Kein Markustext in Qumran: Eine Untersuchung der These: Qumran-Fragment 7Q5 = Mk 6,52-53 3525539452, 9783525539453, 3727812869, 9783666539459

Die These, beim Qumran-Fragment 7Q5 handele es sich um ein Bruchstück des Markusevangeliums – 1972 vom spanischen Papyro

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Kein Markustext in Qumran: Eine Untersuchung der These: Qumran-Fragment 7Q5 = Mk 6,52-53
 3525539452, 9783525539453, 3727812869, 9783666539459

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NTOA45

StefanEnste Kein Markustextin Qumran

NOVUMTESTAMENTUMET ORBISANTIQUUS(NTOA) Im Auftrag des Biblischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz herausgegeben von Max Küchler in Zusammenarbeit mit Gerd Theissen

Zum Autor Stefan Enste, geb. 1968 in Warstein, Westf., studierte Religionspädagogik an der Katholischen Fachhochschule NW in Paderborn, anschliessend Theologie an der Theologischen Fakultät Paderborn. Abschluss mit dem Diplom 1998. Zur Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kirchengeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Bistumsgeschichte an der Theologischen Fakultät Paderborn. Veröffentlichung: Qumran-Fragment 7Q5 ist nicht Markus 6, 52-53. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 126 (1999), S. 189-194.

Novum Testamentumet Orbis Antiquus

45

Stefan Enste

Kein Markustext in Qumran Eine Untersuchung der These: Qumran-Fragment 7Q5 = Mk 6, 52-53

UniversitätsverlagFreiburg Schweiz Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2000

Die DeutscheBibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Enste,Stefan: Kein Markustextin Qumran: eine Untersuchungder These: Qumran-Fragment7Q5=Mk6, 52-53 / Stefan Enste. - Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl.;Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2000 (Novum testamentum et orbis antiquus; 45) ISBN 3-525-53945-2 ISBN 3-7278-1286-9

Veröffentlichtmit Unterstützung des Hochschulrates Freiburg Schweiz und des Rektoratesder Universität Freiburg Schweiz Die Druckvorlagender Textseitenwurden vorn Autor reprofertig zur Verfügunggestellt. © 2000 by UniversitätsverlagFreiburg Schweiz

Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN3-7278-1286-9(Universitätsverlag) ISBN3-525-53945-2(Vandenhoeck& Ruprecht) ISSN 1420-4592(NovumTestarn.orb. antiq.)

Wenn manfür Freundschaft und Wohlwollen danken könnte, so müßte ich Ihnen viel danken. Ich achte nicht bloß auf die Summe positiver Kenntnisse, die ich ihrem Vortrag entlehnte - mehr aber auf die allgemeine Richtung, die mein Ideengang unter ihrer Leitung nahm.

Alexander v. Humboldt an Georg Christoph Lichtenberg Unter diesem Leitwort widme ich diese Untersuchung Prof. Dr. Paul Derks, meinem geduldig-ungeduldigenLehrer. Es ist mir eine angenehme Pflicht, denen zu danken, die mir auf ganz unterschiedliche Weise bei der Erstellung dieses Buches geholfen haben. Besonderen Dank schulde ich Thomas Jürgen Kraus, der in der Schlußphase der Erstellung unzählige wertvolle Hinweise und Hilfen gegeben hat, von Computertricks bis zur Lieferung schwer erreichbarer Literatur. Freund und Höhlenkollege cand. geol. Rasmus Dreyer war eine große Hilfe bei der schnellen Beschaffung von Literatur aus den Beständen der Universitätsbibliothek Bochum. Ein Dank an Dipl. Theo!. Annegret Meyer - für viele Gespräche und Diskussionen über Einzelfragen dieser Untersuchung und für Computer-Recherchen mit Bible Works 4.0. Ein Dank an die list-members der TC-, Papy- und Orion-List, die auf meine Anfrage reagierten und mir Literatur zu 7Q5 nannten oder gleich zuschickten. Ein Dank an Dietmar Schäfers, in dessen gut sortierter Privat-Videothek sich auch eine Aufzeichnung der mikroskopischen Untersuchung des Fragmentes 7Q5 fand. Ein Dank an Prof. Paul Derks, Universität Essen, der auch in dieser Materie helfen konnte, vor allem als Vorbild und Ansporn in der Behandlung von Pseudowissenschaft. Ein Dank an Prof. Peter Arzt-Grabner, Salzburg, der neben fachlichen Hilfen den Anstoß zur Veröffentlichung dieser Untersuchung in der Reihe NTOA gab. Ein Dank an Prof. Knut Backhaus, der diese Untersuchung durch alle Stadien hilfreich begleitet hat. Ein Dank an Freunde, Bekannte und Verwandte, die durch ihr Interesse die Entstehung dieses Buches sehr befördert haben. Ein großes Dankeschön an Waltraud, Hannah, Karl-Jakob und den Rest der Familie, die - auf ihre je eigene Art - sehr geholfen haben, daß diese Untersuchung doch noch fertig geworden ist. Abschließend ein besonderer Dank an Prof. Max Küchler und Prof. Gerd Theissen, die diese Untersuchung in die Reihe NTOA aufgenommen haben.

VII

Inhaltsverzeichnis 1.

Einleitung ........................................

1

2.

Zum Fragment 7Q5 ..............................

2.1 2.2

Entdeckungsgeschichte der Schriften aus Qumran ........... Entdeckungsgeschichte des Fragmentes 7Q5 ...............

4 4 5

3.

Abriß der Forschungsgeschichte .................

3 .1 3 .2 3.3 3.4 3.5 3.6

Erste Publikation ..................................... Jose O ·Callaghan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............... Kurt Aland ......................................... Carsten Peter Thiede ................................. Andere Identifizierungsversuche ....................... Der Vergleich- eine Methode und ihre fragwürdige Anwendung ......................

41

4.

7Q5 und die Frage der Markusdatierung ........

50

5.

Argumente für die Identifizierung von 7Q5 mit Mk 6, 52 - 53 ................................

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Der sichere Buchstabenbestand paßt zu Mk 6, 52 - 53 ....... Das Spatium (Z. 3) paßt zu Mk 6, 52 - 53 ................ Die Stichometrie paßt zu Mk 6, 52 - 53 .................. Die Ligaturen passen zu Mk 6, 52 - 53 ................... Die paläographische Datierung paßt zu Mk 6, 52 - 53 .......

59 59 60 64 65 69

6.

Argumente gegen die Identifizierung von 7Q5 mit Mk 6, 52 - 53 ................................

75

6.1

Neutestamentliche Handschriften sind unwahrscheinlich in Qumran .......................... Neutestamentliche Handschriften auf einer Schriftrolle sind unwahrscheinlich ................................... Die Computerversuche sprechen gegen eine Identifizierung von 7Q5 mit Mk 6, 52 - 53 ............... Der angebliche Wegfall dreier Wörter - i:1t\ ,riv yfiv kann nicht plausibel erklärt werden ..................... Der angebliche Lautwechsel von !i zu T kann nicht plausibel erklärt werden ............................. [Exkurs: Wie aussagekräftig ist das öpuaic,ov,puaic,ov-Argument?] ............................ In Zeile 2 steht definitiv kein N .......................

6.2 6.3 6.4 6.5

6.6

8 8 9 12 17 39

75 84 95 99 106 120 127

VIII

7.

Ergebnis .......................................

140

8.

Schluß .........................................

143

9.

Literaturverzeichnis ...........................

9.1 9.2 9.3

Quellen .......................................... Hilfsmittel ........................................ Sekundärliteratur ..................................

144 144 147 148

10.

Abbildungen ...................................

164

Einleitung

1.

Einleitung

"Lediglich das eventuelle Vorhandensein neutestamentlicher Texte [in Qumran] bringt die Bücherregale zum Einsturz, auf denen so viele Bibelforscher ihr Ansehen aufgebaut haben." 1 Immer wieder tauchen Thesen auf, die solch zerstörerische Auswirkungen auf die Fachliteratur oder eben deren Aufbewahrungsorte - Regale, Bibliotheken haben sollen. Eine einzige, meist eher unscheinbare, Entdeckung reicht, um jahrzehntelang etablierte Forschungstraditionen über den Haufen zu werfen. Jedoch fiillt auf, daß die so angepriesenen Sensationen bei näherer Betrachtung in fast allen Fällen schnell ihre Faszination verlieren, nach kurzer Diskussion in genau die Regale verschwinden, die sie eben noch zum Einsturz hätten bringen sollen - wenn die Druckfassungen der Sensationsthesen überhaupt Einzug in wissenschaftliche Bibliotheken finden. Ein besonders fruchtbares Feld für Sensationen aller Art ist das frühe Christentum, vor allem die Person des Jesus von Nazareth. Kein Jahr vergeht, ohne daß es eine weitere 'Enthüllung' über die Ursprünge des Christentums gegeben hat. Das bekannteste und auflagenstärkste Beispiel ist nach wie vor der Bestseller Verschlußsache Jesus, der schon im Untertitel verkündet, endlich die Wahrheit über das frühe Christentum zu bieten. 2 Für Diskussionsstoff hat das Buch zweifellos gesorgt, das Interesse auf eine archäologische Fundstätte gelenkt, auf angeblich sehr geheimnisvolle Handschriften und auf angeblich dunkle Machenschaften im Hintergrund. In diesem Zusammenhang fiel mir 1992 - also mitten in der öffentlichen Diskussion um die Verschlußsache Jesus - beim Stöbern in den neutestamentlichen Beständen der Universitätsbibliothek Paderborn ein Buch in die Hände, das trotz seiner geringen Größe - sofort mein Interesse weckte: C. P. Thiede: Die älteste Evangelien-Handschrift? Alles, was dort beim ersten Durchblättern und Anlesen begegnete war so herrlich glatt und einfach, alles fügte sich zum andern - und plötzlich waren sowohl das Markus-Evangelium als auch der Erste Timotheusbrief deutlich vor 68 n. Chr. geschrieben. Ob wirklich alles so einfach war? Als Studienanfiinger fand ich das Buch interessant, letztlich wanderte es aber doch in das Regal zurück. Dann entfachte der Autor des Büchleins 1996 einen großen Medienrummel, als er den „Ursprung des Christentums im Licht einer sensationellen Entdeckung" 3 beleuchtete. Konnte seriöse Wissenschaft hinter diesem Aufruhr stecken, der Pfingsten 1996 schließlich sogar zur Titelgeschichte im Spiegel avancierte? Messori, V: Gelitten unter Pontius Pilatus? S. 444. Der Autor gibt an, dieser Satz sei eine Aussage aus dem Munde J. O'Callaghans und C. P. Thiedes. Wo und wie er diese Aussage aufgezeichnet hat, teilt V. Messori leider nicht mit. Baigent/Leigh: Verschlußsache Jesus. So die Aufschrift einer leuchtend gelben Banderole, die um den Schutzumschlag des Buches Thiede/d'Ancona: Der Jesus Papyrus. herumgewickelt war.

2

Kein Markustext in Qumran

Da kam im Winter-Semester 1996/97 ein Seminar im Fach Neues Testament ganz recht: Frühe Papyri des Neuen Testaments: Textgut - Forschungsgeschichte - Exegetische Relevanz. Im Verlauf dieses Seminars setzte ich mich mit zwei Themen auseinander, die von C. P. Thiede maßgeblich beeinflußt oder angestoßen worden waren: Das Fragment 7Q5 und die Neudatierung des ntl. Papyrus '.p64 • Aus dieser Beschäftigung heraus entstand der Entschluß, sich einer der Thesen C. P. Thiedes ausführlicher, im Rahmen einer Diplomarbeit, zuzuwenden: Der Identifizierung des Qumran Fragmentes 7Q5 mit Mk 6, 52 - 53. Im Gegensatz zur Neudatierung des '.p64 findet die Identifizierung des Fragmentes 7Q5 mit Mk 6, 52 - 53 auch in der Fachwelt vereinzelt positive Resonanz. 4 Schon die unter Zeitdruck erfolgte kurze Bearbeitung des Themas im Rahmen eines Referats hatte überraschende Ergebnisse gebracht. Von den Befürwortern der ntl. Identifizierung wurden teilweise abenteuerliche Hilfshypothesen vorgetragen, die sich bei kritischer Betrachtung als äußerst zweifelhaft erwiesen. Schließlich war da auch die offensichtliche 'Urkundenflilschung' in der englischen Ausgabe des Jesus Papyrus (vgl. Kap. 6. 6 dieser Arbeit) - das alles zeigte, daß es sich lohnen würde, den Argumenten der Befürworter einer solchen Identifizierung kritisch nachzugehen. Damit ist schon gesagt, was die Grundtendenz dieser Arbeit ist: äußerste Skepsis gegenüber der Identifizierungsthese 7Q5 = Mk 6, 52 - 53. Eine solche Grundeinstellung müßte auch den Befürwortern der ntl. Identifizierung recht sein. Denn wenn die Identifizierung so sicher ist, wie es z. B. C. P. Thiede immer wieder behauptet,5 dann dürfte ihr eine einfache Diplomarbeit kaum Schaden zufügen können. Im Gegenteil: Das Scheitern der Kritik würde zur weiteren 'Bewährung' der These führen, um die Begrifflichkeit des Fallibilismus-Prinzips aufzugreifen, die von F. Rohrhirsch 6 in die Debatte um 7Q5 eingebracht wurde. F. Rohrhirsch schreibt selbst: ,,Das bedeutet, daß es bei der Auseinandersetzung um die postulierte Zuordnung von O'Callaghan, 7Q5 enthalte Mk 6, 52 - 53, nicht darum geht, Hinweise für die Identifizierungsthese zu finden, sondern um Argumente, die der These O'Callaghans widersprechen. Zeigt sich aber bei den einzelnen Prüfungsschritten, daß nichts qualitativ Entscheidendes (damit sind Argumente in Absetzung von bloßen Meinungen gemeint) dagegen spricht, dann kann wissenschaftlich vertretbar die These O'Callaghans als gegenwärtig plausible Ar-

Vor allem sind es zwei Fachleute von Ruf, die sich dafür ausgesprochen haben, H. Hunger und 0. Montevecchi. Letztere äußerte sich in einem Interview: ,,Als Papyrologin kann ich sagen, daß ich die Identifikation für sicher halte." In: 30 Tage (7/8, 1994), S. 55; weiterhin dies.: Rez. Passoni Dell'Acqua: II Testo del Nuovo Testamento. S. 207. Thiede, C. P.: Der Jesus Papyrus. S. 75: ,,Es gibt tatsächlich ein Fragment einer Papyrusrolle mit einem Evangelientext, es stammt aus Höhle 7 von Qumran, wird 7Q5 genannt und enthält die Verse Markus 6, 52 - 53.". Rohrhirsch, F.: Markus in Qumran?

Einleitung

3

beitshypothese benutzt werden." 7 Genau diesem Anspruch möchte sich die vorliegende Arbeit stellen. Der inhaltliche Aufbau, der Gang der Argumentation ist damit schon vorgezeichnet: Zuerst wird der Gegenstand der Untersuchung vorgestellt, das Fragment 7Q5 (Kap. 2), wie ist dieses Fragment in den Gesichtskreis der Forschung gelangt? Anschließend soll die Forschungsgeschichte - von der ersten Edition des Fragmentes 1962 bis zu den letzten erreichbaren Veröffentlichungen und Kommentaren zum Thema von 1999 - vorgestellt werden (Kap. 3). Zur Forschungsgeschichte gehört eine gesonderte Behandlung anderer Identifizierungsversuche (Kap. 3.5), sowie abschließend eine kritische Betrachtung der von Befürwortern der mk. Identifizierung unternommenen Papyrus-Vergleiche zur Stlltzung ihrer These (Kap. 3. 6). Das 4. Kapitel geht kurz auf die Bedeutung des Fragmentes 7Q5 ein, indem es die Frage der Markus-Datierung im Zusammenhang mit der Diskussion um 7Q5 anschneidet. Im Kapitel 5 werden Argumente untersucht, die von Befürwortern der mk. Identifizierung zur Stlltzung der These 7Q5 = Mk 6, 52 - 53 vorgebracht werden, im Kapitel 6 dagegen solche Argumente, die gegen diese Identifizierung sprechen. Kapitel 7 versucht dann, die so gewonnenen Erkenntnisse zusammenzufassen. Die vorliegende Untersuchung geht auf meine Diplomarbeit an der Theologischen Fakultät Paderborn vom Sommersemester 1998 zurück. Für diese Druckfassung ist sie aktualisiert und überarbeitet worden. Literatur wurde soweit eben möglich - bis Dezember 1999 berücksichtigt. Neutestamentliche Zitate sind in der Übersetzung Münchener Neues Testament angeführt.

Rohrhirsch, F.: Markus in Qumran? S. 20.

4

2.

Kein Markustext in Qumran

Zum Fragment 7Q5

In diesem Kapitel soll kurz erörtert werden, wie der eigentliche Gegenstand der Untersuchung - das Papyrus-Fragment 7Q5 - in den Gesichtskreis der Forschung geriet. Es geht also um die erste Etappe: die Forschungsgeschichte vor der Edition des Fragmentes.

2.1

Entdeckungsgeschichte der Schriften aus Qumran

Die Entdeckungsgeschichte der Qumran-Schriften gehört zu den bekanntesten ·sagen· in der Geschichte der Archäologie. Da sie an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausführlichkeit nachzulesen ist, außerdem nur wenig über das Fragment 7Q5 aussagt, soll hier nur in aller Kürze darauf eingegangen werden. 8 1947/48 wurden die ersten Qumran-Schriften von Beduinen gefunden. "Die Beduinen erzählten, einer ihrer Hütejungen, Muhammad edh-Dhib, »der Wolf«, vom Stamm der Ta'amireh, habe die Höhle zufällig entdeckt, als er einer entlaufenen Ziege seiner Herde in die Felsen hinauf nachgestiegen sei. Was damals ansonsten geschehen ist, kann man nicht mehr genau feststellen." 9 Über verschiedene Stationen - einen christlichen Schuster in Bethlehem, den syrischen Metropoliten in Jerusalem, die Hebräische Universität in Jerusalem - wurden die Schriftrollen schließlich der Wissenschaft bekannt. 10 Von 1952 - 1958 fanden unter der Leitung des Dominikaner-Paters R. de Vaux verschiedene Untersuchungen und Ausgrabungen in der Gegend der Ruinenstätte Chirbet Qumran statt. Dennoch blieben die Beduinen im Auffinden neuer Schriftenhöhlen erfolgreicher als die Wissenschaftler. Insgesamt wurden nahezu 300 Höhlen und Felsspalten in der Umgebung untersucht, 40 von ihnen enthielten Hinweise auf menschliche Begehung, teilweise vorgeschichtlich, 26 Höhlen enthielten Keramik, wie sie auch bei der Ausgrabung der Ruinenstätte Chirbet 11 Qumran gefunden worden war. Diese Keramik bot einen wichtigen Hinweis auf die Zusammengehörigkeit der Höhlen und der Ruinenstätte. Die in Qumran vor Ort produzierten Töpferwaren sind einzigartig, nirgendwo ist Keramik diesen Stils sonst hergestellt worden. 12 Von besonderer Bedeutung sind jedoch die 11 Höhlen, in denen Schriftstücke gefunden wurden. 13 Insgesamt, so die Schät-

9 IO

II

12

13

Vgl. dazu z.B. VanderKam, J. C.: Einführung in die Qumranforschung. Stegemann, H.: Die Essener. S. 11. Vgl. Stegemann, H.: Die Essener. S. 11 f. Vgl. de Vaux, R.: Archaeology. S. 51. Vgl. Stegemann, H.: Die Essener. S. 14 f.; Rohrhirsch, F.: Wissenschaftstheorie und Qumran. S. 295 - 297. Ausführliche Behandlung der Höhlen mit Schriftfunden bei Stegemann, H.: Die Essener. S. 98 - 115; kurze Auflistung der Funde - Schriften, Keramik u. a.- bei

Zum Fragment 7Q5

5

zung J. Maiers, waren in den Höhlen einmal 800 - 1000 Schriftrollen vorhanden.14 Der gesamte Befund wurde von R. de Vaux als Hinterlassenschaft einer hochorganisierten religiösen Gemeinschaft gedeutet. 15 Daran gab es von Anfang an Zweifel. So wurde z. B. das hohe Alter der Qumran-Rollen angezweifelt. S. Zeitlin vertrat gar die These einer mittelalterlichen Schriftenproduktion. 16 Paläogra14 phische Datierung und die absolute Altersbestimmung mittels C -Datierung haben die Richtigkeit der zeitlichen Einordnung in die beiden Jahrhunderte um die Zeitenwende jedoch bestätig. 17 Bis heute ist die These eines 'Wüstenklosters' in Qumran verbreitet und zur Standard-Erklärung geworden. Dennoch gab und gibt es immer wieder Versuche, die Siedlung Qumran, die Höhlen, die Schriften in eine andere Richtung zu deuten. 18 Letztlich spielt die Deutung des GesamtBefundes von Qumran und Umgebung in der Fragestellung dieser Arbeit jedoch nur eine untergeordnete Rolle. 19

2.2

Entdeckungsgeschichte des Fragmentes 7Q5

Im Zuge der Ausgrabungskampagne von 1955 wurden zwischen dem 7. Februar und dem 15. März auch die Höhlen 7Q, 8Q und 9Q untersucht, 20 die der Siedlung Qumran von allen Höhlen am nächsten liegen. Sie befinden sich an der südlichen Abbruchkante der Terasse, auf der die Siedlung Qumran errichtet wurde. Der größte Teil der Höhle 7Q ist im Laufe der Jahrhunderte durch Erosion abgetragen und in das ca. 50 m tiefer gelegen Wadi Qumran abgerutscht.21 Dennoch wurden im verbliebenen Höhlenrest einige Funde gemacht.

14 15

16 17 18

19 20

21

Rohrhirsch, F.: Wissenschaftstheorie und Qumran. S. 288 - 294; weiterhin Maier, J.: Die Qumran-Essener III. S. 6 f. Vgl. Maier, J.: Die Qumran-Essener. S. 7. Vgl. dazu Rohrhirsch, F.: Wissenschaftstheorie und Qumran. S. 298 - 302, der das Ergebnis von R. de Vaux ausdrücklich unterstützt; vgl. aber die sehr zurückhaltenden Rezensionen von Ph. R. Davies, J. Zangenberg und H. Weippert. Vgl. Zeitlin, S.: The Dead Sea Scrolls. Vgl. Maier, J.: Die Qumran-Essener III. S. 2. Eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Deutungen Qumrans bei Rohrhirsch, F.: Wissenschaftstheorie und Qumran. S. 298 - 333; sehr aufschlußreich auch eine aktuelle Diskussion unter Archäologen; vgl. Shanks, H.: Qumran. Mit sehr guten Farbabbildungen und Illustrationen! Einzig in Kapitel 6. 1 kommt der Gesamt-Deutung ein gewisser Stellenwert zu. Vgl. zu diesem Komplex DJD III. S. 27 - 30. Aus diesem Grund ist es m. E. sehr problematisch von einer 'Höhlenverschließung im Jahr 68 n. Chr.' zu sprechen, wie es Rohrhirsch, F.: Markus in Qumran? S. 28 - 30 tut. Leider gibt es keine genaue Beschreibung der Höhle, bleibt es unklar, wie die Höhlen einmal erreichbar waren, wie sich die Eingangssituation darstellt. Wenn der Höhlenzugang nicht erhalten ist, dann ist es nicht möglich, eine Verschließung der Höhle zu behaupten.

6

Kein Markustext in Qumran

Es fand sich Qumran-typische Keramik, Krüge, Deckel, Schalen, Reste einer Öllampe u. a.22 Auf einem der Krüge - Krug 7Q-6 - fand sich an zwei Stellen die hebräische Aufschrift NY.ffl, die als Aufschrift eines Personennamens 23 gedeutet wurde. Abgesehen von der Keramik wurden auch einige wenige Reste von Hand24 schriften gefunden. Die 21 Papyrus-Fetzen wurden 18 verschiedenen Schriften 25 zugeordnet. Auf einigen der Reste ist nicht einmal ein Buchstabe sicher zu 26 identifizieren. Außerdem fand sich im verhärteten Lehm der spiegelverkehrte Abdruck eines Papyrus-Textes. 27 Ausdrücklich wird die Möglichkeit bejaht, daß die Höhle 7Q als Wohnhöhle gedient haben könnte. 28 H. Stegemann stellt nun einen interessanten Zusammenhang her. Er deutet den geringen und noch dazu sehr fragmentarischen Bestand der Höhle 7Q dahingehend, daß einmal ein großer Bestand an Schriften vorhanden war, der irgendwann jedoch wieder aus der Höhle entfernt worden ist. Bei dieser Ausräumung seien die 1955 in der Höhle 7Q gefundenen Fragmente abgeblättert. 29 Auf eine solche Ausräumung gibt es möglicherweise sogar einen Hinweis: "In der Zeit zwischen 228 und 254 n. Chr. fertigte Origenes seine berühmte Hexapla an, [...]. Dabei stand ihm für den griechischen Psalter eine weitere Textfassung zur Verfügung, die zusammen mit anderen hebräischen und griechischen Handschriften »in der Zeit des Antoninus, des Sohnes des Severus, in einem Tonkrug im Gebiet von Jericho gefunden wurde« (nach Fridericus Field, Origenes Hexaplorum quae supersunt, 1875, Band I, S. XLIV). [...] Tonkrüge mit Handschriften hat man noch nirgendwo anders in Palästina entdeckt als »im Gebiet von Jericho«, nämlich im Zusammenhang mit der Qumran-Siedlung. Griechische Schriftrollen oder Fragmente von solchen lassen sich aber nur für zwei der 30 Fundorte von Qumran-Handschriften nachweisen." Diesen Hinweis bezieht H. 22

23 24 25

26 27

28 29

30

Vgl. die Zusammenstellung und Zeichnung in DJD III. S. 28 - 30; ebenso DJD III. Planches. Taf. 8. Vgl. DJD III. S. 30. Vgl. DJD III. S. 142 -146, sowie die Abbildung in DJD III. Planches. Taf. 30. Interessante Beobachtungen machte E. A. Muro: 7Q21; ders.: 7Q20, der Hinweise auf zwei weitere Fragmente aus der Höhle 7Q fand. Einmal ist auf den frühen Aufnahmen des Fundinventars der Höhle 7Q - PAM 42.358 - ein Fragment abgebildet, das in der Veröffentlichung DJD III nicht abgebildet ist. Darauf ist ein einziger Buchstabe sicher zu erkennen, ein v. Weiterhin gibt es in einem Artikel von R. de Vaux einen Hinweis auf ein Pergament-Fragment, das, im Unterschied zu den übrigen Fragementen aus der Höhle 7Q, hebräisch beschriftet ist. Auch dieses Fragment fehlt in DJD III. Vgl. DJD III. S. 145, die Transkription der Fragmente 7Q14, 7Q16, 7Q17. Vgl. DJD III. S. 145 f., sowie die Abbildung in DJD III. Planches. Taf. 30. DJD III. S. 30: ,,Possibilite d'habitat: Oui, dans l'etat primitif.". Vgl. Stegemann, H.: Die Essener. S. 111. Stegemann, H.: Die Essener. S. 111 f.

Zum Fragment 7Q5

7

Stegemann nun auf die Höhlen 7Q, 8Q und 9Q, da dort sowohl griechische und hebräische Schriftrollen als auch Tonkrüge gefunden worden sind. Außerdem passe die Beschreibung auf die teilweise zerstörten Höhlen, da eben gar nicht von Höhlen gesprochen werde, allein der Tonkrng Erwähnung findet. 31 „Deshalb ist so gut wie sicher, daß die zusätzliche Psalter-Kolumne der Hexapla des Origenes den Text einer Schriftrolle wiedergegeben hat, mit der sich zuletzt im Jahre 68 n. Chr. der damalige Bewohner des Raumes 7Q beschäftigt hatte. " 32 Nun ist eine solche These verlockend, 33 'sicher' ist es aber nicht, daß aus der Höhle 7Q griechische Handschriften entfernt wurden. Vor allem sollte nicht vorschnell eine Verbindung zwischen den Krug-Resten in Höhle 7Q und den Handschriften gezogen werden. 34

31 32 33

34

Vgl. Stegemann, H.: Die Essener. S. 112. Stegemann, H.: Die Essener. S. 112. Schon kurz nach dem Bekanntwerden der Qumran-Schriften ist auf einen ganz ähnlichen Fall verwiesen worden. Es wurde vermutet, daß die Karäer, eine im 8. Jahrhundert gegründete jüdische Reform-Bewegung, wichtige Schriften aus einer der Qumran-Höhlen geborgen hätten. Auch über diesen Schriftenfund gibt es historische Nachrichten Auf diesem Weg ist die sog. Damaskus-Schriftaus Qumran, über einige Abschreib-Stationen, schließlich in die Geniza der Karäer-Synagoge in Kairo gelangt. Vgl. dazu Kahle, P. F.: Die Kairoer Genisa. S. 13 - 29, besonders S. 16 - 18; ders.: Zehn Jahre Entdeckungen in der Wüste Juda. Sp. 647 f.; Stegemann, H.: Die Essener. S. 101 -104. Auch die Befürworter der ntl. Identifizierung des Fragmentes 7Q5 werden diese Beziehung annehmen, freilich aus anderen Gründen; vgl. Kap. 6. 1 dieser Arbeit.

8

Kein Markustext in Qumran

3.

Abriß der Forschungsgeschichte

3.1

Erste Publikation

1962, also sieben Jahre nach den Untersuchungen und Ausgrabungen der Höhle 7Q, wurde der dritte Band der Serie Discoveries in the Judean Desert of Jordan vorgelegt, mit dem Titel les 'Petites Grottes' de Qumran. In diesem Band werden die Ergebnisse der Ausgrabungen publiziert, dabei auch die Ergebnisse 35 der Untersuchung von Höhle 7Q. Von den 18 Papyrus-Fragmenten und dem Abdruck eines Fragmentes auf dem 36 verhärteten Boden (7QI9) werden zwei Fragmente identifiziert, 7Ql und 7Q2. 7Ql enthält eine Passage aus dem Buch Exodus, Ex 28,4-6 (Fragment l) und Ex 28, 7 (Fragment 2). Für 7Q2 wird eine Passage aus dem Buch Baruch, Bar 6, 43 37 - 44, angenommen. Die übrigen Fragmente und Textreste konnten nicht identifiziert werden. Die Herausgeber vermuten jedoch biblische Texte hinter den Fragmenten 7Q3 - 7Q5. 38 Die Fragmente 7Q6 - 7Q 18 sind so klein, die Zahl der sicher erhaltenen Buchstaben so gering, daß für diese auch keine Vermutung 39 mehr vorgetragen wird. Das Fragment 7Q5 wird in dieser Erstveröffentlichung folgendermaßen vorgestellt: "Papyrus fin, tres abime, et disloque a droite. Surface rugueuse, dos plus lisse. L'ecriture appartient au 'Zierstil' et peut dater de 50 av. a 50 ap. J.-C. Hauteur des Iettres 2 a 3 mm. Les mots semblent separes par des intervalles allantjusqu'a 5 mm. (1.3). Interlignes de 7 a 9 mm. Si on restitute eyevVT)OEV a Ja 1.4, Je f. [= Fragment] peut provenir de quelque genealogie. Le dechiffrement et Ies notes sont dues au R. P. Boismard. ].[ ]. '!~

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