Die Taten des Petrus 9783666534638, 9783647534633, 9783525534632

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Die Taten des Petrus
 9783666534638, 9783647534633, 9783525534632

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Academic

Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht

Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur Herausgegeben von Jürgen Wehnert

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Taten des Petrus Übersetzt und eingeleitet von Bernhard Lang

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-53463-3 © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen /  Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Produced in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Literarische Gattung und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Erzählung und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Autor und Zeit der Abfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Anhang I: Die Tat des Petrus – ein koptischer Text . . . . . . . . 19 Anhang II: Aus den Taten des Petrus – ein griechischer Text 20 Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Die Taten den Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Paulus nimmt Abschied von Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Simon der Magier kommt nach Rom und spaltet die Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Von Christus in einer Vision aufgefordert, reist Petrus von Jerusalem nach Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Petrus kommt in Italien an und nimmt Quartier bei Narcissus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Petrus hält eine erste Rede in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Marcellus ist vom Christusglauben abgefallen – Petrus spricht einen Fluch über Simon . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Petrus nimmt mit Hilfe eines sprechenden Hundes Kontakt zu Simon auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Marcellus wendet sich von Simon ab und wird zum Freund des Petrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Ein Besessener zertrümmert die Marmorstatue des Kaisers, Marcellus macht sie wieder ganz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5

Der sprechende Hund verhöhnt Simon den Magier . . . . . . . 44 Petrus bringt einen getrockneten Fisch zum Schwimmen . . . 45 Simon verlässt das Haus des Marcellus, Petrus lässt ihn nicht in die Wohnung des Narcissus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ein Bericht des Petrus: Simons Diebstahl des Goldes der Eubula in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Petrus wirkt Wunder und predigt im Haus des Senators Marcellus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Der Traum des Marcellus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Simon der Magier und Petrus auf dem Forum von Rom unter den Augen der ganzen Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Ein Rededuell zwischen Petrus und Simon . . . . . . . . . . . . . . 58 Simon tötet einen Sklaven – Petrus erweckt ihn und den Sohn einer Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Simon versucht, den toten Senator Nicostratus zu erwecken 62 Der Präfekt verprügelt Simon, Petrus erweckt den toten Nicostratus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Petrus nimmt Geld von einer Frau von zweifelhaftem Ruf 66 Simon fliegt vor aller Augen und stürzt ab . . . . . . . . . . . . . . . 68 Fromme Frauen verweigern sich, von Petrus angestiftet, ihren Männern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Petrus will Rom verlassen, doch Christus erscheint ihm unterwegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Petrus wird gefangengenommen, gekreuzigt und gibt eine Geheimlehre preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Die Träume des Senators Marcellus und des Kaisers Nero . . . 75 Anhang I – Die Tat des Petrus (Fragment eines koptischen Textes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Warum die Tochter des Petrus halbseitig gelähmt ist und er sie nicht heilen will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Anhang II – Aus den Taten des Petrus (Fragment eines griechischen Textes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Petrus spricht mit dem Satan und dessen Gefolge und weist sie in die Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Abkürzungen der biblischen Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Einleitung

Inhalt des Werkes In den Taten des Petrus werden zwei miteinander verwobene Ge­­ schichten erzählt: die Auseinandersetzung zwischen Petrus und seinem Gegner, Simon dem Magier, und der Tod des Petrus. Wir wollen sie kurz als Simonerzählung und Petruserzählung voneinander unterscheiden. Die Simonerzählung hat einen doppelten Anfang: einen in Rom und einen in Jerusalem. Der Apostel Paulus, der eine Zeit lang in der Christengemeinde in Rom wirkte, ist abgereist, um seine Missionstätigkeit in Spanien fortzusetzen. Zwar gibt es in Rom einen frommen Presbyter namens Narcissus, doch dieser besitzt nicht die Autorität des Paulus. Der soeben nach Italien gekommene samaritanische Magier Simon erscheint in Rom und beginnt, sich der dortigen christlichen Gemeinde als Wunder wirkender Gottesmann zu empfehlen. Er gebärdet sich als neuer Gott, während er den Gott der Christen ablehnt. Von Simons Wundern begeistert, fällt fast die ganze Gemeinde von ihrem bisherigen Glauben ab und schließt sich dem Zauberer an. Dieser findet einen großzügigen Gönner in dem Christen Marcellus, einem vermögenden römischen Senator. Marcellus bietet Simon Quartier und stellt ihm reiche Geldmittel zur Verfügung. Gleichzeitig geschieht etwas Unerwartetes in Jerusalem: In einem Traum unterrichtet Christus den Apostel Petrus von den römischen Vorgängen. Er erinnert Petrus an dessen früheren Triumph über Simon und beordert ihn sogleich nach Rom. Umgehend begibt sich Petrus per Schiff nach Rom. Dort nimmt er Quartier im Haus des Narcissus und fordert Simon zur Auseinandersetzung heraus. Petrus kann Marcellus zum wahren Glauben zurückgewinnen, so dass er Simon aus dem Haus wirft. Dann kommt es zum öffentlichen Wettkampf zwischen den beiden Pro7

tagonisten: Wer kann ein wahres Wunder wirken – Simon oder Petrus? Simon gelingt es nicht, einen Toten ins Leben zurückzurufen; für Petrus ist das aber kein Problem. Doch Simon gibt sich nicht geschlagen. Er kündigt an, er werde öffentlich in den Himmel emporfliegen, um dorthin zurückzukehren. Eine große Menschenmenge erlebt, wie Simon fliegt, doch Petrus bittet Christus, einzugreifen. So stürzt Simon ab, bricht sich die Knochen und stirbt kurz darauf. Der Sieg des Petrus ist vollständig, und die Ordnung in der römischen Gemeinde wiederhergestellt. Petrus bleibt nach dem Tod Simons in Rom. An dieser Stelle beginnt die zweite Erzählung: Die Predigt des Petrus findet besonders bei den Römerinnen viel Anklang. Seiner Verkündigung entnehmen sie die Aufforderung zur Keuschheit, genauer: zur Enthaltsamkeit auch in der Ehe. Als viele Frauen, auch die des heidnischen Stadtpräfekten Agrippa, ihren Männern das eheliche Beilager aufkündigen, formiert sich Widerstand gegen Petrus. Er soll verhaftet werden, doch Petrus bekommt davon Wind. Man drängt ihn zur Flucht, doch vor den Toren Roms hat er eine Erscheinung: Er sieht Christus, der in die Stadt Rom kommt. Von Petrus befragt, warum er hier sei, antwortet er: Um noch einmal gekreuzigt zu werden. Dies bezieht Petrus auf sich selbst und er kehrt in die Stadt zurück. Agrippa lässt Petrus verhaften und kreuzigen. Der Apostel hält sich für unwürdig, wie Christus zu enden, und so lässt er sich mit dem Kopf nach unten (statt nach oben) kreuzigen. Bevor er am Kreuz stirbt, hält er noch eine lange Rede. Darin entfaltet er eine geheimnisvolle, in den Einzelheiten für uns unverständliche Theologie der sichtbaren und unsichtbaren Wirklichkeit sowie der Entstehung der Welt. Die Erzählung endet mit einer kleinen Episode nach dem Tod des Petrus: Kaiser Nero hört von der Hinrichtung des Petrus und rügt Agrippa, weil er Petrus nicht eines qualvolleren Todes hat sterben lassen. Dieses Resümee bleibt naturgemäß dürftig. Den Leser erwarten, über das Werk verstreut, schön ausgeführte Episoden: Ein mit menschlicher Stimme sprechender Hund verhöhnt Simon; Petrus berichtet, wie er in Jerusalem einer Frau ihren gestohlenen Goldschatz wieder zurückbrachte; die Gemeinde versammelt sich zum Gottesdienst, Petrus erklärt das Evangelium und lässt seine eigene 8

Lebensgeschichte mit einfließen; wiederholt heilt Petrus Kranke; ihm zugestecktes Geld nimmt er ohne Bedenken an, um damit die Armen zu unterstützen. Zur besseren Übersicht, nun alphabetisch, die wichtigsten Personen in den Taten des Petrus: Agrippa: Heidnischer Stadtpräfekt (praefectus urbi) von Rom, verantwortlich für die öffentliche Ordnung. Als Schiedsrichter zwischen Simon und Petrus steht er auf der Seite der Christen, doch später lässt er Petrus hinrichten. Marcellus: Römischer Senator und Christ, ein wohlhabender Mann, die Stütze der Gemeinde, jedoch zeitweise auf der Seite Simons stehend. Oft versammelt sich die Gemeinde in seiner geräumigen Villa. Narcissus: Eingeführt als Presbyter (presbyterus), ist er die einzige Amtsperson in der römischen Christengemeinde. In seiner Wohnung kann er Gäste unterbringen. Petrus und andere nehmen bei ihm Quartier. Paulus: Der Apostel befindet sich am Anfang der Erzählung unter Bewachung in Rom (im Anschluss an Apg 28,16.30–31), dann begibt er sich auf Missionsreise nach Spanien. Man erwartet seine Rückkehr, über die jedoch nicht berichtet wird. Petrus: Der Apostel reist von Jerusalem nach Rom, um den Kampf gegen den Magier Simon aufzunehmen, der die Gemeinde zum Abfall von Christus verführt hat. Im Wettstreit mit Simon ist Petrus überlegen kraft seiner Fähigkeit, Wunder zu wirken. Der Stadtpräfekt Agrippa lässt ihn schließlich kreuzigen. Simon: Der aus Judäa von Petrus vertriebene samaritanische Zauberer kommt nach Rom, nimmt Quartier im Haus des Marcellus, und hält die Christengemeinde zum Narren, bis ihn Petrus der Scharlatanerie überführt. Als er sich bei einem Flugversuch die Knochen bricht, muss er Rom verlassen und stirbt. 9

Literarische Gattung und Quellen Nach modernen Begriffen haben wir es mit einem kurzen Roman oder einer Novelle zu tun. Der heutige Bibelleser ist mit solchen Erzählungen mit fiktiver Handlung vertraut, er muss nur an die Geschichte von Josef und seinen Brüdern in Ägypten, die Erzählung von Esther, der jüdischen Gattin des Perserkönigs Artaxerxes, oder – unter den alttestamentlichen Apokryphen – an die Geschichte von Judith denken, jener Heldin, die den feindlichen Feldherrn Holofernes durch ihre Schönheit blendet und dann tötet. Solche Erzählungen hat man auch über die Apostel Jesu gedichtet. Schon die Apostelgeschichte enthält nicht wenige Episoden, die man als Apostelfiktion bezeichnen kann. Solche Erzählungen gehen teils auf freie Phantasie, teils auf historische Erinnerung zurück, und es will nur selten gelingen, Fakten und Fiktionen zu unterscheiden. Auf die Seite der Fakten gehören im Falle der Taten des Petrus zumindest zwei der handelnden Personen: Petrus und Paulus. Die Fiktion arbeitet mit einem Repertoire bewährter Motive, die sich auch sonst in biblischen Erzählungen und im antiken griechischen Roman finden: Wanderungen oder Reisen, oft in Gestalt von Seefahrten; das Vollbringen von Wundertaten, etwa Heilungen; Ungeheuerliches wie etwa ein sprechendes Tier; Lenkung des Geschehens durch göttlichen Befehl, der den Empfänger oft im Traum erreicht; und, besonders beliebt, Erotik – man denke an den Versuch der Ägypterin, Josef zu verführen, in den Taten des Petrus an die Weigerung der Frauen, mit ihren lüsternen Männern weiterhin das Bett zu teilen. Drei Quellen, von denen sich der Autor der Taten des Petrus inspirieren ließ, sind klar zu erkennen: Es sind die Apostelgeschichte und die beiden Petrusbriefe aus dem Neuen Testament sowie die um 150 n. Chr. entstandene Apologie von Justin dem Märtyrer. In diesen Büchern fand der Autor Themen, die er literarisch weiterentwickelte. Aus der Apostelgeschichte weiß der Autor vom Aufenthalt des Paulus in Rom, von der Seefahrt von Cäsarea (als Hafen von Jerusalem) nach Puteoli (als Hafen von Rom), von der prominenten Stellung des Petrus in der frühen Jerusalemer Christengemeinde, und vor allem von dessen Kontroverse mit Simon dem Magier. In der Apostelgeschichte wird Simon als heidnischer Mann geschildert, der durch 10

seine Zauberkünste in der Stadt Samaria (Sebaste) eine beachtliche Anhängerschaft gewinnt (Apg 8). Durch die christliche Predigt des Philippus werden er und seine Anhänger zu Gläubigen und lassen sich taufen. Als Petrus nach Samaria reist, um den Gläubigen durch Handauflegung den Geist Gottes mitzuteilen, kommt es zu einem Zwischenfall: Simon bietet Petrus Geld an, wenn er ihm die Macht überträgt, den göttlichen Geist auf andere zu übertragen. Anders ausgedrückt: Simon möchte sich die Apostelwürde erkaufen. Schroff weist ihn Petrus zurück. Die Szene endet mit der Bitte Simons, für ihn bei Gott um Schutz vor den ihm angekündigten Strafen zu flehen. Für den Autor der Taten des Petrus ist Simon kein Mitglied der christlichen Gemeinde, sondern jemand, der magische Künste pflegt und den Aposteln Konkurrenz macht. Aus der zweiten Quelle, den Petrusbriefen, hat unser Autor mehrfach geschöpft. Dem ersten Petrusbrief entnahm er die Mahnung des Apostels an die Gläubigen, sich der weltlichen Obrigkeit unterzuordnen und einander zu lieben: „Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung (…). Erweist allen Menschen Ehre, liebt die Geschwister, fürchtet Gott, und ehrt den Kaiser.“ (1. Petr 2,13.17) Im zweiten Petrusbrief stieß der Autor auf ein Interesse des Apostels an Tieren mit menschlicher Stimme. Der Brief erwähnt eine alttestamentliche Episode, die von einem „mit menschlicher Stimme“ redenden Lasttier handelt (2. Petr 2,16). Vermutlich war es diese Stelle, die unseren Verfasser zur Episode vom sprechenden Hund anregte. Bevor ihn Petrus zum Reden bringt, bewacht der angekettete Hund das Haus des Marcellus. Man denkt unwillkürlich an ein Fußbodenmosaik aus Pompeji: Ein großer schwarzer Hund zerrt an seiner Kette, den Schwanz aufgestellt, geduckt zum Angriff, die Zähne fletschend, mit der Beischrift cave canem – Warnung vor dem Hunde. Wir sehen, wie sorgfältig der Autor seine Einfälle ausgearbeitet hat, um seine Erzählung anschaulich zu gestalten. Wenn der Verfasser den Hund nach Beendigung seiner Mission sterben lässt, mag er dazu von der in der römischen Kaiserzeit kursierenden ägyptischen Erzählung vom „Lamm des Bokchoris“ inspiriert worden sein: Das Lamm kündet dem Land Ägypten eine auf allgemeines Chaos folgende Heilszeit an; dann fällt es tot um (Demotischer Papyrus D 10.000 aus dem Jahr 4 n. Chr., Österreichische Nationalbibliothek, Wien). 11

Die dritte prominente Quelle unseres Autors, die Apologie von Justin dem Märtyrer, ist eine in Rom in griechischer Sprache entstandene kleine Schrift, geschrieben von einem frühchristlichen Lehrer und Philosophen. Justin stammt aus Palästina, genauer: aus Neapolis, dem heutigen Nablus, das in der Antike zu Samaria gehörte. Zeitweilig lebte er in Rom. Die Apologie will das Christentum der heidnischen Öffentlichkeit als eine überlegene oder zumindest Anerkennung verdienende Religion darstellen. In ihr findet sich folgender merkwürdiger Abschnitt: „Ein gewisser Samaritaner Simon aus dem Flecken Gittä hat unter Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) durch die Macht der in ihm tätigen Dämonen in eurer Kaiserstadt Rom Zauberkünste ausgeübt. Ihr habt ihn für einen Gott gehalten und durch eine Bildsäule geehrt. Diese Bildsäule steht im Tiber mitten zwischen den zwei Brücken und trägt eine lateinische Inschrift: Simoni deo sancto.“ (Justin, Apologie I 26) Tatsächlich wurde die von Justin erwähnte Bildsäule gefunden, und zwar an dem genannten Ort, der Tiberinsel (Isola Tiberina). Es handelt sich um die Basis einer Marmorstatue mit der Aufschrift Semoni Deo Sanco Fidio Sacrum, zu Deutsch: „Dem Gott Semo Sancus Fidius geweiht“, einem bekannten altrömischen Gott. Offenbar deuteten Justin und seine christlichen Zeitgenossen die Inschrift anders, nämlich „Dem heiligen Gott Simon geweiht“. Wie Justin zu dieser Fehlinterpretation kam, lässt sich etwa folgendermaßen nachvollziehen: Er kam nach Rom, sprach mit dort lebenden Gläubigen und erzählte ihnen von seiner Herkunft aus Samaria. Da berichtete man ihm von einer Säule mit lateinischer Inschrift, die Simon nenne. Justin glaubte dies, ohne selbst nachzuforschen. Aufgrund dieses Missverständnisses entstand unter römischen Christen die Meinung, Simon der Magier habe nicht nur in seiner Heimat Samaria, sondern auch in Rom sein Unwesen getrieben. Diese drei Quellen sowie das angeführte Repertoire der Romanmotive lieferten dem begabten Autor genügend Stoff für seine Erzählung. Sein produktiver literarischer Einfall lässt sich unschwer erkennen: Der Magier Simon war nach Rom gekommen und hat dort göttliches Ansehen erlangt. Das konnte erst geschehen, als Paulus nicht mehr in Rom war, sondern auf Missionsreise in Spanien. So lag es nahe, auch Simons Gesprächspartner Petrus, nun zum Gegner 12

stilisiert, nach Rom zu holen. Was sich dort ereignet, entstammt der fast unerschöpflichen Phantasie des Erzählers.

Erzählung und Geschichte Schon in der frühen Kirche wurden den Taten des Petrus zwei Mitteilungen entnommen und als Fakten verstanden: der Aufenthalt des Petrus in Rom und sein dortiger Märtyrertod. Ein weiteres Faktum, die Bestattung des Petrus in Rom, ließ sich daraus erschließen. Alle drei Angaben sind heute unter Historikern umstritten. Während manche die Angaben als historisch zuverlässig einschätzen, neigen andere – wie der Bearbeiter der vorliegenden Schrift – dazu, sie als unverbürgt und legendär einzustufen. Wir haben es mit freier Erfindung durch den frühchristlichen Erzähler zu tun: Erst lässt er Simon durch eine missverstandene Inschrift nach Rom gelangen, dann in dessen Gefolge auch Petrus. Wenn wir daher vom historischen Thema „Petrus in Rom“ Abschied nehmen müssen, bedeutet das nicht, die Taten des Petrus seien geschichtlich völlig wertlos. Sie ermöglichen uns überraschende Einblicke in das frühchristliche Gemeindeleben. In der Gemeinde spielt der Gemeindeälteste, der den Titel Presbyter trägt, eigentlich keine Rolle. Ablesen lässt sich das an dem Presbyter Narcissus, der in der Erzählung eine blasse Nebenfigur bleibt. Von der Gemeinde wird er nicht sonderlich ernst genommen – die Mitglieder fallen scharenweise auf einen dahergelaufenen Charismatiker herein, der vorgibt, Wunder wirken zu können. Narcissus wird als ein Mann vorgestellt, der zwar Gäste bei sich aufnimmt, sich aber kein eigenes Haus leisten kann. Man hat den Eindruck, dass er zur Miete im Obergeschoss eines jener bekannten mehrgeschossigen Häuser lebt, in denen das römische Proletariat wohnte (vgl. Taten des Petrus 14). Fraglich bleibt, ob man in einer solchen bescheidenen Wohnung tatsächlich christliche Versammlungen abhalten kann (Taten des Petrus 13). Offenbar ist der Autor mit den römischen Wohnverhältnissen nicht vertraut. In ganz anderen Umständen lebt Marcellus, der angesehene und reiche Großbürger mit Verbindungen zur Regierung. In seinem geräumigen Haus, einer Art Stadtvilla, finden Gottesdienste statt, er 13

unterstützt die Armen der Gemeinde mit großzügigen Gaben. Er ist der große Patron, und alle Gemeindemitglieder erscheinen als seine Klienten. Der Erzähler nimmt keinen Anstoß an der Meinungsführerschaft eines einzigen, tonangebenden Mitglieds der Gemeinde. Wendet sich ein Mann wie Marcellus einem problematischen Charismatiker wie Simon zu, folgen ihm fast alle nach. Wendet er sich von ihm ab, findet der Charismatiker kaum mehr Unterstützung. Marcellus wird von Petrus für den wahren Glauben zurückgewonnen, und das hat Signalwirkung. Nachdem er sich von Simon dem Magier getrennt hat, öffnet er sein Haus wieder für die Gemeinde, und alles ist wie zuvor: Sein Haus ist der örtliche Mittelpunkt der Gemeinde. Offenbar war dieser Mittelpunkt nur vorübergehend in das bescheidene Wohnquartier des Narcissus verlegt worden. Der Apostel Petrus, Narcissus und Marcellus bringen die drei Kräfte zur Anschauung, die das frühe Christentum bewegen und zum Erfolg führen: Petrus steht für das drängende, ungestüme und nicht wiederholbare charismatische Prinzip, das vor allem in der Stunde des Anfangs wirksam ist; Narcissus verkörpert das Kontinuität stiftende, aber auch schwache Amt, das die Gemeinde in Zeiten der Krise immerhin am Leben hält; Marcellus schließlich steht für den angesehenen Laien, der als Meinungsführer und Geldgeber die Gemeinde zur Blüte führt, ihr aber auch zum Verhängnis werden kann. Die Taten des Petrus schildern eine Situation, in der das Amt zu schwach ist, um eine Krise zu bewältigen. Dazu bedarf es der Arbeitsgemeinschaft des Charismatikers mit dem angesehenen Laien. Wir können den Petrusroman als nostalgischen Rückblick auf jene frühe Zeit der Kirche lesen, in der die Gemeinde auf zwei Säulen ruhte: den Aposteln und den führenden Laien. Die Taten des Petrus sprechen zumindest zwei Gruppen antiker Leser an: die gebildeten Christen und die gewöhnlichen Gläubigen. Die Gebildeten begeistern sich für komplexe und dem Durchschnittsgläubigen (und wohl auch einem Mann wie Narcissus) unverständliche theologische Lehren, die sich aus mythologischer Weisheit und damals moderner philosophischer Spekulation speisen. Die gewöhnlichen Gläubigen ergötzen sich an christlicher Erzählkunst. In den Taten des Petrus finden sie eine willkommene Ergänzung zu den Evangelien und der Apostelgeschichte. Unschwer stellt 14

man sich das Vergnügen vor, das naive Leser oder Zuhörer empfinden, wenn sie von einem Petrus gehorchenden sprechenden Hund hören. Oder wenn ihnen die Episode von den Dienern des Marcellus vorgelesen wird, die Simon mit allerlei stinkendem Unrat übergießen, bevor sie ihn aus dem Haus ihres Herrn werfen. Auch in das Verhältnis zwischen heidnischer Mehrheitsgesellschaft und christlicher Minderheit erhalten wir aufschlussreiche Einblicke. Die Christen gelten nicht als Mitglieder einer illegalen Bewegung. Sie scheuen sich nicht vor der Öffentlichkeit. Sie pflegen Beziehungen bis in die obersten Gesellschaftsränge. Namentlich Frauen der höheren Gesellschaftsschicht scheinen sich für die christliche Lehre zu interessieren. In der Auseinandersetzung mit Simon hält sich der Stadtpräfekt Agrippa zurück und versucht, unparteiisch zu bleiben. Als Petrus dann doch dem Zorn des Stadtpräfekten zum Opfer fällt und ohne Verhör, Gefängnisaufenthalt und Prozess durch Kreuzigung hingerichtet wird, will Petrus die Gegnerschaft gegen sich weder dem Staat noch dem Präfekten persönlich anlasten. Schuld sei allein der Teufel, der Agrippa zu seiner Gegnerschaft bewogen habe. Außerdem habe Christus selbst den Märtyrertod des Petrus verfügt. Eine ähnliche Botschaft findet sich in der Episode von der Kaiserstatue: Als eine Statue des Kaisers im Haus des Marcellus mutwillig beschädigt wird, gilt der Missetäter als von einem bösen Geist besessen. Die Statue wird dann sogleich durch ein christliches Wunder wiederhergestellt. Christen sind staatstreu! Welche Bedeutung hat Rom als Schauplatz des Geschehens? Eigentlich keine besondere. In der Erzählung bildet Rom nicht das Zentrum der Kirche; in der mentalen Landkarte des Erzählers liegt die Stadt an der Peripherie. Wenn es überhaupt einen Mittelpunkt der Kirche gibt, kommt diese Auszeichnung Jerusalem zu. Auch wird Rom durch den Märtyrertod des Petrus keineswegs aufgewertet (wie es die spätere Tradition tut). In den Taten des Petrus wird zwar der Sarkophag des Petrus erwähnt, nicht jedoch der Ort der Bestattung. Aufgewertet wird Rom auch nicht durch Christus, der in die Stadt kommt. Er erscheint Petrus, um in ihm noch einmal den Tod zu erleiden. Denn in jedem Märtyrer stirbt Christus, ganz gleich, wo dieser getötet wird. Auffällig ist Petrus nur durch seine Rede am Kreuz, in der er seine seltsame Geheimlehre preisgibt. Doch auch 15

dadurch wird Rom nicht aufgewertet. Rom bleibt einer der vielen Orte, an denen die Saat des Gottesreiches aufgeht, die zuerst in Palästina ausgesät worden war.

Autor und Zeit der Abfassung Weder Autor noch Entstehungszeit der Taten des Petrus sind bekannt. Die lateinische Handschrift – Manuskript 158 der Kapitelsbibliothek in Vercelli, Italien – ist im 7. Jahrhundert vielleicht in Spanien entstanden. Der lateinische Text stellt eine Übersetzung aus einem griechischen Original dar. Den griechischen Text besitzen wir jedoch nicht in seiner Gänze. Nur der Schlussteil, der Bericht über das Martyrium des Petrus, ist auch griechisch überliefert. Die entsprechenden Handschriften stammen aus dem 9. und 11. Jahrhundert. Ein kleines griechisches Textfragment aus Ägypten (Papyrus Oxyrhynchus VI, 849, in der British Library) bietet ein Stück aus den Kapi­ teln 25 und 26; es wird in die Zeit um 300 n. Chr. datiert. Aufgrund der Handschriften müssen die Taten des Petrus also spätestens um 300 entstanden sein. In noch frühere Zeit führt eine Notiz des Kirchenvaters Eusebius. Er hat bei Origenes einen Hinweis auf das Ende des Petrus gefunden: Petrus sei mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden (Eusebius, Kirchengeschichte III 1,2). Diese Nachricht könnte Origenes den Taten des Petrus entnommen haben. Das betreffende Werk des Origenes, sein Kommentar zum Buch Genesis, ist zwar nicht erhalten, lässt sich aber in die Zeit um 230 datieren. Das ergibt für die Entstehung der Taten des Petrus ein Zeitfenster von 150 (Justin der Märtyrer) bis 230 n. Chr. Das Werk mag also um 200 entstanden sein. In diese Zeit könnte auch die Erwähnung einer in Rom umlaufenden Lehrmeinung gehören, nach der Christus „bloßer Mensch“, und nicht auch Gott gewesen sei. Die Taten des Petrus schreiben diese Ansicht Simon dem Magier zu. Tatsächlich wurde diese Irrlehre um 200 in Rom vertreten; allerdings nicht von Simon, sondern von dem aus Byzanz eingewanderten Schuster oder Lederhändler Theodotus, der sich auf bestimmte neutestamentliche Texte stützte, also einen exegetischen „Beweis“ für seine Behauptung führte. Bischof Viktor von Rom (ca. 189–199) bekämpfte ihn und schloss ihn aus der römi16

schen Gemeinde aus. Von diesem Schriftbeweis hat sich zumindest eine Spur in den Taten des Petrus erhalten: Der Magier behauptet, seine Ansicht über Jesus belegen zu können (Taten des Petrus 14). Die Gleichsetzung von Simon Magus mit Theodotus lässt sich allerdings nicht vollständig durchführen, denn Theodotus werden keine betrügerischen Wundertaten zugeschrieben. Zudem gab es die historische Sekte des Theodotus in Rom auch noch nach dem Ausschluss ihres Gründers aus der römischen Gemeinde, während im Roman die Ketzerei Simons nach dem Sieg des Petrus ausstirbt. Um 200 blickte man auf die Zeit der Apostel zurück. Sie stand den Christen als abgeschlossene Epoche vor Augen. Das lässt sich nicht zuletzt an dem Ausdruck „im Glauben stärken“, einem Lieblingsausdruck des Verfassers, erkennen. Die Wendung findet sich bereits im allerersten Satz der Schrift (confirmans in fide). Diesen Ausdruck hat der Verfasser in der Apostelgeschichte gefunden, wo die Tätigkeit der Stärkung anderer Christen dem Paulus obliegt (Apg 15,41), während die Stärkung der Geschwister im Lukasevangelium Aufgabe des Petrus ist (Lk 22,32). Nach Auffassung unseres Autors ist es die Pflicht der Apostel Paulus und Petrus, die Christen zu stärken, nämlich im Glauben zu festigen, zu ermutigen und zu motivieren. Ein gewöhnlicher Amtsträger wie Narcissus kann das kaum leisten, weil ihm dafür das Charisma fehlt. Auch kann er, anders als die Apostel, keine Wunder wirken. Ein Büchlein wie die Taten des Petrus kann nur jemand schreiben, der über höhere Bildung verfügt. Die durchgängige Bevorzugung der wörtlichen Rede vor dem schlichten Ereignisbericht lässt auf eine Ausbildung und Tätigkeit des Verfassers als Redner schließen. Außerdem kennt er Bücher. Vielleicht verfügt er über eine christliche Bibliothek, die zumindest einige Schriften des Neuen Testaments und Werke wie die Apologie des Justin enthielt. Seine Haltung zu aktuellen Glaubens- und Kirchenfragen lässt sich nur in Umrissen erkennen. Er hält Christus für einen Gott, wenn auch Gott dem Vater untergeordnet. Die Simon dem Magier zugeschriebene Meinung, Jesus sei nur Mensch gewesen, ein gewöhnlicher Zimmermannssohn, wird zurückgewiesen. Für die Wunderkraft der Apostel kann er sich begeistern. Vielleicht versteht er die Blindenheilungen und Totenerweckungen seiner Erzählung als symbolische Zeichen für die 17

Wiederbelebung der blinden oder toten, d. h. von Christus abgefallenen und zu Simon übergelaufenen Gemeinde. Das entscheidende Ereignis ist die Bekehrung des Marcellus. Sie wird in einem bemerkenswerten Wunder angedeutet, das Petrus im Haus des Senators wirkt: Er wirft einen getrockneten Fisch ins Wasser – der wird wieder lebendig und schwimmt. Wie der Fisch im Wasser, so erlangt Marcellus durch Rückkehr in die Gemeinde Jesu das Leben zurück. Ob die esoterischen Lehren, die der Verfasser Petrus am Kreuz offenbaren lässt, vom Autor selbst vertreten werden, lässt sich schwer sagen. Interesse am Bischofsamt, das in seiner Zeit aufkommt und sich zu festigen beginnt, hat er offenbar nicht. Petrus stellt er als Augenzeugen Jesu und Inhaber eines persönlichen Charismas dar. Den Titel eines Bischofs erhält er nur ein einziges Mal (Taten des Petrus 27). Vielleicht war unser Autor unverheiratet – jedenfalls scheint er Ehelosigkeit oder Enthaltsamkeit in der Ehe zu empfehlen. Ein solcher Autor lebt gewiss eher in der Stadt als auf dem Lande, doch in welchem Land? Kommt Rom in Frage? Die vagen topographischen Kenntnisse sprechen eher dagegen. Auch lässt man antike Romane eher im Ausland als in der Heimat spielen. Nach einer Vermutung von Gerhard Ficker kommt eine Stadt in Bithynien, einer Landschaft im nördlichen Kleinasien, in Betracht; man mag also an Nikomedia, Nikaia, Chalkedon oder Prusa denken. Tatsächlich kann man in den Taten des Petrus bithynische Spuren entdecken. Fast alle Mitglieder der römischen Gemeinde seien, so wird erzählt, vom wahren Glauben abgefallen. Ausnahmen bilden nur einige Kranke, die das Haus nicht verlassen konnten, sowie zwei Frauen aus dem Hospiz der Bithynier. Vielleicht handelt es sich um zwei aus Bithynien stammende Frauen, die in Rom in einem Hospiz (hospitium = xenodochium, Herberge) wohnten, wo Fremde, vorzugsweise solche aus Bithynien, absteigen oder sich einmieten konnten. Vielleicht handelt es sich um eine Einrichtung, die ein wohlhabender Bithynier gestiftet hatte. Eine weitere Spur, die nach Bithynien zu weisen scheint, liegt im Namen von Marcellus, dem reichsten Mann Roms und Wohltäter der Gemeinde, verborgen. Im Jahr 15 n. Chr. war ein Granius Marcellus römischer Präfekt von Bithynien. Man warf ihm vor, er habe bei einer Kaiserstatue das Haupt des Augustus durch das von dessen Nachfolger Tiberius (14–37) ersetzt sowie eine eigene, 18

größere Statue von sich selbst aufgestellt. Vom Vorwurf der Majestätsbeleidigung wurde er freigesprochen (Tacitus, Annalen I 74). Tatsächlich mag sich diese Affäre in der Episode von der zerbrochenen Kaiserstatue im Haus des Marcellus in Rom spiegeln. Allerdings stellt diese Spekulation über den Entstehungsort der Taten des Petrus kaum mehr als den eleganten Versuch dar, einer antiken Quelle mehr Informationen abzugewinnen als sie bereit ist, uns zu geben.

Anhang I: Die Tat des Petrus – ein koptischer Text Eine im Jahr 1896 in Ägypten erworbene koptische Papyrushandschrift aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. liegt heute als „Papyrus Berolinensis 8502“ im Ägyptischen Museum in Berlin. Unter den christlichen Texten, die in dieser Sammelhandschrift vereinigt sind, befindet sich auch eine kurze Erzählung mit dem Titel „Die Tat des Petrus“. Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht nicht Petrus, sondern seine namenlos bleibende Tochter. Den Rahmen bildet eine Gemeindeversammlung an einem Sonntag. Weil Petrus Kranke heilt (offenbar wie immer, wenn sich die Gemeinde versammelt), wird er gefragt, warum er nicht auch seiner halbseitig gelähmten Tochter helfe. Als Antwort erzählt Petrus die Geschichte seiner Tochter: Da sie im Alter von zehn Jahren ein ausgesprochen schönes Mädchen war, wollte sie ein gewisser Ptolemäus heiraten. Weil er die Einwilligung der Eltern nicht bekam, entführte er das Mädchen. Doch als er mit ihr schlafen wollte, wurde sie halbseits gelähmt. So kehrte sie in das Haus ihrer Eltern zurück. Das nunmehr behinderte Mädchen ist auch bei der Gemeindeversammlung anwesend. Petrus heilt sie für einen Augenblick, lässt sie dann jedoch in ihren vorigen Zustand zurückkehren. Petrus erzählt noch vom Schicksal des Ptolemäus, der zum christlichen Glauben fand und vom Wunsch, die Tochter des Petrus zu heiraten, abließ. Der Gottesdienst schließt mit der Feier des Abendmahls. Bemerkenswert an dieser Geschichte ist die ambivalente Haltung zur Ehe: Petrus ist verheiratet und hat eine Tochter, sie aber soll unverheiratet bleiben. Die Botschaft des Textes muss heute als ausgesprochen anstößig gelten: Lieber behindert und unverheiratet als gesund und verheiratet! 19

Einige Forscher halten die griechische Vorlage des koptischen Textes für das Fragment aus einem größeren Zusammenhang, nämlich einer Erzählung von den Taten des Petrus in Judäa und Jerusalem. Geschichten wie die von der Tochter des Petrus und die Erzählung über den gestohlenen Goldschatz der Eubula (vgl. Taten des Petrus 17) hätten nach dieser Annahme einmal den Anfangsteil der Taten des Petrus gebildet. Beweisen lässt sich das nicht. Nach Ausweis des Manuskripts muss die Tat des Petrus vor dem 5. Jahrhundert entstanden sein; als frühester Zeitpunkt kommt das 2. Jahrhundert n. Chr. in Frage. Ptolemäus, der typisch ägyptische Name des Brautwerbers, spricht für die Entstehung der Tat des Petrus in Ägypten, ohne dass darüber Sicherheit zu gewinnen ist.

Anhang II: Aus den Taten des Petrus – ein griechischer Text Die griechische Sammelhandschrift, die als „Angelicus graecus 108“ in der Biblioteca Angelica in Rom aufbewahrt wird, stammt aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. In 58 Abschnitten wird jeweils etwas aus dem Leben eines Heiligen erzählt. Eines der Stücke ist mit der Überschrift „Aus den Taten des heiligen Apostels Petrus“ versehen und wurde demnach als Ausschnitt aus einer umfangreicheren PetrusErzählung verstanden. Wie die koptisch überlieferte Episode von Petrus und seiner Tochter spielt auch diese Erzählung in Palästina. Berichtet wird, wie Petrus auf einer Missionsreise von Jerusalem nach Aschdod bei Einbruch der Dunkelheit auf eine seltsame Reisegruppe stößt, die sich als Satan und dessen Gefolge von sieben Dämonen entpuppt. Petrus spricht ein Gebet, schlägt das Kreuzzeichen und kratzt eine Furche um die Geister in den Boden, so dass Satan und sein Gefolge nun seine Gefangenen sind. Sieben Tage lang lässt er sie nicht los und zwingt sie, ihm Rede und Antwort zu stehen. Der „Oberste der Dämonen“, der Anführer der Gruppe, offenbart sich zuerst. Er bekennt sich zu heilsgeschichtlich relevanten Missetaten wie der Verführung von Eva im Paradies und dem Verrat Jesu durch Judas. Die alltäglichen Sünden der gewöhnlichen Menschen – Lüge, Ehebruch, Habgier und Verleumdung – verdanken sich dem Einfluss der untergeordneten Geister. Zuletzt entlässt 20

Petrus die ganze Truppe wieder, da ihnen Jesus Christus das Wirken auf Erden zugestanden hat. Der Sinn der Episode ist unverkennbar: Der Erzähler warnt die Gläubigen vor den Fallstricken des Teufels. Wie leicht ein Gläubiger auf den Teufel hereinfallen kann, wird an der Gestalt des Petrus deutlich – auch er hat Jesus verleugnet und sich so einer bösen Lüge schuldig gemacht. Auffällig und neu gegenüber den Schriften des Neuen Testaments ist eine durchdachte Teufelslehre, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: ȤȤ Satan ist ein Engel, der wegen einer schlimmen Sünde samt seinen Anhängern aus dem Himmel verstoßen wurde. ȤȤ Jetzt treibt der Satan (oder Teufel) sein Unwesen auf der Welt. Er verleitet die Menschen, Böses zu tun, z. B. die Ehe zu brechen, andere zu verleumden und zu belügen, habgierig und neidisch zu sein. Die Rückführung solcher Laster auf das Einwirken des Teufels klingt in späten Schriften des Neuen Testaments an (Eph 5,27; 1. Tim 5,15; 2. Tim 2,26). Nicht nur die großen Persönlichkeiten der Heilsgeschichte wie Eva und Judas handeln unter dem Einfluss des Teufels, sondern der Möglichkeit nach jeder! Doch anders als Eva und Judas kann jeder dem Teufel widerstehen. ȤȤ Das Wirken des Teufels ist von Jesus Christus zugelassen. Es dient dazu, die Gläubigen zu testen: Wer den Einflüsterungen des Teufels nachgibt, ist kein echter, standfester Christ. ȤȤ Wirkliche Macht über den Menschen hat der Teufel nicht, denn der Teufel kann niemanden zur Sünde zwingen. Jeder Sünder bleibt für sein Tun selbst verantwortlich. Die Erzählung stellt die Machtlosigkeit des Teufels deutlich vor Augen. ȤȤ Sünder, die sich nicht bekehren wollen, erwartet dasselbe Schicksal wie den Teufel und seinen Anhang: Sie werden zuletzt im unauslöschlichen Feuer der Hölle vernichtet. Stammt das Kapitel aus einer antiken Petruserzählung? Das Auftreten des Teufels, das Einflechten von biblischen Anspielungen und die dialogische Darstellungsweise erinnern an den großen Petrusroman, der in Rom spielt. Es könnte tatsächlich einmal eine an Episoden reiche Erzählung gegeben haben, die von den Taten des Petrus in Palästina handelte. Unklar ist, ob das Wenige, das erhalten ist – der Dia21

log mit den Dämonen, die Erzählung über die gelähmte Tochter des Petrus und die Geschichte vom Raub des Schmucks der Eubula (letztere überliefert im lateinischen Petrus-Roman, Kap. 17) – auf denselben Autor und dieselbe Petrus-Erzählung zurückgeht. Es könnte sich auch um Bruchstücke aus verschiedenen Erzählungen handeln, oder sogar um unabhängig komponierte kleine Stücke, die keiner übergreifenden Textkomposition entstammen. Was die Teufels-Episode angeht, so ist zu fragen, ob der vorauszusetzende antike Textbestand (aus der Zeit um 200?) vielleicht erweitert wurde. Hat sich Petrus bereits in der alten Erzählung zum Schutz vor Dämonen bekreuzigt, oder ist dieser Zug der Erzählung erst bei späterer Abschrift zugewachsen? Auch bei einigen der Abschnitte, in denen sich jeweils einer der Dämonen vorstellt, könnte es sich um Zusätze handeln. Solche Erweiterungen sind jedoch nicht so weit gediehen, dass alle Dämonen zu Wort kommen, denn im jetzigen Textbestand steht am Anfang das Wort des Anführers der Dämonen, und dann kommen nur sechs seiner sieben Begleiter zu Wort. Was der Dämon sagt, der als letzter das Wort ergreift (Kap. 10), würde besser in den Mund des Anführers als in den eines seiner Begleiter passen. So gibt auch dieser Text noch manches Rätsel auf.

Wirkung In der Literatur und Kunst der frühen und auch der späteren Kirche haben die Taten des Petrus manche Spuren hinterlassen. Besonders vier Szenen haben sich Lesern, Literaten und Künstlern eingeprägt: 1. Der sprechende Hund. – Einige frühchristliche Künstler stellen Petrus dar, wie er mit dem Hund des Marcellus spricht und ihn mit einem Auftrag zu Simon schickt. Das ist auf vier Sarkophagdeckeln aus der Zeit um 390 bis 400 zu sehen (s. Abbildung). In späterer Phantasie greift der Hund den Magier an und reißt ihm die Kleider vom Leib, da Petrus ihm verbietet, Simon zu verletzen. So ist es zu lesen in der Goldenen Legende (Legenda aurea) des Jacobus von Voragine (ca. 1265). 2. Der Flug des Magiers Simon. – Eine erweiterte Fassung der Szene bietet im 6. Jahrhundert Pseudo-Marcellus, Die Leidensgeschichte der Apostel Petrus und Paulus (Passio sanctorum apostolorum Petri 22

et Pauli) 51–57: Kaiser Nero lässt auf dem Märzfeld in Rom ein hohes Gerüst aufstellen. Simon, mit einem Lorbeerkranz schon als Sieger gekrönt, besteigt das Gerüst und erhebt sich zum Flug. Doch als Petrus Jesus bittet, die Engel Satans mögen Simon nicht mehr tragen, stürzt Simon ab und findet den Tod. Als Ort des Absturzes gilt, wie in den Taten des Petrus, die Via sacra (vgl. R.A. Lipsius und M. Bonnet, Acta apostolorum apocrypha, Leipzig 1891, Band 1, 162–169). Auch die Goldene Legende (s. o.) berichtet von diesem Geschehen, und Voltaire referiert es ausführlich in seinem Dictionnaire philosophique (Stichwort „Christianisme“ in der Ausgabe von 1765) als Beleg für die Fabeleien in der Frühzeit der Kirche. 3. Die Begegnung des Petrus mit Christus vor den Toren Roms. – Die auch in der Goldenen Legende erwähnte Episode gab Anlass, den Ort der Begebenheit durch eine kleine Kirche zu markieren: Santa Maria in Palmis, an der Via Appia vor den Toren des alten Rom gelegen, wird im Volksmund Domine Quo Vadis genannt, „Herr, wohin geht du?“ Die Szene hat einem bekannten, auch verfilmten historischen Roman den Titel gegeben: Quo vadis? von Henryk Sienkiewicz (1895/96). Übrigens: Erst nach späterer Überlieferung lautet die von Petrus an Christus gerichtete Frage tatsächlich: Domine, quo vadis? – „Herr, wohin gehst du?“ oder „Herr, wohin des Wegs?“; in den Taten des Petrus heißt es: „Herr, was führt dich her?“ 4. Die Kreuzigung des Petrus in Rom mit dem Haupt nach unten. – Diese Episode kennt bereits Origenes, worüber Eusebius berichtet (Eusebius, Kirchengeschichte III 1,2). Im Mittelalter war sie durch die Goldene Legende bekannt. Ein besonders eifriger und begeisterter Leser, leider unbekannten Namens, hat Anfang des 3. Jahrhunderts einen weiteren, die Taten des Petrus ergänzenden Petrusroman geschrieben, den Klemensroman, den Jürgen Wehnert in der vorliegenden Buchreihe vorstellt.

Zur Übersetzung Als Grundlage dienten die lateinischen und griechischen Texte in Léon Vouaux, Les Actes de Pierre, Paris 1922, für die Kapitel 33–41 die 23

Edition des griechischen Textes von Otto Zwierlein, Petrus in Rom, Berlin 22010, 404–425. – Der koptische Text der Tat des Petrus findet sich in Peter Nagel, Codex apocryphus gnosticus Novi Testamenti, Tübingen 2014, Band 1, 321–333. – Der in Anhang II gebotene Ausschnitt Aus den Taten des heiligen Apostels Petrus beruht auf der Edition von François Bovon und Bertrand Bouvier, An Unedited Greek Fragment of the Acts of Peter?, in François Bovon, The Emergence of Christianity. Collected Studies III, Tübingen 2013, 199–235.

Literatur David L. Eastman (Hg.), The Ancient Martyrdom Accounts of Peter and Paul, Atlanta 2015. Gerhard Ficker, Petrusakten, in: Edgar Hennecke (Hg.), Handbuch zu den neutestamentlichen Apokryphen, Tübingen 1904, 395–491. Roman Hanig, Simon Magus in den Petrusakten und die Theodotianer, in: Studia Patristica 31 (1997), 112–120. Hans-Josef Klauck, Die Petrusakten, in: Ders., Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005, 93–124. Hans-Martin Schenke, Die Tat des Petrus (BG 4), in: Ders. u. a. (Hg.), Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe, Berlin 32013, 575–579. Wilhelm Schneemelcher, Petrusakten, in: Ders. (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Tübingen 61997, Band 2, 243–289. Rosa Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Würzburg 1932, Nachdruck Darmstadt 1969. Robert F. Stoops, The Acts of Peter (Early Christian Apocrypha 4), Salem, Oregon 2012. Ruben Zimmermann (Hg.), Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen. Band 2: Die Wunder der Apostel, Gütersloh 2016. Otto Zwierlein, Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom, Berlin 2013.

Abbildungsnachweis Edmond Le Blant, Les sarcophages chrétiens de la Gaule, Paris 1886, 114.

Dank Herzlicher Dank gebührt neben Annette Merz vor allem Marietheres Döhler und Jürgen Wehnert für die kritische Durchsicht der Einleitung und der Übersetzung. 24

Petrus und der sprechende Hund. Petrus will den Magier Simon zur Rede stellen, doch lässt man ihn nicht eintreten. Da wendet er sich an den Wachhund, der sprechen kann, und schickt ihn mit einer Botschaft ins Haus. Der frühchristliche Künstler zeigt Petrus wie er dem aufmerksam lauschenden Tier den Auftrag erteilt. – Von einem verschollenen Sarkophag aus Gallien, ca. 390/400.

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Übersetzung

Paulus nimmt Abschied von Rom 1. Paulus weilte in Rom und stärkte viele im Glauben. Da traf es sich, dass eine Frau mit Namen Candida, die Gattin des Gefängniswärters Quartus,1 Paulus zuhörte, seinen Reden Beachtung schenkte und gläubig wurde. Als sie nun ihrerseits ihren Gemahl unterwiesen hatte und auch er gläubig geworden war, legte Quartus dem Paulus nahe, die Stadt zu verlassen und zu gehen wohin er wolle. Zu ihm sagte Paulus: „Wenn das Gottes Wille ist, wird er es mir selbst offenbaren.“ Paulus fastete drei Tage lang und bat den Herrn, ihm zu zeigen, was für ihn das Richtige sei. In einem Gesicht sah er den Herrn, der zu ihm sagte: „Paulus, steh auf und werde den Spaniern durch deine persönliche Anwesenheit zum Arzt!“2 Er berichtete den Brüdern, was Gott ihm aufgetragen hatte, und ohne zu zögern machte er sich auf, aus der Stadt abzureisen. Als sich Paulus anschickte, die Stadt zu verlassen, erhob sich laute Klage in der ganzen Gemeinde.3 Die Brüder glaubten, sie würden Paulus nicht mehr sehen. Auch zerrissen sie ihre Kleider,4 weil ihnen vor Augen stand, dass Paulus öfter mit den Lehrern der Juden zusammengeraten war und er sie mit Worten wie diesen herausgefordert hatte: „Christus, an den eure Väter die Hand gelegt haben, schaffte den Sabbat ab, das Fasten, die Feiertage und die Beschneidung; von Menschen erfundene Lehren und Bräuche schaffte er ebenfalls ab.“ Sie beschworen Paulus bei der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus, er möge nicht länger als ein Jahr wegbleiben. Sie sagten: 1 Der Soldat, der den in Rom unter Arrest stehenden Paulus bewachte (Apg 28,16), erhält hier einen Namen. 2 Lehrer, der andere von ihrer Unwissenheit heilt. 3 Wörtlich „Bruderschaft“. Die Gemeindemitglieder werden als „Brüder“ bezeichnet; die weiblichen Mitglieder sind stets mitgemeint. 4 Der übliche Trauergestus.

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„Wir kennen deine Liebe zu uns, deinen Brüdern. Vergiss uns nicht, wenn du in Spanien bist, und lass uns nicht allein wie Kinder ohne Mutter.“ Als sie ihn lange unter Tränen angefleht hatten, erscholl eine Stimme vom Himmel und sprach laut und vernehmlich: „Paulus, der Diener Gottes, ist erwählt zum Dienst für die Zeit seines Lebens; in den Händen Neros,5 des gottlosen und schlechten Menschen, wird er vor euren Augen sein Ende finden.“ Um der Stimme willen, die vom Himmel erschollen war, nahm die Furcht der Brüder noch zu, doch sie wurden in noch größerem Maße gestärkt.6 2. Sie brachten Paulus die Opfergaben Brot und Wasser,7 damit er das Gebet darüber spreche und sie jedem reiche. Unter den Anwesenden befand sich auch eine Frau mit Namen Rufina, die sich anschickte, die Eucharistie aus den Händen des Paulus entgegen zu nehmen. Als sie herantrat, sagte Paulus, vom Geist Gottes erfüllt, zu ihr: „Rufina, du bist nicht würdig, an den Altar Gottes zu treten! Du kommst nicht von der Seite eines Ehemannes, sondern eines Ehebrechers, und dennoch versuchst du, die heilige Eucharistie zu empfangen. Siehe der Satan wird deinen Leib bedrängen und dich bloßstellen vor den Augen aller, die an den Herrn glauben. Dann werden sie wirklich wissen: Es ist der lebendige Gott, an den sie glauben, der Erforscher der Herzen (vgl. Ps 7,10). Wenn du aber deine Tat bereust, ist Gott treu; dann wird er deine Sünden vergeben und dich von dieser Sünde reinigen (vgl. 1. Joh 1,9). Tust du aber nicht Buße solange du lebst, wird dich das verzehrende Feuer und die äußerste Finsternis (vgl. Mt 8,12) ereilen – für alle Ewigkeit.“ Sogleich brach Rufina zusammen, auf der linken Seite vom Kopf bis zu den Fußzehen gelähmt. Auch reden konnte sie nicht mehr, denn ihre Zunge war gebunden. Als dies aber die Mitgläubigen und Neubekehrten sahen, schlugen sie sich an die Brust und gedachten ihrer früheren Sünden; sie klagten und sagten: „Wir wissen nicht, ob uns Gott die 5

Kaiser Nero (54–68) verfolgte die Christen der Stadt Rom nach dem großen Stadtbrand des Jahres 64. 6 Durch das Wunder wurden sie im Glauben gestärkt. Die Taten des Petrus verwenden das Wort „stärken“ oft ohne Zusatz, wie im Neuen Testament (Apg 15,32 u. ö.). 7 Das mit Brot und Wasser (statt Wein) gefeierte Abendmahl.

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früheren Sünden vergibt, die wir begangen haben.“ Da gebot Paulus Schweigen und sagte: „Brüder, die ihr jetzt begonnen habt, an Christus zu glauben! Wenn ihr nicht in eurem früheren Wandel und in euren väterlichen Überlieferungen verharrt, wenn ihr euch enthaltet von allem Betrug und Jähzorn, von aller Grausamkeit, von Ehebruch und Befleckung, Hochmut und Eifersucht, Hoffart und Feindseligkeit, dann wird euch Jesus, der lebendige Gott,8 verzeihen, was ihr in Unwissenheit getan habt. Deshalb, ihr Diener Gottes, wappne jeder von euch seinen inneren Menschen (vgl. Eph 3,16). Pflegt Frieden, Gleichmut, Milde, Glaube, Liebe, Wissen, Weisheit, Liebe zur Gemeinde, Gastfreundschaft, Mitleid, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Güte, Gerechtigkeit. Dann werdet ihr in Ewigkeit Christus zu eurem Herrscher haben, den Erstgeborenen aller Kreaturen (Kol 1,15) und Mächte. Im Frieden mit unserem Herrn!“ Als sie die Worte des Paulus gehört hatten, baten sie ihn, er möge für sie beten. Paulus erhob seine Stimme und sagte: „Ewiger Gott, Gott der Himmel, Gott von unaussprechlichem Wesen! Das All hast du durch dein Wort fest gemacht, die ganze Welt durch das Band deiner Gnade zusammengefügt. Vater deines heiligen Sohnes Jesus Christus! Gemeinsam bitten wir dich durch deinen Sohn Jesus Christus, die Seelen zu stärken (vgl. Apg 14,22), die einst ungläubig waren, jetzt aber gläubig sind. Einst war ich selbst ein Gotteslästerer, jetzt aber werde ich gelästert; einst war ich ein Verfolger,9 jetzt aber werde ich selbst verfolgt; einst war ich ein Feind Christi, jetzt bitte ich, sein Freund sein zu dürfen. Ich vertraue auf seine Verheißung und sein Erbarmen. Aus meiner Sicht bin ich gläubig und habe Vergebung für meine früheren Vergehen erhalten. So ermahne ich auch euch, Brüder: Glaubt an den Herrn, den allmächtigen Vater, und setzt alle Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus, seinen Sohn. Wenn ihr an ihn glaubt, kann euch niemand aus seiner Verheißung herausreißen. Beugt eure Knie und empfehlt mich dem Herrn, da ich mich anschicke, zu einem anderen Volk zu reisen. Bittet, dass seine Gnade vor mir hergehe und meine Reise wohl 8 In den Taten des Petrus wird Jesus oft als Gott bezeichnet. 9 Bevor Paulus Christ wurde, hatte er Christen verfolgt (Apg 9,1–2; 22,4–5).

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gestalte! Dass Gott sich heilige Diener10 und Gläubige erwähle und im Glauben gut gründe, so dass diese sich mir, dem Verkünder des Wortes des Herrn, erkenntlich zeigen.“ Die Brüder aber weinten lange, flehten zusammen mit Paulus zu Gott und sagten: „Herr Jesus Christus, sei mit Paulus und bringe ihn uns wieder heil zurück, denn wir wissen, wie schwach wir noch im Glauben sind.“ 3. Zahlreiche Frauen aber ließen nicht davon ab, den seligen Paulus kniefällig zu bitten, er möge doch bleiben. Sie küssten seine Füße und geleiteten ihn zusammen mit Dionysius und Balbus aus Asien – römische Ritter, angesehene Männer – nach Portus.11 Ein Senator mit Namen Demetrius aber wich nicht von der Seite des Paulus und sagte: „Paulus, gerne würde ich mit dir die Stadt verlassen, um dich nicht zu verlieren. Doch ich bin Staatsbeamter.“ Ebenso sprachen vom Haus des Kaisers12 Kleobius, Iphitus, Lysimachus und Aristeus sowie die beiden vornehmen Frauen Berenike und Philostrate, zusammen mit dem Presbyter Narcissus, die ihn nach Portus geleitet hatten. Da aber ein Seesturm drohte,13 schickte Paulus die Brüder nach Rom zurück, um ausrichten zu lassen, wer wolle, solle herabkommen und ihn hören, bis er abführe. Mit dieser Botschaft kehrten die Brüder wieder in die Stadt zurück. Sie teilten sie den Brüdern, die in der Stadt geblieben waren, mit, und sogleich verbreitete sich die Nachricht. Und da kamen die einen mit der Kutsche, andere zu Fuß, wieder andere auf dem Tiber zum Hafen hinab und wurden drei Tage lang im Glauben sehr gestärkt, am vierten Tage noch bis zur fünften Stunde.14 Sie beteten mit Paulus, brachten ihm Geschenke und legten alles Nötige in das Schiff. Auch übergaben sie ihm zwei gläubige junge Männer, dass sie mit ihm führen, und sagten ihm im Herrn Lebewohl. Dann kehrten sie nach Rom zurück. 10 Wörtlich „Gefäße“ oder „Werkzeuge“, vgl. Apg 9,15; Röm 9,23 und Anm. 126. 11 Name der Hafenanlage von Ostia. 12 Dem „Haus des Kaisers“ werden bestimmte kaiserliche Sklaven und Beamte zugerechnet; vgl. Phil 4,22. 13 Verzögerung der Abfahrt des Schiffes wegen ungünstigen Wetters. 14 Bis zum späten Vormittag.

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Simon der Magier kommt nach Rom und spaltet die Gemeinde 4. Nach wenigen Tagen aber entstand helle Aufregung in der Gemeindeversammlung. Einige sagten, sie hätten Wunder erlebt; die seien geschehen durch einen Mann namens Simon, der sich in Aricia15 aufhalte. Sie fügten hinzu, er behaupte, er sei die große Kraft Gottes, und ohne Gott tue er nichts. „Ist er denn der Messias?“ „Nein, wir glauben an den, den uns Paulus verkündigt hat.“ „Wir haben gesehen, wie Paulus Tote auferweckt und manche von mannigfachen Krankheiten befreit hat.“ „Simon sucht doch nur Streit; das wissen wir.“ „Bis jetzt ist unter uns noch nicht der kleinste Zwist vorgekommen.“ „Vielleicht ist er schon in Rom. Gestern wurde er mit lauten Zurufen darum gebeten, indem man zu ihm sagte: ‚Du bist in Italien Gott, du der Retter der Römer! Eile so schnell als möglich nach Rom!‘“ „Simon hat zum Volk geredet und mit schlichten Worten gesagt: ‚Ihr werdet mich morgen um die siebente Stunde16 über das Tor17 der Stadt fliegen sehen – in demselben Gewand,18 in dem ihr mich jetzt mit euch sprechen seht.‘“ „Nun, Brüder, wenn es euch recht ist, lasst uns dorthin gehen und mit aller Aufmerksamkeit den Ausgang der Sache abwarten.“ Daraufhin liefen alle gemeinsam zum Tor.19 Als aber die siebente Stunde kam, da erschien plötzlich in weiter Ferne eine Staubwolke am Himmel, wie ein mit Feuerschein aufleuchtender Rauch. Die Wolke näherte sich dem Tor und verschwand dann plötzlich. Danach erschien ein Mann mitten in der Menge, und sie verehrten ihn, denn sie erkannten, dass es derselbe war, den sie tags zuvor gesehen hatten. Die Brüder waren verwirrt – Paulus war nicht mehr in Rom, auch 15 Ort an der Via Appia, etwa 25 km vor Rom. 16 Früher Nachmittag, nach Ende der Siesta, wo zahlreiches Publikum zu erwarten ist. 17 Um welches der Stadttore Roms es sich handelt, wird nicht gesagt. 18 Simons auffälliges Kleidungsstück mag der einfache Philosophenmantel gewesen sein. 19 Porta Appia oder Porta Capena.

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Timotheus und Barnabas waren nicht mehr da, denn Paulus hatte sie nach Mazedonien geschickt.20 So gab es keinen, der uns21 und jene, die erst kürzlich im Glauben unterwiesen worden waren, stärken konnte. Bei jenen, unter denen er wirkte, erlangte Simon immer größeres Ansehen, während die Meinung, Paulus sei Zauberer und Gaukler, schon zum Alltag gehörte. Von der großen Gemeinde, die im Glauben fest gegründet worden war, wurden alle abtrünnig, mit Ausnahme des Presbyters Narcissus, zweier Frauen im Hospiz der Bithynier22 und vierer Männer, die das Haus nicht mehr verlassen konnten. Im Haus eingeschlossen, widmeten sie sich Tag und Nacht dem Gebet und baten den Herrn, Paulus möge so schnell wie möglich zurückkehren – oder ein anderer möge kommen, um seine Diener zu besuchen, denn der Teufel habe viele durch seine Künste abtrünnig gemacht. Von Christus in einer Vision aufgefordert, reist Petrus von Jerusalem nach Rom 5. Während man in Rom trauerte und fastete, gab Gott Petrus in Jerusalem Anweisungen für seine künftige Tätigkeit, waren doch gerade die zwölf Jahre abgelaufen, die ihm der Herr vorgeschrieben hatte.23 In einem Gesicht erschien ihm Christus und sagte zu ihm: „Höre, Petrus! Du hast Simon aus Judäa vertrieben, nachdem du ihn als Magier entlarvt hattest.24 Jetzt ist er dir schon wieder vorausgeeilt, und zwar nach Rom. Kurz gesagt: Alle, die dort an mich glaubten, wurden durch die List und das Tun Satans abtrünnig gemacht – 20 Der Verfasser meint, Paulus sei in Rom von zwei Mitarbeitern begleitet gewesen. 21 Hier wie in Kapitel 21 bedient sich der Verfasser der 1. Person Plural, um sich als Zeitgenosse und Zeuge zu präsentieren. Vielleicht orientiert er sich an der Apostelgeschichte, in der auch „wir“-Abschnitte vorkommen (z. B. Apg 16,10). 22 Haus, in dem sich Menschen aus Bithynien (einer Landschaft in Kleinasien) einmieteten. 23 Nach einer frühchristlichen Überlieferung sollten sich die Apostel zwölf Jahre lang um Israel kümmern, ehe sie das Land Israel verließen, um sich andernorts der Missionsarbeit zu widmen. Vgl. Clemens von Alexandrien, Stromateis VI 5,43. 24 Diese Episode wird in Kapitel 17 erzählt.

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eben durch Simon, der offensichtlich als Satans ‚Kraft‘ tätig ist.25 Nun zögere nicht! Begib dich morgen nach Cäsarea! Dort findest du ein Schiff, für die Fahrt nach Italien bereit. Innerhalb weniger Tage erhältst du meine Gnade im Überfluss.“ Durch dieses Gesicht belehrt, erstattete Petrus den Brüdern sogleich Bericht und sagte: „Ich muss nach Rom. Ich muss den Feind und Gegner des Herrn und unserer Brüder niederringen.“ So eilte er hinab nach Cäsarea26 und bestieg sofort das Schiff, dessen Landetreppe schon weggenommen war, so dass für ihn keine Lebensmittel mehr eingeladen werden konnten. Als der Steuermann, ein Mann namens Theon, Petrus erblickte, sagte er: „Alles, was wir hier haben, steht dir zur Verfügung. Denn welchen Dank verdienten wir, wenn wir einen Menschen, der uns gleich ist und nichts besitzt, aufnähmen, aber nicht alles, was wir haben, mit ihm teilten? Möge uns glückliche Fahrt beschieden sein.“ Petrus dankte ihm für das Angebot; er aber fastete im Schiff – bald betrübt, bald froh, weil ihn Gott für einen zu seinem Dienst würdigen Diener hielt. Nach wenigen Tagen erhob sich der Steuermann zur Stunde des Mittagessens27 und lud Petrus ein, mit ihm zu speisen, indem er sagte: „Wer du auch bist, Gott oder Mensch, ich kenne dich zu wenig, doch wenn ich recht verstehe, bist du ein Diener Gottes. Als ich in der Nacht das Schiff lenkte und in den Schlaf gesunken war, da schien es mir, als spreche eine menschliche Stimme vom Himmel her zu mir: ‚Theon, Theon!‘ Zweimal rief sie mich beim Namen und sagte: ‚Unter allen, welche mit dir fahren, gelte dir Petrus als der, dem die höchste Ehre gebührt. Um seinetwillen bleiben alle – du und die anderen – auf dieser gottgeleiteten Fahrt heil und ohne Schaden.‘“ Im Glauben, Gott wolle auf dem Meere denen, die im Schiffe waren, seine Vorsehung zeigen, begann Petrus, dem Theon die großen Taten Gottes zu erklären: wie ihn der Herr zu einem seiner Apostel ausersehen habe und zu welchem Zwecke er nach Italien 25 Simon gibt sich als „Kraft Gottes“ aus (Apg 8,10). 26 Wichtiger Hafen an der Küste von Judäa. Die im Folgenden beschriebene Seereise hat dieselbe Route wie die des Paulus in der Apostelgeschichte (Apg 27–28). 27 Das prandium war eine um die Mittagszeit eingenommene kleine Mahlzeit.

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reise. Täglich teilte er ihm das Wort Gottes mit. Er beobachtete ihn und kam zur Überzeugung, er sei mit ihm eines Glaubens und ein würdiger Diener Gottes. Als das Schiff im Adriatischen Meer wegen Windstille dahindümpelte, wies Theon den Petrus auf die Windstille hin und sagte zu ihm: „Wenn du mich für würdig hältst, mich im Zeichen des Herrn einzutauchen, so hast du hier Gelegenheit“ – denn alle, die sich auf dem Schiff befanden, waren betrunken und eingeschlafen (vgl. 1. Thess 5,7). Petrus ließ sich an einem Strick herab und taufte Theon im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Jener aber stieg aus dem Wasser fröhlich und in großer Freude empor. Petrus freute sich, weil Theon – „der Göttliche“ – seinen Namen zu Recht trug. Nun geschah es, dass an derselben Stelle, wo Theon getauft worden war, ein Jüngling in strahlendem Glanze erschien und zu ihnen sagte: „Friede sei mit euch!“ Sogleich kletterten Petrus und Theon wieder auf das Schiff hinauf und begaben sich in die Kajüte. Petrus nahm Brot und sagte dem Herrn Dank, der ihn seines heiligen Dienstes gewürdigt hatte; auch dankte er für das Erscheinen jenes Jünglings, der zu ihnen sagte: „Friede sei mit euch.“ Petrus sprach: „Bester und allein Heiliger, Gott28 Jesus Christus, du bist uns erschienen, in deinem Namen habe ich eben gesprochen, und Theon ist bezeichnet worden mit deinem heiligen Zeichen. Darum reiche ich ihm in deinem Namen auch deine Eucharistie, damit er dein vollendeter Diener sei, für immer ohne Tadel.“ Während sie Mahl hielten und sich im Herrn erfreuten, kam mit einem Mal ein nicht zu heftiger, mäßiger Wind auf und ergriff den Bug des Schiffes; sechs Tage und ebenso viele Nächte legte er sich nicht, bis sie Puteoli29 erreichten. Petrus kommt in Italien an und nimmt Quartier bei Narcissus 6. Als sie in Puteoli angelegt hatten, verließ Theon das Schiff und ging in die Herberge, in der er gewöhnlich einkehrte, um Petrus dort anzumelden. Ariston aber, der Mann, bei dem er einkehrte, fürchtete den Herrn, und Theon wandte sich an ihn um des Namens 28 Vgl. Anm. 8. 29 Wichtiger Hafen für Rom.

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Christi willen. Als er in die Herberge kam und Ariston erblickte, sagte Theon zu ihm: „Gott, der dich gewürdigt hat, ihm zu dienen, hat auch mir durch seinen heiligen Diener Petrus Gnade erwiesen. Diesem ist vom Herrn befohlen worden, nach Italien zu kommen – und gerade kommt er mit mir aus Judäa.“ Als Ariston dies gehört hatte, fiel er Theon um den Hals. Während er ihn umarmte, bat er ihn, er möge ihn zu dem Schiff führen und ihm Petrus zeigen. Ariston sagte nämlich, seit Paulus nach Spanien gereist sei, habe es niemand unter den Brüdern gegeben, der ihn im Glauben hätte ermutigen können. Außerdem habe sich ein Jude in die Stadt eingeschlichen, ein Mann namens Simon. Durch seine Zaubersprüche und seine Schlechtigkeit habe er die ganze Gemeinde abtrünnig gemacht, „so dass auch ich aus Rom geflohen bin in der Hoffnung auf die Ankunft des Petrus. Denn Paulus hatte von ihm berichtet, und ich sah vieles in einem Gesicht. Jetzt glaube ich an meinen Herrn; er wird seinen Dienst30 wieder aufrichten und alle Verführung von seinen Dienern wegnehmen. Unser Herr Jesus Christus ist treu; er kann unser Denken wieder erneuern.“ Während Theon dem von Tränen übermannten Ariston zuhörte, wuchs seine Begeisterung, und er wurde noch mehr in seinem neuen Glauben an den lebendigen Gott bestärkt. Petrus erblickte sie, als sie zusammen am Schiff ankamen; vom Geist erfüllt, lächelte er ihnen zu. Ariston warf sich Petrus zu Füßen und sagte: „Bruder und Herr! Du kennst die heiligen Geheimnisse31 und zeigst den rechten Weg im Herrn Jesus Christus, unserem Gott. Durch dich hat uns Christus seine eigene Ankunft angekündigt.32 Wir haben nämlich alle Brüder, die uns Paulus anvertraut hat, durch die Kraft Satans verloren. Aber jetzt hoffe ich auf den Herrn, der dich als seinem Boten zu uns schickt. Durch dich dürfen wir seine großen Wundertaten sehen. Bitte, eile in die Stadt! Denn ich habe die Brüder verlassen, weil sie Ärgernis gaben. Vom Teufel versucht, sind sie gefallen. Ich bin hierher geflohen, nachdem ich zu ihnen gesagt hatte: ‚Brüder, steht 30 „Dienst“ ist eine andere Bezeichnung für „Religion“. 31 Das Wissen um Jesu Heilswerk und die Sakramente. 32 Mit Petrus kommt zugleich, in verborgener Weise, Christus selbst. Der Gedanke begegnet wieder im Bericht über das Martyrium des Petrus (s. unten, Kapitel 35).

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fest im Glauben; denn innerhalb der nächsten zwei Monate muss das Erbarmen unseres Herrn seinen Diener zu euch herführen.‘ Ich hatte nämlich eine Erscheinung gesehen – Paulus, der zu mir sagte: ‚Ariston, fliehe aus der Stadt!‘ Als ich das gehört hatte, zögerte ich keinen Augenblick, sondern eilte im Herrn aus der Stadt. Wenn auch körperlich schwach, bin ich doch hierher gelangt. Tag für Tag stand ich am Ufer und fragte die Schiffer: ‚Ist vielleicht Petrus mit euch gefahren?‘ Da aber jetzt die Gnade des Herrn uns reichlich widerfährt, lasst uns unverzüglich nach Rom hinaufgehen, damit die Lehre des verbrecherischen Menschen nicht noch mehr Einfluss gewinne.“ Als Ariston so unter Tränen sprach, reichte ihm Petrus die Hand und hob ihn von der Erde auf. Er selbst sprach unter Tränen und Seufzen:33 „Der den Erdkreis durch seine Engel verführt (vgl. Offb 12,9)34 ist mir zuvorgekommen. Doch der die Gewalt hat, seine Diener von aller Versuchung zu erlösen (vgl. 2. Petr 2,9), wird den Verführungen ein Ende machen und den Teufel unter die Füße derer legen (vgl. Röm 16,20), die an Christus glauben, den wir predigen.“ Als sie in das Tor der Stadt Puteoli eintraten, wandte sich Theon an Petrus und sagte: „An keinem Tage hast du dich bei der so langen Seereise erquickt; und nun willst du auch noch auf einer so unbequemen Straße geradewegs vom Schiff aus aufbrechen? Nein, bleibe hier und erhole dich, und dann sollst du reisen. Denn von hier nach Rom führt eine gepflasterte Straße, und die Erschütterung könnte dir Schaden zufügen.“35 Petrus antwortete und sprach zu ihnen: „Soll mir zusammen mit dem Feind unseres Herrn ein Mühlstein umgehängt werden, so dass ich in der Tiefe versinke – wie mein Herr zu uns sagte: ‚Wenn einer einem von den Brüdern Ärgernis gibt … ‘ (vgl. Mt 18,6)? Aber mir würde nicht nur ein Mühlstein umgehängt werden, sondern schlimmer noch: Ich bliebe fern von denen, die an Christus geglaubt haben, und überließe sie dem Verfolger seiner Diener zur Vernichtung.“ 33 Hier und im Folgenden wird Petrus eine schwülstige Sprache in den Mund gelegt, die ihn als Apostel charakterisieren soll. 34 Der Teufel. 35 Petrus fährt also mit einem pferde- oder eselbespannten Reisewagen weiter. Die gepflasterten antiken Straßen sind holprig.

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Theon gelang es nicht, ihn zu überreden, auch nur einen Tag zu bleiben. Theon aber verkaufte alles, was im Schiff war, denen, die es haben wollten, und folgte Petrus nach Rom, wo ihn Ariston zur Wohnung des Presbyters Narcissus brachte. Petrus hält eine erste Rede in Rom 7. Schnell sprach sich unter den in der Stadt zerstreuten Brüdern herum, Petrus sei wegen Simon nach Rom gekommen, um ihn als Verführer und Verfolger der Guten zu entlarven. So lief eine Menschenmenge zusammen, um den Apostel des Herrn zu sehen, der die Gemeinde erneut auf Christus gründen wollte.36 Als aber die Menge am ersten Tag37 der Woche zusammenlief,38 um Petrus zu sehen, hob er mit fester Stimme an zu reden: „Ihr Männer, die ihr hier seid, die ihr auf Christus hofft, ihr, die ihr eine kleine Weile Versuchung erlitten habt, hört gut zu! Aus welchem Grund hat Gott seinen Sohn in die Welt geschickt? Aus welchem Grund hat er ihn durch die Jungfrau Maria hervorgebracht, wenn er nicht Gnade erweisen oder Heil schaffen wollte? Nun, er wollte alles Ärgernis, alle Unwissenheit und alles Wirken des Teufels, seine Mächte und Gewalten beseitigen, alles, wodurch jener einst die Herrschaft hatte, bevor unser Gott die Welt erleuchtete. Weil die Menschen durch ihre mannigfache Schwachheit und Unwissenheit in den Tod stürzten, erbarmte sich der allmächtige Gott ihrer und sandte seinen Sohn in die Welt – dessen bin ich Zeuge. Er wandelte über das Wasser, wie ich selbst bezeugen kann (vgl. Mt 14,25). In der Welt hat er Zeichen und Wunder gewirkt. Ja, ich bin dabei gewesen, teuerste Brüder. Auch habe ich unseren Herrn Jesus Christus verleugnet, und nicht nur einmal, sondern sogar dreimal (vgl. Mk 14,66–72), als mich gottlose Hunde umgaben, wie es beim Propheten des Herrn heißt (vgl. Ps 22,17). Aber der Herr hat es mir nicht angerechnet; er wandte sich mir zu und erbarmte sich der Schwachheit meines Fleisches, so dass ich nachher bitterlich weinte 36 Der Halbsatz „der die Gemeinde erneut …“ ist im Urtext unklar. 37 Am Sonntag. 38 Ein Versammlungsort wird nicht angegeben; wahrscheinlich ist an eine Versammlung im Freien gedacht.

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(Lk 22,61–62). Ich beklagte meinen schwachen Glauben – ich war vom Teufel um den Verstand gebracht worden und hatte das Wort meines Herrn nicht vor Augen. Und jetzt sage ich euch, Brüder, die ihr im Namen Jesu Christi versammelt seid: Auch auf euch richtet Satan, der Betrüger, seine Pfeile (vgl. Eph 6,16), damit ihr vom rechten Weg abkommt. Werdet nicht abtrünnig, Brüder, und verliert nicht den Mut, sondern bleibt stark, steht fest im Glauben und zweifelt nicht! Satan konnte mich, den der Herr so hoch achtete, verführen, so dass ich das Licht meiner Hoffnung verleugnete; er konnte mich zur Flucht anstiften, und ich lief weg wie einer, der an einen bloßen Menschen geglaubt hat – was meint ihr wohl, dass mit euch geschehen wird, die ihr eben erst bekehrt worden seid? Glaubt ihr etwa, Satan wolle euch nicht abtrünnig machen, euch nicht zu Feinden des Reiches Gottes machen und euch nicht durch eine ganz neue Irrlehre39 ins Verderben stürzen? Jeder, den er der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus beraubt, wird ein Sohn des Verderbens für alle Ewigkeit. Bekehrt euch daher, vom Herrn erwählte Brüder! Werdet stark durch den allmächtigen Herrn (vgl. Eph 6,10), den Vater unseres Herrn Jesus Christus, den niemand jemals gesehen hat noch sehen kann, außer dem, der an ihn glaubt. Erkennt klar, woher die Anfechtung kommt! Der, den ich verkünde, ist Christus: Davon will ich euch nicht nur mit Worten überzeugen, sondern auch durch Taten, nämlich gewaltige Wunder. Im Namen des Glaubens an Christus Jesus ermahne ich euch: Keiner von euch möge einen anderen Erlöser erwarten außer diesem Verachteten und von den Juden Geschmähten, den gekreuzigten Nazarener, der gestorben und am dritten Tage auferstanden ist.“ Marcellus ist vom Christusglauben abgefallen – Petrus spricht einen Fluch über Simon 8. Reumütig baten die Brüder Petrus, er möge Simon bezwingen. Dieser bezeichne sich als Kraft Gottes und halte sich im Hause des Senators Marcellus auf, den seine Zaubereien überzeugt hätten. Die Brüder sprachen:

39 Nämlich die Lehre Simons.

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„Schenke uns Glauben, Bruder Petrus! Niemand unter den Menschen war so weise wie dieser Marcellus.“ „Alle Witwen, die auf Christus hoffen, fanden Zuflucht bei ihm, alle Waisen hat er versorgt. Und was sonst noch, Bruder? Alle Armen nannten Marcellus ihren Patron, sein Haus galt als Quartier der Reisenden und Armen.“ „Der Kaiser hat zu ihm gesagt: ‚Ich enthebe dich jedes Amtes, damit du nicht die Provinzen ausbeutest, um den Christen zu geben.‘ Dieser gab dem Kaiser zur Antwort: ‚Alles, was ich besitze, gehört dir.‘ Darauf der Kaiser: ‚Es könnte mir gehören, hättest du es für mich bewahrt. Nun aber gehört es nicht mir, denn du gibst es, wem du willst – ich weiß nicht, welchem Gesindel.‘“ „Das also, Bruder Petrus, steht uns vor Augen, wenn wir dir berichten, wie sich der großzügige Wohltäter zum Gotteslästerer gewandelt hat.“ „Hätte sich Marcellus nicht gewandelt, stünden wir jetzt nicht so fern vom heiligen Glauben an Gott, unseren Herrn.“ „Jetzt aber ist derselbe Marcellus wütend und bedauert seine Wohltätigkeit, indem er sagt: ‚Viel Geld habe ich ausgegeben, und lange – und geglaubt, dadurch zur Kenntnis Gottes zu gelangen.‘“ „So weit geht er: Sobald ein Fremder sich seiner Pforte nähert, lässt er ihn verprügeln und verjagt ihn, wobei er jammert: ‚Ach hätte ich doch für solche Betrüger nicht so viel Geld verschleudert.‘ Noch viele weitere Lästerungen stößt er aus.“ „Doch wenn in dir noch die Barmherzigkeit unseres Herrn ist und die Güte seiner Gebote, so kümmere dich um den Irrtum dieses Mannes, der einer so großen Zahl von Dienern Gottes Almosen gegeben hat.“ Angesichts dessen von gewaltigem Schmerz ergriffen, sagte Petrus:40 „O mannigfaltige Künste und Versuchungen des Teufels! O Listen und Erfindungen von Bosheiten! Für den Tag des Zorns nährt er das größte aller Feuer, in das er selbst kommt. Er ist der Untergang einfältiger Menschen, ein reißender Wolf, 40 Was folgt ist ein Exorzismus – ein magischer Spruch, der die Macht Satans bricht. Der Satan wird persönlich angesprochen.

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ein Verschlinger und Zerstörer des ewigen Lebens! Du hast den ersten Menschen in böse Lust verstrickt und ihn durch deine alte Schlechtigkeit und ein Band – den Körper – gefesselt. Du bist die bittere Frucht des Baumes der Bitterkeit. Mannigfaltige Lüste flößt du ein. Du hast meinen Mitjünger und Mitapostel Judas gezwungen, gottlos zu handeln, so dass er unseren Herrn Jesus Christus verriet; dafür wird er dich bestrafen. Du hast das Herz des Herodes verstockt. Du hast den Pharao entflammt und ihn gezwungen, gegen Mose zu kämpfen, den heiligen Diener Gottes. Du hast Kaiphas die Frechheit verliehen, so dass er unseren Herrn Jesus Christus der feindlichen Menge übergab. Auch jetzt schießt du mit deinen giftigen Pfeilen (vgl. Eph 6,16) auf unschuldige Seelen. Du gottloser Feind aller! Fluch über dich von der Kirche des Sohnes des heiligen, allmächtigen Gottes! Wie ein vom Herd geworfenes Scheit wirst du von den Dienern unseres Herrn Jesus Christus ausgelöscht werden. Gegen dich möge sich deine Schwärze kehren, auch gegen deine Söhne, den schlechtesten Samen. Gegen dich mögen sich kehren deine Schlechtigkeiten, gegen dich deine Drohungen gegen dich deine Versuchungen, gegen dich und deine Engel, du Anfang der Schlechtigkeit, Abgrund der Finsternis! Die Finsternis, die du hast, sei mit dir und mit deinen Gefäßen,41 die du besitzt. Weiche darum von denen, die im Begriff sind, wieder an Gott zu glauben, 41 Menschen, die dem Teufel gehören.

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weiche von den Dienern Christi und denen, die für ihn Kriegsdienste leisten wollen! Behalte für dich dein schwarzes Teufelsgewand. Erfolglos klopfst du an fremde Türen, die nicht dir gehören, sondern Christus Jesus, der sie bewacht. Denn du, reißender Wolf, willst die Schafe rauben, die nicht dir gehören (vgl. Joh 10,12), sondern Christus Jesus, der sie mit größtem Eifer bewacht.“ 9. Durch die Worte, die Petrus, von großem Schmerz bewegt, gesprochen hatte, kam eine beträchtliche Zahl von Menschen wieder zum Glauben an den Herrn. Petrus nimmt mit Hilfe eines sprechenden Hundes Kontakt zu Simon auf Die Brüder aber baten Petrus, den Kampf mit Simon aufzunehmen, und nicht mehr zu dulden, dass er das Volk noch länger verführe. Ohne zu zögern verließ Petrus die Versammlung und begab sich zum Hause des Marcellus, gefolgt von einer großen Menschenmenge. An der Tür angelangt, rief er den Pförtner und trug ihm auf: „Geh, melde dem Simon: Petrus, vor dem du aus Judäa geflohen bist, erwartet dich an der Tür.“ Der Pförtner gab Petrus zur Antwort: „Mein Herr, ich weiß nicht, ob du Petrus bist. Doch mir wurde Weisung erteilt. Simon weiß, dass du seit gestern in der Stadt bist. Er trug mir auf: ‚Ganz gleich zu welcher Stunde er sich meldet, des Tags oder des Nachts, sag ihm, ich sei nicht zu Hause.‘“ Da entgegnete Petrus dem jungen Mann: „Mit Recht hast du mir die Lüge verraten, zu der er dich gezwungen hat.“ Und zur Menschenmenge gewandt, die ihm gefolgt war, sagte er: „Ihr werdet ein großes, überraschendes Wunder erleben.“ Petrus sah einen Hund an langer Kette angebunden. Er ging auf ihn zu und löste die Kette. Der von seiner Fessel befreite Hund sagte zu Petrus mit menschlicher Stimme:42 „Was soll ich für dich tun, du Diener des unaussprechlichen lebendigen Gottes?“ Petrus 42 Sprechende Tiere sind ein beliebtes Motiv volkstümlicher Erzählung; Beispiele: die Eselin des Bileam (Num 22,28–30) und das „Lamm des Bokchoris“ (Demotischer Papyrus D 10.000 in der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien).

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trug ihm auf: „Geh hinein und sage zu Simon vor allen, die bei ihm sind: ‚Petrus lässt dir sagen: Komm heraus und zeige dich öffentlich! Deinethalben bin ich nach Rom gekommen, du verbrecherischer Verführer einfacher Seelen.‘“ Sogleich machte sich der Hund auf, ging hinein, und mit einem Sprung stand er inmitten derer, die bei Simon waren. Er erhob seine Vorderpfoten und rief mit lauter Stimme: „Komm heraus und zeige dich öffentlich! Deinethalben bin ich nach Rom gekommen, du höchst verbrecherischer Verführer einfältiger Seelen.“ Als Simon dies hörte und das Unglaubliche sah, entfiel ihm, was er gerade zur Verführung der bei ihm Weilenden sagen wollte. Alle waren sehr erstaunt. Marcellus wendet sich von Simon ab und wird zum Freund des Petrus 10. Auch Marcellus war Zeuge des Ereignisses. Er kam zur Tür seines Hauses und warf sich Petrus zu Füßen mit den Worten: „Petrus, ich umfasse deine Füße!43 Heiliger Diener des heiligen Gottes, ich habe viel gesündigt. Bestrafe mich nicht für meine Sünden, wenn du den wahren Glauben hast, den Glauben an Christus, den du verkündest. Gedenke seines Gebots, keinen zu hassen und keinem zu schaden, wie ich es gelernt habe von deinem Mitapostel Paulus. Rechne mir meine Sünden nicht an, sondern bitte den Herrn für mich, den heiligen Gottessohn, den ich durch die Verfolgung seiner Diener erzürnt habe. Flehe als guter Anwalt für mich zu Gott, dass ich nicht zusammen mit dem Sünder Simon dem ewigen Feuer übergeben werde. Er hat mich sogar überredet, ihm ein Standbild zu errichten mit der Inschrift: Simon der junge Gott. Könntest du, Petrus, durch Geld gewonnen werden, würde ich dir mein ganzes Vermögen geben. Ich würde es verachten und dir geben, um meine Seele zu retten. Hätte ich Kinder, würde ich sie für nichts erachten, der Glaube an den lebendigen Herrn genügte mir. Ich gebe zu, er hätte mich nicht verführen können, hätte er sich nicht ‚die Kraft Gottes‘ genannt. Und ich muss dir noch dies sagen, lieber Petrus: Weder bin ich würdig, dich zu hören, du Diener des

43 Antike Geste der Verehrung und der Bitte (2. Kön 4,27; Mt 28,9).

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Herrn, noch stehe ich fest im Glauben an Gott in Christus. Deshalb bin ich zum Ärgernis geworden. Bitte nimm keinen Anstoß an dem, was ich noch sage: Christus unser Herr, den du wahrhaft verkündest, hat vor dir zu den Aposteln gesagt: ‚Hättet ihr den Glauben auch nur von der Größe eines Senfkorns, so würdet ihr zu diesem Berg sagen: Versetze dich, und sogleich würde er sich versetzen‘ (Mt 17,20). Nun hat Simon auch an deinen Unglauben erinnert, an deinen Zweifel auf dem Wasser (vgl. Mt 14,30–31). Wie ich gehört habe, hat Christus auch gesagt: ‚Die bei mir sind, verstehen mich nicht.‘44 Wenn nun ihr gezweifelt habt: ihr, denen er die Hände aufgelegt hat,45 die er ausersehen hat, durch die er Wunder gewirkt hat,46 dann stütze ich mich für meine Reue auf dieses Zeugnis und suche Zuflucht zu deiner Fürsprache. Nimm dich meiner Seele an, die vom Herrn und seiner Verheißung abgefallen ist. Doch ich glaube, er wird sich meiner erbarmen, da ich Reue zeige. Der Allmächtige wird es nicht ablehnen, mir die Sünden zu vergeben.“ Darauf sprach Petrus mit erhobener Stimme: „Dir, unser Herr, sei Ruhm und Preis, allmächtiger Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus. Dir sei Lob und Ruhm und Ehre in alle Ewigkeit, Amen. Da du auch uns jetzt gestärkt und auf dich fest gegründet hast vor den Augen aller, die es sehen, heiliger Herr, befestige Marcellus im Glauben und schicke ihm und seinem Haus deinen Frieden noch heute. Alle aber, die verloren gegangen sind oder umherirren, kannst du allein richtig leiten. Dich flehen wir an, Herr, du Hirte der zerstreuten Schafe, die jetzt von dir zusammengeführt werden (vgl. 1. Petr 2,25), nimm nun auch den Marcellus auf wie eines von den Schäflein, 44 Ein nur außerbiblisch überliefertes Wort Jesu. 45 Nach frühchristlicher, im Neuen Testament nicht bezeugter Auffassung hat Jesus den Aposteln die Hände aufgelegt und sie so zu Vorstehern der Gemeinde geweiht. 46 Wunder der Apostel werden im Neuen Testament mehrfach erwähnt (z. B. Apg 9).

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und lass ihn nicht noch länger in Irrtum oder Unwissenheit umhertoben wie ein verrückter Bacchant!47 Nimm ihn auf in die Zahl deiner Schafe! Ja, Herr, nimm ihn auf, denn unter heißen Tränen fleht er dich an.“ Ein Besessener zertrümmert die Marmorstatue des Kaisers, Marcellus macht sie wieder ganz 11. So sprach Petrus und schloss Marcellus in die Arme.48 Als sich Petrus der Menge zuwandte, die bei ihm stand, gewahrte er in der Menge einen jungen Mann, der lachte; in ihm aber war ein böser Dämon. Petrus sagte zu ihm: „Wer du auch bist, zeige dich öffentlich allen, die hier sind.“ Als der junge Mann dies gehört hatte, stürzte er in das Atrium des Hauses, schrie laut auf, warf sich gegen die Wand und rief: „Petrus, zwischen Simon und dem Hund, den du geschickt hast, herrscht gewaltiger Streit. Denn Simon befiehlt dem Hund: ‚Sag, ich sei nicht da.‘ Zu ihm aber sagt der Hund noch mehr als du ihm aufgetragen hast. Wenn er deinen geheimnisvollen Auftrag erledigt hat, wird er vor deinen Füßen sterben.“ Petrus entgegnete: „Und du nun, was für ein Dämon du auch seist: Im Namen unseres Herrn Jesus Christus – fahre aus dem jungen Mann aus, ohne ihm zu schaden. Zeig dich allen, die hier sind.“ Kaum hatte der junge Mann das gehört, da sprang er auf, ergriff die große Marmorstatue, die im Atrium des Hauses stand, und zertrümmerte sie mit Fußtritten – eine Kaiserstatue. Als Marcellus das sah, schlug er sich an die Stirn und sagte zu Petrus: „Ein schlimmes Verbrechen ist geschehen. Wenn der Kaiser durch einen vorwitzigen Menschen davon erfährt, wird er uns schwer bestrafen.“ Petrus aber entgegnete: „Ich sehe, du bist nicht wie vor einem Augenblick. Hast du nicht gerade gesagt, du wolltest dein ganzes Vermögen hergeben, um deine Seele zu retten? Doch wenn du wirklich Buße tun willst und aus ganzem Herzen an Christus glaubst, nimm Wasser 47 Lateinisch bacchari, in Anspielung auf die Bacchanalien, die ausgelassenen Feiern zu Ehren des Weingottes Bacchus. 48 Der auch im Gottesdienst ausgetauschte Bruderkuss (Röm 16,16) stellt die Gemeinschaft wieder her.

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vom Springbrunnen, bete zum Herrn und besprenge damit in seinem Namen die Trümmer der Statue! Sie wird ganz sein wie zuvor.“ Marcellus zweifelte nicht, sondern glaubte von ganzem Herzen. Bevor er das Wasser mit den Händen auffing, sagte er, den Blick zum Himmel gerichtet: „Ich glaube an dich, Herr Jesus Christus. Dein Apostel Petrus wirft mir vor, ich glaubte nicht aufrichtig an deinen heiligen Namen. So nehme ich nun Wasser in die Hand. In deinem Namen besprenge ich diese Steine, damit die Statue wieder ganz werde wie zuvor. Herr, wenn es dein Wille ist, dass ich am Leben bleibe und keine Strafe vom Kaiser erleide, dann möge dieses Standbild wieder werden wie zuvor.“ Er sprengte Wasser über die Steine, und die Statue wurde wieder ganz.49 Petrus war stolz, dass Marcellus’ Gebet an den Herrn nicht von Zweifel beeinträchtigt gewesen war. Auch Marcellus war begeistert, war doch das erste Mal ein Wunder durch seine Hände geschehen. So glaubte er von ganzem Herzen an den Namen Jesu Christi, des Gottessohnes, durch den alles Unmögliche möglich ist. Der sprechende Hund verhöhnt Simon den Magier 12. Im Innern des Hauses wandte sich Simon an den Hund: „Sag dem Petrus, ich sei nicht da.“ In Anwesenheit des Marcellus entgegnete der Hund: „Du Gottloser und Schamloser, du Feind aller Lebewesen und aller, die an Christus Jesus glauben! Ein stummes Tier ist zu dir gesandt. Es bedient sich menschlicher Stimme, um dich als dreisten Betrüger zu entlarven. ‚Sag, ich sei nicht da‘ – wie lange hast du dir diese Ausrede überlegt? Schämst du dich nicht, deine schwache und nutzlose Stimme gegen Petrus zu erheben, den Diener und Apostel Christi? Glaubst du, du kannst dich vor dem verbergen, der mir befiehlt, mit dir persönlich zu sprechen? Nicht deinetwegen schickt mich Petrus, sondern um derer willen, die du verführt hast und ins Verderben stürzen willst. Sei verflucht, du Feind und Verderber des Weges und der Wahrheit Christi! Für deine bösen Taten wird er dich

49 Ein ähnliches Statuenwunder berichtet Philostratos, Leben des Apollonius IV 20.

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im ewigen Feuer (vgl. Mt 18,8) bestrafen, und du wirst in der äußersten Finsternis (vgl. Mt 8,12) landen.“ Kaum hatte der Hund diese Worte gesprochen, lief er wieder weg. Die Menge, die bei Simon war, folgte ihm. Simon blieb allein zurück. Als der Hund zu Petrus kam, saß dieser unter der Menge, die gekommen war, den Apostel zu sehen. Der Hund berichtete, wie er mit Simon verfahren war. Dann sagte er zum Boten und Apostel des wahren Gottes: „Petrus, gegen Simon, den Feind Christi und seiner Gläubigen, wirst du hart kämpfen müssen. Doch viele der Verführten wirst du zum Glauben zurückführen. Gott wird dir dein Werk lohnen.“ Nach diesen Worten fiel der Hund vor den Füßen des Petrus nieder und gab seinen Geist auf.50 Als die staunende Menge den sprechenden Hund sah, warfen sich die einen Petrus zu Füßen, während andere riefen: „Vollbringe ein weiteres Wunder, damit wir dich als Diener des lebendigen Gottes anerkennen!“ „Auch Simon hat vor unseren Augen viele Wundertaten vollbracht. Deshalb sind wir ihm ja gefolgt.“ Petrus bringt einen getrockneten Fisch zum Schwimmen 13. Als sich Petrus umwandte, sah er in einem Fenster einen gedörrten Hering hängen.51 Er nahm ihn und sagte zum Volk: „Wenn ihr den im Wasser schwimmen seht, glaubt ihr dann an den, den ich predige?“ „Ja, dann werden wir glauben!“, lautete die einmütige Antwort. Da ein Wasserbecken in der Nähe war, sagte er: „In deinem Namen, Jesus Christus, an den sie nicht glauben! Werde vor allen, die da sind, wieder lebendig! Schwimme wie ein Fisch!“ Er warf den Hering in das Becken – und er wurde lebendig und begann zu schwimmen. Die Menge sah den Fisch. Damit es nicht heiße, es sei 50 Vielleicht wurde der Verfasser durch das „Lamm des Bokchoris“ angeregt (vgl. Anm. 42): Nach dieser spätägyptischen Erzählung sagt ein mit menschlicher Stimme sprechendes Lamm dem Land Ägypten Unheil und Heil voraus; nach Bekanntgabe der Weissagung fällt es tot um. 51 Die Szene spielt vermutlich im Atrium des Hauses von Marcellus: Dort hängt ein Fisch (das lateinische Lehnwort sarda könnte auch einen gepökelten Thunfisch bezeichnen) in einer Fensteröffnung, dort befindet sich auch ein Wasserbecken.

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Einbildung, ließ er den Fisch nicht nur zu dieser Stunde schwimmen, sondern viel länger, um Menschen von überall her anzulocken, damit sie den lebendig gewordenen Hering sahen. Einige warfen ihm Brotkrumen zu, die er fraß. Viele sahen es, folgten Petrus und kamen zum Glauben an den Herrn. Tag und Nacht versammelten sie sich im Haus des Presbyters Narcissus. Dort erklärte ihnen Petrus die Schriften der Propheten und sprach über das, was unser Herr Jesus Christus vollbracht hatte in Wort und Tat. Simon verlässt das Haus des Marcellus, Petrus lässt ihn nicht in die Wohnung des Narcissus 14. Marcellus sah die Zeichen, die durch Petrus kraft der ihm zuteil gewordenen Gnade Jesu Christi geschahen, und so wurde er von Tag zu Tag mehr im Glauben gefestigt. Er ging zum Angriff auf Simon über, der sich im Triclinium52 seines Hauses aufhielt. Er schmähte ihn mit den Worten: „Du größter Feind und verruchtester aller Menschen, du Verderber meiner Seele! Mich wolltest du abtrünnig machen von Christus, meinem Herrn und Erlöser!“ Er legte Hand an ihn und ließ ihn aus dem Haus werfen. Auch seine Sklaven nutzten die Gelegenheit und überhäuften ihn mit Schmähungen. Die einen schlugen ihn ins Gesicht, andere prügelten mit dem Knüppel auf ihn ein, warfen Steine und gossen ihm Unrat aufs Haupt. Seinetwegen waren sie vor ihrem Herrn ausgerissen53 und waren zur Strafe lange Zeit in Ketten gelegt worden. Einige Mitsklaven, die er bei ihrem Herrn angeschwärzt hatte, beschimpften ihn und sagen: „Das ist der Lohn, der dir nach Gottes Willen gebührt. Gott hat sich unser und unseres Herrn erbarmt.“ Übel zugerichtet und aus dem Haus des Marcellus verjagt, eilte Simon zum Haus des Presbyters Narcissus, in das Petrus zurückgekehrt war. Er trat an die Tür und rief: „Hier bin ich, Simon. Petrus, komm herunter! Der, an den du glaubst, ist ein gewöhnlicher jüdischer Mann, der Sohn eines Zimmermanns.54 Ich kann es beweisen.“ 52 Speiseraum, der im römischen Haus gleichzeitig als Gesellschaftszimmer dient. 53 Oder: „hatten ihren Herrn geschmäht“ (Text unklar). 54 Nach Simon ist Jesus nicht Gottes Sohn; vgl. Kap. 23.

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15. Simons Worte wurden Petrus gemeldet. Petrus schickte eine Frau mit einem Säugling zu ihm. Zu ihr sagte er: „Geh eilends hinunter. Dort ist einer, der mich sucht. Du brauchst ihm nichts zu sagen. Bleib stumm und höre, was der Säugling auf deinem Arm zu ihm sagt.“ Die Frau ging hinab. Obwohl erst sieben Monate alt, wandte sich der Säugling mit männlicher Stimme an Simon: „Du Scheusal vor Gott und den Menschen! Verräter der Wahrheit! Der Verderbnis schlimmster Same! Unfruchtbare Frucht der Natur! Nur noch kurze Zeit kannst du dich hier zeigen, dann erreicht dich die ewige Strafe. Du stammst von einem schamlosen Vater.55 Nur in Gift und nie in gutem Grund treibst du Wurzeln. Ungläubige Kreatur! Von jeglicher Hoffnung Verlassener! Ein Hund hat dich geschmäht, und dich hat’s nicht erschüttert. Nun muss ich, ein Kind, von Gott gezwungen, mit dir reden – und auch jetzt errötest du noch nicht vor Scham! Gegen deinen Willen wird dich am Sabbat ein anderer56 auf das Julische Forum57 bringen, damit bewiesen wird, was in dir steckt. Weg von der Tür, an der die Fußspuren der Heiligen haften! Bei unschuldigen Seelen, die du zugrunde gerichtet und irre gemacht hast an Christus, kannst du bald nichts mehr ausrichten. Nun wird deine grundschlechte Natur entlarvt und dein Ränkespiel zunichte werden. Höre noch ein letztes Wort! Jesus Christus lässt dir sagen: ‚Werde stumm unter dem Zwang meines Namens! Verlasse Rom bis zum Sabbat.‘“58 Sogleich verlor Simon die Stimme. Wie ihm befohlen, verließ er Rom bis zum Sabbat und blieb in einer Herberge. Die Frau aber kehrte mit dem Säugling zu Petrus zurück. Ihm und den Brüdern berichtete sie, was der Säugling zu Simon gesagt hatte. Und sie priesen den Herrn, der sie ein solches Wunder hatte erleben lassen. 16. Als die Nacht gekommen und Petrus noch wach war, erschien ihm Jesus, angetan mit leuchtendem Gewand, und lächelte ihm freundlich zu. Er sagte zu ihm: „Schon ist der größte Teil der 55 Dem Teufel. 56 Christus (vgl. Kap. 18). 57 Das von Julius Cäsar in Rom erbaute Forum Iulium diente als Ort öffentlicher Rechtsprechung. 58 D. h., komm erst am Sabbat wieder in die Stadt!

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Gemeinde zu mir zurückgekehrt – durch mein Wirken und durch Gott, durch den du in meinem Namen Wunder gewirkt hast.59 Am kommenden Sabbat wirst du einen Glaubenskampf kämpfen. Viele Heiden und Juden werden in meinem Namen bekehrt werden – zu mir, dem Geschmähten, Verspotteten, Bespuckten. Die Zeichen und Wunder, um die du mich bittest, werde ich dir gewähren. Du wirst viele bekehren, doch an Simon wirst du einen Widersacher haben infolge der Werke seines Vaters.60 Aber all sein Tun wird als Zauberei und magisches Trugwerk entlarvt werden. Jetzt aber sei nicht mutlos! Alle, die ich dir zuführen werde, wirst du im Glauben an meinen Namen festigen.“ Als es Tag geworden war, erzählte Petrus den Brüdern von der Erscheinung des Herrn und was dieser ihm aufgetragen hatte. Ein Bericht des Petrus: Simons Diebstahl des Goldes der Eubula in Jerusalem 17. Petrus sagte: „Glaubt mir, Brüder! Ich selbst habe diesen Simon aus Judäa vertrieben. Mit Hilfe seiner Zaubersprüche hat er viel Böses getan. In Judäa hielt sich Simon bei einer Frau mit Namen Eubula auf. Sie war sehr geachtet in dieser Welt und besaß viel Gold sowie Perlen von nicht geringem Wert. Bei ihr schlich sich Simon mit zwei ihm ähnlichen Gefährten ein. Die beiden blieben von der Dienerschaft unbemerkt – man sah nur Simon allein. Durch Zauber unsichtbar gemacht, konnten sie alles Gold der Frau wegtragen. Als aber Eubula bemerkte, was geschehen war, begann sie, ihre Dienerschaft foltern zu lassen und sagte: ‚Als der göttliche Mann zu mir kam, um eine einfache Frau zu ehren, habt ihr die Gelegenheit genutzt und mich beraubt! Sein Name aber ist der Name des Herrn.‘ Ich61 fastete drei Tage und betete, die Sache möge sich aufklären. In einem Gesicht sah ich Italicus und Antulus, die ich im Glauben an 59 Petrus wirkt die Wunder nicht durch eigene Kraft, sondern im Namen ­Christi durch die Kraft Gottes. Der Verfasser versucht, diesen Gedanken ganz präzise auszudrücken. 60 Als sein Vater gilt der Teufel. 61 Wie Petrus von dem Diebstahl erfahren hat, wird nicht erzählt.

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den Herrn unterwiesen hatte. Außerdem einen lendenbeschürzten nackten Knaben,62 der mir ein Weizenbrot reichte und zu mir sagte: ‚Petrus, gedulde dich noch zwei Tage, dann wirst du die Großtaten Gottes sehen. Was aus dem Hause der Eubula verschwunden ist, hat Simon mittels seiner magischen Kunst und durch täuschendes Spiel entwendet, zusammen mit zwei Komplizen. Du wirst sie am dritten Tage in der neunten Stunde63 am Tor, das nach Neapolis führt,64 sehen: Einem Goldschmied namens Agrippinus wollen sie einen goldenen, zwei Pfund schweren Satyriscus65 mit kostbarem Stein verkaufen. Du darfst den Gegenstand nicht berühren, sonst wirst du unrein. Einige Sklaven der vornehmen Frau sollen dich begleiten. Du sollst ihnen die Werkstatt des Goldschmiedes zeigen – dann entferne dich von ihnen. Dieses Ereignisses wegen werden viele an den Namen des Herrn glauben. Was jene, wie oft, in ihrer Schlauheit und Schlechtigkeit entwendet haben, wird öffentlich wieder zurückerstattet.‘ Als ich das gehört hatte, eilte ich zu Eubula. Ich fand sie in Trauer – untätig dasitzend, mit zerrissenen Kleidern und aufgelöstem Haar. Ich sagte zu ihr: ‚Eubula, steh auf und lass die Trauer! Bring dein Gesicht wieder in Ordnung, stecke das Haar auf und lege ein richtiges Gewand an! Und bete zum Herrn Jesus Christus, der jede Seele richtet. Er ist der Sohn des unsichtbaren Gottes; durch ihn kannst du gerettet werden, wenn du von ganzem Herzen für deine früheren Sünden Buße tust. Empfange von ihm ein Zeichen seiner Wunderkraft! Siehe, durch mich sagt dir der Herr: ‚Alles, was du verloren hast, wirst du zurückerhalten.‘ Sobald du es wiederbekommen hast, lass dich von Christus finden, damit du auf die gegenwärtige Welt verzichten und nach ewiger Erquickung streben kannst. 62 Gemeint ist Jesus. Die Nacktheit verweist auf die Taufe, das Brot auf die Eucharistie. 63 In der Mitte des Nachmittags – außerhalb der Geschäftszeit, denn Geschäfte wurden gewöhnlich vormittags abgewickelt. 64 Das Damaskustor in Jerusalem, von dem die Straße nach Neapolis = Nablus führt. 65 Vielleicht eine goldene, mit Edelsteinen geschmückte Tafel, auf der ein ruhender Satyr dargestellt war.

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So höre nun Folgendes: Einige deiner Diener mögen an dem Tor, das nach Neapolis führt, die Menschen beobachten. Übermorgen, ungefähr in der neunten Stunde, werden sie zwei junge Männer sehen. Sie werden einem gewissen Agrippinus einen goldenen, zwei Pfund schweren, mit Steinen verzierten Satyriscus zum Kauf anbieten – so hat es mir ein Gesicht gezeigt. Nun ist Agrippinus ein Freund der Frömmigkeit und des Glaubens an den Herrn Jesus Christus. Christus leitet auch dich an, an den lebendigen Gott zu glauben und nicht an den Magier Simon, den Dämon ohne festen Stand, der dich in Trauer verharren lassen wollte – und wollte, dass deine unschuldige Dienerschaft gefoltert werde. Mit Schmeichelworten hat er dich verführt. Nur mit dem Mund redete dieser Gottlose vom Glauben an Gott. Du wolltest einen heiteren Tag feiern, hast ein Götzenbild ausgestellt und geschmückt, all deine Kleinodien auf dem Prunktisch ausgestellt. Da kam jener und führte zwei junge Männer mit herein, die aufgrund eines Zaubers niemand von euch gesehen hat. Als deine Schmucksachen geraubt waren, verschwanden sie – er und seine Gefährten. Doch seine Schliche haben keinen Bestand. Denn mein Gott hat mir die Sache geoffenbart, damit du nicht getäuscht wirst und nicht in der Hölle umkommst – ganz gleich, welche Sünden du begangen und im Widerspruch gegen Gott getan hast, der die Fülle der Wahrheit ist und ein gerechter Richter der Lebenden und Toten. Für die Menschen gibt es keine andere Hoffnung auf Leben, außer durch jenen, der dir das Verlorene unversehrt bewahrte. Und jetzt rette deine Seele!‘ Eubula warf sich mir zu Füßen und sagte: ‚O Mensch, wer du bist, weiß ich nicht. Simon hatte ich wie einen Diener Gottes aufgenommen. Was immer er von mir zur Versorgung der Armen erbat, das habe ich reichlich durch seine Hand ausgeteilt. Auch ihm habe ich viel geschenkt. Was habe ich ihm nur zuleide getan, dass er meinem Hause so großen Schaden zugefügt hat?‘ Zu ihr sagte ich: ‚Nicht Worten dürfen wir Glauben schenken, sondern Werken und Taten. Darum wollen wir das Begonnene vollenden.‘ Also verließ ich sie. Von zwei Verwaltern der Eubula begleitet ging ich zu Agrippinus und eröffnete ihm: ‚Diese beiden Männer musst du wiedererkennen. Denn morgen werden zu dir zwei andere junge Männer kommen, die dir einen goldenen, mit Steinen verzier50

ten Satyriscus verkaufen wollen. Er gehört aber der Herrin meiner Begleiter! Du sollst das Werk des Künstlers in die Hand nehmen, als wolltest du es genau betrachten und schätzen. Diese beiden da – die Verwalter – kommen dann hinzu; und für den Rest und den Beweis wird Gott sorgen.‘ Am folgenden Tage kamen die Verwalter der vornehmen Frau ungefähr um die neunte Stunde, gerade als jene jungen Männer Agrippinus den goldenen Satyriscus verkaufen wollten. Sofort wurden sie festgenommen und die Sache wurde der Frau gemeldet. Erregten Geistes ging sie zum Statthalter und berichtete mit lauter Stimme, was ihr widerfahren war. Als der Statthalter Pompeius66 die erregte Frau, die noch nie an die Öffentlichkeit getreten war, erblickte, erhob er sich sogleich von seinem Richterstuhl und ging in das Prätorium. Die beiden Delinquenten ließ er herbeibringen und peinlich verhören. Unter Folter gestanden sie, sie stünden im Dienste des Simon, ‚der uns mit Geld zur Tat veranlasst hat‘. Länger peinlich verhört, gestanden sie auch, alles, was Eubula verloren hatte, sei unter der Erde in einer Höhle67 versteckt, jenseits des Tores, und vieles mehr. Als Pompeius dies gehört hatte, ließ er die beiden in doppelte Ketten legen; dann erhob er sich und ging zum Tor. Im selben Augenblick trat Simon in das Tor und suchte seine Komplizen, weil sie sich, wie er meinte, verspätet hatten. Als er eine große Volksmenge kommen und jene in Ketten gelegt sah, begriff er sofort, was geschehen war, und ergriff die Flucht – und ward in Judäa bis auf den heutigen Tag nicht mehr gesehen. Nachdem Eubula ihr ganzes Eigentum wieder erhalten hatte, verschenkte sie es zur Versorgung der Armen. Sie kam zum Glauben an den Herrn Jesus Christus, wurde darin gestärkt, verachtete die Welt und sagte sich von ihr los. Sie beschenkte Witwen und Waisen und kleidete die Armen. Lange danach entschlief sie.

66 Statthalter (legatus) Pompeius; gemeint ist möglicherweise Cn. Pompeius Longinus, im Jahr 83 n. Chr. legatus Augusti in Jerusalem (Corpus Inscriptionum Latinarum III, S. 857, Nr. 14). 67 Die unterirdischen „Steinbrüche Salomos“ in der Nähe des Damaskustores in Jerusalem.

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Dies aber, liebe Brüder, ist in Judäa geschehen; so wurde Simon, der Engel Satans genannt wird, vertrieben.“ 18. „Liebe und teure Brüder, lasst uns gemeinsam fasten und zum Herrn beten! Er hat Simon aus Judäa vertrieben und ist mächtig genug, ihn auch von hier zu vertreiben. Möge er uns Kraft verleihen, ihm und seinen Zaubersprüchen Widerstand zu leisten und ihn als Engel Satans zu entlarven. Gegen seinen Willen wird ihn unser Herr am Sabbat auf das Julische Forum führen. Lasst uns die Knie vor Christus beugen, der uns selbst dann erhört, wenn wir nicht zu ihm flehen; der uns auch dann sieht, wenn wir ihn nicht sehen, denn er ist unter uns. Wenn wir es wollen, wird er uns nicht verlassen. Lasst uns unsere Seelen von jeder Versuchung zum Bösen reinigen. Gott wird uns nicht verlassen. Kaum haben wir die Augenlider bewegt, schon ist er bei uns.“ Petrus wirkt Wunder und predigt im Haus des Senators Marcellus 19. Nachdem Petrus so gesprochen hatte, kam plötzlich Marcellus herein und berichtete: „Petrus, ich habe mein ganzes Haus von den Spuren Simons gereinigt; jedes Staubkorn dieses Schurken ist weggefegt. Ich nahm Wasser und rief den heiligen Namen Jesu Christi an. Gemeinsam mit den übrigen Dienern Christi besprengte ich mein ganzes Haus – alle Speisezimmer68 und jeden Säulengang bis hinaus vor die Tür. Ich sagte: ‚Ich weiß: Du, Herr Jesus Christus, bist rein, unberührt von jeder Unreinheit. Mein Feind und Gegner wird von deiner Gegenwart vertrieben.‘ Jetzt, Seligster, sollen die Witwen und die alten Frauen in mein für alle offenes Haus69 kommen – und zu dir, damit sie mit uns beten. Jede von ihnen wird für ihren Gebetsdienst ein Goldstück erhalten, damit sie mit Recht Christi Dienerinnen genannt werden.70 Alles ist schon zum Gottesdienst vorbereitet. Bitte, lieber Petrus, besiegle ihre Bitten, indem du die Gebete, die sie

68 Die Häuser der Reichen besaßen mehrere Speisezimmer (triclinia). 69 Marcellus nennt sein Haus, in dem sich oft die Gemeinde versammelt, wörtlich „gemeinsames Haus“. Es gab noch keine Kirchengebäude. 70 Die Armen verdienen sich ihr Almosen durch Gebetsdienste.

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für mich sprechen, vervollständigst. Lasst uns gehen; auch Narcissus und alle die Brüder, die hier sind, sollen sich uns anschließen.“ Petrus schickte sich in die Einfalt des Marcellus. Seinem Willen entsprechend folgte er ihm und den übrigen Brüdern. 20. Als Petrus das Haus des Marcellus betrat, bemerkte er unter den Witwen eine alte blinde Frau. Von ihrer Tochter an der Hand geführt, wurde sie gerade in das Haus des Marcellus gebracht. Petrus sagte zu ihr: „Komm her, Mutter! Dir reicht Jesus vom heutigen Tage an seine Rechte. Durch ihn haben wir ein unzugängliches Licht, das von der Finsternis nicht ausgelöscht werden kann. Er lässt dir durch mich sagen: ‚Öffne die Augen, werde sehend und wandle allein!‘“ Und sogleich konnte die Witwe Petrus sehen, der ihr die Hand auflegte. Petrus trat in das Triclinium,71 als gerade das Evangelium gelesen wurde. Er rollte das Buch auf und sagte:72 „Ihr Geschwister, die ihr an Christus glaubt und auf ihn hofft! Ihr sollt wissen, wie die heilige Schrift unseres Herrn verkündet werden soll. Wir haben das, was wir verstehen konnten, durch seine Gnade aufgeschrieben. Es mag euch schwach scheinen, doch das, was vorgebracht wird, genügt für unser schwaches Fleisch. Wir müssen zuerst Gottes Willen, nämlich seine Güte, kennenlernen. Einst war Irrtum weit verbreitet, und Tausende von Menschen stürzten ins Verderben. So wurde der Herr durch seine Barmherzigkeit veranlasst, sich in anderer Gestalt zu zeigen, nämlich im Bilde eines Menschen, was weder die Juden noch wir in würdiger Weise erklären können. Denn jeder von uns sah ihn, so gut er konnte, je nach seinen Kräften. Nun aber will ich erklären, was euch vorgelesen worden ist.73 Unser Herr wollte mich seine Majestät auf dem heiligen Berge sehen lassen; als ich aber, gemeinsam mit den Söhnen des Zebedäus, sei71 Römische Speisezimmer hatten eine Fläche von ca. 4 x 6 m, so dass man sich einen kleinen Raum vorzustellen hat, in dem sich bis zu 50 Menschen drängen. Fünfzig Personen gelten als die ideale eucharistische Gemeinschaft (vgl. Mk 6,40). 72 Ein Lektor hatte gerade einen Abschnitt aus dem Evangelium vorgelesen. Petrus tritt ein und erklärt den Text in seiner Predigt. 73 Das Vorgelesene handelt von der Verklärung Jesu (Mt 17,1–8), die als Lieblingsthema des Petrus galt (2. Petr. 1,16–18).

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nen Lichtglanz sah, fiel ich wie tot nieder und schloss die Augen. Ich hörte seine Stimme in einer Weise, die ich nicht beschreiben kann. Ich glaubte, der Glanz seines Angesichts habe mir das Augenlicht geraubt. Ich konnte kaum atmen und sprach bei mir: ‚Vielleicht wollte mich mein Herr hierher führen, um mich des Augenlichts zu berauben.‘ Und ich sagte: ‚Wenn dies dein Wille ist, Herr, sträube ich mich nicht.‘ Da gab er mir die Hand und richtete mich auf. Als ich mich erhoben hatte, sah ich ihn wiederum so, wie ich ihn fassen konnte. Der barmherzige Gott, geliebte Geschwister, hat unsere Schwachheit getragen und unsere Vergehen auf sich genommen, wie der Prophet sagt: ‚Er trägt unsere Sünden und leidet Schmerzen für uns; wir aber glaubten, er sei in Schmerzen und von Wunden geplagt“ (Jes 53,4). Er ist im Vater und der Vater in ihm (vgl. Joh 10,38). Er selbst ist auch die Fülle der Majestät, alle seine Güter hat er uns gezeigt. Er hat gegessen und getrunken unseretwegen, obwohl er selbst weder hungerte noch dürstete. Unseretwegen hat er Beschimpfungen erduldet und ertragen. Für uns er ist gestorben und auferstanden. Als ich sündigte, hat er mich verteidigt und gestärkt durch seine Großmut. Er wird auch euch trösten, auf dass ihr ihn liebt – diesen Großen und ganz Kleinen, Schönen und Hässlichen, Jüngling und Greis, der in der Zeit erscheint und in Ewigkeit unsichtbar ist, den eine menschliche Hand nicht berührt, und der doch jetzt von seinen Dienern berührt wird, den das Fleisch nicht gesehen hat und doch jetzt sieht, ihn, das Wort, das nicht gehört werden kann, doch jetzt bekannt ist. Er kann nicht leiden und wurde dem Leiden unterworfen, er kann nicht gezüchtigt werden und wurde doch gezüchtigt. Er, der vor der Welt ist, wurde nun in der Zeit wahrgenommen. Er ist aller Herrschaft Anfang, und wurde doch Fürsten ausgeliefert. Herrlich, aber unter uns niedrig. Arm, aber für uns sorgend. Das ist Jesus für euch, Geschwister: die Tür, das Licht, der Weg, das Brot, das Wasser, das Leben, die Auferstehung, die Erquickung, die Perle, der Schatz, der Same, die Fülle, das Senfkorn, der Wein54

stock, der Pflug, die Gnade, der Glaube, das Wort. Er ist alles und keiner ist größer als er. Ihm sei Lob in alle Ewigkeit. Amen.“ 21. Als die neunte Stunde74 vorüber war, erhob man sich zum abschließenden Gebet. Da machten sich mit einem Mal alte, blinde, noch ungläubige Witwen, von deren Anwesenheit Petrus nichts wusste, bemerkbar. Sie sagten zu Petrus: „Wir sitzen hier zusammen, Petrus, in der Hoffnung auf Jesus Christus und im Glauben an ihn. Eine von uns hast du sehend gemacht. Bitte, Herr Petrus, teile auch uns Christi Barmherzigkeit und Liebe mit!“ Petrus sagte zu ihnen: „Wenn ihr den Glauben an Christus habt und er gefestigt ist, dann seht ihr im Geiste, was ihr mit den Augen nicht sehen könnt. Auch bei geschlossenen Ohren ist der innere Sinn nicht beeinträchtigt. Eure Augen werden wiederum geschlossen werden, wenn sie nichts anderes sehen wollen als Menschen und Rinder und stumme Tiere und Steine und Holz, aber Jesus Christus nicht. Aber jetzt, Herr, möge dein milder und heiliger Name diesen Blinden da zu Hilfe kommen! Berühre ihre Augen, so dass sie mit eigenen Augen sehen!“ Kaum hatten alle gebetet, erstrahlte das Triclinium, in dem sie sich befanden, wie wenn es blitzt, doch in einem Glanz, wie er in den Wolken zu sein pflegt. Es war nicht ein Licht wie tagsüber, sondern unbeschreiblich, unfassbar, wie es kein Mensch beschreiben kann, ein Licht, das uns so blendete, dass wir75 um unsere Sinne kamen, zum Herrn riefen und sprachen: „Erbarme dich unser, Herr, erbarme dich deiner Knechte! Nur was wir ertragen können, Herr, das tue uns an; doch in dieses Licht können wir nicht blicken, wir können es nicht ertragen.“ Während wir auf dem Boden lagen, standen nur die Witwen aufrecht, sie waren ja blind. Das helle Licht aber, das uns erschien, drang in ihre Augen und machte sie sehend. Da forderte sie Petrus auf: „Berichtet, was ihr gesehen habt.“ Sie gaben zur Antwort: „Wir haben einen Greis gesehen, dessen Gestalt wir nicht beschreiben können.“ Andere sagten: „Wir haben einen 74 Mitten am Nachmittag. 75 Wie schon in Kapitel 1 und 4 greift der Autor zur 1. Person Plural, gibt also vor, als Zeuge und Mitglied der Gemeinde zu schreiben.

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heranwachsenden jungen Mann gesehen.“ Wieder andere sagten: „Wir haben einen Knaben gesehen, der unsere Augen zart berührte; so wurden uns die Augen geöffnet.“ Petrus pries den Herrn und sagte: „Du allein bist Gott der Herr! Wie viele Lippen wären nötig, dich zu loben und dir zu danken, sodass es dem Maß deiner Barmherzigkeit entspricht! Darum, Geschwister, wie ich es euch eben erst erklärt habe: Gott übersteigt unsere Vorstellungskraft. Das zeigt sich an den alten Witwen im Triclinium,76 die den Herrn in verschiedener Gestalt gesehen haben.“ 22. Petrus ermahnte alle, sich nach Kräften um Erkenntnis des Herrn zu bemühen.77 Dann begann er, zusammen mit Marcellus und anderen Brüdern, den Jungfrauen des Herrn78 zu dienen,79 denn diese sollten sich bis zum Morgen ausruhen. Zu den Jungfrauen sagte Marcellus: „Ihr heiligen und unberührten Jungfrauen des Herrn, hört her! Ihr könnt in meinem Haus bleiben. Denn was als mein Eigentum gilt, wem sonst sollte es gehören als euch? Geht also nicht fort von hier, sondern erholt euch gut. Morgen am Sabbat wird Simon mit Petrus, dem Heiligen Gottes, sich im Kampf messen. Wie nun der Herr immer mit uns gewesen ist, so möge Christus der Herr auch ihm jetzt beistehen – ihm, seinem Apostel! Petrus fährt fort zu fasten, und zwar streng, um den bösen Feind, den Verfolger der Wahrheit des Herrn, zu besiegen. Meine Diener melden mir gerade, was sie gesehen haben: Auf dem Forum werden Tribünen aufgebaut, und die Leute sagen: ‚Hier werden morgen bei Tagesanbruch80 zwei Juden einen Streit ausfechten wegen einer Sache, die Gott betrifft.‘ So lasst uns bis zum Morgen wachen und beten. Wir wollen unseren Herrn Jesus Christus bitten, unsere Fürbitte für Petrus zu erhören.“

76 Gegen den Text ist triclinii zu lesen (statt tredecim). 77 Eine Aufforderung, sich christliches Wissen anzueignen. 78 „Jungfrauen des Herrn“: vermutlich Ehrentitel der genannten Witwen und alten Frauen. 79 „Dienen“ meint hier: eine Mahlzeit reichen und das Ruhelager bereiten. 80 Schauspiele beginnen am frühen Vormittag und ziehen sich lange hin.

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Der Traum des Marcellus Für kurze Zeit nickte Marcellus ein. Als er wieder erwachte, sagte er zu Petrus: „Petrus, Apostel Christi! Lasst uns mutig ans Werk gehen! In meinem kurzen Schlaf sah ich dich an erhöhter Stelle sitzen, vor dir eine große Menschenmenge. Ich sah ein hässliches Weib – sie sah aus wie eine Äthiopierin, nicht wie eine Ägypterin, ganz schwarz, in schmutzige Lumpen gehüllt. Sie tanzte, eine eiserne Kette um den Hals, mit Ketten an Händen und Füßen. Als du sie bemerktest, sagtest du ganz laut zu mir: ‚Marcellus, die Tänzerin, das ist die Kraft Simons und seines Gottes. Schlag ihr den Kopf ab.‘ Ich entgegnete: ‚Bruder Petrus, ich bin Senator und von vornehmer Familie. Niemals habe ich meine Hände mit Blut befleckt. Nicht einmal einen Sperling habe ich getötet.‘ Kaum hattest du das gehört, fuhrst du fort zu rufen: ‚Komm, Jesus Christus, unser wahres Schwert! Schlage dem Dämon das Haupt ab, zerschlage auch alle seine Glieder – vor den Augen aller, die ich für deinen Kriegsdienst gemustert habe.‘ Sogleich nahm einer das Schwert und hieb sie in Stücke – einer, der dir, Petrus, glich. Gebannt starrte ich auf euch beide – auf dich und auf jenen, der dir so ganz ähnlich war und den Dämon niedergestreckt hat. Dann erwachte ich, und so kann ich dir jetzt von diesem Zeichen Christi berichten.“ Als Petrus gehört hatte, was Marcellus im Traum erlebt hatte, fasste er noch größeren Mut, denn der Herr sorgt überall für die Seinen. Voll Freude und bestärkt durch diesen Traumbericht erhob er sich und begab sich zum Forum. Simon der Magier und Petrus auf dem Forum von Rom unter den Augen der ganzen Stadt 23. Die Brüder und ganz Rom strömten zusammen. Für einen Aureus81 bekam man einen Platz auf der Tribüne. Es kamen auch Senatoren, Präfekten und Beamte. Als Petrus eingetroffen war, stellte er sich in die Mitte. Die Menge wurde laut: „Zeige uns, Petrus, wer dein Gott ist, oder was das für eine Macht ist, auf die du deine Zuversicht gründest!“ 81 Die mit ca. 7 g Gold wertvollste römische Münze. Einen Platz auf der Tribüne konnten sich nur wenige leisten.

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„Sei den Römern nicht missgünstig – sie sind Liebhaber der Götter.“ „Wir kennen die Beweise82 des Simon; wir wollen auch die deinen sehen. Zeigt uns, wem wir wirklich glauben können.“ Und während sie dies riefen, kam auch Simon hinzu. Bestürzt trat er an die Seite des Petrus und blickte ihn an. Ein Rededuell zwischen Petrus und Simon Nach langem Schweigen sagte Petrus: „Ihr Männer von Rom, ihr sollt zwischen uns richten. Ich behaupte, an den lebendigen und wahren Gott zu glauben. Ich verspreche, euch Beweise zu liefern. Diese sind eigentlich schon bekannt; dafür können viele von euch Zeugnis ablegen. Wie ihr seht, schweigt dieser, weil er bereits widerlegt worden ist. Ihn habe ich aus Judäa vertrieben wegen der Betrügereien, die er an Eubula, einer hochangesehenen, aber einfältigen Frau, mittels seiner Zauberkraft verübt hat. Von dort von mir vertrieben, kam er hierher im Glauben, er könne unter euch verborgen bleiben. Doch da steht er nun vor mir, von Angesicht zu Angesicht. Sage, Simon, bist du nicht in Jerusalem mir und Paulus zu Füßen gefallen, als du die Heilungswunder gesehen hast, die durch unsere Hände geschahen, und sagtest: ‚Ich bitte euch, nehmt Geld von mir, soviel ihr wollt, damit auch ich die Hand auflegen und solche Taten vollbringen kann‘ (vgl. Apg 8,18–19)? Als wir aber das gehört hatten, haben wir dir geflucht: ‚Glaubst du, du könntest uns mit Geld locken?‘ Und jetzt fürchtest du nichts? Mein Name ist Petrus, denn der Herr Christus hat mir aus Gnade den Namen verliehen: ‚zu allem parat‘.83 Denn ich glaube an den lebendigen Gott; mit seiner Hilfe werde ich deine Zauberkünste vernichten. Jetzt möge Simon die wunderbaren Dinge, die er zu verrichten pflegt, auch in eurer Gegenwart verrichten. Was ich euch soeben über ihn gesagt habe, wollt ihr es mir nicht glauben?“ Simon aber entgegnete: „Du nimmst dir heraus, von dem Nazarener Jesus zu sprechen. Als Sohn eines Zimmermanns war er selbst 82 Gemeint sind seine Wundertaten. 83 Wortspiel „Petrus – paratus“, nach dem Wort des Petrus: „Herr, ich bin bereit (paratus), mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“ (Lk 22,33). Da „Petrus“ im Griechischen „Fels“ oder „Stein“ bedeutet, funktioniert das Wortspiel nur in der lateinischen Fassung der Taten des Petrus.

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Zimmermann. Seine Familie stammt aus Judäa. Höre, Petrus, die Römer haben Verstand! Sie sind keine Toren.“ Und ans Volk gewandt sagte er: „Ihr Männer von Rom, wird ein Gott geboren? Wird er gekreuzigt? Wer einen Herrn hat, ist kein Gott.“ Als er dies sagte, gaben ihm viele Beifall: „Du hast recht gesprochen, Simon.“ 24. Petrus aber erwiderte: „Verflucht seien die Worte, die du gegen Christus führst! Du hast die Frechheit, so zu sprechen, obwohl der Prophet von ihm sagt: ‚Wer kann von seiner Herkunft berichten?‘ (Jes 53,8) Und ein anderer Prophet: ‚Und wir haben ihn gesehen, und er hatte weder Gestalt noch Schönheit.‘ (Jes 53,2) Und: ‚In den letzten Zeiten wird ein Knabe vom heiligen Geist geboren; seine Mutter kennt keinen Mann, und es sagt auch keiner, er sei sein Vater.‘84 Und wiederum sagt er: ‚Sie hat geboren und hat nicht geboren.‘85 Und wiederum: ‚Ist es denn ein ganz kleines Ding, euch einen Kampf zu bieten? Siehe, im Leibe wird eine Jungfrau empfangen‘ (Jes 7,13–14), und ein anderer Prophet sagt, um die Gebärerin86 zu ehren: ‚Wir haben weder ihr Stöhnen gehört, noch ist eine Hebamme dazugekommen.‘87 Ein anderer Prophet sagt: ‚Er ist nicht aus dem Schoß einer Frau geboren, sondern von einem himmlischen Ort herabgestiegen‘,88 und: ‚Ein Stein ist losgehauen worden ohne Hände, und hat alle Reiche zertrümmert‘ (Dan 2,34), und: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden‘ (Ps 118,22). Er nennt ihn den ‚auserwählten, kostbaren Stein‘ (Jes 28,16). Und wiederum sagt der Prophet von ihm: ‚Und siehe, ich habe ihn auf einer Wolke kommen sehen wie einen Menschensohn.‘ (Dan 7,13) Was soll ich noch fortfahren? Ihr Männer von Rom, wärt ihr mit den prophetischen Schriften vertraut, könnte ich euch alles erklären. Zuerst haben die Schriften geheimnisvoll geredet, und dann wurde das Reich Gottes vollendet. Aber dies wird euch später eröffnet wer84 Zitat aus unbekannter Quelle. 85 Ezechiel-Apokryphon, Fragment 3. 86 Lies parturientem (statt patrem). 87 Himmelfahrt des Jesaja (Ascensio Jesaiae) 11,14. 88 Zitat aus unbekannter Quelle.

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den. – Und jetzt zu dir, Simon! Tu irgendeines von diesen Wundern, durch die du sie verführt hast, und ich will es durch meinen Herrn Jesus Christus zunichte machen.“ Simon fasste Mut und sagte: „Wenn es der Präfekt erlaubt.“ Simon tötet einen Sklaven – Petrus erweckt ihn und den Sohn einer Witwe 25. Der Präfekt aber wollte beiden Parteien guten Willen zeigen, um nicht als pflichtvergessen zu gelten. Daher führte er selbst einen seiner Sklaven vor und sagte zu Simon: „Nimm diesen, lass ihn sterben.“ Zu Petrus: „Du aber erwecke ihn wieder.“ Zur Volksmenge aber sagte er: „Entscheidet ihr, wer von den beiden Gott wohlgefällig ist – jener, der tötet, oder jener, der lebendig macht.“ Sogleich flüsterte Simon dem Knaben, der sterben sollte, etwas ins Ohr, und er fiel tot um, ohne einen Laut von sich zu geben. Ein Raunen ging durch die Menge. Eine von den Witwen, die bei Marcellus versorgt wurde, stand hinter der Volksmenge und rief: „Petrus, Diener Gottes! Mein Sohn ist gestorben, der einzige, den ich hatte.“ Das Volk machte ihr Platz und sie wurde zu Petrus geführt. Sie warf sich ihm zu Füßen und sagte: „Ich hatte einen einzigen Sohn. Er verschaffte mir mit seiner Arbeit den Lebensunterhalt. Er stützte mich, er trug mich. Wer wird mir nun, da er tot ist, die Hand reichen?“ Petrus gab zur Antwort: „Geh und bringe deinen Sohn vor diesen Zeugen herbei. Durch Gottes Kraft wird er auferstehen. Sie sollen es sehen und zum Glauben kommen.“ Als sie das hörte, brach sie zusammen. Zu den jungen Männern sagte Petrus: „Hier gibt es etwas zu tun für junge Männer – für solche, die glauben wollen.“ Sogleich erhoben sich dreißig junge Männer, bereit, sie zu tragen und ihren toten Sohn herbeizuschaffen. Kaum aber war die Witwe wieder zu sich gekommen, wurde sie von den jungen Männern aufgehoben. Mit lauter Stimme rief sie:89 „Mein Sohn, der Diener Christi schickt nach dir.“ Dabei raufte sie sich die Haare und zerkratzte sich das Gesicht. Die jungen Männer, die gekommen waren, untersuchten die Nase des Knaben und prüften, ob er wirklich tot sei. Er war tot. Als sie es festgestellt 89 Inzwischen ist die Witwe beim Leichnam ihres Sohnes angekommen.

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hatten, trösteten sie seine Mutter und sagten: „Wenn du wirklich an den Gott des Petrus glaubst, heben wir ihn auf und bringen ihn zu Petrus, damit er ihn auferwecke und ihn dir wiedergebe.“ 26. So also sprachen die jungen Männer. Auf dem Forum sah der Präfekt Petrus an und sprach: „Was sagst du dazu, Petrus? Siehe, der Sklave liegt tot da. Obwohl ihn auch der Kaiser gern hat, habe ich ihn nicht geschont. Ich habe viele Sklaven zur Verfügung, doch weil ich dich prüfen will und deinen Herrn, den du verkündest, wollte ich diesen einen sterben lassen – und sehen, ob ihr wirklich zuverlässig und rechtschaffen seid.“ Petrus aber gab zur Antwort: „Gott lässt sich nicht herausfordern oder prüfen, Agrippa! Doch wird er geliebt und angerufen, erhört er, die dessen würdig sind. Nun aber wird mein Gott und Herr Jesus Christus herausgefordert, obwohl er schon solche Zeichen und Wunder zur Bekehrung der Sünder durch mich getan hat. Und nun, Herr, erwecke vor aller Augen den von Simons Berührung Getöteten – durch meine Stimme und deine Kraft!“ Zum Herrn des Sklaven aber sagte Petrus: „Komm her, halte seine Rechte! Lebendig wird er mit dir gehen.“ Der Präfekt eilte herbei, kam zum Knaben, ergriff dessen rechte Hand – und erweckte ihn zum Leben. Als die Menge das sah, riefen alle: „Es gibt nur einen Gott! Nur den einen Gott des Petrus!“90 27. Unterdessen wurde der Sohn der Witwe von den jungen Männern auf einer Bahre herbeigetragen. Das Volk machte ihnen Platz, und sie brachten ihn zu Petrus. Petrus erhob die Augen zum Himmel, breitete die Hände aus91 und sprach: „Heiliger Vater deines Sohnes Jesus Christus! Christus hat uns die Kraft verliehen, durch ihn92 zu bitten und zu erlangen, und alles, was in dieser Welt ist, zu verachten, und dir allein zu folgen. Von wenigen willst du gesehen werden, doch von vielen erkannt. Strahle auf, Herr, leuchte, erscheine,93 erwecke den Sohn der greisen Witwe, die sich ohne ihren Sohn nicht helfen 90 Solche im Sprechchor gerufenen Akklamationen sind in der Antike üblich; ein Beispiel bietet die Apostelgeschichte. Zwei Stunden lang schreit das Volk im Theater: „Groß ist die Artemis der Epheser.“ (Apg 19,34) 91 Man betete mit ausgebreiteten Händen (1. Tim 2,8). 92 Im Text: „dich“. 93 Gott als Sonne oder Licht ist geläufige Bildersprache, vgl. Mal 3,20–21.

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kann! So sage ich zu dir mit den Worten meines Herrn Christus: ‚Jüngling, steh auf und wandle‘ (Lk 7,14) mit deiner Mutter, so lange du ihr nützen kannst! Später aber wirst du mir zur Verfügung stehen und kannst einen höheren Dienst leisten – als Diener des Bischofs.“ Und sogleich erhob sich der Tote. Die Menge sah es und staunte, und das Volk rief: „Du bist Gott und Retter.“ „Du Gott des Petrus, unsichtbarer Gott und Retter!“94 Und sie redeten untereinander und staunten über die Kraft eines Menschen, der nur ein Wort brauchte, um Hilfe von seinem Herrn zu erhalten. Sie bekehrten sich.95 Simon versucht, den toten Senator Nicostratus zu erwecken 28. Die Kunde von dem Wunder verbreitete sich schnell in der ganzen Stadt. Die Mutter eines Senators drängte sich durch die Menge, fiel Petrus zu Füßen und sagte: „Von meinen Leuten habe ich gehört, du seist ein Diener des barmherzigen Gottes. Allen, die danach verlangen, teilst du sein Licht und seine Gnade mit. Teile auch meinem Sohn das Licht mit. Man sagt, du seist keinem Menschen missgünstig. Der Bitte einer Mutter kannst du dich nicht verschließen.“ Petrus fragte sie: „Glaubst du an meinen Gott, durch den dein Sohn auferstehen wird?“ Unter Tränen rief die Mutter mit lauter Stimme: „Ich glaube, Petrus, ich glaube.“ Alles Volk rief: „Schenke der Mutter den Sohn!“ Petrus aber sprach: „Lass ihn hierher bringen, vor diese Zeugen.“ Und zum Volk sagte er: „Männer von Rom! Ich bin einer von euch, von menschlichem Fleisch und Sünder, doch ich habe Gottes Erbarmen erlangt. Daher richtet euer Augenmerk nicht auf mich, denn Wunder wirke ich nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Kraft meines Herrn Jesus Christus, der Richter ist über Lebende und Tote. Im Vertrauen auf ihn und von ihm gesandt, wage ich es, ihn zu bitten, er möge Tote erwecken. Also, Frau, geh und lass deinen Sohn herbeibringen und auferwecken.“ Die Frau drängte sich wieder durch die Menge, erreichte die Straße und eilte in großer Freude und gläubigen Herzens nach Hause. 94 Typische antike Akklamationen. 95 Wörtlich: „Sie nahmen es auf zur Heiligung.“

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Zusammen mit ihren Sklaven brachte sie den Toten zum Forum. Mit Mützen96 auf dem Kopf ließ sie ihre Sklaven vor der Bahre schreiten und alles tragen, was sie für die Bestattung des Leichnams benötigte. Durch dieses Schauspiel sollte Petrus Mitleid mit dem Toten und mit ihr selbst empfinden. Gefolgt von einer Schar von Senatoren und vornehmen Frauen, welche die Wundertat Gottes sehen wollten, gelangten sie unter allgemeiner Totenklage zur Menge. Der Tote, Nicostratus, war ein angesehener, im Senat beliebter Mann. Sie trugen ihn heran und setzen die Bahre vor Petrus ab. Petrus gebot Stillschweigen und sagte mit lauter Stimme: „Männer von Rom! Jetzt soll eine gerechte Entscheidung zwischen mir und Simon gefällt werden! Wer von uns glaubt an den lebendigen Gott, er oder ich? Wenn er den Leichnam hier auferwecken kann, dann glaubt an ihn als einen Boten Gottes. Vermag er es nicht, werde ich zu meinem Gott rufen und der Mutter ihren Sohn lebendig wiedergeben. Dann wisst ihr: Simon, der eure Gastfreundschaft genießt, ist ein Zauberer und Verführer.“ Alle hörten es, und es schien ihnen gut, was Petrus gesagt hatte. Sie ermahnten Simon mit folgenden Worten: „Jetzt zeige öffentlich, was du kannst!“ „Gib Petrus dem Spott preis, oder du wirst selbst dem Spott preisgegeben.“ „Was zögerst du noch? Auf, los!“ Während ihn alle so drängten, stand Simon schweigend da. Als sie verstummten und auf seine Antwort warteten, erhob Simon die Stimme und sprach: „Männer von Rom! Wenn ich vor euren Augen den Toten erwecke, werft ihr dann Petrus aus der Stadt?“ Und das ganze Volk rief: „Wir werfen ihn nicht nur hinaus, sondern werfen ihn sogleich ins Feuer.“ Simon trat zum Haupt des Toten, beugte sich dreimal zu ihm nieder und richtete sich dreimal wieder auf. Dann verwies er das Volk auf das Ergebnis: Der Tote habe den Kopf erhoben und bewegt, die Augen aufgeschlagen und sich zu Simon hingeneigt. Sogleich wollten sie Holz und Brennmaterial zusammensuchen, um Petrus den Flammen zu übergeben. Doch Petrus

96 Freigelassene Sklaven durften den pileus, die phrygische Mütze, tragen.

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empfing die Kraft Christi, erhob die Stimme und wandte sich gegen die, die ihn anschrien: „Jetzt verstehe ich, ihr Leute von Rom: Mit Verlaub – ihr seid albern und töricht! Eure Augen, eure Ohren und euer Herz sind verblendet. Euer Sinn ist umnachtet, ihr seid verzaubert und merkt es nicht, denn ihr glaubt, der Tote sei auferstanden, obwohl er sich gar nicht erhoben hat. Ich könnte schweigen, Männer von Rom, stumm in den Tod gehen und euch dem Blendwerk dieser Welt überlassen. Doch mir steht die Strafe des unauslöschlichen Feuers vor Augen.97 Wenn ihr wollt, soll der Tote sprechen, sich lebend erheben, mit eigenen Händen die Binden vom Kinn lösen, seine Mutter rufen und euch Lärmende fragen: ‚Warum macht ihr Lärm?‘, und euch mit der Hand ein Zeichen geben. Seht doch: Er ist noch tot, und ihr steht unter dem Bann der Zauberei. Simon, der euch überredet hat, Christus zu verlassen, soll sich von der Bahre entfernen. Dann könnt ihr den Toten sehen – er ist noch so, wie er herbeigetragen wurde.“ Der Präfekt verprügelt Simon, Petrus erweckt den toten Nicostratus Agrippa, der Präfekt, konnte nicht mehr an sich halten. Mit den Händen schlug er auf Simon ein. Der Tote lag immer noch da wie zuvor. Wutentbrannt wandte sich das Volk von Simon ab und begann zu rufen: „Höre, mein Herr!98 Der Tote steht nicht auf. Also soll Simon, und nicht Petrus, verbrannt werden!“ „Er hat uns wirklich betrogen.“ Doch Petrus erhob die Hand und sagte: „Männer von Rom, habt Geduld! Ich dränge euch nicht, Simon nach der Auferweckung des Knaben zu verbrennen. Wenn ich euch bitte, würdet ihr es ja tun.“ Da rief das Volk: „Auch wenn du’s nicht willst, Petrus, wir werden es tun.“ Darauf Petrus: „Wenn ihr darauf beharrt, wird sich der Knabe nicht erheben. Wir sollen nicht Böses mit Bösem vergelten, sondern unsere Feinde lieben und für unsere Verfolger beten (vgl. Mt 5,44). Es 97 Das Höllenfeuer, dem die törichten Römer anheimfallen werden. 98 Im Text steht die Anrede „Cäsar“, die für den Präfekten nicht passt. Offenbar wurde griechisch KR = kyrie fälschlich als kaisar aufgelöst.

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wäre besser für Simon, Buße zu tun; Gott gedenkt dann nicht mehr des Bösen. Möge er zur Erkenntnis Christi gelangen! Gelingt ihm das nicht, dann bleibt ihm das Schicksal seines Vaters, des Teufels.99 Befleckt nicht eure Hände!“ Kaum hatte er das gesagt, trat er zum Knaben. Bevor er zur Erweckung schritt, sagte er zu der Mutter: „Wie steht es um diese Leute? Du hast sie zu Ehren deines Sohnes freigelassen; wenn dein Sohn wieder lebt, sollen sie ihrem Herrn als Freigelassene dienen. Ich weiß, viele hätten ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken: Wenn dein Sohn aufersteht, sollen sie wieder seine Sklaven sein. Nein, sie alle sollen Freigelassene bleiben, aber versorgt werden wie bisher. Wenn dein Sohn auferstanden ist, sollen sie bei ihm bleiben.“100 Petrus wartete eine Weile auf ihre Antwort. Dann sagte die Mutter des Knaben: „Was könnte ich anderes tun? So will ich vor dem Präfekten erklären: Alles, was ich für die Bestattung meines Sohnes aufwenden wollte, soll ihnen zufallen.“ Darauf Petrus: „Und das übrige soll an die Witwen verteilt werden.“ Petrus freute sich von Herzen. Vom Geist Gottes erfüllt sprach er: „Herr, du bist barmherzig! Unablässig hast du Barmherzigkeit und Güte geübt. Jesus Christus, erscheine deinem Petrus, der dich anruft. Diese sollen die Freiheit erlangen, um dienen zu können – in ihrer Gegenwart soll sich Nicostratus erheben!“ Petrus berührte die Brust des Knaben und befahl: „Steh auf!“ Der Knabe stand auf, hob das Gewand, setzte sich, löste sein Kinn und bat um andere Kleider. Er stieg von der Bahre und sagte zu Petrus: „Bitte, mein Herr, lasst uns zu unserem Herrn Jesus Christus gehen. Ich sah, wie er mit dir sprach. Er wies auf mich und sagte zu dir: ‚Führe ihn zu mir, er ist mein.‘“ Als Petrus dies hörte, wuchs seine Zuversicht durch den Beistand des Herrn. Er sagte zum Volk: „Männer von Rom! So stehen Tote wieder auf: Sie erheben sich, reden miteinander, tun Schritte, solange Gott es will. Ihr, die ihr zu einem Schauspiel zusammengekommen seid: Wollt ihr euch jetzt nicht von allen euren schlechten Taten und allen euren Göt 99 Ewige Verbannung in die Hölle. 100 Petrus schlägt ein übliches Vorgehen vor: Sklaven werden zu Freigelassenen, bleiben jedoch im Haushalt ihres früheren Besitzers.

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zen bekehren, von jeglicher Unreinheit und Begierde? Kommt zum Glauben und empfangt die Gemeinschaft mit Christus und erlangt so das ewige Leben.“ 29. Von dieser Stunde an verehrten sie Petrus wie einen Gott, zu seinen Füßen hingestreckt. Und die Kranken, die sie zu Hause hatten, brachten sie zu ihm, damit er sie heile. Als aber der Präfekt sah, wie groß die Zahl der Leute war, die Petrus anhingen, befahl er Petrus, sich zu entfernen. Petrus aber sagte zum Volk, sie möchten ins Haus des Marcellus kommen. Die Mutter des Nicostratus dagegen bat Petrus, er möge doch den Fuß in ihr Haus setzen.101 Petrus aber hatte beschlossen, am Tag des Herrn102 zu Marcellus zu gehen, um die Witwen zu sehen, denen Marcellus versprochen hatte, Petrus werde sie mit eigener Hand bedienen. Und Nicostratus, der auferstanden war, sagte: „Ich verlasse Petrus nicht.“ Seine Mutter kehrte freudig und frohen Mutes in ihr Haus zurück. Am folgenden Tag, dem Tag nach dem Sabbat, kam sie ins Haus des Marcellus und brachte Petrus zweitausend Goldstücke. Zu Petrus sagte sie: „Verteile es an die Jungfrauen Christi,103 die ihm dienen!“ Nicostratus aber, der von den Toten auferstanden war, hatte noch nie jemand etwas geschenkt. Als er sich dessen bewusst wurde, eilte er nach Hause, öffnete seine Truhe und brachte viertausend Goldstücke. Zu Petrus sagte er: „Siehe, auch ich, der Auferweckte, bringe dir eine doppelte Gabe – das Geld und mich selbst vom heutigen Tage an als sprechendes Opfer für Gott.“ Petrus nimmt Geld von einer Frau von zweifelhaftem Ruf 30. Am Tag des Herrn sprach Petrus zu den Brüdern und ermahnte sie zum Glauben an Christus. Viele Senatoren, mehrere Ritter, reiche Frauen und vornehme Damen waren anwesend, und alle wurden im Glauben gestärkt. Darunter war auch eine sehr reiche Frau. Sie hatte den Beinamen Chryse, „die Goldene“, weil alle ihre Gefäße aus Gold waren – von jeher hatte sie weder ein silbernes noch ein glä101 Um bei ihr Quartier zu nehmen, statt bei Marcellus. Petrus folgt ihrer Einladung nicht. 102 Am Sonntag. 103 Vgl. Anm. 78.

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sernes Gefäß in Gebrauch, sondern nur goldene. Sie sagte zu Petrus: „Petrus, Diener Gottes! Im Traum erschien mir der, den du Gott nennst, und sprach zu mir: ‚Chryse, bringe meinem Diener Petrus zehntausend Goldstücke. Du schuldest sie ihm.‘ Ich bringe sie nun aus Furcht, mir könnte sonst etwas Schlimmes widerfahren von dem, den ich gesehen habe und der dann in den Himmel entschwand.“ Kaum hatte sie dies gesagt, legte sie das Geld nieder und entfernte sich. Als Petrus es sah, pries er den Herrn, weil die Darbenden nun erquickt werden konnten. Einige der Anwesenden aber waren entrüstet: „Petrus, ist es nicht ein Fehler, dieses Geld von ihr anzunehmen?“ „Sie ist in ganz Rom wegen Unzucht im Gerede. Man sagt, sie sei nicht mit einem Manne zufrieden; sogar mit ihren eigenen Sklaven treibe sie es.“ „Habe keine Gemeinschaft mit ihrem Gold! Schicke zurück, was von ihr kam.“ Als Petrus dies hörte, lachte er und sagte zu den Brüdern: „Was diese Frau ihrem sonstigen Lebenswandel nach ist, geht mich nichts an. Wenn ich dieses Geld empfangen habe, dann nicht ohne Grund. Als Schuldnerin Christi hat sie es mir dargebracht. Sie schenkt es den Dienern Christi, denn Christus selbst sorgt für sie.“104 31. Am Sabbat brachten man Kranke zu ihm und bat, sie von ihren Beschwerden zu heilen. Viele wurden geheilt: Gelähmte, Gichtbrüchige und Menschen, die an dreieinhalbtägigem und viertägigem Fieber105 litten. Wer an den Namen Jesu Christi glaubte, wurde von aller körperlichen Krankheit geheilt. Tag für Tag wurden viele zur Gemeinde hinzugefügt – durch die Gnade des Herrn.

104 Soll sich die Gemeinde von Menschen etwas schenken lassen, mit deren Lebenswandel oder Lehre sie nichts zu tun haben will? Die Antworten gingen auseinander. Bekannt ist, wie die Gemeinde von Rom mit den von Marcion gestifteten 200.000 Sesterzen umging: Als Marcion im Jahr 144 aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde, gab man ihm den Betrag zurück. Vgl. Tertullian, Gegen Marcion IV 4,3 (Rückgabe); ders., Prozessreden gegen die Häretiker 30 (Betrag). 105 Fieber, das den Kranken jeden vierten Tag befällt (Quartanfieber).

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Simon fliegt vor aller Augen und stürzt ab Kaum waren einige Tage vergangen, da versprach Simon der Magier dem Volk, Petrus zu überführen, weil dieser nicht an den wahren, sondern an einen falschen Gott glaube. Unterdessen waren nämlich seine zahlreichen Betrügereien von den nunmehr gefestigten Jüngern verspottet worden. In den Speisezimmern hatte er Geister zu ihnen hereinkommen lassen, die nur ein Scheinleben führten, aber nicht in Wirklichkeit lebten. Und was soll ich noch weiter sagen? Obwohl von vielen der Zauberei überführt, fuhr er fort, Lahme für kurze Zeit als gesund erscheinen zu lassen, ebenso Blinde. Viele Tote, so mochte man meinen, habe er lebendig gemacht und in Bewegung versetzt, so wie bei Nicostratus. Petrus aber hatte alles verfolgt und Simon vor Augenzeugen bloßgestellt. Stets hatte er eine schlechte Figur gemacht und den Spott des einfachen Volkes von Rom auf sich gezogen. Man schenkte ihm kein Vertrauen mehr, weil er Dinge zu tun versprach, die er nicht tun konnte. Schließlich sagte er zu ihnen: „Männer von Rom! Ihr glaubt jetzt, Petrus sei mächtiger als ich und mir überlegen, und deshalb steht ihr auf seiner Seite. Ihr seid im Irrtum. Morgen werde ich euch gottloses und frevlerisches Volk verlassen und hinauffliegen zu Gott, dessen Kraft ich bin, wenn auch schwach geworden. Wenn ihr nun gefallen seid, seht, ich bin der Stehende.106 Ich gehe empor zum Vater und werde ihm sagen: ‚Auch mich, deinen Sohn, den Stehenden, wollten sie zu Fall bringen. Doch ich habe mich auf sie nicht eingelassen, sondern bin zu mir selbst107 emporgestiegen.‘“ 32. Schon am folgenden Tag strömte eine große Menschenmenge auf der Via sacra108 zusammen, um Simon fliegen zu sehen. Um das Schauspiel zu beobachten, kam auch Petrus dorthin, damit er ihn ein weiteres Mal widerlege. Simon stand an einer erhöhten Stelle, erblickte Petrus und begann zu reden: „Petrus, jetzt, wo ich empor106 „Der Stehende“ (hestōs), nämlich der unbewegt Dastehende, ist ein Ausdruck für „Gott“ im mittleren Platonismus (vgl. Platon, Timaios 40B). 107 Simon beansprucht, in den Himmel zurückzukehren, der seine ursprüngliche Heimat sei. 108 Die „heilige Straße“, eine der Hauptstraßen des antiken Rom, nach heutigen Begriffen eine Fußgängerzone.

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steige vor aller Augen, sage ich dir: Ist dein Gott mächtig, er, den die Juden getötet haben – die auch euch, die von ihm Auserwählten, gesteinigt haben –, dann möge er zeigen, dass der Glaube an ihn der Glaube an einen Gott ist. An diesem Geschehen wird sich offenbaren, ob er solchen Glauben verdient. Denn was mich betrifft, so steige ich nun empor. Ich will diesem ganzen Volk zeigen, wer ich wirklich bin.“ Und siehe, er hob sich in die Höhe! Alle sahen ihn über ganz Rom und über seine Tempel und Hügel schweben. Die Gläubigen blickten auf Petrus. Angesichts des wundersamen Schauspiels rief Petrus zum Herrn Jesus Christus: „Wenn du diesen tun lässt, was er unternimmt, dann werden alle verunsichert, die zum Glauben an dich gekommen sind. Die Zeichen und Wunder, die du ihnen durch mich gegeben hast, werden unglaubwürdig. Herr, erzeige schnell deine Gnade! Lass ihn abstürzen! Er soll sich verletzten, doch nicht sterben. Er soll unschädlich werden, indem er den Schenkel an drei Stellen bricht!“ So stürzte er vom Himmel herab und brach seinen Schenkel an drei Stellen. Man bewarf ihn mit Steinen und ging nach Hause. Seitdem genoss Petrus das Vertrauen aller. Einer aber von den Freunden Simons, ein Mann namens Gemellus, mit einer Griechin verheiratet, hatte Simon viel gegeben. Er war herbeigeeilt, hatte ihn mit gebrochenem Schenkel gesehen, und gesagt: „Simon, wenn die ‚Kraft Gottes‘ zerbrochen ist, ist dann nicht auch der Gott, dessen Kraft du bist, erschöpft?“ Eilends folgte Gemellus dem Petrus und sagte zu ihm: „Auch ich will einer von denen sein, die an Christus glauben.“ Petrus entgegnete: „Das sei dir gewährt, mein Bruder! Komm und bleibe bei uns.“ Der unglückliche Simon aber fand einige, die ihn des Nachts auf einer Tragbahre von Rom nach Aricia brachten. Dort blieb er, wurde aber dann nach Terracina gebracht, zu einem Mann mit Namen Castor, der wegen Zauberei aus Rom vertrieben worden war. In Terracina wurde Simon, der Bote des Teufels, ärztlich behandelt und fand sein Ende. 33. In Rom aber freuten sich Petrus und die Brüder im Herrn. Tag und Nacht dankte Petrus für die große Zahl der Menschen, die dem Namen des Herrn Jesus Christus täglich durch die Gnade Gottes zugeführt wurden. 69

Fromme Frauen verweigern sich, von Petrus angestiftet, ihren Männern Zu Petrus kamen auch die vier Konkubinen des Präfekten Agrippa: Agrippina, Icaria, Euphemia und Doris. Als sie seine Predigt über die keusche Lebensweise gehört hatten und alle Worte des Herrn, waren sie betroffen. Sie verabredeten untereinander, keusch zu bleiben und sich dem Lager des Agrippa fernzuhalten.109 Dieser aber bedrängte sie täglich. Agrippa war verdrossen und ungehalten, denn er liebte sie sehr. So ließ er sie beobachten und herausfinden, wohin sie gingen. Wie er erfahren konnte, gingen sie zu Petrus. Als sie von Petrus kamen, sagte er zu ihnen: „Dieser Christ hat euch gelehrt, mit mir keinen Verkehr mehr zu pflegen. Nun, so will ich euch zugrunde richten und ihn bei lebendigem Leibe verbrennen.“ Gestärkt von der Kraft Christi, ertrugen sie alle Schikanen des Agrippa; doch von ihm ließen sie sich nicht mehr beflecken. 34. Eine weitere Frau aber, Xantippe, die Gattin des Albinus, eines Freundes des Kaisers, war von besonderer Schönheit. Zusammen mit anderen vornehmen Frauen ging auch sie zu Petrus. Auch sie versagte sich ihrem Gemahl. Wütend, in leidenschaftlicher Liebe zu Xantippe und erbost über die Zurückweisung, wurde Albinus wild wie ein Tier. Für Albinus war Petrus an der Aufhebung der Gemeinschaft des Bettes schuld; ihn wollte er töten. Noch viele andere Frauen wurden von der Keuschheitspredigt des Petrus überzeugt und trennten sich von ihren Männern. Auch Männer trennten ihr Lager von dem der eigenen Frauen, denn sie wollten Gott rein und würdig dienen. So entstand in Rom eine gewaltige Unruhe. Albinus aber offenbarte Agrippa, was ihm widerfahren war. Er sagte: „Schaffe mir Recht gegen Petrus, der mich meiner Frau entfremdet hat, andernfalls gehe selber gegen ihn vor.“ Agrippa gestand, Petrus habe ihm dasselbe Unrecht zugefügt. Darauf Albinus: „Was zögerst du noch, Agrippa? Wir können ihn festnehmen und besei109 Historisch verbürgt ist dieser Vorgang nicht, doch schildert Justin der Märtyrer einen ähnlichen Fall aus dem 2. Jahrhundert (Justin, Apologie II 2). Erzählungen über eheliche Enthaltsamkeit finden sich mehrfach in den apokryphen Apostelgeschichten, insbesondere in den Taten des Andreas und den Taten des Thomas.

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tigen als einen, der sich in alles einmischt, und so uns rächen. Dann werden wir unsere Frauen wiedergewinnen – und auch den anderen Männern Recht schaffen, denen er die Frauen abspenstig gemacht hat, die sich aber nicht rächen können.“ Petrus will Rom verlassen, doch Christus erscheint ihm unterwegs 35. Während sie ihre Pläne ausheckten, erfuhr Xantippe von der Unterredung ihres Mannes mit Agrippa. Sie schickte zu Petrus und offenbarte ihm die Sache, damit er Rom verlasse. Auch Marcellus und die übrigen Brüder forderten ihn dazu auf. Petrus aber fragte sie: „Soll ich die Flucht ergreifen, Brüder?“ Sie aber entgegneten: „Nein, aber um dem Herrn dienen zu können, sollst du am Leben bleiben – um unseretwillen.“ Er fügte sich dem Wort der Brüder und machte sich auf, Rom allein zu verlassen, hatte er doch gesagt: „Keiner von euch soll mit mir kommen. Ich will ganz allein weggehen, sobald ich das Gewand gewechselt habe.“110 Als er aber das Stadttor durchschritten hatte, sah er den Herrn nach Rom hereinkommen.111 Er blickte ihn an und sagte: „Herr, was führt dich her?“ Und der Herr gab zur Antwort: „Ich gehe nach Rom hinein, um gekreuzigt zu werden.“ Und Petrus sagte zu ihm: „Mein Herr, wirst du ein zweites Mal gekreuzigt?“ Er antwortete: „Ja, Petrus, ich werde ein zweites Mal gekreuzigt.“ Kaum hatte sich Petrus besonnen und gesehen, wie der Herr in den Himmel auffuhr, da kehrte er nach Rom zurück. Voll Freude pries er den Herrn, weil dieser selbst gesagt hatte, er werde ein zweites Mal gekreuzigt. Das aber sollte an Petrus geschehen. 36. Petrus ging nun wieder zu den Brüdern hinauf in die Stadt und berichtete ihnen von der Erscheinung, die er gehabt hatte. Sie aber wurden in der Seele betrübt, weinten und sagten: „Wir beschwö110 Petrus will Reisekleidung anlegen und sich gleichzeitig unkenntlich machen. Nur in Verkleidung kann die Flucht gelingen. 111 Die bekannte Szene spiegelt eine andere, ebenso bekannte: Vor Damaskus wird Paulus durch eine Erscheinung und ein Wort Christi zum Glauben berufen (Apg 9), vor Rom Petrus zum Märtyrer. Während Paulus fragt: „Herr, wer bist du?“, fragt Petrus: „Herr, was führt dich her?“

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ren dich, Petrus, nimm auf uns, die Neulinge im Glauben,112 Rücksicht!“ Darauf Petrus: „Wenn es der Wille des Herrn ist, geschieht es, auch wenn wir nicht wollen. Der Herr ist mächtig genug, euch im Glauben zu stärken und auf festen Grund zu stellen. Euch hat der Herr selbst gepflanzt; auch ihr werdet andere pflanzen und ihnen seine Lebenskraft vermitteln. Ich aber verweigere mich nicht, solange mich der Herr am Leben lassen will. Doch wenn er mich hinwegnehmen will, juble ich und freue ich mich.“ Petrus wird gefangengenommen, gekreuzigt und gibt eine Geheimlehre preis Während Petrus so redete und alle Brüder weinten, ergriffen ihn vier Soldaten (vgl. Apg 12,4) und schleppten ihn zu Agrippa. Dieser, liebeskrank, befahl ihn zu kreuzigen. Nun lief die Menge der Brüder zusammen – Reiche und Arme, Waisen und Witwen, Machtlose und Mächtige. Sie wollten Petrus sehen und ihn befreien. Die aufgebrachte Menge schrie unablässig und wie aus einem Mund: „Was für ein Verbrechen hat Petrus begangen, Agrippa?“ „Was hat er dir Böses getan? Sag es den Römern!“ „Es kommt zu einem Aufstand in Rom, wenn dieser stirbt!“ Unterdessen war Petrus am Ort der Kreuzigung angekommen. Petrus beruhigte die Volksmenge und sagte: „Männer, die ihr für Christus Kriegsdienste leistet; Männer, die ihr auf Gott eure Hoffnung setzt; Männer, die das Leben in Christus haben! Seid eingedenk der Zeichen und Wunder, die ihr bei mir gesehen habt. Denkt an das Erbarmen Gottes, der unter euch viele Heilungen geschehen ließ. Harrt seiner! Er wird kommen und jedem nach seinen Taten vergelten. Doch zürnt dem Agrippa nicht; er ist nur Diener, ausgestattet mit dem Wesen, der Macht und Kraft seines Vaters.113 Alles geschieht ganz so, wie es mir der Herr geoffenbart hat. Warum soll ich noch zögern und nicht zum Kreuz gehen?“ 37. Am Kreuz angekommen und dort stehend, hob er an zu sprechen:

112 Die Neubekehrten. 113 Mit dem „Vater“ ist der Teufel gemeint.

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„O Name des Kreuzes, gänzlich verborgenes Geheimnis! O unaussprechliche Gnade, die mit dem Namen des Kreuzes ausgesprochen ist! O Natur des Menschen, die vom Kreuz nicht getrennt werden kann! O Liebe, unsagbar und untrennbar, die sich von unreinen Lippen nicht aussprechen lässt! Jetzt, am Ende meines irdischen Lebens, muss ich dir, o Mensch, dein Wesen, enthüllen. Das in meiner Seele verschlossene und verborgene Geheimnis des Kreuzes kann ich nicht mehr verschweigen. Ihr, die ihr auf Christus hofft: Nicht der sichtbare Gegenstand soll euch als Kreuz gelten; denn das wirkliche Kreuz ist etwas anderes als das, was sichtbar vor euch steht. Ihr, die ihr hören könnt, könnt es von mir hören, von einem, der in der letzten, der Abschiedsstunde seines Lebens steht. Hört her: Von allem sinnlich Wahrnehmbaren haltet eure Seelen fern, von allem Erscheinenden, denn es ist nicht wirklich. Verschließt die Augen des Leibes, verschließt die Ohren, und erkennt, was durch Christus geschehen ist, das ganze Geheimnis eures Heils, das überall verkündet, doch nicht ganz gehört werden konnte. (Und dies soll zu euch, die ihr es hört, gesagt sein, als wäre es nicht gesagt.114) Die Stunde aber ist da für dich, Petrus,115 deinen Leib den Häschern zu übergeben. Nehmt ihn also hin, er gehört euch. Ich bitte euch, Henker: Kreuzigt mich mit dem Kopf nach unten, nicht anders! Den Grund werde ich denen sagen, die mir zuhören.“ 38. Als sie ihn in der Weise, wie er es erbeten hatte, gekreuzigt hatten, fuhr er fort zu sprechen: „Ihr Männer, die ihr hören könnt, vernehmt, was ich jetzt, da ich am Kreuz hänge, euch öffentlich kundtun will!116 Erkennt das 114 Diese Aufforderung zur Geheimhaltung steht nicht in allen Handschriften. 115 Petrus spricht zu sich selbst. 116 Petrus gibt in seiner Todesstunde die esoterische Lehre preis, die er bisher geheimgehalten hatte. Damit wird der Anspruch bestimmter christlicher Kreise auf höheres Wissen zumindest erzählerisch legitimiert. Im Mittelpunkt der esoterischen Lehre steht folgender Gedanke: Der erste Mensch ist wie bei der Geburt mit dem Kopf voran auf die Erde gekommen; er blieb in dieser

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Geheimnis der gesamten Schöpfung und wie der Anfang aller Dinge gewesen ist: Der erste Mensch – dessen Gestalt ich abbilde, mit dem Haupt nach unten – besaß eine Entstehung, die mit dem Tod nichts zu tun hatte; tot war nur die Natur und ihre Bewegung. Als er niedergekommen war und seine Herrschaft auf die Erde geworfen hatte, formte er die Gesamtheit aller Dinge nach seinem Bild, so dass das Rechte nach links und das Linke nach rechts zeigte. Er änderte alle Zeichen der Natur, so dass das Nichtschöne als schön und das von Natur aus Schlechte als gut erschien. Dazu gibt es ein geheimnisvolles Wort des Herrn: ‚Wenn ihr nicht das Rechte zum Linken macht, und das Linke zum Rechten, und das Untere zum Oberen, und das Hintere zum Vorderen, werdet ihr nicht in das Reich Gottes eingehen.‘117 Das könnt ihr nun durch mich verstehen. Die Art, in der ihr mich am Kreuz hängen seht, ist das Abbild des Menschen, der niedergekommen und ins Dasein getreten ist. Ihr nun, meine Geliebten, die ihr es jetzt hört und die ihr es hören werdet, ihr müsst ablassen vom ersten Irrtum. Ihr müsst zum ursprünglichen Zustand wieder zurückkehren, indem ihr hinaufsteigt auf das Kreuz des Herrn. Das Kreuz ist das ausgebreitete Wort, das einzige und alleinige, über das der Geist sagt: ‚Denn was ist Christus anderes als das Wort, der Schall Gottes‘118 – das ‚Wort‘ aber ist der aufrecht stehende Balken, an dem ich gekreuzigt bin. Der Schall aber, die menschliche Natur, ist der Querbalken; der Nagel schließlich, der den Querbalken am aufrecht stehenden Balken befestigt, meint die Umkehr und Sinnesänderung des Menschen. 39. Dies hast du mir kundgetan und offenbart, o Wort des Lebens, das ich das Lebensholz nenne. Dafür danke ich dir, nicht mit diesen Lippen, auf die mein Sprechen angewiesen ist, auch nicht mit der Zunge, die Wahrheit und Lüge äußert, auch nicht mit dem Wort, das durch irdische Kunst geformt wird, sondern mit jener Stimme danke ich dir, die durch Schweigen vernommen wird. Sie geht nicht aus den Haltung und hat deshalb alles falsch gemacht. Die Umkehrung aller Dinge erfolgte durch Christus am Kreuz: Hier wurde dem Menschen ein Bild des aufrecht stehenden, alles richtig beurteilenden Menschen vor Augen gestellt. 117 In einigen außerbiblischen Quellen überliefertes Jesuswort. 118 Zitat aus unbekannter Quelle.

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Organen des Körpers hervor, dringt nicht in fleischliche Ohren ein, wird nicht von vergänglichen Wesen gehört, ist nicht in der Welt, ertönt nicht auf Erden, ist nicht in Büchern aufgeschrieben, wird nicht von dem einen gehört, von dem andern nicht. Vielmehr mit Schweigen – deiner Stimme –, Jesus, danke ich dir. Geistig pflege ich Umgang mit dir, indem ich dich liebe, mit dir spreche und dich sehe. Nur für den Geist bist du erkennbar. Du bist mir Vater, Mutter, Bruder, Freund, Diener, Hausverwalter. Du bist mir alles, und alles ist in dir gegründet, und es gibt keinen Retter außer dir. – Zu ihm nehmt auch ihr, Brüder, Zuflucht, und werdet so neu. Wie ihr wisst, könnt ihr nur von ihm das erlangen, was er verheißt: ‚Was weder ein Auge gesehen hat, noch ein Ohr gehört hat, noch in ein sündiges Menschenherz gekommen ist‘ (1.Kor 2,9). Ich bitte dich nun, mir das zu geben, was du verheißen hast,119 unbefleckter Jesus. Ich lobe dich, ich danke dir, ich flehe dich an, ich preise dich als schwacher Mensch, denn du allein bist der Retter meiner Seele, Gott und Herr allein, kein anderer ist Gott als du. Dir sei Ruhm, jetzt und in alle Ewigkeit.“ „Amen.“ 40. Als die anwesende Menge, gemeinsam mit ihm, mit lauter Stimme das „Amen“ ertönen ließ, gab der Apostel Petrus den Geist auf. Die Träume des Senators Marcellus und des Kaisers Nero Als Marcellus sah, dass der selige Petrus seinen Geist aufgegeben hatte, nahm er ihn mit eigenen Händen vom Kreuz, ohne sich mit jemand zu beraten, was auch nicht möglich gewesen wäre. Er wusch ihn mit Milch und Wein. Er zerrieb sieben Pfund Mastix und fünfzig Pfund Myrrhe, Aloë und Gewürz und salbte den Leichnam. Er legte ihn in einen großen, wertvollen, mit attischem Honig gefüllten Sarkophag.120 Der Apostel Petrus aber erschien Marcellus bei Nacht 119 Das Eingehen in den Himmel. 120 Einige Handschriften fügen hinzu: „und setzte ihn in seinem eigenen Grab bei“ (vgl. Mt 27,60).

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und sagte: „Marcellus, hast du nicht gehört, was der Herr gesagt hat: ‚Lass die Toten ihre Toten begraben‘ (Mt 8,22)?“ Als Marcellus die Frage bejaht hatte, fuhr Petrus fort: „Was du für den Toten aufgewendet hast, hast du verloren. Denn obgleich du lebendig bist, hast du wie ein Toter für einen Toten gesorgt.“121 Vom Schlaf erwacht, berichtete Marcellus den Brüdern von der Erscheinung, und sie wurden von Petrus im Glauben an Christus gestärkt. Noch mehr aber wurde er selbst gestärkt – bis zur Rückkehr des Paulus nach Rom. 41. Als Nero122 nachträglich erfuhr, Petrus sei aus dem Leben geschieden, tadelte er den Präfekten Agrippa, weil er Petrus ohne vorherige Rücksprache mit ihm getötet hatte. Denn er hatte ihm eine härtere Strafe und grausamere Züchtigungen zugedacht. Petrus hatte nämlich auch einige seiner Sklaven unterwiesen und sie ihm auf diese Weise abspenstig gemacht. Daher war Nero sehr erzürnt und redete geraume Zeit nicht mehr mit Agrippa. Alle von Petrus unterwiesenen Brüder wollte Nero vernichten. Doch eines Nachts erblickte er im Traum eine Gestalt, die ihn mit Geißelhieben schlug und dabei sagte: „Nero, es ist dir nicht gestattet, die Diener Christi zu verfolgen oder zugrunde zu richten. Lass die Hände von ihnen!“ Infolge des Traumgesichts wurde Nero von großer Furcht ergriffen, und er ließ ab von den Jüngern in jener Zeit, in der Petrus aus dem Leben schied. Fortan eines Sinnes (Apg 2,46), freuten sich die Brüder, jubelten über den Herrn und priesen den Vater und den Sohn und den heiligen Geist. Ihm sei Ehre in alle Ewigkeit. Amen. Friede allen Brüdern – den Lesern und den Zuhörern. Die Taten des Petrus und des Simon sind in Frieden zu Ende. Amen.123

121 Anspielung auf das eben zitierte Wort Jesu (Mt 8,22; Lk 9,60). 122 Die Erwähnung Neros greift auf das Ende des 1. Kapitels zurück. Dort ist es allerdings Paulus, nicht Petrus, der unter Nero sterben soll. Seit etwa 170 n. Chr. schrieb man Paulus wie Petrus den Märtyrertod in Rom zu (Eusebius, Kirchengeschichte II 25,8). 123 Dieser Schlussvermerk findet sich nur in der lateinischen Fassung.

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Anhang I – Die Tat des Petrus (Fragment eines koptischen Textes) Warum die Tochter des Petrus halbseitig gelähmt ist und er sie nicht heilen will 1. Am ersten Wochentag, dem Tag des Herrn, versammelte sich eine Menschenmenge. Man brachte viele Kranke zu Petrus, damit er sie heile. Einer aus der Menge aber erkühnte sich und sagte zu Petrus: „Sieh her, Petrus, vor unseren Augen lässt du viele Blinde wieder sehen, Taube wieder hören, Lahme wieder gehen. Schwachen gibst du Kraft. Deiner jungfräulichen Tochter aber, die zu einer schönen Frau herangewachsen ist und an den Namen des Herrn glaubt – warum hilfst du ihr nicht? Schau, sie ist halbseitig gelähmt; dort drüben liegt sie verkrüppelt in der Ecke. Wir schauen zu, wie du andere heilst, um deine eigene Tochter aber kümmerst du dich nicht.“ Petrus lachte und entgegnete: „Mein Sohn, nur Gott weiß, warum ihr Leib nicht gesund ist. Wisse dies: Gott ist nicht schwach und unfähig, meiner Tochter die Gabe der Gesundheit zu verleihen! Aber damit deine Seele überzeugt sei und alle Anwesenden im Glauben wachsen“ – er blickte seine Tochter an und sagte zu ihr: „Steh von deinem Platz auf! Keiner soll dir die Hand reichen außer Jesus selbst! Dann bewege dich gesund vor allen, und komm zu mir her!“ Sie erhob sich und ging zu ihm. Die Menge jubelte über das, was ­geschehen war. Petrus sagte zu ihnen: „Seht, eure Herzen sind nun überzeugt worden: Gott fehlt nicht die Macht, alles zu tun, worum wir ihn bitten.“ Da jubelten sie umso mehr und priesen Gott. Dann sagte Petrus zu seiner Tochter: „Geh zurück an deinen Platz! Setze dich und werde wieder verkrüppelt, denn das ist gut für dich und für mich.“ Das Mädchen ging zurück, setzte sich an ihren Platz und ward wie zuvor. Die ganze Menge aber brach in Tränen aus und flehte Petrus an, sie zu heilen. Petrus aber sagte zu ihnen: „So wahr der Herr lebt, das ist gut so für sie und für mich. Denn am Tag, als sie geboren wurde, hatte ich ein Gesicht. Der Herr sprach zu mir: ‚Petrus, heute wird dir eine schwere Prüfung auferlegt, denn dieses Mädchen wird vielen Seelen zum Verhängnis, wenn sein Leib gesund bleibt.“ Ich dachte, 77

das Gesicht halte mich zum Narren. Doch kaum war das Mädchen zehn Jahre alt, da wurde es für viele zur Anfechtung. Ptolemäus, ein wohlhabender Mann, hatte gesehen, wie sie zusammen mit ihrer Mutter badete.124 Er schickte nach dem Mädchen, um es zur Frau zu nehmen. Als sich ihre Mutter von ihm nicht überreden ließ, fuhr er dennoch fort, um seine Hand zu bitten. Er wollte nicht warten.“ [An dieser Stelle fehlt ein Blatt des Manuskripts. Der Inhalt lässt sich ungefähr so rekonstruieren: Ptolemäus entführt das Mädchen. Als er sie zum Verkehr zwingen will, ist sie plötzlich halbseitig gelähmt. Auf diese Weise bleibt ihr die Entehrung erspart. Einem Hinweis bei Augustinus lässt sich noch entnehmen, warum es gerade eine Lähmung war, die eintrat: Petrus selbst hatte Gott angefleht, seine Tochter mit Lähmung zu schlagen, damit sie nicht vergewaltigt werden könne (vgl. Augustinus, Contra Adimantum Manichaeum 17).] 2. „Die Diener des Ptolemäus brachten das Mädchen, setzten es vor der Pforte des Hauses ab und entfernten sich. Als seine Mutter und ich es bemerkten, gingen wir hinunter und fanden das Mädchen: Es war halbseitig gelähmt und verkrüppelt, von den Zehen bis zum Haupt. Wir nahmen es auf und dankten Gott dafür, dass er seine Dienerin vor Befleckung, Verunreinigung und Verderben bewahrt hatte. Aus diesem Grund blieb das Mädchen in diesem Zustand bis auf den heutigen Tag. Nun sollt ihr auch erfahren, wie es Ptolemäus erging. Tag und Nacht grämte er sich über das, was ihm zugestoßen war. Durch die vielen Tränen, die er vergoss, erblindete er. Gerade als er sich anschickte, sich zu erhängen, zur neunten Stunde,125 als er allein war in seinem Schlafgemach, da sah er ein großes Licht, welches das ganze Haus erleuchtete. Er hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: ‚Ptolemäus, Gott gibt die Frauen126 nicht dem Verderben und der 124 Vorbild der Szene ist vielleicht die Geschichte von David und der badenden Batseba (2. Sam 11,2–3); auch an die badende Susanna mag man denken (Zusätze zum Buch Daniel). 125 Mitten am Nachmittag; offenbar hatte Ptolemäus eine ausgedehnte Siesta gehalten. 126 Wörtlich „Gefäße“. Schon Paulus verwendet „Gefäß“ (skeuos) als Bezeichnung für eine Frau (1. Thess 4,4); vgl. Anm. 10.

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Verunreinigung preis. Da du an mich glaubst, darfst du meine Jungfrau, die du als Schwester behandeln sollst, nicht verunreinigen, denn ich bin derselbe Geist, der euch beide erfüllt. Erhebe dich und eile zum Haus des Apostels Petrus, und du wirst meine Herrlichkeit schauen. Er wird dir die Augen öffnen.‘ Ptolemäus zögerte nicht. Er befahl seinen Dienern, ihn zu führen und ihn zu mir zu bringen. Bei mir angekommen, berichtete er mir alles, was durch die Kraft unseres Herrn Jesus Christus geschehen war. Er erhielt das Licht seiner Augen wieder – der Augen seines Leibes und der Augen seiner Seele. Viele, die es sahen, setzten ihre Hoffnung auf Christus; der erwies ihnen Wohltaten und gab ihnen Gesundheit als die Gabe Gottes. Danach verstarb Ptolemäus; er schied aus dem Leben und ging zu Christus seinem Herrn. In seinem Testament hatte er meiner Tochter ein Grundstück vermacht, denn durch sie war er zum Glauben an Gott und zum Heil gekommen. Die Verwaltung des Grundstücks, das mir anvertraut wurde, nahm ich mit großer Sorgfalt wahr. Ich verkaufte das Grundstück und, wie Gott weiß, behielt weder ich selbst noch meine Tochter etwas vom Erlös des Verkaufs zurück,127 vielmehr verteilte ich alles unter den Armen. Das wisse nun, o Diener Christi Jesu: Gott sorgt für die Seinen. Er richtet es für jeden so ein, wie es gut für ihn ist. Und trotzdem meinen wir, Gott habe uns vergessen. Also, Brüder, lasst uns klagen, wachen und beten! Gottes Güte128 wird auf uns herabschauen, solange wir ihrer harren.“ Petrus fuhr mit seiner Rede noch fort. Er pries den Namen des Herrn Christus und reichte jedem etwas vom Brot.129 Nachdem er es ausgeteilt hatte, erhob er sich und ging nach Hause. Die Tat des Petrus.130

127 Petrus handelt nicht wie Hananias und Saphira, die ein Grundstück verkauften, aber nicht den gesamten Erlös der Gemeinde schenkten (Apg 5,1–11). 128 Gemeint ist: der gütige Gott. 129 Er feierte mit ihnen das Abendmahl. 130 Wie bei vielen antiken Texten steht der Titel nicht am Anfang, sondern am Ende.

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Anhang II – Aus den Taten des Petrus (Fragment eines griechischen Textes) Petrus spricht mit dem Satan und dessen Gefolge und weist sie in die Schranken 1. Indem er jede Stadt und das umliegende Land besuchte, kam Petrus bis Aschdod.131 Als es dunkel zu werden begann, begegnete ihm der Anführer der Dämonen (Mt 9,34), begleitet von seinen sieben132 Dienern. Der Anführer hatte die Gestalt eines Erzengels, geschmückt mit allen Merkmalen der Frömmigkeit. Auch die Dämonen, seine Diener, verhielten sich ganz ruhig und bescheiden. 2. Erschrocken wandte sich der selige Petrus an den Anführer der Dämonen: „Wer bist du? Woher kommst du? Was ist dein Geschäft? Wer sind diese deine Begleiter?“ Der gab zur Antwort: „Ich bin der Erzengel der Gerechtigkeit. Von den Begleitern, die du siehst, ist einer der Engel des Friedens, ein anderer der Engel der Enthaltsamkeit, ein weiterer der Engel der Keuschheit, und der hier, das ist der Engel der Langmut. Wie kommst du dazu, Petrus, so dreist zu fragen, wer wir sind und woher wir kommen? Wäre tatsächlich der Geist Gottes in dir, dann hättest du von selbst gewusst, wer wir sind und woher wir kommen, denn wir sind doch deine Waffenbrüder und Gefährten. Wir fürchten Christus und zittern vor dem, den du selbst fürchtest. Wenn du dich uns anschließen und dich an unserem Proviant gütlich tun willst, so wird es dir niemand verübeln. Wir sind mit deinen Taten gut vertraut: In der Stunde, als der Erlöser ausgeliefert wurde, hast du versichert, du werdest mit ihm sterben (Lk 22,33). Dann hast du ihn verleugnet, als die junge Frau, die mit uns im Bunde stand, dich befragte (Lk 22,56–57). Wir waren ja bei ihr.“133

131 Vermutlich von Jerusalem aus. Diese Stadt, westlich von Jerusalem in der Nähe des Mittelmeeres, ist in der Apostelgeschichte mit Philippus, nicht mit Petrus, verbunden (Apg 8,40). 132 „Sieben böse Dämonen“ kennt die Mythologie des alten Mesopotamien, des klassischen Landes der Schadensgeister. 133 „Wir waren ja bei dir“: Die Anwesenheit des Teufels und böser Geister ist in den Evangelien nicht belegt, ließ sich jedoch aus Mt 16,23 ergänzen.

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3. Als er das gehört hatte, schöpfte der selige Petrus Verdacht und dachte bei sich: „Könnte das nicht der Drache sein? Jener, der durch den Zaun ins Paradies kam, um Eva zu verführen?“ Als er so überlegte, bekreuzigte sich der selige Petrus von der Brust bis zur Stirn mit dem göttlichen Zeichen des Kreuzes.134 Nachdem er sich bekreuzigt hatte, sprach er ein Gebet. Er rief den erhabenen und unvergänglichen Namen unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus an, bekreuzigte sich abermals und zog einen Kreis135 um den Anführer und die Geister, die diesen begleiteten. Dann hob er die Hände zum Himmel, seufzte und rief mit lauter Stimme: „Mein Herr Jesus Christus, möge deine Herrlichkeit sich zeigen durch den heiligen Geist! Sind das hier, wie sie angeben, Engel aus deiner göttlichen Welt? Oder sind es Geister des Feindes von allem Guten?“ 4. Während Petrus so betete, bestürmte ihn der Anführer der Dämonen zusammen mit seinen Begleitern: „Warum erhebst du die Stimme, Petrus? Warum rufst du den Namen des Erlösers Jesus Christus an?“ „Gib uns einen Augenblick Gehör, und du erfährst die volle Wahrheit!“ Petrus entgegnete: „Beim lebendigen Christus, der euch gebunden136 hat: Wenn ihr nicht die Wahrheit sagt, werdet ihr diesen Kreis nicht verlassen!“ Der Teufel, der die Gestalt eines Erzengels hatte (2. Kor 11,14), sagte zu ihm: „Petrus, Petrus, hättest du den Namen des Erlösers nicht zweimal angerufen, dann hätte nur wenig gefehlt und wir hätten dich getäuscht. Doch weil auch wir den Namen des Erlösers fürchten, werde ich dir die ganze Wahrheit frei heraus ins Gesicht sagen: Ich bin der Teufel der Täuschung. Ich bin der Drache, der durch den Zaun ins Paradies kam, um Eva zu überreden (Gen 3). 134 Petrus scheint die Hand von der Brust (vom Herzen?) zur Stirn zu führen, während bei der heute üblichen Geste der Bekreuzigung die Hand zuerst an die Stirn geführt wird. 135 Er zieht auf dem Boden einen Bannkreis, den die Geister erst wieder verlassen können, als Petrus den Bann aufhebt (s. unten, Abschnitt 11). 136 Im Bannkreis, den Petrus um die Geister gezogen hat.

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Ich bin’s, der Kain die Waffe gab, seinen Bruder Abel zu erschlagen (Gen 4,8). Ich bin’s, der das Herz des Pharao verhärtet137 und die Israeliten zu Sklaven gemacht hat. Ich bin’s, der Judas eingegeben hat, Christus dem Tode auszuliefern (Lk 22,3). Ich bin’s, der Umkehr hasst und Sünde liebt. Ich bin der Genosse der Griechen138 und der Feind der Christen. Ich bin’s, der die Juden angestiftet hat, Christus zu kreuzigen und Barabbas freizulassen (Mk 15,6–15). Auf meinen Wink haben sie die Propheten getötet. Durch meine Schlechtigkeit bin ich mein eigener Herr geworden: Ich bin der Anführer der sechshundert Engel, die Gottes Gebot übertreten haben und vom Himmel gefallen sind.139 Ich bin’s, der den Erlöser in der Wüste versucht hat, als ihn der Hunger quälte (Lk 4,2–3). Ich bin’s, der Neid unter den Brüdern Josefs säte (Gen 37,4). Von mir kommen Lüge, Heuchelei, üble Rede und Hochmut. Von mir kommen Stolz und Überheblichkeit. Ich bin – durch meine Schlechtigkeit – der Untergang.“ Da ließ der heilige Petrus den Mund des Teufels verstummen. 5. Dann nahm er sich, mit einer unerbittlichen Geste der Reinigung,140 den zweiten Geist vor, um ihn zu befragen: „Was hat nun dich bewogen, dich in einen Engel des Lichts zu verwandeln? Sag mir auf der Stelle, wer du bist und was dein Geschäft ist!“ Er aber gab dem heiligen Petrus diese Antwort: „Ich bin der Geist der Bosheit. Ich bin’s, der die zu sich herbeiführt, die in der Ferne sind.141 Ich bin’s, der Beifall spendet, wenn junge Menschen verführt 137 Nach biblischer Darstellung hat Gott selbst das Herz Pharaos verhärtet, nicht der Teufel (Ex 7,3). 138 D. h. der Heiden. 139 Im Neuen Testament klingt der Mythos vom Engelsturz nur kurz an (2. Petr 2,4). 140 Vielleicht ist das Kreuzzeichen gemeint. 141 Die dem Bösen fern stehen, werden vom Geist der Bosheit zu sich geführt und geraten damit unter den Bann des Bösen; vgl. die umgekehrte Richtung Eph 2,13.

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werden. Ich bebe vor Vergnügen, wenn ich die verehrte Geistlichkeit zu Fall bringe, oder wenn’s mir gelingt, einen deiner Anhänger der Regel142 abspenstig zu machen.“ In der Kraft unseres Herrn Jesus Christus wies ihn der heilige Petrus zurecht und ließ auch den Mund dieses Geistes verstummen. 6. Da eilte der dritte Dämon herbei und sprach: „Heiliger Petrus, was willst du von mir wissen? Ich bin der Geist der Lüge. Ich war an deiner Seite, als du den Herrn verleugnet hast (Lk 22,56–57). Ich liebe Lügner, denn sie sind meine Freunde. Wer sündigt, lügt immer. Daher, wenn sie Unzucht begehen, nehmen sie teil an den Mysterien,143 um von anderen nicht entdeckt zu werden. Wie oft, heiliger Petrus, hast du Aufsehern und Ältesten die Hände aufgelegt144 – und doch sind sie als Lügner in der Hölle gelandet.“ Auch seinen Mund brachte Petrus zum Verstummen. 7. Dann rief er den vierten Geist und sagte zu ihm: „­Unreiner Geist (Mk 5,12), was trägst du zum üblen Geschäft bei, das ihr betreibt? Sofort heraus mit der Wahrheit!“ Der aber hob an mit lauter Stimme: „Heiliger Petrus, ich bin der Geist des Ehebruchs. Ich reiße den Gemahl von der Gemahlin los und lasse ihn Ehebruch treiben mit einer anderen. Und mit Frauen mache ich dasselbe. Wenn sie eine Leibesfrucht verheimlichen wollen, dann treiben sie diese ab. Wir verhexen Männer und Frauen, damit sie nicht in jene Herrlichkeit Gottes eingehen (Lk 24,26), aus der wir herausgefallen sind.“ Unter Eid ließ der heilige Petrus den Geist des Ehebruchs ­versichern, keinen Menschen mehr zu beschwatzen. 8. Vor Wut schnaubend herrschte der heilige Petrus auch den nächsten an: „Unreiner Geist, wer bist du? Aus welchem Land kommst du und was ist dein Geschäft?“ Der fünfte Geist sagte zum seligen Petrus: „Ich bin der Geist der Habgier. Ich bin’s, der Judas die Habgier eingab und ihn veranlasste, das Geld an sich zu bringen, das dem Tempelschatz gestiftet worden war. Ich bin’s, der sein Herz dazu brachte, den Herrn des Himmels und der Erde für dreißig Sil142 Verhaltenskodex der Christen. 143 Gemeint ist die Teilnahme am Abendmahl, von dem Sünder ausgeschlossen sind. 144 Um sie als Gemeindevorsteher einzusetzen.

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berlinge zu verkaufen (Mt 26,15). Von mir kommen Diebstahl und falscher Eid. So verlieren die Menschen nicht nur ihre Seele, sondern schaden auch ihrem Körper – durch Aussatz.“145 Auch ihm verschloss Petrus den Mund. 9. Dann trat der sechste Geist herzu und sagte voll Ärger und Zorn: „Geh doch und warne deine Jünger! Ich bin der Geist der bösen Zunge.146 Ich, die böse Zunge, freue mich und frohlocke, wenn Menschen miteinander streiten, wenn sie sich an die Kehle gehen und Blut vergossen wird. Doch wenn ich sehe, dass Menschen in Eintracht leben, dann gehe ich ein in einen von ihnen und gebe ihm eine böse Zunge – und dann kommt’s zu dem, woran wir Dämonen unsere Freude haben.“ Petrus, der Anführer der Apostel, ließ auch ihn kein weiteres Wort sagen. 10. Zum siebten Geist sagte Petrus: „Ich beschwöre dich bei dem unauslöschlichen Feuer (Mk 9,43), das dich verbrennen wird: Sage mir ganz genau, woher du kommst und über welche Kräfte du verfügst!“ Die Antwort lautete: „Warum willst du die Wahrheit wissen? Keiner von euch Menschen sagt seinem Nächsten die Wahrheit. Aus Neid belügt ihr andere und verleumdet sie. Ihr handelt so, wie es eigentlich uns zukommt, obwohl ihr das Ebenbild Gottes in euch tragt und Menschen heißt. Wir dagegen wagen nicht zu kommunizieren147 oder ein Gebet zu sprechen, denn wir wissen um unsere Sünde. Doch willst du die Wahrheit erfahren, heiliger Petrus, so höre: Du selbst warst der erste, der den Herrn verleugnet hat, danach war es einer namens Paulus – zusammen mit uns hat er die Kirche verfolgt und bekämpft (Apg 8,3). Viele verleumden andere und glauben, das sei keine Sünde. Durch üble Rede wurden wir von den Engeln, die wir waren, zu Dämonen und daher aus dem Paradies geworfen. Doch ihr habt in Christus einen, der auf die Person sieht,148 denn er bestraft uns, während er euch verschont, solange ihr Buße tut. Wenn 145 Anspielung auf die Erzählung von Gehasi, dessen Habgier mit Aussatz bestraft wurde (2. Kön 5,19–27). 146 Wörtlich: üble Rede, Beschimpfung. 147 D. h. das eucharistische Brot zu essen. 148 Gemeint ist: der eure Partei ergreift. Der Bibel gilt Gott als der, der jeden richtet „ohne Ansehen der Person“ (1. Petr 1,17).

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er nämlich die Hure, den Zöllner, den Verleugner, den Lästerer und den Verleumder in sein Reich aufnimmt, dann müsste er auch uns zusammen mit euch aufnehmen. Wehe uns, dass wir dir die ganze Wahrheit gesagt haben, Petrus! Jetzt kennst du unsere Listen und Nachstellungen und kannst in der Welt predigen, um uns alle zu entreißen, die es mit uns halten. Doch wenn du gepredigt hast, Petrus, sollen sie sich hüten, überhebliche und unangemessene Vorwürfe gegen uns zu erheben. Sie begehen die Sünde des Fleisches ganz von sich aus, und dann rufen sie: ‚Wehe dir, Satan!‘ Zwar bin ich Teufel, doch nicht ich bin’s, der sie zur Sünde verführt – sie straucheln ganz von selbst. Ich habe meine Macht eingebüßt, ich habe keine Kraft mehr. Für mich gibt es keinen Platz. Ich bin entwaffnet, denn überall sind die Menschen zu Christen geworden. Sie sollen auf sich selbst Acht haben, und nicht uns die Schuld zuschieben.“ 11. Sieben Tage lang vom seligen Petrus befragt, flehten die sieben unreinen Geister um Gnade, denn es gab keine Sünde mehr auf Erden. Am Ende der sieben Tage baten sie ihn abermals, und der Anführer der Dämonen wandte sich an den heiligen Petrus mit den Worten: „Petrus, Petrus! Höre damit auf, deinen Herrn zu belästigen! Was uns betrifft, so wirken wir auf Erden mit der Erlaubnis Christi, damit seine wahren Gläubigen erkannt werden (1. Kor 11,19). Alle, die sich von uns nicht verführen lassen, werden die Siegeskrone im Himmel erhalten (1. Petr 5,4). Wer jedoch durch unser Tun abtrünnig wird, auf den wartet, wie auf uns, die ewige Strafe, die allen angedroht ist.“ Nachdem er dies gehört hatte, hob Petrus das Bannzeichen des Kreuzes auf und entließ die Dämonen auf Jesu Christi Geheiß.

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Abkürzungen der biblischen Bücher

Die Schriften der Bibel werden in der „Kleinen Bibliothek“ mit folgenden Abkürzungen zitiert (in alphabetischer Reihenfolge): 1.  Tenach/Altes Testament Amos Buch Amos 1. Chr 1. Buch der Chronik 2. Chr. 2. Buch der Chronik Dan Buch Daniel Dtn Deuteronomium (5. Buch Mose) Esra Buch Esra Est Buch Ester (Esther) Ex Exodus (2. Buch Mose) Ez Buch Ezechiel (Hesekiel) Gen Genesis (1. Buch Mose) Hab Buch Habakuk Hag Buch Haggai Hiob Buch Hiob (Ijob) Hld Hoheslied Hos Buch Hosea Jer Buch Jeremia Jes Buch Jesaja Joel Buch Joel Jona Buch Jona Jos Buch Josua Klgl Klagelieder des Jeremia Koh Buch Kohelet (Prediger Salomo) 1. Kön 1. Buch der Könige 2. Kön 2. Buch der Könige Lev Levitikus (3. Buch Mose) Mal Buch Maleachi 86

Mi Nah Neh Num Ob Ps Ri Rut Sach 1. Sam 2. Sam Spr Zeph

Buch Micha Buch Nahum Buch Nehemia Numeri (4. Buch Mose) Buch Obadja Buch der Psalmen Buch der Richter Buch Rut (Ruth) Buch Sacharja 1. Buch Samuel 2. Buch Samuel Buch der Sprüche (Sprüche Salomos) Buch Zephanja

Apokryphe bzw. deuterokanonische Schriften Bar Buch Baruch Jud Buch Judit (Judith) 1. Makk 1. Makkabäerbuch 2. Makk 2. Makkabäerbuch Sir Buch Jesus Sirach (Ben Sira) Tob Buch Tobit Weish Buch der Weisheit (Weisheit Salomos) 2.  Neues Testament Apg Apostelgeschichte Eph Brief an die Epheser Gal Brief an die Galater Hebr Brief an die Hebräer Jak Brief des Jakobus 1. Joh 1. Brief des Johannes 2. Joh 2. Brief des Johannes 3. Joh 3. Brief des Johannes Joh Evangelium nach Johannes Jud Brief des Judas Kol Brief an die Kolosser 1. Kor 1. Brief an die Korinther 2. Kor 2. Brief an die Korinther 87

Lk Mk Mt Offb 1. Petr 2. Petr Phil Phlm Röm 1. Thess 2. Thess 1. Tim 2. Tim Tit    

Evangelium nach Lukas Evangelium nach Markus Evangelium nach Matthäus Offenbarung (Apokalypse) des Johannes 1. Brief des Petrus 2. Brief des Petrus Brief an die Philipper Brief an Philemon Brief an die Römer 1. Brief an die Thessalonicher 2. Brief an die Thessalonicher 1. Brief an Timotheus 2. Brief an Timotheus Brief an Titus

Abkürzungen für andere Schriften, die nur in einzelnen Bänden verwendet werden, sind dort erklärt.

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