Katharismus im Untergrund: Die Reorganisation durch Petrus Auterii 1300-1310 [Illustrated] 3161461568, 9783161461569, 9783161585685

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Katharismus im Untergrund: Die Reorganisation durch Petrus Auterii 1300-1310 [Illustrated]
 3161461568, 9783161461569, 9783161585685

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
1. Einleitung: Gegenstand und Methode der Untersuchung, ihre Quellen, vorliegende Forschungsergebnisse zu Petrus Auterii und dem Katharismus seiner Zeit
1.1 Gegenstand und Methode der Untersuchung
1.2 Die ausgewerteten Quellen
1.2.1 Die Akten der Inquisition von Toulouse (T)
1.2.2 Die Akten der Inquisition von Carcassonne (C)
1.2.3 Die Akten der bischöflichen Inquisition von Pamiers (P)
1.3 Der gegenwärtige Stand der Forschung zur Biographie des Petrus Auterii und zum südfranzösischen Katharismus seiner Zeit
1.3.1 Der südfranzösische Katharismus zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Spiegel der allgemeinen Literatur zur katharischen Religion im Rahmen der mittelalterlichen häretischen Bewegungen
1.3.2 Die Forschung zum südfranzösischen Katharismus des Untersuchungszeitraums
1.3.2.1 Ch. P. Bru (1953)
1.3.2.2 J. Duvernoy (1964)
1.3.2.3 A. Cazenave (1972)
1.3.2.4 A. Pales-Gobillard (1976)
1.3.2.5 A. Cazenave (1979)
1.3.2.6 A. Pales-Gobillard/Chr. Thouzellier (1979/80)
1.3.2.7 G. Rottenwöhrer (1982)
1.3.2.8 E. Carbonne (1983)
1.3.3 Bisherige Forschungsergebnisse zur Biographie des Petrus Auterii
1.3.3.1 Ch. Schmidt (1845)
1.3.3.2 Ch. Molinier (1880)
1.3.3.3 Ignaz von Döllinger (1890)
1.3.3.4 J. M. Vidal (1906/1909)
1.3.3.5 H. J. Warner (1922)
1.3.3.6 A. Borst (1953)
1.3.3.7 R. Nelli (1969/1978)
1.3.3.8 J. Duvernoy (1970/1979)
1.3.3.9 R. Manselli (1974)
1.3.3.10 M. D. Lambert (1977)
1.3.3.11 E. Le Roy Ladurie (1975/1980)
1.3.3.12 E. Griffe (1980)
1.3.3.13 E. Werner/M. Erbstösser (1986)
1.4 Zusammenfassung
2. Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus
2.1 Petrus Auterii als Notar und Politiker bis 1296
2.2 Herkunft und Familie
2.3 Die Notarstätigkeit des Petrus Auterii
2.4 Exkurs 1: Die politische Entwicklung der Grafschaft Foix zur Zeit Roger-Bernards III. (1265–1302)
2.5 Wendepunkt und Ausstieg. Das Motiv, perfectus zu werden: Bekehrungslegende und Kreditbetrug
2.6 Das Datum der Abreise aus Ax, der Weg in die Lombardei und die Wegbegleiter
3. Der Aufenthalt in der Lombardei 1296–1300
4. Petrus Auterii als Reorganisator des Katharismus
4.1 Das Datum der Rückkehr nach Ax
4.2 Sicherungsmechanismen der Rückkehr in die Grafschaft: die Rolle der Familienmitglieder und Verwandten der Auterii
4.3 Erste Schritte beim Aufbau eines geheimen Kommunikationssystems: das familiaristische Prinzip
4.3.1 Die Familie Auterii und ihre Verwandtschaftsbeziehungen als erster Anknüpfungspunkt für die Ausbildung des Hospizsystems
4.3.2 Exkurs 2: Die Verwandtschaftsverhältnisse der Auterii
4.4 Von der maison zum Hospiz: die Entwicklung der Organisationsformen des Katharismus von der territorial-hierarchischen »ecclesia« zur territorialunabhängigen Personalgemeinde und Seelsorgegruppe des Hospizsystems
4.4.1 Die Phase vor 1167
4.4.2 Die Etappe von 1167–ca. 1275
4.4.3 Die Reorganisation ab 1300
4.5 Die Hospizorte des Petrus Auterii
4.5.1 Liste der Hospizorte
4.5.2 Das Hospizsystem am Beispiel ausgewählter Hospizorte
Karte »Das Wirkungsgebiet des perfectus Petrus Auterii« nach Seite
4.6 Zusammenfassung: organisatorische Funktionen, geographische Ausbreitung und soziale Bedeutung des Hospizsystems
4.6.1 Funktionen des Hospizsystems
4.6.2 Die geographische Ausbreitung des Hospizsystems und seine soziale Bedeutung
5. Die Riten des Petrus Auterii und seiner credentes
5.1 »apparelhamentum« und »visio«
5.2 Exkurs 3: Die Visio Isaiae im Gebrauch südfranzösischer Katharer
5.2.1 Inhalt, Form und Überlieferungsgeschichte der Visio Isaiae
5.2.2 Zur Textüberlieferung
5.2.3 Die umbildende Verwendung der Visio Isaiae durch die Katharer
5.2.3.1 Quellen für die Verwendung der Visio Isaiae durch die Katharer des Untersuchungszeitraums
5.2.3.2 Nachweis der Abhängigkeit der Predigt des Belibasta von der Visio Isaiae
5.2.3.3 Die inhaltliche Umbildung der Visio Isaiae
5.3 conventio
5.4 salutatio / reverencia
5.5 melioramentum
5.6 Der Ritus des gesegneten Brotes (panis benedictus)
5.7 Das consolamentum / die receptio
5.7.1 Die Phase der Vorbereitung des/der credens auf den Tod und ihre Voraussetzungen: organisatorische Probleme, familiäre Konflikte und der Hintergrund der Vorstellung vom Fortleben der Seele nach dem Tod in der regionalen Volksreligion
5.7.1.1 Guillelmus Fortis aus Montaillou
5.7.1.2 Arnaldus Agidii, genannt »en Boetlher«, aus Pamiers
5.7.2 Der Ritus des consolamentum
5.7.2.1 Ankunft des perfectus, Bedingungen für das consolamentum
5.7.2.2 Die rituelle Handlung anläßlich des consolamentum
5.7.2.3 Vorschriften und Durchführung der endura
5.7.3 Nach dem consolamentum: Spende für den perfectus, geheime Beerdigung des Rezipierten
5.7.3.1 Zur Frage der Entlohnung für den perfectus im Zusammenhang mit dem consolamentum
5.7.3.2 Geheime Beerdigung des nach dem consolamentum Gestorbenen
5.7.4 Die receptio zum perfectus
6. Die Lehre des Petrus Auterii
6.1 Methodische Vorbemerkung
6.2 Der Mythos von Schöpfung und Fall der Seelen, ihrer Gefangenschaft in der materiellen Welt und Rückkehr in die himmlische Heimat
6.2.1 Schöpfung und ursprünglicher Zustand der Seelen
6.2.2 Eingreifen des Teufels, Störung der Ruhe, himmlische Revolte der Seelen gegen Gott, dessen Reaktion
6.2.3 Zustand der Seelen im Reich des Teufels, der Ursprung der Körper
6.2.4 Reinkarnationslehre und Aufenthalt der Seele in der Welt als Buße für die himmlische Rebellion, Möglichkeiten für ihre Rückkehr einzig durch die rituelle Tätigkeit eines perfectus, Kritik an den römisch – katholischen Sakramenten, Weltende
6.2.4.1 Die Reinkarnationslehre und ihre Pointe: die Erde als Bußort für die Seelen
6.2.4.2 Modifikationen in der Reinkarnations- und Erlösungslehre?
6.2.5 Kirchen und Sakramentskritik, Umdeutung von Christologie und Mariologie bei Petrus Auterii
6.2.6 Die katharische Erlösungslehre: Lehre vom perfectus, seiner vita apostolica als Bußwerk und seine daraus resultierende Seelenrettungsfähigkeit
6.2.7 Das Weltende: Ablehnung der Lehre von der Auferstehung der Toten, Rückkehr aller Seelen in den Himmel
7. Verfolgung, Verhaftung, Vernehmung und Hinrichtung des Petrus Auterii durch die Inquisitoren von Toulouse und Carcassonne
Quellenanhang
1 Anweisungen zum Ketzerverhör aus der »Practica Inquisitionis heretice pravitatis« des Bernardus Guidonis OP, Inquisitor von Toulouse
2 Zur Visio Isaiae im Gebrauch der Katharer: aus einer Predigt des perfectus Guillelmus Belibasta
3 Steckbrief des Bernardus Guidonis zur Ergreifung Petrus Auteriis
4 Text des Inquisitionsurteils über Petrus Auterii
Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Hilfsmittel
3. Literatur
Ortsregister
Personenregister
Sachregister

Citation preview

Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe herausgegeben von Heiko A. Oberman in Verbindung mit Lothar Graf zu Dohna und Kaspar Elm

5

Katharismus im Untergrund Die Reorganisation durch Petrus Auterii

1300-1310 von

Hans Christoph Stoodt

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der V G Wort

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Stoodt, Hans Christoph: Katharismus im U n t e r g r u n d : die Reorganisation durch Petrus Auterii 1300-1310 / von Hans Christoph Stoodt. - Tübingen: M o h r , 1996 (Spätmittelalter und Reformation; N . R., 5) ISBN 3-16-146156-8 NE: GT

978-3-16-158568-5 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1996J. C. B. M o h r (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch w u r d e von Guide-Druck in Tübingen aus der Bembo-Antiqua belichtet, auf säurefreies Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinrich Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0937-5740

Vorwort Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um meine im April 1988 abgeschlossene theologische Dissertation, mit der ich im Fachbereich Evangelische Theologie der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt am Main promoviert wurde. Bis zum Frühjahr 1988 ist auch die einschlägige Literatur berücksichtigt worden. Für die geringfügig überarbeitete Druckfassung habe ich alle lateinischen Zitate im fortlaufenden Text der Untersuchung übersetzt. Zum Verständnis wichtige lateinische Begriffe und Passagen stehen in runden Klammern. Daß ich dieses Buch vorlegen kann, habe ich der Anregung, der Unterstützung und dem Zuspruch vieler zu verdanken. Zuerst nenne ich meinen langjährigen Freund und Lehrer, Professor Dr. Edmund Weber. Er hat in mir das Interesse an Kirchen- und Religionsgeschichte geweckt und in jahrelanger gemeinsamer Arbeit vertieft. Gern denke ich zurück an die Anfänge im Oberseminar »Ketzergeschichte des Mittelalters« ab 1981/82. Das Entstehen dieser Untersuchung hat er stets durch intensive Diskussion begleitet, Anregungen gegeben und mich vielfältig gefördert. Dafür meinen herzlichen Dank. Ein besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Dieter Georgi, als dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter ich fünf Jahre lang die Brücke zwischen Neuem Testament und mittelalterlicher Kirchengeschichte schlagen konnte und dessen Diskussionsleidenschaft mir viele Anregungen gegeben hat. Herzlich bedanke ich mich auch bei meinen Freunden und Kollegen Dr. Matthias Benad, Dr. Volker Benad-Wagenhoff und Dr. Roger Töpelmann für die ungezählten Diskussionen und Gespräche. Ohne den ständigen Austausch mit ihnen allen wäre die vorliegende Untersuchung nicht zustande gekommen. Mein herzlicher Dank gilt weiterhin Martina Davis, Freiburg, für ihre Hilfe bei der Erstellung der Druckfassung. Schließlich danke ich den Herausgebern der Reihe »Spätmittelalter und Reformation«, insbesondere Herrn Prof. Dr. Lothar Graf zu Dohna, sowie dem Verlag J . C. B . Mohr (Paul Siebeck) Tübingen für die Aufnahme meiner Arbeit und die geduldige Betreuung bei ihrer Veröffentlichung. In Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit soll dieses Buch Ulrike Johanns gewidmet sein, die mich in der Zeit seiner Entstehung in vieler Hinsicht sehr unterstützt hat. Frankfurt am Main, im Sommer 1995

Hans Christoph Stoodt

IV

Vorwort

Im Namen der Herausgeber und des Verlags danke ich herzlich Herrn Professor Dr. Matthias Benad, Bethel, der bei Verhinderung des Autors bereitwillig einspringend Korrekturen las. Frau Regine Michael und Frau Sabine Lütkemeyer, Bielefeld, haben mit Umsicht und Geduld die Register erstellt. Auch dafür herzlichen Dank. Lothar Graf zu Dohna

Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungen 1. Einleitung: Gegenstand und Methode der Untersuchung, ihre Quellen, vorliegende Forschungsergebnisse zu Petrus Auterii und dem Katharismus seiner Zeit 1.1 Gegenstand und Methode der Untersuchung 1.2 Die ausgewerteten Quellen 1.2.1 Die Akten der Inquisition von Toulouse (T) 1.2.2 Die Akten der Inquisition von Carcassonne (C) 1.2.3 Die Akten der bischöflichen Inquisition von Pamiers (P) 1.3 Der gegenwärtige Stand der Forschung zur Biographie des Petrus Auterii und zum südfranzösischen Katharismus seiner Zeit 1.3.1 Der südfranzösische Katharismus zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Spiegel der allgemeinen Literatur zur katharischen Religion im Rahmen der mittelalterlichen häretischen Bewegungen . 1.3.2 Die Forschung zum südfranzösischen Katharismus des Untersuchungszeitraums 1.3.2.1 Ch. P. Bru (1953) 1.3.2.2 J. Duvernoy (1964) 1.3.2.3 A. Cazenave (1972) 1.3.2.4 A. Pales-Gobillard (1976) 1.3.2.5 A. Cazenave (1979) 1.3.2.6 A. Pales-Gobillard/Chr. Thouzellier (1979/80) 1.3.2.7 G. Rottenwöhrer (1982) 1.3.2.8 E. Carbonne (1983) 1.3.3 Bisherige Forschungsergebnisse zur Biographie des Petrus Auterii 1.3.3.1 Ch. Schmidt (1845) 1.3.3.2 Ch. Molinier (1880) 1.3.3.3 IgnazvonDöllinger (1890) 1.3.3.4 J. M. Vidal (1906/1909) 1.3.3.5 H.J.Warner(1922) 1.3.3.6 A. Borst (1953) 1.3.3.7 R. Nelli (1969/1978) 1.3.3.8 J. Duvernoy (1970/1979) 1.3.3.9 R.Manselli (1974)

III IX

1 1 4 5 8 10 12

12 15 15 16 18 19 20 20 22 22 23 23 24 26 27 30 32 35 37 40

VI

Inhaltsverzeichnis

1.3.3.10M. D.Lambert (1977) 1.3.3.11 E.Le Roy Ladurie (1975/1980) 1.3.3.12E. Griffe(1980) 1.3.3.13 E. Werner/M. Erbstösser (1986) 1.4 Zusammenfassung

2. Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus 2.1 2.2 2.3 2.4

Petrus Auterii als Notar und Politiker bis 1296 Herkunft und Familie Die Notarstätigkeit des Petrus Auterii Exkurs 1: Die politische Entwicklung der Grafschaft Foix zur Zeit Roger-Bernards III. (1265-1302) 2.5 Wendepunkt und Ausstieg. Das Motiv, perfectus zu werden: Bekehrungslegende und Kreditbetrug 2.6 Das Datum der Abreise aus Ax, der Weg in die Lombardei und die Wegbegleiter

3. Der Aufenthalt in der Lombardei 1296-1300 4. Petrus Auterii als Reorganisator des Katharismus 4.1 Das Datum der Rückkehr nach Ax 4.2 Sicherungsmechanismen der Rückkehr in die Grafschaft: die Rolle der Familienmitglieder und Verwandten der Auterii 4.3 Erste Schritte beim Aufbau eines geheimen Kommunikationssystems: das familiaristische Prinzip 4.3.1 Die Familie Auterii und ihre Verwandtschaftsbeziehungen als erster Anknüpfungspunkt für die Ausbildung des Hospizsystems 4.3.2 Exkurs 2: Die Verwandtschaftsverhältnisse der Auterii 4.4 Von der maison zum Hospiz: die Entwicklung der Organisationsformen des Katharismus von der territorial-hierarchischen »ecclesia« zur territorialunabhängigen Personalgemeinde und Seelsorgegruppe des Hospizsystems 4.4.1 Die Phase vor 1167 4.4.2 Die Etappe von 1167 - ca. 1275 4.4.3 Die Reorganisation ab 1300 4.5 Die Hospizorte des Petrus Auterii 4.5.1 Liste der Hospizorte 4.5.2 Das Hospizsystem am Beispiel ausgewählter Hospizorte 4.6 Zusammenfassung: organisatorische Funktionen, geographische Ausbreitung und soziale Bedeutung des Hospizsystems 4.6.1 Funktionen des Hospizsystems 4.6.2 Die geographische Ausbreitung des Hospizsystems und seine soziale Bedeutung

41 43 48 49 50

53 53 54 58 61 81 91

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118 119

129 131 132 136 146 148 161 200 200 201

Inhaltsverzeichnis

5. D i e Riten des P e t r u s Auterii u n d seiner credentes 5.1 »apparelhamentum« und »visio« 5.2 Exkurs 3: Die Visio Isaiae im Gebrauch südfranzösischer Katharer . . . 5.2.1 Inhalt, Form und Überlieferungsgeschichte der Visio Isaiae . . . 5.2.2 Zur Textüberlieferung 5.2.3 Die umbildende Verwendung der Visio Isaiae durch die Katharer 5.2.3.1 Quellen für die Verwendung der Visio Isaiae durch die Katharer des Untersuchungszeitraums 5.2.3.2 Nachweis der Abhängigkeit der Predigt des Belibasta von der Visio Isaiae 5.2.3.3 Die inhaltliche Umbildung der Visio Isaiae 5.3 conventio 5.4 salutatio / reverencia 5.5 melioramentum 5.6 Der Ritus des gesegneten Brotes (panis benedictus) 5.7 Das consolamentum / die receptio 5.7.1 Die Phase der Vorbereitung des/der credens auf den Tod und ihre Voraussetzungen: organisatorische Probleme, familiäre Konflikte und der Hintergrund der Vorstellung vom Fortleben der Seele nach dem Tod in der regionalen Volksreligion 5.7.1.1 Guillelmus Fords aus Montaillou 5.7.1.2 Arnaldus Ägidii, genannt »enBoetlher«, ausPamiers . . 5.7.2 Der Ritus des consolamentum 5.7.2.1 Ankunft des perfectus, Bedingungen für das consolamentum 5.7.2.2 Die rituelle Handlung anläßlich des consolamentum . . 5.7.2.3 Vorschriften und Durchführung der endura 5.7.3 Nach dem consolamentum: Spende für den perfectus, geheime Beerdigung des Rezipierten 5.7.3.1 Zur Frage der Entlohnung für den perfectus im Zusammenhang mit dem consolamentum 5.7.3.2 Geheime Beerdigung des nach dem consolamentum Gestorbenen 5.7.4 Die receptio zum perfectus 6. D i e L e h r e des P e t r u s Auterii 6.1 Methodische Vorbemerkung 6.2 Der Mythos von Schöpfung und Fall der Seelen, ihrer Gefangenschaft in der materiellen Welt und Rückkehr in die himmlische Heimat 6.2.1 Schöpfung und ursprünglicher Zustand der Seelen 6.2.2 Eingreifen des Teufels, Störung der Ruhe, himmlische Revolte der Seelen gegen Gott, dessen Reaktion 6.2.3 Zustand der Seelen im Reich des Teufels, der Ursprung der Körper

VII 211 212 215 215 216 218 218 220 220 224 231 235 242 249

250 255 258 265 265 271 273 280 280 282 283 286 287 288 288 289 291

VIII

Inhaltsverzeichnis

6.2.4 Reinkarnationslehre und Aufenthalt der Seele in der Welt als Buße für die himmlische Rebellion, Möglichkeiten für ihre Rückkehr einzig durch die rituelle Tätigkeit eines perfectus, Kritik an den römisch-katholischen Sakramenten, Weltende . . 6.2.4.1 Die Reinkarnationslehre und ihre Pointe: die Erde als Bußort für die Seelen 6.2.4.2 Modifikationen in der Reinkarnations- und Erlösungslehre? 6.2.5 Kirchen und Sakramentskritik, Umdeutung von Christologie und Mariologie bei Petrus Auterii 6.2.6 Die katharische Erlösungslehre: Lehre vom perfectus, seiner vita apostolica als Bußwerk und seine daraus resultierende Seelenrettungsfahigkeit 6.2.7 Das Weltende: Ablehnung der Lehre von der Auferstehung der Toten, Rückkehr aller Seelen in den Himmel 7. Verfolgung, Verhaftung, V e r n e h m u n g u n d H i n r i c h t u n g des Petrus Auterii d u r c h die Inquisitoren v o n T o u l o u s e u n d Carcassonne . . . . Quellenanhang 1 Anweisungen zum Ketzerverhör aus der »Practica Inquisitionis heretice pravitatis« des Bernardus Guidonis OP, Inquisitor von Toulouse 2 Zur Visio Isaiae im Gebrauch der Katharer: aus einer Predigt des perfectus Guillelmus Belibasta 3 Steckbrief des Bernardus Guidonis zur Ergreifung Petrus Auteriis 4 Text des Inquisitionsurteils über Petrus Auterii Karte »Das W i r k u n g s g e b i e t des perfectus Petrus Auterii«

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331 331 332 333

nach Seite 162

Literaturverzeichnis

336

1. Quellen

336

2. Hilfsmittel

337

3. Literatur

337

Ortsregister

343

Personenregister

349

Sachregister

363

Abkürzungen BSA C CEC CF EC MPL P

RE T

TRE

Bulletin annuel de la société ariégeoise des sciences, lettres et arts, Foix 1882 ff L'Inquisiteur Geoffroy d'Ablis et les Cathares du Comté de Foix (1308-1309). Texte édité, traduit et annoté par Annette Pales-Gobillard, Paris 1984 Cahiers d'études cathares, Arques 1949 ff Cahiers de Fanjeaux, Toulouse 1966 ff Enciclopedia Cattolica, 12 Bde., Città di Vaticano 1948-1954 J . P. Migne, Patrologiae cursus completus, sériés latina, 221 Bände, 1841-1958 Le Registre de Jacques Fournier évêque de Pamiers (1318-1325), (Manuscrit Vat. Lat. no 4030 de la Bibliothèque Vaticane), publié avec introduction et notes par Jean Duvernoy, 3 Bde., Toulouse 1965 Realenzyklopädie fur protestantische Theologie und Kirche, 3. Auflage, hrsg. A. Hauck, Leipzig 1896-1913 Philippi a Limborch SS. Theologiae inter Remonstrantes Professons Historia Inquisitionis cui subjungitur Liber sententiarum Inquisitionis Tholosanae ab anno Christi M C C C V I I ad annum M C C C X X I I I . Amstelodami apud Henricum Wetstenium MLCXCII Theologische Realenzyklopädie, Berlin 1974 ff.

1. Einleitung Gegenstand und Methode der Untersuchung, ihre Quellen, vorliegende Forschungsergebnisse zu Petrus Auterii und dem Katharismus seiner Zeit

1.1 Gegenstand und Methode der

Untersuchung

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind Biographie und Bedeutung des katharischen perfectus Petrus Auterii für den Katharismus im Gebiet der südfranzösischen Grafschaft Foix und dem Gebiet um Toulouse im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts sowie damit verbunden die Darstellung der Natur dieses Katharismus. Es stellt sich als Ergebnis heraus, daß der von Petrus Auterii reorganisierte Katharismus sich von seinen vorangegangenen Erscheinungsformen wesentlich unterschied. Dabei handelt es sich nicht um ein historisches Nachspiel oder um eine Dekadenzerscheinung, sondern um eine neue, adäquate und effektive Entwicklungsform dieser Religion für die Interpretation des Lebens der sie tragenden sozialen Gruppen. Der soziale Schwerpunkt dieser Gruppen war die auf subsistenzwirtschaftlicher Basis lebende und durch ihr Festhalten an dieser Wirtschaftsweise in der Zeit des durch die katholische Kirche aktiv geförderten Vordringens der Warenproduktion und Geldwirtschaft in eine ökonomische und politische Krise geratene bäuerliche domus. Petrus Auterii, Sproß einer katharischen Sympathien und Traditionen verpflichteten Familie und bis etwa zu seinem fünften Lebensjahrzehnt einflußreicher Notar im Hochland der Grafschaft Foix, unternahm es, nachdem er sich vom Herbst 1296 bis zum Frühjahr 1300 in der Lombardei aufgehalten hatte und im norditalienischen Cuneo (Piemont) perfectus geworden war, die im Verlauf der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in seiner Heimat zusammengebrochenen katharischen Institutionen durch neue zu ersetzen, den Katharismus zu reorganisieren. Dies gelang vor allem aufgrund der in der Bevölkerung nach wie vor weithin verbreiteten Bindung an die katharische Religion, der zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts allerdings eine organisatorische Struktur fehlte und die vor allem unter der Abwesenheit der (meist ins norditalienische oder katalonische Exil geflohenen) perfecti litt. Die äußeren Bedingungen, unter denen dieser Wiederaufbau des Katharismus

2

Einleitung

stattfand, erforderten, daß die neu entstehenden Organisationsformen der Religion in einer Weise ausgebildet wurden, die sich von den vorangegangenen scharf unterschied, und zwar in einem Ausmaß, das zeitgenössische Zeugen vermuten ließ, hier entstehe eine neue Religion. In ihrem Mittelpunkt stand eine von den territorial-hierarchischen, kirchenähnlichen Strukturen der Vergangenheit des Katharismus freie Form, die auf einer personalgemeindeähnlichen, ortsunabhängigen und frei wählbaren Seelsorgebeziehung zwischen den perfecti und den credentes beruhte und sich in einem System geheimer Stützpunkte realisierte, dem Hospizsystem, das sich entlang den verwandtschaftlichen Beziehungen vor allem kleinstädtischer Handwerker und Notare sowie in ihrer überwiegenden Mehrheit der bäuerlichen domus entwickelte. Petrus Auterii, sein Bruder Guillelmus und sein Sohn Jacobus sowie eine Reihe weiterer perfecti waren zwischen diesen Hospizen unablässig unterwegs, predigten, lehrten, knüpften neue Beziehungen an und versorgten vor allem Sterbende mit dem consolamentum, dem Ritus, der im Mittelpunkt des Systems katharischer Riten stand, wie wir es aus dieser Zeit kennen, wobei diese Riten auf je verschiedene Art die Seelsorgebeziehung zwischen perfecti und credentes zum Ausdruck brachten und emotional wirksam verankerten. Während dieser Tätigkeit wurden die perfecti von den credentes materiell versorgt. Auf diese Weise erhofften beide Seiten, perfectus und credentes, aus einer Welt erlöst zu werden, die ihnen nur als Teufelsschöpfung sinnvoll beschreibbar war, genauer: als Bußort für eine im Himmel begangene Sünde des eigentlichen Wesenskerns des Menschen, der präexistent vorgestellten Seele, die aufgrund eines freien Willensentschlusses sich ihrer himmlischen Heimat selbst entfremdet habe und nur durch eine entsprechend der Schwere ihres Sündenanteils bei der himmlischen Revolte über sie verhängten Buße wieder in ihre Heimat, den Himmel, einen Ort von Ruhe (»requies«), Unbewegtheit und Harmonie zurückkehren könne. Hierfür reiche oft eine einzige irdische Existenz nicht aus, so daß eine ganze Reihe von Reinkarnationen der Seele in menschlichen oder auch tierischen Leibern notwendig sei, bis die Seele durch den Ritus des consolamentum schließlich befreit werde. Im Verlauf eines knappen Jahrzehnts, der Zeit vom Frühjahr 1300 bis zum August 1309, konnte Petrus Auterii auf dieser Basis äußerst erfolgreich wirken. N u r durch die vereinten Bemühungen der verschiedenen in seinem Bereich tätigen Inquisitionen (Carcassonne, Toulouse) gelang es seinen katholischen Gegenspielern, ihn schließlich zu verhaften. Etwa ein halbes Jahr später wurde das Todesurteil über ihn verhängt. Mit Petrus Auterii endet die Geschichte des Katharismus in Südfrankreich. Die auch schon von Zeitgenossen so eingeschätzte zentrale Bedeutung des Petrus Auterii für die Reorganisation des Katharismus von 1300 bis 1310 macht es sinnvoll, sie exemplarisch an der Person des Petrus Auterii vorzuführen, zumal seine individuelle Biographie in der Zeit vor dem Beschluß, aus seiner bürgerlichen Karriere auszusteigen und perfectus zu werden, sowie die näheren Umstände dieses Ausstiegs ein Schlüssel für das Verständnis des spezifischen

Gegenstand und Methode der Untersuchung

3

Katharismus nicht nur seiner Person, sondern auch des auf ihn bezogenen Kreises von credentes ist. Dies wird durch die höchst komplexe Natur der Quellen, die für die Darstellung der Geschichte des von Petrus Auterii reorganisierten Katharismus vorliegt, erschwert. Sie erfordert einen historisch-kritischen Umgang mit ihnen. Da Petrus Auterii zwar vor der Inquisition von Toulouse Aussagen über sich und credentes gemacht hat, diese aber nirgends erhalten sind, sind wir für die Rekonstruktion seiner Biographie und seiner Tätigkeit als perfectus auf Nachrichten aus zweiter oder dritter Hand angewiesen. Wie sich an verschiedenen Beispielen zeigen läßt, können diese Nachrichten aber nicht ungeprüft übernommen, einfach addiert oder sonstwie harmonisiert werden, wenn man wirklich abgesicherte Aussagen über Petrus Auterii machen will. Dies betrifft nicht nur Datierungsfragen seiner Biographie, sondern auch inhaltlich relevante Aussagen seiner Lehre. So läßt sich z.B. nachweisen, daß Petrus Auterii, im Gegensatz zu anderen Katharern seiner Zeit, eine Allversöhnungslehre predigte, die »finaliter« sogar die Verräter von perfecti mit einbezog. Er gehörte also nicht zu denjenigen zeitgenössischen Katharern, die eine zahlenmäßig begrenzte Möglichkeit von Reinkarnationen lehrte, nach der die drohende Möglichkeit der ewigen Verdammnis auf eine Seele warte. Dieses Ergebnis kann nur erhoben werden, wenn sich die Darstellung auch solcher eine einzelne Biographie überschreitenden Gegenstände wie der Lehre oder der Ritualpraxis streng an die Informationen hält, die über Petrus Auterii überliefert sind. Diese inneren und äußeren Tatbestände führen von selber zu einem Herangehen an die Quellen, das von einer biographisch-chronologischen Rekonstruktion aller Informationen, die wir über Petrus Auterii haben, ausgeht 1 . Dieses Herangehen ist als einziges geeignet, sowohl dem historischen Phänomen des Untersuchungsgegenstandes als auch der Komplexität der Quellen gerecht zu werden 2 .

1 Diese Methode der biographisch-chronologischen Rekonstruktion ist in bezug auf die untersuchten Quellen bereits angewandt worden, vgl. die beiden kurzen Zusammenfassungen von J. DUVERNOY über Petrus Auterii (s. unten) sowie K. STOODT, Die Biographie der Beatrix (unveröffentlichte evangelisch-theologische Magisterarbeit Frankfurt/M. 1982) und M. BENAD, Domus und Religion in Montaillou. Katholische Kirche und Katharismus im Oberlebenskampf des Pfarrers Petrus Clerici im Anfang des 14. Jahrhunderts (Spätmittelalter und Reformation, N R 1, Tübingen 1990), vgl. zur Methode dort, S. 3, Anm. 2. Für die vorliegende Untersuchung wurde aus diesem Grund von einer Auswertung der in einem Durchgang durch die drei (insgesamt etwa 2000 Druckseiten umfassenden) Quellen isolierten längeren oder kürzeren Belegstellen ausgegangen, die sich direkt mit Petrus Auterii befassen. Hinzu kamen eine Vielzahl weiterer Quellen, die zur Bewertung dieser Stellen über Petrus Auterii herangezogen und miteinander in Beziehung gesetzt wurden. 2 Als Beispiele für diese Arbeitsweise seien die Einschätzung des Berichts über die katharische »Bekehrung« des Petrus Auterii, die Rekonstruktion seines Abreisedatums in die Lombardei, seiner Rückkehr nach Ax, der Bedeutung des Hospizsystems für seine Reorganisation des Katharismus und das Datum seiner Verhaftung genannt - also wesentliche Punkte der Biographie, die aufgrund einer umfassenden Interpretation der in Frage kommenden Quellen in der

4

Einleitung

1.2 Die ausgewerteten

Quellen

Die Darstellung der Biographie des Petrus Auterii muß sich auf drei Hauptquellen 3 stützen, bei denen es sich jeweils um Inquisitionsakten handelt: die Akten der Inquisition von Toulouse 4 , die Akten der Inquisition von Carcassonne 5 sowie die Akten der bischöflichen Inquisition von Pamiers6. Sie sollen im folgenden Abschnitt vorgestellt werden, soweit dies für das Verständnis der angewandten Methode aufgrund der Eigenart der Quellen notwendig ist.

vorliegenden Untersuchung zum Teil erheblich anders eingeschätzt werden, als dies in der bisherigen Literatur der Fall ist. 3 Z u r Bedeutung der drei im folgenden in ihrer Bedeutung für die Forschung über Petrus Auterii vorgestellten Quellen sowie d e m »Manuel de l'Inquisiteur« des Inquisitors v o n Toulouse, Bernard Gui (s. unten) als Quellenensemble für die Erforschung der spätmittelalterlichen Lebenswelt vgl. J. DUVERNOY: »L'intérêt historique du registre tien à une réunion exceptionnelle de circonstances. Il émane d'un évêque agissant en son n o m propre quoiqu'avec le concours d'un j u g e monastique délégué; cet évêque devint par la suite le pape Benoît XII; les lieux, les personnages, les doctrines sont recoupés par trois autres documents de haute valeur: le manuscrit 4269 du fonds latin de la Bibliothèque Nationale, les Sentences de l'Inquisition de Toulouse, la Practica Inquisitionis de Bernard Gui. Enfin, loin d'être une liste d'attendus répondant étroitement à un formulaire-typ, le plupart de »processus« présentent une f o r m e narrative savoureuse et des renseignements inappréciable sur le m o d e de vie, les moeurs, la langue et la mentalité des populations du H a u t - C o m t é de Foix. A u point de vue de l'Inquisition, cette convergence de sources qui nous permet de suivre l'inculpé de la citation à comparaître jusqu'à la sentence . . . et absolument unique. « (Le Registre de Jacques Fournier évêque de Pamiers (1318-1325), (Manuscrit no Vat. Latin 4030 de la Bibliothèque Vaticane), publié avec introduction et notes par Jean Duvernoy, 3 Bde., Toulouse 1965, Bd. 1, S. 8), vgl. ähnlich R. MANSELLI, Per la storia della fede albigese nel secolo XIV: quattro documenti della inquisizione di Carcassona, in: Studi sul medioevo cristiano offerti a Rafaello M o r g h e n per il 90o anniversario del Istituto Storico Italiano (1883-1973), R o m a 1974, S. 499-513 und M . BENAD, D o m u s und Religion in Montaillou, S. 1. Z u den anderen als den hier genannten Hauptquellen vgl. die Belege in den A n m e r k u n g e n und das Literaturverzeichnis. 4 Philippi a Limborch SS. Theologiae inter Remonstrantes Professoris Historia Inquisitionis cui subjungitur Liber sententiarum Inquisitionis Tholosanae ab anno Christi M C C C V I I ad a n n u m M C C C X X I I I . Amstelodami apud Henricum Wetstenium M L C X C I I , im folgenden i m m e r abgekürzt als T mit nachfolgender Seitenzahl. Eine modernen Editionsstandards entsprechende Ausgabe dieser wichtigen Quelle (z. B. was O r t s - und Personenregister, aber auch eine Annotierung auf der Basis des jetzigen Kenntnisstandes über die Geschichte der Inquisition und des Katharismus angeht) wäre sehr wünschenswert. 5 L'Inquisiteur Geoffroy d'Ablis et les Cathares du C o m t é de Foix (1308-1309). Texte édité, traduit et annoté par Annette Pales- Gobillard, Paris 1984 (Sources d'histoire médiévale publiées par l'Institut de Recherche d'Histoire des Textes). Eine Photographie des edierten Manuskripts liegt vor und w u r d e vollständig verglichen. Die Quelle wird im folgenden i m m e r abgekürzt als C mit nachfolgender Seitenzahl. Bei ihr handelt es sich u m das Ms. 4269 der Bibliothèque Nationale, Paris. 6 Le Registre de Jacques Fournier évêque de Pamiers (1318-1325), (Manuscrit no Vat. Latin 4030 de la Bibliothèque Vaticane), publié avec introduction et notes par Jean Duvernoy, 3 Bde., Toulouse 1965, i m folgenden i m m e r abgekürzt als P mit nachfolgender Band- und Seitenzahl.

Die ausgewerteten 1.2.1

Die Akten

der Inquisition

5

Quellen

von Toulouse

(T)

I m Z u s a m m e n h a n g seiner » H i s t o r i a Inquisitionis« v e r ö f f e n t l i c h t e der n i e d e r ländische R e m o n s t r a n t Philipp v a n L i m b o r c h ( 1 6 3 3 - 1 7 1 2 ) i m J a h r e 1 6 9 2 7 d e n » L i b e r s e n t e n t i a r u m « d e r Inquisition v o n T o u l o u s e aus den J a h r e n 1 3 0 7 - 1 3 2 3 , ein R e g i s t e r v o n U r t e i l s s p r ü c h e n ü b e r v o n der Inquisition V e r u r t e i l t e 8 . W ä h r e n d die b e i d e n a n d e r e n H a u p t q u e l l e n für die v o r l i e g e n d e U n t e r s u c h u n g die P r o t o k o l l e v o n V e r h ö r e n v o r d e r Inquisition e n t h a l t e n , h a b e n w i r es in dieser Q u e l l e m i t U r t e i l s s p r ü c h e n , also d e m E r g e b n i s d e r V e r h ö r e u n d V e r h a n d l u n g e n , die m i t d e n A n g e k l a g t e n u n d / o d e r Z e u g e n angestellt w u r d e n , g e n a u e r : d e n S c h l u ß f o l g e r u n g e n , die d e r I n q u i s i t o r d a r a u s z o g , zu tun. D i e s h a t z u r F o l g e , d a ß die I n f o r m a t i o n e n dieser Q u e l l e u n g l e i c h k o n z e n t r i e r t e r u n d s u m m a r i s c h e r sind als in d e n b e i d e n a n d e r e n Q u e l l e n . D e r v o n d e m U r t e i l s b u c h der Inquisition a b g e d e c k t e Z e i t r a u m ( 1 3 0 7 - 1 3 2 3 ) d e c k t sich m i t den J a h r e n , in d e n e n d e r D o m i n i k a n e r B e r n a r d u s

Guidonis

( B e r n a r d G u i ) 9 das A m t des I n q u i s i t o r s a u s ü b t e 1 0 , eines Inquisitors, d e r sich a u c h als Verfasser eines H a n d b u c h e s f ü r I n q u i s i t o r e n einen N a m e n

gemacht

hatte11. D i e G l i e d e r u n g des L i b e r s e n t e n t i a r u m f o l g t der c h r o n o l o g i s c h e n R e i h e n f o l g e der s e r m o n e s , d e r ö f f e n t l i c h e n V e r s a m m l u n g e n ,

in d e n e n ü b e r die v o n d e r

7 Und nicht 1693, wie CH. MOLINIER, L'Inquisition dans le Midi de la France au XIHe et au X l V e siècle, Paris 1880, Neudruck New York o. J . , S. III und V irrtümlich meint. 8 Zu den Einleitungsfragen fur diese Quelle vgl. CH. MOLINIER, aaO., S. 5-11. 9 In der vorliegenden Untersuchung werden aus Gründen der Eindeutigkeit grundsätzlich die in den Quellen erscheinenden lateinischen Personennamen verwandt, wobei solche Namen eine Ausnahme bilden, die in ihrer französischen Form allgemein etabliert und geläufig sind

( z . B . J A C Q U E S FOURNIER, GEOFFROY D ' A B L I S , B E R N A R D G U I , GUILLAUME DE N O G A R E T ) .

Das

Verfahren, die lateinischen Namensformen in französische, okzitanische oder katalanische Namen umzuformen, ist problematisch. Petrus Auterii wird z. B . beim selben Autor einmal als Pierre Autier, dann wieder als Pierre Authié bezeichnet 0 . DUVERNOY, Pierre Autier, in: Cahiers d'études cathares, 21 (automne 1970), S. 9 - 4 9 ; derselbe, Pierre Authié, in: Le catharisme: l'histoire des cathares, Toulouse 1979, S. 321-331), daneben begegnen die Namensformen Peter Autier (A. BORST, Die Katharer, S. 135), Pierre Authier (R. NELLI, La vie quotidienne des cathares du Languedoc, S. 266) und Peter Autéri (H.J. WARNER, The Albigensian Heresy, S. 205). Bei relativ bekannten Personen mag dies unproblematisch sein. Anders steht es, wenn Zeugen der Inquisition, die etwa nur einmal ausgesagt haben, von verschiedenen Autoren verschieden umbenannt werden. 10 Zu Bernard Gui: L. DELISLE, Notice sur les manuscrits de Bernard Gui, in: Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale, Bd. 37, 2e partie (1879), S. 169—454 (nicht zugänglich); Bernard Gui, Manuel de l'Inquisiteur édité et traduit par G. Mollat avec la collaboration de G. Drioux, (Les classiques de l'histoire de France au moyen âge publiés sous la direction de Louis Halphen, Bd.8) 2. Auflage, Paris 1964, S. VI f. 11 Dabei handelt es sich um die »Practica inquisitionis heretice pravitatis« des Bernardus Guidonis (Bibl. de Toulouse, ms. 121, lere série), zuerst ediert von CH. DOUAIS, Practica inquisitionis heretice pravitatis, auctore Bernardo Guidonis O. F. P, Paris 1886 (nicht zugänglich). Vgl. dazu CH. MOLINIER, aaO., S. 197-236. Das oben erwähnte, von G. MOLLAT neu herausgegebene »Manuel de l'Inquisiteur« stellte den fünften (und letzten) Teil dieses Werkes dar, v g l . G . MOLLAT, a a O . , S. V I I - X I .

6

Einleitung

Inquisition Verurteilten in A n w e s e n h e i t geistlicher Würdenträger12, Vertretern d e s K ö n i g s v o n F r a n k r e i c h , d e r K o n s u l n v o n T o u l o u s e 1 3 s o w i e d e s V o l k e s das U r t e i l g e s p r o c h e n w u r d e 1 4 , v o n d e n e n er i n s g e s a m t 1 4

15

enthält, die z u m

g r ö ß t e n T e i l i n d e r K i r c h e St. S t e p h a n z u T o u l o u s e , i n d e r R e g e l a n e i n e m Sonntag, stattfanden16. I m Verlaufeines solchen s e r m o w u r d e in der Regel eine Vielzahl v o n Personen verurteilt, w o b e i die Verurteilungen s y s t e m a t i s c h nach der Art des

Urteils

g e o r d n e t w u r d e n . I m Fall d e s s e r m o v o m 3 . M ä r z 1 3 0 8 1 7 z . B . w u r d e n d e s h a l b erst d i e P e r s o n e n g e n a n n t , d i e m i t d e r V e r p f l i c h t u n g , k ü n f t i g als Z e i c h e n ihrer V e r u r t e i l u n g als K e t z e r e i n K r e u z a u f i h r e r K l e i d u n g z u t r a g e n , aus d e m K e r k e r z u e n t l a s s e n s e i e n ( » e d u c t i f u e r u n t de muro cum crucibus«),

hiernach das U r t e i l über

e i n e n r e l a p s u s u n d e i n e relapsa v e r k ü n d e t ( b e i d e w u r d e n d e m w e l t l i c h e n A r m zur E x e k u t i o n ü b e r g e b e n 1 8 ) , danach z w e i Personen p o s t h u m verurteilt, die sich

12 Eine Anwesenheitsliste der kirchlichen Vertreter für den jeweiligen sermo findet sich in der Regel am Schluß eines Urteils oder einer Reihe ähnlicher Urteile, vgl. z. B. T, 4. 13 Z u den Eidformeln vgl. die »Juramenta curialium regis« und die »Juramenta consulum« z . B . i n T , 1. 14 » . . . fuit factus . . . sermo per Fratrem Bernardum Guidonis Inquisitorem T h o l o s a n u m in Ecclesia cathedrali Sancti Stephani Tholose, convocata curia regali, & consulibus Tholosanis, & universitate Cleri & populi, ut est moris, in multitudine copiosa . . . « (T, 1. Hier und in allen folgenden Zitaten der Untersuchung werden die in den zitierten Quellenausgaben verwandten Regeln der Orthographie und Interpunktion beibehalten - wobei darauf hinzuweisen ist, daß diese sich nicht mit der mittelalterlichen Schreibweise decken. Das Originalmanuskript von C enthält z. B. außer Sätze oder größere Sinneinheiten abschließenden Punkten praktisch gar keine Interpunktionszeichen. Vgl. zum Ablaufeines sermo in Toulouse im Untersuchungszeitraum die Darstellung v o n CH. H . LEA, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Bd. 1, S. 432-440. 15

U n d nicht 15, wie CH. MOLINIER, aaO., S. 8 meint. Vgl. den »Index sermonum« i n T (unpaginiert, nachT, 396). Weitere hilfreiche, aber nicht i m m e r zuverlässige Indices der Quelle sind die nach Herkunftsorten geordnete »Tabula o m nium personarum sequentis libri« (unpaginiert), eine Art Personenregister, sowie eine Liste »Nomina Locorum secundum ordinem Alphabeti« (T, 395 f) mit den lateinischen O r t s n a m e n der Quelle. Z u r Frage der Identifizierung dieser O r t s n a m e n mit den heutigen französischen vgl. unten, Abschnitt 4.5. 17 T, 1. Die Datierung lautet »Anno domini C C C o . VIIo (sie) quinto nonas Martii, dominica prima quadragesime . . . « . Mit diesem D a t u m ist der 5.März des Jahres 1308, nicht 1307 gemeint. Die Jahresdatierung in den hier ausgewerteten Quellen folgt dem Annunciationsstil. Alle Daten zwischen d e m 31.12. und einem 25. 3. sind also u m ein Jahr zu erhöhen. In allen drei Quellen begegnet die Datierung anno ab incarnatione D o m i n i als Regelfall, die entweder auf den Annunciationsstil oder den Nativitätsstil (Jahresbeginn am 25.12.) hinweist. Letzterer k o m m t aber für Südfrankreich und Spanien nicht in Frage, (vgl. F. K. GINZEL, H a n d b u c h der mathematischen und technischen Chronologie. Die Zeitrechnung der Völker, 3 Bde., Leipzig 1914, Bd. 3, S. 161.) In Frankreich konkurrierte mit dem älteren Annunciationsstil seit dem Beginn der Kapetingerdynastie der Ostersonntag als Jahresbeginn, während in Spanien der Annunciationsstil bis z u m 14. Jahrhundert erhalten blieb (vgl. H . GROTEFEND, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, hrsg. TH. ULRICH, 11. Auflage, Hannover 1971, S. 11-14), was auch in Südfrankreich zu beobachten ist (F. K. GINZEL, aaO., S. 162). 16

18

T, 4.

Die ausgewerteten Quellen

1

vor ihrem Tod das consolamentum hatten geben lassen, worauf die Akten der Stephana de Proaudo folgen, die nur durch die Verhängung des Todesurteils dazu gezwungen werden konnte, dem Katharismus abzuschwören: auf ihre sententia folgt ihre conversio 19 . Diese Einteilung der nach Urteilen systematisch geordneten Aufzeichnung des sermo wird durch die ganze Quelle hindurch beibehalten. Bei T handelt es sich also um ein nach Verurteilungsdaten und -arten systematisch geordnetes Ergebnisregister der Urteile der Inquisition von Toulouse. Daraus folgt bereits, daß die in T enthaltenen Informationen über Petrus Auterii (er erscheint sehr häufig in diesem Register) nur im chronologischen Vergleich zueinander benutzt werden können. Hinzu kommt, daß die in den Urteilen angegebenen Fakten und Daten auf eine eigentümliche, den Bedürfnissen, die man an Quellen für eine Biographie hätte, nicht gerade entgegenkommende Art und Weise angegeben werden. Es werden aufgrund ihrer summarischen Natur nämlich in den kurzen (nur zum geringeren Teil ausführlicheren) Urteilssprüchen Kontakte zu Petrus Auterii als Verurteilungsgrund zwar genannt, in aller Regel aber zusammen mit allen möglichen anderen Straftatbeständen, worauf dann ganz am Schluß die Datenspanne (und nicht das genaue Datum) angegeben wird, in der sich alle Vergehen, aufgrund deren eine Person verurteilt wird, abgespielt haben sollen, wobei sich die zurückzurechnende Zeitspanne auf den Zeitpunkt der Aussage (confessio) hierüber bezieht (und nicht auf das Datum der Urteilsverkündung), der meist als Marginalie neben dem entsprechenden Urteil erscheint. Rechnet man nun von hier aus zurück, so kommt man häufig auf eine Zeitspanne von mehreren Jahren, innerhalb derer die verurteilte Person unter anderem auch mit Petrus Auterii Umgang gehabt hat. 2 0 Es ist klar, daß diese summarische Art der Quelle sie für die Rekonstruktion einer Biographie des Petrus Auterii im eigentlichen Sinn des Wortes unbrauchbar macht. Die in ihr enthaltenen Informationen sind viel zu ungenau, als daß man aus ihnen die innere und äußere Entwicklung des perfectus ablesen könnte. Der sich hieraus ergebende Nachteil wird aber dadurch aufgewogen, daß es aufgrund der regelmäßigen Nennung der Herkunftsorte der Angeklagten möglich ist zu rekonstruieren, in welchen Orten überhaupt der perfectus sich aufhielt. Darüber hinaus ist es möglich, aufgrund der Namen der Verurteilten Rückschlüsse auf ihre Verwandtschaftsbeziehungen untereinander zu ziehen T, 5 f. Vgl. z . B . T, 16. Neben dem Urteil über Guillelma Bolha aus Verdunet erscheint in kleinerem Druck am Rand: » M o C C C V o die Mercurie post festum saneti Luche confessa«. Wenn es nun am Schluß des Urteils heißt: »Commitens predicta ä duobus annis cum dimidio, ab uno anno, ä dimidio, ä tribus mensibus citra ante confessionem suam de predictis«, so weiß man damit, daß die Angeklagte irgendwann in der Zeitspanne zweieinhalb Jahre bis drei Monate vor Mitte Oktober 1305 (St. Lukas wurde am 18. 10. gefeiert, vgl. H. Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 2 Bde., Hannover 1891 / 1892, Bd. 2.2, S. 130) mit Petrus Auterii Kontakt gehabt haben muß, also zwischen April 1303 und Juli 1305. Eine genauere Datierung ist nicht möglich. 19

20

8

Einleitung

was dadurch erleichtert wird, daß diese in der Quelle oft ausdrücklich genannt werden. Der Liber sententiarum von Toulouse ist somit eine Quelle von entscheidender Bedeutung für die Ausdehnung des Hospizsystems des Petrus Auterii sowie die Bedeutung verwandtschaftlicher Beziehungen in diesem System 2 1 . Die Quelle ist ferner von zentraler Bedeutung für die Biographie des Petrus Auterii, weil in ihr sowohl Nachrichten enthalten sind, die die Umstände seiner Verhaftung recht genau nachvollziehbar machen, als vor allem auch sein Todesurteil 22 . Daß dessen Verkündigung den einzigen Inhalt eines sermo darstellte, noch dazu eines sermo, auf den der vorangehende ein Jahr, der folgende gar über zwei Jahre Abstand hatte, zeigt neben anderem die Bedeutung dieses perfectus für den Katharismus seiner Zeit.

i.2.2

Die Akten der Inquisition von Carcassonne

(C)

Die Akten der Inquisition von Carcassonne aus den Jahren 1308 und 1309 sind seit langem bekannt 2 3 , wurden aber erst 1984 von A. Pales-Gobillard ediert 24 . Erst durch diese zuverlässige Edition ist Eindeutigkeit beim Zitieren dieser Quelle nun dankenswerterweise gewährleistet 2 5 . 2 1 J . M . VIDAL hat das Verdienst, dies erkannt und diesen Weg als erster beschritten zu haben. In seinem A u f s a t z »Les derniers ministres de l ' A l b i g e i s m e en L a n g u e d o c . Leurs doctrines« nannte er in zwei längeren A n m e r k u n g e n z u m einen alle Orte, die in P, T und C genannt werden, s o w i e die wichtigsten aus den Q u e l l e n nachgewiesenen katharischen Familien dieser O r t e (S. 85 f, A n m . 2 und S. 87 f, A n m . 1). Allerdings ist es a u f g r u n d der Tatsache, daß er seine E r g e b n i s s e an keiner Stelle dieser A n m e r k u n g e n aus den Q u e l l e n belegt, schwierig, seine E r g e b n i s s e i m einzelnen nachzuvollziehen. D a m i t soll nicht prinzipiell an deren S t i m m i g k e i t gezweifelt werden, d o c h ist diese andererseits auch nur durch eine vollständige P r ü f u n g der E r g e b n i s s e aus den Q u e l l e n zu beweisen, die a u f g r u n d der fehlenden B e l e g e ebenso a u f w e n d i g ist w i e eine neue Erarbeitung. D a i m übrigen VIDAL den A n s p r u c h hat, alle O r t e aus den genannten Q u e l l e n u n d v o r allem die Kontaktstellen aller perfecti aufzuzählen, sind seine E r g e b n i s s e als zusätzliche K o n t r o l l e für die vorliegende U n t e r s u c h u n g hilfreich, tragen aber zu einer systematischen D u r c h a r b e i t u n g und Interpretation der Stellen, die sich nur auf Petrus Auterii beziehen, wenig bei. In der vorliegenden U n t e r s u c h u n g w i r d also ein ähnlicher Weg beschritten, w i e ihn VIDAL g i n g , allerdings unter V e r w e n d u n g des a u f g r u n d der A r t der Q u e l l e n g e b o t e n erscheinenden biographisch-chronologischen Herangehens. S o w u r d e n etwa 70 O r t e nachgewiesen und belegt, in denen Petrus Auterii in den d o m u s v o n credentes U n t e r s c h l u p f fand.

T , 92 f. Vgl. hierzu unten, Kapitel 7. Vgl. zur Einleitung in diese Q u e l l e CH. MOLINIEH, a a O . , S. 107-161. Dieser Abschnitt enthält eine » B i o g r a p h i e rapide de Pierre Autier« (S. 145-161), a u f die unten näher e i n g e g a n g e n wird. D i e erwähnte Einleitung in C ist seit der Edition dieser Q u e l l e durch A . PALES-GOBILLARD überholt. 22

23

2 4 Z u r V e r w e n d u n g v o n C in der bisherigen K a t h a r e r f o r s c h u n g vgl. A . PALES-GOBILLARD in der Einleitung zu C , S. 1 - 4 . 25

D i e Z i t i e r w e i s e d e r A u t o r e n MOLINIER, VIDAL UND DUVERNOY ist o f t n u r s c h w e r n a c h -

vollziehbar, w e n n sie sich a u f Stellen aus C beziehen. D a s liegt daran, daß MOLINIER (und ihm f o l g e n d die beiden anderen) eine eigene Paginierung verwandte, die mit der aus d e m 14.

Die ausgewerteten

Quellen

9

V o m U m f a n g h e r ähnlich w i e T, h a n d e l t es sich bei dieser Q u e l l e inhaltlich u m b e d e u t e n d detailreicheres u n d a u f sehr viel w e n i g e r P e r s o n e n b e s c h r ä n k t e s M a t e r i a l 2 6 . I n s g e s a m t 17 A n g e k l a g t e s a g e n v o r d e m D o m i n i k a n e r G a u f r i d u s de Ablusiis ( G e o f f r o y d ' A b l i s ) a u s 2 7 , n a c h d e m sie v o r die Inquisition, einen d e r S t e l l v e r t r e t e r des I n q u i s i t o r s o d e r diesen selbst g e l a d e n w o r d e n w a r e n 2 8 . L i e g t die B e d e u t u n g v o n T v o r a l l e m in d e n A u s s a g e n z u r g e o g r a p h i s c h e n V e r b r e i t u n g des v o n P e t r u s A u t e r i i r e o r g a n i s i e r t e n K a t h a r i s m u s , s o z e i g e n die A u s s a g e n v o n C sehr g e n a u die A r t u n d W e i s e v o n E n t s t e h u n g u n d H i n t e r g r u n d des H o s p i z s y s t e m s . D i e s liegt v o r a l l e m an d e n A u s s a g e n v o n V e r w a n d t e n des P e t r u s A u t e r i i , seines B r u d e r s R a m u n d u s A u t e r i i u n d seines N e f f e n G u i l l e l m u s de R o d e s i o u n d dessen V e r w a n d t e n , aber a u c h an d e n A u s s a g e n d e r A n g e h ö r i g e n v o n M i t g l i e d e r n d e r d o m u s I s s a u r a 2 9 u n d a n d e r e n . D a r ü b e r hinaus e n t h a l ten die A k t e n aus C a r c a s s o n n e detaillierte I n f o r m a t i o n e n z u r F r a g e der D a t i e r u n g der R ü c k k e h r der A u t e r i i aus d e r L o m b a r d e i n a c h A x - l e s - T h e r m e s , a u f g r u n d d e r e r es m ö g l i c h ist, diese e i n d e u t i g a u f die Fastenzeit des J a h r e s 1 3 0 0 festzulegen. D i e Q u e l l e enthält a u ß e r d e m z a h l r e i c h e w i c h t i g e B e l e g e zu v o n P e t r u s A u t e r i i b e s u c h t e n H o s p i z e n in d e n D ö r f e r n des H o c h l a n d e s der G r a f -

Jahrhundert stammenden Originalpaginierung des Manuskriptes nicht identisch ist, und sogar in das Originalmanuskript eintrug: »Molinier a utilisé une foliation moderne, écrite au crayon noir, qui fait totalement abstraction de la pagination initiale . . . « (A. PALES-GOBILLARD, C, 3) Ein Leser der Aufsätze »Pierre Autier« von J . DUVERNOY und »Les derniers ministres de l'Albigéisme en Languedoc. Leurs doctrines« von J . M. VIDAL kann diesen Autoren ihre Zitate aus C in der Regel nur glauben - nachprüfen kann er sie nicht, selbst wenn er über eine Photographie des Manuskriptes verfügt. A u f welche Stellen sich die Folienangaben der genannten drei Autoren beziehen, bleibt meist dunkel. Angaben der genannten Autoren durch Oberprüfen im Lexikon von DU CANGE, der die Quelle kannte und nutzte, zu verifizieren, ist aufgrund der Tatsache, daß DU CANGE seinerseits die Originalpagination beibehielt, ebenfalls erschwert. Zu Recht stellt A. PALES-GOBILLARD deshalb fest, bei der Zitierweise von MOLINIER, VIDAL und DUVERNOY aus C handele es sich um »une tradition qu'il semble souhaitable d'abandonner. II est nécessaire de rendre au manuscrit sa foliation initiale« (aaO.). 2 6 Die Quelle enthielt ursprünglich sehr viel mehr Aussagen als das heutige Manuskript. Einerseits fehlen die Folien VII - I X , X X V , X X V I I I , XLVIII, LV und L X I , sind die Folien X X und L X V beschädigt und die Folien X L I X , L und LIII unbeschrieben. Dies muß schon Ende des 19. Jahrhunderts der Fall gewesen sein, denn eine handschriftliche Eintragung auf dem Titelblatt des Manuskripts weist unter dem Datum des 18.7.1894 auf den erwähnten Tatbestand hin. Andererseits finden sich in Marginalien des erhaltenen Textes Hinweise auf Folien, die nicht mehr existieren - der am weitesten von dem heute 66 doppelseitig beschriebene Folien umfassenden Manuskript wegführende Verweis geht auf Folie C X X X I I I . Das ursprüngliche Manuskript war also mehr als doppelt so umfangreich, als es heute erhalten ist, vgl. A. PALESGOBILLARD, E i n l e i t u n g zu C , S. 2 f. 2 7 Zu diesem Dominikanerinquisitor und seinen beiden Stellvertretern Johannes de Felglosio und Geraldus de Blomaco vgl. A. PALES-GOBILLARD'S Einleitung in C, S. 7 - 1 1 . 2 8 Zum Ablauf der Verhörserie und ihrer Organisation sowie den beteiligten Personen vgl.

A . PALES-GOBILLARD, a a O . , S . 4 - 4 4 . 2 9 Vgl. die Darstellung des Beginns der Hospizorganisation des Petrus Auterii in dieser Untersuchung, Abschnitt 4.3 und 4.3.1.

10

Einleitung

schaft Foix sowie detaillierte Informationen zu Ritualpraxis und Lehre des Petrus Auterii 30 .

1.2.3

Die Akten

der bischöflichen

Inquisition

von Pamiers

(P)

Von ebenso großer Bedeutung für die Biographie des Petrus Auterii sind die Akten der bischöflichen Inquisition in Pamiers, die 1965 von J. Duvernoy veröffentlicht und damit der Forschung allgemein zugänglich gemacht wurden, nachdem sie schon seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts immer wieder einmal in der Forschung als Quelle genutzt, zum Teil auch auszugsweise publiziert worden waren. Die zuerst bei I. v. Döllinger abgedruckten Teile der Quelle 31 (Bd. 2, S. 135 -251) sind als Edition überholt und nur schwer zu verwenden, da sie eine recht willkürliche Auswahl aus den Quellen trifft 3 2 und da der Herausgeber die Folienzahlen des Manuskriptes nicht angab. Nach einer Darstellung der Quelle bei Ch. Molinier 33 und einer kürzeren Erwähnung bei Ch. Douais 3 4 wurde die Quelle weiter bekannt gemacht durch verschiedene Untersuchungen J. M. Vidais 35 , bevor sie von Duvernoy publiziert wurde. Nach einem zunächst recht kritischen Echo auf diese Edition, in dem vor allem viele Lesefehler bemängelt wurden 3 6 , ließ Duvernoy 1972 die notwendig gewordenen Korrekturen als gesonderte Publikation folgen. Sie sind also jeweils zu vergleichen. 1978 erfolgte eine von Duvernoy besorgte und eingeleitete französische Übersetzung der Quelle 37 . Bei der Quelle handelt es sich um rund 1500 Druckseiten Inquisitionsprotokolle 38 , die aus der Zeit des Bischofs Jacques Fournier, des späteren Papstes Benedikt XII. 3 9 , stammen und vor allem Aussagen katharischer credentes, aber 30

Vgl. hierzu die Belege aus dieser Quelle in den Kapiteln 4, 5 und 6. Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters, Erster Teil: Geschichte der gnostischmanichäischen Secten im früheren Mittelalter / Zweiter Teil: Dokumente vornehmlich zur Geschichte der Valdesier und Katharer, München 1890 (Neudruck Darmstadt 1982). 32 DUVERNOY, Histoire, S. 237, Anm. 69 nennt sie darum zu Recht eine »anthologie médiocre«. 33 Études sur quelques manuscrits des bibliothèques d'Italie, concernant l'Inquisition et les croyances hérétiques du Xlle et XlIIe siècle, Paris 1887, S. 217-279. 34 Documents pour servir à l'histoire de l'Inquisition dans le Languedoc au XlIIe et au XlVe siècle, 2Bde., Paris 1900, Bd. 1, S. 103-107. 35 S. hierzu unten, Abschnitt 1.3.3. 36 Vgl. A. DONDAINE, Le registre d'Inquisition de Jacques Fournier. A propos d'une édition récente. Examen critique de l'édition donnée par Jean Duvernoy, in: Revue des questions historiques 178 (1970), S. 49-56. 37 Le registre d'Inquisition de Jacques Fournier, évêque de Pamiers 1318-1325, traduit et annotée par Jean Duvernoy, préface de Emanuel Le Roy Ladurie, 3 Bände, Paris 1978. 38 Zu den Einleitungsfragen vgl. PI, 7-33. 39 ZuJacobus Fournerii (Jacques Fournier), dem späteren Papst Benedikt XII., vgl. K.JACOB, Studien über Papst Benedikt XII., Berlin 1910; H. OTTO, Benedikt XII. als Reformator des Kirchenstaates, in: Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 1928, S. 59-110; derselbe, Zur politischen Einstellung Benedikts XII, ZKG 62 (1943/ 31

Die ausgewerteten

Quellen

11

auch von Waldensern, Juden, rebellischen Leprösen, Geistersehern und anderen enthalten. Ihr besonderes Gewicht nicht nur für die Kirchen- und Religionsgeschichte, sondern für die allgemeine Geschichte der Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Region mit allen ihren Seiten verdankt die Quelle den besonderen Fähigkeiten Jacques Fourniers als Inquisitor, der unter weitestgehendem Verzicht auf gewaltsame Maßnahmen wie die Folter 4 0 und stattdessen mit hohem Interesse für Handeln, Fühlen und Denken der ihm Vorgeführten seines Amtes waltete, weshalb die Angeklagten ihm äußerst detailreich und genau Auskunft über ihre Lebensumstände und die Gründe für ihre aus der Sicht des Bischofs häretischen Anschauungen gaben 41 . Im Rahmen dieser Aussagen sind wesentliche Informationen zur Biographie des Petrus Auterii enthalten. Dies betrifft die Zeit seines Lebens vor seinem Ausstieg aus der bürgerlichen Karriere als Notar, seine Familienverhältnisse, die genaueren Umstände und Motive seiner fluchtartigen Abreise aus A x im Frühherbst 1296 4 2 , die Zeit seines Aufenthalts in der Lombardei, seine Rückkehr und sein Leben als perfectus. Vor allem in den Aussagen der Sibilia Petri 43 und des Petrus Maurini 4 4 sind zentrale Informationen zur Frage des Hospizsystems, der sie tragenden sozialen Schichten, der Funktion des Hospizes für die credentes, der Lehre des Petrus Auterii und seiner Ritualpraxis enthalten, ohne die wir Leben, Lehre und Intentionen dieses perfectus nicht rekonstruieren könnten. Die Quelle enthält ferner Aussagen eines Schwiegersohnes des perfectus, Arnaldus Textoris, und eine Fülle von Einzelinformationen, die über die verschiedenen 44), S. 103-126; F. X . SEPPELT, Geschichte der Päpste von den Anfängen bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. IV, Das Papsttum im Spätmittelalter und in der Renaissance von Bonifaz VIII. bis zu Klemens VII., neu bearbeitet von G. SCHWAIGER, 2. Auflage, München 1957, S. 119—124. Zur Theologie Fourniers, insbesondere seiner Position im Streit um die visio beatifica vgl. F. WETTER, Die Lehre Benedikts XII. vom intensiven Wachstum der Gottesschau (Analecta Gregoriana cura Pontificae Universitatis Gregoriana edita, Vol. X C I I , R o m 1958; zur hier verhandelten Sache siehe unten Abschnitt 5.2.). 4 0 Dies hat M . BENAD, Domus und Religion in Montaillou, S. 9 - 1 4 stichhaltig nachgewiesen. Ein einziger Fall von Folter steht für die insgesamt 89 vom Bischof verhandelten Fälle (die Zahl aller verhörten Personen liegt wesentlich höher) fest. 41 Die höhere Sorgfalt Jacques Fourniers als Inquisitor im Vergleich mit der anderer Inquisitionen wird sofort deutlich, wenn man die dürren Aussagen des Petrus Maurini, eines der wichtigsten Zeugen der Quelle P überhaupt, vor der Inquisition von Aragon im Juli 1323 (P III, 110—118) mit denen vergleicht, die aus den verschiedenen Verhören Maurinis vor Jacques Fournier erhalten sind (P III, 119-251). 4 2 Die für diesen Komplex wesentliche Aussage des Schwiegersohnes von Petrus Auterii, Guillelmus Textoris, eine Aussage, aus der eindeutig hervorgeht, daß Petrus Auterii und sein Bruder unter Zurücklassung erheblicher Schulden und mit einem Kreditbetrug größeren Stils 1296 das Land verließen, um perfecti zu werden (P II, 202—204), fehlt im Personenregister von P. £LIE GRIPPE, der darauf eingeht, beschönigt die Ereignisse (s. u.). 4 3 P II, 403—429. Zum Hospiz der domus Petri in Arques vgl. meinen Aufsatz »Das Ketzerhospiz in Arques«, in: W. L. FEDERLIN U. E. WEBER (Hrsg.), Unterwegs für die Volkskirche, FS Dieter Stoodt, Frankfurt - Bern - New York - Paris 1987, S. 575-589. 4 4 P i l l , 110-252.

12

Einleitung

Aussagen verstreut sind und auf die in dieser Untersuchung an gegebenem Ort eingegangen wird.

1.3 Der gegenwärtige Stand der Forschung zur Biographie des Petrus Auterii und zum südfranzösischen Katharismus seiner Zeit Im folgenden Abschnitt werden die vorliegenden Forschungsergebnisse zu Petrus Auterii und der von ihm maßgeblich repräsentierten Form des Katharismus zusammengefaßt. Auf eine Darstellung der allgemeinen Literatur zum Katharismus unter dem Aspekt dieser Fragestellung (1.3.1) folgt die Zusammenfassung des Standes der speziellen Forschung zum südfranzösischen Katharismus des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts (1.3.2.). Eine Darstellung der vorliegenden, speziell mit der Biographie Petrus Auteriis befassten Untersuchungen schließt diesen Abschnitt ab (1.3.3.)

1.3.1 Der südfranzösische Katharismus zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Spiegel der allgemeinen Literatur zur katharischen Religion im Rahmen der mittelalterlichen häretischen Bewegungen Das wesentlichste Ergebnis einer Durchsicht der allgemeinen Forschungsergebnisse zum Katharismus in bezug auf Petrus Auterii sowie Südfrankreich ab ca. 1250 besteht darin, daß nur in Ausnahmefällen die historische und religionsgeschichtliche Entwicklung dieser Religion über die Mitte des 13. Jahrhunderts hinaus überhaupt erwähnt wird. Das trifft im 19. Jahrhundert bereits für Ch. U. Hahn 45 (1845) zu. Ch. Schmidts 46 Erwähnung des Petrus Auterii und der von ihm repräsentierten Form des Katharismus in seinem Werk zur Geschichte des Katharismus (1849), gefolgt von einer kurzen, sich im wesentlichen auf die inzwischen erschienenen speziellen Untersuchungen Moliniers (1880) 47 und J . M. Vidals (1906/1909) 48 stützenden Charakterisierung des perfectus Auterii durch H. J. 4 5 CH. U . HAHN, Geschichte der Ketzer im Mittelalter, besonders im 11., 12. und 13. Jahrhundert, 3 Bde., Stuttgart 1845, Neudruck Aalen 1968. Band 1: Geschichte der neumanichäischen Ketzer. Die Eroberung Montsegurs (1244) wird als Schlußpunkt der Entwicklung des südfranzösischen Katharismus genannt (S. 387 £). Zwar stellt Hahn dann S. 395 fest, der Katharismus sowohl in Südfrankreich als auch anderswo sei danach keineswegs ausgestorben, hat auch die von Limborch herausgegebenen Inquisitionsprotokolle aus Toulouse zur Kenntnis genommen, doch habe seine Darstellung hiermit »nichts zu schaffen« (S. 395, Anm. 1), wofür eine inhaltliche Begründung nicht gegeben wird. 4 6 CH. SCHMIDT, Histoire et doctrine de la secte des Cathares ou Albigeois, 2 Bde., Paris und Genf 1849. 4 7 Vgl. unten Abschnitt 1.3.3. 4 8 Vgl. unten, Abschnitt 1.3.3.

Biographie

des Petrus

13

Auterii

Warner (1922-1928) 49 blieben in der älteren Literatur Ausnahmen. In der Regel beendete die Forschung in allgemeinen Untersuchungen zum Katharismus im Rahmen der mittelalterlichen häretischen Bewegungen dessen Darstellung vor Beginn des hier untersuchten Zeitraums. Das beginnt mit H. Grundmanns Untersuchung über religiöse Bewegungen im Mittelalter (1935)50, setzt sich fort mit St. Runcimans Monographie zum Katharismus als mittelalterlichem Manichäismus (1947)51 und gilt genauso für H. Söderberg (1949)52, H. Grundmanns Beitrag zum »Handbuch der Kirchengeschichte« (1963)53, G. Leff (1967)54, A. P. Evans und W. L. Wakefield (1969)55, M. Roquebert (1970/77) 56 ,

49 H. J. WARNER, The Albigensian Heresy (Studies in Church History), London - N e w York - Toronto, 1922; Bd. 2, The Albigensian Heresy (Its supression by Crusade and Inquisition) London - N e w York - Toronto, 1928. 50 H. GRUNDMANN, Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13.Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik, Berlin 1935, Neudruck Darmstadt 1977. Der südfranzösische Katharismus des 14. Jahrhunderts k o m m t in diesem Buch nicht vor, ähnlich wie Grundmann auch in seiner 1963 erschienen »Ketzergeschichte des Mittelalters« von einer Darstellung dieses Teils der Geschichte des Katharismus absieht (s. u.). 51

ST. RUNCIMAN, T h e M é d i é v a l M a n i c h e e , C a m b r i d g e / M a s s .

1947 ( N e u d r u c k 1955).

Der

südfranzösische Katharismus des ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts k o m m t in dieser Darstellung nicht vor. 52 H. SÖDERBERG, La religion des cathares. Étude sur le gnosticisme de la basse antiquité et du moyen âge, Uppsala 1949. Bei dieser Dissertation des WIDENGREN-Schülers SÖDERBERG handelt es sich um eine vornehmlich systematische und religionsgeschichtliche Darstellung der spätantiken und mittelalterlichen Gnosis, worunter auch der Katharismus verstanden wird. Es werden aber in dieser Untersuchung die hier untersuchten Quellen nicht herangezogen und historisch ausgewertet. 53

H . G R U N D M A N N , K e t z e r g e s c h i c h t e d e s M i t t e l a l t e r s ( K . D . SCHMIDT, E . W O L F , H r s g . , D i e

Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, Band 2, Lieferung G, l.Teil), Göttingen 1963, äußert sich zum Katharismus auf den S. 22—28. Sein (einziger) Satz zur Entwicklung des Katharismus um 1300: »Die letzten Ketzerprozesse in Städten Südfrankreichs und Norditaliens um 1300 richteten sich gegen harmlose Anhänger von Sektierern, die keine ernstliche Gefahr mehr für die Kirche und ihren Glauben waren« (aaO., S. 28) stellt schon angesichts der Menge des (1963 bekannten) Materials aus der Zeit nach 1300 eine Fehleinschätzung dar. 54 G. LEFF, Heresy in the Later Middle Ages, 2 Bde., Manchester - N e w York 1967. Seiner Ansicht nach endet der Katharismus mit dem Albigenserkreuzzug (S. 448). Petrus Auterii wird zwar noch als »leader« eines zwischen 1295 und 1310 stattfindenden »revivais« des Katharismus bezeichnet (S. 450), wofür sich LEFF auf BORST stützt (aaO., S. 450, Anm. 3) und richtig wird ein Absinken des sozialen Schwerpunktes des Katharismus in späterer Zeit beobachtet (S. 451), doch fehlt in dieser Untersuchung jegliche Auseinandersetzung mit dem Katharismus des 14. Jahrhunderts. 55 Bei A. P. EVANS / W. L. WAKEFIELD, Heresies of the High Middle Ages, Selected Sources, Translated and Annotated, N e w York 1969 handelt es sich um eine Quellensammlung zu verschiedenen häretischen Bewegungen, die auf die hier untersuchten Quellen nicht eingeht. 56

M . ROQUEBERT, L ' é p o p é e c a t h a r e , 2 B d e , B d . 1: 1 1 9 8 - 1 2 1 2 : l ' I n v a s i o n , T o u l o u s e

1970;

Bd. 2: 1213-1216, Mouret ou la dépossession, Toulouse 1977. Der Katharismus im hier untersuchten Zeitraum ist nicht Gegenstand dieses Werkes.

14

Einleitung

G. Schmitz-Valckenberg (1971) 57 , M. Loos (1974)58, W. L. Wakefield (1974)59, E. Roll (1979) 60 , Y. Dossat (1982)61, C. Andresen / G. Denzler (1982) 62 und M. Erbstösser (1984)63. 5 7 G. SCHMITZ-VALCKENBERG, Grundlehren katharischer Sekten des 13. Jahrhunderts. Eine theologische Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung von Adversus Catharos et Valdenses des Moneta von Cremona (Veröffentlichungen des Grabmann-Instituts zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie, hrsg. M . SCHMAUS, W. DETTLOFF, R. HEINZMANN, Bd. 11), München - Paderborn - Wien 1971. Diese Untersuchung konzentriert sich auf eine theologiegeschichtliche Untersuchung vor allem des italienischen Katharismus und geht auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Untersuchung nicht ein. 5 8 M . L o o s , Dualist Heresy in the Middle Ages, Prag 1974. Seiner Darstellung nach endet die Geschichte des Katharismus Südfrankreichs mit dem Fall der in den Fenouillèdes gelegenen B u r g Quéribus 1255 (S. 203). 5 9 W. L. WAKEFIELD, Heresy, Crusade and Inquisition in Southern France 1100-1250, Berkeley - Los Angeles 1974, erwähnt zwar in seiner Bibliographie S. 274 das von DUVERNOY herausgegebene Registre, wertet es aber nicht aus und ist der Ansicht, schon um 1250 habe die Inquisition in Südfrankreich endgültig gesiegt. 6 0 E. ROLL, Die Katharer, Stuttgart 1979. Auch hier wird die Darstellung des Katharismus mit dem K a m p f der Katharer um Montségur (1244) und Quéribus (1255) abgeschlossen. Petrus Auterii wird als »letzter großer Führer« bezeichnet (S. 238), ohne daß erklärt wird, wozu die Katharer Südfrankreichs 50 Jahre nach ihrem Verschwinden 1255 einen solchen brauchen konnten. 6 1 Bei seinem Buch »Église et hérésie en France au XlIIe siècle«, London 1982, handelt es sich um eine Aufsatzsammlung des französischen Historikers, die sich ganz auf den Katharismus des 13. Jahrhunderts und die kirchlichen Gegenmaßnahmen gegen ihn konzentriert. 6 2 Artikel »Katharer« in: dtv-Wörterbuch zur Kirchengeschichte, Münchcn 1982, S. 307 f. In diesem namentlich nicht gekennzeichneten, sich im wesentlichen auf BORST stützenden Artikel wird behauptet, auf dem katharischen Konzil in St. Felix-de-Caraman 1167 sei vor allem über Lehrfragen diskutiert worden und die »radikaldualistische« Richtung habe sich dabei durchgesetzt, ferner wird der Katharismus als historisch letzter Versuch einer »Infiltration« des »iranischen Dualismus« im »Abendland« dargestellt. Die Existenz der Katharer im 14.Jahrhundert in den »kargen Randgebieten der Pyrenäen« wird zwar erwähnt, aber nicht eingeschätzt. Als Kuriosität muß zu diesem Artikel angemerkt werden, daß in ihm Albi nach Italien verlegt wird (S. 307) sowie eine die wahren Verhältnisse auf den K o p f stellende Theorie über die Reinkarnationslehre der Katharer auftaucht, wenn es hier heißt, den credentes »wurde nach altchristlichem Brauch ein lebenslängliches Katechumenat zugemutet, mit der Tröstung (consolamentum) als Sterbesakrament, das durch Handauflegung die Geisttaufe vermittelte, dafür aber auch der unmittelbare Zugang in das himmlische Lichtreich zugesagt. U m zu diesem Ziel zu gelangen, mußten hingegen die >Vollkommenen< eine mehrmalige, der >Reinigung< (Katharsis) dienende Seelenwanderung auf sich nehmen . . . « (S. 308). Abgesehen davon, daß wir nirgendwo hören, ein credens habe sich über die »Zumutung« beschwert, daß er das consolamentum erst auf dem Totenbett empfangen konnte (sondern diese Regelung gerade einen Teil der Attraktivität des Katharismus ausmachte), dient die Seelen Wanderung keineswegs der Reinigung der Seele, sondern ist Ausdruck ihrer im Himmel auf sich geladenen Schuld. Ein perfectus wird nach katharischer Lehre gerade nicht wiedergeboren, sondern seine Seele wird nach seinem Tod sofort befreit. Inkarnationen in früheren Existenzen der Seele eines perfectus haben mit der Existenz seiner Seele nichts zu tun, ebensowenig wie der Begriff »Katharer« auf das griechische »katharsis« zurückgeführt werden kann. Er bezeichnete vielmehr wahrscheinlich die »reine« Lebensführung der Katharer, vgl. BORST, Die Katharer, S. 240f. 6 3 M . ERBSTÖSSER, Ketzer im Mittelalter, Leipzig 1984. Auch nach dieser Darstellung endet die Geschichte des südfranzösischen Katharismus mit dem Fall von Montségur 1244. Zwar hätten sich im Schutz der Adelsburgen der Pyrenäen bis in die 60er Jahre des 13. Jahrhunderts

Biographie

des Petrus

Auterii

15

Ausnahmen von dieser allgemeinen Erscheinung sind I. v. Döllinger (1890), A. Borst (1953), J. Duvernoy (1976/79), M. D. Lambert (1977), A. Pales-Gobillard / Ch. Thouzellier (1979/1980), G. Rottenwöhrer (1982) und E. Werner / M. Erbstösser (1986), deren Ergebnisse und Einschätzungen zum Untersuchungsthema unten, Abschnitte 1.3.2 bzw. 1.3.3. dargestellt werden 6 4 . Damit kann als erstes Fazit festgehalten werden: Bis in die jüngste Vergangenheit hinein hat die Mehrheit der Katharerforscher und -forscherinnen den südfranzösischen Katharismus in der Regel mit der Mitte des 13. Jahrhunderts enden lassen und die nachfolgende Entwicklung bis ca. 1310 entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder als unwesentliches Nachspiel des »eigentlichen« Katharismus behandelt. Es ist bedauerlich, daß noch viele Jahre nach Duvernoys Edition des »Registre de Jacques Fournier« (1965) die besondere Entwicklung des Katharismus zu Beginn des 14. Jahrhunderts weithin übersehen wurde, zumal diese, wie oben angemerkt, seit langem bekannt und durch drei weitere Quellen besonders gut dokumentiert ist. Vermutlich lag aber gerade in der außerordentlichen Informationsdichte über eine Region von relativ geringer Ausdehnung und einen relativ kurzen Zeitraum das Problem der angemessenen Rezeption und Würdigung der in diesen Quellen enthalteten Informationen, verschärft durch die oben erwähnte Komplexität der Quellen, die im Grunde zunächst durchgreifend aufgearbeitet werden müssen, bevor ihr Stellenwert für die Entwicklung der katharischen Religion insgesamt eingeschätzt werden kann.

1.3.2 Die Forschung zum südfranzösischen Katharismus des Untersuchungszeitraums Die am Ende des vorigen Abschnitts getroffene Einschätzung wird im w e sentlichen bestätigt, wenn man sich die speziellere Literatur zum südfranzösischen Katharismus ansieht. Mit wenigen Ausnahmen wird der Untersuchungszeitraum nicht oder nur am Rande erwähnt. Dasselbe gilt für Petrus Auterii. 1.3.2.1

Ch. P. Bru

(1953)65

Der in diesem Aufsatz enthaltene Versuch einer soziologischen Interpretation des okzitanischen Katharismus befaßt sich vor allem mit der dualistischen Weltnoch vereinzelt Katharer halten können (S. 148), doch »zu Beginn des 14. Jahrhunderts ging das Katharertum merklich zurück« (S. 152). Gerade in diesem Zeitraum fand in Südfrankreich aber die erfolgreiche Reorganisation des Katharismus statt, deren Niederschlag die umfangreichen Quellen P, C und T sind. In seinem zusammen mit E. W E R N E R verfassten Buch aus dem Jahre 1986 geht E R B S T Ö S S E R dann auf Petrus Auterii ein, siehe unten. 64 Dort finden sich auch die bibliographischen Belege für die genannten Autoren. 65 Éléments pour une interprétation sociologique du catharisme occitan, in: R. N E L L I u. a.: Spiritualité de l'hérésie: le catharisme, Toulouse 1953, S. 22-59.

16

Einleitung

sieht dieser Religion. Das wesentliche Ergebnis Brus besteht in der A n n a h m e , der Katharismus sei im wesentlichen die Ideologie der nicht-feudalen Bevölkerung Okzitaniens gewesen, in der sich weniger die Ablehnung der gegenwärtigen schlechten als vielmehr die H o f f n u n g auf eine neue und bessere Welt geäußert habe. Es habe sich allerdings f ü r diese H o f f n u n g kein positiver A u s druck finden können, so daß die genannte H o f f n u n g im negativen Gegenentw u r f geblieben sei 66 . Der Katharismus sei ausdrücklich keine Klassenideologie, sondern eine solche der verschiedensten Klassen, ja »d'une même société«. Die Frage, welches gemeinsame Problem diese unterschiedlichen Klassen hatten und gegen wen sich die katharische Religion als ideologischer Ausdruck so unterschiedlicher sozialer Kräfte richtete, wird nur gestellt, nicht beantwortet 6 7 . Bru hat f ü r seine Studie keine eigenen Quellenuntersuchungen angestellt u n d die in der vorliegenden U n t e r s u c h u n g ausgewerteten Quellen nicht berücksichtigt. Die aufgrund der Quellen belegbare Verschiebung des sozialen Schwerpunkts des Katharismus im 14.Jahrhundert zur bäuerlichen d o m u s und auch ihre politisch-ideologische Frontstellung vor allem gegen die feudale Kirche u n d ihre Verbündeten, nicht gegen den Feudalismus als solchen, m u ß t e ihm so verborgen bleiben. 1.3.2.2 J. Duvernoy

(1964)68

D u v e r n o y setzt sich in seinem Aufsatz vor allem mit der Ansicht auseinander, der Katharismus sei eine Position der Verweigerung aller sozialen Pflichten durch seine Anhänger, der Leugnung der sozialen Fundamente der gesamten feudalen Gesellschaft gewesen, etwa durch seine Ablehnung des Eides, seines Verbotes der T ö t u n g sowie gesellschaftlicher Z w a n g s m a ß n a h m e n überhaupt u n d weist diese verallgemeinernde Ansicht mit dem A r g u m e n t zurück, dies bliebe alles schon deswegen hypothetisch, da die Katharer selber nie die Chance gehabt hätten, einen eigenen Staat zu gründen und aufgrund ihrer Position zu führen 6 9 ; außerdem hätten die genannten katharischen Regeln i m m e r nur f ü r die quantitativ begrenzte G r u p p e der perfecti, nicht die credentes gegolten. Seine 66

Ebenda, S. 58 f. Ebenda. 68 Les Albigeois dans la vie sociale et économique de leur temps, in: Annales de l'Institut d'Études occitanes, Actes du colloque de Toulouse, années 1962/63. Toulouse 1964, S. 64-72. 69 In diesem Z u s a m m e n h a n g m u ß das zeitgleiche, von feudalen manichäischen Fernhändlern geführte zentralasiatische Staatswesen v o n Chotscho (850—1250) erwähnt werden, in dem sich eine mit dem Katharismus eng verwandte dualistische Religion sehr wohl als fähig erwiesen hat, eine staatliche und soziale O r d n u n g aufrecht zu erhalten - freilich unter erheblichen Veränderungen der religiösen Lehre. Vgl. hierzu A. v. GABAIN, Das uigurische Königreich v o n Chotscho 850-1250. Sitzungsberichte der deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, Berlin 1961; H . J . KLIMKEIT, Manichean Kingship: Gnosis at h o m e in the World, in: N u m e n X X I X (1982), S. 17-32; ders., Der Untergang des Manichäismus in O s t und West, in: H. ZINSER (Hrsg.), Religionen im U n t e r gang, Köln 1986, S. 113-125, ders., Die Begegnung von Christentum, Gnosis und Buddhismus an der Seidenstraße, Vorträge der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, 67

Biographie

des Petrus Auterii

17

These lautet daher, daß der Katharismus mit der mittelalterlichen Gesellschaft keineswegs prinzipiell unvereinbar gewesen sei. 70 Diese These sucht Duvernoy durch eine kurze Analyse der katharischen Theorie und Praxis gesellschaftlichen Lebens zu belegen, wobei er die 1965 von ihm edierte Quelle P sowie andere von ihm ausgewertete Quellen zur früheren Geschichte heranzieht. Aufgrund dessen war ihm der Katharismus bis 1310 natürlich im Blick 71 . Das entscheidende Ergebnis seiner Untersuchung ist, daß die früheren perfecti (bis etwa 1240) in der Regel ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiteten, während in der folgenden Zeit (also unserem Untersuchungszeitraum) umgekehrt überwiegend die credentes die perfecti durch Spenden ernährt hätten 72 ein Umstand, der von ihm freilich nicht weiter untersucht und im Grunde mehr als durch die Umstände erzwungene Ausnahme verstanden wird 7 3 . Charakteristischerweise stammen nun alle von Duvernoy herangezogenen Belege für die Erwerbsarbeit von perfecti (Weben, Schneidern, Landarbeit, Holzarbeit, Unterricht, medizinische Arbeit, Handel, vor allem Geldhandel) aus der Zeit vor 124074. Die Albigenserkriege und in der folgenden Zeit Inquisitionstätigkeit führten zu einer erheblichen Auswanderungswelle von perfecti und credentes vor allem nach Norditalien oder zwangen die verbliebenen perfecti in den Untergrund, wo regelmäßige Arbeit zum Zweck der eigenen Ernährung naturgemäß schwierig zu organisieren war 7 5 . Erstaunlich bleibt, daß Duvernoy trotz seiner hervorragenden Kenntnis der Quellen P, C und T den qualitativen Unterschied in den Formen des Katharismus bis 1240 und danach nicht thematisiert hat. Es ist ja klar, daß katharische perfecti, die im Unterschied zur früheren Praxis durchweg als asketische Wanderprediger lebten, sich nur schwer oder gar nicht von regelmäßiger Erwerbsarbeit ernähren konnten. Die perfecti unseres Untersuchungszeitraums, und so auch Petrus Auterii, lebten von Spenden, die sie den credentes verdankten. Dabei handelt es sich nicht bloß um eine von den credentes etwa verständnisvoll akzeptierte Ausnahme 76 , sondern um die Regel, und dies zu gewährleisten war Geisteswissenschaften, G 238, Opladen 1986; ders., Zerstörung manichäischer Klöster in Turfan, in: Zentralasiatische Studien 18 (1985), S. 7—11. 70 AaO., S. 65. 71 DUVERNOY periodisiert die Geschichte des Katharismus insgesamt in drei Epochen: vor 1209, bis 1229, bis 1240; die Zeit bis 1310 wird als »dernière flambée des Pyrénées au Quercy« bezeichnet (S. 67). 72 S. 65 ff. 73 Im Gegensatz zu DUVERNOYS Einschätzung ist die im Zusammenhang mit Guillelmus Auterii an einer Stelle genannte Schneiderei aber nicht als Arbeit zur Aufbringung des Lebensunterhalts zu verstehen, sondern wohl eher eine Gelegenheitsarbeit. Wir hören in den ausgewerteten Quellen nirgends, daß die perfecti £ur ihren Lebensunterhalt systematisch gearbeitet oder Handel getrieben hätten, sehr oft aber ist von Spenden und Geschenken an sie die Rede auch in Geldform (siehe Abschnitt 4.5.2 und im Zusammenhang mit dem consolamentum Abschnitt 5.6.3.1.). 74 75 76

AaO., S. 67-70. AaO., S. 72. S o DUVERNOY, a a O . , S. 67.

18

Einleitung

eine wesentliche Funktion des Hospizsystems, das im Zentrum des von Petrus Auterii reorganisierten Katharismus stand. 1.3.2.3 A. Cazenave

(1972)77

Das Interesse der Autorin liegt, wie ihre Quellenauswahl zeigt 78 , auf einer Darstellung des Katharismus und seiner hierarchischen Organisationsform während der historischen Phase unmittelbar nach der Niederlage von Montségur 1244 und im Bereich des Sabarthès und Kataloniens. Hierfür hat die Autorin allerdings P nur am Rande herangezogen, um eine Übersicht derjenigen Orte des Sabarthès zu erstellen, an denen auch zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch Katharer nachzuweisen sind 79 . Die Quellen T und C wurden von ihr nicht ausgewertet 80 . Dadurch sowie durch ihre Beschränkung des Untersuchungszeitraums auf die historische Phase, in der noch eine katharische »hiérarchie« und ihre Strukturen untersuchbar sind, ist die Reorganisationsphase in der Zeit des Petrus Auterii nicht ihr Thema. Die Untersuchung endet mit dem Tod des letzten katharischen Bischofs von Toulouse, Arnaldus Rogerii (Amtszeit etwa 1244-1252) 81 . Petrus Auterii wird im letzten Satz erwähnt als derjenige, der das unter der Asche glimmende Feuer des Katharismus wieder angefacht habe 82 . Die Autorin hat sich auf die unmittelbar vor der uns interessierenden Phase gelegene Zeit konzentriert. Die Entstehung einer neuen katharischen Organisation, verbunden mit dem Namen des Petrus Auterii, war nicht ihr Thema. Es liegt allerdings, wie schon deutlich geworden sein dürfte, durchaus im Trend der bisherigen Forschung, die Zeit nach ca. 1250 nicht mehr zu berücksichtigen. Wichtig für die vorliegende Untersuchung ist dabei, daß die Autorin den historischen Zuschnitt ihrer Untersuchung mit den Organisationsformen des Katharismus verbindet: es gab nach 1300 keine katharische Hierarchie mehr in dem Sinne, wie sie ihn darstellt. Dies ist ein bestätigendes Indiz für die in der vorliegenden Untersuchung vertretene These, daß der Katharismus des Petrus 77 Les cathares en Catalogne et Sabarthès d'après les registres d'Inquisition. La hiérarchie cathare en Sabarthès après Montségur, in: Bulletin philologique et historique du comité de travaux historiques scientifiques jusqu'à 1610, 1 (1969), Paris 1972, S. 387-436. 78 Die in der vorliegenden Untersuchung ausgewerteten Quellen gehören nicht den aaO., S. 388 »en premier lieu« herangezogenen Quellen. Bei diesen handelt es sich u m Inquisitionsakten aus den Jahren 1245/46 (Archives départementales de la Haute-Garonne Ms. 124), drei Bände der Sammlung Doat (Bd. X X I V - X X V I ) sowie ein Manuskript der Bibliothèque municipal de Toulouse (Ms. 609). 79 A a O . , S. 414-417. 80 Für die Darstellung des Katharismus im Sabarthès zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist vor allem die fehlende Auswertung v o n C ein Mangel. P allein als Quelle hierfür reicht nicht hin. Wie die Arbeiten v o n DUVERNOY und VIDAL zeigen, war diese Quelle durchaus bekannt, w e n n auch nicht ediert. 81 A a O . , S. 428. 82 Ebenda.

Biographie des Petrus Auterii

19

Auterii nicht einfach als Fortsatz des hierarchisch organisierten Katharismus verstanden werden kann, sondern eine qualitativ neue E n t w i c k l u n g war. 1.3.2.4

A. Pales-Gobillard

(1976)83

Diese kurze Darstellung der E n t w i c k l u n g des Katharismus in der Grafschaft F o i x bis zum B e g i n n des 14. Jahrhunderts gibt eine U b e r s i c h t über die hierarchische Organisationsform der Katharer, ihre Riten und ihre Lehre. D i e Autorin hat dafür neben den auch in unserer Untersuchung ausgewerteten Quellen weiteres Material herangezogen 8 4 . Ihre Schilderung der »organisation de l'église hérétique« 8 5 bleibt allerdings ganz i m R a h m e n der Zeit, als der Katharismus in B i s t ü m e r n , Diakonaten und maisons organisiert war - von solchen Strukturen ist in der Zeit des Petrus Auterii in den Quellen nicht das Mindeste belegt. Ihre kurze E r w ä h n u n g des Petrus Auterii stützt sich a u f den 1970 erschienen Aufsatz J . D u v e r n o y s zur Biographie dieses perfectus (aaO.) und wiederholt dessen irrtümliche D a t i e r u n g e n 8 6 . D i e Tatsache, daß dieser perfectus nach den Quellen weder katharischer B i s c h o f noch D i a k o n war und auch keine »maison« leitete, o b w o h l er als »ancianus« bezeichnet wird (also mit einem Titel, den in der Zeit des kirchlich organisierten Katharismus der Vorsteher einer in einer »maison« ortsfest zusammenlebenden Gruppe von credentes und perfecti führte), wurde nicht thematisiert, ebensowenig die Bedeutung des Petrus Auterii für die Zeit ab 1300, die zuvor von A . Cazenave zutreffend angedeutet worden w a r 8 7 . So bleibt auch ihr Ergebnis unbefriedigend: in welchem Sinne kann man davon sprechen, es habe bis zum 14.Jahrhundert in der Grafschaft F o i x eine katharische »église fortement constitué« g e g e b e n ? 8 8 Es ist klar: sieht m a n den kirchlich organisierten Katharismus als die einzig wahre und reine F o r m dieser Religion an, dann ist die von A. Pales-Gobillard gegebene Charakterisierung der Zeit ab 1300 verständlich: »Abandonnée de ses chefs, la population, réduite aux prêches de simple bergers, ne tarde pas à mêler bientôt d'anciennes croyances populaires à l'enseignement primitif qui lui avait été prodigu«. 8 9 8 3 Le catharisme dans le comté de Foix des origines au début du XIVe siècle, in: Revue des questions historiques 189 (Januar 1976), S. 180- 200 8 4 Und zwar die in der Sammlung Doat, Bd. X X I I - X X V I enthaltenen Quellen, allerdings vor allem für die ältere Zeit. 8 5 AaO., S. 185 ff. 8 6 AaO., S. 184, Anm. 3. Für die falsche Datierung der Abreise des P. Auterii auf das Jahr 1298 aus dem Sabarthès wird eine einzige Belegstelle zitiert. Die Datierung der Rückkehr auf 1300 ist richtig. Ein gegenüber DUVERNOY allerdings neuer Fehler ist die Verlegung des Herkunftsortes der Familie Auterii nachTarascon (statt Ax), aaO., S. 184. 8 7 In der Einleitung ihrer 1984 erschienen Quellenedition (C) hat A. PAI.ES--GOBII.LARD dann allerdings Petrus Auterii als die zentrale Figur des Katharismus zu Beginn des 14. Jahrhunderts gekennzeichnet, siehe C, S. 1. 8 8 AaO., S. 199. 8 9 AaO., S. 200.

20

Einleitung

Die vorliegende Untersuchung wird einen anderen Weg gehen. Hier soll die Entwicklung des Katharismus nach 1300 nicht als »primtif« oder »simple« abgewertet, sondern als eigenständiger Weg in seinen genuinen Formen und Lehren für die ihn realisierenden Menschen plausibel gemacht werden. 1.3.2.5

A. Cazenave

(1979)90

Wie schon in ihrem oben zusammengefassten Aufsatz über den Katharismus in Katalonien und dem Sabarthès nach 1244 endet für A. Cazenave die Existenz der katharischen Bewegung im Untersuchungsgebiet vor 1300 mit den Massenauswanderungen der Häretiker nach Italien oder Katalonien. Die nachfolgende Zeit wird nur kurz charakterisiert 91 , die Anmerkungen zeigen, daß sie zum Katharismus ab 1300 keine eigenen Quellenuntersuchungen angestellt hat. O h n e auf Petrus Auterii einzugehen, benennt sie den qualitativen Unterschied des offen auftretenden Katharismus mit dem im Untergrund operierenden: »Cette organisation, l'opus hereticorum, comme l'appellent les textes, date du temps où les parfaits vivaient au grandjour, entretenus par la communauté des fidèles, mais, avec le danger, elle a pris une caractère secret. Transmis aux hôtes des fugitifs, les dons des croyants leur viennent en aide pour vêtir et nourrir les proscrits. . . . Parfaits et faydits y séjournent, et circulent de l'un à l'autre, hébergés par des cercles fervents. « 92

Hiermit hat die Autorin eine kurze Charakterisierung des Hospizsystems gegeben, das sie allerdings nicht weiter auf seine Funktion und Bedeutung für seine Trägergruppen untersucht hat. Petrus Auterii wird in diesem Z u s a m m e n hang nicht erwähnt. 1.3.2.6

A. Pales-Gobillard / Chr. Thouzellier

(1979/80)93

Die beiden Autorinnen haben in einer Reihe von Seminaren zum T h e m a der Geschichte häretischer Sekten im Okzident in vielfältiger Weise zum Katharismus, besonders seiner Lehre Stellung bezogen. Dabei galt ihr Interesse durchweg dem Katharismus vor unserem Untersuchungszeitraum. In einer eher beiläufigen Bemerkung zum Katharismus des 13./14. Jahrhunderts zeigt sich allerdings, daß die oben schon sich andeutende Einschätzung von A. Pales-

90 La résistance cathare de la défaite à l'exil, in: Histoire et clandestinité du Moyen-Age à la première guerre mondiale. Colloque de Privas (Mai 1977), Revue du Vivarais, Albi 1979, S. 337-352. 91 AaO., S. 351 f. 92 AaO., S. 351. 93 Histoire des sectes dans l'occident médiéval, in: Annuaire de l'Ecole Pratique des HautesEtudes, 88 (1979/80), 419-421. Dieser Artikel steht im Zusammenhang einer Reihe von Protokollen, die die Autorinnen über Seminare zum Thema häretischer Bewegungen im Okzident veröffentlicht haben und die in der angegebenen Zeitschrift ab 1979 erschienen. Zum Untersuchungsgegenstand äußerten sie sich nur am hier angegebenen Ort.

Biographie

des Petrus

Auterii

21

Gobillard, den Katharismus zur Zeit des Petrus Auterii als primitive Mischung des eigentlichen Katharismus mit allerlei Volksglauben, fabriziert durch Hirten und Bauern, sich fortsetzte. Wir hören, daß »malgré la permanence du rite, la dégénérescence progressive et flagrante de la doctrine cathare au point que, vers la fin du XHIe siècle, surtout au début du XI Ve siècle en Ariège, les bergers »pseudo-ministres« s'adonnent à des divagations comme on le voit dans les Registres de Jacques Fournier et à Montaillou. A l'origine, nantis d'une église hiérarchisée du sommet à la base, croyants groupés autour de parfaits, d'évêques, les Cathares constituent, malgré des divergences, un corps autonome dangereux pour le monothéisme chrétien. U n siècle après les églises mutilés, exsangues, enfin détruites n'ont plus que des ouailles frustrés de guide et qui s'adonnent en Languedoc à des élucubrations les plus pittoresques. Celles-ci, fruit de tout un amalgame d'idées saugrenues, hétéroclites, venues d'horizons divers, ne répondent plus à un système doctrinal défini. Le catharisme authentique est bien mort, remplacé par une hérésie abâtardie, dégénérée, totalement dénuée d'intérêt.« 9 4

In wünschenswerter Klarheit haben die beiden Autorinnen damit klargestellt, wie sie den Katharismus des ausgehenden 13. und 14. Jahrhunderts interpretieren: es handelt sich dabei ihrer Ansicht nach um keinen Katharismus mehr, sondern um einen »bastardisierten« und »degenerierten« Synkretismus, angeführt von »pseudo-ministres«. Der wahre und authentische Katharismus ist zu dieser Zeit ihrer Meinung nach schon tot. Die Kriterien für diesen wahren Katharismus werden ebenfalls klar genannt: hierarchisiert-kirchliche Organisationsform und doktrinale Einheitlichkeit der Lehre. Warum diese Form des Katharismus untergegangen war, weshalb er in anderer Form weiterleben konnte - all das wird ebensowenig argumentativ begründet wie die Frage, weshalb die eine Form die »authentische«, die andere aber die »bastardisierte« ist. Von Interesse für den Leser wäre auch sicher gewesen, auf welche Quellen aus P die Autorin ihr Verdikt über die Religion der katharischen Bewohner von Montaillou stützt. Ferner kann Petrus Auterii sicher nicht als »berger« bezeichnet werden - er war vielmehr vor seinem Ausstieg aus der bürgerlichen Karriere politisch einflußreicher Notar. Sein Name wird auch nicht erwähnt. Wie dem auch sei, historisch belegte und interpretationsbedürftige Tatsache bleibt, daß die Entwicklung des Katharismus nicht mit seiner kirchlich verfassten Organisationsform beendet war. Katharer gab es auch ohne »évêques«. Allein schon die rasche Verbreitung des Hospizsystems nach 1300 ist in sich unerklärlich, wenn man nicht annimmt, daß große Gruppen von credentes weiter existierten, auch nachdem die meisten perfecti außer Landes gegangen waren. Daß Petrus Auterii nach seiner fluchtartigen Abreise aus Ax im Frühherbst 1296 diesen Weg nicht ebenfalls beschritt, sondern in seine Heimat zurückkehrte und dort im Verein mit anderen erfolgreich eine geheime katharische Organisation aufbaute, genau darin besteht seine Bedeutung, und dies ist der zu erklärende Tatbestand. 94

AaO., S. 420 f.

22

Einleitung

Wie oben schon angedeutet, erscheint die Herangehensweise von Pales-Gobillard und Thouzellier an die Quellen zur Erhebung und Interpretation dieses Tatbestandes wenig hilfreich - eine der beiden Autorinnen, A. Pales-Gobillard, hat sich in der Folgezeit dann ja auch mit der Edition der Quelle C ausführlich mit dem zuvor von ihr als »völlig uninteressant« eingestuften Katharismus der Jahre 1300-1310 beschäftigt. 1.3.2.7.

(1982)95

G. Rottenwöhrer

Dieser konkordanzartige Überblick 9 6 über die sich mit dem Katharismus beschäftigenden mittelalterlichen Quellen geht auf Petrus Auterii an einigen Stellen ein, stellt sich aber nicht die Aufgabe, seine Lehre und sein Leben im Zusammenhang zu rekonstruieren. Die Lehre des Petrus Auterii wird entsprechend der von Rottenwöhrer vorgeschlagenen Terminologie durchgehend als »diprinzipal« etikettiert, womit freilich für das Verständnis der Besonderheit dieses perfectus wenig gewonnen ist. 1.3.2.8

E. Carbonne

(1983)97

Auch dieser Artikel beschränkt seinen Untersuchungszeitraum ganz auf die Phase der katharischen Entwicklung, in der dieser offen auftreten konnte 9 8 . Er enthält keinen Hinweis auf die vom Verfasser ausgewerteten Quellen. Wichtig ist er insofern, als durch ortsnamengeschichtliche Untersuchungen nachgewiesen oder vermutet wird, daß die Namen einiger heutiger Friedhöfe und andere Ortsnamen ihren Ursprung bei den katharischen »maisons« hatten, zu denen nach Auskunft von Carbonne auch Grundbesitz gehörte 99 . Zusammenfassend muß damit gesagt werden, daß die sich mit dem Katharismus des Untersuchungsgebietes befassende speziellere Forschung ebenso wie die allgemeine Literatur zum Katharismus insgesamt die Phase von 1300-1310 95 Der Katharismus, Bd. 1/1 Quellen zum Katharismus; Bd. 1/2 Anmerkungen; Bd. II/1 Der Kult; Bd. II/2 Die religiöse Praxis. Die Kritik an Kult und Sakramenten der katholischen Kirche, Bad Honnef 1982. 96

K. V.

SELGE c h a r a k t e r i s i e r t

das umfangreiche Werk

ROTTENWÖHRERS als

»hilfswissen-

schaftliche Arbeitsleistung«, vgl. seine Rezension in: Theologische Literaturzeitung 112 (1987), Nr. 9, S . 672 f. 97 Le Catharisme en Ariège et dans les vallée de Lesponne. Son rôle social - ses couvents - ses cimetières, in: Via domitia 29 (1983), Toulouse, S. 129-140 (posthum veröffentlicht von PH. CARBONNE). 98 Montségur ist »le Verdun de l'Occitanie . . . et le tombeau du Catharisme« (aaO., S. 129), der endgültige historische Endpunkt seiner Entwicklung ist durch das Jahr 1259 markiert (aaO.,S. 132). 99 Die katharischen Zusammenschlüsse (die »maisons«) werden von Carbonne als Konvente bezeichnet (»couvents«): »Les couvents n'étaient pas seulement un lieu de prière. C'était aussi des hospices, des maisons de retraite pour les pauvres, des asiles pour les enfants, des refuges pour les malades. . . . Les domaines dépendant des couvents avaient une certaine importance. « (aaO., S. 130f)

Biographie

des Petrus

23

Auterii

wenig oder gar nicht beachtet hat. Einige Autoren und Autorinnen geben allerdings indirekt wertvolle Hinweise auf die Tatsache, daß der Katharismus, wie ihn Petrus Auterii repräsentierte, eine eigenständige Form dieser Religion war, wie sich am Beispiel der von Duvernoy untersuchten Erwerbstätigkeit von perfecti oder des Wandels vom Auftreten der Katharer »au grand jour« zur geheimen Sekte zeigte, wie ihn A. Cazenave andeutete.

1.3.3

Bisherige

Forschungsergebnisse

zur Biographie

des Petrus

Auterii

Im letzten Teil dieses Überblicks zur Forschungslage werden nun die bisher erzielten Ergebnisse zur Biographie des Petrus Auterii und seiner Form des Katharismus gesichtet. 1.3.3.1

Ch. Schmidt

(1849)100

Der Elsässer Theologe Charles Schmidt hat die erste heute noch greifbare historische Interpretation der katharischen Entwicklungsetappe Südfrankreichs in der Zeit ab 1300 gegeben und sie als Zeit neuerlichen Anwachsens, aber auch der »Verrohung« des Katharismus (»recrudescence«) gekennzeichnet, zugleich als Zeit der Wiederbelebung alter Hoffnungen der Katharer 101 . Er kannte und nutzte als wichtigste Quelle für seine Forschung das Inquisitionsregister aus Toulouse. Seiner Ansicht nach war das neuerliche Wiederaufleben des Katharismus ab ca. 1300 ein Erfolg, wobei er zu Recht die damit einhergehende neue organisatorische Form als auf »anciani« beruhend beschreibt 102 . Schmidt beschreibt ferner auch die zwischen der Lombardei und Südfrankreich bestehenden engen Bindungen. Mit dem Ergebnis der vorliegenden U n tersuchung übereinstimmend sieht er in Petrus Auterii den wichtigsten perfectus, den »chef« 103 , läßt allerdings irrtümlich, da ihm eben nur T zur Verfügung stand, dessen receptio zum perfectus in C o m o stattfinden 104 . Zutreffend beschreibt er Lebensweise und Ritualpraxis der perfecti um Petrus Auterii, allerdings rein beschreibend, und unternimmt eine erste, auf der Basis seiner Quelle erstellte Aufzählung der Orte, in denen Petrus Auterii Kontakte zu credentes fand 105 . In einer Zeit verschärfter Verfolgung, markiert vor allem durch die Tätigkeit des Geoffroy d'Ablis als Inquisitor von Carcassonne, habe 100 CH. SCHMIDT, Histoire et doctrine de la secte des Cathares ou Albigeois, 2 Bde., Paris und Genf 1849, S. 347-357. 101 AaO., S. 347. 102 En peu d'années tout le pays se trouva de nouveau rempli de croyants; les congrégations se reformèrent sous la direction des anciens . . . «, aaO., S. 348. 103 AaO. 104 AaO., S. 349. 105 AaO., S. 350, Anm. 1.

24

Einleitung

sich eine Reihe v o n perfecti nach Italien geflüchtet und sei erst einige Jahre später wieder z u r ü c k g e k o m m e n , darunter auch Petrus Auterii 1 0 6 , eine Darstellung, die der A u s w e r t u n g der Quellen nicht standhält, ebensowenig wie die Identifizierung des Verhaftungsortes des perfectus mit B e a u p u y (in Wahrheit Beipech) 1 0 7 . Insgesamt hat Schmidt damit eine in vielen Punkten richtige, in manchen falsche Darstellung des Katharismus zur Zeit des Petrus Auterii gegeben, die vor allem aufgrund seiner beschränkten Quellenkenntnisse auch nicht besser sein konnte. D a f ü r hat er ihn zu Recht als seinen letzten A u f s c h w u n g gekennzeichnet, der nur und in erster Linie durch den massiven Einsatz kirchlicher und staatlicher Z w a n g s m a ß n a h m e n beendet werden konnte 1 0 8 . 1.3.3.2

Ch. Molinier

(1880)109

A n den Abschluß des sich mit dem Registre des G e o f f r o y d'Ablis (in der vorliegenden Untersuchung bezeichnet als Q u e l l e C) auseinandersetzenden K a pitels seiner Geschichte der Inquisition des Midi im 13. und 14. Jahrhundert hat Molinier eine »Biographie rapide« des Petrus Auterii gestellt, eingebettet in eine kurze Übersicht über die Situation des M i d i z u m Zeitpunkt seines Verschwindens aus der Grafschaft Foix, seiner Familie, seiner Tätigkeit als perfectus. Für diese Kurzbiographie stützte sich Molinier auf zwei Q u e l l e n : die Inquisitionsakten aus Carcassonne und Toulouse. Die Akten der Inquisition Pamiers waren ihm offenbar unbekannt 1 1 0 . Z u Recht versteht Molinier Petrus Auterii als anerkanntes H a u p t der katharischen B e w e g u n g zu Beginn des H.Jahrhunderts 1 u . Er habe zu den wenigen ins lombardische oder katalanische Exil gegangenen Anhängern des Katharismus gehört, die wieder in die Heimat zurückkehrten (außer Petrus Auterii wird kein anderer Vertreter dieser Rückwanderung genannt) 1 1 2 . D a s D a t u m der Rückkehr wird aufgrund einer unvollkommenen Quellenauswertung vor allem von C auf die Zeit zwischen 1295 und 1298 angesetzt 1 1 3 , die Abreise aus d e m Sabarthes nach Italien gar nicht datiert. A a O . , S. 353. A a O . , S. 357. 1 0 8 A a O . , S. 357f. 1 0 9 CH. MOLINIER, L'Inquisition dans le Midi de la France au XHIe et au X l V e siècle. Étude sur les sources de son histoire, Paris 1880, Neudruck N e w York, o . J . , S. 143-161. 1 1 0 Diese Q u e l l e wird in seiner gesamten, laut Untertitel als Quellenkunde zur Geschichte der Inquisition verstandenen Untersuchung nicht erwähnt oder dargestellt. 1 1 1 A a O . , S. 143. 1 1 2 A a O . , S. 144f. 1 1 3 Für seine Datierung stützt sich MOUNIER, aaO., S. 145, A n m . 1 auf die problematischen, weil in sich widersprüchlichen Aussagen des Ramundus Issaura aus Larnat, die dieser noch dazu, was MOUNIER entgangen ist, einige Seiten weiter selber u m nicht weniger als fünf Jahre korrigierte. Die wesentlichen Aussagen zur Rekonstruktion der Ereignisse u m die Rückkehr des Petrus und Guillelmus Auterii (die ihres Bruders Ramundus sowie Aussagen aus der d o m u s de Rodesio) sind von MOUNIER nicht herangezogen worden. Alle in Frage kommenden Quellen zu dieser Frage werden unten, Abschnitt 4.1 ausführlich dargestellt und interpretiert. Petrus Auterii kehrte in der Q u a d r a g e s i m a 1300, also vor dem 10. April dieses Jahres, in seine Heimat zurück. 106 107

Biographie

des Petrus

Auterii

25

Obwohl dies nicht so belegt ist, vermutete schon Molinier (wie auch die vorliegende Untersuchung), daß Petrus Auterii von Bernardus Audoyni in der Lombardei zum perfectus gemacht wurde - allerdings nicht in Como, wie Molinier aufgrund eines Lesefehlers in C meinte 114 , sondern im heute piemontesischen Cuneo 1 1 5 . Hier war er, wie Molinier richtig feststellte, »ancianus« geworden, wobei nicht thematisiert wird, was dieser Titel bedeutete 116 . Molinier gibt einen summarischen Überblick über die Verwandtschaftsverhältnisse des perfectus und vermutet, daß sie ihn für seine katharische Aktivität auf die Hilfe des kleinen Adels haben hoffen lassen 117 . Eine genauere Analyse der sozialen und geographischen Expansionsmöglichkeiten des perfectus unterbleibt aber trotz einiger Ansätze, insbesondere zur Bedeutung des Sabarthès als wesentliches Rückzugsgebiet 118 . Obwohl Molinier zuvor schon feststellte, »praktisch jede Seite« von T enthalte Hinweise auf die Tätigkeit des Petrus Auterii 119 , hat er diese Quelle nicht dazu genutzt, das Wirkungsgebiet des perfectus näher zu bestimmen. Seiner Ansicht nach beschränkte sich dieses (mit der Ausnahme von Limoux) auf ein einziges Département, nämlich Ariège 120 , während die eingehende Analyse der Quellen zeigt, daß Petrus Auterii auf einem Gebiet tätig war, daß sich auf fünf heutige Départements (Ariège, Aude, Tarn, Tarn-et-Garonne, Haute-Garonne) erstreckte. Die einzige Aussage, die Molinier zur Bestätigung dieser Ansicht zitiert, stammt aus der Aussage des Guillelmus de Rodesio in C. Richtig erwähnt Molinier einige Umstände der Verhaftung des perfectus in Beipech (letzter Aufenthaltsort, Datum, Steckbrief des Bernard Gui) 121 und stellt danach längere Überlegungen dazu an, weshalb der Prozess des perfectus erst zwei Jahre nach dessen Verhaftung abgeschlossen worden sei 122 . Des Rätsels Lösung ist nicht, wie Molinier meint, das vergebliche Angebot der Inquisition zur Kollaboration des Petrus Auterii mit ihr, sondern die falsche Datierung Moliniers der Urteilsverkündung über Petrus Auterii auf den 9. 4. 1311 (statt 1310), womit sich die Haftzeit Auteriis auf sieben Monate reduziert 123 . 114

AaO., S. 145. Vgl. unten, Kapitel 3. 116 Nach der territorial-hierarchischen Verfassung der Katharer des 12. und 13. Jahrhunderts hätte ein ancianus, wie es Bernardus Audoyni war (T, 68), keinen anderen perfectus zum ancianus machen können, denn dies war Sache des Bischofs der entsprechenden ecclesia bzw. des diaconus eines Bezirkes. Der Titel des ancianus bezeichnete damals den Vorsteher einer »maison«, also einer ortsfest zusammenlebenden Gruppe von credentes und perfecti. Daß dies jedenfalls nicht die Funktion des Petrus Auterii war, zeigt schon ein einziger Blick in die Quellen. 117 AaO., S. 148. 118 AaO., S. 149-151. 119 AaO., S. 143. 120 A a O . , S . 151, Anm. 2. 121 AaO., S. 158 f. 122 AaO., S. 159-161. 123 Vgl. hierzu unten, Kapitel 7. 115

26

Einleitung

Molinier hat ein Beispiel dafür gegeben, die Bedeutung Petrus Auteriis als perfectus aus der Interpretation der Quellen abzuleiten und sie nicht an von außen herangetragenen Schemata zu messen, die ihre Kriterien aus einem vermeintlich »wahren« und »reinen« Katharismus ableiten, den es zu seiner Zeit angeblich nicht mehr gab 1 2 4 . Andererseits verzichtete er im Rahmen seiner »Biographie rapide« auf eine umfassende Interpretation der Bedeutung des perfectus auch für den Katharismus seiner Zeit. Petrus Auterii als Reorganisator des Katharismus ist ihm zwar als Person deutlich spürbar imponierend, doch fehlt die Einschätzung und Kennzeichnung des qualitativ Neuen am Katharismus seiner Zeit. Seine Darstellung bleibt so im wesentlichen deskriptiv. Insgesamt zeigt sich bei Molinier, zu welchen Problemen eine einseitige Quellenauswahl führt. Er hat C viel zu stark, dafür aber unvollständig ausgewertet und seine Auswertung von T nicht dahingehend genutzt, den verglichen mit seiner Annahme tatsächlich viel größeren Wirkungsbereich Petrus Auterii's angemessen darzustellen. 1.3.3.3

Ignaz von Döllinger

(1890)125

Die Probleme, die sich bei der Lektüre v. Döllingers aus den editorischen Unvollkommenheiten des zweiten Bandes seines Werkes ergeben, wurden oben schon angemerkt. Andererseits hat v. Döllinger als erster neben vielen anderen auch alle drei in der vorliegenden Untersuchung bearbeiteten Quellen für seine Darstellung des Katharismus genutzt und damit die erst seit ihrer Edition durch J . Duvernoy bekannt gewordene Quelle P in die Diskussion eingebracht. Die wenigen Äußerungen zu Petrus Auterii, die v. Döllinger bringt, sind rein deskriptiv und stehen inhaltlich in keiner Beziehung zueinander 126 . Von einer historischen Einschätzung dieses perfectus hat der Autor völlig abgesehen, ganz zu schweigen von einer Darstellung seiner Biographie. Seine Bemerkungen zu Petrus Auterii können deshalb beiseite bleiben.

1 2 4 Völlig zu Recht und im Einklang mit den Quellen bezeichnet MOLINIER die Rolle des Petrus Auterii als die eines Anfangs, nicht eines dekadenten Endes, wenn er die Zeit um 1300 beschreibt als »l'époque où c o m m e n c e véritablement le rôle religieux de Pierre Autier« (aaO., S. 143). 1 2 5 I. v. DÖLLINGER, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters, Erster Teil: Geschichte der gnostisch-manichäischen Secten im früheren Mittelalter / Z w e i t e r Teil: D o k u m e n t e vornehmlich zur Geschichte der Valdesier und Katharer, M ü n c h e n 1890 (Neudruck Darmstadt 1982). 126

A a O . , B d . 1, S . 2 1 3 . 2 2 3 f . 2 3 0 . 2 3 8 . I n B d . 2 , i n d e m d i e v o n v . D Ö L L I N G E R h e r a u s g e g e -

benen D o k u m e n t e enthalten sind, k o m m t der perfectus häufiger vor (S. 21. 24 f. 145. 154. 157. 211. 213. 241 ff. 251), doch hier erst recht o h n e j e d e n inneren Zusammenhang.

Biographie

1.3.3.4

J.M.

Vidal

des Petrus

27

Auterii

(1906/1909)127

Mit J. M. Vidal begann insofern ein neues Kapitel der Forschung über Petrus Auterii, als in seinen Arbeiten erstmals alle drei auch in der vorliegenden Untersuchung ausgewerteten Quellen in den Mittelpunkt gestellt werden 128 , die er ausführlich bearbeitet hat. Sein Aufsatz »Les derniers ministres de l'Albigéisme en Languedoc. Leurs doctrines« ist im wesentlichen eine Untersuchung über Petrus Auterii und die von ihm geleitete Reorganisation des Katharismus in einem geographischen Gebiet, das vor und nach Vidal nicht mehr so gründlich dargestellt wurde wie v o n i h m . D e r P r o z e s s d e r »restauration

néo-dualiste«

o d e r »campagne

néo-albigeoi-

se«, den Petrus Auterii anleitete 129 , war in seinem Erfolg nach Ansicht Vidais nicht zuletzt das Ergebnis der Inquisition der Languedoc in den 70er Jahren des 13.Jahrhunderts selbst gewesen: aufgrund des enormen Drucks, den diese Behörde vor allem gegen die Bewohner der Städte richtete, brachen hier Unzufriedenheit, Unruhen und eine Massenabwanderungsbewegung aus 130 . Dies geschah in einer Situation, in der die seit Mitte des Jahrhunderts führerlose katharische Bewegung (Vidal nennt sie »des membres sans tête« 131 ) völlig darniederlag. Vereinzelte Versuche von perfecti der Lombardei, in dieser Situation wieder in Südfrankreich Fuß zu fassen, scheiterten 132 . So blieb es Petrus Auterii vorbehalten, die Reorganisation des Katharismus im Süden Frankreichs durchzuführen. U m dies zu schildern, hat Vidal einen 13seitigen Lebenslauf dieses perfectus erstellt, der viele Fragen der Biographie seiner Person zum ersten Mal anfasst, so zum Beispiel seine Familienherkunft, wobei sich bei Vidal eine in die richtige Richtung gehende Einschätzung zum Thema der Bedeutung dieser Familie für die Reorganisation des Katharismus findet 133 . In die richtige Richtung führt auch seine distanzierte Darstellung der »Bekehrungslegende« als »récit naïf«, trotz deren er sie allerdings als quasi-authentischen Tatsachenbericht zitiert 134 . Vidal hat aber trotz seiner tief in die Quellen eindringenden Analyse wichtige Stellen nicht wahrgenommen, andere zumindest aus der Sicht der vorliegenden Untersuchung falsch eingeschätzt. So unterbleibt eine Darstellung des Kreditbetruges, den die Auterii vor ihrer Abreise in die Lombardei begingen, Vidal 127

J. M. VIDAL, Les derniers ministres de l'Albigéisme en Languedoc. Leurs doctrines, in: Revue des questions historiques, N. S. XXXV, Paris 1906, S. 37-106; derselbe, Doctrine et morale des derniers ministres albigeois, Revue des questions historiques N. S. 41 (1909), S . 3 5 7 - 4 0 9 ; N . S. 4 2 (1909), S. 5 7 - 1 0 7 . 128

AaO., vgl. Les derniers ministres . . . , aaO., S. 60 f. »De l'an 1295 à l'an 1310, la secte ne cesse de progresser, sous la conduite de l'ancien, Pierre Autier. La capture de ce chef (1309), qui suit de près l'arrivée de Bernard Gui à l'Inquisition de Toulouse (1308), marque le commencement de la déroute.«, aaO., S. 61. 130 AaO., S.58 f. 131 AaO., S. 58. 132 AaO., S. 60. 133 »ainsi, avec le cercle de famille s'agrandit le champ de l'action de l'hérésie«, aaO., S. 63 (siehe dazu ausführlicher unten, Abschnitt 4.2-4.3.1). 134 AaO., S. 64. 129

28

Einleitung

unterläßt überhaupt jede Untersuchung der Motive des späteren perfectus, aus seiner angesehenen Position in der Grafschaft Foix auszusteigen. Abreise- und Rückkehrdaten sind falsch berechnet (1295/97 bzw. 1299)135, auch steht von einem Aufenthalt der Auterii in Asti 136 nichts in den Quellen. Irrtümlich meinte Vidal ferner, deren receptio zum perfectus habe in C o m o (statt Cuneo) stattgefunden 1 3 7 , wie er anscheinend auch der Urheber der Ansicht ist, die Verhaftung des Petrus Auterii habe etwas mit Petrus de Luzenaco, einem clericus, dessen Aussage in C enthalten ist, zu tun, dem er unterstellt, er habe den perfectus aus Geldmangel der Inquisition angezeigt - die beiden Quellenbelege, die Vidal hierfür zitiert, nennen den Namen des Petrus de Luzenaco und den dargestellten Sachverhalt nicht. 1 3 8 Eine ebenso falsche Forschungstradition begründete er mit seiner Rekonstruktion des Verhaftungsortes von Petrus Auterii 139 . War Vidal einerseits bahnbrechend mit seiner Beschreibung des Ausbreitungsgebietes der Reorganisationsphase des Katharismus 140 , so hat er andererseits die Bedeutung des Hospiz und die Veränderung in der Organisationsstruktur des Katharismus nicht thematisiert 141 , ebensowenig wie er sah, welchen anderen Sinn der Titel des ancianus bei Petrus Auterii hatte, den er einfach auf das Alter des perfectus zurückführt 1 4 2 . Einflußreich ist Vidal aber vor allem als erster Historiker, der mit seinem Begriff des »Neokatharismus« zum Ausdruck bringen wollte, daß dieser eine im Grunde dekadente historische Verfallserscheinung des Katharismus sei. Das ganze Unternehmen der »Restauration« sei letztlich von geringem Erfolg gewesen, vor allem wegen der »condition modeste«, dem »défaut d'influence« sowie mangelndem »valeur intellectuel« seiner Exponenten, was vor allem in der Orientierung auf die unteren sozialen Schichten zu erkennen sei 143 . Hier hat Vidal einerseits für sich, daß in der Tat die Masse der Anhänger der Auterii und 135

A a O . , S . 64. 66. A a O . , S. 65. 137 A a O . , S. 65. 138 VIDAL meint noch S. 70, keiner der in C Aussagenden habe die perfecti verraten, bezichtigt dann aber Petrus de Luzenaco S. 71 des Verrats und zwar unter Hinweis auf die Quellen P, fo 256 b und 49 d, an denen sich nichts findet, was hierauf hinweist. Auch sonst konnte kein Hinweis in dieser Richtung entdeckt werden. Die Behauptung Vidal's wurde bei DUVERNOY, Pierre Autier, S. 42; Histoire, S. 329 sowie WARNER, T h e Albigensian Heresy, S. 208 (hier beide Male ohne Quellenangabe und ohne Angabe der H e r k u n f t dieser Fehlinformation) wiederholt, bei WARNER unter Benutzung eines wörtlichen Zitates v o n VIDAL, das er aber als solches nicht kenntlich machte: heißt es bei VIDAL, aaO., S. 71: »Pierre de Luzenac, avocat sans argent et sans scrupule . . . « , macht WARNER daraus: »Pierre de Luzenau (sic), a fellow notary without m o n e y and without h o n o u r . . . « 139 VIDAL, aaO., S. 71, A n m . 5 - vgl. hierzu ausführlich unten, Kap. 7. 140 Vgl. zur Problematik dieser Darstellung allerdings oben, A n m . 21. 141 VIDAL betont die Bedeutung der Mobilität dieser Organisation, aaO., S. 67. 142 A a O . , S. 66, er hält es auch für möglich, daß hiermit die Bedeutung Auteriis als »chef incontesté de l'Église« zum Ausdruck gebracht werden sollte. 143 A a O . , S. 89. 136

Biographie

des Petrus

Auterii

29

ihrer Kollegen Bauern waren, andererseits aber auch Aussagen in den Quellen gegen sich, wo es einmal heißt, die Auterii und ihre Sekte seien schon deshalb zu respektieren, weil gerade die Angesehenen zu ihr gehörten 144 . So wird bei Vidal aus einer zum Teil richtigen soziologischen Beobachtung aber ein Argument für den alsbaldigen Untergang des Katharismus, den der Autor wertend rechtfertigt (s. u. Zitat). Interessant wäre es gewesen, eine Erklärung für die Orientierung Auteriis auf die bäuerliche domus (und andere) als Adressat der Predigt Auteriis zu versuchen, was bei Vidal aber unterbleibt. Duvernoy 1 4 5 führt ein weiteres wichtiges Argument gegen die Vidalsche Dekadenztheorie an : Es sei nämlich im Grunde nur die zu Beginn des 14. Jahrhunderts viel dichtere und aufgrund der intensiveren Inquisitionstätigkeit qualitativ bessere Information über den Katharismus, die diesen Eindruck, quasi eine optische Täuschung, verursache, wenn Vidal vor allem aus dem zahlenmäßigen Anwachsen der Berichte über den Vollzug der endura diese als Erfindung des Petrus Auterii ausgebe. Es gebe keinen einzigen in dieser Zeit überlieferten Ritus oder Lehrsatz der Katharer, der nicht auch schon vorher belegt sei 146 . Zwar hat Duvernoy damit die Kontinuität der Entwicklung des Katharismus überbetont. Ein wesentlicher Unterschied besteht sicher in der Art, wie Auterii und die perfecti seiner Zeit ihre Religion organisatorisch realisierten, doch hat er recht, wenn er gegen Vidais Ansicht protestiert, Petrus Auterii habe einen völlig neuen, von ihm veränderten Katharismus eingeführt und vor allem ein besonderes Gewicht auf die endura gelegt 147 , wie es Vidal im Anschluß an Molinier 148 meinte. Vidais Resumée zu unserem Untersuchungsgegenstand lautet: »En somme, l'église albigeoise fondée par Pierre Autier n'eut point de vie sociale; elle n'osa affirmer ou n'en eut pas la force. Elle serait restée dans l'obscurité, comme ceux qui la composaient, si l'Inquisition ne l'avait produite au grand jour pour la supprimer à jamais. Cette oeuvre fut bienfaisante, bien qu'elle ait été menée avec rigueur. Le Catharisme avait fait le plus grand mal aux populations du Midi: il avait jeté le trouble dans les idées, le désordre dans les familles, de germes d'anarchie et de mort dans la société: résultats qui s'étaient manifestés pendant plus d'un siècle et que nul effort contraire, ni la force, ni la persuasion n'avaient pu conjurer. Les néo-cathares du XlVe siècle attisaient dans le peuple le foyer encore vivant de tous ces maux, et qui peut affirmer qu'avec les temps, cette flamme, gagnant de proche en proche, n'eu pas absorbé la société toute entière et fait revivre les tristes jours de la croisade? L'Inquisition a écarté ce danger pour toujours. « 1 4 9 144

Eine Aussage der Sibilia Pétri aus Arques führte als Beispiele hierfür verschiedene einflußreiche und wohlhabende Personen aus dem Sabarthès an, vgl. PII, 419—427, darunter auch den Grafen Roger-Bernard III. selber, der bei seinem Tod 1302 von Petrus Auterii heimlich das consolamentum empfing. 145 146 Histoire, S. 326. AaO. 147 AaO. 148 C H . MOLINIER, L'endura, coutume religieuse des derniers sectaires albigeois, in: Annales de la faculté des lettres de Bordeaux, 1881, S. 282-299. 149 AaO., S. 92.

30

Einleitung

Der zentrale Vorwurf Vidals, die Katharer als eine gegen die Lebensinteressen der gesamten Gesellschaft gerichtete Bewegung zu verstehen und der Inquisition dafür zu danken, daß sie die Gesellschaft vor dem drohenden »Schicksal« eines weiteren Kreuzzuges bewahrt habe, kann die Frage nicht beantworten, woher die offenkundige massenhafte Zustimmung für den Katharismus zur Zeit seiner Blüte und auch, wie Vidal selber nachgewiesen hat, zur Zeit des Petrus Auterii denn kam. Seine Interpretation gerät so zu einer Apologie des Vorgehens der Inquisition. Zwangsläufig erscheint somit der Katharismus als eine der Gesellschaft fremde, von außen gekommene Bewegung, die eine ansonsten in sich geschlossene und im wesentlichen in Frieden mit sich lebende Gesellschaft in Aufruhr versetzte, ein Interpretationsmuster, das Borst später breit entfaltet hat (s.u.). Wie bei ihm, so widersprechen sich auch bei Vidal Ergebnisse und Interpretation seiner Forschung. Hiermit hat Vidal eine Tradition begründet, die später von anderen weitergeführt wurde: sich letztlich den Katharern gegenüber von heute aus auf den Standpunkt der Sieger von damals zu stellen, ohne zu erklären, wie es zu dem auch von Vidal nicht geleugneten Erfolg der Menschen um Petrus Auterii überhaupt erst hatte kommen können. 1.3.3.5

H.J.

Warner

(1922)150

Die kurze Beschreibung der Tätigkeit des Petrus Auterii, seines familiären Hintergrundes und seiner Ritual, Lehr- und Organisationspraxis durch H . J . Warner fußt im wesentlichen auf Molinier, einige Male wird auch Vidal zitiert. Zusätzlich zu deren Untersuchungsergebnissen hat Warner eine Reihe von Fakten über den perfectus zusammengetragen und ihn in einem romantischen Märtyrerlicht gezeichnet. Hinzu kommt, daß seine Darstellung voller Fehler ist. Einige Beispiele sollen das belegen: Den Bericht über die »Bekehrung« der Brüder Auterii interpretiert er folgendermaßen: »Peter had himself been a notary in his native town, but through the study o f the Bible he and his brother William were converted from Catholicism. This meant the sacrifice o f a lucrative and honourable profession; but counting it as nought for what he believed to be theTruth, he left his native town . . , « 1 5 1 ,

eine Darstellung, für die keine Quelle angegeben wird. Eine solche existiert allerdings, nur handelt es sich sehr wahrscheinlich dabei um einen legendarischen Bericht und dieser erzählt die Ereignisse auch ganz anders: Hiernach lesen

1 5 0 H.J. WARNER, The Albigensian Heresy (Studies in Church History), Bd. 2, (Its supression by Crusade and Inquisition), S. 204-209. 151 AaO., S. 205.

Biographie des Petrus Auterii

31

die Brüder Auterii in einem Buch (von der Bibel steht nichts da) und verlassen ihre Heimat nicht trotz schwerer Opfer um der Wahrheit willen, wie Warner es darstellt, sondern weil sie aufgrund der Lektüre zu der plötzlichen Erkenntnis gelangten, »quod animas nostras perdidimus«, nämlich in ihrer offenbar als unerträglich empfundenen gegenwärtigen, von Warner dagegen als »lucrative and honourable« bezeichneten Situation um 1296. Die Quellen zeigen ferner, daß mindestens Petrus Auterii schon Jahre vor seiner »Bekehrung« seinem Schwiegersohn gegenüber katharisch argumentierte, also sicher auch damals schon nicht einfach dem »Catholicism« zuzurechnen war 1 5 2 . Der mit der Abreise der Auterii verbundene öffentliche Skandal, ein Kreditbetrug, wird nicht erwähnt. Wenn ferner Warner meint, Petrus Auterii sei in der Lombardei »bishop« der perfecti geworden 1 5 3 , so kann dies aufgrund der vorliegenden Quellen durch nichts gestützt werden, ebensowenig wie die Bezeichnung des perfectus als Bischof während seiner Zeit als Wanderasket, was wohl auch damit zusammenhängt, daß Warner den für Auterii belegten Titel eines ancianus für eine Ehrenbezeichnung (»Peter, who was affectionally known as the >Veteranreveilparfaits< ausgeübt. Als gute Katharer verdienten sich diese ihren irdischen Lebensunterhalt und ewiges Leben, indem sie Kittel flickten und Handschuhe machten« (aaO., S. 36) - erstens reicht der eine angeführte Beleg wohl kaum zu einer derart weitreichenden Schlußfolgerung hin, und zweitens hätten die perfecti die Ansicht, sie verdienten sich das »ewige Leben« durch Handarbeit, als absurd zurückgewiesen. Das consolamentum wird in einem Fall als »Verführung einer Kranken zur Ketzerei« bezeichnet (aaO., S.68), in einem anderen Fall (aaO., S. 245) wird es einem Kranken angeblich von »übereifrigen albigensischen Nachbarn« aufgedrängt, die nach der Quelle allerdings in Wahrheit perfecti sind und den Willen des Kranken, das consolamentum nicht haben zu wollen, sehr wohl respektieren, wie die Quelle zeigt (P II, 149, und nicht, wie es bei LE ROY LADURIE steht, P II, 140). Aus einem Satz der Quelle: »Guillelmus Auterii predictus miserat librum suum vocatum Calendarium dicto rectori, quem librum dictus rector tenuerat, ut dicebat dicta Guillelma.« (PI, 315) wird bei LE ROY LADURIE (aaO., S. 89): »Hatte er (gemeint ist Petrus Clerici) nicht einen halb folkloristischen, halb liturgisch konzipierten katharischen Kalender von den Brüdern Authie ausgeliehen?«, womit gleich drei Kennzeichen des Kalenders zur Quelle hinzuerfunden wurden. Ähnlich ergeht es Wortwechseln in der Quelle, die von LE ROY LADURIE fragwürdigerweise immer aus der indirekten in die direkte Rede übertragen werden. Dabei wird in mindestens einem Fall ein nach Ansicht LE ROY LADURIES wohl besonders »volkstümlich« klingender Satz einfach zur Quelle hinzugefügt: LE ROY LADURIE schildert die Diskussion zwischen Arnaldus

44

Einleitung

Im Anhang der deutschen Ausgabe des Buches findet sich das aus der englischen Ausgabe übernommene Verzeichnis 225 wichtiger im Buch erwähnter Familien, darunter auch der Auterii. Hier heißt es (wohl im Anschluß an Duvernoy), die Brüder Auterii seien im Dezember 1299 aus der Lombardei in ihre Heimat zurückgekehrt, »um ihre okzitanischen Landsleute von neuem zu der ketzerischen Religion zu bekehren« 226 - es war, abgesehen von der falschen Datierung, genau umgekehrt: gerade wegen des weiterhin vorhandenen katharischen Glaubens vieler Menschen in ihrer Heimat organisierten die Auterii mit soviel Erfolg ihre Religion neu. Das Verzeichnis der Familienangehörigen ist rudimentär 227 . Die einzelnen Sätze zu den wenigen aufgeführten Personen sind ungenau, teilweise falsch. Zu Petrus Auterii lesen wir folgendes:

Textoris, die dieser mit seinem Schwiegervater, dem »großen Pierre Authi« über Guillelma Textoris, geb. Auterii hatte (Quelle: P II, 213). Als ihm Auterii im Lauf dieser Diskussion die Bibel vorhält, antwortet Textoris angeblich: »Und paßt auf, daß Ihr nicht selbst was in die Fresse kriegt, Eurer katharischen, losen Zunge wegen!« (deutsche Ausgabe, S. 216). Der interessierte Leser, gespannt, wie dieser saftige Fluch wohl in Latein klingt, findet in der Quelle - nichts. Der Satz existiert in ihr einfach nicht. Es mag kleinlich sein, auf eine solche Stelle hinzuweisen, aber ein Historiker »mit Interesse an der Geschichte von Mentalitäten« (so H. G. KIPPENBERG in seinem unten diskutierten Aufsatz, Gnostiker zweiten Ranges: Zur Institutionalisierung gnostischer Ideen als Anthropolatrie, S. 122 über LE ROY LADURIE) müßte doch gerade Redewendungen besonders sorgfältig behandeln. Innerhalb desselben Absatzes von sechs Zeilen lesen wir ein Stück weiter, Auterii, als gebildeter und aufgeklärter Mensch, habe sich einerseits für eine »humanere Behandlung von Frauen« ausgesprochen, sie andererseits aber »im allgemeinen für gemein« gehalten (deutsche Ausgabe, S. 216) — die beiden hierfür zitierten Belegstellen (P II, 213 und 409) sagen allerdings weder das eine noch das andere: in der ersten heißt es ganz allgemein, »homo sit pacificus, mitis et suavis«, was zwar im konkreten Fall auf die Behandlung der Ehefrau des Arnaldus Textoris gemünzt ist, aber als biblisches preceptum natürlich nicht als allgemeine Aussage »für eine humanere Behandlung der Frauen« verstanden werden kann, und in P II, 409 steht über Frauen im allgemeinen überhaupt nichts außer dem im Zusammenhang einer mariologischen Diskussion überlieferten Satz: »ipse hereticus quasi derridendo dixit: 'qualiter esset infans sine matre'?« - von dort zu der Aussage: »Selbst Pierre Authie hielt trotz der Zuneigung, die er seiner Tochter bewies, die Frauen im allgemeinen für gemein« (aaO.) fiihrt wohl nur die hinterfragenswerte Phantasie des Verfassers. Die Darstellung entsprechender Entstellungen der Quelle durch LE ROY LADURIE sei hier mangels Raum abgebrochen, sie ist keineswegs zu Ende. 225 Verfaßt von D. A. JENNINGS unter dem irreführenden Titel »Index of the Main Families of Montaillou«, deutsche Ausgabe S. 387. Hier lautet der Titel »Verzeichnis der durch Bischof Fourniers Untersuchungen betroffenen Familien in Montaillou«, obwohl neben der Familie Auterii (aus Ax) dort auch die Familien den Balle (Ax), Belibasta (Cubieres), Planissol (Caussou und Ax), Martini (Junac), Petri (Arques) und Tavernerii (Prades) erwähnt werden. 226 AaO., S. 387. 227 Aufgeführt werden nur »Pierre, Guillaume, Pierres Sohn Jacques und seine Tochter Guillemette«, vgl. hierzu Abschnitt 2.2 der vorliegenden Untersuchung. Es ist schwer verständlich, wieso in diesem Verzeichnis die Arbeiten von VIDAL und DUVERNOY zum Thema der Familie Auterii einfach ignoriert werden.

45

Biographie des Petrus Auterii

»Pierre kam dem Familiensinn der Gebirgsbauem entgegen, indem er stets gemeinsam mit seinem Bruder und Sohn predigte und nicht einzelne, sondern i m m e r ganze Haushalte für seinen Glauben zu gewinnen suchte. E r war Notar. Guillaume Belibaste war der letzte seiner Schüler. Pierre wurde am 9. April 1310 als Ketzer verbrannt. Seine Neffen, namens de Rodes, aus Tarascon, zeigten Ketzer bei der Inquisition an. « 2 2 8 Weder predigte Petrus Auterii auch nur hauptsächlich v o r

»Gebirgsbau-

e m « 2 2 9 n o c h p r e d i g t e er »stets«, s o n d e r n h ö c h s t e n s in vielen Fällen m i t a n d e r e n z u s a m m e n , ö f t e r s a u c h allein - eine ausschließliche B e v o r z u g u n g seiner F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n ist in d e n Q u e l l e n n i c h t zu b e m e r k e n . D i e P r e d i g t für g a n z e d o m u s ( u n d n i c h t einzelne) h i n g n i c h t m i t d e m » F a m i l i e n s i n n « d e r H ö r e r des Petrus Auterii zusammen,

sondern damit,

d a ß sich m i t d e m

gegenseitigen

V e r w a n d t s c h a f t s g e f l e c h t der d o m u s für P e t r u s A u t e r i i n a c h 1 3 0 0 die e i n z i g e e x i s t i e r e n d e M ö g l i c h k e i t a n b o t , ein s u b v e r s i v e s K o m m u n i k a t i o n s n e t z

aufzu-

b a u e n , u m seine P r e d i g t , die d e m z u f o l g e in e r s t e r L i n i e die sozialen u n d alltäglic h e n P r o b l e m e dieser d o m u s zu t h e m a t i s i e r e n hatte,

auszubreiten.

Auterii

w u r d e f e r n e r n i c h t a m o b e n g e n a n n t e n D a t u m v e r b r a n n t , s o n d e r n in T o u l o u s e z u m T o d e v e r u r t e i l t . D a s D a t u m seines T o d e s ist uns u n b e k a n n t . D i e d o m u s d e R o d e s i o schließlich hat n i c h t das M i n d e s t e m i t seiner V e r h a f t u n g zu t u n 2 3 0 . I n s g e s a m t k a n n g e s a g t w e r d e n , d a ß ein p o s i t i v e r B e i t r a g des hier d i s k u t i e r t e n B u c h e s v o n L e R o y L a d u r i e zur E r f o r s c h u n g d e r R e l i g i o n des P e t r u s A u t e r i i n i c h t zu sehen i s t 2 3 1 . I m A n s c h l u ß an L e R o y L a d u r i e hat H . G. K i p p e n b e r g eine T h e s e ü b e r d e n

2 2 8 Ebenda. Die Fehler dieser Sätze gehen allerdings nicht auf das Konto LE ROY LADURIE'S, sondern das des englischen Übersetzers (s. o.). 2 2 9 Es fällt auf, daß LE ROY LADURIE in erster Linie P ausgewertet hat, womit eine Einschränkung des Untersuchungsgebietes auf das Hochland der Grafschaft automatisch gegeben ist. Von den beiden anderen Quellen wird nur T genannt (in der deutschen Einleitung, S. 29), aber nirgends zur Interpretation herangezogen. Schon diese Quellenauswahl macht LE ROY LADURIES Buch für die Forschung zu Petrus Auterii problematisch. Für die Identifizierung der Adressaten des Petrus Auterii ist sie gänzlich ungeeignet, wie sich hier zeigt. 230 yg] z u d e n beiden letzten Punkten Kap. 7 der vorliegenden Untersuchung. 2 3 1 Angesichts der gemessen an den Quellen nur als problematisch einzuschätzenden Untersuchung LE ROY LADURIES scheint es schwierig, daß Soziologen, Anthropologen, Ethnologen und Pädagogen seit einiger Zeit LE ROY LADURIES Buch selber in den Rang einer Art Quelle erheben, wie dies etwa weithin in den Beiträgen des Groninger Kongresses vom 17.10.1980 »Montaillou in Groningen« geschah (Abdruck der Beiträge: Montaillou in Groningen. Verslag van een interdisciplinaire studiedag, hrsg. von der Vakgroep Culturele Antropologie der Rijksuniversiteit Groningen, Afdeling Culturele Antropologie / Sociologie der Niet-Westerse Volken van de N. S. A . V unter der Redaktion von D. A. PAPOUSEK, Groningen 1981), anstatt sich aus den Quellen selber ein Bild zu machen. Hier scheint sich eine Art LE ROY LADURIEScholastik auszubreiten: von den 15 Referenten des Kongresses zitierte ein einziger aus der von J . DUVERNOY besorgten französischen Obersetzung des Registre de Jacques Fournier (aaO., S. 40, Anm. 3), ein anderer bedauerte, die Quellen nicht zur Hand zu haben, um LE ROY LADURIES von ihm mit Skepsis bedachte Lateinkenntnisse überprüfen zu können (aaO., S. 22, Anm. 22). Alle anderen belegten ihre verschiedenen Interpretationen der Welt Montaillous mit Zitaten aus der englischen oder französischen Version des Buches von LE ROY LADURIE. Die lateinischen Quellen über Montaillou zitiert kein einziger Teilnehmer des Kongresses.

46

Einleitung

Katharismus zur Zeit Petrus Auterii's vorgelegt, die besonders dann interessant ist, wenn man sie auf dem Hintergrund eines anderen Aufsatzes von Kippenberg zum Thema des sozialen Hintergrundes der spätantiken Gnosis liest 232 . Diese war, wie Kippenberg interpretiert, Reaktion der hellenistischen Intellektuellenschicht aus den östlichen Randländern des römischen Reiches, gespeist vor allem aus den ehemaligen, nun entmachteten Kreisen der alten Polis-Aristokratien auf ihre politische Entmündigung, eine Reaktion, die zugleich machtlos war, weil sie über keine politische Alternative verfügte und deshalb Herrschaft und Zwang überhaupt ablehnte, zuerst und vor allem die Macht des Schöpfergottes, der umgekehrt, in welcher Gestalt auch immer, den neuen Herrschern als Garant der Reichseinheit diente, dem die Provinz- und Nationalgötter der unterworfenen Staaten wie Beamte zu dienen hatten und dessen irdische Entsprechung, ja Inkarnation nach dem Vorbild der hellenistischen Königsideologie der princeps selber war. Diesem Zentralismus entsprach der Grundgedanke einer Einheit der Welt, während die Gnostiker ihr Selbst nur außerhalb dieser durch politische und militärische Gewalt hergestellten Einheit denken konnten und wollten 233 . Es habe sich nun dieser Prozess vor allem in den großen Städten des Römischen Reiches abgespielt, in Antiochia, Alexandrien und Rom, neben denen es jedoch auch eine ländliche Gnosis gegeben habe, über die allerdings wenig bekannt sei, außer, daß sie im Lauf der Spätantike vom Rückzugsgebiet zum eigentlichen Träger der gnostischen Bewegung geworden sei 234 . Von städtischen Zirkeln zu ländlichen Gemeinschaften, vor allem den Dorfgemeinschaften Vorderasiens - das sei eine allgemeine Tendenz dieser Bewegung gewesen, eine Bewegung, auf die die »auffallenden Analogien« in den Erscheinungsformen emanzipativer Bewegungen der Antike und des Mittelalters unter anderem zurückzuführen seien. In diesem Zusammenhang kommt Kippenberg nun auch auf den südfranzösischen Katharismus zu sprechen, den er durch die Vermittlung Le Roy Laduries kennt 235 . Gestützt auf ihn vertritt Kippenberg folgende Thesen: a) der Katharismus des 14. Jahrhunderts ist das Produkt der Verländlichung einer ehemals städtischen Religion 236 ; 232 H. G. KIPPENBERG, Versuch einer sozialen Verortung des antiken Gnostizismus, in: N u m e n , International Review for the History of Religions XVII (1970), S. 211-231; derselbe, Gnostiker zweiten Ranges: Z u r Institutionalisierung gnostischer Ideen als Anthropolatrie in: Gnosis und Politik, hrsg. J. TAUBES, Bd. II, Paderborn 1985, S. 121-140. 233 Vgl. H. G. KIPPENBERG, Versuch einer sozialen Verortung des antiken Gnostizismus, aaO. 234 H. G. KIPPENBERG, Gnostiker zweiten Ranges: Z u r Institution gnostischer Ideen als Anthropolatrie, S. 121. 235 A a O . , S. 122-126. KIPPENBERG zitiert für seine Interpretation des Katharismus vor allem

LE R O Y LADURIE, d a n e b e n B O R S T u n d N E L L I . 236 »Das Katharertum v o n Montaillou war das Idiom ländlicher Gebiete geworden, nachdem es zuvor eine städtische Blüte erlebt hatte. Die Dörfer, die sich ihm zugewandt hatten, haben aus einer städtischen Religion eine ländliche herausgefiltert. Es war dies ein aktiver

Biographie des Petrus Auterii

47

b) dabei wurde aus der städtischen Tradition die hohe Wertschätzung der perfecti allerdings übernommen 2 3 7 . Dieser zweite Punkt sei wichtig für die unabhängige Selbstbehauptung des Hochland-Katharismus gegen das Tiefland gewesen, in dem die vier Teufel (Papst, König, Bischof, Inquisitor) herrschten 2 3 8 . Kippenberg schlußfolgert: »Die Vorstellungen der Erlösung sind bei den ländlichen Katharern als eine persönliche Loyalität gegenüber den Vollkommenen institutionalisiert worden. Diese Vollkommenen waren eine wirkliche Heilsaristokratie, die den einfachen Gläubigen das Heil sakramental weiterreichte. « 2 3 9 ,

also den credentes, die Kippenberg in »Gnostiker zweiten Ranges« umbenennt. Zunächst einmal muß gesagt werden, daß Kippenberg sich im Text seines ganzen Aufsatzes nur über einen einzigen perfectus äußert, Guillelmus Belibasta. Petrus Auterii als wichtigster Repräsentant des von Kippenberg untersuchten Katharismus ist ihm offenbar fremd geblieben. Das hat Konsequenzen: hierdurch wird die Realität der durch die Mission des Auterii bis weit nördlich von Toulouse ins »Tiefland« reichenden katharischen Organisation völlig ignoriert. Der schon aufgrund der einseitigen Quellenauswahl Le R o y Laduries einseitige Blick auf die Welt des Hochlandes der Grafschaft Foix diktiert dann auch die Verländlichungsthese über »den« Katharismus im 14. Jahrhundert. Sieht man sich dagegen eine bei M . D . Lambert wiedergegebene Karte des Katharismus um 1240 an 2 4 0 und vergleicht diese mit einer entsprechenden Karte Duvernoys, die den Stand der katharischen Bewegung in der Zeit etwa 40 Jahre früher wiedergibt 2 4 1 , so zeigt sich eine weitgehende Deckungsgleichheit des Ausbreitungsgebietes des Katharismus im Midi, die von Duvernoy auch als solche thematisiert wurde 2 4 2 und in die sich ihrerseits das Wirkungsgebiet des Petrus Auterii gut einpaßt. Dieses Gebiet von ca. 100 k m Länge in N o r d - Süd- und 80 km Breite in Ost - West-Ausdehnung ist vor allem durch wenige große, aber viele kleine Städte und Dörfer gekennzeichnet. Prozess von Umarbeitung, eine gezielte Auswahl aus dem Katharertum des Tieflandes. Man darf nicht übersehen, daß die bäuerliche Lebenswelt mit ihren langen Wintertagen geradezu ein Brutplatz metaphysischer Spekulationen war und zu einem solchen Prozess bewußter Selektion imstande war.«, aaO., S. 122. 2 3 7 AaO. 2 3 8 »Nur die Verehrung der Vollkommenen und nicht die Befolgung irgendwelcher kirchlichen Gebote war Mittel der Erlösung. Mittels dieser Verehrung der Parfaits isolierte sich das Hochland gegen die Institutionen und Mächte des Tieflandes. . . . Diese bewußte und gewollte Isolierung hatte gute und massive Gründe: die Bergbewohner wollten partout den Zehnten von Vieh und Korn nicht zahlen. Die Inquisition sah bereits hierin Häresie. Das Katharertum vermittelte diesen abgeschiedenen Gebieten ein Bewußtsein von Würde«, aaO., S. 123. 239

AaO., S. 124.

240

M . D . LAMBERT, a. a. O , S. 2 0 0 .

241

DUVERNOY, H i s t o i r e , S. 2 3 3 .

242

DUVERNOY, H i s t o i r e , S. 1 9 6 .

48

Einleitung

Das Sabarthes stellt in diesem Gebiet den südlichen Rand dar, in dem Montaillou wiederum ganz am Ende, direkt vor den Pyrenäen liegt. Schon dies macht den Ort als Kronzeugen für die These einer »Verländlichung« des Katharismus ungeeignet - gleichzeitig mit dem Katharismus hier existiert er nämlich zu allen angesprochenen Zeiten auch in Ax, Pamiers, Foix und sogar Toulouse, also zahlreichen größeren und kleineren Städten. Allgemein bekannt ist auch, daß der Katharismus gerade in seiner Blütezeit vor allem auf die Landadligen bauen konnte 2 4 3 . Zu einer Verländlichung des Katharismus konnte es also schon deshalb nicht kommen, weil er von Beginn seiner Existenz im Untersuchungsgebiet gerade auf dem Land stark vertreten war. Petrus Auterii bewegte sich voll und ganz im Rahmen dieser Tradition, der Katharismus seiner Zeit ist nicht gegenüber einer früheren »verländlicht«. Es fand zu Beginn des 14. Jahrhunderts allenfalls innerhalb des vorwiegend ländlichen Untersuchungsgebietes eine Verlagerung des sozialen Schwerpunktes der katharischen Religion zur bäuerlichen domus statt, was aber die auch von Le Roy Ladurie konstatierten guten Kontakte des Petrus Auterii zu politisch und sozial führenden Kreisen der Grafschaft mit einbezog. Seine Religion ist keineswegs einfach eine antifeudale Bauernreligion, wie es Kippenberg vereinfachend sehen möchte. Kippenbergs These hat für sich, daß er eine wichtige Veränderung benannt hat: die höhere Bewertung der Beziehung von credentes zur Person eines bestimmten perfectus, die für den Katharismus zu Beginn des 14.Jahrhunderts kennzeichnend ist, und die er als Beziehung »persönlicher Loyalität« benennt. Dieser Begriff reicht allerdings nicht aus. »Persönliche Loyalität« entsteht auch bei dem katholischen Dorf- oder Stadtbewohner seinem Priester gegenüber, also einer Person, die ihm objektiv aber weniger als Person, als vielmehr aufgrund der parochialen Organisation der Kirche als personifiziertes »Amt« entgegentritt: von oben jederzeit austauschbar, von unten aufgrund des parochialen Bezirkes aber nicht frei wählbar. Genau dies letztere, die vom Ort unabhängige freie Wählbarkeit des perfectus als Seelsorger aber war in der Beziehung zwischen perfecti und credentes der Fall, wie sich am Beispiel der katharischen Riten (nicht nur des melioramentum, wie Kippenberg meint 244 ) zur Zeit der Auterii zeigt, und genau hierin bestand ein wesentliches, den Katharismus von der katholischen Kirche unterscheidendes Moment der von Petrus Auterii reorganisierten Religion. Kippenberg hat dies im Ansatz formuliert, aber weder belegt noch genauer untersucht. 1.3.3.12

E. Griffe

(1980)245

Im Rahmen seiner Geschichte der katharischen Bewegung des Languedoc und der damaligen inquisitorischen Gegenaktivitäten geht Griffe in seinem Kapitel 243 244 245

Ebenda. A a O . , S. 123. E. GRIFFE, Le Languedoc cathare et l'Inquisition, Paris 1980.

Biographie

des Petrus

Auterii

49

»Les derniers cathares au pays de Foix« 246 auch auf Petrus Auterii ein, wobei er sich in seiner Darstellung und Interpretation auf die Quellen P, C und T stützt, aber nicht wesentlich über Vidal hinausgeht 247 . Richtig stellt Griffe fest, es habe am Ende des 13. Jahrhunderts keine katharischen Bischöfe mehr gegeben, die katharische »église desorganisée« sei unfähig geworden, perfecti zu rekrutieren und sei aufgrund der Abwanderung wichtiger perfecti und Unterstützerfamilien ins Exil praktisch zusammengebrochen, andererseits aber sei gerade im Bereich des kleinen Adels das Interesse am Katharismus wach geblieben, wofür Griffe als Beispiele den in Pamiers lebenden Ritter Bertrandus de Taxio, die Seigneurs von Chateauverdun und Junac anführt 2 4 8 . Unvollständig bzw. falsch ist seine Darstellung der Abreise des perfectus Auterii in die Lombardei, die Griffe auf 1295 ansetzt. Der vorher von Petrus Auterii und seinem Bruder lancierte Kreditbetrug am Kastellan von Ax, Simon Barra, wird beschönigt, wenn es heißt: »II cherchait sans doute à réunir l'argent nécessaire pour l'expédition

qui devait le conduire en Lombardie«249,

f a l s c h ist a u c h d i e

Datierung der Rückkehr nach Ax auf 1299250. Auf die Darstellung der Tätigkeit des Petrus Auterii als perfectus, fur die sich Griffe der Neokatharismus-Theorie Vidal's anschließt 251 , folgt eine beschreibende Schilderung wichtiger katharischer Familien des Sabarthès als Beispiel für die soziale Basis des Katharismus zur Zeit Petrus Auteriis 252 . Hier ist zu bedauern, daß Griffe aufgrund seiner fast ausschließlichen Auswertung von P und C den Bereich um Toulouse weitgehend außer acht läßt und so den Eindruck hinterläßt, Petrus Auterii habe sich hauptsächlich in der Grafschaft Foix aufgehalten und seine Unterstützung nur von hierher bezogen. Insgesamt gesehen fehlt auch bei Griffe eine Interpretation des Katharismus zwischen 1300 und 1310 in seiner Funktion und Plausibilität für diejenigen, die ihn stützten und erhielten: Teile des Kleinadels, der städtischen Handwerker und ganz überwiegend der bäuerlichen domus. 1.3.3.13

E. Werner / M. Erbstösser

(1986)253

In ihrer zusammenfassenden Darstellung religiöser Bewegungen des Mittelalters gehen die Autoren gegen Ende ihrer Darstellung des Katharismus auf Petrus Auterii und seine Tätigkeit ein, wobei sie sich auf die Literatur zu ihm (besonders 246

AaO., S. 171-213. 247 Vgl besonders S. 208, Anm. 1, wo Vidal als Vorbild bezeichnet wird. 248 AaO., S. 171-176. 249 AaO., S. 177f. Zur Darstellung der tatsächlichen Ereignisse vgl. unten, Abschnitt 2.4. 250 AaO., S. 178. 251 AaO., S. 182. 252 AaO., S. 182-208. 253 E. WERNER, M. ERBSTÖSSER, Ketzer und Heilige: das religiöse Leben im Hochmittelalter, Berlin/DDR und Wien-Köln-Graz 1986.

50

Einleitung

Vidal und Borst) stützen 2 5 4 . Die drei Hauptquellen dieser Untersuchung werden nicht erwähnt. Zu Recht bemerken die Autoren, daß die Strukturen der katharischen Kirche ab ca. 1250 zusammenbrachen, ohne aber davon die Existenz des Katharismus überhaupt abhängig zu machen: »Die Struktur der katharischen Kirche existierte nicht mehr. Wie in den Anfangszeiten leiteten die ältesten Katharer die klein gewordene Gemeinde von Wanderpredigern«25ä, nachdem zuvor eine Massenauswanderung der katharischen credentes und perfecti nach Katalonien, an andere Orte, vor allem aber in die Lombardei stattgefunden habe 2 5 6 . Vor Petrus Auterii habe der »Mangel an leidenschaftlichen perfecti« das »Versiegen der Lebenskraft des Katharertums« herbeigeführt. Zu Petrus Auterii wird richtig seine Herkunft, sein ehemaliger B e r u f als Notar, seine Reise in die Lombardei, wo er das consolamentum erhalten habe 2 5 7 , erwähnt. Seine Tätigkeit als perfectus »im Gebiet von Toulouse« wird interpretiert als gelungener Versuch, noch einmal »die Häresie zu einer M a s senbewegung zu entwickeln«, wozu die Autoren zu Recht feststellen, daß das Interesse weiter Teile des Volkes (genannt werden, wohl in Anlehnung an Borst, vor allem die Handwerker), weiterhin dem Katharismus zuneigte 2 5 8 . Die Autoren haben damit einerseits die Bedeutung des Petrus Auterii richtiger eingeschätzt als andere, wenn sie feststellen, erst mit seinem T o d sei das Schicksal des Katharismus in Südfrankreich endgültig besiegelt gewesen 2 5 9 . Die besondere Bedeutung der bäuerlichen domus und des Hospizsystems für die Reorganisation des Katharismus durch Petrus Auterii haben sie aber nicht erkannt. Die Frage, warum gerade in den von Petrus Auterii angesprochenen sozialen Schichten zu Beginn des 14. Jahrhunderts immer noch ein solches Interesse am Katharismus bestand, bleibt darum auch nach ihrer Darstellung letztlich offen.

i.4

Zusammenfassung

Die wesentlichen Ergebnisse dieser Einleitung sind: 1) Die drei Hauptquellen der Untersuchung sind in ihrem Charakter, für das Spätmittelalter Quellen einer außerordentlichen Dichte und Fülle von Informa254

A a O . , S. 3 9 8 - 3 9 1 . E s erstaunt allerdings, daß die A u t o r e n MOLINIER, NELLI, DUVER-

NOY, GRIFFE, PALES-GOBILLARD, LE R O Y LADURIE n i c h t z i t i e r e n .

AaO., S. 389. AaO., S. 390. 2 5 7 Obwohl consolamentum und receptio zum perfectus eng zueinander gehören (s.u. Kap. 5), ist es in diesem Zusammenhang nicht korrekt zu sagen, Petrus Auterii habe das consolamentum erhalten, da hiermit der Sterberitus der Katharer bezeichnet wird. 2 5 8 AaO., S. 391. 2 5 9 Allerdings datieren sie seine Verbrennung (über die wir, da gesicherte Nachrichten über sie fehlen, nur Vermutungen anstellen können) auf 1311. Das letzte sichere Datum über Petrus Auterii ist das seines Todesurteils. 255 256

Zusammenfassung

51

tionen zum Alltagsleben der Menschen ihrer Zeit zu sein, allgemein anerkannt. Zugleich ist deutlich, daß sie auch besonders komplex sind. Ihre Komplexität besteht vor allem in Reichtum und Fülle der in ihnen verhandelten Themen, andererseits auch in Widersprüchlichkeit und zum Teil auch Zufälligkeit des in ihnen Festgehaltenen. Sie erfordern deshalb ein historisch-kritisches Herangehen bei ihrer Auswertung. 2) Die biographisch-chronologische Rekonstruktion der Informationen, die zu einer einzelnen Person in den Quellen erhalten sind, ist schon aus methodischen Gründen besonders geeignet. Sie bietet sich aber auch aus einem sachlichen Grund an. Petrus Auterii ist, wie allgemein angenommen wird, die führende Person des Vorgangs, den Katharismus zwischen 1300 und 1310 im Untersuchungsgebiet zu reorganisieren. 3) Trotz der besonders günstigen, wenn auch schwierigen Quellenlage, und trotz der anerkannten Bedeutung des Petrus Auterii ist bis in die jüngste Vergangenheit der Katharismus, für den dieser perfectus steht, in der Geschichte dieser Religion oft gar nicht oder nur am Rande diskutiert worden. Dabei hat sich die Forschung sehr weitgehend auf J . M . Vidal bezogen, der mit der Ausnahme Duvernoys die einzige in die Quellen eindringende Untersuchung zu Petrus Auterii vorgelegt hat. Dabei hat Vidal die »Neokatharismus «-Theorie begründet, dessen abwertende Einschätzung von den meisten Historikern übernommen wurde. 4) Sowohl gegen diese Einschätzung als besonders auch gegen das stillschweigende Übergehen des südfranzösischen Katharismus zu Beginn des 14. Jahrhunderts spricht am meisten die Natur der Quellen selber, aus denen er rekonstruierbar ist: Sie beweisen durch ihren großen Umfang und die Fülle der in ihnen verhandelten Themen, welch große Anstrengung die Inquisition des Untersuchungsgebietes unternehmen mußte, um mit der erneut sich ausbreitenden katharischen Religion in ihrem Sinne fertig werden zu können. Erst zwei auf ihre Weise jeweils besonders zu würdigende Inquisitoren, Bernard Gui und Jacques Fournier, wegen seines Eifers und seiner administrativen Fähigkeiten weithin bekannter, gelesener und berühmter Organisator der Inquisition der eine, einfühlsam-unbestechlicher und hartnäckiger Fragesteller, Seelsorger und Disputant der andere, schafften es im Verein mit der Inquisition Carcassonne, mit der mobilen und gerade darum schwer zu packenden Organisation Auterii's, die den Vorteil hoher Sympathien in der Bevölkerung, besonders bei den Bauern, auf ihrer Seite hatte, gleichzuziehen. Angesichts des in P noch bis 1325 ablesbaren Missionserfolges der Auterii und ihrer Kollegen den Katharismus ihrer Zeit als für die katholische Kirche harmloses oder wegen seiner Dekadenz unbedeutendes, j a uninteressantes Nachspiel des »eigentlichen« Katharismus zu bezeichnen, heißt die Quellen Lügen strafen. Das Gegenteil ist richtig, und man kann sich durchaus vorstellen, daß der Katharismus, wäre er zu Beginn des 14. Jahrhunderts nicht mit allen Mitteln kirchlicher und staatlicher Disziplinierungsmittel niedergekämpft worden, sich

52

Einleitung

von neuem, wenn auch sicher gewandelt, in Südfrankreich allgemein ausgebreitet hätte. Es fehlt also bisher der Versuch, mit Hilfe der über diesen Vorgang berichtenden Quelle selbst den positiven Sinn der Tätigkeit des Petrus Auterii als perfectus verständlich zu machen und dabei das Neue im Rahmen der Geschichte des Katharismus, für das er steht, als plausible Antwort auf die Herausforderungen seiner Situation herauszuarbeiten. Petrus Auterii und den Katharismus seiner Zeit von vornherein an dessen vorangegangenen Entwicklungsphase zu messen, führt dazu, sich den Blick für das Wesentliche an Leben, Lehre und Tätigkeit seiner Person zu verstellen. Hieraus ist die Schlußfolgerung zu ziehen, sich bei der folgenden Untersuchung in erster Linie auf die Analyse der Quellen selbst zu stützen, die von Petrus Auterii berichten, und die von der bisherigen Forschung erarbeiteten Ergebnisse zwar zur Kenntnis zu nehmen, ohne sich jedoch von ihnen die Fragestellungen vorgeben zu lassen. Nur dieser induktive Weg der Quellenauswertung führt dazu, die Fragestellungen der Untersuchung wie auch die Antworten auf sie aus dem untersuchten Material selber zu gewinnen.

2. Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus 2. i Petrus Auterii als Notar und Politiker

bis 1296

Petrus Auterii begegnet uns in den Quellen fast immer als katharischer perfectus, als Wanderasket auf dem Weg von einem geheimen Unterschlupf zum anderen, als Prediger gegen Papst und König, als Person, die sich nur durch das genaue Einhalten bestimmter Vorsichtsmaßregeln überhaupt in der Öffentlichkeit bewegen kann und in der Regel auf der Flucht vor der Inquisition ist. Dieser Eindruck bezieht sich aber nur auf seinen letzten Lebensabschnitt, der die Jahre 1300-1310 umfaßt, jene Zeit, in der Petrus Auterii es unternahm, im Bereich der Grafschaft Foix und dem Gebiet u m Toulouse den Katharismus, der etwa 1275 in diesem Gebiet als organisierte Größe zusammengebrochen war, zu reorganisieren. Vor 1296 aber war Petrus Auterii ein in der Öffentlichkeit der Grafschaft geachteter Mann in gesicherter Position, der als Notar und politischer Unterhändler des Grafen von Foix zur bürgerlichen Elite der Grafschaft zählte und als Vater einer mindestens neunköpfigen Familie vorstand, die eine weitverzweigte Verwandtschaft hatte. Im folgenden Abschnitt dieser Untersuchung werden die verfügbaren Informationen, die wir zu diesem Lebensabschnitt aus den Quellen haben, gesichtet. Dabei steht im Mittelpunkt des Interesses die Frage, welche Motive den Notar Petrus Auterii bewogen haben mögen, im Herbst 1296, als er vermutlich in der Mitte seines sechsten Lebensjahrzehnts stand, aus seiner bürgerlichen Karriere als Notar sowie aus seiner Familie auszusteigen, seine gesamte öffentliche Position aufzugeben und die Grafschaft Foix heimlich und fluchtartig zu verlassen, u m ein völlig neues Leben zu beginnen - zunächst als katharischer Emigrant in Norditalien und dann, ab Frühjahr 1300, als Reorganisator des Katharismus in seiner Heimat, am Oberlauf der Ariège bis in das Gebiet des nördlichen Toulousain hinunter.

54

Das Leben des Petrus Auterii

2.2

vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

Herkunft

und

Familie1

W a n n g e n a u P e t r u s A u t e r i i g e b o r e n w u r d e u n d w e r seine E l t e r n w a r e n , ist n i c h t b e k a n n t . M i t einer g e w i s s e n W a h r s c h e i n l i c h k e i t ist j e d o c h seine F a m i l i e s c h o n v o r der M i t t e des 13. J a h r h u n d e r t s w e g e n i h r e r k a t h a r i s c h e n S y m p a t h i e n aktenkundig geworden2. Es lassen sich i m m e r h i n A n h a l t s p u n k t e d a f ü r f i n d e n , seine G e b u r t in e t w a a u f die Z e i t u m 1 2 4 0 zu datieren. D a f ü r s p r e c h e n s o w o h l v e r s c h i e d e n e B e z e i c h n u n g e n seiner P e r s o n als G r e i s (senex), die aus den J a h r e n 1 3 0 3 bis 1 3 0 9 ü b e r l i e f e r t s i n d 3 , als a u c h die Tatsache, daß P e t r u s A u t e r i i v o r der M i t t e der n e u n z i g e r J a h r e des 1 3 . J a h r h u n d e r t s V a t e r v o n m i n d e s t e n s sieben ehelichen u n d z w e i u n e h e l i chen K i n d e r n w u r d e . P e t r u s A u t e r i i hatte m i n d e s t e n s v i e r G e s c h w i s t e r : R a m u n d u s A u t e r i i aus A x , v e r h e i r a t e t m i t E s c l a r m u n d a 4 , der in d e r Z e i t n a c h der R ü c k k e h r seines B r u d e r s aus der L o m b a r d e i eine w i c h t i g e R o l l e spielte; eine S c h w e s t e r n a m e n s R a m u n d a , die m i t d e m aus I n q u i s i t i o n s a k t e n ebenfalls g u t b e k a n n t e n N o t a r G u i l l e l m u s de R o d e s i o v e r h e i r a t e t w a r 5 ;

1 Die Familienverhältnisse des Petrus Auterii sind verschiedentlich Gegenstand der Untersuchung gewesen, vgl. J . M . V I D A L , Les derniers ministres albigeoises, S . 6 2 ; J . D U V E R N O Y , Histoire, S . 3 2 2 , A. P A L E S - G O B I L L A R D , C , S . 4 4 - 4 8 . Die letztgenannte ist die gründlichste und ausführlichste Untersuchung. Eine Auswertung der Familienverbindungen Petrus Auterii's unter regionalem und sozialem Aspekt findet sich in einem Exkurs zu diesem Thema unten, Abschnitt 4 . 3 . 1 . 2 »Pierre Authié, notaire d'Ax-les-Thermes, appartenait à une famille cathare, au genus hereticum, comme disait avec pertinence l'Inquisition. Peu après 1236, un Pierre Authié d ' A x et son fils Raimond, se font parfaits. Ils avaient hébergé Bertrand M a r t y à A x en 1233«, wie J. D U V E R N O Y , Histoire, S. 321 bemerkt, allerdings ohne anzugeben, an welchen Stellen die Inquisition die Familie des Petrus Auterii als »genus hereticum« bezeichnet. Auch ist nicht ganz sicher, ob die aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts stammenden Informationen, die D U V E R N O Y anfuhrt, sich wirklich auf Vorfahren Petrus Auteriis beziehen, obwohl dies w a h r scheinlich ist. Eine Aussage aus den dreißiger Jahren lautet: »Petrus Auter d'Ax, hereticus, et socii sui heretici, et R a y m u n d u s Auter, filius dicti Petrus Auter . . . « (Doat XXIV, fo 269 vo, zit. nach J. M . VIDAL, Les derniers ministres de l'Albigéisme en Languedoc. Leurs doctrines, in: Revue des questions historiques, N. S. X X X V , Paris 1906, S., S. 62, Aussage von ca. 1230). Ein eindeutiger Beweis fur die Identität des hier Genannten als Vater oder Großvater des Petrus Auterii kann nicht geführt werden. V I D A L vermutet sie aufgrund der Namensgleichheit des in der Quelle erwähnten Sohnes R a y m u n d u s mit dem Bruder des perfectus Petrus Auterii. Sicher ist, daß in den ausgewerteten Quellen Petrus Auterii hierüber ebensowenig spricht wie andere, die ihn kannten. Der bei Vidal angeführte Befund widerspricht einer Stelle in Doat X X X V , S. 122-129, die von H . J . WARNER, The Albigensian Heresy S. 197 (vgl. S.205) als Beleg herangezogen w i r d dafür, daß der Vater des Petrus Auterii, hier ein R a y m u n d u s Auterii, für einen Katharer namens Arnaldus mit der S u m m e von 20 libra gebürgt hätte - man sieht, auf welch unsicherem Boden man sich bewegt, sobald man hier anfängt, Vermutungen anzustellen.

Für 1303: T, 67; für 1306: T, 131 ; für 1309: T, 86, 102 und öfter. Von Ramundus Auterii gibt es in C, 116-135 eine eigene Aussage; zu Esclarmunda vgl. C, 364 und öfter. 5 Von Guillelmus de Rodesio ist an vielen Stellen der Quellen die Rede. In C ist eine eigene 3 4

Herkunft und Familie

55

eine Schwester, deren N a m e nicht überliefert ist, von der wir aber wissen, daß auch sie mit der Inquisition zu tun bekam, denn ihr Mann Jacobus Hugonis aus Saverdun und sie hatten einen Sohn namens Guillelmus, der vom Inquisitionsgericht in Toulouse wegen Häresie verurteilt wurde 6 ; und schließlich ist Guillelmus Auterii aus den Akten besonders gut bekannt, denn er zog mit seinem Bruder Petrus in die Lombardei und wurde dort ebenfalls perfectus. E r war verheiratet mit Galharda 7 und war möglicherweise ebenso wie sein Bruder Notar oder zumindest rechtskundig, wie aus einem legendarischen Bericht über seine Bekehrung und die des Petrus Auterii zum Katharismus zu entnehmen ist. Petrus Auterii war verheiratet mit seiner Frau Alazaicis 8 und hatte außerdem zeitweilig eine »druda seu amica« 9 , das heißt eine Konkubine 10 . Mit seiner Frau hatte er, soweit aus den Quellen ersichtlich, sieben Kinder: Mathendis 11 , die mit Petrus Eugenius verheiratet war; Arnaldus 12 ; Johannes 1 3 ; Montanha, verheiratet mit Johannes Laurencii aus A x 1 4 ; Guillelma, die mit dem Notar Arnaldus Textoris aus Lordat verheiratet war 1 5 ; Galharda, verheiratet mit Ramundus de Soréze, Schneider in Toulouse (?) 16 ; Aussage von ihm erhalten, die aus dem Jahre 1308 stammt (C, 134-164). C, 150 bezeichnet er die Auterii als zu »parentela sua« gehörig. 6 »Guillelmus Hugonis, filius quondam Jacobi Hugonis neposque Petri A u t e r i i . . . « , vgl. T, 220, MOLINIER, L'Inquisition, S. 146, Anm. 2 legt dem Guillelmus Hugonis folgendes angeblich in T, 103 b befindliche Zitat in den Mund: »Set hereticus dixit sibi, quod nullo modo eam (gemeint sei die katharische fides) dimitteret, etiamsi omnes amici sui excoriarentur vivi coram ipso«, was sich aber nicht verifizieren läßt. 7 »Galharda . . . , uxor Guillelmi A u t e r i i . . . « ; vgl. P I , 273. 8 C, 94 u. ö. 9 C, 200. 10

DUCANGEIII,

197.

T, 221. 12 C, 9 4 u . ö . 13 Ebenda. 14 Ebenda; Ehemann Johannes Laurencii: C, 94. Diese Tochter wird von DUVERNOY, aaO., S. 322 nicht erwähnt. 15 P II, 213. 16 Galharda: C, 218. Ramundus Sartoris als ihr Ehemann: C, 46. 342; Aufenthaltsort Toulouse: T, 68. Ob »de Soréze« tatsächlich, wie in dieser Untersuchung im Anschluß an VIDAL, Les derniers ministres de l'Albigésime en Languedoc. Leurs doctrines, S. 62, Anm. 3 und A. Pales-Gobillard, C, 64, angenommen, ein Adelsname ist oder nur die Ortsherkunft (aus Soréze, Département Tarn) anzeigt, ist nicht ganz klar. Für diese Annahme spricht, daß »sartor« nach Ansicht von VIDAL und PALES-GOBILLARD die Berufsbezeichnung »Schneider« meint (aaO.) — es müßte sonst, falls es sich um den Familiennamen handelte, »sartoris« heißen — und damit wäre »de Soréze« der Familienname, der sonst fehlte. Dieser einleuchtenden Folgerung widerspricht allerdings C, 372, wo der Betreffende als »Ramundus Sartoris« vorgestellt 11

56

Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

sowieJacobus, der schon erwähnt wurde und der mit seinem Vater und Onkel in die Lombardei zog und später, nach der Rückkehr in die Heimat, ebenfalls perfectus wurde. Zwei weitere Kinder, Bonus Guillelmus und Guillamona waren unehelich. Es ist nicht zu belegen, daß ihre Mutter die Konkubine des Petrus Auterii war, von der wir aus den Akten wissen und die Moneta Calhaui hieß 1 7 , ihrerseits die Schwester eines Notars, Ramundus Calhaui aus A x 1 8 . Guillamona Auterii war mit einem Schneider aus Tarascon, Guillelmus de Carramati verheiratet 1 9 . Ü b e r Bonus Guillelmus, der mit Petrus Auterii in die Lombardei zog, wird unten noch ausführlich zu reden sein. Der besseren Übersicht halber werden die Familienzusammenhänge der Auterii in Form einer Stammtafel zusammengestellt 2 0 . Die Geburtsdaten der Geschwister des Petrus Auterii sind ebenso unbekannt wie die seiner Kinder, seiner Frau und seiner Konkubine. Die ganze Familie kam aus Ax, wie der O r t in den Inquisitionsurkunden und -akten stets heißt, einem O r t im Hochland der Grafschaft Foix, gelegen in der »Savartesium« (heute Sabarthès) genannten Landschaft und kirchlich zu der (allerdings erst Ende des 13. Jahrhunderts gegründeten) Diözese Pamiers gehörend 2 1 , mit dem das heutige Ax-les-Thermes (Dep. Ariège) gemeint ist 2 2 , schon damals Badeort mit alten und zähen katharischen Traditionen, Handelsdrehscheibe zwischen Foix und dem weiter nördlich gelegenen Tiefland der Grafschaft Foix sowie nach Süden über die Pyrenäen nach Andorra und Spanien 2 3 . Leider ist uns über die soziale Herkunft der Eltern des Petrus Auterii und damit über die Umstände, aus denen er stammt, nichts bekannt. Sicher ist aber, daß Petrus Auterii bürgerlicher Herkunft und von B e r u f Notar war - ein Beruf, wird, was wieder auf »Sartor« als Familiennamen hinweist, wie PALES-GOBILLARD ihn auch im Personenregister von C fuhrt (C, 414). Die Frage ist ohne weiterführende orts- und familiengeschichtliche Forschung nicht zu entscheiden. 17 Vgl. oben Anm. 9. 18 »Moneta uxor condam Rauzini soror Ramundi Calhaui notarii de A x . . . que erat amica seu druda Petri Auterii h e r e t i c i . . . « (C, 200). 1 9 »Guillelmus de Carramato, sartor Tarasconis et Guillamona, uxor eius filiaque naturalis Petri Auterii h e r e t i c i . . . « , vgl. P III, 322; ähnlich C, 88. 100. 2 0 Zu den Familienverhältnissen des Petrus Auterii vgl. VIDAL, aaO., S . 6 2 ; DUVERNOY, Histoire, S. 321 f; A. PALES-GOBILLARD, C, 4 4 - 4 8 . 2 1 Vgl. zu den Umständen der Gründung der Diözese Pamiers A. BAUMHAUER, Die Gründung des französischen Bistums Pamiers im Zusammenhang mit dem Streite zwischen Philipp dem Schönen und Papst Bonifaz VIII., in: Z K G 45 (NF 8), 1927, S. 3 5 8 - 3 6 9 , sowie den unten folgenden Exkurs zur politischen Entwicklung der Grafschaft Foix in der Regierungszeit Graf Roger-Bernard III. (1265-1302). 2 2 »Petrus Auterii notarius quondam et habitator de A x in Savartesio Appamiarum dyocesis . . . « , vgl.T, 92. 2 3 » . . . vieille station thermale et centre d'importantes transactions commerciales entre l'Espagne, le Val d'Andorre et le pays de Foix. Sa situation au fin fond du Savarthès, presque où commence la vallée de l'Ariège, au milieu des hautes montagnes, explique que cette localité et la contrée dont elle était le chef-lieu aient résisté aux efforts de la croisade albigeoise et, pendant longtemps aussi, à ceux de l'Inquisition.« 0 . M. VIDAL, aaO. S. 61 f).

57

Herkunft und Familie

Die Familie des Petrus Auterii (Ax)

Eltern: unbekannt („genus hereticum"?)

Ramundus oo Esclarmunda (Ax)

Ramunda oo Guillelmus de Rodesio

PETRUS oo Alazaicis (Ax)

Guillelmus oo Galharda (Ax)

Schwester? oo Jacobus Hugonis (Saverdun)

(Saverdun)

Arnaldus

Mathendis

Johannes

oo Petrus Eugenius

Guillelma

Montanha

Galharda

oo Arnaldus Textoris

Johannes Laurencii

Ramundus Sartoris

Jacobus

Konkubine des Petrus Auterii Moneta Calhaui

Bonus Guillelmus

Guillamona

den a u c h einige seiner V e r w a n d t e n a u s ü b t e n 2 4 u n d in d e m er es in der Z e i t bis ca. 1 2 9 5 in der Grafschaft F o i x zu einer g e w i s s e n Position g e b r a c h t hat.

Dafür

spricht auch die B e z e i c h n u n g »clerici« für ihn u n d seinen B r u d e r G u i l l e l m u s 2 5 , w o m i t n a c h d e m S p r a c h g e b r a u c h der Z e i t nicht unbedingt ein kirchlicher A m t s t r ä g e r , s o n d e r n meist ein Jurist, Wissenschaftler, Schreiber o d e r politischer F u n k t i o n ä r g e m e i n t i s t 2 6 . D a m i t k o m m e n w i r zu der F r a g e , w i e die Position des Petrus Auterii in der Grafschaft g e n a u e r b e s t i m m t w e r d e n k a n n u n d w o r i n seine A u f g a b e n als N o t a r bestanden.

2 4 Sein Schwager Guillelmus de Rodesio, der Bruder seiner Konkubine Moneta und sein Schwiegersohn Arnaldus Textoris. Notare gehörten auch zum weiteren Bekanntenkreis des Petrus Auterii, vgl. unten, Abschnitt 4.3.1. 2 5 P II, 403. 2 6 Vgl. A. BLAISE, Lexicon Latinitatis Medii Aevi, Turnhoult 1975, »clericus« (Sp. 188 £), Abschn. 4.

58

Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

2.3

Die Notarstätigkeit

des Petrus

Auterii

Die wichtigste Quelle für die Beantwortung der Frage, welcher Art die Notarstätigkeit des Petrus Auterii war, sind drei Dokumente, an deren Zustandekommen er in seiner Eigenschaft als Notar beteiligt war. Es handelt sich um Niederschriften aus den Jahren 1273, 1275 und 1285 27 . Das erste Dokument berichtet darüber, wie der König von Aragon seine Besitzansprüche an der Burg von Lordat, im Hochland der Grafschaft Foix gelegen, prüfen lassen möchte 2 8 . Zu diesem Zweck ließ der König im März 1273 eine Befragung von insgesamt zwölf Zeugen durchführen, deren Aussage die Rechtsverhältnisse klären sollte. Vertreter des Königs von Aragon war dabei der Ritter Guillelmus Ramundi de Josa, der aber die Befragung nicht selber durchführte, sondern dieses Geschäft dem Notar Petrus Auterii überließ. Zum Schluß der Akte heißt es nämlich: » . . . all dies oben Beschriebene sagten die genannten Zeugen aus, befragt durch den öffentlichen und unterzeichneten Notar und in Anwesenheit des besagten Herrn Ritters Guillelmus Ramundi de Josa . . . Und zur immerwährenden Erinnerung der Sache ließen wir, der Ritter Guillelmus Ramundi de Josa, von dem unterzeichneten Schreiber eine öffentliche Urkunde des Obenstehenden ausfertigen. Petrus Auterii, öffentlicher Notar von A x und Lordat hat dies geschrieben 29

.. .«

Aus dieser Aktenunterschrift ist zunächst einmal zu entnehmen, daß Petrus Auterii im Jahre 1273 eine Reihe von Funktionen innehatte, deren Bezeichnungen offenbar synonym gebraucht werden konnte: er war »scriptor publicus«, »tabellio« und »notarius publicus«, letzteres anscheinend ein Amt, dessen Ausübung an einen bestimmten territorialen Bereich gebunden war, hier nämlich die Städte A x und Lordat. Da die umstrittene Burg in Lordat lag, scheint es 2 7 Abgedruckt in C. BAUDON DE MONY, Relations politiques des Comtes de Foix avec la Catalogne, 2 Bde., Paris 1896, Bd. II, 149-152; 152-154; 212-217. 2 8 Wie weiter unten in diesem Abschnitt in einem Exkurs zur politischen Geschichte der Grafschaft Foix während der Regierungszeit Roger Bernard's III. gezeigt wird, waren zu einer bestimmten Phase die Besitzansprüche an einigen Hochlandburgen zu klären, die zwischen dem König von Aragon und dem Grafen von Foix umstritten waren. Es war dies ein Ergebnis weniger einer rechtlich unklaren Situation als vielmehr der politischen Manöver des Grafen von Foix, der sich im Konflikt mit dem französischen König dadurch abzusichern versucht hatte, daß er sich für einen Vasallen des Königs von Aragon erklärte. 2 9 « . . . hec omnia predicta dicti testes depossuerunt interrogata per scriptorem publicum et infrascriptum in presencia dicti domini Guillelmi Ramundi de Josa, militis . . . Et de predictis, ad perpetuam rei memoriam nos dictus G. Ramundi de Josa, miles, per tabellionem infrascriptum petimus et fecimus fieri publicum instrumentum. Petrus Auterii, notarius publicus de A x et de Lordato hoc scripsit . . . « (aaO. S. 152.) Vgl. hierzu das in Abbildung 1 reproduzierte, von Petrus Auterii eigenhändig geschriebene Manuskript dieses Vertrages. Sein von ihm geschriebener Namen befindet sich in der vorletzten Zeile (zweites und drittes Wort).

Die Notarstätigkeit

des Petrus

59

Auterii

Abbildung 1: Die Handschrift des Notars Petrus Auterii im Jahre 1273: Niederschrift über eine Befragung zu Eigentumsrechten an der Burg von Lordat (Baudon de Mony, Bd. II, 149-152)

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Das Dokument liegt heute im Archivo de la Corona de Aragòn, Pergameno Jaime I, n° 2143, dem ich hiermit für die Überlassung der Ablichtung des Manuskripts danke.

60

Das Leben des Petrus Auterii

vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

zunächst, als sei es völlig natürlich, daß Petrus Auterii in seiner Funktion als Notar des Ortes das Protokoll über die Zeugenbefragung aufsetzte. 30 N u n ist es aber so, daß in dem zweiten Dokument die Sache anders liegt. In diesem überträgt eine Gruppe von Angehörigen der Parochie de la Mazana im Namen aller Parochien von Andorra dem Grafen von Foix, Roger-Bernard III. für ewige Zeiten die gesamte Gerichtsbarkeit von Andorra. Dafür erläßt der Graf den Bewohnern sämtliche über sie wegen »cugucia«, also Ehebruch oder Frauenraub 31 , verhängten Strafen. Zu dieser am 6.Mai 1275 inTarascon ausgefertigten Akte lautet die Unterschrift: »Petrus Auterii, vereidigter N o t a r , hat dies geschrieben in Vertretung f ü r Guillelmus de Rodesio, des öffentlichen N o t a r s v o n Tarascon. Guillelmus de Rodesio, öffentlicher N o t a r v o n Tarascon, hat unterschrieben.« 3 2

Führte Petrus Auterii also im Dokument von 1273 den Titel eines Notars von Ax und Lordat, so fungiert er hier als »notarius juratus« anstelle des eigentlich zuständigen Notars, seines Schwagers 33 Guillelmus de Rodesio. Es muß einen Grund dafür geben, daß Petrus Auterii hier tätig wurde, denn eine zufällige Abwesenheit des zuständigen Guillelmus de Rodesio kommt als Erklärung nicht in Betracht, war dieser doch, wie seine Unterschrift beweist, anwesend. Worin die Besonderheit seiner Funktion bestand, ergibt sich, wenn wir den Vertragsinhalt der beiden Urkunden mit dem der dritten vergleichen: es geht dabei um eine Übereinkunft zwischen Ramundus Falconis, Vizegraf von Cardon, und Arnaldus Rogerii, Graf von Palhars, einerseits, sowie Roger-Bernard III., Graf von Foix, andererseits. Die erste Partei verspricht, zwei Burgen, die sich zur Zeit in ihrem Besitz befinden, innerhalb von drei Jahren ihrem Eigentümer, dem Grafen von Foix, zurückzugeben. Diesmal war Petrus Auterii bei der Vertragsausfertigung zwar nicht dabei, als Notar fungierte der zuständige notarius publicus. Als aber dann am 5.6.1284 im Beisein mehrerer Zeugen 3 4 eine 30

Die Burg von Lordat gehörte dem Grafen von Foix seit dem 22. 5.1267. Die Urkunde hierüber ist abgedruckt in F. PASQUIER, Constitution de fiefs par le comte de Foix RogerBernard III en 1267 et 1284, BSA 3 (1889/1890), S. 370-378. O b der unterzeichnende Notar »Petrus, publicus Fuxi notarius« mit Petrus Auterii identisch ist oder nicht, kann nicht mehr eindeutig ausgemacht werden. Es ist aber nicht wahrscheinlich. Denn einerseits sahen wir, daß Petrus Auterii 1273 als Notar von Ax und Lordat fungierte (und nicht von Foix), und andererseits unterschreibt ein Petrus Martelli, Notar von Foix, eine im selben Aufsatz veröffentlichte Urkundenabschrift über den Erwerb von Vernajoul durch Roger-Bernard III. im Jahre 1284, die offenbar für das Archiv des Grafen bestimmt war. Es wird sich beide Male um dieselbe Person handeln. Vgl. zur Burg von Lordat ferner G. R. DOUMAYROU, Chäteau de Lordat, in: BSA 27 (1972), S. 167-169 (mit Plan und Ansicht der Burg). 31

DU CANGE II, 6 4 6 .

32

»Petrus Auterii juratus notarius hec scripsit vice Guillelmi de Rodesio notarii publici Taraschonis. Guillelmus de Rodesio, notarius publicus Taraschonis subscripsit.« (C. BAUDON D E M O N Y , a a O . , B d . II, S. 154). 33

Wir wissen nicht genau, ob Guillelmus de Rodesio schon zu dieser Zeit der Schwager des Petrus Auterii war. Später war er es aber jedenfalls, vgl. oben, Abschnitt 2.2. 34 Die Zeugen werden allesamt als »clerici« bezeichnet, worunter sich auch Guillelmus Auterii befindet.

Exkurs 1

61

Abschrift des Vertrags angefertigt wird, wahrscheinlich für das Archiv des Grafen von Foix, ist es Petrus Auterii, der dies besorgt. Er selber bezeichnet sich in der Aktenunterschrift wieder, wie im ersten Dokument, als notarius publicus von Ax 3 5 . Die beschriebenen D o k u m e n t e ermöglichen einen Einblick in Position und Tätigkeit des Petrus Auterii. Als notarius publicus von Ax (und Lordat) ist er über einen Zeitraum von mindestens 11 Jahren tätig gewesen. In allen drei Fällen, die wir überhaupt beobachten können, handelt es sich dabei u m eine Tätigkeit in politisch relevanter Mission. Denn sowohl die Frage des Eigentumsrechts an den Hochlandburgen als auch die der Gerichtsbarkeit in Andorra fand mitten im Spannungsfeld einander überlagernder Ansprüche der Könige von Frankreich und Aragon sowie des Grafen von Foix statt, dessen Politik es, wie wir sehen werden, lange Zeit war, zwischen den beiden Königen so zu lavieren, daß er selber eine möglichst geringe Einschränkung seines Handlungsspielraums hinnehmen mußte. Daß es sich dabei u m politisch hochrangige Fragen handelte, zeigt die Tatsache, daß nach dem Wortlaut des dritten Vertrages dieser der Z u s t i m m u n g des Königs von Frankreich bedurfte. Im folgenden soll deshalb ein Abriß über die Auseinandersetzungen gegeben werden, deren Zeuge und Mitakteur Petrus Auterii bis zu Beginn der neunziger Jahre war und die seine Wahrnehmung der gesellschaftlichen Kräfte in der Grafschaft, ihrer Positionen und Perspektiven wesentlich bestimmten 3 6 .

2.4

Exkurs

1: Die politische Entwicklung der Grafschaft Foix zur Roger-Bernards III. (1265-1302)37

Zeit

Der Kampf der Grafen von Foix u m ihre politische Unabhängigkeit richtet sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegen die Expansionsbestrebungen der französischen Kapetinger-Könige, die seit Ludwig VI. (1108-1137) auf der Basis eines Bündnisses mit der Kirche die Politik verfolgten, ein möglichst großes und vor allem geschlossenes Territorium unter ihre Kontrolle zu bringen und nach innen und außen zu konsolidieren 3 8 . Trotz der seit 1154 schwelenden Auseinandersetzungen mit dem englischen 35

A a O . S. 212-217. Z u r politischen Geschichte der Grafschaft Foix werden hier nur die im Z u s a m m e n h a n g mit der Biographie des Petrus Auterii relevanten Entwicklungen skizziert. Vgl. zur Geschichte der Grafschaft im Untersuchungszeitraum H . D'ASPET CASTILLON, Histoire du C o m t é de Foix depuis les temps anciens jusqu'à nos jours, 2 Bde., Toulouse 1852, N e u d r u c k Marseille 1978, Bd. 1, S. 210-376. 37 Die wichtigste Quelle für den folgenden Exkurs ist die Histoire générale de Languedoc avec des notes et de pièces justificatives, ed. CL. DEVIC und J. VAISETTE, Toulouse 1885 / 1886, Bd. IX und X (im folgenden zitiert als HL), vgl. ferner die v o n H. D'ASPET CASTILLON verfasste Geschichte der Grafschaft Foix (s. o.). 38 Vgl. zu dieser Entwicklung im allgemeinen H . KÖLLEH, B. TÖPFER, Frankreich. Ein historischer Abriß, B e r l i n / D D R 1977 (Köln 1978), S. 64-111. 36

62

Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

Königreich um dessen Besitzungen in Frankreich gelang es den Kapetingern bis auf einige Ausnahmen (die Gascogne, das südliche Aquitanien und Flandern) bis etwa 1250 dieses Ziel zu erreichen. Zu den zum Schluß dieses Zeitraums unterworfenen Gebieten gehört auch die im Albigenserkrieg (1209-1229) niedergekämpfte und bis dahin selbständige Grafschaft Toulouse. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war der Graf von Foix der einzige und letzte größere Feudalherr des Midi, der seine Unabhängigkeit hatte behaupten können 3 9 . Dieser Zustand war von ihm nicht ohne zähen Kampf verteidigt worden. Sein wichtigster Gegner war zunächst der Graf von Toulouse, der weite Gebiete der Grafschaft Foix für sich beanspruchte. Bereits 1167 führt er mit Erfolg den Nachweis, daß die nördlich des Pas de la Barre gelegenen Teile der Grafschaft von ihm lehensabhängig sind, während die südlich des Passes 40 gelegenen Gebiete unabhängig bleiben. Allerdings wird diese Lehensabhängigkeit des Tieflands in dem auf den Albigenserkrieg folgenden Friedensvertrag zwischen Roger-Bernard II. von Foix und Ludwig IX. von Frankreich nicht erwähnt, im Widerspruch zu dem Vertrag, den Raimond VII. von Toulouse mit dem König abschloß, und in dem der schon 1167 behauptete Zustand zu Protokoll gegeben wird. Zusätzlich behauptet der Graf von Toulouse auch die Souveränität über einige Burgen des Hochlands für sich. Eine Urkunde, die eine Huldigung des Grafen von Toulouse gegenüber dem König aus dem Jahre 1241 festhält, bestätigt diese Rechtsauffassung der Grafen von Toulouse unverändert 41 . Zu der seit 1167 umstrittenen Unabhängigkeit des Tieflands der Grafschaft kam de jure eine faktisch allerdings unbedeutende Abhängigkeit des Hochlands der Grafschaft vom aragonesischen König. Zumindest für einige Gebiete des Hochlands ist dies nachweisbar. Während das Kerngebiet dieses Teils der Grafschaft, das Sabarthès, offenbar den Grafen von Foix unterstand, war es mit den östlich davon gelegenen Gebieten Capcir, Donnezan und Alion anders. So hören wir, daß sich Bernard d'Alion zusammen mit seinem Bruder Co-seigneur der genannten Gebiete, im Albigenserkrieg dem Kreuzfahrerheer anschloß, nach39

40

Vgl. MOLINIERS E i n s c h ä t z u n g in H L I X , 12, A n m . 2.

H L IX 55, A n m . 7. Z u m Bedeutung des Pas de la Barre vgl. A. MOULIS, L'Ariège et ses châteaux féodaux, 3. Auflage, Tarascon-sur-Ariège 1979, S. 14: »Le lieu de la Barre, ou Labarre, était autrefois désigné par l'expression Pas de la Barre, en raison de l'etoisse de ce passage qui mettait en communication la plaine et la montagne. Il fut de bonne heure considéra c o m m e un point stratégique très important . . . « In einer Reihe v o n D o k u m e n t e n wird die Grafschaft Foix geographisch in das Gebiet nördlich und südlich des Pas de la Barre geteilt bezeichnet. Nördlich davon lag das sogenannte Tiefland, südlich das Hochland. Diese Teilung ist auch für die Katharer zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch belegt. Die strategische Bedeutung des Pas de la Barre, der bis zu seiner Zerstörung durch die Truppen Simon de Montforts 1211 (aaO. S. 15) durch eine B u r g befestigt war, bestand darin, daß hier ein natürlicher Durchgang durch den in nordwestlich - südöstlicher Richtung verlaufenden Höhenzug, die Montagne du Planturel liegt, der die eigentliche Schranke zwischen H o c h - und Tiefland bildet. Der O r t Labarre liegt heute etwa drei Kilometer nördlich v o n Foix. « H L IX, S. 55, A n m . 7.

Exkurs 1

63

dem ihm kurz zuvor Peter III. von Aragón seine Besitztümer entzogen und den Grafen von Foix damit belehnt hatte. Offenbar hoffte Bernard, im Verlauf des Krieges wieder in seine Rechte eingesetzt zu werden. Diese Rechnung ging auch auf. 1226 bekam er seine Güter wieder, entschloß sich aber 1242 zur Ehe mit der Schwester Roger-Bernards II. von Foix, Esclarmonde. Einige Jahre später, 1258, wurde er nach einer Niederlage gegen die Truppen Aragóns in der Nähe von Perpignan als Ketzer verbrannt und seine Güter von Jakob I. von Aragón dem Grafen von Foix übergeben, der sie 1268 dem Sohn des Hingerichteten, Guillaume d'Alion zurückgab 42 . Dieses mehrfache Eingreifen Aragóns zeigt, daß hier Rechtstitel auf Teile des Hochlandes tatsächlich bestanden und auch im Ernstfall durchgesetzt wurden. Zusammenfassend kann man also sagen, daß die Eigentumsverhältnisse im Hochland folgendermaßen aussahen: Das Kerngebiet des Hochlands, das Sabarthés, gehörte dem Grafen selber; die Landschaften Donnezan, Capcir und Alion waren ursprünglich aragonesisches Gebiet, befanden sich seit 1268 aber als Lehen der Grafen von Foix in der Hand der Familie d'Alion. Hinzu kommt, daß die Grafschaft Foix seit alters insgesamt ein Lehen der Grafschaft Barcelona war. Deren Rechtsnachfolger waren die Könige von Aragón. Dies hatte zwar faktisch seit dem 13. Jahrhundert kaum noch eine Bedeutung: Die Pyrenäen waren ein relativ sicherer Schutz gegen entsprechende Ansprüche oder gar militärische Überraschungen seitens Aragóns. Ein direkter Angriff über das Gebirge war wegen der befestigten Pässe nur schwer durchzuführen, so daß als Anmarschweg nur der Umweg über die Mittelmeerküste und von dort landeinwärts blieb. Umgekehrt aber konnten die Grafen von Foix im Fall der Gefahr von Norden her ihre Lehensabhängigkeit von Aragón und damit einen wichtigen Verbündeten für sich reklamieren. Wir werden sehen, daß Roger-Bernard III. 1272 genau dies tat. Im Jahre 1242 wurde Roger von Foix durch den Friedensvertrag von Lorris Vasall des Königs von Frankreich in bezug auf das Tiefland der Grafschaft. Zu dieser Zeit konnten die Grafen das Hochland also noch unabhängig halten. Dasselbe gilt noch 1263, als nämlich bei einer königlichen Volkszählung in der Grafschaft nur die Gebiete nördlich des Pas de la Barre erfaßt werden 43 . In diesem Jahr war der französische König nach dem Tod des letzten Grafen von Toulouse in dessen Rechte eingetreten und ließ eine Aufstellung über die Besitztümer des Tieflands erstellen, womit er dieselbe Rechtsposition einnahm, wie sie seit 1167 die Grafen von Toulouse Foix gegenüber vertreten hatten. Ab 1263 ist also der König für das Tiefland Lehnsherr des Grafen. Der Konflikt zwischen beiden ließ nicht lange auf sich warten: 1268 wurde der Graf nach einem Raubzug ins Gebiet der Grafen von Ampurias zum Seneschall nach Carcassonne zitiert, ihm ein Schaden von 5533 livres tournois vorgerechnet und 42 43

Vgl. J . DUVERNOY, Histoire, S. 161-164. H L IX, S. 19.

64

Das Leben des Petrus Auterii

vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

er (1271) zur Zahlung dieser Summe verurteilt, wogegen er allerdings Einspruch erhob 44 . Im folgenden Jahr 1272 kam es dann zur direkten militärischen Konfrontation mit dem König. Wieder war der Anlass dafür eine Fehde, in deren Verlauf Arnaud, ein Bruder Gerauds V. von Armagnac durch Geraud de Casaubon getötet wurde. Im darauffolgenden Krieg stellte sich Roger-Bernard III. auf die Seite Armagnacs, mit dessen Graf Geraud er verschwägert war. Geraud de Casaubon wußte sich nun nicht mehr anders zu helfen, als sich dem Schutz des Königs zu unterstellen und dessen Vasall zu werden. Als dies nun Geraud d'Armagnac und Roger-Bernard III. nicht daran hinderte, das Schloß ihres Gegners (Sompuy) zu zerstören, befanden sie sich praktisch im Krieg mit Frankreich. Zunächst sollten sie sich nur vor dem Seneschall in Carcassonne verantworten. Roger-Bernard III. aber versäumte es nicht nur, zum anberaumten Termin in Carcassonne zu erscheinen, sondern ließ obendrein noch den Seneschall überfallen, woraufhin dieser das gesamte Tiefland besetzen ließ. Philipp II. von Frankreich begann mit Kriegsvorbereitungen 45 . Während sich im Mai 1272 das französische Heer Pamiers näherte, sicherte sich Roger-Bernard III. ab, indem er aufgrund der oben dargestellten Rechtslage behauptete, das Hochland der Grafschaft sei schon immer ein Lehen der Könige von Aragón gewesen, deren Schutz er sich hiermit unterstelle 46 . Jakob I. von Aragon zog daraufhin mit einem Heer über die Pyrenäen, nachdem er zunächst, als sich der Konflikt Foix - Frankreich bereits anbahnte, seinen Untertanen hatte verbieten lassen, sich auf die Seite des Grafen zu stellen 47 . Offenbar lag weder Ludwig IX. noch Jakob I. an einem Konflikt: Hierfür spricht, daß Jakob I. sich zunächst zusammen mit dem Schwiegervater Roger-Bernards III., dem Vizegrafen von Béarn, um Verhandlungen mit dem König bemühte, die auch zustande kamen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen von Boulbonne war, daß Roger-Bernard III. sich unterwerfen sollte. Als dieser ablehnte, erschien am 3.6. 1272 das französische Heer vor Foix und begann mit Belagerungsvorbereitungen 48 . Angesichts seiner ausweglosen Lage kapitulierte Roger-Bernard III. schon am übernächsten Tag. Er wurde verhaftet, in den Kerker nach Carcassonne gebracht und seine Frau Marguerite de Montcade als Geisel nach Paris mitgenommen 4 9 . N u n forderte auch der König von Aragón seinen Anteil: Am 7.6.1272 ließ er Schloß Foix für sich in Besitz nehmen, mußte es allerdings kurz darauf an den König von Frankreich weitergeben. Alle Hochlandburgen beanspruchte er allerdings für sich 50 . Ein Monat später begann eine Volkszählung des Königs von Frankreich, in der die Grenzen des Hochlands festgestellt werden 44

HL IX, S. 12. HL IX, S. 11-14. 46 HL IX, S. 55, Anm. 7. M O L I N I E R vermutet an dieser Stelle, das Hochland sei in Wahrheit Allodialbesitz der Grafen und diese allenfalls viel früher Vasallen der Grafschaft Barcelona gewesen. 47 HL IX, S. 14, Anm. 1. 48 HL IX, S. 14-16. 49 HL IX, S. 17. 50 HL IX, S. 19. 45

Exkurs i

65

sollten 51 . Zwar versuchte Jakob I. in der Folge, die Hochlandburgen für sich zu behalten, doch gelang ihm das nicht. In dieser Auseinandersetzung muß es gewesen sein, daß Petrus Auterii als Notar die oben geschilderte Befragung in Lordat leitete, aus der sich die Eigentumsrechte des Königs von Aragón an dieser Burg ergeben sollten. Natürlich war dies im Sinn der bisher verfolgten Politik Roger-Bernards III.: Fielen die Hochlandburgen an den König von Frankreich, so war dessen Einfluß auch auf das Hochland erdrückend. Eine Souveränität Aragóns war damit verglichen aus den oben genannten Gründen leichter zu ertragen. Doch noch im selben Jahr mußte Jakob I. die fraglichen Burgen dem Seneschall von Carcassonne übergeben, der sie dann im Auftrag des Königs der Mutter Roger-Bernards III., Brunissende, zur Verwaltung weitergab 52 . Überhaupt ging Ludwig IX., nachdem die Machtverhältnisse nun einmal klargestellt waren, daran, sich mit Roger-Bernard III. auszusöhnen. Ende 1273 lud er ihn an den Hof nach Paris und machte ihn zum Ritter 53 . Schließlich, am 15. 3. 1275 gab er ihm das Tiefland der Grafschaft zurück, während er sich die Besitzrechte am Hochland sicherte 54 . Der Sinn dieser Aktion ist klar: Weiteren Versuchen zu einer antifranzösischen Koalition Foix - Aragón sollte damit ein Riegel vorgeschoben werden. Noch im selben Jahr, am 4. 10. 1275, verschwägerten sich Roger-Bernard III. und Jakob von Aragón, ein nachgeborener Sohn Jakobs I., Erbe von Mallorca, Montpellier, dem Roussillon und der Cerdagne, und zwar auf Vermittlung des französischen Königs hin 55 . Jakob von Aragón heiratete eine Schwester des Grafen. Anlässlich der Hochzeitsfeiern bezeichnet ein zeitgenössischer Bericht Roger-Bernard III. als den reichsten seigneur in der ganzen Languedoc, hatte er doch eine beträchtliche Summe als Mitgift für seine Schwester aufbringen müssen 56 . Bald darauf starb Jakob I. von Aragón (25. 7. 1276). Wegen der von ihm verfügten Erbteilung zwischen seinen Söhnen Peter II. (Aragón) und Jakob (Mallorca) kam es in der Folgezeit immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Position Roger-Bernards III. verbesserte sich inzwischen. Als Dank für Philipp III. von Frankreich in dessen Krieg gegen Kastilien und Navarra geleistete Dienste (Winter 1276/77) 57 gab ihm der König alle Hochlandburgen zurück (März 1277), nicht ohne ihn allerdings einen Lehnseid für die gesamte Grafschaft schwören zu lassen 58 . Als der Graf dann auch noch versprach, den König von 51 52 53 54 55 56 57 58

AaO. HL IX, S. 19-20. HL IX, 21. AaO., Anm. 2. HL IX, S. 48f. Die königliche Ehevermittlung ergibt sich aus HL IX, S. 21. Es handelte sich um 3000 Mark Silber, vgl. HL IX, S. 48. HL IX, S. 54. HL IX, S. 55.

66

Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

Aragón künftig nicht mehr als Lehnsherr anzuerkennen, bekam er sogar die im Bereich der Seneschallei Toulouse liegenden Tiefland-Besitztümer zurück, die der König 1272 eingezogen hatte 59 . Hier wird in ersten Ansätzen eine Strategie deutlich, die die französischen Könige, vor allem Philipp IV., mit großem Erfolg dem Grafen gegenüber anwandten: Nach der erfolgten militärischen Auseinandersetzung gaben sie dem Grafen Stück für Stück seinen Besitz wieder, ließen ihn dafür aber jedesmal die französische Oberhoheit anerkennen. Dieses Vorgehen erwies sich letztlich als äußerst wirkungsvoll, nicht zuletzt deshalb, als dadurch für Roger-Bemard III. die einzige Möglichkeit, Gebietsgewinne zu erzielen, die Expansion nach Süden, d. h. gegen Aragon blieb, womit die für Frankreich nicht ungefährliche Koalition Foix — Aragón vermieden wurde. In dem im folgenden Jahr 1278 ausbrechenden Krieg zwischen Peter III. von Aragón und Jakob von Mallorca kämpfte Roger-Bernard III. aufseiten seines Schwagers, gebunden durch einen Beistandspakt zwischen den beiden, der am 8. 5.1278 ausgehandelt worden war 6 0 . Anlaß des Krieges war, daß Peter III. die Gebiete der Cerdagne und des Roussillon für sich beanspruchte. Doch schon im September 1278 versöhnten sich der Graf und Peter III., ja, sie planten sogar ihre Verschwägerung. Im Dezember belehnte Peter III. den Grafen sogar noch mit der Grafschaft Urgel. Vielleicht hoffte er, hiermit Roger-Bernard III. endgültig auf seine Seite zu ziehen, denn der Graf drohte schon seit einiger Zeit, sich mit einigen katalanischen Feudalen gegen Peter III. zu verbünden 61 . Die geplante Verschwägerung kam dann aber doch nicht zustande 62 , denn als im Winter 1278/79 erneut ein Konflikt zwischen Peter III. und Jakob von Mallorca drohte, stand Roger-Bernard III. auf Seiten seines Schwagers. Es gelang ihm jedoch, zwischen den Brüdern zu vermitteln und einen Vertragsschluß zwischen ihnen herbeizuführen (20.1.1279), in dem Jakob von Mallorca Vasall Peters III. wurde 63 . Aber kaum hatte Peter III. sich auf diese Weise gegen seinen Bruder durchgesetzt, da begann Roger-Bernard III. wieder ein Bündnis mit einigen katalanischen Adligen gegen ihn zu schmieden, darunter dem Grafen von Palhars. Es kam deshalb zum Krieg zwischen dem König von Aragón und den Oppositionellen, der am 22.7.1280 mit der Belagerung Urgels und der Kapitulation der Verbündeten endete. Der Graf von Foix geriet dabei in Gefangenschaft Aragóns, aus der er erst knapp vier Jahre später, im Mai/Juni 1284 wieder entlassen wurde 64 . Bis zu diesem Zeitpunkt garantierte der König von Frankreich (dem an einer weiteren Machtausdehnung Aragóns natürlich in keiner Weise gelegen sein konnte) durch eine jährliche Zahlung für den Schutz der Grenzbefestigungen gegen Aragón 6 5 . Auf diese Weise erhielt Philipp III. Gele59 60 61 62 63 64 65

AaO. HL IX, S. 63. HL IX, S. 64 ff. HL IX, S. 63. HL IX, S. 65 ff. Zur Gefangennahme des Grafen: HL IX, S. 78; zu seiner Freilassung 1284: HL IX, S. 101. HL IX, S. 78f.

Exkurs 1

67

genheit, seinen Einfluß über Foix endgültig abzusichern, das mit seiner Billigung für die Dauer der Abwesenheit des Grafen durch dessen Ehefrau und den vom Grafen eingesetzten Prokurator Geraud V. von Armagnac verwaltet wurde 6 6 . Wie aber kam es 1284 zur Wiederannäherung zwischen Foix und Aragon? Es scheint, daß darauf weit entfernte Ereignisse einwirkten. In Sizilien hatte die vereinigte städtische und adlige Opposition Karl von Anjou, der die Insel als päpstlicher Lehnsmann beherrschte, aus dem Land geworfen (Sizilianische Vesper, 31.3. 1282). Peter III. versuchte nun in seiner Eigenschaft als Erbe der Staufer die Herrschaft über Sizilien an sich zu bringen, natürlich gegen den Willen Frankreichs und der Kurie. Seiner Weigerung, die Insel wieder herauszugeben, folgte erstens der Bann des Papstes und zweitens die päpstliche Ernennung Karls von Valois zum Gegenkönig von Aragón. Karl war ein Bruder Philipps III. von Frankreich, der das von Peter III. an ihn gerichtete Koalitionsangebot gegen den Papst darum ablehnte. Der Papst rief zum Kreuzzug gegen Peter III. auf 57 . In diesem Zusammenhang ist der Friedensschluß zwischen Aragón und Foix zu sehen, der Ende Mai/Anfang Juni 1284 mit der Freilassung des Grafen erfolgte 68 . Doch die Hoffnungen Peters III. auf den Grafen als Verbündeten im Kampf gegen Papst und Frankreich erfüllten sich nicht. Im April 1285 finden wir RogerBernard III. auf französischer Seite im Heerlager Philipps III., das auf seinem Weg nach Aragón inzwischen in Narbonne angelangt ist 69 . Den Hintergrund dieses Frontwechsels muß man wahrscheinlich in einem Geheimvertrag des französischen Königs mit dem Schwager Roger-Bernards, Jakob von Mallorca, sehen, in dem sich im Februar 1285 Philipp III. und Jakob zum gemeinsamen Vorgehen gegen Aragón verpflichteten 70 . Auch Papst Martin IV. hatte wohl seine Hand im Spiel: Jakob von Mallorca bekam zur Finanzierung des Krieges den Zehnt aller Kirchen seines Reiches zugesprochen. Roger-Bernard III. und sein Schwager waren ja seit 1275 Verbündete, und so stand er 1285 im französischen Heer und war Verbündeter des Papstes. Noch im selben Jahr starben Philipp III. und sein aragonesischer Gegenspieler Peter III. Dieser hatte sein Reich vor seinem Tod unter seine Söhne Alfons (Aragón) und Jakob (Sizilien) aufgeteilt (11. 11. 1285)71. Der französisch-päpstliche Kreuzzug war zu dieser Zeit militärisch praktisch gescheitert: Aragonesische Truppen hielten das Territorium des Königreichs Mallorca besetzt. Erst 1290 / 1291 kam es zu Verhandlungen zwischen Aragón, Frankreich und dem Papst, die mit dem Frieden von Tarascón (8.4.1295) endeten. Teil der Vereinba-

66 67 68 69 70 71

HL IX, HL IX, HL IX, HL IX, HL IX, HL IX,

S. 79. S. 100 ff. S. 100 f. S. 101-104. S. 104 f. S. 114 ff.

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Das Leben des Petrus Auterii

vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

rungen war, daß Mallorca an König Jakob zurückgegeben und Frieden zwischen Karl von Valois und Aragón hergestellt wurde 7 2 . Für Roger-Bernard III. ergab seine Kriegsteilnahme allerdings durchaus Vorteile, doch verbunden mit einem neuen Konflikt, der ihn auf Jahre hinaus beschäftigen sollte: Im Zeitraum September / November 1285 wurde er zum Dank für die seit 1275 geleisteten Dienste von Philipp IV. in die alten Rechte der Grafen von Foix an der Stadt Pamiers wieder eingesetzt. Diese Rechte waren seit alters in einem Vertrag zwischen dem Abt des Klosters St. Antonin und dem Grafen von Foix festgelegt, einem paréage-Vertrag 73 . Die gräflichen Anteile hatte Abt Bernard Saisset 1270 als Lehensgeber Philipp III. von Frankreich ausgehändigt. Als nun dessen Nachfolger diese Roger-Bernard III. zurückerstatten wollte, weigerte sich B. Saisset im Unterschied zu den Konsuln der Stadt, seine Zustimmung zur Wiederherstellung des vor 1270 geltenden Rechts zu geben. Allerdings sollte diese auch nicht sofort erfolgen, sondern nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren, während derer Philipp IV. dem Grafen die durch die Übergangszeit verlorenen Einnahmen zu ersetzen versprach. Damit wahrte der König eine Vereinbarung mit dem Abt. Wie sich nun in der Folgezeit zeigen sollte, war die Wiedererlangung der gräflichen Rechte an Pamiers für Roger-Bernard III. nur im Kampf gegen Abt Saisset möglich (der, was die Sache komplizierte, im Lauf der Auseinandersetzung auch noch Bischof von Pamiers wurde) 7 4 . So sehen wir seit etwa 1285 eine Annäherung zwischen König und Graf, die als Grundlage die wichtige Frage der Rechte an der Stadt Pamiers hatte. Trotz dieser Entwicklung waren die Beziehungen zwischen Frankreich und Foix nicht etwa frei von Spannungen. Das zeigt ein Brief des Königs an seinen Seneschall in Carcassonne, in dem er den Grafen verdächtigt, mit Aragón zu konspirieren. U m sich für diesen Fall abzusichern, schloß der Seneschall im königlichen Auftrag am 15.6.1295 einen Vertrag mit dem Grafen, in dem dieser in bezug auf das Hochland wieder zu Zugeständnissen gezwungen wurde: Zwei Hochlandburgen mußte er dem König als Sicherheit für seine politische Zuverlässigkeit überlassen, Schloß Foix räumen und es als Königsresidenz auf eigene Kosten mit einer Besatzung ausstatten. Außerdem nahm sich der König das Recht auf die Erziehung der Tochter des Grafen 75 . Dieser Vertrag stellt das Resultat einer ganzen Reihe schwelender Konflikte 72 HL IX, S. 144 f, besonders Anm. 3 und 5. Bei dem König von Aragón handelte es sich zunächst um Alfons, der aber im November 1291 starb und dem sein Bruder Jakob, zugleich auch König von Sizilien, folgte. 1291 sah die Situation also so aus, daß der Kreuzzug Frankreichs und der Kurie gegen Aragón nicht nur erfolglos geblieben, sondern sogar zu ihren Ungunsten ausgegangen war: Sizilien blieb unter dem Einfluß Aragóns und das mit Frankreich verbündete Mallorca blieb 10 Jahre lang (1285-1295) von Aragón besetzt. 73 Vgl. hierzu Histoire de Pamiers, hrsg. Syndicat d'Initiative de Pamiers - Basse Ariége, 1981, S. 52-85. Karte der paréage von Pamiers ebenda S. 59, Karte der Entwicklung der Diözese Pamiers ebenda, S. 68. 74 HL IX, S. l l l f . 75 HL IX, S. 145f.

Exkurs t

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zwischen König und Graf dar, die alle in das Jahrzehnt zwischen 1285 und 1295 fallen (s. u.). Doch ist dies nur eine Seite der Entwicklung der Grafschaft in dieser Zeit. Ihre wesentliche Tendenz wird sichtbar in einer in heftigen Auseinandersetzungen erkämpften Konsolidierung der Position des Grafen: Zunächst sicherte er sich die Erbschaft seines Schwiegervaters, des Vizegrafen von Bearn, der nicht ohne Zutun Roger-Bernards seine Tochter Marguerite de Montcade, seine zweite Tochter und Ehefrau des Grafen von Foix in die vollen Erbrechte seines Besitzes einsetzte (Mai 1286) 76 . Dieser Regelung aber widersprach die dritte Tochter des Vizegrafen, Mathe, die mit Geraud V. von Armagnac verheiratet war. Trotz dieses Widerspruchs wurde der Erbschaftsvertrag mit Marguerite Teil des vizegräflichen Testaments vom 21. 4. 1290, womit sich ein Konflikt zwischen Foix und Armagnac anbahnte. Gaston VI., Sohn des inzwischen verstorbenen Grafen von Armagnac, forderte deshalb Roger-Bernard III. zu einem Duell auf. Dieses fand trotz königlichen Verbots (allerdings ohne greifbares Ergebnis) statt. Als nun im Mai 1290 Gaston von Bearn starb, trat Roger-Bernard III. sein Erbe an und wurde dadurch für die Vizegrafschaft Vasall des Königs von England als des Oberherrn der Gascogne, also eines potentiellen Feindes des Königreichs Frankreich 77 . In der Folgezeit kam es zu weiteren Spannungen zwischen König und Graf. Bei einem Angriff auf die Güter der Zisterzienserabtei Calors hatte er einige königliche Wachsoldaten töten lassen und war in ähnlicher Weise als Vizegraf von Bearn mit dem Bischof von Lescars umgesprungen, dem er Kirchengüter und seine Stadt geraubt hatte. Als er sich weigerte, sich hierfür zu verantworten, zwang ihn der König dazu, indem er einen Teil der Grafschaft besetzen ließ. Nun mußte sich Roger-Bernard III. unterwerfen. Die Bedingungen sahen einen Kreuzzug ins Heilige Land oder die Zahlung einer Buße von 10.000 libra vor, falls der Kreuzzug nicht binnen Jahresfrist angetreten sei. Außerdem waren die Burgen Lordat und Montreal dem königlichen Seneschall zu übergeben 78 . Dieser Schachzug sicherte dem König die endgültige Unterwerfung des Grafen: Er reiste im Juli 1291 nach Paris und unterzeichnete dort eine Erklärung, in Zukunft HL IX, S. 146f. HL IX, S. 146f. Der Hintergrund dieser Aktion ist aufschlußreich für die ökonomische Lage des Grafen in dieser Zeit: Roger-Bernard war offenbar in so großer Geldnot, daß er sogar die Mitgift seiner Ehefrau bei Händlern aus Carcassonne als Sicherheit für einen Kredit hatte einsetzen müssen. U m diesen Kredit zurückzahlen zu können, machte er seinem Schwiegervater, dem Vizegrafen von Bearn, den Vorschlag, ihm vermittels des Erbschaftsvertrags mit Marguerite die Vizegrafschaft gegen eine Zahlung von 20 000 livres tournois zu überlassen. Da sich der Vizegraf selber in einer ähnlichen Lage befand, ging er auf den Handel ein, obwohl ihm klar war, daß er wahrscheinlich nur einen Teil der Summe erhalten würde. Bei einer im Juli 1282 stattfindenden Verhandlung zu diesem Vertrag wandte der anwesende Vorsteher des Franziskanerkonvents von Toulouse ein, Gaston müsse sich doch im klaren darüber sein, daß sein Schwiegersohn ebenso arm sei wie er selbst (vgl. HL IX, aaO.). Aber beide konnten wohl nicht anders: Gaston brauchte dringend wenigstens einen Teil der 20 000 Livres und RogerBernard ebenso dringend die Einkünfte aus der Vizegrafschaft Bearn. 76

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HL IX, 148ff.

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Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

nicht mehr gegen königliche Anordnungen zu verstoßen und königlichen Besitz nicht mehr anzutasten. Der König konnte es sich leisten, bis 1295 Schritt für Schritt von den Unterwerfungsbedingungen wieder abzurücken und ihm sogar die beiden Hochlandburgen wiederzugeben 79 , was aber den Grafen nicht hinderte, weiter auf eigene Faust und durchaus nicht immer unter Wahrung der französischen Interessen zu handeln: So nutzte er die sich wieder verschärfenden Spannungen zwischen Frankreich und Aragón zu einem Angriff auf das Bistum Urgel. N u r mit Mühe und mit Hilfe der Vermittlung des Königs von Kastilien konnte ein erneuter Krieg zwischen Aragón und Frankreich verhindert werden, denn Alfons von Aragón witterte hinter dem Übergriff des Grafen das verborgene Einverständnis Philipps IV. Durch seinen Seneschall ließ der König dem Grafen jede weitere Feindseligkeit gegen aragonesisches Gebiet untersagen 80 . In dieselbe Zeit fallen verschiedene, die Souveränitätsrechte des Grafen betreffende Auseinandersetzungen mit dem König: Bergrechte, Judenbesteuerung, Exekution von Häretikern, Schlichtung von Privatkriegen in der Grafschaft und, was im Zusammenhang mit Petrus Auterii besonders interessiert, die Ernennung von Notaren in der Seneschallei Carcassonne waren zwischen König und Graf umstritten 81 . Trotz weiterer Konflikte mit dem König 8 2 stellen diese aber nicht die Haupttendenz der Zeit von 1285-1295 dar. Denn auf der anderen Seite leistete der Graf dem Bruder des Königs, Karl von Valois, Kriegsdienst im Gascognekrieg gegen England, was ihm den Gouverneursposten für die Diözesen Auch, Aire, Dax und Bayonne einbrachte, zuzüglich einer vom König finanzierten Truppe von 2000 Soldaten und 500 Reitern 83 . Insgesamt brachte also diese Zeit dem Grafen eine erhebliche Konsolidierung seiner Position, mit dem Zugewinn der Vizegrafschaft Béarn als Kern, und das 79

H L IX, 150, A n m . 2. HL, IX, S. 163. Bei dieser Gelegenheit bemerkte er, die Grafschaft und Roger-Bernard selber stünden unter seiner Jurisdiktion. 81 A a O . , A n m . 3. Z u r Frage der Notarsernennung s.u. Bei der Frage des Rechts der Häretikerexekution ging es im wesentlichen u m das Recht der Konfiszierung des Eigentums der Verurteilten, wie eine Auseinandersetzung u m dieses T h e m a aus d e m Jahre 1301 zeigt (HL IX, S. 234, A n m . 2). 82 Z u nennen ist vor allem der Krieg mit Armagnac, der eine Folge des Erbschaftsvertrags mit Gaston v o n Béarn war. U m sich für diesen Krieg abzusichern, verbündete sich RogerBernard mit dem König von Kastilien, dessen beiden Söhnen er seine Töchter als Frauen anbot. Die Eheschließung scheiterte an der kanonisch nicht erlaubten Verwandtschaft vierten Grades der beiden Häuser, der Papst weigerte sich, Dispens zu erteilen (HL IX, S. 204). Mitten in die Kriegsvorbereitungen gegen Armagnac k a m das Verbot Philipps IV., während des Flandernkriegs Privatkriege zu fuhren. Wie der Graf daraufhin dem Seneschall mitteilen ließ, gedachte er nicht, sich an dieses Verbot zu halten. O h n e das Ergebnis eines Appells an den König abzuwarten, zog er in den Krieg, in dessen Verlauf er auch aragonesisches Gebiet (einen Teil der Grafschaft Pailhas) besetzte. Der Konflikt endete dann zwar mit einem Waffenstillstand (HL IX, S. 205), brachte i h m aber die E x k o m m u n i k a t i o n seitens des Erzbischofs v o n Saragossa ein (HL IX, S. 215). 83 H L IX, S. 183f. 80

Exkurs 1

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trotz ständiger Reibereien mit dem König, wenn es um die Souveränitätsrechte im Innern der Grafschaft ging. An dem nun zu schildernden Konflikt um die pareage von Pamiers, dem wohl schwersten, den Roger-Bernard in den neunziger Jahren durchstehen mußte, wird deutlich, daß sich auf die Dauer eine Koalition von König und Graf herausbildete. Es wurde schon erwähnt, daß es einen pareage-Vertrag gab, in dem die Besitzrechte an Pamiers zwischen dem Abt von St. Antonin und dem Grafen geregelt waren, daß Philipp IV. im September 1285 seine Absicht dargelegt hatte, den seit 1270 in den Händen des Königs befindlichen Anteil des Grafen daran diesem zurückzugeben, obwohl der Vertrag 1280 zwischen dem König und dem Abt um weitere 10 Jahre verlängert worden war, daß der König dem Grafen für den Einnahmeausfall an der pareage zwischen 1285 und 1290 eine jährliche Entschädigung zahlen wollte sowie, daß dem zwar die Konsuln von Pamiers, nicht aber der Abt Bernard Saisset zugestimmt hatten 84 . N u n forderte der König in einem erneuten Brief vom 30. 1. 1294 den Abt auf, der Wiedereinsetzung des Grafen in seine angestammten Rechte zuzustimmen - mit demselben Erfolg wie neun Jahre zuvor 85 . Der König wies seinen Seneschall in der Stadt an, Pamiers zu verlassen und dem Grafen die Burg zu übergeben (Februar 1295). Als der Seneschall dies nicht innerhalb eines Monats befolgte, fühlte sich der Graf getäuscht, griff das Schloß und den Besitz der Abtei an, verbündete sich mit den Bürgern der Stadt und eroberte sie, nachdem ihm die Tore geöffnet worden waren. Der Abt reagierte mit der Exkommunikation des Grafen und der Bürger der Stadt und bat Papst Bonifaz VIII. um Hilfe. Dieser intervenierte beim König. Doch im November 1297 kam es endlich zu einer Einigung über die strittigen Fragen: der Abt willigte in die pareage ein unter der Bedingung der Ersatzleistung für den an der Abtei angerichteten Schaden. Der Bischof war nun in bezug auf die Stadt Lehnsherr des Grafen 86 . Papst Bonifaz VIII. stimmte seinerseits der pareage zu und löste Roger-Bernard von der fünfjährigen Exkommunikation, die er ihm auferlegt hatte (27. 6.1300) 87 . Schwieriger war es nun inzwischen allerdings deshalb geworden, weil B. Saisset inzwischen (September 1296) Bischof der neugegründeten Diözese Pamiers geworden war 8 8 . Denn in den folgenden beiden letzten Lebensjahren 84

H L IX, S. 111. H L IX, S. 190. 86 H L IX, S. 190f. 87 H L IX, S. 151f. 88 H L IX, S. 187-190. Es soll hier nicht auf die Details der Erhebung Pamiers zur Diözese eingegangen werden. Wichtig ist hier zu bemerken, daß die n u n neugegründete Diözese nicht völlig identisch war mit der, an deren Spitze Jacques Fournier ab 1317 stand. Z u r G r ü n d u n g des Bistums vgl. A. BAUMHAUER, Die G r ü n d u n g des französischen Bistums Pamiers im Z u s a m menhang mit d e m Streite zwischen Philipp d e m Schönen und Papst Bonifaz VIII., in: Z K G 46, N F 9, (1927), S. 358-369. Vgl. ferner zu B. Saisset: J. M . VIDAL, Histoire des évêques de Pamiers. I: Bernard Saisset (1232-1311). Extrait de la revue de sciences religieuses (1925-1926), Toulouse 1926. 85

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Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

Roger-Bernards entstand nun eine neue Situation durch den Konflikt, in den B. Saisset mit Philipp IV. geriet und der weltgeschichtliche Bedeutung erlangte 89 , weil er den letzten Anstoß zum Vorgehen des Königs gegen Bonifaz VIII. darstellte. Schon bevor B . Saisset öffentlich gegen den König aufzutreten begann, war es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden gekommen, greifbar zum ersten Mal in einer Appellation der Bürger von Pamiers an den königlichen Seneschall wegen eines Streits mit dem Bischof (April 1301). Der Hintergrund der Angelegenheit war ein Konflikt des Bischofs mit dem Grafen bezüglich der Jurisdiktion über die Stadt, in dem der König die Position des Bischofs korrigierte. Daraufhin exkommunizierte der Bischof die Bürger der ganzen Stadt, wogegen diese wiederum Einspruch beim König, dem Erzbischof von Narbonne und dem Papst einlegten 90 . Zum wiederholten Mal in relativ kurzer Zeit hatte sich damit Philipp IV. auf die Seite des Grafen und gegen den Bischof (bzw. vorher Abt) gestellt. Das aktive Element für diese Konstellation war vermutlich der König, dem am allerwenigsten an einem engen Zusammengehen zwischen Bischof und Graf gelegen sein konnte, einer Koalition, die B. Saisset dem Grafen verschiedentlich angeboten zu haben scheint (s. u.), die aber durch die vom König mit herbeigeführten Interessengegensätze wegen der Besitzrechte an der Stadt dem Grafen unmöglich war. Als nun B. Saisset im Frühjahr 1301 die päpstliche Forderung nach der Freilassung des Grafen von Flandern öffentlich unterstützte (der Flandernkrieg dauerte zu diesem Zeitpunkt noch an), schlug der König zurück: er setzte eine Untersuchungskommission ein, die den Verdacht des Hochverrats, begangen durch den Bischof, klären sollte. Im Verlauf ihrer Untersuchung förderte die Kommission nach Anhörung mehrerer Zeugen, darunter auch des Grafen, zu Tage, der Bischof habe diesem einen gemeinsamen Aufstand gegen den König vorgeschlagen. Das genügte zur Anklageerhebung: Noch bevor B. Saisset seinen Plan, sich nach Rom zu begeben, durchführen konnte, wurde er am 6. 10. 1301 vor Gericht zitiert, seine weltlichen Güter eingezogen 91 . Der Erzbischof von Narbonne, der sich auf die Seite des Königs stellte, wurde mit der Organisation der Gefangenschaft des Bischofs beauftragt 92 . Zugleich teilte der König dem Papst die Anklageerhebung gegen den Bischof mit, was dann schließlich zum Ausbruch des lange schwelenden Konflikts zwischen Philipp IV. und Bonifaz VIII. führte. Denn als es am 24. 10. 1301 am Königshof in Senlis in Anwesenheit von König und Bischof tatsächlich zur Anklageerhebung kam,

8 9 So auch die Einschätzung A. BAUMHAUERS, aaO., S. 358: »Wie die Person des Bischofs Saisset, so sind die Anfänge des südfranzösischen Bistums Pamiers überhaupt aufs engste verquickt mit der Entstehung des folgenschweren Konfliktes zwischen König und Papst, gerade in der Gründungsgeschichte dieses Bistums haben wir ein getreues Spiegelbild der Motive, die zu Ende des 13. Jahrhunderts die päpstliche Politik beeinflussten«. 9 0 HL I X , S. 191f. 9 1 HL I X , S. 240. 9 2 Die Haftbedingungen des Bischofs sind minutiös geschildert in H L I X , S. 216-218.

Exkurs i

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die auf Hochverrat und Majestätsbeleidigung lautete 93 , reagierte der Papst Anfang Dezember 1301 mit zwei Schritten: Er berief eine Synode nach Rom ein, die am 1. 11. 1302 beginnen sollte 94 , entzog Philipp IV. alle von ihm gewährten Privilegien und forderte seine Unterwerfung 9 5 . Auf diese Antwort reagierte Philipp demonstrativ: Er ließ die päpstliche Bulle öffentlich verbrennen, berief eine Ständeversammlung nach Paris (10. 4. 1302) und verbot allen Prälaten seines Reiches, zur Synode nach Rom zu fahren 96 . Damit war der offene Bruch da. Zwar ließ sich der Konflikt um B. Saisset noch regeln: Er verließ nach einiger Zeit Haft beim Bischof von Narbonne Frankreich in Richtung Rom (Februar 1303)97. Aber der unter Leitung von Guillaume de Nogaret durchgeführte Schlag Frankreichs gegen Bonifaz VIII., der bekanntlich im September / Oktober 1303 zu dessen Verhaftung in Anagni, seinem baldigen Tod und danach zur Einbindung des Papsttums in die Politik Frankreichs führte, zeigt die Entschlossenheit Philipps, den Kampf gegen das Papsttum zu riskieren und zu gewinnen - ein Kampf, dessen letzter Auslöser der Konflikt zwischen König und Graf von Foix einerseits, der Bischof von Pamiers andererseits war. Für die weitere Argumentation im Rahmen dieser Untersuchung ist nun einzuschätzen, was der Konflikt zwischen Graf und Bischof an Ergebnissen erbracht hat. Moliniers These ist zuzustimmen 98 : Es bestand wohl kaum eine Differenz zwischen Graf und Bischof, was die antifranzösische Ausgangsposition beider betrifft. Der Unterschied bestand in der Haltung zur katholischen Kirche: Während Saisset den antifranzösisch-katholischen Oppositionstyp des Adels gegen die sich ausbreitende königlich-französische Dominanz in der Grafschaft vertrat 99 , haben wir mit Roger-Bernard III. den antifranzösisch-antikatholischen Oppositionstyp vor uns. Als nun der Graf seit 1272 Schritt für Schritt und gegen seinen erbitterten Widerstand in einen vom König abhängigen Status gezwungen wurde, stimmte er den Überlegungen des Bischofs zu einer Koalition mit Armagnac und Aragon gegen den König, wie sie der Hochverratsprozeß ans Licht gebracht hatte, nicht zu, wahrscheinlich zum einen, weil er durch 93 H L IX, S. 219f. B. Saisset hatte das baldige Ende der Kapetingerdynastie vorhergesagt und den König als Falschmünzer bezeichnet. 94 H L IX, 229f. 95 AaO. 96 H L IX, S. 230. 97 H L IX, S. 240. 98 H L IX, S. 224. 99 Wie m a n sich die Familie vorstellen m u ß , aus der B. Saisset stammte, zeigt die folgende Anekdote, die zweimal, P III, 319 und 328f überliefert ist: etwa im Jahre 1304 sang während einer feierlichen Messe des Bischofs ( » . . . d u m episcopus missam sollemniter celebravit«) dessen eigener Bruder, der Ritter Guillelmus Saisset, in der N ä h e des Altars stehend (»primis cathedris dextri chori«), folgenden Spottvers: »Clerges se fan pastors / e son galiadors / e par de gran sanctor / qui les vetz revestir / e pres m e asouevir / que n'Alengris u n dia / ad un partie venia / mays pels cas que temia / pel de m o t o vestic / pueys maniet e trasie / tot q u a m Ii abelic.« (frz. Übersetzung bei J. DUVERNOY, P III, 329, A n m . 507) Die Anekdote zeigt, daß in derselben adligen Familie anti- und prokirchliche Positionen vorkamen.

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Das Leben des Petrus Autern vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

eigene bittere Erfahrungen von der Aussichtslosigkeit einer solchen Politik überzeugt war, und zum anderen wegen seiner eigenen Auseinandersetzungen mit dem B i s c h o f um die pareage von Pamiers, ein Konflikt, an dem der König, wie wir sahen, nicht unbeteiligt war. Dieser konnte nun die Früchte seiner Politik der Spaltung der antifranzösischen Opposition in der Grafschaft ernten. Ü b e r die innere Haltung des Grafen Frankreich gegenüber können wir zwar vermuten, daß sie bis zu seinem Tode distanziert blieb, mit Sicherheit aber blieb sie antikirchlich (s. u.). D o c h die Politik des Königs wie auch die des Abtes und Bischofs ließen ihm im Grunde keinerlei Spielraum, handfest gegen Frankreich vorzugehen. Im Gegenteil: Gegen Ende seines Lebens, im Oktober 1301, hielt sich Roger-Bernard noch einmal am H o f in Paris auf, w o er in Anwesenheit Philipps IV. für seinen Sohn und Erben Gaston einen Ehevertrag mit Johanna von Artois aushandelte, deren Mitgift seinem Haus 5000 libra einbrachte 1 0 0 . In seinem Testament vom 22. 11. 1299 hatte er Gaston als Erben für seinen ganzen Besitz eingesetzt 1 0 1 . Seine Tochter Constance war mit dem Sohn des Seigneurs von Mirepoix, seine Tochter Mathe mit dem Sohn des Grafen von Astarac und seine Tochter Brunissende mit dem Grafen von Perigord verheiratet bzw. (letztere) verlobt - eine bedeutsame Veränderung in der Heirats- und damit Bündnispolitik des Hauses Foix, denn alle Schwiegersöhne waren französische Adlige. N o c h 1278 hatte Roger-Bernard seine Tochter Constance mit Peter III. von Aragon verheiraten wollen. Der Graf starb am 3. 3. 1302 in Tarascon. Die Umstände seines Todes verdeutlichen die ganze Zwiespältigkeit seiner Haltung Frankreich und der Kirche gegenüber: nachdem er vor seinem Tod von Petrus Auterii heimlich das katharische consolamentum empfangen hatte und somit als perfectus gestorben war, wurde er nach seinem Tod durch den B i s c h o f von Carcassonne und im Beisein vieler Kleriker in der Grablege seiner Vorfahren, der Zisterzienserabtei B o u l bonne, beigesetzt 1 0 2 . Wir sehen also insgesamt drei Phasen, in denen sich die politischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Grafen entwickeln und die den politischen Hintergrund für die Biographie Petrus Auteriis darstellen: 1. 1265-1272: Phase der Konfliktanbahnung mit Frankreich, erster militärischer Zusammenstoß und Niederlage des Grafen. 2. 1272-1280/84: Phase des diplomatisch-militärischen Lavierens, der wechselnden Koalitionen, um Freiraum sowohl gegen Frankreich als auch gegen Aragon zu erhalten

HL IX, S. 232. AaO. 1 0 2 Consolamentum durch Petrus Auterii: P II, 427; Totenmesse durch den Bischof, Grablege in Boulbonne: HL IX, S. 232. 100 101

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3. 1285-1302: Zeit der Konsolidierung und Besitzerweiterung um den Preis der Annäherung an Frankreich, gipfelnd im Aufstieg der Kinder des Grafen in den französischen Hochadel. Die erste Phase vom Regierungsantritt Roger-Bernards bis zum verlorenen Krieg gegen Frankreich ist noch gekennzeichnet durch den mehr oder weniger gelungenen Versuch, die unmittelbare politische Souveränität der Grafschaft gegen Toulouse und dann vor allem gegen Frankreich zu verteidigen, das Roger-Bernard als den Hauptfeind begriff, gegen den er sich sogar Aragón unterstellen konnte. Für diese Zeit gilt noch Moliniers Charakterisierung der Grafschaft als der letzten freien seigneurie der Languedoc, wenn dies auch nur für das Hochland gilt, nachdem für das Tiefland schon seit 1167 von Toulouse und später Frankreich die feudale Oberherrschaft beansprucht wurde. Das Jahr 1263, in dem der französische König die Nachfolge der Grafen von Toulouse antritt, markiert den Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Foix, die sich dann letztlich nicht nur auf das Tiefland, sondern auch das Hochland erstrecken. Die Taktik des Grafen, sich 1272 beim König von Aragón rückzuversichern, markiert schon vor dem Ende der ersten Phase den Beginn der zweiten, der durch ein ständiges Lavieren zwischen Frankreich, Aragón und Mallorca gekennzeichnet ist. Es ist der König von Frankreich, der dieses Spiel zum Schluß gewinnt. Er söhnt sich nach 1272 mit Roger-Bernard aus, nachdem die Machtverhältnisse klargestellt sind, gibt dem Grafen das Tiefland (1275) und die Burgen des Hochlands zurück. Der Versuch Roger-Bernards, sich durch Verschwägerung mit dem König von Mallorca und dem Angebot an Peter III. von Aragón, Constance von Foix mit dem Infanten von Aragón zu verheiraten, eine von Frankreich unabhängige Koalition Foix - Aragón - Mallorca (eine antifranzösische »Südkoalition«) zu schaffen, scheiterte an dem Konflikt seiner Bündnispartner untereinander. Zwar versuchte Roger-Bernard im Krieg von 1279 zwischen den beiden Brüdern zu vermitteln, aber als Peter III. eindeutiger Sieger in der Auseinandersetzung mit dem König von Aragón und Schwager des Grafen war, mußte dieser eine Wiederholung der Konstellation von 1272 befürchten, in der sich die Könige von Frankreich und Aragón auf seine Kosten geeinigt hatten. Darum verbündete sich der Graf 1280 mit den inneren Feinden Peters III. und ließ sich auf einen Krieg gegen ihn ein, der ihm zum Verhängnis wurde: Z u m einen bescherte er ihm vier Jahre Haft in Aragón, zum andern war damit jede Hoffnung auf eine »Südkoalition« gegen Frankreich dahin. Das illusionslose Verhalten des Grafen dieser Frage gegenüber zeigt sich darin, daß wir ihn nach 1284 nie mehr auf der Seite Aragóns und immer, trotz ständiger Konflikte um die Souveränitätsrechte in der Grafschaft, in den wichtigen Fragen auf der Seite Frankreichs finden, angefangen beim Kreuzzug Frankreichs und der Kurie gegen Aragón über den Gascognekrieg bis hin zur Auseinandersetzung um Bernard Saisset.

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Das Leben des Petrus Auterii

vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

Allerdings muß man für diese dritte Phase zwei Aspekte auseinanderhalten: Wenn der Graf auch in den großen Auseinandersetzungen auf Seiten des Königs steht, so deshalb, weil für andere außenpolitische Manöver kein Raum blieb. Was Fragen der Souveränität in der Grafschaft anging, war und blieb er zweifellos Gegner Philipps IV. Die Taktik des Königs, mit der er den Konflikt des Grafen mit B. Saisset um die pareage von Pamiers nicht zur Ruhe kommen ließ, band den Grafen nur noch enger an ihn und verhinderte so ein Zusammengehen zweier gleich antifranzösisch gesonnener Languedoc-Feudalen, indem er deren konträre Positionen zur katholischen Kirche für seine Interessen zu nutzen wußte. So kam es, daß Roger-Bernard im Hochverratsprozeß als Zeuge gegen B. Saisset auftrat, wobei herauskam, daß B. Saisset in der Tat dem Grafen eine Neuauflage der »Südkoalition« unter Einschluß Armagnacs (mit dem der Graf allerdings wegen der Erbschaftsstreitigkeiten um die Vizegrafschaft Bearn noch im Konflikt war) vorgeschlagen hatte. Stattdessen bereitete der Graf, nachdem ihm deutlich war, daß aus der Abhängigkeit von Frankreich kein Weg mehr herausführte, den Aufstieg seines Hauses in den französischen Hochadel vor: durch die Verstärkung seines Besitzes, durch Kriegsdienst für Frankreich und vor allem durch die Heiratspolitik für seine Kinder. Der Schlußstein dessen war dann die Einheirat seines Sohnes (und Nachfolgers) in die Familie des Königs. Der in dem vorangegangenen Exkurs zur politischen Geschichte skizzierte Prozeß der schrittweisen Einbindung der Grafschaft in das Königreich Frankreich ließ Petrus Auterii nicht unbeteiligt. Es ist möglich, daß er von ihm direkt betroffen wurde. Denn während der dritten oben dargestellten Phase der Auseinandersetzungen zwischen König und Graf war zwischen ihnen neben der Frage, wer in der Grafschaft Foix die Bergrechte, das Recht zur Judenbesteuerung, das Recht zur Strafausübung gegen verurteilte Häretiker habe 103 , auch in Frage, wer das Recht zur Ernennung von Notaren habe. In einem Dokument vom 30.1.1292 lesen wir hierzu, der Graf protestiere gegen die kürzlich erlassene königliche Konstitution, » . . . es solle in der Seneschallei Carcassonne und in Ländern der Untertanen des Herrn Königs kein Notar ernannt werden außer durch den Herrn König selber, und daß in Zukunft auszufertigende Urkunden, von welchen Notaren auch immer, nicht mehr als glaubwürdig gelten sollten, wenn sie nicht mit den echten Siegeln versehen seien.« 1 0 4

Er wolle deswegen an den König appellieren, schreibt der Graf dem Seneschall von Carcassonne, weil durch diese Konstitution seine hergebrachten Rechte

103

HLIX, S. 163f. »quod nullus creetur notarius in senescallia Carcassonne et in terris subditorum Domini Regis, nisi per ipsum Dominum Regem, et quod instrumentis conficiendis de cetero per quoscumque notarios non adhibeatur fides, nisi fuerunt sigillis authenticis sigillata . . . « (HL IX, S. 284 f). 104

Exkurs 1

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geschmälert und verletzt würden 1 0 5 . Es geht aus den Akten der folgenden Jahre nicht hervor, wie in dieser Frage endgültig die Entscheidung fiel106, besonders ist nicht zu belegen, daß die sich in der Zeit von 1292-1302 abspielende Veränderung im Notariat Petrus Auterii konkret traf. Interessant ist allerdings, daß in dem einzigen uns aus den Quellen noch bekannten Fall seiner Berufsausübung seine Tätigkeit in keinem politischen (wie bisher), sondern einem privatrechtlichen Zusammenhang steht, und zwar aus einer Zeit, die zwischen 1292 und 1294, also dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung zwischen Graf und König um das Notariat lag. Petrus Auterii begegnet uns hier als Notar in Ax. Zu ihm kommen Beatrix de Planissol 107 und ihr Ehemann, vermutlich (s.u.) der Ritter Berengarius de Ruppe Fortis, um einen Kaufvertrag über ein Grundstück beglaubigen zu lassen: »(Beatrix) sagte aus, sie h a b e den g e n a n n t e n P e t r u s Auterii, der d a m a l s n o c h N o t a r w a r , f r ü h e r e i n m a l gesehen. E r h a b e als N o t a r die U r k u n d e ü b e r den V e r k a u f eines Besitzes ihres b e s a g t e n M a n n e s geschrieben, d e n ihr M a n n getätigt h a b e u n d d e n sie, Beatrix, d u r c h i h r e n E i d bestätigt habe. Ü b e r diesen V e r k a u f u n d seine B e s t ä t i g u n g h a b e besagter P e t r u s Auterii, w i e a n g e g e b e n , die U r k u n d e a u s g e s t e l l t . . . « 1 0 8 105

H L IX, S. 484-489. Es ist allerdings bekannt, daß Philipp IV. im Jahre 1302, also 10 Jahre später, die gesamte Organisation des Notariats in seinem Reich verändern ließ, nicht zuletzt, u m seine Rechte an der Besetzung dieser wichtigen Posten der Verwaltung sichern bzw. erst durchsetzen zu können. Die N o t a r e waren nach dieser R e f o r m n u r m e h r Gehilfen des königlichen Tabellion, der als vereidigter Beamter dem König unterstand und für ihn die Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit in seinem jeweiligen Gerichtssprengel zu beurkunden hatte. Damit versuchte der König, auch in der Grafschaft die Verhältnisse durchzusetzen, die in den königlichen Territorien schon seit der Zeit des 10./11. Jahrhunderts herrschten: die Unterstellung des Notariats unter die Kontrolle des Kanzlers als Leiter des königlichen Urkundenwesens. Wie im Fall der Brüder Auterii wurden die N o t a r e auch als clerici bezeichnet (vgl. hierzu R. HOLTZMANN, Französische Verfassungsgeschichte von der Mitte des 9. Jahrhunderts bis zur Revolution (Handbuch der Mittelalterlichen und Neueren Geschichte, hrsg. G. VON BELOW, F. MEINECKE, Abteilung III, Bd. 4), München und Berlin 1910, S. 133). N o c h in der von Petrus Auterii ausgefertigten Akte v o m März 1273 sahen wir, daß der lateinische Begriff tabellio dort in einem weniger spezifischen Sinn gebraucht wurde, nämlich s y n o n y m für Schreiber (»scriptor publicus«) stehen konnte, wie der Begriff aus d e m römischen Recht und bis ins Spätmittelalter hinein gebräuchlich war, vgl. E. HABERKERN - F. WALLACH, Hilfswörterbuch für Historiker, 2. Auflage, Bern 1964, S. 609. 107 Z u r Biographie der Beatrix vgl. K. STOODT, Die Biographie der Beatrix, Frankfurt/M. 1982 (unveröffentlichte Magisterarbeit). 108 » . . . (Beatrix) dixit se d u d u m vidisse dictum Petrum Auterii, tunc utentem officio notarii, qui ut notarius fecit instrumentum de venditione cuiusdam posessionis dicti mariti sui quam idem maritus suus fecerat q u a m venditionem ipsa Beatrix laudavit cum iuramento de quibus venicione et laudatione dictus Petrus Auterii ut premissus est fecit instrumentum . . . « (P II, 216). Die genaue Datierung des Vorgangs ist schwierig. Z u m einen ist der N a m e des Ehemanns der Zeugin an dieser Stelle nicht genannt. Sie war, wie wir den Quellen entnehmen können, zweimal verheiratet, das zweite Mal (mit O t h o de Ecclesia) aber erst ab ca. 1300, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Petrus Auterii mit Sicherheit schon nicht m e h r als N o t a r arbeitete, weil er, wie unten zu zeigen ist, 1296 das Land verließ und erst 1300 als perfectus zurückkehrte. D a m i t k o m m t als der hier erwähnte Ehemann nur Berengarius de Ruppe Fortis in Betracht. Der Zeitpunkt der Eheschließung mit ihm ist v o n Beatrix de Planissol widersprüchlich überliefert: 106

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Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

N u n läßt sich aus dieser Nachricht kein eindeutiger Schluß über die Tätigkeit des Petrus Auterii in der Zeit seit Beginn der neunziger Jahre ziehen. Da diese Stelle aber die einzige ist, aus der wir etwas über seine Tätigkeit in dieser Zeit erfahren, ist sie doch erwähnenswert, besonders vor dem Hintergrund der oben geschilderten Auseinandersetzung um das Notariat. Es steht zu vermuten, daß im Verlauf dieses Konflikts zwar Petrus Auterii seinen B e r u f nicht verlor: E r fungierte weiterhin als Notar, auch ging es in der königlichen Konstitution von 1292 nur um die Ernennung neuer Notare (»quod nullus creetur n o t a r i u s . . . « ) . Andererseits aber war seine Position als Unterhändler des Grafen in politischen Fragen möglicherweise auch durch diese Entwicklung (und nicht nur durch die sich in dieser Zeit abspielende allgemeine Veränderung in der Politik des Grafen) geschwächt. Weitere Belege für das Leben Petrus Auteriis als N o t a r sind nicht erhalten. Das nächste, was wir über ihn hören, ist sein Verschwinden aus A x , sein Aufenthalt in der Lombardei und die Tatsache, daß er dort katharischer perfectus geworden ist. Wie war es dazu gekommen? Diese Frage zieht die nächste nach sich: ob aus der Zeit vor dem Lombardeiaufenthalt Hinweise auf Bekanntschaft und Kontakt mit dem Katharismus zu finden sind. Daß Petrus Auterii mit dem Katharismus tatsächlich schon vor 1295 sympathisierte, geht aus mindestens zwei Stellen deutlich hervor. Sein Schwiegersohn Arnaldus Textoris erzählt, er habe schon 1 2 9 3 1 0 9 mit Petrus Auterii während eines Spaziergangs über die richtige Interpretation v o n j o h 1,3 gestritten: »Und plötzlich habe der genannte Petrus zu ihm, dem Aussagenden, gesagt: 'Arnaldus, es heißt doch im Evangelium des Johannes: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott. Alles ist durch es geschaffen worden und ohne es ist nichts geschaffen!« Daraufhabe er geantwortet, diese Worte stünden am Anfang des Johannesevangeliums. Da habe Petrus ihn gefragt: 'Wißt Ihr, was das bedeutet: alles ist durch es geschaffen, und ohne es ist nichts geschaffen?', worauf er geantwortet habe, die genannten Worte besagten, daß alles, was existiert, von Gott erschaffen wurde und daß es nichts gibt, was er nicht erschaffen habe. Da habe Petrus geantwortet, daß nicht dies die Bedeutung dieser Worte sei, die er, der Aussagende, annehme, ihre Bedeutung sei vielmehr: Alles, was existiert, ist durch Ihn erschaffen, umgekehrt aber sei auch alles ohne Ihn erschaffen worden. Darauf habe er (Arnaldus Textoris) geantwortet: 'Aber wie könnt ihr das sagen? Ihr versteht wohl kein Latein, wenn ihr den Worten des Evangeliums gerade den umgekehrten Sinn gebt. U n d es heißt doch auch anderswo in der Schrift, Gott habe Himmel und Erde, Meer und alles, was darinnen ist, gemacht!' Hieraufhabe Petrus geantwortet, dies sei der Sinn dieser Worte: 'Ohne Ihn ist nichts nach P II, 218 läge er schon 1292, nach P II, 28f ca. 1294. Diese zweite Datierung ist die wahrscheinlichere, denn sie wird von Beatrix in Verbindung mit einer Schwangerschaft erwähnt und ist daher wohl die genauer erinnerte. Auf jeden Fall aber kann das Datum des Kaufvertrags auf die Zeit zwischen 1292 (oder 1294) und 1296 festgelegt werden, was hier einzig von Interesse ist. 1 0 9 »ante per tres annos quam Petrus Auterii hereticus recesisset versus Lombardiam...« (P II, 213). Der Zeitpunkt der Abreise der Auterii in die Lombardei lag, wie gezeigt werden wird, im Herbst 1296.

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(gemeint ist hier wohl: das Nichts) geschaffen worden, das heißt: Alles Geschaffene existiert ohne ihn.' Diesen Sinn habe Petrus (dieser Stelle) gegeben. Da habe er, der Aussagende, zu Petrus gesagt: 'Ich hätte nicht gedacht, daß Ihr so schlecht gesinnt seid, wie Ihr seid. Hier, an einem Ort wie diesem, könnt Ihr mit solchen Reden dafür sorgen, daß Ihr bei der Gurgel gepackt werdet. Zwischen uns könnt Ihr so reden, denn ich werde Euch daraus nichts Schlechtes besorgen. Hütet Euch aber, daß Ihr es künftig keinem anderen sagt, sonst kann es schlecht für Euch ausgehen.' Petrus aber habe geantwortet: 'Reden wir nicht weiter darüber, sondern gehen wir unseres W e g e s . ' « 1 1 0 W i r haben m i t dieser Stelle den N a c h w e i s , daß mindestens s c h o n drei J a h r e v o r seiner A b r e i s e in die L o m b a r d e i Petrus Auterii J o h 1,1 dualistisch interpretierte: E r leitete aus d e m Vers die E x i s t e n z v o n G o t t nicht geschaffener D i n g e ab, des N i c h t s als substantivierter G e g e n m a c h t G o t t e s , die er zugleich als » o m n i a « bezeichnet, w o m i t er die G e s a m t h e i t der materiellen Welt m e i n t e , und die er e i n e m anderen Sinn v o n » o m n i a « , der G e s a m t h e i t der S c h ö p f u n g G o t t e s g e g e n überstellte ( » q u o d o m n i a erant facta p e r I p s u m , et q u o d etiam o m n i a erant facta sine E o « ) . » O m n i a « steht g e g e n » o m n i a « , w o b e i das eine » o m n i a « d u r c h G o t t geschaffen w u r d e , w ä h r e n d das andere zugleich »Nihil«, N i c h t s ist. S o j e d e n falls v e r s t a n d sein Diskussionspartner u n d S c h w i e g e r s o h n dessen Interpretation und reagierte darauf, i n d e m er i h m den V o r w u r f der V e r d r e h u n g des biblischen W o r t s i n n e s u n d U n k e n n t n i s der e l e m e n t a r e n Wahrheit, daß n ä m l i c h G o t t alles, g e r a d e die materielle Welt ( » c e l u m et t e r r a m , m a r e et o m n i a que in eis sunt«) geschaffen habe, e n t g e g e n h i e l t . 1 1 1 W i e seine W a r n u n g e n zeigen, w a r sich A r n a l d u s T e x t o r i s darüber i m klaren, daß es sich bei dieser Position nicht u m eine beliebige e x e g e t i s c h e Spekulation, s o n d e r n u m eine G r u n d t h e s e der K a t h a r e r handelte. Deshalb f o r d e r t e er seinen 110 »Et tunc subito dictus Petrus dixit ipsi loquenti: Arnalde, hoc dicitur in Evangelio Sancti Johannis: in principio erat verbum et verbum erat apud Deum. Omnia per ipsum facta sunt et sine ipso factum est nichil. Et ipse loquens respondit quod dicta verba erant in principio Evangelii Sancti Johannis. Et tunc dictus Petrus quesivit ab ipso loquente: scitis vos quid vult dicere: omnia per ipsum facta sunt et sine ipso facta sunt nichil? Et ipse respondit quod dicta verba volebant dicere quod omnia que sunt facta sunt per Deum et quod nichil factum est sine eo et dictus Petrus dixit quod dicta verba non significabant hoc quod ipse loquens dixerat sed significabant quod omnia erant facta per Ipsum, et quod etiam omnia erant facta sine Eo cui ipse respondit: Et quomodo hoc potestis dicere? Non intellegitis latinum cum census quem datis sit contrarius verbis Evangelii et etiam alibi legitur in Scriptura quod Deus fecit celum et terram mare et omnia que in eis sunt. Et dictus Petrus respondit quod ille intellectus erat Scripture: sine Ipso factum est nichil id est omnia facta sunt sine ipso quem intellectum ipse Petrus dederat. Et tunc ipse loquens dixit dicto Petro: non credebam quod essetis ita mali intellectus sicut estis. Et in tali loco possetis dicere quod caperemini per gulam. Set inter me et vos potestis dicere quod ego vobis propter hoc non procurarem malum set caveatis vobis quod talia de cetero nulli dicatis quia malum vobis evenire potest. Et dictus Petrus respondit: non loquamur plus de hoc set eamus et teneamus viam nostram. « (P II, 213f).

m Vgl. zur Interpretation dieser Stelle C. THOUZELLIER, Les cathares languedociens et le Nihil (Jean 1,3), in: Annales — Économies, sociétés, civilisations, Januar—Februar 1969, und R. NELLI, Les omnia mala et le Nihil, in: ders., La philosophie du Catharisme. Le dualisme radical au XIII siècle, Paris 1975, S. 187-190.

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Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

S c h w i e g e r v a t e r a u c h auf, diese I n t e r p r e t a t i o n k e i n e m a n d e r e n g e g e n ü b e r zu e r w ä h n e n , es w e r d e ihn s o n s t d e n K o p f k o s t e n 1 1 2 . D o c h w i e sich zeigt, w a r P e t r u s A u t e r i i n i c h t n u r ein stiller S y m p a t h i s a n t des K a t h a r i s m u s , s o n d e r n spielte vielleicht s c h o n f r ü h e r m i t d e m G e d a n k e n , das L a n d zu verlassen, u m p e r f e c t u s zu w e r d e n . D i e M ö g l i c h k e i t dessen ist aus einer A u s s a g e d e r G u i l l a m o n a G a r s e n d i s zu schließen, die sie i m J u l i 1 3 0 8 v o r der Inquisition in C a r c a s s o n n e m a c h t e : »Sie sagte auch, sie habe von den Perfecti, nämlich von Petrus und Guillelmus Auterii, gehört, daß die genannte Moneta, die die Geliebte oder Freundin des Petrus Auterii gewesen sei, bevor er perfectus wurde, mit ihm zusammen fortziehen mußte, als dieser zum ersten Mal außer Landes ging. Nachdem aber die perfecti zurückgekehrt seien, habe sie sie sagen hören, daß Moneta mit ihnen herumziehe und ihnen folgen müsse . . . « 1 1 3 . L e i d e r w i s s e n w i r w e d e r zeitlich n o c h inhaltlich G e n a u e r e s d a r ü b e r ,

was

» q u a n d o p r i m o recessit de t e r r a « b e d e u t e t . M i t w e l c h e m Z i e l hat P e t r u s A u t e r i i d a m a l s das L a n d v e r l a s s e n ? S c h o n d a m a l s in R i c h t u n g L o m b a r d e i ? U n d s c h o n d a m a l s , u m p e r f e c t u s zu w e r d e n ? 1 1 4 D i e Q u e l l e n s a g e n nichts d a r ü b e r aus. O f f e n s i c h t l i c h a b e r ist, d a ß P e t r u s A u t e r i i s c h o n v o r 1 2 9 6 einen e r s t e n u n d e r f o l g l o s e n V e r s u c h u n t e r n o m m e n hat, aus s e i n e m L e b e n als N o t a r a u s z u s t e i g e n , u n d z w a r , i n d e m er das L a n d v e r l a s s e n w o l l t e . E s ist n i c h t g a n z u n w a h r scheinlich, d a ß a u c h dieser A u s s t i e g s v e r s u c h e t w a s m i t d e m K a t h a r i s m u s zu t u n hatte115.

1 1 2 Ein weitere Hinweis für die mit dem Katharismus sympathisierende Position Petrus Auteriis vor seinem Lombardeiaufenthalt ergibt sich aus C, 370: Der Kleriker Petrus de Luzenacho erzählt hier, er habe im Alter von 14 Jahren in Ax im Hause des Petrus Auterii mit diesem darüber diskutiert, wie man seine Seele retten könne. Die Meinung des Petrus de Luzenacho: »faciendo bona opera et oboediendo Deo« wischt Petrus Auterii weg: »nulli gentes salvabuntur in mundo nisi illi qui vocantur heretici...« 1 1 3 »Dixit etiam quod audivit ab hereticis videlicet Petro et Guillelmo Auterii quod dicta Moneta que erat druda seu amica Petri Auterii heretici antequam esset hereticus, quod ipsa debebat recedere cum dicto Petro quando primo recessit de terra et postquam redierunt ipsi heretici audivit eos dicentes quod dicta Moneta debebat cum eis recedere et sequi e o s . . . « (C, 200). 1 1 4 Zieht man das Leben des späteren perfectus Pradas Tavernerii in Betracht, so sieht man hier eine Parallele: Auch er unternahm (etwa 1295) einen ersten Versuch, das Land zu verlassen (allerdings nicht in die Lombardei, sondern in die Gegend um Barcelona), um Kontakt zu perfecti zu bekommen. Ebensowenig wie über Petrus Auterii an dieser Stelle erfahren wir, ob er diesen Kontakt suchte, um selber perfectus zu werden. Auch er hatte damals eine Frau bei sich, die Adlige Stephania de Castroverduno. Für die beiden endete die Reise nach Barcelona mit einem völligen Mißerfolg: Sie trafen keine perfecti und obendrein ging ihnen das Geld aus (vgl. dazu P II, 417). 1 1 5 Die Tatsache, daß er diesen Versuch mit seiner Konkubine zusammen unternahm, spricht, wie das erwähnte Beispiel des Pradas Tavernerii zeigt, nicht dagegen.

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Wendepunkt und Ausstieg 2.5

Wendepunkt

und Ausstieg. Bekehrungslegende

Das

Motiv,

und

perfectus

zu

werden:

Kreditbetrug

E s ist also n i c h t g a n z klar, o b P e t r u s A u t e r i i s c h o n v o r s e i n e m L o m b a r d e i a u f enthalt m i t d e m G e d a n k e n gespielt hat, p e r f e c t u s zu w e r d e n . U m s o g e n a u e r sind w i r ü b e r die k o n k r e t e Situation des B e s c h l u s s e s , der zu der R e i s e in die L o m b a r d e i führte, u n t e r r i c h t e t , d e n n es gibt z w e i Q u e l l e n h i e r ü b e r , die u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r M a t e r i a l d a z u e n t h a l t e n - allerdings m i t s o u n t e r s c h i e d lichen Inhalten, d a ß n u r eine v o n b e i d e n den h i s t o r i s c h e n T a t s a c h e n e n t s p r e c h e n kann. D i e e r s t e dieser Q u e l l e n s t a m m t aus d e r A u s s a g e der Sibilia P e t r i 1 1 6 v o r d e r b i s c h ö f l i c h e n Inquisition P a m i e r s v o m J a h r e 1 3 2 2 . Sie habe, erzählt sie, i m J a h r e 1 3 0 3 ihre T o c h t e r M a r q u e s i a v e r l o r e n . In i h r e r T r a u e r z e i t sei ihre G e v a t t e r i n ( c o m m a t e r ) G u a l h a r d a Scaunerii aus S o r g e a t zu ihr g e k o m m e n ,

u m sie zu

t r ö s t e n , u n d z w a r u n t e r a n d e r e m m i t d e m V e r s p r e c h e n , ihr die p e r f e c t i Guillelm u s u n d P e t r u s A u t e r i i zu z e i g e n » . . . die 'gute Christen' seien und ihr erklären könnten, wie sie fähig seien, Seelen zu retten, denn, so sagte sie, die Genannten, Petrus und Guillelmus, hätten sich sehr bemüht, ihre eigenen Seelen und die anderer retten zu können. D e n n als sie noch Notare gewesen seien, das Gesetz gekannt sowie Frauen, Kinder und Reichtümer gehabt hätten, da hätte Petrus eines Tages in seinem Haus ein B u c h gelesen und habe seinem anwesenden Bruder Guillelmus gesagt, auch in dem B u c h zu lesen. N a c h d e m dieser eine Zeitlang darin gelesen habe, habe ihn Petrus gefragt: 'Nun Bruder, was ist'? D a r a u f h a b e Guillelmus geantwortet: ' M i r scheint, wir haben unsere Seelen verloren.' D a r a u f h a b e ihm Petrus geantwortet: 'Laß uns gehen, Bruder, und das Heil unserer Seelen suchen'. U n d nachdem er das gesagt habe, hätten sie alles verlassen, was ihnen gehörte und seien in die Lombardei gezogen, w o sie sich zu 'guten Christen' hätten machen lassen und die Vollmacht erhalten hätten, auch andere zu 'guten Christen' zu machen und so auch die Seelen anderer zum Heil zu fuhren . . . « 1 1 1 . 1 1 6 Mit der folgenden Quelle und der Wirkung des Besuchs der Galharda Scaunerii bei Sibilia Petri als Auslöser für das Hospiz Petri in Arques habe ich mich in einem Aufsatz genauer beschäftigt, in dem ich auch alle hier interessierenden chronologischen Fragen diskutiert habe, vgl. H. C. STOODT, Das Ketzerhospiz in Arques. 1 1 7 » . . . qui erant boni christiani et docerent eis qualiter possent salvare animas suas, quia, ut dixit, dictus Petrus et Guillelmus multum laboraverant quod possent animas suas et aliorum salvare. Cum enim essent clerici et scirent legem et haberent uxores et filios et divites essent quadam die cum dictus Petrus legisset in quodam libro in domo sua presente dicto Guillelmo dixit dicto Guillelmo fratri suo quod in dicto libro legeret. Qui cum per pausam in dicto libro legisset dictus Petrus interrogavit eum: et quid est frater? Et dictus Guillelmus respondit: Videtur michi quod animas nostras perdidimus. Et dictus Petrus respondit ei: Eamus frater et queramus salvationem animarum nostrarum. Et hoc dicto dimiserunt omnia que habebant et iverunt apud Lombardiam et ibi fecerunt se fieri bonos christianos et acceperunt potestatem quod etiam alios possent facere bonos christianos et ducere animas aliorum ad salvationem . . . « (P II, 403f).

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Das Leben des Petrus Auterii vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

Für eine Einschätzung dieses Textes ist es zunächst wichtig, die Frage nach seinem Sitz im Leben ins Auge zu fassen. Die Situation ist klar: Gualharda Scaunerii will ihre Bekannte wegen des Todes ihrer Tochter trösten. Sie nimmt gleichsam eine seelsorgerliche Funktion wahr. Aber weshalb erzählt sie ihr zum Trost ausgerechnet eine Geschichte, die den Entschluß der Auterii, in die Lombardei zu gehen, zum Thema hat? Das Stichwort, das die Verbindung von der Situation zur Geschichte herstellt, ist die Frage nach der Seelenrettung (salvatio animarum). Offenbar nimmt Gualharda Scaunerii an, der Grund für die Trauer ihrer Freundin Sibilia bestehe in deren Annahme, die Seele ihrer Tochter sei, weil diese ohne consolamentum gestorben sei, nicht erlöst, folglich nach katharischer Ansicht dazu verurteilt, ein weiteres Mal in dieser als Teufelswerk verstandenen Welt reinkarniert zu werden. Und in der Tat besteht die Pointe der Geschichte, die Galharda Scaunerii ihrer Gevatterin erzählt, ja darin, daß die Auterii durch ihren Lebenswandel als perfecti sich seelenrettende Kompetenz erworben haben. Der unmittelbare Anlaß, deren »Bekehrungsgeschichte« zu erzählen, ist also eine Trauersituation, in der der Mutter gezeigt werden soll, daß es Menschen gibt, die Seelen wie die ihrer Tochter Marquesia retten können: die katharischen perfecti. Darin soll ihr Trost bestehen 118 . Schaut man sich die Geschichte, die Gualharda Scaunerii erzählt, nun genauer an, so zeigt sich, daß die Fähigkeit der Auterii, Seelen zu retten, auf deren Beschluß beruht, die richtigen Konsequenzen zu ziehen, als sie die eigene ausweglose Situation und den drohenden Verlust ihrer eigenen Seele erkannten. Denn das steckt hinter der Aussage » . . . dictus P e t r u s et G u i l l e l m u s m u l t u m l a b o r a v e r u n t q u o d p o s s e n t animas suas salvare«.

Unter dem »multum laborare« ist also folgendes zu verstehen. Zunächst waren die beiden mit allen Kennzeichen weltlichen Erfolgs ausgestattet: Besitz, Familie, bürgerliche Qualifikation, Prestige. All das erkannten sie in einem Augenblick als Schein, hinter dem sich das genaue Gegenteil verbarg, der in dieser Situation bereits erfolgte Verlust der Seele (»videtur michi, quod animas nostras perdidimus«), Sie konnte nur wiedergewonnen werden durch das konsequente 118 Es soll an dieser Stelle nicht das offenkundige Problem thematisiert werden, daß damit im Grunde Sibilia Petri eigentlich nicht getröstet sein kann, was die Seele ihrer Tochter angeht, denn diese ist und bleibt nach katharischer Anschauung, da Marquesia nicht rechtzeitig das consolamentum erhalten hat, verloren. Der Trost ist also eigentlich m e h r an die Seele der Mutter adressiert. M a n kann sagen, der Sinn der Geschichte besteht eher darin, Sibilia zu zeigen, wie sie wenigstens ihre eigene Seele retten kann, w e n n schon die ihrer Tochter zur Reinkarnation in einem weiteren Körper v e r d a m m t ist. Bei dieser Gelegenheit m u ß erwähnt werden, daß in der Fragestellung des Trostes für die Angehörigen, deren Verwandte aus welchen Gründen auch i m m e r gegen ihre eigentliche Intention das consolamentum nicht erhalten konnten (oft genug standen dem einfach organisatorische Gründe entgegen: ein perfectus war nicht rechtzeitig zur Stelle) ein wichtiges theoretisches und praktisches Problem des Katharismus, wie wir ihn in den Quellen vorfinden, liegt.

83

Wendepunkt und Ausstieg

Verlassen des vorherigen scheinbaren Reichtums: » . . . dimiserunt bant et iverunt

apud

omnia que

habe-

Lombardiam.«

Diese Aussage, in der materieller Besitz als Wurzel allen Übels qualifiziert wird, ist nun offensichtlich ein Zitat, zumindest eine Anspielung auf entsprechende Formulierungen in den synoptischen Evangelien, in denen vom Jüngerverhalten die Rede ist 1 1 9 . Damit ist auch klar, was inhaltlich mit »multum laborare« gemeint ist: Mühe, Arbeit, Leiden und Entbehrungen auf sich nehmen, alles verlassen und dem apostolischen Beispiel folgen. Die Fähigkeit der ehemals reichen Notare und jetzigen perfecti Auterii, ihre eigenen Seelen und als Konsequenz dessen auch die anderer zu retten, beruht also nach Ansicht der G. Scaunerii auf ihrer vita apostolica, der alle weltlichen Bindungen verlassenden Lebensweise der perfecti. Seelsorgekompetenz als Fähigkeit zur salvatio animarum ist für sie Ergebnis einer bestimmten Art und Weise zu leben und zuallererst des Verzichts auf materiellen Besitz. Bedeutsam für die Einschätzung dieses Berichtes ist auch, daß sowohl die Erkenntnis der ausweglosen Lebenssituation als auch die Plötzlichkeit und Rücksichtslosigkeit des Entschlusses, dieser ein Ende zu setzen, durch die Lektüre eines Buches ausgelöst worden sein soll 120 . Charakteristischerweise wird nicht erwähnt, um welches Buch es sich da gehandelt haben soll. Woher soll Gualharda auch genau wissen, welches Buch P. Auterii gelesen haben soll? Was ihr allerdings aus der Situation des consolamentum bekannt gewesen sein könnte, war die Tatsache, daß die perfecti Bücher als wesentliches Mittel des Rituals verwandten 1 2 1 . Zusammenfassend ist festzustellen: 1 1 9 Am nächsten steht der Vulgatatext von M k 10,28: »Et coepit ei Petrus dicere: ecce nos dimisimus omnia et secuti sumus te«, vgl. M t 19,27; Lk 5,11.28f. Die Stelle Mt 19,27 spielte übrigens nicht nur bei den Katharern eine Rolle als biblischer Beleg für die Begründung der vita apostolica, sondern auch bei ihren schärfsten Gegnern auf katholischer Seite. So ist bekannt, daß sie eine entsprechende Funktion in Predigten des Bernhard von Clairvaux hatte (z. B . sermo 27,3 in M P L 183, 619 C), wie Mt 10 und vergleichbare Perikopen der Synoptiker bekanntlich auch von anderen als katharischen Gruppierungen häufig als Beleg für die Forderung nach der vita apostolica diente, vgl. K. S. FRANK, Vita apostolica in: Z K G 82 (1971), S. 145-161. 1 2 0 Leider bleibt uns unbekannt, um welches Buch es sich dabei handelt. DUVERNOY meint, es sei »ohne Zweifel« identisch mit einem, welches A. Textoris für die Auterii während deren Abwesenheit aufbewahrte und das er ihnen nach ihrer Rückkehr zurückgab (vgl P 11,404, A.33). Aus der als Beleg von DUVERNOY hier angegebenen Anmerkung 317 (P II, 213) geht aber nicht hervor, daß es sich um dasselbe Buch handelt. Auch die Bemerkung in II, 204 »item, quod ipse (seil. Arnaldus Textoris) per longum tempus legit librum in quo continetur secta manicheorum et doctrina eorum . . . « ist hierauf kein eindeutiger Hinweis. Daß aber Petrus Auterii und Arnaldus Textoris häufig zusammen lasen, und zwar häretische Bücher, ist auch anderweitig bezeugt, vgl. z. B . P I , 280. 121 Siehe dazu unten Abschnitt 5.6 zum consolamentum. Bei diesem katharischen Sterberitual wurde den Todkranken ein Buch auf die Stirn oder die Brust gelegt, wozu der perfectus bestimmte (von den Zeugen nie genau verstandene) Worte sprach. Wichtig ist nur, daß es ein Buch war, das die Katalysatorenrolle bei der Bekehrung spielte, ebenso wie beim consolamentum. Für einen credens ist klar: Die reeeptio (egal ob die zum perfectus oder beim consolamentum) geschieht mit Hilfe eines Buches.

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Das Leben des Petrus Auterii

vor der Zeit seines Wirkens als perfectus

1) der Bericht über die plötzliche Bekehrung der Auterii wird in einer Trauersituation als seelsorgerliches Medium verwandt; 2) er beruht im Kern auf der beiden Gesprächspartnerinnen bekannten Vorstellung von der vita apostolica der perfecti; 3) zu diesem Zweck arbeitet er mit einem hierfür klassischen, auch anderweitig in dieser Funktion bekannten, die vita apostolica begründenden biblischen Zitat; 4) trotz des zeitlichen Abstands der Erzählung vom geschilderten Geschehen (1296 bis 1303) und trotz der Tatsache, daß die Erzählerin ja selber nicht behauptet, Zeugin des Geschehens gewesen zu sein, ist der Bericht detailreich und arbeitet sogar mit direkter Rede. Aus diesen Gründen ist der von Gualharda Scaunerii erzählte Bericht von der Bekehrung der Auterii als eine erbauliche Legende einzuschätzen, von denen in den Quellen noch mehrere über das Leben und Verhalten der perfecti zu finden sind und wie sie unter den credentes anscheinend zirkulierten 122 . Ihr Zweck konnte unterschiedlich sein: Er konnte dem Trost oder der Belehrung von Kindern dienen oder konnte die Lebensweise der perfecti im positiven Gegensatz zu der des katholischen Klerus darstellen. Was bedeutet dies nun für die Auswertung des Textes unter dem hier interessierenden, das heißt biographisch-chronologischen Aspekt? Es bedeutet einerseits nicht, ihm jegliche historische Relevanz abzusprechen. Es könnte durchaus sein, daß in einer gegebenen Engpaßsituation für die Auterii die Lektüre katharischer Literatur den Auslöser dafür darstellte, ihre bisherige Existenz in Ax zu beenden. Welche Bedeutung exegetische Diskussion für Petrus Auterii zu diesem Zeitpunkt hatte, kann man am Beispiel seiner oben geschilderten Diskussion über Joh 1,3 mit Arnaldus Textoris sehen. Auf der anderen Seite kann man aber der Plötzlichkeit des Entschlusses zum Ausstieg, die in der Legende ja gerade ein wichtiges Moment darstellt, nicht glauben. Diese Plötzlichkeit scheint eher ein Stilmittel der Legende zu sein, mit dessen Hilfe der Kontrast zwischen dem Leben vor und nach dem Bekehrungserlebnis herausgestrichen und die Krassheit der Entscheidungssituation betont werden soll. Wir wissen ja, daß zumindest einmal vorher bereits Petrus Auterii das Land mit Moneta Calhaui verlassen hatte - ganz so plötzlich kann also der Gedanke an ein Verlassen der Grafschaft nicht aufgetaucht sein, ebensowenig, wie vor diesem Beschluß eine völlig bruchlose Existenz in Reichtum und Familienglück, wie sie die Legende voraussetzt, anzunehmen ist. 122 Ein anderes Beispiel für eine Legende ist die erbauliche Geschichte, die Rixendis Cortil auf dem Feld von ihrem Vater zu hören bekommt als Antwort auf die Frage, wer denn die perfecti seien: Der Vater erzählt ihr von einem perfectus, der in einen Widerspruch seiner eigenen Normen geriet, als er eines Tages in einer Falle ein Huhn fand. Einerseits durfte er es nicht aus der Falle nehmen, denn das wäre Diebstahl gewesen, andrerseits aber durfte er es auch nicht in der Falle lassen, denn damit hätte er den Tod des Tieres mit verursacht. Also nahm er es schließlich aus der Falle und legte den Gegenwert in Geld hinein, vgl. P III, 133.

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Zudem gibt es aber darüber hinaus einen zweiten Bericht über den Aufbruch der Auterii, der nun allerdings eine völlig andere Sprache spricht. Er gleicht mehr der Schilderung einer Flucht als der einer Bekehrung: Im Zug der Beweisaufnahme der Inquisition von Pamiers gegen Arnaldus Textoris sagt Poncius Cog aus Tarascon nämlich ebenfalls zu den Umständen des Verschwindens der späteren perfecti aus ihrer Heimatstadt aus. Die ganze Angelegenheit kommt im Zusammenhang des Prozesses gegen Arnaldus Textoris zur Sprache, weil dieser als Schwiegersohn des P. Auterii der Sympathie mit dem perfectus verdächtig war. In der Tat stellte sich auch heraus, daß Petrus Auterii und Arnaldus Textoris schon einige Zeit vor dem Verschwinden der Auterii in intensivem Kontakt miteinander standen, ja vielleicht plante Arnaldus Textoris sogar, mit seinem Schwiegervater in die Lombardei zu ziehen, denn die beiden berieten sich über diese Reise so lange und auch relativ offen, daß schon vor der tatsächlichen Abreise der Auterii Gerüchte die Runde machten, die Auterii und Arnaldus Textoris wollten demnächst in die Lombardei verschwinden 123 . Schon aus diesen voneinander unabhängig überlieferten Informationen folgt, daß von der in der Legende behaupteten plötzlichen Bekehrung keine Rede sein kann. Ein anderes, in der Legende nicht enthaltenes Problem dürfte in Wirklichkeit den (wohl schon länger geplanten) Aufbruch der Auterii beschleunigt und so zumindest von erheblicher kurzfristig wirksamer Bedeutung für diesen Aufbruch gewesen sein: die hohe Verschuldung der Auterii, die aus der Zeit ihres Aufbruchs eben von Poncius Cog glaubwürdig bezeugt wird. Die Brüder steckten in ernsten finanziellen Problemen. Poncius Cog berichtet, der Hauptgläubiger der Auterii sei der Castellan von Ax, Simon Barra gewesen. Petrus Auterii » . . . h a b e S i m o n B a r r a aus A x eine g r o ß e S u m m e Geld geschuldet u n d h a b e (deshalb) alle seine R i n d e r z u s a m m e n g e t r i e b e n u n d sie z u m i m S e p t e m b e r s t a t t f i n d e n d e n St. Michaelsmarkt nach Tarascon geführt«124.

Simon Barra habe deshalb ihm, Poncius Cog, geschrieben, er solle bei Petrus Auterii diese Schulden eintreiben und diesem dafür den dem Brief beigelegten Schuldschein aushändigen. Als Poncius Cog dann P. Auterii auf dem Viehmarkt von Tarascon traf, vertröstete der ihn zunächst, am dritten Tag des Marktes werde er alles bezahlen. In der Nacht darauf traf er ihn dann nochmals zusammen mit Arnaldus Textoris, die in den vor der Stadt gelegenen Gärten einen Spaziergang machten, wie sie sagten. Das war der letzte Kontakt: am nächsten Morgen 123

R a m u n d u s Valsiera aus A x sagt P I, 280 aus, er wisse von Bernardus Arqueiatoris, daß »antequam Petrus et Guillelmus Auterii heretici recederent de villa de A x versus Lombardiam, quod dicti Petrus et Guillelmus in brevi moverent de terra et credebat . . . quod Arnaldus Textoris cum ipsis recederet«. 124 »teneretur in quadam magna s u m m a pecunie Simoni Barra de A x et Petrus Auterii recoligisset omnia animalia bovina et eduxisset ad nundinas Taraschonis que sunt in die St. Michaelis Septembris...« (P II, 202).

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war Petrus Auterii nicht mehr aufzufinden und mit ihm auch das S. Barra geschuldete Geld verschwunden: »... er konnte Petrus nicht finden. U n d dieser sei auch danach nicht mehr offen im Sabarthes aufgetreten. Es sei aber das Gerücht gegangen, er habe das Land verlassen, und man sah ihn auch allgemein nicht mehr im Land, bis er als perfectus verhaftet wurde. Auch hätten die Leute des Grafen von Foix in seinem Haus in Ax nichts gefunden, als sie es durchsucht hätten . . . « 1 2 5

Der Bericht des Poncius Cog beschreibt einen regelrechten Kreditbetrug: Petrus Auterii hatte sich von Simon Barra gegen einen Schuldschein zuerst »quadam magna summa« Geld geliehen, wofür er anscheinend den Verkaufserlös des Viehmarktgeschäftes als Sicherheit geboten hatte. Als er dann nach dem Viehmarkt zurückzahlen sollte, verschwand er mit dem Kredit und der als Sicherheit gesetzten Summe aus dem Viehverkauf. Daß es sich hierbei weniger um einen von langer Hand geplanten Coup vor der Lombardeireise, sondern tatsächlich um eine Flucht vor hohen Schulden handelt, meinte Arnaldus Textoris, der mehrfach erwähnte Schwiegersohn des Petrus Auterii. Befragt, aus welchem Grund seiner Ansicht nach die Auterii das Land verlassen hätten, antwortete er, » . . . der erwähnte Petrus sei bei dem verstorbenen Simon Barra aus Ax hoch verschuldet gewesen mit einer Summe, die er nicht habe zurückzahlen können, weshalb er befurchtet habe, Simon wolle ihn aus seinem Haus vertreiben lassen. Deshalb sei Petrus geflohen oder wegen des schlechten Glaubens, den dieser Petrus gehabt habe.« 1 2 6

Es gab folglich eine für Petrus Auterii nicht mehr rückzahlbare Schuld bei Simon Barra, deren Summe immerhin so hoch gewesen sein muß, daß der Gegenwert des Hauses Auterii in Ax dafür in Frage kam. Kein Wort davon in der Bekehrungslegende, derzufolge die Brüder Auterii ja eben noch reiche Notare waren, als sie plötzlich davon überzeugt wurden, daß sie ihre Seele verloren hätten! Allerdings scheint Petrus Auterii, als ihm einmal klar war, daß er das Weite suchen mußte, planvoll soviel Geld wie möglich angesammelt zu haben, um sich unterwegs durchschlagen zu können. So bürgte Arnaldus Carot ihm für die

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»... non potuit dictum Petrum invenire nec ex tunc ivit manifeste per terram Savartesii set dictum fuit quod recesserat de terra et postea non fuit visus communiter in terra quousque fuit captus ut hereticus nec in domo eius apud Ax fuit aliquid inventum per gentes comitis Fuxi qui amparaverunt domum eius.« (P II, 203f). Durchsuchung und Enteignung des Hauses geht aus C, 130 hervor. Als Ramundus Auterii gefragt wurde, seit wann er wisse, daß seine Brüder wegen Häresie das Land verlassen hätten antwortete er: »quod tunc primo scivit ipsos recesisse de terra propter factum heresis, quando vidit et scivit quod gentes comitis Fuxi occupabant et applicabant sibi bona Petri et Guillelmi predictorum hereticorum.« 126 »... quia dictus Petrus erat debitis magnis obligatus Simon Barra quondam de Ax que solvere non poterat et timebatur quod dictus Simon vellet eum expellere de domo sua et quod propter hoc dictus Petrus fugisset vel propter malam fidem quem dicebatur habere dictus Petrus.« (PII, 216).

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(nicht sehr bedeutende) Summe von sechzig »kleinen« turonensischen Solidi 127 , die Petrus Auterii ihm aber nach dem Aufenthalt in der Lombardei wieder zurückzahlte 128 , anders als die S. Barra geschuldete Summe, die die Auterii, soweit aus den Akten hervorgeht, nicht zurückzahlen konnten, ähnlich wie sie offenbar auch noch andere um Geld prellten, als sie aus Ax verschwanden 129 . S. Barra, der Hauptgeschädigte, war über den Verlust seines Geldes sehr erbost und drohte dem in Ax gebliebenen Ramundus Auterii mit Konsequenzen für das Verhalten seiner Brüder - möglicherweise gehört die Durchsuchung des Hauses Auterii durch Soldaten des Grafen von Foix, des ehemaligen Auftraggebers Petrus Auteriis, zu diesen Konsequenzen 130 . Schauen wir von hier aus nun noch einmal zurück auf die verschiedenen vorliegenden Informationen über die Motive des Petrus Auterii, das Land in Richtung Lombardei zu verlassen. Bekehrungslegende und Kreditbetrug schließen sich an einem wesentlichen Punkt aus: Das offenbar doch schon ältere Vorhaben, die langfristige Planung, die sich aus den zuletzt besprochenen Aussagen ergibt, verträgt sich schlecht mit der in der Legende behaupteten erleuchtungsartigen Bekehrung Petrus Auteriis, die in ihr gerade das wesentliche Stilmittel - aber eben nur Stilmittel - ist. Die von Gualharda Scaunerii erzählte Geschichte kürzt aus den historischen Fakten den sozialen, zumindest finanziellen Ruin der Auterii heraus, um einen umso grelleren Übergang vom eben noch reichen und einflußreichen Notar zum in apostolischer Armut herumziehenden perfectus zu erreichen. So kommt es, daß in der Legende eine wesentliche Tatsache der trotz langfristigen Vorhabens dann doch mit großer Geschwindigkeit abgewickelten fluchtartigen Abreise der Auterii fehlt: die Verschuldung. In diesem Punkt stilisiert die Legende, vielleicht auch deswegen, weil die von den credentes immer wieder zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, ein perfectus stehle, lüge, schwöre nicht, ja, er tue keinem Menschen Schaden an 131 , hierzu nicht gepaßt hätte, obwohl Petrus und Guillelmus Auterii zum Zeitpunkt des Kreditbetrugs natürlich noch keine perfecti und deshalb auch nicht verpflichtet waren, der vita apostolica entsprechend zu leben. Damit soll aber nicht gesagt werden, daß die finanzielle Situation Petrus Auteriis als einzige Begründung für seinen Ausstieg aus dem bisherigen Leben 127 Z u r Frage der in den Inquisitionsakten verwandten Münznamen, ihren Bedeutungen und ihrem Wert vgl. einen aus den auch in der vorliegenden Untersuchung verwendeten Quellen erarbeiteten Exkurs »Zu Münzen, Preisen und Werten im Register Jacques Fourniers« in der Untersuchung von M . BENAD, D o m u s und Religion in Montaillou, S. 345-353. 128 Von dieser Transaktion ist an zwei Stellen die Rede, vgl. P I , 275 und P I , 298. 129 Darüber beklagt sich P. Casalis in P I, 317 f: »dixit quod mali homines erant, quia recesserant cum quadam vaqua sua vel precio eius . . . « . 130 Daß das Haus der Auterii in Ax v o n gräflichen Soldaten untersucht wurde, geht aus d e m oben angeführten Zitat aus der Aussage des Poncius C o g hervor, vgl. P II, 202 ff. 131 So in einer ganzen Reihe von Quellenbelegen. Die Inquisitoren meinten diese Aufzählungen des Lebenswandels der perfecti, w e n n sie Angeklagte oder Zeugen fragten, ob sie die perfecti »empfohlen« (recommendare) oder gelobt (laudare) hätten. Die recommendatio war in credentes-Kreisen eines der wichtigsten Agitationsmittel, u m neue credentes zu werben.

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angesehen werden dürfte. Das griffe sicher viel zu kurz. Es kann mit der Verschuldung der Auterii allenfalls der konkrete Zeitpunkt und die Art des Verschwindens erklärt werden: Vielleicht haben die Auterii, nachdem ihnen klar war, daß sie die Schulden bei S. Barra nicht würden tilgen können, diesen bewußt bis zum Michaelsmarkt in Tarascon hingehalten, dann ihr Vieh zu Geld gemacht und waren sodann mit dem Erlös des Verkaufs verschwunden. Dieser Befund wird nun bestätigt durch die einzige Stelle, an der Petrus Auterii selber Auskunft über seine Bekehrung gibt. Sie stammt aus dem Bericht des Petrus Maurini über seine Erstbegegnung mit dem perfectus im Haus des Ramundus Maurini in Arques. Dort heißt es, Petrus Auterii habe zu dem Zeugen gesagt: »'Petrus, ich habe dir nun viele gute und wahrhaftige Worte gesagt', denn, wie er weiter ausführte, er habe die Vorgänge in der römischen Kirche gut gekannt und sei Notar gewesen. 'Aber da erkannte ich, daß ich in großer Sünde war, denn ich lebte nicht in Gerechtigkeit und Wahrheit. Deshalb verließ ich diese Sünde und machte mich auf die Suche nach der Wahrheit. U n d als ich die Wahrheit gefunden hatte und in den Zustand festen Glaubens gesetzt war, da kehrte ich zurück in dieses Gebiet, damit ich auch unseren guten Freunden diese guten Worte zu verstehen geben könnte und sich unser Glauben ausbreite.' U n d so zog er von einem zum anderen, so daß es in Kürze viele gute Gläubige in diesem Land geben werde.« 1 3 2

Diese Stelle ist höchst aufschlußreich. Denn sie enthält kein Wort des dramatischen Bekehrungsereignisses, das Sibilia Petri erzählt bekam - ebensowenig wie etwas über die finanziellen Probleme des Petrus Auterii. Aber während wir keinerlei Anlass haben, an den konkreten Schilderungen des Kreditbetruges zu zweifeln, zumal sie aus verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen stammen, sieht das mit der Bekehrungslegende anders aus: Es hat für Petrus Auterii zweifellos gute Gründe gegeben, über die näheren Umstände seines Verschwindens aus Ax den Mantel des Schweigens zu legen (wie er es hier auch tut), keine Gründe aber gab es, das Bekehrungserlebnis, falls es sich so wie in der Legende behauptet abgespielt hätte, zu übergehen, zumal wenn man bedenkt, daß die Plötzlichkeit des Bekehrungsentschlusses, von der in der Legende die Rede ist, sicher in einer Erstbegegnung mit einem zukünftigen credens ein hervorragendes Missionsmittel gewesen wäre. Doch Petrus Auterii berichtet darüber nicht. Damit wird die schon aus inneren und formalen Gründen erwogene Möglichkeit, den Bekehrungsbericht der Sibilia Petri ins Reich der Legende zu verweisen, zur Gewißheit. Der Wert der Bekehrungslegende besteht also nicht in den in ihr enthaltenen 132 »'Petre, ego dixi tibi multa bona verba et que continent veritatem', quia, ut dixit, ipse sciverat quodcumque fiebat in ecclesia romana et fuerat notarius. 'Et cognovi tunc quod stabam in magno peccato, quia non stabam in iusticia et veritate, et propter hoc dimisi dictum peccatum et ivi ad querendum veritatem. Et quando inveni veritatem et fui positus in firma fide, tunc reversus fui ad partes istas, ut amicis nostris darem intelligere ista bona verba, et ita fides nostra ampliata est.' Et vadit de uno ad alium, sic quod in brevi erunt multi boni credentes in terra ista.« (Pili, 124).

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historischen Informationen. Aber sie ist zum einen ein Beleg für die Existenz von Erbauungsgeschichten in Kreisen der credentes und sagt darüber hinaus etwas zum Sitz im Leben dieser Legenden aus. Ferner ist der inhaltliche Kern der Legende, die Propagierung der vita apostolica der perfecti, bedeutsam, denn er ist so allgemeingültig für das Leben von perfecti überhaupt, daß er höchstwahrscheinlich auch für die Selbsteinschätzung des Petrus Auterii zutraf. E r hat in seiner Funktion als perfectus später verschiedentlich die vita apostolica als N o r m des Lebens für einen perfectus gelehrt, so daß man sich auch unabhängig von der fehlenden konkret-biographischen Bedeutung der Legende seinen Entschluß, aus seinem bisherigen Leben auszusteigen, als einen Entschluß für die vita apostolica vorstellen muß. Schließlich ist, wie schon angedeutet, ein weiterer Punkt der Legende von Bedeutung: die hohe Wertschätzung, die die Lektüre von Büchern in Katharerkreisen besaß, und zwar bei perfecti und credentes gleichermaßen. Wir sahen, daß in der Legende das Lesen eines ungenannten Buches den Ausschlag zur »Bekehrung« der Brüder Auterii gibt. Sie steht damit nicht allein und widerspiegelt ein Verhältnis zur Lektüre religiöser Bücher, das historisch belegbar ist. So unterhält sich im Jahre 1301 Guillelmus Andorrani beim Sonnen auf der Straße in A x mit seiner Mutter und Ramundus Valsiera über ein Buch, in dem er gerade liest. Was Ramundus Valsiera über dieses Buch, offenbar eine okzitanische Version des Johannesevangeliums, erfährt, brachte ihn immerhin dazu zu versuchen, es für sich selber aufzutreiben, was ihm, wie er bedauernd erzählt, aber nicht gelang 1 3 3 . E r habe aus diesem Buch viel gehört, was er auch von Petrus Auterii kenne und habe ein ähnliches Buch bei ihm gesehen, sagte er vor der Inquisition aus 1 3 4 . 1 3 3 » . . . et eum legentem audiebat dicta mater eius (seil, die Mutter des Guillelmus Andorrani) quem sie audiens legentem ipse testis (seil. Ramundus Valsiera) voeavit eum dicens: et quod est hoc quod legitis? Et dictus Guillelmus respondit: et vultis videre? Et ipse loquens respondit: videamus quod est et veniatis. Et tunc dictus Guillelmus venit ad eum portans dictum librum et legit in eo et invenit ibi: in prineipio erat verbum quod evangelium erat mixtum de latino et romano et etiam totus über talis erat. Et ipse legit in dicto libro multa que audiverat a dicto Petro et Guillelmo Auterii hereticis. Ipse credidit et adhuc credit quod ille liber erat de secta, vita et doctrina heresis dictorum hereticorum«, P I , 285f. 1 3 4 Ein Vergleich der Legende mit dem hier vorgestellten Text zeigt, daß der letztere durchaus glaubwürdig im Sinn historischer Fakten ist. Denn der berichtende Zeuge war in der geschilderten Situation selber anwesend, und die geschilderte Situation ist alltäglich. Aus der dem mittelalterlichen Katharismus verwandten dualistischen Religion der Manichäer ist eine ähnlich hohe Wertschätzung von Büchern bekannt. Dies wurde noch einmal besonders deutlich, als in Köln der antike manichäische Codex P. Colon, inv. nr. 4780 mit dem Titel »Peri täs gennäs tou somatos autou« (»Ober die Entstehung seines häretisiereneingekleidet< werden ...« 4 0 3

Sie wurde ebenfalls zu Kerker verurteilt, aber im Oktober 1322 404 begnadigt 405 . Beide, Geraldus und Beatrix, nahmen Petrus Auterii und Petrus Sancii 1306/07 als Hospiziare auf 4 0 6 . Guillelmus de Artigiis, Sohn eines sonst nicht erwähnten Poncius de Artigiis aus St. Jean bei Verfeil, nahm Petrus Auterii 1307 in sein Haus auf. Er wurde zum Tragen des Kreuzes verurteilt aber im März 1315 von dieser Strafe befreit 407 . 13. Sanctus Sulpicius (St. Sulpice) 408 Hospizfamilien:

Baranhona Petri, ihre Söhne Raymundus und Jacobus Petri, ihre Töchter Stephana, verheiratet mit Adzemarius de Caussens, und Bernarda, verheiratet mit Poncius Raynes in St. Sulpice Johannes Raynes und seine Frau Guillelma Zeitraum: 1301-1305 credentes:

Guillelmus Petri de Monte Caprario (St. Sulpice) 409 400 401 402 403 404

»... audivit et scivit nomina credencium et hospicia in quibus recipiebantur . . . « (T, 59 f). T, 294 f. T, 60. »... quod volebat in fine suo recipi & indui per eundem . . . « . Vgl. T, 291.

405 T> 294. 406

T, 144 f. T, 185, zum Datum vgl. T, 183. 408 Departement Tarn, südlich Rabastens. 409 T, 25. Er traf verschiedentlich Petrus Auterii und seinen Sohn Jacobus und unterstützte die perfecti mit der Summe von 11 tolosanischen solidi. Ein Guillelmus de Monte Caprario aus St. Sulpice wurde im Mai 1322 (vgl. T, 175) aus der Kerkerhaft entlassen und zu Wallfahrten in 407

Die Hospizorte des Petrus Auterii

185

Raymundus Petri (St. Sulpice) Jacobus Petri, sein Bruder (St. Sulpice) Beziehungen zu anderen Hospizen:

Bolha (Verdunet) Yspani (Born) ? (Toulouse) 410 de Clayraco (Vilhac) 411 Kommentar: Baranhona Petri war verheiratet mit dem aus La Garde stammenden Raymundus Petri. Das Ehepaar hatte, soweit aus den Quellen ersichtlich, zwei Söhne: Raymundus und Jacobus (s.u.). Von Baranhona Petri gibt es weniger direkte als indirekte Nachrichten. Sie selber ist von der Inquisition unbehelligt gestorben, denn sie wird als »deffuncta in heresi« bezeichnet 412 . Nach derselben Stelle wird deutlich, daß sie vor ihrem Tod das consolamentum »secundam pessimam consuetudinem eorundem« erhalten hat. Bekannt ist aus den Aussagen ihrer beiden Töchter (siehe dort), daß sie in zwei Fällen das consolamentum durch Petrus Auterii bekam, sich dann aber wieder erholte und die endura abbrach. Das Haus der Baranhona Petri ist in vielen Aussagen als Hospiz in St. Sulpice erwähnt. Raymundus Petri, Sohn eines Gleichnamigen aus La Garde, hatte Kontakte zu einer Reihe von auch anderweitig genannten Hospizen: Sicardus Bolha (Verdunet), Baranhona (St. Sulpice), Yspani (Born). Er begleitete bei einer Gelegenheit Amelius de Perlis nach Toulouse, hatte also auch hierhin Kontakt und unterstützte die perfecti mit Geld und Kleiderstoff. Die Hospiziarin Baranhona wird als seine Mutter bezeichnet 413 . Jacobus Petri, der Bruder des genannten Raymundus Petri wird ebenfalls als Sohn der Baranhona bezeichnet. Außer den fiir diesen genannten Hospizkontakten außerhalb seines Heimatortes hatte er noch Beziehungen zu dem Hospiz de Clayraco (Verlhac). Auch er betätigte sich als Wegbegleiter 414 . Im Haus der Stephana de Caussens, geb. Petri in St. Sulpice, gingen verschiedene perfecti, darunter auch Petrus Auterii, aus und ein. U m 1305 erhielt ihre Mutter Baranhona Petri in diesem Haus das consolamentum, erholte sich aber wieder und brach die endura nach drei Tagen ab 415 . Stephana de Caussens wurde 1322 aus der Kerkerhaft entlassen und begnadigt 416 . die Kirchen von Toulouse verurteilt (T, 176). Ob und wie er mit Bertrandus verwandt ist, bleibt unbekannt. 4 1 0 Die drei genannte Hospizverbindungen ergeben sich aus der Aussage des Raymundus Petri, vgl. dort. 4 1 1 Vgl. die Aussage des Jacobus Petri (T, 58). 412 T 79 413 414 415 416

T, T, T, T,

58. 58. 143. 294.

186

Petrus Auterii

als Reorganisator

des

Katharismus

Hospiz war auch das Haus der zweiten Tochter der Baranhona Petri, Bernarda, die mit Poncius Raynes, ihrem Mann, in St. Sulpice lebte 417 . Johannes Raynes war ebenfalls Hospiziar. Seine Familie war mit der der Baranhona Petri verwandt (s. o.). Nach einem Urteil der Inquisition wurde sein Haus wegen seiner Unterstützung der perfecti und wegen der dort vollzogenen Rezeptionen zerstört 418 , seine Frau Guillelma ebenfalls verurteilt 419 . Eine »Guillelma, uxor quondam Poncii Raynes de Sancto Sulpicio« wird als »deffuncta in heresi« 420 bezeichnet. Hier muß es sich um ein Versehen beim Vornamen handeln, denn die Ehefrau des Poncius Raynes war Bernarda Petri (siehe dort) und Guillema, die Frau des Johannes, ist an anderer Stelle 421 als noch lebend vorausgesetzt. Vielleicht hatte Poncius Raynes aber auch zwei Frauen hintereinander - in diesem Fall ist anzunehmen, daß Guillelma ? die erste Frau und nach ihrem Tod Bernarda, geb. Petri, seine zweite Frau war. 14. Tarasco (Tarascon-sur-Ariége) 4 2 2 Hospizfamilien:

1. domus de Rodesio: Guillelmus der Ältere und seine Frau Ramunda, die Schwester des Petrus Auterii, ihre Kinder: Geraldus, verheiratet mit Galharda, Guillelmus, verheiratet mit Bianca, Ramundus OP, Petrus 423 , Poncius, Ermengardis 2. domus de Galhaco: Petrus de Galhaco der Ältere und seine Frau Galharda, ihre Kinder Petrus der Jüngere, der Notar, und dessen Frau Ramunda Lombarda, seine Geschwister: Bertrandus,

417 T, 143 f. Die Häuser der beiden Töchter der Baranhona waren jeweils auch eigenständige Hospize (T, 143 £). Zu Poncius Raynes vgl. T, 191 f: Er nahm in sein Haus verschiedene perfecti, vor allem auch Petrus Auterii, auf und betätigte sich als Wegbegleiter im Gebiet von Luganno nach St. Sulpice. 418 T, 81. 419 T, 108. 420 T 421

422 423

79.

T, 108. Departement Ariege, Canton Tarascon-sur-Ariege. Er war als einziger aus der ganzen Familie kein Anhänger der perfecti, vgl. P II, 427.

Die Hospizorte des Petrus Auterii

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Alissendis, Ramunda 3. d o m u s Bayardi: der N o t a r Guillelmus Bayardi u n d seine Frau Lorda, ihre T ö c h t e r : M a t h e n d i s , verheiratet m i t J o r d a n u s de R a v a t o (Rabat-les Trois-Seigneurs), ihr g e m e i n s a m e r S o h n Petrus R a m u n d i , Ricarda, verheiratet m i t Petrus de Melglosio, E r m e n g a r d i s , verheiratet m i t Petrus de Q u e r i o (Quie), Gaya 4. d o m u s de A n h a u s o : Bernardus, Guillelmus u n d seine Frau Bianca, Petrus u n d seine Frau T h o m a s a 5. B e r n a r d u s de Servello u n d seine Frau Sperta 6. R a m u n d u s Sutra u n d seine E h e f r a u Sibilia 7. A r n a l d u s Piquerii u n d seine Frau R a m u n d a , geb. de U g e n a c o (die spätere K o n k u b i n e des perfectus G. Belibasta) 8. A r n a l d u s de Sos u n d seine Frau A l a m a n d a 4 2 4 9. R a m u n d u s L o m b a r d i , sein S o h n Petrus u n d seine Tochter R a m u n d a 4 2 5 10. R a m u n d u s M a r t i n i u n d seine Frau Mateldis, seine M u t t e r Alissendis 4 2 6 11. Guillelmus B o t h a r t 4 2 7 Zeitraum:

1300-1309

Beziehungen zu anderen

Hospizen428:

a) in A x : Ramundus Auterii429 Arnaldus Auterii430

424

C, 154 f, vgl. P III, 58. Die domus Lombardi war einerseits mit der domus de Rodesio verbunden (Ramundus Lombardi war der erste Mann der Bianca de Rodesio gewesen) und andererseits mit der domus de Galhaco verwandt, denn Ramunda Lombardi, die Tochter des Ramundus, war die Frau des Petrus de Galhaco (C, 88). Alle drei waren credentes und Hospiziare. 426 Hospiziare laut Aussage des Guillelmus de Rodesio, C, 150. Den in C, 150 mit Gentiiis angegebenen Namen der Mutter korrigiert Guillelmus de Rodesio in C, 158 mit Alissendis. 427 Geraldus de Rodesio hörte von Petrus de Anhauso, dieser habe die Auterii ins Haus des G. Bothart eintreten sehen. Weiteres ist über diese domus nicht bekannt (C, 108). 428 Es werden hier nur die Hospizbeziehungen außerhalb von Tarascon aufgeführt, in Tarascon selber bestanden Beziehungen zwischen allen hier aufgeführten Hospizen. 429 C, 134 f und öfter. 430 C, 160. 425

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Petrus Auterii ah Reorganisator

des

Katharismus

den Balle Garsen 431 Valsiera Arqueiatoris 432 Tinhaci 433 c) in anderen Orten: de Area (Quie) Issaura (Larnat) de Larnato (Larnat) Martini (Junac) Amelii (Merens) Sabaterii (Lordat) Francisci (Limoux) Terreni (Meras) 434 Baudouini (Rabat-les-Trois-Seigneurs) 435 Kommentar: Die gesamte Familiengeschichte der sehr breit dokumentierten domus de Rodesio kann hier nicht entfaltet werden. Über sie sagte Petrus Auterii zu Sibilia Petri: »alle die aus d e m Haus de Rodesio in Tarascon seien eng mit ihnen befreundet, mit A u s n a h m e eines D u m m k o p f s namens Petrus de Rodesio, d e m zu trauen sie nicht w a g t e n

Über Guillelmus de Rodesio d. Ä. ist wenig bekannt: nach C, 127 ist er im Jahre 1305 bereits tot. Seine Frau Ramunda de Rodesio, geb. Auterii und Schwester der perfecti 437 , wurde 1305 im Haus ihres Bruders Ramundus in Ax von Guillelmus Auterii rezipiert, bevor sie starb 438 . Ihren ersten Kontakt mit den soeben aus der Lombardei zurückgekehrten perfecti hatte sie um Pfingsten 1300 im Haus ihres Sohnes, des Guillelmus und der Bianca de Rodesio, nachdem Ramundus Auterii seine Brüder nachts von Ax nach Tarascon gebracht hatte 439 . In diesem Haus war sie des öfteren anwesend, wenn perfecti kamen und predigten 440 . 431 vgl. zu den Hospizbeziehungen mit Sibilia den Balle und Guillelma Garsen die Anmerkungen zu Ramunda de Rodesio. 432 vgl. zu den zuletzt Genannten die Anmerkung zu Guillelmus de Rodesio. C, 252. 434 Vgl. z. B . C, 50 und an vielen anderen Orten. 435 Petrus de Galhaco aus Tarascon hielt sich hier nach Aussage des Geraldus de Rodesio auf (C, 98). 4 3 6 » . . . omnes illi Rodesii de Tarascone, excepto quodam stulto vocato Petro de Rodesii, in quo non audebant confidere, erant magni amici eorum« (P II, 427). 4 3 7 Vgl. Abschnitt 2 . 2 und 4.2. 4 3 8 C, 127. 146. 4 3 9 C, 136. 4 4 0 C, 154. 216. 433

Die Hospizorte des Petrus Auterii

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Außerdem verkehrte sie auch im Hospiz des Arnaldus Piquerii in Tarascon 441 , und im Hospiz der Sibilia den Balle in Ax 4 4 2 . Ramunda de Rodesio war es auch, die Guillelma Garsen aus Ax zuerst von den perfecti erzählte und sie dazu brachte, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Später wurde sie selber Hospiziarin 443 . Eine ausführliche Aussage des Geraldus de Rodesio liegt in C, 84-109 vor. Er und sein Bruder Guillelmus waren die ersten, von denen wir wissen, daß sie nach der Rückkehr der perfecti in das Sabarthes zu diesen Kontakt aufnahmen, vermittelt durch Ramundus Auterii 444 . Er verkehrte in den Hospizen des Guillelmus de Area 445 , Arnaldus Piquerii 446 , Arnaldus de Sos 447 , Ramundus Lombardi 448 , Sibilia den Balle in Ax 4 4 9 , Gomberti in Ax 4 5 0 , Ramundus Auterii (seines Onkels) in Ax 4 5 1 , Issaura in Larnat 452 und Petrus de Area in Quie 4 5 3 . Zur Zeit seines Verhörs im Jahre 1308 lebte Geraldus de Rodesio nicht mehr in Quie, sondern offenbar in Pamiers 454 . A. Pales-Gobillard erwähnt eine Galharda als Ehefrau des Geraldus de Rodesio ohne Angabe ihrer Quelle 455 . Eine Aussage des Guillelmus de Rodesio liegt in C, 134-163 vor. Beide betätigten sich von der ersten Zeit nach Rückkehr der perfecti 456 bis zum Jahre 1308, als sie verhaftet wurden, als Hospiziare, Wegbegleiter und Boten für die perfecti - ein Beispiel dafür ist die Organisation der Weinsendung seines Onkels Bertrandus de Taxio aus Pamiers ins Hospiz de Area nach Quie, die er durchführte 457 . Guillelmus besaß außer seinem Haus (vgl. unten) noch auf einer Wiese namens d'en Lumbart bei Tarascon eine verschließbare borda, in der er mindestens einmal die Auterii übernachten ließ 458 . Es existierten Hospizverbindungen zu Ramundus Auterii 459 , zum Hospiz des Ramundus Auterii in Ax 4 6 0 , zu Issaura in Larnat 461 , Petrus Amelius aus Me441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458 459 460 461

C, 166. 186. C, 181. 194. C, 180 f - d i e Aussage der Guillelma Garsen in C, 178-201. Vgl. oben Abschnitt 4.2. C, 84. 90. C, 86. 90 f. 94. 166 und öfter. C, 86 ff. C, 88. C, 92 ff. C, 94. C, 94. 98. 100. 106 und öfter. C, 98. 140. 318. C, 378. C, 84. C, 47. Vgl. Abschnitt 4.1 und 4.2. P III, 312 ff (vgl. dazu im vorliegenden Abschnitt unter »Appamie/Pamiers«). C, 136. C, 134. C, 134 f. 146. C, 138. 140.

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Petrus Auterii als Reorganisator des Katharismus

rens 462 , Philippus de Larnato 463 , Sibilia den Balle in Ax 4 6 4 , Petrus de Area in Quié 4 6 5 , Petrus de Galhaco in Tarascón 466 , Guillelmus Bayardi in Tarascón 467 , Arnaldus Piquerii in Tarascón 468 , Arnaldus de Sos in Tarascón 469 , Martinus Francisci in Limoux 4 7 0 . In C, 158 f gibt Guillelmus de Rodesio eine Liste für die zum Zeitpunkt seiner Aussage vor der Inquisition Carcassonne (also im November 1308471) tätigen »receptatores« im Sabarthés. Das waren das Hospiz de Area in Quié, wo ein besonderes perfecti-Versteck im Getreidespeicher des Hauses existiert, de Luzenaco (Luzenac), Martini (Junac), Issaura (Larnat), Sabaterii (Lordat), in Ax die Hospize Valsiera, Arqueiatoris, Gomberti, Arnaldus Auterii, in Merens Petrus Amelii, in Méras Ramundus Terreni, in Montaillou Ramundus Azemarii. Ramundus Auterii wird ausdrücklich als beste Informationsquelle für den Verbleib der Auterii zu diesem Zeitpunkt genannt 472 . Daß Guillelmus de Rodesio der Neffe des Petrus Auterii (seine Mutter war Ramunda, die Schwester des perfectus) und mit dem Ritter Bertrandus de Taxio in Pamiers verwandt war, wurde schon erwähnt. Die domus de Rodesio war außerdem mit der Familie des Poncius Issaura in Larnat verwandt, aus der seine Frau Bianca stammte 4 7 3 . Es ist nicht ganz klar, ob diese Familie mit der domus des Arnaldus Issaura und seiner Söhne direkt verwandt ist - falls dies der Fall wäre, stände zu vermuten, daß das Hospiz Issaura mit seiner hohen Bedeutung für das Sabarthés durch die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den de Rodesio entstanden ist. Guillelmus de Rodesio war Notar und somit ein ehemaliger Kollege des Petrus Auterii 474 . Über das Haus in Tarascón, in dem Guillelmus de Rodesio lebte, hören wir in einer Aussage des Petrus de Luzenaco: »... dieses Haus aber, in dem damals Guillelmus de Rodesio wohnte, gehörte Ramundus Lombardi aus Tarascón und sei sein Erbe, aber gegenwärtig lebt dort niemand

462 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475

C, 136. C, 136. C, 140. C, 142. C, 144. C, 144. C, 144. C, 146. C, 146. Vgl. C, 156. C, 160. Vgl. z.B. C, 148. Vgl. Abschnitt 2.1, 4.1 und 4.2. C, 384.

Die Hospizorte

des Petrus

Auterii

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Demzufolge hätte Guillelmus de Rodesio das Haus des verstorbenen ersten Ehemanns seiner Frau Bianca, Ramundus Lombardi 4 7 6 , geerbt und in diesem gewohnt. Bianca de Rodesio 477 war in zweiter Ehe mit Guillelmus de Rodesio verheiratet. Sie stammte aus dem Haus des Poncius Issaura in Larnat 478 , und ihr erster Ehemann war Ramundus Lombardi aus Tarascon, der aber vor 1300 gestorben sein muß, da schon in den ersten Aussagen zum Kontakt der Familien de Rodesio - Auterii Bianca als Ehefrau des Guillelmus de Rodesio erscheint. Ihr Bericht über den ersten Kontakt zu den Auterii um Pfingsten 1300 479 vermittelt den Eindruck, daß sie sich sehr schnell und bereitwillig auf sie einließ. Sie hatte zu denselben Hospizen und credentes Kontakt wie ihr oben genannter Ehemann und wurde von der Inquisition zum Tragen des Kreuzes verurteilt, was ihr aber 1322 wieder erlassen wurde 4 8 0 . Danach scheint sie mit Petrus de Galhaco in Carcassonne gelebt zu haben 481 . Der Dominikaner Ramundus de Rodesio war, wie schon erwähnt, Agent der perfecti im Dominikanerkonvent in Pamiers. In dieser Eigenschaft erfuhr er auch als erster von dem Versuch eines Beginen, die Auterii zu fassen, und veranlaßte dessen Ermordung 4 8 2 . Poncius de Rodesio war credens 483 , scheint aber als Hospiziar nicht in Erscheinung getreten zu sein. Es gibt keinen Beleg darüber, daß er außerhalb des Hauses Guillelmus de Rodesio mit perfecti in Berührung gekommen wäre. Ermengardis de Rodesio hatte nach Lavelanet geheiratet und unterhielt dort ein Hospiz 484 . Die perfecti haben nach Auskunft des Petrus de Galhaco des öfteren an diesem Ort gewohnt 4 8 5 - vermutlich bei Ermengardis de Rodesio. Der Name ihres Mannes geht aus den Quellen nicht hervor. Über Petrus de Galhaco d. Ä. ist aus den vorliegenden Quellen wenig bekannt, doch scheint er mit seiner Frau Galharda Hospiziar und credens gewesen zu sein. So berichtet Ramundus Auterii, er sei 1303 durch Tarascon gekommen und habe selbstverständlich im Haus der beiden nachgesehen, ob ein perfectus da sei 486 . Der im katharischen Sinn aktivere Teil des Ehepaares aber scheint Galharda gewesen zu sein, jedenfalls erfahren wir mehr über sie. Man kann annehmen, daß sie schon vor der Rückkehr der Auterii ins Sabarthes katharische Sympathien hatte, denn sowie sie im Frühjahr 1300 von deren Ankunft hörte, ließ sie ihren Sohn, den späteren Notar Petrus, der zu dieser Zeit in Toulouse Jura 476 Ygi hierzu den Kommentar zu Bianca de Rodesio. 477

Ihre Aussage in C, 212-240. 478 Vgl Jen Kommentar zu ihrem Mann. 479 C, 214 f.

480 481

294.

Pill, 418. 482 C, 150 f. 158. 483 C, 144. 252. 318. 484 Vgl. unter »Avellanetum/Lavelanet« und C, 84. 288. 342. 485 C, 342. 486 C, 124.

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Petrus Auterii als Reorganisator

des

Katharismus

studierte, davon benachrichtigen und ihm ausrichten, er solle sofort nach Tarascon kommen, was dieser, wenn auch mit Verzögerung, tat, so daß er im Haus des Arnaldus Piquerii seine Erstbegegnung mit den perfecti hatte 487 . Bei zwei weiteren Anlässen, beide aus dem Jahre 1303, kann man entnehmen, daß Galharda als Hospiziarin wirkte 488 . Im Jahre 1305 oder 1306 wurde sie nach Auskunft mehrerer Zeugen von Guillelmus Auterii 489 rezipiert 490 . Petrus de Galhaco, wie Petrus Auterii Notar und clericus, hat seine Aussage vor der Inquisition Carcassonne eigenhändig niedergeschrieben 491 : Neben der Aussage des Petrus de Luzenaco 492 ist sie die einzige in den untersuchten Quellen, die in der Ich-Form verfaßt ist. Petrus de Galhaco wurde zuerst, noch während seines Studiums in Toulouse, von seiner Mutter mit katharischen perfecti in Kontakt gebracht 493 . Er ist einer der Zeugen, über deren emotionale Reaktion auf eine Erstbegegnung mit perfecti wir etwas Unmittelbares wissen. Nachdem Petrus Auterii ihm in kurzen Worten über sich Auskunft gegeben hatte, war er offenbar zunächst keiner Reaktion fähig: »Da antwortete ich ihnen nichts, sondern ging, nachdem ich meine Mahlzeit gegessen hatte, ganz in mich versunken und entgeistert und verängstigt v o n ihnen f o r t . . . «

494.

Die damit ausgelöste, über den Katharismus von Mutter und Sohn vermittelte Bindung hielt auch bis zum Tod der Mutter an: Als Galharda vor ihrem Tod (1305 /1306) rezipiert werden wollte, war es Petrus, der Guillelmus Auterii zu ihr führte 495 . Ähnlich betätigte er sich auch innerhalb von Tarascon als Wegbegleiter der perfecti zum Haus des G. Bothart 4 9 6 . Er und seine Ehefrau Ramunda Lombarda 497 waren in allen Hospizen von Tarascon häufige Gäste und Gastgeber. Zugleich scheint er besonders gut über das Hospizwesen überhaupt informiert gewesen zu sein. In seiner Aussage findet sich eine nach Orten geordnete Liste (es handelt sich um die Orte bzw. Gebiete Larnat, Alion, Luzenac, Lordat, Quie, Rabat-les-Trois-Seigneurs und Junac, also um Orte aus dem Sabarthes) in denen Namen einzelner domus verzeichnet sind. Da leider der Beginn der Liste aufgrund des Fehlens der fo 55b in C weggefallen ist, kann man nicht genau sagen, was diese Liste bedeuten sollte. Es ist aber zu vermuten, daß es sich dabei um eine Liste mindestens von credentes und Unterstützern der perfecti, vielC, 332. C, 220. 350. 4 8 9 C, 144. 4 9 0 C, 128. 342. 360. 4 9 1 »manu mea scripta«, C, 3 3 2 - 3 6 1 , eine Probe seiner Handschrift findet sich in der von A. PALES-GOBILLARD herausgegebenen Ausgabe von C, S. 80. 487

488

C, 3 8 6 - 3 9 3 . C, 332, vgl. oben zu Galharda de Galhaco. 4 9 4 »Tunc ego nichil respondi eisdem sed accepto commeatu totus intra me attonicus et stupefactus et timidus recessi ab eisdem . . . « (C, 334). 4 9 5 C, 102. 4 9 6 C, 108. 4 9 7 Zu Ramunda Lombarda, die als credens in Tarascon bekannt war, vgl. C, 88. 156. 220. 35. Das Ehepaar de Galhaco hatte einen Sohn namens Rubeus, C, 382, vgl. C, 378. 492

493

Die Hospizorte

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Auterii

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leicht auch um eine Liste der Hospize in den genannten Orten handelt 498 . Eine ähnliche Liste gibt es direkt im Anschluß an die eben genannte 499 , in der de Galhaco für den Zeitpunkt seiner Aussage (also den November 1308) diejenigen domus aufzählt, mit denen die perfecti »maiorem frequentacionem et converssationem habitandi . . . et amiciciam et familiaritatem« hatten, es sind dies die Hospize Piquerii, de Sos, Ceravel und Sutra in Tarascon, Martini in Junac, den Balle in Ax, Issaura in Larnat, de Area in Quie, de Luzenaco in Luzenac und Sabaterii in Lordat, wozu er noch erwähnt, es gebe noch viele weitere »habitationes ipsorum« außerhalb des Sabarthes 500 . Damit ist Petrus de Galhaco ein zentraler Zeuge für die Existenz und den Stellenwert des Hospizsystems der perfecti. Weiter ist Petrus de Galhaco wichtig, weil in seiner Aussage ein Stück von der Lehre des Petrus Auterii erhalten ist 501 , das sehr viel stärker exegetischargumentativ als - wie sonst üblich - mythologisch-erzählend angelegt ist. Am ähnlichsten ist dieser Stelle noch die Diskussion des Petrus Auterii mit Arnaldus Textoris über den Beginn des Johannesprologs. Da sowohl Arnaldus Textoris als auch Petrus de Galhaco als Juristen sicher schriftkundig waren, anders als die meisten anderen Adressaten der Lehre des Petrus Auterii, liegt der Schluss nahe, daß dieser seine Lehrform je nach Adressat verschieden gestaltete. Hierher passt auch gut, daß Petrus Auterii der Sibilia Petri gegenüber Petrus de Galhaco als »amicus et bonus credens ac bene intelligens« charakterisierte 502 . Es scheint, als sei Petrus de Galhaco nach seinem ersten Inquisitionsprozess im Jahre 1308 nicht weiter im katharischen Sinne tätig gewesen. Er nahm als Notar sogar an Inquisitionsprozessen teil - jedenfalls legt dies P I, 164 nahe, wo er Arnaldus de Savinhano im Mai 1320 vor Gericht über das orthodoxe Verständnis der Auferstehung des Fleisches unterrichtete. Demselben Angeklagten hatte er, ebenso wie Ramundus Valsiera aus Ax, vor dem Inquisitionsprozeß geraten, dem Bischof von Pamiers als Inquisitor die volle Wahrheit zu sagen, denn dann geschehe ihm nichts 503 . Im November 1321 aber wurde Petrus de Galhaco auf Betreiben des zu dieser Zeit bereits inhaftierten ehemaligen baiulus von Montaillou, Bernardus Clerici, selber festgenommen. Bernardus Clerici verdächtigte ihn, er sei für die Verhaftung seines Bruders Petrus Clerici, des ehemaligen Priesters von Montaillou, verantwortlich 504 . Außerdem stellte sich noch ein anderes Problem für Petrus de Galhaco. Es kam nämlich heraus, daß er Petrus Petri aus

498 499 500 501 502 503 504

C , 338 ff. C , 342. Ähnlich n o c h C , 348. C, 334-338. P II, 420. P I , 273; P II, 435. P II, 281. 288.

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des

Katharismus

Quie zu einer falschen Aussage gegen den Notar Guillelmus Tron veranlasst hatte, mit deren Hilfe dieser Berufskonkurrent als Häretiker von der Inquisition belangt und so dem Petrus de Galhaco v o m Halse geschafft gewesen wäre. Bertrandus, Alissendis und Ramunda de Galhaco, die Geschwister des Petrus d . J . , waren nach dessen Aussage häufig Zeugen, wenn perfecti im Hause de Galhaco zu Besuch waren 5 0 5 . Der Notar Guillelmus Bayardi war die politisch und sozial einflußreichste Persönlichkeit in Tarascon überhaupt und zugleich ein credens. Der Sibilia Petri aus Arques gegenüber rühmte ihn Petrus Auterii als besonders guten, einflußreichen und klugen credens, der offenbar nicht nur für die perfecti sorgte, sondern auch eine Quartiermeister-Funktion für sie wahrnahm. Er ordnete anscheinend zuweilen in Tarascon an, in welchen Häusern die perfecti aufgenommen wurden: » . . . in Tarascon wurden sie (die perfecti) in denjenigen Häusern a u f g e n o m m e n , v o n denen Guillelmus Bayardi anordnete, daß sie dort beherbergt w ü r d e n . . . « 5 0 6 .

Das Haus, in dem die Familie Bayardi wohnte, befand sich »in platea Tarascone«, also wahrscheinlich am Hauptplatz des Ortes 5 0 7 . Die perfecti wurden im Turm seines Hauses 5 0 8 oder im dazugehörigen Taubenschlag 5 0 9 versteckt. An vielen Stellen sind Guillelmus Bayardi und seine Familie als Hospiziare bzw. credentes in Hospizen der U m g e b u n g belegt 5 1 0 . Beide waren auch organisatorisch aktiv: so berichtet Rixendis Palharesa, daß Petrus de Luzenaco, dessen Konkubine sie war, zur Versorgung der perfecti mit Lorda Bayardi zusammenarbeitete 5 1 1 . Ricardis und Mathendis, die Töchter des G. Bayardi, zählten nach Ansicht des Petrus Auterii zu denen » . . . die d e m H e r r n die v o n ihm empfangenen Pfunde verdoppelt zurückerstatteten. D e n n sie brachten, wie er sagte, soviele Personen dazu, den perfecti zu glauben, wie sie konnten, und damit verdoppelten sie das, was sie von den perfecti empfangen hatten

G. Bayardi selber war am Katharismus stark interessiert: E r tradierte katharische Lehre in Form von Legenden weiter 5 1 3 . Verschiedenes weist darauf hin, welch hohe Bedeutung dieser Notar in der Grafschaft Foix, zumindest aber im C, 354. « . . . ipsi (die perfecti) hospitabantur in domibus de Tarascone de quibus dictus Guillelmus Bayardi ordinabat quod in dictis domibus hospitarentur . . . « (P II, 419). 5 0 7 P III, 270. 5 0 8 C, 88. 5 0 9 P III, 272 f. 5 1 0 P II, 327. III, 270 ff; C, 88. 92. 144 u. ö. 511 PI, 300f. 5 1 2 »qui recepta talenta a Domino reddiderant duplicata, quia, ut d i x i t . . . quantum poterant inducenbant alias personas ad credendum fidem hereticorum, et sie illud quod aeeiperant ab hereticis duplicabant...« (P II, 426). 505 506

513

P i l l , 5 4 f . 61.

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Sabarthes hatte. Als Roger-Bernard III. 1302 in der Burg vonTarascon starb und vorher das consolamentum von Petrus Auterii empfing, war Guillelmus Bayardi dabei: »Herr Roger-Bernard, der verstorbene Graf von Foix, wurde im Verlauf der Krankheit, an der er starb, durch Vermittlung des Guillelmus Bayardi im Hof der Burg von Tarascon durch Petrus Auterii in den Glauben und die secta der perfecti aufgenommen und verstarb unter seinen Händen im Beisein des Guillelmus B a y a r d i . . . « 5 1 4 .

Einige Zeit vorher (1300-1302) hatte Guillelmus Bayardi versucht, den Grafen, der dies aber nicht wollte, zum Kontakt mit den perfecti zu bewegen. Der Graf lehnte das ab mit der Bemerkung, wenn man nur einmal auf die Katharer höre, pflanzten sie einem solche »sofisma« ins Herz, daß man nicht wieder von ihnen loskomme 5 1 5 . Nach dem Tod des Grafen war er zeitweilig Regent der Grafschaft. Der politische Einfluß des Notars schlug sich auch in der Heiratspolitik für seine Töchter nieder: Ermengardis war die Frau des Petrus de Querio 5 1 6 , Mathendis die Frau des Jordanus de Ravato 517 . Von einer weiteren Tochter namens Gaya ist nur bekannt, daß es sie gab 518 . Mit seinerTochter Ricarda gab es allerdings Schwierigkeiten. Sie war zunächst mit Ramundus Arnaldi de Castro verheiratet worden, aber ihrer Mutter Lorda behagte aus einem nicht genannten Grunde diese Verbindung nicht. Sie beauftragte daher ihren Mann Guillelmus Bayardi damit, diese Ehe wieder zu beenden. Der einzig gangbare Weg, dies zu tun (da die zunächst erwogene Behauptung, die Ehe sei körperlich nicht vollzogen worden, als allzu leicht widerlegbar beiseite geschoben wurde), war, durch bestochene Zeugen erklären zu lassen, Ricarda sei schon vor ihrer Eheschließung mit Ramundus Arnaldi de Castro mitjemand anderem, nämlich Petrus de Melglosio, verheiratet worden. Dies geschah auch. Als Zeugen hierfür wurden unter anderem die Adligen Philippus de Larnato, Jordanus de Ravato sowie Ramundus Fabri, alle als credentes bekannt, bestochen. Als Arnaldus de Vedelhaco, der selber zum Gefolge des Jordanus de Ravato gehörte, in dieser Angelegenheit auch als »Zeuge« angefragt wurde, sich aber weigerte, erklärte ihm Guillelmus Bayardi, ein Meineid sei schließlich kein größeres Problem. Die Ehe Bayardi - de Castro wurde wieder aufgelöst 519 . 514 »Dominus Rogerius-Bernardi comes Fuxi condam, in infirmitate de qua decessit et in aula castri Taraschone in qua mortuus fuit, procurante... Guillelmo Bayardi fuerat per ipsum Petrum Auterii receptus in fidem et sectam hereticorum et transiverat per manus eius, presente dicto Guillelmo Bayardi...« (P II, 427). 515 Pill, 61. 516 C, 92. 517 C, 342. 344, P III, 54. Petrus Ramundi de Ravato, Sohn der Mathendis, geb. Bayardi, wurde anlässlich einer Krankheit nach Tarascon ins Haus Bayardi gebracht und Guillelmus Auterii zu seiner receptio herbeigeholt. Das Kind erholte sich aber wieder (C, 344 £). Petrus de Galhaco, der davon wußte, überredete den Mitwisser Petrus de Anhausio bei einer Schachpartie dazu, hierüber vor der Inquisition zu schweigen (C, 352). 518 C, 92. 236. 519 Pill, 51-62.

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Petrus Auterii als Reorganisator

des

Katharismus

An dieser Angelegenheit läßt sich zeigen, wofür Guillelmus Bayardi unter anderem seine vor allem durch die gemeinsame katharische credentia vermittelten Beziehungen nutzte: bei Gelegenheit auch für seine durchaus eigenen Z w e k ke. Diese geradezu mafiotische Seite des Katharismus ländlicher Kleinfeudalen und der sozial ihnen gleichgestellten bürgerlichen Freunde und Verwandte wird noch deutlicher durch folgenden Bericht des Ramundus Valsiera: » . . . Guillelmus de Agulhano aus Larocque d ' O l m e s , der damals in A x lebte, w u r d e in A x verhaftet w e g e n einer Frau, v o n der es hieß, er habe sie in Larocque d ' O l m e s vergewaltigt. D a habe er, der Aussagende (Ramundus Valsiera), der mit ihm befreundet war, den B r u d e r der perfecti Petrus und Guillelmus Auterii, Ramundus Auterii, gebeten, daß dieser den Guillelmus Bayardi, der damals Regent der Grafschaft F o i x war, darum bitte, wohlwollend mit ihm zu verfahren, was Guillelmus Bayardi auch tat. Danach hielt er ihn in seinem Haus einige Zeit lang verborgen, so daß der H e r r v o n M i r e p o i x ihn nicht ausgeliefert bekam. So hatte es Guillelmus Bayardi angeordnet. « 5 2 °

Hier erscheint die Verbindung des einer Vergewaltigung verdächtigen Guillelmus Agulhano über seinen Freund Ramundus Valsiera zu Ramundus Auterii und von diesem zu dem damals (nach dem Tod des Grafen) als Regenten der Grafschaft fungierenden Guillelmus Bayardi als Netzwerk zur Vertuschung einer Straftat. Guillelmus Bayardi selber hatte von dieser Aktion zwar keinen unmittelbaren Nutzen, konnte sich aber hierdurch (sicherlich nicht das einzige Mal) als »Beschützer« eines von der Obrigkeit Verfolgten profilieren. Genauso setzte er seinen Einfluß auch unmittelbar zur Verhinderung der Verhaftung des perfectus Guillelmus Auterii durch die gräflichen Soldaten ein, als dieser sich im Haus des Arnaldus de Sos in Tarascon aufhielt 5 2 1 . Daß Guillelmus Bayardi aktiv an der Verbreitung katharischer Lehre beteiligt war, wurde oben schon erwähnt. Hierher gehört auch, daß er Arnaldus de Vedelhaco gegenüber die Tatsache, daß er zwei Schwestern gleichzeitig als Geliebte hatte, mit der Bemerkung verteidigte, diesbezügliche Bedenken seien »faytilhas« - Nichtigkeiten. Ebensowenig hatte er irgendwelche Skrupel, bei Rechtsstreitigkeiten als Notar gleich von beiden Seiten Geld (»litigamentia«) entgegenzunehmen 5 2 2 . Im Jahre 1315 wurde er vor die Inquisition nach Carcassonne zitiert. B e v o r er vor Gericht erschien, beriet er sich mit seinem Freund und Kollegen, dem Notar

5 2 0 » . . . cum Guillelmus Agulhano de Ruppe Ulmesii, qui tunc morabatur apud A x , propter quandam mulierem quam dicebatur oppresisse in dicta villa de Ruppe fuisset captus apud Ax, ipse loquens (Ramundus Valsiera) qui fuit affinis eius, rogavit Ramundum Auterii frater (sic) Petri et Guillelmi Auterii hereticorum, quod rogaret pro dicto Guillelmo dictum Guillelmum Bayardi, qui regebat comitatum Fuxi, quod esset ei bonus, quod et dictus Guillelmus Bayardi fecit, et eum tenuit absconditum per aliquod tempus in domo sua, nec dominus Mirapicis potuit eum rehabere, taliter dictus Guillelmus Bayardi ordinavit . . . « ( P I , 280). 521 522

C, 154 f, vgl. P III, 58. PIII, 54 f.

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Guillelmus Garrici, über die Verhandlungstaktik 523 . Über den Ausgang des Prozesses ist nichts bekannt, doch wird er im Jahre 1320 als Insasse des Kerkers in Carcassonne erwähnt 524 . Die in Tarascon lebende domus de Anhauso (de Niaux) nahm zum Katharismus eine zwiespältige Position ein. An keiner Stelle in den ausgewerteten Quellen hören wir mit Sicherheit, daß eines ihrer Mitglieder Hospiziar gewesen sei. Sie soll deshalb in diese Liste aufgenommen werden, weil sie von ihrer sozialen Position her und gerade in ihrer Ambivalenz zum Katharismus ein Schlaglicht auf die soziale Basis des Katharismus in Tarascon wirft: Sibilia Petri erfuhr von Petrus Auterii, » . . . es gebe zwei Brüder v o n der Familie d'Anhaus in Tarascon. Der eine sei ein weiser und reicher Mensch und ein enger Freund v o n ihnen (den perfecti) und habe zwei Söhne. Weil nun einer dieser beiden Söhne sich zum Glauben der perfecti hielt, gab ihm der Vater den größeren Erbteil und zur Frau eine Tochter des Bertrandus Mercerii, denn die Mutter .. dieses Mädchens w a r (auch) ihres Glaubens .. , « 5 2 5

Die Stelle ist interessant, weil sie den Zusammenhang von Hochlandadel und Katharismus in ähnlich gebündelter Form aufzeigt, wie die vorangegangene Darstellung des G. Bayardi die Beziehungen der bürgerlich - politischen Elite (besonders des Notariats) zu den perfecti: Gerade weltliche Macht und Klugheit prädestinieren nach Ansicht des Petrus Auterii den Vater de Anhauso zum katharischen credens (ein Motiv, das sich in seiner Aufzählung reicher, kluger und einflußreicher Personen in der katharischen Hochlandgemeinde der Sibilia Petri gegenüber explizit findet 526 ), der seinerseits seinen katharisch gesonnenen Sohn offenbar bei der Erbteilung und Verheiratung bevorzugte. Andererseits, und das macht die Zwiespältigkeit dieser Familie unter katharischem Aspekt aus, sehen wir schon an dieser zitierten Stelle, daß offenbar sein anderer Sohn nicht zum Katharismus tendierte. In den verfügbaren Quellen zeigt sich nun, daß diese Ambivalenz sich durchhielt. Einerseits hört man immer wieder von Angehörigen der domus de Anhauso als credentes in den Hospizen

P III, 58. P III, 399. 5 2 5 » . . . duo erant de illis vocatis d'Anhaus de Taraschone fratres, et unus illorum erat sapiens homo et dives, multum erat amicus eorum, qui habuit duos filios, et quia unus dictorum filiorum trahebat se ad fidem hereticorum propter hoc dictus pater dedit ei magnam partem hereditatis sue, et dedit ei in uxorem quandam filiam . . . Bertrandi Mercerii, quia mater... dicte filie fuerat et erat de fide eorum . . . « (P II, 427). 5 2 6 P II, 419 f. 425-427. In einem Kommentar zu dieser Aufzählung bemerkt Petrus Auterii bei Gelegenheit seiner Erwähnung der domus Clerici in Montaillou: »Et . . . omnes de domo dicti rectoris (seil. Petrus Clerici) que erat dives domus et bona, erant eorum amici et omnes boni. Quod non esset... nisi eorum secta bona esset« (P II, 419). Damit bringt Petrus Auterii selber den gehobenen sozialen Status zahlreicher credentes als Kriterium für die Qualität der von ihm repräsentierten Religion als Argument ein. 523

524

198

Petrus Auterii als Reorganisator des Katharismus

(bei A. Piquerii 5 2 7 , G. Bothart 5 2 8 , de Area und de Rodesio 5 2 9 ). Hierher paßt auch, daß über Petrus de Anhauso berichtet wird, er habe öffentlich über zur Kirche gehende M ö n c h e gespottet, indem er sie als »gemeine fette Kerle« bezeichnet habe 5 3 0 und Mitwisser einer geplanten Falschaussage gegen Petrus de Galhaco gewesen sei 5 3 1 ; andererseits residierte der B i s c h o f von Pamiers 1320 im Haus des Arnaldus de Anhauso, als er in seiner Kompetenz als Inquisitor in Tarascon Untersuchungen gegen Arnaldus Savinhani wegen Häresieverdachtes durchführte 5 3 2 . Daß dies nicht einfach nur aufgrund eines bischöflichen Rechtstitels auf Unterhalt während seines Aufenthalts in Tarascon geschah, sondern daß die credentes dieses Ortes noch 1 3 2 0 - 1 3 2 2 sich vor Arnaldus de Anhauso hüteten, zeigt sich an anderer Stelle. Wir hören, daß besagter Arnaldus Savinhani, wegen häretischer Bemerkungen zum Tragen des Doppelkreuzes auf seiner Kleidung verurteilt, diese, in Tarascon angekommen, alsbald von seiner Kleidung abtrennte, bzw. seinen Mantel so zu drehen pflegte, daß sie nicht sichtbar waren - nur wenn er aus irgendeinem Grunde bei A. de Anhauso vorbei gehen mußte, drehte er ihn anders herum 5 3 3 . E r fürchtete ihn also als potentiellen Denunzianten. Noch kurz zuvor (1318) hatte sich ein mit Vornamen leider nicht genannter de Anhauso auf einem gemeinsamen Weg mit Johannes Maurini durchaus zustimmend über den Katharismus unterhalten 5 3 4 . Es gab also während vieler Jahre geteilte Ansichten über den Katharismus in dieser ökonomisch wohl auf dem Abstieg befindlichen Familie aus dem Kleinadel der Grafschaft 5 3 5 . Der Schmied Bernardus de Servello (?) 5 3 6 war ebenfalls Hospiziar in Tarascon. Guillelmus de Rodesio sagte 1308 über ihn: »Er sei ihr Freund, Vertrauter und Parteigänger und er habe sie in seinem Haus aufgenommen und heimlich versorgt, in dem er ihnen auf seine Kosten zu essen und zu trinken gab .. , « 5 3 7 .

C, 390. C, 108. 5 2 9 C, 8 4 - 1 0 0 passim, C, 238. 5 3 0 C, 350. 5 3 1 C, 352 - alle die genannten Belege stammen aus der Zeit zwischen 1300 und 1308. 5 3 2 PI, 163. 5 3 3 P II, 433. 5 3 4 P II, 485. 5 3 5 Daß es mit dem ca. 1305 von Petrus Auterii noch so gerühmten Reichtum der Familie um 1320 nicht mehr weit her gewesen sein kann, zeigt sich daran, daß eine Schwester des Arnaldus de Anhauso sich in Alayrac als Magd verdingen mußte (P III, 269. 289). 5 3 6 Seine Namensform schwankt zwischen Ceravelli, Ceravel, Cervel, Cervelli, Servelli und de Servello. 5 3 7 »quod . . . erat amicus, secretarius et familiaris eorum (seil, der perfecti) et reeeptabat et tenebat eos secrete in domo sua, dando eis ad comedendum et bibendum de bonis suis . . . « (C, 150). Bernardus de Servello ist belegt als Hospiziar ferner C, 156 (1305), C, 350 (Datum unbestimmt), C, 358 (Datum nicht zu rekonstruieren), C, 274 (1308). 527

528

Die Hospizorte

des Petrus

Auterii

199

Seine Rolle als Hospiziar muß eine bedeutende gewesen sein: Petrus de Galhaco reihte ihn in seine Liste derjenigen, die den engsten Kontakt zu den perfecti hielten, ein 538 . Wie der Inquisitionsagent Arnaldus Cicredi später zu berichten wußte, hatte er 1318 die Frau des Bernardus de Servello, Sperta, im katalanischen Exil, in der Nähe von Lérida, aufgespürt 539 . Zu dieser Zeit lebte de Servello bereits nicht mehr 5 4 0 . Ramundus Sutra und seine Ehefrau Sibilia werden von Petrus de Galhaco 1308 ebenfalls zu denjenigen Hospiziaren in Tarascón gerechnet, die besonders engen Kontakt zu den perfecti halten 541 . Ansonsten sind sie nur als credentes in den Hospizen des Arnaldus Piquerii 542 , Petrus de Galhaco 543 und Guillelmus de Rodesio 544 überliefert. Über die domus Piquerii bieten die Quellen eine Fülle von Informationen, unter denen die Aussage des Arnaldus Piquerii vor der Inquisition Carcassonne (Juni - November 1308) die wichtigste Stelle einnimmt 5 4 5 . Demnach war er zuerst von seiner zum Zeitpunkt der Aussage verstorbenen Frau Mateldis mit dem Katharismus in Verbindung gebracht worden: »Er sagte, seine nun gestorbene Frau Mateldis habe m e h r f a c h mit i h m gesprochen u n d ihn (dabei) gebeten, er solle den engen U m g a n g u n d Bekanntschaft mit den perfecti Petrus, Guillelmus u n d Jacobus Auterii suchen u n d sie in sein Haus a u f n e h m e n , u n d daß sie viel Gutes v o n ihnen haben könnten. U n d . . . weil er befürchtete, daß, w e n n sie sie a u f n ä h m e n , dies herauskäme u n d bekannt w ü r d e , sagte er seiner Frau, sie sorge dafür, daß sie alle Güter verlören . . . « 5 4 6 .

Der erste Kontakt mit den perfecti ist bereits für die Zeit um St. Johannes Baptista, also den 24. Juni 1300 belegt, als die Auterii 11 Tage lang in der domus Piquerii blieben 547 . Das Hospiz Piquerii und Arnaldus Piquerii selber als credens gehörten ab diesem Zeitpunkt zu den in C am meisten erwähnten.

538

C, 342. P II, 43 u. ö. Es gab hier eine Exilgemeinde von credentes aus der Grafschaft Foix, die sich um den perfectus Guillelmus Belibasta scharten. 540 Er wird an aaO. als »quondam« bezeichnet. 541 C, 342. 542 C, 108 (1308). 543 C, 144. 544 C, 358. 545 C, 164-178. 546 « . . . dixit quod . . . Mateldis uxor sua nunc deffuncta dixit sibi pluries et rogavit eum quod haberet familiaritatem et noticiam Petri et Guillemi et Jacobi Auterii hereticorum et quod reciperent eos in domo sua quia boni homines erant et possent magis valere de eis. E t . . . timens quod si reciperent eos revelaretur et sciretur dicte uxore sue dixit quod ipsa curabat quod perderent omnia bona s u a . . . « (C, 164). 547 C, 234. Alissendis Martini ließ den perfecti in dieses Haus auf ihre Kosten gekaufte Forellen bringen (aaO.). 539

200

Petrus Auterii

4.6

als Reorganisator

des

Katharismus

Zusammenfassung: organisatorische Funktionen, geographische Ausbreitung und soziale Bedeutung des Hospizsystems

Zusammenfassend sollen nun zunächst die sich aus der Betrachtung der Hospize ergebenden Funktionen des Hospiz aufgeführt werden. Daran schließt sich eine Auswertung der geographischen Verteilung der Hospize und ihrer sozialen Zusammensetzung an. 4.6. i Funktionen des

Hospizsystems

Die verschiedenen Funktionen des Hospizsystems lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Hospiz war entscheidender O r t der Zuflucht, der materiellen Versorgung und Unterstützung des perfectus durch seine credentes-Gruppen, aber auch der credentes untereinander; es war der O r t der Lehre und der rituellen Tätigkeit des perfectus für die credentes, also der spezifisch katharischen Welt- und Lebensdeutung; es war O r t des Nachrichtenaustauschs zwischen den credentes und dem perfectus sowie zwischen den credentes untereinander. Das Hospiz war also organisatorisches Scharnier der beiden sich ausschließenden Lebensweisen von credentes und perfectus: des unverheirateten, Sexualität negierenden, besitzlosen und nicht seßhaften Wanderasketen einerseits und der vorläufig in allen weltlichen Bindungen verbleibenden credentes andererseits, die einander für die Aufrechterhaltung ihrer Lebensweisen brauchten. Die credentes benötigten den perfectus als Garanten ihrer schließlichen Erlösung aus dieser Welt, d. h. als Repräsentanten der auch von ihnen gut geheißenen Lebensform, sich angesichts dieser teuflischen Welt und ihrer Verhältnisse so weit wie möglich von ihr zu distanzieren. Der perfectus brauchte die credentes für seine materielle Existenz und seinen Schutz. Beide Sphären begegneten sich nur an einem Punkt, dem Hospiz, der zugleich als »Punkt« mobil bleiben mußte. Dabei fungierte der perfectus als eine den inneren Bestand der domus absichernde Instanz, indem er, der von Familienbindungen, -rücksichten und -Verpflichtungen frei lebte, zugleich bei auftauchenden Konflikten in der d o m u s Familie als außerhalb ihrer Lebender, als Berater und Deuter eine wesentliche Rolle spielte. Das geschah z. B. in der Lehre, wenn die Ehe als teuflische Institution abgelehnt wurde und sich hierin die materielle Zwangslage der domus widerspiegelte, die unter Umständen durch das Aufbringen der Mitgift (dos) für die Töchter der Familie ruiniert zu werden drohte 5 4 8 , konnte, wie an einem Beispiel deutlich wurde, durch Beratung anlässlich einer Eheschließung

548 Das ist am deutlichsten bei Petrus Clerici, dem katharischen Pfarrer von Montaillou und zugleich Hospiziar des Petrus Auterii, nachzuweisen, Vgl. hierzu M. BENAD, Domus und Religion in Montaillou, S. 247 f.

201

Zusammenfassung

geschehen 5 4 9 oder aber, und das war nach den Quellen das zentrale Wirkungsgebiet, durch die rituelle Begleitung des Sterbens als der offenbar deutlichsten und zugleich am widersprüchlichsten erlebten Veränderung des Lebens einer domus 5 5 0 . Diese Seelsorgefunktionen des perfectus, der damit für die domus als bearbeitende Instanz zur Deutung ihres Gesamtzustandes fungierte, bauten auf einem Organisationssystem auf, das sich im wesentlichen durch die Wirksamkeit persönlicher, frei wählbarer Zuwendung zum perfectus definierte und sich damit in diesem zentralen Punkt von der Organisationstheorie und -praxis der feudalen Kirche, aber auch des sich ihr anpassenden Katharismus vor den Albigenserkriegen abhob. Das einzelne Hospiz stand dabei, wie deutlich geworden sein dürfte, nie für sich. Fast immer kamen credentes auch in Hospize außerhalb ihrer eigenen Heimatorte. A u f diese Weise entstand und wirkte das Kommunikationssystem der Hospize untereinander. Eine wichtige Rolle dabei spielte das ebenfalls geheime System der Wegesicherung für den perfectus. Z o g er heimlich von O r t zu Ort, so wurde er in der Regel von einem oder mehreren credentes begleitet, die für seine Sicherheit sorgten. Zugleich standen diese in Verbindung mit credentes aus dem Zielort der Reise. An einem bestimmten O r t zwischen Ausgangsort und Ziel wurde dann der perfectus von den credentes des Zielortes abgeholt. Sie hatten oft schon für eine Tarnung des Gastes gesorgt oder das Quartier fertig gemacht, so daß der perfectus nach seiner Ankunft in einem O r t dort nicht erst lange nach credentes suchen oder vielleicht sogar fragen mußte, was sicherlich aufgefallen wäre.

4.6.2 soziale

Die geographische

Ausbreitung

des Hospizsystems

und seine

Bedeutung

Der vorangegangene Abschnitt zeigte, daß das Hospizsystem des Petrus Auterii in etwa 70 Orten bestand und etwa 130 Hospizfamilien umfaßte, deren Großteil Angehörige bäuerlicher domus waren. Das Gebiet seiner Wirkung erstreckte sich über ca. 100 km in nord-südlicher und 80 k m in ost-westlicher Richtung, es bedeckte ganz oder teilweise die Gebiete von fünf heutigen départements 5 5 1 . Seine Gesamtheit machte damit weitgehend auch das Gebiet des katharischen Midi vor der Zeit der Albigenserkriege aus, wie es Duvernoy beschrieben hat 5 5 2 , 5 4 9 Seelsorgerliche Begleitung einer Eheschließung durch den perfectus: »Item alia vice quando debuit duci ad accipiendum maritum suum, ivit primum ad domum dicti Bertrandi ad videndum dictum hereticum, & vidit eum & fuit loquta cum eo, & portavit sibi unam candelam de cera . . . « (T, 54). 5 5 0 Siehe hierzu weiter unten Abschnitt 5.6. 5 5 1 Ariège, Aude, Haute-Garonne, Tarn, Tarn-et-Garonne; Vgl. hierzu die beigefugte Karte. 5 5 2 DUVERNOY, Histoire, S. 195 f, Karte S. 233.

202

Petrus Auterii

als Reorganisator

des

Katharismus

ohne allerdings auch nur annähernd eine vergleichbare Dichte in der Unterstützung der Bevölkerung gewinnen zu können, wie sie in der Zeit vor 1209 einmal existierte 553 . Verglichen mit der ehemaligen Zahl der »maisons« gab es nun nur einen Bruchteil an Hospizen. Ein weiterer Unterschied lag in der soziogeographischen Verteilung der Unterstützergruppe des Katharismus als Hospizsystem im Vergleich mit der früheren Zeit: Die meisten Hospize gab es in ländlichen Gebieten, doch hatte Auterii auch zahlreiche Hospizanhänger in Kleinstädten, einige auch in großen Städten wie Toulouse. Das Gebiet mit der größten Dichte an Hospizen blieb das Hochland der Grafschaft Foix, von der aus Petrus Auterii seine Reorganisation des Katharismus gestartet hatte. Andererseits gab es deutliche Schwerpunktbildungen im Gebiet südöstlich, östlich und nordöstlich Toulouse, ansatzweise aber auch im département Aude südlich Carcassonne, im Gebiet um Verdun/Garonne und Montclar-Quercy 5 5 4 . Zusammenfassend ist festzustellen, daß die rasche Verbreitung der Hospizorganisation des Petrus Auterii in nur wenigen Jahren nicht anders erklärt werden kann, als durch eine im gesamten Verbreitungsgebiet latent immer noch stark vorhandene Sympathie mit der katharischen Religion. Diese kam besonders in einem krassen quantitativen Mißverhältnis zwischen credentes und perfecti zum Ausdruck, der für die Zeit in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in zunehmenden Maße zu verzeichnen ist 555 . Zugleich mit dieser Kontinuität der Existenz des Katharismus veränderte sich aber auch Entscheidendes. Im Vergleich zur Zeit vor dem Albigenserkreuzzug muß man von einer deutlichen Verschiebung des sozialen Schwerpunktes in der katharischen credentia sprechen. Der Hochadel des Midi, die großen Feudalherrn wie die Grafen von Toulouse oder der Graf von Foix, sind nicht mehr die politischen Schutzherren der katharischen Bewegung, ebenso wie die Sympa-

553

Vgl. ebenda, S. 231-236. Die Gründe für die Entstehung gerade dieser Schwerpunkte gehören zu den orts-, vor allem aber auch familiengeschichtlich erst noch zu klärenden Problemen. Daß sich Schwerpunkte dieser Art bildeten, gleichsam Hospiznester, ist sicher aus dem familiaristischen Vorgehen bei der Entwicklung des Hospizsystems sowie gegenseitiger enger Freundschaft/Bekanntschaft der credentes eines gegebenen Gebietes mit mehreren dicht beieinander liegenden Orten zu erklären. 555 »Nach der Behauptung des genau unterrichteten Sacchoni gab es zu seiner Zeit, d. h. um das J. 1250, kaum 4000 Eingeweihte beiderlei Geschlechts in der ganzen Welt; der Glaubenden aber war eine unzählige Menge. Dasselbe Verhältnis ergibt sich aus den Akten der südfranzösischen Glaubensgerichte: hier kommen auf mehrere Hunderte von Glaubenden, die fast alle die convenenza gemacht hatten, kaum acht oder neun Personen, welche sich in gesundem Zustande hatten einweihen lassen und als Vorsteher der Gemeinden und als Vollkommene wirkten. . . . So geschah es, dass die Zahl der Vollkommen in Languedoc, die zur Zeit des ersten Kreuzzugs wohl 7—800 betragen mochte, ein Jahrhundert später auf 14-16 zusammengeschmolzen war, während es noch Tausende von Glaubenden in der Provinz gab.« (I. v. DÖLLINGER, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters, Bd.l, S. 213); vgl. auch BORST, Katharer, S. 135. 554

Zusammenfassung

203

thien der B e w o h n e r der großen Städte i m Untersuchungsgebiet

(Toulouse,

P a m i e r s 5 5 6 , Foix) in den Q u e l l e n w e i t g e h e n d fehlen. D e r kleine A d e l 5 5 7 , einige städtische, u n d z w a r v o r allem

kleinstädtische

H a n d w e r k e r , N o t a r e u n d in der g r o ß e n M a s s e v o r allem B a u e r n bilden die s o z i a l e B a s i s d e s K a t h a r i s m u s in d e r b e o b a c h t e t e n P h a s e 5 5 8 . Es g a b a l s o n a c h w i e v o r e i n e ( w e n n a u c h v e r ä n d e r t e ) B a s i s f ü r d e n K a t h a r i s m u s , n u r daß f ü r diese Basis keine entsprechende O r g a n i s a t i o n existierte - u n d diese w u r d e v o n A u t e r i i u n d seinen M i t - p e r f e c t i geschaffen. D e r v e r ä n d e r t e n B a s i s e n t s p r a c h d a b e i das v e r ä n d e r t e

Organisationssystem

d e s K a t h a r i s m u s . Z w a r ist k l a r , d a ß es n a c h d e r m i l i t ä r i s c h e n V e r f o l g u n g i n d e r Zeit des K r e u z z u g s ( 1 2 0 9 - 1 2 2 9 ) , der N i e d e r l a g e selbst in stark

gesicherten

Rückzugsgebieten (z.B. M o n t s é g u r 1244), v o r allem der starke V e r f o l g u n g s druck der Inquisition im Verein mit der a b n e h m e n d e n Unterstützung größerer F e u d a l h e r r e n f ü r d e n K a t h a r i s m u s w a r , die ein i m m e r w e n i g e r o f f e n e s u n d v o r allem i m m e r subversiveres, schwer lokal-identifizierbares Organisationssystem v e r l a n g t e n , w i e es P e t r u s A u t e r i i d a n n a u c h s c h u f . A n d e r e r s e i t s a b e r d a r f m a n sich n i c h t v o r s t e l l e n , d e r p e r f e c t u s h ä t t e d i e s e s S y s t e m n u r als b e w u ß t e A n t w o r t a u f d e n e r h ö h t e n D r u c k d e r G e g n e r K a t h a r i s m u s o d e r ü b e r h a u p t a u f die v e r ä n d e r t e n

Bedingungen

des

geschaffen.

S c h o n d i e e r s t e n S c h r i t t e , d i e e r n a c h s e i n e r R ü c k k e h r u n t e r n a h m , g i n g e n i n die 5 5 6 M a n bedenke die Schwierigkeiten, die ein Kleinfeudaler w i e der Ritter Bertrandus de Taxio in Pamiers damit hatte, die perfecti zu sehen. 5 5 7 Z u r Lage des kleinen Adels i m U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m v g l . die Studie von J . DUVERNOY, La noblesse du comté de Foix au début du X l V e siècle, in: Actes du . . . C o n g r è s d'études. Fédérations des sociétés académiques et savantes de Languedoc, Pyrénées, Gascogne, Foix (Ariège), 2 8 - 3 0 mai 1960, 16 (1961), S. 123-140: Der A u t o r u n t e r n i m m t eine knappe Darstellung der wesentlichen, in den hier behandelten Quellen genannten kleinadligen Familien u n d untersucht deren sozialökonomische Situation s o w i e ihre H a l t u n g z u m Katharismus. Dabei k o m m t er zu d e m Ergebnis, daß der Kleinadel sich in einer schwierigen, durch das Ehe- u n d Erbrecht noch verschärften sozialen L a g e befand. Antiklerikale S t i m m u n g herrschte vor - sie richtete sich in erster Linie g e g e n die Kirche als überlegenen feudalen Konkurrenten. DUVERNOYS Aufsatz ist der einzige zur sozialen L a g e des Kleinadels i m U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m u n d a u f g r u n d der Quellen P, C und T, er bleibt dabei allerdings i m wesentlichen auf einer beschreibenden Ebene. Eine diesem T h e m a g e w i d m e t e durchgreifende U n t e r s u c h u n g w ä r e dringend erforderlich. 5 5 8 So auch schon BORST, Katharer, S. 138. Wenn er allerdings dann meint, der Katharismus erweise zu B e g i n n des 14. J a h r h u n d e r t s seine sinkende B e d e u t u n g dadurch, daß er »in die sozialen Winkel gedrängt« w e r d e , so kann er auf diese Weise nicht erklären, w i e es zu der raschen Verbreitung der Organisation des Auterii k o m m e n konnte und w i e s o nur ein energisches Durchgreifen der Inquisition dieser B e w e g u n g , die i m m e r h i n in der quantitativ stärksten Klasse der B e v ö l k e r u n g , der Bauernschaft, a m meisten verbreitet w a r , Einhalt gebieten k o n n te. Seine Sozialanalyse des südfranzösischen Katharismus (»Die M a s s e der A n h ä n g e r w i r d v o m H a n d w e r k gestellt; das ganze T u c h g e w e r b e ist noch vertreten; M e t z g e r , Gastwirte u n d Gerber, Friseure, Arbeiter und Hirten, Dienstmägde, Wanderartisten und Dirnen sind die letzten Getreuen der katharischen >Vollendeten; und DERS., The Phenomenon of the Rabbi in Late Antiquity, Numen. International Review for the History of Religions, 16 561

562

( 1 9 6 9 ) , S. 1 - 2 0 . 17 ( 1 9 7 0 ) , S. 1 - 1 8 . Z u m H i n d u i s m u s v g l . z u l e t z t J . FINGER, G u r u s , A s h r a m s

und der Westen. Eine religionswissenschaftliche Untersuchung zur Internationalisierung des Hinduismus, Frankfurt - Bern - New York - Paris 1987 ). Der gegenseitige Vergleich mit entsprechenden Strukturen in anderen Religionen wäre hilfreich zur genaueren Beschreibung sowie zur typologischen Einordnung des perfectus in phänomenologischer Hinsicht. Eine vergleichende religionswissenschaftliche Studie über dieses Thema gibt es bisher nicht und kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden. Sie ist für die Geschichte des Katharismus im 14. Jahrhundert ein wichtiges Desiderat.

206

Petrus Auterii als Reorganisator

des

Katharismus

perfectas gebundener, durch keinerlei territorial-hierarchische »Kirche« vermittelter, aufgrund einer freien Übereinkunft zwischen perfectus und credens zustandegekommener Vertrag (die Inquisitionsquellen sprechen oft von der conventio als »pactus« 564 ), der zum Inhalt hatte, daß der credens auf dem Totenbett das consolamentum zu erhalten, das heißt: perfectus zu werden wünschte. Der perfectus seinerseits hatte seine Qualität als Heilsmittler aufgrund seiner Verbindung zum Jenseits (seiner exklusiven Fähigkeit, die Seele in ihre ursprüngliche Heimat zurückgeleiten zu können), die er wiederum auf der Basis seiner Zugehörigkeit zu einer ununterbrochenen Traditionskette (»successio / vita apostolica«), vermittelt durch eine Ordination (»receptio«), besaß und die als magische Kraft (»bonum«) in ihm inkarniert war, die er seinerseits seinen »Schülern« und Vertragspartnern im consolamentum weitergab, also aufgrund einer charismatischen legitimierten Funktion, die traditional weitergegeben werden konnte, um es in der Terminologie der Herrschaftssoziologie M a x Webers zu sagen. 5 6 5 Ausdruck der dualen Organisationsstrukur war neben dem perfectus als der einen Seite dieser Religion das sich rasch entwickelnde Hospizsystem, das, wie wir sahen, seine Fähigkeit zur Expansion der Nutzung der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Hospizdomus verdankte. Dieser familiaristische 566 Ansatz des Hospizsystems findet sich auch in der entsprechenden Organisationsterminologie wieder. So kann gesagt werden, die credentes seien Freunde der perfecti, ja gehörten geradezu zur Familie des perfectus, zu »ihren Freunden, Parteigängern und Vertrauten« 567 . 564 565

S . u . Kapitel 5.2 und 5.4. MAX WEBER, Soziologische Grundbegriffe, 6. durchgesehene Auflage, Tübingen 1984,

§§ 5 - 7 (S. 5 4 - 6 4 ) . 5 6 6 In diesem Zusammenhang soll angemerkt werden, daß der B e g r i f f des Familiarismus als konstitutives Merkmal für die Organisationsstruktur des Katharismus im Untersuchungszeitraum deshalb besonders geeignet ist, weil er nach zeitgenössischem Sprachgebrauch die Grenzen der Blutverwandtschaftsfamilie überschreitet. Als Familiar (»familiaris«) wird in den Quellen auch eine Person bezeichnet, die einem höhergestellten zu einem bestimmten Dienst verpflichtet ist, z . B . Arnaldus Cicredi als Agent des Bischofs Jacques Fournier. Sein genauer Auftrag ist in P II, 20 überliefert und lautete, er solle Guillelmus Belibasta, der sich zu dieser Zeit in Katalonien aufhielt, »pia fraude« in die Diözese Pamiers locken, damit er dort festgenommen werden könne. Für diesen Auftrag wurde Cicredi vom B i s c h o f auch finanziell ausgestattet. Die Bezeichnung »familiaris« wird auf ihn in P II, 21 angewandt. Vgl. im allgemeinen zu B e g r i f f und Tätigkeit der Famiiiaren, die in der Geschichte der Inquisition die Rolle der bewaffneten Macht der Bischöfe oder Inquisitoren spielten (und nicht selten auch mißbrauchten) CH. H. LEA, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Bd. 1, S. 4 2 6 - 4 2 9 . Wenn die credentes sich selber als familiares der perfecti oder ihrer familiaritas zugehörig bezeichneten, geschah dies also vielleicht auch im bewußten Gegenzug gegen diesen Sprachgebrauch der Inquisition. Die credentia eines perfectus ist nicht nur seine »Gemeinde«, sondern seine Gefolgschaft. Erinnert man sich an die Ermordung des Beginen aus Pamiers, der Auterii hatte fangen wollen, durch zwei credentes, zeigt sich, daß dies durchaus auch, wie auch auf der Gegenseite, der familiaritas des Bischofs, gewaltsame Züge annehmen konnte. 5 6 7 » . . . amici, familiares et secretarii eorum« (C, 150). Vgl. die Formulierung für das Hospiz den Balle in A x : »quod ipsi heretici habebant maiorem frequentationem et converssationem

Zusammenfassung

207

Das Verhältnis zu den perfecti, und zwar zu ihnen als konkreten Personen, nicht etwa als Amtsträgern innerhalb eines bestimmten Gebietes, ist Kriterium der Erlösungsfähigkeit eines credens durch das consolamentum: »Die perfecti P e t r u s u n d G u i l l e l m u s A u t e r i i seien ins L a n d z u r ü c k g e k e h r t . Sie seien >gute Menschen< u n d >gute Leute< u n d hielten sich an d e n g u t e n G l a u b e n , u n d d u r c h sie u n d ihren G l a u b e n k ö n n e der M e n s c h z u m Heil g e l a n g e n , w o d u r c h sie G u i l l e l m u s zu Liebe u n d e n g e m U m g a n g m i t d e n perfecti b e w e g e n w o l l t e . . . « 5 6 8

Diese Beziehung zum perfectus wurde für den credens in der conventio aufgrund eines freien Willensaktes des credens konstituiert 569 , im melioramentum immer wieder bestätigt und gelangte schließlich im consolamentum zu ihrem Ziel (für das die bewußte Zustimmung als letzte Bestätigung der freien Entscheidung für den perfectus und die von ihm repräsentierte Möglichkeit der Erlösung notwendige Voraussetzung war), der Erlösung des credens, der seinerseits zunächst und vor allem als Ritus zur Bearbeitung der Probleme der bäuerlichen domus, gerade auch ihrer Familienprobleme, zu interpretieren ist 570 . Am deutlichsten wird dieser Punkt, wenn man sich anschaut, wie der katharische Kirchenbegriff, der Begriff der ecclesia, den man der römischen Kirche nicht unbestritten lassen wollte, bei Petrus Auterii inhaltlich gefüllt wird. Die Kirche ist keine Institution, keine Hierarchie, kein Amt, sondern existiert nur personal durch und in den perfecti: » . . . es g e b e keine K i r c h e a u ß e r der seinen. D i e r ö m i s c h e K i r c h e sei w e r t l o s u n d sie allein seien die K i r c h e G o t t e s u n d h ä t t e n V o l l m a c h t , Seelen zu retten . . . « 5 7 1

Nach alledem wird deswegen hier die These vertreten: das Hospizsystem der katharischen Reorganisationsphase zur Zeit des Petrus Auterii ist als organisatorische Seite der ideologischen Antwort der Katharer auf die zeitgenössischen sozialen Probleme der Domusfamilie zu verstehen. (sie) habitandi inter alios credentes et maiorem amiciciam et familiaritatem cum eis in domibus v i d e l i c e t . . . apud Ax in d o m o Sibile den Balle« (C, 342). Ähnlich » . . . dixit quod . . . Mateldis uxor sua nunc deffuneta dixit sibi pluries et rogavit eum quod haberet familiaritatem et noticiam Petri et Guillelmi etJacobi Auterii hereticorum« (C, 164). 568 C, 234. Der Z u s a m m e n h a n g zwischen familiaristischer Terminologie und Hospizsystem findet sich explizit in C, 150, w o ein credens verspricht »quod . . . erat amicus, secretarius et familiaris e o r u m (seil, der perfecti) et reeeptabat et tenebat eos secrete in d o m o sua«. 569 » . . . fuit in illa credencia, ut dixit, ab illo tempore citra quo fecit conventionem predictam dictis hereticis (seil. Petrus und Guillelmus Auterii)«, C, 216, vgl. auch C, 262 u. ö. Z w a r galt die in der conventio eingegangene und vor allem im melioramentum bestätigte Beziehung i m m e r nur für einen perfectus und einen credens, faktisch aber standen sich perfecti und credentes als Kollektive gegenüber, da zur N o t , was aber durchaus oft v o r k a m , irgendein perfectus für ein consolamentum geholt wurde, nicht notwendigerweise derjenige, mit d e m der conventio-Pakt geschlossen worden war; vgl. dazu oben, Abschnitt 4.4. 570 v g l . hierzu ausführlich unten, Abschnitt 5.6.1. 571 C, 220. Vgl.: »ipsi soli tenent, ut dicebant, viam Dei et n o n menciunt et sunt sine peccato, sunt ecclesia Dei et habent potestatem absolvendi et salvandi animas et nullus nisi transeat per manus suas poterat venire ad salvationem . . . « (C, 228).

208

Petrus Auterii als Reorganisator des Katharismus

Diese entwickelten sich vor allem im Gefolge der gerade auch mit kirchlicher Unterstützung geförderten Geldwirtschaft im Untersuchungsgebiet, der die allein auf Subsistenzwirtschaft orientierte domus nicht standhalten konnte 5 7 2 , es sei denn, sie lockerte den Familienverband und entließ einzelne Familienmitglieder in die außerhalb der domus gelegene ökonomische Sphäre, damit die dort für sich und die ganze Familie Bargeld verdienten, was aber dann schon einem erheblichen Wandel der bisherigen domus-Struktur entsprach. Nicht minder problematisch war es, wenn die domus sich nicht auf den notwendigen sozialen Wandel einlassen wollte oder konnte, da ihr dann auf Dauer jegliche ö k o n o m i sche Perspektive fehlte. Es stand also in jeder Hinsicht eine Krise bevor: entweder die der partiellen Auflösung des domus-Familienverbands oder aber der drohende Ruin. Wandel oder Untergang der subsistenzwirtschaftlichen domus hieß die zwingende Alternative 5 7 3 , in der die Familien der traditionellen domus die römische Kirche zu Recht als Gegner erlebte. Denn allein schon durch die Forderung des Zehnts wirkte die römische Kirche dahin, die auf Autarkie und Naturaltausch basierende Wirtschaft der domus zu zersetzen 5 7 4 . M. Benad analysiert zum Beweis dieser These eingehend die Auswirkungen, die der Zehntvertag von Pamiers aus dem Jahre 1311 für das Hochland der Grafschaft Foix hatte, durch den die Kirche objektiv zur Auflösung der subsistenzwirtschaftlichen domus beitrug 5 7 5 . Kirchliche Feudale, besonders Abteien, waren so aufgrund ihrer im Vergleich zu Landfeudalen überlegenen Fähigkeit, Bargeld zur Verfügung stellen zu können, im 14. J a h r hundert in F o r m von pareage-Beteiligungen häufig Geldgeber für ihre pareage572 Verschärfend wirkte vermutlich die ungünstige Entwicklung des Klimas im Süden Frankreichs, die ab 1300 mit einer durchschnittlichen Abkühlung die Bedingungen für die Getreideproduktion verschlechterte, Ernten verfaulen oder erfrieren ließ, Brücken und Mühlen durch Eisgang zerstörte und so nach einer über ein Jahrhundert währenden Blütezeit mit starker Bevölkerungsvermehrung zu Hunger, Auftreten von Epidemien und Bevölkerungsrückgang führte (J. FAVIER, Frankreich im Hoch- und Spätmittelalter, aaO., S. 297-301); vgl. hierzu auch J. DUVERNOY, La nourriture en Languedoc a l'époque cathare, in: 24. Congres d'études régionales de la fédération des sociétés académiques et savantes, de Languedoc - Pyrénées - Gascogne, Carcassonne 1970, S. 235-241. 5 7 3 Für die (ökonomisch im Vergleich zum Tiefland noch relativ rückständigen) Dörfer des Alion gilt folgende Beschreibung: »Um das Jahr 1300 waren Geldverkehr und Warenaustausch soweit in die eigenbedarfsorientierte Wirtschaft der domus des Dorfes Montaillou eingedrungen, daß ohne Besitz von Geld der ökonomische und soziale Abstieg unvermeidlich war und die Existenzgrundlage auf Dauer nicht mehr selbstständig gesichert werden konnte. Wichtiges Indiz für diese Entwicklung ist die Tatsache, daß die Getreideproduktion des Hochlandes zur Versorgung der einheimischen Bevölkerung nicht ausreichte. Die vorhandene Nahrungsmittelproduktion war zudem latent in Frage gestellt. Ergänzungskäufe im Tiefland bzw. auf den Märkten des Ariègetales waren an der Tagesordnung.« (BENAD, Domus und Religion in Montaillou, S. 257). 5 7 4 »Durch ihr Abgabewesen . . . förderte sie die Ausbreitung der Geldwirtschaft und zwang ihrerseits die Bevölkerung des Hochlandes, in verstärktem Maß ökonomische Bindungen außerhalb der domus und des Dorfes einzugehen.« (M. BENAD, Domus und Religion in Montaillou, aaO.). 5 7 5 M. BENAD, aaO., S. 299-314.

Zusammenfassung

209

Partner, Landfeudale, die in die gemeinsame Assoziation Land oder Gerichtsrechte einbrachten 576 . Die aufgrund dieser Konstellation innerhalb der domus entstehenden sozialpsychologischen Probleme müssen erheblich gewesen sein, zumal die Kirche als Gegnerin auch über ihren Parochialapparat wirkte, der für die Lösung der anstehenden allgemeinen politischen und ökonomischen, vor allem aber auch damit einhergehenden individuellen seelsorgerlichen Probleme für viele Betroffene nicht in Frage kam. Der Katharismus des 14. Jahrhunderts thematisierte genau diese Problemkonstellation, indem er die als feindlich erlebte Welt für die domus-Bauern als Teufelsschöpfung deutete und ihnen zugleich eine existentiell erlebbare und rituell verankerbare Möglichkeit gab, in dieser Welt zu existieren: als credentes, die von den entlarvten kirchlichen und weltlichen Gesetzen weitgehend frei leben durften, weil innerhalb der Welt gerechtes Handeln eine Unmöglichkeit war, und denen zugleich mit dem vor dem Tod gegebenen consolamentum die endgültige Erlösung von dieser Welt versprochen wurde. Der Katharismus in der von Petrus Auterii zu Beginn des 14. Jahrhunderts reorganisierten Form ist die Religion der sich in einer krisenhaften Lage befindenden subsistenzwirtschaftlichen domus, genauer: derjenigen domus, die sich gegen eine sich abzeichnende Alternative - Wandel oder drohender Untergang - stemmten, ohne eine positive eigene ökonomische und gesellschaftliche Alternative bieten zu können. Gerade weil der Katharismus bewußt aufjegliches positive Weltgestaltungskonzept verzichtete und zugleich die vorfindliche, bei Anpassungsverweigerung in der Tat ausweglose Realität als vom Teufel bewirkt charakterisierte, bot er sich damit auch unterschiedlichen sozialen Gruppen an, die außer ihrer negativen Position zu den sich anbahnenden gesellschaftlichen Prozessen wenig gemeinsam hatten. Hier liegt neben der zum Teil zu registrierenden verwandtschaftlichen Verschmelzung der unterschiedlichen Trägergruppen des Hospizsystems die tiefere Erklärung für das Erscheinen von Kleinadel, Bauern, Kleinstadthandwerkern und Notaren in der Gefolgschaft der perfecti um Petrus Auterii 577 , also praktisch aller gesellschaftlicher Sektoren unter Ausschluß der feudalen Kirche 578 . 576 Vgl. J. FAVIER, Frankreich im H o c h - und Spätmittelalter, in: H . KELLENBENZ (Hrsg.), Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, Europäische Wirtschafte- und Sozialgeschiche im Mittelalter, unter Mitarbeit v o n W. ABEL U. a., hrsg. von J. A. VAN HOUTTE, S t u t t g a r t 1980, S. 324.

577 Vgl. E. WEBER, Vergleich der Grundstrukturen der Ketzerei der Brüder und Schwestern v o m Freien Geist und der Kirche der Katharer, in: DERS. (Hrsg.), Christentum zwischen Volkskirche und Ketzerei (Studia Irenica, hrsg. A. H . SWINNE, F r a n k f u r t / M . , Bd. 28), S. 31-34. 578 Daß selbst der Graf v o n Foix (wenn auch nicht m e h r als Graf, sondern als »Privatperson«) zu dieser Gruppe gehörte, indem er sich vor seinem Tod heimlich das consolamentum geben ließ, w u r d e bereits erwähnt. Somit umfasste die Gefolgschaft des Petrus Auterii tatsächlich Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen - nur nicht die Exponenten der feudalen Großkirche und der Macht des französischen Königs. Petrus Auterii vertrat eine Ideologie, die sich

210

Petrus Auterii als Reorganisator des

Katharismus

Zugleich ist zu bemerken, daß, wie die verglichen mit der Zeit bis ca. 1250 niedrigere Dichte der katharischen Durchdringung des Untersuchungsgebiets sowie die nun aus den oben dargestellten Gründen fehlende offene Unterstützung der großen weltlichen Feudalen für die Katharer zeigt, der antifeudalkirchliche Negativkonsens zwar weiterhin existierte, aber, wie gezeigt, sich abgeschwächt und seinen sozialen Schwerpunkt verlagert hatte. Damit konnte Petrus Auterii nicht für sich in Anspruch nehmen, für eine zwar in sich heterogene und politisch letztlich wohl perspektivlose, in ihrer Ablehnung gegen die Macht der Kirche und der mit ihr koalierenden weltlichen Herren aber dennoch existierende gesellschaftliche Mehrheit zu sprechen, wie dies für den Katharismus des 12. und 13. Jahrhunderts der Fall war. Das Hospizsystem des Petrus Auterii ist also die organisatorische Form der religiösen Weltdeutung für die ökonomisch in die Krise und sozial in die Defensive geratene subsistenzwirtschaftliche domus und ihre gesellschaftlichen Verbündeten auf der Basis einer ihnen gemeinsamen Ablehnung der ökonomischen und politischen Macht der feudalen Kirche, insbesondere der Inquisition, und ihrer wichtigsten Bündnispartner, des Königs von Frankreich und des Grafen von Foix.

(vergeblich) einer Weiterentwicklung des Feudalismus, w i e sie v o n K ö n i g , Kirche u n d (schließlich auch) G r a f vertreten wurde, widersetzte.

5. Die Ritualpraxis des Petrus Auterii und seiner credentes In den beiden folgenden Schritten dieser Untersuchung werden nach der vorangegangenen Schilderung der äußeren Form des von Petrus Auterii reorganisierten Katharismus die beiden wesentlichen inneren und ideellen Erscheinungen dieser Religion Gegenstand sein: die rituellen Beziehungsformen zwischen perfectus und credentes sowie der katharischen Lehre. Dabei werden in diesem Kapitel zunächst die katharischen Riten nach den in den Quellen erscheinenden Berichten über die Ritualpraxis des Petrus Auterii geschildert, so daß die Darstellung im Rahmen des biographischen Ansatzes bleibt. Insgesamt zeigt sich, daß die Riten, die Petrus Auterii durchführte, der Festigung der aufgrund der mobilen Organisation des von ihm reorganisierten Katharismus immer latent in Frage gestellten persönlichen Beziehung zwischen perfecti und credentes dienten, wie z.B. der Ritus des Brotbrechens (panis benedictus) beweist. Im Zentrum stand dabei eindeutig das consolamentum als Ritus mit der wichtigsten Funktion, auf die alle anderen Riten hingeordnet waren. Die Reihenfolge der Darstellung orientiert sich an der idealtypischen Reihenfolge, die die Beziehungsform perfectus - credens durchlief: vom sinnlich wahrnehmbaren Kontakt mit dem perfectus (»visio«) über die conventio (convenenza), also die Vereinbarung zwischen einem credens und einem perfectus, vor dem Tod des credens diesem das consolamentum zu geben, über das melioramentum, die rituelle Verehrung des perfectus und zugleich Bestätigung und Bekräftigung der in der conventio getroffenen Vereinbarung mit dem Ziel der Absicherung des consolamentum auch im Falle von Bewußtlosigkeit oder Sprachunfähigkeit des credens, bis hin zum consolamentum, dem Sterberitus der credentes, nach dessen Erhalt der credens in dem Bewußtsein sterben konnte, seine Seele werde nach dem Tod von der Anhaftung an diese Welt frei, also nicht reinkarniert 1 . Es schließt sich dann die mit dem consolamentum im wesentlichen bedeutungsgleiche receptio an, das Initiationsritual zum perfectus. 1 Es wurde bereits oben, Abschnitt 4.4, am Beispiel eines von Petrus Auterii für eine bewußtlos Sterbende verweigerten consolamentum darauf hingewiesen, daß nicht nur diese Reihenfolge, sondern auch die auf der persönlichen Beziehung perfectus — credens beruhende Organisation des Katharismus zur Zeit des Petrus Auterii idealtypisch ist und in der Praxis häufig genug perfecti für ihre Mitperfecti einsprangen, wenn derjenige, mit dem die conventio abgeschlossen worden war, nicht zur Stelle sein konnte. Dies ist im folgenden immer zu berücksichtigen.

212

Die Ritualpraxis 5.1

des Petrus Auterii und seiner credentes

»apparelhamentum«

und

»visio«

I m K a t h a r i s m u s d e r Z e i t s e i n e r h i e r a r c h i s c h - k i r c h l i c h e n E n t w i c k l u n g g a b es den Ritus des » a p p a r e l h a m e n t u m « , der i m katharischen Rituale v o n L y o n unter d e m B e g r i f f d e s » s e r v i s « , b e i R . S a c c o n i als » s e r v i t i u m « e r s c h e i n t 2 .

Hierbei

h a n d e l t e es s i c h u m d a s E r s c h e i n e n e i n e s p e r f e c t u s v o r e i n e m V e r t r e t e r

der

k a t h a r i s c h e n H i e r a r c h i e , z. B . e i n e m d i a c o n u s , u m ü b e r v o r g e k o m m e n e V e r s t ö ß e g e g e n die asketischen L e b e n s r e g e l n B e i c h t e a b z u l e g e n u n d eine e n t s p r e c h e n de B u ß a n o r d n u n g zu e m p f a n g e n 3 . D i e s e r Ritus w a r , w i e s c h o n die beteiligten Personen zeigen (perfectus - ancianus - diaconus) ganz der hierarchischen E n t w i c k l u n g des K a t h a r i s m u s v o r 1 2 7 5 a n g e h ö r i g und erscheint folgerichtig und c h a r a k t e r i s t i s c h e r w e i s e in d e n h i e r u n t e r s u c h t e n Q u e l l e n k e i n e i n z i g e s M a l 4 . A n e i n e r Stelle, a n d e r m a n d i e s e n T e r m i n u s u n b e d i n g t e r w a r t e n s o l l t e , i m F a l l d e s v o n P e t r u s A u t e r i i in d i e L o m b a r d e i g e s c h i c k t e n A m e l i u s d e P e r l i s , t a u c h t e r n i c h t auf, s o n d e r n w i r d v o m B e g r i f f d e r » r e c o n c i l i a t i o « e r s e t z t 5 . D i e » v i s i o « g e h ö r t n i c h t z u d e n k a t h a r i s c h e n R i t e n in d e m S i n n , d a ß sie v o n d e n p e r f e c t i s e l b e r als s o l c h e r b e z e i c h n e t w o r d e n w ä r e . D e r B e g r i f f t a u c h t d e n n a u c h n i c h t als r i t u e l l e r t e r m i n u s t e c h n i c u s auf, e r s c h e i n t a b e r h ä u f i g in d e n F r a g e n d e r v e r s c h i e d e n e n I n q u i s i t o r e n s o w i e als R a n d b e m e r k u n g in d e n I n q u i s i tionsakten, v e r m u t l i c h z u r besseren O r i e n t i e r u n g für eine spätere L e k t ü r e der Aussage durch den Inquisitor6. 2 DUVERNOY, Religion, S. 203. D e r provenzalische Text des »apparelhamentum« in L. CLEDAT, Le Nouveau Testament traduit au XHIe siècle en langue provençale, suivi D ' u n rituel cathare, Paris 1887 (Neudruck G e n f 1968), S. 4 7 1 - 4 7 3 , zit. auch bei DUVERNOY, aaO. 3 Im apparelhamentum »les parfaits d'une communauté font acte de soumission à un visiteur de la hiérarchie, un diacre en principe - s'accusent globalement (par l'intermédiaire de l'un d'eux, normalement T'ancien'), d'avoir manqué de façon vénielle à l'observation de la règle, et demandent qu'il leur soit imposé des pénitences.« (DUVERNOY, Religion, S. 203), vgl. M . D . LAMBERT, Ketzerei im Mittelalter. Häresien von Bogumil bis Hus, München 1981, S. 167. ST. RUNCIMAN verweist auf formale und inhaltliche Parallelen des apparelhamentum mit dem altkirchlichen Bußakt, der confessio generalis, vgl. T h e médiéval manichee, Cambridge 1947, Neudruck 1955, S. 163 ff. Entsprechende Ähnlichkeiten lassen sich auch für das consolamentum zeigen, vgl. unten »consolamentum«. 4 Dies stellt schon DUVERNOY, Histoire, S. 326 fest. Da er wie hier so an keiner Stelle den qualitativen Unterschied der Reorganisationsphase des Katharismus von der vorherigen Phase thematisiert, begründet er die erstaunliche Tatsache, daß ein ganzer Ritus des Katharismus plötzlich nicht mehr erscheint, damit, daß Petrus Auterii nicht die rituelle Autorität eines diaconus bekommen habe und erläutert dies durch den bereits erwähnten Fall, in dem er Amelius de Perlis zwecks B u ß e wegen eines Verstoßes gegen die vita apostolica in die L o m b a r dei geschickt habe. A u f diese Weise harmonisiert er die unterschiedliche rituelle Praxis des Katharismus der Zeit vor und nach 1300. 5 » . . . fuit ordinatum quod Amelius (gemeint ist der perfectus Amelius de Perlis) hereticus cum Martino Francisci iret in Lombardiam ad Bernardum Audoyni hereticum Ancianum, ut reconsiliaret dictum Amelium qui peccaverat in secta . . . « , T, 68. 6 Darauf verweist auch A. PALES-GOBILLARD in der Einleitung ihrer Edition von C, S. 65: »Les inquisiteurs ont souligné dans les notes marginales du manuscrit l'existence de ces rites«. Allerdings erscheint hier, wie gesagt, auch die Bemerkung »visio«, ohne daß damit auf einen förmlichen Ritus verwiesen sein soll. Es erscheinen auch noch andere, eindeutig nicht auf Riten

»apparelhamentum«

und

»visio«

213

Doch handelt es sich zwar vielleicht bei dem Begriff, nicht aber der Sache nach bei der »visio« nur um einen inquisitorischen Terminus. Die damit gemeinte Sache kam im realen Leben der perfecti und credentes der Reorganisationsphase an zentraler Stelle vor. Die Frage der Inquisitoren, ob ein Angeklagter einen perfectus »gesehen« habe, legt nahe, daß hierunter jegliche sinnlich-konkrete Wahrnehmung eines perfectus durch einen credens subsumiert wurde. Schon diese allein war strafwürdig, wußte man doch, wie auch aus den Quellen zu belegen ist, daß schon kurzzeitige Kontakte eine langandauernde Bindung von credentes an perfecti auslösen konnten. Diese sich aus den Inquisitionsmarginalien der Quellen nahelegende Vermutung wird nun bestätigt durch das zeitgenössische Handbuch der Inquisitionstätigkeit aus der Feder des Bernardus Guidonis, des Inquisitors von Toulouse im Zeitraum von 1307 bis 1323, welches dieser unter dem Titel »Practica Inquisitionis heretice pravitatis« 7 zu Beginn der zwanziger Jahre des 14. Jahrhunderts veröffentlicht hatte 8 , wobei er aus langjähriger Erfahrung in seinem Amt schöpfen konnte. Der fünfte und letzte Teil dieses Werkes trägt den Titel »De modo, arte et ingenio inquirendi et examinandi hereticos, credentes et complices eorumdem«. Aus diesem Abschnitt geht hervor, daß die erste Frage, die man als Inquisitor einem credens stellen soll, dahin zu gehen hat, ob der Angeklagte bzw. Zeuge jemals perfecti »gesehen« hat. Daran knüpfen dann alle weitergehenden und spezifischeren Fragen in aufsteigender Stufenleiter an 9 . Für Bernardus Guidonis war also klar, daß die »visio« eines perfectus die Voraussetzung für eine Existenz als credens war 1 0 . Zugleich werden in der zitierten Passage die Riten als Knotenpunkte dieser Existenz in der katharischen credentia benannt und abgefragt. Damit legt es sich nahe , »visio« als Sammelbegriff für jede Form von Kontakt mit den perfecti zu verstehen, vor allem wohl für die Erstbegegnung. Dies kann aber noch präzisiert und vertieft werden. Wir wissen aus den Quellen, daß gerade diese Erstbegegnung oft zu einem geradezu durchschlagenden Ereignis für den credens wurde, so daß er sich ab diesem Moment tatsächlich als credens verstand, wodurch sich sein Leben grundlegend veränderte. Es handelte sich sozusagen um ein Bekehrungserlebnis. Zwei besonders deutliche Beispiele mögen das illustrieren: bezogene Hinweise am Rand der Akte. »Visio« erscheint als solche Marginalbemerkung z. B. in C, 134. 140. 142. 144 147öfter, häufig zusammen mit der Bemerkung »receptio«. 7 Practica Inquisitionis heretice pravitatis, auctore Bernardo Guidonis OFP, ed. C. DOUAIS, Paris 1886 (nicht zugänglich). Der fünfte und letzte Teil des Werkes ist neu herausgegeben worden unter dem Titel BERNARD GUI, Manuel de l'Inquisiteur, édité et traduit par G. MOLLAT avec la collaboration de G. DRIOUX, Paris, 2. Auflage, 1965 (Les classiques de l'histoire de France au moyen âge, publié sous la direction de Louis HALPHEN, Bd. 8). 8

Z u d e n E i n l e i t u n g s f r a g e n d e s W e r k e s v g l . d i e A u s g a b e v o n MOLLAT, S. V - L X V I I , s p e z i e l l

zur Datierung S. XI - XV. 9 AaO., S. 28-32. Der Wortlaut des Textes findet sich im Quellenanhang. 10 Hierbei ist übrigens bemerkenswert, wie genau die zweite und dritte zu stellende Frage das Hospizsystem mit »familiaritas« als wesentlichem Begriff widerspiegeln; vgl. hierzu Kapitel 4.

214

Die Ritualpraxis des Petrus Auterii und seiner credentes

1. Petrus de Galhaco aus Tarascon reagiert auf die Erstbegegnung mit Petrus Auterii, nachdem ihm dieser kurz erklärt hatte, was es mit seiner Lehre und Lebensweise auf sich habe, folgendermaßen: »Darauf antwortete ich ihnen nichts, sondern ging, nachdem ich gegessen hatte, völlig in mich versunken, verwundert und verschreckt (»totus intra me attonicus et stupefactus et timidus«) von ihnen f o r t . . . « 1 1

Petrus de Galhaco wird wenig später credens. 2. Umgekehrt wissen wir von Graf Roger-Bernard III. von Foix, daß er sich weigerte, die perfecti zu treffen. Habe man erst einmal Kontakt mit ihnen, so argumentierte er, komme man von ihnen nicht wieder los: »Ebenso sagte er 1 2 , nachdem er sich genauer erinnerte, er habe in Tarascon vor ungefähr zwanzig Jahren, genauer konnte er sich an Ort und Zeit nicht erinnern, Guillelmus Bayardi sagen hören, er selber habe einmal den Herrn Grafen Roger-Bernard gefragt, ob er nicht gerne einmal die perfecti sehen und mit ihnen sprechen wolle, um zu wissen, was sie sagten und woran sie sich hielten. Daraufhabe der Herr Graf geantwortet, daß er das nicht tue, denn wenn man sie nur einmal sehe oder höre, pflanzten einem diese perfecti solche >sofisma< ins Herz, daß man nie mehr davon loskomme (»quia si forte eos videret et audiret, dicti heretici tale sofisma ponerent in corde eius quod nunquam postea egrederetur«)« 1 3 .

»Visio« ist also mehr als nur ein relativ unspezifischer Begriff für allgemeinen Kontakt mit dem perfectus überhaupt. Es handelte sich dabei zugleich immer um eine intensive emotionale und geistige Begegnung, die geeignet sein konnte, lebensverändernd zu wirken. Dies paßt gut zu der Bedeutung, die die persönliche Beziehung zwischen perfectus und credens als konstituierendes organisatorisches und soziales Merkmal im Katharismus der Reorganisationsphase hatte, wie oben bereits angedeutet wurde und wie im folgenden für die einzelnen Riten zu zeigen sein wird. Die visio im Sinne einer so wirkenden Begegnung stellte offenbar in diesem besonderen Sinne Kontakt her, wobei die Geschwindigkeit und Tiefe der durch diesen Kontakt ausgelösten Veränderung auf die bereits angesprochene, weit verbreitete latente Sympathie mit dem Katharismus als Welt- und Lebensdeutung hinweist. Hierzu ist außerdem noch anzumerken, daß das Sehen als eine besondere Form sinnlicher Wahrnehmung auch in der katholischen Umwelt von hoher Bedeutung war. Die katharische Sakramentskritik richtet sich nicht zufällig immer wieder gegen das Altarsakrament, in dessen Mittelpunkt für die Gemeinde vor dem Essen zunächst die Elevation und somit das Sehen der Hostie stand. Erwies die katharische Polemik gegen die Eucharistie die Hostie als »purus panis«, so war der zunächst durch die Augen geschehenden Kommunion der Boden entzogen (wie natürlich dann der zweiten Stufe, dem Essen des Leibes Christi). 11 12 13

C, 334. Die Zeugenaussage stammt von Arnaldus de Vedelhaco und bezieht sich auf das Jahr 1302. Pill, 61.

215

Exkurs 3

So gesehen handelt es sich sicher auch u m keinen Zufall, daß eine der Schriften, die wir als Propagandamittel in der Hand der perfecti kennen, ein Visionsbericht ist, die Visio Isaiae nämlich, freilich in einer vom heute bekannten Text dieser Apokryphe anscheinend abweichenden Version 14 . Die Frage, wie die Visio Isaiae am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts in die Hand südfranzösischer Katharer kam, und wie sie dazu kamen, gerade diese Schrift für ihre Anliegen zu verwenden, kann hier nicht erschöpfend behandelt werden. Die Pointe der katharischen U m b i l d u n g der antiken Visio soll jedoch Gegenstand des folgenden Exkurses sein 15 .

5.2 5.2.1

Exkurs 3: Die Visio Isaiae im Gebrauch südfranzösischer Inhalt, Form und Überlieferungsgeschichte

Katharer

der Visio Isaiae16

Die antike Apokryphe »Visio Isaiae« ist Teil eines heute als Ganzes nur mehr in äthiopischer Übersetzung erhaltenen Buches, der Ascensio Isaiae (Asjes), die ihrerseits aus zwei ungleichartigen Teilen zusammengesetzt ist:

14 Wissenschaftliche Textausgaben der Visio Isaiae: R. LAURENCE, Ascensio Isaiae Vatis, O x f o r d 1819; A. DILLMANN, Ascensio Isaiae aethiopice et latine, Leipzig 1877; R. H. CHARLES, T h e Acension of Isaiah, translated f r o m the Ethiopie Version, which, together with the N e w Greek Fragment, the Latin Versions and the Latin Translation f r o m the Slavonic is here published in füll, London 1900. Ferner gibt es eine deutsche Übersetzung von J. FLEMMING und H . DUENSING in: HENNECKE-SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen 1964, Bd. 2, 454-468 (mit A n m e r k u n g e n zu Textgeschichte, Ausgaben und modernen O b e r setzungen). Martjes erschien gesondert in deutscher Übersetzung von E. HAMMERSHAIMB in der Reihe Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit (mit Einleitung und weiterer Literatur): J S H R Z II/l, Gütersloh 1973. 15 R. NELLI hat sich in seinem Buch Le phénomène cathare, S. 101-128 mit dem T h e m a der Visio Isaiae unvollständig auseinandergesetzt: Er geht von einer französischen Übersetzung des äthiopischen Textes aus: Ascension d'Isaie, traduction de la version éthiopienne, avec les principales variantes des versions greque, latine et slave; introduction et notes par J. TISSERANT, Paris 1909 (NELLI, aaO., S. 103, A n m . 3; die Wiedergabe dieses Textes n i m m t den größten Teil seiner Darstellung ein). Er hat die Existenz der sogenannten »Griechischen Legende«, einer mittelalterlichen Version der Visio in der Bibliothèque Nationale Paris (Cod. 1534) offenbar übersehen, jedenfalls erwähnt er sie nicht, o b w o h l sie natürlich viel eher den südfranzösischen Katharern bekannt gewesen sein dürfte als der äthiopische Text. So fehlt bei NELLI auch jeder Versuch, nachzuweisen, daß es gerade die äthiopische oder eine ihr verwandte Version ist, die mit diesen in Verbindung zu bringen wäre (angesichts des viel jüngeren Alters der drei erhaltenen äthiopischen Versionen - sie stammen aus dem 15.-18. Jahrhundert - ist dies höchst unwahrscheinlich, s. u.). Ferner hat er den Gebrauch der Visio bei den Katharern des M.Jahrhunderts nicht untersucht - gerade dies aber ist interessant, weil sie, wie sich zeigen wird, einen für den insgesamt bei ihnen zu beobachtenden Prozeß der Verdrängung der Christologie durch die Perfectologie höchst bezeichnenden umbildenden Gebrauch von ihr machten. 16 Vgl. E. HAMMERSHAIMB, aaO., S. 17 f, sowie die Beiträge des Sammelbandes Isaia, il Diletto e la Chiesa. Visione ed esegesi profetica cristiano primitiva nell'Ascensione di Isaia (Istituto per le Scienze religiöse di Bologna. Testi e richerche di Scienze religiöse), Brescia 1983.

216

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

a) dem Martyrium Isaiae (Martjes) = Asjes 1 - 5 b) der Visio Isaiae (Visjes) = Asjes 6-11 Martjes ist wahrscheinlich eine christlich überarbeitete jüdische Prophetenlegende über den Tod des Jesaja zur Zeit Manasses. Sie ist ca. 70-100 n. Chr. entstanden, der ihr zugrundeliegende Stoff auch anderweitig vorausgesetzt (im babylonischen Talmud, Traktat Sanhedrin 103 b u n d j e b a m o t 49b, im Jerusalemer Talmud, Traktat Sanhedrin X,2), die Originalsprache könnte Hebräisch oder Aramäisch gewesen sein. Sie behandelt zunächst (1,1-3,12) Ermahnungen, die König Hiskia vor seinem Tod seinem Sohn Manasse in Anwesenheit Jesajas gibt, worauf Jesaja weissagt, Manasse werde sich an nichts halten, sich vielmehr Beliar zuwenden und schließlich ihn, Jesaja, zersägen lassen (vielleicht eine auch im Neuen Testament, Hebr 11,37 vorausgesetzte Tradition). Dies wird dadurch motiviert, daß Beliar Jesaja wegen seiner Jesusweissagung haßt (3,13-4,22), dabei handelt es sich also um einen christlichen Einschub. Mit Kap. 5, dem eigentlichen Martyriumbericht, schließt Martjes ab. Demgegenüber behandelt Visjes (also Asjes 6-11) eine in sich völlig eigenständige Vision des Propheten. Er wird in Begleitung eines angelus interpres durch sechs Himmel entrückt, bis er schließlich im siebenten Himmel die Trinität und alle Gerechten seit Adam sitzen sieht, und erlebt mit, wie Jesus (der »Geliebte«) den Befehl zum Abstieg aus dem Himmel und bis ins Totenreich erlebt. Es werden dann Jesu Abstieg, seine Geburt, sein Leben und seine Kreuzigung, Niederfahrt ins Totenreich und Auferstehung berichtet und dem Propheten wird streng verboten, über das alles außer Hiskia irgend jemandem zu berichten. 5.2.2

Zur

Textüberlieferung17

Für die Frage, wie eine apokryphe Schrift jüdischer Herkunft aus dem ersten Jahrhundert mittelalterlichen Häretikern in Südfrankreich bekannt sein konnte, bieten sich zwei Erklärungsansätze an, die mit der Geschichte der Textüberlieferung von Asjes zusammenhängen, die kurz wie folgt dargestellt werden kann (s.S. 217): Ferner existieren drei slavische Übersetzungen, die jeweils die Kapitel 6-11 beinhalten sowie Übersetzungen von Bruchstücken in koptischer Sprache (jeweils in achmimischem und sahidischem Dialekt).

17

V g l . E . HAMMERSHAIMB, a a O . , S. 1 9 - 2 1 .

Exkurs 3

217

Ü b e r s i c h t ü b e r die T e x t g e s c h i c h t e in D i a g r a m m f o r m : 018

Überlieferung in zwei Fassungen: Gj20

G,20

A-C22

L2 2 3

A

Als die den Katharern bekannte Textform kommen nun in Frage: a) die slavischen Übersetzungen. Diese Möglichkeit ist umso interessanter, als die katharische Kirche in ihrer Geschichte ja mit dem byzantinischen Raum Kontakt hatte (Niketas 1167). Es wäre durchaus möglich, daß sich eine solche Version in Übersetzung bei den Katharern befand. Wie sich unten zeigen wird, kannten diese Visjes nicht nur in mündlicher Überlieferung, sondern besaßen sie auch als Buch. b) eine der auf G1 zurückgehenden Fassungen. Diese Version muß, wie die vollständig überlieferten äthiopischen Versionen zeigen, den ganzen Text umfasst haben, also auch die Visio. Da eine lateinische Handschrift dieses Textes aus dem 12. Jahrhundert sich in Paris befindet, liegt es nahe, in dieser ein mögliches 18

Hebräisches oder aramäisches Original, verloren. Rekonstruierte griechische Übersetzung etwa aus dem 1. Jahrhundert, verloren, Spuren nachweisbar beim Verfasser des O p u s Imperfectum über M d B (5. Jhdt.) 20 Verloren, Auszüge in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, der sogenannten »griechischen Legende«, C o d . 1534 der Bibl. N a t . Paris, hrsg. v o n O. GEBHARDT, Z W T h 1878, 19

S. 3 3 0 - 3 5 3 . 21 Nachweisbar durch Fragment (Asjes 2,4-4,2), hrsg. GRENFELL/HUNT, T h e Amherst Papyri in the Collection of Lord A m h e r s t . . . Part I, T h e Ascension of Isaiah, London 1900. 22 Äthiopische Übersetzung aus dem 5. Jahrhundert in drei Fassungen (A, B und C), wobei A und B aus dem 15., C aus dem 18. Jahrhundert stammen, alle drei vollständiger Text, vgl.

d a z u DILLMANN a a O . 23 L2, (verlorene) Handschrift wahrscheinlich aus d e m 5. Jahrhundert, als Visio Isaiae gedruckt 1522 in Venedig, neu hrsg. als Vetus translatio latina Visionis Isaiae, Göttingisches Pfingstprogramm, Göttingen 1832 24 U m f a ß t Asjes. 2,14-3,13. 7,1-19 in einer Handschrift aus dem Vatikan, hrsg. A. MAI, Scriptorum Veterorum nova collectio e Vaticanis codicibus edita, R o m 1828III/2, S. 238-239.

218

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

Vorbild für die katharische Version der Visio Isaiae zu vermuten. Möglich wäre auch L 2 , die ja gerade nur die Visio enthält, dagegen fällt L 1 aus dem umgekehrten Grund weg. U m welche der drei Möglichkeiten es sich am wahrscheinlichsten handelt, muß erst eine eingehende Überprüfung dieser Texte zeigen, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. 5.2.3

Die umbildende

Verwendung

der Visio Isaiae durch die

Quellen für die Verwendung der Visio Isaiae durch die 5.2.3.1 des Untersuchungszeitraums

Katharer Katharer

a) Der vor der Inquisition Carcassonne im Jahre 1308 angeklagte Adlige Atho de Castro aus Rabat-les-Trois-Seigneurs sagt aus, er habe seinen ersten Kontakt zu perfecti im Jahre 1301 gehabt. Damals sei er im Haus des Arnaldus Issaura in Larnat den drei perfecti Petrus, Guillelmus und Jacobus Auterii begegnet: »... sie saßen dort, und dann begann einer dieser Häretiker in einem Buch die Visio des Jesaja zu lesen. U n d nachdem sie dort gewesen waren und er eine Zeitlang gelesen hatte, hörte er damit a u f . . . « 2 5

b) Dieselbe Begebenheit wird von einem Zeugen, dem ebenfalls Adligen Philippus de Larnato aus Larnat berichtet, der bei dem oben genannten Treffen dabei war und den Kontakt des Atho de Castro zu den Katharern hergestellt hatte: »Befragt, was sie dort taten und ob sie Predigten gehört hätten, sagte er, einer der genannten perfecti habe ein Buch in der Hand gehalten und darin gelesen. Befragt, was er gelesen habe, sagte er, er habe von einer Vision gesprochen, ansonsten könne er sich an nichts erinnern . . . « 2 6

c) In der Oktober 1321 vor der bischöflichen Inquisition Pamiers entstandenen Aussage des Inquisitionsagenten Arnaldus Cicredi aus Ax schildert dieser, wie Guillelmus Belibasta etwa 1320 einer Gruppe von Katharern, die sich nach Aragon ins Exil geflüchtet haben, eine Predigt hält. Dort heißt es: »Es war einmal ein Mann aus ihrer secta, der habe gezweifelt, ob er den rechten Glauben hielte, und da habe er den himmlischen Vater gebeten, daß er ihm seinen Glanz (gloria) zeige. Eines Tages, als er so betete, erschien ihm ein Engel, der sagte ihm, er sei gekommen, um ihm den Glanz des Heiligen Vaters zu zeigen und daß er den richtigen Glauben und Weg hielte. U n d er ließ diesen Mann auf seine Schultern steigen, trug ihn zum ersten Himmel über dieser Welt der Qual und setzte ihn dort ab. Da sah der Mensch den Herrn dieser Welt und dieses Himmels. U n d er trat an ihn heran und wollte ihn anbeten, wurde aber von dem Engel daran gehindert, der ihm sagte, er solle ihn nicht anbeten, denn er sei nicht sein Vater. 25 26

C, 324. C, 124.

Exkurs 3

219

Dann nahm der Engel den Mann wieder auf seine Schultern und trug ihn zur zweiten Welt und zum zweiten Himmel. Dort setzte er ihn nieder. Als nun der Mann den Herrn der zweiten Welt in größerem Glanz sah als den der ersten, wollte er ihn anbeten, wurde aber von dem Engel daran gehindert. Und so wurde dieser Mann von dem Engel durch alle Himmel getragen bis zu dem siebenten, und der Mann wollte die Herren dieser Welten und Himmel anbeten, die in immer größerem Glanz waren, desto höher sie kamen, wurde aber von dem Engel daran gehindert, sie anzubeten. Schließlich wurde er in den siebenten Himmel getragen und sah den Herrn dieses Himmels. Da sagte ihm der Engel, dieser sei der Heilige Vater und den solle er anbeten. Da trat der Mann an den Vater heran und betete ihn an. Der Heilige Vater fragte ihn, woher er komme, worauf der Mann sagte, er k o m m e aus der Welt der Qualen. U n d der Mann sah in diesem Himmel große Klarheit, viele Engel, schöne Tiere und singende Vögel und daß da Freude ohne Trauer war: Dort war nicht Durst noch Hunger noch Hitze noch Kälte, sondern eine große Milde. U n d er sagte dem heiligen Vater, hier gefalle es ihm und er wolle in Zukunft hier bleiben. Da antwortete der heilige Vater, er könne hier nicht bleiben, denn aus der Verdammnis geborenes Fleisch könne hier nicht bleiben, sondern er müsse zurückkehren in die Welt der Qualen und den Glauben verkündigen, den er schon habe, denn das sei der Glaube an ihn. Da bat der Mann den Vater, er wolle noch einen Moment bei ihm bleiben, was der ihm auch zugestand. U n d nach einer Weile sagte der Engel dem Mann, daß er nun auf seinen Rücken steigen solle, denn die Stunde sei da, daß er wieder hinabsteige. Da antwortete der Mann, daß er jetzt noch nicht einmal von der ersten bis zur dritten (Stunde) da geblieben sei. Der Engel antwortete, doch, er sei vielmehr zweiunddreißig Jahre dort geblieben, und so werde er es dann auch vorfinden, wenn er wieder zur Erde hinabkomme. U n d der Mann stieg auf den Rücken des Engels und kam hinab durch alle Himmel. U n d er kam auf diese Erde und predigte dann das, was er gesehen hatte. U n d so wurde, sagte er (nämlich Guillelmus Belibasta) ihr Glaube und ihre secta bestätigt. « 2 7 A n dieser Stelle b e g e g n e t n u n z w a r kein a u s d r ü c k l i c h e r H i n w e i s auf die Visio Isaiae. T r o t z d e m ist D u v e r n o y z u z u s t i m m e n , der h i n t e r d i e s e m T e x t eine A u f n a h m e d e r Visio Isaiae v e r m u t e t 2 8 , u n d z w a r u m s o m e h r zu R e c h t , als, w i e o b e n dargestellt, a u c h aus a n d e r e n Q u e l l e n b e k a n n t ist, daß die K a t h a r e r diesen T e x t k a n n t e n u n d erzählten. Z u n ä c h s t ist j e d o c h w a h r s c h e i n l i c h zu m a c h e n , daß es sich bei d e m zitierten T e x t tatsächlich u m eine A u f n a h m e d e r Visio Isaiae handelt. H i e r f ü r spricht, daß sich in d e m k a t h a r i s c h e n T e x t e n t s c h e i d e n d e s t r u k t u r e l l e u n d inhaltliche A n k l ä n g e an Visjes f i n d e n :

27 28

P II 50 f. Der lateinische Text dieses Abschnitts ist im Quellenanhang dokumentiert. P I I 5 1 f , Anm. 238.

220

Die Ritualpraxis

5.2.3.2 Isaiae

Nachweis

des Petrus Auterii

der Abhängigkeit

und seiner credentes

der Predigt des Belibasta

von der Visio

Asjes

Belibasta nach P II, 50 f

Jesaja auf dem Bett Hiskias Versammlung von Propheten um ihn, Beginn seiner Vision (6,1-12)

Gebet des Katharers

Ankunft eines Engels aus dem siebten Himmel, gesandt vom »Vater dessen, der größer ist« (6,13-17)

Ankunft eines Engels

Bericht über die in immer größerer Pracht geschilderten sieben Himmel, Anbetungsverbot (7,1-10,15)

Aufstieg des Katharers durch die einander überbietenden sieben Himmel, Anbetungsverbot

Bitte Jesajas, nicht auf die Erde und in sein Fleisch zurückkehren zu müssen, wird abgelehnt. (8,22-28)

Bitte des Katharers, im siebenten Himmel bleiben zu dürfen, wird abgelehnt.

Anbetungsaufforderung im siebenten Himmel (9,31)

Anbetungsaufforderung im siebenten Himmel

Abstiegsbericht des »Herrn« (Jesus), Verkündigungsverbot

Aufforderung an den Katharer, wieder hinabzusteigen und zu predigen, was er sah

5.2.3.3

Die inhaltliche

Umbildung

der Visio Isaiae

Es gibt also wesentliche strukturelle und inhaltliche Parallelen, obwohl die uns bekannte Visjes und der bei Duvernoy überlieferte Text sicherlich viele Unterschiede aufweisen. Der entscheidende inhaltliche Unterschied beider Texte ist zugleich die Pointe: während in Asjes der Prophet in apokalyptischer Schau den endzeitlichen Abstieg Jesu auf die Welt voraussieht, diesen aber außer Hiskia niemandem weitersagen darf, ist in der katharischen Vision der den Himmelsaufstieg und -abstieg erlebende perfectus dieselbe Person, wird also faktisch mit dem aus dem Himmel absteigendenden Jesus der Asjes identifiziert und im krassen Widerspruch zu Asjes gerade mit einem Verkündigungsauftrag versehen. Die Perfectologie verdrängt die Christologie. Die Visio Isaiae in dieser aneignenden katharischen Interpretation dient so der Legitimation der missionarischen Tätigkeit der perfecti - zugleich entspricht die katharische Version deren spezifischem Desinteresse an jeglicher Christologie 2 9 . 29

Vgl. unten, Kap. 6.7.

Exkurs 3

221

Was die Form der Predigt des Belibasta angeht, so unterscheidet sie sich natürlich wesentlich von Visjes. U m dies zu erklären, muß man sich klar machen, wie der Text der vor uns liegenden Predigt des Belibasta entstanden ist. Dafür ist mit folgenden Überlieferungsstufen zu rechnen: - einer katharischen Version der Visio Isaiae in schriftlicher Form, vermutlich lateinisch (?), deren mündliche Überlieferung bis zu Guillelmus Belibasta gelangt, denn dieser erzählt und liest nicht vor - die Rezeption dieser Überlieferung durch Arnaldus Cicredi - Cicredis Bericht hierüber vor der Inquisition - die Aufzeichnung dieses Berichts durch den Inquisitionsnotar (Rückübersetzung ins Lateinische). Es ist klar, daß sich bei jeder dieser Stufen ab der zweiten Veränderungen vor allem formaler Art ergeben haben können und dies wohl faktisch auch geschah. Dies erklärt mit, warum der uns vorliegende Text der Visjes so sehr von dem katharischen Bericht abweicht. Damit kann zusammenfassend gesagt werden: Die katharische Aneignung der Visjes geschah inhaltlich vor allem durch die Identifikation des in Visjes aus dem Himmel herabsteigenden Jesus mit dem perfectus selbst und formal durch deren Modifikation zu einer typischen Katharerlegende, wie sie uns auch aus anderen Zusammenhängen bekannt ist. In der Visio Isaiae lag also ein Text vor, dessen Pointe in der Ersetzung Jesu durch den perfectus lag. Diese Umbildung der ursprünglichen Vorlage ist natürlich von Interesse für den Begriff der visio, des Sehens des perfectus durch einen credens. Wurde einerseits die Kommunion als visueller Prozess der Aufnahme des Leibes Christi in der katholischen Eucharistie verworfen, so bot der Katharismus der Reorganisationsphase andererseits den persönlichen Kontakt mit dem perfectus als Ersatz dafür an. Dies wird zwar nirgends ausdrücklich so ausgesprochen, liegt aber völlig auf der Linie des organisatorischen und k o m munikativen Grundmodells des Katharismus, wie wir ihn in den Quellen vor uns haben: Danach stand der persönliche Kontakt zwischen perfectus und credens im Mittelpunkt. Somit wird die visio zusammenfassend charakterisiert als Stichwort für die unmittelbare persönliche Begegnung mit dem perfectus, die für den credens wesentlicher, wenn nicht wesentlichster Bestandteil seiner Beziehung zu diesem war. »Visio« konnte eigentlich alles sein, wo sich credens und perfectus begegneten: beim gemeinsamen Weg, bei der Predigt in der domus oder auch im spezifischen rituellen Zusammenhang. Sie war aber zugleich mehr als nur der Kontakt zwischen credens und perfectus im allgemeinen. Im Sehen des perfectus, man könnte sagen: im visuellen Wahrnehmen einer grundlegenden, alle weltlichen und gesellschaftlichen Zwänge negierenden leiblich realisierten Alternative zur vorfindlichen Existenz des credens, wurde seine Beziehung zum perfectus konstituiert. So gesehen war es auch sinnvoll für Bernardus Guidonis, mit der Frage nach der visio das Verhör eines credens beginnen zu lassen. Die Frage nach der Bedeutung des »Sehens« war schließlich auch im katholi-

222

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

sehen Bereich Gegenstand einer zeitgenössischen Auseinandersetzung, nämlich um die visio beatifica Gottes durch die Seelen nach dem Tod und vor dem Jüngsten Gericht bzw. nach diesem, auf die oben bereits hingewiesen wurde und an der Benedikt XII. (Jacques Fournier) selber beteiligt war, unter anderem durch seine Schrift »De statu animarum ante generale judicium« 3 0 , aber auch durch öffentliche Predigten 31 . F. Wetter 32 weist daraufhin, daß dieser Streit in letzter Instanz ein Streit um die Bedeutung des Körpers war. Da erst nach dem Jüngsten Gericht die Seele mit dem Körper wiedervereinigt wurde, mußte nach Ansicht Jacques Fourniers die Gottesschau dann auch intensiver sein als die der vom Körper isolierten Seelen vor Auferstehung und Gericht. Fournier habe die Trennung von Seele und Leib vor der Auferstehung als Unvollkommenheit interpretiert, die sich im Verlangen der Seele nach ihrem Leib äußere, welches Verlangen seinerseits den Prozeß der visio beatifica in der Zeit vor der Auferstehung der Toten behindere 33 . Es ist zu bedauern, daß Wetter seine Ergebnisse nicht auch mit der Lehre von Körper und Seele der Katharer verglichen hat. Mit Bestimmtheit kann angenommen werden, daß J. Fournier seine in »De statu animarum« und öffentlichen Predigten vorgetragene Lehre von der Bedeutung des Leibes nicht unbeeinflußt von der theologischen Abwertung des Leibes, wie sie ihm in vielen Aussagen katharischer credentes zu seiner Zeit als Inquisitor begegnet war, herausgebildet hat. Die Frage nach der Bedeutung des Körpers war zu seiner Zeit, wie gesagt, höchst strittig. Johannes XXII. hatte noch auf dem Sterbebett im Dezember 1334 klarstellen müssen, daß er mit einigen Predigten zu diesem Thema, aus denen man die Vorstellung herauslesen konnte, auch die Seelen der Gerechten seien vor dem Jüngsten Gericht aufgrund der Tatsache, daß sie noch ohne ihre Körper seien, nicht zur vollkommenen Anschauung Gottes fähig, keine gegen die Lehre der Kirche gerichtete dogmatische Feststellung habe treffen wollen 34 . Dies war um so notwendiger, als aus seiner Theorie eventuell zu schlußfolgern gewesen wäre, daß eine wirksame Fürbitte der Heiligen bei Gott nicht sicher 30 Ms. Vat. lat. 4006, ff° 16-218, es schließen sich 10 quaestiones nach Hölle und Fegefeuer an, in denen der Inhalt des Traktates zusammengefaßt wird, ob es ketzerisch sei zu sagen, Christus habe den Seelen der Heiligen nicht aus der Hölle helfen können; ob es ketzerisch sei zu sagen, es gebe zwei Paradiese, ein körperliches und ein geistliches; ob es ketzerisch sei zu sagen, daß die von den Körpern getrennten Seelen keine Augen hätten, usw. Es folgt (nach den unten genannten Predigten) das Buch des Durandus de Huesca »De visione animarum sanetarum ante generale iudicium«, das J. Fournier in der Vorrede seines eigenen Trakates zu diesem Thema erwähnt hatte. 31 Von denen sich etliche ebenfalls in Ms. Vat. Lat. 4006 finden ( f P 318-393). 32 Die Lehre Benedikts XII. v o m intensiven Wachstum der Gottesschau (Analecta gregoriana cura pontificae universitatis gregoriana edita, vol. XCII), Rom 1958. 33

34

F. WETTER, a a O . , S. 2 2 7 f.

Johannes XXII. in seiner Bulle »Ne super his« vom 3. 12. 1334, in: H. DENZINGER A. SCHÖNMETZER, Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, S. 295 f.

Exkurs 3

223

sei, seien doch auch sie ohne ihren Körper im Himmel - eine Position, die der katharischen Kritik am Heiligendienst nicht sehr entfernt war. U m hier Klarheit zu schaffen, legte J. Fournier während seines Pontifikats in einer ex cathedra am 29. Januar 1336 verkündeten Constitutio fest, bereits vor dem Jüngsten Gericht und der Auferstehung der Körper würden die Seelen sündlos Gestorbener vor Gott der vollen Seligkeit teilhaftig. 35 Damit entwickelte er seine einige Jahre zuvor geäußerten Gedanken, die ja wohl zum Zweck der antikatharischen Verteidigung der Heilsrelevanz des Körpers in die Richtung der von Johannes XXII. geäußerten Vorstellungen zielten, offenbar in die entgegengesetzte Richtung weiter, womit er freilich faktisch die Bedeutung des generale iudicium zugunsten der individuellen Bewertung jeder einzelnen Seele unmittelbar nach dem körperlichen Tod herabminderte, was zu Recht als »katharisierende Variante« der Seelen- und Körperlehre bezeichnet worden ist 36 . Dieses theologische Spannungsfeld war es, in das hinein die katharische Lehre vom »Verlangen nach dem Leib« mit Sicherheit zielte - allerdings mit gerade umgekehrter Zielrichtung: Das ihrer Meinung nach vom Teufel gestiftete Verlangen nach der »tunica«, dem Körper, dieser teuflischen Erfindung, führte für die aus dem Himmel gefallenen Seelen gerade zum Vergessen Gottes und ihrer ursprünglichen Heimat, während nach der ursprünglichen Ansicht Fournier's die letzte Bestimmung des Menschen, die Gottesschau, leiblos (durch die Seele) nur unvollkommen realisiert werden konnte. Fourniers in »De statu animarum« geäußerte Theorie, die chronologisch vor den Auseinandersetzungen um die Position Johannes XXII. entwickelt wurde (1334-1336) und damit in der hier interessierenden Zeit, ist also der zeitgenössischen katharischen Körpertheorie diametral entgegengesetzt. Mit seiner in der Schrift »De statu animarum« vorgetragenen Verteidigung der theologischen Bedeutung des Leibes verteidigte Fournier implizit auch die sich in und an diesem Leib äußernden, in ihm geradezu kristallisierten materiellen Bedürfnisse des Menschen, während die Katharer gerade in diesen Bedürfnissen ein wesentliches, alltäglich sich wieder bestätigendes Indiz für die Gefangenschaft der Seele im Teufelsreich, der Erde, sahen 37 . 35 i)... diffinimus: quod . . . animae sanctorum o m n i u m , qui de hoc m u n d o ante D o m i n i Nostri Jesu Christi passionem d e c e s s e r u n t . . . divinam videbunt essentiam ipsaque perfruentur ante iudicium generale . . . « , Constitutio »Benedictus Deus« v o m 29. 1. 1336, in: H . DENZINGER - A. SCHÖNMETZER, ebenda, S. 296 f. Vgl. zu Bedeutung und U m s t ä n d e n der Constitutio F. X. SEPPELT, Das Papsttum im Spätmittelalter und in der Renaissance, neu barbeitet v o n G. SCHWAIGER, Geschichte der Päpste, Bd. 4, München 1957, S. 115. 36 M . BENAD, Zustände und Entwicklungstendenzen im Pfarrklerus des Bistums Pamiers 1295-1325, dargestellt aufgrund der Inquisitionsprotokolle des Bischofs Jacques Fournier (1318-1325), in: W. L. FEDERLIN, E. WEBER (Hrsg.) U n t e r w e g s für die Volkskirche, FS D. STOODT, Frankfurt - Bern - N e w York - Paris 1987, S. 45. Allerdings ist gegen BENAD festzuhalten, daß sich Fournier in seiner Schrift »De statu animarum ante generale iudicium« zunächst gegenteilig geäußert hatte. Die Entwicklung der Gedanken des ehemaligen Bischofs von Pamiers ist hier übersehen worden. 37

Vgl. zu diesem letzten Punkt die in Abschnitt 6.2.3 und 6.2.4 zitierte Lehre des Petrus Auterii.

224

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

»Visio« war also sowohl im katharischen wie im katholischen Raum ein umfassender Begriff für die intensive, von Angesicht zu Angesicht gehende Kommunikation, die auf beiden Seiten mit dem Thema der Erlösung in Verbindung gebracht wurde. Man konnte erlöst werden, wenn man den richtigen perfectus »sah« (und die katholische Kirche erkannte die Macht des perfectus durchaus an, indem sie dieses Sehen bereits sanktionierte), bzw. in der Schau Gottes äußerte sich für die katholische Lehre wesentlich der Zustand der erlösten Seele. Hinzu k o m m t , daß auch in der regionalen Volksreligion des Untersuchungsgebietes, die weit verbreitet war und weder dem Katholizismus noch dem Katharismus eindeutig zuzuordnen ist, dem »Sehen« der Seelen Gestorbener hohe Bedeutung, gerade auch für die Regelung des gesellschaftlichen Z u sammenlebens, zukam. »Geisterseher« und perfectus waren, wie gezeigt werden wird, einander funktional äquivalente Personen, indem beide dafür sorgen konnten, daß die Seele eines Gestorbenen nicht weiter umging, dh. nicht mehr »gesehen« werden konnte 3 8 .

5.3

conventio

Der für diesen Akt übliche provenzalische Terminus »convenenza«, den auch Duvernoy in Anlehnung an ältere Quellen verwendet 3 9 , erscheint in den hier untersuchten Quellen nicht gleichmäßig. Während er in P und C regelmäßig durch den Begriff »conventio« ersetzt ist, k o m m t er inT, also zur gleichen Zeit, durchaus vor 4 0 . Ein Überblick über die mit Petrus Auterii in Verbindung zu bringenden Stellen, an denen über die conventio berichtet wird, zeigt deren in der Geschichte des Katharismus wohlbekannten Inhalt 4 1 : Die conventio oder convenenza ist das Versprechen einer Person einem perfectus gegenüber, sich in dem Fall, daß die betreffende Person in Lebensgefahr gerät, rezipieren zu lassen, das heißt, kurz vor dem Tod selber perfectus zu werden, u m so der Seele, die dann nach dem Tod alsbald gerettet wird, eine weitere Reinkarnation zu ersparen. So hören wir schon in der Zeit unmittelbar nach der Rückkehr der perfecti aus Italien. Ramundus Auterii berichtet, »er habe mit ihnen als conventio vereinbart, daß er, solle er in Lebensgefahr geraten, v o n ihnen a u f g e n o m m e n w e r d e n u n d das c o n s o l a m e n t u m erhalten wolle u n d im Ketzer38

Siehe Beispiele und Erläuterungen dazu unten, Abschnitt 5.6.1. DUVERNOY, Religion 159 f u n d öfter. 40 »Le terme de convenenza utilisé par le rituel provençal et les scribes, en 1244, n'apparait pas dans le registre de Geoffroy d'Ablis, ni dans le registre de Jacques Fournier, entre 1315 et 1325. Il y est toujours remplacé par le substantif »convention« (conventio)« - so A. PALES-GOBILLARD in ihrer Einleitung der Edition von C, S. 67. I n T dagegen erscheint »convenencia« , vgl. T, 61. 72. 73. 219. 133. 136 u. ö. In dieser Quelle dient »convenencia seu pactus« als häufige Bezeichnung dieses Ritus. 39

41

V g l . DUVERNOY, R e l i g i o n , S. 159 f. 2 3 4 .

conventio

225

glauben sterben wolle (quod fecit conventionem eis quod si contingeret ei esse in periculo mortis, quod volebat recipi et consolari ab eis et mori in fide et secta hereticorum)« 4 2 ,

- wobei die letzten Worte natürlich kein Zitat, sondern eine kommentierende Bemerkung des Inquisitionsschreibers sind. Die conventio ist hier also der Akt, in dem im Grunde die Beziehung perfectus - credens formell beginnt, sie ist der Eintritt in die katharische credentia. In diesem Sinne ist sie immer auch ein missionarischer Ritus. Denn so ist zu verstehen, daß in der Mehrzahl der Fälle einer conventioSchilderung, an der Petrus Auterii beteiligt war, die Aktivität für das Zustandekommen dieser Übereinkunft vom perfectus ausging. Für Petrus Auterii war der Abschluß einer conventio offenkundig gleichbedeutend mit einem Missionserfolg. Die typischen Formulierungen, die diesen Sachverhalt verraten, lauten etwa »die genannten Katharer hätten ihm gesagt, es sei notwendig, daß er zu ihrem Glauben gehöre und mit ihnen die conventio vereinbare . . . (predicti heretici dixerunt eidem quod opportebat quod esset de credencia eorum et quod faceret conventionem)« 4 3 ,

ähnlich sagt Bianca de Rodesio aus, sie habe die conventio mit Petrus Auterii »bewegt (inducta) durch diese p e r f e c t i . . . i 4 4

gemacht oder, wie Stephana Gerardi aus Varennis aussagt, »sie habe den Pakt oder die convenenza mit Petrus Auterii vereinbart, der das von ihr verlangt h a b e . . . (fecit pactum seu convenenciam Petro Auterii heretico requirenti eam) 4 5

bzw. wenn es heißt, jemand habe es dem Petrus Auterii zugestanden, »concessit dicto Petro Auterii heretico« 46 ,

er könne ihn vor seinem Tod rezipieren. Typisch für diesen Sachverhalt ist auch, daß in diesem Zusammenhang der Begriff »promittere«, von dem »promissio« als lateinisch-inquisitorischer terminus für die conventio abgeleitet ist 47 , jedenfalls im Zusammenhang mit Petrus Auterii immer in dem Sinn gebraucht wird, daß der/die credens dem perfectus verspricht, ihn vor seinem Tode holen zu lassen, damit er das consolamentum erhalten könne, nie umgekehrt 4 8 . 42

C, 118 f. C, 164. Es handelt sich um Arnaldus Piquerii aus Tarascón (1300). Alle im folgenden zitierten Stellen stehen im Zusammenhang mit Petras Auterii, auch wenn dies aus dem Zitat, so wie es hier gebracht wird, nicht hervorgeht. Stellen, die nichts mit der Tätigkeit des Petrus Auterii zu tun haben, sind besonders gekennzeichnet. 44 C, 216 (1300). 45 T, 219; ähnlich T, 348: »Petrus Raymundus Dominici de Borno . . . dicto Petro Auterii heretico requirente & recipiente, ipse fecit sibi covenienciam seu pactum ...« (1304 /05). 46 T, 136, vgl. T, 198. 47 Z. B. T56 f. 48 Hierfür nur einige Beispiele anstelle vieler: Guillelma Garsen aus Ax, im Jahre 1300 »promisit dictis hereticis quod esset bona et fidelis eis et vera amica et secretaria et volebat adherere fidei eorum et volebat mori in fide sua et recipi per eos in fine et quod mitteret pro 43

226

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

In einigen Fällen geht das soweit, daß der perfectus zukünftige credentes förmlich darum bittet, ein Abkommen über ein späteres consolamentum, also die conventio, mit ihm zu schließen: »Petrus Auterii erbat (petiit) von ihr 4 9 und ihrem Mann, sie sollten doch mit ihm die convenenza vereinbaren, nämlich daß sie vor ihrem Tod von ihm oder einem seiner Freunde (per ipsum vel per aliquem de sociis suis) in seine secta aufgenommen werden wollten. Darauf bejahte dies ihr Mann für sich und ftir sie. « 50 .

Es gibt in den Quellen keine einzige Stelle, an der belegt wäre, daß eine Person von sich aus Petrus Auterii bittet, eine conventio abzuschließen. Immer ist der perfectus der aktive, handelnde, auffordernde, ja bittende Teil dieser Übereinkunft. Es ist in aller Regel das Interesse des perfectus, eine conventio abzuschließen, nicht das des/der credens. Dies drückt Petrus Auterii in einem Fall auch ganz deutlich aus. Als Petrus Maurini, der zu diesem Zeitpunkt schon einige Wochen in Arques in der domus Petri arbeitet, von Angehörigen dieses Hauses dazu überredet wird, selber auch credens zu werden, trifft Petrus Auterii das erste Mal mit ihm zusammen. Dabei sagt er: »Petrus, ich freue mich sehr! Denn mir wurde gesagt, daß du ein guter credens sein willst, wenn Gott will. Ich werde dich auf den Weg der Erlösung durch Gott bringen.« 5 1

Wenn die Inquisitoren statt von der convenenza / conventio den terminus »promissio« wählen, so müssen wir darunter also ein Abkommen zwischen dem perfectus und einem credens verstehen, dessen Inhalt ist, daß der credens verspricht, in Todesgefahr den perfectus holen zu lassen und nicht umgekehrt, ein Versprechen des perfectus, in diesem Fall auch zu kommen. Wie ist dieser Umstand einzuschätzen? Es ist davon auszugehen, daß niemand mit dem perfectus eine convenenza abschloß, der nicht schon längere Zeit am Katharismus ein Interesse gezeigt hatte. Dieses Interesse ergibt sich, wie die Quellen belegen, in aller Regel durch Berichte von anderen credentes, häufig Familienmitgliedern, über Kontakte mit perfecti. Hier, im Kreis der credentes und an seinem Rand, findet die eigentliche Mission mit katharischen Gedanken statt. Das berichtet vor der oben zitierten Stelle Petrus Maurini sehr anschaulich. In meinem Aufsatz über das Hospiz der Familie Petri in Arques wurde gezeigt, wie in einem gut rekonstruierbaren Fall dieser Erstkontakt mit katharischen Ideen bei Gelegenheit eines Trauerbesuchs erfolgte: Die Gevatterin der Sibilia Petri, eine credens, berichtete der über den Tod ihrer Tochter trauernhereticis si contingeret ipsam infirmari et esset in periculo mortis quod eam reciperent in fide et secta eorum ...« (C, 192), ähnlich C, 216. 262; T, 55. 75f u. ö. 49 Alazayt Guillelmi aus Bouillac. 50 T, 123 (1304). 51 Pill, 123.

conventio

227

den Mutter zum Trost über die »Bekehrung« der Auterii. Dies war der Auslöser für das Entstehen des Hospizes Petri. Eine andere Möglichkeit war, daß Kinder ihre Eltern nach den perfecti fragten, so z. B. Rixendis Cortil ihren Vater, worauf sie dann ebenfalls eine perfectus-Legende als Antwort erzählt bekam 5 2 . Häufig geschah es sicher auch, daß credentes aus einem Dorf systematisch bestimmte Personen auf ihre Seite zu ziehen versuchten, wie das zum Beispiel Beatrix de Planissol berichtet 53 . Z u m Teil wurde aber bei der Gewinnung neuer credentes mit Druck bis hin zur Gewaltanwendung gearbeitet. Der Vorgänger des Petrus Maurini im Dienst der domus Petri, ein gewisser Arnaldus, hatte den Dienst quittieren müssen, weil er kein credens werden wollte 54 . War eine Person also nach einiger Zeit dazu bereit, zum Kreis der credentes zu gehören, so erfolgte die conventio mit dem perfectus sozusagen als Aufnahmeritus in den Kreis dieser Gemeinschaft. 55 So k o m m t es, daß wir Fälle haben, wo credentes vor der Inquisition den Beginn ihrer »credentia«, also ihres Status als credentes auf den Abschluß der conventio datieren 56 . Die conventio eröffnet also eine Existenz als credens. Zugleich orientiert sie den/die credens auf die beiden nun noch einzig wichtigen Größen für diese seine neue Lebensform: Z u m einen aufsein Todesdatum, als den für das Schicksal seiner Seele alles entscheidenen Moment; stirbt er als »Getrösteter«, d. h. nach Empfang des consolamentum, so ist seine Seele gerettet und kann in ihre eigentliche Heimat, das Paradies, zurückkehren, andernfalls droht eine weitere Reinkarnation. Z u m anderen orientiert sie auf den perfectus als auf die einzige Person, die mit Hilfe des consolamentum vor dem Tod diese Situation zum Guten wenden kann. Diese besondere Abhängigkeit vom perfectus findet nun ihren besonderen Ausdruck in einer stereotyp häufig wiederauftauchenden Formulierung, wenn es um die conventio / convenenza geht:

52

P i l l , 306. P I , 216ff. 54 P III, 135. Noch schlimmer erging es Arnaldus Lizerii aus Montaillou, der wegen seiner Weigerung, credens werden zu wollen, umgebracht worden sein soll, PI, 296; P II, 427. 55 Dem ähnelte also im Rahmen des Katholizismus die Firmung bzw. im Rahmen des Protestantismus die Konfirmation, allerdings nur auf der Ebene der credentes und somit noch nicht auf der eigentlichen Ebene der katharischen Kirche: Ein credens, der die conventio mit einem perfectus eingegangen ist, ist Mitglied der credentes-Gruppe, nicht aber der katharischen Kirche, da der Zutritt zu dieser nur Menschen offensteht, die die receptio, also die »Taufe« empfangen haben und sich zugleich auf die Führung eines Lebens in der vita apsotolica verpflichten, also perfecti werden. Da erst mit Empfang des consolamentum der / die credens Mitglied der katharischen Kirche wird, ist die conventio mehr eine Absichtserklärung seitens beider Parteien. 56 A m deutlichsten Bianca de Rodesio: »... fuit in illa credencia, ut dixit, ab illo tempore citra quo fecit conventionem predictam dictis hereticis (seil. Petrus und Guillelmus Auterii)«, C, 216, vgl. auch C, 262. 53

228

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

»er / sie schloß den Pakt oder die convenenza mit den genannten perfecti / dem genannten perfectus / mit Petrus Auterii (fecit pactum seu convenienciam dictis hereticis / dicto heretico / Petro Auterii)« 57

Hinter dieser Formulierung verbirgt sich mehr als eine bloße Redensart. Im Unterschied zur katholischen Praxis und Theorie, für die Amt und Amtsträger strikt voneinander getrennt sind, ist die conventio immer eine Vereinbarung zwischen zwei konkreten Personen, nicht zwischen einem credens und einem Amtsträger der katharischen Kirche. In diesem Falle hätte es genügt zu konstatieren, daß eine bestimmte Person die conventio gemacht hätte. Es wird aber, meist im Dativ stehend, immer hinzugefügt, mit wem dieser Abschluß vereinbart worden ist. Dem entspricht die Fortsetzung der conventio-Formel: »er / sie wolle bei seinem Tod von ihm in seine secta und seinen Stand aufgenommen und eingeführt werden (quod volebat in fine suo recipi et indui per eundem ad sectam & ordinem suum)« 5 8 ,

durch die der rezipierende perfectus eindeutig festgelegt wird. Durch die conventio entsteht also ein besonders enges Verhältnis zwischen perfectus und credens, ganz anders als das zwischen Priester und Gläubigem im katholischen Kontext der Zeit. Diese Beziehung ist nicht eine durch Amt und (territorial definierte) Parochie vermittelte, sondern ein auf der Basis einer Entscheidung von perfectus und credens füreinander zustandegekommene Seelsorgebeziehung, die erst im consolamentum ihren eigentlichen Sinn, quasi ihre Vertragserfüllung findet. Das wird selbst in den relativierenden Formulierungen dieses Tatbestands deutlich. Natürlich war es, schon aufgrund der Entfernungen und der Unwegsamkeit mancher Gebiete, nicht immer sicher, daß auch tatsächlich der perfectus, mit dem ein credens die conventio abgemacht hatte, zur Stelle war, wenn es darauf ankam. Dies spiegelt sich an einigen Stellen wider, wo es heißt, ein credens verspreche, vor seinem Tod Petrus Auterii oder einen anderen perfectus rufen zu lassen: «... vellent recipi per ipsum vel aliquem de sociis suis ad sectam suam . . . «

59

oder »quod in fine suo volebat habere ipsum vel aliquem de secta sua qui reciperet eum ad sectam & ordinem suum« 6 0

57

So vor allem häufig in T. T, 144 als Beispiel für sehr zahlreiche ähnliche Formulierungen in allen drei Quellen (hier interessanterweise mit dem Zusatz »et indui«, eine Redeweise, die deutlich auf die enge Parallele von consolamentum und receptio zum perfectus hinweist, die auch als ähnlich bezeichnet werden kann. So berichtet Ramundus Auterii, seine Brüder seien aus der Lombardei als »heretici vestiti«, also perfecti, zurückgekehrt). 59 T, 123. 60 T, 129. 58

conventio

229

Aber diese Stellen sprechen ebenfalls dafür, daß mit der conventio eine individuelle Beziehung zwischen perfectus und credens entstand. Wäre dies nicht so, dann hätte man sich mit der zweiten Hälfte des Satzes begnügen können. Stattdessen steht immer der die conventio abschließende perfectus (Petrus Auterii) im Vordergrund. Ein besonders deutliches Beispiel für all dies liefert eine Formulierung, in der perfectus und Gott selber in ihrer Bedeutung für den credens parallelisiert werden. Ramundus Issaura aus Larnat berichtet im Registre de Geoffroy d'Ablis (C) recht ausführlich über seine conventio mit Petrus Auterii. Nach einer längeren Predigt des perfectus fragt dieser den credens zunächst, ob er all das Gesagte und Gehörte glaube, was der Gefragte bejaht. Darauf heißt es: »Item fragte er ihn, ob er, falls er lebensgefährlich erkranke, von ihm in seine secta aufgenommen werden wolle und ob er seine Gebote und die Gottes (servare precepta Dei et sua) einhalten wolle. Dies gestand er ihm zu und antwortete mit Ja. « 61

Darauf folgt dann das melioramentum. Der perfectus gewinnt hier durch diese Formulierung der conventio eine vermittelnde Rolle zwischen credens und Gott: N u r wenn der credens seinen Anordnungen so wie denen Gottes gehorcht, kann er Mitglied der katharischen Kirche werden und somit seine Seele retten 62 . Es läßt sich aus den Quellen nicht ganz klar belegen, ob es eine feste Form der conventio gegeben hat. Das liegt vor allem daran, daß weitaus die meisten Stellen, an denen von der conventio die Rede ist, nur von deren Abschluß berichten, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Aber gerade die letzte zitierte Stelle ergibt eine interessante Parallele zu dem Bericht, den Petrus Maurini über seine conventio, ebenfalls mit Petrus Auterii, gibt, denn die berichtete Reihenfolge ist in beiden Fällen die gleiche: Predigt Fragen des perfectus: a) ob der credens dies alles glaubt b) ob er vor seinem Tod rezipiert werden will melioramentum Die »conventio«, also diejenige Situation, in der eine Person, die bis dahin kein credens war, einem perfectus verspricht, sich vor dem Tod (in der Regel von dem betreffenden perfectus) das consolamentum geben zu lassen, stellt zumindest in der Praxis des Petrus Auterii formal keinen eigenen Ritus dar: Wird sie ausführlicher geschildert, so mündet sie aus einer kaum ritualisierten Gesprächs-, allenfalls Lehrsituation in den Ritus des melioramentum ein, das der 61 C, 262. Da der perfectus selber bei der alltäglichen Lebensgestaltung der credentes nur ganz am Rande eine Rolle spielt, können mit den »precepta sua« nur die Askesevorschriften für die Zeit nach dem consolamentum, also die endura, gemeint sein. 62 Seelenrettung (salvatio animae, juvare ad salutem o. ä.) als Inhalt des consolamentum und als solcher schon in der conventio angesprochen, begegnet in den Quellen an verschiedenen Stellen, z.B. T55. 134fu.ö.

230

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

perfectus den credens zunächst lehrt. In ihrem formalen Ablauf - vom Gespräch zum Ritus - widerspiegelt sich also ihr Inhalt: die Hereinnahme eines Menschen in den Kreis der credentes. Formal ist die conventio im Grunde die Einführung in einen anderen Ritus, nämlich das melioramentum. Daß es gerade der Ritus des melioramentum ist, in welchen die conventio einmündet, hat seinen besonderen Grund, den Petrus Auterii in der schon geschilderten Situation mit Petrus Maurini darlegt: »Und er fuhr fort: 'Petrus, ich habe nun alle meine Worte zu verstehen gegeben, die jeder gute credens kennen muß. Aber da ist noch etwas. Es gibt zwar einige, die nicht tun mögen, was ich dir nun sage, aber der größere Teil der credentes tut es doch', worauf er, der Aussagende, antwortete, er werde alles Gute tun, wenn Gott wolle. Da stand der perfectus auf und schloß die Tür des Zimmers, so daß sie beide, er und der perfectus allein in diesem Raum waren. Dann nahm der perfectus ein Kissen und legte es auf den Boden und sagte zu ihm, er solle das tun, was er ihm nun zeige, und er stimmte dem zu.

(es folgt die Beschreibung des melioramentum) . . . und nachdem dies getan und gesagt worden war, fragte er den perfectus, warum dies geschehen sei. Da antwortete ihm der perfectus, daß darum, weil er (der Aussagende) dies getan habe, er nun ein credens geworden sei. Wenn er die geschilderte Verehrung (adoratio) nicht erwiesen hätte, dann hätte der perfectus nicht einen Finger gerührt, um ihn aufzunehmen, falls er (der Aussagende) krank sei und die Sprache verloren habe. Nachdem er ihm aber nun die Ehre erwiesen habe, werde er, der perfectus, mit Gottes Hilfe seine Seele retten, solange sich nur seine Seele noch im Körper befinde . . . « 6 3

Man sieht, welche Bedeutung das melioramentum hier im Rahmen der conventio bekommt: Für den credens schafft es die Sicherheit, von seinem perfectus aufjeden Fall, auch bei Bewußtseinsverlust, rezipiert zu werden. Für den perfectus aber ist nach diesem ersten melioramentum klar, daß es dem credens mit seiner Entscheidung ernst ist. Damit hat er seinerseits die Gewissheit, keinem Unwürdigen das consolamentum zu geben, selbst, wenn sein betreffender credens dann schon ohne Bewußtsein wäre. Zugleich ist diese Stelle ein weiterer Beleg für die in der conventio konstituierte individuelle, frei gewählte Seelsorge und Erlösungsbeziehung von perfectus und credens: kein anderer perfectus als Petrus Auterii weiß ja um die Tatsache, daß Petrus Maurini anlässlich seiner conventio das melioramentum gelernt und gemacht hat, könnte also im Notfall auch nicht wissen, ob Petrus Maurini nun das consolamentum gegeben werden kann oder nicht, denn die Szene spielt sich, wie ausdrücklich berichtet wird, nur zwischen Petrus Auterii und Petrus Maurini ab, bei verschlossener Tür. Man kann also sagen, daß die conventio Züge der Arkandisziplin trägt, wobei das arcanum eben Form und Sinn des melioramentum sind. Solche Elemente der Arkandisziplin begegnen überhaupt in der Beziehung zwischen credentes und perfecti. Neben dem oben erwähnten Verbot für die credentes, während der 63

P III, 125.

salutatio /

reverenda

231

Predigt Fragen an den perfectus zu richten 6 4 , gehört hierher in erster Linie, daß die credentes das Vaterunser nicht sprechen dürfen 6 5 . Zusammenfassend ist die conventio also zu definieren als diejenige Situation, in der ein perfectus und ein credens eine besondere und individuelle, aufgrund einer freien Vereinbarung beider eingegangene Beziehung miteinander konstituieren, indem der perfectus den credens das melioramentum lehrt. Die dabei eröffnete Beziehung unterscheidet sich v o m katholischen Modell fundamental. Sie beinhaltet das (anscheinend ohne besondere Form gegebene) Einverständnis des credens mit der katharischen Lehre und sein Versprechen, im Fall seines Sterbens den perfectus holen zu lassen, u m das consolamentum zu erhalten. Erst dadurch wird der credens Teil der credentes-Gruppe. Die conventio ist also der Aufnahmeritus in die credentes-Gruppe.

5.4 salutatio /

reverenda

Nach einer ganzen Anzahl von Quellenbelegen gab es einen besonderen Gruß zwischen perfecti und credentes, den sie miteinander austauschten, wenn sie sich trafen - die salutatio »modo hereticali«, wie die Inquisitoren sagten 6 6 . Sie war mit dem melioramentum nicht identisch und bestand in gegenseitiger U m a r m u n g und Kuss 6 7 , wobei die Begrüßenden sich gegenseitig die Hände auf die Arme oder die Schultern legten, sich dreimal küßten bzw. den Kopf auf beide Seiten wandten, wobei die credentes jedesmal »benedicite« sagten 6 8 . Dabei scheint die Kopfbedeckung (Kapuze) abgenommen worden zu sein 69 .

64

P i l l , 126. »Vos alii credentes, quia adhuc non estis in via veritatis et iusticie, non estis digni rogare Deum.« N u r der perfectus dürfe beten und tue dies auch für die credentes, diese selbst aber dürften dies keinesfalls tun, vor allem »nullo m o d o dicatis Pater Noster, quia nullus debet dicere ipsum, nisi sit in veritate et iusticia, quia sunt verba veritatis et iusticie« (P III, 126). 66 T, 68 f u . ö. In T, 83 wird der gewöhnliche Gruß vom katharischen ausdrücklich unterschieden: »Raymundus Dominici de Borno . . . adoraverat eum (Petrus Auterii) et salutavit eos (alios) m o d o communi . . . (Er und Petrus Auterii) salutaverunt se ad invicem . . . & ibidem adoravit dictum Petrum Auterii modo hereticali...« Diese Stelle zeigt auch (wie viele andere), daß »adoratio« (also melioramentum) und salutatio nicht dasselbe waren. 67 C, 148 f: Guillelmus de Rodesio: »ipse testis ivit visum dictos hereticos quos invenit . . . salutans eos et faciens eis reverenciam ipsos amplexando et osculando in ore . . . «. 68 T, 68 f: » . . . salutavit eos modo hereticali scilicet amplexando ponendo manus super utrumque humerum & vertendo caput hinc et inde tribus vicibus dicendo qualibet vice benedicite . . . « ; T, 53 f: Bertrandus Salas . . . de Vilhaco .. .quando heretici de novo veniebant, vel quando recedebant ab eo, salutabat eos modo heretico, scilicet amplexando, & tenendo manus super brachia heretici, vertendo & inclinando caput ter nunc ad dexteram nunc ad sinistram heretici, & dicendo ter benedicite . . . 69 T, 103: »Arnaldus Vitalis de Cumba Rotgier . . . salutavit eos (die perfecti P. Auterii und P. Sancii) capucio extracto.« 65

232

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

Die salutatio konnte auch bezeichnet werden als die einem perfectus zu erweisende Reverenz (»facere reverenciam«) 70 . Ein gewisses Problem ist allerdings dadurch gegeben, daß dieser Begriff der reverencia von den vor der Inquisition Vernommenen nicht ganz eindeutig der salutatio oder dem melioramentum zugeordnet wurde. Wie aus der oben erwähnten Aussage des Guillelmus de Rodesio hervorgeht, identifizierte dieser die salutatio mit dem Begriff der reverencia (»faciens eis reverenciam ipsos amplexando et osculando in ore«). Seine Ehefrau Bianca allerdings bezeichnete ebenso eindeutig das melioramentum als reverencia: »(Bianca de Rodesio) wurde befragt, was sie mit ihnen getan oder geredet habe. Sie antwortete, sie habe ihnen, durch sie belehrt, ihre Ehrerbietung erwiesen und sie angebetet, indem sie drei Mal vor ihnen die Knie gebeugt und dabei jedes Mal gesagt habe: 'Ihr Guten Christen - den Segen Gottes und Euren!'. Daraufhätten die perfecti geantwortet: Gott gebe Euch von seinem Gut und bringe Euch zu einem guten Ende!' (interrogata quid fecit cum eis vel dixit respondit, quod edocta per ipsos fecit eis reverenciam et adoravit eos flexis genibus ter coram ipsis, dicendo in qualibet genuflexione: »Boni christiani, la benediccio de Dieu e de vos autres!«. Et dicti heretici respondebant: »Deus det vobis de suo bono et perducat vos ad bonum finem!)«71

Wie man sieht, gab es hier anscheinend keine eindeutige Terminologie, und es wäre falsch, nachträglich eine solche Eindeutigkeit nachweisen zu wollen. Die salutatio / reverencia wurde sowohl als Begrüßungs- wie auch als Abschiedsform gebraucht 72 . In seiner Darstellung verschiedener Riten der Katharer geht auchj. Duvernoy auf die salutatio ein 73 . Er schildert sie unter dem Namen der »caretas 74 «, einem älteren katharischen Ritual, das auch in der Zeit der hier dargestellten Ereignisse bekannt war. Im Zusammenhang mit Petrus Auterii selbst wird es unter diesem Namen nicht erwähnt, wohl aber im Zusammenhang mit seinem Bruder Guillelmus. Dabei wird deutlich, daß »las caretas« und die salutatio / reverencia miteinander identisch sind. Der in Frage kommende Fall wird hier dargestellt, weil er die Funktion dieses Grußes beleuchtet: 70 T, 104 f: Bernardus Guidonis juvenis filius Vitalis Guidonis de Garda Viridi Folesii . . . salutavit hereticos extracto capucio reverenter . . . 71 C, 214 f. Weitere Bezeichnungen des melioramentum als reverencia finden sich in C, 180. 220, T, 131 u. ö. 72 T, 53 f: »Bertrandus Salas . . . de Vilhaco .. .quando heretici de novo veniebant, vel quando recedebant ab eo, salutabat eos modo heretico ...«. 73 DUVERNOY, Religion, S. 211 f. 74 Dieser Terminus, die provenzalische Form des lateinischen »Caritas«, ist aus dem katharischen Rituale aus Lyon bekannt (ed. CLÉDAT, Le Nouveau Testament traduit au XIIIe siècle en langue provençale, suivi d'un rituel cathare, Paris 1887, Genève 1968, S. XXI). DUVERNOY meint, gegen Ende des 13. Jahrhunderts seien salutatio und melioramentum ineinander übergegangen (Religion, S. 211). Wie hier gezeigt wird, kann man sie aber in den Quellen auch Anfang des 14.Jahrhunderts noch deutlich unterscheiden: die salutatio bestand aus Umarmung und Kuß, das melioramentum aus Kniefall und einem mehr oder weniger langen rituellen Dialog des perfectus mit dem credens.

salutatio /

reverenda

233

Der credens Bernardus Martini aus Junac hatte, nachdem er krank geworden war und v o n Guillelmus Auterii das consolamentum bereits empfangen hatte, sich v o n seiner Krankheit wieder erholt »und er fing wieder an, Fleisch zu essen, denn er konnte die endura nicht aushalten« 75 . Daraufhin mußte er rituell wieder in den Kreis der credentes a u f g e n o m m e n werden, weil er durch den Bruch der endura aus der Sicht der credentes (aktuell seines Bruders Arnaldus, der ihm deswegen Vorhaltungen machte) »zur Häresie zurückgekehrt«, also kein credens mehr war 7 6 . U m dies zu bewerkstelligen, spielte sich für ihn nun eine Zeremonie ab, in der die salutatio (allerdings nicht unter diesem Namen) eine Rolle spielt: »Daraufsagte Arnaldus den perfecti, daß sein Bruder Bernardus, der anwesend war, . . . es sehr bereue, daß er, nachdem er von Guillelmus Auterii >aufgenommen< (das heißt häretisiert) worden war, wieder angefangen hatte, Fleisch zu essen, weil er die endura nicht aushalten konnte. Er bitte deshalb und wolle, daß, wenn er krank werden solle, er wiederum von den genannten Herren (nämlich den Ketzern) aufgenommen (das heißt häretisiert) werde. Darauf sagte Guillelmus Auterii zu dem Aussagenden, er solle sein melioramentum machen. Da sagte Arnaldus zu ihm (dem Aussagenden), er solle dreimal die Knie vor den perfecti beugen und dabei jedesmal sagen: >Guter Christ, den Segen Gottes und Euren!Ihr sollt ihn haben von Gott und von uns!< Dann stellte er sich wieder auf die Füße und umarmte den perfectus und beugte seinen Kopfüber dessen eine Schulter, indem er sagte >Segnet mich, Herr!Segnet mich, Herr!Segnet mich Herr!< und küßte danach den perfectus auf den Mund. Und nachdem er ihn geküßt hatte, sagte er: >Guter Christ, bittet Gott für mich!«, und der perfectus antwortete: »Gott soll gebeten sein!Boni christiani, benedictionem Dei et vestram petoDeus det vobis de suo bono et perducat vobisModo, dixit ipse, esset tempus de hoc quod vobis diximus heri.< >Placet ergo, dixi ego, faciam quod vultisBenediciteBenedicite< et dicti heretici respondebant et dicebant quedam verba que ipse testis . . . non bene potuit intelligere . . . « (C, 292). Möglicherweise liegt hier auch ein Grund dafür, daß das melioramentum zum Teil nur mit den Worten des credens überliefert wird, z. B. T, 134 f: »adoravit dictum Petrum Auterii hereticum . . . dicendo qualibet vice benedicite . . . « 98 C, 86: »Benendicite, boni Christiani, rogate Deum pro me«, et dicti heretici respondebant: »Deus sit rogatus« »; ähnlich, jedoch mit Erwähnung des consolamentum T, 12: »Raimonda . . . Falqueti de Verduneto . . . semel inclinando se junctis manibus coram hereticis dixit boni Christiani rogate Dominum pro nobis quod perducat nos ad bonum finem . . . « ; C, 262: »Ramundus Issaura de Larnato . . . interrogatus si adoravit dictos hererticos, dixit quod sic, edoctus, inductus et instructus per eos, flexis genibus, dicendo: >Benendicite< ter, dicendo etiam: >Boni Christiani, orate Deum pro nobis, quod Deus perducat nos ad bonum fìnem!< et dicti heretici respondebant, ut sibi videtur, >Deus sit in adjutorium vestrum!< . . . « ; ähnlich an weiteren Stellen. 99 P II, 406: »>Benedicite, rogate Deum pro nobis !< Dicti heretici respondebant quod Deus parceret eis et quod duceret eos ad bonum finem. Et hoc ter faciebant. . . . «

metíoramentum

239

W e n n o b e n , i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e r D i s k u s s i o n der c o n v e n t i o , gezeigt w u r d e , daß Sinn u n d F o r m des m e l i o r a m e n t u m g e h e i m e s Wissen der credentes w a r , das einer A r t A r k a n d i s z i p l i n u n t e r l a g , so m u ß dies n u n präzisiert w e r d e n . Z u n ä c h s t ist festzuhalten, daß n u r credentes das m e l i o r a m e n t u m u n d seine B e d e u t u n g k e n n e n , v o r Verrat an N i c h t c r e d e n t e s m u ß es g e s c h ü t z t w e r d e n . A u ß e r an d e r s c h o n d i s k u t i e r t e n Stelle ( c o n v e n t i o des P e t r u s M a u r i n i ) , w o d e r p e r f e c t u s die T ü r schließt, b e v o r er d e n n e u e n credens das m e l i o r a m e n t u m lehrt, g e h t das auch aus einer a n d e r e n Stelle h e r v o r . P e t r u s d e L u z e n a c o berichtet, w i e er das m e l i o r a m e n t u m k e n n e n g e l e r n t h a b e : »Und dann, nach dem Essen, sagte mir Petrus Auterii, es sei bei ihnen üblich, nachdem einer ihrer Freunde sie drei oder viermal gesehen habe, daß er vor ihnen sein melioramentum mache. 'Was ist das?' fragte ich. 'Den Segen von den Christen empfangen', erwiderte er, 'denn so ist es bei uns Brauch!' ' U n d wie geht das?' fragte ich. 'Durch Beugen der Knie', sagte er, 'und durch dreimaliges Benedicite-Sagen'. >GutBenedicite< sagte«. 1 0 1 M a n sieht hier zweierlei: Z u m einen w i r d deutlich, daß es n i c h t n u r rituelle B e d e u t u n g hatte, das m e l i o r a m e n t u m i m V e r b o r g e n e n zu halten. D i e credentes f ü h l t e n sich m a n c h m a l a u c h sicherer, w e n n sie w u ß t e n , daß kein potentieller Verräter in der N ä h e w a r , w e n n sie das m e l i o r a m e n t u m m a c h t e n . Es zeigt sich hier aber w i e d e r , w i e s c h o n i m Z u s a m m e n h a n g der c o n v e n t i o , w i e sehr d e r perfectus t r e i b e n d e K r a f t f ü r den Vollzug d e r R i t u s w a r - a u c h hier g e h t d e r W u n s c h , P e t r u s de L u z e n a c o solle das m e l i o r a m e n t u m erlernen, e i n d e u t i g v o n i h m aus. D e n k t m a n n u n die Tatsache h i n z u , d a ß P e t r u s de L u z e n a c o n o c h a m 100 D U V E R N O Y ist der Ansicht, man habe das melioramentum ausschließlich aus Sicherheitsgründen immer allein gemacht: »Etant donné la gravité de l'acte (des melioramentum) aux yeux de l'Inqusition, le melioramentum solennel a lieu sans témoin, ou de moins avec un seul témoin, dont le témoignage ne suffira pas à former une preuve en justice. « (Religion, 209). Hierfür zitiert D U V E R N O Y als Beleg P III, 138: »Et post supradictum sermonem ipse loquens (Petrus Maurini) fecit melioramentum dicto heretico . . . Dictus etiam Ramundus Martini fecit melioramentum dicto heretico, ut ipse loquens credit. Non vidit tarnen hoc, quia dictus Ramundus Martini dixit ei, quod ei daret locum, quod et ipse loquens fecit. « Diese Belegstelle beweist nicht, was sie nach DUVERNOYS Ansicht belegen soll. Sicher ist es richtig, daß, wie das Zitat des Petrus de Luzenaco zeigt, in bezug auf das melioramentum Sicherheitsbedenken bei den credentes existierten. Andererseits aber verkennt D U V E R N O Y , daß dies allein nicht hinreicht, zu erklären, warum das melioramentum häufig (durchaus nicht immer) allein gemacht wurde - nämlich, um die spezifische Beziehung des perfectus zum credens zu bekräftigen. 101 C, 388.

240

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

Vortage das melioramentum als für sich gefährlich bezeichnet hatte, so kann man sich vorstellen, welch hohe emotionale Bindekraft der Beschluß haben mußte, das melioramentum zu machen. Es band den credens somit immer neu an den perfectus und sorgte so für eine Stabilisierung der credentes-Gruppe unter den besonderen Bedingungen der mobilen »Kirche« der Katharer 102 . Somit bekräftigte das melioramentum (wie auch der - allerdings ungeschützt ausgetauschte - Gruß, die salutatio) je und je die conventio, die zwischen perfectus und credens geschlossen worden war. Dies wird auch deutlich an der (gegenüber der salutatio übrigens deutlich herabgesetzten) Häufigkeit des melioramentum: Der eben zitierten Quelle nach machten die credentes das melioramentum nur bei jedem dritten oder vierten Kontakt mit dem perfectus 103 . Das melioramentum war aber noch mehr als nur die individuelle Bekräftigung der conventio. Da die credentes im Rahmen der Hospizorganisation ja immer in kleinen Gruppen, meist Familien, zusammenkamen, war es zugleich auch Kennzeichen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe. Mit anderen Worten: wer das melioramentum nicht kannte, konnte auch kein richtiger credens sein. Dies mußte Bernarda Raymundi am eigenen Leib unangenehm erfahren: »Bernarda, die Ehefrau des Petrus R a y m u n d i de H u g o n i b u s , w o h n h a f t in Toulouse . . . sah eine v o n ihr namentlich genannte Person, die in ihrem H a u s die Knie v o r Petrus Auterii beugte. D a n n sei auch sie aufgefordert w o r d e n , sie solle ihr m e l i o r a m e n t u m vor Petrus Auterii machen, wie es auch die andere gemacht habe. Sie habe daraufhin angefangen, die Knie zu beugen vor d e m genannten perfectus, u n d habe aber das m e l i o r a m e n t u m nicht zu machen g e w u ß t . D a hätten alle A n w e s e n d e n angefangen zu lachen, u n d sie sei beschämt v o n dort w e g g e g a n g e n (& nescivit facere m e l i o r a m e n t u m predictum, & tunc illi qui erant présentes inceperunt ridere, & ipsa fuit verecundata & recessit inde) . . . « 1 0 4

Hier wird das melioramentum als Gruppenkennzeichen deutlich: Wer nicht dazugehört, kann auch das melioramentum nicht und wird zum Verlassen aufgefordert 105 . Der Zeugin gegenüber wurde dies durch gemeinsames Auslachen, also vermutlich sehr wirksam, sanktioniert. 102 Das zeigte sich ja auch in der schon zitierten Bemerkung des Petrus Auterii zu Petrus Maurini anlässlich dessen conventio: Nun, wo Petrus Maurini das melioramentum gemacht habe, werde er, der perfectus ihn auch unter allen Umständen rezipieren. Mit dem Ritual des melioramentum war also eine entscheidende Grenze überschritten: Wer soweit ging, den perfectus kniefällig um seinen Segen und seine Fürbitte zu bitten, hatte durch eine klar bezeichenbare Handlung und mit entsprechenden emotionalem Konsequenzen für sich selber die Grenze des unverbindlichen Interesses zum Katharismus überschritten und war tatsächlich credens geworden — eine Entscheidung, die aber immer wieder neu bestätigt und eingeschärft werden mußte. 103 Dieser Beleg widerspricht somit A. PALES-GOBILLARD, die in C, 65 schreibt, daß »le néophyte apprendra à exécuter le rite du melioramentum chaque foi qu'il rencontrera un ministre de la secte. « 104 T i 192 f. 105

Die Reaktion der übrigen credentes ist weniger harmlos, als sie auf den ersten Blick aussieht: gerade das Auslachen, auf das Raymunda an der zitierten Stelle mit Scham reagiert, ist eine emotional besonders wirksame Form des Ausschlusses aus der Gruppe - Raymunda geht dannja auch.

melioramentum

241

Die Funktion des melioramentum bestand also einerseits in der Festigung und Stabilisierung der in der conventio geschlossenen Seelsorge- und Erlösungsbeziehung perfectus - credens und konstituierte zum andern die credentes rituell als Gruppe von Menschen, die eine solche Beziehung eingegangen waren. Sie hatte zugleich Arkan- und gemeinschaftsbildenden Charakter. Durch die enge Verbindung mit der conventio (Hinweis auf das consolamentum in vielen Fällen im melioramentum) sowie ihre besondere, die Abhängigkeit des credens vom perfectus deutlich inszenierende Form verankerte das melioramentum dies immer wieder im Denken und Fühlen der credentes. N u n ist es sicher nicht ohne Bedeutung, daß dieser Ritus eben den Namen »melioramentum« (also: Verbesserung) trug. Duvernoy vermutet einen Zusammenhang zwischen diesem Begriff und der Vorstellung, daß der perfectus Träger des »bonum«, des Guten, sei, kraft dessen er im Unterschied zu normalen Menschen in der Lage sei, überhaupt etwas für die credentes zu bewirken 106 . In der Tat kann er zeigen, daß »bonum«, »be« (okzitanisch für bonum) »habere bonum«, »habere entendensa (oder >entendementbenedicite 447. 161 Ebenda. 162 Neben den hier zitierten enthält besonders P zahlreiche weitere Beispiele für den Glauben an das Weiterleben und Umgehen der Seele nach dem Tode, die hier im einzelnen nicht untersucht werden können. 163 PI, 448.

Das consolamentum

/ die receptio

257

Bemerkenswert an dieser Position ist zunächst der Seelenbegriff, der ihr zugrunde liegt, und hier ausdrücklich formuliert wird: Die Seele ist nicht, wie im Katharismus und Katholizismus, der eine immaterielle Realität bezeichnende Gegenbegriff zum Körper, sondern besteht aus Fleisch und Knochen, Händen und Füßen etc. Man fragt sich beim Lesen dieser Aussage unwillkürlich, wo eigentlich der physische Unterschied einer Seele zum Leib, eines Gestorbenen zu einem Lebenden liegt. Die Antwort ist klar: Sie liegt in der bei den Toten fehlenden allgemeinen Sichtbarkeit, in der Fähigkeit zur allgemeinen Kommunikation. Die Gestorbenen, die nach dem Tod »weiterleben«, sind eben nur besonderen Menschen sichtbar, und diese Menschen haben demzufolge die wichtige Funktion, die Kommunikation mit diesen Seelen aufrecht zu erhalten. N u n ist allerdings hinzuzufügen, daß diese Position sich in einem sehr wesentlichen Punkt mit der der Katharer mindestens berührt: nämlich gerade der Körpertheorie. Zwar schließen sich an diesem Punkt Katharer und Volksreligion auch wieder aus: Nach Ansicht der Katharer wäre ein Weiterleben des Körpers nach dem Tode ein ebenso absurder Unsinn wie für die Katholiken (für letztere zumindest für die hier interessierende Zeit vor der allgemeinen Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag). Doch dies betrifft eben nur die Oberfläche. Darunter liegt die den Katharern und der Volksreligion gemeinsame Überzeugung, daß nur aufgrund des Körpers Leiden möglich ist 164 . Dies geht aus der Tatsache hervor, daß ja nur die »Seelen« böser Menschen (»malorum hominum«) nach ihrem Tode von Dämonen bestraft, und zwar körperlich gepeinigt werden. Das Beispiel des Guillelmus Fortis belegt, daß der Glauben an das Fortleben der Seele nach dem Tode in der Religion des Hochlandes weite Verbreitung hatte und daß dieser unabhängig davon existierte, ob die ihm anhängenden Menschen katholisch oder katharisch waren. Es muß sich dabei um einen allgemein akzeptierten religiösen Hintergrund gehandelt haben, auf dem sich je nach Situation eher katharische oder eher katholische Formen der Religion entwickelten, wie sich aus den Quellen auch belegen läßt. 165 Leider wird in dem genannten Beispiel nicht erläutert, was die Angehörigen gegen die Qualen ihrer Verwandten tun können bzw. ob ein solcher Eingriff in die Strafe für die »Seelen« gestorbener böser Menschen überhaupt möglich und wünschenswert ist. Da aber die Position des Guillelmus Fortis im Hochland nicht vereinzelt dastand (wie ja schon aus der zitierten Quelle selber hervorgeht), sind wir in der Lage, diesen Teil der Volksreligion noch präziser zu beschreiben und dabei auch 164 In der unten diskutierten Lehre des Petrus Auterii steht der Körper eindeutig im Dienst des Teufels, dessen Werk er im übrigen auch ist. Seine Funktion besteht im Vergessenlassen der eigentlichen himmlischen Heimat, der »requies«, für die Seele, welches durch die über die materiellen, also leiblichen Bedürfnisse vermittelte Anhaftung der Seele an die Welt geschieht. 165 Ein weiteres Beispiel für sehr ähnliche Vorstellungen ist der Gedanke des Guillelmus Austatz aus Ornolac, (der damit ebenfalls keineswegs eine katharische Position wiedergibt), es müsse schon deshalb eine Seelen Wanderung geben, weil es sonst auf der Erde eine Überfülle an Seelen gebe (PI, 191), vgl. dazu näher unten in Abschnitt 6.2.4.2.

258

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

die Frage nach der Rolle des zur Kommunikation mit den Seelen Verstorbener Befähigten zu beleuchten. Hierbei wird deutlich werden, in welchem Ausmaß die hier verfolgte Seelen-Religion verbreitet war und wie stark sie als Unterströmung sowohl im Katholizismus wie auch im Katharismus wirkte. Denn wie wir erfahren, gab es auch nördlich des Hochlands und in eindeutig katholischem Zusammenhang ähnliche Vorstellungen, wie das folgende Beispiel zeigt: 5 . 7 . 1 . 2 Arnaldus

Egidii,

genannt

»en Botelher«,

aus

Pamiers166

Arnaldus Egidii wurde im März 1320 vor das bischöfliche Inquisitionsgericht in Pamiers zitiert, weil verschiedene Zeugen über ihn ausgesagt hatten, er pflege nach eigenen Angaben Kommunikation mit den Seelen (»animae« 167 ) Verstorbener. Mit keinem Wort geht aus seiner Aussage hervor, daß er in irgendeiner Weise katharische Sympathien hatte. Der den Bischof zunächst interessierende dogmatische Grund, ihn zu verhören, lag in der Ansicht des Arnaldus Egidii, keine Seele werde vor dem Jüngsten Tage endgültig verdammt - eine Position, die er nach seiner Aussage vom Geist eines verstorbenen Kanonikers der Kirche St. Antoninus in Pamiers, Atho de Unzenato, bei einer nächtlichen Unterhaltung übernommen hatte. Im Grunde leugnete Egidii unter Berufung auf den Geist des Kanonikers jegliche Möglichkeit zur Verdammung einer Seele (sowohl vor als auch nach dem Jüngsten Tag), da Christus für alle Seelen bereits Genugtuung geleistet habe 1 6 8 . Diese Frage steht dann auch im Mittelpunkt des Prozesses 169 . Wir haben es also hier, und das interessiert zunächst, wiederum mit jemandem zu tun, der zur Kommunikation mit Geistern fähig ist. Daß diese Fähigkeit von der katholischen Kirche inkriminiert wird, zeigt, daß nach dem von ihr vertretenen bzw. durchzusetzenden Weltbild eine solche Kommunikation verboten (oder aber gar nicht möglich) ist. Schaut man nun die Berichte über die Begegnungen des »en Botelher« mit den Verstorbenen an, so findet sich fast regelmäßig deren Bitte an die Verwandten, etwas für sie zu tun, was vor ihrem Tod nicht mehr erledigt worden war. So bittet z. B. der Geist der Barchinona de Calmellis den Angeklagten, er möge ihre Tochter Barchinona, die Frau des Guillelmus de Lobenchis, in ihrem N a m e n 166 Die Akten seines Inquisitionsprozesses finden sich in P I, 128—143. Das Kommunizieren mit Seelen Verstorbener war ein in Pamiers im Untersuchungszeitraum nicht unbekanntes verbreitetes Phänomen, für dasj. M. VIDAL, Une secte des spirites à Pamiers en 1320, in: Annales de Saint-Louis-des-Francais, publication trimestrielle d'études et travaux de chapelains, 3 (1899), S. 285-345 weitere Beispiele heranzieht. 167 Z u m Beispiel P I, 131: » . . . vidit animam Barchinone matris Arnaldi de Calmellis de Appamiis . . . « und öfter. 168 » . . . dixitetiamei, quod anima nullius hominis dampnaretur usque ad diem iudicii, necpost etiam aliqua dampnaretur, quia Christus fecerat eos ad similitudinem suam et redimerat eos sanguine suo, et quod non timerent nec ipse nec alii de dampnacione . . . «, PI, 129 f. 169 Das geht aus dem Ablauf des Prozesses hervor. Am Schluß muß der Angeklagte eine ganze Reihe von katholischen Glaubensartikeln, die sich um das Schicksal der Seele nach dem Tode drehen, beschwören, P I , 140-142.

Das consolamentum

/ die receptio

259

um Verzeihung dafür bitten, daß sie sie zu Lebzeiten nicht dazu veranlaßt habe, zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Sie habe das nicht getan, weil ihr die Hilfe der Tochter so bequem gewesen sei, worüber sie jetzt, nach ihrem Tod, große Schuldgefühle empfinde: » Sie sagte zu ihm, er solle zu ihrer Tochter Barchinona gehen und ihr ausrichten, sie fühle sich wegen keiner Schuld so beschwert (quod de nulla culpa sentiebat se ita gravatam) wie von der, daß sie diese ihre Tochter nichtins Haus ihres Ehemanns zurückgeschickt habe. . . . Als aber Arnaldus dies der Barchinona (also der Tochter), berichtete, antwortete diese, er solle ihre Mutter fragen, warum sie sie nicht zu ihren Lebzeiten ins Haus ihres zuvor genannten Ehemanns zurückgeschickt habe . . . worauf diese antwortete, die Hilfe ihrer Tochter, die diese ihr erwiesen habe, habe ihr sehr gefallen...« 1 7 0 .

Die Verstorbene selber bittet dann ihre Tochter über Arnaldus Egidii als Vermittler, als Bußwerk für ihre Seele einige Arme drei Tage lang speisen zu lassen. Als dies geschehen ist, sieht tatsächlich der Angeklagte den Geist der Barchinona nicht mehr: »... und er tat, wie ihm aufgetragen worden w a r . . . und, wie er sagte, sah er danach diese Barchinona nicht mehr, weil sie nun zur Ruhe gekommen war (... postea non vidit dictam Barchinonam predictam quia ivit ad requiem)« 1 7 1 .

Die Sache ist also folgendermaßen verlaufen: Arnaldus Egidii nahm von sich aus, ohne von ihr darum gebeten worden zu sein, mit Barchinona Kontakt auf und berichtete ihr über die Erscheinung ihrer Mutter und deren Anliegen. Nach diesem Ablauf ist also eine Erklärung des vorliegenden Phänomens nur aus einer Projektion der Tochter (etwa verdrängter Wut auf die Mutter) unmöglich. Die Tochter erkundigt sich vielmehr erstjetzt nach dem Grund für die Schuldgefühle der Verstorbenen und erfährt etwas über sie. Als sie die vom Geist der Mutter geforderte Bußleistung erfüllt hat, hört deren Kommunikation mit dem Medium, Arnaldus Egidii, prompt auf. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Vorgangs liegt in der Funktion des Mediums, also des hier Angeklagten. Dieser ist wesentlich dadurch qualifiziert, daß er etwas »sehen« 172 kann, was andere nicht »sehen«. Im vorliegenden Fall erfuhr er vom Geist der Mutter etwas über eine schwerwiegende Verletzung der familiären Verpflichtungen von Mutter und Tochter — die Tochter vernachlässigte die Wirtschaft ihres Ehemannes, die Mutter verhinderte den Auszug der Tochter aus dem elterlichen Haus, weil sie ihre Hilfe dort schätzte. Damit war nun ein Grundpfeiler des Versorgungs- und Wirtschaftsmodells der domus verletzt, demzufolge zwar einerseits Töchter eine Belastung darstellen, da die domus für sie die dos, die Mitgift aufbringen mussten, andererseits damit aber dann die Töchter auch »ausgesteuert«, d. h. außerhalb der domus versorgt waren. Barchinona verletzte diese Grundregel durch ihr Verhalten und gefährdete damit 170

PI, 131. PI, 131. 172 Auf die kommunikative, theologisch und weltanschaulich aufgeladene Bedeutung des »Sehens« der »visio« wurde oben, 5.1 bereits verwiesen. 171

260

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

natürlich mehr als nur ihr eigenes Wohlergehen: Ihr Verhalten stellte eine öffentlich gelebte Alternative zum gültigen Verhaltensmodell und damit eine Gefahr für dieses dar, wobei die von ihr favorisierte Alternative, nämlich das Verbleiben der Tochter im mütterlichen Haus, ökonomisch nahelag, wenn man die Sache aus dem Blickwinkel des Überlebens der subsistenzwirtschaflichen domus ansah 173 . O b hierbei noch etwas anderes, nämlich etwaige Reste matriarchalischer, dh. im vorliegenden Kontext vor allem matrilokaler Traditionen eine Rolle spielen, ist nicht mehr dingfest zu machen, liegt aber nahe 174 . Wir sehen hier folglich eine soziale Regelverletzung, die für die Allgemeinheit in ihrer zeitgenössischen Verfaßtheit um so gefährlicher war, als sie nahelag. Arnaldus Egidii übernahm folglich die Funktion einer die Interessen der im domus - Verband lebenden Allgemeinheit gegenüber den partikularen Interessen einer einzelnen domus wahrnehmenden und ausgleichenden Instanz. Er war so etwas wie das kollektive Gewissen der domus - Gesellschaft, wenn er den geschehenen Regelverstoß thematisierte (ihn »sah«) und der Tochter gegenüber auf einen »Ausgleich« drang. Das Wahrnehmen und das Drängen auf Ausgleich des Verstoßes waren für ihn zugleich offenbar von persönlicher Bedeutung. Er war es ja, der zunächst als einziger den Regelverstoß als solchen wahrnahm, indem er den Geist der Mutter »sah«, er war es auch, der das Ausmaß des Ausgleichs festlegte, indem er die Mutter die Buße für die Tochter nennen ließ, und er war es endlich, der nach vollzogener Buße wieder seine Ruhe hatte - man muß also weitergehend interpretieren: Er war es, der die Schuld der Mutter selber »spürte«, indem ihm ihr Geist erschien und ihm davon erzählte. Arnaldus Egidii war also keineswegs unbeteiligt an dem ganzen Vorgang - in gewissem Sinne war er der erste und einzige, der die Situation tatsächlich selber spürte, sie existentiell erfuhr. Warum aber ging nun die Tochter überhaupt auf das Ansinnen des Arnaldus Egidii ein? Schließlich hätte sie den Geist der Mutter ja ruhig weiter von Schuldgefühlen beladen sein lassen können!

173 N u r einige Kilometer südlich von Pamiers stellte der Pfarrer von Montaillou, der katharische credens Petrus Clerici, die These auf, die dos ruiniere die domus. Viel besser sei es doch, die Töchter blieben zu Hause und heirateten ihre Brüder, stellten folglich ihre Arbeitskraft der eigenen domus zur Verfügung und ersparten dieser die Last der Aufbringung der dos (PI,

226). 174 DUVERNOY, La noblesse du comté de Foix au début du XlVe siècle, S. 136 vermutet im zeitgenössischen Eherecht »traces encore vivantes de matriarcat«. Dies bestätigt in gewisser Weise A. STRATING, De domus als huishoudgroep, S. 120 durch seine Kritik an Laduries eigentümlicher Verwendung des Begriff der Matri- oder Patrilokalität. STRATING stellt fest, daß in einigen Fällen Frauen die väterliche domus erben konnten, während in anderen Fällen die domus im Fall des Fehlens männlicher Erben an den Schwiegersohn überging. Vielleicht spiegeln sich im Nebeneinander beider Möglichkeiten ebenfalls noch mutterrechtliche Reste. Die Frage des Übergangs matriarchaler zur patriarchalen Gesellschaftsorganisation in den untersuchten Quellen ist ebenso ein Desiderat wie eine genauere Untersuchung der Frauenfrage im Licht dieser Quellen überhaupt.

Das consolamentum

/ die receptio

261

Liest man diese Geschichte aus dem Blickwinkel des Interesses der Überlebenden, so kann sie eigentlich nur verstanden werden, wenn man annimmt, daß vermutlich Barchinona, die Tochter, wegen der Aggressionen, die sie ihrer Mutter gegenüber wegen deren vereinnahmenden Verhaltens zu Lebzeiten hatte, und die sie nun, da die Mutter tot war, nicht los wurde, Reue empfand, die sie los werden wollte, indem sie Buße tat. Hinzu kam vielleicht die auch in ihr selbst empfundene Dissonanz zwischen dem gesellschaftlich Üblichen und ihrer eigenen Handlungsweise. Arnaldus Egidii bot sich in dieser Situation als Vermittlungsinstanz für die zur Lösung des Problems notwendige Kommunikation mit der Verstorbenen und so für die Beseitigung des Konflikts überhaupt an. Mit der Buße der Tochter für die Schuld der Mutter 1 7 5 (aber auch für die eigene) war nun offenbar nach allgemeiner Ansicht die Sache erledigt, indem durch die Armenspeisung ein öffentlich wahrnehmbarer Ausgleich für das »Fehlverhalten« der beiden Frauen erbracht worden war. Anders läßt sich diese Lösung aber auch für die Interessenlage der Tochter nicht erklären: Ginge es allein um die Frage der Schuldgefühle der Mutter, so wäre das Ansinnen an die Tochter, nun auch noch drei Tage lang aus deren Tasche die Armen speisen zu lassen, völlig absurd, da sie eine weitere, zusätzliche Belastung der von Schuldgefühlen gepeinigten Seele der Mutter zur Konsequenz haben müßte. Die Lösung läuft genau umgekehrt: Die Tochter zahlt selber und ist damit ihre eigenen (zu vermutenden) Schuldgefühle los, die sie wegen ihrer Wut auf die inzwischen tote Mutter hatte. Damit ist ein Indiz dafür da, daß diese Schuldgefühle nur die Oberfläche eines anderen Gefühls, eben der Aggressionen, waren, das der Tochter vermutlich im Lauf des ganzen Prozesses unbewußt blieb, eines Gefühls der Wut, das als auf die Mutter projiziertes Schuldgefühl, das diese angeblich empfände, erschien. Trotz der Unkenntnis über diese Struktur ist es aber gelungen, den Konflikt zur allseitigen Zufriedenheit zu lösen - die Mutter ist nun im Requiem, will sagen: die Tochter hat ihre Ruhe, und auch Arnaldus Egidii erscheint der Geist der Mutter nicht mehr. Er ist somit durch seine Vermittlung »aus der Welt geschafft« worden. Was dieses zweite Beispiel über das erste hinaus in Deutlichkeit belegt, ist die offenbar weithin verspürte Notwendigkeit, der Seele eines Verstorbenen auf

175

Die Parallelen im spätmittelalterlichen Seelenmessen- und Ablaß wesen liegen auf der Hand: Auch hier ist es die Angelegenheit der Angehörigen, nach dem Tod der Verwandten für den Ausgleich ihrer Sünden zu sorgen. Durch die dieses stellvertretende Aufsichnehmen einer Sündenstrafe ermöglichende Konstruktion, nämlich die Vermittlung der in kirchlicher Verfügungsgewalt liegenden Gnadenschätze, die Christus und die Heiligen erworben haben, ist die im vorliegenden Fall sich abzeichnende Position allerdings zugleich institutionalisiert wie auch privatisiert, ihres öffentlichen Charakters beraubt worden.

262

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii und seiner credentes

rituelle Weise requies 1 7 6 zu verschaffen 1 7 7 , daß es sowohl die Öffentlichkeit als auch besonders die Angehörigen (und nicht so sehr der Sterbende oder gar Tote) sind, die diese rituelle Hilfe brauchen, sowie, daß diese Vorstellung ihre funktionale Wurzel in der Form des familiären Zusammenlebens hatte, genauer, in den hier notwendig entstehenden Konflikten der Familienmitglieder untereinander. Offenbar kristallisierte sich sowohl das gesellschaftliche Interesse nach Ausgleich (und damit nachträglicher Bestätigung) verletzter Normen wie auch das Abschiedsproblem der Angehörigen und der Verwandten an einer Vorstellung heraus, die nun auch mit dem katharischen Ritual des consolamentum aufs engste zusammengehört, der Seele (anima) des oder der Verstorbenen, einer Größe, die in diesem Zusammenhang ein B e g r i f f für offengebliebene Rechnungen aller Art war, sowohl für die gesellschaftliche Ebene, auf der Verstöße des oder der Verstorbenen im allgemeinen Interesse auszugleichen waren, wie auch für die Gesamtheit aller den Verwandten unbewußten bzw. aufgrund der hohen gegenseitigen Abhängigkeit voneinander zu Lebzeiten besser nicht thematisierten Beziehungsanteile zum Verstorbenen war 1 7 8 : Wenn dessen Seele kraft eines Büßwerks nach dem Tode sofort in den Himmel (und damit an einen viel besseren O r t als diese teuflische Welt) zurückkehrt, muß sie natürlich nicht mehr hier auf Erden umgehen. Ü b e r ihren Verbleib brauchen sich die Angehörigen keine Gedanken mehr zu machen. Zieht man diese Parallele in Betracht, so zeigt sich die auf die Familie bezogene, seelsorgerliche Funktion des katharischen consolamentum: der perfectus entlastet durch das consolamentum die Familie von der Angst, dauerhaft mit den eigenen zwiespältigen Gefühlen, die dem verstorbenen Verwandten gelten, konfrontiert zu werden. E r hilft auf diese Weise, die Abschiedssituation der Verwandten von einem Sterbenden zu bewältigen - und sicher erleichtert er 1 7 6 P I, 131 und öfter in dieser Aussage. Auffälligerweise spielt der B e g r i f f der requies auch eine Rolle in der Seelenlehre des Petrus Auterii: In der requies waren die Seelen seit ihrer Schöpfung durch den »pater celestis«, sie verloren diesen Zustand durch ihren Sturz aus dem Himmel, werden aber am Ende einer Reihe von Inkarnationen wieder in sie eingehen, vgl. unten Abschnitt 6.2.7. Der Zusammenhang von consolamentum und Rückkehr der Seelen in die ursprüngliche requies ist direkt belegt im Zusammenhang mit Guillelmus Auterii, der zu der Tochter einer in der endura Verstorbenen sagte: . . . quod multum gaudere debebant quia mater eius erat recepta, quia propter dictam recepcionem erat salvata, et statim post mortem iret ad terram requiei . . . « ( P I , 503 £). 1 7 7 Diese Formulierung trifft auf die Vorstellungsebene der Betroffenen zu. Faktisch allerdings war es umgekehrt: Die Hinterbliebenen brauchten und erhielten die Ruhe selber, nämlich durch die rituelle Handlung, und zwar die Ruhe, die sie vorher aufgrund der zu Lebzeiten der Verwandten mit diesen nicht gelösten Konflikten nicht hatten. 1 7 8 Hiermit soll in keiner Weise eine erschöpfende Theorie des Vorstellungskomplexes dessen, was zeitgenössisch bei den katharischen Theologen und credentes die Seele genannt wurde, gegeben werden. Es geht nur um die Erklärung des aus den Quellen eindeutig hervorgehenden und bisher nirgendwo verhandelten Sachverhaltes, daß die Frage, ob ein credens das consolamentum erhält oder nicht (eine Frage, die nach der katharischen Theologie zu keinerlei Diskussion Anlaß geboten hätte), in der Praxis eben doch häufig umstritten war. Dieser Widerspruch liefert den Schlüssel für die Funktion des perfectus beim consolamentum.

Das consolamentum

/ die

receptio

263

auf diese Weise auch dem Sterbenden selber den Tod. Adressat des Rituals ist also nicht nur der Sterbende, sondern implizit auch dessen Verwandtschaft. Damit ist klar, daß die Funktionen des perfectus und des Geistersehers Arnaldus Egidii einander äquivalent waren. Es ist eine Parallele zu konstatieren zwischen dem perfectus und dem von ihm im consolamentum vermittelten zentralen katharischenHeilswerk einerseits, und dem »Geisterseher« andererseits, wie er in der Volksreligion der Region überliefert ist, in der sich der hier untersuchte Katharismus so rasch wieder ausbreitete. Beide haben das Geleiten der Seele aus der Welt und die Bearbeitung von Problemen, die sich aus dem Abschied Sterbender von ihren Verwandten für diese ergeben, als zentrale Funktionen. Eine allgemeine religionsgeschichtliche Parallele kann hier nur angedeutet werden. Katharismus und Volksreligion haben eine weltanschauliche Gemeinsamkeit im (in sich jeweils zu differenzierenden) Glauben an die Fortexistenz der Seele nach dem Tod. Dieser gemeinsame Nenner ist nun seinerseits offenkundig mit dem Weltbild des anscheinend ferneliegenden Schamanismus verwandt. Die funktionale Parallele der Aufgabe des perfectus, des Geistersehers nach dem Muster des Arnaldus Egidii und der entsprechenden des Schamanen ist religionsgeschichtlich sehr aufällig 179 . Die Funktion des Schamanen besteht neben der Krankenheilung darin, im Falle des Todes eines Menschen dessen Seele in die 179 Ein unmittelbar vor Abschluß dieser Untersuchung erschienener Artikel bestätigt die vorgetragene Vermutung. G. SEIBT, Vernunft der Erzählung - Inquisitor der Urreligion«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.3.1988, S. 35 f, diskutiert die Ergebnisse, die CARLO GINZBURG in seinen Untersuchungen über die Volksreligion in Friaul im 16. und 17. Jahrhundert aufgrund von Akten besonders der Inquisition von Udine in seinen Büchern »Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600«, aus dem Italienischen von K. F. HAUBER, Frankfurt/ Main, 1979; und »Die Benandanti. Feldkulte und Hexenwesen im 16. und 17. Jahrhundert«, aus dem Italienischen von K. F. HAUBER, Frankfurt/Main 1982, vorgelegt hat und weist ebenfalls auf Verbindungen der hier zutage tretenden Volksreligionen zum Weltbild des Schamanismus hin: »Ginzburg beschränkt sich nicht auf die zentralen Vorwürfe der kirchlichen O b r i g k e i t e n . . . ihm fällt auf, daß einzelne Elemente dieser Vorstellungen . . . erstaunliche Analogien zu sibirischen Schamanenkulten darstellen. Deuten diese Analogien auf einen gemeinsamen Ursprung? Diese Frage eröffnet mit einem Schlag ein Forschungsgebiet von wahrhaft verwegenen Dimensionen. Denn wenn man sie bejahen könnte, dann wären die gestammelten Geständnisse europäischer Bauern zwischen Schottland und Friaul, zwischen Corsica und Livland, die den Richtern und Inquisitoren von nächtlichen Ausfahrten, von Kämpfen um Feldfrüchte, von Jenseitsreisen erzählten, die letzten sichtbaren Spitzen eines jahrtausendealten europäisch-asiatischen religiösen Urgesteins.« Ohne an dieser Stelle auf diese Debatte eingehen zu wollen, soll doch prinzipiell angemerkt werden, daß die von SEIBT angedeutete Erklärungsmöglichkeit nicht die einzig denkbare ist: Möglich wäre auch, daß es in vergleichbaren urgesellschaftlichen Verhältnissen zu ebenso vergleichbaren und einander höchst ähnlichen religiösen Erscheinungen kommt, schamanistischen nämlich, die darum jedoch nicht direkt historisch aufeinander zurückfuhrbar sind. Gerade in Gebieten, die am Rande der gesellschaftlichen Entwicklung liegen, halten sich solche Formen vielleicht besonders zäh, ohne unmittelbar aufeinander eingewirkt zu haben. Ein Indiz für diese Erklärungsmöglichkeit liegt in dem Material, das M. ELIADE in seiner einschlägigen Untersuchung zum Schamanismus (s.u.) aus geographisch außerordentlich weit auseinanderliegenden Gebieten (neben der eurasischen Landmasse auch N o r d - und Südamerika, Südostasien und Polynesien) gesammelt hat. Wie soll man sich in lange zurückliegender Zeit in diesem riesigen Gebiet den Transport religiöser Ideen vorstellen?

264

Die Ritualpraxis

des Petrus

Auterii

und seiner

credentes

Totenwelt zu geleiten und sie dadurch an der Wiederkehr ins Reich der Lebenden zu hindern 180 . Beides kann er nur tun, weil er allein derjenige ist, dessen Seele ungestraft den Körper verlassen kann, in die Unterwelt vordringen und in den Himmel aufsteigen kann 181 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die von E. R. Dodds formulierte These der Existenz eines antiken griechischen Schamanismus, der auf den Kontakt skythischer und thrakischer Griechen mit der schamanistischen Kultur zurückgehe, die sich in archaischer Zeit von Skandinavien über ganz Eurasien, Sibirien und im Süden bis Indonesien erstreckt habe. Ihr entscheidendes Kennzeichen sei der Glaube gewesen, die Seele des Schamanen sei zum Verlassen seines Körpers befähigt, sei deshalb Träger übernatürlicher himmlischer Weisheit und in der Lage, in Himmel und Unterwelt zu fliegen und zurückzukehren 182 . Mit dem Schamanismus ursprünglich verbunden war auch 180 Das wohl bekannteste und elaborierteste Beispiel für diese Vorstellung ist das aus dem Bereich des tibetischen Lamaismus stammende Buch Bardo-Thödol, eines den Weg der Seele aus dem Körper beschreibenden Werkes, dessen Hauptanliegen die Sicherung des rituell richtigen Todesrituals für den Sterbenden ist, wobei der Guru als Führer der Seele fungiert, ihr ihre Existenz beim Übergang vom Leben zum Tod erklärt und den Weg weist (vorausgesetzt ist also, daß er selber ihn schon kennt, eine typisch schamanistische Vorstellung, s.u.), vgl. Das tibetanische Totenbuch oder die Nachtod-Erfahrungen auf der Bardo-Stufe, nach der englischen

F a s s u n g d e s L a m a KAZI DAWA-SAMDUP, h e r a u s g e g e b e n v o n W . Y . EVANS-WENTZ, n e u b e a r b e i t e t , k o m m e n t i e r t u n d e i n g e l e i t e t v o n L a m a ANAGARIKA G O V I N D A , ü b e r s e t z t v o n L . G Ö P F E R T -

MARCH, mit einem Geleitwort und einem psychologischen Kommentar von C. G. JUNG und einer Abhandlung von SIR JOHN WOODROFFE, Ölten und Freiburg i. Br., 6. Auflage 1982. Auch der hier niedergeschriebene Vorgang schildert übrigens eine Seelsorgebeziehung zwischen Guru und Sterbendem, die verblüffende Ähnlichkeiten zum consolamentum und seiner Vorgeschichte in der conventio hat. So ist es für den Vollzug des im Bardo-Thödol geschilderten Ritus notwendig oder mindestens wünschenswert, daß der den Ritus Vollziehende der persönliche Guru des Sterbenden war (ähnlich wie in der Regel derjenige perfectus das consolamentum vollziehen sollte, dem ein credens die conventio gemacht hatte): »Am besten ist es, wenn der Guru, von dem der Verstorbene leitende Belehrungen erhalten hat, zu haben ist; wenn der Guru aber nicht zu haben ist, dann ein Glaubensbruder . . . « (aaO., S. 165 f), gleich ist auch die Bedeutung eines während des Sterbens vorzulesenden Textes. 181 Vgl. M. ELIADE, Schamanismus und archaische Ekstasetechnik, Frankfurt/M. 1975, S. 177 ff und M. OPPITZ, Schamanen, Hexen, Ethnographen, in: H. P. DUERR, Der Wissenschaftler und das Irrationale, Erster Band: Beiträge aus Ethnologie und Anthropologie I, Frankfurt/M. 1985, S. 35-57; derselbe, Schamanen im Blinden Land, ein Bilderbuch aus dem Himalaya, Frankfurt/M. 1981, sowie seinen gleichnamigen Film, in dem Initiation und Arbeit nepalesischer Schamanen gezeigt wird. 182 Die Parallele dieser Vorstellungen mit der Erzählung vom zum Himmelsaufstieg befähigten ProphetenJesaja bzw. des perfectus, wie sie uns in der oben Abschnitt 5.1 diskutierten Predigt des Belibasta über die Visio Isaiae entgegentritt, ist wiederum deutlich. M. ELIADE weist darauf hin, daß sieben und neun die typischen Zahlen der schamanistischen Kosmologie sind, vgl. M. ELIADE, aaO., S. 263ff. Das erinnert an die Siebenzahl der in der »Visio Isaiae« durchflogenen Himmel sowie an die von einigen perfecti (nicht von Petrus Auterii) vertretene Begrenzung der möglichen Reinkarnationen einer Seele auf sieben oder neun. All diese möglichen traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge müßten genauer untersucht werden, als das im Rahmen dieser Untersuchung zur Debatte stehen kann. Als weiteres Desiderat für die Erforschung der vorliegenden Quellen wäre also eine gründliche Untersuchung der Volksreligion des Untersuchungsgebietes zu nennen.

Das consolamentum

/ die receptio

265

der Glaube an die Reinkarnation, seinerseits nur denkbar auf dem Boden der grundlegenden Prämisse des schamanistischen Weltbildes: der prinzipiellen dualistischen Unterscheidung von Leib und Seele. Dodds sieht im griechisch adaptierten asiatischen Schamanismus den über mehrere Vermittlungsstufen herausgebildeten Ansatzpunkt für den platonischen Dualismus von Leib und Seele, der dann seinerseits als »ererbtes Konglomerat« konstitutiv für das abendländische Menschenbild geworden sei 183 . All dies erinnert an den Katharismus, besonders an die wesentlichen anthropologischen Prämissen des Weltbildes seiner Lehre, reicht aber natürlich nicht zu einer historischen Ableitung des Katharismus aus dem Schamanismus hin 1 8 4 .

5.7.2

Der Ritus des

5.7.2.1

consolamentum

Ankunft des perfectus, Bedingungen Jür das consolamentum

Petrus Auterii erreichte das Haus eines Kranken, der das consolamentum erhalten wollte, auf die für das Hospizsystem übliche Art und Weise, dh. meist nachts und gefuhrt durch einen Wegbegleiter, dem die Umstände über das entsprechende Hospiz bekannt waren. Das geht aus verschiedenen Aussagen hervor, so etwa besonders deutlich aus einem Bericht über den Bruder des perfectus, Guillelmus Auterii: »... der perfectus Guillelmus Auterii kam im Lauf der Nacht nach Tarascon zum Haus Petrus' de Galhaco des Älteren, wo Galharda, die Ehefrau dieses Galhaco, krank darniederlag. Und dann kam dieser Petrus zu dem Zeugen (die Aussage stammt von Guillelmus de Rodesio aus Tarascon) und sagte ihm, Guillelmus Auterii sei in seinem Haus und wolle ihn sehen. Der Zeuge ging daraufhin sofort mit Petrus zu dem perfectus und fand ihn in einem Zimmer von dessen Haus. Und als er ihn begrüßte, fragte er ihn, wann und warum er gekommen sei. Darauf antwortete der perfectus, er sei gekommen, die erkrankte Galharda in seinen Glauben oder seine secta aufzunehmen. Er sei nun drei Tage hier und erwarte ihren Tod. Befragt, ob der perfectus (noch) lange dort auf den Tod der Kranken gewartet habe, antwortete er, er habe sich dort wohl acht Tage aufgehalten, bis sie gestorben sei.« 185

Zu den Sicherheitsmaßnahmen der perfecti zu ihrem eigenen Schutz wie auch zum Schutz der Familie des Erkrankten gehörte es unter Umständen auch, daß der

183 Vgl £ R. Dodds, Die Griechen und das Irrationale, Darmstadt 1970, besonders S. 72-91. 107-140. 184 Zu untersuchen wäre freilich die Wirkung des schamanischen Weltbildes als »Hintergrund« im Sinne eines nicht bewußten, aber dennoch in besonderen Situationen weithin selbstverständlich thematisierten Elements der Tiefenstruktur der Wirklichkeitsauffassung schon in ideologischen Strömungen der Antike, die dann unter gegebenen Umständen auch im Mittelalter erneut mobilisiert wurde, vgl. zu dieser Begrifflichkeit G. Dux, Ursprung, Funktion und Gehalt der Religion, in: Internationales Jahrbuch für Religionssoziologie 8 (1973), S. 7 ff; ders., Die Logik der Weltbilder. Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte, Frankfurt/M. 1982. 185

C , 144.

266

Die Ritualpraxis des Petrus Auterii und seiner credentes

perfectus sich auf dem Weg dorthin verkleidete 1 8 6 . Entsprechend sah die Praxis des Petrus Auterii aus 1 8 7 . War der perfectus im Hospiz oder zumindest in der Nähe des oder der Sterbenden, so wurde das consolamentum dennoch keineswegs sofort vollzogen. Denn nun kam es ihm zunächst darauf an zu prüfen, ob die kranke Person in einem Zustand sei, der den Vollzug des Rituals erlaube. So hören wir im Fall des Guillelmus Issaura aus Larnat aus dem Mund seines Bruders: » B e f r a g t , w a s dieser perfectus dann getan habe, a n t w o r t e t e er, er h a b e s o f o r t seinen erkrankten B r u d e r G u i l l e l m u s sehen u n d ü b e r p r ü f e n (videre et visitare) w o l l e n und, da er ihn d a m a l s in einem recht g u t e n Z u s t a n d (satis in b o n o statu) g e f u n d e n habe, h a b e er g e s a g t , er solle n o c h bis zur N a c h t w a r t e n . . . « 1 8 8

Petrus Auterii prüfte also den Zustand des Kranken und, da er ihn »satis in bono statu« fand, wartete er lieber noch eine Weile ab 1 8 9 . Wie sich aus der Analyse der Quellen ergibt, war der Zeitpunkt für das consolamentum genau richtig zu wählen: Der Kranke durfte weder zu stark dafür sein 1 9 0 , denn dann stand zu befürchten, daß er sich möglicherweise noch einmal erholte und dann die endura abbrach 1 9 1 , er durfte aber auch nicht bereits zu schwach, etwa gar bewußtlos sein, denn nach Ansicht der perfecti war es wichtig, daß der Sterbende das consolamentum bei vollem Bewußtsein erlebte. Der richtige Zeitpunkt für das consolamentum mußte also genau bestimmt werden 1 9 2 . Die Methode, dies zu prüfen, bestand darin, daß man feststellte, ob der

1 8 6 C , 351 wird berichtet, daß sich Guillelmus Auterii auf dem Weg zum consolamentum der Galharda de Galhaco als Frau verkleidet habe. 187 Vgj z 3 t , 59: » . . . fuit adductus Petrus Auterii hereticus ad dictam infirmam (Condors Fabri aus Podium Lobri)«; ähnlich über seinen Sohn, den perfectus J a c o b u s Auterii: » . . .Guillelmus Mercaderii notarius de Garda . . . associavit de nocte J a c o b u m Auterii hereticum . . . ad d o m u m Stephane uxoris quondam Ycherti de Fenilh prope Gardam que infirmabatur, Sc requirebat dictum hereticum ut reciperet eam . . . « (T, 61). 1 8 8 C , 300. 1 8 9 Dieselbe Praxis verfolgte offenbar sein Bruder Guillelmus in dem oben angeführten Zitat, als er noch einige Tage wartete, bis er Gualharda rezipierte. 1 9 0 So heißt es beim Bericht des Guillelmus Mercaderii aus Garda über Stephania Ycherti aus Fenilh, sie sei damals von Petrus Auterii nicht rezipiert worden: » . . . & quando fuerunt ibi vidit infirmam predictam que s u r r e x i t , . . . set dicta infirma non fuit tunc recepta per dictum hereticum quia non erat nimis debilis . . . « (T, 61). 1 9 1 Belege für den Abbruch der endura in Abschnitt 5.6.2.3. Der perfectus Pradas Tavernerii sagte zu Ramundus Petri, als dieser krank war und das consolamentum haben wollte: » . . . quod adhuc non reciperet eum, nisi omnino videretur quod mori haberetur, quia si posset reconvalescere, malum esset quod reciperetur . . . « , P II, 416. Überliefert ist auch der Fall,daß ein Kranker sich wieder erholte, nachdem der perfectus bereits eingetroffen war, u m ihn zu rezipieren, was in diesem Fall dann unterblieb. So wartete Petrus Auterii im Haus des Bernardus Borelli in Bolhac acht Tage lang den Zeitpunkt des consolamentum ab - der Kranke erholte sich aber wieder (T, 87). 1 9 2 So z. B . auch abzulesen aus einer Frage des Guillelmus Auterii zu Beginn des consolamentum an Mengardis Buscalh aus Prades: » . . . petivit ab ea qualiter sibi erat, que respondit quod debiliter . . . « ( P I , 503 f), woraufhin der perfectus das Ritual beginnt.

Das consolamentum

/ die receptio

267

Kranke noch sprechen 193 oder noch trinken 1 9 4 könne. Dies war aus zwei Gründen wichtig: Z u m einen gehörte zu dem nun folgenden Ritual die Beantwortung von Fragen, die der perfectus dem Kranken stellte (s.u.), weshalb seine Fähigkeit, noch sprechen zu können, von Bedeutung war, zum anderen, und das war der tiefere Grund, war Petrus Auterii der Ansicht, man dürfe das consolamentum nur credentes geben, von denen man sicher sei, daß sie es auch bewußt wollten. Er machte also faktisch die Wirkung des Rituals von einer bewußten Willensentscheidung des Adressaten abhängig. Damit wurde zum letzten und entscheidenden Mal die bewußte willentliche Zuwendung des credens zum perfectus geprüft, die ja bereits in der conventio konstituiert und im melioramentum Mal für Mal bekräftigt worden war und die wir als entscheidendes Merkmal des Katharismus der Reorganisationsphase gekennzeichnet hatten. Dieser zu prüfende Wille bzw. seine Voraussetzung, die Fähigkeit zum Gebrauch des Verstandes, wurde von Petrus Auterii »intelligencia boni et mali« 195 , »usus racionis« 196 , »entendencia, entendensa« oder »entendement de be« genannt 1 9 7 und sollte durch die Frage danach, ob der oder die Betreffende das consolamentum wolle, festgestellt werden. Auterii war außerdem der Ansicht, diese genannten Fähigkeiten wüchsen im Menschen erst bis zu seinem 12. oder 18. Lebensjahr heran 198 , war also entschiedener Vertreter des exklusiven Erwachsenen-consolamentum: Aus der Notwendigkeit zur willentlichen Mitwirkung des credens beim consolamentum resultierte für Petrus Auterii, daß sprachunfähigen 193

Ein Beispiel für die Verweigerung des consolamentum durch Petrus Auterii wegen Sprachlosigkeit der Sterbenden findet sich T, 84: » & postquam aliquam pausam Petrus Auterii venit ad domum in qua dicta infirma jacebat, e t . . . tunc dicta infirma admiserat jam loquelam, & petivit si fecerat pactum seu convenienciam prius, & ipse & dicta Stephania responderunt quod nesciebant, & tunc hereticus dixit quod non reciperet eam, set adhuc in alia tunica & in alio corpore salvaretur...« Als Schutz des credens vor einer solchen Situation galt das melioramentum, welches man erst nach der conventio lernte, und das diese immer wieder bestätigte. Dies wurde bereits erwähnt: Als Petrus Maurini von Petrus Auterii das melioramentum erlernt (vgl. oben), erklärt ihm der perfectus, nun könne er sicher sein, daß er von ihm das consolmentum auch dann bekomme, wenn er wegen Krankheit die Sprache verloren habe und seine Fragen nicht mehr beantworten könne: »propter predicta per ipsum facta >... posuit dictum librum super unum humerum ipsius loquentis (gemeint ist Bernardus Martini aus Junac, der nach dem consolamentum nicht starb, die endura abbrach und sich 1324 vor der Inquisition dafür verantworten mußte) et postea super alium humerum . . . « (P III, 265). 216 So heißt es im Zusammenhang mit einem von Guillelmus Auterii und Amelius de Perlis

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Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

perfecti in der Umgebung des Petrus Auterii beobachtete Arkandisziplin zurückgeht, doch kann man das in Analogie zum melioramentum vermuten. Wie dem aber auch sei, wichtig ist, daß die Wirkung des consolamentum offenbar nicht vom Verständnis der dabei gesprochenen Worte abhing, und zwar weder für den Kranken noch für seine Angehörigen. Hierauf machte der perfectus vor dem Rezipierten das melioramentum 2 1 7 . Nach der Lehre des Petrus Auterii war nämlich das consolamentum derjenige Akt, in dessen Verlauf nicht nur die Sünden vergeben wurden, sondern dem Rezipierten der Heilige Geist mitgeteilt wurde, oder er das »bonum« des perfectus erhielt, das dann vom perfectus selbst auch durch das melioramentum verehrt wurde 2 1 8 . Der ganze oben geschilderte Vorgang ist für Petrus Auterii auch in seinem Zusammenhang überliefert, z. B. im Fall der sterbenden Johanna Fizansa: »ein alter M a n n (quidam senex 2 1 9 ) w u r d e nachts v o n R a y m u n d u s Vasconis . . . zu der Kranken g e f ü h r t . Diese Kranke w a r an die Wand des Hauses gelegt w o r d e n . . . E r fragte die Kranke, ob sie eine gute Christin w e r d e n wolle u n d ob sie ein gutes Ende haben wolle (petivit ab infirma si volebat fieri bona Christiana, & si volebat facere b o n u m finem). D a r a u f antwortete sie mit Ja. D a legte der perfectus ein Tuch über die Brust der Kranken u n d hielt ein Buch über sie u n d las in ihm. Danach kniete er m e h r m a l s auf einer Bank v o r dieser Kranken nieder. D a n n ging er v o n dort w e g « 2 2 0 ,

wobei die hier berichtete Praxis, die Brust der Sterbenden mit einem Tuch zu bedecken, mit dem Verbot für einen perfectus zusammenhängen dürfte, eine Frau zu berühren 2 2 1 . Damit war der rituelle Teil abgeschlossen und es folgten nun noch die mehr oder weniger detailliert überlieferten Vorschriften für die endura des Rezipierten.

durchgeführten consolamentum: »dictus hereticus posuit unum librum suum super capud dicti infirmi, in quo libro legebat quedam verba que ipse testis non potuit intelligere, quia voce submissa legebat ita quod vix poterat audire...« (C, 300); vgl. P III, 265: »... dicendo verba que ipse non intelligebat...«. Der Aussagende ist der in der vorangehenden Anmerkung erwähnte Bernardus Martini, also der zu Rezipierende selbst. Hieraus ergibt sich, daß die Worte während des consolamentums vom perfectus so leise gesprochen wurden, daß noch nicht einmal der Sterbende sie verstehen konnte, geschweige denn die Umstehenden. 217 So auch G. Auterii: »stabat flexis genibus coram ipso (dem Rezipierten)«, C, 300. 218 Z u m Charakter des consolamentum als Taufe bzw., wie Petrus Auterii in polemischer Abgrenzung gegen die katholische Kirche meinte, als die eigentliche Taufe, als Mitteilung des Heiligen Geistes und des »bonum« vgl. unten im Zusammenhang mit der Darstellung der Lehre des Petrus Auterii, Abschnitt 6.2.5, wo auch die Belegstellen zitiert werden. 219 Gemeint ist höchstwahrscheinlich Petrus Auterii, der als einziger perfectus in den Quellen als Greis bezeichnet wird. 220 T, 190. 221 Vgl. dazu unten, Abschnitt 6.2.6.

Das consolamentum

/ die

receptio

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5.7.2.3 Vorschriften und Durchfiihrung der endura Die endura war nach Ansicht des Petrus Auterii notwendig als Büß werk für die Rückkehr der Seele des Sterbenden in den Himmel. So wie der vor dem consolamentum zum Ausdruck gebrachte Wille zu dieser Rückkehr, so war also nach dem Ritual noch ein solches Büß werk notwendig, u m die Seele endgültig zu befreien. Die Einhaltung der endura-Vorschriften war ebenfalls eine Vorbedingung dafür, daß der rezipierte credens das »bonum«, das er durch das consolamentum empfangen hatte, nicht wieder verlor, bevor er starb. Deshalb galten die endura-Vorschriften bis zum Eintritt des Todes. Die Praxis des Petrus Auterii und deren Begründung erfahren wir z. B. aus einer Aussage der Stephana de Caussens aus St. Sulpice: »der perfectus verbot, daß dieser Kranken von diesem Zeitpunkt an irgendwelche Speise gegeben werde (nach dem Brauch dieser Ketzer). U n d Stephana sowie eine andere Person, . . . die die ganze Nacht bei der Kranken wachten, achteten darauf, daß in dieser ganzen Nacht und während des folgenden Tages der häretisierten Kranken keine Speise gebracht würde, damit die Kranke das empfangene »bonum« nicht verliere 2 2 2 u n d j a nicht gegen die 222

Das »bonum« wird nach dieser Stelle endgültig verloren, wenn ein Rezipierter gegen die endura-Vorschrift verstößt. Implizit ist diese Vorstellung auch belegt im Bericht über die abgebrochene endura der einjährigenjacoba Petri. Es ist zwar prinzipiell möglich, nach Abbruch einer endura sich erneut das consolamentum geben zu lassen (belegt im Fall der Dominica Fabri, T, 59, die von ihrer Tochter dazu überredet wurde, sich von neuem in die endura zu begeben, nachdem sie diese bereits abgebrochen hatte: «... persuasit predicte matri sue infirme quod vellet iterum reconsiliari ad sectam hereticorum, quia peccaverat in ea comedendo post dictam hereticationem contra ordinationem dicti heretici...«). Es zeigt sich hier eine Vorstellung, die gewissen moralistischen Positionen in der Entwicklung der altkirchlichen Tauf- und Bußlehre ähnlich ist. H. v. CAMPENHAUSEN, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht, Tübingen 1953, S. 234-261 stellt fest, daß bis zur Mitte des zweitenjahrhunderts die Existenz eines Sünders in der Gemeinde zumindest umstritten, nach Ansicht vieler sogar unmöglich war: Wer nach der mit einer allgemeinen Buße verbundenen Taufe wieder gegen ein Gebot verstieß, konnte aus der Gemeinde gewiesen werden. In dieser Phase lag es bei der Gemeindeführung, ob über ein entsprechendes Gemeindemitglied der Ausschluß verhängt wurde oder nicht. Im Lauf der Zeit bildete sich dann das Institut der Buße heraus, dessen Funktion darin bestand, Sündern den Weg in die Gemeinde zurück zu ermöglichen, doch blieb man Rückfalltätern gegenüber mißtrauisch. Hierbei, bei der Auseinandersetzung um die »secunda paenitentia«, berief sich die rigorosere Fraktion häufig auf eine Stelle aus dem »Hirten des Hermas« (sachlich zu Unrecht, wie v. CAMPENHAUSEN meint, vgl. zur Diskussion dieser Frage G. BENRATH, Art. Buße V, Historisch, in:TRE, Bd. 7, S. 453-473), die die Unmöglichkeit dieser zweiten Buße behauptete. Doch gerieten die Vertreter dieser Ansicht mehr und mehr in die Minderheit. Aus der nun notwendig sich entwickelnden Kasuistik (wer kann nach erfolgter Buße wieder aufgenommen werden, wer nicht) entwickelte sich eine immer weiter gehende Abschwächung der ursprünglichen Haltung in dieser Frage. Dies rief oppositionelle Gruppen auf den Plan, deren bekannteste die der Montanisten und der Novatianer sind. Nach Ansicht Tertullians und der Montanisten etwa war eine nach der Taufe begangene schwere Sünde nicht mehr vergebbar, die Buße (vor der Taufe!) einmalig. Tertullian konnte daher die Ansicht vertreten, das Leben nach der Taufe sei gefährdeter als vorher, diese daher besser lange aufzuschieben: »si qui pondus intelligant baptismi, magis timebunt consecutionem quam dilationem« (De Baptismo 18, vgl. Quinti Septimi Florentis TERTULLIANI O p e r a , e d . A . REIFFERSCHEID u n d G . W I S S O W A , P r a g - L e i p z i g 1 8 9 0 < C S E L B d . 20>,

S. 216). Damit steht er der von den Katharern um Petrus Auterii vertretenen Position ausgespro-

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Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner

credentes

A n o r d n u n g des perfectus verstieße, soviel die K r a n k e sie auch u m etwas zu Essen bat

Aus dieser Quelle geht zunächst nur hervor, daß Petrus Auterii nach dem consolamentum jegliches Essen und Trinken verbot (»nullus cibus vel potus«) und die Erlösung der Seele von der Befolgung dieses Verbots abhängig machte. An anderen Stellen erfahren wir Näheres, zum Teil Abweichendes über dieses Verbot. Der Mutter des zweijährigenJohannetus de Fays, des einzigen Kleinkindes, das der perfectus nach Auskunft der Quellen rezipierte, erklärt Petrus Auterii vor dem consolamentum präzise, was das Kind nach dem consolamentum noch zu sich nehmen dürfe: » . . . der perfectus sagte ihr, daß sie i h m nach der receptio w e d e r Fleisch, noch Käse oder Eier oder irgend irgendein tierisches Fett geben d ü r f e (non debebat ei dare c o m e d e n d u m carnes nec caseum nec ova, nec aliquum p i n g u e d i n e m c a r n e u m ) « 2 2 4 .

Diese Anordnung erinnert teilweise wörtlich an die von credentes berichteten asketischen Speisevorschriften, die die perfecti für sich selbst beachten mußten 2 2 5 . Z u m Vergleich sei hier eine entsprechende Stelle aufgeführt. Die perfecti » . . . fasteten drei Tage in der Woche, indem sie nur Brot u n d Wasser zu sich n a h m e n . A n den anderen Tagen fasteten sie nach Art der Quadragesima (in cibo quadragesimali), aber niemals aßen sie Fleisch, Eier u n d Käse. Es sei eine Sünde, Fleisch, Eier und Käse zu essen ( n u n q u a m c o m e d u n t carnes, ova vel caseum et q u o d peccatum erat comedere predicta ova, carnes et caseum) . . . « 2 2 6

Die Rezipierten hatten also die gleichen Askesevorschriften zu beachten wie die perfecti - eine Konsequenz des consolamentum, durch das sie selber perfecti geworden waren. Folglich waren sie auch durch diesen Statuswechsel berechtigt, das Vater-Unser zu sprechen, ja sogar dazu verpflichtet, wenn sie, falls sie den Durst überhaupt nicht ertragen konnten, kaltes Wasser als einzige in der endura erlaubte Nahrung zu sich nahmen, wie wir aus einer Aussage der Ramunda Garsendis über die receptio ihres Vaters 227 entnehmen können:

chen nahe. Erwähnenswert ist ferner, daß sich die Gruppierung der Novatianer, die um 251 aus dem geschilderten Konflikt um die zweite Buße hervorgegangen war, im Osten »katharoi« — Reine nannte (vgl. G. BENRATH, aaO., S. 454). So wie hier verstanden die Katharer ihre Kirche (der ja nur die Rezipierten angehörten) nicht als corpus mixtum, sondern als Kirche der Reinen. Vgl. zur Parallele der katharischen Lehre vom consolamentum mit der altkirchlichen Tauflehre auchj. P. BONNEROT, Consolamentum, réincarnation et évolution spirituelle dans le catharisme et le christianisme original, in: Cahiers d'etudes cathares 98 (été 1983), S. 3-58. 223 T, 143. Baranhona erholte sich allerdings wieder und überlebte nach Abbruch der endura. 224 T, 190. Das Kind starb drei oder vier Tage später in der endura. 225 Vgl. zu den Askesevorschriften der perfecti ausführlicher im Zusammenhang mit der unten dargestellten Lehre des Petrus Auterii in Abschnitt 6.2.6. 226 C, 364, vgl. eine andere Formulierung: »nec comedebant carnes, nec pinguedinem nec aliquid in quo pinguedo vel carnes essent cocte . . . « (P II, 404). 227 Diese receptio wurde allerdings von Guillelmus Auterii vorgenommen.

Das consolamentum

/ die receptio

275

»Item sagte sie, die perfecti hätten ihr u n d den anderen, die bei der receptio ihres kranken Vaters geholfen hätten, aufgetragen, d e m Kranken nichts zu essen noch zu trinken zu geben außer kaltes Wasser, u n d auch nur dann, w e n n er sehr großen D u r s t b e k o m m e . In diesem Fall solle er das Vater-Unser sagen, bevor m a n i h m zu trinken gebe. « 2 2 8

Aus dieser Vorschrift geht nun aber auch hervor, daß es ein Unterschied war, ob jemand als perfectus lebte und die entsprechenden Speisegebote zu beachten hatte, oder ob sich jemand in der endura befand. Denn die hier wie auch im ersten Zitat über Petrus Auterii berichtete endura-Vorschrift besagt ausdrücklich, daß ein rezipierter credens überhaupt keine Nahrung außer kaltem Wasser mehr zu sich nehmen durfte 2 2 9 . Petrus Auterii scheint diese Position generell vertreten zu haben, wenn auch die Überlieferung nicht ganz eindeutig ist 230 . Damit ist klar: der Tod durch die willentliche Beendigung der Nahrungsaufnahme war das Ziel der endura, wodurch sich die endura von der Lebensweise des perfectus (sie verschärfend) unterschied 231 . Dies entspricht ihrem Charakter als verdienstliches Bußwerk, das die Seele zur sofortigen Rückkehr in den Himmel befähigte (s. u.). Die Praxis der endura, also faktisch die Selbsttötung durch Hunger, finden wir in einer zusammenfassenden Darstellung der endura-Lehre durch Petrus Maurini. Dieser führt sie zwar selber nicht auf Petrus Auterii zurück. Doch wissen wir, daß er ein credens des Auterii war, weshalb es unwahrscheinlich ist, daß Maurini der Position des Auterii völlig widersprechende Ansichten wiedergibt: » . . . er hörte v o n seinem B r u d e r Guillelmus Maurini u n d von Guillelmus Beloti aus Montaillou, daß ein Rezipierter, sei er n u n gesund oder krank, von diesem Z e i t p u n k t an weder essen noch trinken dürfe. Aber w e n n er es nicht aushalte, nichts zu trinken, dann solle er kaltes Wasser trinken. U n d so in der endura zu sterben, sei ein großes Verdienst, u n d w e n n sie dann stürben, ginge ihre Seele ins Reich des Vaters (et sie m o r i en la endura, ut

228

C, 196. Petrus Clerici zu Beatrix de Planissol (P I, 230 f): »Item dicebat ei dictus sacerdos quod quando illi boni christiani reeeperant aliquem ad sectam suam, postea non debebant comedere nec bibere, nisi solum aquam frigidam . . . « - obwohl diese Aussage nicht auf Petrus Auterii zurückzufuhren ist, deckt sie sich mit den oben zitierten in seinem Namen weitergegebenen Positionen. 230 Condors Fabri aus Podium Lobri: »Item ipsa & vir suus inclinaverunt & induxerunt verbis suis Dominicam matrem suam quod vellet reeipi ad sectam & ordinem hereticorum in illa infirmitate de qua obiit, & fuit adduetus Petrus Auterii hereticus ad dictam infirmam, & heretieavit earn ipsa presente & vidente & audiente & assistente & consciente, & servivit dicte infirme hereticate, secundum modum quem dictus hereticus dixit ipsi Condors videlicet quod non daret sibi aliquem eibum cum pinguidine nisi aquam ad bibendum.« (T, 59) Hier scheinen Speisen ohne Fett erlaubt zu sein. 231 Aus diesem Grund gibt es auch Berichte über die endura von perfecti, so zum Beispiel der des Amelius de Perlis, eines Schülers des Petrus Auterii, der, nachdem er in die Gefangenschaft der Inquisition geraten war, die Nahrungsaufnahme verweigerte: «... ab eo tempore quo captus extitit noluit comedere nec bibere tamquam sui ipsius proprius homicida...«, weshalb er, bevor er in der endura sterben konte, nach erfolgtem Urteil der Inquisition vom weltlichen Arm verbrannt wurde (T, 37). 229

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Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

diceant, erat magnum meritum, et quando moriebantur eorum anima ibat ad Regnum Patris) , . . « 2 3 2 .

Der Selbsttötungscharakter der endura wird noch schärfer deutlich, wenn wir zwei weitere Quellen heranziehen, in denen davon berichtet wird, die perfecti hätten den über die endura hinausgehenden Selbstmord gerechtfertigt bzw. die credentes in der endura ihn praktiziert. Z u m letzteren hören wir über den Tod der Guillelma Martini, sie habe, um ihre endura zu beschleunigen (»quod mors sibi acceleraretur«) und schneller zu sterben, sich auf verschiedene Weisen umzubringen versucht: »... Cerdana besorgte der Guillelma den todbringenden Trank aus dem Saft giftiger Waldgurken mit zerstoßenem Glas (potionem mortiferam de succo cucumerum silvestrium cum vitro fracto). U n d sie sah auch ein eisernes Werkzeug, genannt Ahle, das Guillelma hatte kaufen lassen, um es sich schnell in die Seite zu stoßen, falls die Inquisitionsboten kämen . . . « 2 3 3

Klingt diese Stelle noch möglicherweise so, als gehe es hier um einen Notfall (die drohende Verhaftung durch die Inquisition), so findet sich, wieder bei Petrus Maurini, eine Nachricht über die hohe Verdienstlichkeit des direkten Selbstmords durch Aderlass: »... er habe auch gehört, daß Rezipierte, wenn sie sich verletzen ließen, so daß alles Blut aus ihrem Körper liefe, ein gutes Werk vollbrächten (facerent sibi minui, quousque totus sanguis de corpore exivisset, bonum opus faciebant), damit sie so schneller sterben und in die Gloria des Vaters kämen . . . « 2 3 4 .

Es ist zu beachten, daß die hier geäußerte Ansicht im Widerspruch zu nun eindeutig auf Petrus Auterii zurückzuführende Gedanken steht. Seiner Ansicht nach hängt die Dauer der endura (die ja Bußwerk der Seele ist) genau vom Schuldmaß ab, das die Seele im Himmel auf sich lud, als sie dem Teufel folgte, anstatt in der himmlischen requies zu bleiben 235 . Nach der soeben von P. Maurini zitierten Tradition hätte es dagegen der Rezipierte selber in der Hand, wie lange seine endura dauerte. Angesichts der überlieferten erheblichen Zeiten, in denen jemand in der endura sterben konnte, ist es zweifelhaft, ob Selbstmord in der endura tatsächlich häufige Praxis war. Der Gedanke, daß sich ein credens durch die endura ein Verdienst erwerbe, scheint allerdings weit (und auch außerhalb der unmittelbaren Nähe des Petrus Auterii) verbreitet gewesen zu sein 236 . Der Rezipierte hatte nun in der endura auszuhalten, bis er starb. Das konnte 232

P II, 247. T, 76. Diese Ausage wird bestätigt und präzisiert durch die Aussage der zweiten Frau des Martinus de Proaudo, Alasaytz, die Zeugin verschiedener Selbstmordvorbereitungen der Guillelma de Proaudo war (T, 70f). Nach T, 94 besorgte Vasconia Ponseca die giftigen Gurken, mit denen sich Guillelma de Proauda umzubringen versuchte. 234 P III, 248 f. 235 S.u. im Abschnitt über die Lehre, S. 6.2.4.1 und 6.2.4.2. 236 Petrus Clerici zu Beatrix: »Item dicebat e i . . . quod quando illi boni christiani receperant aliquem ad sectam suam, postea non debebant comedere nec bibere, nisi solum aquam frigidam, 233

Das consoiamentum

/ die receptio

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unterschiedlich lange dauern: 12 Wochen 237 , mehrere Wochen 238 , »lange Zeit« 239 , acht Tage 240 , drei bis vier Tage 241 - es kam aber auch vor, daß ein Rezipierter, ein credens namens Guillelmus aus Ax, noch in der Nacht des consoiamentum starb, was als seltenes Beispiel für eine offenbar besonders niedrige Schuld seiner Seele (und dementsprechend kleine Buße in der endura) von Petrus Auterii weitererzählt wurde 2 4 2 . Für Angehörige und Rezipierte war es unter Umständen tröstlich zu wissen, daß die endura schnell vorbei und für eventuell hinterbleibende Kinder gesorgt sei 243 . An verschiedenen Stellen erfahren wir aber auch über den Abbruch der endura, meist, weil ein credens sich erholte oder aber die endura nicht ertragen konnte 2 4 4 . Bezeichnend für die Einschätzung des consoiamentum überhaupt ist in diesem Zusammenhang, daß es, wie schon oben über die Einleitung des consoiamentum durch Verwandte dargelegt, zu Konflikten kam zwischen den Angehörigen und dem Sterbenden, der die endura abbrechen wollte. Man gewinnt den Eindruck, daß verschiedentlich die endura gegen den Willen der Verwandten oder einiger von ihnen abgebrochen wurde. Drei Beispiele zeigen dies. Das erste Beispiel, es berichtet über die endura der Dominica Condors aus Podium Lobri, zeigt sehr gut den Zusammenhang zwischen dem Drängen von Verwandten auf das consoiamentum überhaupt wie dann schließlich auch auf Durchhalten der endura: »Sie u n d ihr M a n n bedrängten u n d b e w e g t e n mit ihren Worten (inclinaverunt & induxerunt verbis suis) ihre M u t t e r Dominica, daß sie sich doch anlässlich der Krankheit, an der sie dann auch starb, in secta und Stand der perfecti wolle a u f n e h m e n lassen. D a n n w u r d e der perfectus Petrus Auterii zu der Kranken geführt u n d rezipierte sie. . . . U n d nach der A n w e i s u n g des perfectus gab sie ihr w e d e r Speise mit Fett und nichts als kaltes Wasser. Item nach dieser receptio überredete (persuasit) sie ihre kranke M u t t e r , sie solle sich noch et, ut credebat quando ita languendo moriuntur, quia nolunt comedere, erant sancti Dei. « (PI, 230 £). 237 C, 226 — eine namentlich nicht genannte Frau aus Coustaussa, die im Haus der Sibilia den Balle in Ax in der endura starb: »... XII septimanis vel circa antequam moreretur stetit in endura. « 238 C, 306 f. Guillelmus Issaura »vixit en l'andura (sie) per pluries septimanas . . . et . . . sie decesserat. 239 »per longum tempus« (P II, 412 f). 240 C 144 (Galharda de Galhaco). 241 T, 190. Johannetus de Fays »supervixit per tres vel quatuor dies. « 242 »Bene dicebat quod quidam vocatus Guillelmus de Ax, qui ante nichil sciebat de facto hereticorum, et statim quando ei dictum fuit, consenciit et se fecit hereticari, eadem nocte qua fuit hereticatus reversus fuit ad celum, quia fuit eius spiritus de illis spiritibus qui solum se movit ad videndum quo modo alii de celo exibant« (P II, 407). 243 So Hugueta de Larnato nach dem Bericht der Sibilia Petri in P II, 426: » E t . . . dicti heretici stabant in quadam tina que erat in dicto sotulo ad hoc ut viderent et audirent dictam Huguetam quousque mortua esset. Et dum sic stabat en la endura semel cum staret coram ipsa dicta Sibilia (Sibilia Petri> et multa alii, dicta Hugueta dixit diete Sibilie: 'Domina, erit cito factum? Ero cito finita?'et dicta Sibilia respondit ei: 'Adhuc vivetis, et ego iuvabo ad nutriendum filios vestros...« 244 Enduraabbrüche kamen vermutlich häufig vor. Sie sind u. a. belegbar im Fall des Bernardus Martini ausJunac (Pill, 264f), der Dominica Fabri aus Podium Lobri (T, 59), der Stephana de Caussens (T, 143).

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des Petrus Auterii

und seiner credentes

einmal in die secta der perfecti aufnehmen lassen (quod vellet iterum reconsiliari ad sectam hereticorum), weil sie gesündigt hatte, indem sie nach der receptio entgegen der Anordnug des perfectus etwas gegessen hatte. U n d nach dieser receptio . . . wollte sie nicht auf Bitten der Kranken zu dem cappellanus gehen, dem die Kranke das zuvor Gesagte beichten wollte. Vielmehr verbot sie ihr das und sagte, sie solle es keinesfalls beichten, denn sonst werde sie von den Inquisitoren v e r b r a n n t . . . « 2 4 5 I m z w e i t e n Fall k o m m t es zu A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n z w i s c h e n G u i l l e l m u s Escaunerii aus A x u n d seiner M u t t e r , die in A r q u e s (in e i n e m n a m e n t l i c h u n b e k a n n t e n H o s p i z 2 4 6 ) v o n j a c o b u s A u t e r i i das c o n s o l a m e n t u m erhält: »Nachdem der perfectus seine Mutter rezipiert hatte, sagte er ihnen, sie sollten ihr von nun an nichts außer kaltem Wasser geben . . . Nach fünf oder sechs Tagen, in denen seine Mutter nichts erhalten hatte außer kaltem Wasser, fing sie an, ein wenig erholt, um Nahrung zu bitten. Seine Tochter Marquesia wollte ihr nach der Vorschrift des perfectus nichts außer Wasser geben. Da fing seine Mutter an, sich bei seiner Tochter zu beschweren, weil sie ihr nichts zu essen gab, worauf diese ihr antwortete, sie bekäme deswegen kein Essen, weil sie von dem perfectus in deren Glauben und secta aufgenommen worden sei. Sie dürfe deshalb weder Speise noch Getränk zu sich nehmen außer kaltem Wasser, denn so habe es der perfectus befohlen. Er selber (der Zeuge) sagte ihr dies oder ähnliches auch. Darauf antwortete sie, sie wolle das Gebot des perfectus nicht einhalten, sondern etwas essen (que respondit eis quod nolebat tenere preceptum dicti heretici, sed volebat comedere) In b e i d e n zitierten Fällen zeigt sich eine Interessenkollision z w i s c h e n Rezipierten, die die e n d u r a a b b r e c h e n m ö c h t e n , u n d V e r w a n d t e n , die die S t e r b e n d e n i m Gegenteil dazu b e w e g e n w o l l e n , in der e n d u r a zu bleiben. In e i n e m w e i t e r e n Fall, d e m d e r Sibilia Petri, k a m es in einer ähnlichen Situation zusätzlich zu A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n z w i s c h e n ihr u n d i h r e m M a n n in d e r F r a g e des E i n h a l t e n s der e n d u r a i h r e r kleinen T o c h t e r J a c o b a 2 4 8 : Dieses n o c h nicht e i n j ä h r i g e M ä d c h e n e r k r a n k t e so s c h w e r , daß m a n , da m a n m i t s e i n e m T o d rechnete, d e n p e r f e c t u s P r a d a s T a v e r n e r i i h o l e n ließ, der es auch rezipierte 2 4 9 . D a n a c h b e f a h l er der M u t t e r , »sie sollten dem Mädchen von nun an nichts zu essen oder Milch geben oder sonst irgendetwas, das vom Fleisch abstamme. Falls sie überlebe, solle sie künftig mit Fastenspeise genährt werden . . . « 25 °.

245

T, 59. P II, 15. P II, 15 f. 248 Vgl. zum folgenden P II, 414 f. 249 Die Frage des Kinder-consolamentums war zwischen diesem perfectus und Petrus Auterii umstritten. 250 P II, 414. Die hier berichtete endura-Vorschrift unterscheidet sich von der des Petrus Auterii, der für Sterbende in der endura nur kaltes Wasser als »Nahrung« zuläßt. Der Zusatz, daß das Kind im Falle des Oberlebens nur mit Fastennahrung ernährt werden dürfe, könnte bedeuten, daß es dann wie eine perfecta zu leben hätte, vgl. den oben angestellten Vergleich zwischen einer endura-Vorschrift und Beobachtungen über das Speiseverhalten der perfecti. 246

247

Das consolamentum

/ die receptio

279

Ihr Mann freute sich sehr über die receptio, berichtet Sibilia Petri, und habe gesagt, der perfectus gebe seiner Tochter mit dem consolamentum mehr, als er und seine Frau ihr je bieten könnten 2 5 1 . N u n aber kommt es zum Konflikt: denn kaum haben perfectus und Freunde des Hauses die Wohnung verlassen, als Sibilia Petri die Tochter stillt, »denn sie k o n n t e nicht mitansehen, wie sie sagte, wie ihre Tochter auf diese Weise sterbe.. , « 2 5 2 .

Als der Ehemann zurückkommt und erfährt, daß seine Frau inzwischen die endura der Tochter gebrochen hat, ist er entsetzt 253 . Zu der Tochter sagt er, sie habe eine Rabenmutter 2 5 4 , und muß sich schließlich von einem Freund (Petrus Maurini) trösten lassen. Die Beziehung zwischen ihm, seiner Frau und seiner Tochter sei lange gestört geblieben 255 . Die Tochter überlebte die endura, starb aber etwa ein Jahr später. In allen drei dargestellten Fällen ist die Grundkonstellation die gleiche, die wir oben auch schon im Zusammenhang mit dem Beginn des consolamentum kennenlernten: Verwandte drängen auf consolamentum und endura, die Sterbenden selber (bzw. im zuletzt geschilderten Fall die Mutter) haben durchaus kein so großes Interesse daran. Die oben im Zusammenhang mit dem Beginn des consolamentum vertretene Erklärung, daß nämlich das consolamentum unter anderem eine Entlastung für die überlebenden Verwandten der domus darstellt, wird durch die Berichte über Konflikte anlässlich einer abgebrochenen endura bestätigt. Über die emotionale Entlastung hinausgehend ist ferner die Aussage des Ramundus Petri, derzufolge die endura der sterbenden Tochter die Versorgung sichert, ja geradezu als Mitgift erscheint, die größer sei als alles, was er selber und seine Frau der Tochter jemals hätten zukommen lassen können. Diese Aussage erinnert in ihrer Tendenz an die Begründung, die der Pfarrer von Montaillou, Petrus Clerici, für seine Kritik der katholischen Ehelehre lieferte. Seiner Ansicht nach konnte durch das von der Kirche durchgesetzte Inzestverbot die domus materiell ruiniert werden, weil jede außer Haus heiratende Tochter dem Hof neben deren Arbeitskraft die Mitgift, die dos, entzog. Könnten dagegen, so meinte er, Geschwister untereinander heiraten, so könne die domus auch im Fall 251

P II, 415: »multum fuit gavisus... dicendo quod si moreretur dicta filia eius in tali statu esset angelus Dei, et quod ipse et ipse loquens (Sibilia Petri) non poterant tantum dare dicte filie sue sicut dictus hereticus hereticando ipsam dederat« - hier erscheint die receptio expressis verbis als mehr als ausreichender Ersatz für die Mitgift einer Tochter. Der perfectus löst durch seine receptio ein Versorgungsproblem der Familie. 252 P II, 415. 253 » . . . multum doluit et turbatus fuit«, ebenda. 254 »Malam matrem habuisti!«, ebenda. 255 »Dicebat etiam ipsi loquenti quod mala mater erat, et dicebat quod mulieres erant demones. Et dictus maritus eius plorabat et multa vituperia dicebat ipsi loquenti et cominabatur ei. Et ex tunc non dilexit dictus maritus eius dictam puellam nec ipsam loquentem postea per longum tempus ...«, aaO.

280

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

der Existenz mehrerer Töchter überleben, was sonst in Frage gestellt sei. O b wohl die Pointe dieser Stelle eine andere ist, zeigen beide gemeinsam doch die Probleme an, in der die bäuerliche domus sich ökonomisch zur Zeit des hier untersuchten Katharismus befand und auf die unter anderem, wie am Fall der Jacoba Petri dargestellt und durch eine Aussage des Vaters belegt, das consolamentum reagierte: Es integrierte den Tod eines Verwandten emotional und erlaubte sogar noch, ihm materiell positive Seiten abzugewinnen, da der Sterbende es ja nun viel besser habe als vorher. Diese Interessenkonstellation macht es verständlich, warum besonders die Verwandten trotz der erheblichen und zum Teil ja auch ausdrücklich angesprochenen Gefahren für sich selber, die ihnen im Fall der Entdeckung seitens der Inquisition drohten, auf dem consolamentum und der endura für sterbende Verwandte bestanden, selbst dann, wenn diese selber das gar nicht wollten. Es handelt sich bei consolamentum und endura also um ein in erster Linie 256 an die Verwandten und Angehörigen der domus adressiertes Sterberitual, mit dem emotional und nach dem Glauben der Angehörigen auch ganz materiell der Tod eines domus-Angehörigen deutbar, integrierbar und damit für die Gesamtheit der domus überlebbar gemacht wurde. Dem widerspricht nicht seine Bedeutung für den Sterbenden selber, für den der im consolamentum erlebte Tod die endgültige Befreiung seiner Seele sicherte.

5.7.3 geheime

Nach dem consolamentum: Beerdigung

des

Spendefiir

denperfectus,

Rezipierten

5.7.3.1 Zur Frage der Entlohnung fiir den perfectus im Zusammenhang dem consolamentum

mit

An verschiedenen Stellen erhält man den Eindruck, daß es, wenn auch keine jemals erwähnte Pflicht der credentes, so doch eine feste Sitte war, dem perfectus nach dem consolamentum eine Spende zu geben. Diese Spende konnte dem perfectus vom Sterbenden noch vor seinem Tod zugesagt werden. So ist es in zwei Fällen belegt. Hören wir zunächst den Bericht des Michael Mironis aus Verfeil: »Item war er anwesend und sah, wie der perfectus Petrus Auterii in einem Weinberg seinen Vater Raymundus Mironis in secta und Stand der perfecti aufnahm. Er war deshalb dorthin gegangen, weil der perfectus von Petrus Sancii . . . an diesen Ort gefuhrt worden war. Dort, auf die Bitte oder Aufforderung des perfectus, gestand Mi-

256 Diese Bewertung beruft sich auf die Tatsache, daß wir nur ganz selten hören, Sterbende hätten gegen den ursprünglichen Willen der Angehörigen das consolamentum gewünscht und erhalten. Der umgekehrte Fall ist bei weitem häufiger. Dies ist um so bemerkenswerter, als der zuerst genannte Fall die vor der Inquisition Angeklagten natürlich entlastet hätte, während der häufiger nachzuweisende zweite Fall sie umso schwerer belastete.

Das consolamentum

/ die receptio

281

chael d e m perfectus zu, daß auch er zu dessen Glauben u n d credencia gehören wolle, u n d sein Vater vermachte (legavit) d e m perfectus 20 königliche solidi, die er, Michael, später auszahlte.. . «257

Der Terminus »legare« erscheint in leicht veränderter Form auch im zweiten Bericht über eine Bezahlung an den perfectus nach einem consolamentum. Dort erfahren wir, daß Guillelmus de Baynaco »nach d e m T o d seiner Frau einen Anteil auszahlte (solvit legatum), den sie den perfecti vermacht hatte . . . « 2 5 8 .

In beiden Fällen handelt es sich also um ein Legat, das dem perfectus noch von dem Sterbenden vor seinem Tod zugesagt und nach dem Tod von den Verwandten ausgezahlt wurde 2 5 9 . Doch scheint es sich hierbei, wie schon der Begriff »legare« / »legatio« nahelegt, nicht um eine Verpflichtung zu handeln, sondern tatsächlich um eine Art Spende zur materiellen Unterstützung des perfectus, derja »pro necessitate presenti« Geld besitzen durfte 2 6 0 . Eine regelrechte Spendensammlung veranstaltete Ramundus Petri aus Arques für den perfectus Pradas Tavernerii, nachdem dieser umsonst nach Arques gekommen war: Ramundus Petri, der so krank geworden war, daß er zu sterben drohte, hatte nach Tavernerii geschickt, der ihn aber zunächst nicht hatte rezipieren wollen, weil noch nicht klar war, ob die Situation dies wirklich schon erfordere 261 . Als Ramundus Petri dann tatsächlich wieder gesund wurde, sammelte er unter seinen Freunden für den perfectus Geld mit dem ausdrücklichen Hinweis auf seine im Vergleich zu den Auterii schwache soziale Lage. Der perfectus erhielt dabei 10 »kleine« libra turonenses von den Anwesenden und 50 solidi von Ramundus Petri 262 . 257

T, 156. T, 132 f. 259 M. BENAD hat in einem Exkurs zu seiner Untersuchung »Domus und Religion in Montaillou« und in einer Untersuchung zu Unterhaltungskosten auf Reisen festgestellt, daß im Untersuchungszeitraum und -gebiet eine Summe von 4 turonensischen solidi ausreichte, um flir drei Personen Unterkunft und Verpflegung für einen Tag zu sichern, wobei auch nichtalltägliche Kosten wie etwa der Kauf eines Topfes einbegriffen waren (BENAD, aaO., S. 270-273). Der im ersten Fall ausgezahlte Betrag von 20 solidi entspricht dem fünffachen dieses Betrages, ist also beträchtlich. 260 £) e r perfectus Pradas Tavernerii über das Verhältnis von perfecti zu materiellem Besitz: » . . . secundum m o d u m et ritum eorum non debebant aliquid recipere nisi pro neccessitate presenti.« (PII, 415). 261 »adhuc non reciperet eum, nisi omnino videretur quod mori haberet, quia si posset convalescere, malum esset quod reciperetur, quia maritus eius (gemeint ist Sibilia Petri) e r a t . . . bonum pecol (vel pes) Ecclesie Dei, id est Ecclesie hereticorum«, P II, 416. 262 »X libras turonenses parvorum « - das entsprach etwa dem Gegenwert von 20 erwachsenen Schafen (BENAD, aaO., S. 347), die Summe von »Lsolidos turonenses debilis monete« (P II, 416) also beinahe dem doppelten; vgl. zu den Münznamen und ihrer Bedeutung wieder M. BENAD, aaO. Es handelt sich dabei also um erhebliche Beträge. BENAD stellt aufgrund der Quellen fest, daß ein normaler Hochlandbewohner mit der Summe von 25 libra turonenses um 1300 vermutlich in der Lage gewesen wäre, sich ein ganzes Jahr an einem fremden Ort zu unterhalten, ohne besonders sparen zu müssen (aaO., S. 271. 273). 258

282 5.7.3.2

Die Ritualpraxis

des Petrus Auterii

und seiner credentes

Geheime Beerdigung des nach dem consolamentum

Gestorbenen

War ein credens nach consolamentum und endura schließlich gestorben, so ergab sich für die Angehörigen seiner domus oder befreundete credentes des Hospiz, in dem der Betreffende gestorben war, das Problem seiner Beerdigung. Ihn auf dem kirchlichen Friedhof zu beerdigen, mußte Verdacht erregen und war unmöglich, da der für den O r t zuständige Pfarrer nichts von dem Todesfall wußte 2 6 3 . Als vollends unmöglich m u ß t e sich eine solche normale Beerdigung erweisen, wenn ein credens nicht in seinem Heimatort, sondern in einem Hospiz fern von diesem gestorben war, was verschiedentlich berichtet wird. Kam heraus, daß in einem Haus eine »haereticatio« (wie die Inquisitoren sagten) stattgefunden hatte, so drohte der Verlust allen Besitzes für die entsprechende domus 2 6 4 . Insofern kann es nicht verwundern, daß Informationen über geheime Beerdigungen von in der endura Gestorbenen vorliegen. Das kann die einfache Information über den Tatbestand einer solchen Beerdigung sein: »Item begruben er selbst u n d j e m a n d anderes, den er namentlich erwähnte, einen Menschen, der zuletzt als Rezipierter in seinem, des Sicardus, Haus gestorben war, im Garten (sepeliverunt in orto) . . . « 2 6 5

Der Garten war ein naheliegender geheimer Begräbnisort für credentes. Allerdings erschien der eigene Garten den Brüdern Petrus und Guillemus Issaura für diesen Zweck noch nicht sicher genug: Nachdem Guillelmus Sabaterii d. Ä. aus Limoux in das Hospiz Issaura (Larnat) gekommen, dort in der borda des Hauses von Petrus Auterii das consolamentum erhalten hatte und nach einigen Wochen endura gestorben war, begruben sie ihn zunächst im Garten ihres Hauses 2 6 6 . Danach überlegten sie es sich aber noch einmal anders, denn einige Jahre später

263 j ) e r Geheimhaltung des consolamentum vor dem Ortspfarrer entspricht auch die D r o hung, die Condors Fabri ihrer nach abgebrochener endura wieder genesenen Mutter gegenüber ausspricht, als diese zum Pfarrer beichten gehen will: »Item post hereticationem dicte infirme ad requisitionem ipsius infirme noluit ire pro cappelano, cui dicebat se velle confiteri de predictis. I m m o prohibuit eam quod nullo modo confiteretur de hoc, quia si faceret conbureretur per inquisitores . . . « (T, 59). 264 Das wird deutlich an dem Dialog zwischen Alamanda Guilaberti und ihrem Sohn, der sich von P. Tavernerii das consolamentum geben lassen will. Die Mutter versucht, ihn davon abzubringen: täte er das, so verliere sie möglicherweise ihren ganzen Besitz. In der Aussage des Guillelmus Escaunerii existieren ferner zwei Schreiben der kirchlichen und staatlichen Obrigkeit (nämlich des Bischofs Berengarius Fredol von Beziers in seiner Funktion als Oberpönitentiar Papst Clemens' V. und des königlichen Vizestatthalters Bartholomeus Adalberti von Carcassonne), in denen über die im Dezember 1305 erfolgte Beichte der Bewohner des Arques-Tales berichtet und als Konsequenz der wegen Häresie über sie verhängte Bann sowie die aus dem gleichen Grund erfolgte Einziehung ihrer Güter rückgängig gemacht wird (beide in P II, 7f); vgl. meinen Aufsatz »Das Ketzerhopiz in Arques.« 265 T, 15 f. 266 C, 306 f: »... sepelliverunt eum in quodam orto qui erat patris ipsius loquentis (Petrus Issaura)«.

Das consolamentum

/ die receptio

283

. . . »holten er selbst und sein Bruder Guillelmus Yssaura den Gestorbenen aus diesem Garten heraus und begruben ihn auf einer Wiese des domicellus Philippus de Larnato. Diese Wiese ist ziemlich nahe bei dem erwähnten Garten gelegen - es gibt nur einen Bach zwischen der Wiese und dem Garten. Er sagte aus, beide Beerdigungen seien nachts geschehen .. . « 2 6 7 . E r w i s s e nicht, o b der E i g e n t ü m e r d e r Wiese, auf die m a n d e n T o t e n u m g e bettet h a b e , d a v o n e t w a s g e w u ß t habe, f ü g t der Z e u g e t r e u h e r z i g h i n z u 2 6 8 . D i e g e h e i m e B e e r d i g u n g w a r der letzte D i e n s t , d e n die A n g e h ö r i g e n eines H o s p i z e i n e m in der e n d u r a V e r s t o r b e n e n e r w i e s e n - i m eigenen Interesse.

5 . 7 . 4 Die receptio zum

perfectus

Es ist sinnvoll, die receptio z u m p e r f e c t u s i m Z u s a m m e n h a n g des c o n s o l a m e n t u m a b z u h a n d e l n . W i e sich zeigt, h a n d e l t es sich bei b e i d e n R i t e n u m e n g v e r w a n d t e V o r g ä n g e , in d e r e n M i t t e l p u n k t die Initiation eines credens steht u n d d u r c h die er das » b o n u m « des ihn initiierenden p e r f e c t u s b e k o m m t . E i n S t r u k t u r v e r g l e i c h des c o n s o l a m e n t u m m i t der receptio z u m p e r f e c t u s m a c h t dies deutlich. U b e r den Verlauf einer receptio z u m p e r f e c t u s sind w i r d u r c h eine A u s s a g e des A r n a l d u s Issaura recht präzise u n t e r r i c h t e t . D a b e i h a n d e l t es sich u m die receptio d e r perfecti J a c o b u s A u t e r i i u n d P o n c i u s de A x , die sich w o h l i m S e p t e m b e r 1301 in Larnat abgespielt h a b e n m u ß 2 6 9 . Initiierende perfecti w a r e n Petrus u n d Guillelmus Auterii: »Jacobus Auterii, der Sohn des Petrus Auterii, und Poncius aus Ax wurden eines Tages, an den er sich nicht erinnerte, in Larnat, im Haus des Zeugen, in Glauben und secta der perfecti aufgenommen, häretisiert und zu Ketzerperfecti gemacht (fuerunt recepti in fide et secta hereticorum et hereticati et facti heretici perfecti). Auf die Frage, welche perfecti sie in diese secta aufnahmen, antwortete er, es seien Petrus und Guillelmus Auterii gewesen. Befragt über den Vorgang der receptio, antwortete er: Jacobus Auterii und Poncius aus Ax knieten mit zusammengelegten Händen vor Petrus und Guillelmus Auterii, den erwähnten perfecti, und baten und forderten die perfecti auf, sie in ihre secta aufzunehmen, und ihnen von dem »bonum« mitzuteilen, welches der Herr ihnen gegeben habe. Da antworteten die erwähnten perfecti: 'Wir nehmen euch auf!'. U n d sie sagten ihnen, daß sie die Gebote Gottes einhalten und bewahren müßten und Enthaltsamkeit und Fasten beachten, wie auch sie selbst es täten, und brachten auch noch anderes zum Ausdruck, an das er, der Zeuge, sich allerdings nicht erinnerte, wie er sagte. U n d die obengenannten, Jacobus und Poncius, stimmten den perfecti in alledem zu. Der Zeuge sagte auch aus, die perfecti hätten den Häretisierten noch viel von den Aposteln und aus 267

C, 306. »... nescit etiam, sicut dixit, quod Philippus de Larnato sciverit de facto predicto ...«, ebenda. 269 Während in P III, 306 (Sommer 1300) Jacobus Auterii noch nicht als perfectus erwähnt wird, erzählt Petrus de Luzenaco, er habe ihn kurz nach dessen receptio zum perfectus gesehen, und zwar um St. Michael des Jahres 1301 (C, 384 ff). 268

284

Die Ritualpraxis des Petrus Auterii und seiner credentes

den Evangelien gesagt, an welche Worte er, der Zeuge, sich aber nicht erinnere. U n d nachdem die haereticatio so beendet worden sei, hätten die Häretiesierten die perfecti auf den Mund g e k ü ß t . . . « 2 7 0 .

Die Abfolge der Ereignisse bei der receptio zum perfectus, wie sie hier geschildert sind, können folgendermaßen zusammengefaßt werden: Die zu Initiierenden knieen mit zusammengelegten Händen vor den perfecti (»flexis genibus et junctis manibus«); sie bitten darum, rezipiert zu werden (»petebant et requirebant«), dies wird genauer beschrieben als Bitte um die Mitteilung des »bonum«; daraufhin werden sie rezipiert; es folgt die Ermahnung, die Gebote Gottes und die asketischen Lebensregeln einzuhalten (mandata Dei - abstinenciae et jejeuna, die die perfecti beachten müssen); die zu Initiierenden stimmen dem zu, darauf erfolgt die rituelle Verlesung biblischer Texte (verba de apostolis et de evangeliis); die Handlung schließt mit Kuß auf den Mund (osculati fuerunt in ore) - es handelt sich dabei wahrscheinlich um die salutatio, zu der der Kuß gehört 2 7 1 . Diese rituelle Abfolge entspricht im wesentlichen dem consolamentum. Dies zeigt ein Vergleich mit dem Verlauf des consolamentum, wie es oben rekonstruiert wurde: receptio - Zu Initiierende knien mit zusammengelegten Händen - Bitte um Gabe des »bonum« - Zustimmung der Initiierenden perfecti - Ermahnung zur Einhaltung der Gebote Gottes und der Askeseregeln - Zustimmung der zu Initiierenden - receptio durch rituelle Verlesung biblischer Texte - salutatio consolamentum - Bitte des Kranken um consolamentum (zum Teil mit gefalteten Händen) - Zustimmung des perfectus, wenn die Vorbedingungen erfüllt sind - consolamentum durch Verlesen ritueller Texte und Auflegen eines Buches auf K o p f oder Schultern - Ermahnung zur endura 2 7 0 »Interrogatus de modo receptionis, dixit quod Jacobus Auterii et Ponrius de A x predicti stabant coram Petro et Guillelmi Auterii hereticis predictis, flexis genibus et junctis manibus et petebant et requirebant predictos hereticos quod reciperent eos in sectam suam et quod inducerent eos de bonis que Dominus dederat eis. Tunc predicti heretici dixerunt: »Nos recipimus vos!« et dixerunt eis quod tenerent et servarent mandata Dei et facerent illas abstinencias et jejunia que ipsi faciebant et exprimebant aliqua de quibus ipse testis non recordatur, ut dixit. Et prediciti Jacobus et Poncius totum concedebant hereticis supradictis. Dixit etiam ipse testis quod dicti heretici loquebantur multa verba coram dictis hereticatis de apostolis et de Euangeliis de quibus verbis dixit testis quod non poterat recordari. Qua hereticatione sic facta, predicti hereticati osculati fuerunt in ore hereticos supradictos)...« (C, 314 ff). 2 7 1 Vgl. die Analyse der salutatio oben, Abschnitt 5.3.

Das consolamentum

/ die receptio

285

Die formalen Ähnlichkeiten und inhaltlichen Entsprechungen sind also offensichtlich. Dem entspricht, daß es sich bei beiden Riten zentral um die Vermittlung des »bonum« handelt, also der den perfecti bei ihrer Initiation mitgegebenen Kraft, mittels derer sie allein von Sünden befreien und die Seele erlösen können. Bei dieser Kraft handelt es sich um das gleiche » bonum «, das auch im panis benedictus anwesend ist und dessen Angestrebtwerden (»entendensa de be«) Voraussetzung für den Erhalt des consolamentum ist. Dem Abprüfen dieser Voraussetzung vor dem consolamentum entspricht die Bitte der zu Initiierenden um das »bonum« sowie die bejahende Antwort der Initiierenden (»nos recipimus vos«). Der entscheidende Unterschied zum consolamentum besteht in ihrer Konsequenz. Der neu initiierte perfectus übernimmt die Pflicht zu asketischer vita apostolica und ermöglicht damit den credentes, trotz Beibehaltung ihrer ganz normalen und unasketischen Lebensweise, dennoch ihre Seele zu Ende ihres Lebens retten zu können. Umgekehrt übernimmt der mit dem consolamentum versehene Sterbende in der endura eine verkürzte und darum verschärfte Variante der vita apostolica und kann dadurch sicher sein, daß seine Seele mit dem Tod frei wird.

6. Die Lehre des Petrus Auterii Im folgenden Abschnitt soll nun in einem weiteren Schritt zu der vorher erfolgten Beschreibung des Beziehungssystems zwischen dem perfectus Petrus Auterii und den credentes in seinem Wirkungsbereich untersucht werden, welche religösen Vorstellungen in diesem Kontext bestimmend waren. Es stellt sich also die Frage nach der Lehre des Petrus Auterii, deren Sitz im Leben zuvor dargestellt wurde: Er lag im gegenseitigen Beziehungssystem der credentes und perfecti, genauer dem Treffen der credentes im Hospiz. Die Lehre des Petrus Auterii reflektiert die Probleme der domus, die sich als sozialer Kern des Hospizsystems ausmachen ließ. Der perfectus predigte und lehrte, wann immer sich die Gelegenheit ergab: abends im Hospiz, wenn die credentes sich um die Feuerstelle, die foganha, versammelt hatten oder etwa auf dem Weg von einem Hospiz zum anderen 1 . Typisch ist z. B. die Predigt nach einer gemeinsamen Mahlzeit in der foganha eines Hauses, wie es Petrus Maurini berichtet: »Nach vier oder fiinfTagen, als er mit den Schafen zum Haus des Ramundus Petri kam, da war, als er in die foganha kam, dort eine große Mahlzeit vorbereitet. U n d er aß in der foganha zusammen mit Ramundus Maulen, Bernardus Vitalis, Guillelmus Scaunier, Marquesia, der Tochter des Guillelmus Petri, Sibilia, seiner Ehefrau, und der Mutter dieser Sibilia, an deren Namen er sich nicht erinnerte. In einem Zimmer aber, das neben der foganha gelegen war, aß Petrus Auterii mit einem anderen Fische - und es schien ihm, daß es der verstorbene Franciscus Martini aus Limoux gewesen sei. Guillelmus Petri aus Limoux bediente den perfectus und kam immer wieder aus diesem Zimmer in die >foganha), wobei allerdings der zitierte Steckbrief nicht mitediert wurde. Er wird deswegen hier zitiert nach C H . M O L I N I E R , L'Inquisition, S. 157, A n m . 3. Vgl. den Originaltext im Quellenanhang.

Verfolgung, Verhaftung und Hinrichtung

323

Ich verspreche denen, die diese sich im Dunkeln Verbergenden und in der Finsternis Wandelnden aufspüren, fangen und zu mir bringen, w o auch i m m e r sie sie finden mögen, denen, die sie ergreifen, als auch denen, die sie herbringen, ewigen Lohn von Gott sowie auch zeitliche Vergütung. Wacht deshalb, ihr Hirten, im Geiste, daß Euch die Wölfe nicht Schafe der Herde rauben oder zerreißen! Handelt mannhaft, Eiferer des Glaubens, da die Feinde des Glaubens nicht fliehen und entweichen! Gegeben zu Toulouse am Fest des seligen Laurentius, im J a h r des Herrn 1309.«

Seinem Wortlaut nach scheint dieser Steckbrief vor allem an die Pfarrer (»pastores«) des Inquisitionsbezirkes von Toulouse ergangen zu sein, die aufgefordert werden, ihre Herden vor den reißenden Wölfen, den drei steckbrieflich gesuchten perfecti, zu schützen. Damit bot die Inquisition in einer Phase höchster Unsicherheit für Petrus Auterii, die zu überstürzten Ortswechseln Anlass genug bot, den gesamten kirchlichen Apparat auf, um ihn unterwegs zu erwischen. Dieses Vorgehen muß recht bald Erfolg gehabt haben. Aus der Aussage des Perrinus Maurelli wissen wir, daß Petrus Auterii nur einige Zeit länger als fünf Wochen bei ihm in Beipech war, wohin er Ende Juni gekommen war. Der Steckbrief des Bernardus Guidonis ist auf St. Lorenz, also den 10.8.1309 datiert 4 9 . Da Perrinus Maurelli sich in der Frage der von ihm genannten fünf Wochen Aufenthalt des Petrus Auterii bei ihm nicht genau festlegen wollte und auch eine etwas längere Dauer für möglich hielt, andererseits aber aussagt, der perfectus sei am Tage nach seiner Abreise aus Beipech verhaftet worden, muß man die Verhaftung des Petrus Auterii auf Mitte August 1309 datieren 5 0 . U b e r die Haftbedingungen, unter denen Petrus Auterii im Kerker der Inquisition von Toulouse die letzten Monate seines Lebens verbrachte, sowie das Verhalten des Petrus Auterii während der Haft ist kaum etwas bekannt. Das liegt nicht zuletzt an dem Umstand, der die Rekonstruktion der gesamten Biographie dieses perfectus so mühsam macht: Z w a r ist sicher, daß Auterii vor der Inquisition Aussagen gemacht hat, aber sie sind uns nicht erhalten. Daß er Aussagen machte, und zwar offenbar auch schriftlich, wissen wir aus verschiedenen Urteilssprüchen über ehemalige credentes, wie sie uns im Liber sententiarum der Inquisition Toulouse überliefert sind: Demnach sagte er mindestens gegen Geraldus de Artigiis aus St. Jean/Verfeil 5 1 , Petrus 5 2 , Raymundus 5 3 und Arnalda

4 9 St. Lorenz wurde am 10. 8. gefeiert, vgl. H. GROTEFEND, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 2 Bde., Hannover 1891/1892, Bd. 2.2, S. 126. 5 0 Ober die genauen Umstände dieser Verhaftung schweigen die Quellen. 5 1 »Geraldus de Artigiis . . . accusatur de pluribus aliis per Jacobum et Petrum Auterii hereticos quos celavit...« (T, 59 f). 5 2 »Petrus de Salvetate . . . adhuc habetur suspectus quod celet aliqua de facto heresis propter illa que contra eum inveniuntur per Petrum Auterii relevata . . . « (T, 71 f). 5 3 »Predictus Arnaldus reputabatur adhuc celare de facto heresis secundum illa que Petrus Auterii dixit et scripsit.« (T, 73 £).

324

Verfolgung,

Verhaftung

und

Hinrichtung

de Salvetate 54 , alle drei aus Prunet, sowie gegen Bernardus Mancipii aus Luganno 5 5 und Raymundus Dons 5 6 aus Vite aus. Über seine schriftlichen und mündlichen Aussagen hinaus riet er Mitgefangenen, so z. B. Perrinus Maurelli, ihr Schweigen zu brechen und ebenfalls auszusagen: »Dies alles wollte er, auch n a c h d e m er verhaftet w o r d e n war, lange Zeit nicht aussagen, bis der perfectus Petrus Auterii i h m im Kerker, in dem er sich damals befand, riet auszusagen . . . « 5 7

heißt es im Urteil gegen diesen credens 58 . Dieses Verhalten des Petrus Auterii ist aber keineswegs dahingehend zu interpretieren, als habe er im Gefängnis dem Katharismus den Rücken gekehrt. Hiergegen spricht schon sein (unten zitiertes) Urteil, in dem es ausdrücklich heißt, der perfectus habe sich geweigert, seinem Glauben abzuschwören. Die katharischen Überzeugungen des perfectus blieben intakt, ebenso wie die Strukturen des Katharismus zwischen den verschiedenen Häftlingen der Inquisition. So lesen wir in der Urteilsschrift des perfectus Amelius de Perlis vom 23. November 130959, Petrus Auterii und er hätten sich bei einer Gegenüberstellung vor dem Inquisitionstribunal gegenseitig mit dem melioramentum begrüßt und Amelius de Perlis habe Petrus Auterii ausdrücklich als seinen ancianus bekannt: »Diese u n d andere Irrtümer u n d Schrecknisse, verabscheuenswert u n d gottlos, haben die perfecti dieser secta auf d e m Gewissen, welcher der vorgenannte perfectus Petrus Amelius angehört, wie er v o r uns u n d vielen anderen aussagt, u n d zu der auch Petrus Auterii zählt, welchen er vor uns und anderen als seinen ancianus in der Ketzersekte bekannte, u n d die beide sich gegenseitig in unserer Anwesenheit einer den anderen auf Ketzerweise anbeteten, indem sie sich auf den B o d e n warfen u n d aussagten, zur selben secta zu gehören . . . n 6 0

Amelius de Perlis wurde mit der zitierten Urteilsschrift dem weltlichen Arm zur Bestrafung überlassen - die Sache eilte, denn der perfectus hatte mit der 54 »Contra istam Arnaldam habetur per Petrum Auterii hereticum quod vidit & recipit eum in domo sua & v i r i . . . « (T, 73). 55 »Predictus Bernardus negat adorationem & convenienciam seu pactum & credenciam hereticorum & reputabatur male confessus quia Petrus Auterii et Jacobus filius ejus dixerunt & scripserunt quod dictus Bernardus & alii fratres sui fecerunt eis pactum . . . « (T, 132). 56 »Predictus Raymundus negat se fecisse adorationem & convenienciam heretico, set Petrus Auterii dixit quod fecit sibi pactum seu convenienciam.« (T, 156). 57 T, 102. 58 Das bis zu diesem Zeitpunkt anscheinend gewahrte Schweigen des Perrinus Maurelli wird auch an dieser Stelle von DUVERNOY damit erklärt, dieser sei eben ein »bon vaudois« gewesen (Histoire, S. 330) - dies steht allerdings auch in dieser Quelle nicht. Viel wahrscheinlicher bleibt, daß Maurelli ein ganz normaler katharischer credens war. 59 T, 36 f (nicht der 23. Oktober, wie DUVERNOY, Histoire, S. 330 meint). 60 »quem coram nobis & aliis suum esse ancianum in secta heresis recognovit, ac ambo unus alio mutuo coram nobis proni in terram modo hereticali adoraverunt & ejusdem secte esse seipsos d i x e r u n t . . . « , T, 37.

Verfolgung,

Verhaftung und

Hinrichtung

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endura begonnen und die Inquisition machte sich Sorgen, er könne vor Vollstreckung der Todesstrafe verhungern 6 1 . Petrus Auterii dagegen hatte noch einige Monate zu leben. Ober die Zeit seiner Haft vom November (Urteil gegen Amelius de Perlis) bis zu seiner eigenen Hinrichtung dauerte es noch über vier Monate, über deren Verlauf den Quellen nichts zu entnehmen ist 62 . Das Urteil gegen ihn wurde während eines sermo der Inquisition in der Kirche St. Stephan zu Toulouse verkündet und lautete, wie nicht anders zu erwarten war, auf Überlassung des nicht zur Umkehr willigen perfectus an den weltlichen Arm und damit die Todesstrafe. Es wurde von den beiden Inquisitoren von Toulouse und Carcassonne, Bernardus Guidonis und Gaufridus de Ablusiis, in Anwesenheit hoher weltlicher und kirchlicher Würdenträger verkündet. Allein schon die Tatsache, daß im Unterschied zur sonstigen Gepflogenheit der Inquisition das Urteil von zwei Inquisitoren 63 in einem eigens zu diesem Zweck veranstalteten sermo verkündet wurde 6 4 , zeigt, wie hoch die Inquisitoren, aber

61

» . . . quin immo ad cumulum dampnationis sue tamquam perditionis filius & gehenne mortem corporalem sibi accelerans & properans ad eternam ab eo tempore quo captus extitit noluit comedere nec bibere tamquam sui ipsius proprius homicida. Id circo quia prenominatus Amelius hereticus in crimine dampnate heresis deprehensus sicut lectum & recitatum est sibi intelligibiliter in vulgari monitus à nobis & pluribus aliis personis religiosis & secularibus fide dignis sepius & rogatus, ut predictam sectam dimitteret & fidem catholicam crederei, & ad conversionem suam quantum comode fieri potuit exptectatus predicta omnia contempnens perseverat adhuc in sua perfidia animo indurato, nec potest ultra diutius sine pericula mortis expectari. Nos preffati inquisitor & vicarii habito prius diligenti Consilio plurium sapientium & peritorum in utrumque iure canonico & civili, nec non religiosorum virorum & fidei zelatorum nec sicut ovis morbida gregis dominici ulterius infìciat oves sanas, preffatum Amelium presentem & ad fidem catholicam converti nolentem, hac die & loco ad audiendum diffinitivam sentenciam sibi perhemptorie assignatis, Deum habentem pre oculis & orthodoxe fidei puritatem sacrosanctis euangeliis positis coram nobis, ut de vultu Dei nostrum prodeat iudicium, & oculi nostri videant equitatem sedentes pro tribunali ipsum per diffinitivam sentenciam in hiis scriptis hereticum esse declaramus eundem tanquam talem relinquimus curie seculari. « (T, 37). 62 Molinier vertritt die Ansicht, der Urteilsspruch sei erst im April 1311 verkündet worden (L'Inquisition, S. 159) und nimmt deswegen eine fast zweijährige Haftzeit des perfectus an. Dies wäre nur dann richtig, wenn die Inquisition Toulouse Ostern als Jahresbeginn rechnete und nicht Mariae Verkündigung (25. 3.), wie es die Inquisition Pamiers tut. Es ist ganz unwahrscheinlich, daß die beiden Behörden derart unterschiedlich datieren. Es wird deshalb vom 9. 4.1310 als Verurteilungsdatum des Petrus Auterii und folglich von einer Haftzeit Mitte August 1309 bis April 1310 ausgegangen. 63 Der Text vermittelt den Eindruck, daß die beiden Inquisitoren völlig gleichrangig auftreten. 64 Der in T vorangehende sermo trägt das Datum des 5. April 1310 (»Nonis Aprilis dominica in passione D o m i n i . . . «, (T, 38), hierbei handelt es sich um die für diese Quelle typische Form der Urteilsverkündigung über eine ganze Reihe von der Inquisition Verurteilter; der auf das Urteil des Petrus Auterii folgende sermo trägt das Datum des 23. Mai 1312, also gut zwei Jahre später - bei ihm handelt es sich ebenfalls um eine Urteilsverkündigung über mehrere Personen (T, 94). Zwischen beiden Terminen liegt nur der sermo mit dem Urteil des Petrus Auterii und an diesem Tag war er der einzige Verurteilte.

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Verfolgung, Verhaftung und Hinrichtung

auch die weltliche Obrigkeit ihren mit der Verhaftung des Petrus Auterii erzielten Erfolg einschätzte 65 . Das Urteil trägt das Datum des Donnerstags vor Palmsonntag 1310, also des 9. April dieses Jahres 66 , und hat folgenden Wortlaut 67 : »Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen. Wir, Bruder Bernardus Guidonis und Bruder Gaufridus de Ablusiis vom Predigerorden, vom Apostolischen Stuhl für das Königreich Frankreich beauftragte Inquisitoren der Häresie, und Stefanus de Porto, Kanonikus von Vasatensis, Offizial von Gauderiis sowie Arnaldus de Villario, von dem in Christus verehrungswürdigen Vater, Herrn Galhardus, durch die Gnade Gottes Bischof von Toulouse, für Stadt und Diözese Toulouse beauftragte Stellvertreter. Weil durch die Inquisition auf das klarste und rechtskräftig feststeht, sowohl durch sehr viele von der Inquisition zitierte und vereidigte Zeugen, als auch durch dein ebenso gottloses wie auch profanes Geständnis oder besser Bekenntnis, daß du, Petrus Auterii, einstmals Notar und Einwohner von Ax im Sabarthes, Diözese Pamiers, der du in der Diözese Toulouse ergriffen und verhaftet worden bist, wo du in Sachen Häresie in diesen Jahren sehr viel verbrochen hast, indem du viele verstorbene Personen häretisiert, viele andere angesteckt und zu deinen Irrtümern herübergezogen, sowie den katholischen Glauben mit deinen falschen Lehren verdorben hast, was alles du, sage ich, Petrus Auterii, als bekannter Ketzer schon seit vielen Jahren gehalten und bewahrt hast, auch nun so hältst, und bekennst, daß du Lebenswandel, secta, Ritus und Glauben (vielmehr: Irrglauben) jener Menschen befolgst, die sich allein als Gute Christen bezeichnen, die aber die Heilige Römische Kirche verfolgt und verdammt, als Ketzerperfecti oder »Getröstete« (vielmehr besser: Verzweifelte) bezeichnet;

65 Die mit Petrus Auterii zusammen verhaftete Guillelma (Textoris oder Maurini, s.o.) wurde nach der Erinnerung des Petrus Maurini nach ihrer zunächst erfolgenden Einlieferung in den Kerker von Toulouse nach Carcassonne gebracht. Hierzu merkt D U V E R N O Y ZU Recht an (P III, 155, Anm. 458), daß der Inquisitor von Carcassonne für sie wie für Petrus Auterii eigentlich der Zuständige gewesen sei, weshalb Guillelma ja auch nach Carcassonne gebracht wurde. Nicht so der perfectus, der in Toulouse blieb und dort hingerichtet wurde. Auch diese Tatsache ist ein Indiz für die gerade kompetenzübergreifende Zusammenarbeit der beiden Inquisitionsbehörden, die offenbar notwendig war, um Petrus Auterii fassen zu können. 66 »Lata fuit hec sentencia . . . diejovis ante dominicam in ramis palmarum, scilicet V o . ydus Aprilis, anno Domini M°. CCCX°. ...« (T, 93) - da Ostersonntag im Jahre 1310 auf den 19. April fiel, war der Tag der Urteilsverkündung also Donnerstag, der 9. April. 67 T, 93 - der vollständige lateinische Text befindet sich im Quellenanhang.

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327

der du zwei Götter oder Herrn setzt und nennst, einen gütigen nämlich und einen bösen, und behauptest, die Schöpfung aller sichtbaren und körperlichen Dinge sei nicht von Gott dem himmlischen Vater und dem Herrn Jesus Christus, sondern vom Teufel und bösen Satan geschehen, den du als Gott dieses Zeitalters sowie als Schöpfer und Fürsten dieser Welt bezeichnest; der du ferner zwei Kirchen erdichtest, eine gute, von der du sagst, sie sei deine secta und die Kirche Jesu Christi und habe den Glauben, in dem ein jeder und ohne den niemand zum Heil gelangen könne, und eine schlechte, die römische Kirche, die du unverschämterweise Mutter der U n zucht, Basilika des Teufels und Synagoge des Satans nennst, und die doch in Wahrheit Mutter und Meisterin aller Gläubigen ist, deren sämtliche Grade und Stände, Weihen und Regeln du lügnerisch und frech heruntermachst und der du alle, die ihren Glauben befolgen und halten umgekehrt deinerseits Ketzer und Irrende nennst und ebenso frevelhaft wie unfromm lehrst, niemand könne durch den Glauben der römischen Kirche gerettet werden; der du ferner alle Sakramente der römischen Kirche des Herrn Jesu Christi, nämlich das der Eucharistie, in dem der wahre und lebendigmachende Leib Christi ist, das der Taufe, die durch die Materie des Wassers geschieht, wie auch das der Firmung, der Weihe und der Letzten Ölung jedes einzeln, mit frevlerischem Mund, ebenso schrecklich wie u n f r o m m als sinnlos und eitel bezeichnest, und das Sakrament der fleischlichen Ehe verurteilst, indem du behauptest, es werde immer in der Sünde vollzogen und könne ohne Sünde niemals geschehen, darüberhinaus sei es auch nicht vom guten Gott eingesetzt; der du die Fleischwerdung des Herrn Jesu Christi aus der immerwährenden Jungfrau Maria, die du fantastischerweise als überflüssig bezeichnest - in Wahrheit mit unreinen Lippen Blasphemie treibend - , da du leugnest, er habe weder einen Menschenkörper und wahres Menschenfleisch von unserer Natur angenommen, noch sei er wahrhaft, sondern nur zum Schein in ihm auferstanden und habe die anderen Werke zu unserem Heil vollbracht, sei auch nicht mit ihm zur Rechten des Vaters aufgefahren; der du ferner sagst und lügst, Maria, die Mutter Gottes, sei keine fleischliche Frau und sei es nie gewesen, sondern sei deine und der deinen Kirche, von der du lügnerisch behauptest, sie sei die Reue über Unfrommheit und Eitelkeit des Sinnes, und in D u n kelheit lehrst, dies sei die Jungfrau Maria; der du unverschämt sagst, die Beichte der Sünden, die vor den Priestern der römischen Kirche abgelegt werde, sei nichts wert, weder der Papst noch jemand anders aus der römischen Kirche könne von den Sünden lossprechen, du selbst und deine dir ähnlichen Jünger aber hätten die Vollmacht, alle jene von ihren Sünden zu befreien, die deine und der deinen secta durch die Handauflegung annehmen und halten wollen; der du ferner die Auferstehung der menschlichen Körper rundweg leugnest (irgendwelche spirituellen Körper oder inneren Menschen erfindend), in welchen Körpern du und die deinen, wie du sagst, nicht auferstehen wirst und auch nicht Anteil an der

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Verfolgung, Verhaftung und Hinrichtung

Auferstehung der Heiligen mit den Gerechten haben wirst, mit denen die U n f r o m m e n im Gericht nicht zum Ruhm, sondern zur Strafe auferstehen werden: Diese und andere schreckliche, unerhörte und frevelhafte Irrtümer bringst du, Petrus Auterii, ketzerhaft hervor, wie wir mit Schrecken aus deinem Mund gehört haben, und die viele andere von dir selbst in bezug auf die obengenannten Häresien oft genug gehört haben, willst dich von diesen Irrlehren nicht trennen, sie nicht verlassen und den Glauben der römischen Kirche weder im Herzen glauben noch mit dem Munde bekennen, sondern diffamierst ihn oft und schändlich, ob D u auch von uns und vielen anderen guten Männern, kirchlichen wie weltlichen, oftmals ermahnt und aufgefordert wurdest, daß du dich von deinen Irrlehren löstest und den wahren Glauben der römischen Kirche anerkenntest und hieltest; Darum, weil du, Petrus Auterii, dich von diesen Irrlehren der Häresie nicht abwenden und zum wahren und katholischen Glauben der heiligen römischen Kirche des Herrn Jesu Christi nicht zurückkehren willst, wiewohl häufig genug gebeten, eingeladen und lange genug erwartet, sondern verhärteten Geistes in deinem Fehl- und Irrglauben beharrst, erklären und bezeichnen wir die vorgenannten Inquisitoren und Stellvertreter, nachdem wir zuvor sorgfältig mit vielen Experten beratschlagt haben, damit du nicht wie ein einziges krankes Schaf der Herde des Herrn die anderen gesunden Schafe anstecktest dich, den zuvor genannten Petrus Auterii, hier anwesend, der du zum Glauben nicht zurückkehren willst, dem dieser Tag und O r t zur Verkündung des endgültigen Spruchs verpflichtend bezeichnet wurde, Gott und die Reinheit des rechten Glaubens vor Augen, die heiligen Evangelien vor uns liegend, auf daß vor dem Angesicht Gottes unser Rechtsspruch ausgehe und unsere Augen Gerechtigkeit sähen, zu Gericht sitzend in der beschriebenen Angelegenheit und mit den zuvor genannten Beisitzern als Ketzer und überlassen dich als Ketzer der weltlichen Gerichtsbarkeit, wobei dir unbeschadet und unvorbehalten bleibe, daß, wenn du dich bekehren und zur kirchlichen Einheit zurückkehren wolltest, du am Leben bleiben sollst, in welchem Falle wir uns freie Vollmacht vorbehalten, dir eine Buße und heilsame Strafe für das, was du in der Ketzerei begangen hast, aufzuerlegen. Dieser Spruch erging im öffentlich einberufenen sermo der Inquisitoren, in der Kirche St. Stephan zu Toulouse, Donnerstags vor Palmsonntag . . . «

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329

P e t r u s A u t e r i i w u r d e w a h r s c h e i n l i c h , w i e das bei H ä r e t i k e r n ü b l i c h w a r , öffentlich v e r b r a n n t 6 8 . D a s g e n a u e D a t u m seines T o d e s ist u n s u n b e k a n n t 6 9 . E s ist n i c h t sicher, o b die bei P e t r u s M a u r i n i überlieferten »letzten W o r t e « des P e t r u s A u t e r i i der h i s t o r i s c h e n W a h r h e i t e n t s p r e c h e n o d e r l e g e n d a r i s c h sind. E r soll u n m i t t e l b a r v o r seiner V e r b r e n n u n g g e s a g t h a b e n : »wenn es ihm erlaubt würde, zu sprechen und dem Volk zu predigen, würde er das ganze Volk zu seinem Glauben bekehren. « 7 0 . A b e r o b diese W o r t e n u n der h i s t o r i s c h e n W a h r h e i t e n t s p r e c h e n o d e r n i c h t sie z e i g e n z u m i n d e s t , daß in k a t h a r i s c h e n K r e i s e n n o c h J a h r e n a c h d e m T o d des p e r f e c t u s die Ü b e r z e u g u n g w e i t e r l e b t e , P e t r u s A u t e r i i sei ein w i c h t i g e r , v i e l leicht der w i c h t i g s t e p e r f e c t u s seiner Z e i t g e w e s e n . M i t s e i n e m T o d aber w a r die letzte g r o ß a n g e l e g t e u n d ein J a h r z e h n t lang h ö c h s t e r f o l g r e i c h e R e o r g a n i s a t i o n des K a t h a r i s m u s in S ü d f r a n k r e i c h zu E n d e . Seine M i t - p e r f e c t i u n d V e r w a n d t e n 6 8 Daß er verbrannt wurde, entspricht nicht nur der üblichen Praxis bei der Hinrichtung von Häretikern (vgl. CH. L. LEA, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Bd. I, S. 617-619), sondern ist vermutlich der reale Kern hinter der Tradition über die »letzten Worte« des perfectus, die er vor seinem Tod auf dem Scheiterhaufen gesprochen haben soll (s. dazu unten). 6 9 DUVERNOY setzt es mit dem Tag seiner Urteilsverkündung gleich (Histoire, S. 331), doch kann er keinen Beleg dafür anführen. Daß die Verbrennung eines Verurteilten sich beträchtlich vom Urteilsdatum unterscheiden konnte, geht aus CH. L. LEA, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Bd I, S. 4 3 2 - 4 4 0 hervor. 7 0 DUVERNOY (Histoire, S. 331) zitiert diese Worte als historisches Dokument. Man muß allerdings den Kontext berücksichtigen, in dem sie sich befinden: die in der Aussage des Guillelmus Baiuli aus Montaillou enthaltene Überlieferung stammt aus aus einer um Weihnachten 1319 sich abspielenden Diskussion zwischen mehreren Hirten auf den Weiden im Gebiet des Carlit, die sich mit der Frage beschäftigte, warum wieder einige credentes verhaftet worden waren. Der Bischof von Pamiers, sagte Petrus Maurini, sei eben ein viel schlechterer Mensch als die Verhafteten. Darauf folgt dann diese Überlegung des Zeugen (Guillelmus Baiuli): »Et ipse loquens, ut dicit, omnia supradicta dicto Petro concedebat, dicendo quod verum dicebat, et ipse, ut dixit, aliquando credebat quod verum diceret dictus Petrus, dicendo dicta verbo de dicto domino episcopo, quia videbat quod dicti heretici se permittunt comburi pro deffensione fidei sue, aliquando dubitabat pro eo, quia dictus dominus episcopus erat multum litteratus, ut dicabatur inter pastores, et, ut dixit, aliquando dixit dicto Petro Maurini quomodo posset esse quod dictus episcopus, qui erat homo litteratus, ut dicabatur, non cognoscebat si meliorem fidem tenebant heretici quam ipse vel e converso. Dictus Petrus respondebat ei quod dictus dominus episcopus nichil sciebat in comparatione illorum qui heretici vocantur, quia, ut dicebat, multo plus sciunt illi qui heretici vocantur quam dictus dominus episcopus, quia, ut dixit, multo plus scivit Petrus Auterii hereticus qui fuit combustus, quam dictus episcopus. Et addidit quod dictus Petrus Auterii, quando debuit comburi, dixit quod si permitteretur loqui et predicare populo, totum populum ad fidem suam converteret . . . « (P II, 393). Diese Nachricht könnte durchaus auf einer authentischen Information beruhen. Sicher ist das aber nicht. Die Stelle ist zweifelhaft wegen der im Text angedeuteten, aber historisch so nicht stattgefundenen Konfrontation zwischen dem Bischof und Petrus Auterii bei der Verbrennung des perfectus: die Pointe der Erzählung besteht im Nachweis der intellektuellen Überlegenheit des Petrus Auterii über den Bischof, die dadurch bewiesen wird, daß der perfectus noch vor dem Scheiterhaufen das letzte Wort gehabt haben soll. Es gab aber für Jacques Fournier keinen Anlass, bei der Verbrennung überhaupt anwesend zu sein und er fehlt auch in der Anwesenheitsliste der oben wiedergegebenen Urteilsschrift. Es handelt sich bei der Tradition von den »letzten Worten« Petrus Auteriis also möglicherweise um eine Legende.

330

Verfolgung, Verhaftung und Hinrichtung

Jacobus 7 1 und Guillelmus Auterii 72 waren ebenfalls in Haft bzw. starben einige Zeit nach ihm auf dem Scheiterhaufen. Die letzten Nachrichten über die Hinrichtung von Katharern im Raum der Grafschaft Foix, den Gebieten um Toulouse, Albi und Carcassonne stammen aus der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre des 14. Jahrhunderts 73 .

71 DUVERNOY, Pierre Autier, S. 45 f weist darauf hin, daß Jacobus Auterii zu Anfang des Jahres 1309 verhaftet worden sein muß. Dies geht aus einem ab dem 3.März dieses Jahres beginnenden Rechtsstreit des Grafen von Foix mit der Inquisition Carcassonne hervor, der sich über die Aburteilung dieses perfectus erhob. Die Inquisition ging auf seine Forderung nach Überstellung des Gefangenen nicht ein: Ihre Rechte seien denen des Grafen gleichrangig und der Fall eile (die Quellen hierzu in HL X , 484-489). DUVERNOY, Histoire, S. 330 bemerkt , derselbe Grund für die Eile und Dringlichkeit der Hinrichtung sei im Zuammenhang mit Amelius de Perlis verwandt worden, als dieser sich während der Haft in die endura begeben hatte (»nec potest ultra diutius sine pericula mortis expectari... »T, 36 f) — man kann vermuten, daß dies auch für Jacobus Auterii galt. Die genauen Umstände sind uns unbekannt. 7 2 Wann die Verhaftung des Guillelmus Auterii stattfand, ist nicht klar. Falsch ist DUVERNOYS Darstellung, er sei Ende 1309 in Hugoux bei Tarabel von der Inquisition gefaßt worden (Pierre Autier, S. 46). In der entsprechenden Quelle steht nur, Guillelmus Auterii habe seinen Kollegen Petrus Sancii dort zwischen September 1309 und Januar 1310 besucht. Über Ort und Zeit seiner Verhaftung wissen wir nichts Genaues. Er wurde jedenfalls 1311 im Zusammenhang des Konzils von Vienne hingerichtet (worauf sich allerdings in den Akten dieses Konzils, MANSI, Bd. 25, S. 367—413 kein Hinweis findet). Dies ist bekannt durch einen Rechenschaftsbericht in einem Kontenbuch des Bischofs von Bologna, das über verschiedene Kosten, die aufgrund von Inquisitionsaktivitäten entstanden waren, informiert. Dort heißt es: »Infrascriptam peccuniam expendi ego fr. Franciscus predictus eundo Viennam ad concilium generale pro factis fidei et maxime contra Guillelmum Auterium hereticatum in Cuneo et fugitivum nostrum . . . et stando ibidem a 7 die exeunte septembris usque ad finem madii vel circa . . . Et sie eundo, stando et redeundo de dicto concilio fuerunt dies 247, et expendi quolibet die pro me socio et famulo très turon. . . . « (B. GEROLAMO, Inquisitori ed eretici lombardi (1292-1318), in: Miscellanea di storia italiana, terza serie, tomo X I X , hrsg. von der Reale deputazione sovra gli studi di storia patria per le antiche provincie e la Lombardia, Torino 1922, S. 547). Das Konzil von Vienne wurde am 16. Oktober 1311 eröffnet und beendete seine Tätigkeit nach der dritten Plenarsitzung im Mai 1312 (J. LECLER, Vienne, i„ 211,212, 211 - Franciscus (Limoux) 243, 286 - Guillelma 276 - Guillelmus (Junac) 165 - Martinus (Bruder des Arnaldus) 233 - Mateldis (Frau des Ramundes, Tarascon) 187 - Petrus (Junac) 108 - Ramundes (Sohn der Alissendis, Tarascon) 187 - Ramundus (Arques) 239,248 Marty, Bertrand 54 Mateldis 207 Mathei 0 0 , 1 7 4 , 1 8 1 - Arnaldus (Sohn der Versiada) 174 - Guillelmus 150 - Petrus 159, 114,181 - Vesiada (Frau des Petrus Mathei) 174 Maulen, Ramundus 248, 286, 281

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Maurandi 156 - Magna 156 - Raymundus Athonis 334 Maurelli 150, 154, 320, 322 - ,Bruder' 319,320 - Arnaldus (Bruder des Perrinus) 153, 319 f.,321 - Egidius (Vater des Perrinus Maurelli) 320 - Perrinus (Bruder des Arnaldus Maurelli) 153,317,319f., 321,322,324 - (Frau des Perrinus Maurelli) 320 - Ramunda (Frau des Arnaldus Maurelli) 153, 320 Mauri, en 165,171 Maurina, Guillelma 181 f. Maurini 169, 171 - Guillelma (Schwester des Petrus Maurini) 150,320,322,326 - Guillelmus (Bruder des Petrus) 310 - Johannes 198,234, 309 - Petrus (Montaillou) 11, 88, 128, 130,171, 226f., 229f., 234, 237-239, 240, 241 f., 245-247, 255, 261, 275f., 279, 286f., 302, 309, 310, 320, 326, 329 - Ramundus (Arques) 88 Maurs, Pelicerii 169 Mazeriis, de 152 Meinecke, F. 77 Melglosa, Guiilamona (Schwester der Sibilia Melglosa) 165 - Sibilia 165 Melglosio, Petrus de 187, 195 - Ricarda de (Frau des Petrus) 187, 194 f. Mercaderii (Chaulet) 152 - (LeBorn) 151 - Aymerica (Frau des Guillelmus Mercaderii d.Ä., La Garde) 153 - Guillelmus (LeBorn) 322 - Guillelmus d. Ä. (La Garde) 153 - Guillelmus d. J. (La Garde) 153,266 - Johannes (LeBorn) 151,152 - Sancius (Bruder des Guillelmus, Le Born) 157, 319, 322, 333 Mercerii, Bertrandus 197 Michael 210 Mira, Ermengardis sh. unter Issaura, Ermengardis Miracia, Bernarda sh. unter Castro, Bernarda de Mirenis, Michael 161,251,280f. - Raymundus (Vater des Michael) 251, 280 f. Molanis, Guillelmus de 334

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Personenregister

Molinerii, Arnaldus 254 Molinier, Ch. 5, 6, 8, 9, 10,12, 2 4 - 2 6 , 29f., 50, 55, 62, 64, 73, 75, 92, 111, 112, 115, 150, 321, 322, 325, 332 Mollat, G. 5, 213, 322, 330, 332 Monachi 157 - Guillelmus 154, 157,161 Monerii, Guillelmus 165 - Petrus 165 Montcade, Gaston de (Vizegraf von Bearn, Schwiegervater von Roger-Bernard III) 64, 69, 70 - Marguerite de (Frau von Roger-Bernard III.) 6 4 , 6 7 , 6 9 Monte Caprario, Guillelmus Petri de 184 Monte Lauro, Stephanus 334 Monte totino, Arnaldus de 334 Montforts, Simon de 62 Morghen, Rafaello 4, 40 Moulis, A. 62 - F. 148 Na Neuss, Sanchos de 171,172 Na Rica, Poncius de 98 Na Sclana, Petrus Arnaldus de 93, 95f., 99,

102 Nelli, R. 5, 15, 35-37, 46, 50, 79, Neusner.J. 205 Nicholay 160 Niketas 132,133,217 Noalhas, Ugode 334 Nogaret, Guillaumede 5, 73

144,215

Olivier 132 Omelacio, Poncius de 334 Oppitz, M. 264 Otto, H. 10 Pales-Gobillard, A. 4, 8f., 1 5 , 1 9 - 2 2 , 50, 54, 55, 56, 104, 110, III, 119-121, 125, 134, 158, 164, 173, 177, 179, 181,189, 192, 212, 224,236,237,240,244,250,313,314 Palharesa 2 3 9 , 2 4 4 - Rixendis 155, 168,194 Papousek, D. A. 45, 170 Pasquier, F. 60 Paulus 126, 251, 300, 305, 308, 310 Pelicerii (Montaillou) 169 - Alasaytz (La Garde) 153 Pellicerii, Petrus (Rabat-les-TroisSeigneur) 179 Perlis, Ameliusde 38, 39f., 136-138, 142, 185, 212, 253,270, 271, 275,324,325, 330

Peter II (Sohn Jakobs I. von Aragon) 65 Peter III (König von Aragon 1276-1285) 63, 66f.,74f. Petri (Arques) 11, 44, 81, 146, 148, 169, 226f., 2 4 8 , 2 5 4 , 2 5 5 , 288, 308, 313 - Baranhona (St. Sulpice) 137,184-186 - Bernarda (Tochter der Baranhona Petri, St. Sulpice) sh. unter Raynes, Bernarda - Guillelmus (Vater der Marquesia, Limoux) 2 8 6 , 2 8 7 - Jacoba (Tochter der Sibilia, Arques) 255, 268,273,278-280 - Jacobus (La Garde) 242 - Jacobus (Sohn der Baranhona Petri, St. Sulpice) 184 f. - Johannes (La Garde) 153 - Marquesia (Tochter der Sibilia Petri, Limoux) 81 f., 286 - Petrus (Quie) 193 - Ramundus (Mann der Sibilia, Arques) 146, 151, 255,266, 278, 280f., 286 - Ramundus (Quie) 237. — (zwei Söhne des Ramundus) 237 - Raymundes (Mann der Baranhona Petri, La Garde/St. Sulpice) 185 - Raymundes (Sohn der Baranhona Petri, St. Sulpice) 184f. - Sibilia (Arques) 11, 29, 81 f., 88, 149, 151, 152, 155, 160,162,167, 169f., 175, 188, 193f., 197, 226, 243,248, 251, 255, 268, 277, 278f., 281, 2 8 8 f . , 3 0 9 - Sibilia (Frau des Guillelmus, Limoux) 286. - (Mutter der Sibilia) 286 - Stephana (Tochter der Baranhona Petri, St. Sulpice) sh. unter Caussens, Stephana de Petrus 83,126, 251, 300, 308, 310 - Amelius 137,324 Philipp d. Schöne (IV) 56, 66, 6 8 - 7 4 , 76f., 101 f., 111 Philipp II 64 Philipp III 6 4 - 6 8 , 7 5 Philippus (perfectus) 98, 154 Pibras, Bernardus de 153, 154,161 f. - Guillelma de (Frau des Bernardus de Pibras) 153, 161 f. - Petrona de (Tochter des Bernardus de Pibras) sh. unter Amelii, Petrona Piquerii 175, 193,199 - Arnaldus (Tarascon) 174, 175, 187, 189f., 192, 198f., 225, 314 - Mateldis (Frau des Arnaldus Piquerii) 199 - Ramunda (Frau des Arnaldus Piquerii) 187

Personenregister

Pirali (de Puialibus) 180 - Na Mathena (Frau des Poncius) 178,180 - Poncius 178,180 Pirmin 140 Planissol 44 - Beatrix de 3, 77, 78, lOOf., 106, 227, 275 Planissolis, Philippus de 152 Poncii de Morlanis, Guillelmus 334 Ponseca, Vasconia 276 Ponte, Ramundus de 155 Porcelli (Luganno) 154 - Bruna 170 - Guillelmus (Luganno) 154,171 - Ramundus 171 Porterii, Aymericus 334 Porto, Stefanus de 326, 333 Pradinis, de 160 - Petrus de 334 Prato, Arnaldus de 156 - Guillelma de 156 Proaudo, de 159 - Alasaytz de (Frau des Martinus) 276 - Guillelma de (Frau des Martinus de Proaudo) 158,159,252,276 - Martinus de 158,276 - Stephana de (Tochter des Martinus) 7, 303 Querio, Ermengardis de (Frau des Hugo de Querio, Quié) 175 - Ermengardis de (Frau des Petrus) 187, 195 - H u g o / U g o l de (Quié) 173,175 - Petrus de (Taroscon/Quié) 187,195 Racat, en 118, 150 Raimond VII 62 Ramundi dejosa, Guillelmus 58 Ramundus (perfectus) 180, 309 - Petrus 39f., 128,136, 149, 151, 153,180, 187 Ranada, Moneta 174 Rauzini, Moneta sh. unter Calhaui, Moneta Rauzinus 56 Ravato, de 119,121 f. - Guillelmus de Castello 121 - Johannes de 180 - Jordanus de 178,180, 187,195 - Mathendis de (Frau des Jordanus) 178, 180, 187,194 f. - Petrus de Ramundi (Sohn der Mathendis) 195

359

Raymundi de Orto, P. 334 - de Salvetate, Petrus 149 - domus (Le Born) 151 - Petrus (Podium Gilbonis) 157, 158 Raymundus de Ugonibus, Petrus 151, 159, 240. - Bernarda (Frau des Petrus) 240 Raynes, Bernarda (Frau des Poncius Raynes) 184,186 - Guillelma (Frau des Poncius Raynes) 186 - Guillelma (Frau des Johannes) 184,186 - Johannes 184, 186 - Poncius 184, 186 Reicke, S. 130 Reifferscheid, A. 273 Riba, den 169,170 - Arnalda 256 Riberi.A.M. 97 Rivo, Bernarda de 150 Rocas, Bernardus 154, 158 Rocovilla, Bertrandus de 334 Rodesio, de 24, 45, 109,111-113, 119, 121-123, 125-127, 159,162,174, 177, 179, 181,186, 187,188,190f., 198,204 - .Bruder'de 111,115,124,175 - Bianca de (Frau von Guillelmus d.J.) 108, 111-115, 120f., 124-127, 149, 150, 153, 159, 163,167, 174-176,179, 180, 186, 187, 188,190 f., 225,227,232, 236,251, 253, 302, 304, 314 - Ermengardis de (Tochter von Guillelmus d.Ä.) 186,191 - Galharda de (Frau des Geraides) 186,189 - Geraldus de (Sohn des Guillelmus d.Ä.) 92, 108,110,114, 119,121, 152, 155, 157, 162, 166,170,174,177,186, 187, 188,189,237,314 - Guillelmus de 109,110f„ 113,115, 116, 122-127, 148, 150, 155,162,166f., 171, 174-178, 187,189-191,198f., 231,232, 265,314 - Guillelmus d. Ä. de 54, 57, 60,120f., 186, 188 - Guillelmus d.J. de 9, 108,118-121,163,

186,188 - Petrus de (Sohn des Guillelmus d.Ä.) 121,

186,188 - Poncius de (Sohn von Guillelmus d.Ä.) 186,191 - Ramunda de (Frau des Guillelmus d. Ä.) 54, 57, 114,120f., 159,181,186, 188-190 - Ramundus de (Sohn des Guillelmus d. Ä.) 113,121,162,177,186,191

360

Personenregister

Roger Bernard II 62 f. Roger Bernard III (Graf von Foix 1265-1302) 29,38, 56, 58, 6 0 f . , 6 3 - 7 8 , 8 6 f . , 9 0 f . , 105, III, 118, 179, 195, 209, 214 - (Schwester von Rotier Bernard III) 65 - (Tochter/Töchter von Roger Bernard III) 68, 70 - Brunissende (Mutter von Roger Bernard III) 65 - Brunissende (Tochter von Roger Bernard III) 74 f. - Constance (Tochter von Roger Bernard III) 74 f. - Gaston (Sohn von Roger Bernard III) 7 4 - 7 6 - Mathé (Tochter von Roger Bernard III) 74 f. Rogerii, Arnaldus (Grafvon Palhars; B i s c h o f von Toulouse ca. 1244-1252) 18, 60, 66, 135 Roll, E . 14 Roquebert, M . 13 Ros, Gualharda 298 Roselli, Petrus 114 - Ramundus 100f., 106 Rostaing, Ch. 148 Rottenwöhrer, G. 15, 22 Rudolph, K. 90 Runciman, St. 13, 212 Ruphi, Aymengardis (Frau des Raymundus Ruphi) 151 - Raymundus 151, 156, 158 Ruppe Fortis, Berengarius de 77 Sabartus, A. 148, 321 Sabaterii (Limoux) 166 - (Lordat) 188, 190, 193 - Guillelmus d. Ä. (Limoux) 165, 251, 282 - Guillelmus d.J. (Sohn des Guillelmus d . Ä . , Limoux) 165 - Petrus (Lordat) 306 - Ramundus (Lordat) 1 6 5 , 1 6 7 f . , 252 Sacchoni 202 Sacconi, R. 212 Saisset, Bernard (Abt/Bischof) 68, 7 1 - 7 6 , 90, 163 - Guillelmus (Bruder von B . Saisset) 73 Salas 161, 317,319, 322 - Bertrandus 158, 231, 232,317-319, 321 - (Sohn des Bertrandus Salas) 319 - Vidala (Frau des Bertrandus) 151, 317, 318-320, 321 Salch, C h . L . 148

Salvetate, de 172 - Arnalda de (Frau des Johannes, des Sohnes des Arnaldus) 171, 323 f. - Arnaldus de (Sohn des Arnaldus) 171 - Arnaldus de 171 - Bona de (Frau des Arnaldus) 171, J72 - Johannes de (Sohn des Arnaldus) 171 - Johannes de (Sohn des Raymundus) 172 - Petrus de (Sohn des Arnaldus) 171 f., 30.3, 323 f. - Raymundus de (Sohn des Arnaldus) 171, 323 f. Sanchas 171, 172,183 - Arnalda 172 - Arnaldus 171 - Petrona sh. unter Artigiis, Petrona de - Sibilia 153,171 f. Sancii 153,182 f. - Aymerica sh. unter Mercaderii, Aymerica - Navarra 153 - Petrus 136-138, 151-154, 172, 1 8 1 , 1 8 3 f . , 231, 280,316,322, 330, 333 - Raymunda (Tochter des Raymundus Sancii) sh. unter Artigiis, Raymunda de - Raymundus 153,183 - Vitalis 153 Sancius/Sancetus (perfectus) 320. - Bruder des Sancetus 320 Sancto Marciale; U g o d e 334 Savinhani, Arnaldus de (Großvater der M e n gardis, Prades) 2 5 4 , 2 6 8 - Arnaldus 198 - Mengardis (Prades) 254 Savinhano, Arnaldus de 193 Scaunerii, Galharda (Arques) 248, 255 - Gualharda (Sorgeat) 8 1 - 8 4 , 8 7 , 9 0 - Guillelmus 243, 286, 287 Schmaus, M . 14 Schmidt, Ch. 12, 23 f. Schmidt, K . D . 13 Schmitz-Valckenberg, G. 14 Schönmetzer, A. 222, 223 Schwaiger, G. 11,223 Seibt, G. 263 Selge, K . V . 22 Sentgelia, Guillelma 102f., 164 Seppelt, F. X . 11,223 Servello, Bernardus de 187,198 f. - Sperta de (Frau des Bernardus) 187, 199 Sicardi (Le Born) 151 - (Verdun) 160 - Bernardus (Bruder des Petrus) 143 - Petrona (Mutter des Petrus) 142 f.

Personenregister - Petrus 142 f. - Stephana (Schwester der Petrona) 142 f. Sicardus 282 Sobirani, Raymundus 334 Söderberg, H. 13 Solacrop 151 Soreze, de (Sartoris) 119,122, 151 - Galharda de (Frau des Ramundus, Sartoris) 5 5 - 5 7 , 1 2 2 , 1 5 9 - Ramundus de (Sartoris) 55, 56,122 159 Sos.de 193 - Alamanda de (Frau des Arnaldus) 187 - Arnaldus de 187,189f., 196 Soutou, A. 148 St. Gerald 317, 318 St. Jacob 304, 319 St. Johannes Baptista 199 St. Johannis 111, 119, 124,320f. St. Lorenz 323 St. Lucas 7 St. Lukas 7 St. Martin 105, 109 St. Michael 88, 92, 109,113,283, 317, 318 Stein-Schneider, H. 102, 236 Stephani, Johannes 334 Stoodt, D. 11,223 - H.C. 81,131,148 - K. 3,11 Strating, A. 130,260 Stutz, U . 130,131 Subirats, J . v. 106 Sutra 193 - Ramundus 187, 199 - Sibilia (Frau des Ramundus Sutra) 187, 199 Swinne, A. H. 141,209 Tabacco,G. 111 Talayraco, Philippus de 160,171 Talha, Petrus 173 Taubes, J . 46 Tavernerii 44,175 - Bernardus (Bruder des Pradas Tavernerii) 157 - Pradas 80, 99, 105f., 157, 254, 255, 266, 268, 269, 278f., 281,282, 308, 313 Taxio.de 119,121 f. - Bertrandusde 4 9 , 1 2 0 - 1 2 2 , 1 6 2 f . , 166, 167,176,189 f., 203 - Hugua de (Frau des Bertrandus) 163, 166, 167 - Johannes de (Bruder des Bertrandus) 120,

121 Telhphondi, Helyas 334

361

Terreni 155,188 - Ramundus 190 Tertullian 273 Teuberii, Bona (Frau des Raymundus) 151 Teulerii, Raymundus 151 Textoris 119 - Arnaldus (Schwiegersohn des Petrus Auterii) 11, 38, 43,44, 5 5 , 5 7 , 7 8 £ , 83, 8 4 - 8 6 , 90,93f., 95,103-105,108-110,115,118, 120,121,167 f., 1 9 3 , 2 9 3 , 3 2 0 - Guillelma (Frau des Arnaldus) 44, 55-57, 120, 150,168, 320, 326 - Guillelmus (Schwiegersohn des Petrus Auterii) 11 Thouzellier, Ch. 15, 20, 2 2 , 1 9 Tinhaci 119, 122, 150,188 - Marquesia (Frau des Petrus) 120 - Petrus 113-115,120, 150, 314 Tisserant,J. 215 Töpfer, B . 61 Tornerii, Ramundus 93 Toscana, Emilia e 116 Troeltsch, E. 141 Tron, Guillelmus 194 Tunicio, Philippa de 159, 235 Turre, Guillelmus de 334 - Johannes de 334 Ugenaco, de 160 Ugenaco, Ramundade sh. unterPiquerii, Ramunda Ugonibus, Guillelma de 151 Ugos, dels 154 - Ponciusdels 154 - (Bruder des Poncius dels Ugos) 154 Ulrich, Th. 6 Unandi, Guillelmus 334 - Raymundus 334 Unzenato, Atho de 258 Uzalquier, d'en 108, 159 Vaisette,J. 61 Valencia 153 Valois, Karl von 6 7 , 6 8 , 7 0 Valsiera 188,190 - Ramundus 85, 89, 99f., 102, 104, 150, 193,196, 314 Varenas, Martina (Frau des Sancius) 151 - Sancius 151 Vasconis 160 - Bernarda 160 - Bernardus 160 - Raymundus 212

362

Personenregister

Vedelhaco, Arnaldus de 179,195f., 214 Ventodoro, Helyas de 334 Verduneto, Ramundusde 97f., 101 f., 104, 105, 138 Vernauso, Guillelmus de 167, 168 Vicdessos, Alamanda de 314 Vidal, J. M. 8, 9,10,12, 18, 27-30, 31, 34, 36f., 39f., 41, 44,49-51, 54-56, 71, 99, 103, 115,119, 129,138, 147,148,150, 154, 155, 157, 158, 258, 313, 321 Villario, Arnaldus de 326, 333 Violante, C. 116 Vitalis (merens) 165 - Arnaldus (Comberouger) 152,231 - Bernardus 248, 286, 287

Warner, H.J. 5,12f., 28,30, 31, 54 Weber, E. 11, 140, 141, 209, 223 Weber, Max 206 Wendehorst, A. 131 Werner, E. 15,49 Wetstenium, Henricum 4 Wetter, F. 11,222 Widengren 13 Windfuhr, G. 41 Wissowa, G. 273 Wolf, E. 13 Woodroffe, Sir John 264

Wakefield, W. L. 13,14 Wallach, F. 77

Zakkai, Rabban Yohanan ben 205 Zinser, H. 16, 17

Ycherti, Stephania 266, 270 Yspani 185

Sachregister Die kursiven Seitenzahlen beziehen sich auf die Fußnoten.

Abendland, abendländisch, auch Okzident, christlich-abendländisch 14, 20,32—35, 132,262,264 Abendmahl sh. unter Altarsakrament Ablaßwesen 261 Abreise, ins Exil, bisweilen in der Absicht, perfectus zu werden sh. unter Auswanderung und Exil Abschied 255, 262 f. Abstieg Christi aus dem Himmel 220 Abt, von St. Antonin in Pamiers 68, 71, 74 Abwanderung, katharischer perfecti und credentes ins Exil sh. unter Auswanderung und Exil Adel 132, 135, 140, 180 - Kleinadel, Landadel, überwiegend im Hochland von Foix (sh. auch Ritter) 25, 33f., 49, 80, 95,99f., 105, 122,131, 195-198, 204, 209, 260 - Hochadel französicher 75 f. katalanischer 66 - Robenadel 37, 122 Adelsburgen sh. unter Burgen adoratio sh. unter Anbetung affolamentum sh. unter salutatio Agent sh. unter Spitzel Albigenserkrieg, -kreuzzug sh. unter Kreuzzug Allerheiligen 108, 152 Alltagsleben 51 Allversöhnungslehre, katharische, im Gegensatz zu begrenzter Zahl von Wiedergeburten 143, 250, 296, 298, 299, 311 Altarsakrament (sh. auch Elevation, Eucharistie, Hostie, Kommunion, Leib Christi, Transsubstanziationslehre) 214, 246-248, 303 Ämter, katharische - ancianus 19, 23, 25, 31, 38, 39, 130, 131, 134-137, 139,141 f., 145, 212, 324 - diaconus 19, 38, 130, 131, 133,138, 141, 212

- episcopus sh. unter Bischöfe/Bistümer, katharisch - filius, filius major 133, 145 — major hereticus 98 — major diaconus 98, 138, 145 Anbetung (adoratio) 220, 230, 235, 236, 324 ancianus sh. unter Ämter, katharische Anklage, Angeklagte (sh. auch Hochverratsprozeß) 5, 9, 258 f. antifeudal (sh. auch feudal) 48, 163, 210 antifranzösiche Opposition bzw. Politik 66, 73-75,90 f., 163,179 Antike 265 Antoninusmarkt in Pamiers sh. unter Märkte Äpfel sh. unter Obst Apokalypse, apokalyptisch 220 Apokryphen, apokryph 215, 306 Apostel (sh. auch vita apostolica) 126, 283, 301, 306, 308 apostolische Sukzession sh. unter successio apostolica apparelhamentum, katharische Ritual (sh. auch unter reconciliatio) 39, 138,212—215 Arbeit, auch Arbeitsprozeß, Erwerbsarbeit, Handarbeit, Lebensunterhalt 17, 83, 205, 260, 309 Arkandisziplin 230, 239, 241, 272 Armenpflege 130,259,261 Armut, apostolische, auch Armutsbewegung, -sforderung, -sideal, Besitzlosigkeit (sh. auch Asketen, Mönchtum, vita apostolica) 33f., 83, 87, 141, 200 Arzt (sh. auch Medizin, medizinisch) 120 Ascenssio Isaiae sh. unter Visio Isaiae Asketen, asketische Lebensweise, Lebensregeln, auch Speiseregeln 17, 23, 36, 83 f., 117, 125, 127,136, 140, 212, 224,235, 243, 274f., 278, 283-285, 305, 307-310,317 Auferstehung des Fleisches 193, 216, 256f., 311,327 Ausbeutung 302

364

Sachregister

Auswanderung (sh. auch Exil) 17, 20, 27, 50, 53,100,106,135 baiulus, Inhaber der Polizeigewalt 169, 193 Bann, auch Exkommunikation 67, 70, 71 f., 105, 157, 282, 313 Bauern, bäuerlich, auch bäuerliche domus 16, 21, 28, 3 3 f . , 38, 45, 4 8 - 5 1 , 1 1 6 , 122f., 201, 2 0 3 f . , 207, 209, 280 be, okzitanisch für bonum sh. unter bonum Beamte, königliche (sh. auch Seneschall) 97,

282 Beerdigung, katharische (sh. auch Friedhöfe) 152, 165, 252, 282 Begine (männlich) 113,177 Begnadigung 162, 182, 183-185, 319 Beichte 140, 146, 160, 212, 278, 282, 313, 327 Bekehrung, Bekehrungslegende, vor allem über die Brüder Auterii (sh. auch unter Exil, des Petrus Auterii, und unter Kreditbetrug) 27, 3 0 f . , 38, 55, 82, 8 4 f . , 8 7 - 9 0 , 140, 227, 309 Belagerung - von Foix 64 - von Urgel 1280 66 berger sh. unter (Schaf-)Hirten Bergrechte 70, 76 Beschlagnahme des Besitzes verurteilter Ketzer sh. unter Enteignung Besitz irdischer Güter 82 f. , 2 5 3 , 2 8 1 , 290, 308, 322 Bestattung sh. unter Beerdigung Bestechung 195 Beten sh. unter Gebet Betrug, durch die römische Kirche (sh. auch Kreditbetrug) 2 9 0 f . , 293 Bettelorden (sh. auch unter Dominikaner, Franziskaner) 13, 101 Bibel (sh. auch Buch, Visio Isaiae) 44, 84, 108,236, 284, 289, 305 f. - Altes Testament 288,289, 306 - Neues Testament 215,311 - Evangelien 3 0 5 f . , 3 2 8 - synoptische Evangelien 3 1 , 8 3 - Johannesevangelium 7 8 f . , 8 9 , 1 9 3 , 289, 293 - Paulusbriefe 31, 305 Bischof/Bistum - katharisch 18f., 21, 31, 36, 49, 106, 130, 136, 141,146 - - Agen 133, 145 - - Albi 132f., 145 Carcassonne 133, 145 Razes 145 - - Toulouse 133,135, 145

- katholisch, auch Erzbischöfe, -bistümer 47, 97, 130, 139, 195 - - Auch 70 - - Aire 70 - - Alet 161 Bayonne 70 - - Beziers 146, 317 Bologna 330 Cahors 317 - - D a x 70 Mirepoix (Hers) 321 Montauban 151 Narbonne (Erzbistum) 72 f. - - Pamiers 56, 68, 71 f., 74, 90,105,123, 163,169, 173, 179, 326, 329 Saragossa (Erzbistum) 70 Toulouse (ab 1317 Erzbistum) 326 - - Urgel 70 Bogomilen, bogomilisch 3 2 f . , 130 boni christiani, boni homines, Selbstbezeichnung der Katharer 81, 104,107, 110,113, 146, 175f., 207, 2 3 3 f . , 236, 252, 268, 275, 276, 310, 326 bonum, okzitanisch: be, von katharischen Vollkommenen gespendete Heilsenergie 126, 206, 241 f., 245, 248 f., 267 f., 272 f., 2 8 3 - 2 8 5 , 287, 301, 307 borda, Stallscheune, oft Versteck der perfecti 158, 161,183,189,251,320 Bote, Botendienste für perfecti und credentes, auch nuncius haereticorum, Informationen zum katharischen K o m m u n i k a tionssystem 97 f., 1 0 4 - 1 0 6 , 1 1 8 , 128, 157, 160, 181, 189, 2 0 1 , 2 5 8 , 2 6 1 B r o t , auch Anisbrot (sh. auch panis benedictus) 94, 1 2 4 , 1 6 6 , 1 7 0 , 2 4 2 - 2 4 9 , 244 Buch 43,44, 83, 89, 118, 160, 2 1 7 f . , 2 2 2 , 264, 271, 272, 284 Buddhismus 16, 164 Bündnispolitik sh. unter Grafen von Foix und antifranzösische Politik Burgen 14 - im Hochland von Foix, umstrittene Eigentumsrechte 58, 6 0 - 6 2 , 6 4 £ , 6 8 - 7 0 , 75 Bürgertum, auch bürgerliche Elite usw. (sh. auch unter Stadt) 53, 82, 122, 196f., 204 - von Pamiers 71 f. Buße, Bußakt, Bußorte, Bußzahlung (sh. auch Fegefeuer) 2, 69, 212, 2 5 9 - 2 6 2 , 269, 273, 277, 294, 2 9 6 - 2 9 8 , 306, 308, 310 cappellanus 278, 301, 308 caretas sh. unter salutatio

365

Sachregister C h r i s t u s , C h r i s t o l o g i e 2 7 5 , 2 2 0 , 247, 2 4 9 ,

D u a l i s m u s , katharischer 14, 15, 32, 79, 89,

C h r o n o l o g i e 3, 7, 8, 51, 81, 9 1 - 9 3 , 108-115,313f.,

293,312,327

133,289,292,

258,261,300,301,307,322,326-328 108,

-

platonischer v o n L e i b u n d Seele 2 6 5

316,318,323

c o n s o l a m e n t u m , katharische Geisttaufe (sh. auch R i t e n , katharische) 2, 7, 14, 29, 3 6 ,

ecclesia sh. unter K i r c h e E h e , - S c h l i e ß u n g , - v e r t r a g 3 5 , 63, 70, 74, 197, 2 0 0 , 201, 203, 260, 2 7 9 ,

42, 43, 5 0 , 50, 74, 8 2 f . , 83, 91, 105, 107,

158,163,170,

126, 1 3 4 , 1 3 9 , 1 4 2 , 144 f., 154,

2 9 0 , 3 0 4 , 308, 3 2 7

158-161,

165, 173, 174,176,

155, 180,185,195,

Ehebruch

60

206f.-, 2 0 9 , 209, 211, 2 7 2 , 2 2 4 f . , 2 2 7 - 2 2 9 ,

E i d , Eidespflicht 16, 6 5 , 77, 117, 172

227, 2 3 1 , 2 3 3 , 237, 2 4 1 f., 2 4 5 , 2 4 9 - 2 8 5 ,

E i e r 124, 2 4 3 , 2 7 4 , 308

264, 2 8 2 , 3 0 4 , 307, 3 1 0 , 320

Eigentum

-

an K i n d e r n

E i n k a u f 125

-

B e z a h l u n g dafür 3 9 , 154

-

B e w u ß t l o s i g k e i t , als Hindernis des c o n s o -

195, 2 6 8 , 2 7 4

E i n z i e h u n g des Besitzes verurteilter K e t z e r sh. unter E n t e i g n u n g E l e v a t i o n der H o s t i e in der katholischen

lamentums 266, 268 -

65,294,319

Messe

S p r a c h ( u n ) f ä h i g k e i t , als Hindernis, das k a -

779,214

Emotion, emotionale Konflikte 255, 280,

tharische Sterberitual zu e m p f a n -

310

gen 143 f., 211, 2 3 0 , 2 6 7 - 2 6 9 c o n v e n t i o , c o n v e n e n z a , katharisches R i t u -

endura, katharischer S e l b s t m o r d durch V e r -

al 4 2 , 126, 1 4 2 - 1 4 4 , 2 0 6 , 211, 2 2 4 - 2 3 1 ,

h u n g e r n (sh. auch S e l b s t m o r d ) 21, 3 6 f . ,

224, 2 3 3 f . , 2 3 9 - 2 4 1 , 2 6 4 , 304,

42, 160, 165, 185, 2 3 3 , 251, 252, 2 5 3 f . ,

324

255,

268, 269, 2 7 0 , 271, 2 7 2 - 2 8 0 , 2 8 2 - 2 8 4 , 3 2 5 ,

c o n v e r s i o ( A b s c h w ö r e n im I n q u i s t i o n s v e r fahren) 7

330 -

A b b r u c h der endura 2 6 6 , 2 7 7

D ä m o n e n 255, 2 5 6 f.

-

ihre D a u e r 2 7 7

D a t i e r u n g s f r a g e n sh. unter C h r o n o l o g i e

Engel 218f., 279

D e k a d e n z t h e o r i e , über den N i e d e r g a n g des

E n t e i g n u n g verurteilter K e t z e r (sh. auch Z e r -

späten K a t h a r i s m u s 21, 29, 3 4 f . , 36, 37,

s t ö r u n g v o n Häusern)

39f., 42

2 8 2 , 313

7 0 , 7 6 , 105, 118,

diabolus sh. unter Teufel

entendensa de be sh. unter b o n u m

D i a k o n (diaconus) sh. unter Ä m t e r , k a t h a r i -

E n t s c h e i d u n g (sh. auch B e k e h r u n g , W i l l e n -

sche

sentscheidung)

D i e b s t a h l , V e r b o t für perfecti

84,228,293

E r b e , E r b r e c h t e , - t e i l u n g , -Verträge, E r b -

84

schaft, -sstreitigkeiten 65, 67, 69, 10,

D i ö z e s e sh. unter B i s t u m

190f., 1 9 7 , 2 0 3 , 2 6 0 , 3 1 4

Disziplinargewalt

E r d e 78, 2 1 9 , 2 2 3 , 2 5 7 , 2 6 2 , 289, 2 9 9

-

katholisch

-

unterkatharischenVollkommenen

330 136f.,

E r l ö s u n g , E r l ö s u n g s r e l i g i o n (sh. auch S e e lenrettung)

142 D o g m a , D o g m a t i k (sh. auch L e h r e k a t h a -

139, 2 0 5 , 207, 2 0 9 , 2 2 6 , 2 3 0 ,

274, 3 0 6 - 3 1 1

risch und katholisch) 3 5 , 2 2 2 , 255, 2 5 8 ,

E r n ä h r u n g , E s s e n 17, 155, 2 5 9

287f., 306

E r s t k o n t a k t , E r s t b e g e g n u n g m i t einem p e r -

D o k e t i s m u s , d o k e t i s c h 3 0 0 , 303 D o m i n i k a n e r 5, 9, 113,121,

1 6 2 , 1 7 7 , 186,

191, 3 2 2 , 3 2 6 d o m u s , im S i n n e v o n F a m i l i e (sh. auch F a m i -

fectus (sh. auch visio) 7, 192, 2 1 3 f . , 3 1 0 E r w e r b , - s a r b e i t , -stätigkeit sh. unter A r b e i t E r z b i s c h o f , E r z b i s t u m sh. unter B i s c h ö f e , Bistümer

lie, F a m i l i e n s t r u k t u r ) 1 f., 11, 16, 39, 4 2 ,

E t h i k , auch Weltgestaltung

130, 2 0 7 - 2 0 9 , 2 2 1 , 2 3 5 , 2 5 9 f . , 260, 2 7 9 ,

- katharische 3 2 , 3 0 8

2 8 0 , 2 8 6 , 2 9 9 , 299

E u c h a r i s t i e (sh. auch A l t a r s a k r a m e n t )

D o n a t i s m u s , donatistische K r i t i k an der r ö m i s c h e n K i r c h e 3 0 2 , 309

209 221,

247 E v a n g e l i e n sh. unter B i b e l

dos sh. unter M i t g i f t

E x e g e s e , bei den K a t h a r e r 193, 289, 3 0 5 f.

druda sh. unter K o n k u b i n e

E x i l , E x u l a n t e n (vor allem katharische p e r fecti und credentes in Italien u n d K a t a l o -

366

Sachregister

nien, sh. auch Flucht) 19, 21, 24, 27f., 38, 49,94,98-100,103,106, 139,182,199, 235,248,269,287 - des Petrus Auterii Abreise 1296 (sh. auch Bekehrung, Kreditbetrug) 78f., 85, 88, 91-93,103,105, 120 - - Rückkehr des Petrus Auterii 1300 38, 42,44,54,92 f., 104f., 108-118,124, 188 f. Existenz, irdische 2, 118 Exkommunikation sh. unter Bann Expansion - katharische (sh. auch Mission) 25 - der Könige von Frankreich in der Languedoc 61-80 Falschaussage 198 Falschmünzerei 179 Familie, familiale Strukturen, familia/familiaris/familiaritas 42,44, 82, 95,144, 167, 202, 205, 213, 240, 251-253, 255, 262, 269, 294, 299 - des Petrus Auterii 27,30, 37f., 45, 53-57, 95, 115-129, 250, 259 Familienreligion, Katharismusals 95 famille de robe sh. unter Robenadel Fasten, -geböte, -Vorschriften, auch Quadragesima 110,114, 118,171, 274, 278, 283, 308, 319 Fegefeuer 222, 297 Fehden (sh. auch Raubzüge) 64, 70 Fensterladen 109 Fett, tierisches 274, 277 feudal, Feudalismus, feudale Gesellschaft, Feudalherr, feudales Eigentum (sh. auch Lehen, Oberherrschaft, Vasall) 16, 62, 66, 133f., 135, 141, 203f., 208f., 210, 290 Feudalkirche 16, 91, 140, 141, 201 filius, filius major, katharischen Bischöfen zugeordnete Assistenen sh. unter Ämter Firmung (sh. auch Sakramente) 227 Fisch (Speise der perfecti) 124, 157, 243, 286, 320 Fischer, fischen 128, 151 Fleisch (sh. auch Auferstehung, Inkarnation, Körper, Leib, Sexualität) 94f., 105, 124f., 219f., 256f., 274, 278, 296, 305, 310 - Verzehr von 233,243,30« Flucht, Flüchtlinge, vor der Inquisition (sh. auch Exil) 11, 53, 85-87, 94, 95, 98, 100, 102,105f., 157,182, 251, 253, 318 Folter 11

Frankreichpolitik, Franzosen sh. unter antifranzösiche Opposition, Expansion Franziskaner 69 Frauen (sh. auch Ehe, Konkubine) 44, 160, 279,308, 310,327 - diskutieren über katharische Glaubensfragen 160, 193 — als katharische Vollkommene 160, 278 — dürfen von Vollkommenen nicht berührt werden 271, 272 - Frauenfrage 260 Frauenbewegung, religiöse 13 Frauenraub 60 Frieden von Tarascon 1295 67 Friedhöfe 22, 135, 282 Gebet, beten (sh. auch Anbetung) 218-220, 238 Gebot sh. unter Askese Gefangenschaft der Seele im Körper, auf der Erde sh. unter Seele Geisel 64 Geister, von Verstorbenen, auch Geisterseher, -erscheinungen 11, 224, 255, 258-261, 263, 312 Geisttaufe sh. unter consolamentum Geld, Geldsumme, auch Bargeld, Geldhandel, Geldwirtschaft 17,34, 40, 54, 63, 69, 80, 84, 85-88, 98f., 101,103, 108, 124, 138, 146, 157-160, 166,172, 181,182,185, 196, 198, 208, 236, 281, 303,308, 310, 315, 320,330 Gemeinde, religiöse (sh. auch unter Organisation, kirchliche) 117 generale iudicium sh. unter Jüngstes Gericht Genesis 289,292 Geraldustag 317 Gerechte (im Himmel) 216 Gerichtsbarkeit, Gerichtsrechte (sh. auch Inquistion) 60f., 179, 209, 328 Gesang 289,291 Geschirr 125 Getreide 208 Gewissen 260, 305 Glanz Gottes im Himmel 218 Glauben 126, 176, 218f., 252, 256, 263, 265, 270, 278, 280 f., 293,301 f., 322, 324, 326, 328 Gnade sh. unter Begnadigung Gnadenschatz 261 Gnosis, gnostisch, Gnostiker 13, 16, 26, 32, 44, 46, 139,289 Gold 101,290

Sachregister G o t t 7 8 f . , 2 2 2 f . , 226, 229, 233, 2 3 7 f . , 241, 246,254,270,284,288,298,301, 303,304, 307,328 G o t t e s s c h a u sh. u n t e r visio beatifica Grafen, Grafschaft von - A m p u r i a s 63 - A r m a g n a c 64, 69, 314 - B a r c e l o n a 63 - F l a n d e r n 72 - F o i x 53, 58, 60, 6 1 - 8 0 , 90, 95, 100,104, 111, 122, 135, 135, 163,179, 202, 210, 248, 3 1 4 , 3 3 0 , 330 - T o u l o u s e 6 2 f . , 75, 132, 135 Greis 54 G r u n d b e s i t z 22, 133 Guru 205,264 G u t u n d Böse, U n t e r s c h e i d u n g (intelligencia b o n i et mali) sh. u n t e r b o n u m , b o n u m c h r i s t i a n u m , Wille, D u a l i s m u s etc G ü t e r , zeitliche 290, 295 h(a)ereticatio, h(a)ereticare ( p o l e m i s c h e r I n q u i s t i t i o n s a u s d r u c k ) sh. u n t e r c o n soiamentum und receptio H a f t , H a f t z e i t 154 - P e t r u s Auteriis 25 - R o g e r B e r n a r d III, G r a f v o n Foix 75 H a n d a r b e i t (sh. auch A r b e i t ) H a n d e l , - s d r e h s c h e i b e , -splätze, - s w e g e (sh. auch Märkte, Warenaustausch, H a n d w e r k ) 17, 5 6 , 1 0 1 f. H a n d s c h u h e , aus H i r s c h l e d e r 43, 160 H a n d w e r k 1, 34, 3 8 , 4 9 , 122, 203, 209 H ä r e s i a r c h 322 Hausdurchsuchung 86f.,118,318 H e e r f o l g e sh. u n t e r K r i e g s d i e n s t Heil, H e i l s w e g 47, 81, 126, 139,176, 206, 223, 241, 249, 263, 300, 327 Heilige, - n v e r e h r u n g 222, 2 2 3 , 2 6 1 Heiliger Geist 2 7 2 , 3 0 5 Heiliges J a h r 110,115 H e i l s m i t t l e r 269 H e i r a t s p o l i t i k 76 H e l l e n i s m u s , hellenistisch 46 H i e r a r c h i e , - s i e r u n g 18, 21, 1 3 0 , 1 3 2 f . , 136f., 205, 2 0 7 , 3 0 1 H i m m e l 2, 14, 78, 216, 2 1 9 f . , 223, 249, 251, 262, 262, 2 6 4 , 2 6 4 , 269, 275, 276, 289, 291, 2 9 4 f . , 311 H i n r i c h t u n g sh. u n t e r T o d e s u r t e i l H i r t e n , a u c h frz. b e r g e r 21, 253, 329 H o c h l a n d der G r a f s c h a f t v o n Foix 45, AI, 56, 58, 63, 74, 197, 202, 204, 316

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H o c h l a n d b u r g e n sh. u n t e r B u r g e n H o c h v e r r a t s p r o z e ß , des K ö n i g s v o n F r a n k reich g e g e n d e n B i s c h o f v o n P a m i e r s 1301 7 2 f . , 76 H o c h z e i t sh. u n t e r E h e , E h e s c h l i e ß u n g H o f , des K ö n i g s v o n F r a n k r e i c h - in Paris 65, 74 - in Senlis 72 H ö l l e 222, 297, 311 H o l z a r b e i t 17 H o s p i z , - s y s t e m 2, 8, 9, 11, 18, 2 0 f . , 28, 50, 81, 95, 113,117,128-149, 130, 138,201, 213, 240, 245, 248, 248, 249, 249, 251 f., 251, 253, 2 6 5 f . , 269, 282, 286, 2 8 8 , 3 1 3 , 315,317 H o s t i e (sh. a u c h A l t a r s a k r a m e n t , Eucharistie etc.) 214 H u f e i s e n 295 H u h n 84 Ideologie, ideologisch 16, 141,207 Initiationen 142, 211, 285 I n k a r n a t i o n 36, 46, 82, 206, 2 4 8 f . , 262, 300, 327 Inquisition, I n q u i s i t o r e n , I n q u i s i t i o n s gericht, I n q u i s i t i o n s a k t e n , -Schreiber, - s p r o t o k o l l e , - a k t e n , u r k u n d e n , etc 5 , 1 0 , 14, 24, 30, 32, 47, 5 3 f . , 56, 81,113, 120, 126,128,135,144, 151, 153, 159,162,169, 172f., 183, 1 9 1 , 1 9 3 f . , 195, 203, 212, 221, 225, 227, 231 f., 235, 236, 231, 239, 242, 253, 255, 258, 263, 211, 215, 276, 278, 280, 296,325,333-335 - in A r a g o n 11 - in B e s a n ç o n 320 - in C a r c a s s o n n e 2, 4, 8 - 1 0 , 2 3 f . , 40, 51, 80, 93, 121, 149, 150, 152, 155,180, 192, 196, 199, 204, 218, 3 i 3 f f . einziges schriftliches G e s t ä n d n i s 167 - i m M i d i , L a n g u e d o c 24, 27, 97 - in der L o m b a r d e i 330 - in P a m i e r s (bischöflich) 4 , 1 0 - 1 2 , 5 1 , 8 1 , 85, 98, 101, 118,193,198, 218, 258 - in T o u l o u s e 2 - 8 , 1 2 , 23 f., 51, 55, 94, 102, 141, 151, 154, 151, 204, 213, 242, 303, 313ff. - v o n U d i n e 263 - s h a n d b u c h 5, 331 f. I n q u i s i t i o n s s t r a f e sh. u n t e r K e t z e r k r e u z , Todesurteil, Verbrennen I n z e s t v e r b o t 279

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Sachregister

Jakobstag 319 Johannistag 111, 119, 124, 199, 320 j u d e n j ü d i s c h 11, 33, 70, 76 J ü n g s t e r Tag 257, 258 Jüngstes Gericht 222 f., 257 f. Jurisidiction sh. unter Disziplinargewalt Kanoniker sh. unter Klerus K a r m a 296 Käse 124, 243, 274, 308 Kastellan 3 8 , 1 0 0 Katholizismus 3 1 , 2 2 7 , 255, 255, 256, 257 Kauf, Verkauf 77 - eines Grundstückes 77 - v o n Vieh 8 6 , 8 8 Keller, meist als Versteck der perfecti 112, 123, 180 Kerker, Kerkerhaft 64,162, 173, 179, 182-185,197, 326 Ketzerbegegnung, - kontakt sh. unter Erstkontakt, visio Ketzerkreuz, einfach oder doppelt (Inquisitionsstrafe) 6, 162, 173, 179, 182, 184, 191, 198 Ketzerprozeß 85, 258, 261 Kinder 2 9 8 , 2 7 7 , 3 0 4 , 3 0 9 - unehelich 93,121, 124 Kirche, Kirchenbegriff 69 - katharisch 49, 131, 207, 227, 229, 281, 293, 301, 302, 307, 327 - katholisch 1 , 3 3 , 4 8 , 135, 2 0 7 f . , 2 4 6 f . , 258, 289, 293f., 299, 300, 301-303, 303, 307-309, 307, 326, 327 Kirchenorganisation sh. unter Organisation Klasse, gesellschaftliche oder soziale, auch -nideologie, soziale Schichten 16, 140, 203, 205 Kleidung, Kleiderstoff 98, 153, 158-160, 171, 182,185, 238 Kleinadel sh. unter Adel Klerus, katholischer (sh. auch Bischof, Priester) 84, 163, 180, 258, 309, 325 Klima 208 Klöster u n d K o m m u n i t ä t e n , katharische (sh. a u c h m a i s o n ) 131, 134 Kniefall 232, 232, 233, 236, 237, 239, 240, 272, 283,284 K n o c h e n 256 f. Kollekte (sh. auch Spenden) 102 K o m m u n i o n (sh. auch Altarsakrament, Hostie, Elevation, Eucharistie, Messe, Leib Christi) 2 1 4 , 2 2 1 , 2 2 4 , 2 4 9

K o m m u n i t ä t e n , katharische sh. unter Klöster, vgl. maison K o n f i r m a t i o n 227 Konflikt, des Papstes mit d e m König v o n Frankreich 72 f. K ö n i g 47, 53 - v o n Aragon 5 8 , 6 1 - 8 0 - von England 69 - von Frankreich 6, 58, 6 1 - 8 0 , 111,209, 210, 326 - von Mallorca 6 1 - 8 0 - v o n Sizilien 67 K o n k u b i n e 55, 57, 80, 95, 120,187, 194 Konsuln, - v o n Toulouse 6 - von Pamiers 68, 71 Konzilien (sh. auch Synoden) - katharisch 14, 42, 132 f. - katholisch 132, 245, 330 K ö r p e r (tunica, sh. auch Leib) 82, 126,222 f., 230, 242, 251, 256f., 264, 292-296, 298, 308, 327 Kranke, krank, Krankheit 83, 142, 146, 155, 159, 165, 179, 233, 237, 250, 251, 253f., 266, 270, 272, 275, 278, 313 Krankenpflege 130 Kreditbetrug 11, 27, 31, 38, 49, 69, 87 f. Kreuz Christi, K r e u z i g u n g 300, 303, 322 Kreuz sh. unter Ketzerkreuz (Inquisitionsstrafe) Kreuzzug, (sh. auch Kriege) 14, 30,32, 69 - gegen die Albigenser/Katharer 13,17,62, 102, 133,146, 201, 202 - —Kreuzfahrerheer 62 - Papst u n d K ö n i g v o n Frankgreich gegen Peter von A r a g o n 67 f., 75 - ins Heilige Land 69 Kriege (sh. auch Kreuzzug) - A r a g o n gegen Mallorca 66 - Flandernkrieg 70, III - Frankreich gegen Kastilien u n d N a v a r r a , 1276/77 64 f. - Gascognekrieg gegen England 70, 75 Kriegsdienst 70, 76,111 Kundschafter sh. unter Spitzel Kurie, päpstliche 67, 314 Kurier der perfecti sh. unter Bote (sh. auch Wegbegleiter) Lacticinienverbot 243, 308 Land, ländlich 4 6 , 4 8 Landadel sh. unter Adel Landarbeit 17

Sachregister Landkarten 47, 148 Leben, -sumstände 11, 52, 82, 2 4 1 , 2 8 6 , 322 Leben, ewiges 43, 322 Lebensdeutung sh. unter Lehre Lebensführung, evangelische 32, 221 Lebensregeln, asketische, Lebensweise sh. unter Asketen Lebensunterhalt (sh. auch Arbeit, Spenden) 43, 9 9 , 1 2 5 , 1 2 8 , 3 2 2 Legat, (sh. auch Spende, Erbe) 281 Legende, auch Erbauungsgeschichte (sh. auch Bekehrungslegende) 8 4 f . , 89, 194, 2 ! 5 , 221, 2 2 7 , 3 0 9 , 329 Lehen, -seid, -snehmer, -sherr, -sbeziehung, -sbindung, -sabhängigkeit 62—66, 68, 71 Lehre, auch Welt-und Lebensdeutung, Lehrentwicklung, Lehrsystem 19, 32, 41, 52, 144, 223, 263, 265, 288, 326 - katharische 3, 11, 2 0 f . , 2 9 f . , 3 6 , 3 9 , 42, 97, 194,200, 2 1 1 , 2 2 2 f . , 2 2 9 , 2 3 1 , 2 4 7 , 2 5 0 , 214, 2 8 6 - 3 1 2 - katholische 3 5 , 2 2 2 - 2 2 4 , 2 3 1 , 2 4 6 , 2 4 9 , 299 Leib (sh. auch Körper) 2, 2 2 2 f . , 240, 248, 257, 293, 308, 319, 322 - Christi sh. unter Altarsakrament etc. Leiden 2 5 7 , 3 0 0 Lepra, Leprosen 11, 90 Licht 312 Lohn, ewiger 323 Lorenztag 323 Lügen vergleiche recommendatio; das K e t zerlob beinhaltete die Feststellung, daß die Vollkommenen nicht lügen mafiotische Strukturen 196 Magie, magisch 242, 248 f., 269 Mahlgemeinschaft, Mahlzeit, mitperfectus sh. unter Tischgemeinschaft maison, ortsfester Konvent katharischer perfecti, perfectae oder credentes sh. unter Hospiz Majestiätsbeleidigung sh. unter Hochverratsprozeß Mana 243 Manichäismus, manichäisch 13, 16, 26, 89,

212 Maria, Marialogie 300, 301, 325 Mariae Himmelfahrt 250 Mariae Verkündigung 325 Märkte 174,208 - Antoninusmarkt in Pamiers 118

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- Michaelismarkt in Tarascon (Viehmarkt) 8 5 , 8 8 , 9 2 Märtyrer, Martyrium 30, 32, 216 Massenflucht (katharischer Vollkommener und credentes) sh. unter Exil Massenverhaftung in Montaillou 1309 169, 315, 316 materielle Existenz, materielle Hilfe, materielle Bedürfnisse (sh. auch Lebensunterhalt) 146,170, 223, 2 5 4 , 2 5 7 , 280 Maultier 155, 163, 176 Medizin, medizinisch 17 Meer 78 Mehl, Spende für die perfecti 155, 170,243 melioramentum, katharisches Ritual 48, 1 2 6 , 1 4 2 , 1 4 4 , 207, 211, 2 2 9 , 2 3 0 - 2 3 4 , 237, 2 3 5 - 2 4 2 , 245, 272, 286, 324 Mentalitätsgeschichte 44 meritum sh. unter Verdienst Messe, katholische 170, 179, 303 Messe (sh. auch Seelenmesse) sh. unter Altarsakrament Messer, auch Rasiermesser, Messerhändler 108,118, 154 Michaelismarkt, in Tarascon sh. unter Märkte Michaelstag 317,318 Milch (sh. auch Lacticinienverbot) 278, 308 Mission, katharische, auch Missionspredigt (sh. auch Reorganisation der Katharerkirche) 3 8 - 4 1 , 127,129, 140, 204, 225, 309 Mitgift 65, 74, 200, 259, 260, 279, 279 Mönche, Mönchtum, monastische Elemente etc. (sh. auch Klöster, maison) 130,140, 198 - katharische Mönchskirche 140 - keltisch-iroschottisch 34, 140 Monotheismus 21 Montanisten 273 Mord 113, 177 Mystik 13 Naherwartung 311 Neokatharismus 28, 36, 49, 51 Nichts, als theologisch-philosphische Kategorie 7 8 f . , 293, 312 Notar, Notariat 1 f., 11, 21, 38, 45, 50, 53, 5 5 - 6 1 , 65, 7 7 f . , 8 0 f . , 83, 8 6 f . , 9 0 f . , 120-122, 120, 155,167, 173,179f., 186f., 190 f., 1 9 3 - 1 9 7 , 2 0 3 , 2 0 9 , 3 2 6 - Recht ihrer Ernennung 7 0 , 7 6 Novatianer 213, 274

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Sachregister

nuncius hereticorum (Inquisitionsterminus) sh. unter B o t e Nüsse 243 Oberherrschaft, feudale 75 f. Obst 124, 174, 176, 243 Ö k o n o m i e , ökonomisch 69, 9 1 , 1 0 2 , 169, 208,210,260,280 Okzident sh. unter Abendland Organisation, -sformen, -strukturen, kirchliche, der katholischen und katharischen Kirche und ihrer Gemeinden (sh. zur zweiten auch Reorganisation) 18 f., 28, 30, 34 - nach territorialen Prinzipien 1 9 , 2 1 , 4 0 , 4 2 , 4 8 , 1 3 2 f . , 137, 205f. - nach personalen Prinzipien 2, 107, 138-142,201,204,206 Ortsnamen 148 Ostern 110, 119, 177 pactus sh. unter conventio Palmsonntag 328 panis benedictus, katharischer Brotsegen 211, 2 4 2 - 2 4 9 , 269, 285 Papst 47, 53, 7 1 - 7 3 , 282, 301, 313, 327 Paradies 222, 227, 256, 290, 294, 311 paréage, gemeinsame Herrschaft zweier Feudalherren, hier über die Stadt Pamiers 68, 7 1 , 7 4 , 208 f. parentela sh. unter Verwandtschaft Parochie, Parochialprinzip (sh. auch Organisation, territorial) 144, 209 Paß 62 f. Pate 269 Paulusbriefe sh. unter Bibel peregrinatio sh. unter Wanderschaft etc. perfecta sh. unter Frauen Perfectologie 215,220 perfectus spiritualis, Lehre vom 235, 269 perfectus/-a und credentes, Beziehungsverhältnis der katharischen Stände zueinander (sh. auch Riten) 200, 211, 221, 225, 2 2 7 f . , 230, 234, 240, 286 Peter-und-Pauls-Tag 251 Pfarrer, katholisch 168-170, 193, 200, 282, 323 Pferd 2 9 5 , 2 9 7 Pfingsten, Pfingstwoche 111, 119, 124, 177, 188, 310, 317, 318, 319 Pilger 130 Polis-Aristokratie 46 Politik, der Grafen von Foix in der zweiten Hälfte des 13. J h 6 1 - 8 0

Predigt, Prediger, vor allem katharische 29, 34, 43, 45, 53, 83, 98, 127f., 146,188, 2 1 8 f . , 221 f., 229, 231, 249, 264, 2 8 6 - 2 8 8 , 301, 303, 329, 332 Priester, katholischer 48, 193, 228, 245, 275, 327 Priesterweihe 139 Privatkriege sh. unter Fehden promissio (Inquisitionsterminus) sh. unter conventio Prophet 264 Protestantismus 227 Prozeß sh. unter Inquisition, Ketzerprozeß Quadragesima (sh. auch Fastenzeit) 109, 115,274 Rabbi 205 Rasiermesser sh. unter Messer Raubzüge der Grafen von Foix gegen umliegende Feudalherren und kirchliche Institute (sh. auch Fehden) 63 Rebellion der Seelen gegen Gott im H i m mel 2 9 4 - 2 9 6 , 3 1 0 receptio, Ritus zur Aufnahme in den katharischen Status der Vollkommenheit (sh. auch consolamentum) 23, 117, 138, 142, 145, 154, 156, 157, 166, 179f., 192,206, 211, 2 2 4 f . , 235, 238, 2 4 9 - 2 8 5 , 255, 2 8 3 f . , 310 recommendatio, Empfehlung der katharischen perfecti durch credentes 87, 302, 309f., 3 i 0 reconciliatio, meint hier Wiederherstellung der Vollkommenheit nach Verstoß gegen die katharischen Askeseregeln (sh. auch Disziplinargewalt, katharische) 137, 212 Regent, der Grafschaft von Foix 195 f. Regionalgeschichtsschreibung 148 Reich des Vaters sh. unter Himmel (sh. auch Paradies) Reiche, Reichtum 84,197, 198, 295, 298 Reinkarnation, -slehre, auch Seelenwanderung, Wiedergeburt 2 f . , 14, 211, 224, 227, 241, 249, 250, 257, 264, 265, 294, 297, 298, 310 f. - unbegrenzte sh. unter Allversöhnung - begrenzte 297 Reise, Reisebericht, Reiseweg, Reiseproviant (sh. auch unter Exil) 9 3 f . , 96, 103f., 167 relapsus (Inquisitionsterminus), rückfälliger Ketzer, wird zum Tode verurteilt 151

Sachregister Religion, Religionsgeschichte 12f., 16, 23, 34,40,257,263,265 Reliquie 247f., 261 Reorganisation der Katharerkiche (sh. auch Organisation, kirchliche) 27f., 48, 50, 108-210 requies sh. unter R u h e R e t t u n g sh. unter Seelenrettung reverencia sh. unter salutatio Rinder 85 Riten, katharische, auch Ritualpraxis (sh. auch a p p a r a l h a m e n t u m , c o n s o l a m e n t u m , conventio, endura, m e l i o r a m e n t u m , pactus, panis benedictus, receptio, r e c o m m e n datio, salutatio/affolamentum/reverencia/ caretas) 2 f . , 11,19, 23, 29f., 3 5 , 3 9 , 4 2 , 48, 83, 126, 138, 142, 146, 200f., 207, 211-285, 236,237,264, 307 Ritter 49, 58, 65, 77, 120, 152,162, 166,190 Robenadel sh. unter Adel Rückkehr - aus d e m Exil sh. unter Exil - der Seele in die himmlische H e i m a t sh. u n ter Seele Ruhe, als himmlischer Z u s t a n d 262,276, 289, 312 sacerdos sh. unter Priester Sakramente, katholische, u n d ihre Kritik durch die Katharer 214, 245, 247, 294, 301-303, 303,304,327 salutatio, katharischer Ritus 142, 230—237, 231, 232, 234, 240, 245, 284 Satan sh. unter Teufel Schaf 281, 286 Schamanismus 2 6 3 - 2 6 5 Schau, des Heiligen sh. unter visio Scheune, als U n t e r s c h l u p f der perfecti sh. unter borda Schichten, soziale sh. unter Klassen, soziale Schlüsselgewalt 300 Schmied 108, 256 Schneider, Schneidern 17, 43, 55, 121,122 S c h ö p f u n g , Schöpfer 2 , 4 6 , 78, 2 0 9 , 2 6 2 , 288f., 2 9 2 , 2 9 2 , 2 9 5 , 3 0 1 , 3 2 7 Schuld, Schuldgefühle 14,36, 259, 260 f., 276 f. Schulden, Schuldschein, Verschuldung 85, 87f., 90 Seele 2 f . , 14,35f., 83, 86, 126,143, 206, 211, 222-224, 227,241 f., 245, 249f., 251, 255-259, 256, 257, 2 6 1 - 2 6 4 , 2 6 2 , 269, 269,

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273-277,285,288-294,289,296-299,301, 304, 307, 309-312 Seelengeleit 2 6 3 - 2 6 5 Seelenmessen 261 Seelenrettung 82,126, 224, 227, 229f., 242, 268,280f., 294,297,302, 306f., 308,309f. Seelensturz, aus d e m H i m m e l zur Erde 269, 289,290(.,292,301,311 Seelenwanderung sh. unter Reinkarnation Seelsorge, -beziehungen, -organisation, - p r a xis, Seelsorger, auchKasualseelsorge 2, 35, 48, 8 2 - 8 4 , 140, 141 f., 144, 158, 201, 205, 209, 228, 230, 249, 262, 264 Segen 233-235, 237-239, 240, 244f., 246 Sehen, des Heiligen sh. unter visio Selbstmord (sh. auch endura) 276 Seneschall, Seneschallei 6 3 - 6 6 , 68, 71, 76, 101, 179, 301 s e r m o sh. unter Urteil der Inquisition; im Sinne von Predigt sh. ebendort Sexualität 2 0 0 , 3 0 4 , 3 0 8 Silber 101,290 soziale Basis, H e r k u n f t , H i n t e r g r ü n d e , K r ä f te, Z u s a m m e n h ä n g e etc. (sh. auch Klassen, soziale) 16, 28, 33f., 41, 4 5 f . , 4 6 , 4 8 - 5 0 , 54, 56, 87, 117, 122f., 135, 140, 200, 202, 203, 204, 208, 210, 255, 260, 286, 294f., 299 soziologische Interpretation, Beobachtung, H i n t e r g r ü n d e , Z u s a m m e n h ä n g e 15, 28, 45,197 Speicher, als U n t e r s c h l u p f der perfecti 177 Speisevorschriften sh. unter Askese Spenden (sh. auch Geschenke für Ketzer, Brot, Fisch, Geld, K l e i d e r s t o f f ] , Mehl, O b s t , Wein) 17, 151,176, 280 f. Spital sh. unter Hospiz Spitzel der Katharer oder der Inquisition 121, 162,177,199,206,269,287 Spottvers 73 Staat 16 Stadt, städtisch, auch S t a d t b ü r g e r t u m , Kleins t a d t b ü r g e t u m (sh. auch Konsuln) 33,46, 48,68, 117,131,203f. Stallscheune sh. unter borda Steckbrief 141, 322, 331 f. Sterben, Sterbende (sh. auch Tod) 36, 126, 143,171,195, 222, 235, 238,250J., 251, 254f., 262f., 264, 266, 269, 271-273, 277f., 280 Sterberitual sh. unter c o n s o l a m e n t u m Strafe Gottes 251

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Sachregister

Streitgespräch zwischen Katharern und katholischen Kleriker (in Lombers) 132 Subsistenzwirtschaft 33, 208-210, 259 f. successio apostolica, katharische 138, 206, 300, 307 f. Sünde (sh. auch Vergebung) 2, 246, 261, 270-272, 213, 278, 285, 296,297, 302, 304, 305, 311 Sündenfall 295 Sündenstrafe 261 Synode, römische 73, 101 Talmud, babylonischer undjerusalemer 216 Taubenschlag, als Versteck der perfecti 194 Taufe, Täufling 269, 212-214, 302, 304 - durch Johannes den Täufer 311 Testament 74 Teufel, -swerk, -sschöpfung etc 2, 36, 47, 82,180,200,209,223,242,247,249,254, 262,268f., 269,289,291-293,295, 297-299, 301, 307, 308, 327 Tiefland der Grafschaft Foix, auch allgemein das Gebiet nördlich des Pas de la Barre, im Gegensatz zum Hochland von Foix 41, 56, 62,162,208,316 Tier, tierisch 2, 84, 219 Tischgemeinschaft, mit einem perfectus (sh. auch panis benedictus) 242 f. Tod, Totenbett (sh. auch Krankheit) 14, 144, 159,184, 222-227, 229, 235, 242, 247, 249-256, 258f., 262-265, 270, 273, 280, 285,297, 310,329 Todesurteil (sh. auch Hinrichtung, Verbrennung) 2, 8, 31,45, 50, 151, 313ff., 325, 330 Topf 125, 154 Totenbuch, tibetanisches 264 Tötungsverbot 16, 84 Transsubstantiation 245, 247, 303 Trauer, Trauerbesuch etc 82, 84,219, 226, 289, 291 Trinität 216 Trost 82,84,227,243 tunica sh. unter Körper Überfüllung der Welt, mit Seelen der Verstorbenen 299 Unterhalt sh. unter Lebensunterhalt Unterkunft, der perfecti sh. unter Versteck, Hospiz Unterricht 17 Unterwelt 264 Urkunden des Notars Petrus Auterii 58—61, 77

Urteil, -sverkündung (sermo), -begründung, -sbuch (liber sententiarum; sh. auch Todesurteil) 2, 5-8, 25, 97, 99,102, 105, 181, 215,324,328 usus rationis sh. unter Wille, Willensentscheidung Vasall sh. unter Lehen, Lehnsnehmer etc. Vater, himmlischer, auch Heiliger Vater etc 218f., 276, 288f., 327 Vaterunser 231, 244-255, 274f., 306 Verbrennung (sh. auch Todesurteil) 50, 63, 99, 282, 329, 330 Verdammnis 3, 219, 250, 258, 298, 307 Verdienst (meritum) 36, 276 Verfolgung, als Kennzeichen wahrer Kirche 23, 302, 311, 313 ff. Vergebung der Sünden 236, 238, 301, 303, 305,307,310,327 Vergewaltigung 100,196 Verhaftung, Verhaftungsort, Haft, Haftdauer (sh. auch Massenverhaftung) 28, 31, 118, 146, 163, 111,172,196, 313ff., 316, 318 - Jakobus Auterii 172 - Petrus Auterii 2, 8, 24 f „ 3 8 , 86, 150, 151, 154, 316 - Roger Bernard III, Graf von Foix 75 - Papst Bonifaz VIII in Anagni 73 - Petrus Clerici 193 - Bernhard Saisset, Bischof von Pamiers 73 Vermögen 101 Verrat 239 Verschuldung sh. unter Schulden Versorgung der perfecti (sh. auch Lebensunterhalt, Spenden, Einkauf) 200 Versprechen 231 Versteck, für perfecti sh. unter borda, Keller, Speicher, Taubenschlag, Hospiz Vertrag, -sausfertigung, -sschluß (sh. auch Urkunde), Vertragserfüllung (auch zwischen perfectus und credentes, sh. auch conventio) 68, 228 Verwandtschaft, -sbeziehungen (parentela) 7-9, 45,105, 135,169, 190, 204, 206, 255, 263, 271, 277, 280, 310,318, 329 - des Petrus Auterii 25,54-57,115-129 Verzicht auf Besitz sh. unter Armut, freiwillige Vesper, sizilianische 67 Viehmarkt sh. unter Märkte visio beatifica, Theologische Kontroverse um die selige Schau Gottes 10 f., 222

Sachregister Visio Isaiae 3 1 , 1 8 0 , 2 1 5 - 2 2 4 , 264, 306, 332 visio, B e g e g n u n g , auch Erstkontakt mit einem perfectus 174, 2 1 1 - 2 1 5 , 218, 221, 223 f. vita apostolica 8 3 f . , 89, £5, 117, 140, 206, 227,285,308f., 3Ì0 Vizegrafschaft - von Béarn 6 9 - vonCardon 60 Vögel 219 Volksglauben, Volksreligion 21, 35, 224, 250, 2 5 5 - 2 5 7 , 2 5 5 , 263, 263,264 Volkssprache 3 0 5 Volkszählung 63 f. Vulgata 292,293 Wachstum, in der Natur 290 Waldenser 1 1 , 3 2 0 , 3 2 1 Waldgurken, giftige 2 7 6 Wallfahrten 184 Wanderschaft, Wanderprediger, Wanderasketen (sh. auch Asketen) 17, 31, 5 3 , 1 0 7 , 130, 131,139, 140,143,317 Warenaustausch 208 Wasser, Wasserschöpfer 124, 154,166, 253, 274 f., 2 7 7 f., 3 0 5 - und B r o t sh. unter Fasten Weber, Weben 17, 150 Wegbegleiter, der katharischen V o l l k o m m e nen 221, 146, 151, 153, 154, 156, 159, 160, 175, 176,181,183-185, 186,189,192, 252, 265

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Wegesystem, -Sicherung, zwischen den katharischen Hospizen (sh. auch Hospiz) 128, 1 6 6 , 1 7 6 Weide 150 Weihnachten 108,115, 152, 329 Wein 9 4 , 1 2 4 , 150, 155,163, 1 7 0 , 1 7 6 , 189, 243, 247 Weinberg 2 8 0 , 2 9 0 Weiterleben, der Seele nach dem T o d 256 Welt, materielle (sh. auch Erde) 79, 8 2 , 1 4 4 , 209, 2 1 8 - 2 2 0 , 242, 247, 2 4 9 f . , 257, 262, 269, 288, 289, 290, 292, 2 9 3 f . , 2 9 6 - 3 0 0 , 307 Weltbild, -deutung sh. unter Lehre Weltende 2 9 4 , 3 1 1 Weltflucht (sh. auch unter Asketen M ö n c h tum) 35 Weltgestaltung sh. unter Ethik Werke, gute 276, 294, 305 Wiederaufstieg der Seele sh. unter Rückkehr Wiedergeburt sh. unter Reinkarnation Wiese 2 8 3 Wille, Willensentscheidung - des Menschen (sh. auch entendenca de be) 207, 2 6 7 - 2 6 9 , 273, 277, 300, 301 - Gottes 3 0 4 Zehnt, Zehntvertrag 67, 2 0 8 Zerstörung von Häusern, auf Befehl der Inquisition 183, 186 Zins, Zinsleihe 1 0 1 , 3 7 5 Zisterzienser 69 Zuflucht sh. unter Exil, Versteck