2001 in den Medien eingeräumt wurde. Dass die Gotteshäuser nach den Terroranschlägen so gut gefüllt waren wie sonst nur am Weihnachtsfest, signali1

vgl. Koecke & Sachs 2003, in: epd-Doku 21/03, S. 22f.

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Resümee

sierte den Medienverantwortlichen ein akutes – aber auch wieder schnell abebbendes – Interesse der Menschen an dem, was die Kirchen zu sagen haben. Innerkirchliche inhaltliche Differenzen bei den Stellungnahmen erhöhten die Bereitschaft von Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksendern und Fernsehanstalten, den kirchlichen Äußerungen breiteren Raum als üblich zuzugestehen. Dies war für die politischen Äußerungen der Kirchen Chance und Gefahr zugleich. Beim Thema Frieden konnten sie sich als wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeit mit ihrer spezifisch christlichen Sicht der Dinge in die Diskussion einbringen. In dem den Gesetzen der Massenmedien innewohnenden Drang zur Verkürzung liegt aber eine große Gefahr. „Die Kirchen äußern 2 sich zum Krieg – die Öffentlichkeit hört nur das Nein“ , hat Robert Leicht treffend analysiert. In vielen Zeitungen sind längere Beiträge verpönt, weil Umfragen ergeben haben, dass die meisten Leser nach 100 Zeilen zu lesen aufhören. In dieser Kürze kann man die meist sehr ausführlichen kirchlichen Äußerungen nicht unterbringen. So gehen die wichtigen Zwischen- und Nebentöne verloren. Mit längeren Interviews machen Kirchenvertreter bisweilen aber ebenfalls schlechte Erfahrungen. Die vom EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock ausgelöste Fundamentalismus-Diskussion, die ihn zu einer Klarstellung seiner Worte zwang, gibt eindringliches Zeugnis davon. Problematisch ist die Auswahl der Themen für Stellungnahmen. Natürlich soll die Kirche zu brisanten Konflikten wie den Kriegen gegen Afghanistan und Irak Position beziehen. Wenn sie jedoch zu anderen Kriegsschauplätzen wie z. B. Tschetschenien schweigt, setzt sie sich dem Verdacht der Einseitig3 keit aus. „Wir empören uns sehr selektiv, aber dafür umso heftiger“ , rügt Richard Schröder, der der konservativen Richtung der EKD zugerechnet wird. Dass die Stellungnahmen der EKD so einseitig auch wieder nicht waren, zeigt Kritik aus dem linken Lager. Matthias Engelke, Vertreter einer radikalpazifistischen Position, erhebt schwere Vorwürfe: „Verantwortliche der Kirchenleitungen und die EKD-Synode haben den kirchenleitenden Konsens der Anwendung militärischer Gewalt nur als ultima ratio gebrochen.“4 Später wirft der ehemalige Militärpfarrer Engelke der Evangelischen Kirche in Deutschland gar Verrat an Gott vor: „Die EKD-Synode 2001 hat sich der Welt angepasst und ... erklärt, warum es Krieg gibt, und damit den Auftrag Gottes verraten: zu sagen, was kein Mensch sich selbst sagen kann. Sie war damit 2 3 4

Leicht: Der Tagesspiegel vom 14. Februar 2003, S. 1 Schröder: Die Kirche vom 16. Februar 2003, in: epd-Doku 13/03, S. 34 Engelke 2002, S. 85

Äußerungen der Kirchen als Chance und Gefahr

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nicht die Kirche ihres Herrn Jesus Christus, sondern die Versammlung des Verwirrers (Teufel) und des Anklägers (Satan).“5 Wie man sieht, bieten die protestantischen Stellungnahmen eine große Bandbreite an Meinungen. Dieser an sich wünschenswerte Pluralismus hat in unserer Informationsgesellschaft – im Vergleich mit der römisch-katholischen Kirche – den Nachteil, dass die evangelische Kirche in den Medien nicht so prominent platziert wird. Wenn es keine Stelle gibt, die mit Vollmacht die gültige Meinung des Protestantismus vertritt, fällt diese eben ganz unter den Tisch. Als Meinungsführer der Christenheit trat deshalb in den Medien oft Papst Johannes Paul II. in Erscheinung und erfüllte damit ungewollt einen Vorschlag des bayerischen Landesbischofs Johannes Friedrich in der Ökumene-Diskussion nach Communio Sanctorum und Dominus Iesus, als dieser sich eine Art Sprecheramt des Papstes für die gesamte Christenheit vorstellen konnte 6 und damit viel Protest im evangelischen Lager auslöste. Der Papst hat in der römisch-katholischen Kirche eine Autorität, die in der evangelischen Kirche kein Amtsträger erreicht. Der Protestantismus hat es schon aufgrund seiner Strukturen schwerer, in der Öffentlichkeit Gehör zu finden. Es gibt den Lutherischen Weltbund, die EKD, die VELKD, den Reformierten Bund und die Gliedkirchen, die jeweils über Synoden, Präsides, Räte, Bischöfe, Kirchenpräsidenten, Landes- und Generalsuperintendenten verfügen. Alle stehen in einem nur für Theologen ganz zu durchschauenden Verhältnis zueinander. Die Medien geben von protestantischer Seite meist nur dem EKD-Ratsvorsitzenden Raum für Stellungnahmen. Dass sich dieser – im Fall des damaligen Amtsinhabers Manfred Kock – dann in seinem zweiten Amt als Präses der rheinischen Landeskirche oder in gemeinsamen Erklärungen mit anderen Kirchenführern bisweilen anders äußert als in seinen EKD-Stellungnahmen, macht die Sache noch komplizierter.

5 6

Engelke: Referat bei der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden am 27. September 2002 (erweiterte Fassung vom Februar 2003), in: epd-Doku 13/03, S. 42 vgl. Friedrich: RM Nr. 9 vom 2. März 2001, S. 25 u. ders.: SoBl Nr. 12 vom 25. März 2001, S. 5

258

Resümee

10.2 Ergebnisse der Untersuchungen 10.2.1 Protestantismus Nach der Auswertung der gesammelten Dokumente kann man für die protestantischen Kirchen folgende bemerkenswerte Feststellungen treffen: Auch fast zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung lässt sich immer noch ein Unterschied in Akzent und Emphase zwischen den Landeskirchen der alten und neuen Bundesländer feststellen. Die Äußerungen aus den Kirchen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sind deutlich pazifistischer geprägt und nehmen stärker Partei gegen die USA. Friedensethische Arbeitskreise haben hier einen deutlich stärkeren Rückhalt in den Landessynoden. Eine von der Arbeitsgruppe Friedensethik erarbeitete Erklärung wurde von der Landessynode Berlin-Brandenburgs im November 2002 sogar als synodale Stellungnahme übernommen. Häufiger als im Westen kommt es im Osten zu Aufrufen der Synoden an die Gläubigen, sich an Protestkundgebungen gegen den Krieg zu beteiligen, z. B. von der Landessynode Berlin-Brandenburgs im Januar 2003. Hier wirken noch die durch Jahrzehnte der deutschen Teilung geprägten unterschiedlichen Traditionen. Während der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR dem Geist der Abschreckung eine eindeutige Absage erteilt hatte, waren im Westen die Heidelberger Thesen zum komplementären Handeln auch in der EKD-Denkschrift von 1981 nicht verworfen, sondern nur verallgemeinert worden. Die Unterschiede zwischen den West- und OstLandeskirchen sind aber weniger einschneidend als erwartet. Auch im Westen wurden vielerorts Arbeitskreise zu friedensethischen Fragen eingerichtet, so in Baden das Forum Friedensethik (FFE). Die Landessynoden neigen zu deutlicheren Stellungnahmen als die EKDSynode, was vermutlich daran liegt, dass auf EKD-Ebene die Synodalen eine heterogenere Gruppe sind und somit schwerer ein Konsens zu finden ist. Innerhalb des kleineren Gremiums einer Landessynode, deren Mitglieder größtenteils aus derselben kirchlichen Tradition stammen, ist es eher möglich, einen pointierteren Text durchzusetzen. Exemplarisch zu beobachten ist dies bei der Stellungnahme der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 10. Januar 2003, die politisch wesentlich einseitiger ist als entsprechende Statements der Synode und des Rates der EKD vom 24. Januar 2003. Anhand dieser Texte kann man auch beobachten, wie Amtsträger der Evangelischen Kirche in ihren verschiedenen Funktionen unterschiedliche

Ergebnisse der Untersuchungen

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Stellungnahmen abgeben, denn beim Präses der EKiR und beim EKDRatsvorsitzenden handelte es sich damals um dieselbe Person, nämlich um Manfred Kock. Am 5. Februar unterzeichnet Kock gemeinsam mit anderen Kirchenführern ein Dokument, das den Angriff auf den Irak scharf kritisiert und sich somit deutlich von der Ratserklärung unterscheidet. Kock ist somit innerhalb weniger Tage an drei Stellungnahmen beteiligt, die deutliche Unterschiede aufweisen. Die Synode der EKD tendiert dazu, die Meinung des Rates der EKD zu bestätigen und sogar wortwörtlich zu übernehmen. Dabei werden abweichende Ansichten einzelner Synodalen zu wenig berücksichtigt. Das wird deutlich bei der Kundgebung der EKD-Synode am 8. November 2001, in der der Antrag der Synodalen um den Cottbuser Generalsuperintendenten Rolf Wischnath nur ausschnittsweise wiedergegeben wurde. Das ist umso erstaunlicher, da man sich ja in der Synode am Ende nicht auf eine einheitliche Linie festlegen konnte und einen „Sowohl-als-auch-Text“ verabschiedete. Die Tendenz der EKD-Synode, Ratserklärungen zu übernehmen und mit eigenen Texten zu ergänzen, führt zu widersprüchlicher Argumentation, etwa bei den Gründen, den Irak-Krieg abzulehnen. Beobachten kann man dies beim Beschluss der Synode am 7. November 2002, die zur Begründung Teile aus der Ratserklärung vom 6. September 2002 und aus der Synodalerklärung von 2001 übernimmt und sich so in Widersprüche verwickelt, angesichts derer man nicht mehr von Sachgemäßheit ausgehen kann. Signifikante Differenzen sind zwischen den lutherischen und reformierten Stellungnahmen feststellbar. Immer noch wirkmächtig ist der Streit um den status confessionis in der Nachrüstungsdebatte der 80er-Jahre, auf den sich reformierte Stimmen auch heute noch gerne berufen. Sowohl die Stellungnahmen der Evangelisch-reformierten Landeskirche mit Sitz in Leer als auch des Reformierten Bundes sind deutlich pazifistisch geprägt und als politische Stellungnahmen ausgewiesen. Dagegen finden sich in den lutherischen Landeskirchen amerikafreundliche Stellungnahmen (z. B. vom württembergischen Landesbischof Gerhard Maier) oder sogar die generelle Ablehnung politischer Äußerungen (z. B. vom Leitenden Bischof Hans Christian Knuth von der VELKD). Die unterschiedliche friedensethische Tradition der lutherischen und reformierten Kirchen schlägt sich nicht nur in Grundsatzerklärungen, sondern auch in aktuellen Fragen nieder. In allen kirchlichen Stellungnahmen gibt es eine diachrone Entwicklung der Stellungnahmen mit der deutlichen Tendenz der Ablehnung militärischer Interventionen vom 11. September 2001 bis heute. Während es beim Militär-

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Resümee

einsatz in Afghanistan noch zahlreiche kirchliche Befürworter gab, sind diese während der Militärschläge weniger geworden und schließlich beim IrakKrieg äußerst selten. Bisweilen sprechen die Kirchenvertreter ihren Sinneswandel auch offen an (z. B. der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock im Ratsbericht vor der EKD-Synode am 4. November 2001 und Bayerns Landesbischof Friedrich am 24.3.2002 in einem Interview). Auch bei anderen Kirchenvertretern und Gremien ist eine solche Tendenz erkennbar, die von den Äußerungen zum Kosovo-Krieg über die Stellungnahmen zum war on terror bis hin zu den Diskussionen um den Irak-Krieg reicht. Diese Entwicklung bei den protestantischen kirchlichen Äußerungen verläuft in einer auffälligen Parallele zur Haltung der rot-grünen Bundesregierung. Während die Luftangriffe auf Jugoslawien noch gebilligt wurden, kamen beim Afghanistan-Einsatz schon Zweifel auf, was sich in kritischen und ambivalenten kirchlichen Äußerungen und einer heftigeren Debatte in der Regierungskoalition und im Bundestag niederschlug. Beim Irak-Krieg schließlich war sowohl im kirchlichen als auch im politischen Feld die Entwicklung hin zur Ablehnung der militärischen Gewalt abgeschlossen. Ein Grund für die Zustimmung zum Militäreinsatz im Kosovo und in Afghanistan mag auch die emotionale Betroffenheit angesichts der in den Medien transportierten Gräueltaten des Militärs an der Zivilbevölkerung im Kosovo und der Terroranschläge in den USA im Falle des AfghanistanEinsatzes sein. Offensichtlich beeinflusst der geringe zeitliche Abstand zu Gewalttaten die Objektivität der kirchlichen Stellungnahmen. Der EKDRatsvorsitzende Kock räumte dies am 16. September 2002 in einem Zeitungsinterview offen ein. Die Forderung nach einem UN-Mandat, die in vielen kirchlichen Stellungnahmen erhoben wird, wird häufig nur in Nebensätzen erhoben und durch andere Kriterien überlagert (z. B. Präses Kock am 21. August 2002 im epdInterview). Die Macht der Vereinten Nationen wird in protestantischen Stellungnahmen häufig überschätzt – etwa, wenn die Synode am 7. November 2002 fordert, militärische Gewalt nur nach den Regeln der UN zuzulassen. 10.2.2 Katholizismus Die römisch-katholischen Stellungnahmen sind einheitlicher als die protestantischen, weil sie sich an den Stellungnahmen des Papstes orientieren, so im Falle des Irak-Kriegs an der Rede von Johannes Paul II. vom 13. Januar 2003. Durch die stärkere innerkirchliche Abstimmung sind die römisch-

Ausblick

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katholischen Äußerungen weniger aktuell als die protestantischen Stellungnahmen. So argumentiert die Deutsche Bischofskonferenz am 20. Januar 2003 bei der Bewertung des Krieges auf dem Stand des Hirtenworts Gerechter Friede von 2000. Zudem reflektieren römisch-katholische Stellungnahmen die politische Situation in geringerem Maße und haben hier sachliche Defizite. So unterscheidet die Bischofskonferenz am 20. Januar 2003 nicht zwischen präventivem und präemptivem Krieg. Die katholischen Stellungnahmen sind indes nicht so einheitlich wie vermutet. Insbesondere die mehr in der Welt der Politik agierenden Würdenträger äußern Sympathien für Militäreinsätze, so der Apostolische Nuntius Lajolo in seiner Rede beim Empfang des Bundeskanzlers für das Diplomatische Korps am 19. Dezember 2001 und Militärbischof Mixa in einem Vortrag in Dresden am 7. Februar 2002. Die Bischöfe betonen öfter die Komponente der Gerechtigkeit, so Manfred Müller (Regensburg) am 25. Dezember 2001. Katholische Laienorganisationen sympathisieren dagegen stärker als offizielle Kirchenvertreter mit dem Einsatz militärischer Gewalt. Ein Beispiel dafür ist die Erklärung des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, vor der Vollversammlung 2001.

10.3 Ausblick Als ganz entscheidend für die friedensethische Diskussion hat sich die Frage erwiesen, ob die Lehre vom gerechten Krieg obsolet geworden ist. In den kirchlichen Stellungnahmen werden die Kriterien dieser Lehre zwar oft übernommen, jedoch nur selten vollständig und überdies nicht als solche gekennzeichnet. Vertreter der EKD und Landesbischöfe lehnen zwar die bellumiustum-Lehre ab, greifen aber häufig auf deren Kriterien zurück. Als Beispiele hierfür können die Äußerungen von Bischof Wolfgang Huber am 13. Februar 2003 in der Berliner Zeitung und von Präses Manfred Kock am 16. Februar 2003 in SWR2 gelten. Angesichts dieser Tatsache muss die Frage gestellt werden, ob der im deutschen Protestantismus weit verbreitete Konsens, dass die Lehre vom gerechten Krieg unter modernen Bedingungen nicht mehr verwendet werden kann, wirklich noch haltbar ist. Die Formulierung eines Katalogs neuer Kriterien zur Beurteilung der Legitimität des Einsatzes militärischer Gewalt wurde bislang nicht geleistet und erscheint angesichts der nach wie vor gegebenen großen Akzeptanz der klassischen bellum-iustum-Kriterien auch nicht erfolgversprechend.

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Resümee

Wenn führende Kirchenvertreter bei der Beurteilung aktueller Kriege häufig bewusst oder unbewusst die klassischen Kriterien dieser Lehre benutzen, darf die Negation der bellum-iustum-Lehre nicht apodiktisch gelten. Nach wie vor bieten ihre Kriterien offenbar ein leistungsfähiges Analyseinstrumentarium, auf das nicht verzichtet werden kann. Wer sie verwendet, sollte sie aber korrekterweise auch der Lehre vom gerechten Krieg zuordnen und diese so benennen. Dass dies in ein Konzept vom gerechten Frieden eingebettet ist, kann dabei ja auch deutlich gemacht werden. Dass viele kirchliche Stellungnahmen von einer großen Unsicherheit im Urteil geprägt sind, wie etwa das Interview von Präses Kock am 9. November 2001 in der taz zeigt, resultiert unter anderem aus einem auch 2007 noch bestehenden Mangel an einer aktuellen protestantischen Friedensethik. Bei kirchlichen Äußerungen muss zwischen aktuellen Stellungnahmen und Grundsatzäußerungen unterschieden werden. Erstere haben den Vorzug, auf politische Ereignisse zeitnah eingehen zu können. Bei ihrer Argumentation berufen sie sich oft auf Grundsatzschriften, in denen die Friedensethik reflektiert wird. In den sechs Jahren nach 9/11 konnten Kirchenvertreter auf drei längere Texte der EKD zurückgreifen. Sicher hatten die Stellungnahmen nach dem 11. September 2001 in der Friedensdenkschrift von 1981, den Orientierungspunkten von 1993/94 und in der Zwischenbilanz von 2001 ertragreiche Bezugspunkte. In diesen Texten ist aber zu erkennen, dass die Friedensethik immer wieder von den aktuellen Ereignissen überholt wird. War sie in der Zeit des „Kalten Krieges“ auf die Beurteilung der atomaren Abschreckung ausgerichtet, so musste sie sich nach 1989 ganz konkret mit der militärischen Gewalt auseinander setzen. Es stand aufgrund der Existenz atomarer Massenvernichtungswaffen jahrelang außer Frage, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll, doch plötzlich waren Kriege wieder führbar geworden – ja, sie wurden sogar von Kirchenvertretern mit dem Argument der „humanitären Intervention“ gefordert. Das Kriterium vom Krieg als ultima ratio wurde vom Status der abstrakten Argumentationsfigur in den der konkreten Forderung überführt. Deshalb war es nötig, dass die Zwischenbilanz 2001 den Vorrang der Politik bei der Lösung von Konflikten betonte. Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass es sich bei den Orientierungspunkten und der Zwischenbilanz nur um Schriften zweiter und dritter Ordnung handelt. Obwohl sich nach protestantischem Verständnis der Rang einer Veröffentlichung nur nach ihrer Qualität bestimmt, haben die Denkschriften allein durch ihren wissenschaftlichen Anspruch einen eigenen Stellenwert.

Ausblick

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Angesichts der immer weiter fortschreitenden Transnationalisierung der Sicherheitspolitik ist es notwendig, dass die kirchlichen Stellungnahmen der veränderten Welt angepasst werden. Immer noch verharren Kirchenvertreter in den engen Grenzen der nationalen Politik und verkennen, dass wichtige Entscheidungen für die deutsche Außenpolitik nicht im Bundestag, sondern im Nordatlantikrat fallen. Gerade weil es in Zeiten der fortschreitenden Globalisierung die Sicherheit nur noch im internationalen Kontext gibt, muss der sicherheitspolitische Diskurs mit einem Gerechtigkeitsdiskurs verbunden werden. Gerade im Protestantismus, wo das Verständnis von Gerechtigkeit im Sinne eines suum cuique statt eines omnibus idem eine lange Tradition hat, könnte dieses Thema weiterentwickelt werden. Anlässe zu aktuellen kirchlichen Äußerungen wird es immer wieder geben. Weil jede Grundsatzschrift bald von der politischen Entwicklung überholt wird, muss die Friedensethik jedes Mal aufs Neue den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Statt von der ultima ratio, von der viel die Rede ist, sollte mehr von der prima ratio zur Kriegsprävention zu lesen sein. Die Kirche sollte nicht nur in Krisenzeiten vom Frieden reden. In zeitlichem Abstand zu aktuellen Konflikten könnten die Friedenssicherung durch eine gerechtere Weltordnung und die Stärkung der Vereinten Nationen thematisiert werden. Um den Vorwurf des Antiamerikanismus zu entkräften, sollten sich die Kirchen öfter zu militärischen Konflikten außerhalb des war on terror äußern – etwa zur Gewalt in Afrika oder zwischen Palästinensern und Israelis. Stärker müsste in kirchlichen Stellungnahmen der Missbrauch der Religion für Eigeninteressen kritisiert werden. Die Kirchen mit ihrer theologischen Kompetenz könnten häufiger gegen die Einteilung der Welt in Gut und Böse die Stimme erheben. Die Renaissance des Religiösen, die in den Jahren nach dem 11. September 2001 beobachtet wurde, sollte für die Kirchen Chance und Verpflichtung sein, sich kompetent für den Frieden einzusetzen. Dabei muss Frieden im theologischen Sinne ganzheitlich verstanden werden und nicht nur im Sinne einer puren Abwesenheit von Krieg. Verglichen mit dem war on terror sind von den Kirchen andere Krisen auf der Welt sträflich vernachlässigt worden. Insofern folgen auch die Kirchen der durch die Massenmedien begünstigten Praxis eines Großteils der Gesellschaft, ihre Aufmerksamkeit ungerecht zu verteilen. Zu den missachteten Themen zählen Hunger und Armut in weiten Teilen der Welt als Resultat einer mangelnden Verteilungsgerechtigkeit der Ressourcen sowie die globale Erwärmung als Folge eines verheerenden Lebensstils in den westlichen In-

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Resümee

dustrienationen. Diese Herausforderungen des 21. Jahrhunderts böten den Kirchen die Gelegenheit, Friedensethik in einem umfassenderen, von der biblischen Tradition abgeleiteten, Sinne einer Sorge um das ganzheitliche Wohlergehen der Menschen zu betreiben. Damit würden sie nicht den von Politik und Massenmedien vorgegebenen Linien folgen, sondern eine spezifische – und deshalb auch besser wahrgenommene – Stimme in der unüberschaubaren Vielfalt von Stellungnahmen zum Frieden sein.

Abkürzungen Als Kurztitel in den Fußnoten werden bei Büchern und Aufsätzen Verfassername und Jahreszahl benutzt, bei kirchlichen Stellungnahmen Titel und Datum, bei Zeitungsartikeln und Rundfunkinterviews Name des Presseorgans bzw. Rundfunksenders und Datum. Die Abkürzungen folgen Siegfried Schwertner: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin ²1992. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: AEJ AGDF ASF BEK Blätter EAK EKD EkiBa EKiR EKHN EKKH EKKPS ELKB epd epd-Doku EVLKA FAZ FFE FR KNA nachrichten NEK NN ÖRK ORL RB PM RM

Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden Aktion Sühnezeichen / Friedensdienste Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR Blätter für deutsche und internationale Politik Evangelische Arbeitsgemeinschaft für die Betreuung der Kriegsdienstverweigerer Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Landeskirche in Baden Evangelische Kirche im Rheinland Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen EvangelischeLutherische Kirche in Bayern Evangelischer Pressedienst epd-Dokumentation Evangelisch-lutherische Kirche Hannovers Frankfurter Allgemeine Zeitung Forum Friedensethik der EKiBa Frankfurter Rundschau Katholische Nachrichtenagentur nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche Nürnberger Nachrichten Ökumenischer Rat der Kirchen Ohne Rüstung leben Reformierter Bund Pressemitteilung Rheinischer Merkur

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Abkürzungen

SoBl SZ taz VELKD

Sonntagsblatt. Gemeindeblatt für Augsburg und Schwaben Süddeutsche Zeitung tageszeitung Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands

Literaturverzeichnis Wegen der besseren Übersichtlichkeit wurde nicht nur die klassische Unterscheidung von Quellen und Forschungsliteratur gewählt, sondern zusätzlich noch zwischen den Stellungnahmen aus der Politik, den kirchlichen Äußerungen sowie den Zeitungsartikeln und Rundfunkinterviews differenziert. Die Reihenfolge ist alphabetisch, innerhalb der Beiträge derselben Autoren chronologisch.

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Zeitungsartikel und Rundfunkinterviews

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Register Althaus, P. 35, 36, 270 Amos 25, 26, 27, 28, 59, 274, 276, 279 Barth, K. 30, 36, 37, 39, 76, 219, 267 Bedford-Strohm, H. 105, 270 Bergpredigt 29, 31, 33, 34, 35, 68, 196, 277, 278, 279 Bibel 25, 37, 61, 64, 121, 123, 135, 183, 186, 191, 192, 199, 268, 275 Bonhoeffer, D. 11, 82, 83, 198, 236, 267, 271, 279 Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR 93, 94, 95, 265, 267 Bush, G.W. 11, 117, 122, 128, 141, 172, 175, 176, 177, 179, 180, 187, 188, 192, 193, 198, 204, 205, 211, 223, 233, 235, 239, 246, 248, 250, 271, 280 Calvin, J. 21, 75, 76, 268 DDR 13, 21, 93, 94, 95, 96, 98, 147, 171, 231, 258, 265, 267 Delbrück, J. 98, 99, 100, 271 Ebeling, G. 24, 36, 37, 42, 45, 50, 51, 54, 55, 58, 271 Frieden 10, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 31, 32, 38, 39, 61, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 73, 76, 78, 82, 83, 85, 87, 88, 89, 91, 92, 93, 95, 97, 98, 101, 103, 105, 106, 110, 111, 119, 121, 123, 126, 128, 131, 132, 134, 136, 142, 144, 145, 146, 150, 157, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 167, 169, 173, 180, 186, 190, 192, 194, 196, 199, 201, 202, 203, 208, 210, 211, 213, 217, 218, 219, 221, 223, 226, 228, 229, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 239, 241, 243, 244, 247, 249, 251, 252, 253, 255, 256, 257, 262, 263, 264, 265, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 282, 283, 285, 287,

289, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 296, 298, 299, 300, 302 Friedrich, J. 50, 79, 81, 82, 121, 122, 125, 131, 139, 149, 152, 164, 171, 186, 187, 210, 225, 233, 243, 257, 260, 270, 272, 276, 287, 297, 298, 299, 300 Gerechtigkeit 15, 17, 19, 38, 39, 43, 63, 69, 95, 96, 98, 100, 105, 106, 110, 111, 119, 123, 124, 128, 129, 131, 133, 134, 135, 143, 146, 157, 159, 160, 161, 162, 164, 174, 190, 194, 199, 208, 212, 222, 226, 228, 231, 232, 234, 243, 261, 263, 268, 269, 285, 289, 291, 293 Gollwitzer, H. 47, 61, 86, 87, 272 Gott 27, 28, 29, 30, 31, 33, 35, 36, 37, 38, 44, 47, 48, 51, 63, 64, 66, 67, 68, 69, 70, 73, 74, 76, 84, 85, 92, 93, 95, 108, 119, 121, 125, 139, 140, 141, 142, 157, 164, 191, 193, 198, 199, 210, 215, 218, 230, 232, 233, 234, 235, 236, 256, 275, 288, 297, 299, 301 Haspel, M. 14, 18, 19, 77, 84, 98, 100, 104, 105, 116, 270, 273 Heckel, J. 34, 35, 273 Heidelberger Thesen 21, 86, 87, 88, 89, 90, 93, 258, 271 Honecker, M. 24, 25, 30, 32, 33, 37, 39, 42, 43, 45, 46, 50, 52, 54, 56, 57, 58, 62, 71, 72, 77, 81, 86, 88, 273, 274 Huber, W. 17, 25, 32, 39, 44, 48, 49, 50, 82, 83, 101, 102, 161, 169, 171, 184, 185, 195, 196, 197, 198, 199, 232, 251, 261, 274, 276, 288, 289, 300 Israel 25, 26, 27, 66, 69, 73, 124, 133, 134, 146, 196, 207, 208, 217, 224

304

Register

Kirche und Politik 9, 20, 23, 24, 25, 42, 50, 271 Kock, M. 15, 102, 103, 116, 118, 119, 120, 124, 125, 135, 144, 147, 150, 151, 170, 177, 178, 179, 180, 181, 183, 191, 214, 227, 240, 241, 242, 256, 257, 259, 260, 261, 262, 290, 291, 292, 300 Königsherrschaft 29, 30, 37 Konstantin 32, 70 Körtner, U. 17, 68, 85, 106, 131, 220, 221, 275, 278 Lau, F. 33, 35, 275 Loccumer Vertrag 49 Luther, M. 21, 28, 34, 35, 36, 73, 74, 84, 109, 152, 193, 199, 224, 269, 270, 273, 275, 278, 279, 281

Messias 30, 67 Missionsbefehl 47 Neues Testament 28, 67, 271, 279 Paulus 30, 31, 34, 48, 69, 84 Pausch, E. 104, 105, 276 Reformierte Kirche 75 Reuter, H.-R. 18, 63, 90, 91, 111, 161, 253, 274, 277 Schröder, G. 43, 117, 124, 137, 138, 175, 214 Thomas von Aquin 21, 71, 72, 77 Törnvall, G. 35, 279 Wächteramt 40, 41 Weber, M. 23, 184 Wiedervereinigung 21, 97, 232, 258 Wischnath, R. 93, 141, 147, 148, 150, 259, 269, 272, 280, 298